Beiträge zur evangelischen Theologie Theolo~:;sche
Abhandlungen, herausgegeben von E. Wolf Band 49
ULRICH LUZ
DAS GES...
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Beiträge zur evangelischen Theologie Theolo~:;sche
Abhandlungen, herausgegeben von E. Wolf Band 49
ULRICH LUZ
DAS GESCHICHTSVERSTi\NDNIS DES PAULUS
CHR. KAISER VERLAG MüNCHEN 1968
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Alle llochte, auch die des ou_pweilen Nocbdrucb, 'on'd"' Wledetpbe uad der Ubenetzung, bei Cbr. ~ Verlag Muncbea. Umocblog: Ingeborg Geitb. - Prlnted in Gennoay ~tbero~ng: Prledrlcb Puo~, Regenoburg
INHALT Vorw01.1: Einleitung
9
11
Prolegomena I. üBERBLICK 'OBER R. 9-11
19 19
1. Der Ausgangspunkt 2. Das Thema von R. 9-11 . . 3. Zum Gedankengang von R. 9-11
22 25
Erster Teil: Vergangenheit und Gegenwart 11. DIE GEGENWÄRTIGE VERGANGENHEIT: DAS GOTTESWORT DES ALTEN TESTAMENTS . ..• • . ..••••
41
I
1. Vorbemerkungen • • •• .••••• 2. Hermeneutische Bewegungen und Geschichtsver....••. .•.••• ständnis A. Wörtlich verstandene Texte • • . • • • a) Rein haggadische Interpretation geschichtlicher Texte b) Beispielauffuhrangen • • • . • B. Zukunftsgerichtete Texte • . • • • a) Verheißung, Weissagung und Erßillung b) Typologie. • • • • . • • • C. Nicht wörtlich verstandene Texte: Die Allegorie •
3. Die Aufnahme alttestamentlicher Erzählungen in R. 9-11 . . . . . • • . . A. Vätertraditionen (R. 9,6-13) • . • • • Exkurs: Der Begriff bcGtyyaA(a. . • • • B. Mose- und Pharaoüberlleferungen (R. 9,14-18) Exkurs: Ein Paralleltext in Sap. 11-12 C. Eliatraditionen (R. 11,2-6). • . . • • D. Zusammenfassung • • . • . • • •
4. Die Aufnahme der übrigen alttestamentlichen Texte A. Hermeneutische Bewegung und zeitliche Distanz • • B. Die Gegenwart als Intetpretatiooshori2lont der SchriEt •
•
41 44 45 45 46 47 47 52 61 64 64 66 72 79 80 83 85 85 89
Inhalt
6
5. Traditionsgeschichtliche Erwägungen zur Schriftauslegung des Paulus . . . . . . . . . . . .
94
A. Paulus und die Schriftauslegung der vorpaulinischen Gemeinde . . . . a) Testimonien . . . . . . . . . b) die übrigen Zitate . . . . . . B. Paulus und die Schriftauslegung von Qumran C. Zusammenfassung . . . . . . . Exkurs: Paulus und das prophetische Geschichtsverständnis
94 95 99 102 107 108
6. Die eige.nen Aussagen des Paulus über seinen Schriftgebrauch • . . . 109 A. Die Schrift gUt für uns 110 a) R. IS,4f. . 110 113 116 117
b) R. 4,23tf. . c) 1. K. 9,9f. . d) 1 K. 10,11 .
B. Buchstabe und Geist (2. K. 3) C. Zusammenfassung . . •
123 134
III. DIE ABGETANE VERGANGENHEIT: GESETZ UND GESCHICHTE . . 136 1. Vorbemerkungen 2. Christus, des Gesetzes Ende A. R. 10,4: Problem und Fragestellung B. Parallelen. . . • . . . . a) 2. K. 3,4ff. . . . . . . b) Individual- und Universalgeschichte in GI. 3,1-4,7 C. Nochmals: R. 10,4 . . • . . . . . . .
3. Heilsgeschichte und Ich in R. 7.7.ff. . . . . 4. Gesetz. Verheißung und Geschichte (R. 4; GI. 3) . A. B. C. D.
R. 3,21-31 Aufbau und Thema von R. 4 . . . . . Abraham im Judentum und bei Paulus Verheißung und Gesetz in R. 4 und GI. 3,ISff.
5. Der Sinn des Gesetzes. . . . . . . 6. Eine Konzeption der Universalgeschichte in R. 5, 12ff.?
136 139 139 145 145
146 156 158 168 168 173 177 182 186 193
1. Exkurs: Zum Problem der paulinischen Ontologie. . . 211 2. Exkurs: Zur Genesis der paulinischen Gesetzeslehre. Eine Skizze 216
7. Zusammenfassung.
. • . • . • . . . • 222
Inhalt
7
IV. EINE GESAMTSCHAU DER GESCHICHTE? GOTTES PLAN UND PRÄDESTINATION. 1. Einleitung. • . . . . . . . . • 2.. Der Prädestinationsgedanke in Qumran . ,3'. Der Pridestinationsgedanke in R. 9,19-24 A. R. 9,19-21 . . . . . . . . . . B. R. 9,22f. . . . . . . . . . . . 4. Andere prädestinatianische Aussagen bei Paulus A. R. 8,28-30 . . . . . . . . . . . . B. Die Geretteten und die Verlorenen (1. K. 1,18; 2. K.2,25f.) C. Die Vorherbestimmung der Weisheit (1. K. 2,7). . . Exkurs: Zur Herkunft der paulinischen Prlidestioationsvorstellung . 5. Zusammenfassung • • . • . • . • • • • •
'227 '227 129 2.35 237
241 250 250 255 258 260 262
Zweit,er Teil: Zukunft und Gegenwart V. DIE ZUKUNFT ISRAELS (R. 11,25ff.) • 1. Vorbemerkungen 2. Israel als Gottesvolk A. Die Privilegien Israels (R. 9,4). . B. Israel als Gottes Baum (R. 11, 16tI.) 3. Das Fehlen Israels im Galaterbrief • 4. Die Zukunft Israds in R. 11,25lf. 5. Zusammenfassung . . • VI. üBERBLICK üBER DIE ZUKUNFTSAUSSAGEN BEI PAULUS 1. Kerygmatisch begründete Zukunftsaussagen 2. Parusie- und Gerichtsaussagen . . . VII. DIE ZUKUNFT DES GLAUBENS 1. 1.Th. 4,13-18. . . • . . • . • A. Die Situation der Gemeinde . . . . B. Das Ziel des Paulus: Hoffnung aufgrund des GlAubens. C. Das Herrenwort und seine Interpretation durch Paulus . 2. 1. K. 15,2.3-28 • • . . . . • A. Der Kontext von 2. K. 25,23ff. B. 1. K. 15,23-28: Aufbau und Aussage
268 268 • 269 269 274 279
286 300
301 303 310 318 318 318 3'22 326 332 332 339
8
Inhalt C. Traditionsgeschichdiches zu 1. K. 15,24-28. . • • . D.1. K. 15,23-28 im Vergleich mit anderen eschatologischen Aussagen bei Paulus • . . • • • • • • • •
343
352
VIII. DAS VERHÄLTNIS VON GEGENWART UND ZUKUNFT . . . . . . . . . . . 359 359 1. Die Zukunftsvorstellungen von 2. K. 5,1ff. 369 2. Heil- und Heillosigkeit in R. 8,18-39 . A. Denk- und Zeitstrukturen von R. 8,18-39 369 B. R. 8,18-27 . . . . . . . . . 377 C. Fazit .• . • • • . . . . . • 383 Exkurs: Nochmals: Paulus und der Enthusiasmus 384 IX. DIE ZWISCHENZEIT BIS ZUR PARUSIE. 1. Zum paulinischen Apostolatsverständnis 2. Die Gegenwart als Zeit der Heiderunission 3. R. 11,11ff. . . . 4. Zusammenfassung 5. Schluß: R.9-11
387 387 390 392 395 400
X. REGISTER. . a) Autorenregister b) Bibelstellenregister c) Register von griechischen und deutschen Sachwörtem
403 403 421 424
VORWORT Das vOl:liegende Buch enthält meine Dissertation, die im Herbst 1967 von der Theologischen Fakultät der Universität Zürich genehmigt: wurde, sowie meine Habilitationsschrift, die im Februar dieses Jahres der Fakultät vorlag. Beide wurden für den Druck leicht überarbeitet und gekürzt. Wenn ein AnHinger sich an ein so gewichtiges Thema wie das hier behanddte heranmacht, so gibt es dafür nur eine Rechtfertigung: die Faszination, die Paulus in all seiner Aktualität und Fremdheit auf uns ausübt. Das Thema hat mich schon in meiner Studienzeit beschäftigt und seither nicht mehr losgelassen. Daß ich mich trotz aller Hindernisse nicht einem anspruchsloseren, weniger zeitraubenden und wohl auch meinem Können angemesseneren Gegenstand zuwandte, liegt einfach daran, daß ich Paulus nicht lassen konnte. Was nun am Schluß herausgekommen ist, ist beileibe nicht ein Stein des Weisen oder gar ein Neuentwurf einer pauünischen Theologie, sondern ganz einfach ein Diskussionsbeitrag. Er kann vielleicht zum Widerspruch hemusfordern oder auch andere zu neuem Denken anregen. Aus beidem hoffe ich, wieder lernen zu können, denn ich selbst bin mit dem Thema. noch längst nicht fertig, obschon jetzt die Arbeit gedruckt vorliegt. Vor allem aber möchte ich all denen danken, die mir in den vergangenen Jahren geholfen haben. Zunächst gilt mein Dank Herrn Prof. Eduard Schweizer in Zürich, dessen Assistent ich in den vergangenen fünf Juhren war, der meine Arbeit und mich persönlich mit liebevoller Sorgfalt und manchmal auch mit kräftigem, hilfreichem Widerspruch begleitete. Er war es auch, der mich zur Habilitation ermunterte und mir inuner wieder die zur eigenen Arbeit nötige Zeit zur Verl'ügung stellte. Sodann gilt der Dank denjenigen Lehrern, die mein Studium zur Zeit ihres gemeinsamen Wirkens in Zürich entscheidend prägten und mir auch die ersten Anregungen zu dieser Arbeit gaben: Herrn Prof. Hans Conzelmann, Göttingen und Herrn Prof. Gerhard EbeÜDg, Tübingen. Mein Dank gilt aber auch der ganzen Zürcher Theo-: logischen Fakultät, die für mich von meinem ersten Semester an bis hin zur venia legendi ein Ort war, wo man sich glücklich und zuhause fühlt(:. Für manche hilfreiche Gespräche danke ich besonders Prof. E. E. Ellis, New Brunswick, Prof. Ferdinand Hahn, Kiel und meinen Freunden Prof. Peter Stuhlmacher, Erlangen und Peter Siber, Zürich. Ohn(: kräftige finanzielle UnterstütZung durch den Erziehungsrat des
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Vorwort
Kantons Zürich, den Kirchenrat des Kantons Zürich und die Adele Koller-Knüsli Stiftung wäre der Druck nicht möglich geworden. Herzlich danken möchte ich auch den Beamten der Zentralbibliothek Zürich, des Baptist Theological Seminary Rüschlikon, der Universitätsbibliothek Tübingen und der Deutschen Bücherei Leipzig für alle Hilfe bei der Literaturbeschaffung. Bei den Kontrollen halfen die Herren cand. theol. James Davis und Andres Enderli mit. Herrn Prof. Ernst Wolf, Göttingen, gilt mein herzlicher Dank für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe der Beiträge, dem Verlag und der Druckerei für den prompten und zuverlässigen Satz. Und schließlich möchte ich denjenigen Menschen danken, ohne deren Anwesenheit die Arbeit wohl kaum so hätte wachsen können: meiner Mutter und meiner Braut. Männedorf, den 15. Juni 1968
Ulrich Luz
EINLEITUNG Mit dem Wort "Geschichte" wird in unserer deutschen Spmche ein kompl'~xes Phänomen bezeichnet. Ein bloßes Ereignis der Vergangenheit ist noch nicht Geschichte, ebensowenig eine Reihe bestimmter Ereignisse, die an einem bestimmten Ort und in einem bestimmten Zeitabschnitt geschehen sind. Aber auch eine Erweiterung des geographischen oder zeitlichen Horizontes, die zu einer vollständigen Aufzählung aller vergangenen Ereignisse führen würde, stellte uns noch nicht'V·or das Problem der Geschichte. Die Aufzählung von Ereignissen istvielmehrGegenstandderChronistik,nichtderGeschichtsschreibung, und auch eine Universalchronik ist noch keine Geschichtsdatstellung1 • Geschichte setzt vielmehr einen sinnvollen Zusammenhang der berichteten Ereignisse voraus. Die Darstdlung dieses Zusammenhangs ist Aufgabe des die Ereignisse interpretierenden Geschichtsschreibers·. Im Entwurf dieses Interpretationszusammenhangs wird ihn sein V orve:rständnis und sein Vorhaben begleiten. Ist er damuf aus, in objektiv-distanzierender Betrachtungsweise verschiedene Ereignisse miteinander zu verknüpfen und als historisch wahrscheinlichen Ereignis:ilblauf darzustellen, so wird seine "Geschichte" anders aussehen, als Wf:nn er etwa danach fragt, welche Ereignisse der Vergangenheit für die eigene Zeit durch ihre daraus zu ziehende Bdehmng, ihre Merkwürdigkeit etc. aufzeichnungswürdig sind. Jedenfalls zeigt sich, daß die distanzierende Geschichtsbetmchtung der historisch-kritischen Wissenschaft nur eine Möglichkeit der Geschichtsbetrachtung überhaupt ist. Objektivität kann nicht als absoluter Maßstab an alle Geschichtswissenschaft früherer Zeiten gelegt werde:n, sondern ist sdbst eine geschichtlich gewordene Größe, die als solche wiederum kritisch hinterfragt werden muß. In der griechischen Geschichtsschreibung wird unabhängig von seinem Sinn ein Ereignis um seiner selbst willen aufgezeichnet und seine Bedeutung an Vgl. A. W,iser, GlBube und Geschichte im Alten Testament. BWANT IV/4, Stuttgart: Kohlhammer 1931, 20. I Das formuliert schon Polyb. (ed. F. Hultsch) XII, 25b: Der Geschichtsschreiber soll nicht nur die Wirklichkeit erkennen, sondern auch nach den Gründen des Erfolgs oder Mißerfolgs einer Handlung fragen. Vgl. auch L. •. M,...II, über das geschichtliche Verstehen, in: Der Historiker und die Geschichte, Zürich: Berichthaus 1.960, 3-10, dort.4ff. Weiser, Glaube und Geschichte 20, spricht davon, daß erst dc:r "überindividuelle GeisteszusammenhfUlg" dem Eiozelgeschehen SinD und ZUSBnlmenhang gibt, d. h. Geschichte als "geistgewordenes Geschehen" konstituiere.. 1
12
Eill/ei/tmg
objektiven Kategorien gemessens. Da geschichtliche Ereignisse grundsätzlich als wiederholbar galten, spielte in der griechisch-römischen Geschichtsschreibung das Erziehungsmoment eine immer größere Rolle: Geschichte gibt Beispiele und Vorbilder und lehrt, Fehler zu vermeiden'. Doch kommt ·es im griechischen Raum kaum zu einer Geschichtsphilosophie oder gar -theologie. Anders steht es im alttestamentlich-jüdischen Bereich6• Hier wird Geschichte als Geschehen der Taten Gottes an seinem Volk verstanden. Daraus ergibt sich ein Vierfaches : Erstens beschränkt sich inhaltlich die Geschichtsbetrachtung auf denjenigen Raum, in dem Gott handelt. Geschichte ist also im Alten Testament zunächst Geschichte des Volkes Israel, bzw. Geschichte Gottes mit ihm. Erst allmählich wird die Welt zum Raum der Geschichte Gottes. Zweitens ist die Zukunft ganz anders in die Geschichtsbetrachtung einbezogen. Während im Griechentum aus der Vergangenheit allenfalls Schlüsse und Lehren für die Zukunft gezogen werden können, ist die Zukunft für den Israeliten Raum der Hoffnung, der Erfüllung der Zusagen Gottes. Diese Ausrichtung auf die Zukunft ist der alttestamentlichen Geschichtsschreibung von allem Anfang an, nicht erst in der Apokalyptik, eigen. Damit hängt drittens zusammen, daß der alttestamentliche Mensch immer schon nach dem Sinn eines Geschehens fragt ..Geschichtliche Ereignisse sind Teil eines Plans Gottes'. Sie sind Einlösung von Gottes Zusage, Antwort auf menschliche Sünde. Die Geschichte kann auf ihr Warum und auf ihr Wozu hin befragt werden. Und schließlich ergibt sich viertens daraus, daß für den alttestamentlichen Menschen Geschichte nicht nur Raum ist, in dem er lebt, sondern mehr: Gottes Taten in der Geschichte sind ihm Grund seines Lebens, seines Glaubens, seiner Hoffnung. Das Volk Israel lebt in ganz anderer Weise von seiner Geschichte her, als dies bei den Griechen je der Fall war. Diese Geschichte ist für den Israeliten immer Gegenstand der Verkündigung. Dem Gri~chen wird seine Geschichte • Beschrieben werden etwa große und wunderbare Vorfälle (Hdt. I, 1), Ereignisse, die durch die Menge der daran beteiligten Völker und Rüstungen (Thuc. I, tf.) oder die kurze Zeit, in der eine weltbewegende Umwälzung stattfand (Polyb. I, 1,5), bedeutsam sind. • Das spidt für die römische Geschichtsschreibung, die sich sdbst als patriotische Erbauung versteht, eine große Rolle, vgl. Polyb. I, 35,9; Liv. Vorwort; Plut. Aem. 1 (= 255 c-f); Tac. Ann. III, 65. • Zum Geschichtsverständnis des A. T. Lit. bei }.{.BurrO/llr, Ancient Israel, in: The Idea of History in the Ancient Near East, New Haven: Yale University Press 1955, 99-131, dort 131; G. Fohrer, Prophetie und Geschichte, ThLZ 89 (1964) 481-500, dort 48tf. A.1. Vgl. auch u. A. 11 232. • Vgl. H. WilJberger, Jesaias Verständnis der Geschichte, in: Congress Volume Bonn 1962, Suppl. V T 9, Leiden: Brill 1963, 83-117, dort 85ff.; O.Ktnr, Der Römerbrief, Regensburg: Pustet 1957ff., 288.
Eillieitrmg
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erzählt, damit er aus ihr lerne und sie weiterführe; dem Israellten wird sie verkündet, so daß er an ihr Anteil gewinnt. So enthält unser Begriff "Geschichte" zwei Momente, die im folgenden bedacht werden müssen: a) das Geschehene selbst und seine kausale Ve:rknüpfung, also gewissermaßen das Material der Geschichte und b) das Moment der Interpretation, das zu jeder Geschichtsanschauung, der griechischen wie der alttestamentlichen Geschichte gehört, denn Geschichte ist nicht nur Geschehen, sondern interpretiertes, verstandenes Geschehen. Das heißt: Die Geschichtsbetrachtung eines Autors ist nicht nur auf ihr Material, die verarbeiteten geschichtlichen Stoffe, und ihre Abfolge, sondern auch auf den Ort dieser Stoffe im Denken des Autors, auf ihre Funktion, ihren Gebrauch und ihl:e Bezogenheit auf die Denksituation des Autors hin zu befragen. Geschichte ereignet sich im Denken und Sprechen eines Interpreten in gewissem Sinne wieder neu. So entsteht aus der Begegnung mit velcgangener Sprache neues Sprachereignis. Auch unser deutsches Wort "Geschichte" weist ja in seiner Doppelbedeutung von "Geschehen" und "Erzählung" darauf hin: Geschichte ist immer schon erzählte, aufgezeichnete, interpretierte und verkündete Geschichte'. Der Umgang eines Autors mit der Geschichte ist wiederum Sprachgesche:henB und muß als solches interpretiert werden, wenn es nicht um Aufzählung bloßtr vergangener Fakten einerseits und deren Applikation in der Gegenwart andererseits gehen soll. Diese beiden • Vgl. zum Thema "Geschichte als Sprachgeschehen" auch u. 11 3 A Exkurs Nr. 4; 113 D Nr. 2. 3; 11 4 A;1I 6; IV 3 A; S. 14. 69f. 72. 78. 83. 183; A. 25 und die Verweise A. 192; zur pln. Eschatologie vgl. u. V 5 Nr. 1; IX 4 Nr. 3. 4. 8. B Damit ist nicht ganz dasselbe gemeint wie das, was R. &nJllW'ff als "überlieferungs@;eschichte" bezeichnet, vgl. Hermeneutik des Alten Testaments als Frage nach der Geschichte, ZThK 57 (1960) 27-40, dort bes. 37ff. Der Begriff ist im Kreis um Psnnenberg im Zuge einer Präzisierung des zunächst sehr stark am bloßen Faktum orientierten Geschichtsbegriffs in den Vordergrund getreten. Er hat verklammernde Funktion und meint die Einheit von "Geschichte" (hier im Sinne von ".Geschehenem" verstanden) und Zeugnis (aaO 39). Der BegriH "überlieferungsgeschichte" wird aber von uns vermieden, weil er doppelsinnig ist: Währc:nd Rendtorffunter überlieferungsgeschichte versteht: Geschichte tllr Uberliefen:lng und überlieferung tl/r Geschichte, könnte auch verstanden werden: Geschichte Jer überlieferung, also Traditionsgeschichte. Außerdem scheint uns der Begriff "überlieferung" zu eng: Umgang mit Vergangenheit bat nicht nur den Zweck des überlieferns (als einer dem Vergangenen zugewandten Tätigkeit), sondern auch etwa den des Aufmunterns, Ermahnens (vgl. o. A. 4), des VerkÜlldigens, des Illustrierens (also einer der Gegenwart zugewandten Tätigkeit). "Geschichte als überlieferung" läßt den Blick des Betrachters vorwiegend auf der Vergangenheit ruhen, wobei auch die Sprache u.U. ein Stück betrachteter Vergangc:nheit geworden ist. "Sprachgeschehen" dagegen soll stärker andeuten, daß Sprache gewordene Vergangenheit immer wieder Ereignis, also wiederum Gegenwart werden kann, um dann hemach wiederum in die Vergangenheit einzugehen. Zur Frage nach dem Wesen des Sprachereignisses vgl. E. Fl«hr, Was ist ein Sprachereignis? Ein Brief, in: Zur Frage nach dem historischen Jesus (= Aufs. 11), Tübingen: Mohr 1960,424-430.
14
Einleilung
Aspekte sind nun in Bezug auf unser Thema noch etwas zu bedenken'. Zunächst einige Vorbemerkungen: 1. Weder das A. T. noch das N. T. kennen einen Ausdruck für "Geschichte". Zwar eignet dem hebräischen tlabar die Doppelstruktur von Geschehen und Bericht, doch bleibt tlabar ein einzelnes Ereignis, und auch der Plural tlebarim meint lediglich "eine Reihe von Geschehnissen. annalistisch aufgereiht, bestenfalls mit einem ,darnach' miteinander verbunden"l". Im N. T. fehlt das griechische Wort !a-rop(QI und das Verb Ia-ropi", findet sich nur einmal GI. 1, 18 in der Bedeutung von "erstmals besuchen zum Kennenle~en"ll. Wir werden uns also bewußt sein müssen. daß unser Interesse einem Phänomen gilt, das vermudich weder im A. T. noch im N. T. als solches in den Blick gekommen ist. Das ist an sich kein Tatbestand, der unsere Fragestellung verunmöglicht, zwingt uns aber, ständig die Dilferenz zwischen Intention der Texte und eigener Befragungshinsicht im Auge zu behalten. 2. Der Terminus "Heilsgeschichte" wird hier im allgemeinen vermiedenlI. Das soll nicht von vorneherein auf eine Antithese etwa zu O.Cullmanns Position hin• Vgl. auch H.G.Gatlamer, Art. Geschichtsphilosophie, RGGa 11, 1488-1496, dort 1489. 1493. 10 Wildberger, Geschichte, Supp!. VT 9, 83; vg!. auch }. Barr, Bibelexegese und modeme Semantik, München: Kaiser 1965, 135f. 11 V gl. Pr.-Bauer s. v. Andere neutestamentliche Wörter, hinter denen man zu Unrecht die Bedeutung "Geschichte" gesucht hat, sind "oikonomia", "kairoi" und "aiönes". Gegen}. Reumann, OIKONOMIA = ,Covenant'; Terms for ,Heilsgeschichte' in Early Christian Usage, Nov Test 3 (1959) 282-292, dort 283, vg!. aber 292,und O.Ctd/mann, Christus und die Zeit, Zollikon: EVZ 1946,27. 29ff., darf bei "oikonomia" (z. B. Eph. 1, 10) nicht ohne weiteres die später in der alten Kirche sich findende Bedeutung "universaler Heilsplan" (= Heilsgeschichte) eingelesen werden, vgl. auch ders., Heil als Geschichte, Tübingen: Mohr 1965, 58. Zu "ka.iroi" (bes. Eph. 1, 10 und 1. Tm. 2, 6) vgI. H.Sth/ier, Der Brief an die Epheser, 2. Aufl. Düsseldorf: Patmos 1958, 64. "Aiönes" führt uns am ehesten in die genannte Richtung, doch enthält "aiön" meist eine negative Wertung. Vgl. duu Cullmann, Christus u. d. Zeit 38ff. und Schlier aaO 112f. Zu 1. K. 10, 11 vgl. u.1I 6 A d und zu R. 10,4 u. A. 111 29. 11 Dazu vgl. allgemein H. Oll, Art. Heilsgeschichte, RGG' 111, 187-189. Zur Problematik des Begriffs positiv z. B. Cullmann, Heil als Geschichte 56ff.; Kuss, Röm. 286; H. D. Wentl/antl, Geschichtsanschauung und Geschichtsbewußtsein im Neuen Testament, Göuingen: Vandenhoeck 1938; 81ff.; kritisch R.Btdlmann, Heilsgeschichte und Geschichte, in: Exegetica, Tübingen: Mohr 1967, 356-368, dort 366f.; G.Sthr",k, Die Geschichtsanschauung des Paulus, in: Studien zu Paulus, AThANT 26, Zürich: Zwingli 1954,49-80, dort 58 und A. 23; bedingt kritisch K. G.Sletk, Die Idee der Heilsgeschichte, Th St (B) 56, Zollikon: EVZ 1959, 58ff.; C. K. BarrelI, From First Adam to Last, London: A.C. Black 1962, 4f.; L. Goppt/I, Paulus und die Heilsgeschichte, NTS 13 (1966/67) 31-42, dort bes. 31f.4H. T.Hoppe, Die Idee der Heilsgeschichte bei Paulus mit besonderer Berücksichtigung des Römerbriefes, BFTh 30/2, Gütersloh : Bertelsmann 1926, versteht Heilsgeschichte vom apokalyptischen Zwei-Aeonen-Schema her, so daß erst mit Christus Geschichte zur Heilsgeschichte wird, vorher war sie Unheilsgeschichte, bes. aaO 142. Da sich für Hoppe das Heil aber im Innem des Menschen abspielt (vgI. aaO 148-150), ist sie eigendich "Herzensgeschichte" (aaO 164). Einen Uberblick gibt auch K.Kerle/ge, ,Rechtfertigung' bei Paulus, NTA NF 3, Münster: Aschendorff 1967, 138ff. Nach ihm gibt es Heilsgeschichte bei Pis. "im Sinne von ,Endzeit', d.h. der gegenwärtigen Zeit, die zur Vergangenheit hin durch ChristuS
Ei"ltiftlllg
IS
weisen. a,lI",ann hat ja bekanntlich "die göttliche Erei.gnisfolge"(I}, die er "in Ermangelung eines besseren Ausdrucks Heilsgeschichte" nennt, hinlänglich weit gefaßt und klargestellt, daß er damit weder den Anredecharakter der Gescbichte, noch ihre mögliche Verfaßtheit als Unheilsgeschichte ausschließen, noch einen ",lückenlosen' Kausalzusammenhang" von historischen Heilstatsachen postulieren will". Doch bleibt m.E. der Terminus gerade in seiner Weite unklar. Wenn zwischen Heilsgeschichte und Geschichte nur noch eine Analogie bestehen 8011", 80 ist nicht einsichtig, wieso für beide Phänomene der Ausdruck "Geschichte" verwendet VI'erden kann. Ist "Heilsgeschichte" gerade durch das Ineinander von Gottes Tnt und Menschentat etwa bei Paulus immer auch Geschichte zum Unheil, so droht JD. E. eine Fonnalisierung des Begriffs. Außerdem suggeriert der Begriff "Heilsgeschichte" doch so etwas wie einen in sich einheitlichen Geschicbtsentwurf, von dem aus gedacht wird", was gerade bei Paulus zu Schwierigkeiten führt. So scheint mir der Begriff wenig hilfreich. Unbestritten bleibt auf jeden Fall sachlich der "heilsgeschichtliche Grundcharakter der christlichen Botschaft" im Gegensat:z zu gnostischer Spiritualisierung".
Versuchen wir nun, die beiden oben herausgestellten Momente des Geschi(:htsbegriffs, nämlich a) das Geschehen sdbst, also das "Geschichtl;material", und b) seine Interpretation noch etwas zu vertiefen. aJ a) : Zunächst stdlt sich uns die Frage nach dem Umfang und dem Zusammenhang des paulinischen "Geschichtsmaterials"• Gibt uns Paulus in seinen einzelnen Erörterungen Stücke aus seiner Gesamtkonzeption der Geschichte, so daß sich eine solche aus den einzelnen Texten mosaikartig zusammensetzen läßt? Das ist faktisch das Verfahren O.CuI/",anns: Die "Offenbarung eines heilsgeschichdichen göttlichen Planes" ist die systematische Einheit der Gedanken der Apostels". Hinter seinen einzelnen Hinweisen und Darlegungen steht nach Cullmann die Heilsgeschichte als ganze. Ein Gesamtvemändnis der Geschichte, allerdings nicht als heimlichen Inhalt der ganzen Theologie des Apostels, sondern eher als die!ier zugrundeliegende und sie erst verständlich machende Gruoovorau.setzun@;nehmen auch H.J.Schoeps und U. Wilckens an. Für beide ist es aber ein als das ,Ende der Aorien' und zur Zukunft hin durch die Parusie Christi begreD%t ist und so ,in höchstem Maße als einmalige Erfüllung offenbar' wird" (141). Auf die plI].. Sicht der Ver~ngenheit wendet er also den Ausdruck nicht an. Weitere Lit. bei Cullmann, Hell als Geschichte 45f. 11 Heil als Geschichte 3. 37. 11 Heil als Geschichte 59. 11 Cull.mann setzt voraus, daß überall im N. T., vielleicht nur implizit, 10 etwas wie ein Gesamtentwurf der Heilsgeschichte vorhanden ist. Für Jesus, von dem es heißt, daß sdn Blick "Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart" umfasse (Heil als Geschichte 214), beschränkt sich indessen der Nachweis im wesentlichen auf die These, daß Jesus eine Zukunftserwartung gehabt habe (aaO 173ff.). überhaupt setzt Cullmann, wo immer Vergangenheit oder Zukunft auftaucht, voraus, daß damit (s)eine Gesamtkonzeption von Heilsgeschichte anklinge. Weil iiberaIl im N .. T. geschichtliche Andeutungen als Rudimente des dann im ganzen N. T. ungefähr gleichen heilsgeschichtlichen Grundenrwutfs gelten, kommt es zu einer gewissen Harmonistik, die bereits Bultmann gegenüber "Christus und die Zeit" zu Re:eht gerügt hat (Heilsgeschichte, Exegetica 364f.). " He:il als Geschichte 5. . 17 He:il als Geschichte 240.
16
Einleitung
jüdischer Geschichtsentwurf, der die paulinische Theologie prägt. Nach H.]. SchOtps weiß Paulus Christus als Messias und sich selber in der postmessianischen Epoche, jener Epoche also, die dem Kommen des Messias folgt und dem Ende vorausgeht". Nach U. Wikleens dagegen ist für Paulus Christus an die Stelle des Gesetzes getreten, das in der Apokalyptik ermöglicht, im alten Aeon Gottes Willen zu entsprechenlI. Beidemale bleibt der apokalyptische Geschichtsentwurf im Prinzip erhalten. O.Kuss sieht zwar, daß Paulus "an der theoretischen Darstellung einer Geschichtstheologie •.• kein unmittelbares Interesse" habel ', gestaltet aber dennoch seinen Exkurs über die Heilsgeschichte bei Paulus so, daß er anhand der Zeidinie die verschiedenen Aussagen über die Vergangenheit und die Zukunft chronologisch aufreiht".
Oder wäre es so, daß Paulus nicht eine Gesamtkon2eption der Geschichte kennt, sondern jeweils an verschiedenen Punkten in seinem Denken aufVergangenes oder Zukünftiges zu sprechen kommt? Der Zusammenhang der ein2elnen Aussagen über die Geschichte wäre dann nicht unmittelbar in einem paulinischen Geschichtsbild, sondern mittelbar im Ganzen des paulinischen Denkens gegeben. G. SchrenIe unterscheidet im Licht der Erf'ullung drei verschiedene Linien, die aus der Geschichte auf das Christusgeschehen zulaufen: Adam, Abraham und Mose t l• Auch Chr. Dieluelbingerunterscheidet drei verschiedene Denkformen des Apostels: die Linie Adam-Christus, die Gegenüberstellung Verheißung-Gesetz und das heilsgeschichdiche Denken von R. 9'·. Alle drei Denkformen hat Paulus aus der Tradition übernommen. Gerade dann aber stellt sich besonders dringend die Frage nach dem Ort und der Funktion der einzelnen Schemata. Wozu hat Paulus sie verwendet? Was sagen sie aus? Wo haben sie ihren sachlichen Bezugspunkt aufeinander?
ad b) : Wir werden versuchen, in zwei großen Hauptteilen den paulinischen Rückbezügen auf die Vergangenheit und den paulinischen Zukunftserwartungen nachzugehen. Hingegen soll dem paulinischen Gegenwartsverständnis keine eigene Untersuchung gewidmet sein. Denn die Gegenwart ist ja die eigene Situation des Paulus, in der er selbst steht und die ihm deshalb nicht in derselben Weise gegenüberPaulus, Tübingen: Mohr 1959, 95ff., vgl. auch 244. Die Bekehrung des Paulus als religionsgeschichtliches Problem, ZThK 56 (1959) 273-293, dort 276ff., bes. 285. "' Röm. 275. Der Exkurs über die Heilsgeschichte Röm. 275-291 ist fast identisch mit seinem Aufsau. : Zur Geschichtstheologie der paulinischen Hauptbriefe, ThGI 46 (1956) 241-260. 11 Die Heilsgeschichte wird dann sogar tabellarisch darstellbar, ein bezeichnendes Symptom für ihre Objektivierung, vgl. C. H. Dodd, The Episde of Paul to the Romans, Moffatt NTC, 12. Aufi. London: Hodder and Stoughton 1949, 187; Kuss, RÖm. 290• .. Geschichtsanschauung 70ff. Ähnlich formuliert auch C.Maurer, Die Gesetzeslehre des Paulus, Diss. Zürich 1941, 99ff., umspannt aber alle bei Pis. feststcllbaren Linien mit dem Begriff "Offenbarungsgeschichte" , der - weder religionsgeschichtlich noch phänomenologisch geklärt - ein hölzernes Eisen bleibt• • 1 Heilsgeschichte bei Paulus?, ThExh NF 126, München: Kaiser 1965, 5ff. 11 11
Ei"leiltmg
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tritt, wie vergangene Ereignisse und Zukunftserwartungenli. "Der Begriff der Situation ist ja dadurch charakterisiert, daß man sich nicht ihr gegt~nüber befindet und daher kein gegenständliches Wissen von ihr habc~n kann. "25 Vielmehr ist zu erwarten, daß gerade in der Weise, wie dei: in seiner eigenen Situation stehende Paulus Vergangenheit vergeg(:nwärtigt und Zukunft erwartet, sein "Situationsverständnis" indirekt: zur Sprache kommt. Die Frage nach dem Gegenwartsverständni:s des Paulus soll also sowohl in der Untersuchung über die Vergangenheit als auch in derjenigen über die Zukunft durchgehalten werden. Denn die Gegenwart ist ja nicht einfach eine zwischen der Vergangenheit und der Zukunft stehende Zeitspanne, sonde~ sie wird durch den Blick auf die Vergangenheit und das Warten auf die Zukunft je in bestimmter Weise qualifiziert. Wir müssen also fragen: Was 'Wollen Vergangenheits- und Zukunftsaussagen? Sie wollen vielleicht die Gegenwart anreden, beleuchten oder belehren. BeimRückgriff auf geschichtliche Stoffe wird der Verstehensvorgang in irgendeiner Weise ein doppelter sein: Geschichte kommt von der Gegenwart ht~r und Gegenwart von der Geschichte her ins Licht des Verstehens. In beiden Richtungen haben wir zu fragen. Nach R. BU/imallll wird bei Paulus das apokalyptische Geschichtsbild von der Anthropologie her interpretiert. Die Vergangenheit ist für Paulus Vergangenheit des Menschen, die ZukuOft Zukunft des Menschen. In der Begegnung mit der Geschichte erflihrt der Mensch seine eigene Geschichtlichkeit, d.h. sein Wesen, das er t:rgreifen oder verfehlen kann. Bultrnann ist also an einer existentialen Interprc:tation der Geschichte interessiert, wobei er "existential" im Blick auf das Individllum, das Heil erfahren kann, versteht". In der Tat finden wir bei Paulus so etwas wie existentiale Interpretation der Geschichtet', und auch Zukunftsaussagen sind bei Paulus immer mindestens auch solche über die Zukunft des Menschen. Jedenfalls hat Bultmann erkannt, daß die Frage nach dem Geschichtsverständnin bei Paulus nicht ohne weiteres die nach einem objektivierten Vorstellungsgefüge sein kann··. •• Nach der Bedeutung der Gegenwart im Sinne einer Epoche wird u. Kap. IX gefragt. so H. G:. GaJamer, Wahrheit und Methode, Tübingen: Mohr 1960, 285. VgL auch 0.A.7. •• R.Bu/lmallll, Geschichte und Eschatologie, Tübingen: Mohr 1958, 46-53; ders., Geschichte und E..~chatologie im Neuen Testament, in: Glauben und Verstehen III, Tübingen: Mohr 1960, 91-106, dort 99ff., vgl. E.Dillk/er, Art. Geschichtsverständnis, das christliche HA, RGGslI, 1476-1482, dort 1478. 1481. .7 Vgl. u. H 3 D Nr. 5; III 6 Exkurs 1; III 7 Nr. 1. 2. 3, u. S. 68. 70.82.84. 125ft'. 130. 137. 147f. 167. 215. 302f., ferner u. A. 11 162; A. IIl277; A. III 363 (Verweise I) und A. VIII 48. B. Die Gefahr einer Objektivierung des Geschichtsverständnisses besteht bei einer heilsgeschichtlichen Konzeption, weshalb Cullmann dann auch darum kämpfen muß, Heilsgeschichte als Anrede verstanden zu wissen (Heil als Geschichte 47ft". 297ff.). Dabei ist mir allerdings unverständlich, wieso sich Cu1lmann dem Begriff der Sp:rache so völlig verschließt und gegen Ebeling meint, "die Unterscheidung von ,Wortgeschehen' und ,objektivierender' Aussage (lasse) keinen Raum für eine
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Ein/eitll1lg
Doch gerät Bultmann an einem Punkt in ernsthafte Schwierigkeiten. Er selber formuliert: "Daß Paulus durch seine Geschichtsanschauung in eine Schwierigkeit gerät gegenüber der Frage nach der Erfüllung der Verheißungen, die ja dem Volk Israel gegeben sind, und daß er mit dieser Schwierigkeit Röm. 9-11 ringt, brauche ich hier nur anzudeuten. "a9 In der Tat scheinen sich die drei Kapitel dem von Bultmann bei Paulus eruierten Geschichtsverständnis schlecht einzuordnen. Es soll deshalb in dieser Arbeit der Versuch gemacht werden, das Geschichtsverständnis des Paulus von R.9-11 her zu erarbeiten3D• Dabei wird sich herausstellen, wie weit diese drei Kapitel des Römerbriefs sich sachlich in das sonstige Denkendes Paulus einordnen oder wieweit sie eine Sonderstellung einnehmen.
positive Bewertung einer kontinuierlichen Heilsgeschichtc" (aaO 30). Wieso denn eigendich nicht? Gerade Cullmann untcrscheidet doch zwischen "Ereignis" und "Deutung" (aaO 701f.). Das Anliegen, daß im biblischen Glauben ein unumkehrbares Prae des vergangenen Heilsgeschehcna gegenüber dem glaubenden Erfahren besteht (vgl. bes. aaO 511f. 79), ist gewiß berechtigt, doch erfahre ich dieses Prae ja erst im glaubendem Vernehmen von zu mir gesprochener Geschichte. Bedenklich stimmen muß hingegen Cullmanns weithin ungcklärter Hinweis auf eine "kontinuierliche" Heilsgeschichte (in welchem Sinn kontinuierlich ?), sowie seine Forderung einer positiven "Bewertung" (durch den hörenden, betroffenen Mensehen?) der Heilsgeschichte. Die Literatur über das pln. Geschichtsverständnis hat sich bisher oft auf die Darstellung der pln. Vorstellungen über Vergangenheit und Zukunft beschränkt, vgl. o.A. 20-22. Auch Dietzfelbingers Studie (o.A. 23) macht hier keine Ausnahme, vgl. u.A. III 275. Anders ist natürlich die Sachlage, wenn der Ausgangspunkt bei der Frage nach dem Zeitempfinden oder der Zeitvorstellung in der Bibel oder bei Pis. genommen wird, womit sich diese Arbeit nicht beschäftigt. Vgl. dazu G. Del/ing, Das Zeitverständnis des Neuen Testaments, Gütersloh : Bertelsmann 1940, 641f.; G.QHispel, Zeit und Geschichte im antiken Christentum, ErJb 20 (1951) 115-140, bes. 115-118; T.Bo1ll,.n, Das hebräische Denken im Vergleich mit dem griechischen, Göttingen: Vandenhoeck 1952, bes. 1181f. (dazu Barr, Semantik, 521f.); J.M,.r~·h, The Fulness of Time, Ncw York: Harper 1952, pss. (dazu W.Eiehrotlt, Heilserfahrung und Zeitverständnis im Alten Testament, ThZ 12 (1956) 103-125, bes. 1081f., 1131f.); E. Fuehs, Christus das Ende der Geschichte, in: Zur Frage nach dem historischen Jesus (= Aufs. II), Tübingen: Mohr 1960, 79-99, dort 83f.; M.Ril1i, Was ist und was geschehen soll danach, AThANT 46, Zürich: Zwingli 1965, 271f. •• Geschichte und Eschatologie 48 • •• Deshalb soll im folgenden jeweils zunächst von R. 9-11 ausgegangen werden (vgl. u. II 3, III 2, IV 3, V) und die Konfrontation mit dem übrigen Stolf aus den Paulusbriefen folgen. Vorangestellt wird eine Vorerwägung zu R. 9-11 (I).
PROLEGOMENA I. ÜBERBLICK ÜBER R.9-11
1. Der Ausgangspunkt Der Ne'leinsatz von Kap. 9 folgt völlig unvermittelt auf den hymnischtriumphierenden Abschluß von R. 8. Eine Verbindung oder ein Übergang ist nicht zu erkennenl • Auch im Thema besteht zunächst keine Verbindung mit Kap. 8. Ein neuer Hauptteil des Römerbriefs scheint einzusetzen!. Warum hat Paulus ein neues Thema gerade hier aufgegriffen? Aufgrund von gegnerischen Einwänden8 ? Damit wäre der gru.ndsätzliche Verzicht auf eine innere Notwendigkeit der Verbindung von Kap. 1-8 und 9-11 von der Sache her ausgesprochen. Oder a'LlS stärkstem persönlichen Betroffensein und Engagement heraus? Darauf könnten die beschwörenden Töne von R. 9, 1-5 weisen'. Doch «::s bliebe die Frage offen, wieso sich Paulus gerade hier derart betroffc:n weiß, und datnit die Frage nach einem sachlichen Grund seines Engagements. Oder man könnte fragen, ob Kap. 9-11 ein nachträglicher Einschub in den Römerbrief sei, der nur den glatten Zusammenhang von Kap. 8,31-39 und 12,lff. störei. Aber auch so bleibt die Frage, warum dieser Einschub gerade hier seinen Platz gefunden hat. 1 Vgl. F. W.Mai,r, Israel in der Heilsgeschichte nach Röm. 9-11, Bibi. Zeitfragen XII/llf., Münster: Aschendorft" 1929,6: "Es ist, als ob der Apostel auf einmal aus seligen Himmelshöhen in den finstersten Abgrund stürzte." I Gegen S.Lyonnet, Les ~itres de saint Paul aux Galates, aux Romains, La Sainte Bible, 2.. Auß. Paris: Du Cerf 1959, 54; ders., Note sur le plan de l'~itre aux Romains, in: M~langes J. Lebreton, RechSR 39 (1951) 301-316, dort 313ft". Lyonnet faßt R. 5-11 als zweiten, R.I-4 parallelen Hauptteil, wobei R.9-11 R.4 entsprächen. • j. DUj>ont, Le probleme de la structure litt~raire de l'~itre aux Romains, RB 62 (1955) :165-397, dort 388, sieht diesen Einwand in 9,14, doch liegt V.14 den Versen 1-13 nicht zugrunde, sondern ergibt sich aus ihnen. /.J"""';4I, Zur Gedankenführung in den Paulinischen Hauptbriefen, in: Abba, C:;öttingen: Vandenhoeck 1966, 269-276, dort 271 vermutet in R. 9, 1 einen unausgesprochenen Vorwul:f, Pis. sei Renegat; doch beschäftigen sich R. 9-11 gerade mit dieser Frage nicht. • A.jü!;cher, Der Brief an die Römer, SNT II, 2. Auß. Göttingen: Vandenhoeck 1908,217-327, dort 284; P.Althaul, Der Brief an die Römer, NTD 6, 9. Auf!. Göttingen: Vandenhoeck 1959, 88f.; B.PeterlOn, Die Kirche aus Juden und Heiden, Salzburg : Pustet 1933, 13. • Dodd, Röm.148ft". vertritt die These, R.9-11 sei eine Pauluspredigt, die Pis. hier in den R. einschob. Er beruft sich dabei auf den hier herrschenden Diatribeo-
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I. Oberh/ick üher R. 9-11
Vielleicht ist es am sichersten, vom Äußerlichen auszugehen und zunächst einmal nach den Verbindungen zu fragen, die im Vokabular zwischen R 1-8 und R.9-11, bzw. vor allem zwischen den beiden einander benachbarten Kapiteln 8 und 9 bestehen. Wir notieren den Befund: 'AlltK!cz: Vgl. 3,5; 9, 14; IItKcztoaUV'Ij &eoG: 1,17; 3,5. 21f. 25f.; 10, 3; 86~cz (von Christen bzw. Menschen): 2,7.10; vgl. 3,23; 8,18.21; 9,4.23; bt).oy{): vgl. 8,33; 9,11; 11,5.7.28; btczyye).!cz: 4, 13f.16. 20; 9, 4. 8f; ~n:!yv",(n~: 1, 28; 3,20; 10,2; fpyo,,: 2,6f. 15; 3,20. 27f.; 4,2. 6; 9,11. 32; 11,6; KOtAt",: 4, 17; 8,30, vgl. 28; 9,7.11. 24ff.; A6'Yo~ (-&E:Oü): vgl. 3,4; 9,6.9, vgl. 28; (J4Xpo&u(J.!cz: 2, 4; 9, 22; 6p~ (.&eoü): 1, 18; vgl. 3, 5; 9, 22; n:cz~p (im Sinne von Patriarch): vgl. 4, 1; 4,l1f. 16ff.; 9, 5.10; 11,28; n:POYL"WOK"': 8,29; 11,2; n:p6.&eOt~: 8,28; 9, 11; <mtp(J.cz: 4,13. 16. 18; 9, 7f. 29; 11, 1; 't'tKvov .&toü: 8, 16f. 21; 9, 7f.; u(o&E:o!cz: 8, 15. 23; 9, 4'.
Es bestehen enge Beziehungen zwischen dem Vokabular von R 1-8 und R.9-11, aber nicht mit allen Teilen des Römerbriefes gleichmäßig. Besonders zahlreich sind die Berührungen mit R. 3, 1-9a, einem kurzen Exkurs, dessen ausführliche Behandlung Paulus auf später verschiebt'. Interessant sind die zahlreichen Rückverweise auf Kap. 8, nicht unerwartet dagegen die Beziehungen zu Kap. 4. Die zahlreichen Berührungen zwischen R. 8, besonders V. 28ff., und stil, der abc:r auch so~st in ~. vorh~nden is.t, v.gl. R. Bu/tmann, Der ~til. der paulinischen Predigt und die kYnlsch-stOlsche Diatribe, FRLANT 13, G6ttmgen: Vandenhoeck 1910, 6,~ff. Ferner weist Dodd auf die thematische Geschlossenheit der drei Karitel, die sich leicht aus dem Zusammenhang lösen lassen. R. 12, H. beziehe sich au R.8 zurück, vgl. auch A. Feuillet, Lc plan salvifique de Dieu, RB 57 (1950) 336-387. 489-529, dort 507; F.Prat, La theologie de saint PaulI, Paris: Beauchesne 1961 (Nachdruck), 300. Doch kann sich m.E. 12, H. ebensogut auf 11,25-36 zurückbeziehen; Dodds These ist überdies infolge der engen Berührungen zwischen R. 8 und 9 (s. u.) kaum haltbar. • In der vorstehenden Aufzählung sind nur tragende Begriffe unseres Abschnittes berücksichtigt. Vgl. zu den Berührungen zwischen R. 8 und 9 auch die Bemerkungen von B.NoaeJe, Current and Backwater in the Episde to the Romans, StTh 19 (1965) 155-166, dort 158. 1 Er ist aufgrund der These R. 2, 29 nötig, wo sich die Frage ergibt: Was ist denn nun der Vorzug des Juden? Die Gedankenführung von R. 3, Iff. ist kurz und abgerissen; schon das aUeinstehende n:pw't'o" (J.tv (V. 2) fäUt auf. Viele Fragen werden einfach niedergeschlagen. Die Antwort in V. 9: ou n:ci"T"'~ (= eher: in keiner Weise, überhaupt nicht, als: nicht in jeder Hinsicht, vgl. Pr.-Bauer' 1208) bleibt in einer ungelösten Spannung zu V. 2a, eine Spannung, die wohl überhaupt erst von R. 9-11 her verstanden werden kann. Der Eindruck legt sich nahe, daß Pis. selbst R. 3,1-9 als einen Exkurs empfindet, zu dem er aus sachlichen Gründen gedrängt wurde, den er aber so rasch wie möglich erledigen wollte, um später nochmals auf die hier auftauchenden Fragen zurückzukommen. Interessant ist auch der Hinweis von Noack, StTh 19 (1965) 163, daß sich die GegenübersteUung von Juden und Griechen zwar öfter bei Pis., die Formel 'Iou8czro~ ~" lfPW't'OV K!Zt ~E>.AlJ" nur im R. (1, 16, vgl. 2, 9f.) findet. Wird hier schon ein Thema angegeben? Vgl. hierzu ausführlicher U.Lu~, Zum Aufbau von Röm. 1-8, ThZ 25 (1969) A Ib und u.A 51.
,. Der Ausgollgspullkt
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R.9 sollen uns zunächst beschäftigen. Weil wir sie gerade auch an relativ unwichtigen Stellen finden können, ist anzunehmen, daß Paulus bei der Niederschrift von Kapitel 9 das achte Kapitel vorlag, ja noch mehr, daß er sich bewußt darauf zurückziehen wollte. Eine weitere Beobachtung: Nichts kann uns von der Liebe Christi scheiden, so schloß R.8. Kann R. 9, 3 "ich wünschte nämlich, selber als ein Verfluchter fern von Christus zu sein" anders als ein deutlicher Rückbezug auf diesen Schluß verstanden werden8 ? Dann würde V. 3 den Ernst der Paulus beschäftigenden Frage zeigen und wäre mehr als eine bloße Beteuerungsformel. Vielmehr wäre der Unglaube Israels ein Sa,chverhalt von eschatologischer Bedeutung, der das Bekenntnis von R. 8, 38f. zunichte machen könnte. Um diese Frage geht es offenbar, und das ist auch der Sinn der zahlreichen Rückbezüge von R. 9 auf R. 8: Soll sich die Gewißheit der Kinder Gottes, bekräftigt durch den Beistand des heiligen Geistes (8, 141f. 26f.), begründet durch Gottes Erwählung (8,28ff.), sich äußernd im Triumph über alle Gewalt (8,35. 38f.), soll sich diese Gewißheit als Ausgeburt der frommen Einbildung erweisen'? Wenn nicht, so muß sie sich der geschichtlichen Wirklichkeit stellen können. Wir stoßen hier auf eine Denkstruktur, der wir im Römerbrief oft begegnen: die Konfrontation von Glaube und Wirklichkeitlo• In der bewußten Aufnahme von Kap. 8 in Kap. 9 geht es um die Frage nach der wahren Wirklichkeit. Ganz konkret lautet sie: Was ist wirklicher, die gc!schichtliche Realität oder der Glaube? Und in Bezug auf den Glauben: Was ist Glaube, Wirklichkeit oder Phantasiel l ? Unsel:e These wird sich noch zu bewähren haben. Soll nämlich der Ausgangspunkt der Kapitel R.9-11 tatsächlich die Frage nach der WirkUchkeit des Glaubens sein, und hat die Beschäftigung mit dem UngL'luben Israels ihre Dringlichkeit darin, daß sie die Wahrheitsfrage an den Glauben stellt, dann müßte sich dies darin zeigen, daß es in R. 9-11 letztlich nicht um das Geschick des Judenvolkes, sondern um die Wahrheit des Glaubens und damit die Wahrheit Gottes • Vgl. auch O.M;chel, Der Brief an die Römer, Meyer K 4,12. Auß. Göttingen: Vandc:nhoeck 1963, 221 A. 1; ferner J. Mllllck, Christus und Israel, Acta Jutbndica Teol. Sero 7, Aarhus: Universitetsforlaget 1956, 26, dazu die bei K.H.Schelkle, Paulu!I, Lehrer der Väter, Düsseldorf: Patmos 1956,327, genannten altkirchlichen Exegf:ten. • Vgl. auch G.Schrenk, D~r Röm~rbr!ef als Missionsdokument, in: Studien zu Paulus, AThANT 26, ZürIch: ZWlngli 1954, 81-106, dort 99. 10 Vgl. A.Schlotler, Gottes Gerechtigkeit, 3. Auß. Stuttgart: Calwer 1959, 291. Weiteres bei Luz, Zum Aufbau von R. 1~, ThZ 25 (1969) A 2n b •. 11 Dic:se Kategorie hat m. W. zuerst E. Fuds, Existentiale Interpretation 'VOll Römer 7, 7-12 und 21-23, in: Glaube und Erfahrung (= Aufs. lli), Tübingen: Mohr 1965, 364-401, dort 385ff. benutzt. Sie dürfte sich auch rur die Interpretation von R. 8, 12-39 als fruchtbar erweisen. V gl. dazu u. VIß 2.
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1. (Jberblick über R. 9-11
geht12•
Dies muß vorläufig offen bleiben. Einen kleinen Vorgriff auf eine Antwort wird uns der nächste Abschnitt geben. Daß R.9-11 eine Verteidigung der römischen Judenchristen gegen einen in der römischen Gemeinde herrschenden "Antisemitismus" sei lZ &, kann lediglich von R. 11, 16ff. her begründet werden. Selbstverständlich enthält R.9-11 aUGh eine Spiue gegen unberechtigte überheblichkeit der römischen Heidenchristen. Von diesem Motiv her läßt sich aber ebensowenig der komplizierte und dialektische Gedankengang von R. 9-11 wie des ganzen Römerbriefs erklären. H.- W. BariIGh, der dieses Motiv zum Angelpunkt seiner Römerbriefinterpretation macht, kann so u.a. die Funktion von R. 2, Iff.; 5-8 und 12f. nicht erklären.
2. Das Thema von R. 9-11 Überblickt man die bisherige Auslegung13, so scheinen sich drei mögliche Wege für das Verständnis von R. 9-11 zu öffnen14 • a) Eine erste Gruppe von Auslegern stellt die Frage nach dem Schüksal Israels in den Vordergrund: Lietzmann nennt als Thema von R. 9-11: die "Stellung des Volkes Israel in der Heilsgeschichte"15, Michel den "bleibt.'1lden und unaufhehbaren ... Vorzug der Erwählung Israels"18, H. W.Schmidt "das religiöse Schicksal des Volkes 11 C.Miiller, Gottes Gerechtigkeit und Gottes Volk, FRLANT 86, Göttingen: Vandenhoeck 1964, 54f. 57, formuliert zu Recht: Es geht um das Recht Gottes. R. 9, 14ff.; 10,3ff. erweisen in der Tat als heimliches Thema von R.9-11 die Gerechtigkeit Gottes, vgl. u. S. 28ff. 36f. 1Is H.-W.BarIIGh, Die antisemitischen Gegner des Paulus im Römerbrief, in: Antijudaismus im Neuen Testament?, München: Kaiser 1967, dort 27-43, bes. 40 in Aufnahme einer bereits von Lütgert geäußerten These. n Zur Auslegungsgeschichte (auch des 19. Jahrhunderts) vgl. E. Weber, Das Problem der Heilsgeschichte nach Röm. 9-1 f, Leipzig: Deichert 1911, 10-41; C.Müller, Gottes Gerechtigkeit 5-27, bes. 17ff. Zu einzelnen Abschnitten: 9, 6-29: V. Weber, Kritische Geschichte der Exegese des 9. Kapitels, resp. der Verse 14-23 des Römerbriefs bis auf Chrysostomus und Augustinus einschließlich, Würzburg: Becker 1889; W. Lülgerl, Der Römerbrief als historisches Problem, BFChTh 17(2, Gütersloh: Bertelsmann 1913, 79ff.; W. Sanday - A. Headlam, A Critical and Exegetical Commentary on the Epistle to the Romans, 5. Aufl. Edinburgh: Clark 1964 (Nachdruck), 269-275; Michel, Röm. 237f. Zu R. 11, 25ff. vgl. u. A V 114. 1& E. Weber, Heilsgeschichte 10ff., teilt ein in prädestinatianisehe, indeterministische, heilsgeschichtliche, praktisch-aktuelle Auslegung und die Theorie von der doppelten Betrachtungsweise, vgl. auch R.KraftisGhen, Die Prädestinationslehre des Apostles Paulus, Diss. Jena 1873, 3f. Wir folgen dieser Einteilung nicht, teils weil sie der exegetischen Situation von heute nicht mehr entspricht (die indeterministische und die streng prädestinatianische Auslegung haben im 20. Jhdt. m. W. keine Fortsetzung mehr gefunden), teils weil die genannten Einteilungsprinzipien sich gegenseitig nicht unbedingt ausschließen. So findet sich das praktisch-aktuelle Moment und das Moment der doppelten Betrachtungsweise in fast allen Auslegungen. 11 An die Römer, HNT 8, 4. Aufl. Tübingen: Mohr 1933, 89. 11 Röm., 221, vgl. Altbaus, Röm. 88.
2. Das Thell/a VOll R. 9-11
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Israel"l1. Andere Exegeten denken - bewegt durch das Schicksal der Juden im dritten Reich - von der Gleichsetzung von Israel und heutigem Judientum aus und machen das Mysterium von R. 11, 25ff. zum Zentrum ihrer meist polemischen oder paränetischen Darlegungen über die Judenfrage18• Eine scheinbar völlig entgegengesetzte Interpretation, die trotzdem von einet sehr ähnlichen Prämisse aus denkt, lieferte E. Peterson. Er geht aus '70n der Gleichsetzung der Kirche und des von Gott eigentlich gemf:inten Israel und kann dann vom historischen Israel sagen: Seine Erwählung ist auf die Kirche übergegangen; "als die Apostel zu den Heiden gingen, nahmen sie ... auch die Erwählung Israels mit". Bei ihm ist also das Mysterium von R. 11, 25f. zum Geheimnis des Handielns Gottes an der Kirche geworden. Die Kirchengeschichte droht die Eschatologie zu verschlingen; es hilft nichts, wenn die Zeit der Kirche als "eschatologische Zeit" bzw. als "Offenbarungszeit"l' bezeichn,~t wird 20• b) Eine zweite Gruppe von Interpreten, in sich sehr verschieden und vielfältig, sieht in der Frage nach der Heilsgeschichte das zentrale Problem von R. 9-11. Im einzelnen sind die Ansätze sehr verschieden, lassen sich aber voneinander nicht immer streng scheiden. H.}.Schoeps interpretiert R. 17
Der Bt'ief des Paulus an die Römer, ThHK 6, Berlin: EVA 1962,155.
K.L.Schlllitlf, Die Judenfrage im Lichte der Kapitel 9-11 des Römerbriefes, ThSt(B) :13, Zollikon: EVZ 1942; W. Vir,her, Das Geheimnis Israels. Eine Erklärung der Kapitel 9-11 des Römerbriefs, Judaica 6 (1950) 81-132; C.MuJ/erDllvernqy, L'apotre Paul et le probl~me juif, Judaica 15 (1959) 65-91; C. Briifr,h,
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La question Juive a la lumi~re de l'Epitte aux Romains, eh. 9-11, Les Cahiers Protestants 1943; weitere Lit. bei E. Gatlg/er, Der Brief an die Römer II, Zürich: Zwingli 1952, 424f. Man wird sich allerdings gerade hier um der Sache willen vor einem vernichtenden exegetischen Urteil hüten müssen. Wenn z. B. K. L. Schmidt aaO 37f. meint: "Daß wir ..• mit dem verstockten Judentum ••• nicht umspringen dürfen, wie es uns beliebt, liegt letztlich allein daran, daß Gott mit diesem verstockten Judentum in derschließlich allein entscheidenden Endzeit reilllll Plan durchführen wird", dann mag dies als Fazit einer Exegese von R. 11, 25/f. schief sein, weil keinesfalls unser geschichdiches Handeln Gottes eschatologisches Mysterium zunichte machen kann, ffi'aß aber als Versuch einer Antwort auf die ja auch eschatologisch sein wollende Endlösung der Judenfrage im dritten Reich interpretiert werden. Fataler wird es :schon, wenn etwa die Gründung des Staates Israel als Etappe auf dem Wege Gottes zur Erfüllung des Mysteriums von R. 11, 25f. deklariert wird, z. B. bei Muller-Duvernoy aaO 91. U Kirche aus Juden und Heiden 18; 71 A. 30; 51f. 10 Vgl. dagegen G.Eühho/~, Prolegomena zu einer Theologie des Paulus im Umriß, in: Tradition und Interpretation, ThB 29, München: Kaiser 1965, 161-189, dort 179: "Die Vorstellung eines religionsgeschichtlichen Nacheinanders (sc. zwischen Israel und der Kirche) geht an der Wirklichkeit Israels und der Kin:he vorbei. Verkennt die Kirche Israel, so verkennt sie den Grund ihrer eigenen ExistelUl •••• überlegen ist allein Gottes Gnade, überlegen über Kirche und Synagoge".
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I. Oberbliek über R. 9-11
9-11 als Heilsgeschichte der postmessianischen Zeit81, dem Ansatz Albert Schweitzers folgend 22. J. Munek versteht den Heidenapostel Paulus als den "katech&otAIJ.0t, 1J.i) ßAEnC/)), die häufige Bearbeitung von Ps. 69 im Urchristentum (vgl. R. 15,3) und das Vorliegen eines Mischzitates 301 für ein Testimonium"ol• Ein solches wäre christlichen Ursprungs und hätte seinen Sitz wohl in der Polemik gegen Israel gehabt. Ein Testimonium dürfte m. E. auch R. J, 10-18 vorliegen. Darauf weist abgesehen vom Blockcharakter des Einschubs die enge Verbindung zwischen den einzelnen Zitlltfragmenten, das Fehlen von Einführungswendungen zu den einzelnen Zitllten, die Zusammenstellung von ganz wörtlichen und stark veränderten Zitllten"o" sowie die Stichwortverbindungen zwischen ihnen·". Ob es sich bei dem Stück um ein aus der jüdischen Polemik (gegen die Heiden? gegen das ungehorsame Volk?) erwachsenes Testimonium oder um ein Stück urchristlicher Polemik oder Liturgie handelt"°', !ißt sich nicht mehr ausmachen. Ähnlich liegt die VgI. aber LXX Ps. 34, 8. Zehrer, PsaImenzitate 59 A. 136 und 170ff., meint, daß Pis. in 11, 9 einen Parallelismus membrorum herstellen wollte, doch bliebe dieser Parallelismus rein formal. 101 Aus Dt. 29, 3f. und Is. 29, 10, nicht aber aus dem sonst häufig (Mk. 4, 12 Parr.; J. 12, 40; Asz.. 28, 26f.) zitierten Abschnitt Js. 6, 9f. besteht das Mischzitat in V. 8. VgI. u. a. E. P. DDblehüJ~ Zum paulinischen Schriftbeweis, ZNW 24 (1925) 306f., gegen Nestle z. St. 101 Der Hinweis von Michel, Röm. 269, daß in R. 11,8-10 alle drei Gattungen der Schrift gemäß rabbinischer Praxis verarbeitet seien, ist richtig, trägt aber Air unsere Frage nichts ab. Sowohl ein Testimonium als auch Pis. können so konzipieren. 101 Falls kein Testimonium vorläge, hieße das wohl, daß Pis. die verschiedenen Psalmzitllte verschiedenen Quellen entnommen hätte, was doch schwer denkbar ist. Völlig verändert ist Ps. 14, Iff. besonders am Anfang, starke Veränderungen zeigen auch 1j/9, 28 und Js. 59,7f., während Ps. 5, 10; 140,4 wörtlich, Ps. 36, 2 fast wörtlich der LXX entsprechen. 104 Hier ist nicht nur oöx ~IJ't~v zu erwähnen, das das ganze Stück formal stark prigt, sondern auch zahlreiche Stichworte, die in z. T. nicht mitzitierten Nebenversen vorkommen: YAWIJIJ<X: Ps. 5, 10; 14O,4a (zitiert 4b); Js. 59,3 (zitiert 7f.); n~xp(<x: cIo 9, 28, vgI. Ps. 5, 11 (zitiert 10); XEtAll: Ps. 140,4; Js. 59, 3; cllJnt~: Ps. 140,4; Is. 59, 5; a-r61J.<X: cIo 9,28; Ps. 5,10a (zitiert lOb); Ps. 36,4 (zitiert 2). Die Häufigkeit dieses Befundes ist auffällig und wohl mehr als Zufall. Können daraus Schlüsse auf die Entstehung des Testimoniums gezogen werden? Oder sind trotzdem größen: Texteinheiten anzunehmen, die die Basis für die Testimonien sind? Vgl. zu Dodd u. A. 312. 101 Michel, Röm. 98 spricht von einer "feierlichen Klageliturgie" bzw. einem "urchristlichen Psalm" (uO 100). Dessen Sitz im Leben wäre allerdings nicht ganz 100
5. Tradi#onsgeschichtJ. Envigungen tRr SehrijttJIIsleg. des PtJIIlfiS
99
Wahrscheinlichkeit bei R. 15,9-12, wo wörtliche und nichtwörtliche Zitate hier allerdings durch Einführungswendungen voneinander getrennt - unter dem Stichwort ~&Vl) zusammengestellt sind. Das Vorhandensein einer testimonienartigen Tradition ist möglich, aber nicht beweisbar. An den übrigen Stellen im Corpus Paulinum, wo testimonienartige Traditionen vermutet worden sind, scheinen mir die Grunde, die ein Testimonium wahrscheinlich machen könnten, nicht auszureichen: Was für Traditionen hinter dem eigenartigen Zitat R. 11, 34f. stehen, dürfte nlcht mehr auszumachen sein. Für R. 10, 13ff. ist ein Testimonium nicht beweisbar"". In 1. K. I, 18-3, 23 vermutet L. CerjQUX ein Florileg, indem er. die dortigen Zitate nach der LXX vervollständigt, wobei sie sich als unter den Stichworten <JOql(cx, <J0'P6~, - ßOUA - und AOYI<JII-6c; verbunden erweisen'·'. Die Achillesferse der Hypothese besteht darin, daß Cerfaux nicht ganz alle Zitate des Abschnittes verwenden kann S•••
Was können aus diesem Befund für Schlüsse gezogen werden? Vieles bleibt hypothetisch. Vermutlich hat Paulus jedoch christliche Testimonien benützt und damit den Schriftgebrauch der Gemeinde vor ihm aufgenommen. Eine bewußte Veränderung der ihm vorliegenden Traditionen ließ sich nirgends feststellen. Vielmehr wird der Schriftgebrauch der Gemeinde aufgenommen, vertieft, verdeutlicht, weitergeführt, aber revolutionär Neues scheint Paulus hier nicht geschaffen zu haben80'. b) Die übrigen Zitate Hier wird die Arbeit der Traditionsgeschichte erst recht schwierig, weil wir kein sicheres Kriterium besitzen, um ein bei Paulus sich findendes Schriftzitat, das vom Apostel selbst entdeckt wurde, von einem solchen aus der Gemeindetradition zu unterscheiden. Die christliche "Entdeckung" des Alten Testaments begann ja mit den ältesten Schichten der Tradition und war in ständiger Entwicklung. Aus der Zitationsweise des Apostels lassen sich jedenfalls keine Rückschlüsse ziehen, da von ihm selbst entdeckte Zitate sowohl der Lektüre des einfach zu bestimmen, weil es wahrscheinlich die andern sind, deren Sünde beklagt wird. Ohne daß das Testimonium verbal verändert wird, sind es bei Pis. aufgrund des Kontextes alle, die sündigen, d. h. die Klagenden sind mit eingeschlossen. , •• Vgl. dazu auch o.A. I 73. 77 • ••• Vestiges d'un ßorilege dans 1. Cor. I, 18-3, 23?, in: Recueil L. Cerfaux n, Gembloux: Duculot 1954, 319-332, dort bes. 323. ••• überzeugend weist dagegen T. A. F;/~fJIyer, Qumran and the Interpolated Paragraph in 2. Cor 6,14-7, I, CBQ 23 (1961) 271-280, dort 278f. in dem m.E. unpln. Stück 2. K. 6, 14ff. ein Testimonium mit dem Thema "Gottes erwihltes Volk" nach. Wesentlich mehr Testimonien findet Harris, Testimonies 11, 12-37, indem er antijüdischen Charakter der Zitate zum Kriterium macht• ••• "St. Paul was a traditionalist, operating with conventionaI and approved material to a degree far beyond what we should apriori have expected" (Huris, Testimonies 11, 29).
