Parker stoppt die »Frühlingsrollen« Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges
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Parker stoppt die »Frühlingsrollen« Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges
Sie hatte geläutet, und Butler Parker erschien in ihrem Salon, den sie sich als Studio hatte einrichten lassen. Sie saß vor der elektrischen Schreibmaschine und hatte natürlich wieder mal keine Zeile zu Papier gebracht. Lady Agatha Simpson, die vor Jahren beschlossen hatte, sechzig zu bleiben, war eine majestätisch stattliche Dame mit energischem Gesicht. Sie wandte sich zu ihrem Butler um und verkündete, sie habe einen perversen Appetit. »Mylady schweben eine bestimmte Spezialität vor?« erkundigte Josuah Parker sich gemessen. Er war etwas über mittelgroß, fast schlank und strahlte eine beeindruckende Würde aus. Sein Alter war nur schwer zu bestimmen, was auf sein stets ausdrucksloses, glattes Pokergesicht zurückzuführen war. »Machen Sie mir Vorschläge«, antwortete die ältere Dame ungeduldig. Sie schaltete die Schreibmaschine ab und schien ihre Absicht nachhaltig vergessen zu wollen, einen Krimi-Bestseller zu schreiben. Damit beschäftigte sie sich schon seit Monaten. Es war ihr erklärtes Ziel, einer gewissen Agatha Christie zu zeigen, wie ein spannender Kriminalroman wirklich auszusehen habe. Bei dieser Absicht war es bisher allerdings geblieben. Sie fand immer wieder Ent-
schuldigungen, die Arbeit zu verschieben. Dazu gehörte auch ihr Interesse an Kriminalfällen aller Art. Sie konnte sich dieses Hobby leisten, weil es einen Butler Parker gab, der seine schützende Hand über sie hielt. Darüber hinaus aber war sie eine immens reiche Frau, die sich fast jede Verrücktheit leisten konnte. »Ich warte auf Ihre Vorschläge, Mr. Parker«, wiederholte sie mit ihrer dunklen Stimme, die an einen Baß erinnerte. »Sie sind natürlich wieder mal ratlos, nicht wahr?« »Ich befinde mich im Stadium des intensiven Nachdenkens, Mylady«, antwortete Parker gemessen. »Könnten Mylady sich für einen Krabben-Cocktail erwärmen?« »Ihre Phantasie ist nicht gerade ausgeprägt«, grollte sie und schüttelte den Kopf. »Es wäre noch ein Himbeerpudding vorhanden, Mylady.« »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« Agatha Simpson sah ihren Butler leicht gereizt an. »Bevorzugen Mylady möglicherweise eine Fleischpastete?« »Unsinn, Mr. Parker! Ich brauche etwas Appetitanregendes, was meine
Kreativität beflügelt. Habe ich mich endlich deutlich genug ausgedrückt?« »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit ein wenig ratlos«, gestand Josuah Parker. »Dieser Zustand ist mir nicht neu«, bemerkte die resolute Dame spitz, doch dann erhellte sich ihre Miene. »Ich hab's jetzt.« »Mylady sehen mich glücklich.« »Frühlingsrollen«, sagte sie stichwortartig. »Frühlingsrollen?« Parker hüstelte diskret. »Mylady meinen jene chinesische Vorspeise, die ...« »Die meine ich«, sagte sie, ihren Butler unterbrechend. »Um besagte Frühlingsrollen werde ich mich selbstverständlich sofort bemühen.« »Sie müssen an Ort und Stelle gegessen werden, heiß und frisch, Mr. Parker.« »Mylady beabsichtigen demnach, das Haus zu verlassen?« »Natürlich, Mr. Parker. Und zwar möglichst schnell. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.« »Falls Mylady einverstanden sind, könnten Mylady in einem ausgezeichneten chinesischen Restaurant die erwähnten Frühlingsrollen zu sich nehmen.« »Und wo ist das?« Die Detektivin war ungeduldig geworden. »In Soho, Mylady. Ein gewisser Mr. Hua Li gilt als einer der besten Vertreter der chinesischen Küche.« »Worauf warten Sie noch?« Lady Agatha wurde sehr aktiv. »In ein paar Minuten werde ich unten sein.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an und verließ Myladys Studio.
Obwohl es auf Mitternacht zuging, machte ihm die geplante Ausfahrt nichts aus. Er war ein Mann, der nur wenig Schlaf brauchte. Als perfekter Butler rief er natürlich das Restaurant an und ließ sich mit Mr. Hua Li verbinden. Parker bestellte einen Tisch und gab zudem die Wünsche nach einigen Frühlingsrollen durch. Da er Myladys Appetit kannte, einigte er sich mit Hua Li auf ein halbes Dutzend dieser fernöstlichen Köstlichkeiten. Zu diesem Zeitpunkt dachte er wirklich nicht an Verwicklungen. Und er konnte schon gar nicht ahnen, daß dieser Abend der Beginn eines haarsträubenden Abenteuers werden sollte. * »Warum, zum Teufel, halten Sie nicht an?« grollte die ältere Dame. Sie saß im Fond des hochbeinigen >MonstrumsGlücksbringerGlücksbringer< verformte nicht nur die Nase, sondern traf mit seinen Ausläufern auf die Stirn. Der Stämmige verdrehte die Augen, schielte abenteuerlich und setzte sich erst mal auf den Boden. »Was sind denn das für Manieren?« fragte Lady Agatha entrüstet und sah ihren Butler kopfschüttelnd an. »In was für eine Spelunke haben Sie mich da geführt?« »Darf ich daran erinnern, daß es Myladys ausdrücklicher Wunsch war, dieses Restaurant zu besuchen?« Parker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er war es schließlich gewöhnt, daß Lady Simpson stets ihm die Schuld in die Schuhe schieben wollte. Dann entschuldigte er sich kurz und klopfte mit dem Bambusgriff seines UniversalRegenschirms auf den Kopf des stämmigen Chinesen, der sich gerade wieder erheben wollte. Parker wollte sich in der Unterhaltung nicht stören lassen. Der Frühlingsrollenräuber sackte wieder zurück, legte sich diesmal aber flach auf den an sich nicht sonderlich sauberen Boden. Der Bambusgriff war schließlich mit Blei ausgegossen und dementsprechend schwer. Die schlagfertige Diskussion war in dem chinesischen Lokal nicht unbemerkt geblieben. Aus einigen Nischen
erschienen Gäste und musterten die Szene. Sie machten keinen sonderlich freundlichen Eindruck und warteten nur auf ein Stichwort, um über die Lady und ihren Butler herzufallen. »Man sollte vielleicht das suchen, Mylady, was man im Volksmund das Weite nennt«, schlug Parker seiner Herrin vor. »Gehen wir.« Sie war einverstanden. »Der Service hier ist ja unter aller Kanone.« Parker hatte sich bereits erhoben und geleitete Lady Simpson aus der Nische. Die Zuschauer aber bildeten eine Mauer und wollten die beiden Gäste nicht so ohne weiteres gehen lassen. Ihre Haltung war sogar eindeutig drohend zu nennen. Lady Simpson nahm das jedoch überhaupt nicht zur Kenntnis. Sie marschierte auf die Mauer der Leiber zu und musterte die Gäste mit scharfem Blick. Der Pompadour in ihrer rechten Hand kreiste irgendwie unternehmungslustig. Butler Parker hatte vor dem Aufstehen nach einer der Gewürzdosen gegriffen und sie aufgeschraubt. Der Inhalt bestand aus einer pikanten Mischung von Pfeffer, Curry und exotisch scharfen Gewürzen in Pulverform. Diese Mischung befand sich in seiner linken, schwarz behandschuhten Hand. Um weitere Komplikationen zu vermeiden, streute Josuah Parker dieses Gewürz freigebig in die Gesichter der drohenden Gäste, deren Augen prompt in Mitleidenschaft gezogen wurden. Mit seinem Universal-Regenschirm bahnte Parker der älteren Dame anschließend eine Gasse. Die Getroffenen kämpften mit Tränen in den Augen, niesten explosionsartig und gerieten aus der Fassung. Mylady
ließ ihren Pompadour kreisen und drückte ihren >Glücksbringer< auf verschiedene Gesichtspartien. Die von Parker geschaffene Gasse ins Freie weitete sich. Agatha Simpson kam ungehindert zur Tür, während Parker eine Art Rückzugsgefecht lieferte und einige vorwitzige Verfolger außer Gefecht setzte. Dabei übertrieb er keineswegs und hielt sich an die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Unnötige Härte war ihm verhaßt. Als auch er endlich auf der Straße war, hinterließ er eine Art Sperre oder Barrikade aus übereinanderliegenden Gästen, die den Eingang ungewollt völlig blockierten. »Darf ich mir erlauben, mich nach Myladys weiteren Wünschen zu erkundigen?« fragte er, als er sie zu seinem hochbeinigen Monstrum führte. Eilig schien er es überhaupt nicht zu haben. »Ich will endlich meine Frühlingsrolle haben«, lautete ihre Antwort. »Hoffentlich zeigen Sie mir wenigstens jetzt ein halbwegs anständiges Restaurant.« * Hua Li war ein schlanker, mittelgroßer Mann mit vollendeten Manieren. Seine Höflichkeit wirkte nicht aufgesetzt. Er hatte dunkle, intelligente Augen, die einen wachsamen Ausdruck angenommen hatten. »Dieser werte Kollege ist mir nur oberflächlich bekannt«, behauptete er, als Parker sich nach dem Restaurant erkundigt hatte, das er vor knapp zehn Minuten zusammen mit Lady Simpson verlassen hatte.
»Seine Frühlingsrollen sind sehenswert«, sagte Lady Agatha und lachte spöttisch. »Hoffentlich werden Mylady mit meinen bescheidenen Speisen zufrieden sein«, gab er zurück, verbeugte sich und verließ den Tisch, an dem das Duo Platz genommen hatte. Das Restaurant des Mr. Hua Li war geschmackvoll eingerichtet. Die angebotenen Spezialitäten waren nicht gerade billig, und entsprechend war daher auch die Zusammensetzung der Gäste. Hier verkehrte nur ein Publikum, das Wert auf Qualität und gepflegte Umgebung legte. »Ihnen ist doch hoffentlich aufgefallen, daß dieser Hua Li mehr weiß, als er zugeben will, oder?« fragte Lady Simpson ihren Butler. »In der Tat, Mylady!« Parker saß stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, auf der Kante seines Sitzes. Er demonstrierte damit seine Stellung als Butler, der nur sehr widerwillig am Platz seiner Herrschaft Position bezogen hatte. »Wollen Sie diese drei scheußlichen Frühlingsrollen nicht endlich untersuchen?« redete die ältere Dame ungeduldig weiter. »Ich will endlich wissen, was in diesen Plastikbriefchen ist.« »Ich habe sie im Kofferraum meines bescheidenen Wagens zurückgelassen, Mylady.« »Hoffentlich sind sie dort auch sicher.« »Einigermaßen schon, Mylady. Zudem möchte ich von der Annahme ausgehen, daß die Plastikbriefchen wahrscheinlich irgendein Rauschgift enthalten.«
»Natürlich, Mr. Parker.« Sie nickte unverfroren, obwohl sie daran noch gar nicht gedacht hatte. »Schon allein wegen des Preises der drei Vorspeisen, Mylady.« »Reden Sie nicht über Selbstverständlichkeiten«, meinte sie wegwerfend. »Es könnte sich um Heroin handeln, Mylady.« »Oder Kokain«, fügte sie geistesgegenwärtig hinzu. »Auch diese Möglichkeit ist nicht auszuschließen, Mylady. Aus diesem Grund ist mit einigen Überraschungen zu rechnen.« »Worum ich auch gebeten haben möchte. Mr. Parker. Ich will Ihnen mal etwas sagen, wir haben es hier mit einem neuen Fall zu tun. Und wem haben Sie das wieder zu verdanken?« »Myladys Appetit auf Frühlingsrollen. « »Das auch«, sagte sie, »in erster Linie aber meinem Instinkt! Wer wollte in dieses Restaurant? Wer hat's mal wieder in den Fingerspitzen gehabt? « »Ich möchte mich erkühnen, Mylady meine tiefste Bewunderung zu zollen«, versicherte Parker gemessen. »Darf ich mich bei dieser Gelegenheit nach Myladys weiteren Plänen erkundigen?« »Wir werden diesen Sündenpfuhl natürlich ausheben, Mr. Parker.« Sie machte einen unternehmungslustigen Eindruck. Ihre Wangen glühten, die Augen blitzten. »Man wird es mit entschlossenen und unter Umständen auch brutalen Gegnern zu tun haben, Mylady.« »Was ich mir auch ausgebeten haben möchte.« Nein, sie ließ sich wieder mal nicht abschrecken. Parker unterdrückte
automatisch einen Seufzer. Er ahnte, was da wieder auf ihn zukam. Hua Li ließ es sich nicht nehmen, die Frühlingsrollen zu servieren. Sie sahen appetitlich aus, und die süß-saure Sauce, die er dazu reichte, brachte die Geschmacksnerven in Wallung. »Und hier Ihr grüner Tee, Mr. Parker!« Hua Li stellte eine Deckeltasse vor Parker und verbeugte sich tief. Er vermied es, Parker anzusehen, verbeugte sich erneut und verließ dann den Tisch. Agatha Simpson machte sich sofort über die erste Frühlingsrolle her, kostete von der herrlichen Sauce und nickte ihrem Butler begeistert zu. »Ausgezeichnet«, stellte sie fest. »Genau das schwebte mir vor. Sehr gut, Mr. Parker, wirklich!« Sie entwickelte einen bewundernswerten Appetit, während Parker den natürlich ungesüßten, grünen Tee probierte, der ebenfalls sehr gut war. Doch nach einigen Minuten stellte der Butler eine deutliche Schwächung seines Sehvermögens fest: Er sah plötzlich Agatha Simpson nur noch in Umrissen, die sich verdoppelten, wieder ineinanderflossen, übereinander lagerten und dann breiig auswucherten. Er wollte sich auf seine Herrin konzentrieren und ihr eine Frage stellen. Parker war jedoch nicht in der Lage, auch nur ein einziges Wort zu sagen. Lähmende Müdigkeit erfaßte ihn, und er lehnte sich zurück. Bevor er einschlief, bekam er gerade noch mit, wie zwei Angestellte des Restaurants einen Paravent mit Lackmalereien um den Tisch stellten. Sekunden später wußte Parker nichts mehr.
* Kathy Porter war aus dem Theater in das Haus der Lady Simpson zurückgekehrt, das sich in Shepherd's Market befand. Es handelte sich um einen altehrwürdigen Fachwerkbau aus dem Mittelalter, der zusammen mit ähnlich alten Häusern hier inmitten der hektischen Metropole London eine Oase der Stille bildete. Kathy Porter war eine junge Frau von fünfundzwanzig Jahren, langbeinig, exotisch-attraktiv und an ein scheues Reh erinnernd, wozu ihr kastanienbraunes Haar noch zusätzlich beitrug. Sie war die Sekretärin und Gesellschafterin von Lady Simpson und darüber hinaus eine mehr als gelehrige Schülerin des Butlers. Ihr Aussehen täuschte. Sie konnte sich innerhalb von Sekunden in eine wilde, angriffslustige Pantherkatze verwandeln. Und sie war erfahren in allen Künsten der Selbstverteidigung. Sie beherrschte die Kunst der Maske wie ein Mime und brauchte nur wenige Hilfsmittel, um blitzschnell in eine andere Rolle zu schlüpfen, die sie dann auch perfekt spielte. Kathy Porter merkte natürlich sofort, daß Mylady und Parker ausgefahren waren. Also ging sie in den großen Wohnraum und schaltete ein Tonbandgerät ein. Wenig später war Parkers Stimme zu vernehmen, der eine Nachricht hinterlassen hatte. Sie lächelte unwillkürlich, als sie Parkers würdevolle Stimme hörte, der ihr mitteilte, Mylady habe einen schier unstillbaren Appetit auf chinesische Frühlingsrollen verspürt und man suche daher das Restaurant Mr. Hua Li's auf. Die genaue Uhrzeit der
Abfahrt war angegeben, ebenfalls die Zeit der wahrscheinlichen Rückkehr. Und jetzt lächelte Kathy plötzlich nicht mehr. Sie hatte automatisch auf ihre Armbanduhr geblickt. Mylady und Butler Parker waren demnach eigentlich schon überfällig. Es ging auf 1.30 Uhr zu. Kathy suchte im internen Telefonverzeichnis die Nummer des chinesischen Restaurants und wählte dann. Als die Verbindung hergestellt war, nannte sie ihren Namen und fragte nach dem Butler. »Mr. Parker?« erwiderte Hua Li, der sich gemeldet hatte. »Ich bedaure sehr, Miß Porter, aber er und Lady Simpson haben mein Restaurant bereits vor einer halben Stunde verlassen.« »Dann werden sie ja gleich hier sein«, sagte Kathy Porter beruhigt. »Nein, nein, es war nicht sonderlich wichtig, Mr. Hua. Vielen Dank für die Auskunft! Sie legte auf und wartete auf das Erscheinen von Parkers Monstrum vor dem Haus. Doch die Zeit verrann, aber der Wagen erschien einfach nicht. Nach einer weiteren halben Stunde geriet Kathy Porter nun doch in Sorge. Obwohl die Zeit der mutmaßlichen Rückkehr weit überschritten war, hatte Parker sich noch nicht gemeldet, wie es sonst üblich war. Es mußte etwas passiert sein! Kathy war eine Frau, die auch ohne Anweisungen handelte. Sie hinterließ nun ihrerseits eine Nachricht auf dem Tonband, verließ das Haus und setzte sich in ihren kleinen Mini-Cooper, um nach Soho hinüber zu fahren. Sie benutzte den Picadilly und wechselte dann vom Picadilly Circus hinüber in die Lexington Street. Hier ließ sie ihren
Kleinwagen auf einem Parkplatz stehen und näherte sich zu Fuß dem Restaurant des Mr. Hua Li, das sie von früheren Besuchen her gut kannte. Das Glück stand ihr zur Seite. Als sie eine Seitenstraße passierte, auf die sie kaum geachtet hätte, entdeckte sie eine Ansammlung von neugierigen Zuschauern, die in respektvoller Entfernung einen hochbeinigen Wagen umstanden, der aus allen Nähten zu rauchen schien. Rußschwarze Wolken stiegen zum nächtlichen Himmel hoch und verdunkelten die bunten Neonreklamen. Da wußte sie sofort, daß es sich nur um Parkers Wagen handeln konnte, der sich aus irgendwelchen Gründen gegen“ fremde Zugriffe zur Wehr setzte. Kathy Porter pirschte sich an die neugierige Menge heran und schaltete auf höchste Wachsamkeit. Ihr Verdacht hatte sich bestätigt: Lady Simpson und Butler Parker mußten sich in Schwierigkeiten befinden… * Josuah Parker wachte fast übergangslos auf und hatte heftige Kopfschmerzen. Er versuchte herauszufinden, wo er sich befand und dachte gleichzeitig an Agatha Simpson. Dunkelheit umgab ihn, doch ganz in der Nähe war das Plätschern von Wasser zu vernehmen. Zudem roch es penetrant nach Fäulnis, Schlick und Schlamm. Und wenn ihn nicht alles täuschte, dann pfiffen und trippelten Ratten herum. Langsam gewöhnten seine Augen sich an die herrschenden Lichtverhältnisse. Er erkannte die langgestreckten Lager-
hallen im Hintergrund, sah knapp neben sich eine Mauer, die halb eingestürzt war und beobachtete einige Meter vor sich den Bug eines Kahns, der halb im Schlick zu stecken schien. Man mußte sie in irgendeinen Hafen gebracht haben. Sie? Wo aber war dann Lady Simpson? Parker fühlte sich verantwortlich für seine Herrin und wollte gerade diskret nach ihr rufen, als er ihr grollendes Räuspern hörte. »Mylady?« fragte er jedoch sicherheitshalber in die Dunkelheit hinein. »Verdammte Ratte«, lautete die etwas überraschende Antwort. Und fast gleichzeitig mit diesem Ausruf erfolgte ein halblautes Klatschen. Ein schrilles Quieken war zu vernehmen, hastiges Trippeln überall, dann herrschte für einen Augenblick wieder Stille. »Darf man unterstellen, daß Mylady sich den Umständen entsprechend wohl fühlen?« fragte Parker. » Wo stecken Sie ?« war die Gegenfrage. »Ich werde mir erlauben, Mylady ein Lichtzeichen zu geben.« Parker griff nach einer der vielen Westentaschen seines Anzugs und holte einen Patentkugelschreiber hervor. Es handelte sich dabei um eine geschickt getarnte Miniatur-Taschenlampe von hoher Lichtstärke. Der Butler schaltete diese Taschenlampe ein und suchte mit dem Lichtstrahl nach Lady Simpson. Sie arbeitete sich gerade machtvoll und energisch aus einem Berg alter und deformierter Pappkartons. Ihr Hut, eine Art Kreuzung aus Südwester und Napfkuchenform, saß schief auf dem Kopf. Nasse Holzwolle rahmte fast schon dekorativ ihr Gesicht.