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II. Die gegenlII. Vergllngenheit: Dill Gotteswort des AT
A. T. (dann wörtliche Zitation), als auch der Lesung des A. T. im Gemeinde- oder Synagogengottesdienste (dann freiere, evt. targumartige Zitation oder Gedächtniswiedergabe) oder einfach der Erinnerung entstammen können. Ähnliches gilt auch für die Gemeindetradition. Paulus kann auch freie und ungenaue Zitate der Gemeindetradition korrigiert haben, so daß wir hier völlig im Dunkeln tappen. Auch eine Vorliebe des Apostels für bestimmte alttestamentliche Schriftsteller läßt sich nur sehr beschränkt nachweisen. Paulus zitiert zwar Jesaia (21 x), Psalmen (17 x), Deuteronomium (12 x) etwa im Vergleich zu Jeremia (3 x), Numeri (nie) oder Hiob (1 x) besonderS häufig (berücksichtigt wurden dabei nur die eigentlichen Zitate). Man vergleiche damit aber andere Schriften: Schriften:
..._-_.-.... Zitate aus: Js. Ps. Dt. Nu. Jer. Hi.
Pis. 21 17 12
-- ... - ._---.-.- - ----._...._- ----_ ...._- ...._-"---- -_ ..------_.. J. 5 7
Lk.Ag.
Hb.
Barn.
1.CI.
8 6 8
2 15 4
1
2
31 20 13 1 8
15 37 7 5 2 10
t
3 1
Ign.
2 2
Die Tendenzen laufen also ähnlich und berechtigen zu keinen Schlüssen, ausgenommen solchen über exegetische Traditionen des Urchristentums überhaupt310 • Ein sicherer Hinweis auf Gemeindetradition dürfte dort gegeben sein, wo in einem Zitat semitischer Spracheinfluß direkt nachweisbar ist, d. h. bei Paulus fast nie3l1 • Einen Hinweis geben uns auch Zitate, die in den neutestamentlichen Schriften mehrfach vorkommen, was auf eine gewisse Verbreitung in verschiedenen Gemeinden schließen läßt312 • Auch in Qumran genießen Jesaia und die Psalmen große Beliebtheit, '"81. Braun, Qumran u.d.N. T. 11, 303. Zur Bedeutung der Psalmen bei Pis. auch Thyen, Stil 67 A. 18, bei den Juden G.F.Moore, Judaism in the first Centurics of the Christian Era I, Cambridge: Harvard University Press 1927, 241f.; zur Bedeutung von Js.1I vgI. T.HoIIZ, Zum Selbstverständnis des A[lostels Paulua, ThLZ 91 (1966) 321-330, dort 327/f. F.C.Porter, The Place of Apoealyptical Conceptioos in the Thought of Paul, JSL 41 (1922) 183-204, dort 188, weist ehr· auf hin, daß Pis. die apokalyptischen Teile des A.T. kaum benütze. Zum Fehlen von Jer. vgI. T.Holtz, aaO 326f. Oll A.nders ist natürlich die Problemlage, wenn wir mit z. B. W. C. v. Unnlk, Reisepläne und Amen-Sagen, Studia Paulina (Festsehr. J.deZwaan), Haadem: Ernn f. Bohn 1953,215-234, dort 233f., annehmen, Pis. habe als Muttersprache aramlisch gesproehen. Ilt VgI. die übersicht bei Dodd, Scriptures 31-57. Dodd glaubt, daß gewisse.tt. testamen diche Abschnitte als "text-plots" in den urchristlichen katechetischen 310
5. TraditionsgefChichtl. Erwägungen i,ur Scbriftalii/eg. der Pali/li!
101
Die Ausbeute bleibt aber spärlich. R. 9, 7 und Hb. 11, 18 zitieren beide Gn. 11, 12. Hier liegt wohl Gemeindetradition voral". Von den übrigen alttestamendichen Zitaten in R.9-11 hat Js. 53, 1 (= R. 10, 17) in J. 12,38 eine Parallele, die ihren Sitz wohl auch in der Polemik gegen die Juden hat. Js. 52, 7 hat durch das Verb cUat'Y'YE).(t:Oll-atl im Urchristentum eine gewisse Verbreitung erfahren, vgl. Ag. 10 36; Eph. 6, 15, ohne daß die Besonderheit von R. 10, 15 durch eine exegetische Tradition eine nähere Erklärung fände. JI. 3, 5 (= R. 10, 13) hat in Ag. 2,21 eine Parallele, doch ist dort die ganze Weissagung der Geistausgießung (JI. 3, 1-5) zitiert, ohne daß ein Zusammenhang zwischen den beiden Stellen wahrscheinlich wäre. Auch die übrigen Zitate bei Paulus weisen nicht auf eine starke Verbundenheit des Apostels mit dem in der übrigen urchrisdich-katechetischen Tradition behandelten Textmaterial: Hab. 2, 4 (= R. I, 17; GI. 3, 11) ist zwar Hb. 10, 37f. wieder zitiert, doch ist eine gemeinsame Tradition nicht nachzuweisen3IC • Von den übrigen Zitaten, die Paulus mit der von ihm unabhängigen urchristlichen Tradition gemeinsam hat, sind Ps. 62, 13 (R. 2, 6), Gn. 2, 24 (1. K. 6,16), Dt. 19, 15 (2. K. 13, 1), Lv. 19, 18 (GI. 5, 14) so weit verbreitet, daß besondere Schlüsse daraus nicht gezogen werden können. Es bleibt noch R. 14, 11, wo Phi!. 2, 10 eine stark verschiedene Parallele vorliegt, so daß kaum eine gemeinsame exegetische Tradition über Js. 45, 23 bewiesen werden kann, auch wenn Pis. natürlich die Anspielung auf das Zitat im Philipperhymnus kannte. Hingegen dürfte die Verbindung von Ps. 8 und Ps. 110 in 1. K. 15, 25ff. auf christliche Tradition zurückgehen"·.
Mit aller Vorsicht dürfte folgendes Ergebnis formuliert werden: Soweit sich dies nachweisen läßt, hat Paulus die exegetischen Traditionen der Gemeinde, in der er lebte, durchaus positiv aufgenommen, auch wenn seine eigene exegetische Arbeit nicht unterschätzt werden darfS1'. Im Gebrauch der alttestamentlichen Worte als Weissagungen, Beispiele, Typen etc. zur Erbauung, Belehrung oder Polemik scheint sich Paulus kaum von der hermeneutischen Tradition der Gemeinde wesentlich unterschieden zu haben. Jedenfal11weilt lein Umgang mit der S~hriftalil/egtmg der Gemeinde nicht darallf hin, daß er Ji~h 10 ehlla! flJie einer lUllen Hermenelltik bewIIßt geweJen wäre. Wenn wir überhaupt etwas als typisch paulinisch bezeichnen können. dann ist es die enge Verbindung. die die Schriftauslegung mit dem Vollzug seiner eigenen Theologie eingeht. Traditionen besonders häufig behandelt wurden. Jedoch sind sie dann sehr oft so verschieden angewendet, daß die Annahme einer gemeinsamen exegetischen Tradition schwierig ist. Außerdem bleiben die Zitate immer einzelne Worte, ohne daß ihr Kontext (Dodd, aaO 126: total context) in den Blick käme. Zum Weiteren vgl. Sundberg, Nov. Test. 3 (1959), bcs. 271ff. 111 Vgl. o.A. 138. 11' Gegen Dodd, Scriptures 51, vgl. A.Slrobel, Untersuchungen zum eschatologischen Verzägerungsproblem, Suppl. Nov. Test. 2, Leiden: Brill1961, 175; Lindan, N. T. Apologetics 230ff. Hb. to, 37f. steht viel näher bei Qumran, wo der Vers ebenf811s zitiert ist, vgl. Braun, Qurnran u. d. N. T. 11, 321f. I11 Vgl. dazu u. VII 2 C. I11 Ich freue mich hier der Übereinstimmung mit dem von Lindars, N. T. Apologetics 247, auf andere Weise gewonnenen Resultat seiner Untersuchungen.
102
Il. Die gege"lII. Vergllllgenheit: Das Gottenvort des AT
Die Frage. wieweit hellenistisch-enthusiastisch geprägte Gemeinden das A. T. faktisch aufgegeben haben.... ist komplex und kann wohl kaum mit einer einfachen Formel beantwortet werden. Der oben notierte Befund spricht aber eher dagegen. ebenso Conzelmanns bedenkenswerte Hypothese von weisheitlich geprägten Schulen in den Gemeinden"". Die enge Verbindung. die zwischen \Veisheitstheologie. Apokalyptik und Enthusiasmus in den Gemeinden geherrscht haben muß. läßt ein prinzipielles Urteil als unangebracht erscheinen. Natürlich mag faktisch in mehrheitlich heidenchristlichen Gemeinden die Bedeutung des A. T. zurückgetreten sein"". doch waren es ja ehemalige Juden, Proselyten, Gottesfilrchtige und Heiden. die in den hellenistischen Gemeinden zusammenlebten; da eine grundsätzliche und totale Trennung dieser Gruppen in den Gemeinden kaum nachzuweisen ist, wird nirgends das A. T. völlig aus dem Blickfeld der Gemeinden geueten sein. Dafür sprechen auch der erste Petrusbrief und der erste Klemensbrief.
B. Paulus und die Schriftauslegung von Qumran Blicken wir auf das außerchristliche Schrifttum, so scheint sich ein Vergleich zwischen der paulinischen Schriftauslegung und derjenigen der Sekte von Qumran besonders nahezulegen, weil wir es auch in Qumran mit einer zeitlich und soziologisch bestimmbaren Gruppe zu tun haben und nicht, wie bei den Rabbinen und weithin in der Apokalyptik, mit einer weitschichtigen und schwer abgrenzbaren Tradition. Qumran steht in verschiedener Hinsicht zeitlich und sachlich zwischen Apokalyptik und Rabbinat. Teilt die Sekte mit den Apokalyptikern deren intensive Enderwartung, ihr Interesse an der Geschichte als der Durchführung des Planes Gottes, ihr sich-AngewiesenWissen auf die Offenbarung des Planes Gottes und damit einen gewissen esoterischen Charakter, so erinnert das große Interesse der Qumranleute an der Schrift und die Bedeutung der einzelnen Gesetzesvorschrift an das rabbinische Judentum. Daneben weist Qumran eigentümliche Züge auf, die wir nur hier antreffen, etwa das Interesse an der Gegenwart als ausgezeichneter Zeit und ihre ausschließliche Verwendung als Schlüssel zur Interpretation der Schrift. Ein Vergleich der Schriftauslegung in Qumran und bei Paulus mag gerade deshalb besonders interessant werden. Religionsgeschichtlich soll damit nicht eine besonders enge Verwandtschaft zwischen Paulus und Qumranbehauptet werdens20 • 1. Beginnen wir mit dem Äußerlichsten, der Wörtlichkeit und den Einführungswendungen der Zitate. In der Damaskusschrift stehen In I ..
Vgl. Hamack, SAB 1928. 130. 137ff. V gl. o. A. 178. 282.
"" Vgl. o.A. 7. Zu den hellenistisch-enthusiastischen Gemeinden vgl. auch die u. A.IV 119 gegebenen Verweise. . 110 Zum Thema: Schriftauslegung in Qumran und im N. T. vollstilndige Literaturangaben bei Braun, Qumran u. d. N. T. 1I. 301.
J. TraJinoflSgesthithtJ. Ef'1IIägungen ZIIf' SthriJtausleg. Jes PauJus
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sich wörtliche und nichtwörtliche Zitate etwa zu gleichen Teilen gegenübet 381• Bei Paulus finden wir zwar im ganzen eine etwas freiere Zitationsweise322, doch wird man daraus keine großen Schlüsse ziehen dürfen, da äußere Gründe, wie die Art der verfügbaren Quellen, die Reisetätigkeit des Apostels etc. eine Rolle spielen. Immerhin ist auffällig, daß bei Paulus der biblische Text etwas häufiger als in Qumran von der Interpretation im Kontext her, also durch den Autor selbst verändert worden ist S28• Ähnliches stellen wir bei der Betrachtung der Einführungswendungen fest. Wie bei Paulus verteilen sich in der Damaskusschrift die Einführungswendungen etwa zu gleichen Teilen auf mit "sagen" und mit "schreiben" gebildete Formeln. Auffallig ist aber bei Paulus im Unterschied zur Damaskusschrift die Häufigkeit völlig freier, formloser Einführungswendungen8lc• Beide Eigentümlichkeiten zeigen, daß Paulus der Schrift mit großer Freiheit gegenübersteht. 2. Gemeinsam scheint Paulus und dem Urchristentum einerseits, der Gruppe von Qumran andererseits das starke Interesse an der Gegenwart zu sein32&. Dieser Zug unterscheidet die Gruppe von Qumran so111 Die Kommentare von Qumran weisen von ihrer Form her andere Verhiltnisse auf und eignen sich zum Vergleich nicht, da dort ein fortlaufender biblischer Text vorliegt. Andererseits weist CDC. von den übrigen Schriften der Sekte verhiltnismäßig am meisten A. T. Zitate auf. Zu der in der peSer-Auslegung von Qumran bestehenden Möglichkeit, einen Text von der Auslegung her abzuändern vgI. EIliger, Studien 144. 158ff.; Stendahl, SchooI185-190• ••• R.: 28 Zitate nicht wörtlich, 16 Zitate wörtlich: 1. K.: 8 n.w., 4 w.; 2. K.: 3 n. w., 3 w.: GI.: 6 n. w., 2 w. (nur explizite Zitate gezählt). a.. Dazu wären etwa zu rechnen: R. 1, 17?: 2,24; 9,17. 25ff.; 10, 6ff•• 11. 15? 19?; 11,4; 1. K.l,31?; 3,20?; 14,21; 15,45?; GI.3,8?13?, vgl. o. 11 4 B. E. EI/;s, A Note on Pauline Hermeneutics, NTS 2 (1955/56) 127-133, dort l3Off., vgl. ders., Paul's Use 139-147, bes. 145; Lindars, N. T. Apologetics 24-28, woUen aufgrund der bei Pis. vorliegenden absichtlichen Textänderungen seine exegetische Methode als eine peSer-Deutung bezeichnen. Doch wird man differenzieren müssen. Die in Qumran gebräuchliche Art fortlaufender Kommentierung findet sich bei Paulus gelegentlich, z. B. R. 10, 5ff., aber nicht oft. Daß PIs. zwischen verschiedenen Lesarten auswählt, ist m. E. kaum nachzuweisen; etwas anderes ist, daß er von seinem theologischen Kontext her den Text umgestaltete. Das hinter der Auslegung des A. T. in Qumran stehende Verständnis von Gegenwart und Geschichte, von Autorität des Auslegers etc. gilt für Pls. nur partiell. VgI. zum Ganzen die differenzierten Bemerkungen von Braun, Qumran u. d. N. T.ll, 306f. 323• ••• Vgl. R. 9, 9.15.27.29; 10,20; 11,4; 13,9: GI. 3, 8 und o.S. 87. In Qumran finden sich - abgesehen von den Kommentaren - nicht mit ,,'amar" oder "kathab" eingeleitete Zitate nur CDC. 3, 21; 4,13.21. Ahnliches steUt a~ch B.M,tuer, The Formulas introducing Quotations of Scripture in the N. T. and the Misht18h, JBL 70 (1951) 297-307, dort 306, beim Vergleich mit der Mischna fest, auch wenn die Differenzen zwischen den Einführungswendungen bei Pis. und der Mischna eher größer sind aIs bei Qumran, vgl. J.A. Fit,"myer, The Use of Explicit O. T. Quotations in Qumran Litterature and in the New Testament, NTS 7 (1960/61) 297-333, dort 305 • ... Fitzmyer, NTS 7 (1960/61) 309/f. bezeichnet diesen Bezug der Auslegung auf die Gegenwart mit dem Stichwort .,modernizing". Er hat damit etwa Richtiges
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II. Die gegen/v. Vergangenheit: Das Gotteswort des AT
wohl von der vorwiegend an der Zukunft orientierten Apokalyptik wie von den Rabbinen, die zwar die Gegenwart selbstverständlich in ihre Schriftauslegungen miteinbeziehen, aber eben nur neben andern Zeiten mit-einbeziehen. Die Gegenwart ist für die Gruppe von Qumran ausgezeichnete Zeit. Sie, die mit dem Wirken des Lehrers der Gerechtigkeit ihren endgültigen Anfang nahm, ist die letzte Zeit, Zeit vor dem Ende, Zeit der wieder erscheinenden Gnade Gottes S28, Zeit der Erfüllung der Schrift. Damit scheinen wir unmittelbar in der Nähe des jungen Christentums zu stehen. Dennoch sind die Unterschiede zu beachten. Zunächst fällt auf, daß der Habakukkommentar den Text durchaus nicht einheitlich auf die unmittelbare Gegenwart deutet. Vielmehr gehen Deutungen auf die jüngste Vergangenheit, die Zeit des Lehrers und des Frevelpriesters sowie des Lügenmanns327, auf die aktuelle Gegenwart, also die Zeit der Gemeinde unter der Herrschaft der Kittim 328 und auf die nahe Zukunft, die Zeit des endgültigen GerichtsS29, nebeneinander her. Wenn die vorläufige Anzeige, der Kommentar deute den Text auf die Gegenwart, dennoch richtig sein soll, dann muß "Gegenwart" näher bestimmt werden: Gegenwart ist dann die durch das Auftreten des Lehrers der Gerechtigkeit inaugurierte, vom Jiingsten Gericht begrenzte "letzte" Zeitepoche, oder kurzum: Gegenwart ist die Zeit der Geschichte der Qumransekte. Qumran kennt also so etwas wie einen ausgezeichneten Zeitabschnitt, innerhalb dessen sich die Schrift erfüllt. Daraus ergibt sich - etwas pointiert - folgende Bestimmung: Ein Ereignis erweist sich für den Ausleger der Sekte von Qumran dann als schriftbezeugt, wenn gesehen, aber m. E. noch unzureichend beschrieben. Auch für die Tannaiten würde dieses Urteil gelten; der Unterschied besteht aber darin, daß dort alttestamentliche Prophetenworte zwar auf die Gegenwart bezogen werden M"M", aber nicht fliRrst", vgl. Glatzer, Untersuchungen 841f. ••• Vgl. 1 QpHab. 2, 5; 7, 7. 12; 1 QS.4, 16f. Die Ausdehnung dieser letzten Zeit bleibt allerdings unbestimmt, vgl. dazu F. Nötrcher, Zur theologischen Terminologie der Qumrantexte, BBB 10, Bonn: Hanstein 1956, 1651f. Seine Unterscheidung einer bereits angebrochenen ,,messianischen" und einer fernen "eschatologischen" Zeit (aaO 166) scheint mir von den Texten her nicht begründet. VgL auch G.Jer,miar, Der Lehrer der Gerechtigkeit, StUNT 2, Göttingen: Vandenhoeck 1963, 159• ••• Vgl. G.Jeremias, Lehrer 361f. 791f. Der Lügenmann dürfte mit dem Lehrer der Gerechtigkeit gleichzeitig sein, also eine Gestalt der nahen Vergangenheit. Der Frevelpriester ist wohl Jonathan Makkabaios, vgl. G. Ve,.",is, Les manuscrits du d~sert de Jude, 2. AuS. Paris: Descl~e de Brouwer 1954,94; G.Jeremias, aaO 711f• ••• Gemeint sind vermudich die Römer, vgl. G.Jeremias, Lehrer lOf. A 3. Interessant ist, daß 4 QpNah. vermudich die politischen Ereignisse der Epoche Alexander Jannais und nicht die Griindungszeit der Gemeinde anvisiert, vgl. G.Jeremias, aaO 138f.; J.Maier, Die Texte von Toten Meer Il, Basel: E.Reinhardt 1960,162• ••• Vgl. 1 QpHab. 9, 41f.; 10,31f.; 12,14; 13,2ff.; 4QFlor. plIS.; 4 QpNah.3, 3f.; 4, 3f. etc.
5. Traditionsgeschkht/. Erwägungen
zur Sthrifft1l1sleg. des Pall/IIS
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es in dieser Epoche stattfindet oder erwartet wird. Dies wird durch eine andere Beobachtung bestätigt: In Qumran können irgendwelche Ereignisse, auch solche, die die soziologische oder theologische Existenz der Sekte in keiner Weise betreffen, Gegenstand einer Schriftweissagung seinsso. Die Einheit der Auslegung braucht dabei durchaus nicht gewahrt zu sein, sofern nur diejenige der Gegenwart als Zeitepoche gewahrt bleibtSSI. Ja, es sind innerhalb des durch die Gegenwart gegebenen zeitlichen Rahmens sogar verschiedene Auslegungen derselben Schriftstelle möglich 33l• Dies zeigt, daß die Gegenwart an sich im Brennpunkt des Interesses der Sekte steht. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Paulus lassen sich nun schön aufzeigen. Auch bei Paulus richtet sich die Schrift an die Gegenwart, wird erst von ihr aus verstehbar und zielt auf siess8. Es ist aber nicht einfach das, was in der Gegenwart als Erfüllung des Planes Gottes geschieht, was das Interesse des Auslegers auf sich zieht. Vielmehr ist es die Gegenwart als eine Zeit, in der Glaube durch Christus geschenkt wird oder durch die dieser Glaube in Frage gestellt wird. Es ist die Gegenwart als Zeit des Evangeliums, als Zeit der Gerechtigkeit Gottes. Daran liegt es, daß die Schrift bei Paulus den Glauben verkündet oder vertieft, also die Hörer immer in irgendeiner Weise direkt in ihre Botschaft mit eingeschlossen sein läßt, während für den Ausleger der Sekte die Schrift es oft einfach mit Geschehnissen der Zeit zu tun hat, in die der Hörer nur insofern eingeschlossen ist, als er eben in dieser Zeit lebt, und von Gott durch die Schrift dazu ermutigt wird, sie zu verstehen und auf ihr Ende zu hoffen. llIIOfern betrachtet der Atnleger der Sek.te seine
Zeit stärker von außen als eine Zeit, deren Ablaufen Gottes Plan entspricht, während bei Paulus die Schrift dem Hörer stärker seine Zeit erschließt als Zeit der Nähe Gottes, als Glaubenszeit, als Zeit der VerkiinJigpng des Evangeliums3sl• ••• Vgl. z. B. o. A. 328 und 1 QpHab. 2. 12ff.; 3, 4ff. 9ff. etc• So brauchen z. B. der Lehrer der Gerechtigkeit und die Kittim nicht gleichzeitig ZU sein, vgl. G.Jeremias, Lehrer 32ff• ••• Vgl. 1 QpHab. 2, f-l0 . ••• Vgl. o. IJ 4A und B• ••, Der Ausdruck "Glaubcnszeit" soll als Chiffre verstanden werden und nicht einer kurzschlüssigen Subjektivierung der Zeit Vorschub leisten. Gemeint ist: Für den Sektierer von Qumran ist sein Ort in der Zeit bestimmt, weil er Gottes Plan und seine Stellung in demselben kennt. Das lehrt ihn die Schrift verstehen, und insofern schenkt ihm die gedeutete Schrift Hoffnung, weil Einsicht in Gottes Plan. Dem Christen aber ist die Gegenwart angefochten, weil seine eigene Wirklichkeit immer wieder der durch das ..Jetzt" des Glaubens gesetzten Wortwirklichkcit zu widersprechen scheint. Darum wird ihm das die Gegenwart ansprechende und erhellende Wort des A. T. entweder direkte Anrede, die ihn selbst neu machen will, indem sie ihm seine eigene, bisherige Zeit bestreitet und ihm .,Glaubenszeit" zuspricht, oder die Schrift wird indirekt zur Anrede. indem sie Ereignisse der Gegenwart, etwa die Annahme der Heiden (R. 9, 2Sff.), die VerstDckang • 81
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11. Die gegenlII. Vergangenheit: Das GottesllIort des AT
3. Auch beim Vergleich der hermeneutischen Bewegungen, die Paulus und der Ausleger von Qumran aufweisen, stoßen wir auf weitgehende Gemeinsamkeiten. An beiden Orten wird das Schriftwort als einzelnes interpretiert. Der Kontext zählt kaum. Bei Paulus und in Qumran finden wir "atomisierende" Auslegung 336 von Einzelworten. Diese werden dann auf sehr vielfaltige Weise vergegenwärtigt. Wir finden - von eigentlicher Halaka und den peser-Deutungen abgesehenWeissagungen (z. B. CDC. 6, 13; 7, 10ff.), Allegorlen836, allerdings kaum Typologie337 • Im Vergleich zu Paulus fällt zweierlei auf. Erstens einmal die Bedeutung der eigentlichen Halaka: Die Gemeinde von Qumran gibt sich ihre Ordnung entsprechend den Satzungen des alten Bundes. Sie beansprucht - im Gegensatz zum Lügenpriester und zum Haus Absalo:tn -, das ganze Gesetz zu halten388• Natürlich gibt es auch bei Paulus alttestamentlich motivierte Ethik. Doch ist das A. T. nicht die einzige Quelle für das christliche Handeln339, und die paulinische Paränese hat einen völlig neuen theologischen Ort. Das Zweite aber ist noch wichtiger: Dem konsequenten Bezug des prophetischen Wortes auf die Gegenwart entspricht in Qumran eine exegetische Methode, die hier zum ersten Mal konsequent angewandt die Schrift auf die Gegenwal"t hin zum Sprechen bringt340 • Vorgegeben ist dabei nicht der Zusammenhang der Schrift - er wird durch die atomisierende Auslegung ja gerade zerstört -, auch nicht der Zusammenhang der Deutung - eine zusammenhängende Deutung liegt ja, wie wir gesehen haben, nicht vor, weil die Schrift auf unter sich nicht zusammenhängende Ereignisse hinweisen kann -, sondern der Zusammenhang der Zeit, in der die Schrift zu ihrer Erfüllung kommt. Unter der Voraussetzung, daß die ganze Schrift in der Entscheidungsepoche zur Erfüllung kommt, werden nun ihre Aussagen in den Griff genommen und gedeutet. Daß die Sekte von Qumran die Form des Kommentars hat entwickeln können und zur Deutung ganzer Bücher des A. T. kam, ist nicht zufällig. Paulus hingegen entwickelt keine neue Methode, Israels (R. 10, 18ff.; 11, 8ff.) als unter Gottes Willen stehend deutet. Aber dann handelt es sich gerade nicht um irgendwelche weltgeschichtliche Ereignisse wie in Qumran, sondern um Ereignisse, die um des Glaubens willen als Taten der Gerech~keit Gottes verstanden werden müssen. SS6 EIliger, Studien 139-142 in Bezug auf 1 QpHab., vgl. G.Jeremias, Lehrer 57. 0" S. o. S. 62. In Qumran ist allerdings die Allegorese weit häufiger als im N. T., vgl. Braun, Qumran u. d. N. T. 11, 323 . .., Vgl. o.A. 229. 11' V gl. Betz, Offenbarung 15ff. 01. Dazu v.Campenhausen, Begründung, Aus der Frühzeit 61ff.; W.S,hrage, Die konkreten Einzelgebote in der paulinischen Paränese, Gütersloh: G.Mohn 1961, 187ff. Zum Vergleich von pln. und Qumranischer Halaka Braun, Qumran u. d. N. T. 11, 286ff. lOG Zur Peier-Methode vgl. Brownlee, BA 14/3 (1951), bes. 6Off.; Eiliger, Studien 118ff.; Stendahl, School 183ff.; Betz, Offenbarung 73ff.
J. Tratlitionsgesehicht/. E""iigtmgen t"" SchriftatlSkg. dBs Patdtts
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um die Schrift zum Sprechen zu bringen. Seine Auslegung entspricht weitgehend derjenigen der christlichen Gemeinde vor ihm. Er wendet die zu seiner Zeit geläufigen hermeneutischen Schemata in freier Weise an, ohne sich irgendwo festzulegen. Man hat nirgends den Eindruck, daß es ihm wesentlich sei, die ganze Schrift zu entschlüsseln. Vielmehr sind es einzelne Gottesworte, die sprechen, wie es auch einzelne geschichtliche Episoden sind, die die Gegenwart anreden. PatllNs verzichtet daratlj, eine eigene, vielleicht evangelische Methode der Schriftatlslegtlng Zu entwickeln; von Christus her kommt die Schrift ohne besondere Methode zu Gehör. 4. Damit hängt noch eine weitere Bestimmung zusammen, die das Gesagte bestätigt und vertieft. In Qumran ist die Deutung der Schrift an die Autorität des Lehrers der Gerechtigkeit gebunden. Ihm hat Gott die Geheimnisse der Propheten geoffenbart, er ist maßgebender Ausleger der Tora841, er ist es, der das Prophetenwort besser versteht als der Prophet sdbst (1 QpHab. 7, 2ff.). Diese Autorität des Lehrers hat in der spätern Ordnung der Gemeinde ihre Analogie: Dort sind die Priester die beauftragten Toraforscher und -lehrer, die gegenüber der Gemeinde die Autorität des Lehrers der Gerechtigkeit wahrnehmenMI. Die Schrift ist an sich verborgen, ihre Geheimnisse werden durch den Lehrer, bzw. seine Bevollmächtigten, die Priester, der Sekte offenbart. Die Gemeinde von Qumran ist - von ihrer Theologie her sachlich zu Recht - hierarchisch strukturiert. Bei PaublS gibt es keine InstimtionalisierlHJg der Schriftauslegtmg. Vidmehr bleibt der Zugang zur Schrift frei, ihre Auslegung öffentlich. Auch die Stellung Jesu zur Schrift oder seine exegetischen Entscheidungen werden von Pauh.ls nicht zu seiner eigenen Autorisieruog in Anspruch genommen, so sehr er gerade damit sachlich in Jesu Nähe steht. C. Zmammen!asslHJg
1. Paulus hat sich keine eigene hermeneutische Methode geschaffen. Er greift vielmehr in freier Weise die in der Gemeinde und in der jüdischen Umwdt vorhandenen Auslegungsmethoden auf. Dabei erscheint keine besonders betont. 2. Im allgemeinen wird die Gegenwart durch das alttestamentliche Wort direkt angesprochens,s. Die Zeitdifferenz zwischen ursprünglicher und gegenwärtiger Situation ist beim Sprechen des Schriftwortes im allgemeinen nicht betont. Das Schriftwort bezieht sich auf die Gegenwart. Vom Christusgeschehen her erweist es sich als volles an G.Jeremias, Lehrer 141, vgl. 322f• ... Vgl. Hetz, Offenbarung 1911'., vgl. 1 QpHab. 2, 7ff.; t QS. 5,9(. • u Vgl. 0.11 3 D Nr. 3.
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II. Die gegen",. Vergangenheit: Das GotleS7llort des AT
Gotteswort und spricht dem Hörer Heil zu, entlarvt ihn als gottlos und läßt ihn die Gegenwart als Zeit des Handelns des gerechten Gottes verstehen. 3. Paulus ist sich keiner Differenz zwischen ursprünglicher Bedeutung und Interpretation der Schrift bewußt3". Vielmehr spricht das Schriftwort die Sprache der Gegenwart. Schrift und von Christus bestimmte Gegenwart interpretieren sich gegenseitig. Paulus kann durchaus auch von der Gegenwart her den Schrifttext verdeutlichen. Eine große Freiheit im Umgang mit der Schrift ist unverkennbar. 4. So kommt es bei Paulus zu keiner christlichen Bewältigung des Alten Testaments, weder durch eine besondere Methode, noch durch ein kirchliches Amt. Eine Nötigung zu einer Gesamtinterpretation des Alten Testamentes besteht nicht34 &. Primär ist vielmehr das eigene Reden des einzelnen biblischen Wortes, das sich ohne Voraus-Setzungen als Wort Gottes erweist. Exkurs: Paulus und das prophetische Geschichtsverständnis Blicken wir zurück auf das Ganze der bisher besprochenen Bezüge des Paulus auf das Alte Testament, so stellen wir auffällige Analogien zwischen dem Umgang des Paulus mit dem Alten Testament und der Verkündigung der Propheten und ihrem Umgang mit Tradition fest. Beiden ist gemeinsam"": 1. eine große Freiheit im Umgang mit Tradition, die nicht davor zurückschreckt, Herkömmliches völlig umzuwerten. 2. Wie bei Paulus, so besitzen auch in der Prophetie "die Hinweise auf vergangene Ereignisse keinen selbständigen Zweck, sondern sind Mittel der gegenwansbezogenen Verkündigung"·... 3. Bei Paulus wie bei den Propheten bezweckt der Hinweis auf Gottes Handeln in der Geschichte "Erkenntnis Jahwes"..•. ... Vgl. o. II 4 B. Von 2. K. 3 (vgl. u. S. 133f.) her ließe sich im Sinne des Pis. sagen: Das A. T. wird erst jetzt, in Christus, überhaupt richtig verstanden. Zu einem herabsetzenden Uneil über die alttestamentlichen Verfasser und Ausleger kommt es bei Pis. sonst allerdings nicht, wie denn Pis. überhaupt kaum über die Auslegung des A. T. 110" Christus reflektiert . ... S. o. S. 107; dabei kann immerhin der Kanon in seinen gesetzlichen und prophetischen Teilen als abgeschlossen vorausgesetzt werden. Galley, Heilsgeschehen 56, bezeichnet in Anlehnung an v.Rad die Aufnahme des A. T. bei PIs. mit Recht als "charismatisch-eklektischen Vorgang". Vgl. auch o. II 3 D Nr. 1. ae. Punkt 1-4 entsprechen den von Fohrer, ThLZ 89 (1964) 495-497 genannten, für den prophetischen Geschichtsgebrauch typischen Punkten. In Fohrer. ThLZ 89 (1964) 496. IB. Vgl. etwa o. 11 3 D Nr. 7 und die Verbreitung der Erkenntnisformel (vgl. o. A. 209) im prophetisc.ben Schrifttum (Zimmerli. Erkenntnis 9ff. 17ff. 300. 34ff.). Vgl. ferner Wendland. Geschichtsanschauung 13.
6. Die eigenen ARssagen des Pall/lls über seinen Sehriftgebrtllleb
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4. Auch die Propheten denken nicht aus einer Gesamtkonzeption von Heilsgeschichte, die eine kontinuierliche Kette von Offenbarungsakten bildet, sondern sie greifen auf einzelne Heilsereignisse zurück, mittels derer sie Gottes künftiges Handeln ansagen. 5. Auch in seiner Bewertung der Vergangenheit trifft sich Paulus mit der Prophetie: Der alte Aeon ist nicht einfach dunkle Zeit, sondern Zeit des GottesworteS und des Handdns Gottes an einem ungehorsamen Volk..•.
Bei diesen Parallelen handelt es sich um Analogien, nicht um direkte Einflüsse. Sicher stehen ihnen viele tiefgreifende Unterschiede entgegen, die sich vor allem aus der Christologie als Zentrum des paulinischen Denkens ergeben. Vor allem faßt Paulus von dort her Sünde, alten Heilsweg und unerlöste Vergangenheit in weit radikalerer Weise, als dies die Prophetie getan hat. Dennoch bleiben die genannten Analogien auffällig und blieben einer näheren Untersuchung wert, umso mehr, als Paulus offenbar auch in seinem Apostolatsverständnis vom prophetischen Selbstverständnis her bestimmt istS&o. Daß sich auf der andem Seite im rabbinischen Judentum eine immer deutlichere Kritik an der Prophetie und ihrer Anklage gegen Gottes auserwähltes Volk Israel Raum verschaffte, soll in diesem Zusammenhang nur angemerkt werdenS&1.
6. Die eigenen Aussagen des Paulus über seinen Schriftgebrauch Wir haben bisher den paulinischen Schriftgebrauch auf die in ihm vorliegenden Sprachbewegungen hin zu befragen versucht. Stellen, wo Paulus diese Sprachbewegung selbst interpretiert, haben wir bisher ausgeklammert. Sie sollen jetzt besprochen werden. Wir haben so die Möglichkeit, unsere bisherigen Ausführungen gewissermaßen von Paulus selbst überprüfen zu lassen3&2. Paulus äußert sich über seinen Schriftgebrauch nie grundsätzlich und ausführlich, spndem nur an in einzelnen Stellen in gleichsam beiläufigen Bemerkungen. 2. K. 3, +-18 scheint eine Ausnahme vorzuliegen, doch wird zu zeigen sein, daß in dieser grundsätzlichen, für die Frage nach dem Schriftgebrauch höchst bedeutsamen Erörterung gerade nicht der Schriftgebrauch das eigentliche Thema ist. Dieses Fehlen.grundsätzlicher her-
Nm
••• s. o. S. 84 Nr. 6. S'O
Auf Deuterojesaia weist T.Holtz, ThLZ 91 (1966) 324ff.; auf Jeretnia K.H.
Rengstorf, Art. clxolJ-rtll(a) x'r>'., ThW 1,397-448, dort 440,24. Vgl. auch u. IX t.
Vgl. N.N. Glat~tr, Anfange des Judentums, Gütersloh: G.Mohn 1966,46ff. Natürlich stellt diese Gegenüberstellung auch an den faktischen Schriftgebrauch des Pis. die Frage, wie weit er darin seinen Intentionen tteU geblieben ist bzw. wie weit er seinen Schriftgebrauch zutreffend gedeutet hat. 111
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1I. Die gegenlII. Vergangenheit: Das GotteSllIort Jes AT
meneutischer Erörterungen ist theologisch bedeutsam. Offenbar ist auch dies wieder ein Hinweis, daß Paulus nicht in der Entwicklung einer theologischen Hermeneutik seine Aufgabe gesehen hat. Natürlich besagt das nicht, daß ihm die Frage nach dem Schriftgebrauch nicht wichtig gewesen wäre, sondern, daß diese Frage für Paulus nicht strittig, nicht primär der Explikation bedürftig erschien. Der Schriftgebrauch gehört für Paulus offenbar mit zum Vorgegebenen, das er zwar entfaltet, aber nicht rechtfertigen muß.
A. Die Schrift gilt für uns a) R.1S, 4f. Die erste dieser hermeneutischen Zwischenbemerkungen des Paulus,
R. 1S, 4f., steht in paränetischem Zusammenhang gegen Ende der Diskussion über die Starken und Schwachen in Rom. Das Handeln der Gemeinde soll dem Christusgeschehen konform sein368 : Wie Menschwerdung, Leiden und Tod Christi8" nicht Christus selbst zu Gefallen geschahen, so soll es auch für das Handeln der Gemeinde gelten. Dabei wird das Christusgeschehen in einem Wort aus dem Passionspsalm 69 dargestellt, offenbar, weil es sich hier um gottgewolltes, eschatologisches Geschehen handelt. An dieses Zitat schließt nun unsere grundsätzliche Bemerkung an: Alles, was zuvor geschrieben wurde, wurde zu unserer Belehrung3&l geschrieben. Diese Bemerkung versteht Paulus als eine grundsätzliche, die die ganze Schrift einbezieht: 00« läßt keine Differenzierung innerhalb der Schrift ZU868 • Die... Es handelt sich hier um einen verbreiteten Topos zur Aktualisierung christologischer Aussagen, vgl. N. A. Dahl, Beobachtungen, N. T. Studien R. Bultmann 6f. ; Kramer, Christos § 34a. ... Gewöhnlich wird gefragt, ob sich R. 15, 3 auf die Inkarnation oder auf die Passion des Irdischen beziehe, z.B. bei Lietzmann, Röm.119. Für den Bezug auf die Inkarnation spricht 2. K. 8, 9 und Phil. 2, 5ff.; für den Bezug auf die Passion der Rückgriff aof Ps. 69 und die an der Stelle erwähnte Einzelheiten. M.E. zeigt gerade Phil. 2, 8 (nach 2, 5ff.I), daß bei Paulus beide Aspekte nicht ~gen einander isoliert werden können, vgl. auch GI. 3, 13 vor 4, 4f. Vielmehr Wird für ihn gerade in der Passion die Inkarnation in hervorragendem Maße deutlich. Vgl. auen U. Ltr.{, Entmythologisierung als Aufgabe der Christologie, EvTh 26 (1966) 349-368, dort 364. , .. 11,&taxat).!ot ist nicht nur "moral instruction", so daß die Bemerkung "the permanent value of the great moral and spiritual truths of the O. T." erweisen würde (Sanday-Headlam, Röm. 396), so sehr das auch gemeint sein kann, vgl. Mk. 7, 7; Kol. 2,22; 2. Tm. 3, 16. Vgl. K.H.&ngslorj, Art.lh3ciaxe.» XT).., ThW 11,138168, dort 164, 10ff. 111 Die Frage U1onskas, Paulus u. d. A. T. 19, ob Pis. "schon die Schrift in gültige und nicht mehr gültige Teile aufgegliedert" habe, ist prinzipiell mit Nein zu beantworten. Nur an den wenigen Stellen, wo Schriftworte direkt das zu Ende gebrachte Gesetz charakterisieren, ergeben sich Ansätze zu einer solchen These. Etwas anderes ist es, daß das A. T. in der Gemeinde sehr unterschiedlich bekannt war, vgl. o. S. 100.
6. Die eigenen Amsagen des Paflms über seinen S(hrijtgebrfJll&h
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ser hermeneutische Grundsatz entspricht in seiner allgemeinen Formulierung nicht nur der Überzeugung der christlichen Gemeinde, sondern muß auch als gut jüdisch geltenSi7 • Eine christliche Modifikation besteht zunächst nur darin, daß für Paulus die 8t8otO'XotAt« auch eine Gnadengabe war, die der Geist bewirkte (R. 12,7, vgl. 1. K. 12,29). Im übrigc.'O ist sich Paulus mit seinen christlichen und jüdischen Zeitgenossen darin einig, daß die Schrift die Gegenwart anredet und ihr gilt. Das Phänomen der Zeitdifferenz zwischen Abfassung und ZumVerstehen-Kommen der Schrift kommt hier ganz unbetont in den Blick, denn Paulus bezeichnet die Schrift als zuvor-geschriebene. Umso deutlicher und betonter wirkt denn auch nachher der Bezug auf die Gegenwart, denn durch 1tpo-e:yp«cpYJ erhält auch iJ!Wt'~pll.V eine gewisse Betonung. Zu einer eingehenderen Reflexion über dieses 1tPOder Schrift kommt es nicht; das Gewicht der Aussage liegt auf dem zweiten Satzteil, während das "schon-damals" der Schrift nicht ausgelegt wird. Auch an den andern Stellen bei Paulus, wo vom Vorher tkr Schrift die Rede ist, erscheint diese Aussage nicht betont. R. 1, 2 formuliert Paulus wohl nicht selbst, sondern benützt eine liturgische Tradition. EÖcryytA~O\/ ohne Artikel, die Verbindung von Weissagung und Propheten sowie der Ausdruck ..heilige Schriften" sind unpaulinisch·... Es dürfte eine Anlehnung an liturgische Formulierung vorliegen, die gut in das liturgisch angereicherte Präskript des R. paßt. Die nächsten Parallelen finden sich Hb. I, 1f. (vgl. .. hyios"); 2 Pt. 3, 2; R. 16, 25f...•• Warum Paulus hier so ausflihrlich liturgisch formuliert, läßt sich nur im Zusammenhang mit der Erweiterung des Präskripts in V. 3f. ermitteln: Von der ganzen Präskripterweiterung ist einzig V. 5 von Paulus frei formuliert. Es geht ihm alSo - nach seinen Erfahrungen in Korinth - um die Begründung seines Apostolates, den cr vom Herrn selbst empfangen hat zur Verkündigung des Evangeliums. Ebenso wie durch den Hinweis auf das Gemeindebekenntnis in V. 3f. zeigt Paulus durch den Hinweis auf die Würde des Evangeliums in V.2, daß sein Apostolat, d.h. seine Sendung zu den Heiden, sachlich ein kirchlicher, auf dem unumstößlichen Willen Gottes beruhender, nicht ein privater, usurpierter Auftrag ist"ID. - GI. 3, 8 Ih3otcncotA~v erinnert formal an das rabbinische 1~lammädka (Sanh. 4, 5; Gn.r. 1, 1 bei Michel, Röm.356 A. 2). Zur Formell~lammed Belege bei W. Bacher, Die älteste Terminologie der jüdischen Schriftauslegung, Leipzig: Hinrich 1899, 95, und bei Str.-B. 111, 12f. Vgl. auch o. A. 239 und zu Qumran o. 11 5 B Nr. 2. Vgl. noch C.Clemen, ThStKr75 (1902) 18Of., und Dietzfelbinger, Paulus u. d. A. T. 34, zur Gegenwartsbezogenheit der Schriftaussagen bei Pis• I •• npoB1l"ot'YYtUo!l-ot~ kommt 2. K. 9, 5 in anderer Bedeutung bei Pis. nochmals vor. Hingegen ist ciq)(J)P~(J(.L&vOC; (vgl. V. 5) wohl von Pis. selbst formuliert, vgl. auch GI. I, 15 und Ulonska, Paulus u. d. A. T. 153 A. 13. Nach Harris Testim0nies 11, 13 denkt Pis. bei den heiligen Schriften an die Testimonien• ••• In das Revelationsschema, das R. 16,25ft". vorliegt, paßt natürlich -n:po- gut, vgl. 1. K. 2, 7; Tt. 1, 2f.; 1. Pt. 1,20, auch 2. Tm. I, CI, vgl. auch u. IV 4 C und o. lI.. 249. Vielleicht hat es auch hier seinen ursprünglichen Sitz. R. 16, 25f. dürfte bereits eine Umformung des Motivs vorliegen. "0 Diese Erklärung scheint mir immer noch wahrscheinlicher als die stark systematisierende Exegese von P.SluhJmacher, Theologische Probleme des Römerbricfpräskripts, EvTh 27 (1967) 374-390, dort bes. 385f., der den Rückgriff auf den
I" Eil; ••.
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1I. Die gegenw. Vergangenheit: Das GotleSlJlort des AT
erklärt sich zwangslos aus dem Zusammenhang. Selbstverständlich ist Abraham GI. 3, 6ff. als historische Gestalt gedacht881 • Die ihm gegebene Verheißung kann aber erst durch Christus zum Zuge kommen. So kommt Paulus ganz selbstverständlich zur Aussage, daß die Schrift die Rechtfertigung aus Glauben vorausgesehen habe. Gott ist in seinem Wort sich selbst treu. Sein Wort wird R. 4, 13ff. in verwandtem Kontext als "Verheißung", hier als "Evangelium", d. h. als eschatologisch heilsames, "evangelisches" Gotteswort bezeichnet. Das zeitliche Prae der Verheißung ist in GI. 3 wie in R. 4 wichtig, weil es ein sachliches Prae vor dem Gesetz einschließt8" . Zu einem Entwurf einer "christlichen" Geschichtstheologie des alten Bundes lädt es nicht ein, denn es bleibt dabei, daß es allein Goffer Wort ist, das das Kommen des Evangeliums vorwegnimmt, und daß allein der Glaube dies erfährt. So ordnen sich die beiden npo-Stellen dem paulinischen Denken über die "epaggelia" ein.
Nun werden aber zwei Fragen dringend, die kaum voneinander getrennt werden können: Wenn es sich bei R. 15,4 um eine selbstverständliche, von niemandem, auch im Judentum nicht, bestrittene Aussage handelt, was hat dann den Apostd zu dieser scheinbar überflüssigen Bemerkung bewogen? Und: Läßt sich hier doch irgend etwas als spezifisch christlich erweisen? Setzen wir zur Beantwortung dieser Fragen so ein, daß wir zunächst fragen, wie und wozu Paulus in V. 3 die Schrift hat sprechen lassen. Da müssen wir sagen: als 1tctp,xx):~(nc;;, d.h. TrostS63, um ~A1t(C;; zu Anfang des Evangeliums im Alten Testament mit der von Pis. in V. 3 aufgenommenen "verheißungsgeschichtlich strukturierte(n) Christologie" (aaO 385) zusammensehen möchte und von einer Reduplikation der Yerheißungsgeschichte im Geschick Jesu Christi spricht. Damit scheint mir der Text nun doch - in systematisch vielleicht fruchtbarer Weise - überinterpretiert. Pis. will m.E. primär weder eine Aussage über das Evangelium, noch eine solche über eine verheißungsgesehichtlich strukturierte Christologie machen, sondern er verwendet bei des zur Charakterisierung seines Apostolats, der im Dienste der Verkündigung des Evangeliums steht und im Einklang mit dem schon durch das prophetische Wort proklamierten Heilswillen Gottes steht. In diesem Rahmen gilt dann allerdings: 1. Pis versteht das prophetische Wort vom Evangelium her (vgl. Stuhlmacher aaO 378) und 2. das prophetische Wort findet einzig im Evangelium Aufnahme und Wirklichkeit. Vgl. zu diesem, von Pis. meistens mit dem Stichwort "Verheißung" bezeichneten Sachverhalt o. II 3 A Exkurs. 111 Vgl. U. V 3 A . ••• Vgl. u. A. 111 354. Ulonska, Paulus u. d. A. T. 52f. hält die "graphc" für eine "im Augenblick absolut gültige Größe", die "nicht erst als Weissagungsbuch qua1ifiziert zu werden" braucht (aaO 52). Ein Vorliegen des Weissagungsgedankens in GI. 3, 8 lehnt er ab. Warum eigentlich? Er kämpft m. E. gegen Gespenster. Der Hinweis auf die rabbinische Formel "Was hat die Tora gesehen?" nützt nichts, da hier gerade das npo- fehlt. Das Schema Weissagung-Erfüllung impliziert doch noch lange nicht, daß wie bei Lk. systematisiert und "die alttestamentliche Zeit ..• eine vergangene Epoche darstellt und ... zur Zeit der Verheißung" wird (aaO 52) • ... In Frage kommt die Bedeutung "Ermahnung" (so Pallis, Röm. 153; Barrett, Röm. 270), wie es sich nach 1. K. 14,3; 2. K. 8, 4 vor allem durch den paränetisehen Kontext nahelegt. Wahrscheinlicher ist aber die Bedeutung "Trost" (so z.B. Lietzmann, Röm. 118), wie dies nach 2. K. 7, 4ff. naheliegt. Die häufig anzutreffende übersetzung "Zuspruch" (Michel, Gaugier 11 z. St.) versucht beide Aspekte zu verbinden.
6. Die eigenen Aflssagen des Pafllfls Ober seinen Sthrijlgebrat«b
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schenken, d. h. Gewißheit, daß die Zukunft Gottes Herrschaft nicht verstellen kann. Wo Hoffnung besteht, ist aber für Paulus immer schon Christus am Werkse,. In vielfältiger Weise zeigt unser Text dies enge Beieinander von Christus und Hoffnung: Christi "Geduld" bewirkt wie der "Zuspruch" der Schrift Hoffnungsei. Die Hoffnung führt zu einem Handeln, wie es durch Christus an der Zeit, d. h. christusgemäß ist 01.5). Dieses "Christushandeln", das sich vo[ZUgsweise in der Eintracht ausdrückt, gehört zur Hoffnung, wie eben Liebe und Hoffnung zusammengehören. Und in diesem Geschehen hat der "Zuspruch" der Schrift semen Ort: Weil er von Christus her kommt und die Hoffnung will, führt er auch in em bestimmtes Handeln. Vielleicht liegt hier der Grund, warum Paulus auf V. 3 die grundsätzliche Bemerkung von V. 4 folgen ließ: Also nicht nur zur Vorankündigung von Christi Geschick ist die Schrift zuvorgeschrieben worden, wie es gerade bei Ps. 69 wohl damals jedem Christen selbstverständlich war, sondern zu flnserer - ganz praktischen - Belehrung. Die Schrift ist also zwar Wort aus der Vergangenheit, das in die Gegenwart spricht. Nicht die Weise, wie sie zum Sprechen gebracht wird, ist typisch christlich, denn es fehlt auch bier jeder Hinweis auf eine besondere christliche Hermeneutik. Wohl aber ist christlich das, was sie sagt: Si~ sagt nämlich Christi Niedrigkeit an und das, wohin sie den Leser führt: in die Hoffnung, nämlich in Christus und das Verhalten gemäß Christus. b) R. 4,23ff. see Gehen wir von hier aus zur nächsten für uns wichtigen Stelle, R. 4, 23ff., so fallen zunächst die Gemeinsamkeiten mit R. 15, 4f. ins Auge: Wiederum liegt der Hauptakzent darauf, daß die Schrift uns, Gegenwärtige, denen der Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet wird,e7, anredet. Wiederum klingt die Zeitdifferenz zwischen dem ursprünglichen und dem jetzigen Ergehen des Wortes in der Wendung "nicht nur um seinetwillen ... , sondern auch um unsretwillen" an, wie es ja nach der Erörterung des Glaubens am Beispid Abrahams auch zu er11& V gl. u. VII 1 B • ... Das zunächst unverbundene Nebeneinander der beiden Hoffnungsspender erweist sich darin als Einheit, daß gerade die Schrift von der Geduld Christi spricht• ••• Zu R. 4 im Zusammenhang, vgl. u. III 4 . •n M~EL ).oytl;~&«L, macht Schwierigkeiten. Am einfachsten scheint mir immer noch die Erklärung, daß, wie GI. 3, 23, vom A. T. aus futurisch gedacht, aber natürlich die Gegenwart des Pis. gemeint ist (so z. B. Schmidt, Röm. 88), jedenfalls einfacher als Erklärungen wie die, daß der Missionar Pis. hier an die noch zu Bekehrenden gedacht hätte (Zahn, Röm. 239 A. 8) oder die, daß Pis. hier an den eschatologischen Gerichtstag denke (Schlatter, Gerechtigkeit 172; Barrett. Michel z. St.). Dagegen spricht schon 8~_&Wrat; 5.1.
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/1. Die gegenw. Vergangenheit: Das Gotteswort des AT
warten ist. Entscheidend ist aber nicht die Aussage, daß die Schrift auch Abraham gegolten habe, sondern die andere, daß sie auch uns gUtS88 • Der damit vertretene Grundsatz war dem Judentum selbstverständlich; Paulus unterscheidet sich von ihm lediglich dadurch, daß für ihn der Satz "um unsretwillen ist es geschrieben" nicht zu jeder beliebigen Gegenwart gesagt werden kann, sondern nur zu der durch die Rechtfertigung aus Glauben bestimmten. Aber auch das wird von Paulus nicht explizit ausgesprochen; die Frage, ob in der Zeit zwischen Abraham und "uns" die Gerechtigkeit aus Glauben angerechnet wurde, interessiert ihn nicht. Auch an unserer Stelle ist der Inhalt der Schriftstelle durchaus "Evangelium", nämlich die Gerechtigkeit, die den Glaubenden zugerechnet wird. Auch hierin besteht kein Unterschied zu R. 15, 4f. Wir versuchen nun, die theologischen Linien, die dem Gedankengang von 4, 23-25 zugrundeliegen, noch etwas auszuziehen und zu profilieren. Er verläuft folgendermaßen: Vorausgesetzt ist, daß der Glaube Abrahams und der Glaube der Christen derselbe ist389 • Daraus ergibt sich die Gleichheit der Anrechnung, daraus wiederum die Gültigkeit des Schriftwortes auch für uns. Wieso aber ist der Glaube Abrahams und der Christen derselbe? Unser Glaube gilt dem, der den Herrn Jesus Christus von den Toten erweckte und der unsern Glauben ermöglichte, indem er Jesus um unserer Verfehlungen willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt hat (R.4, 25)370. Auch Abraham glaubte dem Gott, der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende zum Sein ruft (11. 17). Eben dies ist an JesusChristus geschehen, und dadurch hat Gott uns den Glauben und damit auch das Hören der Schrift ermöglicht. Insofern besteht natürlich schon ein Unterschied zwischen dem Glauben Abrahams und der Christen: Glauben an den Toten erweckenden Gott ist vor und nach Christus nicht dasselbe. Aber darüber reflektiert Paulus nicht weiter. 10. Die Antithese, daß die Schrift nur um Abrahams willen geschrieben sei, wäre unklar und theologisch nirgends nachzuweisen. V g1. Kuss, Röm. 193: "Es kommt dem Apostel •.• von vornherein nur auf den Gegensatz, bzw. die Ergänzung an". ... Die Argumentation des PIs. ist nicht schlüssig, wenn man annimmt, daß unser Glaube nur "etwas Ähnliches" wie der Glaube Abrahams sei (Nygren, Röm. 138). Goppelt, NTS 13 (1966/67) 4Of. formuliert: "Der Glaube Abrahams hat dieselbe Struktur, aber einen andern Inhalt als der christliche". läßt sich Struktur und Inhalt so einfach trennen? PIs. redet klar nur "vom" Glauben; die Unterscheidung von christlichem Glauben und Glauben Abrahams bei Nygren und Goppelt ist die Folge ihrer Deutung von R. 4 als Typologie, die einen Unterschied zwischen Typos und Antitypos erfordert. V g1. dazu o. S. 52f. und u. A. III 174. • '0 Mit den von Kramer, Christos § Se A .. 48, Genannten und gegen diesen selbst (asO § Se; 26d) würde ich in R. 4, 25 vorpln. Bildung annehmen. Die Argumente hat neuerdings W. Popier, Christus Traditus, A ThANT 49, Zürich; Zwingli 1967, 193ff. zusammengestellt.
6. Die eigenen Allssagen des PalIIRs iiber seinen Sehriftgebrt1ll&h
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Es läßt sich also, in Weiterführung paulinischer Gedanken, formulieren: Daß die Sehrift alleh "jür IIns" gilt, ist - Sa&hlieh - nitht einfath eine Se/bstverständlithkeit, sondern eine Folge der durth Christlls ,,uns" Jlliderjahrenen Gnade Gottes, der allth Abraham begnadigt hat. Die abschließende christologische Formel in V. 24f. ist also nicht bloß liturgische Floskel, sondern gehört sachlich in die Erörterung hinein. Denn hier erst erweist sich die Wahrheit von Abrahams Glauben von V. 17, hier erst kommen die Heiden zu ihrem Vater Abrahams7!, hier erst erweist sich Gott, der in der Schöpfung Nichtseiendes zum Sein ruft 372, der Abraham die Verheißung ins Nichts hinein gibt, als sich selbst treu. So wären also Tod lind Alljerstehll1lg Christi das heim/ithe Zen3.. Es ist also unmöglich, daß sich "der Glaubende ••. des Gegenstandes seines Glaubens in Ansehung des Abrahamszeugnisses der Schrift ebenso (!) vergewissern kann wie in Ansehung des Zeugnisses der Christusverkündigung" (U. Wilckenr, Zu Römer 3, 21-4, 25, EvTh 24 (1964) 586-610, dort 600). Diese Feststellung dürfte die Folge eines unklaren (linearen) Begriffes der "Erwählungsgeschichte" sein, in der Ereignisse austauschbar werden. Zwar hat der Glaube "allemal wesenhaft seinen Ort in der Geschichte GOttes" (U. Wilckenr, Die Rechtfertigung Abrahams nach Römer 4, in: Studien zur Theologie der alttestamentlichen Uberlieferungen, Festschr. v. Rad, Neukirchen: Neukirchener Verlag 1961, 111 bis 127, dort 123) und Wilckens hat sich bemüht, diese Geschichte nicht einfach zur vorfindlichen zu machen, indem er die "göttliche Erwählungsgeschichte" von der ",vorfindlichen' Geschichte des Judentums" unterschied (EvTh 24 (1964) 606). Aber es führt m. E. zu Verwirrung und Unklarheit, wenn W. für zwei von ihm "gewiß" (aaO 606) unterschiedene Sachverhalte denselben Terminus "Geschichte" braucht. Auch er Ubernimmt ja mit dem Wirklichkeitsanspruch unserer heutigen "konsequent historischen" (aaO 609) Weitsicht - und "konsequent historisch" heißt doch: vodindlich, wie es methodisch von E. TroIl/seh, über historische und dogmatische Methode in der Theologie, in: Gesammelte Schriften 11, Tübingen: Mohr 1913,729-753, dort 729ff., formuliert und von W. Pamtmbtrg, Heilsgeschehen und Geschichte, KuD 5 (1959) 218-237. 259-288, dort 259ff. aufgenommen wurde - gerade nicht einfach ihr Wirklichkeitsverständnis als dasjenige der Erwählungsgeschichte, sondern fordert, den "gängigen Begriff von Geschichte ••• zu vertiefen" (aaO 609). V gl. hierzu G. Kleinr ähnliche Feststellungen, Exegetische Probleme in Römer 3,21-4,25, EvTh 24 (1964) 676-683, dort 683. Zur Kontroverse Wilckens-Klein vgl. ferner u. A 373; A. 111 132f.; zum Terminus "Erwählungsgeschichte" die Verweise u. A. 111 171. K. Barth unterscheidet bei der Erörterung unserer Stelle (Der Römerbrief, Nachdruck der 2. Auf!. Zollikon: EVZ 1947, 121f.) die stumme Historie vom "Unhistorische(n), Unanschauliche(n), Unbegreifliche(n), das aller Geschichte Ende und Anfang ist" (aaO 121). Die Historie ist für Barth "impotent", nur zusammen mit dem "Oberlicht des Unhistorischen" (aaO 122) ist sie "redende, verstandene, erkannte Vergangenheit" (ebd.), also Sprache, vgl. o. Eint. A. 7. Diese Unterscheidung ist fruchtbar, wenn sie das Geschehen Gottes in der Geschichte beläßt und daraus keine I,Wahrheit von übergeschichtlicher Geltung" (Schmidt, Röm. 87), die dann wieaer ungeschichtlich wäre, macht. Vgl. auch u. A. 111 370• ... Der Stil von R. 4, 17 ist feierlich und traditionell, vgl. s. Bar. 48,8; Sap. 16, 13; 2. Makk. 7, 28; Tob. 13,2; vor allem aber Philo Migr. Abr. 44 vom Glauben Abrahams: 1rIXP&LVIXL Tel l'iJ 1rIXp6VTIX; vgl. auch Spec. Leg. 4, 187. Weiteres bei Michel, Röm. 124, vgl. auch Lietzmann, Röm. 55. Das Schöpfungsmotiv ist hier ganz hineingenommen in die Interpretation des Verheißungshandelns Gottes, vgl. Schwantes, Schöpfung der Endzeit 16f. Die Formulierung im Einzelnen, insbesondere der Hinweis auf die Totenauferweckung ist vom christlichen Auferste-hungsglauben her zu verstehen, vgl. Jülicher, Röm. 248; Sauter, Zukunft 47.
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ll. Diegegm/ll. Vergangenheit: Das GotteSlllortdes AT
/rUm, dtu die Geschichte IIon Gottes Handeln zusammenhält und dem alttestamentlichen Gnademllort seine Kraft gibt. Die Treue Gottes zu sich selbst, die im Wunder der Auferstehung Jesu sichtbar wird, ist aber gerade nicht ein von vomeherein anzunehmendes, etwa aus dem Gottesbegriff ableitbares Kontinuum, das Christus, Altes Testament und Kirche miteinander verbindet. Sie ist nicht der selbstverständliche Rahmen, innerhalb dessen über Heilsgeschichte nachgedacht werden kann, auch nicht die Grundvoraussetzung, die israelitisch-jüdischer, urchristlicher und paulinischer Theologie gemeinsam wäre373, sondern das, was Gott "wider alle Hoffnung" (vgl. V. 18) durch die eschatologische Tat der Auferweckung Jesu erst eröffnet, somit nicht Voraussetzung des Evangeliums, sondern dessen Inhalt selbst. So ist die Selbigkeit Gottes auch Voraussetzung dafür, daß das Alte Testament die christliche Gemeinde anredet. Aber gerade dies wäre dann keine von vomeherein gegebene Selbstverständlichkeit. Das Sprechen der Schrift als Wort Gottes zur Gemeinde wäre dann letztlich nicht ein Teil der selbstverständlichen Grundlage, die Paulus mit dem Judentum verbindet, sondern schlechthin Wunder, das Gott durch das Sterben und Auferstehen Christi schenkt. Aber damit sind die Linien, die sich aus der Exegese von R. 4, 23ff. ergeben, bereits gebündelt und ausgezogen. Paulus selbst hat die bewußte Reflexion nicht so weit vorgetrieben. c) 1. K. 9, 9f. Diese Stelle enthält im Unterschied zu den beiden bisher besprochenen Stellen eine halakische Erörterung ohne grundsätzlich-theologische Bedeutung. Dennoch zeigen sich auch hier einige mit R. 15, 4f. und 4,23ff. gemeinsame Züge. Paulus deutet Dt. 25, 4 allegorisch"'. Die von ihm vorgetragene Deutung ist durchaus traditionell. ... Vgl. dazu Wilckens, EvTh 24 (1964) 606. S. 608 meint Wilckens, die "Identität des christlichen Gottes mit Jahwe" und der "Zusammenhang aller Taten Jahwes" sei bei Paulus .. ,naiv' vorausgesetzt". Gerade nichtl Seinem Gegner Klein unterschiebt W. (m. E. einseitig) die "Voraussetzung, daß Paulus •.• diese Identität (sc. Gottes mit Jahwe) nur als im Glaubensakt je und je als solche gewahrbar ••• verstehe, bei Abraham ebenso wie bei jedem einzelnen Christen" (aaO 607). M. E. wird die Identität dem Glauben erst von Christi Tod und Auferstehung her offenbar. Sdbstverständlich ist sie nicht Ergebnis des jeweiligen Glaubensaktes, sondern in der jeweiligen Erfahrung des Christusgeschehens erfährt sie der Mensch als bereits bestehend. Auch der Protest H. Brauns, Das Alte Testament im Neuen Testament, ZThK 59 (1962) 16-31, dort 30, gegen die gängige Formulierung: "Es ist doch aber dersdbe Gott, der hüben und drüben redet", sieht etwas Richtiges, auch wenn die ..wirkliche Klammer :z:wischen den beiden Testamenten" m. E. keineswegs ..in der Art, wie Gott und Mensch verstanden sind" (aaO 30), liegt. Denn dann würde auch wieder ein Vorfindliches, in diesem Fall eine geistesgeschichdich beschreibbare und festhaltbare Kontinuität :zum Kontinuum, und nicht das ..Unhistorische", vgl. Barth aaO. o. A. 371. .,. Nur P.Baehmann, Der erste Brief des Paulus an die Korinther, KNT 7, Leip:z:ig: Deichert 1905, 323, bestreitet dies •.
6. Die eigenen Allssagen Jes PIIII/fIS über Sli"", Stbriftgebr~b
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Zwar ist die bei den Rabbinen häufige Erweiterung der Bedeutung der Stelle Dt. 25,4 auf Emtearbeitw1l noch keine echte Parallele, wohl aber Philo Spec. Leg. I, 260: ,,Denn der Nomos ist nicht für die V ernunfdosen,sondem für die, dieNOus und Logos haben"; es geht ihm um die .. Besserung der Sitten", vgl. Soma. 1, 93; Virt. 145; Jos. Ant. 4, 8. 21; Harn. 10, tff. Eine gute Para1lele liefert auch ep. M. 144, wo der Zweck des allegorisch gedeuteten Gesetzes mit der Erlangung der Gerechtigkeit angegeben ist. Paulus steht hier insofern zwischen dem hellenistischen und dem palästinensischen Judentum, als er mit der hellenistischen allegorischen Auslegung das rabbinische Interesse an der Gewinnung einer Halaka verbindet·". Auch das Fazit aus den beiden Schriftzitaten'" wird mittels eines rabbinischen Schlusses a maiore ad minus gezogen.
Die grundsätzliche Bemerkung "oder redet er ganz und gar um unsretwillen?" (V. 10a) flicht Paulus zwischen die heiden Zitate ein. Sie hat den Sinn, an Selbstverständliches zu erinnern, denn daß Gott sich um Ochsen kümmerte, wäre ein geradezu lächerlicher Gedanke. Auch das zweite Zitat ist offenbar symbolisch zu verstehen. V. 10a ist lediglich aus rhetorischen Gründen notwendig, um die allegorische Deutung zu sichern, die für Paulus hier den Wortsinn ausschließt8'lB. Immerhin zeigt sie, warum für Paulus hier die allegorische Deutung ganz selbstverständlich die natürliche war: weil die Schrift die Menschen anredet und Gott sich um die Menschen kümmert. d) 1. K. 10, 11 Wenden wir uns dieser letzten Stelle zu, so häufen sich die Schwierigkeiten. Aus der Fülle der Probleme, die die Exegese von 1. K. 10, 1-13 bietet, greifen wir die für unsere Fragestellung wichtigsten heraus. 1. Welcherart ist die hinter 1. K. 10, 1ft". stehende Tradition? Die Para1lelen zur paulinischen Auslegung des Motivs des Volkes in der Wüste sind bekannt, schon oft zusammengestellt8'·, und brauchen hier nur noch kurz wiederholt zu werden: Das Motiv, daß ein wasserspendender Fels Israel auf sci-
... Str.-B. III, 385, vgl. auch Bonsirven, Ex~gCsc 228 . ... Die Beziehung zur rabbinischen Allegorie betont hier einseitig Hansoa, AlIegory 78f. 177 Daß V. 10 nicht eine explizierende Bemerkung, sondern ein zweites Zitat aus unbekannter Quelle oder ein Sprichwort ist, hat!. Weitt, Der erste Korintherbrief, Meyer K. 5, 9. Auß. Göttingen: Vandenhocck 1910, 237, m. E. einleuchtend gezeigt. ... Gegen E. B. Allo, Saint Paul. Premi~re Epttre aus Corinthiens. Etudes Bibliques, 2. Auß. Paris: Gabalda 1956, 217: ..11 ne veut pas nier quc Dicu s'occupc des bocufs". - Nach K.H.S,brllcle, Hermeneutische Zeugnisse im Neuen Testament, BZ NF 6 (1962) 161-177, dort 164 A. 4 ist 1. Tm. 5,18 von 1. K. 9, 9 abbiagig• ... Z. B. bei Vollmer, Citate 85-88; Hunt, Gospel Sources 1%711'. (TestimonienbuchI); G.Marl,III, Sacrements, figures ctahortauon CD 1. Cor. X. 1-11. RechSR
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11. Die gegenw. Vergangenheit: Das Gotteswort des AT
nem Zug durch die Wüste nachfolgte, entstammt der Schwierigkeit, mit dem zweimaligen Vorkommen desselben Felsens Nu. 20. 7ff. und 21, 16ff. fertig zu werden. Seit Pseudo-Philo, Antiquitates Biblicae··o 10,7; 11, 15 und Tg.O. zu Nu. 21, 19f. ist der Topos in der rabbinischen Literatur zu finden 3l1 • Bei Philo wird der Fels allegorisch auf die Sophia Gottes·1I oder den Logos Gottes'·' gedeutet, in einer späten rabbinischen Stelle auf Gott selbst"· XT).., ThW 1,527-544, dort 533, 12ff. , •• Vgl. 1. K. 6,11: clmlouaata&e, und G.De//ing, Die Taufe im N.T., Berlin: EVA 1963, 101 A. 360, ferner A.Oepfee, Der Brief des Paulus an die Galater, ThHK 9, 2. AuS. Berlin: EVA 1960, 90. , .. So Delling, Taufe 3~38, vgl. schon W.MithtZe/is, Zum jüdischen Hintergrund der Johannestaufe, Judaica 7 (1951) 81-120, dort 100-115. ,.. Dafür spricht auch die wohl der Christustaufe nachgebildete Formulierung E~ Tb" M6>ucrij". Es handelt sich um eine Analogiebildung. überlegungen, die nachzuweisen versuchen, daß Mose nicht in derselben Weise mit der Taufe verbunden werden dürfe wie Christus, sind müßig (gegen Amsler, Typologie 106). Zur Auseinandersetzung mit Jeremias vgl. noch P.Lllndberg, La typologie baptismale dans l'ancienne Eglise, ASNU 10, Leipzig: Lorentz 1942, 138ff.; Kümmel bei H.Lielr.mann-W.Kümme/, An die Korinther I. 11, HNT 9, 4. Auf{. Tübingen: Mohr 1949, 18Of.; Michaelis, Judaica 7 (1951)·94ff.; Schweizer, Präexistenzvorstellung, Neotestamentica 107 A. 12. Feuillet, Sagesse 90ff. nimmt an, daß das Motiv der Mosetaufe von PIs. nach weisheitlichen Anklingen selbst gebildet worden sei. '" Vgl. Did. 10,3. E.Kisemann, Anliegen und Eigenart der paulinischcn Abendmahlslehre, in: Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen : Vanden-
6. Die eigenen Arusagen des Pau/us IIber seinen Sehriftgebrtllleh
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Selbständigkeit des Abschnittes: Erst in V.7 wird sein konkreter Zweck klar. Da Paulus die Tradition ohne sachliche Korrekturen, nur in konkreter Abzwekkung aufnimmt, ist anzunehmen, daß sie aus der Gemeindetheologie, eventuell aus einer Schule stammt. Die Sprache ist aber aufs ganze gesehen paulinisch"". So liegt m. E. am nächsten, anzunehmen, daß Paulus einen hellenistisch-judenchrisdichen Midrasch selber formuliert hat"tl. Das schwierige "der Fels aber war Christus" (V.4c) dürfte von ihm selbst nach traditionellen Vorbildern zur Verschärfung des Skopus in der vorliegenden Tradition formuliert worden sein.
2. Welche hermeneutische Bewegung geschieht in der Aktualisierung der geschichtlichen Tradition? Der Gottesvolkgedanke klingt in der Erwähnung "unserer Väter" selbstverständlich an, doch ist er für die Vergegenwärtigung des Textes ohne direkte Bedeutung. Die Frage spitzt sich vielmehr auf zwei andere Alternativen zu, die beide Anhalt am Text haben. Liegt Allegorie vor - dafur spräche die Bemerkung "der Fels aber war Christus" - oder Typologie, wie der Gebrauch des Wortes -rU7tOC; vermuten lassen könnte? Liegt Allegorie vor? In gewisser Hinsicht sogar mehr als Allegorie. Denn Paulus hat ein geschichtliches Geschehen vor sich. Die Art, wie dieses Geschehen, abgesehen von Vers 4c, vergegenwärtigt wird, setzt sein wirkliches Geschehensein voraus. Das heißt also: Die Identität des Christus mit dem "Felsen" ist mehr als eine nur exegetische. Vielmehr zieht der Fels aus der vergaogenen Geschichte Christus mit sich in die Vergangenheit. Daß eine wirkliche Identität Christi mit dem Felsen in der Vergangenheit vorliegt, zeigen auch noch andere Beobachtungen: Nur wenn Christus wirklich in der Vergangenheit da war, kann das den Vätern Widerfahrene als 1t'IEU!-Ulnx6v bezeichnet werden und als ihre Taufe und Abendmahl. Nur so kann auch die Kopula ~v erklärt werden, wo doch exegetisches m(v viel näher läge 392• hoeck 1960, 11-34, dort 16, spricht von "urchristliche(r), von Paulus hier aufgegriffene(r) eucharistische(r) Terminologie". VgI. ferner L. Goppelt, Art. mW4 XT).. ThW VI, 135-150, dort 146, 24ff., und E.StlJJ"ei~,r, Art. 1nIeUv-G: XT).. E., ThW VI, 394-449, dort 435 A. 6; als paulinisch deutet die Begriffe Martelet, RechSR 44 (1956) 354-459• ••• nVEUILG:TIXO' kommt 19x in den echten Paulinen vor, davon 15x im 1. K., die übrigen 7 Belege stammen aus den Deuteropaulinen und dem 1. Pt. Bpiiiv-G: kommt 9 x (von 17 x im N. T.) in den echten Paulinen vor. Die liturgische Wendung w86x1)a&V 6 &eo~ ist bei Pis. beliebt: 1. K. 1, 21; 10, 5; GI. 1, 15. Für paulinische Abfassung dürfte auch die Zahl 23000 (V. 8) sprechen: Richtig wäre: 24000, vgI. Str.-B. 111, 410.23000 ist als Gedächtnisfehler des Paulus (vgl. Lietz.. mann, Kor. 47), der dann durch seine Autorität eine nachträgliche Verbesserung des Textes verhinderte, leichter zu erklären, als wenn Gemeindebildung vorläge, die weder sich selbst korrigiert hätte noch von Pis. korrigiert worden wäre• ••1 Vgl. Mutelet, RechSR 44 (1956) 346• •,. Vgl. Allo, 1. Kor. 231. Von der symbolischen AbendmabIslehre des Calvinismus her argumentiert Amsler, Typologie 112f., der meint, daß ,,1e rocher ••• est le sign, du Christ pdexistant" " würde der häufigen apokalyptischen Wendung "acharith hajj.mim" u.ll. entsprechen, die die Zeit unmittelbar vor dem Ende meint, vgl. die :Belege bei Delling, ThW VIII, 54,1-4. 11-30, also die Zeit, deren Abschluß das Kommen des neuen Aeons bildet. Dazu kommt, daß Pis., wo er die Stichworte der Aeonenlehre aufnimmt (vgl. d~ u. A. III 1), ganz eindeutig damit rechnet, daß die Christen noch im alten Aeon leben, vgl1. K. 7, 31; Gi. 1,4; hingegen greift die Betonung der Jetztteit als Heilszeit (2. K. 6, 2, vgl. ~ VÜ\l O. A. 248f.) nie explizit auf die Zwei-Aeonen-Lehre ~rück. Zur Versuchung als Ch.mkteristikum der Endzeit vgl. H.seesemflml, Art. m:1pcx xT).., ThW VI, 23-37, dort 30,16/1". ••• Vgl. BI.-Debr. § 342. &01 Vgl O. S. 119.
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Il. Die g6"genlll. Vergflngenheit: DflI GotteIl/lort deI AT
lung von Typus und Antitypus stehen, sondern springt sofort in die Paränese über402• Nur die eine Hälfte des Typus findet ja seine Entsprechung in der Gegenwart, nämlich die sakramentale Geborgenheit, die andere, der Abfall der Väter, bleibt lediglich erschreckende, drohende Möglichkeit. Die Schilderung der geistlichen Speisung der Väter in der Wüste soll die· Situation der Väter und der Christen einander zuordnen, damit die Gemeinde die Möglichkeit des Abfalls umso deutlicher erkennt. Darum springt der Typus sofort in direkte Anrede über, ohne daß die Entsprechung als solche ausgedeutet wird; darum ist er "zu unserer Warnung" (11.11) geschrieben, damit wir ihn in unserer Existenz beherzigen403. Dazu kommt, daß die Typologie durch die Identität zwischen dem Felsen und Christus sowieso durchbrochen ist4M. Und nun wird auch die Funktion dieser Allegorie deutlich: Sie dient zur Verschärfung der Paränese. Denn wenn der Fels schon Christus war, dann hat die Gemeinde den Vätern nichts, aber auch gar nichts voraus, das ihr eine größere securitas gewährleistete, sondern steht genau so wie die Väter vor der Möglichkeit des Abfalls. Der Christusfelsen zerstört also gerade das exklusiv-sakramentalistische Mißverständnis. Die Allegorie darf also nicht weltanschaulich oder hermeneutisch vergrundsätzlicht werden, sie hat ihre Funktion hier zur Verschärfung der paränetischen Anrede. Aus dem allem wiederum ergibt sich, daß 1. K. 10, 1ff. nicht zum Ausgangspunkt für eine Frage nach der paulinischen Hermeneutik gemacht werden darf. Vielmehr liegt hier, durch traditionelle Elemente vorgebaut und durch den besonderen Skopus der paulinischen Aussage motiviert, ein Grenzfall seiner Exegese vor. Es bleibt dabei, daß "diese Deutung des Alten Testaments, die sein Wort als Wort des Christus hört und in seinen Geschichten Taten des Christus sieht, vereinzelt bleibt ... Soweit .... die Briefe ein Urteil erlauben, hat Pau,lus diese Deutung des Alten Testaments, weil sie die ausdrückliche Aussage des Textes überstieg, nicht gepflegt"405. Erstmals stießen wir also hier auf eine eigene, spezifisch christliche Auslegung eines alttestamentlichen Textes, die zwar durch jüdische Auslegung schon stark vorgeformt und vor allem im wesentlichen durch die vorpaulinische hellenistische Gemeinde geprägt sein wird, Vgl. Martelet, RechSR 44 (1956) 5561f. Im Vergleich zu "didaskalia" ist "nouthesia" stärker paränetisch-seelsorgerlich geflirbt, vgl. !.B,hm, Art. vou.&s-ta" x'tA., ThW IV, 1013-1016, dort 1015, 121f.; Martelet, RechSR 44 (1956) 537f.. ••• Also gerade nicht, wie L. CerfQIIX, ,Kyrios' dans les dtations Pauliniennes de l'Ancien Testament, in: Recueil L.Cerfaux I, Gembloux: Duculot 1954, 173-188, dort 183 meint: "C'est en vertue d'une exegese typologique que saint Paul ••• introduitle Seigneur Christ Ia OU l'Anden Testament avait en vue le Seigneur Dieu". ... Schlatter, Paulus der Bote 290. ••1
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6. Die eigenen ANuflgen du PI1II/gI über reinen S,hrijlgebrfllKh
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die aber dennoch darin neu ist, daß sie Christus selbst ins Alte Testament einführt. Gerade dadurch, daß Christus ins A. T. eingeruhrt wird, gewinnt der Text seine Unausweichlichkeit. Denn dadurch, daß Christus selbst vom A. T. vereinnahmt wird, wird verhindert, daß man sich gegen den Text auf die in Christus vermeintlich bestehende Sicherheit berufen kann. Christus gibt also hier der alttestamentlichen Geschichtsepisode ihre zupackende Schärfe. Die hier auftauchende Art der Auslegung und der Versuch, Christus bereits ins Alte Testament zurückzuverlegen, bleiben aber vereinzelt und sind rur den Umgang des Paulus mit dem Alten Testament nicht konstitutiv. Das ist deshalb besonders wichtig, weil Paulus zwar in verschiedener Weise eine Präexistenzchristologie aufnimmt (vgl. z. B. 1. K. 8, 6; Phil2, 6ff.), diese aber gerade nicht zum Ausgangspunkt einer "christlichen" Deutung des Alten Testamentes machtlOS.
B. Buchstabe und Geist (2. K. J) Der lapidare Vers 2. K. 3, 6b: "Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig", scheint der Auswertung für unser Thema zu widerstehen. Die Schwierigkeiten, die sich auftürmen, sind zweifacher Natur: Zunächst einmal ist es nicht einfach, die genaue Bedeutung von yp«iLlLot festzulegen, sodann aber bleibt, unabhängig davon, die Bedeutung des Verses im Kontext und für die paulinische Hermeneutik umstritten407 • Wir gehen zuerst der ersten Frage nach. Was heißt ypciILILot? Es ist das Verhältnis zu a) "Buchstabe", sodano b) zum mosaischen Gesetz und c) zu "Schrift" abzuklären(O'. fl) Sicher bezieht sich 2. K. 3, 6 auf 3,3 zurück. Beidemale geht es um die "diakonia" des Paulus, die ..diakonia" des neuen Bundes, der unvergleichlich über dem alten steht, weil er nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf Tafeln, die fleischerne Herzen sind, geschrieben ist. V.7 beweist klar, daß der Gegensatz "gramma" - ..pneuma" von diesen zwei verschiedenen "Diensten" her verstanden werden muß. Schon dieser deutliche Rückbezug widerrät, die Bedeutung von "gramma" allzusehr von der verbalen Bedeutung des ..Geschriebenen" zu entfernen. b) Nun wurde aber darauf hingewiesen, daß mit "auf Stein" bzw...ins Herz schreiben" immer schon der Gedanke an das Gesetz verbunden sei. Daran ist sicher richtig, daß mit "gramma" die Vorstellung des den alten Bund auszeich-
'0.
Gegen Stuhlmacher, ZThK 64 (1967) 435ff. Vgl. G.Eb,/;ng, Art. Geist und Buchstabe, RGGa I1, 129(}-1296, dort 1291. Es braucht nur an die im einzelnen so verschiedene Anknüpfung der Hermeneutik des Origenes, Augustins und Luthers an die paulinische Unterscheidung erinnert zu werden. Zur altkirchlichen Auslegung der Stelle vgl. B.Sthnntler, The Meaning of St. Paul's Antithesis ,Tbe Letter and tbe Spirit', CBQ 15 (1953) 163-207, dort 164ff. '0' Alle Bedeutungen sind schon im Griechentum vorbereitet, vgt die VOll Schrenk, ThW I, 762, 13ff.; 763, 24/f., 35/f., gegebenen Belege.
'0'
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Il. Die gegenlII. Vergangenheit: Das GolleSlllort au AT
nenden GesetzeS verbunden ist, wenn wenigstens die Antithese "gumma" "pneuma" von 2. K. 3, 3, wo Jer. 31, 33 anklingt, bestimmt ist..•• Der in R. 7, 5f. mit "gumma" und "pneuma" titeIartig charakterisierte Gegensatz wird in R. 7, 7ff. am Verhältnis zum Gesetz durchgeführt. Insofern ist allerdings R. 7, 7ff. "unerläßlicher Kommentar ....• zu 2. K. 3, 6b. Nur darf "gramma" nun wieder keinesfalls einfach mit "Gesetz" gleichgesetzt werdenUl• Denn die Wendung IM. YPt4tIl4TOc; ••• n.uiLfLIX lnl T"lJv xcxp3(tJ:v tJ:UT(;)V bei der Verlesung von "Mose" die Rede war, kann in V. 16 schlecht wieder vom historischen Mose die Rede sein. V. 16 würde denn auch in der Luft hängen und hätte keine typologische Entsprechung. Der störende Singular lnLcrrpl: • •• "'lj>"Oll ist Hauptsatz. Das erste IhL heißt "daß," das zweite "weil". Das ergibt sich aus dem Schriftzitat, das keiner Begründung bedarf, sondern als solches schon begründend ist. Sprachlich ist das ohne weiteres möglich, vgl. die griechischen Belege bei H. Hanse, "'HAON (Zu Gal. 3, 11), ZNW 34 (1935) 299-303. •• Das Gewich t liegt auf l> Tl:OL-IJaot.7j vernachlässigt und die Zeit von Adam bis M.ose als gesetzesfreie Zeit betrachtet, während R. 7, 7ff. geradezu die t,,-ro>'7j an Adam zum Paradigma für das Wirken des Gesetzes am alten Menschen wird. Entsprechend ist R. 5, 12/I. der Tod, R. 7, 7ff. das Gesetz da.~ eigentliche Unheilsereignis. über die Zeit vor Adams Fall schweigt R. 5, 12ff. Vgl. aueh u. A. 256.
J. Heilsgeschichte IIIId Ich in R. 7,7ff.
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mehr umgreift dieses "egö" eigenartig schillernd jeden einzelnen Menschen, Paulus selbst, Adam und in ihm die ganze Menschheit. Wir haben bereits bei 2. K. 3, 4ff., GI. 3, 6ff. und R. 10, 4 dieses eigenartige Schillern zwischen Universal- und Individualgeschichte beobachtet, das Paulus wie dem A. T. eigentümlich zu sein scheint. R. 7, 7ff. ist ein weiteres Beispiel dafür, vielleicht durch die hier auftretende Ichform das interessanteste. Zugleich ist unser Text noch in anderer Hinsicht lehrreich: Ist unsere Interpretation richtig, so lieg,! atl tmserer Stelle die radikalste Aufforderttng zur existentialen Interpretation der aillestamentlichen Unheilsgeschichte vor, die in den paulinischen Texten Zu finden ist. Es ginge dann Paulus darum, zu zeigen, daß in dieser Unheilsgeschichte gerade nicht "von dem Menschen, der Menschheit o. ä. geredet werden kann, daß hier eine mythologische oder auch ,heilsgeschichtliche' Redeweise nicht mehr am Platze ist, weil von der Wirklichkeit des unter Gesetz, Sünde und Tod Verlorenen nur als von ,meiner' Wirklichkeit geredet werden kann"t2I). Andererseits aber wäre dieser selbe Text R. 7, 7ff. die radikalste Verweigerung des Sufljektivis11lfls, die wir bei PduiliS finden können, weil sich das Ich niemals tlur aus sich selbst lind seiner subjektiven Erfahrung, sondern immer schon aus .reiner Geschichte versteht .. Durch den Hinweis auf Adams Fall macht Paulus klar, daß die Sünde des alten Menschen notwendige Erfahrung und nicht eine allenfalls auch vermeidbare Eventualität ist, aber dennoch Tat des Menschen bleibtl21 • Und schließlich würde das Ich, da..6yo(ö); I, 23, vgl. auch GI. 5, 11 (JC'r)PÖ(J(J6); GI. 3. 1 (X«'t" 6~Ct).fLOö(ö npoypti,w); 6,14 (KcxUXetofLCXL).
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I/f. Die abgetane Vergangenheit: Gesetz nnd Geschichte
Wirklichkeit·... Auch die cly&1t"I) Christi ist zugleich vergangene Liebestat am Kreuz und gegenwärtige Liebesmacht8 . ' . Seine Verdichtung findet solches Denken im paulinischen Taufverständnis, wo Christi Tod vom Täufling existentiell nach-erfahren wird ..•. Ob auch die Repräsentation Christi im Apostel in diesen Zusammenhang gehört'·'? Schließlich zeigt sich ähnliches Denken in dem Nebeneinander des eher am vergangenen Heilsereignis orientierten Christustitels und des eher an der gegenwärtigen Heilserfahrung orientierten Kyriostitels bei Paulus. Dabei erweist sich der Kyriostitel gegenüber dem Vergangenheitsaspekt als verhältnismäßig spröde'·', während viele ZUge des flir den Kyriostitel bestimmenden Gegenwartsaspektes auch in den Christus titel eindringen'··. Der letztere ist also der umfassendere und die Spannweite des paulinischen Denkens stärker umgreifende.
Wir sind uns bewußt, mit der vorangehenden Aufzählung auf Phänomene hingewiesen zu haben, die eine sehr differenzierte phänomenologische und religionsgeschichtliche Betrachtung erforderten, und es liegt uns ferne, hier einfach zu schematisieren. Im einzelnen liegen Nuancen und Probleme sehr verschieden und zahlreiche Einzeluntersuchungen wären nötig. Es soll hier lediglich auf ein großes, weitgehend unbegangenes Untersuchungsfeld hingewiesen werden: das Problem der dem Denken des Paulus zugrundeliegenden Ontologie. Entscheidende theologische Begriffe und Aussagen bei Paulus haben Strukturen, die wir leicht als diastatisch empfinden und nur als Nebeneinander verschiedener Komponenten im selben Begriff beschreiben können. Von dieser Schwierigkeit, paulinische Ontologie, die in einem hier nicht näher zu bestimmenden Ausmaß von der uns leitenden unterschieden ist, nachzuvollziehen, können leicht falsche Alternativen in der exegetischen und systematischen Debatte entstehen, die durch unser eigenes Denken und unsere eigene Sprache geprägt ist. Im Verlaufe unserer Untersuchung haben wir immer wieder festgestellt, daß vieles von dem, was wir nur als Nebeneinander verschiede1.4 Man beachte auch die Perfekte, denn es geht nicht um bloß psychologische Erfahrungen des Pis. Das Kreuz ist also bei Pis. in einem gewissen Sinn Vergangenheit, in einem gewissen Sinn Gegenwart. Beide Aspekte dürfen nicht voneinander getrennt werden, und die Frage von E. Jrhwei:(.er (an Bultmann), Zur Interpretation des Kreuzes bei R. Bultmann, in: Aux Sources de la tradition chretienne, Me\. M. Goguel, Neuchätcl: Delachaux & Niestle 1950, 228-238, dort 230, ob "für ihn (sc. Bultmann) die Rettung des Glaubenden nicht in jenem Ereignis des Jahres ca 30 n. Chr. stattgefunden hat. sondern in dem Wechsel seines Selbstverständnisses", dürfte von PIs. her gerade nicht alternativ beantwortet werden. Vg\. auch G. Wimtke, Paulus über Jesu Tod. BFchTh 2/42. Gütersloh : Bertelsmann 1939, 106: Das Kreuz ist zugleich "unwiederholbares Einzelgeschehen und "übergeschichtliche, gegenwärtige Macht". 1.1 Vgl. u. A. VITl48. 3.8 Allerdings sind nicht alle Stellen eindeutig. Sicher zur Taufe gehören R. 6, 6, wahrscheinlich auch GI. 2, 19f. I •• Dazu vgl. Güttgemanns, Apostel, bes. 94ft". ••• Kramer, Christos § 47bc. 52 Nr. 4, vg\. 18e. ... Vgl. Kramer, Christos § 3211. 34. 41 Nr. 5.
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ner Dimensionen und Bedeutungen beschreiben konnten, für Paulus übergangs- und nahtlos zusammenlag und von ihm wohl weit mehr als ein Sich-Ergänzen verschiedener Aspekte empfunden worden sein muß. Es ergäbe sich von hier aus das Postulat einer "ontologischen lnterpretation"310, das heißt: einer Interpretation unter Erhebung der den paulinischen Texten implizit zugrundliegenden Ontologie und unter Berücksichtigung des Unterschieds zwischen jener und der unserm eigenen Denken zugrundeliegenden. Doch sei damit nur eine Aufgabe angedeutet. Zwei Konsequenzen seien noch gestreift: 1. Es ist problematisch, das Aus-Sein etwa des paulinischen Denkens auf die Existenz direkt zur Rechtfertigung des im Gefolge Heideggers aufgestellten Programms der "existentialen Interpretation" zu verwenden. In der Tat gibt es bei Paulus auch so etwas wie existentiale Interpretation3l1 • Während aber für Heidegger bereits das ontologische Problem der Geschichte ein existentiales ist311, scheinen bei PaHIHs gerade viele der am stärksteIl /·cflektierten Begriffe die menschliche Existentialität als ontisch von der Geschichte konstitHiert Z" sehen. Damit ist ein grundlegender Unterschied sehr vorsichtig und auch vorläufig angedeutet. Wie weit die hier sich bemerkbar machende Differenz eine rein ontologische ist, oder wie weit hier die Ontologie ihren theologischen Grund hat, kann hier nicht weiter erörtert werden. Immerhin bleibt zu bedenken, daß bei Paulus die Konstituiertheit der menschlichen Existenz durch etwas Außerhalb-ihrer weitgehend eine solche durch die Geschichte (Gottes) ist. Dann würde die ontologische Struktur der paulinischen "Existentialien" mit darauf hinweisen, daß Paulus die Bestimmtheit der menschlichen Existenz sowohl durch die (für uns: immanente) Macht der Selbstverwirklichung als auch durch die (für uns: transzendente) Macht der Gerechtigkeit Gottes als Bestimmtheit durch Geschichte versteht. Doch muß es hier bei diesen sehr vorläufigen Andeutungen bleiben. 2. Die zweite, der ersten gewissermaßen komplementäre Konsequenz bestünde in der Erkenntnis, daß in die paulinische Christologie, aber auch in das ganze paulinische Nachdenken über vergangene Geschichte die menschliche Erfahrung 313 zentral hineingehört. Unheils... Ich freue mich, hier in die selbe Richtung vorzustoßen wie Stuhlmacher, EvTh 27 (1967), vgl. bes. H. 35. Eine mir im Einzelnen noch unbekannte programmatische Schrift von H. Oll und K. Olle zu diesem Thema soll demnächst erscheinen. In Vg!. o. Ein!. A. 28 und die dort gegebenen Verweise. nl Vg!. Heidegger, Sein und Zeit 382• • 18 Mit diesem Begriff sollen keine prinzipiellen Aussagen über das Verhältnis von "Glaube" und "Erfahrung" gemacht werden, so !lehr dieses vernachlässigte Problem einer erneuten dogmatischen Durchdringung bedürfte. Es ist lediglich an das
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III. Die abgetane Vergangenheit: Gesetz lind Geschichte
geschichte wird als Geschichte des Ich, Geschichte Israels als Geschichte der menschlichen Versklavung unter das Gesetz, Geschichte der Verheißung und des Sprechens Gottes im alten Bund als jetzt den Hörer treffendes und befreiendes Wort verstanden. Christus ist mit seinem Kreuz, seinem Leib und seiner Armut gegenwärtig präsent. Entscheidend bleibt aber, daß Erfahrung keinesfalls etwas ist, das gleichsam sekundär zu den geschichtlichen Tatbeständen dazukommt, sondern bereits von der Struktur der Begriffe her mit zu ihnen gehört. Gerade auch das jeder Erfahrung unaufgebbar vorausliegende Prae des Wortes, das die alle mögliche Erfahrung übersteigende Wirklichkeit des Heils ausmacht, gerade jener Grundzug des Evangeliums, der Paulus immer wieder zum Gebrauch der Dimension der Vergangenheit führt, wird immer erst als die menschliche Existenz umstürzende Erfahrung wirksam. Darin zeigt sich, daß die Christus"erfahrung", also das Kommen eines "Damals" ins "Heute", ontisch und das eine neue Auslegung der Wirklichkeit begründende Christusgeschehen ontologisch Ausgangspunkt und Mitte des paulinischen Nachdenkens über Geschichte sind. So wird eine mögliche Objektivierung von Vergangenheit, Unheilsgeschichte und Gotteswort, sowie der Christologie zu einem Geschichtsbild von vorneherein verhindert. 2. Exkurs: Zur Genesis der paulinischen Gesetzeslehre. Eine Skizze Die Entstehung der paulinischen Gesetzeslehre liegt im Dunkeln. Ein Vergleich mit dem Judentum fällt schwer, weil gerade an diesem Punkt Paulus sich total von ihm unterscheidet314 • Seine Gesetzeslehre ist in sich so vielschichtig, so Verschiedenes klingt darin an, daß es schwer ist, ihren Ursprung aufzuzeigen. Immer wieder ist uns axiomatisch-grundsätzlich eine These begegnet: Glaube oder Gesetzeswerke, Gesetz oder Verheißung, Gesetz oder Christus315• "Oder" trennt dabei im Sinne des Paulus sich radikal ausschließende Heilswege.
Phänomen der existentiellen Veri6zierung geschichdicher Aussagen, wie es uns beispielsweise bei der Betrachtung des Verhältnisses von GI. 3, 1-5 zu 3,6ff. (vgI. o. S. 146ff.) oder bei der Interpretation von R. 7, 7ff. (vgI. o. S. 167f.) begegnet ist, gedacht. "" VgI. etwa typisch H. J. Hollzmallll, Lehrbuch der neutestamendichen Theologie H, 2. Auf!. Tübingen: Mohr 1911, 31: "WeIch eine furchtbare, das jüdischOhr, in das sie dringt, zerreißende, das jüdische Herz verletzende und empörende Lehrel" (zu R. 5, 20). In der Literatur hat m. W. nur Löwy, MGWJ 47 (t903)e 48 (1904), pss., den Versuch gemacht, die paulinische Gesetzeslehre für das Juden; tum in .Anspruch zu nehmen. I" VgI. Lohmeyer, Grundlagen 8 und o. bei A. 46.
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Oft ist versucht worden, einen Ursprung der pauIinischen Gesetzeslehre zu rekonstruieren. a) Man hat dabei ansJIIJ,nt"m gedacht. Der bekannteste Versuch ist wohl derjenige von Schoeps, der von der jüdischen Erwartung, daß das Gesetz in der messianischen Zeit aufgehoben und durch die messianische Tora ersetzt würde, ausging"'. Nachdem Paulus in Damaskus die Messianität Christi offenbart wurde, sei für ihn die Zeit des Gesetzes abgelaufen. Doch läßt sich eine verbreitete Erwartung, daß das (oft im Judentum präexistente !) Gesetz mit der messianischen Zeit oder im kommenden Äon sein Ende finden würde, nicht nachweisen.... Auch eine Herleitung des paulinischen Gesetzesverständnisses aus dem philonischen Symbolismus ist wenig wahrscheinlich"". Vom Gesetzesverständnis von Qumran ist das paulinische radikal unterschiedenl l l• b) Oder ist Paulus als konsequenter SclJü/,r Jeru zu verstehen, der dessen gesetzeskritisches Denken weiterführt und systematisiert hat·'·? Man wird diese Frage angesichts dessen, was uns sonst über das Verhältnis Paulus-Jesus bekannt ist, nicht bejahen dürfen. Fest steht, daß jedenfalls Paulus sich auf die Lehre Jesu kaum berufen hat, auch wenn er sie vielleicht in größerem Umfang, als oft angenommen wird, gekannt hat·". Die Antithese Gesetz-Glaube ist für ihn axiomatisch und wird gerade nicht von der Verkündigung Jesu her begründet. c) So werden wir unsem Blick eher auf das hell,nistische JtlJ'ltchrislrntum zu richten haben. Hat Paulus hier Vorbilder für sein Gesetzesverstlindnis gefunden? Die Antwort auf diese Frage wird dadurch erschwert, daß wir über die Stellung der vorpaulinisch-hellenistisch-judenchristlichen Gemeinden zum Gesetz kaum etwas Sicheres wissen. Hat sich Stephanus nur gegen das Kult- und Zeremonialgesetz, nicht aber prinzipiell gegen die mosaische Tora überhaupt gewandt"·? Ein solches hellenistisches Judenchristentum hat es sicher gegeben, wie das Beispiel des Matthäus zu zeigen scheint···. Auch in der von Paulus unabhängigen Gemeinde von Rom scheint sich der Streit zwischen Starken und Schwachen in erster Linie um die Auslegung des Zeremonialgesetzes gedreht zu haben.... Oder herrschte im Stephanuskreis ein prinzipieller Antinomismus? Dafür haben sich neuerdings mit guten Gründen Schrage, Schmithals und Stuhlmacher ausgesprochen· ... So ließe sich auch die Verfolgung der Hellenisten in Jerusalern am leichtesten erklären. "8 Schoeps, Paulus 1771f., vgl. auch schon Schweitzer, Mystik 184ff., und o. A. 38. m S. o. S. 144f. Zur Auseinandersetzung mit Schoeps auch Demann, Moses 229; Goppelt, Apokalyptik und Typologie 2641f. 118 So vl.:rsucht es .Löwy, MGWJ 47 (1903) 326f. • 10 Braun, Qumran und das N. T. II, 17Off. ••• Exemplarisch wird diese These etwa durchgeführt von E. Stal11fer, Die Theologie des Neuen Testaments, 4. AuR. Gütersloh : Bertelsmann 1948, 721f. Vgl. auch 0.A.53. ••, Vgl. u. A. VII 38. ••• Vgl. z. B. J. Weiss, Urchristentum 119ff.; M. S;lIIOn, St. Stephen and the Hellenists, London: Longmans, Green 1956,47; Friedrich, Gegner, Festschr. Michel 202• ••• Vgl. o. A. 26 . ••• Vgl. Michel, Röm. 334. ••• W. Schrag" "Ekklesia" und "Synagoge", ZThK 60 (1963) 178-202, dort 196-200; W. Schmitba/s, Paulus und Jakobus, FRLANT 85, Göttingen: Vandenhoeck 1963, 121f.; P. Stllh/macher, Untersuchungen zur Traditionsgeschichte des paulinischen Evangeliums, Habil. schr. masch. Tübingen 1966, 63, vorsichtiger E. Ha,nchelt, Die Apostelgeschichte, Meyer K. 3, 12. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck 1959, 221, vgl. aber 241. .
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Ill. Die abgetane Vergangenheit: Gesetz lind Geschichte
Ag. 6, l1ff. würde dann etwa dem historischen Tatbestand entsprechen. Oder gehörte Stephanus auch dem unten beschriebenen Typus eines von der SophiaChristologie geprägten Christentums an·"? Daß Paulus aus der hellenistischen Gemeinde stammt und von ihrem Denken mitgeprägt ist, ist klar. Doch können wir diese Gemeinden in ihrer Vielfalt im Moment noch viel zu wenig fassen, um über ihre Stellungsnahme(n) zur Frage des Gesetzes ausreichend Bescheid zu wissen. d) U. WiltllletlJ versuchte, die Genesis der paulinischen Gesetzeslehre von der Bekehrung des Apostels her zu verstehen.... Der Versuch ist an sich nicht neu. Häufig wurde früher R. 7 zur Erklärung des Entstehens der paulinischen Theologie herangezogen. Paulus wäre dann ein" Pharisäer aus Furcht""·, der an den strengen Anforderungen des Gesetzes gescheitert wäre und aus seinem inneren Zwiespalt heraus den leichtern Weg der Gnade gwählt hätte. Doch ist die biographische Deutung von R. 7 gescheitert..•. Aber auch, wo nicht auf R. 7 zur Erklärung zurückgegriffen wird, dient in der älteren Literatur vielfach die Bekehrung des Paulus zur Erklärung seines Antinomismus: In seiner Bekehrung hat der Apo..~tel den gekreuzigten Christus als Heilsweg erfahren, was negativ in sich schließt, daß der bisherige Heilsweg, da.~ Gesetz, überholt und abgetan ist··'. Nach Wilckens war der vorchristliche 1)aulus apokalyptischer Theologe 311 • Die Apokalyptik betrachtet das Gesetz ganzheitlich als göttlichen Erweis der Zugehörigkeit zur Schar der Erwählten mitten im gottlosen Äon .... Für Wilckens bleibt die "Grundstruktur der paulinischen Theologie entscheidend durch den heilsgeschichtlichen Gesamtentwurf der jüdischen Apokalyptik bestimmt", wobei nun allerdings durch das Damaskuserlebnis Christus an Stelle des Gesetzes getreten ist. Diese biographische Wende schlägt sich nieder in dem Satz: "ChristuS ist des Gesetzes Ende" (R. 10,4)8.'. Diese These, so bestechend sie ist, läßt dennoch verschiedene Fragen offen. Ein· mal wird sich das paulinische Gesetzesverständnis nicht so ohne weiteres dem, was Wikkens - im Gefolge Rösslers - als apokalyptisches Gesetzesverständnis bezeichnet, zuordnen lassen. Unapokalyptisch ist, daß Paulus explizit einzelne Sätze aus dem Nomos zitiert (1. K. 9, 8f.; 14,34) und zwar, um eine Halaka zu gewin. nen'''. Hellenistisch-jüdische Einflüsse sind etwa in der Schau des Verhältnisses der Heiden zum Gesetz (R. 2) nicht zu bestreiten. Außerdem ist der übergang ... Vgl. u. S. 220ff. Die Vermutung wurde bereits von O. Georgi, Der vorpaulinisehe Hymnus Phil. 2,6-11, in: Zeit und Geschichte, Festsehr. R. Bultmann, Tübingen: Mohr 1964, 263-293, dort 292f., ausgesprochen. Allerdings muß es bei der bloßen Vermutung bleiben. "" ZThK 56 (1959) 273-293. "" Sota 22b; vgl. J. Klal/SIIer, Von Jesus zu Paulus, Jerusalem: Jewish Pub!. House 1950, 461ff. 01. Vgl. o. bes. A. 84 . ••• Z. B. Grafe, Gesetz 14: "Und dann (sc. nach der Bekehrung) konnte ... der Kreuzestod gar keinen alldem Zweck haben als die Eröffnung eines ganz neuen Heilsweges. War aber dies der Fall, so konnte nicht zugleich das Gesetz einen Heilsweg darstellen", ähnlich etwa Pfleiclerer, Paulinismus 75. Holtzmann, Theol. 11, 29, spricht von einem "Rückschluß von der Christologie her" als methodisches Prinzip der paulinischen Gesetzeslehre. 111 ZThK 56 (1959) 285. Auch naeh D. B. BrollSOfl, Paul and Rabbinie Judaism, JBL 83 (1964) 287-292, war der vorchristliche Paulus apokalyptischer Theologe; nach seiner Bekehrung "he invented salvation history" (aaO 287) . ••• Rössler, Gesetz und Geschichte, bes. 45ff. 70ff. a.. ZThK 56 (1959), 285. 277. ... Zu 1. K. 9, 8ff. vgl. o. II 6 Ac; vgl. ferner R. 12, 19; 1. K. 6, 16; 2. K. 8, 15; 9,9.
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zwischen Apokalyptik und Rabbinat fließend···. und die apokalyptische Weise, das Gesetz als Ganzes zu betrachten. ist wohl weitgehend für das nachexilische Gesetzesverständnis. insbesondere für das Gesetzesverständnis der Weisheit typisch···. Das, was Wilckens den "heilsgeschichtlichen Gesamtentwurf der jüdischen Apokalyptik" nennt. finden wir bei Paulus nur in sehr reduzierter und vielfältig umstrukturierter Weise. Seine Schau der Vergangenheit wird vom Christusgeschehen her dialektisch; bei seiner Zukunftsschau werden wir Ahnliches feststellen. Der Gesamtentwurf der Geschichte, der apokalyptisches Denken bestimmt. ist für Paulus nicht mehr in der seihen Weise konstitutiv. "Daß der vorchristliche Paulus ... ein apokalyptischer Theologe gewesen ist" .... ist m. E. eine simplifizierende Formel..•. e) Quid nunc? Haben wir uns mit der doch reichlich formalen "Erklärung" zu begnügen. die Quelle des paulinischen Gesetzesverständnisses sei "ganz offensichtlich Christus: die Erfahrung Christi. der Glaube an den gekreuzigten und auferstandenen Christus"··'? Oder läßt sich aus den paulinischen Briefen selbst eine Entwicklung seiner Gesetzeslehre rekonstruieren···? AumIlig ist jedenfalls. daß der 1. Thessalonicherbrief und der 2. Korintherbrief vom "nomos" schweigen. der 1. Korintherbrief (15. 56) und der spätere Philipperbrief (3, 5ff.) nur auf die Gesetzeslehre anspielen. während sie in dem vermutlich zwischen dem ersten und zweiten Korintherbrief geschriebenen Galaterbrief um der Auseinandersetzung mit den judaistischen Gegnern willenlU. sowie im Römerbrief ausführlich dargestellt wird. Das zeigt jedenfalls, daß sie in der Auseinandersetzung mit dem Judaismus ••• Vgl. etwa W. G. Kümmel, Jesus und Paulus (II). in: Heilsgeschehen und Geschichte, Marburg: Elwert 1965, 439-456, dort 450. Zu Rösslers Grundthese vgl. ferner o. A. 37. . ••• Vgl. etwa Ps. 119, 127ff.; Sir. 2, 15ff.; Bar. 4. 12f. mit s. Bar. 48, 24 und äth. Hen.92ff. m ZThK 56 (1959) 285 . ••• Damit soll natürlich nicht geleugnet sein, daß apokalyptisches Denken rur Pis. eine wichtige Rolle gespielt hat, vgl. z. B. o. A. 11 82. 140; A. III 1. 128; S. 66f. 166. 195f. •1. Demann. Moses 227. Natürlich ist der Satz völlig richtig. bedarf aber der Explikl!tion. Eine solche gibt z. B. Kuss, MThZ 17 (1966) 211-213. ••• Ältere Versuche bei C. Cltmen, Die Reihenfolge der paulinischen Hauptbriefe, ThStKr 70 (1897) 219-270, dort 234ff.; Sieffert, Entwicklungslienie, Theol. Studien B. Weiss, bes. 339ff. Clemen nimmt eine langsame Entwicklung des Nomisten Pis. zum Antinomismus an, der in den späten Briefen GI., 2. K. und Phi!. seinen Höhepunkt gefunden habe. Eine umgekehrte Entwicklung nimmt Sieffert (aaO. vgl. bes. 334f.) an. der den Römerbrief wie üblich nach dem Galaterbrief und den Korintherbriefen ansetzt und dort eine Milderung des Paulus durch den Kampf gegen den galatischen Judaismus abgenötigten radikalen Antinomismus feststellt. Neuerdings nimmt in ähnlicher Weise C. H. Dodd eine fortwährende Milderung der Position des Pis. von GI. über R. bis zum 2. K. an., wo 3. 4-18 das Gesetz eine verhüllte .Form der Wahrheit sei (The Mind of Paul II. in: New Testament Studies. Manchester: University Press 1953, 83-128, dort 122f.). Zur Frage der Entwicklung der pln. Theologie vgl. ferner o. S. 196f; o. A. 299 und u. S. 356f. Oll Den GI. würde ich mit Kümmel. Ein!. 197, etwa in die Zeit des 2. K. ansetzen. Gegen W. S,hmithalr. Die Häretiker in Galatien. in: Paulus und die Gnostiker, ThF 35, Hamburg: Reich 1965,9-46. würde ich immer noch mit Kümmel, Ein!. 193ff., die Gegner des Pis. in Galatien für Judaisten. die nicht mit den "Säulen" in Jerusalern (GI. 2. 9) identisch sind, halten. Nur so lassen sich die eindeutig polemisch ausgerichteten Kapitel 3 und 4 befriedigend interpretieren. Wie weit dieser Judaismus schon gnostisierende Züge aufweist. mag dabei offen bleiben und steht zur Diskussion. Jedenfalls ist bezeichnend. daß Schmithals seine Argumente praktisch nur aus Kapitel 1-2 und Kapitel 5-6 bezieht.
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Ill. Die abgetane Vergangenheit: Gesetz und Ges,hkhte
in Galatien zum ersten Mal schriftlich entfaltet wurde, besagt aber durchaus nicht, daß sie an sich ein Spätling der paulinisehen Theologie wäre. Im Gegenteil, soviel scheinen mir die im vorangehenden Abschnitt genannten Autoren gezeigt zu haben: Das Damaskuserlebnis muß für den Juden Paulus auf jeden Fall eine Auseinandersetzung mi.t seiner bisherigen Gesetzeslehre gebracht haben. Dies gilt in noch verstärktem Maße, wenn die Berufung des Paulus von Anfang an eine solche zur Heidenmission gewesen sein sollte (GI. 1, 16). Außerdem verstand ja Paulus nach Phi!. 3,6 seine vorchristliche Verfolgung der Gemeinden mindestens in der Rückschau als Ausübung seines Gesetzesgehorsams. Auch von da her sind Modifikationen seiner Gesetzeslehre durch seine Bekehrung zu erwarten. Schließlich hätte Paulus m. E. weder GI. 1, Hif. (vgl. 2,31f. 141f. 19. 21; 3, 21f.)"· noch Phil. 3, 51f. so formulieren können, wenn seine Antithese gegen das Gesetz erst ein Ergebnis einer spätern, nachträglichen Entwicklung des Christen Paulus gewesen wäre.
Die Frage nach einer Entwicklung der Theologie des Paulus ist also noch offen, ebenso die Frage nach der Bedeutung der vorpaulinischen hellenistischen Gemeindetheologie für die Gesetzeslehre des Apostels. Das ganze Problem ist m. E. auch deshalb noch nicht befriedigend gelöst, weil man noch kaum versucht hat, ihm durch eine traditionsgeschichtliche Rückfrage beizukommen. Setzen wir beim "nomos" direkt ein, so kommen wir allerdings wohl kaum sehr weit. Entscheidend aber ist die Beobachtung, daß die paulinische Christologie an verschiedenen Stellen, und zwar jeweils gerade dort, wo auch andere Indizien das Vorliegen eines traditionellen Schemas oder einer Formulierung aus der Gemeindetradition nahelegten, vom spät jüdischen Mythos der präexistenten Weisheit geprägt ist 343 • Es seien hier nur R. 10, 6ff. I44 ; 1. K. 1, 18ff.; 2, 6ff. 345 ; 8, 6348 ; 10, 1ff. 347 ; Phil. 2, 6-1 ta48 und die sog. Sendungsformeln (GI. 4, 4f.; R. 8, 3f.)349 genannt. Im ... Vgl. auch Feine, Evangelium 521f. ••• Vgl. schon Windisch, Weisheit, N. T.-Studien G. Heinrici, pss.; W. Davies, Paul and Rabbinie Judaism 1471f.; Knox, Gentiles 551f.; Schweizer, PräexistenzvorsteIlung, Neotestamentica 105-109; ders., Aufnahme und Korrektur jüdischer Sophiatheologie im Neuen Testament, Neotestamentica, Zürich: Zwingli 1963, 110-121; Wilckens, Weisheit und Torheit 1971f.; ders., Art. aocp(1X KTÄ. A. C-F, ThW VII, 465-475. 497-529, dort bes. 498-510; 514-525, dort weitere Lit. 467 sub E; Conzelmann, NTS 12 (1965/66) 231-244. Eine gute übersicht über das jüdische Material gibt G. Pfeifer, Ursprung und Wesen der Hypostasenvorstellungen im Judentum, Berlin: EVA 1967, 108f. Vgl. ferner u. A. IV 37 . ... S. o. II 4 B b., bes. A. 11271 . ••• S. u. IV 4 C; Wilckens, ThW VII, 519, 201f.; Conzelmann, NTS 12 (1965/66), 2361f.; vgl. auch schon Davies, Paul and Rabbinic Judaism 1541f. I" J. Weiss, 1. Kor. 226f.; Schweizer, Präexistenzvorstellung, Neotestamentica 106. I" Vgl. o. II 6 A d und bes. A. U 382. Bugge, ZNW 4 (1903) 97 vermutet nach 1. K. 10 eine vorchristliche Gruppe von Messianisten, die die Identität des Messias und der Tora vertraten• ... Auf die Beziehungen zwischen Phi!. 2, 6-11 und der Weisheitstheologie weist besonders Georgi, Phil. 2, 6-11, Zeit und Geschichte, bes. 2661f. I" Vgl. zum Zusammenhang von Sendungsformel und Weisheitstheologie E. S,/np,;~", Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund der "Sendungsformei"
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Spätjudentum etwa seit Jesus Sirach wurde aber die präexistente Weisheit mit der ebenfalls präexistenten Tora identifiziert, und zwar im weisheitlichen360, apokalyptischen351 und rabbinischen Schrifttum 362• Wurde nun Christus von einer vorpaulinischen hellenistischjudenchristlichen Gemeinde mit der präexistenten Weisheit identifiziert, so hatte das eo ipso eine Entthronung der Tora zur Folge363 • Eine Bestätigung dafür finden wir in verschiedenen Schriften des Neuen Testamentes, hinter denen eine Weisheit-Christologie zu vermuten ist: Im Kolosserbrief, dessen Eingangshymnus 1,15ff. uns ins Milieu der Sophia-Theologie führt S64, finden wir den "nomos" kein einziges Mal erwähnt; im Epheserbrief ist die einzige Äußerung zum Thema Gesetz (2, 15) undialektisch antinomistisch. Ein ähnlicher Sachverhalt läßt sich wohl auch im Johannesevangelium zeigen, das wohl aus einem ähnlichen geistigen Milieu stammt wie die heiden genannten deuteropaulinischen Briefe (und Paulus selbst!) und dessen Logoshymnus wohl eng mit der Weisheitschristologie zusammengehört365• Hier werden einerseits zahlreiche Prädikate von Jesus ausgesagt, die das Judentum der Tora zuwies, andererseits finden wir eine Gesetzeslehre, die bei aller Differenzierung doch stark antinomistische Züge trägt, etwa wenn auffällig häufig die "Juden" sich auf das Gesetz berufen und wenn Jesus den Juden gegenüber sogar von "eurem Gesetz" (8, 17;·10,34, vgl. 7, 19; 15,25) sprechen kann. Wenn die These richtig ist, daß Paulus von einem ähnlichen theoloGI. 4,4f. Rm. 8, 3f. Joh. 3, 16f. 1. Joh. 4, 9, ZNW 57 (1966) 199-210, dort 203. 205f. 207. Wilckens, ThW VII, 518,26/1". sieht in R. 11,33-36 einen weiteren, von Weisheitstheologie geprägten Text. 11. Moore, Judaism 1,263/1".; Davies, Paul and Rabbinic Judaism 168/1".; Wilckens, ThW VlI, 504 A. 258. m Wilckens, ThW VII, 504 A. 258. Besonders interessant ist äth. Hen. 49, Uf., eine Stelle, die einer Identifizierung zwischen der Weisheit und dem Menschensohn-Weltrichter recht nahe kommt . ... Wilckens, ThW VII, 50S, 30/1". ••s Vgl. auch das oux &Y O'orptl!t Myou 1. K. 1,17, das mit Recht von H. Bra,." Exegetische Randglossen zum 1. Korintherbrief, in: Gesammelte Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt, 2. AuA. Tübingen: Mohr 1967, 178-204, dort 178/1"., und P. Stuhlmafher, Glauben und Verstehen bei Paulus, EvTh 26 (1966) 337-348, dort 342f., und andern in Parallele zur mosaischen Tora gestellt wird• ••• H.}. Gabathuler, Der Christushymnus Colosser 1, 15-20 in der theologischen Forschung der letzten 130 Jahre, AThANT 45, Zürich: Zwingli 1965,138, in Anlehnung an E. Schweizer (Belege bei Gabathuler aaO 113) und H. Hegmnann, Die Vorstellung vom Schöpfungsmittler im hellenistischen Judentum und Urchristentum, TU 82, Berlin: Akademie 1961, vgl. bes. 108. 113/1". ... Vgl. neuerdings E. Käsemann, Jesu letzter Wille nach Johannes 17, Tübingen: Mohr 1966, 32f. 49. 60. 134. Wie auch immer das Verhältnis zwischen J. 1 und der Sophia-Theologie bestimmt werden muss, ob als das zweier paralleler Erscheinungen aufgrund der selben Wurzel (R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes, Meyer K. 2, 15. AuS. Göttingen: Vandenhoeck 1957, 8 A. 9) oder als das einer direkten Deszendenz (Schweizer, Sophiatheologie, Neotestamentica 114f.) kann hier o/l"en gelassen werden.
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III. Die abgetane Vergangenheit: Gesetz und Geschichte
gischen Hintergrund her verstanden werden muß, dann läßt sich seine eigene theolo.gische Leistung besser ermessen: Sie besteht dann gerade nicht im Antinomismus. Sondern sie besteht darin, daß das Gesetz als Gesetz Gottes behauptet wird, ohne daß der Glaube als schlechterdings einziger Hei/S1lIeg in Frage gestellt wird. Sie besteht darin, daß der ehemalige Jude Paulus die antinomistische Theologie des hellenistischen Christentums vom jüdischen Verständnis der Gottesgeschichte her in Frage stellen ließ, ohne ihr berechtigtes Anliegen, nämlich die Ausschließlichkeit des Heils in Christus, preiszugeben3s6 • Die Frage nach dem Sinn des Gesetzes war theologisch notwendig, und dennoch durfte sie nicht in einer Weise beantwortet werden, die die radikale Neuheit des Christusgeschehens und die radikale Schuld der Menschheit angesichts des Heils einschränkte. Daß Paulus das Gesetz - im Gegenüber zum Evangelium und nur dialektisch und in paradoxen Aussagen von äußerster Härte - als Gesetz Gottes interpretierte, ist die eigentliche theolo!ische Leistung seiner Gesetzeslehre. Paulus nahm das Anliegen der hellenistischen Gemeinde vor ihm ernst, daß von der Verkündigung Christi als Weisheit her das Gesetz nur als das GanzAndere, das schlechterdings Unevangelische verstanden werden konnte. Aber dennoch machte er das Gesetz nicht zum widergo"ttlichen Prinzip oder Zu einer vorläufigen Offenbarungsstufe, sondern interpretierte es als Gesetz Gottes, das gerade in seiner Andersartigkeit, in seinem Gegenüber zum EvangeliuTlI, in seiner Funktion, die Sünde zum Oberfließen Zu bringen; zur Erfahrung des Gnadencharakters des das Gesetz iibel'windenden E"angeliums unabdingbar nötig war. So wird für Paultls paradoxerweise gerade das Negativum des Gesetzes, sein Platz auf der Seite der Siinde, angesichts des die Sünde überwindenden Evangeliums zum Positivum. Das erkannt zu haben, bleibt m. E. die entscheidende theologische Tat der Gesetzeslehre des Paulus367 • Mithin: Paulus ist Antimarcionit, ohne Marcions Anliegen zu verraten und ohne sich zu einer linearen und nur scheinbar theozentrischen Theologie der Heilsgeschichte zu bekennen. 7. Zusammenfassung
1. Neben der Vergangenheit des Wortes Gottes, das bei Paulus mit großer Direktheit in die Gegenwart spricht, sie beleuchtet oder ihr verkündet, begegnete uns noch eine andere Weise, von Vergangen••• Von hier aus erweist sich eine These wie diejenige von Davies, Paul and Rabbinic Judaism 74, wonach für Pis. persönlicher Gesetzesgehorsam ein "passport with Judaism" war, als noch nicht das eigendiche theologische Anliegen des Apostels berührend. m Vgl. o. III 5. Die Notwendigkeit, das Gesetz als Gesetz Golles zu verstehen, kommt dabei von der Geschichte her.
7. ZusammenfaSSlmg
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heit zu sprechen: die Vergangenheit als durch Christus abgetane, beendigte, um die Herrschaft gebrachte. Paulus kann diese Vergangenheit mit verschiedenen Ausdrücken zur Sprache bringen: Er kann von der Sünde als zugleich den Einzelnen und die Vergangenheit beherrschende Macht358 sprechen; er kann traditionelle Redeweise aufnehmen und vom alten Bund als Widerpart des neuen, seit den Auseinandersetzungen in Korinth von Adam im Gegensatz zu Christus sprechen. Die typologische Gegenüberstellung hat in diesem Fall den Sinn, den überragenden und eschatologischen Charakter des neuen Heils zu betonens69 • Für ihn die wichtigste und zugleich die in die größten theologischen Tiefen führende Kennzeichnung ist die des Gesetzes, dessen Ende Christus ist. 2. Spricht Paulus vom Gesetz, so meint er fast ausnahmslos das durch Mose am Sinai gegebene alttestamentliche Gesetz. Spricht er aber vom abgetanen Gesetz, so meint er dennoch nicht einfach eine klar begrenzbare und chronologisch eindeutig fixierbare Zeitepoche, die dann zeitlich und geographisch nur einen Teil der Vergangenheit umfaßte 380• Vielmehr ist auch die Zeit vor dem Gesetz oder die Geschichte der Heiden außerhalb des Gesetzes grundsätzlich nicht anders qualifiziert als die eigentliche Zeit des Gesetzes. Auch das Ende des Gesetzes ist chronologisch nicht einfach fixierbar; obwohl ein für allemal in Christus geschehen, ereignet es sich immer neu in der Verkündigung, in der das damals geschehene Ende zugesprochen wird381 • Darum kann von der abgetanen Vergangenheit auch in der Gegenwartsform die Rede sein (vgl. R. 1, 18ff.), während die Vergangenheitsform nicht nur Vergangenheit im chronologischen Sinn, sondern von der Verkündigung der Gegenwart Christi her auch im theologischen Sinn meintS8z• 3. Häufig beobachteten wir ein eigentümliches Schillern der paulinischen Aussagen zwischen Individualgeschichte und UniversalgeschichteS8s• Das ist bereits dem Judentum eigentümlichSeI und auch im Vg1. o. A. 291. Vgl. o. S. 56. 59. 132ft". 193ft". 11. Natürlich kann "nomos" auch das Kennzeichen einer ethnischen oder religiösen Sonderexistenz der Juden sein. vgl. o. A. 270 und R. 2, 12ft".; 4,16; 1. K. 9, 20; Gl. 5, 3f.; 6, 13; Phil. 3, 5ft". Die zeitliche Begrenzung des "nomos" in GI. 3, 19f. und R. 5,20 hat sachlichen Sinn, vgl. o. A. 154 und u. Nr. 6• • 11 Vgl. o. S. 146. 156. 157f. und u. S. 28H. ••• Etwas überspitzt, aber richtig, sofern nicht als obt'ektives Urteil über die Vergangenheit mißdeutet, fonnuliert Eichrodt, ThZ 12 ( 956) 111: "An jedem Punkt der chronologischen Zeitlinie kann ein Mensch vor oder nach Christus leben" . ••• Vgl. o. S. 147f. 153. 156. 158. 167ft". 210f. 211ft". und die dort gegebenen Verweise, vgl. ferner die Verweise o. Einl. A.27 und u. S. 283. 348ft" und A. IX 45. Zum Thema der Nichtobjektivierbarkeit von Geschichtsaussagen vgl. auch o. S. 215f. und u. IV 3 A. B; zu vü" als weltgeschichtlicher und individualgeschichtlicher Wende o. A. 11 248. Noch unzureichend ist dieses Nebeneinander m. E. von 111
1II
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III. Die abgetane Vergangenheit: Gesetz II1Id Geschichte
vorpaulinischen christlichen Sprachgebrauch vorbereitet 366 • Die Herrschaft des Mosegesetzes in der Zeit vor Christus ist zugleich der über dem Leben des vorchristlichen Menschen stehende Zwang zur Sündentat, wie ihn der Christ erkennt. Die GeschichteAdams ist zugleich Erfahrung des Ich. Umgekehrt wird die Sünde, die immer konkrete Tat bleibt, zur nicht nur über dem Einzelnen, sondern über dem ganzen alten .Äon stehenden Geschichtsmacht. Einerseits wird so die Objektivierung von Sünde, Gesetz und Adam zu einem bloßen Geschichtsbild verhindert, indem das Geschichtsdenken an Erfahrung gebunden bleibt366• Andererseits ist die Erfahrung des Gesetzes nicht im Belieben des Einzelnen stehende Erfahrung, sondern stellt diesen hinein in eine ganze, von Christus her qualifizierte, weltgeschichtliche Vergangenheit. 4. Paulus kann und will auf die geschichtliche Dimension in diesem Zusammenhang nicht verzichten, weil er anband der weltgeschichtlichen Dimension von Sünde, Adam, Gesetz und altem Bund von der Größe der Gnade sprechen kann. Denn nie ist von der abgetanen Vergangenheit um ihrer selbst willen die Rede; immer soll die Größe und Macht des Abgetanen die Größe des in Christus Gekommenen ermessen lehren, das auch nicht einfach ins Belieben des Einzelnen gestellte bloße religiöse oder pneumatische Erfahrung ist. So läßt sich sagen: Letztlich hat abgetane Vergangenheit weltgeschichtliche Dimension, damit vom Christusgeschehen als einem den Eillzelnen u1llgreifenden, ihm Zuvorgekommenen Heilsgeschehen gesprochen werden kann. 5. Da der Nomos Gesetz Gottes ist, ist Paulus zur Frage nach seinem positiven Sinn herausgefordert. Diese Frage stellt sich ihm von der traditionellen Heilsgeschichte her und wird von ihm in geschichtlichen Zusammenhängen gestellt und beantwortet. Doch dabei ist entscheidend, daß Pallius überhaupt nicht den VersIIch macht, die unheilvolle Wirkung von Gottes Gesetz ztl entschärfen, etwa, indem er sie von einem Gesamtplan Gottes mit der Welt her be,~reift lind sie so dttrch den GesichtsDinkler, Earliest Christianity, Idea of History 183-191 interpretiert. D. unterscheidet zwei Linien der pln. Geschichtsbetrachtung, eine individualistische, nach der jeder einzelne Christ jetzt das zugesprochene Heil hört (2. K. 5, 17; R. 10,4 etc.) und die weltgeschichtliche, heilsökonomische, zu welcher D. die Betrachtung des Heilsplanes Gottes für die Zukunft, aber auch die typologische Interpretation der Vergangenheit rechnet. Die eine Schau ist am präsentischen Kairos, die andere in apokalyptischer Art an der Weltgeschichte interessiert. Zum Verhältnis beider Linien zueinander heißt es bloß: "The anthropological theme finally emerges" (aaO 190). Das Vorhandensein dieser zweiten, universalgeschichtlichen Linie, zu der immerhin ein großer Teil des pln. Stoffes gehört, ist aber nicht zureichend erklärbar, wenn "history means(l) die perpetually new decision of the individual". ... V gl. o. A. 296. ... Vgl. o. S. 137• ••• Vgl. W. Grll1ltlmann, Der Geist der Sohnschaft, in: In Disciplina Domini, Thüringer kirchliche Studien Bd.l, Berlin: EVA 1963, 172-192, dort 174.
7. Zlisammen!asJII71g
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punkt göttlicher Pädagogik mildert387• Die Aussage, daß das Gesetz nur dazwischenhineingekommenes Gesetz, d. h. Episode ist, will nicht seiner von Gott trennenden Wirkung ihren Ernst nehmen, sondern ist nur indirekt gegen einen auf dem Halten des Gesetzes basierenden Heilsanspruch 388 gerichtet. Die positive Wirkung des Gesetzes kann Paulus nur absolut paradox beschreiben: Sie besteht darin, die Folie, den Hintergrund abzugeben, auf dem die Herrlichkeit des EVllngeliums erfahrbar wird. Das Gesetz läßt den Menschen den Ort erkennen, aus dem er gerettet worden ist, nämlich die Sünde. 6. Wo das Gesetz chronologisch mit andern Größen der alttestamentlichen Geschichte verbunden wird, hat dies sachlichen Sinn: Einer zeitlichen Hintansetzung des Gesetzes entspricht seine sachliche Entwertung als einer eigenen, neben dem Evangelium bestehenden Heilsmöglichkeit369 • Einzig in R. 5, 12ff. scheint Paulus weiter zu gehen. Dort wird das Gesetz in eine Gesamtschau des alten .Äons eingeordnet. R. 5, 12ff. ist aber nicht Zentrum und Ausgangspunkt des paulinischen Geschichtsdenkens und bezeichnenderweise wird dort das Gesetz nicht in eine Heils-, sondern in eine Unheilsgeschichte eingeordnet, die von dem in ihr geschehenen Heil (z. B. AbrahamI Verheißung!) völlig absieht870 und auch ihrerseits nicht um ihrer selbst willen, sondern nur als Kontrast zu dem umso überragenderen Heil zur Sprache kommt. 7. Allerdings benützt nun Paulus gerade auch das Alte Testament, um zu zeigen, daß das Gesetz abgetan ist371• Spricht das A. T. von Christus ... Galley, Heilsgeschehen 48 deduziert aus dem Wesen des Vergleichs: "Voraussetzung dieser Vergleiche (sc. z. D. R. 5, 12ff.; 2. K. 3) war die übergreifende Einheit Gottes". Zu R. 5, 12ff. kann er etwa sagen: "Paulus kann so verfahren (sc. den Gegensatz betonen), weil der Gegensatz nicht das Erste ist, sondern scbon vorher eingefaßt ist von dem einen, zielgerichteten Willen Gottes" (aaO 36, vgl. zu 2. K. 3 ähnlich aaO 21). Diese Sätze mögen theologisch noch so richtig sein, beachtenswert bleibt, daß Paulus die Diastase von R. 5, 12ff. und 2. K. 3 gerade nicht durch einen solchen Hinweis auf die übergreifende Einheit des Planes Gottes überbrückt. Mit dem Hinweis auf den göttlichen Plan tröstet sich der Apokalyptiker, vgl. u. IV 1. Paulus aber, der von der Sünde um der Gnade willen redet und sich selbst von der Gnade betroffen weiß, kann darauf verzichten. Ein Seitenblick auf das - im einzelnen anders strukturierte, aber doch merkwürdige Parallelen zu Pis. aufweisende - dialektische Nebeneinander von Deus absconditus und Deus revelatus bei Luther drängt sich auf, vgl. auch u. A. IV 76. ••• V gl. o. S. 203 . ••• V gl. die o. A. 154 gegebenen Verweise . •,. Vgl. o. S. 206. Dem entspricht die völlige historische Isoliertheit Abrahams und der Verheißung gegenüber ihrer sichtbaren Vor- und Nacbgeschicbte, vgl. o. S. 181f., vgl. auch die Verweise o. A. 261 und o. Il3 D Nr. H. on Man wird allerdings nicht so weit gehen dürfen wie Campenhausen, Begründung, Aus der Frühzeit 75, der meint, ;,im Grunde" habe "das Alte Testament bei Paulus nur eine einzjge Aufgabe, zu deren Bewältigung es schlechterdings unentbehrlich bleibt, das ist, die überholtheit und Entbehrlichkeit des Gesetzes und insofern auch seine eigene überholtheit für die Christen zu erweisen". Dllmit ist nur die eine Seite der pln. Dialektik und gerade nicht die eigentliche Aufgabe des A. T. (vgl. dazu o. II 3 D. Nr. 4. 7;II 6 C Ne. 3. 5) bezeichnet.
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/1/. Die abgetane Vergangenheit: Gesetz und Geschichte
her, so wird es zum befreienden, gegenwärtigen Gotteswort87I, das Paulus gelegentlich nach jüdischem Sprachgebrauch auch mit "nomos" bezeichOf!n kanns7s• Paulus greift zur Schrift, um das Gesetz mit dem Alten Testament selbst zu durchleuchten (R. 3,21, vgI. GI. 4, 21; 2. K. 3, 7ff.). 8. Wir werden also bei Paulus zwei verschiedene Weisen des Redens von Vergangenheit grundsätzlich zu unterscheiden haben, die im allgemeinen ziemlich deutlich voneinander geschieden sind, auch wenn sie auf mannigfache Weise miteinander in Berührung kommens7'. Ging es beim Sprechen des Alten Testamentes um Gott, sein Wort, seine Treue, sein Gott-Sein, envies sich gerade das Reden von der Gerechtigkeit Gottes immer wieder als Grund des Rückgriffs auf Gottes Geschichte mit Israe/ s7', so geht es bei der abgetanen Ver:gangenheit um den Menschen, seine Geschichte als Summe seiner Werke, seine Sünde 378 • Gerade darum spielte auch hier das Moment der existentiellen Erfahrbarkeit vergangener Geschichte eine so wichtige Rolle. Um Gott ging es hier nur indirekt, nämlich insofern es Gott immer schon mit dem Menschen Zu tun hat und an der siindigen Wirklichkeit des Menschen die Größe der Gnade Gottes erfahrbar wird. Dennoch bestehen zwischen beiden Arten, von Vergangenheit zu sprechen, gemeinsame Züge: Beidemale wird Vergangenheit nicht um ihrer selbst willen, sondern um der Gegenwart willen zur Sprache gebracht. Beide Weisen des Bezugs auf die Vergangenheit machen, einmal direkt, einmal indirekt, das Gnadenhandeln Gottes in der Gegenwart verständlich. Beide sprechen die Gegenwart als Zeit des Heils und des Handelns Gottes an.