»Was haben Sie uns da wieder eingebrockt?« grollte sie prompt, als Parker ihr half. »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit irritiert«, antwortete der Butler höflich. »Wo hat man uns eigentlich abgeladen?« wollte sie wissen. »Es scheint sich hier um ein verlassenes Dock zu handeln. Mylady fühlen sich wohl?« »Mein Kreislauf scheint nicht ganz in Ordnung zu sein«, stellte sie fest. »Sofort, Mylady.« Parker hatte verstanden. Er griff in eine der Innentaschen seines schwarzen Zweireihers und holte eine flache, lederumhüllte Flasche hervor. Er schraubte den Verschluß ab, der als Becher diente, und goß ein wenig von dem alten, französischen Kognak ein. Lady Agatha kippte den Inhalt des kleinen Silberbechers gekonnt hinunter und nickte fast schon wieder wohlwollend. »Worauf warten Sie noch?« fragte sie dann ungeduldig, als Parker fragend schaute. »Natürlich brauche ich einen zweiten Kreislaufbeschleuniger.« Parker servierte ihr den gewünschten zweiten Kognak, den sie schluckweise genoß. »Man hat uns betäubt«, sagte sie später grimmig. »Damit hätten Sie rechnen müssen.« »Ich werde Mr. Hua Li selbstverständlich zur Rechenschaft ziehen«, antwortete der Butler. »Darf ich mir erlauben, Mylady in zivilisiertere Bereiche zu führen?« »Und dann sofort zurück zu diesem Hua Li«, forderte sie energisch. »Ich bin
in der richtigen Stimmung, dem Subjekt eins auf den Pelz zu brennen.« »Vorsicht, Mylady!« Parker sprach plötzlich leise. »Mir scheint, daß wir Besuch bekommen. Vielleicht sollten wir uns wieder niederlegen.« Er hatte das Licht der kleinen, aber leistungsstarken Taschenlampe bereits ausgeschaltet und half der älteren Dame zurück auf die Pappkartons. Dann bezog auch er Position und wartete auf das Erscheinen zumindest einer einzigen Person, deren Schritte jenseits des Müllberges zu hören waren. * Kathy Porter hatte sich nicht getäuscht. Butler Parkers Wagen hing am Haken eines Abschleppwagens, doch er rührte sich nicht. Seine Hinterräder waren derart blockiert, daß der anziehende Abschleppwagen keinen Zentimeter gewann. Währenddessen aber stieß das hochbeinige Monstrum weiterhin Rußwolken aus und hüllte die gesamte Szene in tiefes Schwarz. Die neugierigen Zuschauer wichen verständlicherweise noch weiter zurück und amüsierten sich über die drei verzweifelten Männer, die den Wagen abschleppen wollten. Es handelte sich um Chinesen, die Overalls trugen. Es paßte ihnen gar nicht, daß sie im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses standen. Sie gestikulierten, redeten aufeinander ein und benutzten natürlich ihre Muttersprache, die Kathy Porter nicht verstand. Verärgerte Anwohner hatten inzwischen die Polizei alarmiert. Von fern her war die Sirene eines Polizeistreifen-
wagens zu vernehmen. Dieses nervenverschleißende Geräusch machte die drei Overallträger noch unruhiger. Plötzlich, als das Polizeifahrzeug sich durch die neugierige Menge schob, setzten sie sich einfach ab. Sie waren an dem Abschleppversuch nicht weiter interessiert. Kathy Porter heftete sich an die Fersen der drei Chinesen, die getrennte Wege einschlugen, als sie eine kleine Straßenkreuzung erreicht hatten. Kathy entschied sich für den größten der drei Männer, der ihrer Beobachtung nach der Wortführer gewesen war. Ihre Verfolgung fiel hier in Soho nicht weiter auf. Selbst um diese Zeit herrschte in den Straßen, Gassen und Passagen noch viel Betrieb. Soho, das Vergnügungszentrum der Millionenstadt, ging erst in den frühen Morgenstunden zur Ruhe. Kathy Porter konnte immer wieder hinter Passanten verschwinden, sich fast unsichtbar machen und den Blicken des Chinesen entziehen, der sich hin und wieder umwandte und nach Verfolgern Ausschau hielt. Sie hatte sich ihren leichten Trenchcoat abgestreift und ihn gewendet. Er war jetzt zu einem billig aussehenden Lackmantel geworden, zu einem Bekleidungsstück, wie es die Damen eines gewissen leichten Gewerbes zu tragen pflegten. Kathy hatte sich ein buntes Halstuch hinter das Haar gebunden und sah jetzt sehr kokett und einladend aus. Lange dauerte die Verfolgung nicht. Der Chinese betrat eine schmale Ladenpassage und verschwand in einem Geschäft, das laut Reklameaufschrift eine Maßschneiderei beherbergte. Durch das kleine Schaufenster konnte Kathy
Porter gerade noch erkennen, daß der Chinese eine Umkleidekabine am Ende der langen Verkaufstheke betrat. Sie wechselte zur anderen Straßenseite hinüber und baute sich im Eingang zu einem Haus auf. Inzwischen hatte sie das bunte Tuch aus dem Haar entfernt und den Lackmantel weit geöffnet. Durch Raffen und Heben des Rocks schuf sie die Illusion, man habe es mit einem besonders leichten Mädchen zu tun. Lange brauchte sie nicht zu warten. Nach etwa drei Minuten erschien ein zweiter Chinese, der unbedingt um diese Zeit wohl einen Maßanzug kaufen wollte. Er trug keinen Overall, war jedoch identisch mit einem der drei Abschlepper, die Kathy an Parkers Wagen beobachtet hatte. Dieser angebliche Kunde betrat das Geschäftslokal und verschwand ebenfalls in der Umkleidekabine. Nach weiteren fünf Minuten tauchte der dritte Abschlepper auf. Auch er verspürte das dringende Bedürfnis, sich mit einem Maßanzug zu versehen. Er schlüpfte in die Maßschneiderei und benutzte denselben Weg wie seine beiden Vorgänger. Kathy Porter verließ den Hauseingang und ging zurück zu jener Stelle, wo sie Parkers Wagen gesehen hatte. Er hing zwar noch am Haken, produzierte jedoch keine Rußwolken mehr. Zwei recht ratlos aussehende Polizisten sicherten den Wagen, hielten jedoch auf Distanz. Sie schienen diesem seltsamen Gefährt nicht recht über den Weg zu trauen. Kathy hatte sich in eine seriöse junge Dame zurückverwandelt. Sie trat auf einen der Beamten zu, grüßte freundlich,
stellte sich als Lady Simpsons Sekretärin vor und identifizierte das hochbeinige Monstrum als das Eigentum eines gewissen Butler Parker. Die beiden Beamten verhielten sich reserviert, ließen sich Kathy Porters Papiere zeigen und wurden erst dann zutraulicher, als die junge Dame sich erbot, den Wagen nach Shepherd's Market zu fahren. Die Wagenschlüssel zauberte sie förmlich hervor: Unter den forschenden Blicken der beiden Beamten holte sie ein Duplikat der Schlüssel aus einem Versteck seitlich neben dem Auspuffrohr. Als sie imstande war, die Tür zu öffnen, nickten die beiden Vertreter der Gesetze gewährend. Sie wollten allerdings wissen, wo sich Lady Simpson und Butler Parker befanden. Darauf konnte Kathy Porter selbstverständlich keine Antwort geben. Sie war aber damit einverstanden, daß einer der Beamten sich zu ihr in den Wagen setzte, um sie zurück nach Shepherd's Market zu begleiten. Bevor man diese gemeinsame Fahrt unternahm, setzte ein Beamter sich per Funk mit seinem Revier in Verbindung. Parkers Wagen wurde vom Haken gelassen. Kathy übernahm das Steuer und lächelte den jungen Beamten an, der neben ihr Platz genommen hatte. Dann steuerte sie das Monstrum des Butlers durch Soho und nahm Richtung auf Shepherd's Market. Während der Fahrt – der Streifenwagen folgte dichtauf – versuchte der Polizeibeamte Kathy Porter auszuhorchen. Sie schlüpfte prompt in eine andere Rolle und tat ahnungslos. Ja, sie beschwerte sich sogar ein wenig über die
Exaltiertheit der Lady, die ihrer Ansicht nach unberechenbar war. Kathy Porter war nicht sonderlich erstaunt, als sie vor Myladys Haus auf einen untersetzten, stämmigen Mann traf, der etwa fünfzig Jahre alt war. Er ähnelte einer stets leicht gereizten Bulldogge, die nur darauf wartete, bissig werden zu können. »Hallo, Miß Porter«, sagte er mißmutig. »Wieder ein neues Abenteuer fällig?« »Ich weiß es wirklich nicht, Superintendent«, gab Kathy Porter wahrheitsgemäß zurück. »Ob Sie es glauben oder nicht, Sir, das hier mit dem Wagen ist das Ende einer Kette von verrückten Zufällen.« »Ich glaube Ihnen kein Wort«, sagte Superintendent McWarden, der eine Sonderabteilung des Yard leitete. »Ich wußte es bereits im voraus«, antwortete Kathy Porter. »Sie trauen ja auch mir nicht, Sir.« »Sie haben natürlich keine Ahnung, wo Mylady und Parker stecken, wie?« »Wüßte ich es, Superintendent, ich wäre glücklich«, gestand Kathy Porter. »Sie haben mir noch nicht mal eine Nachricht hinterlassen.« »Natürlich nicht«, schnappte McWarden skeptisch zu. »Aber gehen wir doch ins Haus. Ich habe Ihnen einige Fragen zu stellen.« * »Hier müssen sie liegen«, sagte eine rauhe, unterdrückte Stimme. »Schalt' mal das Licht ein!« Das Licht einer Taschenlampe stach wie ein langer, fahlweißer Finger durch die Dunkelheit und suchte nach Mylady
und Josuah Parker. Im Widerschein dieses Lichtes waren zwei Gestalten auszumachen: Es handelte sich um einen großen und um einen kleineren Mann, die Parkas trugen. Der Lichtfinger suchte, doch er konnte die beiden Gesuchten nicht ausmachen. Parker und Agatha Simpson hatten eine Art Versteck bezogen und warteten darauf, daß die beiden Männer sich noch näher an das Ufer herantrauten. Und sie mußten es tun, ob sie es nun wollten oder nicht. Der Müll, der hier abgelagert worden war, versperrte ihnen die Sicht. Sie stiegen über die Pappkartons und gerieten so in den Wirkungskreis des Duos. Mylady und Parker verständigten sich durch knappe Handzeichen, um dann zur Tat zu schreiten. Lady Simpson ließ ihren Pompadour über dem Kopf kreisen, visierte den größeren der beiden Männer an und ließ dann los. Der perlenbestickte Handbeutel zischte durch die Luft wie ein Kleinstkomet. Und der Glücksbringer landete haargenau auf dem Hinterkopf des Mannes, der überrascht aufgrunzte, für Bruchteile von Sekunden starr stehen blieb, um dann kopfüber in die Pappkartons zu fallen. Parker war natürlich nicht tatenlos geblieben. Seine Waffe war die schwarze Melone, deren Wölbung, wie Eingeweihte wußten, mit Stahlblech gefüttert war. Er verwendete diese Kopfbedeckung als eine Art Bumerang oder Diskus. Wie eine fliegende Untertasse rauschte die Melone durch die Dunkelheit und erwischte den Mann am Hals. Er fiel wie vom Blitz getroffen vornüber und landete im Schlick.
»Darf ich mir erlauben, Mylady zu ihrem Treffer zu beglückwünschen?« fragte Parker. »Papperlapapp«, gab sie zurück, wegwerfend, aber dennoch mit einem Unterton von Zufriedenheit. »Dieses Subjekt war ja gar nicht zu verfehlen. Sehen wir nach, wer sie sind.« Mylady und Parker verließen ihr Versteck am Fuß der brüchigen Mauer und kümmerten sich um ihre Jagdbeute. Agatha Simpson durchsuchte schnell und geschickt den Mann, den sie an den Beinen resolut aus den alten Pappkartons gezogen hatte. Parker hingegen barg den Mann aus dem Schlick. »Nun sehen Sie sich das an, Mr. Parker!« Myladys Stimme klang entrüstet. »Das hier ist doch ein Totschläger! Und das hier eine Fahrradkette.« »Ich kann mit einer Faustfeuerwaffe und einem Dolch dienen, Mylady«, vermeldete der Butler. »Haben Sie irgendwelche Papiere entdeckt?« »Damit war von vornherein nicht zu rechnen, Mylady.« Parker schüttelte den Kopf. »Es scheint sich um zwei gedungene Handlanger zu handeln.« »Und was wollten die von uns? Warum suchten sie nach uns?« »Darf ich Mylady eine mögliche Erklärung anbieten?« »Nun zieren Sie sich nicht!« Ihre Stimme klang ungeduldig. »Wahrscheinlich sollte nach den Wagenschlüsseln gefahndet werden, Mylady.« »Nach welchen Wagenschlüsseln?« Die Detektivin verstand nicht sofort. »Die ich vor der einsetzenden Ohnmacht noch unter das Polster meines Sitzes zu schieben vermochte, Mylady.«
»Reden Sie etwa vom Schlüssel zu Ihrem unmöglichen Auto?« Agatha Simpson war ein Licht aufgegangen. »In der Tat, Mylady«, lautete Parkers Antwort. »Meiner bescheidenen Ansicht nach dürften gewisse Herrschaften Mühe haben, an die drei Frühlingsrollen heranzukommen.« * Die beiden Strolche, wie Lady Simpson sie genannt hatte, waren wieder zu sich gekommen und fühlten sich schlecht. Sie befingerten ihre wunden Stellen und sprachen von der Tücke gewisser Leute, die aus dem Dunkeln heraus und ohne jede Vorwarnung zulangten. Aus der Unterhaltung ergab sich, daß der größere der beiden Männer Fred, der kleinere Oscar hieß. Natürlich suchten sie nicht weiter nach ihren Opfern, sondern sie arbeiteten sich zurück zu einer der nahen Dockstraßen, wo ihr Wagen stand. Sie waren nicht gerade Spitzenklasse, die beiden Gauner, und kamen überhaupt nicht auf die Idee, daß man sie weiter aus nächster Nähe beobachtete. Sie stiegen in ihren Ford und wollten losfahren. Oscar hatte das Steuer übernommen und zündete sich gerade eine Zigarette an, als er im Rückspiegel ein glattes Pokergesicht entdeckte. Er ließ das brennende Streichholz fallen, das auf Freds Knien landete, der daraufhin lautstark fluchte. »Ich möchte doch um Manieren bitten«, ließ sich eine würdevolle Stimme vernehmen. »Sie befinden sich immerhin in Gesellschaft einer Dame.« Diese Dame rügte den Fluch auf ihre spezielle Art und Weise. Sie legte ihren
Pompadour auf Freds Kopf, der daraufhin um etwa anderthalb Zentimeter zusammenrutschte. Oscar hob schleunigst die Hände und zeigte damit, daß er an Gegenwehr überhaupt nicht dachte. Ihm ging mit einiger Spätzündung auf, daß ihre beiden Opfer sich während ihrer Abwesenheit in den Wagen gestohlen und auf den Rücksitzen versteckt gehalten hatten. »Worauf warten Sie noch?« grollte die ältere Dame. »Fahren Sie hinaus nach Shepherd's Market!« »Na... Na... Natürlich, Madam«, antwortete Oscar mit vibrierender Stimme. »Ehrenwort, wir wollten eigentlich nichts von Ihnen, großes Ehrenwort!« »Wonach sollten Sie suchen?« erkundigte sich Butler Parker, während Oscar langsam anfuhr. »Wir ... Wir hatten da’n Geräusch gehört, so'n Stöhnen und Rascheln«, schwindelte er. »Verärgern Sie mich nicht, Sie Lümmel!« Lady Simpson verabreichte Oscar eine harmlose Ohrfeige, worauf Oscar leicht das Steuer verriß. »Ging es nicht um die Schlüssel eines Wagens «.fragte Parker höflich weiter. »Ich .. Ich weiß von nichts«, stotterte Oscar, während Fred sich endlich wieder hochdrücken konnte. »Ich ... Ich weiß auch von nichts«, fügte Fred hinzu, während er gleichzeitig sicherheitshalber den Kopf einzog. »Ihre Auftraggeber werden mit Ihnen sehr unzufrieden sein«, stellte Josuah Parker fest. »Möglicherweise müssen Sie sogar mit erheblichem Ärger rechnen, falls es sich herausstellt, daß Sie versagt haben.«
»Ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken«, unkte Agatha Simpson. »Es stirbt sich schnell in gewissen Kreisen!« »Mylady und meine bescheidene Person sind unter gewissen Umständen bereit, Ihr Versagen nicht zu erwähnen«, redete Parker gemessen weiter. »Dazu gehört jedoch ein gewisses Maß an Mitarbeit Ihrerseits.« Oscar und Fred brauchten eine gewisse Zeit, bis sie Parkers Worte verstanden hatten. »Sie . . . Sie wollen den Mund halten?« erkundigte sich Fred jetzt. »Ich meine natürlich, Sie wollen schweigen?« Er paßte sich Parkers Ton an. »Falls Sie sich in der Lage sehen, gewisse Informationen zu liefern«, bestätigte Parker. »Wir wissen aber so gut wie gar nichts«, behauptete Fred. »Es ist sinnlos, Mr. Parker«, warf Agatha Simpson gereizt ein. »Was geht uns das Schicksal dieser beiden Strolche an, die uns zusammenschlagen und ausrauben sollten?« »Man sollte Ihnen vielleicht doch eine faire Chance einräumen, Mylady.« »Papperlapapp«, lautete die Antwort. »Wir wissen ja ohnehin, wer sie auf mich gehetzt hat.« »Dem ist allerdings beizupflichten«, räumte Butler Parker ein. »Sie ... Ah ... Sie wissen ungefähr Bescheid?« fragte Fred. »In der Tat«, bestätigte Parker. »Es geht um die letzte Gewißheit, nicht mehr, aber auch nicht weniger.« »Waren Ihre Auftraggeber nun Chinesen oder nicht?« raunzte die ältere Dame in diesem Moment. »Antworten Sie endlich, sonst werde ich ärgerlich!«
»Doch, Madam, das stimmt«, gab Oscar automatisch zurück. »Und wo finde ich diese Lümmel?« »Das wissen wir nicht, Madam«, redete Oscar weiter. »Die beiden Schlitzaugen haben uns in unserer Stammkneipe angequasselt. Und wir sollten wirklich nur Wagenschlüssel besorgen. Nee, Schläger oder sowas sind wir nicht.« »Wieviel hat man Ihnen für die Schlüssel geboten?« schaltete der Butler sich höflich ein. »Fünf Pfund im voraus, fünf weitere für die Schlüssel, Sir.« Fred legte ebenfalls die Karten auf den Tisch. »Sie werden fünfzig Pfund bekommen, wenn Sie unter dieser Nummer anrufen«, schlug Parker vor und reichte Fred seine Visitenkarte. »Irgendwann werden die beiden Auftraggeber Ihnen ja wieder mal über den sprichwörtlichen Weg laufen. Stellen Sie dann fest, wer sie sind und wo man sie finden kann!« »Und Sie halten den Mund?« vergewisserte sich Fred. »Selbstverständlichkeiten braucht man nicht zu wiederholen«, sagte Butler Parker. »Ihre entstehenden Unkosten werden Ihnen natürlich zusätzlich erstattet.« Oscar wollte etwas sagen, doch Fred fuhr ihm hastig über den Mund. »Auf das Geschäft gehen wir ein«, sagte er hastig. »Dann brauchen Sie Ihren Auftraggebern jetzt nur zu sagen, Mylady und meine bescheidene Wenigkeit wären nicht mehr am Tatort zu finden gewesen.« »Klar, sagen wir!« Fred nickte eifrig. »Wie denn?« fragte Agatha Simpson. »Wie sollten Sie denn die Wagenschlüssel übergeben?«
»In unserer Stammkneipe, Madam.« Freds Stimme klang noch eifriger. »Wir sollten da warten, bis wir angequatscht würden.« »Und wie heißt Ihre sogenannte Stammkneipe?« Parker fragte beiläufig. »Ist es das >Einhorn< in Soho?« »Nee, Fattys Pinte«, korrigierte Oscar ungewollt und merkte gleichzeitig, daß er sich gründlich verplappert hatte. Er kassierte einen mehr als derben Rippenstoß von seinem Partner Fred, doch das änderte nichts mehr an seiner unfreiwilligen Aussage. * »Das nenne ich Schnelligkeit, mein lieber McWarden«, sagte Agatha Simpson sehr freundlich und anerkennend, als sie dem Superintendent gegenüberstand, »Schnelligkeit, Mylady?« McWarden sah die Sechzigjährige mißtrauisch an. Soviel Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit war er von ihr nicht gewöhnt. »Man stiehlt uns den Wagen, und Sie haben ihn bereits gefunden und vor dem Haus abgestellt«, meinte Lady Agatha. »Einen besseren Kundendienst kann man sich gar nicht wünschen.« »Ihr Wagen ist gestohlen worden, Mylady?« McWarden fühlte sich auf den Arm genommen. »Erzählen Sie es ihm, Mr. Parker! Kindchen, ich brauche jetzt einen Tee.« Kathy Porter nickte und verließ den Wohnraum, in dem sie zusammen mit McWarden auf Myladys und des Butlers Rückkehr gewartet hatte. »Bedauerlicherweise wurde mein Wagen das Ziel und Opfer von Autodieben«, begann Parker. »Dies geschah
eindeutig in Soho, wie Sie ja inzwischen wohl in Erfahrung bringen konnten.« »Sie waren in Soho?« »Ich hatte Appetit auf Frühlingsrollen«, schaltete Agatha Simpson sich lächelnd ein. Sie konnte tatsächlich lächeln, obwohl McWarden an eine optische Täuschung glaubte. »Frühlingsrollen?« Der Superintendent glaubte natürlich kein Wort. Er wollte eine weitere Frage stellen, doch in diesem Moment war das harte Rattern einer Maschinenpistole zu vernehmen. Die Schüsse mußten auf der nahen Durchgangsstraße abgefeuert worden sein. McWarden riß den Kopf herum, stutzte kurz und rannte dann aus dem Wohnraum. Sein Ziel war der vor dem Wohnhaus parkende Streifenwagen, mit dem er gekommen war. »Fred und Oscar?« fragte Lady Simpson und sah ihren Butler besorgt an. »Eine gewisse Möglichkeit spricht dafür, Mylady«, räumte Parker ein. »Ob man sie umgebracht hat?« »Das, Mylady, möchte ich bezweifeln. « »Und woher nehmen Sie diese Zweifel?« Sie ärgerte sich schon wieder über die Sicherheit ihres Butlers. »Mylady und meine bescheidene Person dürften verfolgt worden sein«, schickte Parker voraus. »Warum, so erhebt sich die nächste Frage, haben die Verfolger dann nicht schon früher geschossen und auch Mylady in ihren Feuerüberfall miteinbezogen?« »Richtig, das frage ich mich auch.« »An Blutvergießen scheint eine gewisse Gegenseite zur Zeit noch nicht interessiert zu sein«, schloß Parker. »Was ich ja gerade gesagt habe!« Sie tat so, als habe Parker nur das wieder-
holt, was sie bereits geäußert hatte. Sie tat es schamlos. McWarden kehrte zurück. Er wirkte ein wenig aufgelöst, hob bedauernd die Schultern und war verärgert. »Nichts«, meldete er. »Weit und breit nichts zu sehen.« »Sie waren eben nicht schnell genug, McWarden«, stichelte die ältere Dame. »Sie haben keine Ahnung, wer da geschossen haben könnte?« »Ich habe meinen Schnellkursus in Hellsehen noch nicht abgeschlossen«, gab Agatha Simpson spitz und ironisch zurück. »Darf man fragen, Mylady, wie Schlick und Schlamm an Ihr Kostüm gekommen sind? Diese Frage gilt auch für Sie, Mr. Parker.« » Es war nicht zu übersehen, daß das Tweedkostüm der Detektivin total verschmutzt war. Auch Parkers schwarzer Zweireiher schrie förmlich nach einer gründlichen chemischen Reinigung. »Warum sollte ich antworten?« gab Agatha Simpson zurück. »Sage ich die Wahrheit, werden Sie sie mir nicht abnehmen, lüge ich, würden Sie mir ebenfalls nicht glauben. Aber Sie sollen eine Erklärung bekommen. Mr. Parker und ich haben uns auf den East India Docks herumgetrieben. Wissen Sie, McWarden, ich liebe die nächtliche Atmosphäre dieser Gegend. Kennen Sie sie eigentlich?« »Ich möchte mich verabschieden«, lautete McWardens gereizte Antwort. »Ich habe noch zu tun.« »Gute Heimfahrt, mein Lieber!« Lady Simpson strahlte den Superintendent wieder an. »Kommen Sie bei Gelegen-
heit wieder mal vorbei! Sie wissen doch, wie sehr ich Ihren Besuch schätze.« Parker brachte den Gast zur Haustür. »Ich weiß, daß Lady Simpson und Sie wieder in einen Fall verwickelt sind«, erklärte McWarden gereizt wie üblich. »Ich weiß, daß man mir erneut wichtige Fakten verschweigt, Mr. Parker. Aber, das sage ich Ihnen, irgendwann ist meine Geduld am Ende, verlassen Sie sich darauf!« »Sehr wohl, Sir«, antwortete Parker höflich. »Darf ich mir erlauben, mich Myladys guten Wünschen anzuschließen?« McWarden unerdrückte einen Fluch und stampfte zu seinem Dienstwagen. »Wo bleiben Sie denn?« fragte die Hausherrin, als Parker in den Wohnraum zurückkehrte. Sie deutete auf das Telefon. »Gerade ist angerufen worden.« »Eine Warnung, Mylady?« »Wir sollen alles vergessen«, erwiderte sie und nickte. »Und genau das werden wir natürlich nicht tun.« * Josuah Parker befand sich im Souterrain des Hauses, genauer gesagt, in seinem Labor. Mit einem Skalpell hatte er die beiden anderen Frühlingsrollen vorsichtig aufgetrennt und ebenfalls aus jeder je ein kleines Plastikbriefchen hervorgeholt. Den Inhalt aller drei Briefchen tat er in eine Porzellanschale. Es handelte sich um Heroin, wie er nach kurzer Prüfung feststellte. »Wie konnten Sie daran nur einen Moment zweifeln?« fragte die ältere Da-