"" V gl. o. Kap. 11. Vgl. o. S. 141f.j zu diesem Aspekt ausführlicher Kuss, MThZ 17 (1966) 221ff. "" "Der paulinischen Theologie wird nicht Genüge getan, wenn man Geschichte einfach in ihrem Verlauf als Heilsgeschichte" formalisiert. "Man muß die Geschichte ... mit Paulus auf ihren Ursprung hin ... zu begreifen suchen" (Fuchs, Christus das Ende der Geschichte, Aufs. II, 94). ," Vgl. die Verweise o. A. 128, ferner o. II 3 D Nr. 4. 6j 116 C Nr. 3. "" Vgl.o.A.29. I"
IV. EINE GESAMTSCHAU DER GESCHICHTE? GOTTES PLAN UND PRÄDESTINATION 1. Einleitung
Unsere bisherigen Ausführungen wiesen darauf hin, daß Paulus nicht von einem Gesamtentwurf der Geschichte her denkt. Das einzige MaI. wo ein solcher vorzuliegen schien, wurde er gar nicht selbst zum Thema, sondern lediglich zur Dimension, an der sich die überragende Kraft Christi ermessen ließ. Wir versuchen nun, dieses Resultat von einer andern Seite her zu überprüfen. In der Apokalyptik finden wir immer wieder Ansätze, die Geschichte als Ganzes zu betrachtenl . Meistens erscheint sie in Visionen oder als mythologisches BildS. Dadurch "wird sichtbar, was sonst nicht in den Blick kommen könnte: die Einheit der Geschichte, der Zusammenhang der Geschehnissse, ihr sinnvoller Ablauf und ihr Ziel"8. Geheimes Thema der Geschichtsbetrachtung ist für den apokalyptischen Visionär die Enthüllung des Planes Gottes'. Die Apokalyptik sieht die Geschichte theozentrisch, als Ort der Erfüllung des gättlicl;len Planes. Ziel des göttlichen Planes ist das Heil, d. h. in gewissem Sinne die Beendigung der Geschichte, soweit sie im alten Äon von der Gottlosigkeit beherrscht ist6. Geheimer Akteur der Geschichte ist Gott. So ist es natürlich, daß sich das apokalyptische Denken mehr und mehr dem Gedanken der Prädestination nähert. Volz notiert in der Apokalyptik folgende der Pridestilllltionslehre verwandten Motive': 1. den Erwihlungsgedanken', 2. die Bestimmung einzelner Menschen 1 V~\. R. Bflllfllflnn, Das Verständnis der Geschichte im Griechentum und im Christentum, in: Glauben und Verstehen IV, Tübingen: Mohr 1965, 91-103, dort 97: "Die ganze Weltgeschichte ist als Einheit gesehen", vgl. auch zusammenfassend v. Rad, Theol. 11, 317ß'., bes. 321f. Vgl. ferner o. S. 56., vor allem A. 11 77, dazu o. A. III 171. • Vgl. z. B. Da. 2, lß'.; 7, lß'.; 11, 2ß'.; äth. Hen. 85-90; 93+91, 12-17; 4. Esr. 3, 4ß'.; 11,1-12,39; s. Bar. 53; 56-74; vgl auch 35-40; Ass. MOB. pss.; Jub•• bes. 1, 4f.; zum Ganzen M. NOlh, Das Geschichtsverständnis der alttestamentlichen Apokalyptik, in: Gesammelte Studien zum Alten Testament, ThB 6, München: Kaiser 1957, 248-273, dort 272f.; K. Koch, Spätisraelitisches Geschichtsdenken am Beispiel des Buches Daniel, HZ 193 (1961) 1-32, dort 31f.; v. Rad, Theol. 11, 318. 320. 3281f. • Rössler, Gesetz und Geschichte 57. C Vg\. bes. Glatzer, Untersuchungen 20ß'.; Rössler, Gesetz und Geschichte 55ff. und u. S. 232ß'. • Vgl. o. A. II129. • Vg\. Eschatologie 109. , Belege o. A. II 226.
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IV. GesallltuhaM d. Geschichte? Golfes Plan M. Prädestination
zu einer bestimmten Aufgabe in der Geschichte, z. B. des Mose (Ass. Mos. 12, 5-7),3. die Festsetzung einer bestimmten Zahl von Gerechten, die voll werden muß, wobei über die zu ihr gehörenden Individuen nicht reflektiert sein muß, 4. das Bild vom Aufgeschriebenwerden in Büchern, das aber noch nicht den Prädestinationsgedanken in sich einschließen muß, da die Menschen aufgrund ihrer Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit in den Büchern aufgeschrieben sind, nicht umgekehrt. Darüber hinaus wäre noch zu erwähnen: die Bestimmung der Zeiten, vgl. etwa 4. Esr. 4, 35tf.; 8, 63tf., sowie der Präs&ienzgeJanke. Letzterer taucht im Judentum in verschiedener Form auf: Sir. 23, io ist klar nur von einem alle zeitlichen Schranken sprengenden Sehen Gottes die Rede, ebenso wie Gottes Sehen auch keine räumlichen Grenzen kennt (23,19). Dagegen ist etwa Ass. Mos. 12, 4f. das Vorhersehen Gottes als Ausfluß seiner Schöpfertätigkeit ein schöpferisches, bestimmendes Voraussehen. Auch äth. Hen. 81, 1-4 muß wohl in diesem zweiten Sinn verstanden werden, vgl. V. 31 Einzelne Grenzaussagen im apokalyptischen Schrifttum bewegen sich auf eine ausgebildete Präc1estinationsvorstellung zu, ohne diese jedoch zu erreichen: Wenn Ass. Mos. 12, 4 davon die Rede ist, daß Gott "bis zum Kleinsten herab" alles vorhergesehen und -bestimmt habe, so dürfte dabei an Völker und geschichtliche Ereignisse, nicht jedoch an Individuen gedacht sein. 4. Esr. 3, 8. 27f. deutet sich zaghaft der Gedanke an, daß Gott auch für das Böse verantwortlich sei, da er es nicht gehindert habe; doch Täter des Bösen ist das "böse Herz" (3,26). S. Bar. 75, 1If., vgl. bes. 6, erinnert in einer in vielem den Psalmen von Ql1mran verwandten Einrede des Apokalyptikers, daß die Gnade und das Gute dem Menschen ganz unerreichbar sind, wenn Gott nicht das Tun schenkt. Hier ist es der Gedanke der sola gratia, der einen Moment lang die Relevanz des menschlichen Handelns aufzuheben scheint. Auch in der Abrahamapokalypse liegt der Gedanke der doppelten Prädestination nicht fern, vgl. etwa 22,5-7. Der Gedanke der menschlichen Freiheit wird allerdings dadurch nicht ausgeschlossen (z. B. 26, 4-6). Doch sind das alles Randerscheinungen. Als Gesamturteil gilt immer noch dasjenige von Volz: Der jüdischen Apokalyptik ist der ausgebildete Prädestinationsgedanke fremd".
Erst im Schrifttum von Qumran wird der Gedanke der doppelten Prädestination erreicht. Er geht parallel zu einer starken Betonung des Planes Gottes und einem Bild der Geschichte mit stark deterministischen Zügen. Damit haben wir ein Paulus in vielem verwandtes Denkmodell, das nun zunächst vorgeführt werden soll. Bei der dann folgenden Behandlung der paulinischen Stellen ermöglicht es einen ständigen Vergleich. Schließlich kann dann nach dem Verhältnis von Prädestination, Plan Gottes und Geschichtsbild in Qumran und bei Paulus gefragt werden.
Eschatologie 109. Zum Gedanken der Vorherbestimmung im Rabbinat vgl. vor allem J. Wocbe"",ark, Die Schicksalsidee im Judentum, Diss. Tübingen 1933; B. W. Helfgoll, The Doctrine of Election in Tannaitic Literature, New York: Kings Crown Press 1954; zum Prädestinationsgedanken in Qumran Literatur bei Larsson, Vorbild 296 A. 5. Glatzer, Untersuchungen 110tf. betont, daß es im Rabbinat im wesentlichen einzelne Ereignisse sind, deren Vorausbestimmung bedachtwird.
8
2. Der Prädestinationsgedanh in QUI1Iran
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2. Der Prädestinations gedanke in Qumran Daß die Qumransekte gerade in der Prll.destinationslehre über die übrige Apokalyptik hinausführt, hat verschiedene Gründe. Es hängt zusammen mit der Absonderung der "Erwählten'" vom übrigen, nicht erwll.hlten Israel, also mit der Konstituierung der Sekte, was zu besonderem Nachdenken über Erwählung und Verwerfung zwang. Es mag auch zusammenhängen mit fremden, dualistischen Einflüssen, die in der abgesonderten Sekte am Toten Meer sich stlirker als anderswo entfalten konnten. Doch eine Erörterung der Entstehung der Prll.destinationslehre in der Sekte ist hier nicht unsere Aufgabe. Ebenfalls muß hier die theologische und literarische Vielschichtigkeit der Sekte unberücksichtigt bleiben. Vermutlich ist es gerade angesichts der Prädestinationsaussagen falsch, einfach pauschal von ..der" Theologie der Sekte zu sprechen, wie dies bis heute in der Literatur meist geschieht. Es fällt auf, daß Prädestinationsaussagen auf gewisse Hodajot und die Sektenregel beschränkt sind, sich in der Damaskusschrift und der Kriegsrolle seltener. in den Kommentaren nie finden. Auf diesen Tatbestand sei hier nur aufmerksam gemacht; da wir nur zur schärferen Herausarbeitung des Befundes bei Paulus Vergleichsmaterial beibringen wollen, kann auf seine Auswertung im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden'". ]osephus hat offenbar im Glauben der Essener an die Macht des Schicksals· ihr eigendiches Charakteristikum gesehen (Ant. 13, 172). Natürlich drückt er dabei in griechischer Terminologie für hellenistische Leser aus, was vom jüdischen Denken her als Ergebung in den allwirksamen Willen Gottes bezeichnet werden müßte l1 • Wieweit ist nun seine Charaktcrisierung von den Texten her gerechtfertigt? Sie bieten uns auf den ersten Blick ein vielfliltiges Bild.
Klar lassen sich in den Anschauungen der Sekte alttestamentliche Elemente erkennen: Wie im Alten Testament sind die Glieder des Gottesvolks von Gott ErwähltelI. Erwählt sind die Priester als Prüfer und Lehrer des Bundes (1 QSb. 3, 22f.), aber auch die Rechtschaffenen überhaupt, die vollkommen im Wandel sind (1 QSb. 1,2, vgl. 1. QS. • 1 QH. 2, 13; 14, 15; 1 QM. 12,1. 5; 1 QS. 8,6; 11. 16 und öfters. • 0 Vgl. im weitern die aufschlußreichen Untersuchungen von Becker. Heil Gottes, pss., bes. 74. . 11 Ant. 18,18. Vgl. das Referat bei F. Nö"tsc,,", Schicksal und Freiheit, BibI 40 (1959) 446-462, dort 451ff. Die Ausdrucksweise bei )osephus weist darauf hin, daß das Problem von Determination und Freiheit im griechischen Bereich aufgetaucht ist, vgl. dazu M. P. Ni/m", Geschichte der griechischen Religion 11, München: Beck 1950, 573. Vor allem für das stoische System war dies eine Kardina1frage. In Qumran wird uns auffallen, daß für das theologische Denken der Sekte zwischen Allwirksamkeit Gottes und menschlicher Freiheit offenbar keine Kollision entstand, die zum Nachdenken herausforderte. Das Problem stellte sich erst im Rabbinat zu einem verhältnismäßig späten Zeitpunkt und wurde dann so gelöst: Alles ist von Gott bestimmt, d. h. Schicksal eines Menschen, Reichtum, Lebenszeit, Heirat, "nur nicht, ob er gut oder böse werden soll" (Midr. Tanh., zitiert nach Wochenmark, Schicksalsidee 29; dort weitere Belege). 11 Belege o. A. 9 und bei H. Braun, Spät jüdisch - häretischer und frühchrisdicher Radikalismus, BHTh 24, I, Tübingen: Mohr 1957,43 A. 13; F. Nöl/&her, Schicksalsglaube in Qumrän und Umwelt, BZ NF 3 (1959) 205-234; NF 4 (1960) 98-121, dort 221f.; Larsson, Vorbild 297. Der in den Qumranschriften verwendete Terminus ist wie im A. T. seit Dt. "bachar". Zur Vorgeschichte des Begriffes im A. T. vgl. Wildberger, )ahwes Eigentumsvolk 1091.
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IV. Gesallltschall d. Geumchte? Gottes Pion 11. Prädestination
4, 22). Rechtschaffenheit und Erwählung stehen dabei in unauflösbarer Korrespondenz, und es ist kaum zu sagen, was wodurch bewirkt ist. Natürlich ist es der heilige Geist (1 QS. 4, 21), der die Rechtschaffenen reinigt von ihrem Frevel, und natürlich ist die Erwählung Gottes Tat ganz allein; aber sowohl die Aussage, daß die Rechtschaffenheit der Erwählten einfach Folge ihrer Erwählung durch Gott wäre, als auch die andere Aussage, daß sich Gott Menschen erst aufgrund ihrer Rechtschaffenheit erwählt habe, ist vermieden. Es bleibt bei der Aussage: Gott erwählt die Gerechten. Allerdings ist dabei Gottes Tat ganz zentral hervorgehoben: Vom Mutterleibe an, bevor er den Menschen erschaffen hat, hat Gott über sein Geschöpf bestimmt18• Gegenüber Gott erfährt der Mensch immer wieder, daß er nur ein Lehmgebilde und Gemächte aus Staub ist. Solche Aussagen, die alttestamentliche Gedanken fortführen, finden sich bezeichnenderweise vor allem in hymnischen Texten. Andererseits ist aber der Gedanke der Freiwilligkeit, der Aufruf zur Entscheidung, zum Ergreifen des gottgefälligen Werkes in Qumran ebenso verbreitet und ein Angelpunkt der Gerechtigkeitslehre der Sekte14 • Eine Lösung der Schwierigkeit wird weder so zu finden sein, daß die Prädestinationslehre von Qumran zu einer "relativen Prädestinationslehre", in der zwar Gott den Geist des Guten, aber auch den Geist der Finsternis, seine Zeit und seine Macht bestimmt und seinen Plan in Umrissen festlegt, nicht aber über den einzelnen Menschen verfügt, abgeschwächt wird15, noch so, daß alle die Freiheit des Menschen selbstverständlich voraussetzenden Aussagen zugunsten einer deterministischen Prädestinationslehre ein11 Z. B. 1 QH. 1,7. 19f. 28; 9, 29/f.; 13, 10; 15,15 . .. Belege bei Nötscher, BZ NF 3 (1959) 218-221. N. referiert den mir nicht zugänglichen neuhebräischen Aufsatz von ,. Licht, The Concept of Nedabah in the Dead Sea Scrolls, in: Studies in the Dearl Sea Scrolls in memoriam E. L. Sukenik, Jerusalem 1957, 77-84. Vgl. auch Braun, Radikalismus I, 25 A. 2; 26 A. 4. 11 Nötscher, Terminologie 175; ders., BZ NF 4 (1960) 98/f. Nötscher wehrt sich dagegen, daß "das moralische Verhalten des Menschen" für Gottes Entscheidung irrelevant sei, und versucht, gegenüber der göttlichen Prädestination einen Raum für die menschliche Freiheit auszusparen. Doch verzichtet er darauf, das Verhältnis von menschlicher Freiheit und göttlicher Bestimmung in Qumran auf eine glatte Formel zu bringen (aaO 108). Er übersieht, daß das Problem, mit dem er ringt, in Qumran gar nicht auf~etaucht ist, und hätte wohl besser gefragt, wieso nicht, statt es auf irgendeine Welse lösen zu wollen. Vgl. zu Recht Dinkler, Prädestination, Festschr. G. Dehn 101 A. 50; Braun, Qumran und das N. T. II, 244. Nötscher versteht die qumranische Prädestination als bloße Präscienz und wendet sich BZ NF 3 (1959) 231f. m. E. zu Unrecht gegen eine Identifikation von Präscienz und Prädestination, wie dies z. B.]. Licht, An Analysis ofthe Treatise ofthe Two Spirits in DSD, Scripta Hierosolymitana 4 (1958), 88-100, dort 99 A. 41 postuliert. Eine solche Identifikation liegt aber m. E. bereits im Gefälle des alttestamentlichen Erkenntnisbegriffs (vgl. Bultmann, ThW I, 698, l1/f.), und eine strikte Scheidung der Bedeutungen "vorherbestimmen" und "vorauserkennen" kann in Qumran nicht vorgenommen werden: 1QS. 11, 11 ist Gottes Wissen eindeutig kreativ, vgl. auch lQH.1,28.
2. Der PrtItkstillotiollsgedolllu ill QlllllrOll
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fach übergangen werden 1'. Vielmehr dürfte das Geistverständnis der Sekte ins Zentrum der Schwierigkeiten führen 17 : Die beiden Geister des Lichtes und der Finsternis sind sowohl Fürst, der den Menschen beherrscht, als auch Bereich, an dem er Anteil hat, sowohl individuelles als auch überindividuelles Prinzip. Die Geistlehre von Qumran ist Ausdruck der Bestimmtheit des Menschen durch ein ihn beherrschendes Prinzip, durch Gott oder den Fürsten der Finsternis. Dieses Prinzip ist ein dem Menschen fremdes, steht aber nicht im Widerspruch zu ihm selbst, sondern ist Ausdruck der Bestimmtheit des Menschen in seiner eigenen Freiheit. In den Texten wird m. W. nur an einer Stelle explizit über dieses VerhJImis nachgedacht: "Der Wandel des Menschen ist nicht bestimmt (,,10' thikkon"), es sei denn durch den Geist, den Gott ihm schuf, um den Wandel der Menschenkinder vollkommen zu machen, damit sie alle seine Werke erkennen in der Knaft seiner Stärke" (1 QH. 4, 31f.)1&. Das könnte etwa heißen: Der Mensch in seinem Handeln ist frei, aber seine (gerechten) Werke sind Gottes Tat durch deo dem Menschen verliehenen Geist. Insofern sind tatsächlich alle Werke der Gerechtigkeit bei Gott (1 QH. 4, 31a). Dem würde wieder entsprechen, daß wir in Qumran kaum objektiv-konstatierende deterministische Aussagen haben; solche Aussagen geschehen vornehmlich als Preis Gottes, der alle Werke der Gerechtigkeit tut, im Hymnus.
Ober das Alte Testament hinaus führen nur zwei Aussagekomplexe, denen wir uns zuwenden müssen. Daß die Sekte nicht nur Aussagen über die Erwählung, sondern auch, wenn zwar spärlicher, solche über die VeT7Perfmtg machen kann, dürfte von dem Gesagten aus verständ11 Die Tendenz zum Determinismus ist stark betont bei G. Ba_bach, Qumran und das Johannesevangelium, Berlln: EVA 1958, 24, vgl. 32f. Dazu verleitet natürlich der kosmologische Traktat von 1QS. 3f. ZU 1QH. vgl.J. Licht, The Doctrine of the Thanksgivin~ Scroll, IE] 6 (1956) 1-13. 89-101, dort bes. 89f., der sich sorgBiltig vor objektivierenden Aussagen hütet. Objektive Aussage der Sekte ist: Es gibt zwei Klassen von Menschen, die Gerechten und die Verworfenen. Die Aussagen der Hodajot über die Erwählung und die Verwerfung sind jedoch subjektiv-lyrisch (aaO 90). Objektivierende Aussagen sind nur in 1 QS. 3, 13/f. und 1 QM. 13 zu finden. An letzterer Stelle ist aber nur von der Prädestination des Bösen, d. h. Belials oder des Geistes der Finsternis (vgl. 1 QM. 13, 11), nicht aber von der Prädestination einzelner Menschen zum Verderben die Rede. Zum Thema vgl. auch K. G. Kuhn, Die Sektenschrift und die iranische Religion, ZThK 49 (1952) 296-316, dort 311ff.; Dinkler, Prädestination, Festschr. G. Dehn 98/f.; S. Schu/~, Zur Rechtfertigung aus Gnaden in Qumran und bei Paulus, ZThK 56 (1959) 155-185, dort 157; Larsson, Vorbild 296/f. 11 Auf das Problem macht E. Sch7llei~er, Gegenwart des Geistes und eschatologische Hoffnung bei Zarathustra, spät jüdischen Gruppen, Gnostikern und den Zeugen des Neuen Testamentes, Neotestamentica, Zürich: Zwingli 1963, 153-179, dort 162f., vgl. ders., ThW VI, 388, 9/f. aufmerksam. Vgl. neuerdin.ßs die ausführlichen Untersuchungen von H. W. Kuhn zum Geistbegriff von Qumran: Zwischen Gottes heiligem Geist und dem Geist als "prädestiniertem Sein des Menschen" (Enderwartung und gegenwärtiges Heil, StUNT 4,1966,136) muß unterschieden werden. 18 J. Maier, Texte I z. St. übersetzt m. E. falsch, weil er die technische Bedeutung von "kun" (= "festsetzen", vgl. 1 QH. 15, 14f. 19; 1 QS. 3, 15 etc.) nicht erkennt. Richtig übersetzt z. B. Schutz, ZThK 56 (1959) 164.
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IV. Gesamlschau d. Gelchichle? Goffel Plan u. Prädestination
lieh und noch nicht notwendig Ausdruck eines fatalistischen Determinismus sein. Die Aufforderung, zu hassen, was Gott verworfen hat (1 QS. 1,4), kann hier zwar noch nicht in Betracht kommen; dagegen führt die betonte Aussage, daß Gott die Gottlosen "nicht erwählt" habe und, "bevor sie erschaffen wurden, ihre Werke kannte" (CDe. 2, 7f.), bereits in die Nähe der Verwerfungsaussage. Diese ist in einem hymnischen Text klar ausgesprochen: "Die Gottlosen hast du geschaffen für die Zeit deines Zorns, und von Mutterleib an hast du sie geweiht für den Schlachttag" (1 QH. 15, 17)19. Die Aussage der vorzeitlichen Verwerfung der Gottlosen und damit die gemina praedestinatio findet sich also in Qumran, wenn auch nur im Gebet und selten20 • Der andere Gedankenkreis, der die Theologie der Sekte - in gut apokalyptischer Weise - über das Alte Testament hinausführt, ist die Aussage über die göttliche Bestimmung der ganzen Geschichte. Der Grund, von dem aus gedacht wird, ist alttestamentlich: Gottes Schöpferhandeln ist es, das seine Werke unabänderlich, seinen Plan bestimmt und sein Wort unumstößlich sein läßt21 • In besonderer Weise ist die Sekte an der Bestimmung des Laufs der Gestirne durch Gott als Grundlage für ihren Festkalender interessiert (1 QH. 12,4ff.). Aber auch in der Geschichte als ganzer waltet ein Plan. Gott hat in ihr Mächte, Zeiten, Himmel, Winde und den Kosmos (1 QH. 1, 9ff.) festgesetzt. Die Geschichte steht ganz unter Gottes Plan (1 QS. 3, 15f.; 11,11.19, vgl. 1, 13--15 etc.). Es seien nun noch einige wesentliche theologische Anliegen der Prädestinationsaussagen in den Qumranschriften festgehalten : Die Prädestinationslehre Qumrans ist theozentrisch angelegt: Strafgericht Zur Auslegung vgl. besonders H. W. Kuhn, Enderwartung 38f.104ff. Der Text ist ein Gebet, worin die Erwähnung der Gerechten und die Verwerfung der Gottlosen einander gegenübergestellt sind, Die beiden Aussagen sind umrahmt von BekenntniS&'en zu Gott dem Schöpfer (15, 13ff. 22ff.), die Anleitung geben :Zum Verständnis der Priidestinationsaussagen. Zur Abgrenzung des Liedes vgl. H. W. Kuhn aaO 103f. A. 6. Es ist überhaupt auffällig, wie oft Aussagen über Gottes Schöpfertätigkeit und solche über Erwählung und Prädestination miteinander verbunden e.rsche!ne~: 1 QH. 1, 7ff.; 10, 2ff.; 12, 24ff.; 15, 13ff. etc. Von solchen Stellen her Ist mIr dIe Bemerkung C. .Müllers, Gottes Gerechtigkeit 78 A. 22, vgl. auch 88f., in der Prädestinationslehre der Sekte spiele ·im Unterschied :Zu Pis. der Schöpfungsgedanke keine Rolle, völlig unverständlich. Wenn wir in Betracht ziehen, daß in Persien der Dllalismus strenger Entscheidungsdualismus war (K. G. Kuhn, ZThK 49 (1952) 311), so hilft uns das, die Prädestinationslehre von Qllmran als eine tlllr(h die Begegnung dieses Ents(heidrmgsdllalismus mit Jem altJesJamenJli(hen J (höpferglauben nOID'entiig gel1lordene Weiterbildullg des lettteren tu versfehen. Doch können hier genauere Aussagen angesichts der der:zeitigen Forschungslage kaum gewagt werden. Vgl. auch Braun, Qumran und das N.T.II, 243f. .. V gl. auch Becker, Heil Gottes 85-90. 11 Vgl. o. Einl. A. 6, ferner 1 QS. 3, 15f.; 1 QH. 13, 18; 15, 13f. 10
2. Der PrädeIfinationlgedanlee in QUl1Iran
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über die Sünder und Erwählung der Gerechten dienen der Ehre Gottestl. Die Sündenvergebung, die Gott in seiner Gerechtigkeit schenkt, geschieht um seiner Ehre willen (1 QH. 4, 38). Wir stoßen damit i11 den Qumranschriften auf einen Gesichtspunkt, der auch im ganzen paulinischen Denken enorme Bedeutung hatl3 • Ja, von hier aus gewinnt der Beter von 1 QH. 15 sogar einen Ansatz zu einer Art Theodizee: Die Gottlosen, die Gott für die Zeit seines Zorns geschaffen hat, erwählen sich, was Gott haßt, denn sie sind dazu bestimmt, daß an ihnen Gott vor den Augen seiner ganzen Schöpfung sein Gericht vollzieht, damit sie so zum Zeichen würden, daß alle Gottes Herrlichkeit und Kraft erkennen (1 QH. 15, 18-20). Die Nähe solcher Aussagen zum paulinischen Denken, besonders zu R. 9, 17-24, ist auffällig. Dieser Betonung der Ehre Gottes als letztem für den Menschen sichtbaren Motiv des Handelns Gottes· in der Geschichte entspricht die Betonung seiner SchöpfertätigkeitU , die ihn immer wieder als Herrn der Welt erweist: Durch Gottes Willen und zu seiner Ehre ist die Welt erschaffen worden; durch seinen Willen ist der Lauf der Meere bestimmt und durch ihn sind die Zeiten eingeteilt. Ohne seinen Willen geschieht nichts. Durch Gottes Einsicht wird all dies dem Menschen, dem Gebilde aus Lehm, kundgetan, auf daß alle Welt Gottes Herrlichkeit erkenne und preise. Gottes Schöpfermacht läßt uns sein prädestinierendes Handeln, seine Erwählung, seine Gerechtigkeit und die menschliche Ohnmacht verstehen. Hier öffnet sich wohl das Zentrum des theologischen Denkens der Hymnen von Qumran. Stellen wir nochmals die Frage nach dem Verhältnis von Prädestinationsdenken und Geschichtsverständnis in den Qumranschriften, so werden wir vor allem auf den berühmten Traktat von den zwei Geistern 1 QS. 3, 13-4,26 gewiesen. Die - mehrfach verhandeltenU religionsgeschichtlichen Fragen sollen jetzt nicht erörtert werden. Der Abschnitt ist ein - vielleicht für katechetische Zwecke zusammengestellter28 - systematischer Abriß der Kosmologie und des Geschichts•• Belege bei Nötscher, BZ NF 3 (1959) 229f.; Licht, lE] 6 (1956) 9f• •• Vgl. R. 3, 7; 6, 4; 9, 23 (vgl. dazu u. IV 3 B); 11,36; 15,7; 2. K. 1,20; 3, 7ff.; 4,15; Phil. 1, 11; 4,20. Vgl. ferner o. A. 11461 und die Verweise dort, u. A. 124 und die Verweise dort; u. A.IX 37f. .. Vgl. auch o. A. 19. Die folgenden Ausführungen des Textes gehen dem Schöpfungspsalm 1 QH. 1 entlang. •• Zum religionsgeschichtlichen Problem Lit. bei Maier, Texte 11, 18f.; zur Interpretation vgl. Licht, Two Spirits, Scripta Hierosolymitana 4, 88-99. Baumbach, Qumran und das ]ohannesevg. 9ff. interpretiert den Qumranischen Dualismus ganz von diesem Traktat her, was wohl zu einem systematisch verfestigten und einseitigen Gesamtbild führt, vgl. o. A. 16. •• Der .. maskil" (3, 13), für den die Abhandlung verfaßt ist, dürfte in der Gemeinde .ein Amt innegehabt haben, vgl. 1 QS. 9, 12,21; CDC. 12.21; 1 QSb. 1. 1. Gattungsmäßig ist der Traktat eine - wohl literarkritisch zu isolierende - katechetische Lehrunterweisung (Becker. Heil Gottes 84).
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IV. Gesamtschau d. Geschichte? Gottes Plan u. Prädestination
bildes der Sekte. Haben wir vorher betont, wie sehr die Qumranischen Prädestinationsaussagen unspekulativen Charakter tragen und wie wenig sich die Aussagen über Gottes Schöpfermacht zu deterministischen Lehrsätzen verfestigen, so gilt es nun, das andere auch zu sehen: Es ist offenbar auch möglich, die Aussagen der Sekte über Schöpfung, Prädestination, Entscheidung etc. in ein Gesamtbild der Welt und der Geschichte einzuordnen. Gerade wenn wir unsern Abschnitt mit dem viel stärker anthropologisch orientierten Paralleltext Test. Jud. 20 vergleichen, so sehen wir, was Qumran vor den Testamenten auszeichnet: der 7IIeitanschallliche Ge/amtrahmen, der dort jedenfalls nicht ausgesprochen ist. In unserm Abschnitt tritt" ,die Geschichte' als Eines und als Ganzes"·' in den Blick. Sie wird verstanden als Wirken der beiden Geister, deren Plan Gott festgesetzt hat (1 QS. 3, 15) bis zur bestimmten Zeit der neuen Schöpfung (1 QS. 4, 25). Ihre Werke geschehen ohne Änderung nach Gottes Plan (1 QS. 3, 16). Der Gesamtrahmen der Geschichte ist also hier abgesteckt. Innerhalb dieses Rahmens kann die Sekte die Einzelheiten des göttlichen Planes bedenken (vgl. 1 QS. 1,13--151), durch Schriftauslegung tiefer in die Geheimnisse der göttlichen Geschichtslenkung eindringen und ihren eigenen Standort im göttlichen Geschichtsplan fixieren. Mit einem Gesamturteil wird man sehr vorsichtig sein müssen. Sicher können wir sagen, daß 1 QS. 3, 13--4, 26 ein Zentralstück der Katechese der Sekte war. Unsicher bleibt aber, ob schon der Lehrer der Gerechtigkeit, d. h. der Verfasser mindestens von Teilen. der Hodajot" so gedacht hat oder ob der Traktat erst Ausdruck einer spätem Verfestigung ist. Wie weit innerhalb des durch 1 QS. 3, 13ff. gesteckten Rahmens tatsächlich heilsgeschichtlich spekuliert wurde, ist trotz dem geschichtlichen Abriß von CDC. 1, 1-4,4 schwer zu sagen. Auffällig ist jedenfalls, daß in den gegenwartsbezogenen Schriftauslegungen der Kommentare der in 1 QS. 3, 13ff. ausgeführte weltanschauliche Rahmen keine Rolle zu spielen scheint. Wohl steht die Sekte als Hüterin des Bundes eindeutig im Bereich des Geistes Gottes, doch der einzelne Gläubige hat Anteil an beiden Bereichen, am einen viel, am andem wenig (1 QS. 4, 16), und entsprechend muß er sein Handeln immer wieder auf die göttliche Erwählung und den göttlichen Willen ausrichten. Die Vorstellung der gemina praedestinatio wird auch in Qumran nicht zur verfügbaren Vorstellung, und der Gläubige versteht seine Einsicht in Gottes Plan immer als von Gott selbst geschenkte!9. .. Rössler, Gesetz und Geschichte 69. Zum Geschichtsverständnis von Qumran vgl. auch Baumbach, Qumran und das Johannesevg. 391f. • 8 Vgl. z. B. Becker, Heil Gottes 50f. und A. 4. •, Die Prldestinationslehre von Qumran darf also nicht bloß aus 1 QS. 3, 13«. enmommen werden. So entstehen Urteile, wie z. B. dasjenige von C. MtJ_:
J. Der Prädestinationsgedank.e in R. 9,19-24
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3. Der Prädestinations gedanke in R.9, 19-24 Die entscheidenden Aussagen des Paulus über die Prädestination30 stehen im Abschnitt R. 9, 14-24. Wir hatten früher diesen Abschnitt als Exkurs bezeichnet31 • Bei der Frage nach dem Schicksal des Volkes Israel ging es um die Treue Gottes zu seinem Wort, und damit stand Gott selbst in Frage (R. 9, 6ff.). So stellt Paulus im Exkurs R. 9, 14fT. die Frage nach Gottes Gerechtigkeit, die durch Gottes Freiheit in Frage gestellt scheint. Anhand eines Gotteswortes an Mose (V. 15) und des Beispiels des Pharao, der von Gott als Objekt zum Erweise seiner Macht gebraucht wird, zeigt Paulus, daß die Gerechtigkeit Gottes in seinem freien Handeln in der Geschichte besteht. Wo es um die Freiheit Gottes geht, da stellt sich die Frage nach der Prädestination. Unsere Betrachtung sollte eigentlich mit V. 14 einsetzen. Da aber die einleitenden Verse 14-18 unter anderm Gesichtspunkt bereits behandelt wurden"", begnügen wir uns damit, hier die Ergebnisse jener Analyse im Blick auf unsere neue Fragestellung kurz festzuhalten : Vier Gesichtspunkte scheinen wichtig. Zunichst: Paulus redet nicht abstrakt, gleichsam im luftleeren Raum von Prädestination. Durch die Verwerfung Israels ist ihm vielmehr eine konkrete Frage gestellt, mit der er fertig werden muß. Und obwohl der Exkurs R. 9, 14ff. weitgehend von der speziellen Frage nach Israel
"An der inhaltlichen Füllung (sc. durch die Treue Gottes) und personalen Bindung an Gott" erweist sich "der entscheidende Unterschied" zwischen der paulinischen und der qumranischen Prädestinationslehre (Art. '\'(&-rj"" x,\,).., ThW VI11, 152-170, dort 167 A. 14). Die Belege aus 1 QH. zeigen, daß dieser Satz nicht stimmt. I. Lit. (außer in Gesamtdarstellungen und Kommentaren etc.): K. MIlIIer, Die göttliche Zuvorersehung und Erwählung, Diss. lic. Halle 1891; /. Dal",,,., Die Erwählung nach der Heilsverkündung des Apostels Paulus, 1894 (mir nicht zu· gänglich); ders., Zur yaulinischen Erwählungslehre, in: Greifswalder Studien, Festschr. H. Cremer, Gütersloh: Bertelsmann 1895, 183-206; R. Lierhte"han, Die göttliche Vorherbestimmung bei Paulus und in der Posidonianischen Philosophie, FRLAN T NF 18, Göuingen: Vandenhoeck 1922; E. 11. Dobsrhütz, Prädestination, Th St Kr 106 = NF 1 (1934/35) 9-19; F. DalliJson, Pauline Predestination, London: Tyndale Press 1946;/. Dupont, Gnosis, Paris: Gabalda 1949, 88ff.; Dinkler, Prädestination, Festschr. G. Dehn 81-102; C. Spirq, Art. Vorherbestimmung in: Bibeltheologisches Wörterbuch, herausg. von J. B. Bauer, 11, 2. AuA. 1962, 1176-1187, dort weitere Lit.; C. Müller, Gottes Gerechtigkeit 75ff.; H. M. DiOfl, La prMestination chez saint Paul, Rech SR 53 (1965) 5-43; Braun, Qumran und das N.T.lI, 247ff. Nicht erwähnt ist hier sämtliche Literatur, die sich mit R.9-11 im besondern beschäftigt. 11 Vgl. o. S. 28. Der Exkurs ist inhaltlich von grundsätzlicher Bedeutung und bestimmt das eigentliche Thema des Abschnittes: die Gerechtigkeit Gottes. Es ist also nicht richtig, wenn Larsson, Vorbild 301, meint, den Gedanken der doppelten Prädestination brauche Paulus vorzugsweise in seiner antinomistischen Polemik und mobilisiere ihn "als äußerste Reserve". Keiner der explizit prädestinatianisehen Texte läßt sich antinomistiseher Polemik unterordnen. 11 Vgl. o. 11 3 B.
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"IV. Gesamtschau d. Geschichte? Gotles Plan u. Prädestination
abstrahiert, wird die Erörterung nicht theoretisch, sondern bleibt auf die durch das Problem Israel gestellte Gottesfrage bezogen. Ein Indiz für die Konkretheit des paulinischen Denkens sind die dialogischen Elemente, die den ganzen Abschnitt durchziehen". Sodann: Das Beispiel aus dem Alten Testament wollte nicht einfach Gottes absolute Souveränität betonen und auch der Skopus von Gottes Wort an Mose war nicht einfach: Ich kann tun, was ich will. E"lteheiJenJ l1Iar vielmehr für Paulul, Jaß er J,r Gott der Alte" Terlame"tel itt, der lolche Freiheit für lieh bea"lpruehl. Die alttestamentlichen Aussagen iiber Gottes Freiheit weisen den Hörer an die Geschichte des alten Bundes, wo diese Freiheit offenbar geworden ist. Der absolut freie Gott ist zugleich der, der seinen Namen geoffenbart hat (V. 15). Man könnte auch sagen: Absolute Freiheit ist nur vom wahren Gott aussagbar, d. h. von dem Gott, der sich dem Volk Israel geoffenbart hat, sonst würde dieser Gott zu einer unberechenbaren, unverständlichen und monströsen Macht, zu einem Phantom. Drittens: Bezogen auf die Geschichte des Alten Bundes kann aber die Freiheit Gottes nicht genug betont werden. Gott handelt in der Geschichte souverän und um seiner Souveränität willen. Dieser Gesichtspunkt bleibt beim paulinischen Reden von Prädestination allein im Vordergrund: Et gehl dari" tim die GoI/heil Golter, Jer GoI/ bleibe" muß, wenn er den Menschen nicht aufgrund eines Werkes, sondern allein durch seine berufende Tat rechtfertigen will (vgl. V. 12)". Viertens: Dieser positive Gesichtspunkt impliziert einen negativen: Beim RAd,,, lIon PräJeIIi"alio" Ilehl bei Paultlt "iehl die Frage naeb dem Menlehen im VorJergrU/lJ.
Paulus macht sich keine Gedanken über das endgültige Schicksal des EinzeImenschen, etwa des Pharao, und die daraus entstehenden theologischen Probleme. Aber er zieht auch aus der Alleinwirksamkeit Gottes keine Folgerungen für die Anthropologie: Wir fanden keine Reflexionen darüber, wie sich Gottes Allmacht zur subjektiven Freiheit des Menschen verhalte, nicht einmal beim Beispiel des Pharao, wo diese Frage an sich ja naheläge. Daß sie auch zur Zeit des Paulus durchaus hätte gestellt werden können, zeigen die subtilen Erörterungen etwa der Stoiker über das Verhältnis von Vorherbestimmung und menschlicher Freiheit"; vor allem aber zeigt es der von Paulus seihst aufgeworfene Einwand des fiktiven Gegners R. 9, 19, dem wir uns jetzt zuwenden müssen.
" Bultmann, Stil der paulinischen Predigt 66. 68, weist darauf hin, daß solche dialogischen Elemente sich gerade in den lehrhaften Teilen des Römerbriefs besonders häufig finden. Meistens sind sie aber bei Pis. nicht darum eingestreut, um die wirklichen Meinungen seiner Adressaten zu Worte kommen zu lassen, sondern es geht Pis. um die Widerlegung offenkundiger Absurditäten, vgl. auch o. A. IU 147. Das praktische Interesse des Pis. zeigt sich daran, daß es sehr oft darum geht, falsche sittliche Folgerungen zu verhüten, so auch R. 9, 19. Vgl. dazu Bultmann aaD 67f• .. Durch V. 11-14 bleiben die Prädestinationsaussagen auf die Rechtfertigungslehre bezogen, vgl. o. S. 72. 1m Exkurs dienen sie der Entfaltung der Gerechtigkeit Gottes, die Gerechtigkeit Golter bleiben muß, um wirklich rechtfertigende Macht zu haben. Auch R. 8, 281f. ist auf die Rechtfertigungslehre bezogen, vgl. R. 8, 30 und A. 123 . •, Vgl. die Belege bei v. Arnim H, Nr. 974-1007, ferner Liechtenhan, Vorherbestimmung, bes. 90-104. Interessant ist, daß im Judentum, auch wo der Prädestinationsgedanke radikal durchgeführt ist, sich kaum Reflexionen über das Verhältnis von Prädestination und menschlicher Willensfreiheit finden, vgl. o. A. 11. Solche finden wir erst wieder in den Reflexionen des Josephus über Pharisäer, Sadduzäer und Essener.
J. Der Prildestilltltiollsgedtlllkß ;11 R. 9,19-24
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A. R. 9, 19-21 Die Anrede an den Gegner in V. 19 unterbricht den Zusammenhang, denn V. 22f. greifen wiederum auf V. 17 zurück38 • Die Meinung, Gottes Allmacht lasse für den Menschen keine Freiheit, sondern nur die reine Passivität übrig, da doch niemand Gottes Willen widerstehen könne, ist für Paulus ein ganz unvorstellbarer Gedanke,den er nur entrostet abweisen kann. Zu einer eigentlichen Widerlegung und einem Gespräch mit dem Gegner kommt es denn auch eigentlich nicht. Dennoch ist aber der Einwand wichtig genug, um hier vorgebracht zu werden; denn in der Konsequenz des resignierten: "Wer kann Gott denn schon widerstehen?" läge ethisch die völlige Indifferenz alles menschlichen Tuns: So lasset uns das Böse tun, damit daraus das Gute werde (vgl. R. 3, 8). Hier wie in R. 3, Sff. sind es offenbar die ethischen Konsequenzen, die Paulus besonders bedrohlich erscheinen. Nur vom Inhalt her kann ja der vom Gegner vorgebrachte Satz, der durchaus der Meinung jüdischer Weisheit entspricht3 ', nicht strittig sein, und in seiner Antwort bestätigt Paulus im Grunde genommen den Satz des Gegners, wendet sich aber gegen die Art und Weise, wie er von ihm vorgebracht wird. . So scheint es zunächst, als ob der Apostel die Frage seines Gegners einfach niederschlüge. Seine Antwort ist von bitterer Ironie: Mensch, wer bist du denn eigentlich38, daß du Gott Rede und Antwort stehen willst? Die Antwort gibt Paulus mit einem aus dem Alten Testament und aus jüdischen Schriften verbreiteten Bild: Das Geschöpf rechtet nicht mit seinem Schöpfer, und der Töpfer hat Freiheit, aus dem Ton zu machen, was er will. •• Nach Kühl, Röm. 330, stellen unsere Verse eine "Episode" dar, die "keinerlei neue Gedanken" enthält. Auch Gaugier, Röm. 11, 61, sieht in den Versen einen Unterbruch des Hauptgedankens. Zum Bezug von V.22f. auf V. 17f. vgl. u. S.241. •• Ahnliche Aussagen finden sich in weisheitlicher Tradition oft in positivem Sipne: Da. 4, 32; Hi. 9, 12; Sap. 11,21; 12, 12. Besonders Sap. 11-12 finden sich in völlig verschiedenem sachlichen Kontext sehr ähnliche Aussagen wie bei Pis., vgl. o. 11 3 B Exkurs. und u. S. 246f. und A. 41. 60. So haben Grafe, Verhältnis, Theo!. Abhandlungen C. v. Weizsäcker 267f. 285, und Holtzmann, Theol. 11, 184f., von einer paulinischen Entlehnung aus der Sap. gesprochen. Ein sicheres Urteil in der Frage der literarischen Abhängigkeit ist m. E. allerdings nicht möglieh: Der Topos von Sap. 11, 21; 12, 12 ist auch sonst verbreitet; das Bild von 15,7 und der Satz 12, 20f. sind bei Pis. in verschiedenem Zusammenhang gebraucht; die Häufung der Parallelen ist allerdings auIJallig. Die Parallelen zu R. 1, 18ff. in Sap. 13-15 scheinen mir allerdings für die Annahme von literarischer Abhängigkeit noch nicht beweiskräftig, gegen Grafe aaO 270ft"• • a "Menoun· ge" - bei Pis. steigernd (Phil. 3, 8) oder berichtigend (R. 10, 18) gebraucht - kann hier an sich beide Bedeutungen haben. Im ersteren Fall, der durchaus möglich ist, da ja Pis. die Aussage seines Gegners materialiter nicht bestreitet, hätte es ironischen Sinn: Mensch, ganz richtig, wer bist du •.. ; vld. Kühl, Röm. 329. Doch dürfte die berichtigende Bedeutung leichter verständlich sein.
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IV. Gesamtsehall d. Gesehiehte? Gottes Plan 11. Prädestination
Die Verbindung des Schöpfungsgedankens mit dem Bild des Töpfers ist alt. Im A. T. geht sie aufGn. 2 zurück. Das Bild wird dann vor allem in der prophetischen Literatur seit Jeremia und Deuterojesaia" aktuell: Jahwes Schöpfermacht zeigt sich in der Geschichte, deren souveräner Herr er ist. Dabei kann der ausdrückliche Bezug auf die ScMpfung sogar fehlen und das Töpferbild zum selbsttragenden Bild werden'·. Im Judentum ist es verbreitet: es wird fast immer gebraucht, um das Geschöpfsein des Menschen und seine Ohnmacht gegenüber dem allmächtigen Gott festzuhalten". Aber auch im griechischen Sprachbereich ist es nicht unbekannt".
Es läßt sich also wohl sagen, daß Paulus in unsern Versen vom Schöpfungsgedanken her argumentiertu . Nur muß man sich dabei im klaren sein, was damit gesagt ist: Um die abstrakte Anwendung des Schöpfungsgedankens, aus dem Gottes Alleinwirksamkeit deduziert werden könnte, geht es Paulus nicht. Es wird nicht theoretisch mit dem Schöpfungsgedanken argumentiert, sondern Gottes Schöpfertätigkeit ist unbestritten vorausgesetzt und wird in der jetzigen Situation neu aktualisiert. Es geht auch nicht um jenes "Kreaturgefühl", jenes "Versinken und ,zu Nichte werden'" vor dem "tremendum mysterium"", das jeder Religion eigen ist, so daß also Paulus zum Anwalt von wahrer Religiosität gegenüber dem objektivierenden Mißbrauch des Gottes.. Die an unserer Stelle wohl vor allem gemeinte Stelle Js. 29, 16 ist vermutlich Zusatz, vielleicht aus dem Milieu Deuterojesaias? Vgl. dazu B. Duhm, Das Buch ]esaia, HK 111/1, 3. Aufl.. Göttingen: Vandenhoeck 1914, 186f. Aus deuterolesaianischem Milieu ist ferner Js. 45, 9 und 64,7 zu nennen. Vgl. ferner Stuhlmacher, EvTh 27 (1967) 12, Hi.l0, 9; 33, 6 und u. A. 40. ,. Jer. 18, 2ff., bes. 6; vgl. auch 19, 10ff.; Js. 41, 25 ist das Töpfermotiv bloße Illustration fur die Macht des politischen Herrschers. An sich hätte sich Jer. 18 für das, was Pis. sagen wollte, viel besser geeignet als Js. 29, doch war PIs. mit dem Buch lesaia vertrauter als mit dem Jeremiabuch . .. Vgf. Sir. 33 (36),13; Sap. 12, 12; 15,7 (nur formal sehr ähnlich); Ps. Sal. 17,23 (messianisch); Test. N. 2,2; aus Qumran z. B. 1 QS. 11, 21f.; 1 QH. 10, 3-12; 13, 14f. Die Verbindung zu Go. 2 bleibt in Qumran noch sichtbar, so daß in Qumran vom Formen der Menschen durch den Schöpfer die Rede ist, vgl. Braun, Qumran und das N. T. I, 182. Rabbinisches z. B. Ber. 32a (Anfang); Taan. 20a Bar. (die zweite Stelle zitiert bei Stt.-B. I, 285f.) . .. Vgl. die Belege bei H. Almquisl, Plutarch und das Neue Testament, ASNU 15, Upsala: Appelberg 1946, 87f. .. Dies stellen zu Recht Michel, Röm. 242; C. Müller, Gottes Gerechtigkeit 27ff.; Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes 91, vorsichtiger Schwantes, Schöpfung der Endzeit 14, fest, vgl. auch Kertelge, Rechtfertigung 98f. und 309. Festgehalten werden muß aber, daß schon von der Vorgeschichte des Motivs im A. T. her Gottes SchöpferhandeIn und Gottes Handeln als Herr der Geschichte in Analogie zueinander stehen und z. T. mit demselben Bildmaterial beschrieben werden, vgl. o. A. 39f. und D. Wiederkehr, Theologie der Berufung in den Paulusbriefen, Studia Friburg. NF 36, Diss. Fribourg 1963, 177. Die Schöpfung erscheint bei Pis. nicht als isoliertes Theologumenon, und es ist fraglich, ob eine Bestimmung der Gerechtigkeit Gottes, wie die, die Gerechtigkeit Gottes sei für Pis. "nicht mehr nur Bundestreue " ., sondern ... die Treue des Schöpfers zu seiner Schöpfung" (Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes 90) etwas spezifisch Paulinisches erfaßt und nicht vielmehr eine Stufe der Reflexion, die im A. T. mit der Einordnung der Schöpfung in die Heilsgeschichte bereits erreicht wurde. " R. 0110, Das Heilige, Breslau: Trewendt 1923, 110f.
3. Der Prädeltinationlgedanh in R. 9,19-24
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begriffs würde. Vielmehr zeigt schon das alttestamentliche Belegmaterial deutlich, daß der Schöpfergott seine Schöpfermacht immer wieder neu in der Geschichte manifestiert, indem er als deren Herr handelt 01.14ff.). Und Paulus muß in unsem Versen aus dem Zusammenhang heraus interpretiert werden, wo es um den alttestamentlichen Gott und seine Gerechtigkeit ging. Das Verstummen des Paulus ist also ein Verstummen vor diesem Gott und nicht vor einem Gott an sich'5. Wollen wir die Art und Weise, wie Paulus in V. 2Of. vom Schöpfergott spricht, näher bestimmen, so haben wir nach dem Bildcharakter unserer Verse zu fragen. Handelt es sich bei den Versen um eine Allegorie, so daß der xe:pot(Ld.lt:; 't"oü 'ltYjAOÜ bzw. der 7tMaott:; gleich Gott, das 7tMajLot bzw. axe:üot:; gleich dem Menschen zu setzen wäre? Oder handelt es sich beim Vergleich mit dem Töpfer lediglich um ein Bild, so daß wir nach dem Vergleichspunkt zu fragen hätten? Zur Beantwortung unserer Frage setzen wir bei V. 21 ein. Wenn der Töpfer verschiedene Gefäße formt, so entstehen nicht zwei Gruppen, die in einem absoluten Gegensatz zueinander stehen. Das zeigt, daß die Bildhälfte von der Sachhälfte her gestaltet ist, was für Allegorie typisch ist. Aber auf der andem Seite kann der Mensch nicht einfach mit einem Tongeschirr gleichgesetzt werden: "The trouble is that a man is not a pot; he 1IIillask, ,Why did you make me like this?'''''. Vom Alten Testament her ist der Gefäße formende Töpfert.? immer schon Bild fur Gott und mit dem Bild ist sein Anwendungsbereich vorgegeben. "Plassö" ist vom A. T. her von vornherein geprägter Terminus für das Schöpfungshandeln Gottes, und es ist kaum möglich, daß - nachdem schon V. 20a von Gott die Rede war - irgend jemand das Zitat in V. 20b neutral, d. h. als bloßes Bild zunächst ohne Be2Ug auf den Schöpfergott verstanden hätte. Es liegt also eher eine Allegorie vor, auch wenn diese nur teilweise durchgeführt ist. Ihr entscheidender Punkt ist das Verhältnis des Töpfers zu seinen Werken, nicht etwa die Bestitrunung des Wesens des Töpfers (also Gottes als absoluter Freiheit) oder des Wesens des Geschirrs (also des Menschen als absoluter Passivität, die wesenhaft zum Schweigen verurteilt ist). &I
V Ri. K. Barth, Kurzer Röm. 145: "Der Töpfer ... ist nun einmal nicht irgend
ein anmächtiger Gott, der als solcher tun kann, was ihm beliebt, sondern der Gott
Israels" . •• Dodd, Röm. 159. Die Schwierigkeiten einer rein allegorischen Deutung zeigen auch Jülicher, Röm. 289f.j Lagrange, Röm. 237, und Prat, Theol. I, 31Of. Rein allegorisch ist wohl erst die nach K. H. Schelkle, Etwählung und Freiheit im Römerbriefnach der Auslegung der Väter, ThQ 131 (1951) 189-207, dort 196, von unserer Stelle abhängige Formulierung 2. Cl. 8, H., wo das ergänzende Bild vom Feuerofen bereits vom Gerichtsgedanken gepdgt ist• •• Im Unterschied zum Geschirr zerschlagenden Töpfer, der im A. T. rein bildlich gebraucht wird, vgl. Js. 30,14; Jer. 19, 11; Ps. 2,9.
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IV. Gesamtschau d. Geschiehte? Gottes Plan u. Prädestination
Entscheidend scheint mir aber gerade dies zu sein, daß Paulus ein durchaus verbreitetes und aus dem Alten Testament geläufiges Bild als Antwort auf den Einwand seines Gegners benützt und daß er mit Hilfe von Anspielungen auf das Alte Testament formuliert. Es gehört hier mit zur Sache, daß er auf Bekanntes, Vertrautes zurückgreift, denn es geht ihm eben um Konfrontation mit dem wirklichen, aus dem Alten Testament bekannten Schöpfergott. Nur dann ist die paulinische Argumentation schlüssig. Aber was bezweckt sie eigentlich? Zunächst wehrt Paulus eine falsche Konsequenz aus dem Pharaobeispiel ab: Gottes Allmacht in der Geschichte ist nicht ein Abstraktum, aus dem man seine eigenen Schlußfolgerungen ziehen dürfte. Der Frager von V. 19 denkt ja auch von Gottes Allmacht aus und würde dem Schöpfergott niemals das Recht bestreiten, die einen Gefäße zur Ehre, die andern zur Unehre zu machen. Wenn nun die paulinische Antwort sinnvoll sein soll, so kann es in ihr nicht darum gehen, die Konsequenz, die der Frager aus der Allmacht Gottes zieht, durch einen erneuten Hinweis auf Gottes Allmacht niederzuschlagen. Damit wäre nichts gewonnen. Im Gegenteil, wenn Paulus mit Berufung auf die Allmacht Gottes verböte, aus eben dieser Allmacht Folgerungen zu ziehen, hätte er nur durch noch größere Unterwürfigkeit die hinter der Unterwürfigkeit seines Gegners verborgene Überheblichkeit um einen Grad überboten. Paulus will aber durch die Verse 19-21 gerade verhindern, daß das Handeln Gottes an Phamo, wie es das A. T. schildert, zur Basis eines dann verfügbaren Gottesbegriffs wird. Oder anders: Paulus will verhindern, daß prädestinatianische Aussagen zum Determinismus objektiviert werden48 • Er will zeigen, daß der reflektierende und gegenüber Gott Rechte beanspruchende Mensch von ihm immer schon in Anspruch genommen ist und darum gar keine eigene Position ihm gegenüber b.'Ziehen kann. Für sich genommen, würden unsere Verse allerdings zu extremer Selbstpreisgabe und zum sacrificium intellectus aufrufen. Durch den deutlichen Hinweis auf das Alte Testament und Gottes Handeln in der Geschichte Ismels aber werden die Akzente entscheidend verschoben, denn es ist nicht ein unbekannter Gott, der dem .. R. Blllimann, Gnade und Freiheit, in: Glauben und Verstehen 11, 2. Auß. Tübingen: Mohr 1958,149-161, dort 157f., versucht, die prädestinatianischen Aussagen des Pis. von ihrer Spitze gegen den Verdienstgedanken her (vgl. R. 9, 11fr.) und gerade nicht als Gegensatz gegen den Gedanken der freien Entscheidung des Glaubens zu verstehen. Gegenüber einem Versuch, prädestinatianische Aussagen spekulativ oder mythologisch zu fassen, kann er pointiert sagen: "Im Glauben vollzieht sich die Erwählung, nicht dahinter und nicht davor" (aaO 158). Eben das meint auch C. Müller, Gottes Gerechtigkeit 78, mit der Formulierung, "daß Prädestination in der Wortverkündigung geschieht". Seine Polemik gegen Bultmann geht wohl weitgehend an diesem vorbei, denn auch B. weiß, daß zum Ungläubigen nur das Wort "von der auch für ihn geltenden Gnade" (aaO) gesprochen werden kann.
J. Der Prädestinationsgedanke in R. 9, 19-24
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Menschen Schweigen gebietet. Angesichts der Allmacht dieses Gottes kann sich der Mensch nicht aus seiner eigenen Verantwortlichkeit entlassen. Unsere Verse wollen im Zusammenhang mit den Versen 14-18 gelesen werden. So geben sie eine entscheidende Interpretationshilfe zum Verständnis jener Verse, indem sie zeigen, daß der Mensch nur als von Gott immer schon Betroffener die alttestamentliche Geschichte als von Gott gewirkte Geschichte verstehen kann.
B. R. 9,22/ Wie schließt V.22f. an das Vorangegangene an? Will Paulus eine "Erklärung" des Töpfergleichnisses geben'·? Oder sind sie gerade als Gegensatz zu V. 19ff. zu fassen? Dafür spräche das adversative 8~. Der Sinn wäre dann: Gott /eönnte in der Tat so handeln, wie es das Alte Testament mit dem Bild des Töpfers beschreibt. Wie, wenn aber Gott in Wirklichkeit gar nicht so handelte, sondern seinen Zorn noch hinausschöbe und die Gefäße des Zorns in viel Langmut trüge 60 ? Obwohl aber "de" in V. 22 sicher einen gewissen Gegensatz zu V. 21 andeutet, ist es dennoch nicht die Meinung des Paulus, daß Gott nun doch nicht wie ein Töpfer handelt. Die Auseinandersetzung mit dem Gegner von V. 19 würde so in ein merkwürdiges Licht treten. Auf jeden Fall weist V. 22 über die Verse 19-21 hinweg aufV. 17 zurück. Die Anklänge sind unverkennbar: ~8Eh(lIUILL ry. 17. 22), ~ 86vIXILLC; und 't'o 8UlIOt't'611 ry. 17.22). V. 22 will also das Pharaobeispiel wieder aufnehmen und weiterführend auslegen. Bei der Betrachtung des Anakoluthes stellen sich uns zwei syntaktische Probleme. Erstens: Ist KOtE zu Beginn des Verses 23 ursprünglich oder ist es mit B, Orig. und andern zu streichen? Das Gewicht der Textzeugen spricht eindeutig dafür, KOtE im Texte zu lassen 61 • Doch hängt •• Barth, KD 11/2, 247. Dagegen spricht allerdings das "de" V.22, sowie die Beziehungen zwischen V. 22 und V. 17, vgl. unten. •• B. Weiss, Röm. 421f. Ahnlich formuliert Leenhardt, Röm. 146: "La comparaison avec le potier se revHe maintenant inadequate: Dieu use d'une patience qui n'a aucune place dans le travail du potier". In anderer Weise konstruiert V. Weber, Kritische Geschichte 34, einen Gegensatz zwischen V. 21 und V. 22: "Wenn aber die Masse nicht mehr gleich ist, sondern solche, die zu Gefäßen der Ehre gemacht waren, si,h zu Gefäßen des Zorns bereitet haben (Pharao, die Juden), und Gott solche Gefliße des Zorns in vieler Langmut trug ... auf Bekehrung wartend (Röm. 2, 4), und einshPei/en - jene Gefäße des Zornes nicht für immer verwerfend ... - Gefaße des Erbarmens beruft ... , wo bleibt da eine scheinbare Ungerechtigkeit?" i l Unklar ist, ob p" x«[ liest. Da der Text am Rand zerstört ist, läßt sich nichts Schlüssiges sagen, doch dürfte, wie sich aus der Breite des abgebrochenen Randes ergibt, "kai" im Text gestanden haben. Sachlich ist die Frage insofern von Bedeutung, als eine Streichung von "kai" die konzessive Deutung von "thelön" erleichtert, vgl. u. A. 52. 57. Maier, Israel in der Heilsgeschichte 44, sieht in "kai" eine Andeutung, daß Pis. ursprünglich mit V.23 eine neue, V.22 parallele (vgL
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IV. GeJaflltJchau d. Ge/chichte? GotteJ Plan u. PrädeJtination
die Entscheidung mit der zweiten Frage unserer Verse zusammen: Wie ist das Partizip &tACJlV zu verstehen? Vorgeschlagen wurden folgende Übersetzungsmöglichkeiten : 1. kon~eJJivn: Wenn aber Gott, obJchon er seinen Zorn zeigen und seine Macht kundtun wollte, mit viel Langmut die Gefäße des Zorns", die doch zum Verderben bereitet waren, trug, um den Reichtum seiner Herrlichkeit gegenüber den Geschöpfen des Erbarmens, die er zur Hertlichkeit bereitet hatte, kund zu tun? Zu ergänzen wäre dann etwa: "Hast du dann Gott noch etwas zu antworten ?"., 2. final'·. Diese übersetzung hat den Vorzug, daß der finale Sinn bereits durch das Partizip ~~(')'1 vorgegeben ist, daß sie also die neutralste ist. Zu libersetzen wäre dann: "in der Absicht, seinen Zorn zu zeigen", oder: "willens"". Der durch ~~A(O)'1 eingeleitete Partizipialsatz und der mit ihm wohl durch _( verbundene {'lOt - Satz in V. 23 stünden dann parallel und gäben formal zwei verschiedene Absichten Gottes an. KOt( wäre am ehesten mit "auch" oder "zugleich auch" zu übersetzen. Paulus würde dann sagen, daß Gott die Gefäße des Zorns aus zwei Gründen mit viel Langmut trug, nämlich erstens, in der Absicht, seinen Zorn zu zeigen, zweitens "auch", um den Reichtum seiner Herrlichkeit gegenüber den Gefäßen des Erbarmens zu zeigen". V.223 mit V. 23a, V. 22c (katcrtismena etc.) mit V. 23b) Nebensatzperiode beginnen wollte. Doch kompliziert dieser übersetzungsversuch die ohnehin schwierige Periode noch mehr. .. So z. B. von den Kommentaren F. Godet, Kommentar zu dem Brief an die Römer II, 2. Auf!. Hannover: C. Meyer 1893, CornCly, B. Weiss, Jülicher, SandayHeadlam, Leenhardt z. St., ferner KUhl, Theodizee, Theol. Stud. B. Weiss 73; Prat, Theol. I, 309. Daß von den Auslegern, die "kai" streichen, "thelän" fast durchwegs konzessiv gefaßt wird, zeigt Kühl, Röm. 332, vgl. Bornkamm, Anakoluthe, Aufs. I, 90f. •• Muß "skeuos:' hi~r als Objekt (Gefäß, in das e~as hineingegossen wird) oder als Instrument (Gerat, das zu etwas gebraucht WIrd) verstanden werden? Von Jer. LXX 27,25 und Js. 13, 5 Symmachus her müßte eigentlich mit Munck, Christus und Israel 55, und Michel, Röm. 245 A. 2, eher an "Instrumente des Zorns" ~edacht werden. Doch kann m. E. die Analogiebildung in V. 23 mtEVr) tMouc; rucht mit "Werkzeugen des Erbarmens" übersetzt werden; auch die Zusatzbestimmungen: "bereitet zu ... " und die Wendungen dc; Tt(.Lij'l bzw. dTl(.LlOt'l V. 21 legen eher nahe, OXtÜOC; bp"j'iic; als "Objekt des Zorns" zu verstehen. M Abzulehnen sind Versuche, die aus V. 23 den Nachsatz machen wollen, sei es durch Konjekturen (l'allis, Röm. 117 liest in V. 23 E7tohjlJ!:V oxeU"I) statt btl OX&Vr), sei es, indem in V. 23 das Verb des Verses 22 als Hauptverb ergänzt wird (Nygren, Röm. 267). 11 So z. B. Zahn, Pallis, Barth, Lietzmann, Lagrange, H. W. Schmidt z. St., ferner Bornkamm, Anakoluthe, Aufs. I, 91; C. Müller, Gottes Gerechtigkeit 32• •• Doch behält dabei "thelän" den starken, "determinierenden" Sinn, den es von V. 18 als Wollen Gottes mitbringt, vgl. Murray, Röm. II, 34. 51 Dies wird energisch von K. Barth bestritten, der KD 11/2 248 jede "abstrakte Doppelung" der Absicht Gottes ablehnt und von dem "ei"e" Weg Gottes spricht". C. Maurer, Art. OX&UOC;, ThW VII, 359-368, dort 364 A. 35, spricht von epexegetisch steigerndem )(Otl und paraphrasiert betont: "und zwar zu dem einen Zwecke, daß ... " (aaO 364, 1). Man wird zwischen dem exegetischen und dem sachlichen Recht dieser These unterscheiden müssen. Exegetisch wäre zu sagen: Daß "kai" epexe~etisch steigernd und nicht syntaktisch verbindend ist, dürfte kaum zu halten seIn. Maurer kann dies nur, indem er vom finalen Sinn von V. 22a, der durch "thelön" auf jeden Fall gegeben ist, einfach absieht, vgl. u. A. 59. Kann man das aber nicht, so hat man auf jeden Fall formal zwei Absichten; die Frage ist dann
3. Der Prädestintltionsgedtlllke in R. 9, 19-24
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In den Kommentaren werden noch zwei weitere übersetzungsmöglichkeiten vorgeschlagen, nämlich: 3. kalual: Weil Gott die Absicht hatte ... ' •• Doch diese übersetzung verstärkt lediglich den finalen Skopus, ohne etwas Neues. beizufügen. Endlich kann 4. modal übersetzt werden, z. B.: "Gott bei der Durchführung seines Willens, seinen Zorn zu erweisen"Gt. Diese übersetzung dürfte deshalb uninteressant sein, weil auch so die finale Nuance nicht verschwindet, da sie durch &tA6IV ohnehin zum Ausdruck gebracht wird. Wir werden uns also zwischen der konzessiven und der finalen übersetzung zu entscheiden haben.
Fassen wir das Partizip &tA(,)V in konzessivem Sinn, so erhielten wir einen verständlichen Gedankengang: Eine Paraphrase würde lauten: Obwohl Gott willens ist, seinen (eschatologischen) Zorn zu zeigen und seine Macht (im letzten Gericht) kundzutun, hat er die Gefäße des Zorns in viel Langmut getragen, die doch zum Verderben bereitet sind, (auch,) um den Reichtum seiner Herrlichkeit gegenüber den Gefäßen des Erbarmens kundzutun . .. Mcxxpo&u/L(or; ist hier und bei der finalen Deutung nicht einfach positiver Begriff, sondern, entsprechend apokalyptischem und weisheitlichem Denken, nur bedingt positiv: Die göttliche Langmut ist ein vorläufiges Zurückhalten des Gotteszorns, eine Frist, die Gott vor dem endgültigen Hereinbrechen des Gerichtes noch gewährt80• Der Grund, wieso Gott diese Frist noch nur, wie sie einander beizuordnen sind. Andererseits aber gilt: Schon die Einführung des Anakoluths mit "ei de" und die so erfolgende Abgrenzung gegenüber V. 21 weisen darauf hin, daß für Pis. das sachliche Gewicht des Anakoluths auf V. 23 und nicht auf V. 22 liegt. Nach V.21 will Pis. etwas Positives sagen. Man muß auch auf die unterschiedliche Formulierung der heiden Absichten hinweisen: Gegenüber dem durch das unbestimmt-zeitlose "thelän" eingeleiteten Satz wirkt der zweite durch "hina" eingeleitete Satz bestimmter, durch seine nachhinkende Stellung betonter. So ist ein gewisses sachliches übergewicht von V. 23 kaum zu leugnen. Bei der Interpretation ist dann aber darauf zu achten, daß "makrothymia" nicht unversehens überinterpretiert und zu einem rein positiven Heilsbegriff wird, vgl. u. A. 60. "Makrothymia" heißt ehen wirklich "nur", daß Gott den Gefäßen des Zorns "ihre Zeit und zu ihrer Zeit das Lehen gelassen" habe, vgl. Barth, KD II/2, 249. Der Gefahr, daß so der Zomeswille Gottes unter der Hand nicht mehr ernst genommen wird, ist z. B. Weher, Heilsgeschichte 60, erlegen. Er schreibt, daß "Gottes letztbestimmende Absicht nicht eigentlich auf das Zorneswalten gerichtet" sei. Dieser Gefahr ist Barth aaO in seiner ausgewogenen dialektischen Verflechtung von Zorn und Gnade wohl nicht erlegen. Immerhin dürfte seine Exegese die von Pis. erreichte Stufe der Reflexion überschreiten und eine Präzision der Aussage suchen, die bei Pis. noch nicht erreicht ist. IS S. z. B. Kühl, Röm. 333, im Unterschied zu o. A. 52, ferner Althaus, Barrett, Gaugier II, Michel z. St. •• Maurer, ThW VII, 363, 37f. . 10 Vgl. bes. F. HorJt, Art. lM"l<po.&u!L('" XTA., ThW IV, 377-390, dort bes. 379, 34ff.; 381, 31ff.; 384, 6ff. In der Apokalyptik ist "makrothymia" das gnädige Zurückhalten des Gerichtes durch Gott gemäß seinem Plan: 4. Esr. 7,74; s. Bar. 21, 20f.; 2. Makk. 6, 14ff.; vgl. Sap. 12, 8ff. 20; 15,1. Bei Pis. findet sich der Begriff in der selben Bedeutung R. 2, 4 und wird dort durch "chrestotes" und "anoche" interpretiert. Vgl. auch R. 3, 25f. Lyonnet, bei Huby, Röm.621 versteht eher vom weisheitlichen Erziehungsgedanken her (Prv. 3, 11f.; Ps. Sal.8, 30ff.; 13, 6ff. etc.).