me entrüstet und tat so, als habe ihr Butler nie an Drogen geglaubt. »Mylady wollen dies gütigst entschuldigen«, antwortete Parker automatisch. Er kannte die Taktik seiner Herrin nur zu genau. Er hatte sich darüber noch nie aufgeregt. »Immer wieder Rauschgift«, meinte Lady Agatha nachdenklich. »Ich hasse diese Drogenhändler.« »Sie verkaufen in der Tat den Tod«, sagte Parker ernst. »Diesen Subjekten werden wir das Handwerk legen, Mr. Parker.« »Mylady finden mich auf Ihrer Seite.« »Und wie gehen wir vor? Gehört dieser Hua Li auch zu den Drogenhändlern?« »Das glaube ich kaum, Mylady.« »In seinem Restaurant sind wir schließlich betäubt worden, oder sollten Sie das vergessen haben?« »Sie wurden betäubt, Mylady?« fragte Kathy Porter. »Eine interessante Geschichte, Kindchen, die ich Ihnen bei einem Kognak erzählen werde. Wir stecken mitten in einem neuen Fall. Übrigens, sehr passabel, wie Sie Mr. Parkers Wagen hierher geschafft haben. Einbilden sollten Sie sich aber darauf nichts.« »Natürlich nicht, Mylady.« Kathy Porter lächelte. »Als ich die drei Chinesen an Mr. Parkers Wagen sah, wurde ich sofort mißtrauisch und verfolgte sie anschließend, als die Polizei erschien.« »Und das sagen Sie erst jetzt?« entrüstete sich die Sechzigjährige. »Bisher war keine Gelegenheit. In Gegenwart des Superintendenten wollte ich nicht darüber sprechen, Mylady.« »Der Teufel hätte Sie auch sonst geholt.«
Parker sah Kathy Porter nur fragend an, worauf sie von ihrem Erlebnis berichtete. »Eine Maßschneiderei mit einer Umkleidekabine«. Agatha Simpsons Wangen glühten vor Eifer. »Mr. Parker, diesen Schneider werde ich mir aus nächster Nähe ansehen.« »Gewiß, Mylady.« »Und zwar sofort, Mr. Parker.« »Der Morgen dämmert bereits heran, Mylady, wenn ich es so umschreiben darf.« »Das ist kein Argument für mich. Ich fühle mich noch sehr frisch. Sie hingegen scheinen abzubauen, oder?« »Die Maßschneiderei dürfte um diese Zeit geschlossen sein, Mylady. Und von einem illegalen Eindringen möchte ich abraten. Das Geschäftslokal dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gut gesichert sein.« »Sie wollen doch nur ins Bett, Mr. Parker.« »Dies allerdings auch, Mylady«, gestand Parker und übersah den krampfhaften Versuch Lady Agathas, ein fast wütendes Gähnen zu unterdrücken. »Schön«, lenkte sie ein. »Ein paar Stunden Schlaf könnten vielleicht nicht schaden. Frühstück um zehn Uhr.« Sie gähnte jetzt offen und rieb sich ungeniert, die Augen. Doch sie mußte wieder mal das letzte Wort behalten. »Wie kann man nur so untrainiert und müde sein«, meinte sie und blickte vor allen Dingen Butler Parker strafend an. »Nehmen Sie sich an mir ein Beispiel.« »Sehr wohl«, erwiderte Parker gemessen. »Mylady werden mir ein leuchtendes Vorbild und Beispiel sein.« *
Diese Versicherung des Butlers war natürlich weit übertrieben. Er verfolgte durchaus seine eigenen Pläne und Absichten. Ihm war klar, daß man es mit brutalen Gegnern zu tun hatte. Drogenhändler zögerten nie lange, einen Menschen umzubringen, der ihre Kreise störte. Und Butler Parker ging es darum, Mylady vor Schaden zu bewahren. Als er sicher sein konnte, daß sie zu Bett lag und schlief, machte er sich auf den Weg, um sich in Soho noch mal ein wenig umzusehen. Er verließ das Haus nicht offiziell durch die Haustür, sondern benutzte einen der raffiniert angelegten Geheimgänge. Nur dem Eingeweihten war bekannt, daß die benachbarten Häuser unbewohnt waren. Auch sie befanden sich im Besitz der älteren Dame und grenzten jeweils an verschiedene, kleine Gassen. Sie waren über geschickt getarnte Türen vom Haus der Mylady aus zu erreichen. Parker verzichtete darauf, sein hochbeiniges Monstrum zu benutzen. Darüber hinaus hatte er Maske gemacht, wie er es nannte. Der etwas füllig wirkende Mann, der also in der östlichen Seitengasse erschien und am Steuer eines VW-Käfers saß, erinnerte noch nicht mal entfernt an den Butler. Er trug eine Brille, sah bieder aus und schien höherer Angestellter in einem Ministerium zu sein. Während der Fahrt hinauf zur Oxford Street schaute Parker immer wieder in den Rückspiegel und vergewisserte sich, daß er nicht verfolgt wurde. Er setzte auf die frühe Morgenstunde. Der Verkehr in den Straßen war noch recht gering. Darüber hinaus rechnete er mit
dem Schlafbedürfnis auch der Drogengangster. Nach etwa zehn Minuten war ihm klar, daß er dennoch beschattet wurde. Hartnäckig folgte ihm ein kleiner Morris, an dessen Steuer ein junger Mann saß, der einen weißen Kittel trug. Obwohl es noch nicht richtig Tag war, trug dieser Fahrer eine Sonnenbrille. Parker kannte sich in der Millionenstadt London aus. Er wußte also, wo er sich mit seinem Verfolger in aller Ruhe auseinandersetzen konnte. Zuerst mußte er ihn auf ein Terrain locken, wo dies ungestört über die Bühne gehen konnte. Er entschied sich für den hinteren Parkplatz eines Krankenhauses in der Westmore Street. Hier standen bereits viele Wagen der Nachtdienst-Angestellten. Parker stellte seinen VW-Käfer ab und stieg aus. Als er um seinen Wagen herumging, erschien der Verfolger in seinem Morris. Er fuhr im Schrittempo über den Parkplatz, entdeckte natürlich den Butler und hielt. Wahrscheinlich fragte er sich jetzt, wer dieser seriös aussehende Mann wohl war, der da auf den Hintereingang des Hospitals zuschritt, leicht und federnd und auf Verzicht jeder feierlichen Würde, die den Gang des Butlers sonst auszeichnete. Der junge Mann nahm seine Sonnenbrille ab und folgte Parker, der den Eingang bereits erreicht hatte und für einen Moment nicht mehr zu sehen war. Der Verfolger beeilte sich, den Anschluß zu halten, erreichte seinerseits den Hintereingang und stieß hier auf einen Schnauzbärtigen, der eine Dienstmütze trug und ihn grimmig musterte.
»Hallo«, grüßte der Verfolger. »War das gerade Mr. Hustler, der da 'reingegangen ist?« »Mr. Fanders«, erwiderte der Pförtner. »Er ist in der Verwaltung tätig.« »Sind Sie sicher?« Der Verfolger machte einen enttäuschten Eindruck. Ihm wurde klar, daß er sich auf falscher Fährte befand. »Ich werde doch Mr. Fanders kennen«, antwortete der Pförtner. »Er arbeitet seit sechs Jahren hier im Haus.« Der Verfolger nickte und wandte sich ab. Und genau das war sein Fehler. Er spürte plötzlich einen harten Druck in der Nierengegend. Als Fachmann einer gewissen Branche wußte der junge Mann sofort, was dies zu bedeuten .hatte. »Ich würde mir sehr gern mal Ihren Wagen ansehen«, sagte der Pförtner, der kein Pförtner war. »Und ich würde es ungern sehen, wenn Sie das machen, was man gemeinhin Ärger nennt.« »Sie sind Parker?« fragte der Verfolger, der sich gehorsam in Marsch setzte. »Ich muß einräumen, mein Aussehen verändert zu haben«, bestätigte der Mann hinter ihm. Der junge Mann verzichtete sicherheitshalber auf jeden Flucht- oder Überrumpelungsversuch, ging zurück zu seinem Morris und durfte am Steuer Platz nehmen. Er verspürte dabei ein leichtes Zwicken im rechten Oberarm. »Sie werden nun ein wenig schlafen«, verkündete der angebliche Pförtner höflich. »Gesundheitliche Schäden kommen mit Sicherheit nicht auf Sie zu.« Der junge Mann fühlte bereits ein Schlafbedürfnis in sich aufsteigen, dem er kaum noch widerstand. Bevor seine
Augen sich schlossen, bekam er noch mit, daß Butler Parker keine Schußwaffe, sondern nur seinen Zeigefinger als > Druckmittel < benutzt hatte. * »Ich wußte, daß Sie kommen würden«, sagte Hua Li und verbeugte sich tief. »Ich möchte nur meine Wagenschlüssel abholen«, antwortete der Butler und deutete seinerseits eine Verbeugung an. »Sie sind inzwischen noch nicht entdeckt worden? « »Ihre Wagenschlüssel?« Der Chinese begriff nicht. »Ich war so frei, sie in Ihrem Restaurant zu deponieren«, sagte Josuah Parker, der wieder seinen schwarzen Zweireiher, Melone und Schirm trug. »Sie erinnern sich möglicherweise, Mr. Hua Li, dies geschah in jenen Sekunden, als ein tiefes Schlafbedürfnis meine bescheidene Wenigkeit befiel.« »Sie sehen mich verzweifelt«, gestand Hua Li und verbeugte sich erneut. »Es gibt im Leben eines jeden Menschen manchmal gewisse Zwänge, denen man nicht entrinnen kann.« »Sie sind sehr verständnisvoll, Mr. Parker.« »Vergessen wir den kleinen unbedeutenden Zwischenfall, Mr. Hua Li.« Parkers Augen unterstrichen das, was er sagte. »Erfreulicherweise erwuchsen daraus keine dramatischen Komplikationen.« »Sie sehen mich glücklich und erleichtert, Mr. Parker.« Hua Li verbeugte sich noch tiefer. Dann geleitete er seinen frühen Gast in das noch geschlossene und daher leere Restaurant. Parker ging
zur Nische hinüber, in der er zusammen mit seiner Herrin gesessen hatte. Hier hob er das Sitzkissen seines Stuhls und barg seine Wagenschlüssel. »Bedauerlich, daß Mylady sich außerstande sah, eine Ihrer bekannt exzellenten Frühlingsrollen zu kosten«, meinte der Butler höflich. »Ich stehe tief in Ihrer Schuld, Mr. Parker.« »Erwarten Sie keine Fragen von meiner bescheidenen Wenigkeit«, erwiderte Parker gemessen. »Der grüne Tee und die würzige Sauce zu den Frühlingsrollen dürften Ihrem Koch ein wenig mißraten sein.« »Darf ich Ihnen einen Rat geben, Mr. Parker?« »Im Prinzip durchaus«, entgegnete Parker. »Im speziellen Fall würde ich Ihnen davon abraten, Mr. Hua Li. Sie werden Schwierigkeiten genug haben. Ich weiß, wie sehr Sie an Ihrer ehrenwerten Familie hängen.« Parker lüftete seine schwarze Melone und schritt würdevoll zurück in den Korridor des Hauses, während Hua Li ihm folgte. »Versäumen Sie nicht, gewisse Leute zu verständigen«, sagte Parker eindringlich, bevor er das Haus verließ. »Sie haben beiläufig von mir erfahren, daß ich beabsichtige, ein bestimmtes chinesisches Lokal zu besuchen.« »Mr. Parker, Sie sind sehr gütig, Sie ersparen mir ...« »Ein Dattelkern, Mr. Hua Li, hält nach einem weisen Sprichwort Ihrer Heimat keinen Wagen auf.« »Ihr Verständnis beglückt mich, Mr. Parker. Die Menschen kann man entbehren, nicht aber einen Freund.«
Parker verließ das Haus und begab sich zurück zu seinem VW-Käfer. Er fühlte sich guter Dinge und war bereit, einiges zu unternehmen. Er rechnete fest damit, daß Hua Li inzwischen seinen Anruf tätigte. Genau darauf stellte er seine weiteren Pläne ab. * Vor dem chinesischen Restaurant, in dem es die Frühlingsrollen mit der seltsamen Füllung gegeben hatte, herrschte trotz der frühen Morgenstunde eine erstaunliche Betriebsamkeit. Auf dem Gehweg vor dem Restaurant fegten zwei jüngere Chinesen die Steinplatten. Ein dritter Angestellter befaßte sich intensiv mit der Reinigung der Türscheibe. Im Restaurant selbst ordneten zwei weitere Angestellte Tische und Stühle. Sie alle achteten nicht weiter auf den ärmlich gekleideten, alten Mann, der dieses Restaurant passierte und einen fast wadenlangen, zerschlissenen Mantel trug. Dieser Mann verschwand hinter der nächsten Straßenecke und entwickelte plötzlich eine ungewöhnliche Betriebsamkeit. Er öffnete nämlich seinen Mantel und holte aus einer der tiefen Innentaschen drei etwa dreißig Zentimeter lange Plastikröhren hervor, die er geschickt ineinandersteckte und so zu einer Art Blasrohr formte. Es handelte sich um ein Blasrohr! Der alte Mann, dessen Hände energisch und zielbewußt arbeiteten, schob einen bunt gefiederten Pfeil in das Mundstück dieses Blasrohres und schaute dann vorsichtig um die Ecke. Man fegte noch, säuberte das Glas und kümmerte sich jetzt sogar auch noch um
den Rinnstein. Der alte Mann hob sein Blasrohr, das es übrigens in jedem Spielwarengeschäft gab, visierte den Chinesen in der Tür an und pustete äußerst kräftig in das Mundstück. Der Erfolg war frappierend. Der bunt gefiederte Pfeil jagte aus dem Blasrohr, beschrieb einen leichten Bogen und ... fraß sich mit seiner nadelscharfen Spitze in das Gesäß des Chinesen, der verständlicherweise zusammenzuckte und zusätzlich noch etwa zehn Zentimeter steil in die Luft hüpfte. Dann griff er nach der schmerzenden Stelle, fand den stricknadelgroßen Pfeil und stieß einige Laute in seiner Muttersprache aus, die man nur als Worte völliger Verblüffung deuten konnte. Seine Landsleute waren natürlich aufmerksam geworden, liefen auf ihn zu und kümmerten sich um ihn. Hinzu kam jener stämmige, untersetzte Chinese, dessen Hand von Lady Simpson mit der Gabel behandelt worden war. Sekunden später zuckte auch er zusammen und hüpfte gut und gern fünfzehn Zentimeter hoch in die Luft. Er schrie seine Landsleute an, bückte sich und ließ sich den Pfeil aus dem Gesäß ziehen. Der Stämmige erteilte seinen Leuten einige barsche Befehle, worauf sie ausschwärmten und die nähere Umgebung absuchten. Zwei jüngere Chinesen, die sich mit dem Pflaster abgegeben hatten, entdeckten den alten Mann. Er stand vor einigen Mülltonnen und suchte offensichtlich nach Eßbarem. Dennoch liefen die beiden Chinesen auf ihn zu und rissen den armen, alten und hilflosen Mann an der Schulter herum. Sie wollten sich vergewissern, ob sie es mit dem Schützen zu tun hatten.
Nun, sie kamen zu keiner Erkenntnis, weil ihnen dazu keine Zeit blieb ... Der alte, hilflose Mann hielt eine Art Miniatur-Spraydose in der rechten Hand und sprühte in die Gesichter der beiden Rohlinge. Sie schnappten verzweifelt nach Luft und wollten noch tätlich werden, fanden dazu aber weder Zeit noch Kraft. Sie sackten zusammen, als seien sie von einem unsichtbaren Blitz getroffen worden. Der alte Mann bückte sich, suchte und fand bei jedem der jungen Kerle eine Faustfeuerwaffe, zog sie aus den Taschen und ließ sie in einer Mülltonne verschwinden. Dann eilte er zurück zur Straßenecke und machte sich den beiden anderen jungen Leuten bemerkbar, die den Eingang zum Restaurant sicherten. Der hilflose alte Mann rief einige unverständliche Worte, die man aber durchaus als Alarm deuten konnte. Die beiden Angesprochenen reagierten prompt. Sie rannten auf den alten Mann zu, der vor Aufregung zitterte und hinter sich deutete. Die beiden Ankömmlinge entdeckten sofort die beiden Landsleute, die regungslos vor den Mülleimern lagen. Sie setzten sich wieder in Bewegung, eilten auf ihre Freunde zu und kümmerten sich nicht weiter um den alten Mann im langen Mantel, Genau das war ein Fehler! Er war ihnen gefolgt, hüstelte, machte sich bemerkbar und wartete, bis die beiden jungen Asiaten sich aufrichteten und verärgert zu ihm umwandten. Der hilflose alte Mann betätigte noch mal die kleine Spraydose und setzte auch diese beiden Männer außer Gefecht. Sie legten sich dekorativ über die
beiden bereits am Boden Ausgestreckten und rührten sich nicht mehr. Der alte Mann suchte und fand auch bei ihnen Schuß- und Stichwaffen, die er an sich nahm und dann in einem zweiten Müllbehälter verschwinden ließ. Anschließend kam der alte Mann schlurfend um die Straßenecke und näherte sich wieder dem chinesischen Lokal. Wie erwartet, wurde es jetzt nicht mehr massiv bewacht. Genauer gesagt, nur noch ein einziger Mann stand in der Tür und zeigte Nervosität und Ungeduld. Offensichtlich war er verärgert darüber, daß die vier Jünglinge immer noch nicht zurückkehrten. Der alte Mann brabbelte ein paar Worte und deutete dann mit zitternder Hand auf die Straßenecke. Der Wachposten ließ sich täuschen, schaute in die angegebene Richtung, schaute wieder zurück und genau in die Düse der kleinen Spraydose. * »Das Frühstück, Mylady.« Butler Parker servierte Rührei, gebratenen Speck, Toast, frische Landbutter, Orangenmarmelade und Tee. Die Hausherrin nickte grüßend und klagte über ihren leicht angegriffenen Kreislauf. Butler Parker schien so etwas geahnt zu haben, er konnte umgehend mit einem Kognak dienen. »Neuigkeiten, Mr. Parker?« erkundigte sie sich. »Ich war so frei, Mylady, mir ein wenig die Füße zu vertreten«, antwortete Parker höflich. »Der Weg führte mich, wie ich gestehen muß, nach Soho.«
»Nach Soho?« Die Detektivin runzelte die Stirn und sah ihren Butler scharf an. »Es ergab sich so, wie ich es ausdrücken möchte, Mylady.« »Und was ergab sich sonst noch?« Sie befaßte sich zögernd mit ihrem Rührei. »Mein Unterbewußtsein, Mylady, führte mich an jenem chinesischen Restaurant vorbei, in dem Mylady drei Frühlingsrollen bestellte.« »Sie haben mich also hintergangen«, stellte die Sechzigjährige grollend fest. »Dem möchte ich bescheiden widersprechen, Mylady.« »Sie haben diesen Laden natürlich ausgeräumt, nicht wahr? « »Nun, Mylady, ich war so frei, mich im besagten Restaurant ein wenig umzusehen.« »Und das hat man so ohne weiteres zugelassen?« »Nicht ohne weiteres, Mylady, ich mußte zu einer kleinen List greifen.« »Erzählen Sie! Ich werde Ihnen später sagen, wie sehr ich mich wundere und ärgere.« Parker blieb vor dem Tisch stehen, schenkte Tee ein und berichtete dann in Stichworten von seinen Erlebnissen. Während des Berichts röteten sich die Wangen seiner Herrin. »Wo waren diese Drogenhändler, als Sie im Lokal waren?« wollte sie wissen. »Sie hatten sich, soweit sie noch handlungsfähig waren, in einer Art Büro versammelt und kümmerten sich um den Inhaber des Etablissements, jenem Chinesen, den Mylady mit der Gabel zur Ordnung rief.« »Wie heißt dieses Subjekt?« »Sein Name ist Hi Tsiang, Mylady.«
»Weiter, weiter«, drängte die resolute Dame. »Sie sind doch hoffentlich massiv geworfen, oder?« »Nicht direkt, Mylady.« »Was soll ich mir denn darunter vorstellen?« »Ich opferte nur einen meiner PatentKugelschreiber, Mylady, und verordnete allen Anwesenden einen kurzen, sicher aber erquickenden Schlaf.« »Das war alles?« Sie sah ihn empört an. »Sie haben kein Rauschgift gefunden? Heroin, Kokain, Opium, Marihuana?« »Nur kleinere Mengen, Mylady. In einem Wandsafe, der nur oberflächlich getarnt war, fand ich etwas tausend Gramm Heroin, verpackt in kleinen Folienbriefchen, wie sie Mylady inzwischen ja kennen.« »Ein Kilogramm Heroin?« Mylady nickte wider Willen erfreut und anerkennend. »Das stellt einen beträchtlichen Wert dar, nicht wahr?« »Ein kleines Vermögen, Mylady«, bestätigte der Butler. »Diese sogenannte Ware befindet sich zur Zeit in meinen Privaträumen im Souterrain des Hauses.« »Und nun hoffen Sie darauf, daß die Drogenhändler hier erscheinen und uns in die Falle gehen?« »Man wird meine bescheidene Wenigkeit kaum erkannt haben, Mylady«, antwortete der Butler. »Ich hatte ein wenig Maske gemacht, um der Wahrheit die Ehre zu geben.« »Und was haben wir jetzt davon? Bringt uns das weiter?« »Dies, Mylady, möchte ich annehmen und hoffen«, gab Parker gemessen zurück. »Im erwähnten Büro hinterließ ich eine Art Botschaft.«
»Aha. Und die lautet?« »Sie erweckt mit einiger Sicherheit den Eindruck, Mylady, daß sich in Soho eine Konkurrenzorganisation etabliert hat. Mir kam und kommt es darauf an, die Drogenhändler, die die Szene beherrschen, ein wenig zu beschäftigen.« * »Ich komme zufällig vorbei«, behauptete Superintendent McWarden wieder mal fast verlegen, nachdem er Lady Simpson respektvoll begrüßt hatte. »Diese Zufälle reißen bei Ihnen nie ab«, erwiderte die resolute Dame ironisch. »Nehmen Sie Platz, mein Lieber! Darf ich Ihnen etwas anbieten?« McWarden versuchte Heiterkeit zu zeigen, Gelassenheit und auch Überlegenheit. Er nickte Josuah Parker zu, der ihn fragend ansah. »Sherry«, sagte McWarden. »Umgehend und sofort, Sir!« Parker ging zur Anrichte und versorgte den Gast des Hauses anschließend mit dem gewünschten Getränk. »Sie waren heute morgen schon früh auf den Beinen?« fragte der Superintendent dann in einem Ton, der kaum Interesse erkennen ließ. »Dies leugnen zu wollen, Sir, wäre sinnlos.« »Wieso denn das?« McWarden wurde sofort unsicher und schon wieder leicht gereizt, was seinen Tonfall betraf. »Ich gehe davon aus, Sir, daß die Polizei stets umfassend informiert ist.« »Sie sind unterwegs belästigt worden?« »Eine Belästigung möchte ich einen gewissen Vorfall keineswegs nennen, Sir.«
»Richtig, Mr. Parker, Sie wurden ja verfolgt, wie Sie mir erzählten«, warf Lady Agatha erfreut ein. »Ein junger Mann in einem weißen Kittel, der eine Sonnenbrille trug und einen Morris benutzte.« »Und was passierte mit dem jungen Mann?« bohrte der Superintendent weiter. »Nun, Sir, ich überredete ihn, eine kleine Entspannungspause einzulegen. Er ging, wie ich betonen möchte, auf meinen Vorschlag ein.« »Mr. Parker, dieser Mann gehört meiner Sonderabteilung an!« McWarden stellte das Sherryglas weg und blitzte den Butler empört an, erzielte damit aber keine Wirkung. Agatha Simpson, die die Geschichte natürlich bereits kannte, lachte unverhohlen. »Was Sie nicht sagen, McWarden«, wunderte sie sich sichtlich gespielt. »Ein Mann aus Ihrer Abteilung?« »Er wurde auf raffinierte Art und Weise düpiert, Mylady. Er folgte zuerst einem älteren Mann, dann geriet er an einen angeblichen Pförtner und schließlich wurde er von Mr. Parker gezwungen, sich zurück in seinen Wagen zu setzen.« »Sie sehen meine bescheidene Wenigkeit überrascht und beschämt«, ließ Parker sich vernehmen. »Sie wußten natürlich nicht, daß der junge Mann Polizeidetektiv ist, nicht wahr? « »Wie sollte ich, Sir?« Parker schaute den Superintendent treuherzig an. »Ich vermißte allerdings auch eine entsprechende Erklärung des jungen Mannes.« »Sie ließen ihm keine Zeit.«
»Dem möchte ich widersprechen, Sir.« »Also gut, er war vielleicht zu überrascht, Sie, Mr. Parker, gleich in zwei verschiedenen Masken zu sehen.« »Dies, Sir, bedaure ich außerordentlich.« »Sie haben ihn betäubt, wollen Sie das etwa abstreiten?« »Im Endeffekt entspricht es den Tatsachen, Sir.« »Das ist Körperverletzung, Mr. Parker.« »Sie sehen meine bescheidene Person zerknirscht.« »Mr. Parker hat doch gar nicht gewußt, daß es sich um einen Polizeidetektiv handelte«, schaltete die ältere Dame sich genußvoll ein. »Er konnte doch nicht annehmen, daß sich einer Ihrer Beamten derart dumm anstellt.« »Sie haben das nicht gewußt, Mr. Parker? Das nehme ich Ihnen nicht ab! Sie wußten sehr genau, daß Sie von einem Polizeidetektiv verfolgt wurden.« »Erst nach der kurzen Unterhaltung, Sir, als ich bei der Durchsuchung seiner Taschen den Polizeiausweis fand.« »Daraufhin hätten Sie sofort etwas unternehmen müssen. Das wäre Ihre Pflicht gewesen.« »Ich muß kopflos geworden sein, Sir.« »Ausgerechnet Sie! Daß ich nicht lache! Sie haben den Mann ausgeschaltet, um in aller Ruhe etwas unternehmen zu können.« »Sir, Ihre Unterstellungen bestürzen mich zutiefst.« »Waren Sie anschließend nicht in Soho? Haben Sie sich nicht mit einem kleinen chinesischen Restaurant beschäftigt?«
»Hat man sich über meine bescheidene Person beschwert, Sir?« »Was ist denn in diesem Lokal passiert, McWarden?« wollte die Hausherrin wissen. »Die Polizei wurde von Nachbarn alarmiert«, berichtete McWarden. »Aber warum erzähle ich Ihnen das alles? Sie wissen es ja bereits von Mr. Parker.« »Jetzt gehen Sie zu weit mit Ihren Behauptungen, Superintendent«, warnte die ältere Dame. »Also schön, ich nehme das zurück.« McWarden leerte sein Glas. »Nachbarn alarmierten also die Polizei. Und als sie eintraf, fand sie ein gutes halbes Dutzend Chinesen, die vor und im Haus herumlagen und samt und sonders betäubt waren. Dies, Mr. Parker, ist Ihre Handschrift!« »Man kann ihn vielleicht kopiert haben, McWarden«, bot Lady Agatha eine andere Deutung an. »Sie müssen nicht immer auf den armen Mr. Parker einschlagen.« »Darf ich eine Frage stellen, Sir?« erkundigte der Butler sich höflich. »Natürlich. Reden Sie schon!« »Wurde meine bescheidene Wenigkeit von den erwähnten Chinesen dieser Tat bezichtigt?« »Äh, das nicht.« McWarden räusperte sich. »Was wollen Sie dann?« schaltete Lady Agatha sich ein. »Wollen Sie Mr. Parker, in eine Schuldpsychose hetzen?« »Schon gut, schon gut.« McWarden stand wieder auf. »Bevor ich gehe, möchte ich Sie warnen.« »Wieder mal«, seufzte Agatha Simpson auf.