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IV. Gesa",tsehau d. Geschichte? Gottes Plan u. Prädestination
gewährt, wird dabei von den Exegeten verschieden angegeben: Die Zeit der "makrothymia" ist eine Frist für die Buße, die den Gefäßen des Zorns noch geschenkt ist81, oder eher: die Gott gewährt, damit die vorherbestimmten Gefäße des Erbarmens Gelegenheit haben, sich zu bekehren8l• Auch sonst weisen verschiedene Spracheigentümlichkeiten unseres Textes und auch die Prädestinationsvorstellung als solche in ein apokalyptisch geprägtes Milieu. r_pll;(o) ist apokalyptisch geprägter Olfenbarungsterminus, vgl. z. B. die häufige Verbindung mit dem apokalyptischen Terminus lLua'tijpIOY, ferner z. B. R. 16, 25f.; vor allem in den Deuteropaulinen Eph. 1,9; 3,311'. 9f.; 6,19; Kol. 1,27"'. Dieselbe Verbindung von Langmut und Erkenntnis von Gottes Herrlichkeit findet sich auch s. Bar. 21,20-25. Eine enge Parallele zu unserm Abschnitt ist 1 QH. 15, 14-21. Zur Vorstellung von der doppelten Prädestination bietet Qumran die engsten Parallelen".
Aber die konzessive Interpretation von &~).(o)v bereitet Schwierigkeiten: Die Parallelität von V. 22 und 23, dazu das verbindende )«X~ legen nahe, &tAWV nach Analogie des [vOt-Stzes in V. 23 ebenfalls final zu fassen. Auch V. 17f. sprechen eher für eine finale Deutung. Ferner verwehrt uns R. 1, 16-18, wo ebenfalls apokalyptische Offenbarungstermini vorkommen, Zorn und Gnade bei Paulus einfach unverbunden nebeneinander zu stellen. Wir werden also das Partizip "thelön" doch eher final interpretieren. Aber in welchem Sinn ist jetzt das Anakoluth zu deuten? Vom Judentum her wäre folgende Deutung möglich: Gerade damit Gott (im Endgericht) seinen Zorn zeigen kann, hat er die Gefäße des Zorns in viel Langmut getragen, damit am Ende dann das Strafgericht über sie umso größer würde, und um so im Kontrast zu seinem Handeln an den Gefäßen des Zorns - den Reichtum seiner Herrlichkeit gegenüber den Gefäßen des Erbarmens zu zeigen0 6• Doch befriedigt dieser Gedankengang nicht, nicht nur, weil er Gottes "makrothymia" nun wirklich jeder positiven Bedeutung entkleidet und sie nur gleichsam zur Grube macht, in die dann der Verworfene nur umso tiefer stürzt, sondern vor allem, weil der Zusammenhang der Verse 14-23 unberücksichtigt bleibt: Auf die frage nach Gottes Gerechtigkeit 01. 14) wäre keine Antwort gegeben, und der Frager von V. 19 hätte erst recht Grund zu seinem Einwand. Außerdem erwarten wir nach dem adversativen Versanfang mit "ei de" eine So z. B. B. Weiss, Röm. 423f. mit Berufung auf R. 2, 4. •• So bei Jülicher, Röm. 290; Munck, Christus und Israel 54. .. V gl. ferner u. S. 28611'. Apokalyptische Belege bei Lührmann, Olfenbarungsverständnis 121 A. 3. Zu den prädestinatianischen Wendungen "bereitet zum Verderben" und "zur Herrlichkeit vorbereiten" vgl. u. S. 248f. .. Vgl. auch Flusser, Dead Sea Sect, Scripta Hierosolymitana 4 (1958) 22111'. (Verbindung von Dualismus und Prädestination in Qumran und R.9); Braun, Qumran und das N. T. II,247. 11 Vgt 2. Makk. 6, 1411'. Ahnlich interpretieren Kühl, Röm. 333; Althaus, Röm.95. 11
J. Der Prädestinationsgedmtlu ;" R. 9,19-24
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Aussage, die nun dem Gnadenhandeln Gottes positiv nachdenkt, nachdem in V. 20 sachlich das Terrain dafür bereinigt worden ist. Entscheidend für die Auslegung unserer Verse ist m. E. die schon erwähnte Beobachtung, daß V. 22 aufV. 17 zurückweist. Paulus ist in Gedanken noch beim Pharao beispiel und entwickelt aus ihm seinen Gedankengang. Modell des "Gefäßes zum Zorn" ist ihm der Pharao". Ihm gegenüber - an den ungläubigen Juden seiner Zeit denkt Paulus hier nichtS? - war Gott langmütig, indem er ihn auf den Plan der Geschichte treten ließ, ihn nicht hinderte und so gerade durch die dem Pharao in viel Langmut gewährte Freiheit seinen Zorn vollstreckte. Gottes Zorn am Pharao hat sich innergeschichtlich erfüllt, ist aber trotzdem Ausdruck eschatologischen Zorns". Damit ist es aber noch nicht getan. Denn Gottes Gewähren-lassen dem Pharao gegenüber machte für jedermann den Reichtum seiner Herrlichkeit seinem Volke gegenüber offenbar. Gottes Handeln ist also nicht einlinig qualliizierbar. Es führt vielmehr zu Zorn und zu Erbarmen, ohne daß das Verhältnis von Zorn und Gnade aus der Geschichte eindeutig ablesbar wäre. An dieser Stelle bricht Paulus seinen Gedanken ab. Denn offensichtlich läßt sich vom Handeln Gottes in der Geschichte nicht so, gleichsam in abstracto, reden. Formuliert er seinen ersten Relativsatz noch allgemein, so wechselt sein Blickpunkt beim nächsten Relativsatz, denn die Gefäße des Erbarmens, die Gott berufen hat, sind ja "wir", d. h. die Christengemeinde zur Zeit des Paulus". Sie kann ja von .. Zahn, Röm. 459 weist .mit Recht darauf hin, daß nur der Bezug auf ein geschichtliches Ereignis den überraschenden Aorist ,\\vtyX&V erklären könne. .. Werden die Verse auf das Verhältnis von Juden und Heiden in der Gegenwart bezogen, so wird die Auslegung nicht nur dem grundsätzlichen Charakter des Exkurses R. 9, 14ff. nicht gerecht, sondern verwickelt sich in ausweglose Schwierigkeiten. Leenhardt, Röm.147, der V.22 von der Verwerfung Israels her versteht, muß die Aussagen über die praedestinatio ad malum abschwächen bis zu dem Satz: "leur vocation subsiste"; vgl. auch Coril~ly, Röm. 531f.; Nygren, Röm. 266f.; Wiederkehr, Berufung 176f. Von R. 11, 25if. her ist es m. E. fast ausgeschlossen, daß Pis. das Volk Israel als "Gefliße des Zorns, die zum Verderben bereitet sind" hätte bezeichnen können . •• Es ließe sich sagen: V. 17f. und V. 22f. interpretieren sich gegenseitig und zwar so, daß V. 17f. den Zorn Gottes als geschichtliche Wirklichkeit, V. 22f. als letzte Absicht Gottes sichern . .. Unrichtig ist wohl die übersetzung: ,,zu denen er auch uns berufen hat" (z. B. Lietzmann, Michel z. St.). "Berufen zu etwas" ist im N. T. mit ...k konstruiert, vgl. Pr.-Bauer 789; nur im Passiv ist eine analoge Konstruktion, dann mit doppeltem Nominativ, ausnahmsweise möglich, vgl. 1. K.7, 18. 22, aber dort ist der Nominativ attributive Bestimmung des Subjekts (all Beschnittener bist du berufen worden, nicht: ~um Beschnittenen). Oder hat in den Zitaten 9,25f. (gegen den H. T.) "kale5" auch den Sinn von "berufen zu etwas"? Am ehesten ist zu übersetzen: " ... die er auch berufen hat - uns I ... ", bzw. mit reIativem Anschluß: "Sie hat er auch berufen - uns I". Nur so kommt auch das Gewicht und die eigenartige HintansteIlung von 'fll'iitö zum Ausdruck.
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IV. Gesamtsehau d. Geschichte? Gottes Plan 11. Prädestination
Gottes Handeln in der Geschichte nicht einfach unbeteiligt sprechen, also als solche, der der Reichtum von Gottes Gnade gegenüber den Gefäßen des Erbarmens bloß kundgetan worden ist, sondern sie ist selbst ein "Gefäß des Erbarmens" und vom Handeln Gottes in der Geschichte selbst betroffen70 • Und wie Paulus schon in V. 19ff. leidenschaftlich abwehrt, das Problem der Gerechtigkeit Gottes spekulativ, von einem abstrakten Gottesbegriff her in den Griff zu nehmen, "so drängt (er) ... auch hier V. 23f. sofort dahin, die Diskussion von abstrakten Möglichkeiten abzuschneiden und sofort auf den Boden der in der Offenbarung seiner Gnade gesetzten Wirklichkeit zurückzuführen"7l. Dieses Bestreben läßt den paulinischen Gedankengang abbrechen und den Satz zum Anakoluth werden. In der schon mehrfach zur Erklärung unseres Abschnittes herangezogenen Sapien/ja Sa/omonis" findet sich in sehr ve"vandtem Kontext eine Parallele. Wir versuchen, die Eigenart des paulinischen Denkens herauszuarbeiten, indem wir beide Texte einander gegenüberstellen: "Denn, wenn du schon die Feinde deiner Kinder und solche, die des Todes schuldig waren, mit so großem Bedenken und ... Beschwören bestraftest, indem du ihnen Frist und Gelegenheit gewährtest, sich von der Schlechtigkeit loszumachen, (21) mit welcher Sorgfalt hast du (erst) deine Söhne gestraft, deren Väter du Eide und Verträge (voll) guter Verheißungen gewährtest?" (Sap. 12, 2Of.)'". Zwei formale Eigentümlichkeiten unterscheiden diesen Text von R. 9, 22f. Der Satz ist ein Schluß a minore und er ist kein Anakoluth. Beides dürfte sachliche Gründe haben. Der weisheitliche Verfasser kann zwei vorgegebene Größen einander gegenüberstellen: die Feinde Gottes, die des Todes schuldig sind, und die Kinder Gottes, deren Väter die Verheißungen galten. Das Verhalten Gottes gegenüber den Feinden ist klar: Sie haben den Tod verdient. Nicht ohne weiteres klar ist aber nun das Verhalten Gottes seinen Kindern gegenüber: Obwohl ihre Väter Träger der Verheißungen sind, haben sie durch ihr Verhalten auch Strafe verdient. Und nun der Schluß des Verfassers: Wenn Gott schon seine Feinde mit soviel Rücksicht und Bedenken bestrafte - das ist an seinem Verhalten in der Geschichte ablesbar" - wie groß muß dann erst die Rücksicht.Gottes seinen Kindern, den Verheißungsträgern gegenüber sein? Der Gedankengang ist klar und einlinig. Gott schuf durch seine Verheißungen zwei verschiedene, aufweisbare Gruppen von Menschen. Darum kann sein Handeln beiden gegenüber verglichen werden. Der Verfasser kennt seinen eigenen Standort bei den erwählten Kindern Gottes. So kann er den Erwählungsgedanken in Geschichtsbetrachtung umsetzen und ,. Vgl. Dinkler, Prädestination, Festschr. G. Dehn 94. Tl Bornkamm, Anakoluthe, Aufs. 1, 91f. ,. Vgl. 0.1I 3 B. Exkurs und A. 31. '" Ahnliehe Aussagen finden sich übrigens in der rabbinischen Literatur beim Vergleich des Schicksals der Juden und Heiden oft. Formal sind sie mit "wenn" eingeleitet und enthalten einen Schluß aminore. Belege, abgesehen von 1 QH. 15,14ff., bei Glatzer, Untersuchungen 14. Die wichtigsten Parallelen sind Sif. Nu. zu 21,13 (ed. K. G. Kuhn, 1959, S. 561) = R. El'azar aus Modi'im; Esth. r. zu 1,9 (= 3,9, Frecdman-Simon Bd. 9, S. 51) = R. Me'ir. ,. Vom Verfasser der Sap. wird das am Verhalten Gottes zu den Feinden Israels beim Einzug ins Land Kanaan exemplifiziert, 12,3ff.
3. Der Prädestindtionsgeddnlee in R. 9,19-24
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Gottes Handeln, das sich aus seiner Gnadenwahl ergibt, aus der Geschichte verifizieren. Dabei erweist es sich, daß Gott aUen Menschen gegenüber gerecht ist, aber zusätzlich noch seinen Feinden, erst recht seinen erwählten Kindern gegenüber barmherzig.
Für Paulus ist die Ausgangslage nicht mehr so einfach: Verheißungsträger Israel und Verheißungsträger Kirche stehen sich gegenüber. Auf die Verheißungen kann man sich nicht "kata sarka" berufen, sondern sie nur als Gnade empfangen (R. 9, 6ff.). In ganz anderer Weise als der Verfasser der Sapientia hat Paulus die Erfahrung der absoluten Freiheit von Gottes Gnade gema(ht. Diese Erfahrung bringt die prädestinatianische Aussage zum Ausdruck, und hier liegt denn auch der erste Unterschied zur Sapientia: Der weisheitliehe Verfasser braucht keine prädestinatianischen Aussagen. Obwohl er Gottes Freiheit betont (Sap. 1, 21. 25; 12,8), ist sie faktisch durch die Schuld der Menschen und durch die Gabe der Verheißungen festgelegt und wirkt sich nur als Möglichkeit zu größerer Milde aus. Für Paulus ist aber Gott frei und sein Handeln in der Geschichte bleibt kontingent. Gottes Handeln wird auf dem Hintergrund seiner Freiheit und auf dem Hintergrund der alttestamentlichen Geschichte, die gerade Gottes Handeln in dieser Freiheit zeigt, radikal als Gnade erfahren. Und so zeigt sich der zweite Unterschied zwischen Paulus und der Sapientia: Die Geschichtsdeutung wird bei Paulus früher in die Doxologie gehoben. Die Erwählung schafft bei Paulus nicht einen Raum, von dem aus Geschichte gedeutet werden könnte, sondern Erwählung als freies, kontingentes Handeln Gottes, mittels dessen man sich nicht menschlich sichern kann, läßt die Geschichtsbetrachtung in den Dank des von Gott unverdientermaßen Beschenkten umschlagen. Und der dritte Unterschied hängt damit zusammen: Indem bei Paulus auch die Erwählung Gottes nicht menschlich verfügbar wird und sich Israel und die Kirche als Erwählte und Erwählte gegenüber stehen, ist es nicht mehr möglich, Gnade und Zorn Gottes eindeutig auf geschichtliche Größen zu verteilen. Gottes Handeln wird vielmehr hintergründig: die Erwählten kann er zu Gefäßen des Zorns machen und sein Handeln an den Gefäßen des Zorns kann auch zum Aspekt seiner Gnade werden. Auf dem letzteren liegt in V. 23 der Akzent. Paulus fragt also: Wie, wenn Gottes Handeln, durch das er seinen Zorn zeigen will, zugleich und vor allem auch seiner Gnade diente75 ? Dabei fragt er aber nicht so, daß er Gottes Zorn als Absicht seines Handelns auf die Seite .. Hier liegt auch der Unterschied zu 1 QH 15, 14ff.: Dort wird Gottes ErwIIhlen und Verwerfen als Akt seiner Schöpfermacht gepriesen. Bei Paulus steht aber nicht einfach beides nebeneinander. Gottes Gnade ist vielmehr so mlchtig, daß sein Zorneshandeln, obwohl es nichts an seiner Radikalität einbüßt, dem Glauben zum Aspekt seiner Gnade wird. Aber hier mufl der Gedankengang zerbrechetl.
248
IV. GesomtschoN J. Geschkhte? Gottes Pion N. Prädestinotion
schöbe und gleichsam der Gnade als allerletztem Ziel unterordnete. Vielmehr bleibt der Zorn mit letztes Ziel des Handelns Gottes, das gerade so seine Gnade nur umso mächtiger herausstellt. Beides muß von V. 22f. aus gesagt werden: der deutlich erkennbare Wille des Paulus, nach V. 19ff. eine positive, die Prävalenz der Gnade betonende Aussage zu machen und ein letzlich nicht aufgehobenes, unverbundenes Nebeneinander von Gottes Zorn und Gottes Gnade als letzter Absicht seines Handelns 78 • So läßt sich sagen: Das Anakoluth R. 9, 22f. ist ein eigentümliches Beispiel dafür, 711ie sich bei PON/NS die Geschichte als Feld des Handeln! Gottes erschließt, ohne verfügbar ztl werden. Die Ereignisse um Pharao werden gedeutet, aber bezeichnenderweise ist es zunächst die Schrift, die sie deutet, d. h. Gott selbst. Weil der Mensch aber immer schon von Gott Betroffener, Begnadigter ist, wird Gottes Handeln" dem menschlichen Verfügen verschlossen, obschon es durch die Schrift erschlossen bleibt. Man könnte auch sagen: Der Griff des Glaubens nach der Geschichte ist nOf1liendig, 1IIeii Gott zuvor nach der Geschichte gegriffen hat. Aber es bleibt ein Griff des Glaubens, der nicht zu einen1 einlinigen, undialektischen, am Verlauf der Geschichte verifizierbaren Geschichtsbild führt, wie dies etwa dem Verfasser der Sapientia und teilweise der Sekte von Qumran gelingt. So ist das paulinische Anakoluth wohl nicht nur zufällig entstandene Sprachsch7llierigluit, sondern Ausdruck der sachlichen Unmöglichkeit, Gott, der "uns" in unserer Geschichte trifft, unsererseits an eine bestimmte Geschichtsinterpretation Zu binden. Eine letzte Frage bleibt noch zu erörtern. Welchen Sinn haben nun die prädestinatianischen Ausdrücke und Wendungen im paulinischen Gedankengang? Wir haben schon festgestellt, daß er im apokalyptischen Denken wurzelt. Von dorther haben wir auch die prädestinatianischen Wendungen zu verstehen. Eindeutig liegt ihnen die Vorstellung der doppelten Prädestination, wie wir sie in Qumran kennen gelernt haben, zugrunde. Es gibt für Paulus Gefäße, die - natürlich von Gott - zum ewigen Verderben bereitet sind 77 , ebenso wie solche, .. Wiederum drängt sich als Parallele die Art des Nebeneinanders von Deus absconditus und Deus revelatus bei Luther auf, vgl. o. A. 111 367 und u. S. 277f., ferner die o. A. 11 461 und u. A. 124; A. V 131 gegebenen Verweise. Vgl. ferner o.A.I54. .. Die Versuche, xC'&:LCa\.l.EvoL, sondern erst in der Rettung Stehende, also a(j>~6\.1.e:voL sind, immer noch mit der Möglichkeit des Fallensi" ? Wir haben keinen Anhaltspunkt dafür, daß Paulus die Gemeindetheologie in dieser Richtung kritisch weiterführen wollte. L>..e,cr;/a"'T..,p(cr; zu beziehen ist. ,., 2. K. 4, 4 streift Paulus den Dualismus mit der (polemischen, vgl. Georgi, Gegner 253f.) Aussage "der Gott dieses Aons hat die Gedanken der Ungläubigen blind gemacht". Umgekehrt betont er Phil. 1,28: "von Gott". 1. K. 1, 19 scheint durch das Zitat wenigstens indirekt anzudeuten, daß Gott der Vernichter ist. Jedenfalls zeigt die Vielfalt der paulinischen Ausdrucksweise, wie wenig dem Apostel an der Klärung dieser Frage liegt. Dieselbe Unklarheit zeigt die deuteropln. Stelle 2. Th. 2, 8, wo die Vernichtung der Ungläubigen zugleich dem ,,anomos", hinter dem die "energeia" des Satans steht, den Ungliubigen selbst, die die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, und Gott (V. 11) zugeschrieben wird. , •• Die Stene 2. K. 4, 3 kann jedenfalls nicht von PtJtltI'tlberg für seine These von der grundsätzlichen Zugänglichkeit der Offenbarung beansprucht werden (Einsicht und Glaube, ThLZ 88 (1963) 81-91, dort 88 A. 11). Daß das Evangelium (nur) bei den Geretteten offenbar ist, d. h. nur im Glauben, nicht vor dem Glauben, ist doch gerade die Kehrseite der pln. Aussage, daß es (nur) bei den Verlorenen verhüllt ist. . Oder sind die präsentischen Partizipien einfach eine Folge der allgemein sc:I:tenen Verwendung des Part. Fut., vgl. Bl.-Debr. 351? Oder wollen sie klarstellen, daß von den gegenwärtigen, nicht künftigen Erwählten und Verlorenen die Rede ist?
1..
258
IV. Gesamlsehau d. Gesehiehte? Gottes Plan u. Prädestination
etwa wie die Frommen von Qumran von feststellbaren Qualitäten der Menschen aus und spricht nicht analog zur Bezeichnung "reschacim" und "zaddiqim" in der Sekte von &8LXOL und 8(XotLOLllO• 1. K. 1, 18ff. liegt alles Gewicht darauf, daß es das Wort vom Kreuz ist, an dem sich die Scheidung vollzieht, indem es den Geretteten zur Weisheit Gottes wird. 2. K. 2, 14ff. macht der Geruch Christi, d. h. die apostolische Predigt, die den Verlorenen von Tod zu Tod, den Geretteten von Leben zu Leben wirkt, die Würde des paulinischen Apostolates aus. 2. K. 4, 3f. i,'.t es das Evangelium, angesichts dessen die Scheidung geschieht. Der Vollzug der Prädestination ist also an die Verkündigung des Christllsgeschehens gebunden und sie vollzieht sich in der Begegnung mit ihr. Die aus der eschatologischen Gemeindesprache stammenden Wörter "apollysthai" und "sözesthai" und die prädestinatianisfhen Anklänge helfen, die an,gesühts Christi süh vollziehende Sfheidung als eJfhatologisfhe Zu verstehen, ohne daß die daraus sich ergebenden möglichen systematischen Konsequenzen, etwa die des Verständnisses des Christllsereignisses als einer Prolepse des jüngsten Gerichtes, explizit gezogen würden. Eschatologische und prädestinatianische Begrifflichkeit bildet den Horizont, der den paulinischen Aussagen die rechte Dimension gibt. Dieser Horizont wird aber nicht eigener Gegenstand theologischer Reflexion. Was wir bei den vorhergehenden Texten feststellen konnten, bestätigt sich auch hier: Prädestination ist für Paulus eine Denkdimension, die für konkrete Aussagen fruchtbar gemacht werden kann, etwa für die Gewißheit deS Heilshandelns Gottes gegenüber der unerlösten Welt (R. 8,28-30), für die eschatologische Dimension der sich in Christus vollziehenden Scheidung (1. K. 1, 18 etc.), oder für den Aufruf zu schöpfungsgemäßem Verhalten dem allmächtigen Gott gegenüber (R. 9, 19ff.). Prädestination ist für Paulus aber kein eigenes theologisches Thema und darum auch kein Ansatzpunkt für geschichtstheologische Erörterungen. C. Die Vorherbestimmungder Weisheit (1. K.2, 7)
Die Verbindung des die apokalyptische Zwei-Äonen-Lehre voraussetzenden Revelationsschemas mit prädestinatianischen Aussagen und vielleicht mit der Sophia war wohl Paulus bereits aus der Gemeinde110 Das Fehlen des Adjektivs "dikaios" zur Bezeichnung der Christen bei Pls. ist auffällig. Es findet sich überhaupt nur in allgemeinen Erörterunsen oder als Prädikativ, nie als Bezeichnung der Christen. In Qumran fehlen partizipiale Wendungen mit ,:abad" oder andem Verben, vgl. höchstens CDC. 2, 11. In Qumran geht es darum, daß der Mensch im Leben sein von Gott geschaffenes Wesen erweist, in der christlichen Gemeinde wird ein Mensch aletmJJ in der Begegnung mit dem Evangelium zum Erwählten.
4. Andere prädestinatianische ARssagen bei PtZIIltis
259
theologie vorgegeben Die komplizierte Frage. ob ••sophia" ehet Heilsplan oder Heilsgut oder gar eine Erlösergestalt ist und in welcher Weise Paulus in seiner Sophiatheologie von den Gedanken der korinthischen Gemeinde beeinflußt ist. kann hier außer Betracht bleibenl l l . Gegenüber dem Normalfall des Revelationsschemas. wie es vermutlich zu rekonstruieren ist. fehlt an unserer Stelle das betonte .. jetzt". das die gegenwärtige Offenbarung des Heils seiner früheren Verborgenheit gegenüberstellt1l8• Das Gewicht liegt also an unserer Stelle nicht auf der Gegenüberstellung zweier Zeiten. Vielmehr bleibt die göttliche Weisheit auch in der Gegenwart verborgen. den Archonten nämlich, die den Weg des Erlösers nicht erkannten. ja. eigentlich auch den Korinthern. zu denen Paulus noch nicht als Pneumatikern reden kann, denn auch sie sind noch fleischlich (1. K. 3, 1ff.). Die Aussage über die Verborgenheit der von Gott bereiteten Weisheit ist also nicht nur eine temporal-begrenzte. sondern zugleich eine prinzipielle: Was in der Apokalyptik als zeitlich befristete Aussage über den gegenwärtigen Äon erschien. bleibt für Paulus nach der Offenbarung der Weisheit Gottes deren dauernde Wirkungsweise gegenüber den Unverständigen. So muß auch das von Paulus aufgenommene apokryphe ZitatlU nicht vom damals verborgenen. jetzt offenbarten Geheimnis Gottes verstanden werden, sondern auch vom prinzipiell unzugänglichen. aber von Gott seinen Erwählten geoffenbarten Geheimnis; Ebenso lenkt es den Blick weg von dem. was in der Vorzeit. oder dem, was zwischen Christus und den kosmischen Mächten geschah. hin auf das. was sich bei der Begegnung zwischen der Offenbarung l l l•
Zum Revelationsschema vgl. o. A. 11 249. Mit dem Revelationsschema scheint der Pridestinationsgedanke schon früh verbunden; eine Ausnahme macht nur R. 16, 25ff. Kol. I, 27 ist er durch i)~AlJcmI wenigstens angedeutet, Eph. 3, 11; 2. Tm. 1,9; 1. Pt. 1,20 explizit ausgesprochen, vgl. auch Tt. 1,2; 2. K. 4, 3f. Daß Kol. I, 28 und Eph. 3, 10 damit der Gedanke der "sophia" verbunden ist, ist immerhin auffällig und legt den Schluß nahe, daß die Theologie jener Briefe mit der korinthischen gewisse Beziehungen aufweist, vgl. o. A. III 4 und Lühnnann, Offenbarungsverständnis 133f.; Conzelmann, NTS 12 (1965/66) 237, ferner u. S.350. Vermutlich ist das Revelationsschema (schon in Verbindung mit der Sophia-Lehre?) bereits in der korinthischen Gemeinde bekannt gewesen, vielleicht etwa ähnlich wie Kol. I, 2M. 111 Vgl. dazu Wilckens, Weisheit, bes. 68ff. und ders., ThW VII, bes. 519,2Off., dagegen Schmithals, Gnosis 131f. Eine rein hypostatische Deutung von "sophia" ist wegen 1. K. 1, 30 unmöglich. Vgl. auch o. A. III 343 und u. A. V 94. 118 Nach dem Schema müßte "nyn" in 2, 10 stehen, vgl. Lührmann, Offenbaruogsverständnis 135f. U& Die Literatur zu 1. K. 2, 9 gibt Feuillet, Sagesse 37ff. Mir scheint das Vorliegen eines Agraphons immer noch wahrscheinlich, was die von Feulllet erarbeiteten Einflüsse der Weisheitsliteratur nicht ausschließt, vgl. Feuillet uO 47ff. Die unklare Satzkonstruktion und die zahlreichen Parallelen sprechen dafür. daß Pis. wörtlich zitiert. 111
260
IV. Gesamtschatl d. Geschichte? Gottes Plan u. Prädestination
und dem Menschen zuttägt1l&. Es ist auch kein Hinweis auf eine Zeit. in der die Weisheit noch verborgen war. gegeben. Das apokalyptische Geschichtsschema. das dem Gedanken von 1. K. 2. 7 wohl zugrundeliegt. ist also von Motiven überlagert. die man vielleicht als frühgnostisch bezeichnen könnte118• und dient so dem Hinweis. daß die von Gott bereitete verborgene Offenbarung offenbar wird. aber nur als Gottes Offenbarungsgeschenk in Gestalt des Logos tou staurou. Die Prädestinationsaussage wird von Paulus zusammen mit dem damit verbundenen Offenbarungsschema aus der Gemeindetradition übernommen. Wiederum betonen die prädestinatianischen Ziige den eschatologischen Charakter von Gottes Weisheit. die er vor al/er Zeit bestimmt hat. Das damit verbundene Geschichtsbild wird aber nicht weiter ausgebaut. Exkurs: Die Herkunft der paulinischen Prädestinationsvorstellung Bisher wurde die Frage nach der Herkunft der paulinischen Prädestinationsvorstellung fast einhellig mit dem Hinweis auf die jüdische Apokalyptik beantwortet. Diese These erhielt durch die Funde von Qumran ihre stärkste Stütze. In der Tat sind in Qumran fast alle Elemente der paulinischen Prädestinationsaussagen als Teile eines festen theologischen Systems nachzuweisen. Unsere Untersuchungen haben nun allerdings noch einen zusätzlichen Hinweis gegeben: Die von Paulus vermutlich aus der Gemeindetradition übernommene Catena R. 8.28-30 wies uns in eine hellenistisch-jüdische Gemeinde enthusiastischen Gepräges. Die Gegenüberstellung von Verlorenen und Geretteten wird von Paulus wohl aus der ebenfalls enthusiastisch geprägten Gemeinde von Korinth übernommen. Schon vor Paulus kommen Prädestinationsaussagen in Verbindung mit dem sog. Reve1ationsschema vor. Diese Formel verbindet apokalyptische Denkschemata mit einer starken Betonung des durch die eschatologische Offenbarung qualifizierten gegenwärtigen Jetzt. Sie enthält also implizit eine .. realisierte Eschatologie" auf apokalyptischem Hintergrund l17 • Möglicherweise hat sich das •• mysterion" des Reve1ationsschemas auch schon vor Paulus mit der hellenistisch-jüdischen Sophia-Christo-
Vgl. Lührmann, Offenbarungsverständnis 138f. Vgl. auch die zahlreichen gnostischen Parallelen zu 1. K. 2, 9, z. B. bei Wilckens, Weisheit 76ff. Wilckens aaO 67 betont, daß apokalyptische und frühgnostische Traditionen "in keiner Weise zwei gesonderte Bereiche" sind. Vgl. auch die Verweise u. A. 119. m Daß das Revelationsschema faktisch die Gegenwart heraushebt, heißt natürlich nicht, daß in den Gemeinden, die hinter ihm stehen, die Dimension der Zukunft grundsätzlich preisgegeben worden wäre. Vgl. dazu u. S. 350. 111 111
4. Andere prädestinatianiuhe AMssagen bei Pallitts
261
logie verbunden. Aus diesem Milieu stammen. zahlreiche Prädestinationsaussagen des Neuen Testaments118• Dem Gesagten läßt sich Verschiedenes entnehmen: Zunächst einmal mehr die Beobachtung, wie sehr die Theologie der christlichen Gemeinden vor und neben Paulus für das Verständnis des Apostels wichtig ist. Natürlich ist es nicht falsch, zur Interpretation der paulinischen Prädestinationsaussagen auf das Judentum, vor allem auf Qumran, hinzuweisen. Doch wird man hier differenzieren müssen. Vor allem bei dem sehr eigenständigen Versuch des Theologen Paulus in R. 9, 14-24 erwies sich ein Rückgriff auf jüdische Parallelen immer wieder als fruchtbar. Doch an zahlreichen anclem Stellen dürften Prädestinationsvorstellungen, die in der christlichen Gemeinde verbreitet waren, für Paulus bestimmend gewesen sein. Eine zweite Beobachtung: Die Gemeinden, in denen Paulus hier fußt, lassen eine stark präsentisch orientierte Eschatologie erkennen. Auch die zahlreichen Beziehungen zur Weisheitschristologie machen wahrscheinlich, .daß wir hier auf hellenistisch-judenchristlich-enthusiastische Gemeindeterminologie stoßen. Diese Gemeinden bedienen sich apokalyptischer Kategorien, gerade um ihre realisierte Eschatologie auszudrücken. Diese Terminologie nimmt Paulus hier positiv auf. Das heißt: Die heute oft anzutreffende Paulusschau, wonach Paulus als apokalyptischer Theologe den Enthusiasmus der hellenistischen Gemeinden von der Apokalyptik her korrigiert, erweist sich als Vereinfachung. Und zwar in zweierlei Hinsicht: Einmal sind gerade tnlch die enthusiastischen Gemeinden vor tmd neben Paulus bereits auf ihre Weise von der ApokalYptik geprägt11'l. Diese ApokalYptik schließt ehPa eine SophiaChristologie durchaus nicht aus, sondern ein. Beim Gesetzesverstäodnis des Apostels haben wir gesehen, daß Paulus die Gemeindetheologie positiv aufgenommen und in einer bestimmten Richtung weiter entwickelt hat1BO• Auch bei den prädestinatianischen Aussagen - und das wäre das zweite Moment, das zu bedenken wäre - kniipft Pau/fIS drlrrham Dies gilt abgesehen von Pis. wohl Air Eph. 1, 4/f.; 3, 9/f.; 2. Tm. I, 7; Tl. 1,2; 1. Pt. I, 2. 20, vielleicht auch die johanneischen Prädestinationsaussagen. 111 Vgl. Käsemann, Apokalyptik, Aufs. 1I, 119/f., bes. 126. Zur Theologie der vorpln. Gemeinden, die zugleich apokalyptisch und weisheitlich geprägt sind, vgl. die Verweise o. A. 37, ferner o. S. 102. 195f. 255f.; A. II 213~ 11284; u. A. 120; A. IX 31. 110 V g1. o. S. 221f. Ein weiteres Beispiel für positive Aufnahme von enthusiastisch geprägter Gemeindetradition, die ihr Sprach- und Bildmaterial aus der Apokalyptik bezieht, gibt Stuhlmacher, EvTh 27 (1967) 3f. (GL 3, 281). überdies haben wir damit zu rechnen, daß bereits vor Pis. eine intensive DurchdringwJg hellenistischer und apokalyptischer Elemente im hellenistischen Judentum statt8efundeo hat. Damit scheint sich neuerdings die mir nicht zugängliche Habilitationsschrift von M. H,ng,' (vgl. das bei Stuhlmacher. ZThK 64 (1967) 428f. A. 10.Aogedeutete) zu befassen. 118
262
IV. Gesa1lltschatl d. Geschichte? Gottes Plan N. Prädestination
positiv an die ANssagen der enthusiastischen Gemeinde an, ohne sie Zu korrigieren. Bei den Prädestinationsaussagen wurde eine theologische Korrektur des Paulus an den Aussagen der Gemeinde noch weit weniger sichtbar als bei den Aussagen über das Gesetz, weil Prädestination für Paulus kein eigens zu behandelndes theologisches Thema war. Jedenfalls erhalten wir hier einige Hinweise, daß das Verhältnis des Paulus zur enthusiastischen Gemeindetheologie keine17llegs einlinig polemisch, sondern auch das einer positiven Aufnahme, mithin verfllutlich recht differenziert war. Und auch der sogenannte "Enthusiasmus" war ja eine recht vielschichtige und durchaus noch nicht hinreichend bekannte Bewegung. Wir werden diese vorläufigen Hinweise bei der Behandlung der paulinischen Eschatologie weiter zu verwerten haben. 5. Zusammenfassung
1. Vergleichen wir die Prädestinationsvorstellungen in Qumran und bei Paulus, so stellen wir ein starkes Maß an Übereinstimmung besonders zwischen Qumran und R. 9, 19ff. fest. Gemeinsam sind Paulus und der Sekte die Vorstellung von der doppelten Prädestination, die bei beiden anklingtl'l, die Bedeutung des Schöpfungsgedankens als Hintergrund des theozentrisch verstandenen Prädestinationsgedankens, die Vermeidung einer deterministischen Objektivierung des Prädestinationsdenkenslil. Daneben finden wir Unterschiede: Gegenüber Qumran zeigt Paulus eine große Zurückhaltung im Gebrauch der Vorstellungen; in der Sekte dagegen kann die Prädestinationsaussage zu einer systematischen Kosmologie ausgebaut werden, die auch eine Konzeption der Universalgeschichte in sich enthält. Dagegen sind bei Paulus prädestinatianische Aussagen nicht eigenes theologisches Thema, sondern eher gelegentliches Aussagemittel. Vielleicht der bedeutsamste Unterschied liegt dort, daß in der Sekte der Prädestinationsgedanke dazu dient, den Ort der Gemeinde - nicht unbedingt auch des Einzelnen - in der Gottesgeschichte zu fixieren, während bei Paulus in änlicher Weise höchstens der Ort der Weisheit, Christus, fixiert wird, während im übrigen der Prädestinationsge111 Spicq, Vorherbestimmung 1184f., will allerdings die gemina praedestinatio für Pis. im Unterschied zu Qumran so bestreiten, daß nach ihm bei Pis. die Verworfenen nicht von Gott zum Verderben bereitet, sondern nur ihrer Verderbnis überlassen seien; Verderben sei also ..Resultat und nicht Ursache". Wir konnten keinerlei Anzeichen für eine solche Differenzierung entdecken. 111 Qumran braucht Prädestinationsaussagen vor allem in Hymnen. Dem ent8pricht die pln. Tendenz, beim Sprechen vom prädestinierenden Gnadenhandeln Gottes 8o~leich in die 1. Person Pluralis überzugehen, vgl. R. 9, 24; 8, 26f. 31, was ihn von emer konstatierenden in die dankende Haltung des von der Gnade selbst Betroffenen führt.
5. ZRlafllfllenjawlIIg
263
danke entweder dazu dient, falsche Heilsgewißheit zu zerstören (R. 9, 19ft".), oder dann, echte Heilsgewißheit gerade in Bindung an das Christusgeschehen zu verkünden.
2. ARffällig 'IIIar, daß die prädestina!ianischen Motive bei PaRl1I! nch sO'lllohl nach Herlettnft als aRch nach GebraRch als nicht einheitlich er'/IIiesen: Während wir R. 8,28-30; 1. K. 1, 18; 2, 7 und 2. K. 4, 3f. auf die vorpauIinische hellenistisch-jüdische enthusiastische Gemeinde stießen und nur indirekt auf die auch hinter diesen Gemeinden stehende Apokalyptik, schien Paulus R. 9, 22ft". einen neuen Gedanken selbständig zu formulieren, der inhaltlich in weit direkterem Zusammenhang mit jüdischen Analogien stand als die vorher genannten Stellen. Entsprechend ist auch der Gebrauch des Prädestinationsgedankens je verschieden: Während es R. 8, 28ft". um die Gewißheit der Gnade in Christus, 1. K. 1,18; 2,7 und 2. K. 4, 3f. um die eschatologische Dimension des Christusgeschehens geht, geht es R. 9, 19ft". gerade um die letzte Souveränität des sich in der Geschichte offenbarenden Gottes, die durchgehalten werden muß, damit die Gemeinde die ihr widerfahrene Gnade verstehen kann1l3• Allemal nnd also die Prädestinationsau.rsagm bei PaRlus nRr Horizont seines Denkens, nicht Thema .. in irgend einer Weise dienen sie immer daZR, Aspekte der eschatologischen Gnadentat Goffes Zu beleuchten, aber ihre Ver'lllendllllg im einzelnen ist entsprechend ihrer verschieJenen Herkllllft verschieden. 3. Entsprechend läßt sich auch das Verhältnis von Prädestination und Geschichtsdenken bei Paulus nicht auf eine einfache Formel bringen. Verhältnismäßig leicht ist das für Qumran: Hier ist Gottes prädestinierendes Handeln die Weise der Durchsetzung seines Geschichtsplans. Damit ist in gewissem Sinn die Prädestination weltanschaulicher Rahmen des Geschichtsdenkens der Sekte, auch wenn zu sagen ist, daß die Gemeinde von Qumran in diesem Rahmen zwar betet, dankt, kämpft, sich tröstet und gehorsam ist, aber kaum spekuliert. Bei Paulus läßt sich aber nicht einmal soviel sagen: Der Prädestinationsgedanke kann hier sowohl dazu benützt werden, Gottes gewisse Zeit menschlicher ungewisser Zeit entgegenzustellen; er kann den eschatologischen Charakter gerade des Wortes, das in der Gegenwart geschieht, akzentuieren (1. K. 1, 18; 2, 7ft".; 2. K. 4, 3f.); er kann aber auch Hilfe zum rechten Umgang mit Gottes Geschichte in der Vergangenheit sein, die, obwohl Gottes Handeln offenbarend, vom Menschen doch niemals verfügbar gemacht werden darf (R. 9, 1+-23). Jedenfalls ist der Prädestinationsgedanke für Paulus nicht der heimliche Rahmen seiner vielfältigen Bezüge aRf vergangene Geschichte. Insofern lautet das Resultat 1•• Zum Verhältnis von Pridestination und Rechtfertigung vgl. auch o. S.72. 82; IV 4A.undA.34.
264
IV. Gesamts{hau d. Ges{m{hte? Gottes Plan 11. Prädestination
unserer Untersuchungen in diesem Kapitel, die ein alle bisher bei Paulus festgestellten Bezüge auf die Vergangenheit umgreifendes Zentrum, wie es etwa für die Apokalyptik der Gedanke des Planes Gottes ist, suchten, negativ. So oder so - und das verbindet Pallllll wiederum im ganten mit der Apok4!Jptik - ist der Prädestinationsgedanke ein absolut theotentris{her Gedanke und weist darauf hin, daß es bei Gottes Handeln in Vergangenheit und Gegenwart 11m ihn selbst gehtla'.
11' Vgl. o. S. 236. 237ff. 250; zu Qumtan o. S. 232f. und A. 23, ferner die Verweise o. A.1l461 und u. A. IX 37.
ZWEITER TEIL
Zukunft und Gegenwart
In unserem ersten Hauptteil waren wir der Schau der Vergangenheit bei Paulus nachgegangen. Es erwies sich, daß der Apostel um der Gerechtigkeit Gottes willen dialektisch von der Vergangenheit sprechen mußte, und zwar von der Geschichte Gottes mit seinem Volk um Gottes willen (Kap. 11) und von der abgetanenen Geschichte des Menschen um des eschatologischen Charakters des in Christus geschenkten neuen Heils willen (Kap. III). Einen diesen beiden Linien systematisch übergeordneten Gesichtspunkt, etwa den des alle Geschichte umschließenden Plans Gottes, haben wir kaum, d. h. nur in fragmentarischen Bruchstücken gefunden (Kap. IV). Wir wenden uns jetzt der Betrachtung der Zukunftsaussagen bei Paulus zu. Wiederum - wie bei der Vergangenheit - fragen wir nicht nur nach den Zukunftsvorsfe/lungen, die Paulus hat, sondem auch danach, wie und wozu er sie braucht und was er mit ihnen bewirken und sagen will, d. h. wir fragen auch nach der Zukunftsansage und ihrer Funktion in der paulinischen Theologie. Eine Aufteilung auf zwei hauptsächliche Linien wie bei der Vergangenheit scheint sich hier nicht zu ergeben. Wir gehen, wie in den vorangehenden drei Kapiteln, auch in diesem zweiten Teil so vor, daß wir zunächst von den in R.9-11 vorliegenden Zukunftsaussagen ausgehen (Kap. V), um dann nach dem Versuch eines Überblicks (Kap. VI) die wichtigsten paulinischen Texte, die sich mit Zukunftserwartungen ausführlich beschäftigen!, als sachlichen Kontext zu R. 11 mit in die Betrachtung einzubeziehen (Kap. VII-IX).
Die vorstehende Arbeit beschrinkt sich, abgesehen von Kap. VI, auf diejenigen Texte. die Zukunftsvorstellungen ausführlich behandeln. Es werden hier die Kurzaussagen über Jesu Auferstehung und das künftige Leben mit ihm vcnw:hlässigt; damit, vor allem mit den CNv-Aussagen, wird sich die Zürcher Dissertation von P. Si"'" beschäftigen. Vemachlilssigt werden hier ebenso die Kurzauaagen des Pis. über das künftige Gericht; hierzu ist die Arbeit von L. Mal*"' (vgl. 0. A. II126) zu vergleichen. 1
V. DIE ZUKUNFT ISRAELS (R. 11, 25ff.) 1. Vorbemerkungen
Schon immer hat der Abschnitt R. 11, 25ff. die Aufmerksamkeit der Exegeten erregt. "Auf diese Mitteilung, auf dieses Mysterium, war schon der ganze Abschnitt über Israel ausgerichtet", schreibt ein Ausleger' , und in der Tat scheint Paulus durch seinen feierlichen Neueinsatz in V. 25 diese Feststellung zu bestätigen. Eine Auslegung von R. 11, 25ff. wird also das Zentrum des ganzen Abschnittes R. 9-11 frei legen. In welcher Weise ist hier von der Zukunft Israels die Rede? R. 11, 25ff. wird in der heutigen Forschung höchst kontrovers beurteilt und ist je nachdem Gegenstand andächtiger Bewunderung oder energischer Sachkritik. Während z. B. Gaugier schreibt: "Wir treten ... jetzt ins eigentliche Heiligtum seiner (sc. des Paulus) Botschaft ein"', bemerkt Bultmann lakonisch in einem Nebensatz, daß "das heiIsgeschichtliche (J.U~PLOV Rm. 11, 25ff. der spekulierenden Phantasie entspringt"4. Schon die Forschungslage nötigt uns also, hier behutsam und diffel'enziert die Frage nach Sinn und Legitimität der paulinischen Aussagc..'O aufzuwerfen. Wir lassen uns zur Präzisierung unserer Fragestellungen durch eine Schau des Problems leiten, die durch ihre Prägnanz die Forschung stark beeinflußt hat. Wir meinen die Interpretation von R.9-11 durch R. Bu/lmann. Denn obwohl Bultmanns Beitrag zur Exegese unserer drei Kapitel für einen oberflächlichen Betrachter vor allem in seinem Schweigen zu ihnen zu bestehen scheint", hat er doch durch seine Position in besonderem Maße zur Beschäftigung mit R. 9-11 angeregt. Nach Bultmann hat Paulus das Geschichtsbild der Apokalyptik von seiner Anthropologie her interpretiert. Das gilt sowohl für seine Schau der Vergangenheit, die nun "eigentlich die Geschichte des Menschen ist" und die Paulus "in der Form des ,Ich' beschreiben kann", als auch für seine Schau der Zukunft, die nicht mehr an der Volksgeschichte orientiert ist, sondern am Individuum. Denn der neue Äon ist in Christus schon Wirklichkeit geworden; weil er das Ende des Gesetzes ist,
I GaugIer, Röm.1I 198, vg\. H. Hug, Das Volk Gottes. Der Kirche Bekenntnis zur Judenfrage. Zollikon: EVZ 1942,43. • Gaugier, Röm.lI, 198. • Theol. 484. • Eine vollstindige Zusammenstellung der Äußerungen Bultmanns über R. 9-11 vermittelte mir eine Seminararbeit von P. RUlilhaus,,., Frauenfeld: Kritische Darstellung von Bultmanns Aussagen zu R. 9-11, 1958, die ich hier dankbar erwähnen möchte. 1m übrigen vgL zu Bultmanns Stellung zu R. 9-11 auch o. S. 18.
2. Israel als GotteSIJolk
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hat in ihm die Geschichte des Gesetzes ihr Ende erreicht. Die Frage nach der Erfüllung der Verheißungen, die dem Volk Israel gegeben sind, wird von da aus für Paulus zur ..Schwierigkeit", mit der er ..RÖm. 9-11 ringt"'. Wem gelten sie? Die Antworr des Paulus ist ..widerspruchsvoll": Zunächst gelten sie keineswegs dem historisch-empirischen Volk, sondern dem Gottesvolk aus Juden und Heiden (R. 9, 6. 24ff.), dann aber - in der Zukunft - doch wieder dem empirischen, historischen Israel, das als ganzes das Heil erlangen wird (R. 11, 25ff.)'. Es ist deutlich, daß für Bultmann nur die Aussagen über das eschatologische Israel von R. 9 legitim sein können, während diejenigen über das historische Israel in Kap. 11 der spekulierenden Phantasie entspringen.
2. Israel als Gottesvolk A. Die Privilegien Israels (R. 9,4)
Schon früher fiel uns auf, daß Paulus in R.1-8 konsequent von 'Iou&oci:ot;, von R. 9 an ebenso konsequent von 'IapocijA spricht. Es geht also in R. 9-11 nicht um die Judenfrage, sondern um die Israelfrages. Worin aber liegt für Paulus die besondere Bedeutung von "Israel" im Unterschied zu den "Juden"'? Fragen wir zunächst: Wer ist Israel? Die Antwort des Paulus ist uneinheitlich. Drei verschiedene soziologische Größen lassen sich unter den Begriff subsumieren: 1. Unter "Israel" kann Paulus das historische Volk Israel der V~gangenheit verstehen (R. 11, 2; 2. K. 3, 7. 13). 2. Paulus kann unter "Israel" auch das jüdische Volk in seiner Gegenwart verstehen (R. 9, 27. 31; 10,19.21; 11,7; 1. K. 10,18; Phil. 3, 5, vgl. auch R. 9, 4; 11, 1; 2. K. 11,22). Dabei ist jeweils an das ganze Volk, oft an seinen Ungehorsam gedacht. Daß das Volk der Gegenwart in anderer Weise Israel ist als das Volk der Vergangenheit, deutet Paulus nirgends an; er spricht jedenfalls vom gegenwärtigen Volk ohne Zusatz als von Israel; an der einzigen Stelle, wo sich ein Zusatz findet (1. K. 10, 18: ..katasarka"), ist die Deutung auf das gegenwärtige Israel nicht ganz sicher'·. "
, Geschichte und Eschatologie 48f., Zitate 48. , Geschichte und Eschatologie im N. T., GI. u. V. IH, 101. • Vgl. o. S. 22ff. 28. • 'Iou3~to~ meint bei Pis. vor allem den Juden, insofern er das Gesetz befolgt (1. K. 9, 20f., vgl. R. 2, 28f.; GI. 2, 13ff.). Konstitutiv ist für Pis. nicht so sehr die völkische Zugehörigkeit zum Judentum (nur 2. K. 11,24; 1. Th. 2, 14; GI. 2, 15; an letzterer Stelle wird qluaEI ergänzt I), auch nicht die Ablehnung des Evangeliums (in Korrektur an W. GulbroJ, Art. 'Iap~1)A XTA. CD, ThW IH, 370--394, dort 383, H.), sondern die Ausübung der jüdischen Religion, d. h. das Halten des Gesetzes. Gegensatz ist "Ell'llv, das auch religiöser Begriff ist und nur R. 1, 14 als Gegenbegriff zu ..barbaros" erscheint. 10 Vgl. Lietzmann, Kor. 48 und J. Weiss, 1. Kor. 260. Schweizer, ThW VII, 127 A. 232 denkt eher an die Väter von 1. K. 10, 1, doch braucht m. E. die Interpretation auf das gegenwärtige Israel die andere nicht auszuschließen.
270
V. Die Zu/eJmjt Israels (R. ff,25jf.)
3. GI. 6, 16 findet sich die Wendung "Israel" Gottes, die auf die Kirche aus Juden und Heiden zu deuten ist".
Wir entnehmen diesem Befund den Hinweis, daß die Sache "Israel" ihre Einheit offenbar nicht von der darin repräsentierten völkischen Größe her hat. Eben darauf weist auch R. 9, 6b, wo die soziologische Aufweisbarkeit von "Israel" schon im Ansatz durchbrochen wird J2 • Vielmehr ist zu fragen, was eine bestimmte volksmäßige Größe zu Israel macht. Wir stellen diese Frage anband der Beschreibung Israels durch Paulus in R. 9, 4. Während das, was den Juden zum Juden macht, sein faktisches oder nur vorgetäuschtes Halten des Gesetzes ist, während also das Jude-sein den aufweis baren Stand einer Religion meint, der christliche Verkündigung - wie den Griechen - je auf ihre Weise begegnet, meint "Israel" bei Paulus etwas anderes: Gott selbst schenkt Israel seine Israelschaft. Paulus zählt die Vorzüge Israels in sorgfältig aufgebauter Aufreihung auf1 3 • Diese sorgfaltige Gestaltung weist darauf hin, wie genauer hier denkt und wie wenig er sich einfach vom Affekt hinreißen läßt14• Schon darin liegt wohl bewußte Absicht des Paulus, daß er seine" Verwandten nach dem Fleisch" als Brüder bezeichnet. "Adelphos" ist ein Die Argumente hierfür hat N. A. Dahl, Zur Auslegung von Gal. 6, 16, Judaica 6 (1950) 161-170 gegen G. Sehrenk, Was bedeutet ,Israel Gottes', Judaica 5 (1949) 81-94, vgl. ders., De~ Segenswunsch nach der Kampfepistel, Judaica 6 (1950) 170--190 m. E. überzeugend zusammengestellt. Schrenk möchte "Israel Gottes" auf die Judenchristen allein deuten. 11 Die Spannung der pln. Aussage wird verkürzt, wenn hier einfach festgestellt wird, PIs. löse einen Israelbegriff durch einen andern ab, also z. B. das fleischliche Israel durch das "Israel Gottes", vgl. Schrenk, Judaica 6 (1950) 174. Wie Dinkler, Prädestination, Festschr. G. Dehn 88 A. 19 zu Recht ausführt, geht es bei PIs. nicht darum, in R. 9, 6b die Juden gegen die Judenchristen auszuspielen, aber auch nicht darum geht es (vermutlich auch gegen Dinkler aaO), das sarkische Israel durch die Kirche als Israel Gottes abzulösen. Gerade nicht um eine soziologische Neufestlegung von Israel geht es PIs. in R. 9, 6b., sondern darum, Israel an Gottes Wort zurückzubinden, vgl. auch C. Müller, Gottes Gerechtigkeit 90ff. 11 Michel, Röm. 22B vermutet, daß PIs. hier "älteres hellenistisch-jüdisches Bekenntnisgut verarbeitet hat, zumal das sprachliche Material nicht typisch paulinisch ist, bzw. sonst bei Paulus anders verwandt wird". Dies gilt nicht so sehr für "hyiothesia" (s. u. A. 16) und "epaggeliai" (vgl. V. 9; hier allerdin&s Plural), eher für das Hapaxlegomenon "nomothesia" und den Plural "diathekal" (vgl. u. A. 24). Doch läßt sich beides von der pln. Intention her gut verstehen, vgl. unten. Vor allem aber fehlen enlsprechCllde Außerungm im Jüdischen Raum fast völlig. Die nächsten mir bekannten Parallelen linden sich 4. Esr. 3, 32f.; 5, 23ff., vgl. auch 10, 21f. (aber in ganz anderem Sinn), sowie - sprachlich schon sehr verschieden - 2. Makk. 1,25 und die Münzinschrift der Bar-Kochba-Zeit bei Gutbrod, ThW In, 362, 29ff. DaI zeilgenö.rsische Judenlflm hai m. W. nie in derart indikativiIch-präIenliIcher Weise von seinen Pr':iro?,aliven gesprochen wie PlI. von den Privilegien IsraelI. So wird man V.4 doch eher als pln. Bildung verstehen, deren rhetorische Kunst auffällt: Es liegen zwei Dreierreihen vor, deren erstes Wort auf - -O-ea!<x endigt und deren letztes mit einer Pluralendung schließt. Vgl. zu "Israel" im Judentum noch Dahl, Volk Gottes Blff. 1& V gl. o. S. 26f. 11
2. Israel als Gottesvolle
271
sonst den christlichen "Brüdern" vorbehaltener Begriff, denn ein "adelphos" ist einer, für den Christus gestorben ist, vgl. 1. K. 8, t 1. Daß das Volk Israel als Sohn Gottes bezeichnet wird, ist eine dem Alten Testament geläufige Aussage und auch dem Spätjudenturn nicht fremd 15• Die christliche Gemeinde hat dieses Privileg Israels übernommenl '. Umso auffälliger ist, daß Paulus es nun Israel beläßt und ohne jeden Vorbehalt dem ungläubigen Israel der Gegenwart die Gottessohnschaft zuspricht. Er bezeugt dadurch zunächst, wie eng Israel und die Kirche theologisch zusammengesehen werden müssen. Von einer heilsgeschichtlichen Ablösung Israels durch die Kirche kann keine Rede sein. Noch deutlicher läßt sich das am Wort 86;« zeigen. Natürlich denkt Paulus hier an die "doxa" Gottes, die in der Geschichte des alten Bundes immer wieder dem Volke geoffenbart wurde17• Das spätere J udenturn vermag diese Linie des Alten Testaments nicht mehr durchzuhalten: Mehr und mehr wird der "kabod" Jahwes zu einer nur wenigen ausgezeichneten Menschen zuteil gewordenen Offenbarung: Mose, eventuell J osua, Adam im Urstand, dem Messias 18• Dem Volk der Endzeit kann der "kabod" wieder zuteil werdenl ' , doch in der Gegenwart ist Israel durch seine Sünde vom göttlichen GJanze getrennt. Auch für die Gläubigen des neuen Bundes ist "don" grundsätzlich Gottes Herrlichkeit!O; die Gläubigen werden zumeist erst in der Endzeit verherrlichtl l• - Umso auffälliger ist, daß Paulus hier nun 11 VgI. G. Fohm - E. LohI' - E. SdJ1ll,;t,r, Art. ut~ xor>.., ThW VIII,340-395, dort 352, 21ff. (Fohrer, A. T.); 355, 26ff.; 356,36ff. (Schweizer, Judentum); 360, 12ff. (Lohse, Judentum). 11 Während die Bezeichnung der Christen als utot bzw. ortxYII &&oii relativ verbreitet ist (freilich fast nur im abgeleiteten Sinn, vgI. Schweizer, ThW VIII, 392, 15ff.), kommt der Begriff utO&EO(CC nur im pln. Raum vor: R. 8, 15. 23 (an letzterer Stelle futurisch-eschatologisch); GI. 4, 5, vgI. Eph. 1,5; GI. 4, 5 und R. 8, 15 liegt möglicherweise Tradition vor, vgI. u. V 3c; zu Eph. 1, 5 vgl. o. A. IV 88. Zum Begriff vgl. ferner P. Benoit, Nous g~missons attendant la d~livrance de notre corps (Rom. VIII, 23), RechSR 39 (1951/52) = M~1. J. Lebreton, 267-281, dort 270 (aus dem griechischen juristischen Denken abgeleitet); L. C,r/fIIIX, Le privil~ge d'lsrael selon S. Paul, in: Recueil L. Cerfaux II, Gembloux: Duculot 1954,339-364, dort 359; Bultmann, Theol. 279; Schweizer, ThW VIII, 4Otf. (dort weitere Lit.) . .. Lit. bei H. Schlier, Doxa bei Paulus als heilsgeschichtlicher Begriff, in: Studiorum Palliinorom Congressus Internationalis Catholicus, Analecta Biblica 17-18, I, Roma: Inst. Pont. BibI. 1963,45-56, dort 45 A. 1. Zum A. T. vgl. Eichrodt, Theol. 11, 1961, 11ff. 11 Belege bei G. Kitt,I, Art. 30xit4 XTA. DEF, ThW II, 245-258, dort 249, 24ff.; 250,16ff. 11 Vgl. z. B. 4. Esr. 8, 51ff.; Sib. 3, 282f.; 1 QS. 4, 11ff.; ferner Kittel, TbW 11, 250, 26ff. I. Z. B. R.1, 23;3, 7;4,20; 9, 23; 11, 36. Vgl. auch Schlier, Dou,Analecta Biblica 17-18,50ff. 11 R. 5,2; 8,18.21; 15,7; zu R. 8, 29f. vgl. o. IV 4 A.
272
v. Die Zuleunjt Israels (R.
11,25jJ.)
dem Volk Israd in der Gegenwart "konkret, unwiderruflich"·· die Herrlichkeit Gottes zuspricht. Damit wird die von der Apokalyptik her angdegte Denkweise in gewissem Sinn übersprungen, und es erfolgt eine Rückkehr zu alttestamentlicher Denkweise und ihren Intentionen·'. dt0t3'iptTj ist in der LXX souveräner Akt Gottes, der das Volk verpflichtet, nicht zweiseitiger Vertragsschluß. Sollte der Plural an unserer Stdle, wie doch wohl anzunehmen ist, textkritisch ursprünglich sein", so wären wohl die einzelnen Bundesschlüsse Gottes mit den Vätern als kontingente Akte betont. Daß auch die Gemeinde sich in einem Bund Gottes weiß, braucht hier nicht besonders betont zu werden, eher dies, daß Paulus hier auf jede Abwertung des früher mit dem l [olk Israel geschehenen Bundes, etwa durch die Bestimmung "alter Bund", verzichtet. NOlJ.o&e:O'lot ist ein Privileg, das nicht in der sdben Weise auf die christliche Gemeinde übergegangen ist. Obwohl ja Paulus auch von einem Gesetz Christi sprechen kann (GI. 6, 2), bleibt das Gesetz das, was die spezifische religiöse Existenz des jüdischen Volkes kennzeichnet. Auffällig aber ist die Wahl des Ausdrucks. Was Paulus hier wichtig ist, ist gerade nicht der Besitz des Gesetzes durch die Juden, sondern das Geschehen der Gesetzgebung, also das Handeln Gottes, das Israel zuteil geworden ist l5• AotTpe:(ot bezieht sich in der LXX zunächst auf den Kultus im Tempel von Jerusaleml6, kann aber schon vor der Zerstörung des Tempels zur Bezeichnung der Religion überhaupt werden (1. Makk. 2, 19.22). Paulus versteht die Christen als Tempel Gottes und ihre leiblich-weltliche Existenz als Gottesdienst (1. K. 3, 16; 6,19; 2. K. 6, 16f.; R. 12, 1). Damit ist für ihn zugleich mit der Aufnahme des Begriffs eine deutliche Antithese zu den alttestamentlichen Gedanken gegeben·7 • Doch wird diese hier gerade nicht ausgesprochen und der alt•• Schlier, Doxa, Analecta Biblica 17-18, 49 • V gl. auch u. A. 75. Eine Abschwächung der "doxa" Israels wie 2. K. 3,4ff. liegt hier gerade nicht vor, gegen Cerfaux, Privil/:ge, RecueillI, 358. Die beiden Stellen stehen nicht in direktem Widerspruch zueinander, da die Herrlichkeit des Mose ja auch 2. K. 3 nicht bestritten wird, sondern stehen beziehungslos nebeneinander. •• Obwohl die wichtigsten Textzeugen Singular lesen, dürfte der Plural die schwierigere Lesart und damit ursprünglich sein, gerade, weil er sich bei Pis. sonst nicht findet, gegen Cerfaux, Privil/:ge, Recueil II, 348f. Oder hat der Plural "epaggeliai" eingewirkt? Jüdisch ist die Vorstellung mehrerer Bundesschlüsse durchaus denkbar, vgl. Str.-B. Ill, 262. 15 Zum Begriff vgl. noch 2. Makk. 6, 23; 4. Makk. 5,35; zur Sache Ps. 147, 19f.; 4. Esr. 9, 30ff. •• Belege bei H. Slralblllann, Art. Aa.Tpe:U(o) ltTÄ., ThW IV, 58-66, dort 61, 26ff.; eine Klage über das Ende des Gottesdienstes 4. Esr. 10,21f. .. Zu Unrecht bestimmt H. Seblier, Das Mysterium Israels, in: Die Zeit der Kirche, Freiburg: Herder 1955,232-244, dort 236, den Kultus Israels als "voraus•1
2. Israel als Gottesvolk
273
testamentliche Gottesdienst wird hier nicht abgewertet. Mit der Identität des Wortes bleibt auch die Identität der Sache. Wohl am deutlichsten zeigen die Verheißungen die anband der übrigen Begriffe beschriebenen Strukturen: Gerade am folgenden Abschnitt R. 9, 9-13 wird klar, daß die Verheißung niemals mit Beschlag belegt werden kann, sondern Gott selbst die Weise ihres Geschehens bestimmt. In der Verheißung steht der freie Gott dem Volke gegenüber-. Was heißt das also, daß hier in V. 4 dem ungläubigen Israel die Verheißungen als Privileg zugesprochen werden, während sie ihm mit dem Isaak-Beispiel in V. 6ff. scheinbar doch gerade wieder abgesprochen werden? Jedenfalls dies: Werden die Verheißungen dem ungläubigen Israel hier vorbehaltlos zugesprochen, so ist gemeint, daß der Vorzug Israels Gottes Handeln selbst ist, ein Vorzug, über den es allerdings niemals verfügt, der aber gerade deshalb auch niemals hinfällig werden kann. über das Verhältnis von R. 9,4 zu GI. 3 reflektiert Paulus nicht; Gesetz und Verheißung, die dort als sich ausschließende Heilsprinzipien betont gegeneinander stehen, sind hier beide unter dem Gesichtspunkt einer Gnadentat Gottes an seinem Volk gesehen. Fassen wir zusammen, so ergibt sich ein Dreifaches: Zunächst: Der Vorzug Israels besteht in der ZlI1IIenJung Goltes Zu ihm. Fast alle Begriffe, die wir jetzt untersuchten, zeigen uns dies. Israels Vorzüge sind also niemals habituell und können dies auch gar nie werden, sondern bleiben immer Schenkungen. Oder anders gesagt: Der Vorzug Israels besteht gerade darin, daß es "Israel Gottes" ist. "La formule ,Israel de Dieu' (GaI. VI, 16) explique exactement la valeur du nom simple ,Israel' "29. Sodann: Die Privilegien Israels sind zugleich auch die Privilegien der christlichen Gemeinde, derer sich Golt erbarmt hat. Diese Übertragung wird aber nicht deshalb möglich, weil die christliche Gemeinde nun sicht- und aufweisbar die Rolle Israels, die dieses damit ausgespielt hätte, übernommen hat, sondern darum, weil die Privilegien Israels Gottes Privilegien sind und er sie gemäß seinem Willen .verleihen kann. Es liegt in der Art des Privilegs Israels, daß es nicht in Kontinuität kata sarka tradiert werden kann, sondern an Gott gebunden bleibt. Drittens: Aber gerade darin liegt die Möglichkeit beschlossen, daß die Privilegien Israels auch dem ungläubigen Israel voll zugesprochen werden können. Gerade das Wissen darum, daß Israels Vorzüge jederzeit Gottes Geschenk sind, verhindert, daß Paulus wie der geworfenen Schatten des Kultus der Kirche". Vielmehr stehen der Gottesdienst Israels und der Gottesdienst der Christen hier wie die übrigen Privilegien Israel8, die zugleich Privilegien der Kirche sind, unverbunden nebeneinander. Abgesehen davon wird der Stamm ..latreu _co bei PIs. sonst nicht kultisch gebraucht. •• V gl. o. II 3 A. Exkurs . •• Ceri"aux, Privilege, RecueillI, 342.
274
V. Die Zukunft Israels (R. 11,25ff.)
Apokalyptiker die Wirklichkeit der Zusagen Gottes endgültig in die Zukunft verschieben oder dabei stehen bleiben muß, sich dem abwesenden Gott gegenüber klagend auf die Unwirklichkeit seines Wortes zu berufen. Paulus kann dem ungläubigen Israel der Gegenwart voll und ganz sein Israel-Sein zusprechen. Er kann von Israel so positi" reden, "lilie dies im zeitgenössischen Judentum m. W. niemals geschehen ist, denn er "IIIeiß: Golt begibt sich seiner Freiheit gerade gegenüber dem tmgläubigen Israel nicht. Damit ist also letztlich gerade Gottes Freibeit das Pril'ileg Israels. Blicken wir von hier auf den folgenden Abschnitt R. 9, 6-13, so zeigt sich, daß es verfehlt wäre, einen Gegensatz zwischen dem Israelbegriff von V. 1-5 und demjenigen von V.6b zu konstruieren. Vielmehr weiß -Paulus auch V. 1-5, daß Israel, recht verstanden, Gottes Geschenk ist. Israel ist immer schon "eschatologisches Israel", oder anders gesagt: "historisches" Israel war immer schon - GnadeBo• Ebenso haben theologische Konstruktionen wie etwa die des Restgedankens nicht so sehr die Funktion, zwischen zwei Israelbegriffen zu vermitteln, als vielmeht die, in erneuter Umschreibung das Wesen des einen Israel zu zeigen (R. 9, 27ff; 11, 7ff.). Denn dieses eine Israel entsteht je als Israel Gottes nur so, daß Gott es gnädig auswählt, mithin: einen Rest bestimmt.