»Dieses chinesische Restaurant ist uns bekannt«, sagte der Superintendent ernst. »Lassen Sie sich mit diesen Leuten nicht ein. Das könnte für Sie alle tödlich ausgehen. Mehr kann und darf ich dazu nicht sagen.« Als Parker, der McWarden zur Tür begleitet hatte, wieder in den Salon zurückkehrte, sah Lady Agatha ihn prüfend an. »Woher wußten Sie, daß der junge Mann im weißen Kittel Polizeidetektiv war?« »Ich erwähnte bereits den Polizeiausweis, Mylady.« »Sie ahnten es aber wesentlich früher, oder? « »In der Tat, Mylady! Er saß einfach zu straff und zu dienstbereit am Steuer. Er trug, wenn ich es so ausdrücken darf, für meine Augen eine unsichtbare Uniform.« * »Aus der Karte geht hervor, Mylady, daß die Maßschneiderei und das Speiserestaurant doch beträchtlich auseinander liegen.« Parker deutete auf das Meßtischblatt, das auf dem Tisch lag. Es stammte von einer der Bauabteilungen der Stadtverwaltung und verzeichnete selbst im verwinkelten Soho die Lage eines jeden Hauses. »Sind Sie sicher, Kindchen, daß das die Maßschneiderei ist?« Lady Agatha wandte sich an Kathy Porter. »Ein Irrtum ist ausgeschlossen, Mylady«, reagierte sie verläßlich. »Ich habe die Lösung!« Lady Agatha sah zuerst den Butler, dann Kathy Porter triumphierend an.
»Dessen war ich mir vollkommen sicher, Mylady«, warf Parker höflich ein. »Sie kommen natürlich nicht darauf, oder?« »Ich hätte nur eine Möglichkeit anzubieten, Mylady.« »Und die wäre?« Sie runzelte die Stirn. »Die Drogenhändler benutzen zwei verschiedene Häuser, Mylady.« »Die durch einen Geheimgang miteinander verbunden sind!« Agatha Simpson beeilte sich, diesen Trumpf auszuspielen, bevor Parker die Karte auf den Tisch legte. »Was sagen Sie jetzt?« »Es müßte sich um einen recht langen Geheimgang handeln. Mylady. Wenn ich den Maßstab dieses Meßtischblattes richtig deute, dürfte der Geheimgang etwa zweihundert Meter messen.« »Na und?« Sie ließ sich nicht beirren. »Ich kenne längere Gänge, Mr. Parker. Und vielleicht benutzen diese Subjekte auch die Kanalisation. So etwas habe ich mal in einem recht spannenden Krimi gesehen.« »Dies, Mylady, läßt sich sofort nachprüfen.« »Sie wollen doch nicht etwa in die Kanalisation hinabsteigen?« »Vorerst könnte man sich vielleicht einer entsprechenden Karte bedienen, Mylady.« Parker trat vor den Kartenschrank und griff zielsicher in eine Schublade. Wenig später breitete er einen Plan der Kanalisation aus, auf dem die bereits vorhandenen und noch geplanten großen, mittleren und kleinen unterirdischen Kanalanlagen verzeichnet waren. »Wo haben Sie denn das Ding her?« fragte die ältere Dame verblüfft.
»Es handelt sich um die Kopie des Originals«, antwortete der Butler gemessen. »Sie wurde von einem Herrn angefertigt, der, so möchte ich es nennen, meiner bescheidenen Person verpflichtet ist.« »Es gibt keine Kanalverbindung zwischen beiden Häusern«, ließ Kathy Porter sich vernehmen. Sie hatte den Plan bereits studiert und richtete sich wieder auf. »Was bedeutet diese blaue, dicke Linie?« verlangte Lady Agatha zu wissen. Sie tippte mit ihrem Zeigefinger energisch auf den Plan. »Es handelt sich um einen sogenannten Hauptsammler, Mylady.« »Der läuft doch in der Nähe des Restaurants vorbei, oder etwa nicht?« »Aber nicht an der Maßschneiderei«, sagte Kathy Porter bedauernd. »Schnickschnack«, grollte Agatha Simpson. »Dann bleibt es eben bei dem Geheimgang, der gegraben worden ist. Ich werde das an Ort und Stelle untersuchen.« »Mylady beabsichtigen, in die Kanalisation zu steigen?« Parkers Stimme ließ andeutungsweise erkennen, daß er leicht bestürzt war. »Ich bin doch nicht aus Zuckerwatte«, antwortete sie energisch. »Ich werde dieses Geheimnis der Umkleidekabine lösen und dabei vielleicht ein zweites Drogennest ausheben.« Butler Parker und Kathy Porter tauschten einen schnellen Blick des geheimen Einverständnisses. Auf Seufzer verzichteten sie. Aus Erfahrung wußten sie, daß es sinnlos war, Mylady einen Plan ausreden zu wollen. Was sie sich mal in den Kopf gesetzt hatte, führte sie auch aus, koste es, was es wolle.
* Hi Tsiang, der stämmige Chinese, machte einen kleinlauten Eindruck. Er saß in einer der hinteren Nischen seines Restaurants und unterhielt sich mit einem arrogant wirkenden Mann weißer Hautfarbe. Genauer gesagt, er hörte zu und hatte nur hin und wieder etwas zu sagen. »Das Syndikat ist von Ihnen enttäuscht, Hi«, sagte der Weißhäutige gerade herablassend. Er war etwa dreißig Jahre alt und elegant gekleidet. »Man hat Sie und Ihr Haus für eine gute Absatzbasis gehalten, aber bei der ersten Gelegenheit lassen Sie sich bereits aufs Kreuz legen.« »Ich bitte die hohen Herren zutiefst um Entschuldigung«, erwiderte der stämmige Chinese. »Damit allein ist es nicht getan, Hi«, lautete die ironische Antwort. »Ich werde die geraubte Ware ersetzen.« »Damit ist es ebenfalls nicht getan«, redete der junge Mann weiter. »Der Ersatz ist selbstverständlich. Aber wie wollen Sie Ihren Kundenkreis jetzt noch beliefern? Sie sind aufgedeckt worden, machen Sie sich nichts vor!« »Ich werde diese Schmach mit Blut rächen.« »Reden Sie keinen Unsinn, Hi, gar nichts werden Sie tun! Und das ist ein Befehl des Weisen. Prägen Sie ihn sich genau ein!« »Ich soll die erlittene Schmach ertragen?« »Vorerst schon, was später geschieht, steht auf einem anderen Blatt, Hi.«
»Ich weiß inzwischen, wer hier im Restaurant gewesen ist.« »Das wissen wir inzwischen auch: Lady Simpson und Butler Parker.« »Laien, Amateure«, antwortete Hi Tsiang abfällig. »Das sagen ausgerechnet Sie?« Der junge Mann lachte spöttisch. »Nehmen Sie den Mund nicht so voll, Hi! Sie haben es mit ausgekochten Profis zu tun, ausgekochter könnten sie gar nicht sein.« »Sie bauen eine eigene Verteilerorganisation auf«, behauptete Hi jetzt eifrig und griff nach einem Zettel, der neben ihm auf der Sitzbank lag. Er reichte ihn an den jungen Mann weiter, der mit den chinesischen Schriftzeichen jedoch nichts anzufangen wußte. »Übersetzen Sie das Geschmiere«, meinte er herablassend. »Woher stammt die Kritzelei?« »Ich fand sie neben mir in meinem Büro, nachdem man mich ausgeraubt hatte.« Während Hi das sagte, maß er den Weißhäutigen mit schnellem, hartem Blick. Er war zutiefst beleidigt. Die abfällige Bemerkung über die angebliche Schmiererei verletzte seinen Stolz, denn schließlich waren es Schriftzeichen seiner Heimat. »Und was bedeutet dieser Quatsch?« fragte der junge Mann weiter. »Es handelt sich um eine Art Sprichwort, Mr. Dorsel« »Auch das noch.« Dorset verdrehte gelangweilt die Augen und wirkte ungeduldig. »Wechsle die Pferde vor dem Galopp, verlasse den Kahn, bevor er sinkt, meide den Schwachen, der sich an dich hängt und in die Knie zwingen wird.«
»Verrückter Blödsinn!« Dorset grinste amüsiert. »Das sind doch Binsenweisheiten, Hi. Was hat das mit einer anderen oder neuen Organisation zu tun?« »Zeigen Sie die Schriftzeichen dem Weisen, Mr. Dorset, er wird sie richtig lesen können.« »Schön, geben Sie her!« Er nahm Hi Tsiang einfach den Zettel aus der Hand, faltete ihn zusammen und Heß ihn in seiner Brieftasche verschwinden. »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet! Wie wollen Sie Ihre Kunden jetzt beliefern?« »Ich werde darüber nachdenken, Mr. Dorset.« »In Ihrem Laden hier wird kein Gramm Heroin mehr verkauft, ist das klar? Die Zentrale sperrt Ihnen den Nachschub. Und kommen Sie nur nicht auf die Idee, sich von irgendwoher andere Ware zu besorgen! Dann würde der Weise keine Rücksicht mehr kennen. Was ist mit dem Jungen, dem die Panne mit den drei Frühlingsrollen passiert ist?« »Ich werde meinen Neffen Tschu bestrafen«, antwortete Hi Tsiang eifrig. »Möglichst umbringen, wie?« »Auch davor würde ich nicht zurückschrecken, wenn der Weise es wünscht.« Hi Tsiang wollte Pluspunkte sammeln. »Dummkopf!« Dorset lachte abfällig. »Ihr Neffe ist noch gut zu gebrauchen, Hi. Überlegen Sie mal!« »Ihm verdanke ich das Unglück mit den Frühlingsrollen. Er hätte sofort erkennen müssen, daß es sich nicht um echte Kunden handelte.« »Vielleicht ist er von Ihnen nicht richtig angelernt worden, Hi«, antwortete
Dorset anzüglich. »Schieben Sie die Schuld nicht auf andere! Nein, nein, diesen Jungen werden wir noch dringend brauchen. Wir könnten ihn als Köder einsetzen, um diese alte Lady und ihren Butler in eine Falle zu locken.« * Sie trafen sich im Regent's Park vor dem Zoologischen Garten. Hua Li, der freundliche Chinese, trug westliche Kleidung und schaute sich immer wieder verstohlen nach allen Seiten um. Er hatte sich von einer Telefonzelle aus mit Parker hier verabredet, doch er konnte den Butler zum vereinbarten Zeitpunkt nicht sehen. Hua Li übersah dabei einen freundlichen, älteren Familienvater, der sich einem der Eingänge näherte. Dieser Familienvater war rund fünfzig Jahre alt und die Harmlosigkeit in Person. Er trug einen leichten Übergangsmantel und kämpfte mit einer prall gefüllten FotoBereitschaftstasche. Er schob immer wieder eine altmodische Nase hoch und zeigte sich fahrig-ungeschickt. Als er an Hua Li vorbeikam, nannte er leise den Namen des wartenden Chinesen. Hua Li reagierte sofort. Er ließ sich seine Überraschung nicht anmerken, musterte den angeblichen Familienvater mit schnellem Bück und wartete, bis der im Zoo verschwunden war. Erst dann kaufte sich auch Hua eine Eintrittskarte und schlenderte zum Affenhaus, wo erfahrungsgemäß immer viele amüsierte Zuschauer vertreten waren. Der Familienvater beobachtete bereits das muntere Affenvolk, und Hua Li schob sich neben ihn.
»Ich werde vielleicht beschattet«, sagte er leise. »Möglicherweise«, gab der Familienvater zurück. »Ich habe einige Informationen für Sie, Mr. Parker.« »Sie sollen sich aber auf keinen Fall in Gefahr bringen, Mr. Hua.« »Hi Tsiang war bei mir, Mr. Parker. Er setzte mich unter Druck. Ich soll ab sofort seine Kunden bedienen. Er will sie zu mir schicken.« »Wie reagierten Sie?« »Ich habe mir Bedenkzeit ausgebeten, aber ich werde mich fügen müssen.« »Wegen ihrer Familie, wie ich vermute?« »Damit hat Hi Tsiang gedroht«, bestätigte Hua Li. »Wie soll ich mich verhalten?« »Gehen Sie auf das Angebot ein, Mr. Hua!« »Ich werde mit dem Gesetz in Konflikt kommen.« »Mylady und meine bescheidene Person werden Sie zu schützen wissen, Mr. Hua.« »Es gibt einen Mann, den man den Weisen nennt, Mr. Parker. Er leitete die Verteilung der Drogen.« »Wo könnte man ihn unter Umständen finden?« Wenn es sein mußte, konnte Butler Parker, der hier als Familienvater auftrat, sehr knapp fragen. »In einem Labyrinth, wie es heißt. Ich kann mir darunter nichts vorstellen.« »Kümmern Sie sich nicht weiter darum, Mr. Hua. Noch mal, bringen Sie sich nicht in Gefahr!« »Die Organisation dieses Weisen ist sehr mächtig.« »Dies, sollte man unbedingt unterstellen, Mr. Hua.«
»Es soll sich nicht nur um eine rein chinesische Bande handeln.« »Jede Hautfarbe hat ihre Verbrecher«, beruhigte Parker den Chinesen. »Sie sollten jetzt weitergehen, Mr. Hua.« Der Chinese schob sich durch die Menge und war bald verschwunden. Familienvater Parker wartete noch, wählte eine andere Richtung und schlenderte dann durch die gepflegten Anlagen. Er wußte bereits, daß er die Aufmerksamkeit von zwei jungen Männern erregt hatte, die klein, schmal und drahtig aussahen. Es schien sich um Chinesen zu handeln, genau konnte er das nicht sehen. Sie trugen Sonnenbrillen, was an diesem heiteren Vormittag nicht besonders auffiel. Sie bewegten sich mit der Geschmeidigkeit junger Panther und waren gewiß beschlagen in asiatischen Kampfmethoden. Butler Parker lockte die beiden jungen Panther geschickt von der Menge weg und bugsierte sich und sie in eine stillere Region. Er schien einem Seitenausgang zuzustreben und wechselte dann plötzlich durch ein geöffnetes Drahttor hinüber zu den Wirtschaftsgebäuden des Zoos. Seine Verfolger mußten jetzt den Eindruck gewinnen, daß er die Beschattung erkannt hatte und sich schleunigst in Sicherheit bringen wollte. Sie hatten diesen Eindruck! Fast schon blutgierig folgten sie ihm und schlossen dicht auf. Sie waren sich ihrer Stärke voll bewußt. * Die beiden Verfolger setzten sich in Trab, als ihr Opfer losrannte in Richtung eines langgestreckten Stallgebäudes. Sie wollten ihren Auftrag so schnell wie
möglich hinter sich bringen. Sie freuten sich augenscheinlich darauf, es diesem Mann gründlich zu zeigen. Familienvater Parker war leider in einer Art Sackgasse gelandet. Das Schiebetor am Ende des langen Stallgangs war fest verschlossen. Er wandte sich um und beobachtete die beiden jungen Männer, die nun ebenfalls im Stallgebäude waren und mit dem Opfer unter sich bleiben wollten. Sie schlössen das Eingangstor, nahmen ihre Sonnenbrillen ab und gaben sich als Chinesen zu erkennen. »Was soll das?« rief Parker ihnen zu. Sie antworteten natürlich nicht und hielten plötzlich seltsam aussehende Gegenstände in ihren Händen: Es handelte sich um unterarmlange Stöcke, an deren Spitzen kurze, etwa dreißig Zentimeter lange Ketten befestigt waren. Am Ende dieser Ketten wiederum waren faustdicke Holzkugeln zu sehen. Familienvater Parker wurde an mittelalterliche Waffen erinnert. Die berüchtigten Morgensterne mochten kaum anders ausgesehen haben. Diese hier wirkten allerdings stromlinienförmig, modern und sehr gefährlich. »Wir überbringen Grüße«, sagte einer der zweibeinigen Panther und lächelte, seine schlechten Absichten kaum verbergend. »Sie verwechseln mich wahrscheinlich«, behauptete Familienvater Parker. »Bestimmt nicht«, antwortete der zweite Chinese, ebenfalls in bestem Englisch. »Kümmern Sie sich in Zukunft nicht mehr um Dinge, die Sie nichts angehen!« Parker schlüpfte aus seinem Übergangsmantel und griff nach dem Universal-Regenschirm, den er darunter
geschickt verborgen hatte. Er baute sich auf und wartete auf den ersten Angriff. Sie zögerten nicht lange. Einer von ihnen führte einen Scheinangriff, ließ seinen >Morgenstern< über den Kopf kreisen und sprang in dem Moment zurück, als Parker mit dem Schirm abwehren wollte. Im gleichen Moment warf sich der zweite Angreifer nach vorn und wollte hart und gnadenlos zuschlagen. Nun, er schlug auch zu, doch er hatte die blitzschnelle Reaktion des Butlers unterschätzt. Der faustdicke Holzknopf donnerte gegen die Bohlen des Tors und hinterließ einen deutlich sichtbaren Eindruck. Der erste Angreifer nutzte seine Chance. Er schlug seinerseits zu, doch Parker war viel schneller. Der Butler benutzte in Anbetracht der gefährlichen Situation die Stahlspitze seines UniversalRegenschirms. Diese Spitze bohrte sich in die Muskel des sich bewegenden Arms und hinterließ ebenfalls einen Eindruck. Der Getroffene stöhnte und konnte plötzlich seinen Arm nicht mehr bewegen, der wie gelähmt war. Seine Finger öffneten sich, der >Morgenstern< fiel zu Boden. »Sie sollten einen müden, alten und relativ verbrauchten Mann schonen«, bat Parker höflich und beobachtete den anderen Gegner, der zurückgewichen war. Der Getroffene geriet in Weißglut. Mit der gesunden Hand griff er in seinen Hosengürtel und hielt plötzlich ein schweres Wurfmesser in den Fingern. Er holte aus und wollte den Butler mit
dieser schweren Klinge am Tor festnageln. Er kam nicht mehr dazu, denn aus dem Hintergrund der Stallgasse zischte eine Art Komet durch die Luft. Dieser Komet war, Wie ein besonders guter Beobachter hätte feststellen können, ein perlenbestickter Handbeutel, dessen Schnüre wie ein Kometenschweif nach hinten gerichtet waren. Es war schon ein fast häßlich zu nennendes Knacken zu vernehmen, als dieser improvisierte Komet auf dem Hinterkopf des Messerwerfers landete. Wie vom Blitz getroffen sackte der Mann in sich zusammen. Der andere Angreifer wirbelte herum und sah sich einer stattlichen, majestätisch aussehenden Dame gegenüber, die ein derbes und weit geschnittenes Tweedkostüm trug. Der junge Mann begriff, daß man ihn und seinen Partner in eine Falle gelockt hatte. Er ergriff also die Flucht und konzentrierte sich verständlicherweise auf die Frau, die er jetzt für wehr- und waffenlos hielt. Den >Morgenstern< über den Kopf wirbelnd, jagte er auf Agatha Simpson zu. Er hatte sie fast erreicht, als ihm die nächste Überraschung serviert wurde. Hinter einigen aufeinandergetürmten Strohballen schoß ein schmaler, schneller Schatten hervor, der sich auf ihn hechtete. Bevor der junge Panther überhaupt begriff, was passiert war, handelte er sich bereits einen harten Handkantenschlag ein. Er verlor den Halt in seinen Beinen, überschlug sich und blieb dann regungslos hegen. »Recht ordentlich«, lobte Lady Simpson ihre Gesellschafterin Kathy Porter.