B. Israel als Gottes Baum (R. 11, 16ff.) Weitere Aufschlüsse ergeben sich uns, wenn wir noch einen andern Abschnitt aus R. 9-11 betrachten, der zwar nicht direkt von Israel spricht, uns aber dennoch wichtige Aufschlüsse über das paulinische Verständnis des Gottesvolkgedankens geben kann, nämlich R. 11, 16-24. Paulus sieht hier das Gottesvolk als Baum mit Wurzel und Zweigen. Damit nimmt er ein Motiv auf, das vor allem den prophetischen Schriften des Alten Testamentes geläufig ist. Mit dem Bild der Pflanze, vorab des Weinstocks oder des Ölbaums, wird im A. T. das von Gott erwählte Volk, oft auch das seiner Erwählung ungehorsame Volk beschriebenl l• Auch im spät jüdischen und im rabbinischen Schrifttum wirkt das BUd weiter". Dennoch muß sorgsam auf seinen I. VgI. E. Sch/lle;~"., Gemeinde und Gemeindeordnung im Neuen Testament, ATbANT 35, Zürich: Zwingli 1959, § 7a. "' Belege bei ,. Behm, Art. &\L1tCAOC;, Tb W I, 345f., dort 346, 9ff.; C. Maurer, Art. ~!t:o:, ThW VI, 985-991, dort 985, 41ff.; J. Maier, Texte 11 89f.; E. Sch/lle;zer, Ego Eimi, FRLANT NF 38,2. Auf!. Göttingen: Vandenhoeck 1965, 39f. Nicht zuginglich war mir M. M. BOllrke, A Study of the l\letaphor of the Olive-Tree in Romans XI, Diss. Washington, Studies in Sacred Theology II/3, 1947. ," Belege bei Behm, ThW I, 346, l1ff.; Maurer, ThW VI, 987, 31ff.; J. Maier, Texte 11, 90f.; Str.-B. I, 720f.; 11, 563f.; 111, 290ff.; vgl. ferner Schweizer, Homologumena, Neotestamentica 272. 283.
2. Israel als Gottesvolk
275
Gebrauch im Judentum geachtet werden. Es wird nämlich nicht einfach das Volk Israel als Gottesbaum bezeichnet, sondern ganz bestimmte - meist einschrinkende - Verwendungsmöglichkeiten liegen vor. 1. Der Beter denkt von der Verworfenheit Israels aus und erinnert Gott an seine Zusage, Israel zu seinem Weinstock, seiner Pflanze zu machen". 2. Nicht ganz Israel, sondern ein Rest von Auserwählten ist Gottes Pflanzung oder ein Sproß für die ewige Pflanzung". 3. Nicht jetzt ist Israel Gottes auserwählte Pflanze, sondern in der Zukunft, am Ende der Zeit wird GOtt es wieder erwählen und es ändern in eine Pflanze der Gerechtigkeit'·. 4. Am menschlichen Handeln in der Gegenwart wird offenbar, wer zu den Auserwählten und damit zu Gottes Baum gehört. Nicht alle sind es, sondern nur, die "in Gerechtigkeit wandeln seinen Geboten gegenüber" (Ps. Sal. 14, 2). Oder in anderer Terminologie: Es sind nur diejenigen, die sich zur EÖXOtp1t!at, d. h. zur Tugend, Weisheitusw. halten··. 5. Das rabbinische Schrifttum, das über den Stand des Volkes nachdenkt, kann wohl vorn Volk als Weinstock etc. sprechen, rut dies charakteristischerweise aber nur noch in der Form des Vergleichs, wobei einzelne Eigenschaften des Weinstockes mit solchen des Volkes verglichen werden". 6. Endlich muß noch ein Tatbestand erwähnt werden, der der offenkundigen Scheu des Judenrums, das gegenwärtige Israel indikativisch und direkt als Gottes Pflanze zu bezeichnen, in gleicher Weise entspricht: Häufig wird nicht Israel, sondern in Anlehnung an Js. 11, Iff. der Messias·' oder auch die Weisheit als Pflanzung GOttes bezeichnet, vgl. Sir. 23, 12-17.
So fällt gegenüber de~ Sprachgebrauch des Judentums bei Paulus zunächst der positive, gewisse Ton seiner Versicherung auf: Ist das Erstlingsbrot heilig, so auch der ganze Teig; ist die Wurzel heilig, dann auch die Zweige 01. 16). Vom Volk Israel ist hier die Rede, soviel ist durch den Zusammenhang klar. Aufgrund der Anrede in V. 17ff. ist auch deutlich, daß mit den Zweigen einzelne Glieder dieses Volkes gemeint sind. So spricht Paulus also hier aufgrund der Heiligkeit der Wurzel den Zweigen, also den Angehörigen des Volkes Israel, uneingeschränkt Heiligkeit zu in einem Ton, der sich wesentlich von dem in •• Z. B. Ps. 80, 9ff.; 2. Makk. I, 29; äth. Hen. 84, 6, vgl. Pseudo Philo, Am. BibI. (vgl. o. A. II 3SO) 12, 8. .. Vor allem in Qumran: 1 QS. 8, 5; 11,8; 1 QH.6, 15f.; 8, 5ff. 9f• •• Hos. 14, 6f.; Js. 27, 2ff.; Jub. 1,16; äth. Hen. 10, 16; 93, 10; Test. S. 6, 2• •• Philo Exsecr. 152, vgl. Sobr. 65. Der erstgenannte Text (von Str.-B. III z. St zitiert) bietet eine äußerst interessante Parallele, ohne daß deswegen literarische Abhängigkeit des Pis. von Philo posruliert werden dürfte, gegen Schoeps, Paulus 256. Im Unterschied zu Pis. bleibt bei Philo da..~ Baurnmotiv rein metaphoriseh, vgl. Maurer, ThW VI, 988, 14ff. Nicht die Zugehörigkeit zu Israel, sondern allein das Tun von Tugend ist bei Philo entscheidend. Die "aretc" tritt bei Philo an die Stelle des Ps. Sal. 14,2 genannten Gesetzes. •• Chull. 92a (Str.-B. 11, 495); Midr. H. L.6, 2 = 122a (Str.-B. I, 21); Lv. r. 36 = 133a (Str.-B. II, 563f.). Letztere Stelle ist besonders aufschlußreich, weil sie die Form des bloßen Vergleichs gerade an einer Auslegung von Ps. SO,9If. dmchführt . •, Z. B. Sir. 47, 22; Test. Jud. 2.t,4ff.; 8. Bar. 36, ur. Rabbinisehes bei ~, ThW VI, 988, 4ff.
276
v. Die ZlIktmjt /sraels (R.
11,25ff.)
entsprechenden jüdischen Aussagen festgestellten Grundton unterscheidetB'. Wie aber will Paulus das Baummotiv verstanden wissen? Da die Zweige kaum anders als allegorisch auf die gegenwärtigen Volksangehärigen gedeutet werden können, legt sich auch für die Wurzel eine allegorische Deutung nahe. "Riza" dürfte vermutlich nicht auf die Judenchristento, sondern auf die Patriarchen zu deuten sein. Dafür sprechen 9, 5; 11, 28 und die jüdischen Parallelenu. Das Bild hieße also, aus der Allegorie umgesetzt: Wenn schon die Patriarchen heilig sind, dann auch ihre Nachkommen, die Israeliten. Paulus formuliert es ganz indikativisch. Nun wird aber dieser Indikativ von Paulus sofort eingeschränkt: Hart und unvermittelt ist im nächsten Vers davon die Rede: daß einige Zweige abgeschnitten worden seien'z. Wird aber dadurch nicht der in V. 16 aufgestellte Gedanke der Kontinuität des Gottesvolkes völlig gesprengt? Die Einheit beider sich scheinbar ausschließenden Aussagen wird im Gottesgedanken Zu suchen sein. Gott ist es eben, der Wurzel und Zweige heilig gemacht hat. Gott ist es auch, der in freier Verfügung Zweige wegnimmt und andere hinzufügt. Allein Gott bestimmt, wer an der Wurzel Anteil hat. Natürlich weiß das der Jude ganz genau, und auch die Aussage, daß Gott souverän abschneidet und einpfropft'3, daß er allein über die Zugehörigkeit zum Gottesvolk entscheidet, ist .. Der Grundsatz, daß die Wunel die Kraft des Baumes ausmacht, ist selbstverständlich, vgl. z. B. Hi. 14,7-9. Die indikativische Sprache des Pis. erinnert im übrigen viel stärker an das A. T. als an das Spät judentum. Im A. T. kann das Baummotiv indikativisch gebraucht sein, wenn auch bezeichnenderweise vor allem im prophetischen Scheltwort (z. B. Js. 5,7; Jer. 2, 21; 11, 16; Hos. 10,1). •• So Barrett, Röm. 216. Andere deuten die ..aparehe" auf die Judenchristen und die .. riza" auf die Patriarchen (Jülicher, Lietzmann, Gaugier II u. a. z. St.). Doch spricht die formale Parallelität von V. 16a und 16b eher dafür, die inhaltliche Zäsur nach V. 15 anzusetzen. Unmöglich scheint mir der Versuch, "aparche" und "riza" auf Christus zu beziehen, wie dies nach Cl. Al., Orig., Cyr. u. a. (bei Schelkle, Paulus Lehrer der Väter 395) Vischer, Judaica 6 (1950) 126, wieder tut. Barth, KD 11/2 314, hat vorgeschlagen, "riza" und "aparchc" auf die Verheißung zu b~ ziehen, doch ist das m. E. zwar sachlich richtig, aber sprachlich unmöglich. U Z. B. Jub. 16,26; äth. Hen. 93, 5. 8; Philo Rer. Div. Her. 279; Lv. r. 36 (vgl. 0.A.37). CI Eine Parallele pChag. 2, 77b, 5 (= Str.-B. I, 721); vgl. auch 4. Esr. 5, 23ft".; Philo Exsecr. 152; Midr. H. L. 6, 2 (vgl. o. A. 37). CI Eine jüdische Parallele (Einsenkung von Proselyten in den Stamm des Volkes) findet sich Jeb. 63a (Str.-B. 111, 292) und Midr. H. L. 6, 2 (vgl. o. A. 37). Das Bild ist bei Pis. von der dargestellten Sache her gestaltet; es ist trotz Columella und St. Schulz (bei Str.-B. IH, 261) gärtnerisch einfach unmöglich. Dies hat schon Ong. gesehen, vgl. Schelkle, Paulus Lehrer der Väter 398. Daß aber Pis. über den Sinn und die Technik des Einpfropfens grundsätzlich nicht Bescheid gewußt hätte, ist kaum anzunehmen, wenn man etwa vergleicht, was Philo, Det. Pot. Ins. 104ft".; Agric. 5, darUber weiß. Auch das - seltene - Einpfropfen von wilden Zweigen in einen Baum, um diesem neue Kraft zu geben, kommt als Analogie nicht in
2. I Irael als GottrJVolk
an sich keineswegs neu". Neu ist höchstens die Härte, mit der beide Aussagen: "Die Zweige sind heilig" und: "sie sind abgeschnitten" nebeneinandergestellt werden. Die Spannung zwischen beiden Aussagen stellt uns vor die Gottesfrage. Denn um sie geht es eigentlich in diesem Abschnitt; um sie geht es, wenn das Gottesvolk verstoßen, und um sie geht es, wenn es erhalten wird. Um sie ging es schon R. 9, 6, als das Wort Gottes gefährdet schien, um sie ging es wiederum R. 9, 14ff. und R. 10, 4ff.". Darum weist Paulus seine Leser nun auf das, worum es eigentlich geht: Sieh nun die Güte und die Strenge Gottes (V. 22a). Unser Abschnitt will also streng theozentrisch verstanden werden··. Mit zur Schärfe des paulinischen Gedankengangs gehört es, daß Gottes Wirken mit einem Doppelbegriff umschrieben wird: Güte IIIId Strenge. Gütig ist Gott den Heiden gegenüber, die dem Ölbaum eingepfropft werden und an der Strenge Gottes gegenüber Israel seine Güte ihnen selbst gegenüber verstehen lernen. Aber die Güte Gottes ist auch gegenüber den Heiden die Güte des Gottes Israels. Und so kann Gott auch sein eigenes Handeln überbieten und die Israeliten gemäß ihrer ihnen von Gott geschenkten "physis" wieder zum Ölbaum bringen". Darum geht es also in der Heilsgeschichte: um Gott, der in der Geschichte beides zeigt, seine Treue und seine Freiheit, seine Offenbarung und seine Unverfügbarkeir, seine Güte und seine Strenge. Und so ;st .,ahr-
scheinlich dM, 'IM immer schon als Dialektik des Gottesvolk.getftml:etu bei PtlIIlus tlIIfgeJallen ist, theolo!isch nohPendig: der absolute Ve"(jcht aIIf AMf.,eisbarkeit des Gottesvolkes, .,eil die VorzUge des Gottesvolk.es jeJerzeit Gottes eigene Tat bleiben und Gott jederzeit die Macht ~ Preisgabe des Gottesvolks behält, und zugleich die volle Wirk./ichleeit dieses Gottmollees,
Frage, da ja die "wilden" Zweige bei Paulua gerade von der Wurzd her leben. Vielmehr hat - wie bei einer Allegorie nicht anders ZU erwarten - die Sache auf du Bild eingewirkt; die Unmöglichkeit der Sache erfordert eben ein unmögliches Bild, vgl. z. B. Barth, KD II/2, 316; Vischer, Judaia 6 (1950) 126, ausführlich H. M. Gal" The Use of Analogy in the Letters of Paul, 1964 212-215. Heiden und wilde Zweige werden eben dem "Ölbaum" "gegen die Natur" eingepfropft• .. Schon das A. T. sieht Gott als Pflanzer: Js. 5, ur.; Jer.2,21; 11,17; 24,6; 32,42; 45,4; 2. S. 7,10; Ps. 80,9.16; Ez. 36,36; Am. 9,15. Vgl. auch die o. A. 42 gegebenen Belege. n Zur Parallelität von R. 9, 14ff.; 10,4ff. und 11, 16ff. vgl. o. S. 35. Vgl. femer zur theozentrischen Struktur der paulinischen Theologie o. A. IV 124 und u. ~mn
.
•• Eine interessante Parallele zum Gedankengang von 11, 161f. bietet .ach 1. EIde. (LXX) 8, 75-87: Auch dort ll!itet die - dankbare - Feststellung,. daß Gott eine Wurzel in Israel übrig gelassen habe, zum Ausruf über: "Herr Israels, du bist wahrhaftig" (8, 86)• .. V. 24 muß wohl von V. 23 her verstanden werden. du FuturUm V. 24 6n. mch n6a'f} ~ov ist Futurum logicum (Kühl, Röm. 389).
278
V. Die Zukunft lIraeil (R. 11,25ff.)
dessen Vorzüge und dessen Heiligkeit eben darum bleiben, weil sie freie Tat von Gottes Güte sinJl8. Das Gesagte wäre unvollständig, wenn wir nicht noch ein weiteres, für die Verse 16-24 konstitutives Moment berücksichtigten. Zwischen der Feststellung der Heiligkeit der Zweige und dem Hinweis auf Gottes Güte und Strenge stehen zwei parallele Satzperioden, die beide in einem Imperativ gipfeln". Dort liegt ihr Skopus. Der ganze Abschnitt will also nicht einen Sachverhalt darlegen, sondern in ein bestimmtes Verhalten führen. Dem entspricht formal das Dominieren der zweiten Person Singular. Die durchaus antiindividualistische V orstellung vom Gottesbaum wird um der Anrede an den Einzelnen willen aufgenommen. Es geht Paulus darum, das der 86vOt!'~c;, der XP'7IaT6T"1jC; und der cbtOTO!'1.ot Gottes entsprechende Verhalten zu bewirken. Dieses Verhalten umschreibt er mit Grundbegriffen seiner Theologie: Negativ hat der Gottesvolkgedanke die Aufgabe, ein "sich Rühmen", bzw. "hoch Denken" der Heidenchristen zu verhindern, also jenes Sich-berufen der Existenz auf sich selbst, das dem Glauben gerade widerspricht". Positiv heißt das, daß die Heidenchristenglauben, wobei aber Glauben gerade nicht ein Verhalten ist, zu dem man aufgerufen werden kann, sondern· Verzicht auf ein eigenes Verhalten in der Erkenntnis, "daß nicht du die Wurzel trägst, sondern die Wurzel dich" (V. 18). Der Gottesvolkgedanke will also Glauben stiften und Selbstruhm verhüten. Er will als Anrede verstanden werden61 • Diese Anrede verkündet Gottes freie Gnade. . •• Wenn hier versucht wurde, die Dialektik des Gottesvolkgedankens als notwendigen Ausdruck des paulinischen Redens von Gott zu verstehen, so soU damit nicht eine Antithese gegen C. Müller aufgesteUt werden, der von der "Gottesvolkdialektik ... als Ausweitung der Kreuzestheologie auf das Gottesvolk" (Gottes Gerechtigkeit 108) und damit von der Zusammengehörigkeit von Gottesvolkdialektik und Rechtfertigungslehre spricht. Wenn Pis. R. 11, 22 auf die Gottheit Gottes weist, gibt el: damit zugleich eine Interpretationshilfe für seine Rechtfertigungslehre • •• V. 17f. und V. 19-21 sind parallel aufgebaut: 1. Der Tatbestand wird festgestellt: die ungläubigen Israeliten wurden abgeschnitten und die gläubigen Heiden eingepfropft (V. 17; 19f.), 2. darauffolgt ein Imperativ mit Begründung (V. 18; 2Obf.) • •• C. Müller umschreibt prägnant diesen Sachverhalt so: "Die Synagoge repräsentiert den usus elenchticus für die Kirche" (Gottes Gerechtigkeit 95). Sachgemäßer wäre wohl gewesen: Israel repräsentiert diesen usus elenchticus, denn die Synagoge braucht die Kirche ja nicht zu berühren, wenn sie ihr nicht die Israelfrage, d. h. die Frage nach Gottes Treue in seiner freien Gnade stellte. n Cullmtmf/ versucht, die Alternative zwischen Existenz und Heilsgeschichte zu überwinden. Sein "heilsgeschichtlicher Existentialismus" ist als Denkanweisung deshalb sehr zu begrüßen. Wir können Cullmann auch zustimmen, wenn er formuliert, daß "der heilsgeschichtliche Glaube des Paulus in jedem Augep.blick die existentielle Entscheidung begtündet" (Heil als Geschichte 226). Cullmann ruft immer wieder in Etinnetung, daß die Entdeckung der Geschichtlichkeit der Existenz (vgl. Dinkler, Earllest Christianity, ldea of History 189f., vgl. 212) bei Pis.
J. Dal Fehlen IsraelI im Galaterbrief
279
Paulus spricht vom Gottesvolk den Heiden gegenüber, um ihre Sicherheit zu zerstören, also gerade nicht so, daß Gottes Gnade, die dem Volk geschieht, habituell verstanden werden kann, sondern so, daß die Freiheit und der "widernatürliche" Charakter von Gottes Gnadenhandeln dabei gewahrt bleiben. So weist der Gottesvolkgedanke bei Paulus auf Gott zurück, der sich in der Geschichte zwar wirklich seinem Volke geschenkt, aber als Gott auf seine Freiheit nicht verzichtet hat. Gottes Handeln an seinem Volk ist seine freie Tat, die wirklich geschehen ist, und als solche ist sie zugleich Wort an uns, das von uns nur je und je gehört werden kann. Heiltgmhkhtlkhtl Handeln Gottet ilt immer nur auf Glauben hin verkiintlbar; et kommt Ja in leine Wirklkhkeit, 7110 et 10 Ipri(ht, Jaß Glauben ~ugelpro(hen 711irJ. 3. Das Fehlen Israels im Galaterbrief Nachdem wir festgestellt haben, wie positiv und indikativisch Paulus in R. 9-11 von Israd gesprochen hat, fällt auf, daß er in jenen Ausführungen des Galaterbriefes, die sich gerade mit dem Römerbrief besonders eng berühren, nämlich in GI. 3 und 451, in keiner Weise auf Gottes Treue zu Israd reflektiert, ja, so~r auch von der Existenz einer christlichen Gemeinde aus Israel, der Judenchristen, völlig absieht. Israel und die Kirche sind sachlich hier sich ausschließende Größen. a) Wir setzen ein bei GI. 3, ~9. Nach Go. 15, 6 sind die aus dem Glauben Söhne Abrahams 5s• Abraham ist hier formal Beispiel für den Glauben. Aber sogleich klingt mit der Verheißung des Völkersegens, die ihm gegeben wurde, der Gedanke des durch die Verheißung geschaffenen Gottesvolkes an. Aber dennoch wird Abraham hier als das Interesse an Gottes Handeln in der Vergangenheit und Zukunft nicht zum Verschwinden bringt. Die Diskussion mit C. wird dort einsetzen, wo er in Ausführung seiner These, "daß die vertikale Linie wie in einem Koordinatensystem erst von der horizontalen Grundlinie aus ihren Sinn und ihre Bestimmung erhält" (aaO X), es als das Wesen des Glaubens umschreibt, die "Existenz in diesen Ereigniszusammenhang (sc. der göttlichen Heilsökonomie) hic et nunc einzureihen" (aaO VI). Dem gegenüber möchte diese Arbeit zu zeigen versuchen, daß nicht der Ereignis.zlllalllmenhang, verstanden als Einordnung der einzelnen Ereignisse in einen nur auf einer Horizontale darzustellenden Geschichtsentwurf, für das paulinische Denken der Ausgangspunkt ist, sondern nun doch die Interpretation der \ ..vertikalen" Gnade Gottes, ein Sprachgeschehen, das sich aber gerade der Homon- i talen zur Manifestation von Gottes Gottheit bedient. •• Zu GI. 3f. vgl. o. 1112 B b; 11I4D b; 1115. .. Die Kürze des Schriftbeweises, bei dem ein Zwischenglied, nimlich der übergang von Abraham zu seinen Söhnen, fehlt, bzw. selbstverständlich vorausgesetzt ist, fällt auf. Vennudich greift Pis. hier auf ihm selbst geläufige Gedanken zurück (vgl. zu R. 4, 3.16 o. S. 176f.; zu GL 3, 10-12 bes. o. A.lII 65 und u. A. 56); sein Gedankengang wird erst später, bei der Aufnahme von Bildern {V. 15lf,} und beim Exkurs über das Gesetz etwas ausruhrlicher.
280
V. Die Zukunft Israels (R. 11,25ff.)
Einzelner gesehen", der nicht in einem sichtbaren Zusammenhang mit seinen ~ 'ltllcrL"~ov, die gegenwärtige Gnadenverkündigung betrifft, so sind sie Feinde118 zu euren Gunsten, was aber die B. Weiss, Röm. 499. Vgl. dazu u. S. 311 und Kramer, Christos § 28a. 11< Vgl. Str.-B. IV, 981; Sanday-Headlam, Röm. 336. m Das hieße für die theologische Vergegenwärtigung von R. 11, 25f.: Di, Verkündigung der Wiedera/lllllhme 1lra,lr /rann nicbl ,infacb air Ein~lmurag, Miler Irllllieri ",erden. Vielmehr muß die Verkündigung ibr Krileri_ Jari" jiiuJm, ob si, i" tkr __ S;llII1lio", i" di, sie lriffl, "ocb Predigl tkr GMÜ, d. b. Expli!rati"" ür Cmrtruge«hIhllfr irl. R. 11, 25f. gibt jedenfalls nicht direkte Kriterien zur Lösung der sog. "Judenfrage" ab, wie dies zur Zeit des dritten Reiches, unter allerdings begreiflichen Umständen, geschehen ist, vg!. K. L. Schmidt, Judenfrage 37f., und o. A.II8. "" Ob q&po! aktiv oder passiv zu fassen ist. Iißt sich kaum eatacheidea., vgL . Michel, Röm. 282 A. 2. 111
118
296
v. Die Zukunft Israels (R.
11,25f1.)
Erwählung betrifft, so sind sie Geliebte wegen127 der Väter. Beachtenswert ist das Nebeneinander beider Aussagen. Man könnte zunächst zu sagen versuchen: Die durch den Menschen - Israels Verhalten in der Gegenwart - geschaffene Feindschaft steht der durch Gott geschaffenen Gewißheit gegenüber. Und gerade angesichts des feindlichen Verhaltens der Menschen erwiese sich Gottes Erwählung als Gnade. Doch es genügt nicht, hier stehen zu bleiben. Auch das Evangelium ist ja Werk Gottes, nicht nur die Erwählung. So müßte man sagen: Die durch Gott selbst - um sein Evangelium geht es - geschaffene Feindschaft wird der durch Gott selbst - in seiner gültigen Erwählung - geschaffenen Gewißheit gegenübergestellt. Dadurch wird die Schuld Israels nicht beseitigt und nicht durch eine Theorie der Allwirksamkeit Gottes aufgehoben, wohl aber hinterfragt. Beides ist Gottes Wille: Daß Israel zugleich Feind und Geliebter ist, UIII Gottes willen. Letztlich steht also, wenn man versucht, die bei Paulus angedeuteten Linien etwas auszuziehen, Israel zwischen Gott und Gott128, um gerade deshalb aus seiner Schuld nicht entlassen zu werden. Und an diese Aussage V. 2S:schließt nun Paulus die Begründung 129 : Unwandelbar sind die Gnadengaben und die Berufung Gottes. 'A!J.E't'ot!JlAl)'t'OC; meint: sich selber in seiner Geschichte treu130• Damit greift Paulus auf R. 9, 6a zurück und zeigt, wie sehr die Gottesfrage für ihn im Zentrum der Ausführungen von R. 9-11 stand. Aber wie geschieht es nun, daß das Evangelium nicht gerade zum Beweis der Wandlung, der Untreue Gottes wird, da an ihm Israel zu Feinden wird? Die Tiefe des paulinischen Gottesgedankens wird deutlich, wenn hier festgehalten wird, daß Gott gerade in seinem scheinbar divergierenden Handeln, das sich gemäß dem Evangelium Israel als Feinde und gemäß der Erwählung als Geliebte schafft, &(Lt't'Ot(LtAl)'t'OC;, das heißt: bei sich selbst bleibt. Wird Gottes Unwandelbarkeit nur auf die eine Seite seines Handelns, Die Bedeutung der beiden parallelen 3LIi wechselt. Das zweite Mal heißt es "um-willen", d. h. "wegen"; das erste Mal hingegen muß es heißen: "um-willen", d. h. "zugunsten von". Eine Parallele haben wir in R. 4, 25. Vgl. zum Ganzen B. Rtirke, Um der Väter willen, Röm. 11,28, Judaica 14 (1958) 106-114. 118 Die Formulierung erfolgt in Anlehnung an G. Ebt/ing, Existenz zwischen Gott und Gott, ZThK 62 (1965) 86-113, um die Bedeutung des hier ausgelegten Textes für den von Ebeling von Luther her aufgezeigten Sachverhalt aufzuzeigen. Vgl. auch o. A. IV 76 und die dort gegebenen Verweise. "D V. 29 schließt sich an V. 28b an, ohne V. 28a auszuschließen, denn beide Vershalften gehören eng zusammen. Schon weil sich J(1Xfl[afL~T~ und )().ijaL~ sonst immer auf die christliche Gemeinde heziehen, wird man kallm EÖ~YYo!:).LOV ganz von den "unwandelbaren Gnadengaben" und der "Berufung" ausschließen können. Bezieht sich aber V. 29 auf den ganzen V. 28, so gehört auch das "Evangelium", das Israel zu Feinden macht, mit zur Unwandelbarkeit Gottes, die also auch dann wahr ist und als Gnade verkündet werden darf, wo Gott sich scheinbar gewandelt hat. 110 Vgl. C. Spicq,AMETAMEAHTOl: dans Rom. XI, 29, RB 67 (1960)210-219. 127
4. Die ZukllnJt Israels in R. 11,25ff.
297
zum Beispiel auf die Etwählung Israels bezogen, so wäre die Aussage billig, weil sie Israel seine Erwählung verfügbar machte. Meint aber Paulus, daß Gott gerade in seiner Divergenz, man wäre versucht, Z" sagen: in seiner Doppelheit bei sich selbst tIIId sich selbst treu bleibt, so ist dies eine theologische Aussage von höchster Relevanz, weil Gottes GOlt-Sein damit schon selbst zur Gnade wird13l• Die Verse 30-32 sind in ihrer Struktur dreimal parallel. V. 30 und 31 scheinen sich zeitlich zu folgen, während V. 32 zusammenfassend abschließt. Der Parallelismus ist durch die dreimalige Gegenüberstellung von ci1teL.a-~(o)/lbte:l.a-eLIX und ~Ael;(o)/lAeol; gegeben; einzelne Glieder sind innerhalb des Ganzen in ihrer Funktion variabell8l• Durch die feste Form wird eine starke rhetorische Steigerung auf den Schlußvers 32 hin ermöglicht, der zusammenfassend resumiert und einen fast hymnisch-triumphierenden Charakter erhält. Wir haben vorhin die Verse 28-32 als Interpretation des Mysteriums von V. 25-27 bezeichnet. In welcher Weise wird nun das Mysterium durch die Verse 30-32 interpretiert? Hart und unvermittelt, und deshalb auch von vielen Textzeugen und Exegeten für sekundär gehalten, steht V. 31 das dritte vi.lv: "So sind auch diese jetzt ungehorsam geworden, wegen des Erbarmens für euch, damit auch sie jetzt gerettet würden". Das "jetzt", wollen wir uns seiner Interpretation nicht durch eine textkritische Manipulation einfach entziehen, überrascht, da statt dessen jedermann ein "später" erwarten würde188• Wir müssen wenigstens einen Versuch der Interpretation wagen. Der Tatbestand könnte zunächst einmal durch das Stichwort "intensive NaherwarDaß Paulus gerade "heilsgeschichtliche Divergenzen" theologisch, d. h. von Gott her bedenkt, ist uns auch schon bei R. 9, 14ff. (vgl. bes. o. S. 75f.) und R. 11, 22 (vgl. o. S. 277f.) und im Aufbau von R.9-11 im Ganzen (vgl. o. S. 2811. und u. S. 400ff.) begegnet. Wiederum zeigt sich eine gewisse Pamllele zwischen der dialektischen Weise des PIs., von Gott zu reden, und der Theologie Luthen, vgl. o. A. 128, ferner die A. IV 76 gegebenen Verweise. 180 Tiji u(.tETIl:P'tlI:MEL in V. 31 kann nicht streng parallel zu 'l'fj -ro6T(a)" c1:m:L3E!qt gefaßt werden, sondern man muß es als Dat. causae (Bl.-Debr. 196), Dat. commodi oder noch lockerer als Dat. modi fassen. Viele Exegeten nehmen, um die Pamllelität strikte zu wahren, die drei Worte in den Finalsatz hinein. Sprachlich ist es möglich, daß ein Finalsatz nicht mit ..hina" beginnt, doch müßte dann das voranstehende Glied hauptsächlich betont sein, was hier nicht zutrifft, vgl. Bl.-Debr. § 475, 1. So wird man es eher bei der üblichen Interpunktion lassen. ... Nü" fehlt bei A, G,latt, sy und pm. Es steht bei S, B, D, u. a., vermutlich auch in p". Unwichtige Handschriften lesen statt "üv: lIaTBpoII. K. L. Schrnidt. Judenfrage 35 paraphrasiert .. jetzt" mit: ..am Ende der Tage"(I), Michel, Röm, 284 mit ..in der nahen Zukunft". Auch wenn man mit Lietzmann, Röm. 106 die Möglichkeit einer Dittographie ins Auge fassen muß, so ist dies ganz unsicher und "ü" ist ein typischer Fall einer schwierigeren Lesart. Es wird also doch eber im Text stehen bleiben müssen und muß auch interpretiert werden. Die Gefahr einer überinterpretation ist natürlich angesichts des schwieri$en textkritischen Befundes groß und muß, soll es überhaupt zu einer Interpretatton kommen, in Kauf genommen werden. Vgl. auch Stublmacher, ZThK 64 (1967) 441f. A. 41. 111
298
v. Die Zulelmft Israels (R. 11,25jJ.)
tung" charakterisiert werden, doch hilft diese Chiffre wenig, da im Sinne des Paulus eigentlich von einer ..letzterwartung" gesprochen werden müßte. Von Gegenwart und Zukunft Gottes als von einem chronologisch distanzierten vüv xott iJa-repov zu sprechen, ist offenbar angesichts der Infragestellung Gottes durch den Unglauben Israels unmöglich. Paulus scheint auch hier an einer linear entfalteten Zukunftsaussage desinteressiert zu sein. Bei ihm drängt sich alles zusammen im ..letzt" des Heils. Natürlich wird die Bekehrung Israels in der Zukunft stattfinden. aber, weil sie durch das Christus geschehen wirklich wird (V. 26f.), so ist sie so gewiß, daß sie jetzt präsent ist im ..Jetzt" des Heils1". Weil- in Christus - jetzt schon Zukunft ist, redet Paulus die unter den Ungehorsam verschlossenen Juden als jetzt unter der Form des Ungehorsams - begnadigt an. Mit dem Stichwort ..Naherwartung" ist hier noch wenig gesagt. Vielmehr geht es Paulus um die Gegenwart der Zukunft Gottes Jetzt - in einer für Israel gnadenlosen Gegenwart. Das läßt sich allerdings sprachlich fast nicht mehr aussagen: ..Wir stehen ... an der Grenze des Sagbaren und brechen ab"185. V. 32 gibt einen allgemeingültigen Satz über Gottes Heilshandeln188. Sein Skopus lautet: Gerade angesichts des menschlichen Ungehorsams, unter den Gott alle verschlossen hat, gerade angesichts der sündigen Existenz des Menschen unter dem Gesetz und nicht angesichts seines Gehorsams erbarmt sich Gott. Und wiederum muß zugespitzt werden: Gott läßt die Menschen angesichts seiner selbst notwendigerweise zu Ungehorsamen werden (auv~xAELatv), gerade damit1S7 sich sein Handeln an ihnen als Erbarmen zeigt188. So wird im Dunkel von Gottes Handeln in der Geschichte er selbst als Gnädiger offenbar. Die Bekehrung Israels wird iustificatio impü sein. ..Nichts anderes ist auch der Sinn von 11, 20-32"189. Es geht auch hier um das Wie des Gott-Seins Gottes oder anders: Es geht um die Errettung Israels solo gratia. Gerade darum darf die Zukunftsansage des Paulus, die so indikativisch gehalten war, wie es nicht einmal im Judentum möglich war, nicht als Zultunftsprognose mißverstanden werden. Denn dann würde ja Gnade - prognostisch - voraussehbar und damit verbilligt. Dieser Skopus von V.32 muß gegen zwei Mißverständnisse abgetu Vgl. R. 8, 28-30, wo Pis. ebenfalls gewisse Zukunft präsentisch, ja sogar aoristisch formuliert. Zur pln. Naherwartung vgl. auch u. A. IX 1; zu "nyn" o. A. 11 248 und die dort gegebenen Verweise . ..I Barth, Röm.' 403. 111 Vgl. zu GI. 3, 22 o. bei A. In 202 und u. A. 144, ferner Bläser, Gesetz 137. ... -Ivllt kann nach V.31 keinen nur konsekutiven Sinn haben, sondern muß strikte final gefaßt werden. ..I V gl. duu o. 111 5. "" C. Müller, Gottes Gerechtigkeit 107.
4. Die Zuhmft Israels i" R. 11,2511.
299
grenzt werden: Erstens: Es geht nicht darum, daß Gott sich aller erbarmt im Sinne einer Apokatastasis panton. Diese Lehre ist hier von Paulus weder bejaht noch verneint, sondern im Duktus seines Aussagewillens ganz einfach nicht ins Auge gefaßtlCo• IU"Trtt; ist nach GI. 3, 22 und R. 11, 25f. nicht individualistisch, sondern kollektiv zu fassen und meint hier zunächst nur: Juden und Heiden. Bei Annahme einer Allversöhnung würde der Widerspruch zu den fundamentalen Aussagen des Apostels über das Gericht unerträglich'''. Zum ganzen Problemkreis der Allversöhnung hat bereits Calvin kurz und erschöpfend Stellung bezogen: ..Porro nimis crasse delirant, qui hinc (i. e. Rom. 11, 32b) colligunt omnes fore salvos. Paulus enim simpliciter intelligit, tam Iudaeos quam gentes non munde quam ex Dei misericordia salutem consequi...... Trefflich formuliert auch K. Barth·.. : Paulus beruft sich nicht "auf die unendliche Potentialität des göttlichen Wesens im allgemeinen" (wie die Lehre von der Allversöhnung), sondern "er redet einerseits von dem wirklich verlorenen Menschen (sc. von R. 10) und andererseits von der konkreten Allmacht Gottes, der sich in Jesus Christus des Menschen angenommenhat".
Zweitens: Der Satz R. 11, 32 faßt nicht eine Periodisierung der Geschichte in Zeiträume des Ungehorsams und des Erbarmens ins Auge, so sehr sich Gottes Gnade in der Geschichte auch so aussprechen kann m , sondern verkündet ganz einfach die unerwartbare und 00faßbare Wirklichkeit der Gnade Gottes. R. 11, 32 ist ein Satz der Verkündigung: So bleibt Gott bei sich selbst, daß er sein Erbarmen über den Ungehorsam triumphieren läßt. . Und schließlich weist uns der folgende Hymnus V. 33-36, dessen Analyse nicht mehr unsere Aufgabe istlC', daraufhin, daß das Mysterium nicht als Spekulation, sondern als Mysterium des Glaubens zu fassen ist1441• Die Doxologie zeigt uns nochmals mit aller Deutlichkeit, daß es ... Vgl. die guten Ausführungen von B. Weiss, Röm. 506f. Die Konsequenz einer Allversöhnung haben gezogen: Weber, Heilsgeschichte 73; Dodd, Röm.184 ("wheter or not, therefore, Paul himself drew the ,universalist' conclusion, it seems that we must draw it from his premisses"); E. F. Ströt"., Die Judenfrage und ihre göttliche Lösung nach Römer 11, Bremen o. J. pss., vgl. :luch Weinet. Theol. 255. Für F. C. Baur ist sie die notwendige Konsequenz aus seiner Geschichtsschau, vgl. Paulus II 248f. und o. A. 111 8. Eine andere Lösung sucht A. Schweitzer: Die Folgerungen von R. 11,32 beziehen sich nur auf die "Teilnahme am messianischen Reich" der "Angehörigen der Menschheitsgeneration, die das Ende der Zeiten erlebt" (Mystik, 183). Doch hat diese Interpretation weder am Wortlaut noch am Vorstellungsmaterial des Textes einen Anhalt. ... Vgl. etwa 1. K. I, 18; 2. K. 2,15; 4, 3; o. IV 4 B. C und u. VI 2• ... RÖm. z. St., CR LXXVII, 229• ... KD 11/2, 325. ,.. Hier liegt ein Akzentunterschied zu GI. 3, 22 vor. m Literatur vgl. o. A. I 35• ... Ausgezeichnet formuliert Goppelt, NTS 13 (1966/67) 41: ..Du Mysterium, das .•. RÖm. 11, 25f. erschlossen wird, ist nie verfi.iRbsres Wiseen, sondern immer nur Gegenstand wagenden Glaubens .•• Der Heilsplao Gottes ist &r ihn ... nicht eine sinnvolle aufweisbare Folgerichtigkeit des Heilshandelna Gottes ••• aber auch nicht eine fatalistische Praesciem;".
300
V. Die ZlIleJmjt Israels (R. 11,25ff.)
Zweck des votangegangenen Abschnittes war, getade die Zukunftsspekulationen, die eigenmächtige Gotteserkenntnis abzuschneiden zugunsten des Staunens vor der Unfaßbarkeit der Größe Gottes. 'Ave~epeUVYj't'o
G. Ebeli"g, Das Wesen des christlichen Glaubens, Tübingen: Mohr 1959,233• •• Das Kerygma ist also der Grund der Hoffnung, nicht bloß der "gemeinsame Boden, auf dem sich Paulus mit seinen Thessalonichem zusammenfindet" und auf dem er dann weitere, zusätzliche Belehrung aufbaut (gegen TillmaDn, Wiederkunft52). . Fuchs, Hermeneutik?, Aufs. 111, 120, und Ecbrt. ZThK SB (1961) 4O ..A; 1 erwäge:n, in V. 18 eine nach.P!'ulinische Glosse zu sehe:n. Ihr Hinwei. .uf 5,l111Cheint mir allerdings nicht bewclSluiftig. . I.
I.
332
VII. Die Zukunft des Glaubens
2. 1. K. 15, 23-28 Der zweite grundlegende paulinische Text, der ausführliche Aussagen apokalyptischen Stils über die Zukunft macht, ist 1. K. 15,2:>-28. Während wir aber 1. Th. 4, 1:>-18 mit einiger Leichtigkeit als isolierte Texteinheit betrachten konnten, ist dies bei 1. K. 15,23-28 nicht möglich. Im Gegenteil: Die Interpretation des Abschnittes hängt entscheidend von derjenigen ihres Kontextes ab, und wir haben uns zunächst der Stellung unseres Abschnittes im ganzen, recht verschlungenen Gedankengang von 1. K. 15 zuzuwenden. A. Der Kontext von 1. K. 15, 23ff.
In seiner ersten Hälfte besteht das Kapitel aus vier Teilen: der Erinnerung an das überlieferte, von allen Aposteln verkündete Kerygma (V. 1-11), der ",negativen" Darlegung, daß die Ablehnung der Auferstehung durch die Korinther eigentlich auch die Ablehnung des Kerygmas in sich schlösse (V. 12-19), der Darlegung der zukünftigen Auferstehung aufgrund der Gewißheit, daß Christus auferstanden ist (V. 20-28), und schließlich weiterer Argumente für die zukünftige Auferstehung 01. 29-34). V. 1-11 stellt Paulus die ihm und den Korinthern gemeinsame Basis fest: das Kerygma von Tod und Auferstehung Jesu Christi. Dieses Evangelium, das die Korinther empfangen haben, in dem sie stehen und durch das sie gerettet werden, ist ihnen, den übrigen Aposteln und Paulus gemeinsam. Für die Beurteilung der Situation in Korinth ist bemerkenswert, daß Paulus schon hier das "Stehen" der Korinther im gemeinsamen Bekenntnis festhält, also keine Differenz zwischen sich und ihnen siehti". Bedeutungsvoll ist auch die schon hier eingefügte Bemerkung: "durch welches ihr auch gerettet werdet" (V. 2); zum Evangelium gehört seine rettende Kraft. Dieser kleine Zwischensatz wirkt wie ein Präludium auf die kommenden Erörterungen über die zukünftige Auferstehung der Gläubigen. Die Aufnahme der traditionellen Reihe von Erscheinungszeugen80 hat für Paulus wohl weniger den Sinn, die Auferstehung als historisches Faktum zu beglaubigen, als im Hinblick auf die Parteien in Korinth die Einheit des christlichen Kerygmas von den Paulus und den andern Aposteln wi.. Gegen Schmithals, Gnosis 324 (ad 150B). Sein Verweis auf Ign. Smym. 1,2, wo er (uD 54 A. 2) eine Umdeutung der Auferstehung in die Kirche hinein finden will, beruht m. E. auf einer unrichtigen übersetzung dieser Stelle (allIiCTrOtCJI~ I:l~ •0
statt aUCJITIJIlOII .,. t:!~) •
Vgl. Wilckens, Ursprung der überlieferung, Festschr. E. Schlink 6311'.
333
2. 1. K. 15,23-28
derfahrenen Erscheinungen her zu begründen In diesen Konsens läßt Paulus die Korinther eingeschlossen sein. Die Ausführungen der Verle 12-19 sind deshalb befremdend, weil sie den Glauben an die Auferstehung Christi von der weltanschaulichen Möglichkeit einer Totenauferstehung abhängig zu machen scheinen: Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, dann ist auch Christus nicht auferstanden und Glaube und Kerygma nichtig 01. 13f.). Nicht die Auferstehung Jesu scheint hier die Möglichkeit einer allgemeinen Totenauferstehung, sondern die allgemeine Totenauferstehung die Möglichkeit der Auferstehung J esu zu erschließen". Doch will der Duktus des paulinischen Gedankens genauer erfaßt sein: Paulus hat gehört, daß "einige" in Korinth die Auferstehung der Toten leugnene!,. Über die Gründe, die diese Leute zu solcher Haltung führen, l l•
.. In der Formel beglaubigt natürlich die Erscheinung vor Petros und den Zwölfen die Auferstehung, ebenso wie das Begräbnis den Tod ]esu. Wenn aber Paulus die Pistisformel durch weitere Glieder, nämlich eine zweite Legitimationsformel (vgl. Wilckens, Ursprung der überlieferung, Festsehr. E. Schlink 75) und die wohl von ihm selbst stammende Erwähnung der Fünfhundert und seiner selbst ergänzt, so will er damit nicht zusätzliches historisches Beweismaterial für die Tatsichlichkeit der Auferstehung ]esu liefern, sondern die übereinstimmung seines Evangeliums mit demjenigen der Urgemeinde betonen. Darin dürfte K. Barth, Die Auferstehung der Toten, 1924, 74f. 79. 81, vgl. auch E. Ftlrhl, Die Auferstehungsgewißheit nach 1. Kor. 15, in: Zum hermeneutischen Problem in der Theologie (= Aufs. I), Tübingen: Mohr 1959, 197-210, dort 201, und H.-W. Barl/eh, Die Argumentation des Paulus 1. Cor. 15,3--11, ZNW 55 (1964) 261-274, dort 262. 272, recht behalten. Daß natürlich für Paulus die Auferstehung ]esu aNrh historisches Faktum, bzw. besser: ein in derselben Weise wie das Kreuz nennbares kerygmatisches "Faktum" ist, bleibt dabei unbestritten, vgl. auch u. A. 65. Eventuell könnte die ausführliche Augenzeugenreihe auf dem Hintergrund der 1. K. I, 12f. genannten Parteien in Korinth zu verstehen sein, was u. a. gegen die von Schmithals, Gnosis 89, zuletzt vorgetragene Teilungshypothese des 1. K. spräche• •• Am schärfsten wird das Problem m. E. von Fuchs, Auferstehungsgewißheit, Aufs. I, 198 (Ziffer 2a), gesehen; vgl. auch Braun, Randglossen, Studien 198, und die - m. E. zu kurz schießende - Kritik von M. E. Dahl, The Resurrection of the Body, Studies in Biblical Theology 36, London: SCM 1962,23-25, an der "accepted exegesis".]. Weiss, 1. Kor. 353 spricht von einem "Spiel mit dem logischen Geset'.!:", das Pis. betreibe. In Wirklichkeit argumentiert er - vielleicht pseudologisch·- von der Auferstehung Christi her. .. Die: Paraphrase von V. 12: "Wie können da einige von euch sagen: Es gibt keine zukünftige Auferstehung von den Toten mehr" (sc. "weil alle Auferstehung schon universal geschehen ist und zwar an den Lebenden" (Güttgemanns, Apostel 75 [die erste Sperrung von mir, die zweite von G.]), vgl. ebenso K. M. Fisrher, Die Bedeutung des Leidens in der Theologie des Paulus, Diss. masch. Berlin, Humboldt Univ. 1967, 50ff.) verschiebt m. E. die Akzente. Für Güttgemanns ist entscheidend, daß Christus von den Toten auferstanden ist (V. 41; auf diese Interpretationsmöglichkeit von 1. K. 15, 3f. macht schon Bartsch, ZNW 55 (1964) 271 aufmerksam), und das Paulus gegenüber den Korinthern, die die Auferstehung der Lebendigen vertreten, gerade die Auferstehung der TOIm verficht. Doch ist alllicn(lCJL~ IIEXj)WII geläufiger Ausdruck (Mt. 22,31; Lk. 2~, 35; Att.. 4, 2;. 23, 6; 24,21; 26, 23; R. I, 4; Hb. 6, 2; 11, 35; 1. Pt. 1,3), und es 1st deshalb fraglich, ob IIapw'l in 1. K. 15, 121f. wirklich einen besondern polemischen .Akzent ttigt, umso mehr, als es V. 151f. fehlt.
334
VII. Die Zukllnft des Glaubens
denkt er nicht weiter nach". Schon dies ist theologisch bedeutsam: Die Auferstehung Christi annehmen und zugleich die künftige Auferstehung der Toten ablehnen, ist offenbar für Paulus eine völlig undenkbare Möglichkeit, die er weder begreifen kann noch will, sondern kategorisch ablehnt. Denn das Kerygma ist schon von vornherein "rettendes" Kerygma (V. 2a); es kann gar nicht von der Rettung, die es bringt, also von der künftigen Auferstehung, isoliert werden. Die Auferstehung Jesu als alle einschließendes, rettendes Faktum kann gar nicht ein isoliertes - man wäre versucht, zu sagen: bloß historisches - Faktum seines, das für sich, ohne Konsequenzen akzeptiert werden kann. Wird die Auferstehung der Toten, die gewisse Folge des Kerygmas ist, abgelehnt, so ist auch Christus nicht auferstanden, und der Glaube ist für Paulus hinfällig geworden, das Kerygma "leer", sinnlos. Die Verse 12-19 zeigen, daß für Paulus die künftige Auferstehung der Toten jedenfalls aufs engste mit der Auf•• Die Frage, ",ie die Stellung der Korinther tU beuhreiben irt, irtl/on der andern Frage tU trennen, ",ie Pir. die leorinthiuht Pontion I/trrtanden und interpretiert hat. In der ersten Frage scheint sich im Bereich der deutschsprachigen Forschung ein ziemlich weitgehender Konsens abzuzeichnen, der dahin geht, daß die Korinther enthusiastische Pneumatiker waren und in einem geistigen Milieu dachten, das man vielleicht als "Gnosis in nascendo" bezeichnen könnte, vgl. z. B. mit Modifikationen A. SGh/aller, Die korinthische Theologie, BFTh 18/2, Gütersloh: Bertdsmann 1914,28; neuerdings]. SGhnit1/lind, Die Leugner der Auferstehung in Korinth, in: Nachgelassene Reden und Aufsätze, Berlin: Töpelmann 1952, 110-139, dort 115; Fuchs, Auferstehungsgewißheit, Aufs. I, 201; Wendland, Kor. 125; Brandenburger, Adam und Christus 70f.; E. Kiiremann, Neutestamentliche Fragen von heute, in: Exegetische Versuche und Besinnungen II, Göttingen: Vandenhoeck 1964 (= Aufs. II), 11-31, dort 27f.; Bartsch, ZNW 55 (1964) 265ff. (B. bringt die korinthischen Enthusiasten mit der Interpretation der Auferstehung Jesu als Anfang der Endereignisse in der Urgemeinde in Verbindung); Schmithals, Gnosis 146ff.; H. Con7toU .&civat'rO'Ot; versteht er wie 1. Pt. 3, 8 adverbial. So gewinnt er eine lange, von V.24a bis V.27a dauernde Satzkonstruktion mit V. 26 als Hauptsatz. Gleich wie er konstruiert auch F. C. B",lcill, On I Corinthians XV, 26, JThS 17 (1915/16) 384f. Diese übersetzung scheitert vor allem an der Fassung von "eita", das kaum von "aparche" und "epeita" getrennt werden kann und auf jeden Fall ein zeitliches Nachher setzt. Es wird deshalb nicht· recht einsichtig, wieso bei der Barthschen Fassung Pls. "keine eschatologische Mythologie entwickelt" (Barth, aaO 95). Beachtenswert scheint mir an dem ganzen Vorschlag, daß er die inhaltlich zentrale Stellung von V. 26 auch im Satzbau berücksichtigt. Es wäre vielleicht zu erwägen, ob man nicht den zweiten Teil von Barths Hypothese unabhängig von seiner Fassung von "eita" und "to telos" übernehmen könnte. Dann könnte man übersetzen: (24) Darauf das Ende, wenn er ..• übergibt. Wenn er alle Gewalt ... vernichtet hat - (25) er muß nämlich helTschen bis ... - (26) dann wird als letzter Feind der Tod vernichtet, (27) denn alles .. , Doch bleibt das unbeweisbar. •• Gegen F. W. Mairr, Ps. 110,1 (LXX 109, 1) im Zusammenhan~ von 1. Kor. 15, 24-26, BZ 20 (1932) 139-156, dort 143ff., ist nur V. 25b Schnftbeweis. V.25a kann nicht als freie Wiedergabe von Kti&ou ~ 3eE;Lroll (IjII09, la) verstanden werden, vgl. auch aaO 148. Subjektzu.&7i ist wohl Christus, ebenso wie bei xO:T«man in V. 24, vgl. Wilcke, Zwischenreich 101. B' Daß V.26 eine falsch eingeteihte Randglosse sei (]. Weiss, 1. Kor. 360), ist ganz unbeweisbar. •• Vgl. die ausführliche Besprechung bei Wilcke, Zwischenreich 105, der sich für Christus als Subjekt entscheidet. Die Frage ist schwierig: Liest man von V.25 her, so liegt Christus als Subjekt nahe. Da jedoch der önoTclE;o:t; V. 27 sicher Gott meint und die Stelle meint, daß Christus alles unterworfen sei, so dürfte sich Pis. auch für die Schriftstelle wie im A. T. auch Gott als Subjekt gedacht haben. Die Unausgeglichenheit, die so zwischen V. 25 und V. 27 entsteht, ist nicht zu beseitigen; sie zeigt höchstens, wie wenig "am Ende" das Handeln Christi und Gottes geschieden werden kann und wie wenig es Pis. auf eine Präzisierung an diesem Punkte ankam, vgl. Wilcke aaO 105 A. 102. •, Et'lr/l •.• ist wohl mit J. Weiss, 1. Kor. 360 als exegetische Glosse des Paulus zu fassen.
2. 1. K. 15,23-28
341
werfen., damit dieser alles in allem sei (V. 28). Damit ist wiederum ein gewisser Abschluß erreicht: Der Text schließt, ähnlich wie R. 11, 36, mit einer fast hymnischen Prädikation, die das "Ende" von V.24a noch 2:U überhöhen scheint. Daß nach diesem endgültigen und wirklich abschließenden Satz in V. 29 eine verhältnismäßig banale Fortsetzung folgt, die einfach ein weiteres Argument für die Wirklichkeit der künftigen Auferstehung der Toten beisteuert, haben die Exegeten oft als merkwürdig empfunden". Noch merkwürdiger aber ist der Aufbau des ganzen Gedankengangs V. 23-28: Die zeitliche Reihenfolge scheint mit V. 24a. verlassen und der Weg explizierenden Schriftbeweises beschritten. Die beiden 6-r«V-Sätze in V. 24 scheinen in V. 25-27a und 27lr-28 in umgekehrter Reihenfolge expliziert zu sein". Der Zusammenhang mit dem Thema "Auferstehung der Toten" wird nicht mehr ohne weiteres sichtbar. Verhätnismäßig leicht ordnen sich die Verse ~24art in das Ganze der Argumentation von 1. K. 15,1-34 ein. Ihren Skopus wollen wir deshalb zuerst bestimmen. Eindeutig ist, daß Paulus durch chtlXpx-IJ ~7ttt't'« - E!'t'1X eine zeitliche Reihenfolge angeben will". Hier denkt er also die von Christus bestimmte künftige Geschichte in vermutlich drei, zeitlich fixierbaren Stufen. Deren erste ist schon geschehen: Als "apar(:he" geht sie nicht nur zeitlich den andem heiden Stufen voraus, sondern ermöglicht sie auch. Aus der "aparche" wird die zweite Stufe, die Auferstehung der Christen bei der Parusie, gewiß folgen. Auch hier ist, wie 1. Tb. 4, 13ft". in apokalyptischem Kontext die Parusie mit der Auferstehung der Gläubigen verbunden. Die dritte Stufe, zeitlich von der zweiten getrennt, ist das "Ende". Wir fragen zunächst nur, welchen Sinn die Aufzählung der drei Stufen im Kontext hat. Sicher ist, daß sie den Ausdruck "Erstling der Toten" in V. 20 II Vielen Kommentatoren gelingt es nicht, V. 29-34 in ihrer Punktion im Ganzen. von 15,1-34 zu verstehen. Bachmann, 1. Kor. 454, vermutet, daß sie an falscher Stelle f'tünden. Nach Grosheide, 1. Kor. 364, benützt Pis. die erfolgreiche Widerlegung der Gegner, die mit V. 22 zu Ende ist, zu "further remarks" über die Auferstehung, vgl. auch Wendland, Kor. 130. Allo, 1. Kor. 411, IIßt mit V. 29 "une serie d'apostrophes" nach dem "majestueux expose" des Pis. beginnen. Der Aufbau von 1. K. 15, 1-34 ist m. E. nur zu verstehen, wenn man sieht, daß Pis. nicht eine Apokalypse schreiben wollte, die dann in der Tat mit V. 24 oder V. 28 zu Ende sein müßte, sondern mit verschiedenen Argumenten die Zukunft des Kerygmas entfalten wollte. 81 Au(:h 1. K. 15, 20-28 ist also nicht einfach ein "geschichtlich-eschatologischer Gesamtaufriß" (Hoffmann, Toten in Christus 344), in den alle andem Aussagen über die Zukunft eingeordnet werden könnten, vgl. u. VII 2 D . •• Vgl. Bultmann, Auferstehung, GI. u. V. I, 56, und Schlatter, Paulus der Bote Jesu 415. Jüdische Parallelen zur stufenweisen Auferstehung: Test. B. 10, 6ff.j Test. Jud. 25, Iff. (gegen Nötscher, Auferstehungsglauben, 295f. und Molitor. Auferstehung 111, ist dort wohl von der Auferstehung aller. nicht nur der Gerechten die Rede, vgl. Volz Eschatologie 242f.). Eine interC!Slinte Parallele Z1I t. K. 15, 23 bietet Bundahish 30, 7 (bei Nikolainen, Auferstehungsglauben I. 36).
342
VII. Die ZuletmJt Jes Glaubens
näher explizieren. Aber in welchem Sinne? Etwa so, daß betont wird, daß erst Christus auferstanden sei, die weitem Geschehnisse aber stufenweise, zu ihrer Zeit, erfolgen werden, d. h. jetzt noch nicht geschehen sind? Damit würde Paulus wahrscheinlich die Schwäche der Theologie des korinthischen Enthusiamus gut korrigieren, stellte sich aber in Widerspruch zu den sonstigen Ausführungen des Kapitels, deren Skopus ja gerade umgekehrt zu fassen ist: Die Auferstehung Christi ist geschehen, und zwar ist sie "Erstling" des Kommenden, das zur Auferstehung Christi hinzugehört und ebenso gewiß geschehen wird wie sie. Jesus Christus ist eben als zweiter Adam und nicht als ,Jesus allein' auferstanden. Die Auferstehung Christi hat eine ihr gehörende Zukunft. Von dieser Zukunft handeln ja auch die Verse 29-34. Danach kann der Sinn der Aufzählung der "Ordnungen" nur der sein: So gewiß das erste "tagma", die Auferstehung Christi als " Erstling " schon geschehen ist, so gewiß wird auch das zweite "tagma", die Auferstehung der Gläubigen und das Ende eintreffenD1 • Solche Argumentationen, die durch Einteilung der Geschichte in Stufen ihren ehernen Rhythmus und ihr gewisses Fortschreiten zeigen wollen, finden sich in der Apokalyptik oft'lI. Die Aufzählung der "Ordnungen" entspricht apokalyptischem Denken und dient der Gewißmachung der Zukunft der Auferstehung Christi. Denn um diese Zukunft geht es und nicht um irgendeine, die dann einmal, irgendwann nach der Auferstehung Christi, eintreffen wird. Warum aber hat Paulus hier nicht aufgehört? Was sollen nun noch die anschließenden Verse 24a~28? Was tragen sie zum Thema "Zukunft der Auferstehung Christi" bei? Welche Notwendigkeit bestand, sie anzuschließen und warum konnte Paulus nicht unmittelbar von V. 24aot zu V. 29 übergehen? Warum wird die rein zeitliche Reihenfolge mit V. 24a~ff. verlassen? Im Vergleich Zu den vorangehenden Versen scheinen die Verse 24--28 anders Zu denken, nicht mehr vom Menschen her,
'I Anders wird der Skopus z. B. von Wendland, Kor. 127 gefaBt: "Die Unter-
scheidung der Zeiten, des einen und des anderen kaims muß beachtet und durchgeführt werden". Die Korinther "unterscheiden die ,Ordnungen' nicht". AhnIich verstehen u. a. Schniewind, Leugner, Nachgelassene Reden 12411".; Schwantes, Schöpfung der Endzeit 79f. ; J. Freeborn, The Eschatology of 1. Corinthians 15, in: Studia Evangelica 11, TU 87, Berlin : Akademie 1964, 557-568, dort 561. An sich ist diese Interpretation natürlich möglich, aber vom Kontext V. 12-22 her doch eher unwahrscheinlich. Pis. will also kaum direkt polemisch gegenüber dem Enthusiasmus den eschatologischen Vorbehalt betonen, so sehr die Verse 23-28 implizit ein antienthusiastisches Element enthalten. .. V gl. die Zehnwochenapokalypse in äth. Hen. 93f., ferner die Aufbauschemata der Apk. (7 Siegel,7 Posaunen,7 Schalen etc.), das Stundenschema bei der Kreuzigung Jesu Mk. 15, 2511". Weitere Parallelen bei J. Schreiber, Der Kreuzigungsbericht des Markusevaogeliums, Diss. masch. Bonn 1958, 156. Vgl. auch o. rv 1.
2. 1. K. 15,23-28
343
sondern von Gott, seinem Kampf und Sieg her, nicht mehr indivitfllalgeschichtlich, .rondern universalgeschichtlich;ja sie sind gerade~ eine universalgeschichtliche Entfaltung des "Endes". Wie verhalten sich beide Denkweisen zueinander? Wird V.23f. von V.24aßff. her korrigiert, interpretiert oder einfach erweitert? Besteht eine Notwendigkeit für diese Erweiterung oder hat sie ganz einfach den Charakter eines Exkurses"? Das sind die Fragen, die sich uns jetzt stellen. Wir versuchen, sie methodisch auf zwei verschiedenen Wegen anzugehen, einmal, indem wir 1. K. 15, 24ff. traditionsgeschichtlich analysieren und fragen, wo Paulus seine Akzente setzt, sodann, indem wir die ganze eschatologische Komposition mit andem, ähnlichen Texten des Paulus, vor allem mit 1. Th. 4, 13ff. vergleichen und anhand des Gemeinsamen und Verschic!denen nochmals nach dem Skopus des Ganzen fragen".
c. Traditionsgeschichtliches Zu 1. K. 15,24-28 Bultmann schreibt 1. K. 15, 23-28 der "traditionellen jüdisch-christlichen Spekulation" zu, aus der Paulus "einige Sätze vorträgt, die zu der ihm sdbstverständlichen ,Wdtanschauung' gehören"86. Diese These gilt es, zu überprüfen und zu präsizieren. Dabei sind wir nicht in der Lage, wie bei 1. Th. 4, 13-18 ohne weiteres einen traditionellen Logos von der paulinischen Interpretation abheben zu können, sondern müssen differenzierter vorgehen. Vokabelstatistisch scheint der erste der beiden Temporalsätze in V.24, also die Übergabe der "basileia" an Gott, unpaulinisch". Dagegen erweist sich V.23 und der Rest von V. 24 eher als paulinisch87 • Das Nebeneinander der beiden Temporalsätze könnte man so erklären, daß Paulus eine ihm nicht gd~iufige traditionelle Aussage in einem zweiten Nebensatz in seinem Sinn präzisiert. Gehen wir weiter zu den beiden Schriftzitaten. Ps. 110, 1 ist bekannt-
oa So Freebom, Eschatology, Studia Ev.lI, 558 ("an appaready irrelevant digression"); Bultmann, Auferstehung, GI. u. V. I, 55 meint, V. 23-28 hätten den Sinn, "das Futurum 1:6101'l:OL7j&i).c!CLChristi fehlt in den echten Paulinen vollständig...Gott und Vater" ohne Genetivatttibut (vgl. sonst nur noch Gl1, 11) ist :in dieser Form singulär; die Pis. an sich in feierlichen Wenduugen geläufige Vel'bindung von Gott und Vater (VgL Kramer, Christos § 42 a-g) findet sich nie in die.~er Weise. "' In V. 23 ist nur T'YfLCL Hapulegomenon, aber im N. T. überhaupt. In V. 24bc:: ist XCIITCIIPY~6) gut paulinisch; zur plerophotischen Aufzihlung der Michte vgL
R. 8, 38 und u. A. VIII 60. 78f.
344
VII. Die Zukmzjt des Glaubens
lich einer der im N. T. am häufigsten zitierten Verse aus dem A. T. Dies besagt an sich noch nicht viel, da gerade darum Paulus auch selbst sehr leicht auf diese Stelle zurückgegriffen haben könnte; außerdem wird sonst die zweite Vershälfte kaum ohne die erste zitiert. Bedeutsam ist hingegen, daß an zwei Stellen im N. T., nämlich Eph. 1, 20ff. und 1. Pt. 3,22, eine Anspielung auf Ps. 110, 1 in Verbindung mit der Unterwerfung der Mächte durch den erhöhten Christus erscheint98 • Bei beiden Texten handelt es sich um alte, liturgische Tradition99 • Außerdem steht in Eph. 1, 20ff. die Anspielung auf Ps. 110, 1 in enger Verbindung mit einem Zitat aus Ps. 8, 7. Beide Schriftstellen stehen im selben alten liturgischen Stück. Auch die verhältnismäßig enge Verbindung von Ps. 110,1 und 8,7 in Hb. 1, 13 und 2, 6ff. muß erwähnt werden, auch dort im Zusammenhang mit der Unterwerfung der Mächte unter Christus. Die beiden Zitate haben bei Paulus die Wendung U7tO 't'oo~ 7t68oe~ oeU't'OÜ je gegen den alttestamentlichen Text gemeinsam, und Eph. 1, 20ff. stimmt hiermit überein1oo• Auch im Gebrauch der 3. Person Singularis stimmt der Wortlaut von Ps. 8,7 in Eph. 1,22 mit 1. K. 15, 27 gegen die LXX überein. Der Schluß ist fast unumgänglich, daß offenbar Paulus Ps. 110, 1 und Ps. 8, 7 im Zusammenhang mit dem Motiv der Unterwerfung der Mächte bei Christi Erhöhung schon traditionell verbunden vorgefunden hat. Auch Polykarp, Phil. 2, 1 zeigt die gleiche Zitatenverbindung, vermutlich ohne direkte Abhängigkeit vom ersten Korintherbrief. Möglicherweise stammt auch Mk. 12,36 das Wörtlein u7toxci't'6) aus Ps. .. Vgl. auch R. 8,34. 38f. Zu vergleichen ist auch Mk. 12,35-37 (vgl. Schweizer, ThW VIII, 371, 10ff.) und Hb. 10, 13, wo die Unterwerfung wie bei Pis. erst in der Zukunft abgeschlossen ist. Der Gottessohntitel in 1. K. 15, 28 weist eine gewisse Verwandtschaft mit einer Menschensohnchristologie auf, vgl. dazu Schweizer aaO 372f. Ob die Verbindung von Ps. 8 und Ps. 110 auf ein ähnliches Milieu weist? Skeptisch bin ich gegen die These von D. M. H'!Y, The Use of Psalm 110 in the Early Church, philos. Diss. masch. Yale 1965, 119, wonach der Rückgriff auf Ps. 8 und seine Anwendung auf Christus eine Christologie des zweiten Adam von vorgnostischem Typ impliziere. Für den heutigen pln. Zusammenhang von 1. K. 15, 21-28 gilt das selbstverständlich, kaum aber von der vorpln. Verbindung von Ps. 8 und 110: Bei der atomistischen Auslegungsweise der damaligen Zeit darf der Kontext von Ps. 8, 7 nicht ohne weiteres mitgelesen werden. An den andem Stellen, wo Ps. 8 und Ps. 110 in der frühen Tradition verbunden sind (s. u.), fehlt jeder Hinweis auf eine solche Christologie. .. Zu Eph. 1, 20-23 vgl. G. SGhi/le, Liturgisches Gut im Epheserbrief, Di.~s. Masch. Göttingen 1953, 144ff.; H. Conte/mann, Der Brief an die Epheser, in: Die kleineren Briefe des Apostels Paulus, NTD 8,9. Auf!. Göttingen: Vandenhoeck 1962,63, spricht von einer "dichterisch gehobenen Meditation über das Glaubensbekenntnis", vgl. auch Schlier, Eph. 86. Zu 1. Pt. 3,22 vgl. die grundlegende Analyse von R. BN/lmann, Bckenntnis- und Liedfragmente im ersten Pettusbrief, in: Exegetica, Tübingen: Mohr 1967, 285-297, dort 289f. • 00 Nach F. W. Maier, BZ 20 (1932) 155f. hat der Text von Ps. 8,7 auf Ps. 110,1 zurückgewirkt. Doch ist auch die pln. Fassung von Ps. 8,7 vom LXX-Text stark verschieden.
2. ,. K. 15,23-28
345
8,7 Das Motiv der Unterwerfung der Mächte unter den erhöhten Christus findet sich außerdem noch im Philipperhymnus 2,9-11; ferner wäre auf Kol. 1, 16; 2,10.15 hinzuweisen. Wichtig aber ist dies: Sowohfin der Tradition von Phil. 2, 9-11, als auch Eph. 1, 20ff. und 1. Pt. 3, 22 steht die Unterwerfung der Mächte unter Christus im Zusammenhang mit seiner Auferstehung bzw. mit seiner Erhöhung, nicht aber im Zusammenhang mit seiner Parusie oder dem Ende der WeltlIlI. Diese durch Christi Erhöhung bewirkte Unterwerfung der Mächte scheint dann die Gemeinde schon früh mit den vielleicht bereits im Judentum messianisch interpretierten Psalmen 8 und 11010B verdeutlicht zu haben. Suche:n wir nach christlichen Parallelen für das andere, von uns aufgrund der Vokabelstatistik als traditionell erkannte Motiv, nämlich die Übergabe der Königsherrschaft Christi an Gott, so ist der Befund nicht ganz einfach. . 101•
Zunächst werden wir an Apk. 20, 1If. erinnert. In der Tat sind die Parallelen auffällig: Hier wie dort ist mit dem Reich Christi eine Auferstehung der Gläubigen verbunden. Hier wie dort wird im Zusammenhang mit dem Ende - Apk. 20, 14 allerdings erst nach dem Ende des Reiches Christi - der Tod endgültig vernichtet. Wähn:nd aber Apk. 20, 1ff. das Reich Christi ein Reich der Ruhe und des Friedens ist, ist die Königsherrschaft Christi 1. K. 15, 24ff. ausschließlich von der Unterwerfung der Feinde her verstandenlO'. Der sprachliche wie der inhaltliche Befund spricht überdies dafür, daß Apk. 20,4 eher dem Redaktor der Apokalypse als einer alten Tradition zuzuschreiben isttOI• Natürlich kann das dort auftauchende Motiv des tausendjährigen Reiches älter sein, doch mahnen auch die jüdischen Parall,:len zur Vorsicht'''. An den übrigen Stellen, wo im Neuen TestarneDt vom Reich Christi die Rede ist, ist dieses meist futurisch (Lk. 23, 42, vgL 22, 29 ; Apk. 22, 1. 3; 1. a. 50, 3), aber nicht begrenzt, oder lokal-himmlisch (2. Tm. 4, tOl Dllgegen würde ich Phil. 3, 21 keinen Einfluß von Ps. 8, 7 annehmen. Wir haben dort statt des unbestimmten n«vrat im Zitat den Ausdruck -ra ltcivrat. Diese:r Ausdruck ist im liturgischen Sprachgebrauch der pln. Gemeinden schon früh i.n verschiedener Weise verankert, vgl. R. 11,36; 1. K. 8, 6; 11,12; Eph. 1, 10; Kol. 1,16 etc. Auch Pis. selbst nimmt 1. Kor. 15, 27f. die Aussage des Zitates durch Ta n«vrat auf. Phil. 3, 2Of. ist überdies vermutlich keine alte, festformulierte Tradition. Das Motiv von der Unterwerfung der Mächte scheint 1. Pt. 3, 22 mindestens sprachlich nicht direkt von Ps. 8, 7 abhängig, vgl. auch Phil. 2, 9-11. Es hat sich vermutlich gegenüber Ps. 8, 7 schon früh verselbstindigt. Vgl. auch Hay, Psalm 110, 162.311. 101 Vgl. zu Phil. 2, 9ff. E. Käsemann, Kritische Analyse von PhiL 2, 5-11, in: Exegetische Versuche und Besinnungen I (= Aufs. I), Göttingen: Vandenhoeck 1960,51-95,dort86( 1•• Vgl. zu Ps. 8,7 E. F. S&oll, The Epistles ofPaul to theColossians, to Philemon and to the Ephesians, Mof&tt NTC, London: Hodder and Stoughton 1930, 158 (keine Belege!); zu Ps. 110 Str.-B. IV, 457f. 10' V gl. dazu Leivestad, Conqueror 133f. "" Fiir den Vf.· der Apk. typische Wärter sind: p.«pTUPlat, ~ 't'OÜ &aoii, npom~uvi~! ",",p(ov, X«patYj.Lat und j.LH(r)nov. Außerdem bezieht sieh die Stelle auf 13, tb zuruck, vgl. auch 7, 14ff.; 13,14. 1•• Vgl. o. A. 8.
346
VII. Die Zuktmft des Glaubens
18, vgl. Lk. 23, 43) verstanden. Eph. 5, 5 und Kol. 1, 13 sind wohl auf die Kirche zu deuten, was sich aber aus der kosmischen Ekklesiologie dieser beiden Briefe redaktionell erklären läßt. Ahnlich wird auch Mt. 13,41 mit dem Königreich Christi die Welt meinen, vermutlich ebenfalls redaktionell. Interessant ist Barn. 15, 3ff., wo die Konzeptionen von Apk. 20, Iff. und von 1. K. 15, 24ff. 1D7 so vereinigt werden, daß Kampf und Ruhe hintereinander folgen. Lk. 1, 32f. endlich wird kaum futurisch zu deuten sein1••• Hat also Paulus hier doch selbständig eine Vorstellung entwickelt? Außer der traditionellen Sprache in V. 24aß weiSt aber auch das absolute b ul6c; eher auf Aufnahme eines vorpaulinischen traditionellen Motivs 1••• An ein Einwirken jüdischer Vorstellungen von einem messianischen Zwischenreich ist aber kaum zu denken. Die Belege hierfür sind zu spärlich, und vom übergang des Messiasreichs an Gott ist im Judentum erst sehr spät die Rede llO• Vor allem aber ist der jüdische Herrscher des Zwischenreichs im allgemeinen gerade der irdisch-politische Messias, der Davidide, nicht ein erhöhter, himmlischer Herr. Paulus hat also wohl eher eine christlich-apokalyptische Tradition von der übergabe des Reiches Christi an den Vater, die nicht näher bestimmt werden kann, aufgenommen, wobei der dieser Tradition inhärente subordinatianische Zug in V. 27bf. durch die Verbindung mit Ps. 8,7 und die exegetischen Folgerungen des Paulus aus dieser Stelle noch verstärkt wurde und in einem hymnischen Abschluß gipfelt.
Die Tradition von der Unterwerfung der Mächte unter den Erhöhten hat nun Paulus mit der Überlieferung von der Übergabe des Reiches des Sohnes an Gott verbunden. Diese Übergabe erfolgt nach der Unterwerfung der feindlichen Mächte, von denen der Tod als letzter vernichtet wird. Die Königsherrschaft Christi dient bei Paulus zu eben dieser Vernichtung der feindlichen Mächte. Diese ist, auch wenn sie zeitlich nicht genau festzulegen ist, jedenfalls erst mit dem "Ende" 01. 24a) abgeschlossen. Es ist eine alte exegetische Streitfrage, ob die 1. K. 15, 24ff. genannte K{inigshe,.,.schaft Christi und damit die Unterwerfung der Mächte gegenwärtig oder zukünftig gedacht werden muß. Schon seit jeher standen sich gegenüber: 1. die orthodox-kirchliche Interpretation, die unter der Königsherrschaft Christi die Kirche mit Einschluß der Endgeschehnisse verstand, also die Unterwerfung der Mächte bereits mit der Erhöhung Christi beginnen ließ1l1; 2. die chiliastische
1.'
Oder wirkt die jüdische Tradition des Messiaskampfes ein? Vgl. u. A. 116. Gegen Hahn, Hoheitstitel247f., vgl. Schweizer ThW VIII, 384 A. 348. 1•• Vgl. Schweizer, ThW VIII, 372, 33ff., bes. auch A. 267. Vgl. ferner Mk. 13, 32. Der Gedanke einer Befristung der Herrschaft Christi ist in dieser Form bei Pis. singulär. 11. Pirqe R. EI. 11 (6c) = Str.-B. III, 472. 111 Vertreten u. a. von Bachmann, Hering, Grosheide, Allo z. St.; in monographischen Darstellungen und Aufsätzen u. a. von R. H. Chor/es, A Critical History of the Doctrine of a Future Life in Israel, in Judaism and in Christianity, London: Black 1899,390; Vos, Eschatology 245f.; O. Cu//mann, Königsherrschaft Christi und Kirche im Neuen Testament, ThSt (B) 10, Zollikon: EVZ 1941, 12ff.; Leal, VD 36 (1959) 231; Käsemann, Apokalyptik, Aufs. 11, 127; Freebom, Eschatology, Studia Ev. 11, 559f.; Thüsing, Per Christum 240; H. Con~e/mann, Art. Reich Gottes I, RGG" V, 912-918, dort 917.
1.'
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Interpretation, die die Königsherrschaft Christi und die Unterwerfung der Feinde in die Zeit zwischen Parusie und Ende verlegte l1l• Zur Beurteilung der Frage wird man folgendes zu beachten baben. 1. Da Paulus traditionelles Material aufnimmt, ist zwischen diesem und der paulinischen Interpretation zu scheiden. In der vorpaulinischen und nebenpaulinischen Gemeindetradition konnte die Königsherrschaft Christi sowohl futurisch-eschatologisch als auch - allerdings seltener - präsentisch-ekklesiologisch verstanden werden. Angesichts der Unmöglichkeit einer sicheren Rekonstruktion der Paulus vorliegenden Tradition kann kaum eine Entscheidung gefillt werden. Auffillig ist, daß d.ie bei Paulus vorliegende Tradition von der ßClCGW[CIC Christi und nicht von seine:r )(UP~6-nj1; spricht, weshalb man nicht ohne weiteres von Stellen wie Phil. 2, 9-11; R. 8, 341f. her argumentieren darf. Daß Paulus eine präsentische Vorstellung, wie etwa Kol. 1, 13, vorlag, ist deshalb zwar möglich, aber nicht zu beweisen. Unsicher ist auch, ob Phil. 3, 21, wo die Unterwerfung der Mächte mit der künftigen Verwandlung zusammen genannt wird, weiter hilftlll• 2. Fragen wir nach der Vorstellung des Paulus selbst, so ist zu sagen: il~ -1m:~"I'CIC - e:t"I'CIC setzen eindeutig ein zeitliches Nacheinander, ohne daß auf die zeidiche Distanz reflektiert würde llt• Die Königsherrschaft Christi dauert also für Paulus auf jeden Fall in der Zeit zwischen Parusie und Ende, ob vorher auch, wird nicht gesagt. Auf die Frage nach der Dauer dieser Zeit geht Paulus im Unterschied zu Apk. 20, lff. nicht ein. Von der Unterwerfung der Mächte ist nur ausgesagt, daß sie bis zur übergabe der Herrschaft Christi an Gott dauere, nicht aber, wann sie beginnt. Jedenfalls hat die Unterwerfung des Todes, wie 'ja schon der Unglaube der Korinther zeigt, noch nicht stattgefunden. Paulus war eben an tkr Amgestaltung und Präzisierung tkr Vorstellung nieht interessiert, soNkrn nahm sie nlll' sOJlleit all/, als sie für seine Saebe nötig war.
DUlCCh die Verbindung mit der Aussage von der künftigen Übergabe des Reiches Christi an den Vater wird nun aber die aus Eph. 1, 2Off.; 1. Pt. 3, 22; Phil. 2, 9-11 etc. bekannte Tradition von der Unterwerfung der Mächte transformiert. Aus einer durl:h. die Erhöhung beVertreten u. a. von Schlatter, Lietzmann (vgl. aber vorsichtiger Kümmel, bei Lict:zmann, Kor. 193), Wendland z. St., ferner Holtzmann, Thcot 11, '1Zl; Schweitzer, Mystik 69. Vermittelnd urteilt Bietenhard, Das tausendjährige Reich 82, der zwar, im Gefolge von O. Cullmann (0. A. 111) das Reich Christi als Zeit der Kirche versteht, die Unterwerfung der Mächte aber dennoch in die Zeit nach der Parusie verlegt. 1,. Das wlke nur der Fall, wenn die Stelle vorpln. wAre, was aber sehr fraglich ist, vgl. o. A~~. Hingegen ist Kol. I, 13 möglicherweise Tradition, vgl. E. Käseman'n, Eine urchristliche Taufliturgie, in: Exegetische Versuche und Besinnuogen I (= Aufs. 1), Göttingen: Vandenhoeck 1960, 34-51, dort 37ff. 1lC Vgl. o. A. 83. 90. Aber es ist unsachgemäß, etwa mit Hering, 1. Kor. 141 festzustellen, daß das messianische Reich "sc termine donc a la parousie", uni dann. in mel:kwürdig halber Korrektur, zu sagen: "ou peu apres, lorsque la mort sera anncantie". Delling, Zeitverständnis 98, meint, daß "zwischen dem "epeita" V. 23 und dem "eita" V. 24 kein längerer Zeitraum gedacht werden" kann. Aber woher weiß er denn das? Und wenn Grosheide, 1. Kor. 365 davor warnt, unser chronologisches Denken auf die letzten Dinge anzuwenden, so drückt dieser Satz zunächst einmal die Verlegenheit seiner eigenen Exegese aus. Sicher: Paulus ist an der Ausdehnung der Zeit·zwischen Parusie und Ende keineswegs intereSsiert und zieht die Linien der Vorstellungen nicht aws, aber ein chronologisches Nacheinander ist m. E. unumgin$lich. Das gilt auch gegen Shires, Eschatology 69, der die Parusie und das Ende zeitlich zusammenfalleii lißt. .' 111
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VII. Die Zukunft des Glaubens
wirkten, gegenwärtig wie künftig (Eph. 1, 211) wirklichen, geglaubten, bekannten und akklamierten Unterwerfung der Mächte wird eine erst in der Zukunft nach der Parusie vollendete. Eine gewisse Akzentverlagerung tritt dadurch zweifellos ein. Sie besteht nicht in erster Linie darin, daß eine ursprünglich eher präsentisch orientierte Traditionl l & von der Unterwerfung der Mächte unter Christus nun zur Zukunftserwartung wird: Vielmehr liegt der neue Akzent m. E. darin, daß in eine an der zeitlichen Dimension nicht interessierte Akklamation des erhöhten Herrn als Sieger über die Mächte ein zeitliches Moment tritt. Man könnte sagen: Pattlus hat hier einer hellenistischkosmologischen Aklelamotion durch Betonung der Dimension der Zukunft neue Akzente verliehen und sie in gewissem Sinn apokalyptisiert. Daß er dabei einen gewissen Anhalt an Vorstellungen der jüdischen Apokalyptik hatte, sei damit nicht bestritten116• Die Frage ist aber, wieso Paulus dies tat. Hier werden wir nun auf den Vers 26 als Schlüml zur Interpretation des ganzen Abschnittes gewiesen: Als letzter, und das heißt zugleich auch: mächtigster Feindl17 wird der Tod überwunden118 • Im paulinischen Verständnis war der Tod eine Machtll9, die seit Adam die Welt beherrschte. Wenn nun die Korinther die Auferstehung der Toten ablehnten, so lehnten sie damit - im paulinischen Verständnis - die Macht der von ihnen ja bejahten Auferstehung Christi ab. Angesichts der fortdauernden Mächtigkeit des Todes in der Welt aber, die für die Korinther evident war (V. 181) und die auch von Paulus gerade nicht lU Es scheint mir wahrscheinlich, daß die vorpln. "enthusiastische" Tradition sich nicht durch eine dezidierte Betonung der GegellTlJarl des Sieges Christi über die Mächte (so nur 1. Pt. 3,22; KoI. 2, 15), sondern durch eine aus der Akklamation des gegenwärtig erhöhten Herrn zu verstehende Indifferenz gegenüber dem zeitlichen Aspekt (so z. B. R. 8, 34; PhiI. 2, 9-11 etc.) ausgezeichnet hat. VgI. dazu u. S.350. ue Hier muß vor allem an das Motiv vorn Messiaskampf erinnert werden, vgI. Ps. Sal. 17, 22ff.; äth. Hen. 46, 4ff.; 4. Esr. 13, 5ff.; s. Bar. 39, 7. 117 VgI. Grosheide, 1. Kor. 368. 111 V. 26 denkt von der Macht des Todes her und darf also gerade nicht individualistisch ausgedeutet werden. Der Vers gibt keine Auskunft darüber, was die Zerstörung der Macht des Todes impliziert, ob etwa die Wiedererweckung der vor Christus verstorbenen Gerechten (so Bachmann, 1. Kor. 450) oder die Auferstehung aller (so z. B. Tillmann, Wiederkunft 192; Molitor, Auferstehung 55f.; Molitor will die allgemeine Auferstehung erst aus V. 26, nicht schon aus V. 22 entnehmen) oder etwa gar die Bekehrung oer Ungläubigen nach ihrem Tod (Lietzmann, Kor. 80). An unserer Stelle ist vom Gerichtsgedanken nicht die Rede, und er darf auch nicht einfach eingelassen werden, damit dann nachher der Gedanke einer allgemeinen Auferstehung daraus abgeleitet werden kann, vgI. zu Recht H.!:ring, RHPhR 12 (1932) 304. Auch aus V. 22 kann keine allgemeine Auferstehung als Bestandteil einer chrisdichen Weltanschauung gefolgert werden: n:mec; ist von bI XP'CfTij) her zu lesen. l1t Vgl. R. Bullmann, Art. ~vot'rot; X't"A., ThW III, 7-25, dort 14, 22ff.; 18, 7ff.; imJudentum vgl. bes. 4. Esr. 8, 53; s. Bar. 21, 22f.; Sap. 2, 24. VgI. auch o. III 6 un Brandenburger. Adam und Christus, 45ff. pss., bes. 51 A. 5.
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übersprungen wurde, konnte es nach Paulus nicht genügen, im Sinne der hellenistischen Akklamation die Unterwerfung der Mächte unter den elrhöhten Christus zu bekennen, denn damit würde ja die Wirklichkeit des Todes übersprungen. Zugleich konnte es angesichts der grundsätzlichen Hoffnungslosigkeit der Korinther, die ja nach Paulus in ihrer bloßen Hoffnung (V. 19) bejammernswerter sind als alle andem Menschen, auch nicht damit sein Bewenden haben, den Korinthc:rn ihre eigene künftige Auferstehung zuzusichern. Um die Auferstehung einzelner Glaubender geht es gerade nicht, sondern um die Macht der Auferstehung Christi, die die Macht des Todes besiegt. Man könnte sagen: Die Überwindung des Todes als Macht zeigt, daß (~s sich bei der Auferstehung der Christen bei der Parusie nicht wiedc:rum um ein isoliertes, wiederum gleichsam zufälliges Ereignis handelt, sondern um die Einleitung der endgültigen Besiegung der Macht des Todes. Und da es für Paulus bei der Auferstehung der Christen um nichts weniger als um die Zukunft der Auferstehung Christi sdbst geht, heißt das wiederum, daß die kosmischen Aussagen in Y. 24-28 gerade diese. endgültige, eschatologische Bedeutsamkeit der Auferstehung Christi feststellen wollen. "Individlllliistische" Zliletmft
in V. 2J-24arJ. und "kosmische" ZuktmJt in V. 244-28 stehen also nicht einfat'h al.r tJl'ei Linien nebeneinander, sondern die letztere umfaßI die erstere und stellt ihre eschatologische Wirklichkeit sicher. Das kßsmisclrapoka!Jptische Denken erweist sich als nOl1llendig, weil es Palllu.r in seiner ganten Argumentation um die Zuktmft - und tJl'ar nicht irgend eine private, sondern 11'" die eschatologische Zukunft - der Auferstehung Christi geht. Darin, daß die sonst als gegenwärtig akklamierte Überwindung der Mächte bei Paulus erst in der Zukunft vollendet wird, zeigt sich die Wirklichkeitsbezogenheit des paulinischen Denkens, die die Resignation der Korinther angesichts des gegenwärtig mächtigen Todes ernst nimmt. So e:rweist sich die in den Versen 23-28 entworfene futurische Eschatolol~ie als sachbezogen, weil um der Auferstehung Christi willen notwendig. Abe:r mußten denn nicht auch den Korinthern die paulinischen Ausführungen als "eschatologische Mythologie" erscheinen? Konnte Paulus mit dem Einverständnis der Gemeinde rechnen? Vielleicht dachte Paulus, dies gerade deshalb hoffen zu können, weil er seinen futurisch-eschatologischen Entwurf anband christlich-traditioneller Aussagen formulierte. Vielleicht haben die - durch gottesdienstliche Tradition bekannten - Zitate in den Versen 25-27 gerade den Sinn, den Korinthern ein Einstimmen zu ermöglichen, indem eine an sich bek~lOllte Aussage in einer neuen Situation neu inte%pretiert wird11o• 100
So ve#'uhr Pis. schon mit dem Hem:nwOrt 1. Tb. 4. 1M.
350
VII. Die Zukunft des Glaubens
Vielleicht - sicher können wir das nicht wissen. Jedenfalls ist Paulus hier in unserm Abschnitt nicht einfach Tradent, sondern tatsächlich so etwas wie apokalyptischer Theologe. Apokalyptischer Theologe ist er aber wohl nicht angesichts eines überbordenden Enthusiasmus der Korinther, den er als solchen wohl gar nicht ganz durchschaut, sondern angesichts der Zukunftslosigkeit des Kerygmas, die die Korinther zu den "Elendesten aller Menschen" (V.19) macht. Schlagwortartig: Die ApokalYptik ist hier für Paulus nicht die Bremse angesichts eines dem Handeln Gottes vorgreifenden Enthusiasmus, sondern Zeugnismittel angesichts eines die Zukunft preisgebenden Unglaubens. Selbstverständlich liegt hier sachlich nicht einfach ein Gegensatz vor, insofern ja ein vom Wirken des Geistes in der Gegenwart allein her lebender Enthusiasmus tatsächlich immer Gefahr läuft, in ein die Zukunft überhaupt preisgebendes und damit extreme Hoffnungslosigkeit verratendes "carpe diem" umzuschlagen. Hoffnungslosigkeit kann eben nicht nur die Form der desperatio, sondern - nur scheinbar anders - auch die der praesumptio annehmen. Wie weit in den vorpaulinischen Gemeinden diese Gefahr tatsächlich schon akut gewesen ist und die Gegenwart statt als enthusiastisch-proleptisch vorweggenommene Heilszukunft als alleinige Zeit des Heils interpretiert wurde, ist schwer zu sagen angesichts des uns vorliegenden spärlichen Materials. Verschiedene Hinweise aus den Deuteropaulinen (z. B. Eph. 1,21; 2, 2H.; Kol. 3, Iff.) und aus dem vielleicht aus einer solchen Gemeinde stammenden ersten Petrusbrief (I, 3. 11.21; 4,11), sowie das doch aurh futurische Eschatologie enthaltende Johannesevangelium weisen darauf hin, daß die Gemeinden im allgemeinen nicht jede Zukunftserwartung preisgegeben haben. Doch ist ein Urteil dadurch erschwert, daß wir nicht wissen, wie weit KoL, Eph. und 1. Pt. ihre Gemeindetheologie gerade von Paulus und seiner futurischen Eschatologie her korrigieren. Das stärkste Indiz dafür, daß unsere Vermutung dennoch richtig ist, ist die Unbefangenheit, mit der Paulus durchaus unpolemisch immer wieder überlieferungen solcher "enthusiastischer" Gemeinden aufnehmen kann lll . 111 VgL o. S. lOH. 196. 22Of. 252. 256. 258f. 261. Jedenfalls scheint mir das Urteil von Käsemann, Apokalyptik, Aufs. H, 120, daß die Parole der Irrlehrer von 2. Tm. 2, 18 "die Grundanschauung jener gesamten Christenheit, welche im hellenistischen Bannkreis das Christentum als Mysterienreligion verstand", gewesen sei, trotz Kol. 2, 12ff.; Eph. 2, 5f. (vgl. aber 71) einer Differenzierung zu bedürfen, vgl. auch o. VI 1 Nr. 6. Natürlich sieht Käsemann in seiner grundsätzlichen Bestimmung der Phänomene viel Richtiges. Ich würde ihm darin zustimmen, daß Pis. weitgehend einem enthusiastisch gepriigten Christentum gegenüberstand. Nur wird man dagegen nicht einfach die Apokalyptik stellen dürfen, vgl. o. A. IV 119. In Bezug auf unsern Text ist Käsemann darin zuzustimmen, daß Pis. apokalyptischer Theologe gewesen ist, indem er traditionelle Gemeindeapokalyptik nicht nur tradiert, sondern auch maßgeblich um- und neugepriigt, ja sogar neu gebildet hat. Auch darin hat Käsemann recht, daß 1. K. 15, 23ff. nicht primär individualistisch, sondern primär kosmologisch orientiert ist. Entscheidend ist Käsemanns Feststellung: "In der Auferweckung handelt es sich ... nicht primär um einen anthropologischen, sondern um einen christologischen Sachverhalt" (aaO 127). Das Gespräch mit Käsemann wird sich also nicht um die Frage: Apokalyptik oder Anthropologie, sondern darum drehen, in welcher Weise die Apokalyptik in unserm Text das Kerygma auslegt. Verhilft sie dazu, die Auferstehung Christi als "vorläu6g noch die große Ausnahme" zu verstehen (aaO 128)? Oder legt sie die
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Die traditionsgeschichtliche Analyse von 1. K. 1j, 24-28 führte uns an einem Paulustext ein Stück der Genesis urchristlicher futurischer Eschatologie vor. Deutlich war dabei ein Dreifaches: Erstens die Bezogc:nheit dieser Eschatologie auf das Kerygma und zweitens die Konkretheit und Situationsbezogenheit der paulinischen Aussagen. Drittens zeigte es sich, daß die Genesis von 1. K. 15, 24-28 weitgehend aufgrund innerchristlicher Traditionen verstanden werden mußte; die jüdische Eschatologie war nur indirekt von Bedeutung. Das zc:ntrale paulinische Anliegen war, die Auferstehung Jesu so auszusagen, daß sie als eschatologische, das heißt: alle Zukunft bestimm.:nde Tat Gottes deutlich wird. Wir sagten vorhin: Von der Z"-
künftigen Oberwindllng (les Todes war 11111 der Anjerstehung Jem 'fIIil/en die Rede. Nehmen wir V.271r-28 dazu, so müßten wir sagen: Von der Alljmtehtmg Jesll war letztlich 11111 der Gottheit Gottes 'fIIil/en die Rede. Nur so wird uns auch die in hymnischem Stil gehaltene!", abschliessende Formel: "damit Gott alles in allem sei" (V. 28c), die Paulus aus seiner hellenistischen Umwelt vertraut gewesen sein mag!", weder befremdlich noch überflüssig erscheinen. Damit will Paulus nicht einfach den endgültigen Hafen angeben, in den das Schiff der Geschichte dereinst einlaufen wird!", sondern vielmehr die Dimension aller seiner vorangehenden Ausführungen aufzeigen. Schon V.15 war die Frage nach Gott angeklungen, und auch in der Präponderanz des Kosm.ischen gegenüber dem Individualistischen in V. 23-28 war sie vorbereitet. Weil die Auferstehung Christi eschatologisches Ereignis ist, ge:ht es darin in letzter und endgültiger Weise um Gott. ,,Die ... Frage, wem die Weltherrschaft gehört, steht hinter der Auferstehungstheologie des Apostels"1I6. Paulus weiß aber, daß die Gottheit Gottes Aufemehung Christi als das Ereignis, das die Zukunft als Gottes Zukunft gewiß macht. aus? Dann wUrde den Korinthern mittels apokalyptischer Vorstellungen aufs n.:ue gezeigt, daß Glauben an die Auferstehung Christi auch Glauben an die überwindung des Todes und die Zukunft Gottes bedeutet. Dabei sind wir mit Käsemann der Meinung, daß die paulinische Apokalyptik ..die Angefochtenheit des Glaubenden" (aaO 130) ernst nehmen will. 111 Vgl. die Häufung von 1f«IITIX in V. 28; dazu Norden, Agnostos Theos 24011"., bes. 243 A. 2; 2441f. 118 Vgl. auch Kol. 1,18; Eph. 1, 23. Parallelen besonders bei Norden, Agnostos Theo5 245 (Aristides Sarap. 45); 246 A. 5 (Tert. adv. Prax. 5; Maoilius V 91511".); J. Weiss, Urchristentum 409 A. 3. 111 Wiederum will Pis. 1. K. 15, 28 keine weltanschaulichen Angaben machen und beanl:'ovortet deshalb keine Neugierdefragen, vgl. o. S. 48. Nicht gesagt ist etwa, worin die Unterwerfung Christi unter Gott besteht. Thüsing, Per Christum 2461f., will von R. 8, 29 her lesen: "Daß Christus durch sein eigenes ömnMacO'kL auch seine Brüder ... in die vollendete Hinordnung auf den Vater überfUhrt" (aaO 247). Doch soll hier wohl der Subordinatianismus umgangen werden, vgl. aaO 251. I'ßeiderer, Paulinismus 271, leitet aus V. 28c die These von der Allversöhnung ab. UI Käsemann, Apokalyptik, Aufs. 11, 129. Vgl. auch Bultmann, Theol.353; Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes 209f.: Weil Paulus das Christu8geachehen als
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nicht jetzt, sondern am Ende der Zeit offenbar werden wird, und drückt so zugleich aus, daß die Evidenz der Macht des Todes Gottes Zukunft nicht zu überspielen vermag. So zeigt die paulinische Eschatologie einen tief theozentrischen Grundzug. Dasselbe beobachteten wir bereits bei R. 9-11, besonders im triumphierenden Abschluß R. 11, 33-36128• Von der ZukJmjtse17llartung ist bei Paulus um des Glaubens willen die Rede, im Glauben aber geht es um das Festhaltenkönnen an der Treue und Wahrheit Gottes. Durch diesen theozentrischen Zug in seiner Eschatologie läßt Paulus ein zentrales Anliegen des Alten Testaments und der Apokalyptik aufs neue zur Geltung kommen 127•
D. 1. K. 15,23-28 im Vergleich mitandern eschatologischen Aussagen bei Paulus Wie verhalten sich nun die an unserer Stelle von Paulus in selbständiger Uminterpretation traditionellen Materials entwickelten eschatologischen Aussagen zu andern Aussagen des Paulus? Hat Paulus selbst eine geschlossene Anschauung über die Ereignisse der Endzeit gehabt, in die er die ihm überkommenen eschatologischen Aussagen eingepaßt hat? Auch in 1. Tb. 4, 13-18 hatten wir eine selbständige Neuinterpretation überkommener Tradition durch Paulus festgestellt. Die Auslegung beider Texte hatte gezeigt, daß Auswahl und Umprägung der apokalyptischen Aussagen sich jeweils aus den Erfordernissen der eschatologischen Interpretation des Kerygmas in konkreter Situation erklären ließen. Diese These muß nun umgekehrt der Frage ausgesetzt werden, ob nicht doch ein Gesamtentwurf paulinischer futurischer Eschatologie vorliegt, der die einzelnen Aussagen verständlich macht. Wir versuchen also, 1. K. 15, 23-28 mit 1. Th. 4, 13-18 und mit andern, einschlägigen paulinischen Texten, vorab 1. K. 15, 50-52 (35-58) und Phil. 1, 23 zu vergleichen1B8 • Im Vergleich mit 1. Th. 4, 13ff. fällt zunächst auf, daß der Thessalonichertext in 4, 17 beim "Mit-dem-Herrn-sein" anläßlich der Parusie stehen bleibt und darüber hinaus keine Aussagen macht. V. 24fT. unseres Korintherkapitels sind also überschießend, während umgeOffenbarung der Gerechtigkeit Gottes interpretiert, muß er subordinatianisch denken. "I Vgl. o. S. 299f. Zur theozentrischen Grundstruktur des paulinischen Denkens vgl. auch die Verweise o. A. II 461; IV 124 und u. A. IX 37. m Vgl. das Material bei Volz, Eschatologie 165ff. Auch in der vorpaulinischen hellenistischen Theologie kann der theozentrische Gesichtspunkt zentral sein, vgl. etwa Phil. 2, 11, das aus Gründen der Symmetrie des Hymnus m. E. vorpln. ist (mit Käsemann, Kritische Analyse, Aufs. I, 89, gegen Schweizer, ThW VIII, 385, 3ff.). In Zu 2. K. 5, 1If. vgl. u. VIII 1; zu R. 8, 18ff. vgl. u. VIII 2.
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kehrt eine ausführlichere Schilderung der Parusie in 1. K. 15, 23ff. fehlt, doch hat dies seinen Grund in dem 1. Th. 4, 13ff. aufgenommenen traditionellen Material. Immerhin scheint aber das "Mit dem Herm-Sein" 1. Th. 4, 17 etwas Endgültiges, nicht bloß Vorläufiges zu meinen. 1. Tb. 4, 13ff. bleibt bei dem auf die einzelnen Gläubigen bezogenen Denken stehen und zieht auch aus der apokalyptischen Parusieweissagung ein den Einzelnen betreffendes Fazit. Anders 1. K. 15, wo die den einzelnen Christen betreffenden Zukunftsaussagen durch die "kosmischen" Ausführungen von V.24b-28 nicht nur el:gänzt, sondern geradezu eingerahmt werden. Den Grund hierfür haben wir erkannt: Es geht eben 1. K. 15 nicht nur um das künftige Auferstehen des Einzelnen, sondern um die Zukunft der Auferstehung Christi als eschatologischer Tat Gottes und nur insofern auch um das künftige Auferstehen der Korinther1!'. Dem kosmischen Derik·en des Apostels in V. 24b-28 entspricht die grundsätzliche Infrage~.tellung der Zukunftshoffnung, die Paulus bei den Korinthern sah, während die Thessalonicher Auferstehung und Parusie als solche unbestritten ließen. Ihnen gegenüber, die von der Angst um ihre eigene Zukunft bewegt waren, mußte Paulus weit weniger grundsätzlich argunlentieren als gegenüber der Gemeinde in Korinth. Der andere Unterschied zwischen beiden Texten besteht darin, daß 1. K. 15, 23ff. vom Schicksal derjenigen, die bei der Parusie noch am Leben sind, absieht. Auf diese Frage kommt Paulus aber 1. K. 15, SOff. 2:U sprechen. Seit V. 35 erörtert er die Frage, "in was für einem Leib" die Toten auferstehen werden. Paulus stellt diese - hypothetische'" - Frage gerade nicht, um irgendweIchf' aufweisbare Kontinuität zwischen irdischem Menschsein und der Existenz UI Man kann also nicht, wie z. B. W. Grundmann, überlieferung und Eigenaussage im eschatologischen Denken des Apostds Paulus, NTS 8 (1961/62) 12-26, dort 17, die "personal-kommunikativen" Aussagen in der pm. Eschatologie einseitig in den Vordergrund stellen und die zeitlich-apokalyptischen Aussagen zu bloßen "Hilfsvorstellungen" degradieren. 11' Di.~ Argumentation braucht nicht unbedingt auf Kenntnis von Fragestellungen in der korinthischen Gemeinde zurückzugehen: '.Alla. I:pd TU; kann Argumentation eines fiktiven Gesprächspartners sein, vgl. Bultmann, Stil der paulinischen Predigt 66f.; J. Weiss, 1. Kor. 367 A. 4; Schmithals, Gnosis 147, und o. A. III 147. Schniewind, Leugner, Nachgdassene Reden 130, und Brandenburger, Adam und Christus 73 A. 2, müssen sich so helfen, daß sie die Frage der Korinther als nicht ernst gemeinten Spott verstehen, denn wenn die Korinther eine Auferstehung der Pneumatiker im jetzigen Leben annehmen, können sie die Frage von V. 35 gar nicht .!rnsthaft stellen. Man stdlt aber Pis. auch nicht ein sehr schmeichdhaftes Zeugnjs aus, wenn man ihn auf solchen Spott so ernsthaft und ausfUhrlich eingehen läßt. Die Formulierung nole,> 3~ a&>IJ4TL (vgl. s. Bar. 49, 21) dürfte vidmehr durch die bekannten Diskussionen zwischen den Schulen des Scba-i und des Hilld mit veranlaßt worden sein, vgl. Stt.-B. 111, 473f. undJ.JmtllllII, 'Flesh and BJ.ood cannot inherit the Kingdom of God' (1. Cor. 15, SO), in: Abba, Göttingen: Vandenhoeck 1966, 298-307, dort 307.
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VII. Die Zukunft des Glaubens
der Auferstandenen herzustellen, sondern um diese abzulehnen und allein der freien Tat GotteS vorzubehalten111• Der Text wimmelt von Gegensatzpaaren: V. 40: epigeioi - epouranioi V. 42. 50. 53f.: phthora - aphtharsia V.43: atimia - doxa astheneia - dynamis V.44: söma psychikon - söma pneumatikon ek ges - ex ouranou V.47: choikos - epouranios V. 53f.: thneton - athanasia Sie haben den Sinn, die gänzliche Unvergleichbarkeit der Auferstehung mit allen menschlichen Kategorien und Existenzweisen zu statuieren. Auferstehung kann eigendich nur als Gegensatz zur menschlichen Existenz beschrieben werden. So kann Paulus den fiktiven Frager mit &tppCol" apostrophieren ('1.36). In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich gebieterisch die Frage nach dem Schicksal derer, die die Parusie noch erleben werden. In einem kleinen Exkurs"t geht Paulus dieser Frage nach und sagt in einem "mysterion", daß auch für die zur Zeit der Parusie noch Lebenden keine Kontinuität besteht: Zwar werden nicht alle'" sterben, aber alle werden verwandelt werden. Paulus dürfte hier Tradition aufnehmen, die zwar im einzelnen nicht mehr genau ausgeschieden werden kann, aber doch vor allem in V. 52 zu vermuten istU4 • Er Der Begriff "söma" hat 1. K. 15, 35ff. gerade nicht die Funktion, eine Kontinuitit zwischen irdischer und verherrlichter Existenz zu wahren, vgl. Schweizer, ThW VI, 418, 20ff.; ders., ThW VII, 1059, 17ff.; H. Con~tll1lann, Art. Auferstehung, RGG" I, 695f., dort 695, vgl. auch schon Stürmer, Auferstehung und Erwählung, vor allem 176ff. 111 Jeremias. Flesh and Blood, Abba 298ff., schlägt vor, V. 36-49 auf die Frage 7tolql 3~ CJq,.IX'fL (V. 35b), V.50-55 auf die Frage 7troc; (V.35a) antworten zu lassen. Er verkennt aber m. E. sowohl den rhetorischen Charakter der beiden Fragen in V. 35, die er künsdich voneinander unterscheidet, als auch die engen Beziehungen zwischen den beiden Abschnitten, vgl. nur V. 42.50. 53f. Vielmehr nimmt V. 53f. den durch den Schriftbeweis V. 45ff. und den Exkurs V. 50ff. unterbrochenen Gedanken wieder auf. Vgl. dazu auch Schweizer, ThW VII, 128, 14ff. 111 TIIlV'UC; oö ist im Sinne von oö 7t1l'l'fEC; zu verstehen, vgl. Bl.-Debr. 433, 2 und Kümmel, bei Lietzmann, Kor. 195f. . .& Tradition sind lv «T61/oCtl, l" ~Lnii bCP&cx).~oü und lv 'tij laxli'tTJ CJIlA7tLYYL, vgl. 1. Tb. 4,16. Hingegen dürfte sich V. 51b als pln. erweisen. Uber die Herkunft des Terminus IiMCJCJCJl läßt sich kaum etwas Bestimmtes ausmachen: R. 1, 23 und Gl. 4, 30 wird er in völlig anderem Zusammenhang gebraucht, sonst fehlt er bei Pls. Die Tatsache-der Verwandlung ist traditionell, vgl. äth. Hen. 50,1; 108,11; s. Bar. 5Of.; auch die von Str.-B. 111, 473 erwähnte Diskussion handelt sachlich von der Verwandlung. Gegenüber dem Judentum wird die Vorstellung durch den Kontext (vgl. V. 5Oc. 52: 4ql.&atpTOL; 53f.) weit radikaler gefaßt. Noch schwieriger ist die Frage, ob in V. 50b von CJIlP; bis xA'tJPO"OI1'ijCJIXL OÖ 3WIX'fIXL Tradition vorliegt, die dann durch den parallelen V. 50c von Pls. interpretiert worden wäre. Wie ( K. 6,9; Gl. 5, 21 zeigen, ist die Wendung XA'tJPOVOl1tCJl !3IXCJL).sllX" &soü Pis. bekannt, wird aber sonst vorzugsweise in ethischem Kontext verwendet. Up; XlXl cxtl1lX findet sich noch GI. 1, 16. Daß wir den Satz auch Phil. Ev. (ed. W. Till, Berlin: de Gruyter 1963) 23 = 104, 32ff. in gnostischem Kontext wiederfinden, dürfte eher für das Vorliegen eines traditionellen Satzes sprechen. Jeremias, Flesh and Blood, Abba 299, bezieht V. 50c auf die Toten, 50b dagegen auf die die Parusie noch Erlebenden. Doch ist wohl CP&OPIl schon V. 42 nicht eine Bezeichnung der Toten speziell, sondern des irdischen Lebens überhaupt. So wird doch eher synonymer, o. h. explikativer, als synthetischer Parallelismus membrorum anzunehmen sein. 111
2. 1. K. 15,23-28
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fonnuliert aber das Mysterium in eigener Verantwortung, indem er in V.51b seine c:igene Interpretation voranstellt und die verwendete Tradition - im Unterschied zu 1. Th. 4, 15ff. - nicht als sokhe kenntlich machtllI. Seinen Skopus ersehen wir aus V. 51 lin.: Alle 11. werden wir verwandelt werden. Eine Verwandlung widerflihrt also in gleicher Weise den bei der Parusie noch Lebenden und den bis dahin Verstorbenen. Es gibt kein Erben des Reiches Gottes, ohne daß Gott in völlig souveräner Neuschöpfung sein - in der Auferstehung Christi zugrundegelegtes - Wunder vollzieht.
Fragc!n wir nun nach dem Verhältnis dieses Textes zu 1. Tb. 4, 13ff., so ist: ganz einfach festzustellen, daß dort von der Entrückung der die Paru~ie noch Erlebenden die Rede ist, während es hier um ihre Verwandlung geht. Beide Vorstellungen schließen sich keineswegs aus, stehe:n aber zunächst einmal völlig kontaktlos nebeneinander. Nur dies läßt sich sagen, daß die Verwandlung für Paulus wichtiger gewesen sein muß als die Entrückung: Während er jene einfach aus der Tradition übernimmt und uninterpretiert stehen läßt, Billt der vielleicht ja auch aus der Tradition stammende Gedanke der VetWlI1ldlung sachlich mit dem Anliegen zusammen, um das es Paulus seit V. 42 geht. Paulus verwendet ihn dazu, Gottes von Grund auf neuscha:ffendes Auferstehungshandeln zu interpretieren. Auch 2. K. 5, 4 scheint er wieder auf ihn zurückzukommen!3'. Hinsichtlich der übrigen eschatologischen Vorstellungen besteht wohl zwischen heiden Kapiteln kein Unterschied: Hier wie dort nimmt der Apostel die Parl:lsie zu seinen Lebzeiten anla8 ; auch in Bezug auf die Auferstehungsvorstellung ist kein Unterschied festzustellen!·'. Gehen wir von hier weiter zum Philipperbrief, so scheinen wir dort 1, 23 vor einer völlig veränderten Sachlage zu stehen, indem das "Sein mit Christus" nach dem Tod als Alternative dem Am-Lehen-Bleiben V gl. o. A. V 96. J. Weiss, 1. Kor. 378 sieht zwischen V. 51, wo alle verwandelt werden. und V. 5:Z lin., wo dies nur von den "hemeis" (d. h. strikte: von den mit Pls. zusammen die Parusie Erlebenden) gilt, einen Widerspruch. Aber Weiss interpretiert wohl zu logisch. Im Sinne des PIs. ist wohl die Tatsache, daß die Toten unverweslich werden, auch eine Verwandlung. Die Verwandelten, die bei der Parusie noch sm Leb:n waren, sind wohl für Pis. prinzipiell den anläßlich der Parusie verwandelten auferstandenen Toten gleichgestellt, vgL Hoffmann, Toten in Christus 247. m V gl. u. S. 364. 188 Vgl. o. A. 17. Vgl. auch Robertson-Plummer, 1. Kor. 376; Tillmaon, Wiederkunft 78f. ... Gegen Teichmann, Auferstehung und Gericht 39, der meint, daß Pis. den "rei:nen Auferstehungsgedanken, wie er in 1. Th. vorliegt", in 1. K. 15 bereits nicht mehr~ durchgehalten habe, weil er ihn durch seine Verwandlun231ehre, die die ..vö . e Vernichtung" alles dessen, was zum Fleisch gehört (aaO S'3), einschließt, mo iliziert habe, vgl. auch aaO 51ff. Im Philipperbrief wäre er dann vollends preisgegeben. Woher weiß Teichmann darüber Bescheid, was für Pis. der "reine'" (für Teichmann heißt dies wohl: der rein jüdische) Auferatehangsgedanke in 1. Th. 4 an Vorstellungen voraussetzt? 110
18.
356
VII. Die ZlIkunft des Glallbens
gegenübergestellt wird. Muß das nicht fast zwangsläufig dahin interpretiert werden, daß Paulus zu jener Zeit eine unmittelbare Vereinigung mit Christus nach dem Tode erwartete140? Die Vorstellung von 1. Th. 4, 13ff., nach der ja gerade alle, die Lebenden und die Toten, zugleich mit Christus zusammen sein werden, scheint unserer Stelle diametral zu widersprechen. Nach 1. Th. 4 wäre eine Alternative zwischen "mit Christus sein" und "am Leben bleiben" völlig undenkbar. Doch wird man in der Beurteilung der Differenz vorsichtig sein müssen. Die Hoffnung auf eine künftige Auferstehung hat Paulus auch im Philipperbrief noch geteiltl4l• Im übrigen unterscheidet sich Phil. 1,23 von 1. Th. 4 und 1. K. 15 vor allem dadurch, daß Paulus - er war ja im Gefängnis und seine Hinrichtung war reale Möglichkeit - individuell und persönlich formuliert. Auf jede Ausmalung der persönlichen Hoffnung durch apokalyptische Vorstellungen wird hier verzichtet. Schon deshalb wird man sich hüten müssen, aus diesem Vers vorschnell eine völlig veränderte Eschatologie des Paulus herauslesen zu wollen. Im Grunde genommen ist Phil. 1,23 unter der Voraussetzung bereits völlig verständlich, daß Paulus sich das Sein im Tode vor der Verwandlung nicht als bewußtes Sein, sondern eigentlich überhaupt nicht vorgestellt hat14l• So ist es m. E. durchaus möglich, in der persönlichen Hoffnung die Zeit zwischen Tod und Auferstehung gedanklich zu überspringen und für sich das Sein mit Christus als Alternative zum noch am-Leben-Bleiben-müssen herbeizuwünschen. Gerade im ANsdrllck seiner persönlichen Hoffnung betont Paulur in keiner Weire irgend1l1elche apokalYptische Vorstellrmgen. Diese nimmt er dort auf, wo er sie um der rechten Interpretation des Kerygmas willen braucht. Jedenfalls ist diese Annahme leichter als die einer Metamorphose paulinischer Eschatologie, die überdies in einer unglaublich kurzen Zeit hätte stattfinden müssen143• Die Then ein" Enlrllid:ltmg 'er palliinirehen Erehafologie wurde von einem breiten Strom der Forschung vertreten, die eine langsame Hellenisiemng der paulinischen
UO So interpretieren z. B. Guntermann, Eschatologie 279f.; Dibelius, Thess.Phil. 68ff.; W. Grtmdmann, Art. t1Öv XTA., ThW VII, 766-798, dort 783, 18ff. und A.86. lU Vgl. Phil. 1,6.10.28; 2, 16; 3, 11. 19ff.; 4, 4f. 19. Vgl. u. bei A. VIII 8, ähnlich auch Schweizer, EvTh 26 (1966) 239f. A.l, und Hoffmann, Toten in Christus 313ft". 1" Das würde allerdings die These schwierig machen, daß 2. K. 5, Iff. sich auf die Furcht vor dem Zwischenzustand beziehe, vgl. u. VIII lc. 1" Der Philipperbrief ist wohl - mit G. Bornkamm, Der Philipperbrief als paulinische Briefsammlung, Neotestamentica et Pattistica, Festscbr. O. Cullmann, Suppl. NovTest 6, Leiden: Brill1962, 192-202, dort 199; Marxsen, Einleitung 63 - in einer ephesinischl."ll Gefangenschaft des Pis. entstanden, also etwa in der gleichen Zeit wie die korinthische Briefsammlung, kaum erst in Caesarea oder gar in Rom.
2. 1. K. 15,23-28
357
Eschatologie von 1. Th. über 1. K. und 2. K. bis zu Phil. annahm'''. Dabei spielte das 2. K. 1, 8-11 genannte Erlebnis oft eine wichtige Rolle. Allerdings deutet Paulu!; selbst dieses Erlebnis 2. K. 1, 9bf. offenbar anders. Mit der Möglichkeit seines Todes wird er überdies auch schon vor 2. K. 1, 3ff. konfrontiert, man vergleiche nur 1. K. 15, 30ff.; 2. K. 11, 24ff. Gegen die grundsätzliche These einer Entwicklung der paulinischen Eschatologie wandte sich die konservative Forschung, meist von einem vorgegebenen, der traditionellen Kirchenlehre etwa entsprechenden System der Eschatologie aus"". Auch mit der These, daß Paulus für sich oder eine Gruppe besonders begnadeter Christen, z. B. die Märtyrer, eine spezielle Eschatologie postuliert, wird man das Problem nicht lösen können'''. U. E. besteht die einzige, in Phil. 1,23 feststellbare Umwandlung darin, daß Paulus nicht mehr mit einem überleben bis zur Parusie unbedingt rechnet, was auch angesichts seiner Gefangenschaft durchaus verständlich ist.
Von einer grundsätzlichen Anderung oder Entwicklung der paulinisehen Eschatologie wird man also kaum sprechen dürfen. Aber ebensowenig denkt Paulus seine einzelnen eschatologischen Aussagen aus einem ganzen, geschlossenen apokalyptischen Entwurf heraus. Vielmehr stehen die einzelnen apok4!Jptisch-futurischen ARssagen des Apostels in einem merkwürdig losen Verhältnis zueinander, das man wohl Qm besten mit dem Slich1llort der "Kontaktlosigk,eit" umschreiben könnte. Auch wenn sie sich als Vorstellungen gegenseitig kaum ausschließen, lassen sie sich doch nur schwer zu einer Gesamtgeschichte der Zukunft ergänzen. Jede:nfalls bedürfen sie nicht einer solchen zu ihrer Verständlicbkeit147• sondern werden in ihrem Sinn und ihrer Funktion jeweils aus sich selbst, bzw. aus der Situation der Briefempfänger und dem theologischen Anliegen des Paulus verständlich. ... Diese Auffassung wird mit Modifikationen vertreten u. a. voo Teichnwm, Aufetstehung und Gericht pss.; Tillmann, Wiederkunft 117f.; Holtzmano, Theol. 11, 215ff.; Weinel, Theol. 324ff.; Glasson, Second Advent 206ft".; Dodd, Tbe Mind of Paul 11, N.T.Studies 109ff.; Schoeps, Paulus 102; D. M. SIIZIII'.1, Christ>. Resurrection in Pauline Soteriology, Analecta Biblica 13, Roma: Poot. lost. BibI. 1961, 75ff.; Knox, Gentiles 128ff.; Shires, Eschatology 37ff.; ferner die bei HoIfmanIlI, Toten in Christus 235f. Genannten. Vos, Eschatology 172/f., nimmt sogar eine Entwicklung der pln. Eschatologie in vier Stadien an, wobei die allmähliche Verwandlung von 2. K. 3, 18 das vierte und letzte Stadium wäre. Vgl auch u. A. VIII 1 und VIII 3. m Z. B. bei Guntermann, Eschatologie 306ff.; W. Michaelis, Der Brief des Paulus an die Philipper, ThHK 11, Leipzig: Deichert 1935, 26f.; Feine, Theol. 28OIf. "" E. Lohml!Jer, Der Brief an die Philipper, Meyer K. 9/1, 13. Aull. Göttingen: Vandenhoeck 1964, 63f. (vgl. auch Nikolainen,Auferstehungll,237ff.),denktvon der Martyriumserwartung des Pis. her und deutet die unmittelbare Vereinigung mit Christus als eine besondere Gnade für den Märtyrer. Dibelius, Phil-Thess. 69 dünte aber mit seinen Argumenten gegen ihn weitgehend Recht behalten. J. SBI'enller, Einige Bemerkungen über den .,Zwischenzustand" bei Paulus, NTS 1 (1954/55) 291-296, dort 295f. deutet .,syn Christö" auf die Hoffnung des PIs. für den Zwischenzustand, richtet aber dadurch erst recht einen Widerspruch zu 1. Th. 4, 13ff. auf, wo der Zwischenzustand indifferent bleibt und .,syn kyriö" eschatologisch zu deuten ist• ... Solche Entwüne finden wir z. B. bei Schweitzer, Mystik 66-70, VM allem bei Boru:irven, Evangile 316ff., der sogar 1. K. 15 korrigiert, indem er den richtigen "ordre logique et chronologique" (aaO 316) einführt.
358
VII. Die Zu/ellnjt des Glaubens
Damit sind wir nun so weit, einen Vergleich des apokalyptischen Materials in 1. Th. 4, 13ff. und 1. K. 15 nicht hinsichtlich seines Vorstellungsgehaltes, sondern hinsichtlich seiner Intention und Aufgabe vorzunehmen148 • In beiden Texten war uns die aktive Rolle des Paulus gegenüber dem traditionellen apokalyptischen Material aufgefallen. Paulus ist nicht nur Tradent, er ist Neuinterpret, ja Neugestalter traditioneller Eschatologie. In beiden Texten fiel uns auch die Konkretheit der paulinischen Eschatologie auf. Futurische Eschatologie ist Antwort auf eine ganz spezifische Notsituation, die Hoffnungslosigkeit angesichts der ersten Todesfälle in Thessalonich und die Zukunftslosigkeit, in die die Ablehnung der Auferstehung der Toten nach der Meinung des Paulus die Korinther führte, ihre Glaubenslosigkeit, die darin wurzelte, daß das Kerygma seine eschatologische Macht nicht mehr besaß. In beiden Texten mündet eschatologische Aussage schließlich in die Paränese (1. Th. 4, 18; 1. K. 15, 58, vgl. 34). In beiden Texten erwies sich der Bezug der futurisch-apokalyptischen Eschatologie auf das Kerygma von Jesu Tod und Auferstehung als grundlegend. Beidemale hat Paulus die apokalyptische Zukunftshoffnung als Auslegung dieses Kerygmas verstanden, genauer: hat er durch den futurischen Entwurf dem Kerygma erneut die ihm eigene Zukunft eröffnet. Es geht also bei Paulus in seinen Entwürfen futurischer Eschatologie um keine andere Zukunft als die vom Kerygma eröffnete, ja noch mehr, es geht bei dieser Zukunft nicht um eine Folge des Kerygmas, sondern um das Kerygma selbst. Ohne seine Zukunft wäre "unser Kerygma leer, nichtig auch euer Glaube" (1. K. 15, 14). So läßt sich sagen: Die futurisch-eschatologischen Aussagen heben diese Entleerung des Kerygmas, die ihm in einer bestimmten Situation widerfahren ist, auf, und helfen, seine Macht zu bezeugen. Dabei sind aber die Unterschiede zwischen 1. Th. 4 und 1. K. 15 nicht zu übersehen: Während Paulus dort eine deutliche Indifferenz gegenüber apokalyptischen Einzelheiten zeigte, erweist sich derselbe Paulus in 1. K. 15, 23ff. als schöpferischer Apokalyptiker. Natürlich geht es auch 1. K. 15 nicht um die Entfaltung von Vorstellungen als solchen, sondern um die eschatologische Bedeutsamkeit des Kerygmas. Natürlich wird auch 1. K. 15 nicht das apokalyptische Einzelmaterial um seiner selbst willen entfaltet, aber dennoch bleibt der Unterschied bemerkenswert. Er ist ebenso bemerkenswert, wie die betont theozentrisehe und kosmische Akzentuierung, die die paulinische Eschatologie hier erfahren hat.
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Vgl. o. S. 330f.
VIII. DAS VERHÄLTNIS VON GEGENWART UND ZUKUNFT
1. Die Zukunftsvorstellungen von 2. K. 5, Hf. Wir haben in unserer bisherigen Analyse der eschatologischen Vorstellungen bei Paulus ihr gegenseitiges Verhältnis mit dem Stichwort "Kon.takdosigkeit" zu beschreiben versucht. Darunter verstanden wir die Tatsache, daß sich zwar die von Paulus in seinen apokalyptischen Darlegungen auftauchenden Vorstellungen gegenseitig nicht aussclbließen, sich aber auch für ihr Verständnis gegenseitig nicht voraussetzen, so daß weder von Widersprochen, noch von einer Entwicklung, noch von mehreren Linien in der paulinischen Eschatologie1, noch aber auch von einem geschlossenen apokalyptischen "System", aus dem heraus alle Einzelaussagen gedacht und zu verstehe:n sind, gesprochen werden kann. Dies(:r These scheint nun der schwierige Text 2. K. 5, 1-10 zu widersprechen. Seine ausführliche Analyse ist hier nicht unsere Aufgabe', weil der Text als ganzer nicht Aussagen über die Zukunft, sondern solche über die christliche Existenz angesichts ihrer Zukunft machen will. Dennoch müssen wir uns kurz mit ihm beschäftigen. Es gilt, einerseits die Zukunftsvorstellungen, die 2. K. 5, tff. auftauchen, zu bestimmen und ihr Verhältnis zu den sonst bei Paulus vorliegenden Zukunftsvorstellungen zu untersuchen. Andererseits dürfte uns gerade dieser Text wichtige Hinweise zur Frage des Verhältnisses von Zukunft und Gegenwart bei Paulus liefern. Wir werden also fragen müssen: In welcher Weise wird die christliche Existenz von ihrer Zukunft bestimmt? Wie verhalten sich Zukunft und Gegenwart des Heil!; in 2. K. 5, tff. und dem mit diesem eng zusammengehörenden Text 2. K. 4, 7ff.?
Zum Versuch, die pln. Eschatologie als ein Nebeneinander mehrerer Linien zu erklären, vgl. o. A. VII; A. VI 33; A. VII 129 und A. VII 144-146, femer u. A. 9. • Die! ältere Literatur zu 2. K. 5, 1tr. ist zusammengestellt bei TiIlmaru1. Wiederkunf.. 94 A. 1. Neuere Literatur stellen zusammen: Dupont, Syn Christo 115f. A. 1; R. F. Heillinger, 2. Corinthians 5,1-10, SJTh 10 (1957) 174-194, dort 174f.; E. E. Ellir,lI Corinthians V, 1-10 in Pauline Eschatology, NTS 6 (1959/60) 211224, dort 211 A. 1-6; neuestens handeln über unsem Tat: /l. /kr?:7, Death and Life in Christ, SJTh 14 (1961) 60-76; Hotrmann, Toten in Christus 253-285. 1
360
VIII. Das Verhältnis von Gegenwart und Zukunft
Da die Exegese des Abschnittes kontrovers ist, gehen wir am besten anhand eines Überblicks über die vorhandenen Auslegungsmöglichkeiten vor. a) Eine verbreitete Auslegung von 2. K. 5, 1ff. will in unserm Text folgende Aussagen finden: ,,1. Der irdische Leib, der zur Herberge für das mcül'Ot dient, muß vergehen. Er ist das Hindernis, das unserer Vereinigung mit dem Herrn im Wege steht. 2. Der himmlische Leib ist ... für jeden Einzelnen von Gott geschaffen. Er ist im Himmel, bereit, den Gläubigen im Augenblick seines Sterbens zu überkleiden. 3. Das Vergehen des irdischen Leibes würde die Nacktheit des im Christen vorhandenen mcüiJ.1X zur Folge haben. Diese Nacktheit ist zu denken ... etwa als Schatten im Hades. Allein diesem widerwärtigen Zustand wird der Christ nicht anheimfallen. 4. Vielmehr wird er im Momente des Sterbens mit dem himmlischen Leibe überkleidet, so daß das Leben in dem neuen, himmlischen a",1'Ot in demselben Augenblick beginnt, wo das Leben in dem irdischen aufhört ... 5. Sofort nach dem Tode muß jeder vor den Richterstuhl des Christus treten, um seinen größeren oder geringeren Lohn zu erhalten"". Es bedarf keiner weitem Worte, um zu sagen, daß diese individualistische und stark von griechischen Parallelen bestimmte· Sicht des Abschnittes sich nicht mit den übrigen Aussagen des Apostels zur futurischen Eschatologie vereinbaren läßt. "Die Auferstehung der Christen ... ist durch 11. Kor. 5 ... völlig unmöglich gemacht", meint Teichmann". Entweder muß dann eine Entwicklung der paulinischen Eschatologie, vielleicht durch das in 2. K. 1 geschilderte Erlebnis ausgelöst, oder eine Zweispurigkeit im eschatologischen Denken des Apostels angenommen werden. Diese Alternative bleibt auch dann bestehen, wenn man - etwa mit Windisch" - die unmittelbare Vereinigung mit Christus nach dem Tode nur für die vor der Parusie Verstorbenen annehmen möchte. Jedenfalls sind die Schwierigkeiten, die sich dieser Konzeption entgegenstellen, groß: 1. Das Auftauchen einer völlig neuen eschatologischen Konzeption hätte von Paulus irgendwie deutlich gemacht werden müssen; keinesfalls hätte er den Abschnitt mit dem ja auch die Korinther selbstverständlich einschließenden ot8IXiJ.CII ycip beginnen können. 2. Das "Moment der ,Alsbaldigkeit'" der Vereinigung mit Jesus nach dem Tode als eigentliches Novum dieser Konzeption bleibt eine Ergänzung, die der Exeget in den Text hineintragen muß'. 3. Die Gegensätze, nicht nur zu den früheren Texten 1. K. 15 und 1. Th. 4, 13ff., sondern auch zu Aussagen wie 2. K. 4, 14; 13,4 und R. 13, llff., zu den Aussagen im Philipperbrief, die eine künftige Auferstehung und einen Gerichtstag erwarten', vor allem aber zu der doch sehr eng mit unserer Stelle verwandten Stelle R. 8, 22ff.
Teichmann, Auferstehung und Gericht 65. In ähnlicher Richtung denken z. B. P. S&hmiedel, Die Briefe an die Thessalonicher und an die Korinther, HC 11/1, 2. Auf!. Freiburg: Mohr 1892, 238ff.; Holtzmann, Theol. II, 218; Windisch, 2. Kor. 157ff.; Vos, Eschatology 187ff.; M. Goglitl/, La foi a la resutrection de Jesus dans le Christianisme primitif, Paris: Leroux 1933, 38; Knox, Gentiles 128ff., und viele der o. A. VII 144 Genannten, die eine Entwicklung der pln. Eschatologie annehmen. Hettlinger, SJTh 10 (1957) 191f. nimmt nur eine vorübergehende, später wieder rückgängig gemachte Änderung der paulinisehen Eschatologiean. • Die griechischen Parallelen sind zusammengestellt bei Windisch, 2. Kor. 158f. 164f. 166, und bei Dupont, Syn Christö 142ff. 158ff., vgl. auch u. A. 32. I Auferstehung und Gericht 67. • 2. Kor. 159. , Windiseh, 2. Kor. 160, hält diese Ergänzung für "mindestens erlaubt" (I). • Vgl. o. A. VII 141. I
,. Die ZuktmjtsvorsteUungell VOll 2. K. 5,1ff.
361
würden unerträglich. 4. Was die Furcht des Paulus vor der Nacktheit eigentlich meint, wird in diesem Entwurf nicht leicht deutlich. Worin besteht die Nacktheit? Untel~ was fur Voraussetzungen tritt sie ein·? b) So wird man nach andem Lösungen zu suchen haben. Eine der vorgeschlagenen Deutungen wird dabei von vornherein ausscheiden müssen: Es wurde versucht, die "individualistischen" Aussagen von PhiL 1, 23 und 2 K. 5, 1/f. auf Paulus allein und die übrigen Aussagen auf alle Christen zu deuten1 ". Dies ist SChOll, darum nicht möglich, weil die Aussagen von 2. K. 5 aus denjenigen von 2. K. 4, 7/f. erwachsen, Paulus aber in beiden Kapiteln seine Existenz mit derjenigen der Gemeinde zusammenschließt" und gerade nicht für sich eine Sonderexistenz beansprucht, es sei denn, in Anfechtung und Bedrängnis. c) Großer Verbreitung in älterer und neuerer Zeit erfreut sich eine andere Lösung". Die überkleidung mit dem Deuen "Haus" erfolgt hier auf jeden Fall erst bei df:r Parusie. Darin besteht übereinstimmung mit 1. K. 15, SOff. Die Furcht vor dem Nacktsein bezieht sich auf den Zwischenzustand, in dem die vor der Parusie • Windisch, 2. Kor. 162 weiß lediglich, daß die Scheu vor der Nacktheit mehr jüdiSf:h als griechisch empfunden sei. Aber weshalb entsteht sie? Ist es so, daß für Pis. Nacktheit "ein Zusammensein mit dem Herrn ausschließen würde" (Windisch aaO)i' Dann wäre das Nacktbleiben am ehesten als Vollzug des Strafgerichtes Gottf:S zu deuten, vgl. u. A. 26. 40. Schlatter, Paulus der Bote 549f., deutet ~3uGliv.EVOt auf das Anziehen Christi, also auf eine Voraussetzung zum Bestehen des Gerichtes, was sich aber aus dem Zusammenhang nicht nahelegt. Originell ist die Deutung Allos. Die Quintessenz seiner umfangreichen Darlegungen (2. Kor. 120-160), die sowohl die These von Lietzmann u. a. (u. A. 12), als auch die besprochene von Teichmann u. a. ablehnt, besteht darin, daß die Furcht vor der Nacktheit eine Weise des Denkens, "quand nous ne vivons pas assez de notre foi et de notte esperance" (aaO 122), sei. 2. K.5, 1-5 ist nach Allo eine Konzession an die Todesangst der im Glauben noch nicht Gefestigten, während in V. ~10 der glaubensstarke Pis. unabhängig von dieser Angst spricht. In den Kategorien des Thontas von Aquin würden V. 1-5 einem "desir naturei", V. ~10 einem "desir de gr.ke" entsprechen (aaO 128). Die eigentliche Aussage des Pis. findet sich also nach Allo in V. 6-10, wo er seine eigene, mikrokosmische, individuelle Eschatolog:ie entwickelt (aaO 155). Diese wird aber nicht wie von den o. A. 3 Genannten gede1:ltet, sondern als Ergänzung zur Eschatologie von 1. Th. 4 und 1. K. 15, so daß Allo in seiner Skizze der "eschatologie integrale" (aaO 160) des Pis. eine Doppelstufigkeit der individuellen und kosmischen Eschatologie mit zwei Gerichten, einem "Jugement particulier" und einem endRii1tigen "jugement general de Ja :Parousie" (aaO 159) annimmt. In ihrer Weise ist AIlos Konzeption eine Neuauflage der These von den zwei Linien der pln. Eschatologie, vgL die Verweise o. A. 1; zur in vielem benachbarten Konzeption Duponts vgl. u. A. 16. 10 Kabisch, Eschatologie 296; vgl. dazu Holtzmann, Theol. 11, 217 A. 2; L. Brrm, Zur Auslegung von 11 Cor. 5, 1-10, ZNW 28 (1929) 207-229, dort 216; Deissner, Aufet'Stehungshoifnung 55 A. 1. Vgl. auch o. A. VII 146. 11 Vgl. dazu u. A. 116. 11 Vertreten mit Modifikationen u. a. in den Kommentaren von P. Btl&hllltl"", Der zweite Brief des Paulus an die Korinther, KNT 8, Leipzig: Deichert 1909; W. B","$el, Die Korintherbriefe, in: SNT 11, 2. Auil. Göttingen: Vandenhoeck 1908,72-217; Lietzmann, Plummer, Hering, Hughes z. St., ferner bei Kennedy, Last Things 266; E. Kühl, über 2. Kor. 5, 1-10. Ein Beitrag zur Frage nach dem Helle:[lismus bei Paulus, Königsberg: J. H. Bon 1904, pss.; Tillmann, Wiederkunft 99/f., bes. 106; Deissner, Auferstehungsholfnung 86/f.; H. Schmidt, Auferstehungllholfnung 24/f.; Schweitzer, Mystik 13tf.; E. Weber, Eschatologie und Mystik im Nc:uen Testament, BFTh 2/20, Güteraloh: Bertelsmann 1930, 88; Guntt1mantl. EschEltologie 63/f.; Cullmann. Christus und die Zeit 212f.; dera•• UDitublichkeit der Seele oder Auferstehung der Toten? Stuttgan: Kreuz 1962. 56ft; /. s__
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VIII. Das Verhältnis von GegenlIIart IIftd Zukunft
verstorbenen Christen leiblos auf Christus warten. Paulus würde also mit der Möglichkeit eines Todes vor der Parusie rechnen, darauf aber mit umso glühenderer Hoffnung auf die Parusie antworten 13. Doch auch dieser Exegese stellen sich nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten entgegen. Zunächst einmal zeigt sich wiederum ein Widerspruch zu 1. K. 15, SOff. und vor allem zu 1. Th. 4, 13ff. Dort ging es Paulus ja gerade darum, zu zeigen, daß die vor der Parusie Verstorbenen nicht im Nachteil gegenüber den Lebenden seien, im Gegenteill Weshalb denn nun hier plötzlich diese Furcht vor der Nacktheit des Zwischenzustandes? Vor allem aber wird der Gedankengang von V. 1-10 auf diese Weise doch sehr schwierig: V.l ist getragen von der Gewißheit des Besitzes eines himmlischen, ewigen Hauses. Diese Gewißheit würde aber durch ein nicht vorauszusehendes Hindernis, das Sterben vor der Parusie, empfindlich gestört, ohne daß dies irgend wie näher begründet würde. Man sollte meinen, daß angesichts der Furcht vor der Nacktheit des Zwischenzustandes die Konsequenz der Wunsch des Paulus wäre, möglichst lange, d. h. möglichst bis zur Parusie, am Leben zu bleiben. Danach fällt aber sein Wunsch, aus dem Leibe abzuscheiden, den er V. 8 äußert, doch eher überraschend und jedenfalls ..anders aus, als wir nach dem vorigen billigel0Veise erwarten durften"". Und das Seufzen von V. 2 und 4 gilt ja auch nicht der Angst vor dem Zwischenzustand, sondern, wie R. 8, 22ff. doch wohl wahrscheinlich macht, der noch ausstehenden endgültigen Errettung". Zahlreiche eher gequälte Konstruktionen zeugen von den Versuchen der Exegeten, mit diesen Schwierigkeiten fertig zu werden". Sler, Some Remarlts on the rYMNOI: in II Cor. V. 3, in: Studia Paulina, Fest-
schr. J. de Zwaan, Hurlem: Erven F. Bohn 1953, 202-214, dort 206f.; ders., NTS 1 (1954(55) 296; A. Feuillet, La demeure celeste et la destinee des Chretiens, RechSR 44 (1956) 161-192. 360-402, dort bes. 179ff. 381; Prümm, Diakonia Pneumatos UI1, 168f.; Berry, SJTh 14 (1961) 60ff.;]. A. Sint, Parusie-Erwartung und Parusie-Verzögerung im paulinischen Briefcorpus, ZkTh 86 (1964) 47-79, dort 60. Bgl. ferner die bei Ellis, NTS 6 (1959(60) 211 A. 5 und 6 Genannten. 11 Vgl. Tillmann, Wiederkunft 118, der vom Wunsch, die Parusie zu erleben, ..in alter Kraft", spricht; dagegen vermeint Guntermann, Esc;:hatologie 75 in 2. K. 5, lff. ein gewisses Nachlassen der Parusieerwartung, das vielleicht durch 2. K. I, 8ff. bedingt sei, feststellen zu können . .. Kühl, 2. Kor. 5,1-10,20. 11 E( "yE xat! (V. 3) heißt übrigens nicht, wie die oben abgelehnte Interpretation voraussetzen müßte, ..da (wir) ja nur dann" (Lietzmann, Kor. 120), sondern: ..natürlich unter der ja selbstverständlichen Voraussetzung" (Windisch, 2. Kor. 162, vgl. Hoffmann, Toten in Christus 276) . .. Hering, 2. Kor. 49, findet es bemerkenswert, daß sich Pis. V. 6ff...a un niveau spiriNel tel que meme la peur de la ,nudite' ne le touche p~us" er~ebt. Deissner, Auferstehungshoffnung 88, und Sevenster, Remarks, Studia Paulina 209, helfen sich so, daß heilsgeschichtlich im Vergleich zum Endzustand das .. nackte" Sein bei Christus zwal· etwas Unvollendetes, deshalb zu Fürchtendes, im Vergleich mit dem Leben auf Erden aber ein Schritt nach vom und deshalb etwas Erstrebenswertes sei. Tillmann, Wiederkunft 110f., denkt, daß vom Handeln Gottes her (V. 5) Pis. die Indifferenz beider Möglichkeiten betonen wolle. Feine, Theol. 283, bemerkt: ..Das Sterben vor der Parusie betrachtet Paulus allerdings als göttliche Strafe. Daraus folgt aber nicht, daß dieser Zustand mit Momenten des übels und zeitweisem Mangel an Seligkeit behaftet sei". Verstehe das, wer kannl Dupont, Syn Christö 158ff., sieht in V. 6ff. Pis. vor allem von griechischen Gedanken bestimmt und gegenüber V. lff. einen völlig andern Blickpunkt ..absolument en dehors de la perspective de la fin des temps" (aaO 154) annehmen. Auch er spricht, ähnlich wie Allo o. A. 9, von ..approfondissement de son esperance" in den Versen 6-9, muß aber aufgrund seines stark vom religionsgeschichtlichen Material her systematisierten einseitigen Verständnisses von V. 1-5 auf dem Hintergrund
,. Die ZlIktmjtsvorstelltmgell VOll 2. K. 5,1ff.