Sie war der schnelle Schatten gewesen, der die ältere Dame vor Belästigungen geschützt hatte. »Sammeln wir diese Strolche ein, Mr. Parker. * Sie saßen auf alten Holzkisten und wurden eingeengt von schmutzigen, feuchten Ziegelmauern. Der Raum war fast quadratisch klein und hatte kein Fenster. Die Tür bestand aus rostigem Eisenblech, das sich auf schweren Holzbohlen wölbte. Es roch nach Schlick und Schlamm. Irgendwo pfiffen und trippelten Ratten. Die beiden jungen Panther machten keinen dynamisch-überlegenen Eindruck mehr. Genau das Gegenteil war der Fall. Sie ließen im wahrsten Sinn des Wortes die Köpfe hängen und begriffen es wahrscheinlich immer noch nicht, wie schnell und gründlich man sie abserviert hatte. »Wir müssen 'raus aus dem Rattenloch hier«, sagte der ältere der beiden Chinesen. Er sprach englisch. »Wie denn?« fragte der andere. »Die Tür kann man nur aufsprengen.« »Wie konnte das passieren?« »Der Weise wird uns zur Rechenschaft ziehen«, lautete die resignierende Antwort. »Keine Namen«, sagte der andere Chinese. »Vielleicht werden wir abgehört.« »Hier, in dem Loch, Pete?« »Man muß mit allem rechnen, Dan.« »Wir stecken irgendwo im Hafen«, behauptete Dan, der ältere der beiden müden Panther. »Man hört's doch ganz deutlich. Aber gut, reden wir leise, für den Fall des Falles.«
»Was sollen wir Dorset sagen?« fragte Pete also leise. »Keine Ahnung. Aber unseren Job sind wir los. Wir haben uns stark gemacht, den Butler für ein paar Wochen ins Hospital zu schicken.« »Dieser hinterlistige Hund!« Pete seufzte. »Lockt uns einfach in 'ne Falle »Das hätte ich dem auch nicht zugetraut«, beschwerte sich Dan. »Der muß die ganze Zeit damit gerechnet haben, daß wir hinter ihm her gewesen sind.« »Und Dorset erfährt jetzt nicht, daß dieser Hua Li sich mit Parker getroffen hat.« »Wenn wir hier je 'rauskommen, setzen wir uns ab«, schlug Dan vor. »Der einzige Ausweg.« Pete nickte. »Nichts wie weg! Vielleicht nach Liverpool oder Manchester.« »Zu nahe.« Dan schüttelte den Kopf. »Wir müssen 'rüber auf den Kontinent. Vielleicht Amsterdam oder Paris. Und das ist dann noch gefährlich nahe!« Sie schwiegen sich wieder eine längere Zeit an und gaben sich ihren düsteren Gedanken hin. Die beiden jungen Chinesen Dan und Pete, die sich durchaus als Engländer empfanden, wußten nur zu genau, wie weit der Arm ihrer Organisation reichte. Sie hatten gründlich versagt, der Organisation Schwierigkeiten bereitet und rechneten mit strenger Bestrafung. Das war so üblich innerhalb des Rauschgiftsyndikats. Sie wußten natürlich nicht, daß sie die ganze Zeit über gründlich beobachtet wurden. Sie hatten die Optik einer fest eingebauten Fernsehkamera oben in einem Schachtgitter übersehen, und natürlich wurde auch ihre Unterhaltung abgehört. Dafür sorgten zwei hochemp-
findliche Mikrofone hinter den feuchten Ziegeln. Sie täuschten sich auch, was die Lage dieses schmutzigen Kellerraums anbetraf. Sie befanden sich in einem Spezialgelaß des Hauses der Lady Simpson. Diese ganze Kulisse war nur geschickt hergerichtet worden, um etwaige Insassen zu täuschen. Gut, der Geruch war echt, er war von Parker gebraut worden. Doch das Trippeln und Quietschen der Ratten und das Tuten der Schlepper stammten von einem Tonband. Wenn es darum ging, Illusionen zu wecken, war ein gewisser Butler Parker Perfektionist. * »Sir, ich habe nicht viel Zeit«, sagte die hastige Stimme des jungen Mannes, der sich am Telefon als Hi Tsiangs Neffe vorgestellt hatte. »Man will mich umbringen.« »Gibt es dafür einen aktuellen Anlaß?« erkundigte Parker sich gemessen. »Wie, sagten Sie noch, ist Ihr Name?« »Ich bin Tschu«, wiederholte die junge Stimme hastig. »Aber das ist jetzt nicht wichtig. Sie müssen mir helfen.« »Haben Sie in dieser Beziehung bestimmte Vorstellungen?« fragte der Butler. Er stand in der Bibliothek des Stadthauses seiner Herrin. Er schnitt das Gespräch auf Tonband mit. »Es gibt nur eine Möglichkeit, Sir.« »Und die wäre, Mr. Tschu?« »Die ganze Organisation muß auffliegen.« »Das ist ein wahrlich hochgestecktes Ziel, Mr. Tschu. Dazu müßte man wissen, wer das Syndikat leitet und wo dieser Mann zu finden ist.«
»Da kann ich Ihnen einen Tip geben, Mr. Parker.« »Sie brauchen und sollten sich nicht zieren.« »Nicht am Telefon, Sir, dazu reicht die Zeit nicht. Können wir uns irgendwo treffen?« »Nennen Sie mir freundlichst einen geeigneten Ort.« »Heute nacht?« »Das ließe sich einrichten, Mr. Tschu. Und wo möchten Sie mich sehen?« »Ich habe Dienst in einer Schneiderei, Sir.« »Sie sind sehr vielseitig, Mr. Tschu.« Die junge Stimme überging dieses Lob und nannte die genaue Adresse. Parker wußte sofort, um welches Geschäft es sich handelte. Es war jene Maßschneiderei, der Lady Simpson unbedingt einen Besuch abzustatten gedachte. »Sie können mit meinem Erscheinen rechnen. Werden wir auch ungestört sein?« »Ich werde allein sein. Tun Sie so, als würden Sie sich einen Anzugstoff kaufen.« Es klickte in der Leitung, Mr. Tschu hatte aufgelegt. Parker legte den Hörer in die Gabel zurück, schritt gemessen hinüber in den Salon und berichtete seiner Herrin von dem kurzen Gespräch. »Möchten Mylady das Tonband hören?« fragte er abschließend. »Reine Zeitverschwendung«, meinte sie und schüttelte den Kopf. »Sie glauben doch nicht im Ernst, Informationen zu bekommen, oder?« »Wie Mylady es bereits andeuten, handelt es sich um eine Falle.«
»Eine ausgemachte Frechheit, uns für derart dumm zu halten. Das ist empörend.« »Ein wichtiger Gesichtspunkt, Mylady.« »Natürlich«, bestätigte sie. »Wieso eigentlich?« Sie sah ihren Butler irritiert an und wußte nicht, worauf er hinaus wollte. »Die Gegner könnten vielleicht unterstellen, daß man mit einem großen Aufgebot anrückt und ins Leere läuft.« »Wozu sollte das gut sein?« »In der Zwischenzeit könnte man versuchen, sich in Myladys Haus einzunisten.« »Das sage ich doch die ganze Zeit«, lautete ihre prompte, unverfrorene Antwort. »So etwas durchschaue ich immer sofort« »In der Tat, Mylady!« Parker verzog keinen Muskel im Gesicht. »Auf der anderen Seite ist mit einer weiteren Möglichkeit zu rechnen.« »Darauf wollte ich gerade hinweisen«, sagte sie energisch, hütete sich aber, deutlich zu werden. »Die Gegenseite könnte davon ausgehen, daß Mylady den Trick durchschauen. « »Was ich ja sofort erkannt habe.« Die Detektivin nickte erfreut. »Die erwähnte Gegenseite könnte hoffen, daß Mylady, Miß Porter und meine bescheidene Wenigkeit zu Hause bleiben.« »Richtig.« Sie tat so, als sei alles klar. »Während wir hier dann Däumchen drehen, können die Drogenhändler völlig ungestört ganz nach Belieben operieren.« »Dem möchte ich beipflichten, Mylady.«
»Aber was könnten diese Strolche vorhaben?« »Dies, Mylady, sollte man an Ort und Stelle überprüfen.« »Wir fahren also nach Soho?« Die resolute Dame schnappte nach Luft. »Wie Mylady es bereits andeuteten.« Parker nickte knapp. »Aha.« Sie konnte sich zwar nicht erinnern, so etwas gesagt zu haben, nickte aber. »In Mr. Hua Li's Restaurant scheint sich in der kommenden Nacht einiges zu tun, Mylady.« »Natürlich.« Lady Agatha war nun völlig durcheinander. Dieses verwirrende Spiel setzte ihr zu. Dankbar nahm sie zur Kenntnis, daß der Butler zur Anrichte schritt und ihr einen Kreislaufbeschleuniger servierte. »Und was wird sich in diesem Restaurant tun?« Sie hatte sich erfrischt und neue Energien freigesetzt. »In seinem Restaurant werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Frühlingsrollen mit spezieller Füllung serviert werden, Mylady.« »Diese Plastikbriefchen, nicht wahr?« »In der Tat, Mylady! Und dabei sollen Mylady nicht als Störfaktor in Erscheinung treten.« »Sagen Sie mal, Mr. Parker«, schickte sie jetzt grollend voraus, »konnten Sie das nicht sofort sagen?« »Ich bemühte mich um Deutlichkeit, Mylady.« »Halten Sie mich für verkalkt?« grollte sie. »Mylady sehen mich bestürzt. Solch einen Gedanken würde ich nicht auch nur zu denken wagen.«
»Oder wollen Sie mich von dieser Maßschneiderei ablenken?« Sie war plötzlich mißtrauisch geworden. »Mylady dürfen versichert sein, daß meine bescheidene Wenigkeit niemals und unter keinen Umständen versuchen würde, Mylady zu beeinflussen«, erklärte der Butler feierlich. »Mylady würden solch einen Versuch ohnehin sofort durchschauen.« »Worauf Sie sich auch verlassen können.« Sie sagte es mit Nachdruck, doch innerlich blieb sie unsicher. * Parker hatte die krause Logik der Drogenhändler richtig gedeutet. Als es dunkel geworden war, stieg er mit einem schweren Marinefernstecher auf den Dachboden des Hauses und beobachtete von dort die nähere Umgebung. Er brauchte nicht lange zu suchen. Auf der nahen Durchgangsstraße stand fast schon so etwas wie ein alter Bekannter. Es handelte sich um den Ganoven Fred, der dort Posten bezogen hatte. Und wo Fred war, konnte auch sein Partner Oscar nicht besonders weit sein. Sie hatten sich wahrscheinlich erneut von den Drogenhändlern anheuern lassen und beobachteten jetzt das Haus der älteren Dame. Wahrscheinlich waren sie von den Schüssen aus einer gewissen Maschinenpistole eingeschüchtert worden. Die Drogenhändler wollten also wissen, ob Agatha Simpson das Haus verließ. Sie hatten demnach drüben in Soho einiges vor und wollten sich dabei nicht überraschen lassen. Parker stieg wieder nach unten und erstattete Mylady Bericht.
»Unser Keller hat noch viel Platz«, sagte die Detektivin grimmig. »Dem möchte ich beipflichten, Mylady«, antwortete Parker und wandte sich an Kathy Porter. »Wäre das nicht etwas für Sie, Miß Porter?« »Nur zu gern.« Sie lächelte. »Ich denke, daß ich in knapp zehn Minuten ausgehen werde.« »Wäre das nicht etwas für mich?« grollte Lady Agatha ihren Butler an. »Wer rastet, der rostet! Und ich raste schon seit einiger Zeit, Mr. Parker. Das gefällt mir nicht.« »Wir könnten ja den Rollstuhl benutzen, Mr. Parker«, schlug Kathy Porter vor. »Manchmal haben Sie fast akzeptable Ideen, Kindchen«, lobte Lady Simpson ihre Gesellschafterin. »Das werden wir tun. Mr. Parker, meine Maske, wenn ich bitten darf.« Parker erhob diesmal keine Einwände. Es war ihm sogar recht, daß seine Herrin sich ein wenig betätigte. Dadurch wurde sie abgelenkt und bestand nicht auf gefährlicheren Unternehmungen. Er verließ also den Salon und traf alle Vorbereitungen, um Agatha Simpson in eine andere Person verwandeln zu können. Nach einer knappen Viertelstunde war die Arbeit getan. Lady Agatha sah aus wie eine Greisin, die hilflos und schwach wirkte. Kathy Porter hingegen – jung und adrett – trug die Berufskleidung einer privaten Krankenschwester und war ebenfalls nicht wiederzuerkennen. Das Trio wechselte in eines der benachbarten Häuser. Es benutzt dazu einen geschickt getarnten Mauerdurchbruch, der von zwei Schränken gesichert
wurde. Im Erdgeschoß dieses Hauses stand ein etwas altertümlich aussehender Rollstuhl, der irgendwie zum Stil der alten Fachwerkhäuser paßte. Kathy öffnete die Tür und war sich bewußt, daß man sie ab sofort beobachtete. Sie betrat wieder das Haus und schob dann den Rollstuhl ins Freie. Sie mühte sich mit ihm über die beiden flachen Stufen, schob ihn über den Gehweg und sorgte sich sehr um die Greisin, der sie die schwere Wolldecke immer wieder über den spitzen Knien zurechtschob. Unverdächtiger hätte diese Szene nicht sein können. Man empfand automatisch Mitleid mit diesem ungleichen Paar. Die junge Krankenschwester schien ihre Jugend für die Greisin zu opfern. Parker beobachtete das alles wieder vom Dachboden aus. Er war mit dem Auftritt der beiden Damen sehr zufrieden. Kathy Porter schob den schweren Rollstuhl auf Fred zu, der sich respektvoll zurückschob und grüßend die Hand hob, als man ihn passierte. Kathy Porter verzichtete auf einen direkten Angriff, da sie den Partner des großen Fred noch nicht hatte ausmachen können. Sie fragte sich, ob er vielleicht am Ende der gegenüberliegenden Gasse Posten bezogen hatte. Er durfte auf keinen Fall vorgewarnt werden, und seine Auftraggeber durften nichts merken. Die Greisin im Rollstuhl schien eingenickt zu sein. Das Kinn ruhte auf ihrer Brust. »Bitte, könnten Sie mir helfen?« fragte die Krankenschwester den Ganoven. Sie deutete auf den Bordstein.
»Klar, mach' ich«, antwortete Fred, der verständlicherweise nicht an der Greisin, sondern an der Krankenschwester interessiert war. Er bückte sich, griff nach dem vorderen Gestänge und ... sah plötzlich vor seinen Augen explodierende Sterne. Bevor er bewußtlos wurde, hatte er noch das deutliche Gefühl, von einem auskeilenden Pferd getroffen worden zu sein. »Dummkopf«, sagte die Greisin und schob ihren Pompadour zurück unter die schwere Wolldecke. »Sehen Sie den zweiten Lümmel?« »Er kommt gerade um die Straßenecke, Mylady.« »Was jetzt, Kindchen? Ich war wohl etwas zu vorschnell, nicht wahr?« »Aber nein, Mylady, es paßt sehr gut.« Kathy Porter improvisierte, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, kniete schnell neben dem jetzt sitzenden Fred nieder und schirmte ihn ein wenig mit ihrem Körper ab. »Er kommt«, sagte Lady Agatha, deren Stimme schon wieder unternehmungslustig klang. »Is' was?« rief Oscar. Er sah seinen Freund Fred, der neben dem alten Rollstuhl saß oder hockte und etwas zu reparieren schien. »Die Rollen ...« Sie richtete sich auf und zeigte auf Fred und den Rollstuhl. »Das ist was für Fachleute«, meinte Oscar großspurig, doch nicht ohne Hilfsbereitschaft. »Lassen Sie mal sehen!« Er war schnell heran und schöpfte noch immer keinen Verdacht. Er trat neben Fred und ... seufzte fast wohlig auf, als auch er plötzlich viele bunte Sterne sah, die im Gegensatz zu denen von Fred allerdings nicht explodierten.
»Man geniert sich direkt, solche Anfänger auszuschalten«, sagte die ältere Dame und ließ ihren Pompadour erneut verschwinden. »Das ist ja die reinste Kindesmißhandlung!« »Unterschätzen Sie diese Ganoven nicht, Mylady«, warnte Kathy. »Darf ich Sie jetzt bitten, den Rollstuhl freizugeben?« Die Greisin stieg recht munter aus dem Gefährt und half ihrer Gesellschafterin, Fred und Oscar in den Rollstuhl zu packen. Dann schob auch sie mit und beförderte die Last zurück in Richtung Platz, wo die altehrwürdigen Fachwerkhäuser standen. Parker erwartete sie bereits in der geöffneten Tür des Hauses, das sie verlassen hatten. Als er die beiden Ganoven nacheinander aus dem Rollstuhl hob und hinüber zum Speisenaufzug neben der Küche trug, zeigte sich, wie durchtrainiert und sportlich er war. Er handhabte die Körper mit spielerischer Leichtigkeit. »Darf ich mich erkühnen, Mylady mein Kompliment auszusprechen?« fragte er dann und deutete eine Verbeugung an. »Mylady waren wieder mal überzeugend.« »Ich weiß«, gab sie bescheiden zurück. »Reden wir nicht über Selbstverständlichkeiten. Was machen wir jetzt?« * Paul Dorset, der Verbindungsmann zwischen den Händlern in Soho und dem sogenannten Weisen, den keiner kannte, war mit dem Verlauf des Abends zufrieden. Der arrogant aussehende Mann hielt sich in der engen Straße auf, in der das
renommierte Speiserestaurant des Mr. Hua Li sich befand. Er hielt ein leistungsstarkes Funksprechgerät in der Hand und hatte gerade einen ersten Bericht an die Zentrale seines Syndikats durchgegeben. Vor Hua Li's Restaurant erschienen in unregelmäßigen Abständen Gäste, die eigentlich nicht in dieses Lokal paßten. Es handelte sich häufig um recht abgerissen aussehende Typen, denen man den Drogenmißbrauch ansah. Sie betraten das Restaurant, blieben nie lange, kamen nach meist schon zehn Minuten wieder zurück auf die Straße und hatten es eilig, irgendwo in den Seitenstraßen oder Gassen zu verschwinden. Paul Dorset hatte gewisse Vorkehrungen getroffen. Die Straße war unauffällig abgeriegelt worden. Wachtposten aus dem Lokal Hi Tsiangs hielten Ausschau nach uniformierter Polizei und nach Polizeidetektiven. Dorset wechselte seinen Standort und schaute sich in Hua Li's Restaurant um. Der Inhaber des Lokals stand neben der Speisenausgabe und machte einen sehr unglücklichen Eindruck. Der Verkauf von Frühlingsrollen lief blendend, wie Dorset auf einen Blick hin erkannte. Die Manieren der Gäste ließen allerdings Wünsche offen. Sie rissen die appetitlich aussehenden Köstlichkeiten roh auf und auseinander, entnahmen ihnen die begehrten Plastikbriefchen, stopften sie in ihre Taschen. Hi Tsiang und sein Neffe Tschu servierten die Frühlingsrollen. Sie kannten ihre Kunden und kassierten barsch und bar. Dorset winkte Hi Tsiang zu sich heran.
»Wie sieht es aus?« fragte er. »Sehr gut, Mr. Dorset, der Weise wird zufrieden sein.« »Warten wir es ab. Hi, warten wir es ab! Hat Hua Li Schwierigkeiten gemacht? « »Überhaupt nicht. Der hat Angst um seine Familie.« »Sollte er auch haben, Hi. Er weiß nicht, was aus den beiden Leuten geworden ist?« »Er will sie überhaupt nicht gesehen haben, Mr. Dorset.« »Dann werde ich mal mit ihm reden.« Dorset nickte herablassend, übersah erneut den kalten Bück des Chinesen und schlenderte lässig hinüber zu Hua Li neben dem Ausgabeschalter. »Ich habe mit dir zu reden«, sagte er beiläufig. »Ungestört, versteht sich.« »Vielleicht in meinem Büro, Sir?« »Los, worauf warten Sie eigentlich noch?« Dorset grinste Hua Li an, der schluckte und dann vorausging. Sie betraten einen schmalen Korridor und dann das winzig kleine Büro des Lokalbesitzers. »Wie war das heute im Zoo?« fragte Dorset und zündete sich eine Zigarette an. »Sagen Sie bloß die Wahrheit, Mann, sonst haben Sie nicht mehr viel von Ihrer Familie!« »Mr. Parker hatte mich dorthin bestellt«, antwortete Hua Li. »Das sagte ich bereits meinem Landsmann Hi Tsiang.« »Und was wollte dieser komische Butler?« »Er fragte nach einem Mann, den man den Weisen nennt, Sir. Und er wollte wissen, was er sich unter einem Labyrinth vorzustellen hat. Ich konnte Mr. Parker keine Auskunft erteilen.«
»Darum leben Sie vielleicht noch, Mann.« Dorset lächelte arrogant. »Und was geschah mit den beiden jungen Chinesen? Sie haben sie doch gesehen, oder? « »Nein, Sir.« »Sie lügen, Mann!« Hua ließ sich nicht ins Bockshorn jagen. Natürlich hatte er bisher die Wahrheit eingefärbt, und zwar in seinem und Mr. Parkers Sinn, doch die beiden jungen Chinesen, nach denen sich bereits Hi Tsiang erkundigt hatte, waren ihm nicht aufgefallen. »Na schön, Mann, wir reden später noch mal darüber.« Dorset gab sich großmütig, weil die Geschäfte drüben im Lokal so ausgezeichnet liefen. »Sobald dieser Parker wieder anruft, will ich verständigt werden.« »Wo, Sir, kann ich Sie erreichen?« fragte Hua Li demütig und senkte den Blick. »Neugierig, wie?« Dorset grinste überlegen. »Nur verlegen, Sir, daß ich solch eine Frage stellen 'muß. Sie klingt sehr neugierig, ich weiß.« »Hör' zu, Mann, vielleicht hast du noch eine tolle Zukunft«, meinte Paul Dorset. »Vielleicht funktioniere ich deinen Laden noch um und werfe das Volk 'raus, das heute hier 'reinschneit.« »Der Bambus widersetzt sich nicht dem Wind, er beugt sich, Sir.« »Wie war das? Klar, das habe sogar ich verstanden. Klingt gut, Mann!« Paul Dorset lächelte und wirkte jetzt fast menschlich. »Was hältst du davon, hier erstklassig zahlende Kunden zu bedienen?« »Der Wurm verschmäht kein Futter, Sir.«
»Du scheinst 'ne Menge Sprüche auf Lager zu haben, Mann.« Dorset grinste. »Wir reden noch darüber, Hua. Ich werde mit dem Weisen reden. Verschaff mir diesen Butler und die komische Alte, und dein Glück ist gemacht.« »Wie kann ich den ehrenwerten Herrn erreichen oder verständigen?« fragte Hua Li. »Über Hi Tsiang, nein, besser nicht. Moment mal, wie arrangieren wir das? Du kennst die Firma Ritchell?« »Dem Namen nach, Sir, dort habe ich bisher noch nie eingekauft.« »Dann wird's aber langsam Zeit. Dort kannst du mich erreichen, Hua. Aber präge dir ein, wenn du mich 'reinlegen willst, hast du eine Familie gehabt!« »Der Herr der Familie weiß als erster, wann Salz und Reis teuer werden, Sir.« Hua Li verbeugte sich demütig. »Versteh' ich nicht, Mann.« Dorset zuckte die Achseln und dachte über diesen Spruch nicht weiter nach. Er spürte nur, daß er diesen Chinesen fest in der Hand hatte. Die Chance, Parker und die Lady verschwinden zu lassen, rückte immer näher. Und genau das wollte er. Seine Stellung bei dem geheimnisvollen Weisen konnte dadurch nur noch fester werden. * »Ihre Ruhe möchte ich haben«, sagte die Detektivin grimmig, als Butler Parker wieder zum hochbeinigen Monstrum zurückkehrte. Sein Wagen sah jetzt aus wie ein reguläres Taxi. Durch einen Knopfdruck war das Taxischild auf dem Wagendach erschienen. Und vorn an der Frontscheibe konnte man deutlich das Taxameter erkennen.
»Ich möchte um Entschuldigung bitten«, erwiderte Parker, als er sich ans Steuer setzte. »Gewisse Verhandlungen zogen sich ein wenig in die Länge.« »Was wollten Sie denn dort in der Kellerspelunke?« fragte Lady Agatha mißmutig. Sie fühlte sich übergangen. »Ich war so frei, Mylady, ein gutes Dutzend Berufstrinker zu engagieren«, erklärte der Butler. »Sie werden ab sofort in jene Straße ziehen, in der das Restaurant des ehrenwerten Mr. Hua Li liegt.« »Und was soll das?« »Meiner bescheidenen Ansicht nach, Mylady, wird gerade diese Straße mit Sicherheit scharf überwacht. Man wird darüber hinaus nach Passanten Ausschau halten, die man für verkleidet oder maskiert hält.« »Sie wollen die Drogenhändler hereinlegen?« Agatha Simpson lächelte animiert. »In der Tat, Mylady, sie sollen ein wenig beschäftigt werden.« »Damit wir uns diese Maßschneiderei in aller Ruhe ansehen können, nicht wahr?« Jetzt war ihr ein Licht aufgegangen. »Mylady werden entschuldigen, doch ich dachte weniger an die bewußte Maßschneiderei, in die Tschu zum Besuch einlud.« »Sondern?« Lady Agatha war schon wieder irritiert. »Mylady rechnen mit einem Geheimgang zwischen dieser Maßschneiderei und dem Restaurant, in dem die drei sonderbaren Frühlingsrollen serviert wurden. Man könnte diesen Geheimgang dann ja auch durchaus von der anderen Richtung aus erforschen.«
»Natürlich, das wollte ich gerade vorschlagen.« »Zumal das betreffende Restaurant inzwischen wohl geschlossen sein dürfte.« »Weil man die Drogen jetzt in Hua Li's Lokal verkauft!« Agatha Simpson hatte jetzt verstanden und ärgerte sich insgeheim, nicht selbst auf diesen Gedanken gekommen zu sein. Butler Parker fuhr durch einige verwinkelte Straßen und stellte seinen Wagen dann auf einem Parkplatz ab. Bis zum Restaurant des Drogenhändlers Hi Tsiang war es nicht mehr weit. Lady Agatha hatte natürlich Maske gemacht. Parkers Verwandlungskünste hatten ihren Ehrgeiz geweckt. Sie trug jetzt die Uniform der Heilsarmee und die Rangabzeichen eines Leutnants. Sie benutzte eine dicke Hornbrille, die ihr Aussehen nachhaltig veränderte. Der Pompadour mit dem darin befindlichen >Glücksbringer< war in einer leichten Leinentasche verschwunden, was die Wirksamkeit dieser Waffe kaum schmälerte. Josuah Parker war in die Rolle eines sich sehr straff haltenden Mannes geschlüpft. Er trug einen mächtigen Schnauzbart, hatte eine weingerötete Nase und war bekleidet mit einer grauen Hose, einem Blazer und einem weichen Hut. In seiner linken Hand befand sich ein zusammengeschobener Herrenschirm. Parker erinnerte an einen pensionierten Major, der sich in Soho ein paar schöne Stunden machen wollte, oder ins Kino zu gehen. Agatha Simpson marschierte voraus. Sie rasselte mit ihrer Sammelbüchse und strahlte derart viel Autorität aus, daß fast jeder nächtliche Besucher auf
der Straße sich beeilte, ein paar Geldmünzen in diese Sammelbüchse zu stecken. Parker folgte mit einigem Abstand und sicherte seine Herrin, die bekanntermaßen zu spontanen Reaktionen neigte. Kathy Porter war schon weit vorher ausgestiegen und spielte wieder mal ein leichtes, abenteuersuchendes Mädchen. Sie sollte sich an Hua Li's Restaurant heranpirschen und auch die Maßschneiderei in ihre Sichtkontrolle miteinbeziehen. Parkers Vermutung erwies sich als richtig. Das Lokal des Drogenhändlers Hi Tsiang war geschlossen. Man hatte den Betrieb sicherheitshalber eingestellt, um etwaige Polizeikontrollen wirkungslos zu machen. Die Drogenhändler wußten ja nicht mit letzter Sicherheit, ob Lady Simpson und Butler Parker die Polizei informiert hatten. Während Agatha Simpson wieder mal zwei Passanten schröpfte und munter mit ihrer Sammelbüchse klapperte, studierte Parker das schmalbrüstige Haus, in dessen Erdgeschoß sich das Restaurant befand. Links vom Lokal gab es eine Teestube, rechts davon eine Pizzeria. Neben dieser Pizzeria war ein Torbogen zu sehen, durch den man wohl die Hinterhöfe erreichen konnte. Von einer Wache dort konnte der Butler nichts entdecken. Er entschloß sich, diesen Weg zu nehmen. * Paul Dorset war nervös geworden.
Der junge, arrogante Sekretär des Weisen hatte gerade wieder einen Spruch über sein Funksprechgerät entgegengenommen. Die Wachen in der Straße meldeten das starke Aufkommen von seltsam gekleideten Männern, die unbedingt diese Straße aufsuchen wollten. Dorset dachte automatisch an Parker. Versuchte der Butler, sich an Hua Li's Restaurant heranzupirschen? Hatte er all diese Typen in Marsch gesetzt, um selbst unbemerkt an das Restaurant heranzukommen? Dorset traute ihm das ohne weiteres zu. Per Sprechfunk erteilte er Anweisungen an die Wachen. Sie sollten alles stoppen und kontrollieren, was ihnen verdächtig vorkam, ohne aber Ärger zu machen. Anschließend wechselte er die Frequenz und setzte einen Spruch an seinen Chef ab. Kurz und knapp teilte er mit, Parker hole wahrscheinlich zu einem Gegenschlag aus. Er mußte einige Zeit auf Antwort warten und wurde gereizt und ungeduldig. Dann schließlich meldete sich die Gegenseite. Eine verzerrte Männerstimme forderte Dorset auf, den Verkauf der Frühlingsrollen in Hua Li's Restaurant sofort einzustellen. »Schalte das Trio aus«, schloß die Durchsage. »Spürt es auf und vernichtet es! Noch in dieser Nacht! Meine Geduld ist am Ende!« Dorset bestätigte den Spruch und schaltete das Gerät ab. Er atmete auf. Endlich war die Zeit des vorsichtigen Taktierens vorüber, endlich konnte er zuschlagen. Er war ja von Anfang an für gewesen, Lady Simpson, Kathy Porter und Butler Parker zu erledigen.
Er ging auf die Normalfrequenz über und rief nach den beiden Ganoven Fred und Oscar, die er nach Shepherd's Market geschickt hatte. Er wollte erfahren, ob das Trio nach wie vor zu Hause war, was ja der Fall sein mußte, da die beiden Ganoven bisher geschwiegen hatten. Er rief, doch Fred und Oscar schwiegen sich aus. Dorset ging zurück in Hua Li's Restaurant und winkte Hi Tsiang zu sich heran. »Neue Befehle vom Weisen«, sagte er knapp. »Verkauf einstellen, sofort! Wir befassen uns mit Parker und Konsorten.« Der Chinese nickte und lächelte bösartig. »Endlich«, sagte er dann. »Fred und Oscar melden sich nicht.« »Vielleicht sind sie abgehauen«, meinte Hi Tsiang. »Ich war ja gleich dagegen, sie noch mal einzusetzen. Wir hätten sie mit der Maschinenpistole ausschalten sollen.« »Keine Kritik am Weisen«, empfahl Dorset. »Trommeln Sie Ihre Leute zusammen. Wir fahren sofort 'rüber nach Shepherd's Market.« »Und die Falle in der Maßschneiderei?« »Die hat Parker bestimmt nicht angenommen. Los, Beeilung!« Es dauerte nicht lange, bis Hi Tsiang sein Volk um sich gesammelt hatte. Er informierte sie kurz und befahl ihnen, drei unauffällige Wagen zu benutzen. Dann stieg er mit Dorset in den ersten und fuhr los. Nach knapp zwanzig Minuten hatten sie Shepherd's Market erreicht. Sie stiegen aus und schauten sich nach den
beiden Ganoven Fred und Oscar um, doch sie waren nicht zu sehen. »Abgehauen«, sagte Hi Tsiang abfällig. »Wie ich's gesagt habe.« »Oder eingefangen«, gab Dorset zurück. »Sie sind ja der Boß hier«, redete der stämmige Chinese weiter. »Wie gehen wir vor?« »Aufbrechen der Tür, dann Sturm ins Haus«, ordnete Dorset in seiner Einfalt an. Er schien immer noch nicht begriffen zu haben, mit welchen Gegnern er es zu tun hatte. »Das Trio wird im Haus erledigt, Hi. Na los, worauf warten Sie noch?« »Sie sind der Boß und Vertraute des Weisen«, erwiderte Hi Tsiang überraschend höflich. Er winkte seine Landsleute zu sich heran und erteilte ihnen seine Befehle. Er vergaß nicht zu betonen, daß er nur das Sprachrohr des weißhäutigen Paul Dorset sei. * Der weibliche Leutnant der Heilsarmee, stattlich und füllig anzusehen, marschierte durch die Küche des chinesischen Restaurants und wartete, bis Butler Parker zurückkehrte. Er war von der Rückseite des Lokals aus eingedrungen und hatte Lady Agatha die Eingangstür geöffnet. Wie er vermutet hatte, war das Restaurant menschenleer. Hi Tsiang hatte noch nicht mal so etwas wie eine Stallwache zurückgelassen. »Kümmern Sie sich jetzt endlich um den Geheimgang«, verlangte sie ungeduldig. »Er existiert, das weiß ich!«
»Er müßte sich von irgendwelchen Kellerräumen aus entdecken lassen, Mylady.« »Wo ist die Kellertreppe?« »Ich konnte sie bedauerlicherweise bisher nicht ausmachen, Mylady.« »Das Haus muß aber doch einen Keller haben, Mr. Parker.« »Vielleicht hier, Mylady.« Parker deutete auf eine Tür neben einem großen Kühlschrank. Er öffnete sie und nickte. Eine steile Holztreppe führte nach unten. »Wenn Mylady gestatten, werde ich eine erste Prüfung vollziehen.« Er wartete ihre Erlaubnis gar nicht erst ab, sondern stieg nach unten und schaltete dabei ungeniert das Licht ein. Es konnte von draußen nicht gesehen werden. Zwei Kellerräume entdeckte Parker, aber sie bildeten keineswegs den gesuchten Zutritt zu dem vermuteten Geheimgang. Der Butler klopfte sorgfältig die verputzten Mauern ab, untersuchte Stellagen und Regale, konnte aber keine Geheimtür finden. Als er wieder in die Küche zurückkehrte, war die Detektivin verschwunden. Josuah Parkers linke Augenbraue hob sich. Schon befürchtete er einen unvorhergesehenen Zwischenfall, als er ihre triumphierende Stimme hörte. »Wo bleiben Sie denn?« fragte Agatha Simpson unternehmungslustig. »Sie haben die Geheimtür natürlich wieder mal übersehen.« Die Stimme war lauter geworden, und jetzt bewegte sich plötzlich der überdimensional große Kühlschrank. Er glitt auf seinen Rollen zur Seite und gab den Blick frei auf einen schmalen Einstieg
und auf die alte Dame, die auf einer hühnerleiterähnlichen Stiege stand. »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit verblüfft«, räumte der Butler ein. »Haben Sie's inzwischen nicht gemerkt?« fragte sie. »Die Treppe ist zweigeteilt.« »Dies, Mylady, erkenne ich jetzt«, erwiderte Parker. »Sehr wirkungsvoll, wie ich gestehen muß.« »Ich ahnte es sofort«, behauptete sie und verschwieg, daß sie per Zufall auf diese Geheimtür gestoßen war. Sie hatte sich mit ihrem Gewicht gegen den Kühlschrank gelehnt, der sich daraufhin wie auf Kugellagern bewegt hatte. Sie kletterte wieder nach unten, gefolgt von ihrem Butler. Sie erreichten einen schmalen Kellerraum, der ebenfalls von den beiden übrigen Kellerräumen abgeteilt worden sein mußte und schauten dann prüfend-interessiert in einen schmalen, niedrigen und gemauerten Gang, der sich irgendwo in der Dunkelheit verlor. Mylady wollte sofort losmarschieren und diesen Geheimgang betreten, doch Parker hatte Bedenken. »Man sollte vielleicht mit einer raffinierten und tückischen Sicherung rechnen«, meinte er. »Die Holzbohlen auf dem Boden könnten ein Element der Unsicherheit darstellen.« »Sie mit Ihren ewigen Vorbehalten«, mokierte sie sich, blieb aber prompt stehen. Parker bückte sich und griff mit seinen behandschuhten Fingern nach einer Bohle, hob sie leicht an und ließ sie dann los. Die Holzbohle, eigentlich mehr ein langes Dielenbrett, entwickelte überraschendes Eigenleben. Sie kippte weiter
nach oben und... rutschte dann steil nach unten weg. »Eine Art Wippe, Mylady, wenn ich es so umschreiben darf«, sagte Parker. »Die übrigen Bretter scheinen ähnlich lose zu liegen.« Er wartete ihren Kommentar nicht ab, sondern langte nach den nächsten Brettern, die ohne Ausnahme ähnlich reagierten und nach vorn wegkippten. »Eine Fallgrube«, sagte die resolute Dame grollend. »Wie gut, daß ich so etwas gleich vermutet habe. Wie kommen wir über sie hinweg, Mr. Parker?« »Die Bretter lassen sich mit Sicherheit arretieren, Mylady«, antwortete Parker und suchte mit seiner KugelschreiberTaschenlampe die Wandseiten ab. Er entdeckte einen losen Ziegel, zog ihn aus der Wand und sah dann einen Kipphebel, der zu einem versenkt angebrachten Elektroschalter gehörte. Er legte ihn herum, worauf ein feines Summen zu hören war, in das sich ein Quietschen und Knarren mischte. Die abgekippten Bretter wurden wie von Geisterhand wieder hochgedrückt und nahmen ihre alte Lage ein. »Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn«, meinte die ältere Dame dazu geringschätzig. »Sind Sie sicher, Mr. Parker, daß man jetzt heil über diese Fallgrube kommen wird?« »Dies, Mylady, werde ich sofort testen«, antwortete Parker und setzte sich in Bewegung. * Die Streitmacht des Mr. Dorset hatte sich vor der Tür zum Haus der Lady Simpson eingefunden. Außer Dorset und dem stämmigen Chinesen Hi Tsiang
handelte es sich um sechs Männer, die durchweg einen sehr geschmeidigen und aggressiven Eindruck machten. Es waren Landsleute von Hi Tsiang und ihm blindlings ergeben. Einer von ihnen war so etwas wie Spezialist für Türschlösser. Ahnungslos manipulierte er am Yale-Schloß herum und war sich schnell seiner Sache sicher. Er wandte sich kurz zu Hi Tsiang und Dorset um, nickte ihnen beruhigend zu und arbeitete weiter. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er die Tür vorsichtig aufdrücken konnte. Die sechs Chinesen drängten sich nacheinander in den kleinen quadratischen Vorraum, während Dorset und Hi Tsiang noch zurückblieben, weil einfach kein Platz für sie da war. Der Türöffner stand vor einem zweiten Hindernis. Es handelte sich um eine Glastür, die in einen schweren Eichenrahmen eingelassen war. Liebend gern hätten die Eindringlinge diese Glasscheibe im Sturm genommen, doch sie bestand aus besonders dickem Panzerglas. Die Tür mußte also erst mal geöffnet werden, um die große Wohnhalle des Hauses betreten zu können. In diesem Moment passierte es. Dorset hatte die Haupttür zugezogen und nickte Hi Tsiang zu. »Braucht ja nicht jeder zu sehen, was hier für ein Gedränge herrscht«, sagte er lächelnd. »Was ... Was war das?« fragte der stämmige Chinese und fuhr blitzartig herum. »Die Tür ist ins Schloß gefallen«, antwortete Paul Dorset achselzuckend. »Da schreit doch was!«
»Ich höre nichts! Moment mal, doch! Das sind Schreie! Sie werden sich das Trio bereits vorknöpfen. Kommen Sie!« Dorset wollte die Tür wieder öffnen, doch das erwies sich als unmöglich. Sie saß unverrückbar fest im Schloß. Hi Tsiang pochte mit der Faust gegen das schwere Türblatt, doch auf der anderen Seite reagierte man nicht. Auch die Schreie waren jetzt nicht mehr zu vernehmen. »Was soll denn das bedeuten?« ärgerte sich Paul Dorset. Er drängte den Chinesen an die Seite und pochte nun seinerseits gegen die Tür, doch auch ihm wurde nicht geöffnet. »Da stimmt doch was nicht«, stellte er ahnungsvoll fest. »Eine Falle?« fragte Hi Tsiang nervös. »Hinter der Tür sind sechs Profis«, meinte Dorset gereizt. »Die setzt man nicht schlagartig außer Gefecht. Mann, tun Sie endlich etwas!« Nun, Hi Tsiang brauchte nichts zu tun, das besorgte schon die raffinierte Alarmanlage, die nach Parkers Vorstellungen entwickelt und installiert worden war. Plötzlich ergossen sich Lichtfluten über die Front des altehrwürdigen Hauses. Sie stammten aus Leuchtstrahlern, die oben am First des Hauses in reicher Fülle versteckt angebracht waren. Dazu rasselten jetzt im Innern des Hauses Alarmglocken und zerfaserten die Nerven der beiden Drogengangster draußen vor der Tür. »Nichts wie weg«, kommandierte Dorset und lief in langen Sätzen zurück zu seinem Wagen, der drüben auf der Durchgangsstraße stand. Hi Tsiang war diesmal seiner Meinung und folgte Dorset. Er war völlig durcheinander und konnte sich das alles nicht erklären.
* »Das ist ja das reinste Labyrinth«, beschwerte Lady Simpson sich nach zehn Minuten und blieb stehen. »Diese Bezeichnung wurde in der Tat von Mr. Hua Li genannt«, antwortete der Butler zustimmend. »Treffender hätte er sich gar nicht ausdrücken können.« »Haben Sie wenigstens eine Ahnung, wo wir uns befinden?« »Mylady sehen mich ein wenig ratlos«, räumte Josuah Parker ein. Er stand in einem Keller, in dem es nach exotischen Gewürzen roch. Von diesem Keller aus zweigten drei Mauerdurchbrüche ab, die in andere Häuser und Keller führten. Den schmalen und niedrigen Geheimgang hatten sie längst hinter sich gebracht und irrten nun von Keller zu Keller. Überall gab es diese großen und kleinen Mauerdurchbrüche, die die Wahl der Entscheidung zur Qual machten. Diese unterirdische Welt hatte Parker sich so nicht vorgestellt. Geheimgänge und nachträglich gegrabene Stollen waren gar nicht notwendig. Man hatte sich damit begnügt, die Keller untereinander zu verbinden. Das reichte bereits vollkommen, um im Fall der Gefahr blitzschnell verschwinden zu können. Falls irgendwo eine Razzia durchgeführt wurde, konnten die Gesuchten sich sogar in aller Ruhe absetzen und dann später irgendwo ganz nach Belieben wieder auftauchen. Parker schaltete plötzlich das Licht seiner Kugelschreiber-Taschenlampe ab und berührte warnend den Arm seiner
Herrin. Mehr brauchte er nicht zu tun, denn auch sie hörte jetzt Schritte und Stimmen. Wenig später war hinter dem linken Mauerdurchbruch schwacher Lichtschein auszumachen. Schritte und Stimmen näherten sich, wurden lauter und ließen sich genauer ausmachen. Doch Sekunden später war alles schon wieder vorüber. Es herrschte Stille. »Und jetzt?« fragte die Detektivin und versetzte ihrem Butler einen derben Stoß. »Wenn ich vielleicht vorausgehen darf, Mylady?« »Sie gehen bestimmt in die falsche Richtung«, sagte sie grollend. »Wollen Mylady die Führung übernehmen?« »Papperlapapp, Mr. Parker, seien Sie nicht immer so schrecklich empfindlich. Gehen Sie schon!« Sie wollte nicht zugeben, daß sie sich ein wenig graulte. Hier fehlte ihr einfach die Übersicht. Und darüber hinaus sah Sie kaum eine Möglichkeit, ihren Pompadour kreisen zu lassen. Sie krallte sich an den Rockschoß ihres Butlers und folgte ihm schnaufend. Er schaltete nur hin und wieder das Licht ein, um eine unnötige Entdeckung zu vermeiden. Dann blieb er jäh vor einem Mauerdurchbruch stehen und schob ein Stück Sackleinen zur Seite. In einem niedrigen, aber großen und langgestreckten Kellerraum schien man eine Art Massenherberge untergebracht zu haben. An den Wänden standen zweistöckige, primitiv zusammengeschlagene Betten, die durchweg besetzt waren. Ein betäubend süßlicher Geruch drang in Parkers Nase. Er wußte sofort, daß hier Opium geraucht wurde.
Als seine Augen sich an die herrschenden Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, wurde dieser Eindruck nur noch unterstrichen. Parker erkannte einige ausgemergelte Raucher, die ihr Opium aus langen Pfeifen rauchten. »Empörend«, flüsterte Agatha Simpson in Parkers Ohr. »Vorsicht!« Parker schob seine Herrin zurück und ließ den improvisierten Vorhang bis auf einen schmalen Spalt fallen. Er sah zwei Chinesen, die aus dem Hintergrund des langgestreckten Kellers kamen und sich einen Platz suchten. Sie hielten lange Opiumpfeifen in Händen, die sie wenig später umständlich anzündeten. Parker spielte mit dem Gedanken, diese unheimliche, unterirdische Welt zu verlassen. Er hatte längst eingesehen, daß man sich hoffnungslos verlief. Auf diese Art und Weise war es unmöglich, an den Chef der Drogenhändler heranzukommen. Er fuhr zusammen, als die Detektivin sich wieder durch einen Stoß gegen seine linke Rippenpartie bemerkbar machte. »Licht«, flüsterte sie. Parker wandte sich um und sah rechts vom Mauerdurchbruch eine neue Lichtquelle. Hinter diesem zweiten Mauerdurchbruch schienen sich weitere Überraschungen anzukündigen. Er übernahm wieder die Führung, half seiner Herrin durch die Maueröffnung und führte sie dann durch einen Kohlenkeller zum nächsten Durchschlupf. Seine Kugelschreiber-Taschenlampe brauchte er nicht einzuschalten. Die Lichtquelle reichte vollkommen aus. Jetzt waren laute Stimmen zu hören, dann Lachen und Streiten. Würfel schie-
nen über ein Holzbrett zu klappern, Gläser klirrten. Es roch nach Marihuana. In dem großen Keller, in den Parker und Lady Simpson vorsichtig hineinspähten, hatte man eine Art Spielkasino eingerichtet. Der Mauerdurchbruch, vor dem die beiden standen, war von der anderen Seite aus mit dünnem Seidenstoff bespannt, durch den man deutlich die Vorgänge beobachten konnte. »Eine Spielhölle«, flüsterte Agatha Simpson unnötigerweise. Sie stand dicht neben ihrem Butler und beobachtete ebenfalls die Szene. Sie hatte nicht übertrieben. Der Kellerraum war wohnlich eingerichtet worden. Die Gäste waren nicht nur Chinesen. Alle umstanden einen Würfeltisch und setzten ihre Einsätze. »Möchten Mylady sich an diesem Spiel beteiligen?« fragte Parker leise. »Es wäre die beste Möglichkeit, diese Welt zu verlassen.« * Hua Li zergrübelte sich den Kopf. Er fand einfach keine Erklärung dafür, warum die Drogenhändler so plötzlich sein Restaurant geräumt hatten. Hi Tsiang oder dieser Mr. Dorset hatten es nicht für notwendig erachtet, ihm eine Erklärung zu geben. Das alles war jetzt gut und gern eine halbe Stunde vorüber, doch Hua Li rechnete damit, daß die Gangster jeden Augenblick wieder zurückkehrten. Er saß in seinem winzig kleinen Büro hinter der Küche und zuckte zusammen, als gegen die Fensterscheibe geklopft wurde. Er stand auf, schob den Vorhang ein wenig zur Seite und sah in das grell
geschminkte Gesicht eines sogenannten leichten Mädchens. Höflich wie er war, öffnete er dennoch das Fenster. »Ich bin Miß Porter«, stellte die junge Frau sich vor. »Schalten Sie das Licht ab, Mr. Hua!« Er reagierte augenblicklich, griff nach dem Schalter und löschte die Lampe. Er hörte ein feines Scharren an der Hauswand, dann, wie das Fenster geschlossen und der Vorhang zugezogen wurde. »Nein, kein Licht«, bat Kathy Porter. »Sie hatten eine Unterredung mit einem jungen, arroganten Mann?« »Paul Dorset«, bestätigte Hua Li. »Er ist, glaube ich, sehr eng mit dem Weisen verbunden.« »Wissen Sie, wie und wo man ihn erreichen kann?« »In der Firma Ritchell«, gab Hua Li eifrig zurück. »Das ist ein Großhandel, der chinesische Einrichtungsgegenstände verkauft. Eine sehr seriöse Firma.« »Sie befindet sich hier in Soho?« »In der Berwick Street, Miß Porter, glaube ich. Darf ich Sie um einen Rat bitten?« »Aber natürlich, Mr. Hua, hoffentlich kann ich Ihnen helfen?« »Was soll ich jetzt tun? Hi Tsiang und Mr. Dorset sind plötzlich zusammen mit ihren Freunden gegangen. Ich weiß nicht, wie ich mich nun verhalten soll. Ich muß immer wieder an meine Familie denken.« »Tun Sie gar nichts, Mr. Hua«, schlug Kathy Porter vor. »Ich glaube, daß Sie sich damit am wenigsten verdächtig machen. Und was die Drogenhändler
betrifft, so dürften sie sich inzwischen sehr wundern.« »Wie verstehe ich das, Miß Porter?« »Sie sind wahrscheinlich zu Myladys Haus in Shepherd's Market gefahren, Mr. Hua.« »Aber dann sind ja Mylady und Mr. Parker in höchster Gefahr!« Huas Stimme klang bestürzt. »Bestimmt nicht, Mr. Hua. Machen Sie sich in der Hinsicht überhaupt keine Sorgen! In Gefahr sind höchstens die Drogengangster. Mr. Parker wird sich übrigens bei Ihnen noch bedanken. Sie haben sehr viel Mut bewiesen.« »Mut? Ich zittere vor Angst, Miß Porter.« »Ich glaube, daß Sie nicht mehr lange zittern müssen, Mr. Hua. So, ich muß jetzt wieder gehen. Schalten Sie das Licht nicht mehr ein!« »Werden Sie Mylady und Mr. Parker sehen?« »Das will ich doch sehr hoffen«, gab sie zurück. »Sie halten sich hier in Soho auf.« »Sie sind hier?« Hua Li staunte hörbar. »Natürlich«, gab Kathy Porter leise lachend zurück. »Sie sind immer da, wo man sie nicht vermutet.« * Tschu, der Neffe Hi Tsiangs, hatte die Führung übernommen. Er hatte sich als erster von dem Schock erholt, den sie alle erlitten hatten. Sie befanden sich in einem tiefen Schacht mit glatten Wänden. Die Falltür, durch die sie nach unten in den Schacht gefallen waren, schien unerreichbar zu sein.
Verletzt hatten sich die sechs Chinesen nicht. Sie waren auf relativ weichem Schaumstoff gelandet und hatten sich nur ein paar harmlose Prellungen zugezogen, was bei diesem Massenabsturz einfach nicht zu vermeiden war. Sie hatten sich fast heiser geschrien nach Dorset und Hi Tsiang, jedoch keine Antwort erhalten. Nach einer Weile der Resignation kurbelte Tschu nun den ersten Befreiungsversuch an. Er war dafür, eine menschliche Pyramide zu bauen, um die Falltür zu erreichen. Er konnte nicht wissen, daß das vor ihm schon andere Gangster versucht hatten. Diese überdimensional große und tiefe Falle hatte ein gewisser Josuah Parker sich ausgedacht. Sie nahm ungebetene Besucher des Hauses auf, die ohne jede Einladung und mit Nachschlüssel eintreten wollten. Diese an sich einfache Konstruktion hatte sich in der Vergangenheit schon wiederholt bewährt. Mit solch einem billigen Trick rechnete eben kein Ganove oder Gangster. Die sechs inzwischen wieder munter gewordenen Chinesen bauten also eine Pyramide, was nicht ganz einfach war, da der weiche Schaumstoffboden sich als schwankend und nachgebend zeigte. Die halbfertige erste Pyramide rutschte bereits sehr schnell in sich zusammen. Tschu trieb seine Freunde zu einem zweiten Versuch an, machte dann aber plötzlich eine wichtige Entdeckung, die ihn förmlich elektrisierte. Der Schaumstoff, der aus dicken Matten bestand, hatte sich ein wenig verschoben. Und da war, wenn ihn nicht alles täuschte, die Linie und Ecke einer weiteren Falltür zu sehen. Tschu informierte seine Mitgefangenen, die sich so-
fort anschickten, die Matten zur Seite zu räumen und hochzutürmen. Er hatte sich nicht getäuscht. Da gab es wirklich eine zweite Falltür. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Art Ausgang. Tschu legte sich flach auf den Boden, ließ sich ein breites Messer reichen und manipulierte an der Kante dieser Falltür herum. Schon nach wenigen Minuten war er erfolgreich und konnte die Tür ein wenig hochstemmen. Seine Freunde halfen jetzt mit. Sie alle witterten Morgenluft, obwohl es ja Nacht war. Weitere Messerklingen wurden zwischen Rahmen und Falltür geschoben, und endlich war Tschu in der Lage, die Tür anzuheben und schließlich auch umzulegen. Steigeisen führten nach unten in die Dunkelheit. Tschu schluckte kurz, faßte sich ein Herz und kletterte voran. Kühle, frische Luft strich über sein erhitztes Gesicht. Nach etwa fünf Metern erreichte er festen Boden. Er rief seine Freunde zu sich herunter. Zögernd folgten sie ihm, schlossen zu ihm auf und warteten, bis er ein Streichholz angerissen hatte. Sie befanden sich in einem ausbetonierten, völlig harmlos aussehenden Gang, der vor einer Stahltür endete. Sie war unverschlossen. Tschu übernahm wieder die Führung. Er hatte an Sicherheit gewonnen. Er hoffte, sich und seine Freiheit schon bald einsetzen zu können. Wie sehr würde dann sein Ansehen steigen! Mit einem dicken Lob des Weisen war zu rechnen. Sie passierten die Tür, die hinter ihnen sanft und fast geräuschlos zurück in den Rahmen glitt. Tschu wandte sich um, griff nach der Türklinke und erlebte eine
herbe Enttäuschung: Die Tür saß eisern fest im Rahmen und ließ sich nicht mehr öffnen. Sie schien geradezu elektrisch verriegelt worden zu sein. Wütend trat er gegen das Türblatt, doch das zeigte sich wenig beeindruckt. Tschu setzte sich wieder an die Spitze der inzwischen kleinlauter werdenden Männer und blinzelte in das Licht einer in die Betondecke eingelassenen Lampe, die hinter dickem Panzerglas brannte. Wie angewurzelt blieb er stehen, als sich eine weitere Tür öffnete, die sein nächstes Ziel war. Zwei Bekannte kamen ihm entgegen, doch sie strahlten nicht gerade vor Freude. Es handelte sich um die beiden Ganoven Fred und Oscar, die Tschu recht gut kannte. »Hallo«, sagte Oscar. »Auch 'reingelegt worden?« »Da drüben sind noch zwei andere«, meinte Fred müde und fast gelangweilt. »Pete und Dan heißen sie. Ich wette, ihr kennt sie!« * Agatha Simpson schnaufte ein wenig, doch sie schaffte es. Parker hatte die dünne Seidenbespannung vor dem Mauerdurchbruch mit einem Taschenmesser getrennt, war eingestiegen und half seiner Herrin in die unterirdische Spielhölle. Noch hatte man sie überhaupt nicht bemerkt. Einmal hing das mit der Spielleidenschaft der Anwesenden zusammen, zum anderen aber auch mit der Art der Beleuchtung: Über dem Spieltisch hing tief die einzige Lichtquelle, die den übrigen Raum kaum ausleuchtete.
Parker warf Lady Agatha einen schnellen Blick zu, als sie zum Spieltisch hinübergehen wollte. Sie hatte natürlich wieder mal vor, die Dinge auf die Spitze zu treiben. Wahrscheinlich beabsichtigte sie, sich an dem Spiel zu beteiligen. Zuzutrauen war ihr das ohne weiteres. Ihr Sinn für Gefahr war nicht sonderlich ausgeprägt. Parker schüttelte leicht den Kopf und deutete dann mit seinem kurzen Herrenschirm hinüber zum gerafften Vorhang, hinter dem die nur halb angelehnte Tür. zum Raum zu sehen war. Widerwillig folgte Lady Agatha dieser Aufforderung, schritt dann zur Tür hinüber und prallte gegen Parkers Rücken. Der Butler war nämlich abrupt stehen geblieben, als vor ihm ein kahlköpfiger Mann erschien, dessen Figur an die eines Catchers erinnerte. »Man kann nicht immer gewinnen«, sagte Parker. »Haben Sie darüber schon mal nachgedacht?« Der > Catcher < schüttelte verblüfft den Kopf. Gleichzeitig aber wunderte er sich auch. Er hatte diesen Mann noch nicht gesehen. Und der Leutnant der Heilsarmee paßte überhaupt nicht in diese Spielhölle. Während der Kahlköpfige diese Gedanken noch verarbeitete, legte Parker ihm den kurzen Regenschirm auf die Stirn. Der > Catcher < zeigte sich zwar beeindruckt, dachte aber nicht daran, prompt zu Boden zu gehen. Er schüttelte nur ein wenig verwirrt den Kopf und starrte den Butler an. »Sehr brav«, lobte der Butler ihn und wollte erneut zulangen, doch Lady Simpson schaltete sich ein. Sie schwang den Leinenbeutel, der ihren Pompadour enthielt. Der Kahlköpfige, der gerade
Alarm schlagen wollte, starrte fasziniert auf diesen Leinenbeutel, dann auf den energischen weiblichen Leutnant, dann wieder auf den Leinenbeutel, der nun ebenfalls auf seiner breiten Stirn Platz nahm. Diesmal klappte es! Der >GlücksbringerAbsteiger< erschien auf der Treppe und hatte es nicht weniger eilig, zumal sein Vordermann inzwischen regungslos am Fuß der Treppe lag. Er wollte verständlicherweise nachsehen, was mit ihm geschehen war. Parker hakte mit dem Griff des kleinen Schirms noch mal gründlich nach. Daraufhin segelte auch der zweite Mann ein gutes Stück durch die Luft und klatschte nach einem Aufbrüller auf seinen Partner. Er zappelte zwar noch
ein wenig, doch das dauerte nicht lange. Bevor Lady Agatha ihren Glücksbringer einsetzen konnte, herrschte Ruhe. Der dritte und letzte Mann war natürlich vorgewarnt. Er wußte zwar nicht genau, was auf der Treppe passiert war, doch er hatte herausgefunden, daß das Betreten der Stufen gewisse Gefahren barg. Er stahl sich vorsichtig nach unten, hielt seine Faustfeuerwaffe schußbereit in der Hand und paßte höllisch auf. Er schoß sofort, als ein Leinenbeutel auf ihn zuflog, erwischte ihn auch, übersah dabei aber einen perlenbestickten Pompadour, der diesem Beutel unmittelbar folgte. Der Glücksbringer darin ließ keinen zweiten Schuß zu. Der Mann oben auf der Treppe stöhnte, schielte und rutschte dann nach unten. Aus Gründen der Menschlichkeit nahm der Butler ihn in Empfang und sorgte dafür, daß der Schütze sich nicht unnötig verletzte. Dann barg Parker die drei Schußwaffen, lüftete höflich seinen weichen Hut und geleitete seine Herrin nach oben. Sie erreichten das Hinterzimmer eines Restaurants, verzichteten auf Bedienung und schritten weiter durch nach vorn. Parker schob einen Perlenvorhang zur Seite und nickte einem Mann zu, der hinter einem Tresen stand und gerade Tee zubereitete. Es handelte sich um einen weißhäutigen Mann, der die Augen zukniff, wieder öffnete, erneut schloß und das seltsame Paar dann nur noch anstaunte. »Man verlangt unten nach Ihnen«, sagte Parker in seiner höflichen Art. »Es ist ratsam, vielleicht so etwas wie einen Verbandskasten mitzunehmen. Vorsicht hat noch nie geschadet.«
* »Eine recht hübsche Nacht war das«, stellte Lady Agatha am anderen Morgen fest. Sie ließ sich von Parker das Frühstück servieren und nickte auch Kathy Porter freundlich zu, die die Morgenpost brachte. Man befand sich wieder im Haus in Shepherd's Market und war zur Tagesordnung übergegangen. »Mylady waren zufrieden?« erkundigte Parker sich gemessen und goß den Tee ein. »Eine nette Abwechslung«, antwortete die Detektivin. »Sie war auf jeden Fall interessanter als das Sitzen vor dem Bildschirm.« »Mylady haben für den heutigen Tag besondere Pläne?« »Natürlich«, sagte sie und befaßte sich mit dem gerösteten Speck. »Sollten wir heute nicht diesen Weisen nervös machen, Mr. Parker?« »Wie war das noch mit Mr. Hua Li?« fragte Agatha Simpson und wandte sich an Kathy Porter. »Mr. Hua nannte eine ganz bestimmte Adresse, Mylady«, antwortete die Gesellschafterin. »Paul Dorset ist in der Firma Ritchell zu erreichen. Sie befindet sich in der Berwick Street in Soho.« »Richtig, Kindchen, das war es.« Sie nickte nach wie vor freundlich. »Nach dem Frühstück sollten wir dort mal hinfahren, Mr. Parker. Oder haben Sie Bedenken?« »Dies, Mylady, würde Mr. Hua Li geradezu in Lebensgefahr bringen. Offiziell wissen Mylady ja nichts von dieser Adresse.« »Das ist aber sehr dumm«, fand Agatha Simpson. »Gut, wir wollen Mr. Hua
Li nicht gefährden, aber auf der anderen Seite möchte ich diesen Fall endlich abschließen. Ich muß wieder zurück an meinen Roman.« »Meiner bescheidenen Ansicht nach wird der sogenannte Weise sich bald melden, Mylady.« »Warum sollte er?« »Er wird inzwischen einige seiner Leute vermissen. Darüber hinaus muß er mit weiteren Aktivitäten Myladys rechnen. Auch der sogenannte Weise wird diesen Fall abschließen wollen.« »Ich verstehe. Er wird Hua Li benutzen, um uns in eine Falle zu locken, nicht wahr?« »Treffender hätte meine bescheidene Wenigkeit es nicht ausdrücken können, Mylady.« »Gut, warten wir also noch etwas, der Tag ist ja noch lang. Was machen wir mit diesen Subjekten in meinem Keller?« »Die allgemeine Grundstimmung, Mylady, hat fast den Nullpunkt erreicht.« »Sehr schön«, erwiderte sie und lachte grimmig. »Sie haben sich da unten inzwischen gefunden?« »In der Tat, Mylady! Man sitzt zusammen und äußert sich in einer nicht gerade stilvollen oder vornehmen Art und Weise über Mylady und meine bescheidene Wenigkeit.« »Man wünscht uns die Pest an den Hals?« »Dies, Mylady, wäre noch vornehm umschrieben.« »Was sollen wir mit diesen Subjekten tun, Mr. Parker? Es handelt sich inzwischen um zehn Personen, nicht wahr?« »Gewiß, Mylady, sechs Männer, die zusammen mit Hi Tsiang anrückten,
dann die beiden Ganoven Fred und Oscar und schließlich die beiden killerähnlichen Chinesen Pete und Dan. Superintendent McWarden wird froh sein, Sie bald übernehmen zu können.« »Ich verlasse mich da ganz auf Sie, Mr. Parker«, entgegnete sie. »Diese Mitläufer interessieren mich nur am Rand. Wichtig sind der Weise und seine beiden Kreaturen Dorset und Hi Tsiang.« »Dem kann man nur beipflichten, Mylady.« Parker deutete eine seiner knappen Verbeugungen an, die Zustimmung ausdrückten. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie sich melden werden. Im Stadium höchster Reizbarkeit, in dem sie sich befinden, werden die Herren zu unüberlegten Handlungen neigen.« * »Sie kommen natürlich zufällig vorbei«, meinte Lady Simpson spöttisch, als Superintendent McWarden den Salon betrat. Er hatte geläutet und war von Parker eingelassen worden. »Diesmal ja«, antwortete McWarden. »Sie wissen, Mylady, daß ich auf anonyme Anrufe nichts gebe.« »Das möchte ich auch hoffen«, erwiderte sie. »Trinken Sie eine Tasse Tee? « »Gern, Mylady, gern.« McWarden nahm auf dem angebotenen Sitz Platz und ließ sich von Parker Tee servieren. »Möchten Sie nicht wissen, wen dieser anonyme Anruf betraf?« »Sie werden es mir bestimmt gleich sagen, McWarden.« »Man will Sie und Mr. Parker anschwärzen. Stellen Sie sich das mal vor!«
»Gut, ich stelle es mir vor.« Agatha Simpson gab sich heiter. »Sie sollen hier im Haus fast ein Dutzend Männer gegen ihren Willen festhalten.« »Gut, daß Sie auf anonyme Anrufe nichts geben.« Lady Simpson nickte wohlwollend. »Darüber hinaus sollen Sie und Mr. Parker in der vergangenen Nacht ein Lokal in Soho demoliert haben.« »Das ist unser nächtlicher Zeitvertreib«, sagte sie. »Wußten Sie das nicht, mein lieber McWarden?« »Der anonyme Anrufer empfahl mir, Ihr Haus gründlich zu durchsuchen, Mylady. Er ist sicher, daß sich zehn Männer hier befinden.« »Hoffentlich haben Sie einen Durchsuchungsbefehl mitgebracht, McWarden.« »Anonyme Anrufe sind wertlos«, meinte der Superintendent. »Ich darf doch unterstellen, daß Sie keine Menschen festhalten, nicht wahr?« »Mr. Parker, jetzt sind Sie an der Reihe.« Mylady wandte sich ihrem Butler zu. »Ich möchte mich sicherheitshalber nicht festlegen«, erwiderte Josuah Parker gemessen. »Myladys Haus ist das erklärte Ziel mancher Mitbürger, die man gemeinhin zur Unterwelt rechnet. Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich bei Gelegenheit nachsehen.« »Würden Sie nämlich Menschen festhalten, dann wäre das ungesetzlich.« »In der Tat, Sir, selbst wenn es sich um Eindringlinge handeln sollte.« »Gut, daß Sie es wissen, Mr. Parker.« McWarden räusperte sich. »Die Geschichte mit dem Lokal in Soho stimmt natürlich ebenfalls nicht, wie?«
»Man scheint Mylady verleumden zu wollen, Sir.« »So etwas dachte ich mir schon. Aber Sie waren in Soho?« »Schon häufig, Sir.« »In der vergangenen Nacht auch?« »Ich hatte in der Tat die Ehre, Mylady ausfahren zu dürfen, Sir.« »Und Ärger gab es keinen?« »Mit Sicherheit nicht, Sir. Mylady schien die Ausfahrt zu genießen.« »Das kann ich mir allerdings vorstellen.« McWardens Miene nahm einen gereizten Ausdruck an. »Sie arbeiten wieder mal auf eigene Faust, wie ich vermute.« »Mylady interessiert sich neuerdings für die chinesische Küche«, lautete Parkers höfliche Antwort. »Und sie schmeckt ausgezeichnet«, warf die ältere Dame ironisch ein. »Man muß natürlich wählerisch sein.« »Könnten Sie mir verraten, welche Restaurants Sie besucht haben, Mylady?« »Wer kann diese chinesischen Schriftzeichen schon deuten?« antwortete sie. »Für uns Engländer werden sie ein ewiges Rätsel bleiben. Noch etwas Tee?« »Mylady, ich weiß, daß Sie sich auf ein gefährliches, mörderisches Spiel eingelassen haben«, warnte der Superintendent. »Möglich, daß Sie sogar Teilerfolge erzielen konnten, das will ich gar nicht abstreiten, aber an die Spitze solcher Banden kommen Sie nie heran. Die haben sich zu gut abgesichert.« »Sie überschätzen meinen Ehrgeiz, McWarden«, entgegnete die Detektivin und lehnte sich zurück. »Ich bin eine alte Frau. Schon rein körperlich wäre ich gar nicht in der Lage, mich mit Gangstern anzulegen.«
»Ich kenne Gangster, die da ganz anderer Meinung sind«, widersprach der Superintendent. »Wie gesagt, Teilerfolge bedeuten gar nichts, mörderisch wird es, wenn man die Zentralen solcher Banden angreift. Dann helfen auch keine Tricks mehr. Das gilt auch für Sie, Mr. Parker.« * »Ich habe eine gute Nachricht für Sie, Mr. Parker«, sagte die Stimme des Chinesen Hua Li am Telefon. »Ich hoffe, Ihnen damit einen Dienst erweisen zu können.« »Mit Sicherheit, Mr. Hua Li«, gab Parker zurück. »Sie sollten diese Nachricht aber wirklich nur weitergeben, wenn sie sicher sein können, daß Ihnen dadurch keine Unannehmlichkeiten erwachsen werden.« »Nein, nein, bestimmt nicht, Mr. Parker. Es handelt sich um den Weisen.« »Das ist natürlich ein Stichwort, das meine bescheidene Person geradezu elektrisiert.« »Ich bin zu ihm eingeladen worden, Mr. Parker. Ich soll, wie ich von seinem Sekretär gehört habe, in Zukunft als Verteiler eingesetzt werden.« »Ein interessanter Aspekt, Mr. Hua Li.« »Ich bin für heute nachmittag zu ihm bestellt worden. Mein Landsmann Hi Tsiang wird mich zu ihm bringen.« »Haben Sie vielleicht eine ungefähre Vorstellung, wo dieses Gespräch stattfinden soll?« »Nur in etwa, Mr. Parker. Wir wollen uns vor der Firma Ritchell treffen. Ich weiß nicht, ob Sie dieses Unternehmen
kennen. Es befindet sich in der Berwick Street, hier in Soho.« »Ich möchte nicht verhehlen, Mr. Hua Li, daß ich ein wenig in Begeisterung gerate.« »Ich werde natürlich hingehen müssen, Mr. Parker, das werden Sie verstehen.« »Dazu möchte ich Ihnen auch dringend raten, Mr. Hua Li. Eine Absage wäre tödlich für Sie.« »Könnte ich vielleicht mit Ihrer Hüfe rechnen, Sir?« »Dies wird sich einrichten lassen, Mr. Hua Li. Mylady und meine bescheidene Wenigkeit werden zur Stelle sein.« »Das beruhigt mich sehr, Mr. Parker.« Erleichterung klang in der Stimme des chinesischen Restaurantbesitzers auf. »Da wäre noch etwas.« »Mein Interesse wächst von Sekunde zu Sekunde.« »Stimmt es, daß Sie einige Männer von Hi Tsiang bei sich einlogiert haben?« »Nun ja, ich möchte es nicht unbedingt abstreiten«, räumte der Butler freimütig ein. »Mylady haben diese Herren einem recht intensiven Verhör unterzogen und einiges über ein gewisses Labyrinth in Erfahrung bringen können. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.« »Wunderbar, Mr. Parker.« Hua Li freute sich und lachte leise. »Ich bin sicher, daß Sie auch noch den Weisen ausschalten können. Dann hätte ich endlich meine Ruhe.« »Sie können sich fest auf Mylady und meine bescheidene Wenigkeit verlassen, Mr. Hua Li. Bliebe noch zu klären, wann Sie sich am Nachmittag mit Ihrem Landsmann treffen wollen.«
»Gegen 17.00 Uhr, Mr. Parker. Vor der Firma Ritchell. Mehr weiß ich leider nicht. Glauben Sie, daß der Weise in dieser Firma sein wird?« »Mylady und meine bescheidene Person werden das feststellen«, versicherte Parker. Er wechselte noch einige Höflichkeiten mit Hua Li, legte auf und wandte sich zu Agatha Simpson um, die über den Adapter und Lautsprecher das Gespräch mitangehört hatte. »Das ist die Falle, von der ich gesprochen habe«, sagte sie animiert und nickte Parker zu. »Man will uns auslöschen.« »Erstaunlich, daß Mr. Hua die Firma Ritchell erwähnte«, gab der Butler nachdenklich zurück. »Das ist doch verständlich.« Agatha Simpson hatte eine Erklärung zur Hand. »Dieser Weise vermutet wahrscheinlich, daß einer seiner Leute hier im Haus geredet hat. Um unser Mißtrauen einzuschläfern, ließ er diesen Hua das Stichwort Ritchell nennen. Das soll unsere Wachsamkeit einschläfern.« »Dieser Auffassung neige auch ich zu«, sagte Parker. »Die engere Umgebung der Firma Ritchell wird wahrscheinlich mit einem Massenaufgebot abgesichert werden.« »Wahrscheinlich wird man sogar versuchen, uns schon weit vor dieser Firma zu stellen und abzufangen. Wir werden also in Maske erscheinen, Mr. Parker.« »Dem ist nicht zu widersprechen, Mylady.« »Natürlich nicht. Lassen Sie sich etwas Passendes einfallen, Mr. Parker! Als Leutnant der Heilsarmee möchte ich nicht mehr auftreten, diese Maskerade paßt nicht zu mir, sie beengt mich.«
»Mylady werden zufrieden sein«, versprach Parker. * »Was habe ich gesagt? Da rauschen sie bereits heran!« Paul Dorset grinste triumphierend und deutete auf Parkers hochbeiniges Monstrum, das langsam durch die Berwick Street fuhr. »Damit hätte ich nicht gerechnet.« Hi Tsiang war ehrlich verblüfft. Nach dem Telefongespräch, das Hua Li unter Druck mit Parker geführt hatte, war knapp eine Stunde verstrichen. »Ich kenne doch diese Laien«, redete Paul Dorset weiter. »Parker hätte niemals bis 17.00 Uhr gewartet, dazu ist der Mann viel zu ungeduldig und zu eitel.« »Daß die sich so einfach hier blicken lassen!« Hi Tsiang glaubte nicht, was seine Augen sahen. »Überheblichkeit«, interpretierte Paul Dorset. »Und jetzt werden wir uns diese Anfänger mal in aller Ruhe vorknöpfen. Hi, schicken Sie die Hauswache los!« Paul Dorset befand sich hinter einem Bürofenster der Firma Ritchell, die in einem massiven Altbau untergebracht war. Durch eine schmale Toreinfahrt erreichte man einen engen, langen Hinterhof, der zu beiden Seiten von Anbauten umgeben war. Als der Chinese ging, nahm Paul Dorset sein Funksprechgerät hoch, schaltete die Sonderfrequenz ein und rief den Weisen, der sich unmittelbar darauf meldete. Seine Stimme klang wieder gequetscht und undeutlich.
»Wie ich es vermutet habe«, berichtete Dorset seinem Chef. »Die verrückte Lady und ihr Butler sind im Anmarsch.« »Sofort hochnehmen.« »Ist bereits eingeleitet, Chef. In zehn Minuten sind sie im Haus.« »Könnte das eine Falle sein?« »Kaum, Sir. Selbst wenn Polizei anschließend auftauchen sollte, sind sie bereits wie vom Erdboden verschwunden. Wollen Sie das komische Paar sehen?« »Natürlich, Dorset. Ich bin neugierig geworden.« »Dann bringen Hi und ich sie zu Ihnen.« Paul Dorset schaltete das Funksprechgerät aus und griff nach einem Fernglas. Er beobachtete Parkers Wagen, der verblüffend an ein reguläres Taxi erinnerte. Ganz deutlich erkannte er Parker am Steuer. Er trug seinen gewohnten schwarzen Zweireiher und hatte die schwarze Melone auf dem Kopf. Im Fond des Wagens war Lady Simpson auszumachen. Sie trug das schon sattsam bekannte Tweedkostüm und einen Hut, der auch als Südwester durchgegangen wäre. Auf ihrem Schoß, das sah Dorset ebenfalls ganz genau, lag der perlenbestickte Pompadour. Der hochbeinige Wagen passierte sehr langsam das Gebäude der Firma Ritchell, um dann prompt in Schwierigkeiten zu geraten. Aus einem anderen Torweg schoß ein zweirädriger Karren, der mit Obst und Gemüse beladen war. Er wollte hinüber zu einem Gemüsestand, der vor einer Backsteinmauer neben der Firma Ritchell aufgebaut worden war.
Es kam, wie es geplant worden war. Butler Parker war nicht mehr in der Lage, den drohenden Zusammenstoß zu vermeiden. Mit dem Kotflügel rammte er den Gemüsekarren, der prompt umstürzte. Die beiden Chinesen, die das Gefährt geschoben hatten, erhoben großes Geschrei und rannten zu dem hochbeinigen Wagen. Die beiden chinesischen Verkäufer hinter dem Gemüsestand griffen ebenfalls ein und überschütteten die Insassen des Wagens mit chinesischen Schimpfworten. Parker und Lady Simpson stiegen aus, das heißt, sie wurden fast aus dem Wagen herausgezerrt. Drohend erhobene Fäuste und erstes Obst, das durch die Luft flog, scheuchte die beiden Amateurdetektive geschickt in Richtung Gemüsestand. Dorset grinste. Dieses Bild war ganz nach seinem Geschmack. Nach einer Serie von Pannen und Demütigungen ging es der Lady und Parker endlich mal an den Kragen! Agatha Simpson hatte inzwischen den Gemüsestand erreicht und setzte sich zur Wehr. Sie griff wahllos ins Gemüse und warf die Früchte der Gärten und Felder auf die eindringenden Chinesen. Sie entwickelte allerdings nicht sonderlich viel Kraft und Treffsicherheit, doch das fiel Dorset noch nicht auf. Butler Parker hatte seinen Regenschirm aufgespannt und wehrte damit rohe Eier ab, die ihm galten. Das Tohuwabohu war perfekt. Obst und Gemüse wechselten hin und her. Eier klatschten gegen Parkers Schirm, zerbrachen und tropften zu Boden. Die Gemüsehändler aber rückten immer näher und trieben Lady Simpson und ihren Butler ge-
schickt auf den Torweg der Firma Ritchell. Doch noch steckte das Duo nicht auf. Die ältere Dame hatte einige Treffer gelandet, wurde dann jedoch von einem Kohlkopf erwischt, der ihr Gesicht traf. Daraufhin ergriff sie die Flucht und rettete sich durch den Torweg. Parkers schwarzer Zweireiher war bekleckert, seine Melone färbte sich eigelb. Sein Schirm zeigte bereits verrückte Eigelbmuster. Er bekam die Flucht der Lady Simpson mit, kippte den Gemüsestand um und folgte ihr. »Das war's dann«, murmelte Dorset zufrieden. »Auf die Dauer hat nur der Profi eine Chance!« * »Haben'se noch alle Tassen im Schrank?« fragte Butler Parker in einer Mischung aus Angst, Frechheit und Zorn. »Was wollen Sie eigentlich? Nehmen Sie das verdammte Ding da weg, sowas kann doch losgehen!« Paul Dorset war verblüfft. Parker redete in einer Tonart, die nicht zu ihm paßte. Er gab sich ordinär und aggressiv-ängstlich. »Wer. .. Wer sind Sie?« fragte Dorset und schielte zu Mylady hinüber, die schluchzte und völlig außer Fassung war. »Ich bin Frank Burns«, erwiderte Butler Parker wütend. »Und da drüben, das is' mein Kollege Rose Fletcher.« »Lassen Sie uns endlich gehen«, bat besagte Rose Fletcher mit einer erstaunlich schrill-hellen Stimme, die mit dem baritonalen Organ der Lady Agatha kaum etwas gemein hatte.
Butler Parker und Lady Simpson befanden sich in einem Raum der Firma Ritchell, dessen Fenster vergittert waren. Die Eisentür zu diesem Lagerraum war geschlossen. Es gab da einen Lastenaufzug, dessen Ladebühne sich laut Sichtanzeige im Keller befand. Hi Tsiang ging aufmerksam prüfend um Agatha Simpson herum und riß ihr plötzlich den Pompadour aus der Hand, was sie sich ohne weiteres gefallen ließ. Der stämmige Chinese suchte nach einem ganz bestimmten Inhalt, konnte aber außer zusammengeknülltem Papier nichts entdecken. Paul Dorset musterte hingegen Butler Parker noch mal sehr intensiv. Er interessierte sich für die Augenfarbe, die sich als braunschwarz erwies. Bevor Dorset weitere Fragen stellen konnte, war ein feines Glockensignal zu vernehmen. Es dauerte nur knapp eine Minute, bis der Lastenaufzug die Ebene dieses Raumes erreicht hatte. Die Tür öffnete sich, und ein schlanker, elegant gekleideter Mann erschien. Er war Eurasier, dessen Vorfahren je zur Hälfte wohl aus China und Europa stammten. Seine Augen waren nur leicht geschlitzt. Er lächelte die beiden Gefangenen mokant an. »Das sind sie, Chef«, sagte Paul Dorset fast unterwürfig. »Oder auch nicht«, warf Hi Tsiang ein. »Was soll das heißen?« fragte der Elegante scharf. Er lächelte schon nicht mehr mokant. »Ich bin Frank Burns«, sagte Butler Parker. »Schauspieler, zur Zeit ohne Engagement.« »Und ich heiße Rose Fletcher«, stellte Lady Simpson sich vor. »Ich bin auch
Schauspielerin, wenn Sie's genau wissen wollen.« »Durchsuchen«, kommandierte der Elegante. Hi Tsiang hielt das Duo mit seinem Revolver in Schach, während Paul Dorset sich zuerst mit Parkers Taschen befaßte. Er förderte einige Papiere zutage, die er an den Eleganten weiterreichte. »Ihr Idioten«, sagte der Elegante nach kurzer Prüfung und meinte eindeutig Dorset und Hi Tsiang. »Ihr seid auf einen Trick 'reingefallen.« »Uns hat keiner gesagt, wie gefährlich das hier is', Sir«, sagte der Mann, der einem Butler ungemein ähnlich war. »Wer hat Sie engagiert?« Der Elegante wandte sich um und winkte den beiden Männern zu, die sich im Hintergrund des Lastenaufzugs bereithielten. Sie ließen daraufhin ihre Maschinenpistolen sinken und entspannten sich. »Wir sind von einem Mr. Parker engagiert worden«, erklärte Rose Fletcher eifrig und schrill. »Wir mußten eine ganz bestimmte Maske anlegen.« »Wie hat man Ihnen das erklärt?« fragte der Elegante weiter. »Das hier sollte ein Witz sein«, sagte der Mann, der dem Butler glich. »Dieser Mr. Parker, den ich hier nachmach', der sagte, es ging' um 'ne Wette.« »Um eine Wette?« »Wegen Ihrer Sicherheitsmaßnahmen hier im Haus. Wir sollten bloß ablenken, und er will inzwischen irgendwie sich ins Haus stehlen. Die Wette hat er doch mit Ihnen abgeschlossen, oder etwa nicht?« Der Elegante winkte seinen beiden Leibwächtern, die nickten und dann nach unten entschwebten.
»Doch, ich kenne diese Wette«, sagte der Elegante und lächelte ein wenig mühsam. »Ihre Maske ist ausgezeichnet, wirklich. Mr. Dorset, bringen Sie die Leute wieder nach draußen!« »Und was is' mit unseren Sachen?« fragte der Mann, der wie Parker aussah. »Total verdreckt das alles.« »Mr. Dorset wird Ihnen eine kleine Entschädigung zahlen.« »Hört sich schon besser an. Schön, dann werde ich Ihnen noch was sagen, Chef, hab' ich nämlich aufgeschnappt. Dieser Butler, der uns engagiert hat, tuschelte was von 'nem Labyrinth. Was er damit gemeint hat, weiß ich natürlich nich'.« »Labyrinth?« »Dadurch will er sich hier ins Haus schleichen.« Der Elegante nickte und ging zum Telefonapparat, der neben dem Lastenaufzug an der Wand befestigt war. Er wählte eine Nummer und sprach dann etwas chinesisch. Seine Stimme klang hastig und warnend. Er hörte zu, was die Gegenseite sagte und antwortete dann etwas ausführlicher. Er schien genauere Anweisungen zu erteilen. Als er auflegte und sich wieder seinen unfreiwilligen Gästen zuwenden wollte, blieb er betroffen stehen. Hi Tsiang und Paul Dorset hatten ihre Hände hoch zur Decke gestreckt. Und der Elegante blickte in die Mündung des Revolvers, den der stämmige Chinese eben noch besessen hatte. »Herzlichen Dank für die freundliche Mitarbeit«, sagte der Mann, der wie Butler Parker aussah. »Unüberlegte Handlungen lohnen sich kaum, wie ich betonen möchte.«
»Ich würde sonst wahrscheinlich ziemlich ärgerlich werden«, sagte die Frau, die wie Lady Agatha Simpson aussah. »Was ... Was soll das bedeuten?« fragte der Elegante, plötzlich heiser geworden. »Natürlich ist dies Lady Simpson«, stellte der Butler formvollendet vor. »Und was mich anbetrifft, so bin ich in der Tat Josuah Parker. Eine kleine Kriegslist, dieses Verwirrspiel!« Der Elegante verfärbte sich. »Ihre Anweisungen in Kanton-Chinesisch wurden übrigens per Miniatursender nach draußen weitergeleitet«, redete der Butler höflich weiter. »Lady Simpsons Gesellschafterin hat sie dort auf Tonband aufgenommen. Ich möchte davon ausgehen, daß Sie die Räumung eines größeren Lagers anordneten und gleichzeitig ein neues Versteck befahlen. Nun, ein geschulter Dolmetscher wird mit Sicherheit eine vollendete Übersetzung liefern können.« Der Elegante verlor verständlicherweise die Nerven, doch er erreichte damit überhaupt nichts. Parker schickte seine schwarze Melone auf die Reise, die den Weisen zu Boden streckte.« * »In einer Seitenstraße des Yards fanden wir einen Kleintransporter«, berichtete Superintendent McWarden. »Und raten Sie mal, was in ihm war?« »Keine Ahnung«, antwortete Agatha Simpson. »Sie sehen mich in gespannter Erwartung«, behauptete Butler Parker. Er hatte McWarden eingelassen. Der Superintendent war wieder mal rein zu-
fällig vorbeigekommen und nun Gast im Haus der älteren Dame. »Der Kleintransporter war gefüllt mit Ganoven und Gangstern«, sagte McWarden. »Und alle bewaffnet bis an die Zähne.« »Was Sie nicht sagen!« Die Detektivin staunte. »Es kam zu keinem Schußwechsel?« wunderte der Butler sich. »Nein, die Kerle waren betäubt.« Der Superintendent lächelte. »Doch es kommt noch besser.« »Das ist unmöglich«, sagte die resolute Dame. »Meine Dienststelle erhielt einen anonymen Anruf«, redete McWarden weiter. »Den Sie natürlich ignorierten, Sir?« wollte Parker wissen. »Nee, wir gingen der Sache nach und konnten das Hauptquartier und das Drogenlager einer Rauschgiftbande ausheben.« »Sie sind zu beglückwünschen, Sir.« »Würde ich auch meinen, Mr. Parker. Es gelang uns, den Chef dieser Bande festzunehmen. Der Mann wurde in einschlägigen Kreisen der > Weise < genannt.« »Irgendwann werden Sie mal befördert, McWarden«, warf die ältere Dame ein. »Zusammen mit dem Weisen erwischten wir zwei Gangster namens Dorset und Hi Tsiang. Ja, richtig, und wir fanden ein Tonband, das wir von einem Dolmetscher erst übersetzen lassen mußten. Auf dem Tonband war Chinesisch zu hören. Der Weise, von dem ich gerade sprach, ist damit nahtlos überführt. Auf diese Art und Weise
konnten wir erst das Vorratslager finden und ausheben.« »Ein schöner Tag für sie, Sir, wie ich vermuten darf.« »Wem habe ich das alles wohl zu verdanken?« fragte McWarden. »Auch das werden Sie bestimmt noch herausfinden, Sir«, antwortete der Butler. »Vielleicht weiß ich es schon.« »Nämlich, McWarden?« »Die Drogengangster, auch dieser Weise, sie alle reden ununterbrochen von einer Lady Simpson und einem Mr. Parker. Komisch, nicht wahr? « »Eine Sinnesverwirrung, Sir?« »Oder ein raffiniertes Ablenkungsmanöver«, behauptete die Detektivin. »Gangstern darf man nicht so ohne weiteres glauben, McWarden.« »Sie haben mit dieser ganzen Geschichte natürlich nichts zu tun, oder?« »Wo denken Sie hin, McWarden?« Lady Agatha hob abwehrend die Hände. »Sie werden wahrscheinlich noch mit vielen Behauptungen konfrontiert werden«, deutete der Butler würdevoll an. »An Ihrer Stelle, Sir, würde ich sie überhören.« »Werde ich auch«, antwortete McWarden lächelnd. »Übrigens, Mr. Parker, Sie haben vergessen, Ihre dunklen Augenhaftschalen zu entfernen. So etwas dürfte Ihnen eigentlich nicht passieren.« Der Superintendent verbeugte sich und verließ den Salon. * »Mylady haben geläutet?« fragte Parker und betrat das Studio seiner Herrin.
»Klingt nicht schlecht.« Sie befeuchtete sich die Lippen. »Wir fahren in einer halben Stunde, Mr. Parker.« »Sehr wohl, Mylady.« »Vielleicht finden wir wieder ein interessantes Lokal«, meinte sie hoffnungsfroh. »Gegen etwas Abwechslung hätte ich nichts einzuwenden.« »Mylady werden mit letzter Sicherheit die gesuchte Ablenkung finden«, behauptete der Butler. Und er glaubte das, was er sagte!
Sie nickte, musterte die Schreibmaschine mit gereiztem Blick und stand auf. »Ich habe wieder einen perversen Hunger«, sagte sie. »Was schlagen Sie vor, Mr. Parker?« »Chinesische Köstlichkeiten, Mylady?« »Etwa Frühlingsrollen, wie?« Sie schüttelte den Kopf. »Lassen Sie sich etwas anderes einfallen!« »Bevorzugen Mylady vielleicht die italienische Küche?«
ENDE
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Günter Dönges schrieb wieder einen neuen
Nr. 170
Parker stürmt die Bohrturm-Insel Es begann damit, daß Lady Agatha wieder mal spielen mußte. Bevor Parker es verhindern konnte, entschwebte sie mit einem Helikopter und sorgte für Panik auf der ganzen Linie. Daß sie dann noch zusätzlich auf einer Bohrturminsel landete, auf der Gangster und Geiselnehmer sich eingerichtet hatten, war die totale Verwirrung perfekt. Butler Parker ging im doppelten Sinn des Wortes in die Luft und hatte alle Hände voll zu tun, die Dinge wieder auf Normalnull zu bringen. Eine Lady Agatha war schließlich gefährlicher als ein Bündel Dynamitpatronen und kaum zu entschärfen. Dies erfuhren die Gangster am eigenen Leib, die dann froh waren, in ihren Zelten ihre Ruhe wiederzufinden. Günter Dönges legt einen neuen Krimi mit Butler Parker und Lady Agatha Simpson vor, bei dem kein Auge trocken bleibt. Hochspannung und Humor ergänzen sich wieder mal bestens und sorgen für amüsante Unterhaltung.
In der Neuauflage erscheint ©Butler Parker Nr. 138
Blei und Schrot für Lady Simpson ebenfalls von Günter Dönges.