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d) Zwei andere, in vielen Thesen ähnliche Exegesen suchen, diesen Schwierigkeiten zu entgehen, indem sie XIltTczÄ6(1) in V. 1 anders deuten. L. Bnm und R. H. Slrach.11I versuchen, 2. K. 5, 1If. nicht an 2. K. 4, 17, sondern vor allem an 2. K. 4, 16 all2,uschließen 17• Dann bezöge sich das Verb auf das tigliche Sterben des äußeren Menschen. Die Botschaft von 2. K. 5, 1ff. könnte dann sein, daß "the growth of his inner man is at every stage God's creative work"I', oder, dann doch eher, daß P'aulus angesichts der tiglichen Zerstörung des Leibes im apostolischen Leiden "auf die gewisse Hoffnung auf den neuen Himmelsleib" weist". Die S:hwierigkeiten dieser Lösung liegen auf der Hand. Sie beginnen mit der Interpretation des Aoristes XIltTcx>..uDij"D. Auch das Futur in der Wendung "wenn wir w,:nigstens ... nicht nackt erfunden werden" (2. K. 5, 3) wird schwer erkJirbar. Was die Furcht vor der Nacktheit überhaupt bedeutet, bleibt unklar. Wir haben also nach einer andem Lösung Ausschau zu halten. e) Eine solche schlägt W. Mtmdle vorII: Erlehnt es ab, die Wendung "wenn unsere irdische Zeltwohnung abgebrochen sein wird" einfach, wie es in der ersten und gelege:ntlich auch bei den andem vorgeschlagenen Deutungsversuchen geschieht, auf den Tod des Christen zu deuten. Der allgemeine Ausdruck xlltm,x.. läßt vielmehr auch andere Auslegungsmöglichkeiten offen'·. Auch bei der anläßlich der Parusie stattfindenden Verwandlung der Lebenden kann man von einer Auflösung des irdischen Hauses sprechen, umso mehr, als diese Auflösung als ein .,DarüberAnziehen"u und als "Verschlungenwerden" des Sterblichen beschrieben wird. So von 1. K. 15, SOff. und von V. 6-10 auf griechischem Hintergrund die Disparatheit der pln. Eschatologie innerhalb des Textes 2. K. 5, 1-10 selbst aufbrechen sehen. Außerdem ist wohl auch "gymnos" (V. 3, vgl. Dupont aaO 144ff. und u. A. 38) und "skenos" (V. 4, vgl. u. A. 31) auf heuenistischem oder mindestens jüdisch-hellenistischem Hintergrund zu verstehen, so daß der Wandel des Gesichtspunktes zwischen 2. K. 5, 5 und 2. K. 5,6 nur eingeschränkt durchgehalten werde:n könnte. 17 B11ln, ZNW 28 (1929) 216ff.; R. H. Slrachan, The Second Episde ofPaul to the Corinthians, Moffatt NTC, London: Hodder and Stoughton 1935, 99ff. Die von Sttachan für paulinisch gehaltene These vom Wachstum des inneren Menschen (vgl. auch die stark hellenistisch, evt. aufgrund von Gemeindetheologie formulierte Stelle 2. K. 3, 18) weist gewisse Parallelen mit den von den Korinthern in 1,15 mutmaßlich vertretenen enthusiastischen Auferstehungsvorstellungen auf. 18 Strachan, 2. Kor. 102. 10 Bnm, ZNW 28 (1929) 220 . • 0 R. BIlltmann, Exegetische Probleme des zweiten Korintherbriefes, in: Exegetica, TübiJlgen: Mohr 1967, 298-322, dort 303; vgl. auch Schlatter, Paulus der Bote 549. 11 Das Problem des Zwischenzustandes in dem Abschnitt 2. Kor. 5,1-10, Festgabe A. Jülicher, Tübingen: Mohr 1927, 93-109, vgl. auch Nikolainen, Auferstehu:ngsglauben 11, 229ff.; A. Oeplu, Art. 36(1) XT).., ThW 11, 318-321, dort 318, 37ff.; Wendland, Kor. 169; Hoffmann, Toten in Christus 267ff. '" Vgl. Liddell-Scott s. v., bes. Zif. 3; F. Blicbstl, Art. ).Ö(I) XT).., ThW IV, 337359, dort 337,9ff. In der Formulierung könnte ein bewußter Anklang an das Jesus'wort Mk. 14, 58 Parr. vorliegen, vgl. &Xe'pmrohlwC;, xlltm6(1), oIxo3op.-. Eine individualistische Deutung dieses Wortes liegt in der johanneischen Tradition .1. 2,13ff. (vorjohanneisch?, vgl. C. H. Dodd, Historica1 Tradition in the Fourth Gospel, Cambridge: University Press 1963, 161f.) vor; vgl. auch O. Michel, Art. otxo~ XT).., ThW V, 122-161, dort 149, 35ff.; Fcuillet, RechSR 44 (1956) 361-368; Hughes, 2. Kor. 164, dagegen Hoffmann, Toten in Christus 269 A. 80. Dann wäre "katalyö" traditionell und ohnehin nicht zu pressen• •• 'El'EV36011ta311t~ dürfte wohl wie XIltTlltmlDij in V.4 im Hinblick auf die die Parusie noch Erlebenden, die dann nicht vernichtet, sondern - wie alle andem verwandelt werden, fonnuliert sein, vgl. 1. K. 15.. 51f1'. und Schmitbals, GooIIis 252. Wie V.3 (vgl. 1. K. 15, 531) zeigt, dUrfte der Unterschied zwischen hw-
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VIII. Das Verhältnis von Gegenwart und Zukunft
meint Mundle, daß V. 1 in keiner Weise auf das Wann und Wie der "Auflösung" reflektiere. Vielmehr dürfte - gemäß den übrigen Aussagen des Apostels - die "Besitzergreifung des neuen Leibes ... mit der Parusie Christi verbunden" sein". Aber die allgemeine Formulierung "katalyö" zeigt gerade, daß Paulus hier nicht zwischen dem Tod vor der Parusie und der Verwandlung bei der Parusie differenziert, mithin eben nicht auf den Zeitpunkt reflektiert. Darin dürfte Mundle wohl Recht haben'·. Somit stellt 2. K. 5, Iff. auch nicht einen grundsätzlichen Widerspruch gegenüber 1. Th. 4 und 1. K. 15 dar. Vielmehr entspricht die Stelle in ihrer Indifferenz gegenüber dem Zeitpunkt der "Auflösung" sachlich genau Phil. I, 23. Die Schwierigkeiten von Mundles These liegen vielmehr an einem andern Ort. Wie ist nun die Furcht des Paulus vor der Nacktheit zu erklären? Mundle meint: "Im wesentlichen fällt er (Sc. der Zustand der Nacktheit) .•. mit der cp-&opci zusammen, der der Nichtchrist verfallen ist (Röm. 8, 21, vgl. auch 1. Kor. 15, 50)"·1. Gegen diese Auffassung wird man kaum die Annahme einer Auferstehung auch der Nichtchristen bei Paulus anfuhren können"', eher aber fragen mÜs5C.'Il: "Wie kann Paulus das fürchten", wenn er doch in Christus ist!'? Jedenfalls aber müßte erklärt werden, wieso Paulus an unserer Stelle nicht von "phthora", sondern von Nacktheit spricht. f) Damit kommen wir zu einer letzten Gruppe von Auslegern. Sie wollen zur Erklärung der aufflilligen Terminologie unseres Abschnittes die Situation und die Thesen der enthusiastisch-vorgnostischen Gegner des Paulus in Korinth heranziehen". In der Tat ist das Begriffs- und Vorstellungsmaterial unseres Abschnittes auffällig. Hapaxlegomena sind O!X(IX = O!xo30ILiJ als Bau, bezogen auf das Individuum'·; ax7j"o~, Olx'l]-djPLOV, !ixe:Lp07to('I]'rOI;, ~(o), ~7te:v3o(o), ~3'1]IL~(o), ~~(o). Nur vom griechischen Denken her sind verständlich: ax7j"oc;31 und 300lLllL und dem einfachen i;v300ILIXL, wiewohl vorhanden, sachlich nicht be-
deutsam sein, vgl. ähnlich Hoffmann, Toten in Christus 273f. .. Zwischenzustand, Fcstgabe Jülicher 97f. 1I Bultmann, Probleme, geht in seiner Argumentation davon aus, daß "katalyö" nicht zugleich auf den individuellen Tod und die Parusie bezogen werden könne, vgl. bes. aaO 304. Er selber läßt die Lösung offen, allerdings wohl unter deutlicher Bevorzugung des Bezugs auf die Parusie. Dagegen sprechen aber doch wohl J.2, 19ff. (vgl. o. A. 22) und die bei Liddell-Scott aaO (0. A. 22) aufgeführten griechischen Belege, die alle eher einen Bezug auf den individuellen Tod nahelegen würden. Dafür spricht aber "ependyomai" und "katapinö", sowie die Parallele 1. K. 15, 51ff. Legt nun "katalyö" eher einen Bezug auf den individuellen Tod und "ependyomai" und "katapinö" eher einen solchen auf die Parusie nahe und ist die o. A. 12 gegebene Lösung aus sachlichen Gründen unmöglich, so bleibt m. E. doch nur die von Bultmann uD 303 als Nr. 3 für möglich gehaltene Lösung Mundles, "daß Paulus auf den Moment der Bekleidung mit dem Himmelsgewand gar nicht reflektiert hat" und in V. 1 "einfach den Trost aus(spricht): angesichts des Todes besteht keine Angst: denn fur den Fall des Todes wissen wir, daß das Himmelsgewand für uns bereit liegt" (aaO). •1 Zwischenzustand, Festgabe Jülicher 102. .. Gegen Sevenster, Remarks, Studia Paulina 206. "' Lietzmann, Kor. 119. •• Bultmann, Probleme 298-306; Schmithals, Gnosis 246--261. •• Die u. a. von Ellis, NTS 6 (1959/60) 216ff. vorgeschlagene kollektive Deutung scheint mir aufgrund des Kontextes unmöglich, vgl. Schweizer, ThW VII, 1058 A.381. Feuillet, RechSR 44 (1956) 377, variert diese Auslegung, indem er vom zweiten Adam her versteht. 11 Vgl. dazu W. Mithat/ir, Art. CJX'I]"iJ XTA., TbW VII, 369-396, dort 384, 19ff.; Dupont, Syn Cristö 142ff. Davies, Paul and Rabbinic Judaism 313f., will im Anschluß an Manson vom Laubhüttenfest her deuten.
1. Die ZlIhmjtsvorstellflllgell VOll 2. K. 5,1ff.
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bc&rJ1I.~t~
bc '\'oü a~I'JX'\'OC;'" Fraglich ist nur, ob es aufgrund dieses Befundes schon notwendig und tunlich ist, von einer PO/~1IIile des Paulus gegen korinthische Gegner zu sprechen. Zu einer solchen Polemik gibt weder der Charakter des ganzen Briefes 2, 14-6, 13; 7,2-411, noch der die Korinther mit einschließende Kapiteleingang mit "wir wissen nämlich" Anlaß. Bultmann meint, daß Paulus in V. 3f. den korinthischen Gnostikern gegenüber, deren Position er nun im Untersc:hied zu 1. K. 15 besser erkennt habe, die Leiblichkeit der Auferstehung betonen wolleN. Dies könnte aber jedenfalls nur ein in V. 3f. auftauchender, unbetonter Zwischengedanke sein, da die durchgehende Intention des Abschnitte:s darauf ausgeht, die Ausrichtung der Christen auf das Unsichtbare, den Herrn zu zeigen (2. K. 4, 18). V. 3f. als direkte Polemik gegen korinthische Gnostiker, die die Leiblichkeit der Auferstehung leugnen, verstehen zu wollen, ist umso S>:hwieriger, als Paulus in V. 8 gerade seinen dringenden Wunsch. aus dem Leibe abzuscheiden, ausspricht. Im übrigen liegt für Paulus wohl alles daran. daß "soma" nicht zu überspringender Ort der Existenz der Christen ist (R. 12. 1), Ort der Offenbarung der "nekrösis" und der ,,zöc" Christi (2. K. 4. 711".). Ort der Bewähl:ung, an dem die Entscheidung des jüngsten Gerichtes sich orientiert (2. K. ~i, 10), aber nicht Ausdruck einer anthropologischen Kontinuität zwischen Diesseits und Jenseits··. Insofern liegt Paulus alles an der Existenz der Christen im Leibe, an der Auferstehung des Leibes nur inSoOfern. als gerade diese Aussage die freie und gnädige Tat Gottes zu beschreiben vermag. Hätte Paulus aber gegen Gnostiker polemisiert, die sich nach Nacktheit sehnten und nach dem Tode lediglich ein Fortdauern des schon jetzt wirksamen göttlichen "pneuma" erwarteten, so hätte el: wohl kaum gerade auf das .,Angeld des Geistes" als Zeichen für die Gewißheit des Handelns Gottes hingewiesen (2. K. 5. 5). Die ganze Argumentation von 5, 111". zeigt vielmehr. daß auch V. 3f. nicht als Polemik gegen die Korinther zu verlltehen ist, sondern daß sich Paulus hier im Einklang mit der Gemeinde' wußte (ct yc xext). Eine ins Ein2elne gehende Analyse des Textes als direkte Polemik gegen die Korinther würde überdies m. E. entweder die Argumentation des Paulus oder die Position der Korinther ad absurdum führen" • •• Vgl. Windisch, 2. Kor. 166; die Verbindung der Bilder vom Haus und vom Kleid linden wir nur in der mandäischen Gnosis, vgl. P. Vie/hautr. Oikodome, Diss. Heidelberg 1939, 108. I. Für die Literarkritik des 2. K. setzen wir G. Bornlea1ll1lls These als richtig voraus, vl~l. Die Vorgeschichte des sogenannten zweiten Korintherbriefes, SAH, phil.-h:ist. Klasse, Heidelberg: Winter 1961/2, 22f. Nur 2. K. 6, 14-7,1 dürften im Gegematz zu ihm ein unpaulinisches Fragment sein, wie dies etwa J. G"i/ka. 2. Kor. 6,14-7,1 im Lichte der Qumranschriften und der Zwö1fpatriarchenTestamente, in: Neutestamentliche Aufsätze, Festschr. J. Schmid, Regensburg: Pustet 1963, 86-99. dort 8611"., m. E. überzeugend gezeigt hat. Vom vorliegenden Brief meint Bornkamm asO 22, daß PIs. als ein überlegener rede. denn er ..glaubt seiner Gemeinde sicher zu sein und wirbt um sie mit aller Zuversicht". vgL 2. K. 6, Itf.;; 7,4• •• Probleme 299. Den polemischen Charakter meint er, aus den Wendungen c~ ex,ho '\'DÜ'rO (V. 5) und OU - ID~ (V. 4) entnehmen zu sollen, die aber m. E. die Beweil;last nicht tragen. •• VgL o. A. VII 131. .1 Die; ist m. E. das allerdings nicht so gemeinte Resultat der Analyse von Schmithals, G-nosis 24611". Fünfmal (I) muß er festhalten, PIs. zeige für die Position seiner Gegner "völlige Verständnislosigkeit" (asO 248.251 (Zitat). 252.258.260). Den Korint:hern schreibt er die Hoffnung zu, überkleidet und doch nackt zu sein (asO 251). Die Belege, die er asO 35Of. dafür bringt, beweisen dies m. E. allcrdinas nicht, vgl. schon D. Georgi. Rezension von Schmithals. VF 1958/59 (1~) 90-96. dort 92. Ein Beleg, den Schmithals anführt, nämlich der auch 1. K. 15.
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VIII. Das Verhältnis von Gegenwart und Zumft
Paulus hat also vermutlich nicht gegen die Korinther, sondern mit den Korinthern argumentiert. An der zuletzt besprochenen These bleibt dies richtig, daß Paulus sich in unserm Abschnitt in ausgesprochener Häufung griechischer termini und Gedanken bedient, wohl, um "den Griechen ein Grieche" zu werden. Jedenfalls zeigt sich hier einmal mehr die grundsätzliche Freiheit des Paulus im Umgang mit Vorstellungen&1. V.3f. wird wohl am besten als indirekte Polemik erklärt: Denn daß Paulus um die Existenz solcher wußte, die sich nach Nacktheit nach dem Tode sehnten, kann angesichts der Verbreitung solcher Vorstellungen bis hinein ins Judentum 88 nicht verwunderlich sein und bedarf eines Rückgriffes auf die korinthische Gemeinde nicht unbedingt, um verständlich zu sein. Was für Paulus der Grund zu seinem kurzen Gedankenausßug von V. 3 war, ob einfach dies, daß Existenz ohne Leib für ihn weltanschaulich eine Absurdität war8D, oder dies, daß vom alttestamentlichen Sprachgebrauch her Nacktheit für ihn bedeutete: verurteilt sein, von Gott geschieden sein40 , kann hier offen bleiben. Vielleicht wollte Paulus selbst, von der Gewißheit her, daß das Leben im Leib vor Gott wertvoll und unaufgebbar ist (vgl. V. 101), seine eigenen hellenisierenden und ans Dualistische grenzenden Ausführungen korrigieren und schützen. Dann hätten die Verse 3f. gegenüber V .1f.die gleiche Funktion, wie die Verse 9f. gegenüber V.6-8 .. Paulus will also 2. K. 5 nicht eine neue Eschatologie darlegen. Er
denkt die Hoffntmg der christlichen Existenz im Ganzen innerhalb seiner alten Vorstellungen, wenn aIIch z. T. in neuer Terminologie und wiederum 50ft'. verwandte Spruch Phil. Ev. 23 = 104, 26ft'. (vgl. o. A. VII 134), sagt gerade, daß jene Gnostiker ohne Fleisch und doch nicht nackt sein wollen. Bultmann, Probleme 300 meint, Pis. habe die gegnerische Position nur zum Teil aufgenommen, vgl. dazu Georgi aaO 95. .. Vgl. auch o. S.249. 254; A. V 147; VI1 Nr. 4; VI 2 Nr.1. 6; VII 1C Nr. 2 und u. A. 94; A. IX47; vgl. ferner Güttgemanns, Apostel 46ft'.; K. M. Fischer, Bedeutung des Leidens 86. 10 Vgl. Philo Leg. All. 2, 59; Spec. Leg. 1,295; Virt. 76 . .. Vgl. Schweizer, ThW VII, 1059, 17ft'.; Sint, ZkTh 86 (1964) 74; Schmithals, Gnosis 252, andererseits aber die Belege bei Hoft'mann, Toten in Christus 159-161. Bachmann, 2. Kor. 238, weist in diesem Zusammenhang besonders auf die pharisäische Herkunft des Pis. Sicher ist es richtig, daß sich PIs. Existenz immer somatisch denkt, doch ist er hier so wenig an einer anthropologischen Kontinuität mit der zukünftigen Existenz interessiert wie 1. K. 15, vgl. o. A. VII 131. Richtig stellt Scvenster, Remarks, Studia Paulina 211, das Fehlen von "psyche" als hier an sich möglichem anthropologischem Kontinuum in unserm Kapitel fest. Von hier aus erweist sich die These von Reitzcnstein, Mysterienreligionen 355, daß wir unter irdischem bzw. himmlischem Gewand "noch eine andere Hülle haben" abgesehen von ihrer exegetischen Schwäche - auch als theologisch verfehlt. Das Angeld des Geistes in V.5 ist wiederum gerade nicht gnostisch als Weise des Selbstseins, sondern als Geschenk Gottes verstanden. co Ellis, NTS 6 (1959/60), 219/f., will "gymnos" aufgrund alttestamendicher Parallelen, vor allem Js. 20, 4; Ez. 16, 17f.; 26,29; Apk. 16,15 so verstehen. Ähnlich interpt"Ctierte bereits G. S(hrenle, Art. ß~pot; XTÄ., ThW I, 551-559, dort 558, 24f. Vgl. auch Plut. Mor. 565 A.
1. Die ZlIhmjtsvorstellllllgen von 2. K. S,1f!.
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ohne Interesse an vorstellrmgsllläßiger Präzisierrmg. Ein Widerspruch zu andern eschatologischen Vorstellungen des Apostels war nicht sichtbar; umgekehrt denkt aber Paulus auch nicht von ihnen her und macht keinerlei Anstalten, seine neuen Formulierungen mit seinen sonstigen Darlegungen in Beziehung zu setzen und sie in ein ganzes eschatologisches Gedankengefüge einzubauen'l. Es scheint, daß Paulus je nach Aussage, die er machen will, eschatologische Vorstellungen sehr frei :aufnehmen kann. Unsere These von der ..Kontaktlosigkeit" der paulinischen eschatologischen Aussagen untereinander dürfte sich auch hier bewähren. Thema von 2. K. 5, 1ff. ist die von der Zukunft gehaltene und auf sie ausgerichtete christliche Existenz. Insofern ist der Abschnitt 5, 1fT. eng mit dem voranstehenden Abschnitt 4, 7fT. verbunden und eine Entfaltung des in 4,17f. bereits kurz Angedeuteten. Diese Verse bildl~n so etwas wie die Nahtstelle zwischen 2. K. 4, 7fT. und 5, 1fT. .Die Darstellung der christlichen Existenz als Existenz in der Schwachheit" die in der apostolischen Existenz paradigmatisch zur Darstellung kOlIunt'·, kann nicht allein von der dadurch der Gemeinde widerfahrenden Gnade und der in der Schwachheit erst recht deutlich werdenden Macht Gottes her begründet werden (2. K. 4, 12. 15). Dazu kOlIunt noch ein zweites Motiv, das bereits in 4, 14 anklingt, in V. 15f. nochmals zurücktritt, dann aber in V.17f. thematisch wird und in 5, 1ff. entfaltet wird: die Schwachheit und Trübsal in der Gegenwart als Darstellung des Todes Christi (4,10) wird überhöht von der durch Christus eröffneten gewissen Hoffnung auf die himmlische Herrlichkeit. Während 2. K. 4, 7fT. die christliche Existenz im Blick auf die Gegenwart betrachten, wechselt mit 4, 17 der Standpunkt und· der Blic:k richtet sich nach vorne, in die Zukunft. Aber das Thema bleibt das!;elbe, nämlich die christliche Existenz in Schwachheit und Hoffnung. 5, 1 nimmt die antithetische Ausdrucksweise von 4, 17f. auf und. schließt mit ..denn" direkt an. 5, 6 markiert das Ziel der bisherigen Ausführungen, nämlich die Freude mitten in der Unerlöstheit und schließt so an 4, 16, vgl. 17f., an. Daß wir hier tatsächlich einen Zielpunkt des Paulus vor uns haben, zeigt sich darin, daß Paulus, nachdem ihm ein Zwischengedanke in die Quere kam (V. 6bf.), dieses Ziel in V. B mit .&Otppoü(J.&V und in V. 9 mit der auf die Gegenwart bezogenen Paränese wieder aufnimmt's. V. 11 endlich kehrt der Apostel wiederum " Ein solches Bedürfnis zeigt sich z. B. bei Allo, 2. Kor. 159f., vgL o. A. 9. '" Zum Verhältnis von apostolischer Existenz und christlicher Existenz vgL u. A. 117; auch 2. K. 5, Hf. ist allgemein von der Existenz des Christen die Rede. ,. V gl. Bultmann, Probleme 298f. und Hoffmann, Toten in Christus 28Of. Auf die Beziehungen zwischen 2. K. 4, 7ff. und 5, 1ff. weist Hoffmmn 180 268f. 280f. 2841'. Hier liegt auch ein berechtigtes Anliegen der Auslegung von L. Brun. vgL o. sub d).
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VIII. Das Verhältnis von Gegenwart und ZlIknnft
zur Anrede an die Gemeinde zurück und faßt zusammen: "Ich hoffe, in euren Gewissen offenbar zu sein" (V. l1b). Damit weist Paulus wiederum auf 4, 2 zurück. Nach dem ersten Argumentationsgang der Rechtfertigung seines Apostolats, den Paulus - geschichtlich - von der Herrlichkeit der neuen "Diakonie" her führt (3, 1-4, 6), folgt der zweite von seiner Existenz im Leiden her, die eine Darstellung der "nekrösis" Jesu, zugleich aber auch des Lebens Jesu jetzt und in Zukunft ist (4, 7-5,10). Die Darstellung der Existenz des Christen muß beides enthalten: das Leiden und die Schwachheit, an der - paradox und unanschaulich - gerade das Leben Jesu und die Macht Gottes jetzt sichtbar wird, und die unerlöste Gegenwart, die ganz auf die himmliche Herrlichkeit ausgerichtet ist. Damit stehen 711ir vor der Frage nach dem Verhältnis von 2. K. 4, 7Jf. Zu 2. K. 5, lJf., oder sachlich: nach dem Verhältnis des Lebens Jelll, das sich bereits in der Gegetmlart manifestiert, Zu der künftigen, "himmlischen" Herrlichkeit. Auffällig ist, daß der Schwachheit des Apostels und der unerlösten Gegenwart zweierlei gegenübergestellt wird: das Leben Jesu j~tzt (4, 10f., vgl. 13. 16; 5, 5) und das Leben in der künftigen Herrlichkeit (4,14. 17f.; 5,1ff. 8). Aufs ganze gesehen liegt auf dem zweiten der Akzent. Und es fällt auf, wie vorsichtig Paulus die Aussagen über das gegenwärtig sich manifestierende Leben formuliert: Liest man 4, 1Of. 16 für sich, so liegt natürlich der Gedanke an den Geist Gottes, der das Leben Christi in der Gegenwart erfahrbar werden läßt und der dem inneren Menschen unabhängig von seinem äußeren Leben Tag für Tag Erneuerung schenkt (4, 16), nahe. Im Kontext von 2. K. 4, 7ff. aber lesen sich diese Aussagen ganz anders. Es fällt auf, daß das Stichwort "pneuma" nur ein einziges Mal vorkommt, nämlich 4,13 und dort - was auch immer der Satz im einzelnen heißen möge strikte auf die Verkündigung, also den "Schatz in irdenen Gefäßen" (4, 7) bezogen wird. Ein uneingeschränkter Hinweis auf die Erfahrung des Geistes erfolgt erst 5, 5, nachdem klar geworden ist, daß der Geist nur als "Angeld" auf die künftige Herrlichkeit, zu der Gott die Gemeinde bereitet hat, zu verstehen ist. Im übrigen werden die Aussagen über das Leben Jesu in der Gegenwart durch den Kontext merkwürdig abgebogen: Das Leben Jesu wird am Leib (V. 10), ja am Fleisch (V. 11) des Apostels manifest, also am "irdenen Gefäß", am Ort des Leidens. Den Grund hierfür hat Paulus in V. 7 angegeben: damit die Macht Gottes nicht mit menschlicher Mächtigkeit verwechselt werde. Das Leben J esu im Apostel besteht nicht in dessen Geisterfahrungen, sondern in der Verkündigung des Evangeliums, und somit wird es direkt nur in der Gemeinde sichtbar, die durch diese Verkündigung entstanden ist (V. 12). Die Erneuerung des innern
2. Hei/-lI1ItI HeiUosigkeit in R. 8,18-39
369
Menschen - Paulus nimmt hier hellenistische Tennmologie auf - wird sofort überführt in die Hoffnung des jetzt Angefochtenen auf die künftige Herrlichkeit und den himmlischen Bau (4,17f.; 5,1ff.)". KurZ, es fällt auf, Me vorsichtig Pault,s die Aussagen über das ugemllärtige Leben forflllliiert. Er nimmt sie zwar formal auf und befindet sich damit wohl im Eilll~lang mit den hellenistischen Gemeinden seiner Umwelt, deNtet sie aber sogleich Nm in ANssagen nicht mehr über den Geist, sondern über Jas "erA:iindigte EvangeliNm. Sieht man von allen indirekten Aussagen über das Leben Jesu in der Gegenwart in 2. K. 4.7ff. ab. also von seiner Manifestation in der Verkündigung. in der Gemeinde. in der Hoffnung auf das Unsichtbare und am Leib der Schwachheit. so bleibt als einzige direkte Aussage. die nicht sogleich wieder abgebogen wird, eigentlich nur da:! ou (J.(l ist wohl ein an Paulus von seinen Gegnern gerichtetes Schimpfwort und scheint sich auf jeden Fall nicht primär auf den späten Zeitpunkt der Bekehrung des Paulus, sondern auf seine Unwürdigkeit vermutlich infolge der früheren Verfolgung der Gemeinden zu beziehen? Weiter muß darauf hingewiesen werden, daß 1. K. 15, 8 offenbar die einzige Stelle wäre, an der Paulus eine chronologische Begrenzung des Apostolates zum dogmatisch rdevanten Prinzip gemacht hätte. Angesichts der paulioischen Naherw:lrtung ist die Annahme einer besonderen "Zeit des Apostolats" ohnehin nicht wahrscheinlich. Endlich wäre sehr fraglich, ob Paulus dann, wenn für ihn das Apostelamt Auftrag aus und für eine bestimmte, heilsgeschichtlich begrenzte Zeit gewesen wäre, so unbefangen vom Apostolat als einem zwar hervorragenden, aber doch nur eine/TI kirchlichen Amt, neben dem es noch andere gibt (1. K. 12, 28f.), oder von Aposteln der Gemeinden (2. K. 8,23; Phil. 2,25) oder von seinen Gegnern in Korinth als Aposteln hätte sprechen können. Vielmehr scheint die Aussage des Paulus 1. K. 15, 8 ein Erfahrungsurteil zu beinhalten, daß eben die andern Apostel vor der ihm widerfahrenen Erscheinung Christus begegnet sinds• Die Tendenz seiner Aussagf:n geht denn auch nicht darauf, irgend jemandem seinen Apostolat zu bestreiten, sondern den eigenen Apostolat zu verteidigen, offenbar um seines besonderen Charakters als Apostolat für die Heiden willen'. • Pr.-Bauer 621, vgl. auch Mk. 12,22. • Diese Frage hängt kaum von der schwierigen und verschieden beantworteten nach der genauen Bedeutung des Wortes "ektröma" ab. Wenn "ekuöma" seiner ursprünglichen Bedeutung nach ,,Frühgeburt" heißt (vgl. Pr.-Bauer s. v. ;J. Sehntider, Art. ~P6)lLot, ThW 1I, 463-465, dort 463, 15f.), dann kann sowieso nicht auf den späb..-r1 Zeitpunkt der Bekehrung des Pis. angespielt sein, vorausgesetzt, daß die ursp:riingliche Bedeutung des Wortes noch bekannt war. T. BOIII,." Paulus AborUVlIS (1. Kor. 15,8), StTh 18 (1964) 46-50, dort 50, denkt an Spott über körperli(:he Mißgestalt. Eph. 3, 8; 1. Tm. I, 1~15 und vor allem GI. 1, 13ff. sprechen. aber eher für die oben vorgeschlagene Deutung, vgl. auch J. M_Jc, Paulus tamquam abortivus, in: New Testament Essays, Gedenkschrift T. W. Manson, Manchester: University Press 1959, 18~193, dort 189. Bei Ignatius (Röm. 9, 2; Eph. 21, 2; Trall. 13,1; Smym. 11, 1) wird das Motiv stereotyp. Schwieri.g und sprachlich nicht beweisbar ist m. E. die These von Güttgemanns, Apostel 89ff.: Pis. wird von den korinthischen Gegnem mit dem Schimpfwort "ektröma" die "christologisch-zeidiche Distanz" (uO 90) vorgeworfen, die Pis. zwischen Auferstehung Christi und Auferstehung der Christen setzt. • Vgl. R. 16,7; GI. I, 17. An beiden Stellen spricht Pis. mit einer gewissen Ehrerbietung von den Aposteln "vor ihm", ohne daß sich daraus eine feste Rangordnun~: ergäbe. • Vgl. dazu Munde, Paulus und die Heilsgeschichte 54ff.; Hahn, Mission 83. Für die beseondem Aspekte des pln. Apostolatsverständnisses, die sich aus der Verküodigungsfunktion des Apostels als Epiphanie Jesu ergeben, auf die hier nicht eingegangen werden kann, vgl. E. KilUllltl"", Die LegitimitSt des. Apostels, Libelli 23, 2. Auß. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1956, 38f(.; Güttgernanns, Apostel, beB. 94ff.
390
IX. Di,
Z1lJisGhen~eit
bis ~111' Parllsie
2. Die Gegenwart als Zeit der Heidenmission Damit stehen wir bereits bei der zweiten Frage, nämlich der nach der theologischen Bedeutung des historischen Geschehens der Heidenmission. R. 15, 7ff. macht uns mit einem zentralen Gesichtspunkt vertraut: Das Gotteslob der Heiden ist ~&~tXtwO"t.tischen Erwartung, deren Horizont der Mensch entweder (dankbar und aus Gnade! I) übernimmt oder (aber dllnn um den Preis des Glauben-Könnens!) zurückweist. Oder meint Stuhlmacher ein vom Christusgeschehen her erst eröffnetes Ende? Dies scheint mir Paulus -eher zu entsprechen, wobei dann natürlich wieder nach der Notwendigkeit und Elsetzbarkeit der das Christusgeschehen interpretierenden apokalyptischen Kategorien zu fragen ist • .. Vgl. Stuhlmacher, ZThK 64 (1967) 449.
400
IX. Die Zwischenzeit bis zur Paru.rie
ist's. Weil die paulinischen Zukunftsaussagen konkrete und nicht spekulative Aussagen sein wollen, ist ein gewisses Zurücktreten apokalyptischer Zukunftsvorstellungen unverkennbar, so sehr Paulus in konkreter Situation auch wieder selbständig apokalyptisch denken kann. Will man - nun sehr schematisch und vereinfacht - einen gewissen Grundzug im paulinischen Nachdenken über die Zukunft festhalten, so könnte man vielleicht sagen: Von der Zukunft der Welt spricht Paulus um der Zukunft des Menschen willen. Von der Zukunft des Menschen aber spricht er 11m der- in je.ru Tod und Auferstehung gegründeten - Zukunft Gottes willen. 7. Entsprechend seinem Gebrauch von apokalyptischen Vorstellungen als Glaubenszeugnis in konkreter Situation ließen sich die paulinischen Aussagen über die Zukunft nicht einfach linear zu einem Entwurf der Endgeschichte addieren, aus dem heraus Paulus dann denkt. Innerhalb seines Vorstellungsmaterials ließen sich weder Widersprüche finden, so daß einzelne Vorstellungen einander direkt ausschlössen, noch ließen sich einzelne Vorstellungen spannungslos zu einem Gesamtbild addieren. Auch die These einer Entwicklung der paulinischen Eschatologie ließ sich in der üblichen Form nicht halten". Vielmehr stehen die einzelnen eschatologischen Zukunftsvorstellungen kontaktlos nebeneinander47• Die Einheit der paulinischen Eschatohgie liegt nicht ;m Vorstel/ungsmaterial, sondern in ihrem Gebrauch zur Interpretation des Kerygmas. 8. So können paulinische Zukunftsaussagen nicht. als Vorstellungen zureichend interpretiert werden, vielmehr sind sie Zusagen, Anrede'8. Sie wenden sich an die Gegenwart und nehmen sie ernst, indem sie ihr· Gottes Zukunft zusprechen, ohne ihre Wirklichkeit zu überspringen. 5. Schluß: R. 9-11 Vergleichen wir das paulinische Nachdenken über die Zukunft mit seinen Aussagen über die Vergangenheit, so stellen wir zahlreiche gemeinsame Züge fest. a) Beidemale war nicht ein umfassendes Geschichtsbild der Horizont, aus dem Paulus dachte. CI VgL o. S. 379f. 383 und auch die o. A. 111363 zum Verhältnis von Individualgeschichte und Weltgeschichte in der pln. Schau der Vergangenheit gegebenen Verweise • • 1 Lediglich bei der Frage, ob Paulus die Parusie noch zu seinen Lebzeiten erwarte, ließ sich eine gewisse Entwicklung feststellen. Zur Entwicklung der pln. Theologie überhaupt vgl. die Verweise o. A. 111 340. n Vgl. o. S. 357. 366f. 383., ferner o. S. 206/f. und A. II1271 • .. V gl. die Verweise o. Einl. A. 7.
5. SchlIlß: R. 9-11
401
b) Von Vc:rgangenem und Zukünftigem war nicht um seiner selbst willen die Rede, sondern Vergangenheits- und Zukunftsaussagen dienten &~ Explikation des Heils. Vergangene Gottesgeschichte zeigte die Souveränität und Treue des gerechten Gottes. Abgetane Vergangerlheit lehrte die Dimension des eschatologischen Heils ermessen. Bd den Zukunftsaussagen aber ging es um den eschatologischen Charakter von Gottes Heilstat, die der Gegenwart gegenüber das letzte Wort behält. c) So ist das paulinische Nachdenken über die Geschichte in engsten Zusamme11hang mit der Verkündigung des sich in der Geschichte als ihr Herr offenbarenden Gottes gestellt. Um Gott, seine Gerechtigkeit, seine Henlichkeit und seine Zukunft geht es letztlich dem paulinischen Geschichtsdenken. 'Vielleicht das schönste und eindrücklichste Beispiel, wie sich das Nachdenken des Paulus über Vergangenheit und Zukunft zu einer Einheit zusammenfindet in der Ansage der Gnade Gottes, finden wir in R. 9-11. Der komplizierte Aufbau der drei Kapitel und die scheinbaren Widersprüche in ihnen haben uns ja schon beschäftigt'I• In gewisser Weise enthalten ja R. 9, 6-29 und R. 9, 30-10, 21 heide Hauptaspekte des.paulinischen Nachdenkens über die Vergangenheit: R. 9, 6-29 denkt Paulus theozentrisch und vom Alten Testament her der Gottheit Gottes nach: Gott bleibt bei seinem Wort, aber so, daß er in sekler ganzen Souveränität Gott bleibt&O. Damit wird zugleich auch die Position festgelegt, in der der Mensch - das Geschöpf-allein über Gott nachdenken kann, nämlich als von Gott immer schon Betroffener. R. 9, 30-10, 21 kommt der zweite Aspekt des paulinischen Denkens über die Vergangenheit zum Zuge: Es wird der Unterschied zwischen dem Streben nach der Gerechtigkeit des Gesetzes und dem Hören auf die Glaubensgerechtigkeit dargelegt. Das Gesetz als Heilsweg ist durch Christus zu Ende, nicht mehr an der Zeit, vergangen&l. Israel hört die Verkündigung des Evangeliums nicht und wird in Schuld v'erstrickt, was Paulus gerade so zeigt, daß er vom unerschütterlichen Heilswillen Gottes gegenüber Israel spricht (10, 14-21). R. 11, 1-·10 faßt die Situation zusammen. 11,11ff. setzt Paulus zu seiner eigentlichen Aussage an und zwar so, daß er zunächst zeigt, daß das Handeln Gottes hintergründig ist und auch hinter dem Gericht - wider allen Anschein - die Gnade wirkt (R. 11, Ilff.). Auch die .. Vgl. Noack, StTh 19 (1965) 165f., behauptet sogar, zur Zeit der Abfassuns von R. 9, 1ff. habe Pis. um das Mystetium von R. 11, 25ff. noch nicht gewußt. Angesichts des theologisch durchdachten Gedankengangs von R. 9-11 ist das m. E. unmöglich. I. Vgl. o. II, bes. II 3 Bö IV 3 A. B. 11 V gl. 0., III, bes. 111 2. '
402
IX. Die Z1llisGhen~eit bis ~1Ir Parune
Heidenchristen können nie diese Gnade als festen Besitz ergreifen (R. 11, 16ft".). R. 11, 25ft". endlich sagt Paulus mit seiner Zukunftsankündigung die im Christusgeschehen begründete (V.26f.) Gnade an Israel an. Ohne Kapitel 9, das anband des Alten Testamentes lehrt, daß Gott wirklich Gott ist, über den der Mensch nicht verfügen kann, und ohne Kapitel 10, das Israel- auch anband des Alten Testamentesden Mund verschließt, indem es zeigt, daß nach der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes in Christus jede Gesetzesgerechtigkeit nur noch unzeitgemäß, vergangen, usurpiert und "eigene" sein kann, ohne diese beiden Kapitel könnte die Zukunftsaussage von R. 11, 25ft". nicht als reine Gnadenansage, auf die sich niemand berufen kann und die doch Gott in seiner Treue schenkt, verstanden werden. Ohne den dialektischen Aufbau der drei Kapitel, in dem die verschiedenen Weisen des Paulus, Geschichte zu bedenken, zum Zuge kommen, könnte Paulus den zentralen Gesichtspunkt in seiner Frage nach Israel, daß es nämlich darin um die Frage nach Gott geht, nicht durchhalten. So aber ist seine Antwort auf die Frage nach Israel eine konkrete Auslegung der Gottheit des sich in Christus offenbarenden gnädigen Gottes.
REGISTER a) Autorenregister (Die ausführliche Literatumngabe befindet sich auf der jeweils zuerst genannten Seite. Abkürzungen für Zeitschriften und Reihen entsprechen der RGG') Aicher G., Allo E. H.,
Das A.T. in der Mischna: 45 1. Kor.: 117,119,121,156,339,341,346 2. Kor.: 132, 361, 362, 366 Rom. 8,28-30, RSPhTh 7 (1913): 253 Almquist: H., Plutarch: 238 Altbaus, P., Röm.: 19,22. 143, 194,209,243,244,377,380,393 149, ISS, 173, 189,191 Gal.: Ams1er S., L'Ancien Testament: 58,157 Typologie: 44, 52f., 71,118,119 Typologie, RThPh 37 (1949): 47,53 Audet, j. P., Testimonia, RB 70 (1963): 95 Auerbach E., Mimesis: 60 Figum, Archivum Romanum 17 (1938): 53, 60 Bacher, 'W., Agada I: 45 Terminologie: 111 Bachnuulß P., 1. Kor.: 116, 120, 121, 335, 341, 346, 348 2. Kor.: 361, 366 Baeck 1., Glaube, Paulusbild: 144 BalIa E., Ich der Psalmen: 159 BammdE., Judenverfolgung, ZThK 56 (1959): 290, 291, 320 Rechtsdenken, NTS 6 (1959/60): 184 Bandstr.IA.J., Law: 136,140,142, ISS, 160, 187,192 Barr J., Old and New: 53,61 Semantik: 14,18 25, 76, 81, 91, 112, 113, 140, 198, 243, 276, Barrett C. K., Röm.: 293, 371, 380, 382 First Adam: 14, 129, 179 Barth K., Röm.': 115,116,157,164, 172, 242, 291, 298, 375 Kurzer Röm.: 25,172,239,381 Auferstehung der Toten: 333, 334, 340 Christus und Adam: 205 Evangelium und Gesetz: 139 31,74,75,91, 139, 140, 141, 241, 242, 243, KD Il{2: 276, '1:17, 292 Bartsch. H.-W., 1. Cor 15,3-11, ZNW 55 (1964): 333, 334 Antisemitische Gegner, Antijudaismus : 22 Bauer J. B., R. 8,28, ZNW 50 (1959): 250 Bauemfeind 0., Art. TPEx6» XT).., ThW VIII: 76 Baumbach G., Qumran und das Joh.: 231, 232, 234 BaumglrtelF., Verheißung: 48,66,68 Baut F. C., Paulus II: 138,172,229
404
RegJster
Gesetz, MThZ 15 (1964): 141f. Heil Gottes: 81,195,229,232,233,234 Art. ctl'TtEAOt;, ThW I: 274 Art. vou&m6l Kor).., ThW IV: 122 La loi, Ex~g~se et Th~ologie: 164, 165 BenoitP., Rom. VIII 23, RechSR 39 (1951/52): 271, 374 Betry R., 2. Cor 5,1-10, SJTh 14 (1961): 359, 362 Betz 0., Offenbarung: SO, 106, 107,286 Beyschbg W., Theodizee: 24,78,249 BietenhardH., Reich: 347 Billerbeck P., Abrahams Leben, Nathanael15 (1899); 16 (1900): 177 Black M., Approach: 58 Second Adam, SJTh 7 (1954): 196, 197 Rom. VlIT, 28, Festschr. Cu1lmann: 250 Bliser P., Gesetz: 140, 141, 142, 155, 160, 162, 171, 190, 191, 198,298 Schriftverwertung, ThQ 132 (1952): 47 Blank J., Krisis: 290 Blumentbal A. v., 'l'67tOt;, Hermes 63 (1928): 54 Böhl E., . Citate:. 65,77 Boer W. P. de. Imitation: 54, 120 Boman T., Das hebräische Denken: 18 Paulus abortivus, StTh 18 (1964): 389 BoneM. L., Paul's Use ofthe O.T.: 41 149, 155, 190, 281,285,286 Bonnard P., Gal.: 41,43, 44, 45, 49, 50, 62, 63, 66, 77, 80, 87, Bonairven J., Ex~g~se: 92,117,281 L'Evangile: 249, 357 Bombmm G., Anakoluthe, Aufs. I: 198, 210, 242, 246 Christus und die Welt, Aufs. I: 390, 391 Lobpreis Gottes, Ads. I: 26 Sünde, Aufs. I: 160,161,163,164,165, 166, 167 Verzögerung, Gedenkschrift Lohmeyer: 328 Vorgeschichte des 2. Kor., SAH 1961/62: 365 Philipperbrief, Festschr. Cullmann: 356 Art. I'ucm,PUlV, ThW IV: 286, 287 Bourke M. M., Röm. 11: 274 Bousset W., Kor.: 361 Gal.: 150,191 Antichrist: 328 Kyrios: 195 Schulbetrieb : 63 289,304 - und GressMann H., Religion: Brandenburger E., Adam und Christus: 159, 164, 165, 167, 195, 196, 198, 199, 202,203,205,209,334,336,348,353 Brandt W., Gesetz: 141, 142, 186 Bratsiods P., Notiz, NovTest 5 (1962): 26 Braumann G., Taufverkündigung: 118,338 Braun H., Gerichtsgedanke: 313,314 Qumran und das N.T. I: 161, 238 Qumran und das N.T. 11: 95, 100, 102, 103, 106, 217, 230, 232, 235,244,249,304 Heck I., Hecker J., Behm J.,
Antorenregist". Braun H.,
40S
Radikalismus: 229, 230 Randglossen, Ges. Studien: 221, 333, 334 Römer 7,7-25, Ges. Studien: 161 A.T. im N.T., ZThK 59 (1962): 116 Gal.: 141, 146, 149 Bring R., Erfüllung, KuD 5 (1959): 140 Gesetz, StTh 20 (1966): 140 BronsonD.B.,Paul and Rabbinic Judaism, JBL 83 (1964): 218 Brownlee W. H., Biblical Interpretation, BA 14/3 (1951): SO, 106 Bruce A. B., Paul's Conception: 25 Röm.: 293,381,393 Bruce F., Brütsch C., Question juive: 23 Brun L." 11 Cor. 5,1-10, ZNW 28 (1929): 361, 363, 367 Büchsel R., Art. ).ÖC4 Kor).., ThW IV: 363 Buffi~re F., H~raclite: 62 Bugge C. A., Gesetz, ZNW 4 (1903): 141,220 Bultmann R., Joh.: 221, 256 Geschichte und Eschatologie: 17, 18 Stil der paulinischen Predigt: 20, 42, 72, 73, 236, 353 31,36,66,125,136,137,187,192, 198,?J)2, Theol.: 211f., 268, 271, 293, 304, 313, 314. 337, 351, 370 Tradition: 57 Auferstehung, GI. u. V. I: 334, 341, 343 Bedeutung des geschichtlichen Jesm, Gl. u. V. I: 328 Christus des Gesetzes Ende, Gl. u. V. 11: 143f. Gnade und Freiheit, Gl. u. V. 11: 240 Geschichte und Eschatologie im N.T., Gl. u. V. m: t7, 36,269 Verstindnis der Geschichte, GI. u. V. IV: 'JZI Adam und Christus, Exegetica: 198, 203, 205, 208 Bekenntnis- und Liedfragmente, Exegetica: 344 ä~lOmNrJ &coü, Exegetica: 169 Glossen, Exegetica: 32,160 Heilsgeschichte, Exegetica: 14, 15, 143 Probleme, Exegetica: 363, 364, 365, 366, 367 Römer 7, Exegetica: 159,160,161 Typologie, Exegetica: 53, 55, 180 Art. y,~ax6) XT).., ThW I: 80, 230, 253 Art. neojLCI 1("1').., ThW VII: 58, 196, 212, 305, 307, 309, 354, 364, 366,374 Art. ul6c; 1("1'">.., ThW VIII: 271, 282, 344, 346, 352, 372 Scott E. P., Kol.-Eph,: 345 Scroggs R., Last Adam: 166,205 Seesell1llll!1 H., Art. mtpClt 1("1').,., ThW VI: 121 Selwyn E. G., Pett.: 96, 97 Sevenster J. N., Zwischenzustand, NTS 1 (1954/55): 357, 362 Remarks, Studia Paulina: 351f., 364, 366 302, 313, 347, 357 Shires H. M., Eschatology: Siber P.: 267 Sieffert F., Entwicklungslienie, TheoL Stud. B. Weiss: 141, 219 Siegfried C., PhUo: 61,63 Simon M., St. Stephen: 217 Sint J. A., Parusie-Erwartung, ZkTh 86 (1964): 362, 366 Citaten: 41 Smits c., Soden H. v., Sakrament und Ethik, Aufs. I: 212 Sowers 5., Hermeneutics: 53, 55, 63 Spicq C., Rom. XI, 29, RB 67 (1960): 296 Art. Vorherbestimmung, BibeltheoL Wörterb. 11: 235, 253, 262 166,195 Stacrk W., Soter II: Stalder K., Werk: 154, 156, 186, 190 Stanley D. M.,Christ's Resurrection: 357 Studier: 44, 63 Starfelt E., Theol.: 217,378 Stauffer E., Art. 6.yat~~ 1("1').,., ThW I: 370 Art. tr&., ThW 11: 159,165 14 Steck K. G., Heilsgeschichte: Stegmann A., Gal. 3,20, BZ 22 (1934): 190 Allegorische Exegese: 62, 63, 64 Stein E., Stendahl K., School: 95,103,106 Strachsn R. H., 2. Kor.: 363 Stmthmann H., Art. ).Gt-rp!Ög 1("1').., ThW IV: 272 Stöhr M., Luther und die Juden, EvTh 20 (1960): 292 Strecker G., Weg der Gerechtigkeit: 51, 142 Strobel A., Verzögerungsproblem: 101 Ströter E. F., Judenfrage : 299 Stürmer K., Auferstehung und Erwählung: 307, 334, 354 Stuhlmacher P., Evangelium: 217 Gel"eChtigkeit Gottes: 73, 74, 92, 154, 168, 169, 170, 238,251,351, 372,379,386 Erwlgungen, EvTh 27 (1967): 57, 215, 238, 252, 261, 378
Automlf'egisler
419
Stuhlnlacher P., Gegenwart und Zukunft, ZThK 64 (1967): 35,123, 134. 261. 297. 303, 398. 399 Glauben und Verstehen, EvTh 26 (1966): 221 Probleme, EvTh 27 (1967): 111f. Sundberg A., O.T. in the Early Church: 41 Testimonies, NovTest 3 (1959): 95, 101 Takamori A.,' Typologische Auslegung: 54 Tannehill R. C., Dying and Rising: 306 TaskeJt R., Old Testament: 92 Teichmann E., Auferstehung und Gericht: 301, 355, 357, 360, 361 Thüsing W., Per Christum: 27,67,326,346,351 Thyen. H., StU: 42,44,46,66,71,77, SO, 92,95,100 TUing R., Lehre vom Nomos: 141 . 301, 304, 319, 331, 348, 355, 357, 359, 361, Tillirulnn F., Wiederkunft: 362 Hermeneutik: 47 TonnP., Troeltsch E., Historische und Dogmatische Methode, Ges. Schr.lI: 115 Paulus und dasA.T.: 34f., 43, 86f., 89,110,111,112, 150.151,152, 281,284 Unnik W. C. van, ReiseplIne, Studia Pau1ina: 100 Venn,~ G., Manuscrits: 104 141,292 Verwc:ijs P. G., Evangelium: Viard A., Expectatio, RB 59 (1952): 370, 378 Probl~me du salut, RSPhTh 47 (1963): 30 Vielhlluer P., Oikodome: 365 Visch,:r W., Geheimnis, Judaica 6 (1950): 23, 276, 277, 392 Vollmer H., Citate: 41,44,71,81,95, 117 Volz :P., Eschatologie: 56, 145, 195, 'JZl, 228, 256, 289, 290, 304, 319, 341, 352, 373 VosG., Eschatology: 302,310,313,346,357,378 Waarcl J. de, Comparative Study: 96 WalterN., Aristobulos: 62, 63 WeberE., Eschatologie und Mystik: 361 Heilsgeschichte: 22,24,28,30,299 In Christo Jesu, NKZ 31 (1920): 213 Weber V., Kritische Geschichte: 22, 241 Wegenast K., Tradition: 280,327 Wehrli P., Deutung Homers, Diss.: 61, 62 Weind H., Theol.: 159, 299, 357 Weise:r A., Glaube und Geschichte: 11 Weis! B., Röm.: 30,71, 164,209,241,242, 244, 286, 288, 292295,299 Weis!. J., 1. Kor.: 117, 120, 121,269,288,314,325.333,335, 336, 339, 340, 353, 355, 374 175,217,301,328,351 Urchristentum: WencUand H. D., Kor.: 309,334,341,342, 347, 363 Gesetz und Geist: 141 Geschichtsanschauung: 14, 108 Wettc:r G. P., Vergeltungsgedanke: 313 Whitc:ley D. E. H., Theology: 249 UlonskaH.,
420
Register
Wiehe W., Wüste:nzeit: 47,54,56,121 Wiederkehr D., Theologie der Berufung: 238, 245, 249, 253 Wiencke G., Paulus über Jesu Tod: 42, 214 304,319,322, 326, 328, 336,339,340 Wilcke H. A.: Zwischenreich: 311 Wilclcens U., Missionsreden: Weis~~t: 220,256,259,260,281 Bekehrung des Paulus, ZThK 56 (1959): 143, 144, 218, 219 Jüdische überlieferung, ThViat 8 (1961/62): 95 Römer 3,21-4,25, EvTh 24 (1964): 115, 116, 168, 170, 171, 172, 179 Offenbarungsverstindnis, Offenbarung als Geschichte: 396 Recbtfertigung, Festschr. v. Rad: 115, 168, 171, 174, 179, 180 Ursprung, Festschr. E. Scblink: 320, 332, 333 Art. CJDopEat XTA., ThW VII: 220, 221, 259 82, 229 Wildberger H., Eigentumsvolk : Jesaias Verstlndnis, SuppI. VT 9: 12, 14 Wilson J. P., Rom 8,28, ET 60 (1948/49): 250 Wimmer A., Trostworte, BibI. 36 (1955): 323 Windfuhr D., Paulus als Haggadist, ZAW 44 (1926): 66, 91 Windiscb H., 2. KoJr.: 124,128, 129, 132, 308, 360, 361, 365 Barn.: 61 Paulus und das Judentum: 42 Eingehen, ZNW 27 (1928): 289 Weisheit, N.T. Studien G. Heinrici: 92, 118, 220 Wittram R., Geschichtswissenschaft, ZThK 62 (1965): 135 Wochenmark J., Schicksalsidee: 228,229 319 Woblenberg G., Thess.: Wolff H. W., Geschichtsverständnis, Probleme: 379 Woollcomhe K. J., Typology: 53 Zahn A., . Gesetz: 141, 143, 207 Zabn Tb., Röm.: 26, 76, 77, 80, 113, 139, 143, 165, 171, 172, 198,242,245,248,377,379,393 Gal.: 146,150,155,187,283,284 Zebnpfund R., Gesetz, NKZ.8 (1897): 191 Zehret F., Psa1menzitate: 87,95,98 Zimmern W., Ezechiel: 55 Erkenntnis: 78,108 Verheißung, Probleme: 48, 49, SO, 66 Art. Wort Gottes, RGG' VI: 84
b) BibelstellenregOister (in Auswahl)
Mt.
12,4H.
57
Ag.
7,35.37
58f.
R.
1,2 1,17 2,511. 2,2711. 3,l-9a 3,10-18 3,20 3,2111. 3,31 4 4,3 4,6 4,lH. 4,13-16 4,15 -4,17-25 -4 ,23-25
111 90 101 305 125f. 20 98 90 187 16811. 171ff. 17311. 89 90
0
0
5-8 5',12-21 ~I,12
S,13f. S,20 ..,. 7,5f. 'j',7-12 7,9f. 7,14-25 8 8,14-17 8,18-39 8,18-27 !I,24f. 1I,26f. 11,28-30 11,32 8,34 n,36 n,38f. ~)"'11
g~fi'83f. 187f. 199f. 176f. 113ff. 209 19311. 20911. 209f. 198f. 187 201ff. 218 125f. 158/f. 188 206 163ff. 168 1911. 374f. 369ff. 397 377ff. 324 375 380f. 25O/f. 263 373f. 37011. 370f. 376 376 2011. 40011.
9,1-5 9,3 9,4 9,5c 9,6-29 9,6-13 9,6-9 9,6 9,6a 9,7 9,10-13 9,14-24 9,14-18 9,16 9,17-24 9,17 9,19-21 9,22f. 9,24 9,25-29 9,25 9,25f. 9,30-10,21 9,30-10,3 9,3011. 9,33 10 10,4 10,5-13 10,6-8 10,8 10,11 10,1311. 10,13 10,14-21 10,15 10,17 10,18 10,19-21 10,2Of. 11 tl,lb 11,2-10
26f. 21 269ff.
27 401 28 185 274 28Of. 6411. 25 28 35f. 70 101 7011. 28f. 72ff. 235f. 90 233 90 23711. 241ff. 29 29f. 85 98 98 90 401 31 188 202f. 9611. 3011.208 13911. 15611. 167 218 31f. 9111. 90 90 99 101 32f. 101 101 390 390 91 3311. 34 34
Regt/er
422 11,2-6 11,4 11,8-10 11,9f. 11,11 ff. 11,15 11, 16ff. 11,25-32 11,25f. 11,28-32 11,30-32 11,32 11,33-36 11,34f. 14,9 14,11 15,4f. 15, 7 ff. 15,9-12 15,16
1. K. 1,18-3,23 1,18 2,7 4,5 5,6-8 7,10 7,29-31 9,9f. 9,14 10,1-13 10,4 10,11 15,1-11 15,6-8 15,8 15,12-19 15,19 15,20 15,21f. 15,23-28 15, 23-24a 15,24-28 15,24 15, 25ff. 15,26 15,28 15,29-34 15,45ff. 15, SOff. 15,56
80ff. 80 90 98 85 34 392 ff. 402 294 392f. 34f. 274ff. 23 35f. 81 268f. 286ff. 394 401f. 288ff. 295ff. 297ff. 192 298f. 26 299f. 99 325f. 101 11 0 ff. 390 99390 391f. 99 255ff. 258ff. 314 64 327 314 116f. 327 117ff. 64 119 117ff. 332f. 333 388f. 333ff. 338 336 335 195 335f. 339ff. 341f. 343ff. 343 101 348f. 351 337 341 195ff. 288 353ff. 362 188
2.K. 2, 15f. 3 3,1-3 3,3 3,4ff. 3,6b 3,7-18 4,3f. 4,7ff. 4,10f. 4,14 4,18 5, 1 ff. 5,3f. 5,4 5,8 5,16 6,14-7,1 13,4 GI.
3,1-5 3,6ff. 3,8 3,10-12 3,11 3, 13f. 3, 15ff. 3, 19ff. 3,19 3, 23 ff. 3,23f. 4,1-7 4,4f. 4,6f. 4,21-31 6,16
Eph. l,20ff.
255ff. 108 123ff. 127f. 123 130 145f. 207 123f. 128ff. 257 367ff. 397 309 306 375 359ff. 365 355 306 93 99 306 147f. 149 279ff. 111f. 149ff. 101 152 149 184ff. 281 ff. 149 188ff. 186f. 191ff. 153f. 155f. 282f. 282f. 282 5764 130 185 283ff. 270 285 344f.
Phil.
1,23 1,28 2,9-11 2,10 3,20f.
306 355f. 364 255 345ff. 101 312 345
KoI.
1,18 2,17
308 58
1. Th. 1,9f. 1,10 2, 14ff. 4,13-18
310f. 295 290f. 318ff. 352 362
423
Bibelslellenngisler 4,14.17 5,10 2. Th.2,6f. Hb. 5,11ff. 10,37f. 11 11,17.19
306 306 390f. 311 101 46 64
1. Pt. 1,10-12 2,+-10 3,22
51 9611'. 344f.
Apk. 11,1-13 14,13 16 2O,1ff.
81 329 55 345f.
c) Register von griechischen und deutschen Sachwörtern (Unter dem griechischen Wort Vermißtes ist unter dem entsprechenden deutschen Wort aufzufinden.) !lyttmJ Christi ei8lX~
clp.CZPT~
47tczpx-ll 47t6».up., yvgpl1;r.o ypcX!,-\.&Gt yp~ 8Exotu)~
861;Gt
214 370 73 137 IMIf. 167 1981f. 202 207 211 276 335 ' 25511. 304f. 244 1231f. 97 112 12M. 189 258 131 27tf. 390
fpyov
7282211 389 76f. 211 112f. 32311. 336 375 397 213 148 314
iJl'iPGt
313f.
'Iou3Gti~
xtüJr.o x6Gp.or; XÖPlor;
269 27 269ff. 288ff. 7990 57378' 65 72 89 f. 253 137 214 313f. 31:1f.
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1:12
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P.ucn-lJPlov
243f. 244 26Of. 28611. 354
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74 87f. 125 137 168ff. 'J!)7f.
'Ir[cm.r;
nvciip.Gt 'lrpO-
114 153f. 176f. 211 278 12511. 307 368 11tf. 252 280
Gllpl; cmpp.at cNv XplcniP Gc{lt;r.o G(I)p.at
137 65 305ff. 255ff. 307 353f. 366 374
-dAor;
121 13911. 339 54120
b>.oyiJ ExTPr.op.at O&o~ n7t~
iv Xplenep
'IGpGt-IJ). lax~ _lvi)XT~
~
RIO/Irr IIOn griithiltlHn IIIIJ J,tdlth,n Sllth1/lirlml
425
Aballam, im Judentum: 66 1771f. bei Paulus: 64ft'. 67 114f. 1731f. 179ft'. 206 225 65 166 1941f. 307 335f. Adam: 53 611f. Allegorie, allgemein: in Qumran: 50 62 106 bei Paulus: 64 117 119 239 Altes Testament bei Paulus: Kap. 11 pSS., ferner 177 225f. 240 Apokalyptik, Paulus und die: Verweise S. 145 A. 36 und S. 219 A.338, ferner 60 66f. 1951f. 261 300 314 330 350 356ft'. Apostolatsverstllndnis: 109 214 3871f. Beispielaufführungen: 46f. 69 71 76 81f. 83 86 120 180f. Deus absconditus/Deus revelatus: Verweise S. 248 A. 76 und S. 297 A. 131, ferner 29225 Doxologisches Reden: 351f. 398 und die dort A. 38 genannte:D SteHen Enthusiasmus, christlicher: Verweise S. 310 A. 44 und S. 350 A. 121, ferner 261 309f. 348 350 396 Entwicklung der paulinischen Theologie: 196f. 212f. 219 291 356f. 360 Erwählungsgeschichte: 64f. 83 179 206 und die Verweise S. 179 A. 171 Exist,~ntiale Interpretation: Verweise S. 17 A. 26, ferner -IndividuaIgeschichte Gerec:htigkeit Gottes: Verweise S. 170 A. 128, ferner 31f. 36 84 156ft'. 168ft'. 177 Gericht: 305 3121f. 372f. Geschichtsverstllndnis, apokalyptisches: 45 56 83 227 f. prophetisches: 56 l08f. rabbinisches: 45 47 83 Gesetz: Kap. III pSS., ferner 93f. 123f. ZT2 Geschichte als Sprachgeschehen: Verweise S. 13 A. 7; S. 204 A. 261 und S. 223 A.361 Gottc:svolkgedanke: 69 71 83 119 181 269ft'. 274ft'. 279 283 285 Heilsgeschichte: 12f. 23f. 193 204f. Individualgeschichte: Verweise S. 223 A. 363, ferner 138 223f. 399f. Königsherrschaft Christi: 346 f. Kontaktlosigkeit der paulinischen Vorstellungen untereinander: Verweise S. 359 A. 1; S. 366 A. 37 und S. 400 A. 47 Kontrastschema, soteriologisches : 88 137 Korillthische Gemeinde: 136 196f. 212f. 256 332ft'. Kosmologie: 3481f. 3771f. 383 399f. Kultgesetz: 142 217 Leib Christi:
212f.
Mem:chensohn : Missionsverstllndnis :
197 306 329 344 390ft'.
Naherwartung :
Verweise S. 387 A. 1, ferner 294f. 297f. 320 323 361f. 387 169f. 211ft'.
Ontologie: Pamllie:
294f. 310ft'. 322ft'. 341 355 361f; 394 ferner_Naherwartung
426 Plan Gottes:
Register
49 56 225 232ff. Prädestination: Kap. III pss., ferner 25 72 67 80 82 Rabbinisches Judentum und Paulus: Verweise S. 145 A. 36, ferner 83 179f. 183 314 Rechtfertigung: 312 87f. 111 137 258f. 260f. 287 Revelationsschema: Verweise S. 237 A. 37 Sapientia und Paulus: SchöpfUngsgedanke: 56 115 233f. 237ft". 262 ferner -+ xextvij x-r(alC; Theozentrik des paulinischen Denkens: Verweise S. 135 A. 461; S. 233 A.23; S. 264 A. 124 und S. 397 A. 37 Typologie: Verweise S.223A. 359, ferner 47 52ff. 69 71 7780ff. 85 106 120ff. 138 180 284 Verheißung: 47ff. 64 66ff. 93f. 112 154f. 176 182f. 189f. 206 211 273 281 390ft". Vorpaulinische Traditionen: Verweise S. 95 A. 284; S. 261 A. 119 und S. 395 A. 31, ferner -+Enthusiasmus -+Kontakdosigkeit Vorstellungen: 92 102 118 220ff. 258ff. 287, ferner die Verweise S. Weisheitsth.eologie : 220 A. 343-347 47ff. 59 85f. 105 Weissagung: Zwei-Aeonenlehre: Verweise S. 136 A. 1, ferner 56 60 72 84 109 126f. 137 157 204 258( 284 302 315 319345f. Zwischenreich: