PARKER stoppt den Amokläufer Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges
Agatha Simpson...
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PARKER stoppt den Amokläufer Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges
Agatha Simpson sah auf den ersten Blick, daß der Fahrer offensichtlich volltrunken war. Der kleine Sportwagen raste in wilden Schlangenlinien über die schmale Straße und rasierte mehrfach die hohen Hecken, die die Fahrbahn in Richtung Torquay säumten. Das alles schien dem Mann am Steuer überhaupt nichts auszumachen. Er jagte mit seinem Sportwagen von einer Seite auf die andere und ignorierte den Gegenverkehr in beinahe selbstmörderischer Weise. Neben dem Fahrer saß ein zweiter Mann, der sich ängstlich zusammenduckte und verzweifelt festhielt. Er brüllte dem Fahrer gerade etwas zu, als es passierte. Lady Agatha sträubten sich die Nackenhaare, als die beiden Tramper aus dem kleinen Seitenweg kamen. Sie ahnte, was passieren mußte. Agatha Simpson winkte den beiden Trampern verzweifelt zu und wollte sie warnen. Sie merkten nichts, reagierten zu spät und dazu noch falsch, ließen sich von Lady Simpson ablenken und winkten lachend zurück. Bruchteile von Sekunden später war alles Vorbei. Die beiden Tramper in Jeans und Pullovern sahen den Wagen, wollten noch zurückspringen, schafften es aber nicht mehr. Die Lady schloß die Augen und hörte ein häßliches Geräusch: das Kreischen der Bremsen, das Radieren der blockierten Pneus und dann einen verzweifelten, erstickten Aufschrei. Als Agatha Simpson wieder die Augen öffnete, raste der Sportwagen gerade an ihr vorüber. Sie konnte das Gesicht des Fahrers deutlich erkennen. So deutlich wie bei einer Großaufnahme. Es war ein weiches, schlaffes Gesicht mit halb geschlossenen Augen und einem schmalen, arrogant wirkenden Oberlippenbärtchen. Der Fahrer kurvte auf die Lady zu, die sich mit einem wilden Satz in Sicherheit brachte. 1
Sie landete tief in einer weichen, nachgiebigen Hecke und brauchte einige Zeit, bis sie sich wieder zur Straße zurückgearbeitet hatte, Ihr erster Blick galt den beiden Trampern. Sie lagen in seltsam verkrümmter Haltung auf dem Asphalt und rührten sich nicht mehr. Agatha Simpson wußte sofort, was das zu bedeuten hatte. Dennoch lief sie quer über die Fahrbahn auf die beiden Menschen zu. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit, daß die alte Dame ungewöhnlich gut zu Fuß war. Bevor sie die beiden Tramper erreicht hatte, erschienen zwei Passanten an der Unglücksstelle. Sie kamen aus dem schmalen Seitenweg, den die beiden Tramper verlassen hatten. Es handelte sich vermutlich um ein Ehepaar, das etwa 60 Jahre alt war. Die Frau wurde ohnmächtig, als sie die Verunglückten sah. Der Mann konnte sie gerade noch auffangen und legte sie behutsam nieder. Inzwischen hatte Agatha Simpson die Stelle erreicht. Auch ihr wurde flau im Magen. Die beiden Tramper waren gnadenlos zusammengefahren worden und mußten gleich tot gewesen sein. Es waren noch junge Menschen, vielleicht knapp 20 Jahre alt. Agatha Simpson brauchte all ihre Kraft, um nicht ihre Selbstbeherrschung su verlieren. *** „Konnte man inzwischen den Fahrer des Wagens ermitteln, Mylady?“ erkundigte sich Butler Parker, nachdem die Detektivin ihre Geschichte beendet hatte. Parker servierte den nachmittäglichen Tee auf der Terrasse von Lady Simpsons Haus, das oberhalb von Torquay an den Hängen eines sanften Hügels lag. Man mußte schon genau hinsehen, um nicht der Illusion zu erliegen, an der französischen Mittelmeerküste zu sein. Palmen und subtropische Pflanzen aller Art deuteten nämlich unverwechselbar darauf hin. Dennoch war die Gegend die Südküste Englands, in der Nähe von Plymouth. Und nicht umsonst erfreute sich diese Stadt der Bezeichnung „Perle der englischen Riviera“. Die ständig arbeitende Zentralheizung des Golfstroms schuf alle Voraussetzungen für persönliches Wohlbefinden. Agatha Simpson besaß dieses Haus an der Küste seit vielen Jahren und war zusammen mit ihrem Butler und ihrer Gesellschafterin hierher gekommen, um sich von einigen aufregenden Abenteuern in Frankreich zu erholen. Mylady betätigte sich nämlich gewollt- ungewollt als sehr begabte Amateurdetektivin und wich grundsätzlich keinem Ärger aus. Dabei zeigte die Engländerin einen Mut, der in Parkers Augen schon an bodenlosen Leichtsinn grenzte. 2
„Dieses Subjekt entzog sich seiner Verantwortung durch Fahrerflucht“, beantwortete Mylady die Frage ihres Butlers, „und wagen Sie es nicht, Mister Parker, mich jetzt nach dem Kennzeichen des Wagens zu fragen.“ „Wie Mylady befehlen“, gab Parker gemessen zurück. „In der ganzen Aufregung habe ich auf das Kennzeichen überhaupt nicht geachtet.“ „Zumal Sie sich ja in der Hecke befanden, Mylady“, erinnerte ihre Gesellschafterin. Kathy Porter, Myladys Gesprächspartnerin, war etwa 25 Jahre alt und sah mit ihren kupferroten Haaren sehr attraktiv aus. Dennoch wirkte, sie stets wie ein scheues, verwundbares Reh. Sie lebte schließlich in ständiger Sorge um ihre Chefin, deren spontane Entschlüsse sie viel Nerven kosteten. „Dafür weiß ich aber sehr genau, wie dieses Subjekt am Steuer aussieht“, redete Agatha Simpson grimmig weiter. „Dieses Gesicht werde ich wohl nie vergessen.“ „Gibt es weitere Augenzeugen, Mylady?“ Parker stand höflich und würdevoll neben dem Tisch. „Ein älteres Ehepaar“, erwiderte die Besitzerin des Hauses. „Als die Polizei am Tatort erschien, war es noch immer nicht vernehmungsfähig.“ Lady Simpson schob die Teetasse zurück und stand auf. Sie marschierte auf ihren stämmigen Beinen hinüber zur Brüstung der Terrasse und sah auf die See hinaus. Parker ahnte, was kommen mußte. Kathy Porter sah den Butler an und hob hilflos-ergeben die Schultern. „Mister Parker!“ Agatha Simpson hatte ihren Entschluß also gefaßt. „Mister Parker! Ich bestehe darauf, daß dieser Mörder zur Rechenschaft gezogen wird.“ „Auf die vorzügliche Arbeit der englischen Polizei können Mylady sich voll und ganz verlassen“, warf Parker ein. „Papperlapapp“, Agatha Simpson war empört. „Diese Mühlen der Gerechtigkeit mahlen mir etwas zu langsam. Wir werden uns um den Fall kümmern.“ „Wie Mylady meinen.“ „Sie sind mit meinem Vorschlag nicht einverstanden?“ „Nicht unbedingt, Mylady, wenn ich es so freimütig ausdrücken darf. Mylady sollten sich vielleicht etwas schonen.“ „Halten Sie mich etwa für eine alte Frau?“ Die Detektivin drehte sich entrüstet zu Parker um und maß ihn mit flammenden Blicken. „Mit Ihnen, Mister Parker nehme ich es noch jederzeit auf!“ „In der Tat, Mylady!“ „Also, dann an die Arbeit“, entschied Agatha Simpson kriegerisch. „Dieses Subjekt muß doch zu finden sein.“ *** Die Sechzigjährige war schon eine sehr bemerkenswerte Dame. 3
Rein figürlich erinnerte sie an eine Heroin längst vergangener Theaterzeiten. Sie stand auf kräftigen Beinen voll im Leben. Und ihre großen Füße steckten in handgemachten Schuhen, deren derbe Qualität an die von einfachen Schnürschuhen erinnerte. Agatha trug mit Leidenschaft Kostüme der Haute Couture, die an ihrer majestätischen Figur allerdings immer etwas zu faltenreich herunterhingen. Lady Simpson konnte sich diese Extravaganzen durchaus leisten. Seit dem Tode ihres Mannes vor vielen Jahren war sie eine vermögende Frau, die mit dem Geldadel Englands verschwistert und verschwägert war. Als Schwester des inzwischen ebenfalls verblichenen Earl of Budness verfügte sie über umfangreiche Beteiligungen an. Brauereiunternehmen, Reedereien und Fabriken. Die Erlöse daraus speisten einen von ihr gegründeten Fonds, aus dem begabte, junge Menschen für die Zeit ihrer Ausbildung finanziert wurden. Finanziell völlig unabhängig, war die Lady eine Globetrotterin, die von ihren Verwandten und Bekannten gefürchtet wurde. Sie galt als das „Schwarze Schaf“ in der Familie und freute sich über diese Auszeichnung. Es gab kein Fettnäpfchen, das sie übersehen hätte und in das sie mit Wonne nicht hineingetreten wäre. Sie konnte ganz Dame sein, aber sie vermochte sich auch in Sekundenschnelle in eine derbe Marktfrau zu verwandeln. Ihr Wortschatz war dann dementsprechend. Sie pfiff auf alle Konventionen und genoß ihr Alter von rund 60 Jahren. Genaues darüber war von ihr nicht zu erfahren. Was diesen von Mylady beobachteten Fall von Fahrerflucht nun anbetraf, so hielt Josuah Parker seinen Einsatz für sinnlos. Der Polizei standen wesentlich bessere Mittel zur Verfügung, den offensichtlich angetrunkenen Mann ausfindig zu machen. Er konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, wie gründlich er sich täuschte. „Sind Mylady schon von der Polizei verhört worden?“ erkundigte sich Parker, nachdem Agatha Simpson sich für diesen neuen Fall starkgemacht hatte. „Nur vage“, gab sie zurück, „man traute mir nach diesem Doppelmord wohl nicht soviel Nervenkraft zu. Der zuständige Inspektor will noch im Lauf des Nachmittags hier vorbeikommen.“ „Falls der Fahrer sich inzwischen nicht schon gemeldet hat“, warf Kathy Porter ein. „Ausgeschlossen, Kindchen“, sagte die Lady. „Dieses Subjekt wird sich nie melden. Ich sehe das Gesicht noch genau vor mir. Ich besitze einige Menschenkenntnis. Dieser junge Laffe ...“ „Sie bezeichnen den Fahrer als einen jungen Laffen, Mylady?“ Parker war hellhörig geworden. „Und damit untertreibe ich nur noch“, redete Agatha weiter. „Ich kenne diese Art von Gesichtern. Arrogant, aufgeblasen. Normalerweise würde ich den Besitzer eines solchen Gesichtes einen dummen Flegel nennen.“
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Parker hatte nur noch halb hingehört, denn auf dem kiesbestreuten Weg quer durch den Park kam ein junger, elastisch aussehender Mann, etwa 30 Jahre alt. Er trug eine dunkelgraue Kombination, die von der Stange stammte. „Die Polizei scheint Mylady einen Besuch machen zu wollen“, stellte Parker fest. „Was auch Zeit wird“, gab Agatha Simpson gereizt zurück. „Die Herren von der Polizei scheinen es nicht gerade eilig zu haben. Führen Sie den Mann hierher auf die Terrasse, Mister Parker!“ Parker ging dem Besucher entgegen und meldete Mylady kurz darauf einen gewissen Detektiv-Sergeant Fielding. „Setzen Sie sich, junger Mann“, herrschte die Dame des Hauses den Sergeant an, der einen etwas unsicheren Eindruck machte. „Haben Sie diesen Mörder inzwischen festgenommen? „ „Mörder, Mylady?“ Der Sergeant war irritiert. „Wer zwei Menschen niederfährt, sich im Vollrausch befindet und dann auch noch Fahrerflucht begeht, der ist in meinen Augen ein Mörder“, stellte Agatha Simpson grimmig fest. „Sie wollen mir doch hoffentlich nicht widersprechen, oder?“ „Natürlich nicht, Mylady. Äh, Sie haben den Fahrer erkannt? Sie würden ihn wiedererkennen?“ „Dieses Gesicht vergißt man nicht! Ich würde ihn unter Tausenden erkennen.“ „Auch den Beifahrer, Mylady?“ Er sah Agatha Simpson in gespannter Erwartung an. „Diesen Mann nicht. Ich sah nur das Gesicht des Fahrers. Sie haben ihn bereits festnehmen können?“ „Der Wagen ist wie vom Erdboden verschwunden“, erklärte der DetektivSergeant achselzuckend. „Es handelte sich um einen...“ .....Triumph“, fiel Kathy Porter Mylady in die Rede. „Neuestes Modell.“ Lady Simpsons Gesellschafterin wußte aus Erfahrung, daß ihre Herrin sich in Wagentypen nicht auskannte. „Sagte ich doch“, behauptete die Lady und sah Kathy Porter strafend an. „Unterbrechen Sie mich nicht immer, Kindchen, das macht mich ganz nervös!“ „Und wer waren die Opfer?“ schaltete Josuah Parker sich in das Gespräch ein. „Zwei junge Londoner. Ein Mann und eine Frau. Beide knapp 20 Jahre alt“, antwortete Fielding hastig. „Sie kamen von einem Campingplatz hier in der Nähe der Küste.“ „Schrecklich!“ Agatha Simpson stand auf und marschierte wieder zur Brüstung der Terrasse. „Ich begreife einfach nicht, wieso der Wagen so plötzlich verschwinden konnte. Hat man denn nicht alle Straßen abgesperrt?“ „Natürlich, Mylady“, verteidigte sich der Sergeant. „Straßensperren überall. Vielleicht steht der Triumph inzwischen in einer Garage.“ „Hat das Ehepaar weitere Anhaltspunkte liefern können?“ wollte die Detektivin dann wissen. 5
„Die beiden alten Herrschaften sind noch nicht vernehmungsfähig“, erwiderte der Sergeant, der sich während der Unterhaltung ein paar Notizen gemacht hatte. „Vielen Dank für die Auskünfte, Mylady! Sie werden noch von uns hören.“ „War das alles?“ entrüstete sich die Gastgeberin. „Haben Sie sonst noch etwas Konkretes zu berichten?“ wollte der Sergeant wissen. „Das Kennzeichen haben Sie doch nicht registriert, oder?“ „Natürlich nicht. Und' darüber ärgere ich mich am meisten. So etwas hätte mir nicht passieren dürfen. Nun gut, junger Mann, tun Sie Ihre Pflicht!“ Sie entließ Fielding mit einem gnädigen Kopfnicken. Der Sergeant verbeugte sich und ließ sich von Parker zurück in den Garten bringen. „Lassen Sie nur, den Rest schaffe ich schon allein“, sagte er, als am Eingang zum Park ein zweiter Mann erschien. „Jetzt kommt wahrscheinlich die Presse.“ „Mylady gibt keine Interviews“, stellte Parker fest und deutete eine knappe Verbeugung an, als der Mann ihm zuwinkte und dann ging. Parker blieb höflich abwartend stehen, bis der zweite Mann ihn erreicht hatte. Er sah ihn kühl und distanziert an. „Detektiv-Inspektor Mervins“, stellte der Neuankömmling sich knapp vor. „Ich möchte Lady Simpson sprechen.“ „Sind Sie sicher, Detektiv-Inspektor zu sein?“ erkundigte sich Parker höflich. „Vollkommen“, gab der Mann zurück, der etwa 40 Jahre alt war und einen sehr zivilen Eindruck machte, „aber ich weise mich auch gern aus.“ Parker schluckte und wußte im gleichen Moment, daß man Mylady und ihn genasführt hatte. Er beeilte sich, den bereits verschwundenen Detektiv-Sergeant Fielding noch einzuholen, blieb aber schon nach wenigen Schritten stehen. Das Aufheulen eines Motors sagte ihm, daß er es niemals schaffen würde. *** „Das hätte Ihnen einfach nicht passieren dürfen, Mister Parker.“ Agatha Simpson sah den Butler mit einem strafenden Blick an. . „Sehr wohl, Mylady“, gab Parker zurück, während sein Gesicht unbewegt blieb. „Aber vielleicht werden Sie auch nur alt“, stichelte die Lady und gab sich milde. „Wie Mylady meinen“, lautete Parkers Antwort. „Nun, reden wir nicht mehr davon“, fuhr Agatha Simpson fort. „Vergessen wir, daß Sie sich von einem Journalisten haben hereinlegen lassen.“ Inspektor Mervins war nach seiner kurzen Unterhaltung mit der Hausherrin und Kathy Porter wieder gegangen. Er hatte sich ordnungsgemäß ausgewiesen und war ebenfalls der Ansicht, ein Reporter habe sich mit diesem Sergeant-Trick Zugang zu Informationen verschafft. „Hat es Ihnen die Sprache verschlagen, Mister Parker?“ erkundigte sich Lady Agatha , als Parker auf jeden Kommentar verzichtete. „Ich fürchte, daß wir es nicht mit einem Reporter zu tun gehabt haben“, erwiderte der Butler würdevoll. 6
„Würden Sie das noch mal wiederholen, Mister Parker?“ Agatha Simpson sah ihren Butler freudig, gespannt und erwartungsvoll an. „Ein Reporter hätte sich mit größter Wahrscheinlichkeit eine sehr genaue Personenbeschreibung geben lassen“, schlußfolgerte Josuah Parker. „Dies aber war, wie Mylady sich erinnern werden, keineswegs der Fall.“ „Richtig“ , bestätigte die Detektivin. „Warum ist Ihnen das nicht früher eingefallen, Mister Parker?“ „Meine innere Alarmanlage muß zeitweilig ausgefallen gewesen sein“, gab der Butler zurück. „Also, fassen wir doch noch mal zusammen, dieser Fielding ist weder DetektivSergeant noch Reporter“, sagte Lady Agatha. „Was ist er dann?“ „Dies, Mylady wird und muß die nahe Zukunft erweisen. Wenn Sie gestatten, möchte ich gern das ältere Ehepaar aufsuchen.“ „Sie glauben, dieses Subjekt Fielding sei auch dort aufgetaucht?“ „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady.“ „Angenommen, es ist so: Was steckt dahinter? Ich weiß, daß Sie sich bereits eine Theorie gebildet haben, Mister Parker.“ „Zur Zeit horche ich noch in mein Inneres“, redete der Butler sich heraus. „Ich möchte Mylady aber warnen und bitten, das Haus vorerst nicht zu verlassen.“ *** Josuah Parker saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und befand sich auf dem Weg, dem älteren Ehepaar einen Besuch abzustatten. Bei diesem hochbeinigen Monstrum handelte es sich um ein ehemaliges Londoner Taxi, das nach seinen speziellen Wünschen und Vorstellungen umgebaut worden war. Parkers Privatwagen war im Grund eine reichhaltig ausgestattete Trickkiste auf vier Rädern. Schon mancher Gangster hatte in der Vergangenheit diesen Wagen verflucht. Parker machte sich Sorgen. Natürlich hatte er sich bereits eine Theorie gebildet. Der Fahrer des Triumph, der die beiden Tramper getötet hatte, mußte über gewisse Verbindungen und über großen Einfluß verfügen. Nur solch einem Menschen war es möglich, einen Spitzel vorzuschicken, der die Lage sondierte. Wie richtig der Butler mit seiner Vermutung lag, sollte sich schon sehr bald zeigen. Hinter ihm auf der Straße rollte ein Hillman, dessen Fahrer eine große Sonnenbrille trug. Das Nummernschild war derart verdreckt und unkenntlich, daß man nur' noch von Absicht sprechen konnte. ' Parker ließ sich selbstverständlich nichts anmerken, aber er dachte nicht daran, diesen Verfolger auf die richtige Spur zu lenken. Der Butler wußte schließlich, was er seinem Wagen abverlangen konnte. Und er kannte zudem eine Reihe von Tricks, um Schatten dieser Art loszuwerden. 7
Er minderte also überraschend das Tempo seines hochbeinigen Monstrums, als ein Lastwagen vor ihm erschien. Der kleine Hillman mußte notgedrungen aufschließen und befand sich dann plötzlich in einer schwarzen Wolke. Diese Wolke bestand aus an sich harmlosem Ruß, der aus einer Düse unterhalb von Parkers Wagen ausgestoßen worden war. Der Fahrer des Hillman hatte schlagartig eine völlig geschwärzte Windschutzscheibe vor sich und mußte seinen Wagen gegen seinen Willen bis zum Stillstand abbremsen. Im Rückspiegel sah Parker, daß der Fahrer nach einer Schrecksekunde ausstieg und sich verzweifelt daran machte, die Windschutzscheibe wieder zu säubern. Parker überließ den Mann dieser unfreiwilligen Freizeitbeschäftigung and fuhr sofort wieder an. Er überholte den Laster und schuf sich einen Vorsprung, der nicht mehr einzuholen war. Zehn Minuten später stand Josuah Parker vor einem hübschen kleinen Haus, das an einer schmalen Hangstraße stand. Er verließ sein hochbeiniges Monstrum und ging durch den Vorgarten zur Haustür. Er hatte sie noch nicht ganz erreicht, als er völlig überraschend mit einem Mann konfrontiert wurde, der ihm nicht ganz unbekannt war. Es handelte sich um den angeblichen Mister Fielding, der sich als DetektivSergeant ausgegeben hatte. Dieser Mann stutzte leicht, fing sich aber und produzierte ein neutrales, vorsichtiges Lächeln. „Wie erstaunlich klein ist doch diese Welt“, sagte Josuah Parker und lüftete höflich und gemessen seine schwarze Melone. „Den Herrschaften geht's schon bedeutend besser“, sagte Fielding, um bei diesem Namen zu bleiben. „Sind Sie sicher?“ „Natürlich ... Sie wollen einen Besuch machen?“ „Mylady bestand darauf“, erwiderte Parker. „Sie sind mit Ihren Ermittlungen inzwischen weitergekommen?“ „Erfreulicherweise.“ Fielding sah betont auf seine Armbanduhr. „Tja, ich muß weiter. Bis dahin ...“ Er nickte dem Butler zu und wollte gehen. Doch Josuah Parker war dagegen. „Welche Chancen rechnet Ihr Auftraggeber sich eigentlich aus?“ erkundigte er sich höflich. Fielding hielt seine Rolle nicht durch. Er fühlte sich durchschaut und wollte sich so schnell wie möglich absetzen. Wogegen Josuah Parker etwas hatte. Er sah den Schlag der rechten Hand rechtzeitig kommen und blockte ihn mit der Rundung seiner schwarzen Melone geschickt ab. Der Zuschlagende stöhnte auf und verdrehte die Augen. Dann ging er vor Schmerzen in die Knie. Er schnappte keuchend nach Luft und hatte echte Tränen in den Augen. 8
Er hatte ja nicht wissen können, daß Parkers Melone mit solidem Stahlblech gefüttert war. Und das war seinen Fingerknöcheln nicht gut bekommen. *** „Ich darf Ihnen versichern, daß ich ausgesprochen bestürzt bin“, sagte Parker und sah auf den jungen Mann hinunter, der sich langsam aufrichtete. „Sollten Sie sich möglicherweise verletzt haben?“ Fielding, um immer noch bei diesem Namen zu bleiben, hielt sich seine rechte Hand und sah den Butler aus leicht verschleierten Augen an. „Man könnte ins Haus gehen und kühlende Umschläge erbitten“, schlug Josuah Parker vor. „Wenn Sie vielleicht vorausgehen würden?“ Parker ließ Fielding nicht aus den Augen. Er hatte längst gesehen, daß der Mann eine Schulterhalfter trug, in der ja wohl eine Schußwaffe steckte. Mit der angeprellten Hand war Fielding zur Zeit allerdings nicht in der Lage, diese Waffe zu ziehen. Fielding schien sich in sein Schicksal ergeben zu haben. Er ging auf die Haustür zu wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Doch Parker ließ sich nicht bluffen. Er wußte bereits jetzt, daß Fielding es mit einem erneuten Angriff versuchen würde. Der Mann hätte sich die Sache bestimmt überlegt, wenn er gewußt hätte, daß Parker seinen Universal-Regen-Schirm abwehrbereit in der linken Hand hielt. Die schwarz behandschuhte Hand des Butlers umspannte den unteren Schirmstock, der Bambusgriff schwebte leicht erhoben in der Luft. Sie hatten die Haustür noch nicht ganz erreicht, als der Angriff erfolgte. Diesmal benutzte Fielding die noch intakte linke Hand. Er schwang sie zu einem gewaltigen Heumacher- herum und hatte die feste Absicht, seine Faust in das Gesicht des Butlers zu setzen. Doch der Mann entwickelte wiederum Pech. Seine linke Hand wurde vom Bambusgriff des Regenschirms jäh abgebremst. Und da dieser Bambusgriff eine Bleifüllung besaß, stöhnte Fielding erneut auf, schnappte keuchend nach Luft und starrte dann entgeistert auch auf seine zweite, im Moment nicht mehr brauchbare Hand. „Vorschnell ist die Jugend manchmal mit der Tat“, zitierte Parker in leichter Abwandlung eines bekannten Sprichworts. „Nun werden zwei kühle Umschläge vonnöten sein.“ „Dafür ... Dafür sprechen wir uns noch“, sagte Fielding, nuschelnd und ein wenig stotternd vor Schmerzen. „Was wollen Sie eigentlich von mir?“ „Diese Frage werde ich Ihnen selbstverständlich noch beantworten“, versicherte Parker dem Mann. „Vorher sollten wir uns aber noch mit den alten Herrschaften unterhalten.“ Die Tür zu dem hübschen kleinen Haus öffnete sich wie auf ein Stichwort hin. 9
Ein Herr, runde 60, Typ pensionierter Indien-Offizier, starrte ängstlich und nicht verstehend auf die beiden Besucher. Der Mann trug eine Hausjacke und graue Flanellhosen. „Ich erlaube mir, einen guten Nachmittag zu wünschen“, sagte Parker gemessen. „Mein Name ist Parker. Josuah Parker. Ich habe die Ehre der Butler Lady Simpsons zu sein.“ „Lady Simpson?“ „Jene Dame, die zusammen mit Ihnen und Ihrer Frau den Verkehrsunfall beobachtete.“ „Wir ... Wir haben nichts gesehen“, sagte der alte Herr etwas zu schnell und sah Fielding scheu an. „Das habe ich schon diesem Herrn gesagt. Wir wissen absolut von nichts. Wir waren viel zu überrascht. Das haben wir auch schon an der Unglücksstelle gegenüber der Polizei geäußert.“ „Sie können sich demnach an nichts erinnern?“ vergewisserte sich Parker freundlich. Er wußte bereits genug und konnte sich vorstellen, daß Fielding für diese Aussage gesorgt hatte. „Genau! An nichts! Das ging ja alles so schnell, verstehen Sie? Wir wissen noch nicht mal, was für ein Wagen das war,“ Während der alte Herr redete, sah er wie gebannt auf Fielding. Er hatte eindeutig Angst vor seinem Besucher. „Dann wünsche ich noch einen angstfreien Nachmittag“ , sagte der Butler freundlich. „Der Dame des Hauses geht es gut?“ „Alles in bester Ordnung“, gab der Hausherr hastig zurück. „Meine Empfehlung an Ihre Lady. Wie war doch der Name?“ „Lady Agatha Simpson“, wiederholte der Butler. „Mister Fielding und meine bescheidene Wenigkeit dürfen uns empfehlen, nicht wahr?“ Als der alte Herr im Haus verschwunden war, deutete Parker mit der Spitze seines Regenschirms hinüber zur Straße und nickte seinem leicht stöhnenden Begleiter aufmunternd zu. „Was wollen Sie denn noch?“ fragte Fielding mit vor Schmerz gepreßter Stimme, als er zur Straße marschierte. „Nur eine bescheidene Auskunft“, gab der Butler gemessen zurück, „für wen ermitteln Sie in Sachen Fahrerflucht?“ „Das geht Sie doch einen Dreck an“, brauste Fielding überraschend auf. Was den Butler verständlicherweise stutzig werden ließ. Wieso bekam Fielding plötzlich Oberwasser? 'Hatte er drüben auf der Straße etwas entdeckt, das ihm, Josuah Parker, entgangen war? Parker dachte sofort an den Fahrer mit der Sonnenbrille, der ihm in einem Hillman gefolgt war. Im gleichen Augenblick meldete sich bereits seine innere Alarmanlage. Nachhaltig und warnend. *** 10
Parker überlegte nicht lange. Eben noch schräg hinter Fielding gehend, wechselte er sofort seinen Standort und verschwand hinter dem Rücken seines Begleiters. Was sich auszahlte. Von irgendwoher war plötzlich ein „Plopp“ zu hören, das an das Öffnen einer Champagnerflasche erinnerte. Doch Parker hatte längst den scharfen Luftzug einer vorbeizischenden Kugel gehört, die Bruchteile von Sekunden später in der Hauswand hinter ihm landete. Fielding nutzte seine Chance und rannte los. Doch er kam nicht sehr weit. Mitten im Start legte sich Parkers Regenschirmgriff sehr nachdrücklich um seinen Hals und stoppte ihn. Fielding gurgelte überrascht auf und zappelte wütend herum. Er wollte den Bambusgriff des Regenschirms schnappen, doch seine leicht lädierten Hände richteten nicht viel aus. Sie waren noch nicht gebrauchsfähig. „Galt der Schuß nun Ihnen oder meiner Wenigkeit?“ fragte Parker, der sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen ließ. Fielding am Hals haltend, näherte er sich einem nahen Strauch. „Lassen Sie mich los!“ keuchte Fielding verzweifelt und wütend, „loslassen, sage ich!“ „Gewiß, Mister Fielding“, erwiderte Parker höflich, „aber wir wollen doch nicht vorschnell handeln.“ Sich dicht hinter Fielding haltend, erreichte er den Strauch und sah von hier aus hinüber zur Straße. Für einen Moment tauchte dort ein Mann auf, der eine Sonnenbrille trug. Es mußte sich um den Fahrer des Hillman handeln. Gewiß, er hatte den Fahrer abgeschüttelt, aber der Sonnenbrillenträger mußte die Adresse des älteren Ehepaars wohl gekannt haben. „Ihr Partner scheint ungeduldig zu werden“, sagte Parker zu Fielding, „ich habe keine Einwände dagegen, wenn Sie sich jetzt entfernen wollen.“ Fielding spürte, daß der Bambusgriff sich von seinem Adamsapfel löste und sah sich unschlüssig nach Parker um. Doch der Butler war bereits geschickt hinter der nahen Hausecke verschwunden und damit für einen zweiten Schuß unerreichbar. Fielding lief los, überquerte den Rasen und rannte zur Straße zu. Zwischendurch sah er sich verschiedentlich um. Fürchtete er, von Parker in eine Falle bugsiert worden zu sein! Rechnete er vielleicht' mit einem Schuß des Butlers? Er erreichte die Straße. Parker hinter der schützenden Hausecke hörte das Aufheulen eines Motors, dann das Quietschen anfahrender Reifen. Fielding und sein Partner setzten sich ab. Der Butler ging ums Haus herum und sah sich einer kleinen Terrasse gegenüber. An der geöffneten Tür stand der alte Herr, vorsichtig, abwartend, nervös. Als er Parker sah, wollte er schleunigst die halb geöffnete Tür schließen. 11
Parker schob die Spitze seines Regenschirms in den Türspalt und lüftete erneut seine schwarze Melone. „Ich darf Ihnen versichern, daß ich Ihre Situation sehr gut verstehe“, sagte er dann gemessen. „Wenn ich mir einen Rat erlauben darf, Sir, so sollten Sie diesen Zwischenfall keineswegs der Polizei melden.“ „Welchen Zwischenfall?“ Der ältere Herr tat ahnungslos. „Den Besuch dieses unangenehmen Mister Fielding“, redete Parker weiter. „Seine Drohungen sollten Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen.“ Der ältere Herr sah den Butler starr an, um dann überraschend die Tür weit zu öffnen. „Kommen Sie herein“, meinte er. „Ich weiß nicht, was ich machen soll. Meine Frau stirbt fast vor Angst.“ *** „Psychischer Terror also“, stellte Lady Simpson fest, nachdem Parker seinen Bericht abgeliefert hatte. „Ich hoffe, Mister Parker, Sie wissen, was wir zu tun haben.“ „Sehr wohl, Mylady.“ „Das Ehepaar Clinton muß umgehend in Sicherheit gebracht werden“, entschied Agatha Simpson und sah ihren Butler und Kathy Porter unternehmungslustig an. „In der Tat, Mylady.“ „Ob man auch noch bei mir erscheinen wird, um mich unter Druck zu setzen?“ Agatha Simpson wanderte in dem großen Wohnraum ihres Hauses energisch auf und ab. „Ich würde mich freuen.“ „Auf einen Besuch bei Mylady wird man wohl mit Sicherheit verzichten“, mutmaßte der Butler würdevoll. „Es dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, wer Mylady sind.“ „Hoffentlich“, stellte die ältere kriegerische Dame fest. „Ich würde solch einem Subjekt nämlich die Hölle heiß machen, verstehen Sie?“ „Gewiß, Mylady“, pflichtete der Butler ihr bei, „man wird sich anderer Mittel bedienen, wenn ich darauf aufmerksam machen darf.“ ' „Nämlich?“ „Mit Schüssen aus dem Hinterhalt ist mit Sicherheit zu rechnen.“ „Sie glauben, man will mich ermorden?“ Lady Agatha blieb stehen und sah den Butler forschend an. „Ich fürchte, Mylady, daß dem so sein wird.“ „Dann muß der Amokfahrer im weitesten Sinn ein hier an der Küste bekannter Mann sein.“ „Von dieser Voraussetzung sollte man ausgehen. Ein Mann, der über sehr viel Geld und Einfluß verfügt. Ein Mann, der es sich ohne Schwierigkeiten leisten kann, Gangster für sich arbeiten zu lassen.“ „Dazu sah dieses Subjekt zu jung aus“, stellte Agatha Simpson fest. 12
„Vielleicht ist es der Sohn eines solchen Mannes“, warf Kathy Porter ein. „Sehr gut, Kindchen“, lobte die Detektivin und nickte beifällig, „das schmeckt mir. Dieser Mörder am Steuer ist höchstens 25 bis 28 Jahre alt.“ Lady Agatha konnte sich über dieses Thema leider nicht weiter verbreiten. Die große Panoramascheibe des Wohnraums barst plötzlich auseinander. Ein Regen von kleinen und großen Scherben regnete auf die Teppiche herab. Der Einschlag eines Geschosses fetzte ein Bild von der Wand. Während Kathy Porter sofort in Deckung ging, versetzte Butler Parker Mylady einen nicht gerade sanften Stoß gegen die rechte Schulter und beförderte sie damit tief in einen an sich bequemen Sessel. „Das ist aber doch die Höhe!“ Agatha Simpson sah den Butler entrüstet an. Sie meinte allerdings die Panoramascheibe und das zerfetzte Bild. „Ich bitte, mir meine Kühnheit zu verzeihen“, entschuldigte sich Parker gemessen. „Papperlapapp“, fuhr sie ihn an. „Hier geht es nicht um mich, sondern um das Bild. Dennoch fühle ich mich sehr angeregt, Mister Parker. Die Dinge scheinen in Fluß zu kommen. Lassen Sie sich etwas einfallen! Man wird mich noch kennenlernen.“ *** Josuah Parker war keineswegs überrascht, als das Telefon anschlug. Eigentlich wußte er bereits im voraus, um was es sich handelte. Er hob ab und meldete sich. Eine undeutliche, gequetschte Stimme verlangte Agatha Simpson zu sprechen. ,,Mylady ist dazu im Moment außerstande“, schwindelte der Butler, „Mylady ist von einem kleinen Unwohlsein befallen worden.“ „Ach nee.“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang äußerst zufrieden. „Klappt ja besser als erwartet.“ „Darf ich erfahren, um was es sich handelt und mit wem ich spreche?“ erkundigte sich Parker. „Mein Name tut nichts zur Sache“, lautete die Antwort, „aber um was es sich handelt, das können Sie erfahren, Parker. Sagen Sie Ihrem alten Mädchen, daß sie schleunigst auf Gedächtnisschwäche umschalten muß, wenn sie noch was vom Leben haben will!“ „Ich muß freimütig gestehen, daß ich kein Wort verstehe.“ „Stellen Sie sich bloß nicht so blöd an, Parker, Sie wissen verdammt genau Bescheid! Ich sage nur Verkehrsunfall und Triumph...“ „Ich spreche demnach mit Mister Fielding?“ „Der wird sich später noch bei Ihnen melden, Parker. Also, sagen Sie Lady Simpson, daß sie klug sein soll. Sie vergißt besser auch, wie der Fahrer des Triumph aussieht, klar?“ „Der Schuß durch die Scheibe hat Ihren Worten bereits Nachdruck verliehen“, stellte der Butler fest. 13
„Genau, Parker.“ Es klickte in der Leitung, womit das Gespräch seinen Abschluß fand. Parker informierte Agatha Simpson, die ihn allerdings empört ansah. „Wieso bin ich von einem leichten Unwohlsein befallen?“ fragte sie gereizt. „Ich fühle mich äußerst angeregt.“ „Was die Gegenseite nicht unbedingt zu wissen braucht, Mylady.“ „Ausnahmsweise haben Sie mal recht“, gab Agatha Simpson zurück. „Spielen wir also die Angsthasen. Das schwebt Ihnen doch wohl vor, oder?“ „Gewiß, Mylady. So etwas sehen Gangster immer mit einigem Wohlgefallen.“ „Und was werden wir tatsächlich tun?“ wollte die resolute Detektivin wissen. „Ich möchte mir die Freiheit nehmen, Mylady einen Plan vorzuschlagen“, erwiderte Parker. „Man muß wohl von der Tatsache ausgehen, daß Myladys Haus gewissenhaft überwacht wird. Daraus ließe sich unter Umständen Kapital schlagen, wenn ich es so ausdrücken darf.“ *** Fielding war nicht ganz bei der Sache. Er saß neben dem Fahrer des Wagens und schaute immer wieder auf seine beiden Hände, die in weiten Fäustlingen steckten. Seine Hände schmerzten immer noch gewaltig. Sie waren zwar behandelt und verpflastert worden, doch er hatte das Gefühl, daß er sich wenigstens drei Fingerknöchel angebrochen hatte. Der Fahrer des VW, in dem sie saßen, trug eine Sonnenbrille und gab sich heiter. Er redete ununterbrochen. „Wetten, daß die Lady samt ihrem Personal abhauen wird?“ sagte er gerade zu Fielding und hob das schwere Fernglas'', um die Rückseite des Hauses zu beobachten. „Der Schuß durch die Scheibe war genau die richtige Masche.“ Der Fahrer hieß Joe Lanters und machte einen gepflegten Eindruck. Er trug einen gut sitzenden Anzug, ein teures Hemd und erinnerte irgendwie an einen aufmerksamen Sekretär. „In ein paar Stunden ist das ganze Theater vorüber“, redete er weiter und zündete sich lässig eine Zigarette an. „Der Chef braucht sich überhaupt keine Sorgen zu machen.“ „Du kennst diesen Butler nicht“, warf Charles Fielding ein. „Ich weiß, daß der Bursche einen doppelten Boden hat.“ „Wegen deiner Flossen? Hast eben nicht aufgepaßt, Charles. Mir wäre sowas nicht passiert. Aber ist ja jetzt gleichgültig, Hauptsache, die Sache verläuft im Sand.“ „Hoffentlich.“ Charles Fielding blieb skeptisch. „Die Lady fühlt sich unwohl“, stellte Joe Lanters lächelnd fest, „habe ich eben selbst von ihrem Butler gehört. Die muß ganz schön am Boden gewesen sein, als die Scheibe zu Bruch ging.“ Joe Lanters hatte den Schuß abgefeuert und anschließend mit dem Butler des Hauses gesprochen. Er war sich seiner Sache wirklich sicher. Joe Lanters war 14
Profi, der sich auf Psychoterror verstand. In der Vergangenheit hatte er bereits in zwei Fällen Erfolg mit dieser Taktik gehabt. „Na, bitte.“ Lanters richtete sich hoch und sah wieder durch das Fernglas. „Was ich gesagt habe, Charles. Sie hauen bereits ab.“ Durch das Glas war deutlich zu erkennen, wie der Butler einige Reisetaschen in seinem hochbeinigen Wagen verstaute. Dieses Gefährt, das so nachhaltig an ein Londoner Taxi erinnerte, stand seitlich neben dem Haus und war von ihrem Standort aus genau zu sehen. Wenig später folgten Agatha Simpson und ihre Gesellschafterin. Joe Lanters lächelte triumphierend. „Die hüpft wie eine Heuschrecke“, stellte er fest, als die Lady tatsächlich mit etwas grotesk wirkenden Sprüngen zum Wagen eilte und in ihm verschwand. „Sehen wir uns mal an, wohin die fahren“, sagte Joe Lanters und startete mit dem VW. „Ich lasse mich nicht gern aufs Kreuz legen.“ Lanters kannte sich gut aus. Er steuerte den VW in schneller Fahrt hinunter zur Verbindungsstraße und entdeckte etwa zweihundert Meter vor sich den hochbeinigen Wagen, der bereits in Richtung Exeter fuhr. „Die rauschen nach London“, behauptete Lanters. „Hals-über-Kopf, Charles. Die Lady hat jetzt schon vergessen, was sie gesehen hat, wetten?“ „Du hast diesen verdammten Butler nicht erlebt“, erwiderte Fielding verbissen. „Ich spüre es noch jetzt.“ Erneut hob er anklagend die beiden Hände, die in den weiten Fäustlingen untergebracht waren. Joe Lanters zuckte die Achseln und enthielt sich eines Kommentars. Charles Fielding hatte sich in seinen Augen wie ein Vollidiot benommen. Aber darüber zu reden, lohnte sich nicht mehr. Dieser Zwischenfall war bereits Vergangenheit. Lanters steigerte die Geschwindigkeit des VW und schloß zu dem hochbeinigen, schwarzen Wagen auf. Die hinteren und seitlichen Fenster waren durch grau-grüne, kleine Vorhänge zusätzlich verschlossen, Agatha Simpson wollte offensichtlich keine Zielscheibe abgeben. Ihre Angst vor einem Schuß aus dem Hinterhalt mußte sehr groß sein. „Tauch mal für einen Moment weg“, sagte Lanters zu seinem Begleiter, „ich werde den Schlitten jetzt überholen.“ Charles Fielding rutschte vom Sitz nach unten und ging in volle Deckung. Lanters nahm sicherheitshalber seine Sonnenbrille ab und setzte sich eine karierte Mütze auf, die sein Aussehen völlig veränderte. Dann überholte er den langsam dahinrollenden schwarzen Wagen und warf einen kurzen Blick in das Innere. Am Steuer des hochbeinigen Monstrums saß Butler Parker. Im Fond waren die beiden Frauen deutlich zu erkennen. Ängstlich zusammengerückt befanden sie sich in dem Zustand, den Lanters durch den Schuß und den Anruf hatte erreichen wollen: sie zitterten wahrscheinlich vor Angst.
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*** In Exeter angekommen, drehten Joe Lanters und Charles Fielding bei. Es war klar zu erkennen, daß Mylady samt ihrer Begleitung weiter in Richtung London fuhr. Lanters und Fielding warteten, bis der hochbeinige Wagen auf dem Motorway verschwunden war, dann suchten sie einen Schnellimbiß an der Auto-Straße auf und stärkten sich. Da Fielding wegen seiner verpflasterten Hände ein wenig gehandicapt war, rief Lanters in Torquay an. Er wählte die Nummer eines Nachtclubs und ließ sich einen gewissen McAllister geben. „Alles in bester Ordnung“, meldete er militärisch knapp. „Die Simpson rauscht bereits in Richtung London.“ „Von wo aus rufst du an?“ „Exeter.“ „Sieht so aus, als würde sie tatsächlich abhauen“, antwortete McAllister mit einer Stimme, die erstaunlicherweise fast etwas erleichtert klang. „Hast du daran gezweifelt?“ „Fast“, gab McAllister zurück. „Ich habe inzwischen gehört, daß diese Lady eine tolle Nummer sein soll. Ganz zu schweigen von ihrem Butler.“ „Ich verstehe kein Wort.“ „Die alte Dame macht Ärger am laufenden Band. Spielt sich als eine Art Privatdetektiv auf. Und was diesen Butler betrifft, so ist der schon geradezu berüchtigt.“ „Hört sich maßlos übertrieben an“, sagte Lanters, „die sind wir auf jeden Fall los.“ „Okay, dann kommt zurück und seht euch die Hütte der Lady mal ganz aus der Nähe an. Anschließend dann zu mir in den Club, alles klar?“ Lanters hatte keine weiteren Fragen mehr und legte auf. Als er zurück zu seinem Partner Fielding an den Tisch ging, dachte er über dessen Warnung hinsichtlich des Butlers nach. Charles Fielding behauptete schließlich, Parker verfüge über einen doppelten Boden und habe es faustdick hinter den Ohren. Um Fielding aber nicht noch nervöser zu machen, stellte er ihm zu Parker keine weiteren Fragen. Sie tranken ihren Kaffee und gingen dann zu ihrem Wagen, der auf dem Parkplatz seitlich neben dem Schnellimbiß stand. Es war Fielding, der es zuerst entdeckte. „Sieh dir das an!“ Er blieb jäh stehen und deutete auf die beiden Hinterreifen, die einen ausgesprochen luftleeren Eindruck machten. „Plattfuß“, kommentierte Lanters verdutzt, „und zwar beide Reifen.“ „Alle vier“, korrigierte ihn Fielding, der vorausgegangen war und auf die beiden Vorderräder wies, „alle vier ... Wenn das ein Zufall sein soll, fresse ich einen Besen quer.“ 16
„Das verstehe ich nicht.“ Lanters brauchte einige Zeit, um die unangenehme Überraschung zu verdauen. „Die Lady und ihr Butler“, gab Fielding lakonisch zurück. „ Ausgeschlossen! „Sieh mal da hinüber, Joe! Da steht sie ja in voller Größe!“ Die beiden Gangster beobachteten Agatha Simpson, oder besser gesagt das, was von ihr zu erkennen war. Sie stand neben Parkers hochbeinigem Wagen und traf gerade Anstalten, nach hinten in den Fond zu steigen. „Der werde ich was erzählen!“ Lanters setzte sich sofort in Bewegung, gefolgt von Fielding, der etwas vorsichtiger war und sich unentwegt nach Josuah Parker umsah. Nach etwa 20 Metern hatte Lanters den Wagen erreicht und riß die hintere rechte Tür wütend auf. Er hielt selbstverständlich schon einen bullig aussehenden, kurzläufigen Revolver in der Hand. „Aber nicht mit mir“, sagte er dazu und stierte irritiert auf den leeren Hintersitz. Von einer Lady Simpson war weit und breit nichts zu sehen! Sie stand nämlich hinter ihn. Mylady' war zwar wirklich in den Wagen gestiegen, hatte ihn aber sofort wieder durch die gegenüberliegende Tür verlassen. Agatha Simpson spielte nicht unnötig mit der Gefahr. Sie schwenkte ihren Pompadour bereits energisch in der rechten Hand. Dieses mit Strass und Perlen bestickte Handbeutelchen, wie es von älteren Damen noch verwendet wird, hatte es in sich. Es enthielt Lady Simpsons Glücksbringer, ein Hufeisen, das mal zu einem Traberpferd gehört hatte. Lanters hörte hinter sich ein Geräusch, spürte noch den Luftzug des herunterfallenden Pompadours und hatte fast synchron dazu das Gefühl, von einem auskeilenden Pferd getroffen zu sein. Joe Lanters stöhnte fast wohlig auf, als er sich seiner plötzlichen Müdigkeit voll hingab und zu Boden rutschte. Er war bereits im oft zitierten Land der Träume, als er den Asphalt des Parkplatzes erreichte. Charles Fielding mühte sich inzwischen verzweifelt ab, an seine Schußwaffe zu kommen. Die Fäustlinge über seinen Händen aber erwiesen sich als außerordentlich hinderlich. Er sah, wie die Lady hinter seinem Partner erschien und senkte den Kopf, um mit den Zähnen den Fäustling von der rechten Hand abzuzerren. Dadurch entging ihm, was sich mit einem harmlos aussehenden Pompadour alles machen ließ. Als er den Fäustling endlich von der Hand hatte, war Lanters schon nicht mehr zu sehen. Und Lady Simpson verschwand gerade hinter dem Aufbau eines unmittelbar in der Nähe parkenden Lastwagens. Dennoch, Fielding war entschlossen, seinem Freund und Partner Hilfe zu leisten. Zumal dieser verflixte Butler nicht in der Nähe war. „Echauffieren Sie sich nicht unnötig“, sagte da aber eine Stimme hinter ihm, gemessen und würdevoll. Eine Stimme, die er sofort erkannte. 17
Fielding wirbelte gekonnt herum. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit, daß auch er schließlich ein Profi war. Er verfärbte sich und stöhnte ungehemmt auf, als seine Hand von dem bleigefütterten Bambusgriff des Universal-Regenschirms erneut getroffen wurde. Der Revolver landete auf dem Boden. Charles Fielding verdrehte vor Schmerz die Augen und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Wagen, der hinter ihm stand. Er wollte nicht aufgeben. Diesmal nicht. Sein ganzes Image stand auf dem Spiel. Er riß das linke Bein blitzschnell hoch und wollte seinen Schuh in Parkers Unterleib rammen. Butler Parker hatte damit offensichtlich gerechnet, denn er wich bereits seitlich aus und erinnerte sehr deutlich an einen Matador, der dem tödlichen Stoß entgeht. Dann klopfte er mit dem Bambusgriff seines Schirms fast diskret auf die Kniescheibe des Gangsters. Charles Fielding stöhnte nicht nur erneut auf, sondern geriet aus dem Gleichgewicht, rutschte aus und schlug mit dem Hinterkopf gegen den Türholm des parkenden Wagens. Fielding rutschte ab und landete auf dem Boden, wobei seine Nase ungewollt in eine Art Schlittenkufe umfunktioniert wurde. Doch davon spürte er schon nichts mehr. Er war bereits bewußtlos, bevor er den Asphalt kehrte. „Sehr schön, Mister Parker“, ließ Agatha Simpson sich vernehmen. Sie war zu Parker herübergekommen und nickte freundlich. „Ich denke, wir dürfen mit uns zufrieden sein.“ „Wie Mylady meinen“, lautete Parkers höfliche Antwort. *** Der Mann schritt durch den gepflegten Vorgarten und blieb vor der Haustür des netten kleinen Häuschens stehen. Er klingelte und lehnte sich lässig gegen die Mauer. Der Mann war etwa 30 Jahre alt, besaß durchschnittliche Größe und ein unangenehmes Gesicht mit ' einem schmalen Mund. Er war gut gekleidet und sah eigentlich nicht wie ein Gangster aus. Dennoch war er aus der Branche. Er war gekommen, um das Ehepaar Clinton noch mal zu vergattern. Es hatten sich da ein paar Dinge ereignet, die diesen erneuten Besuch nötig gemacht hatten. Er knipste ein seiner Ansicht nach höfliches Lachen an, als die Tür geöffnet wurde. Er nickte der alten Dame zu und drückte sie sofort zurück in den schmalen Hausflur. „Nicht nervös werden, Mrs. Clinton“, sagte er dazu. „Es passiert Ihnen überhaupt nichts.“ „Wer sind Sie?“ Die Frau wich zurück und sah den Eindringling ängstlich an. 18
„Das spielt doch überhaupt keine Rolle“, sagte der Mann, der übrigens Paul Alfers hieß. „Nehmen wir mal an, ich käme von 'ner Zeitung.“ „Mein Mann und ich wissen überhaupt nichts“, gab Mrs. Clinton sofort und viel zu schnell zurück. „Wir haben nichts gesehen. Es ging ja alles so schrecklich schnell.“ „Sind Sie sicher? Wir zahlen jede Summe für einen ordentlichen Augenzeugenbericht.“ Während er redete, drückte er die ängstliche Frau durch den schmalen Korridor in den hübsch eingerichteten Wohnraum. Er sah sich, um und fragte nach Mister Clinton. „Mein Mann liegt zu Bett“, sagte Mrs. Clinton nervös. „Sie verstehen, die ganze Aufregung. Das war einfach zuviel für ihn.“ „Sie haben also wirklich nichts gesehen?“ Der Besucher ließ sich formlos in einen Sessel fallen und zündete sich eine Zigarette an. „Nichts.“ „Ich kann Ihnen 100 Pfund bieten.“ „Mein Mann und ich haben nichts gesehen. So glauben Sie doch endlich!“ „Oder hat man Sie vielleicht von irgendeiner Seite aus unter Druck gesetzt, Mrs. Clinton?“ „Ich verstehe nicht, was Sie meinen.“ „Sehr gut.“ Paul Alfers stand auf und stäubte seine Asche ungeniert auf den Teppich. „Sehr schön. Ich weiß schon jetzt, daß Sie lange leben werden.“ „Mein Mann und ich werden Torquay verlassen“, sagte Mrs. Clinton eifrig. „Wir werden zu Verwandten nach London fahren.“ „Das lassen Sie ganz schön bleiben“, sagte Paul Alfers. „Sie werden hier in Torquay zur Verfügung stehen. Alle Zeugen können ja schließlich nicht abhauen.“ „Ich verstehe Sie nicht.“ „Ist auch nicht nötig“, meinte Alfers mit schiefem Lächeln. „Sie werden also bleiben, ist das klar?“ „Wenn Sie es wünschen.“ „Die 100 Pfund werden Sie ohnehin erhalten.“ Paul Alfers griff in die Innentasche seines Jacketts und reichte Mrs. Clinton einen Packen Banknoten, ,,'ne kleine Zusatzrente. Wir haben erfahren, daß Sie nicht gerade in Geld schwimmen.“ „Wir kommen aus“, gab Mrs. Clinton zurück und übersah das Geld. „Nehmen Sie schon!“ Er hob die Schultern und warf die Banknoten auf einen kleinen Beistelltisch. „Wer mit uns zusammenarbeitet, hat sich nicht zu beklagen. Wer aber nicht spurt, der wird vier Ärger haben! Haben wir uns verstanden?“ „Gehen Sie doch endlich“, bat Mrs. Clinton mit schwacher Stimme. „Mein Mann und ich lassen uns nicht kaufen.“ „Stolz ist 'ne schöne Sache“, stellte Alfers fest, „Geld aber auch! Noch etwas: Sieht so aus, als würde die Polizei noch mal aufkreuzen. — Für 'ne Art Gegenüberstellung, Mrs. Clinton. Man wird Ihnen ein paar Leute zeigen, die als Fahrer 19
des Sportwagens in Betracht kommen. Lassen Sie sich ja nicht aus der Ruhe bringen und zeigen Sie auf den falschen Mann!“ „Bitte, gehen Sie doch endlich.“ „In Ordnung. Mehr habe ich ohnehin nicht zu sagen. Wir haben uns also verstanden, ja? Präparieren Sie Ihren Mann! Ich bin sicher, Sie beide wollen noch viele Jahre zusammen in Liebe und Eintracht leben, oder?“ Paul Alfers wußte, wie er wirkte. Er drehte Mrs. Clinton den Rücken und verließ den Wohnraum. Doch er kam überraschenderweise nicht sonderlich weit. Er spürte plötzlich einen ungemein harten Schlag am Halsansatz und verlor augenblicklich das Bewußtsein. Wie von einem Blitzschlag getroffen sackte er in sich zusammen und landete zu Füßen der alten Dame, die diesen Handkantenschlag angebracht hatte. Mrs. Clinton sah kühl auf den Mann hinunter, massierte sich versonnen die Kante ihrer rechten Hand und stieg dann über Alfers hinweg. Sie lief zur Haustür und sah zur Straße. Mrs. Clinton wußte schließlich nicht mit letzter Sicherheit, ob ihr Besucher allein war. *** Es war dunkel geworden. Auf dem Parkplatz vor einer großen, zweistöckigen Backsteinvilla, die von Scheinwerfern angestrahlt wurde, stauten sich die Wagen. Der Nachtclub Lovers Lane erfreute sich in Torquay größter Beliebtheit. Es gab eine große Diskothek im Souterrain des Hauses, in dem sich die Jugend traf, während im Erdgeschoß die eigentlichen Clubräume untergebracht waren. Hier herrschte eine Atmosphäre von gespielter Distinktion und Geld. Die Besucher dieser Clubräume waren in der Regel schon fest in ihren jeweiligen Geschäften und betrachteten sich als Jet-set von Torquay. Im Obergeschoß lagen die Privaträume des Clubmanagers, die sich über das ganze Geschoß erstreckten. Natürlich brauchte dieser Besitzer nicht alle Räume. Er hätte sich darin wahrscheinlich verlaufen. Er pflegte aber Nacht für Nacht besonders wertvolle und liebe Gäste zu sich zu laden. Dann wurden verbotene Glücksspiele getätigt und um Einsätze gespielt, die sich gewaschen hatten. Zutritt zu diesen oberen Räumen hatten nur sehr private Gäste, deren Kreis absichtlich eng gehalten wurde. Besitzer des Clubs war ein gewisser Hubert P. Poulsen, der in Plymouth und Bournemouth weitere Bars und Nachtclubs betrieb. Seine Herkunft war dunkel. Es hieß hinter der vorgehaltenen Hand, er habe sich sein Grundkapital als eine Art Zuhälter in London verdient. Offiziell wurde allerdings die Version verbreitet, er habe sich in der Hotelbranche hochgedient. Der Manager des Clubs hieß Pete McAllister. 20
Es handelte sich um einen etwa 40-jährigen, großen und schlanken Mann, der wie ein James-Bond-Darsteller aussah, wobei ein gewisser Verschnitt nicht zu übersehen war. McAllister befand sich in seinem Büro im Obergeschoß und kontrollierte von hier aus den Nachtclub. Versteckt angebrachte Fernsehkameras in den wichtigsten Räumen des Clubs belieferten einige Monitore mit gestochen scharfen Bildern. McAllister konnte von seinem Arbeitstisch aus die Diskothek, den eigentlichen Club und auch die Spielräume im Obergeschoß unter Sichtkontrolle halten. Diese kleinen Fernsehgeräte befanden sich auf einem Chromgestell an der Stirnwand des Büros und wurden ungeniert präsentiert. McAllister war an diesem Abend in nervöser Stimmung. Er erwartete jeden Augenblick die Ankunft seines Chefs und wußte im voraus, daß er sich harte Fragen gefallen lassen mußte. Er kannte Hubert P. Poulsen nur zu gut und wußte, wie kalt und brutal dieser Mann war, wenn es seinen Zwecken diente. McAllister wußte weiterhin, daß Poulsen über vorzügliche Kontakte zur Unterwelt verfügte. Wer sich mit Hubert P. Poulsen anlegte, tat gut daran, die Insel so schnell wie möglich zu verlassen. McAllister war sich nicht sicher, ob er richtig gehandelt hatte. Nachdem Poulsens Sohn den tödlichen Verkehrsunfall verursacht hatte, war McAllister gezwungen gewesen, aus dem Handgelenk heraus zu reagieren. Schließlich ging es ja um den Sohn seines Chefs, um einen jungen Mann, den er haßte. Martin Poulsen war ein arroganter Flegel, der sich alles herausnahm und sich immer wieder hinter seinem Vater versteckte. Poulsen senior wußte wohl selbst, daß sein Sohn eine Niete war, doch er hielt seine schützende Hand über ihn. Warum das so war, blieb McAllister unbegreiflich. Manchmal hatte er den Eindruck, Poulsen fürchte sich vor seinem Junior. Als das Telefon auf seinem Arbeitstisch läutete, griff McAllister hastig nach dem Hörer. „Der Chef ist gerade gekommen“, meldete der Portier. „Allein?“ „Zusammen mit dem Junior“, fügte der Portier hinzu. „Der Alte scheint ziemlich geladen zu sein.“ „Okay“, sagte McAllister nur und legte auf. Er verzichtete darauf, den Portier wegen der Respektlosigkeit zusammenzustauchen. Er hatte wirklich andere Sorgen. *** Josuah Parker saß steif und aufrecht am Steuer seines hochbeinigen Monstrums, als habe er einen Ladestock verschluckt. Er fuhr an dem kleinen hübschen Haus der Clintons vorbei, das bis auf ein Fenster im Dachgeschoß unbeleuchtet war. 21
Agatha Simpson saß im Fond des Wagens und protestierte keineswegs, als Parker den Wagen auf einer nahen Kreuzung wendete und dann zurück zu den Clintons fuhr. Parker stieg aus und öffnete den hinteren Wagenschlag. Er lüftete respektvoll seine schwarze Melone, als er Mylady aus dem Wagen half, was sie sieh ohne weiteres gefallen ließ. Dann schritt Parker gemessen voraus und öffnete das Gartentor. Agatha marschierte auf ihren stämmigen Beinen an ihm vorbei und hielt auf die Haustür zu, die sich knapp vor ihr öffnete. Mrs. Clinton war im Gegenlicht der inzwischen eingeschalteten Flurbeleuchtung zu sehen. „Ich hoffe, Sie hatten eine gute Fahrt, Mylady“, sagte Mrs. Clinton. „Sie War sogar äußerst anregend, Kindchen“, gab Lady Agatha zurück, „und wie haben Sie sich amüsiert?“ Parker, der nachgekommen war, schloß die Tür und folgte den beiden Frauen in den Wohnraum. Mrs. Clinton lächelte ihm zu und nahm ihre Perücke ab. Innerhalb einer Sekunde verwandelte sich Mrs. Clinton in Kathy Porter zurück. Die Maske war beeindruckend echt gewesen, wie ein gewisser Paul Alfers erfahren hatte. Kathy Porter verzichtete darauf, das etwas altmodische Kleid der echten Mrs. Clinton auszuziehen und auch die ausgeprägten Rundungen in Hüfthöhe zu entfernen, die zu der Täuschung beigetragen hatten. „Ich kann mit einem Mister Paul Alfers dienen“, beantwortete Kathy Porter die Frage von Mylady. „Er befindet sich zur Zeit im Keller.“ „Sehr begabt, Kindchen“, lobte Agatha Simpson und nickte erfreut. „Und weshalb mußten Sie dieses Subjekt einsperren? „ „Es gehört eindeutig zu der Gegenseite“, berichtete Kathy Porter. „Aus einem mir noch unbekannten Grund wollte er dem Clinton-Ehepaar hundert Pfund übergeben.“ ;,Wofür es wohl noch gründlicher gewisse Details vergessen soll, nicht wahr?“ „So drückte Mister Alfers sich aus“, bestätigte Kathy Porter. Sie war über ihre sonstigen Fähigkeiten hinaus eine Liebhaberin der Maske. Sie brauchte nur unwesentliche Kleinigkeiten, um in die äußere Haut anderer Menschen zu schlüpfen. Josuah Parker hatte diese Begabung erkannt und gefördert. „Ich werde mir dieses Subjekt aus der Nähe ansehen“, erklärte Lady Simpson interessiert. „War es bewaffnet?“ „Ein 38er“, antwortete Kathy Porter fachmännisch. „Der Bursche arbeitet übrigens als Angestellter in einem hiesigen Nachtclub.“ „Wie leichtsinnig diese Leute doch sind“, seufzte Lady Agatha. „Trug er etwa seine Papiere mit sich herum?“ „Eine Brieftasche mit normalem Inhalt“, bestätigte Kathy Porter und nickte lächelnd. „Der Club nennt sich Lovers Lane und befindet sich drüben an der Küste.“ „Eine dieser amüsanten Diskotheken?“ 22
„Das auch, Mylady. Es existiert da aber noch ein Nachtclub mit Barbetrieb.“ „Sie kennen diesen Amüsierladen, Kindchen?“ „Noch nicht, Mylady, aber die betreffenden Anzeigen erscheinen regelmäßig in den Tageszeitungen.“ „Gehen wir also in den Keller“, entschied Mylady. „Ist dieses Subjekt in einem Zustand, um Konversation zu führen?“ „Inzwischen dürfte Mister Alfers sich wieder erholt haben“, hoffte Kathy Porter und zwinkerte dem Butler zu. Dann ging sie voraus und führte ihre Gäste über eine schmale Stiege hinunter in den Keller. Paul Alfers saß auf dem Boden eines kleinen Vorratskellers und war eindeutig schlechter Laune. Kathy Porter hatte den Mann fachmännisch gebunden und mit zusätzlichen Schlingen aus Blumendraht an ein Wasserleitungsrohr gefesselt. Er blinzelte, als das Licht eingeschaltet wurde. Er sah vor sich nur Lady Agatha und Butler Parker. Kathy Porter war aus verständlichen Gründen zurückgeblieben und zog sich um. Alfers brauchte nicht zu wissen, wem er aufgesessen war. Die Fähigkeiten von Myladys Gesellschafterin sollten sich nicht herumsprechen. „Für diesen Überfall werden Sie noch bezahlen“, fuhr Alfers Agatha Simpson und Josuah Parker an. „Das wird für Sie noch zu 'nem Rohrkrepierer!“ „Sie sollten sich in Myladys Gegenwart einer anderen Tonart befleißigen“, rügte Parker den Gangster. „Mylady erfuhr, daß Sie Angestellter des Clubs „Lovers Lane“ sind?“ „Binden Sie mich sofort los“, herrschte der Gangster die Detektivin an. „Sie können von Glück reden, wenn ich Sie nicht anzeige.“ „Was wollen Sie Mylady denn vorwerfen?“ erkundigte sich der Butler. „Ich bin hier überfallen und niedergeschlagen worden.“ „Von Mylady?“ „Von Mrs. Clinton. Oder so. Ich weiß es nicht genau.“ „Sollte Ihr Erinnerungsvermögen nachgelassen haben?“ schaltete Agatha Simpson sich ironisch ein. „Ich wette, daß Sie es gewesen sind.“ „Mein Butler wird für mich aussagen“, erwiderte die Sechzig]ährige genußvoll. „Wir kommen gerade von Exeter.“ „So binden Sie mich doch endlich los“, schrie Paul Alfers wütend. „Sie sehen doch, daß ich mich nicht rühren kann. Mir sind ja schon fast die Hände abgestorben.“ „Geduld, junger Mann, Geduld!“ Lady Simpson ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Sie sprachen eben von den Clintons. Würden Sie mir verraten, wo das Ehepaar sich befindet?“ „Welches Ehepaar?“ „Mrs. Clinton und Mister Clinton. Sie sind im ganzen Haus nicht zu finden.“ „Die Clintons sind weg?“ Paul Alfers schien dieser Gedanke nicht zu gefallen. „Wie vom Erdboden verschwunden, um einen sattsam bekannten Vergleich zu benutzen“, warf der Butler ein. 23
„Wenn schon! Damit habe ich doch nichts zu tun!“ „Hoffentlich nicht, junger Mann, hoffentlich nicht!“ Mylady sah den Gangster streng an. „Nein! Ich habe nichts damit zu tun.“ Alfers verlor ein wenig die Nerven. „Könnte es nicht sein, daß Sie im Auftrag eines Interessenten unbequeme Zeugen beseitigt haben?“ wollte Mylady wissen. „Unbequeme Zeugen!?“ Alfers wurde sehr vorsichtig. „Zeugen eines mörderischen Unfalls“, präzisierte der Butler, „eines Unfalls, dem zwei unschuldige Menschen zum Opfer fielen.“ „Keine Ahnung, wovon Sie quatschen. Binden Sie mich endlich los!“ „Sie werden noch früh genug zurück in Ihren Club kommen“, stellte Lady Simpson fest. „Hoffentlich werden Sie keinen Ärger haben, junger Mann.“ „Wieso sollte ich Ärger bekommen?“ „Weil Sie Ihren Auftrag dilettantisch ausgeführt haben“, bemerkte Agatha Simpson fast mitleidig. „Aber das dürfte ja wohl Ihr Problem sein. Ähnliches sagte ich bereits Ihren beiden Arbeitskollegen. Wie heißen Sie noch, Mister Parker?“ „Nach den vorgefundenen Papieren Charles Fielding und Joe Lanters, Mylady.“ Paul Alfers war kein guter Schauspieler. Er nahm etwas sehr schnell den Kopf hoch und starrte den Butler leicht entgeistert an. Er kannte beide Namen, das war deutlich zu erkennen. „Die kenn' ich nicht“, sagte er dann. „Sie werden Sie aber kennenlernen“, meinte Agatha Simpson. „Mister Parker, würden Sie die nötigen Vorbereitungen treffen. Dieses Subjekt langweilt mich.“ Agatha Simpson drehte sich um und verließ den engen Keller. „Was haben Sie mit mir vor?“ fragte Alfers, als er mit dem Butler allein war. „Ich möchte Sie keinesfalls unnötig beunruhigen“, gab der Butler gemessen zurück. „Sagen Sie's schon. Was haben Sie mit mir vor?“ „Sie werden nur unnötig in gelinde Panik geraten“, warnte der Butler den Gangster. „Panik!? Mann, was soll das? Was haben Sie mit mir vor? Reden Sie endlich!“ Alfers schwitzte. „Mylady ist ein wenig exzentrisch“, bekannte Parker. „Sie hegt eine Aversion gegen Gauner und Gangster.“ „Und?“ Alfers' Schweißdrüsen gingen auf Überproduktion. „Sie werden nicht sonderlich erfreut sein, wenn ich rede.“ „Reden Sie doch endlich!“ brüllte Alfers. „Nun denn, wenn Sie darauf bestehen. Mylady liebt einen Film, der sich , Arsen und Spitzenhäubchen' nennt. Vielleicht kennen Sie dieses Kunstwerk?“ „Natürlich. Da sind doch zwei alte Zicken, die am laufenden Band Männer umbringen.“ 24
„Sie sollten Mylady keinesfalls eine alte Zicke nennen“, tadelte der Butler würdevoll. „Mylady arbeitet zudem allein, wenn ich es so ausdrücken darf.“ „Wie bitte!? Sie arbeitet allein? Sie bringt Männer um? Und da spielen Sie mit?“ „Ich bin, wie ich ausdrücklich versichern möchte, Mylady treu ergeben.“ „Aber das ist doch Mord!“ Alfers glaubte wahnsinnig zu werden. Er ruckte an den Fesseln und bäumte sich auf wie ein getretener Hund. „Ich muß offen und freimütig gestehen, daß ich mich inzwischen mit Myladys Hobby abgefunden habe“, entschuldigte sich Parker gespielt verlegen. „Gerade Sie, Mister Alfers, werden das ja verstehen. Mord kann zu einer fast lieben Gewohnheit werden, nicht wahr?“ *** Hubert P. Poulsen war ein untersetzter, stämmiger Mann von 50 Jahren, dem der teure Maßanzug nicht sonderlich paßte. Man hätte sich Poulsen sehr gut in einem Overall vorstellen können, einen Dampfhammer bedienend. Sein breitflächiges Gesicht wirkte ein wenig schlaff, die Gesichtsfarbe ungesund. Seine grauen Augen verrieten kühle Intelligenz. Er saß in einem Sessel seitlich neben McAllisters Arbeitstisch und hatte sich Bericht erstatten lassen. Hinter ihm hatte sich Poulsen junior aufgebaut. Vom Gesicht her ähnelte er seinem Vater. Im Gegensatz zu ihm aber war er mittelgroß und schlank. Seine braunen Augen und das weiche Kinn sagten aus, daß er nicht gerade ein Energiebündel war. Poulsen junior trug Jeans und darüber ein Hemd aus Wildleder. Modeschmuck klingelte leise von seinem Hals herunter. „Fassen wir also zusammen“, sagte Hubert P. Poulsen sachlich, „es gibt drei Unfallzeugen. Diese Lady und das Ehepaar Clinton.“ „Die Gesellschafterin der Lady scheidet aus“, erklärte McAllister schnell. „Das habe ich bereits auf Umwegen von der Polizei erfahren. Sie hat tatsächlich nichts gesehen.“ Hubert P. Poulsen stand auf und schritt überraschend geschmeidig durch das Büro. Martin Poulsen, der Sohn des Nachtclubunternehmers, spielte gedankenverloren und offensichtlich desinteressiert mit seinem Modeschmuck. Für ihn schien es keine Probleme zu geben. „Hoffentlich haben wir richtig geschaltet, Mister Poulsen“, erkundigte sich McAllister, gegen seine Nervosität ankämpfend. „Wir mußten aus dem Hut heraus die Gegenminen legen.“ „Das war die Brechstangenmethode“, sagte Hubert P. Poulsen ärgerlich. „Aber sie läßt sich nicht mehr rückgängig machen.“ „Wieso Brechstangen, Daddy?“ Martin Poulsen sprach lässig und ironisch. „Das war die elegante Tour. Diese Lady ist mitsamt ihrem Anhang in Richtung London verschwunden.“ 25
„Fielding und Lanters sind hinter ihnen her“, fügte McAllister hinzu, „und Alfers hab' ich auf das Ehepaar Clinton angesetzt.“ „Wer ist auf die Idee gekommen, diese Zeugen unter Druck zu setzen?“ verlangte Hubert P. Poulsen zu wissen. Er schien es bereits zu wissen und drehte sich zu seinem Sohn um. „Na und!?“ Martin Poulsen lächelte dünn. „Ich wollte kein Risiko eingehen.“ „Dafür bist du es doppelt eingegangen“, sagte Hubert P. Poulsen ärgerlich. „Es gibt elegantere Methoden. McAllister, warum konnten Sie Martin nicht bremsen? „ McAllister verzichtete darauf, eine Antwort zu geben. Er ging von der Tatsache aus, daß Poulsen Bescheid wußte. Martin Poulsen überlegte nie lange und war schließlich der Sohn des Chefs. McAllister verstand nicht, wieso Poulsen sich das alles von seinem Sohn bieten ließ. Martin ließ kaum eine Gelegenheit aus, seinen Vater zu provozieren. „Man hätte es doch ruhig auf eine Gegenüberstellung ankommen lassen können“, redete Hubert P. Poulsen weiter. „Wir hätten schon für die notwendigen Entlastungszeugen gesorgt. Die ganze Geschichte wäre zumindest unentschieden ausgegangen.“ „Die Zeugen stehen schon bereit“, sagte Martin Poulsen. „Sie haben mich zur Zeit des Unfalls in Plymouth gesehen, und mein Triumph wird wohl schon aus der See gezogen worden sein.“ „Ist der Diebstahl bei der Polizei gemeldet worden?“ vergewisserte sich Poulsen. „Vor knapp einer Stunde, als Ihr Sohn angeblich gerade aus Plymouth zurückgekommen war.“ McAllister nickte. „Alles in bester Butter, Daddy.“ Martin lächelte seinen Vater ironisch an. „Doppel abgesichert. Die Zeugen werden die Schnauze halten, und ich habe Leute, die mich in Plymouth gesehen haben. Nahtlos und dicht, oder?“ „Normalerweise ja.“ „Was soll das heißen? Nörgele doch nicht immer an mir herum; Daddy! Das macht mich ganz kribbelig. Kapier doch endlich, daß auch ich mal richtig schalten kann!“ „Du kennst Lady Simpson nicht.“ ,,Diese alte Schreckschraube? Die gehört doch ins Panoptikum.“ „Und du kennst Butler Parker nicht.“ „Worauf willst du eigentlich hinaus?“ Martin Poulsen winkte lässig ab. „Butler spielen nur noch in Komödien eine Rolle.“ „Sagen Sie ihm, daß er auf dem falschen Dampfer ist, McAllister! Ich hab's Ihnen ja per Telefon schon gestochen.“ „Raus mit der Sprache, McAllister“: stichelte Martin Poulsen. „Ich bin ja so schreckhaft.“ „Dieser' Butler hat sich drüben in den Staaten einen Namen gemacht. Selbst die Cosa nostra hat mächtig einstecken müssen, Martin.“ „Ausgeschlossen! Nur Gerüchte. Und diese alte Lady?“ „Ist eine Amateurdetektivin, die es faustdick hinter den Ohren hat.“ 26
„Und wegen dieser Typen macht ihr euch die Hosen voll?“ Martin Poulsen lächelte verächtlich. „Da geht man doch zur Tagesordnung über, wenn ihr mich fragt. In ein paar Tagen ist der dumme Unfall völlig vergessen. Den möchte ich sehen, der mir an den Karren fährt.“ *** Josuah Parker stieg aus seinem hochbeinigen Monstrum und sah sich den Nachtclub an. Hier war also Paul Alfers angestellt, der sich nach wie vor im Keller der Clintons befand und wahrscheinlich vor Angst Blut und Wasser schwitzte. Es war anzunehmen, daß auch die beiden Ganoven Fielding und Lanters hier angestellt waren. Ob dem tatsächlich so war, wollte Parker jetzt herausfinden. Er schritt würdevoll auf die große Backsteinvilla zu und visierte den Eingang zum Nachtclub an, als er eine bemerkenswerte Feststellung machte. Der Portier am Seiteneingang wurde plötzlich noch devoter, als er es ohnehin schon war. Er riß die Tür weit auf und dienerte, als zwei Männer herauskamen. Einer von ihnen war untersetzt und massig, der zweite schlank und von normaler Größe. Es schien sich um Vater und Sohn zu handeln, wie von den Gesichtern deutlich abzulesen war. Die Beleuchtung über dem Eingang war erfreulich gut, ein Irrtum also wohl kaum möglich. Beide Männer unterhielten sich mehr als angeregt miteinander. Sie schienen sogar zu streiten. Der junge Mann redete wütend auf den älteren Mann ein und gestikulierte dabei mit den Händen. Der ältere Mann zeigte kaum eine Reaktion. Parker hielt es für taktisch, richtig, erst mal hinter einem der parkenden Wagen in Deckung zu gehen. Sein stets wacher Instinkt sagte ihm, daß er auf eine interessante Spur gestoßen war. Die beiden Männer kamen dicht an ihm vorbei und steuerten einen Bentley an, der auf einem eigens reservierten Parkplatz stand, der mit Plastikketten vom übrigen Parkraum abgeteilt war. Leider schwiegen sie sich aus, als sie den Butler fast hautnah passierten. Und Parker wäre für ein Stichwort so dankbar gewesen. Der ältere Mann nahm am Steuer des Bentley Platz, der junge Mann setzte sich neben den Fahrer. Parker eilte zurück zu seinem Wagen. Es kündigte sich eine Verfolgung an, die wertvolle Aufschlüsse geben mußte. , Es war keine Schwierigkeit, dem Bentley zu folgen. Der nächtliche Betrieb auf den Straßen schirmte ihn gegen jede Entdeckung ab. Der Bentley, der sich genau an die Höchstgeschwindigkeit hielt, rollte fast majestätisch einen Hügel hoch und war plötzlich verschwunden. Er mußte scharf abgebogen sein. Parker fuhr ungeniert weiter, um nicht aufzufallen. Er passierte zu beiden Seiten der Straße eine Reihe prunkvoller Auffahrten, die zu Einzelvillen führten, die ihrerseits in gepflegten Parks lagen. Hier war das 27
Viertel der Bankkonteninhaber, die sich solch einen Luxus wie selbstverständlich leisten konnten. Parker entdeckte den Bentley hinter einem sich automatisch schließenden Gittertor. Der Wagen rollte über eine schmale Asphaltstraße zu einem am Hang stehenden Schlößchen und verschwand dann in einer Garage, die in den Hügel hineingebaut war. Parker hielt an und stieg aus. Wie zu erwarten, gab es am Torpfosten leider kein Namensschild. Die Bewohner dieser Häuser hatten es nicht nötig, sich Besuchern bekannt zu machen. Parker hatte sich selbstverständlich das Kennzeichen eingeprägt und so einen Anhaltspunkt, um den Wagenbesitzer zu ermitteln. Als er gerade wieder in sein Fahrzeug steigen wollte, kam ihm ein Mann entgegen, der ein Fahrrad an der Hand führte. Es war ein älterer Mann, der eine Art Uniform trug. Er gehörte einem privaten Wach- und Schutzdienst an. Parker lüftete ungemein höflich und gespreizt seine schwarze Melone und erkundigte sich nach einem gewissen Sir Wendham, der seiner Ansicht nach hier wohnen mußte. „Nee...“, erwiderte der Mann arglos. „Da drüben im Schlößchen wohnt Mister Poulsen.“ „Poulsen — Poulsen.“ Parker tat, als bemühe er sein Gedächtnis. „Mister Poulsen, der Rennstallbesitzer?“ „Nee, dem gehört ein Nachtclub unten an der Küste. Lovers Lane. Toller Laden.“ „Und Sir Wendham Haus liegt nicht an dieser Straße?“ „Nein, drüben auf dem anderen Hügel“, antwortete der Wachmann hilfsbereit. Parker wußte natürlich, wo besagter Sir Wendham wohnte. Er hatte dessen Namen nur als Lockmittel verwendet. Parker bedankte sich, stieg in seinen Wagen und fuhr davon. Während der Rückfahrt zu Mylady hatte er das sichere Gefühl, etwas unterlassen zu haben. Er fragte sich, warum er nicht eine Art Visitenkarte bei den Poulsens hinterlassen hatte. *** „Ich verstehe deine Nervosität nicht“, sagte Martin Poulsen zu seinem Vater. Die beiden Männer waren von der Garage aus durch einen Verbindungsgang hinüber in das eigentliche Haus gegangen. Es handelte sich um ein Schlößchen mit Erkern und Türmen. Hubert P, Poulsen hatte es vor einigen Jahren von dem letzten Vertreter einer Adelsfamilie gekauft und nach seinen Wünschen einrichten lassen. Ein Architekt hatte sich nach allen Regeln der Kunst ausgetobt und die etwas plüschige Inneneinrichtung herausgeworfen. Hubert P. Poulsen lebte jetzt zwischen Glas und Chrom und sehnte sich insgeheim nach dem alten Mobiliar, das wenigstens eine gewisse Wärme ausgestrahlt hatte. 28
Vater und Sohn hielten sieh im Erdgeschoß in einer großen Wohnhalle auf. Martin mixte sich an der reichhaltig bestückten Bar einen Drink und sah seinen Vater abwartend und einladend an. „Keinen Tropfen“, entschied Poulsen nachdrücklich. „Und was dich anbetrifft, Martin, solltest du deinen Konsum endlich mal drosseln. Du hast ja gesehen, wohin die Trinkerei führt.“ „Ich hab' eben Pech gehabt“, sagte Martin achselzuckend. „Die beiden Tramper hätten ja aufpassen können.“ „Eines Tages wird man dich mal erwischen, Martin.“ „Fehlanzeige.“ Martin Poulsen schüttelte den Kopf und nahm dann einen langen Schluck. „Da müssen die früher aufstehen. Dich haben sie ja damals auch nicht erwischt.“ „Laß die alten Geschichten!“ Hubert P. Poulsen winkte müde ab. „Damals hast du auch ein paar Weichen gestellt, oder? „ „Hör damit auf, Martin!“ „Ich hab's jetzt auch getan“, redete sein Sohn ironisch weiter. „Freu dich doch, daß der Sohn vom Vater gelernt hat...“ „Halt endlich den Mund!“ Hubert P. Poulsens Augen verengten sich. Es war ihm anzusehen, daß er sich nur mühsam beherrschte. „Ist ja schon gut, Daddy.“ Martin lächelte ironisch. „Ich weiß ja, daß du dich an die Affäre nicht gern erinnerst.“ „Eben“, gab Poulsen senior trocken zurück und griff nach dem Telefonhörer. „An deiner Stelle würde ich diese Affäre auch gründlich vergessen, Martin. Erinnere mich nicht zu oft daran. Ich hasse es, wenn man mich unter Dauerdruck setzen will.“ „Moment mal, soll das etwa eine Drohung sein?“ „Nur ein Hinweis“, erwiderte Hubert P. Poulsen und wählte bereits eine Nummer. Kurz nach dem Freizeichen wurde auf der Gegenseite abgehoben. McAllister meldete sich. „Haben Fielding und Landers sich schon gemeldet?“ erkundigte sich Poulsen. „Nichts. Sendepause. Vielleicht haben Sie 'ne Panne.“ „Aber sie müßten doch längst zurück sein, McAllister.“„ „Längst, Mister Poulsen. Sie sind überfällig. Wie Alfers. Auch der hätte sich längst zurückmelden müssen.“ ,,Kümmern Sie sich mal zuerst um Alfers“, entschied Poulsen, „der ist ja hier in Torquay. Rufen Sie mich sofort an, wenn Fielding und Lanters zurück sind! Ende!“ Er legte auf und baute sich vor dem Fenster eines kleinen Erkers auf. Von hier aus hatte er einen prächtigen Blick auf das Seebad an der Südwestküste der Insel. Doch Hubert P. Poulsen hatte nicht viel Zeit, diesen Blick zu genießen. Plötzlich platzte nämlich die Scheibe dicht vor seiner Nase auseinander, worauf Poulsen sich erstaunlich routiniert zu Boden warf und angestrengt auf das akustische Zeichen eines Schusses wartete. 29
Martin Poulsen hockte bereits hinter einem reichlich gepolsterten Sessel und sog scharf die Luft ein. Erstaunt registrierte er, daß er Angst hatte. *** „Vielleicht hätten Sie noch ein paar Fenster mehr zu Bruch gehen lassen sollen, Mister Parker.“ Agatha Simpson hatte wohlgefällig dem Kurzbericht ihres Butlers gelauscht. „Ich wollte nicht unnötig übertreiben, Mylady.“ „Gut, heben wir uns das für später auf, Mister Parker.“ Lady Agatha war einverstanden. „Darf ich mich höflich nach dem Befinden des Mister Alfers erkundigen, Mylady?“ „Kathy und ich haben dieses Subjekt mitgenommen. Es befindet sich zur Zeit im Heizungskeller des Gewächshauses, Mister Parker. Ich hoffe, Sie haben dagegen nichts einzuwenden.“ „Ich würde mich niemals erkühnen, Myladys Anordnungen zu kritisieren“, behauptete Parker würdevoll. „Alfers schwitzt vor Angst und sieht in mir wohl einen Vampir. Sie müssen ja geradezu Schreckliches über mich erzählt haben, Mister Parker.“ „Nur einige vage Andeutungen, Mylady.“ „In ein paar Stunden wird dieser Alfers reden“, fuhr Lady Agatha fort. „Als was muß ich ihm gegenüber erscheinen?“ „Ich war so frei, Mylady, Mister Alfers darauf zu verweisen, daß Mylady eine Liebhaberin von ,Arsen und Spitzenhäubchen' sind.“ „Du lieber Himmel! Das ist das Stichwort. Diese Rolle steht mir, Mister Parker.“ Agatha Simpson, Kathy Porter und Josuah Parker befanden sich seit einer Viertelstunde wieder zusammen im Haus von Mylady. Die Besitzerin und ihre Gesellschafterin hatten das hübsche kleine Haus der Clintons verlassen. Die mit Sicherheit zu erwartenden Nachforschungen sollten erbringen, daß sowohl das Ehepaar als auch Alfers verschwunden waren. So hatten Parker und Mylady es vorher verabredet. „Nun zu diesen Poulsens“, meinte Lady Simpson. „Ist einer von ihnen der Amokfahrer?“ „Dies, Mylady, läßt sich beweiskräftig nicht sagen.“ „Ich werde mir diese beiden Herren mal aus der Nähe ansehen, dann weiß ich Bescheid.“ „Noch in dieser Nacht?“ sorgte sich Kathy Porter scheu und beunruhigt. „Natürlich, Kindchen“, lärmte Mylady unternehmungslustig. „Was meinen Sie dazu, Mister Parker?“ „Ohne gewisse Vorbereitungen sollte man diesen Besuch sicher nicht machen, Mylady.“ 30
„Wieso?“ „Das kleine Schlößchen der Poulsens dürfte sehr gut bewacht werden. Darf ich mir die Freiheit nehmen, Mylady einen anderen Vorschlag zu unterbreiten?“ „Überraschen Sie mich!“ Sie funkelte ihn erwartungsvoll an. „Vielleicht sollten Mylady die Identifikation in aller Öffentlichkeit vornehmen.“ „Sehr gut!“ Agatha Simpson, war sofort einverstanden. „Das bringt eine bessere Wirkung.“ „Zumal in dieser Nacht noch mit diversem Besuch zu rechnen ist“, redete Josuah Parker weiter. „Nach dem hartnäckigen Wegbleiben der Herren Fielding und Lanters wird man mit Sicherheit hier erscheinen um Informationen zu sammeln.“ „Hört sich sehr anregend an, Mister Parker. Sie werden die entsprechenden Vorbereitungen treffen?“ „Mylady können sich auf meine bescheidene Wenigkeit verlassen“, versprach Parker gemessen. *** Reverend Summers war ein stämmiger Diener seiner Kirche und in seiner Freizeit ein leidenschaftlicher Kricketspieler. Er saß gegen 22.30 Uhr in seinem Arbeitszimmer und überdachte seine Sonntagspredigt. Der Raum befand sich in einem kleinen Pfarrhaus und war durch einen gedeckten Gang mit der alt-ehrwürdigen Kirche verbunden, die aus dem 17. Jahrhundert stammte. Reverend Summers hatte sich das Thema „Tätige Verzeihung“ vorgenommen und dazu schon eine Anzahl beachtenswerter Sätze niedergeschrieben. Er schreckte zusammen, als gegen die Fensterscheibe geklopft wurde. „Hier ist Miller“, meldete sich die Stimme seines Küsters. „Hören Sie, Reverend, drüben in der Kirche stimmt was nicht.“ Summers stieß sofort die beiden Fensterflügel auf und beugte sich nach draußen. „Ich komm da gerade vom Einhorn“, berichtete Miller aufgeregt, „und wie immer geh' ich also über'n Friedhof, weil das kürzer ist, denn dann brauch' ich nicht über die Kreuzung.“ „Wieviel haben Sie getrunken?“ fragte Reverend Summers streng. „Nur drei Gläser Ale“, behauptete Miller, ein schmächtiger, aber kräftiger Trinker. „Ich geh' also über'n Friedhof und hör' da aus der Sakristei so komische Geräusche.“ „Warten Sie!“ Reverend Summers war froh, daß er einen Moment mal nicht nachzudenken brauchte. Er schloß die beiden Fenstern, langte nach seinem Kricketschläger und war knapp eine Minute später draußen neben Miller. „Sehen und hören wir uns das mal an“, entschied er. „Wehe Ihnen, Miller, wenn Sie phantasiert haben!“ „Ich hab's genau gehört. Ehrlich. Ich schwöre!“ 31
„Halten Sie den Mund!“ Reverend Summers übernahm die Führung und marschierte mit Riesenschritten auf die kleine Kirche zu, die er wie ein Kleinod hütete. Er hatte die Tür zur Sakristei noch nicht ganz erreicht, als er sicher war, daß sein Küster richtig gehört hatte. In dem Raum rumorte es, auch waren die Fetzen eines Liedes zu hören, das nun wirklich nicht an diesem Ort angebracht war. Dieses Lied zeichnete sich durch eindeutige Anspielungen und gewisse Frivolitäten aus. Es ging einwandfrei um eine Frau, die etwas mehr als nur ihre Beine zeigen sollte. Reverend Summers gab sich ganz dem inneren Sturm der Entrüstung hin. So etwas wie ein heiliger Zorn erfaßte ihn. „Sperren Sie auf, Miller“, sagte er und trat zur Seite. Miller nickte und benutzte seinen Reserveschlüssel. Er öffnete die Tür und ließ dem Geistlichen dann den Vortritt. Summers erfaßte mit einem einzigen schnellen Blick die Lage. Zwei augenscheinlich total betrunkene Männer hatten es sich in der Sakristei bequem gemacht. Einer von ihnen saß halb im geöffneten Schrank und brüllte sein Lied. Der zweite Mann breitete erfreut die Arme aus und wollte den Reverend stürmisch begrüßen. Es roch penetrant nach Alkohol und Bier. Daß es sich keineswegs um eine Sinnestäuschung handelte, vermochte Reverend Summers klar zu erkennen. Auf dem Umkleidetisch stand eine leere Flasche Whisky, auf dem Boden lagen leere Bierflaschen. „Hallo, Schwarzkittel“, rief Lanters dem Reverend fröhlich entgegen. „Wie war's denn mit 'nem kleinen Schluck?“ „Mitsingen...“ grölte Fielding aus dem Schrank heraus. „Wir machen 'n Faß auf, Junge.“ „Das ist Frevel!“ donnerte Summers und hob den Kricketschläger. „Mein Zorn soll euch treffen.“ „Reg' dich wieder ab, Schwarzkittel“, rief Lanters versöhnlich. „Komm in meine Arme!“ Reverend Summers holte mit dem Schläger aus und ließ ihn gegen Lanters' Hüfte fahren. Der Gangster schnappte nach Luft und wütete dann los. Er wollte den Reverend angreifen, doch er stand nicht auf sicheren Beinen. Unter den harten Schlägen rutschte er in sich zusammen und kroch eiligst zum Schrank hinüber, um bei Fielding Schutz zu suchen. Fielding hatte sich inzwischen mühsam erhoben und fühlte sich veranlaßt, etwas für den Schutz seines Partners zu tun. Er griff nach einer Fahnenstange, die zwischen Schrank und Wand in einer Ecke stand. Er hätte es besser nicht getan. 32
Reverend Summers blockte mit seinem Kricketschläger den ihm zugedachten Schlag ab und klopfte dann energisch nach Fielding, der an der Stirn getroffen wurde. Als Reverend Summers erneut zulangen wollte, fiel sein Küster Miller ihm verzweifelt in den Arm. Er kannte die streitbare Art seines geistlichen Herrn. Reverend Summers war jedoch nicht mehr aufzuhalten. Lanters hatte sich inzwischen von seinem ersten Schock erholt und fiel Summers an. Er wäre besser im Schrank beblieben. Der Kricketschläger wirbelte ungemein gekonnt durch die Luft und trieb die beiden Gangster zurück zum Schrank. Lanters und Fielding sahen schnell ein, daß sie gegen Summers nichts auszurichten vermochten. Sie beeilten sich, schleunigst im Schrank Deckung zu suchen. Sie zwängten und drängten sich vor der Tür, während die Hiebe auf sie einprasselten. Dann hatten sie es endlich geschafft. Miller, geistesgegenwärtig, warf schnell die schwere Schranktür zu und blieb mit ausgebreiteten Armen davor stehen. „Reverend...“ schrie er, „Stop! Üben Sie Nächstenliebe!“ „Und holen Sie die Polizei“, sagte Summers keuchend. „Holen Sie sie schnell, Miller, bevor ich mich wieder vergesse!“ Miller duckte sich und verschwand unter dem ausgestreckten rechten Arm des Geistlichen. Dann rannte er hinüber ins Pfarrhaus und alarmierte die Polizei. *** Paul Alfers schluckte vor Aufregung, als er Schritte hörte. Die verrückte Lady, dachte er prompt. Ängstlich starrte er auf die Tür des Heizungskellers, die sich quälend langsam öffnete. War Agatha Simpson gekommen, um ihn umzubringen? Verzweifelt bäumte er sich auf, doch die Stricke gaben nicht einen Millimeter nach. Paul Alfers saß in einem engen Heizungskeller, der nur sehr sparsam beleuchtet war. Unter der Decke mühte sich eine schwache Glühlampe ab, etwas Licht zu verbreiten. Lady Simpson erschien auf der Bildfläche. Paul Alfers stöhnte auf. Es war tatsächlich soweit. Sie wollte ihn ins Jenseits befördern. Nicht umsonst hielt sie eine Karaffe in der Hand, in der eine rubinrote Flüssigkeit schimmerte. „Wie fühlen Sie sich, junger Mann?“ erkundigte sich Agatha Simpson betulich und freundlich. „Ich habe eine kleine Erfrischung mitgebracht, wie Sie sehen.“ Sie hob die Karaffe an und zeigte auch ein kleines Likörglas. „Ich brauche keine Erfrischung“, stotterte Paul Alfers schnell und schüttelte abwehrend den Kopf. „Ich habe keinen Durst.“ 33
„Ein kleiner Schluck kann nie schaden“, erklärte Mylady und kicherte. Sie zog den Stöpsel aus dem schlanken Hals der bauchigen Kristallflasche. „Ich habe den Likör selbst zubereitet. Sie wollen mich doch nicht beleidigen, oder?“ Sie füllte das Likörglas und schnupperte daran. Sie schloß verzückt die Augen und näherte sich dem Gangster. Paul Alfers glaubte fest daran, es mit einer Geisteskranken zu tun zu haben. Er glaubte an Arsenik und Zyankali. „Nein ... Nein“ , stammelte er und drehte den Kopf zur Seite. „Ich mag keinen Likör.“ „Sie werden anders darüber denken, wenn Sie erst mal probiert haben“, versicherte Agatha Simpson ihm freundlich. „So etwas kam noch nie über Ihre Lippen.“ Alfers rollte sich zur Seite und strampelte mit den Beinen. „Warten Sie, ich werde Ihnen helfen“, redete die Detektivin weiter. „Ich werde Sie aufrichten, dann können Sie besser trinken.“ „Ich will nicht!“ Alfers preßte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Er verfluchte in diesem Moment einen gewissen McAllister, der ihn auf diese verrückte Frau gehetzt hatte. Er wimmerte entsetzt, als Lady Simpson erstaunlich fest zufaßte und seinen Oberkörper aufrichtete. Alfers pendelte zur Seite und wollte sich losreißen, schaffte es aber nicht. Lady Simpson ließ nicht los, wonach sie mal gegriffen hatte. „Sie werden sich wunderbar fühlen“, verhieß sie ihm. „Wie die beiden anderen Herren, die kosteten ...“ Alfers stieß mit den gefesselten Beinen nach der älteren Dame und schnaufte vor Erleichterung, als das gefüllte Glas aus ihrer Hand kippte und auf dem Steinboden zerschellte. „Sie sind ungezogen“, stellte Mylady fest, „wollen Sie unbedingt aus der Flasche trinken?“ „Nein! Ich brauche ein Glas.“ Alfers ging es darum, Zeit herauszuschinden. „Ich brauche ein Glas, Mylady. Ein Gentleman trinkt nicht aus der Flasche.“ „Sie sind zwar ungezogen, aber Sie haben Manieren“, stellte Lady Agathe fest. „Ich werde ein Glas holen. Gedulden Sie sich einen Moment, ich bin gleich wieder zurück.“ Sie nickte ihm freundlich zu und verließ den Heizungskeller. Paul Alfers entspannte sich und atmete erleichtert auf. Um wenig später zusammenzuzucken, als Butler Parker den Keller betrat. Er wirkte nervös und besorgt zugleich. „Schnell“, sagte er. „Sie wird gleich wieder hier sein.“ Er beugte sich über Alfers und band dessen Füße los. Dabei sah er immer wieder besorgt zur Tür hinüber. „Sie wird Sie umbringen“, sagte er bedrückt, „wie die anderen. Schnell! Versuchen Sie, unterwegs die anderen Stricke loszuwerden, sonst reicht die Zeit nicht mehr ... Beeilen Sie sich!“ 34
Parker nahm Alfers an der Schulter und führte ihn ungemein rasch aus dem Heizungskeller, hinauf über eine Treppe und dann in das eigentliche Gewächshaus. Er öffnete die Tür, spähte ins Freie und drehte sich zu Alfers um. „Sie kommt dort drüben. Schnell!“ Alfers schob sich an Parker vorbei und verschwand in der Dunkelheit Stolpernd und sich wieder aufraffend wie von Furien gehetzt, jagte er durch den großen Park und erreichte endlich einen Zaun, den er nur mühsam überwinden konnte. Dann ließ er sich auf der anderen Seite auf einen schmalen Kiesweg fallen und rannte der Geborgenheit und Sicherheit entgegen. Sein Ziel war der Nachtclub Lovers Lane. *** „Mylady haben eine eindeutige Begabung für dramatische Rollen“, stellte Parker fest, als er zu Agathe Simpson zurück ins Gewächshaus gekommen war. Agatha Simpson hatte sich während der Flucht von Paul Alfers hinter wuchernden Büschen verborgen gehalten, denn die Flucht des Gangsters war geplant gewesen. „Was wird dieses Subjekt jetzt tun?“ fragte die Sechzig jährige und hob die Kristallkaraffe ungeniert an den Mund um einen kleinen Schluck zu nehmen. „Mister Alfers wird sich auf dem schnellsten Weg zurück in den Club begeben, Mylady.“ „Dann kann es doch nicht mehr lange dauern, bis man hier erscheinen wird, oder?“ „Gewiß, Mylady. Die Gegenseite wird nicht lange auf sich warten lassen.“ „Ich fühle, daß die Gegenseite mit den Poulsens identisch ist, Mister Parker.“ „Dies, Mylady, wird sich bald eindeutig feststellen lassen. Wenn ich mich jetzt entschuldigen darf.“ „Sie wollen dieses Subjekt beschatten, Mister Parker?“ „Eine Unterhaltung mitverfolgen, Mylady. Als ich Mister Alfers' in Freiheit setzte, war ich so ungeniert, ihm einen Miniatursender mitzugeben.“ „Ich werde selbstverständlich mitkommen, Mister Parker.“ „Darf ich mich erkühnen, Mylady einen anderen Vorschlag zu unterbreiten?“ „Und der wäre?“ Sie sah ihn mißtrauisch an. „Es ist damit zu rechnen, daß irgendwelche Besucher beabsichtigen werden, heimlich ins Haus einzudringen. Vielleicht braucht Miß Porter dann eine führende und lenkende Hand ...“ „Überredet“, gab Lady Simpson, sofort zurück, „aber wehe Ihnen, es passiert nichts!“ „Mylady dürfen beruhigt sein. Die Gegenseite muß einfach hier erscheinen, da die Herren Fielding und Lanters sich mit Sicherheit noch nicht zurückgemeldet haben.“ „Was mag aus ihnen geworden sein?“ 35
„Die beiden Gangster dürften jetzt bereits in einer Ausnüchterungszelle der Polizei sein“, vermutete der Butler. Er brachte Lady Agatha durch den dunklen Park hinüber zum Haus, wo Kathy Porter bereits wartete. Dann verabschiedete der Butler sich von beiden Damen, setzte sich ans Steuer seines hochbeinigen Wagens und fuhr hinunter in die Stadt. Der Nachtclub war selbstverständlich noch geöffnet. Die Zahl der parkenden Wagen auf dem großen Platz vor dem Club hatte abgenommen. Die kleineren Wagen waren nicht mehr zu sehen. Beherrschend auf dem Parkplatz waren jetzt die großen und teuren Autos. Der Betrieb hatte sich von der Diskothek hinauf in den eigentlichen Club verlagert. Parker blieb in seinem Wagen sitzen und schaltete das Bordradio ein. Durch das Umkippen eines versteckt angebrachten Schalters ging er auf die Empfangsfrequenz, die mit dem Miniatursender korrespondierte. Er mußte etwa zehn Minuten warten, bis endlich eine energische Stimme zu hören war. „Endlich, Alfers! Wo haben Sie denn gesteckt? Und wie sehen Sie aus? Hat man Sie durch die Mangel gedreht?“ „So ungefähr“, erwiderte die Stimme, die eindeutig zu Alfers gehörte. „Ich kann verdammt von Glück sagen, daß ich überhaupt noch lebe, McAllister,“ „Was ist passiert?“ Stühle rückten, eine Flasche wurde geöffnet, das gluckernde Füllen von Gläsern war zu hören. Der Minisender, den Parker Alfers mitgegeben hatte, zeichnete sich durch nuancengetreue Wiedergabe aus. Alfers berichtete dann von seinen Erlebnissen. Parker wunderte sich nicht, daß der Gangster diese Geschichte reichlich ausschmückte. Selbst McAllister, der Manager des Clubs, schien das so zu empfinden, Er unterbrach den Märchenerzähler. „Wo steckt das Ehepaar Clinton?“ wollte er wissen. „Verschwunden“, sagte Alfers, „und ich kann mir auch genau vorstellen, wer das besorgt hat.“ „Diese Lady ...?“ „Und der Butler“, fügte Alfers hinzu, „die haben das Ehepaar aus der Schußlinie gebracht.“ „Sieht tatsächlich so aus“, gab McAllister zurück. „Und die Lady und ihr Butler sind also wieder hier in Torquay. Interessant!“ „Waren Fielding und Lanters nicht hinter ihnen her?“ „Die sind wie vom Erdboden verschwunden“, sagte der Clubmanager, „und das geht auf das Konto der Lady.“ „Und des Butlers“, fügte Alfers erneut hinzu. „Ob die alte Lady Fielding und Lanters umgebracht hat?“ „Unsinn!“ McAllisters Stimme klang nicht sehr überzeugt. „Ist bei ihr wirklich 'ne Schraube locker?“ „Eine Schraube!? Das ganze Uhrwerk ist im Eimer“, behauptete Alfers nachdrücklich. „Das ist'n Fall für die Polizei.“ 36
„Zuerst ist das mal ein Fall für uns. Ich muß sofort den Chef anrufen. Was machen die Hände?“ „Geht schon wieder, McAllister. Ich konnte die Stricke unterwegs an 'ner Mauerecke losscheuern, aber dabei sind ein paar Hautfetzen mit runtergegangen.“ „Gehen Sie rüber ins Personalhaus“, entschied der Clubmanager. „Ich sag' Ihnen rechtzeitig Bescheid, wie der Chef entschieden hat.“ Parker hörte das Rücken eines Sessels, Schritte und das Öffnen und Schließen einer Tür. Dann wurde eine Telefonwählscheibe bewegt, dann folgte ein nervöses, erwartungsvolles Hüsteln. „Hier McAllister“, meldete sich der Clubmanager. „Alfers ist gerade zurückgekehrt, Chef. Ziemlich angeschlagen. Er wurde in der Villa der alten Schreckschraube zurückgehalten. Er meint, die Alte sei verrückt. Wie? In Ordnung, werde ich sofort veranlassen ... Ich denke, vier Leute werden reichen. Wir fahren sofort los. Natürlich hab' ich verstanden. Wir lassen sie ein paarmal die Treppe 'runterfallen. Soll uns ein Vergnügen sein ... Ende!“ Josuah Parker schaltete das Bordradio ab und stieg aus dem Wagen. Während er auf den Club zuschritt, griff er sicherheitshalber nach den diversen Kugelschreibern, die in seinen zahlreichen Westentaschen steckten. Er hatte die Absicht, McAllister und anderen Leuten eine Abwechslung zu bieten. *** Es waren drei Typen von der finsteren Sorte, die aus dem Personalhaus kamen. Dieser vom Club getrennt stehende Bau war in früheren Jahren eine große, anderthalbstöckige Remise gewesen, in der Pferdewagen und Autos untergebracht waren. Jetzt enthielt dieser Trakt kleine Wohnungen, in denen die Angestellten des Clubs wohnten. Josuah Parker hatte den Parkplatz vor dem Nachtclub längst verlassen und lustwandelte um das Haus herum. Er blieb an der Ecke stehen und beobachtete die drei finsteren Knaben, die aus dem Haus kamen. Sie sahen aus wie Rausschmeißer und waren es wohl auch. Eine Diskothek, wie Poulsen sie betrieb, brauchte wahrscheinlich starke Arme, um Ruhe und Ordnung zu garantieren. Wahrscheinlich besaß Poulsen hier in Torquay auch noch andere Unternehmungen, für die diese Männer tätig waren. Was dies anbetraf, wollte Parker sich noch im Lauf des kommenden Tages informieren. Die drei Männer verschwanden in einem Ford und preschten los, als gehörten sie zur Feuerwehr. Parker war nicht gewillt, diese Raserei zuzulassen. Er hatte sich aus seinem hochbeinigen Wagen einige Krähenfüße mitgebracht. Es handelt sich um kreuzweise verschweißte und lange Stahlnägel, deren Enden spitz wie Nadeln waren. 37
Er streute ein halbes Dutzend dieser Krähenfüße freigebig über den Weg und nickte zustimmend, als diese Reifenfresser sich dem Feinkies anpaßten und kaum zu sehen waren. Inzwischen preschte der Ford heran. Parker wußte instinktiv, daß diese drei Männer losgeschickt worden waren, Lady Simpson einige Male über die Treppe zu werfen. Die Ankündigung dazu war über den Mini-Sender eindeutig gewesen. Der Fahrer sah die Krähenfüße nicht. Er rauschte in sie hinein und hatte dann Mühe, den schlingernden Wagen abzufangen. Was mit der Luftleere in vier Pneus zusammenhing, wie die drei Schlägertypen wenig später entdeckten. Sie entdeckten aber auch die Krähenfüße und stimmten in einen Chor ausgesuchter Flüche ein. Josuah Parker bekam davon allerdings nicht viel mit, denn er war bereits zurückgegangen und setzte sich ans Steuer seines Wagens. Natürlich würden die drei Schläger in einen anderen Wagen umsteigen und vor Myladys Villa erscheinen. Dies wollte der Butler sich auf keinen Fall entgehen lassen. Er hatte gegen Abwechslung dieser Art nichts einzuwenden. *** Sie kamen durch den Garten und spielten Indianer, huschten von Strauch zu Busch und dann wieder von Busch zu Strauch. Sie benutzten die Baumstämme als Deckung und arbeiteten sich an die Villa der Lady Simpson heran. Daß die Villa bewohnt war, zeigte das Licht hinter diversen Fenstern. Die drei Schläger hatten sich mit Kabelenden ausgerüstet und verfügten auch über Schußwaffen. Aber sie hatten strikte Anweisung, keinen Mord zu begehen. Es sollte bei einem längeren Krankenhausaufenthalt für die Bewohner der großen Villa bleiben. Josuah Parker sah die nächtlichen Eindringlinge sehr gut. Er hatte es sich auf dem starken Ast einer Ulme bequem gemacht und hielt seinen Universal-Regenschirm schußbereit. Bei diesem Schirm handelte es sich im Grund um ein geschickt getarntes Blasrohr, wie es von den Ureinwohnern des Amazonas verwendet wird. Parker verschoß durch dieses Blasrohr bunt gefiederte Pfeile, die etwa stricknadelgroß und deren Spitzen besonders präpariert waren. Dieses Präparat stammte aus der Hexenküche der Chemie und verursachte nach dem Eintauchen in Gewebe und Muskeln ein unbezwingbares, plötzliches Schlafbedürfnis. Es verursachte selbstverständlich keine gesundheitlichen Schäden, darauf hatte Parker bei der Auftragserteilung zur Herstellung des Präparates besonders geachtet.
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Verschossen wurden die Blasrohrpfeile durch CO2-Patronen, wie man sie für Luftgewehre erhält. Parkers Treffsicherheit war schon fast bestürzend gut. Er überbrückte zielsicher Distanzen von 30-35 Metern. Der Butler saß also äußerst bequem -auf einem Ulmenast und beobachtete den nächtlichen Einsatz der drei finsteren Typen. Er hatte sich den genau richtigen Baum ausgesucht, was für seine taktische Begabung sprach. Er war von der Annahme ausgegangen, daß die drei Einbrecher versuchen würden, auf dem Umweg über die Kellerräume ins Haus einzudringen. Dazu hatte der Butler eines der relativ großen Kellerfenster einladend geöffnet. Eine Schubkarre aus dem Gewächshaus, eine Schaufel, sowie einige Wassereimer und eine Schlauchrolle schufen die Illusion, daß hier tagsüber gebaut wurde. Selbst primitive Schläger waren mißtrauisch und mußten eine entsprechende Motivation finden. Sie sahen natürlich die Baustelle und hielten genau auf sie zu. Sie beratschlagten einen Moment miteinander und kamen wohl zu dem Schluß, daß es sich nicht um eine Falle handelte. Das Arbeitsgerät tat seine Wirkung. Sie krochen nacheinander durch das Kellerfenster in die Villa. Als der letzte einstieg, ließ der Butler einen Blasrohrpfeil frei. Die bunt gefiederte .Stricknadel' bewegte sich blitzschnell und lautlos durch die Luft und ... bohrte sich in die linke Schulter des Mannes. Der Mann fühlte sich nur unwesentlich belästigt, zuckte zwar zusammen, ließ sich aber nicht davon abhalten, seinen beiden Partnern zu folgen. Parker konnte sich vorstellen, was jetzt im Keller passierte. Er stieg gemessen und durchaus würdevoll von der Ulme... *** Sie marschierten durch den Keller. Der erste Mann leuchtete mit seiner Taschenlampe die Stahltür an, deren Schlüssel im Schloß steckte, demnach also nicht abgeschlossen sein konnte. Der zweite Mann folgte auf Zehenspitzen, wog das Kabelende genießerisch in der rechten Hand und fuhr zusammen, als hinter ihm ein dumpfer Fall zu hören war. Er machte sofort kehrt und sah im Widerschein des Lichtes der Taschenlampe, daß der dritte Mann zu Boden gegangen war. „Hoppla...“ sagte der zweite Mann, doch der dritte reagierte nicht und zappelte nur seltsam mit seinen Füßen auf dem Boden herum, als sei er daran interessiert, den Beton aufzuscharren. Der erste Schläger war nun ebenfalls aufmerksam geworden und trat neben seinen Partner. ,-,Was is' denn mit dem los?“ fragte er. „Keine Ahnung!“ Der zweite Mann beugte sich zu seinem Partner hinunter und rüttelte ihn an der Schulter. 39
Kein Reaktion. „Hier stimmt doch was nicht“, stellte der erste Eindringling scharfsinnig fest. „Eben war er doch noch völlig in Ordnung ...“ „Indianer!“ bemerkte der erste Schläger. Er hatte erst vor kurzem einen Abenteuerfilm gesehen, der in Südamerika spielte. Er kannte sich aus. „Indianer...“ Der zweite Schläger sah seinen Partner verächtlich an. „Extra für uns wohl eingeflogen, wie?“ „Das is'n Blasrohrpfeil... Und der is' vergiftet!“ „Dann is' das ja...“ .....'ne Falle“, lautete die Antwort. Beide Schläger fuhren hoch und rannten aus dem Stand heraus zurück zum Kellerfenster, um im letzten Moment noch etwas für ihre Freiheit zu tun. Doch es war bereits zu spät... Das Kellerfenster an sich war zwar noch geöffnet, aber das schwere Einsetzgitter davor war eine Tatsache, an der es nichts zu rütteln gab. Was sie zwar ausgiebig versuchten, ohne jedoch etwas auszurichten. Parker hatte die Verwirrung der Schläger genutzt, das schwere, daumendicke Gitter wieder einzuhaken und zu verschließen. Der Verschluß bestand aus einem Vorhängeschloß modernster Bauart. Ohne einen noch moderneren Bolzenschneider war hier nichts zu machen. Die beiden Schläger sahen sich kurz an und rannten dann quer durch den Keller hinüber zur Stahlblechtür. Daß sie dabei ziemlich rücksichtslos über den dritten Mann trampelten, merkten sie gar nicht. Der erste Schläger riß die Tür auf. Das heißt, er versuchte es, doch der Erfolg war wenig befriedigend. Die Tür saß unverrückbar im Rahmen fest. „Der Schlüssel, du Niete!“ Der zweite Mann griff an seinem Partner vorbei und drehte den Schlüssel im Schloß herum. Dann klinkte er auf und ... richtete ebenfalls nichts aus. „Die is' von außen zugeriegelt“, stellte der erste Schläger fest. „Jetzt haben wir den Salat...“ „Und McAllister hat behauptet, daß wär' für uns nur'n Spaziergang“, beschwerte sich der zweite Schläger. „Dem werd' ich was erzählen, -wenn ich ...“ „Erst mal 'rauskommen“, sagte der Partner, ihn unterbrechend. „Aber im Moment sieht's verdammt finster aus.“ Während er noch sprach, leuchtete er mit seiner Taschenlampe den Keller ab. Es gab Holzstellagen, alte Kisten und auf den Stellagen Konservendosen und Flaschen. Die beiden Männer marschierten auf die Vorräte zu und wurden von einer Whiskyflasche magnetisch angezogen. „Ob die vergiftet ist?“ fragte der zweite Schläger, sie in der Hand wiegend. „Vergiftet! So'n Quatsch ... Sieh' dir doch mal den Verschluß an! Völlig in Butter. Die Flasche war noch nie auf.“ 40
„Gegen 'nen Schluck auf den Schreck hin hätt' ich nichts einzuwenden“, meinte der Besitzer der Flasche und öffnete den Verschluß. „Übertreib's aber nicht“, warnte der erste Schläger. Er gönnte seinem Partner ein paar kräftige Schlucke, riß ihm dann aber die Flasche von den Lippen. Er genehmigte auch sich einen Schluck auf diesen Schreck in der Nacht und stellte die Flasche behutsam weg. „Müssen wir nicht was für ihn tun?“ tippte er dann an und zeigte auf den dritten Mann am Boden. Sie gingen zu ihm hinüber und knieten neben ihm nieder. Als sie sich gemeinsam über ihn beugten, hatten sie bereits das Gefühl, in einer wild bewegten Schiff Schaukel zu sitzen. Der Whisky aus der Orginalflasche hatte es sehr in sich ... *** McAllister ließ das Telefon nicht aus den Augen. Endlich mußten die drei Schläger doch anrufen und melden, daß alles reibungslos über die Bühne gegangen war! Aber im Grund wußte der Clubmanager bereits, daß die Sache nicht geklappt hatte. Wahrscheinlich mußte er auch diese drei Schläger abschreiben, wie Fielding und Lanters, von denen immer noch keine Lebenszeichen vorlagen. McAllister hatte Kette geraucht und kippte den überfüllten Aschenbecher im Papierkorb aus. Er stand auf und stellte sich an eines der beiden Bürofenster. Der Club hatte inzwischen geschlossen, der Parkplatz war leer. McAllister kam sich sehr einsam und verlassen vor. Und er fragte sich ungeniert, ob die Poulsens überhaupt noch die richtigen Arbeitgeber für ihn waren. Poulsen junior hatte' jetzt wohl endgültig den Bogen überspannt. In der Vergangenheit hatte er sich ohnehin schon genug geleistet, nämlich Schlägereien. Körperverletzungen, einige Frauenaffären und dann noch ein paar Autounfälle. Die beiden Tramper aber, die er überfahren hatte, ließen das Faß überlaufen. McAllister zweifelte, ob Poulsen senior überhaupt noch in der Lage war, diese Affäre hinzubekommen. Die Poulsens schienen endlich an den richtigen Gegenspieler geraten zu sein. Natürlich hatte nicht McAllister veranlaßt, die Augenzeugen unter massiven Druck zu setzen. Das alles war die Idee von Poulsen junior gewesen. Er, McAllister, hatte sich Martin Poulsen nur beugen müssen. Er hatte nur noch nachträglich das absegnen können, was Martin Poulsen spontan veranlaßt hatte. Ob Poulsen senior das wußte oder ahnte, war McAllister völlig gleich. Er spürte nur, wie sich ein dichtes und schweres Netz über ihren Köpfen zusammenzog. Aber konnte er noch aussteigen?
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Nein, das war ausgeschlossen. Poulsen würde ihn dafür mit seinem Haß verfolgen. Und ein Hubert P. Poulsen verfügte über Mittel genug, ihm ein Bein zu stellen. Was diese Lady und den Butler betraf, so schien er jedoch seine Meister gefunden zu haben. Und McAllister bedauerte dies noch nicht einmal. Er gönnte den Poulsens diese Abfuhr. Irgendwo gab es eine Grenze, wo man mit Geld die Dinge stets so hinbog, wie man sie haben wollte. Die Unruhe trieb ihn aus dem Büro, aus dem Club. Er setzte sich ans Steuer seines Wagens und fuhr hinauf zum Hügel. Natürlich wußte er inzwischen, wo sich die Villa der Lady Simpson befand. Er wollte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, was aus den drei Schlägern geworden war. Er minderte das Tempo seines Wagens, als er die Straße erreicht hatte, an die das Grundstück und der Park der Lady Simpson angrenzten. Die Villa lag dunkel und verlassen vor ihm. Die nähere Umgebung machte einen völlig normalen und friedlichen Eindruck. McAllister fuhr weiter und auf Umwegen zurück zum Club, in dem er ja wohnte. Er beschloß, sich gründlich zu betrinken und einmal alles zu vergessen. Er verzichtete darauf, bei den Poulsens vorbeizufahren, was er wohl besser getan hätte. Er kam dadurch um den Genuß gewisser Dinge, die sich ihm erst am frühen Morgen des kommenden Tages präsentierten. Wie übrigens auch den Poulsens. *** Hubert P. Poulsen war schon früh auf den Beinen. Die innere Unruhe hatte ihn aus dem Bett getrieben. Er hatte schlecht geschlafen und sich während langer Wachperioden immer wieder mit dieser Lady und einem gewissen Butler Parker befaßt. Er wußte im Gegensatz zu seinem Sohn sehr genau, mit welchen Gegnern sie es zu tun hatten. Poulsen hatte sich noch in der vergangenen Nacht zusätzliche Informationen besorgt. Freunde seiner Branche hatten ihm Dinge erzählt, die ihm Magendrücken verursacht hatten. Als Hubert P. Poulsen hinunter ins Erdgeschoß ging, um von seinem Arbeitszimmer aus noch vor dem Frühstück mit McAllister zu telefonieren, kam ihm ein Hausangestellter entgegen. Es handelte sich um einen schlanken, durchtrainiert wirkenden Mann von etwa 30 Jahren, der sein Leibwächter war. „Mister Poulsen. Draußen! Das müssen Sie sich ansehen!“ „Was ist los, Larry?“ fragte Poulsen und zwang sich zur Ruhe. „Alle beiden Tore zum Grundstück sind nicht aufzukriegen“, meldete Larry Keswich und grinste unverhohlen. „Was soll das heißen?“ „Wir brauchen 'nen erstklassigen Schlosser, um das zu schaffen. Vielleicht aber auch 'n Schweißgerät.“ „Red' endlich Klartext, Larry!“ 42
„Das kann man nicht beschreiben, Chef, das muß man mit eigenen Augen gesehen haben.“ *** Das Haupttor zu Poulsens Schlößchen war etwa meterbreit geöffnet, aber damit hatte es sich bereits. Zwei Männer hielten es mit ihren inzwischen weit ausgebreiteten Armen dennoch geschlossen. Und sie waren nicht in der Lage, das Tor freizugeben. Handschellen ketteten sie aneinander und jeweils an einen Torflügel. Die beiden Männer bildeten eine lebende Sperrkette und waren in entsprechender Laune. Es handelte sich um zwei der drei Schläger. Sie machten einen benommenen Eindruck und reagierten kaum, als Poulsen senior mit seinem Leibwächter Larry auf der Bildfläche erschien. „Das Seitentor ist auch so gesperrt“, berichtete Larry und grinste amüsiert. „Aber nur mit einem Mann.“ Poulsen trat dicht vor die beiden Schläger, die ihn aus leicht verglasten Augen ansahen. Sie waren entweder betrunken oder standen unter Drogeneinfluß. „Stellen Sie erst gar keine Fragen, Chef“, warnte Larry Keswich. „Die hören' überhaupt nicht zu. Die sind völlig down.“ „Schneidet sie ab“, befahl Poulsen senior gereizt. „Beeilt euch, bevor hier die Presse erscheint! Oder die Polizei! Ich will kein Aufsehen haben.“ „Zu spät!“ Larry Keswich genoß förmlich die Situation und deutete die Straße hinunter. „Presse und Polente rauschen an. An Ihrer Stelle, Chef, würde ich jetzt erst mal auf Tauchstation gehen.“ Poulsen senior folgte dem Rat seines Leibwächters und trabte im Schweinsgalopp zurück zum Schlößchen. Er hatte kein Interesse daran, sich mit Inspektor Mervins zu unterhalten. Genau der nämlich stieg aus dem Streifenwagen und eilte schnell zum Tor. Er kannte Mervins und wußte, daß dieser Beamte nur darauf wartete, ihn endlich mal festnageln zu können. *** „Sehr begabt, Mister Parker!“ Lady Simpson saß im Fond von Parkers hochbeinigem Monstrum und ließ sich an der Arbeitsstelle vorbeifahren. Josuah Parker stoppte seinen Wagen in Höhe der bewußten Stelle, damit Mylady jede Einzelheit genießen konnte. Ihr Lob bezog sich auf die beiden festgeschmiedeten Schläger, an deren Befreiung noch immer gearbeitet wurde. Bolzenschneider und Stahlfeilen hatten sich als wertlos erwiesen. Parkers Privathandschellen bestanden aus einer Legierung, wie sie normalerweise für die Herstellung von Handschellen nicht verwendet 43
wurde. Er hatte sich technisch von Metallurgen beraten lassen und verfügte über eine Werkstatt in London, die seinen Wünschen entsprechend arbeitete. Zwei Schlosser, flankiert von uniformierten Beamten, mühten sich mit einem Schweißbrenner ab, die Handschellen zu durchschneiden. Fotografen der örtlichen und überörtlichen Presse waren zahlreich vertreten und hielten dieses schon fast komische Ereignis auf ihren Bildern fest. Poulsen war schließlich kein Unbekannter und immer einer Schlagzeile wert. Inspektor Mervins, der sich mit Poulsen unterhalten hatte, kam gerade vom Schlößchen herunter, entdeckte den hochbeinigen Wagen des Butlers und winkte. „Haben Mylady die Absicht, diesen Vertreter der Behörden zu sprechen?“ erkundigte sich der Butler. „Versuchen wir doch, ihm die Würmer aus der Nase zu ziehen“, entschied Lady Simpson burschikos. „Laden wir ihn zu einer Tasse Tee ein, Mister Parker.“ Inspektor Mervins hatte inzwischen den Wagen erreicht und grüßte respektvoll. „Ich wollte ohnehin zu Ihnen, Mylady“, sagte er. „Genieren Sie sich nicht, junger Mann, steigen Sie ein!“ Lady Simpson nickte huldvoll. „Sie werden mir sicher sagen können, was hier passiert ist.“ „Das wissen Sie nicht, Mylady?“ Mervin sah Agatha Simpson forschend und irgendwie amüsiert an. „Man sieht zu wenig“, erwiderte die ältere Dame. „Stillen Sie meine Neugier, Inspektor, spannen Sie eine alte, kurzsichtige Frau nicht unnötig auf die Folter!“ „Es handelt sich um drei Männer, die man mit Handschellen an zwei Tore festgeschlossen hat“, sagte Inspektor Mervins. „Irgendwie originell. Finden Sie nicht auch?“ „Begabt“, antwortete Lady Agatha, „und um was für Männer handelt es sich?“ „Angestellte eines gewissen Mister Poulsen“, berichtete der Inspektor weiter. „Aber diesen Namen werden Sie sicher noch nie gehört haben.“ „Kennen wir ein Individuum dieses Namens?“ wandte die Detektivin sich über die Wagensprechanlage nach vorn an ihren Butler. „Wenn Mylady gestatten, werde ich darüber nachdenken“, lautete Parkers ungemein präzise Antwort. „Sie kennen auch nicht zwei Männer, die sich Fielding und Lanters nennen?“ „Sie überfordern mich geradezu, Inspektor. Was ist mit ihnen?“ „Sie wurden von einem recht streitbaren Reverend in der Sakristei einer Kirche überrascht. Sie waren total betrunken und randalierten. Sie befinden sich zur Zeit in einer Polizeizelle.“ „Die Manieren gewisser Leute werden von Tag zu Tag schlechter“, bedauerte die Detektivin. „Fielding und Lanters behaupteten, sie seien von einer angeblichen Lady Simpson und deren Butler niedergeschlagen worden“, sagte Inspektor Mervins deutlicher werdend. „Papperlapapp!“ Agatha Simpson sah den Inspektor grollend an. „Sie werden diesen Unsinn doch wohl nicht glauben, oder?“ 44
„Wie sollte ich, Mylady.“ „Ich könnte ja auch behaupten, ein gewisser Poulsen junior habe zwei Tramper zu Tode gefahren“, redete Agatha Simpson weiter. „Natürlich, Mylady. Sie wissen übrigens nicht, wo ich das Ehepaar Clinton finden kann?“ „Sie verwechseln mich mit einem Auskunftsbüro, junger Mann“, tadelte Lady Simpson lächelnd. „Ich denke, daß ich Sie und Ihren Butler, Mylady, vollkommen richtig einschätze. Sie führen einen Privatkrieg gegen die Poulsens, nicht wahr?“ „Welche Antwort erwarten Sie jetzt, junger Mann? Wollen Sie eine alte Frau provozieren?“ „Nur warnen“, antwortete Inspektor Mervins. „Hubert P. Poulsen ist, ganz unter uns, ein Gangster. Er wird letztlich auch vor einem Mord nicht zurückscheuen.“ „Verderben Sie mir nicht diesen wunderschönen Morgen, Inspektor! Das hört sich ja schrecklich an.“ „Darüber hinaus schätzen wir von der Polizei es nicht, wenn private Auseinandersetzungen dieser Art geführt werden.“ „Nehmen Sie eine Tasse Tee bei mir?“ fragte Agatha Simpson, das Thema wechselnd. „Sehr gern, Mylady. Vielen Dank für die Einladung! Der Triumph ist übrigens inzwischen gefunden worden.“ „Sie meinen die Tatwaffe?“ „Richtig, Mylady. Er wurde uns als gestohlen gemeldet und vor anderthalb Stunden aus der See gezogen. Er lag unterhalb der Ansteys Klippen im Wasser.“ „Und der Fahrer, Inspektor?“ „Bisher nicht gefunden.“ „Aber man muß ihn doch inzwischen kennen“, stellte Agatha Simpson gekonnt arglos fest. „Wie ist das noch, Mister Parker. Die Wagenkennzeichen müssen doch irgendwo registriert sein, nicht wahr?“ „Sehr wohl, Mylady“, gab Parker über die Wagensprechanlage von vorn zurück. Er bekam jedes Wort mit, das im Fond des Wagens gesprochen wurde. „Wir kennen den Besitzer des Triumph“, sagte Inspektor Mervins fast beiläufig. „Es handelt sich um einen gewissen Martin Poulsen.“ „Poulsen?. Nannten Sie eben nicht diesen Namen, Inspektor?“ „Genau, Mylady. Und Ihr Butler denkt darüber wahrscheinlich noch nach, wie?“ „Sehr wohl, Sir“, meldete Parker sich vom Steuer her. „Dann haben Sie doch diesen Amokfahrer, Inspektor“, schlußfolgerte Lady Simpson gekonnt naiv. „Oder wird er vermißt?“ „Er streitet ab, in dem Wagen gesessen zu haben. Ich kam eben von ihm.“ „Ich bin sicher, daß er über ein ausgezeichnetes Alibi verfügt, nicht wahr?“ „Er nannte uns eine Reihe von Augenzeugen, die ihn zur Tatzeit in Plymouth in einem Club gesehen haben wollen.“ 45
„Dann sind Sie nicht zu beneiden, Inspektor“, stellte Lady Simpson fest. „Wie wollen Sie diese Zeugenaussagen durchbrechen, falls dieser Martin Poulsen lügt?“ „Als Polizeibeamter sind mir in gewissem Sinn die Hände gebunden, Lady Simpson.“ Inspektor Mervins seufzte nun seinerseits gespielt auf. „Wie gut, Mister Parker, daß wir keine Beamte sind“, sagte Agatha Simpson fast fröhlich. „In der Tat, Mylady“, gab der Butler gemessen zurück. „Jeder Status hat seine Vor- und Nachteile, wenn ich es so ausdrücken darf.“ *** Hubert P. Poulsen war sichtbar in sich zusammengefallen. Er wußte sehr wohl, wem er die Blamage an den beiden Toren seines Grundstücks verdankte. Er wußte auch, daß dies eine fast schon übermütige, zumindest aber selbstbewußte Herausforderung darstellte. Lady Simpson und ihr Butler waren sich ihrer Sache vollkommen sicher und schienen Aktionen der Gegenseite nicht zu fürchten. Drei nicht gerade anfängerhafte Schläger waren wie die Gimpel in eine wohlgestellte Falle getappt und gründlich ausgeschaltet worden. Agatha Simpson und ihr Butler zeigten damit, daß sie sehr wohl wußten, wer der Amokläufer war. Vom Fenster seines Wohnraums aus hatte Hubert P. Poulsen das Losbrennen der drei Schläger vom Tor beobachtet. Schon in den Mittagsausgaben der Zeitungen war mit den entsprechenden Pressefotos zu rechnen. Die Blamage war vollkommen! Inspektor Mervins hatte den jungen Poulsen vernommen und kommentarlos dessen Behauptung zur Kenntnis genommen, daß er zur Tatzeit in Plymouth gewesen sei. Mervins hatte sich die Namen der angeblichen Augenzeugen aufgeschrieben, keine Fragen gestellt und war überraschend schnell wieder gegangen. Auch das hatte Hubert P. Poulsen nervös gemacht. Ein scharfes Verhör wäre ihm bedeutend lieber gewesen. Es hätte die Fronten in einem gewissen Sinn geklärt. „Was sagst du zu dem blöden Theater?“ hörte er hinter sich die Stimme seines Sohnes. Hubert P. Poulsen wandte sich langsam um und musterte seinen Sohn. »Wenn schon Theater, dann ein schlechtes für uns“, erwiderte Poulsen senior. „Du läßt dich von dem Gag mit den Handschellen aus dem Gleichgewicht bringen?“ Martin Poulsen lachte unsicher auf. „Die Lady und dieser Butler wissen genau, daß du der Fahrer bist. Ist dir das klar?“ „Na und?“ Martin Poulsen zuckte die Achseln. „Sollen Sie mich doch anzeigen. Ich habe Gegenzeugen.“ „Ich will dir mal etwas sagen, Martin, Lady Simpson und ihr Butler denken überhaupt nicht daran, sich an die Polizei zu wenden.“ „Ach nee! Seit wann machst du auf Prophet?“ 46
„Die werden dich auf eigene Faust schaffen, mein Junge.“ „Das wollen wir doch erst mal sehen, Daddy. Das alte Ehepaar wird ebenfalls für mich aussagen. Diese Clintons.“ „Sind verschwunden! Und weißt du auch, wer dafür gesorgt hat? Parker und die Lady!“ „Wenn schon, Daddy. Ich hab' ja noch immer dich. Du machst das schon.“ „Was soll das heißen?“ „Warum putzen wir den Butler und die Lady nicht einfach weg? Kleiner Unfall oder so. Mein Gott, du bist doch sonst nicht so zimperlich. Du mußt doch schon 'ne passende Idee haben, oder?“ „Wir dürfen uns nicht provozieren lassen, Martin. Das ist deine einzige Chance.“ „Wieso?“ „Parker und die Lady warten doch nur darauf, daß wir loslegen. Sie wissen genau, daß sie deine Zeugen kaum erschüttern können. Offiziell kann die Polizei überhaupt nichts ausrichten. Also werden Parker und die Lady eine andere Tour reiten.“ „Ich verstehe langsam.“ Martin Poulsen nickte. „Die wollen 'nen anderen, neuen Fall konstruieren, an dem sie uns aufhängen können.“ „Dich, Martin, dich!“ „Komm schon, Daddy! Wir sitzen doch in einem Boot. Du bist ja auch nicht gerade lupenrein.“ Hubert P. Poulsen maß seinen Sohn mit einem kalten Blick. Natürlich wußte er, worauf Martin anspielte. Diese Affäre lag zwar Jahre zurück, aber er konnte sie nicht vergessen. „Schon gut, schon gut, Daddy“, fügte Martin Poulsen schnell hinzu, als er den kalten Blick sah. „Reden wir nicht mehr davon. Gehen wir also auf Tauchstation.“ „Ab sofort werden wir Parker und die Lady übersehen“, faßte Hubert F. Poulsen . zusammen. „Wir lassen uns nicht provozieren, um das noch mal zu wiederholen, Junge. Halte dich daran, sonst haben wir mit Zitronen gehandelt.“ *** „Ein Irrtum ist ausgeschlossen“, stellte Lady Agatha fest. Sie nickte nachdrücklich und deutete auf Martin Poulsen, der gerade aus einem Rover stieg und auf ein Lokal zuging. Er wurde von einem langbeinigen Mädchen begleitet, das etwa 20 Jahre alt und modisch gekleidet war. Martin Poulsen wußte nicht, daß er beobachtet wurde. Er lachte seiner Partnerin zu und legte seinen Arm um ihre Schultern. Er tat sehr vertraut mit ihr. „Leute dieses Schlages scheinen kein Gewissen zu haben“, sagte Lady Simpson grimmig. „Halten Sie mich zurück, Mister Parker, sonst vergesse ich mich noch!“ „Wie Mylady wünschen“, gab Parker gemessen zurück, ohne natürlich etwas zu tun. „Mylady sind sich vollkommen sicher?“ 47
„Dieses Gesicht werde ich nie vergessen“, versicherte Lady Agatha ihrem Butler. „Ich würde darauf einen Eid ablegen.“ „Dann dürfte sich der Ring geschlossen haben“, erklärte Josuah Parker. „Aus Vermutung wird Gewißheit. Man sollte vielleicht Inspektor Mervins dahingehend informieren.“ „Papperlapapp! Was versprechen Sie sich davon?“ „Im Grunde nichts, Mylady. Aussage würde gegen Aussage stehen.“ „Eben, Mister Parker. Belästigen Sie mich also nicht mit diesen sinnlosen Vorschlägen!“ „Wie Mylady befehlen.“ ,,Sie nehmen schon wieder übel“, stellte Agatha Simpson fest. „Machen Sie mir lieber einen akzeptablen Vorschlag. Wie kann ich dieses verkommene Subjekt provozieren?“ „Es bieten sich da in der Tat einige Möglichkeiten an, Mylady.“ „Nicht wahr?“ Lady Agatha nickte erfreut. „Ich fühle mich äußerst angeregt, Mister Parker. Kommen Sie, lassen wir dieses Individuum nicht unnötig warten!“ Ohne sich weiter um ihren Butler zu kümmern, schritt sie energisch auf das Lokal zu. Parker sah Kathy Porter, die mit von der Partie war, ergeben an und folgte der Lady. Kathy Porter, wie üblich ein scheues und ängstliches Reh, folgte trippelnd dem Butler. Sie wußte, daß es wieder mal Schwierigkeiten geben würde. *** Agatha Simpson marschierte durch das elegante Lokal und steuerte auf den kleinen Tisch zu, an dem Martin Poulsen mit seiner Begleiterin saß. Die Lady, hier in Torquay natürlich wohlbekannt und auch ein wenig gefürchtet, hatte schon fast den Tisch erreicht, als sie abgelenkt wurde. Sie sah nach links hinüber und hatte das schreckliche Mißgeschick, mit der rechten Körperseite gegen Poulsens Tisch zu stoßen. Übrigens sehr nachdrücklich und auch durchaus gekonnt. Poulsen junior, der Mylady bisher nicht gesehen hatte, sprang blitzschnell hoch, als der Tisch umfiel. Er sprang allerdings nicht schnell genug. Der Inhalt zweier Drinks ergoß sich über seine Hosen. „Das bedaure ich unendlich“, entschuldigte sich Lady Agatha, sich jetzt erst an Poulsen und dessen Begleiterin wendend. „Hoffentlich haben Sie sich nicht verletzt? Mister Parker, würden Sie helfend eingreifen?“ Josuah Parker improvisierte aus dem Moment heraus, und er tat es gern. Er entpuppte sich als ein umständlicher Mann, der mit seinem Regenschirm nichts anzufangen wußte.
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Als er sich nach dem schräg auf einem Stuhl liegenden Tisch bückte, bohrte sich die Spitze seines Regenschirm sehr nachhaltig in die Magenpartie des jungen Amokfahrers. Martin Poulsen sprang zur Seite und geriet prompt unter die Kante des jetzt restlos zu Boden gehenden Tisches. Seine Zehen wurden deutlich in Mitleidenschaft gezogen. Er stieß einige wimmernde Schreie aus und verfärbte sich. Dabei war er so leichtsinnig, sich automatisch leicht zu verkrümmen und in der Mitte des Leibes qualvoll einzuknicken. Dadurch kam sein Kinn in den Nahbereich des Bambusgriffes, der zu Parkers Universal-Regenschirm gehörte. Martin Poulsens Unterkiefer knackte deutlich, als der bleigefütterte Bambusgriff sich auf den Knochen legte. Martin Poulsen wurde ein wenig schwach in den Beinen und fiel gegen die Wand. Parker, der den kleinen runden Tisch bereits wieder angehoben hatte, ließ ihn entsetz- und hilfsbereit zugleich wieder los. Worauf die Tischkante erneut auf die Zehen des jungen Amokfahrers knallte. „Sollte ich Sie inkommodiert haben?“ erkundigte sich der Butler bestürzt. „Niemand würde dies mehr bedauern als meine bescheidene Wenigkeit.“ Martin Poulsen war nicht in der Lage, auf diese höfliche Frage eine sachliche Antwort zu geben. Wütend und außer sich trat er leichtsinnigerweise nach Parker aus. Doch der Butler schien dies vorausgeahnt zu haben. Er hatte dafür gesorgt, daß Poulsens junge Begleiterin plötzlich vor ihm stand und ihn deckte. Sie schrie wütend auf, als ihre Kniescheibe getroffen wurde, und verabreichte Poulsen junior dann eine derart schallende Ohrfeige, daß Martin Poulsen erneut in Kontakt mit der Wand kam. „Aber ... Aber ...“ sorgte sich Lady Simpson, „Sie sind ja ein richtiger Flegel, Mister Poulsen! Wie können Sie sich an einer Dame vergreifen?“ Lady Agatha schwang diskret ihren Pompadour. So diskret, daß die Zuschauer im Lokal dies kaum bemerkten. Der Glücksbringer darin, ein veritables, echtes Hufeisen, legte sich auf die Nase des Amokfahrers, der daraufhin nur noch weinte und schimpfte. „Geschäftsführer!“ rief Agatha Simpson durch das Lokal. „Ich verlange den Geschäftsführer zu sprechen. Das braucht eine Lady Simpson sich nun wirklich nicht bieten zu lassen.“ Der Geschäftsführer eilte herbei und rang die Hände. Er kannte die Lady, er kannte aber auch Poulsen junior. „Setzen Sie diesen Flegel umgehend an die frische Luft“, verlangte Agatha Simpson und deutete auf Poulsen junior, der vorsichtig seine schmerzende Nase abtastete.
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„Sehr wohl, Mylady.“ Der Geschäftsführer hatte abgewogen und eine Entscheidung getroffen. Er wandte sich an Poulsen junior. „Sir, ich möchte Sie bitten, das Lokal zu verlassen.“ „Wie war das? Wohl wahnsinnig geworden, was? Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?“ „Ein Flegel“, schaltete Agatha Simpson sich sofort wieder ein, „ein Monster ... ein Lümmel...“ „Bitte, Sir, gehen Sie!“ Der Geschäftsführer meinte es gut, als er seine Hand ausstreckte, um Poulsen junior von der Wand zu helfen. Doch Poulsen mißverstand diese Geste und schlug zu. Er traf den Geschäftsführer seitlich am Kinn. Worauf Parker den hochgenommenen Tisch zum dritten Mal zu Boden gehen ließ. Die Tischkante krachte erneut auf die Zehen des jungen Amokfahrers, der aufsprang, als sei er von einer Tarantel gestochen worden. Mit einer geschickten Fußbewegung, die von den Umstehenden überhaupt nicht wahrgenommen wurde, brachte Parker den Tanzenden dann endgültig von den Beinen. Poulsen junior verlor das -Gleichgewicht und landete auf dem Boden. Agatha Simpson glaubte wohl, er sei ohnmächtig geworden. Hilfsbereit wie immer, tat sie alles, um Poulsen junior wieder ins Bewußtsein zurückzubringen. Sie griff nach einem gefüllten Glas auf dem Nachbartisch und goß den Inhalt in Poulsens Gesicht. *** „Hoffentlich bin ich nicht aus der Rolle gefallen“, erkundigte sich Agatha Simpson wenig später, als sie das Lokal verließen. „Gewiß nicht, Mylady“, versicherte ihr Parker. „Sie waren wohl nicht gut in Form, Mister Parker, wie?“ „Wie darf und muß ich Mylady verstehen?“ erkundigte sich Parker würdevoll. „Ich hätte es gern gesehen, wenn der Mann in einem Krankenwagen fortgeschafft worden wäre“, sagte Lady Agatha ohne jede Scham. „Vielleicht lag es auch an mir. Ich hätte meinen Glücksbringer wohl doch noch mal einsetzen sollen.“ „Steigerungen sind jederzeit möglich, Mylady“, beruhigte Parker Agatha Simpson. „Darauf setze ich auch meine ganzen Hoffnungen, Mister Parker. Wann wird er die Nerven verlieren?“ „Sehr lange kann dies auf keinen Fall dauern, Mylady. Ein Mann wie Poulsen verfügt mit Sicherheit nicht über Nerven, die in einem solchen Fall angebracht wären.“ Agatha Simpson, Butler Parker und Kathy Porter hatten den hochbeinigen Wagen erreicht und warteten auf Poulsen, der bald darauf das Lokal verließ und ziemlich angeschlagen wirkte. Er humpelte und hielt sich die sicher schmerzende Nase. 50
Als Parker den Wagen verließ und würdevoll auf ihn zuschritt, stutzte Poulsen junior und ... lief hinüber zu seinem Rover. Er hatte eindeutig Angst davor, dem Butler noch mal zu begegnen. Er setzte sich in den Wagen und fuhr davon, übrigens ohne seine Begleiterin, die ihn längst verlassen hatte. „Was machen wir jetzt?“ wollte Lady Agatha wissen, als Parker zurückgekommen war. „Ich fühle mich richtiggehend angeregt, Mister Parker. Die Sicherheit, daß Poulsen junior der Fahrer gewesen ist, beflügelt mich.“ „Darf ich Myladys Interesse und Aufmerksamkeit auf Mister Hubert P. Poulsen lenken?“ „Sie dürfen.“ „Man sollte davon ausgehen, daß besagter Mister Poulsen senior sehr wohl Myladys Taktik erahnt.“ „Warum auch nicht, Mister Parker?“ „Er dürfte also der wirkliche Gegner sein, Mylady.“ „Richtig, Mister Parker. Wenn er die Nerven verliert, ist die Kettenreaktion nicht mehr zu stoppen. Das meinen Sie doch, oder?“ „Sehr wohl, Mylady.“ „Kommen Sie, Kindchen“, rief Agatha Simpson ihrer Gesellschafterin zu. „Befassen wir uns also mit Mister Poulsen senior. Mister Parker wird uns während der Fahrt einige Vorschläge unterbreiten, nicht wahr?“ „Wie Mylady befehlen“, gab Parker würdevoll zurück. „Ich werde mich zumindest ehrlich bemühen.“ *** Hubert P. Poulsen hatte sich Bericht erstatten lassen. Er hielt sich im Büro von McAllister auf. Der Clubmanager hatte schweigend zugehört und brachte die beiden Gangster Fielding und Lanters zur Tür. Sie sahen aus wie reichlich begossene Pudel. Sie hatten von ihrem Mißgeschick in Exeter berichtet und von einem sehr streitbaren Reverend namens Summers. Beide Gangster waren nach ihrer Ausnüchterung von der Polizei in Exeter auf freien Fuß gesetzt worden, doch mit der Anklage wegen Entweihung eines heiligen Ortes war mit Sicherheit zu rechnen. „Nun sagen Sie schon endlich was“, fauchte Poulsen senior seinen Manager an. „Parker und Lady Simpson“, gab McAllister lakonisch zurück, „nur sie können das getan haben.“ „Aber wieso Volltrunkenheit? Ich glaube Fielding und Lanters, daß sie keinen Tropfen getrunken haben.“ „Irgendein Präparat“, meinte McAllister. „Anschließend hat man Fielding und Lanters reichlich mit Alkohol begossen. Ein alter, aber immer wieder wirkungsvoller Trick.“ „Gehen wir zur Tagesordnung über, McAllister. Wie beurteilen Sie die Lage?“ 51
Bevor der Clubmanager antworten konnte, läutete das Telefon. McAllister hob ab und meldete sich. Er hörte nur kurz zu und reichte den Hörer dann an Poulsen weiter. „Ihr Sohn“, sagte er, „scheint Ärger gehabt zu haben.“ Poulsen nannte seinen Namen und hörte schweigend zu. Da er den zweiten Hörer an McAllister weitergereicht hatte, bekam der Clubmanager jedes Wort mit. „Du machst gar nichts“, brauste Poulsen auf, als sein Sohn von Rache sprach. „Tauch erst mal unter, Junge! Mach jetzt keine Dummheiten! Der Zwischenfall ist doch absichtlich provoziert worden, begreifst du das nicht?“ Er legte auf und nickte McAllister langsam zu. „Wie ich's vorausgesagt habe“,, meinte er dann. „Es geht bereits los, Lady Simpson und Butler Parker warten nicht lange. Was machen wir jetzt?“ „Schicken Sie Martin irgendwohin in Urlaub“, schlug McAllister vor. „Er muß aus der Schußlinie heraus.“ „Klingt gut“, erwiderte Poulsen und stand auf. „Martin muß weg. Weit weg, doch wohin? Machen Sie einen Vorschlag!“ „London ist groß genug.“ „Das ist es! London! Da kann er untertauchen.“ „Wird das aber reichen, Mister Poulsen? Butler Parker und Lady Simpson werden wohl nicht so schnell aufstecken. So schätze ich sie wenigstens ein.“ „Vielleicht kommen wir doch nicht daran vorbei, so etwas wie einen Unfall zu inszenieren, McAllister. Nicht sofort, aber vielleicht in ein - zwei Wochen.“ „Gefährliche Kiste, Chef.“ „Das weiß ich auch McAllister. Aber wie sollen wir sie sonst loswerden? Ich denke auch, daß sie nie aufstecken werden.“ „Vielleicht sollte man es mit Geld versuchen, Mister Poulsen.“. „Mit Geld?“ Poulsen senior lachte gequält auf. „Sie wissen doch, wie reich die Lady ist.“ „Geld für die Angehörigen der beiden Opfer. Sehr viel Geld.“ „Wäre zu überlegen, McAllister. Stellen Sie fest, wer die Opfer sind. Angehörige und so,..“ „Mach ich sofort, Chef.“ „Wäre ja zu schön, um wahr zu sein, wenn wir die Lady auf diese Art und Weise zur Ruhe bringen könnten“, sagte Poulsen senior, der müde und abgespannt wirkte. „Aber ich glaub' einfach nicht daran, McAllister. Wir werden an einem Doppelunfall nicht vorbeikommen. Erst dann werde ich wieder meine Ruhe haben.“ *** Leibwächter Larry Keswich stand neben dem Bentley und wartete auf Hubert P. Poulsens Rückkehr. Keswich war Vollprofi härtester Schule. 52
Er stammte aus London und war dort vor vielen Jahren von Hubert P. Poulsen entdeckt worden. Keswich war Killer, dem dieser Job sogar eine fast sadistische Freude bereitete. Nach außen hin sah er wie ein gut geschulter Sekretär aus, einen Mörder hätte man in ihm nie vermutet. Er wußte von Poulsen senior, was anlag. Und er hatte seinem Chef bereits vorgeschlagen, diesen ganzen Ärger durch einen gezielten Doppelmord zu beenden. Entsprechende Angebote hatte er dazu geliefert. Wenn es ums Töten ging, war Keswich erfinderisch. Er stand wartend neben dem Bentley und sah gelangweilt an der Außenfront des Clubs hoch, die bei Tageslicht ein Dutzendaussehen hatte. Ohne Glimmer, Flitter und Farbbeleuchtung unterschied sich der Bau in nichts von anderen Backsteinvillen. Als er sich eine Zigarette anzünden wollte, zuckte er plötzlich wie unter einem elektrischen Schlag zusammen. Auf seinem Handrücken breitete sich ein stechender Schmerz aus. Verdutzt schaute er sich zuerst mal um, betrachtete dann seine Hand und fand eine Rötung die vielleicht erbsengroß war. Doch das Geschoß, daß diese Rötung verursacht haben mußte, war weit und breit nicht zu sehen. Larry Keswich wunderte sich also ein wenig und tat so, als habe er sich mit diesem Treffer abgefunden, und beschäftigte sich weiter mit seiner Zigarette. Dabei sah er sich verstohlen nach allen Seiten um. Irgend jemand mußte ihn unter Beschuß genommen haben. Als er das Feuerzeug anknipsen wollte, erfolgte der zweite Treffer. Diesmal wurde seine Nasenspitze getroffen! Keswich war irritiert und in seiner Eitelkeit verletzt. Mit ihm spielte man nicht! So etwas zahlte sich einfach nicht aus. Aber wo war der Schütze? Und womit, zum Henker, war er beschossen worden? Er drückte sich mit dem Gesäß vom Wagen ab und ging um den Bentley herum. Dort hielt er sehr ungeniert und scharf Ausschau nach dem etwaigen Schützen. Das Herz hüpfte ihm im Leib, als er ' eine ältere Dame sah, die ein faltenreiches Jackenkleid trug und an deren Hand ein Pompadour baumelte. Diese Dame wurde von einem Mann begleitet, der eindeutig ein Butler war. Agatha Simpson und Butler Parker! Larry Keswich wußte jetzt, woher der Wind bzw. die Geschosse gepfiffen hatten. Er war sich seiner Überlegenheit völlig bewußt und marschierte auf das Zweigespann zu, das den Parkplatz überquerte und sich überhaupt nicht um ihn kümmerte. „Moment mal“, sagte Keswich, der sich inzwischen vergewissert hatte, daß der Parkplatz leer war. Mit Beobachtern war also nicht zu rechnen. „Bitte!“ Parker blieb stehen und wandte sich zu Keswich um, während Mylady weiterging, dann aber einen halben Kreisbogen beschrieb. Keswich ließ sie nicht aus den Augen. Er achtete darauf, daß sie nicht hinter ihm aufmarschierte. Er wollte sich unbedingt den Rücken freihalten. 53
„Haben Sie da eben auf mich geschossen?“ erkundigte sich Keswich gereizt und deutete auf seine nicht nur gerötete, sondern inzwischen auch leicht geschwollene Nasenspitze. „In der Tat“, erwiderte Parker höflich. . „Ich konnte einfach nicht widerstehen, wie ich bekennen muß!“ | „Sie haben auf mich geschossen?“ Keswich wollte es einfach nicht glauben. Daß der Butler die Wahrheit sagte, brachte ihn ein wenig aus der Fassung. „Gewiß“, erklärte der Butler noch mal. „Und wie ich sehe, habe ich sogar getroffen.“ „Wissen Sie eigentlich, was Sie da sagen?“ Keswich kam gegen seinen Willen nicht so recht in Fahrt. Diese Situation war völlig neu für ihn. „Aber das möchte ich doch sehr hoffen“, antwortete Josuah Parker gemessen. „Ich werde doch keine falschen Behauptungen aufstellen.“ Keswich merkte endlich, daß er restlos veralbert wurde. Sein innerer Stau löste sich in einem bösartigen Schlag, den er dem Butler versetzen wollte. Bis auf die Lady war ja weit und breit kein Zeuge zu sehen. Er konnte also hemmungslos zulangen und für die alte Rangordnung sorgen: Wer gegen Poulsen antrat, hatte bereits auf der ganzen Linie verspielt. Nun, Larry Keswich hatte sich zu wenig mit Josuah Parker beschäftigt. Er hatte keine Ahnung, mit welchem Gegner er es zu tun hatte. Als er zuschlug, hatte der Butler mit überraschender Geschmeidigkeit längst seinen Standort gewechselt und ließ den Schlag ins Leere zischen. Dann war Parker an der Reihe. Der bleigefütterte Bambusgriff seines Universal-Regenschirms zuckte vor und setzte sich auf die Nase von Larry Keswich, der wegen der tränengefüllten Augen plötzlich die Übersicht verlor. Keswich röhrte auf wie ein brünstiger Hirsch und wischte sich die Tränen aus den Augen. Dann warf er sich auf den Butler. Das heißt, er wollte es tun, doch er hatte in seinem ganzen Ärger eine gewisse Lady Agatha Simpson vergessen. Sie stand nun doch knapp hinter ihm und ließ ihren Pompadour samt Glücksbringer schwingen. Larry Keswich knickte augenblicklich in den Knien ein und kämpfte gegen eine aufsteigende Ohnmacht an. Er glaubte, von einem auskeilenden Pferd getroffen worden zu sein. Er wußte ja nicht, wie wirkungsvoll Lady Simpsons Spezialwaffe war. „Das dürfte reichen, Mylady“, hörte Keswich noch die höfliche und gemessene Stimme des Butlers, um dann das Bewußtsein zu verlieren. *** McAllister brachte seinen Chef selbstverständlich nach unten vor die Tür. Hubert P. Poulsen sah sich nach seinem Leibwächter um, konnte ihn aber nicht sehen. 54
„Kommen Sie besser mit 'rüber zum Wagen“, sagte er zu McAllister. Hubert P. Poulsen fürchtete sich plötzlich davor, den kleinen Fußmarsch hinüber zum Parkplatz allein zu unternehmen. Die beiden Männer führten sich auf, als marschierten sie durch Feindesland. Sie hielten sich eng beisammen, deckten sich gegenseitig ab und beobachteten die nähere Umgebung. McAllister verfluchte den üppigen Buschbewuchs des Parkplatzes. Er hatte das sichere Gefühl, belauert zu werden. „Keswich! Keswich!“ Hubert P. Poulsen hatte den Bentley erreicht und suchte verzweifelt nach seinem Leibwächter, ohne den er sich nackt und bloß vorkam. „Sehen Sie doch, Chef!“ McAllister entdeckte des Rätsels Lösung. Larry Keswich hing auf der anderen Seite am Mittelpfosten des Bentley. Er umarmte diesen Mittelpfosten und wurde dabei nachhaltig von einem Paar Handschellen unterstützt, die man hinter dem Pfosten um seine Gelenke gelegt hatte. Keswich kam gerade wieder zu sich und grunzte ein wenig. Als er sich hochdrückte, stieß er mit dem linken Knie gegen die hintere der beiden geöffneten Wagentüren, worauf er hellwach wurde. „Parker!“ sagte Hubert P. Poulsen. „Lady Simpson“, fügte McAllister hinzu. „Die bring ich um! Die mach ich kalt!“ stöhnte Keswich wütend und rüttelte an den hemmenden Handschellen. „Dafür schlitz ich die auf!“ „Waren es Parker und die Lady?“ wollte Poulsen senior wissen. „Ja!“ Keswich tobte wie ein Hund an der Kette. Daß er sich die Handgelenke aufscheuerte, merkte er überhaupt nicht. Ihn, Larry Keswich, hatten zwei komische Typen reingelegt. Das konnte er nicht verwinden. „Spielen Sie bloß nicht verrückt, Larry“, fuhr Poulsen seinen Leibwächter an. „Sie werden vorerst gar nichts machen, ist das klar?“ „Soll ich einen Schlosser samt Schweißgerät besorgen?“ erkundigte sich McAllister sachlich. „Wird sich wohl lohnen“, gab Poulsen senior zurück, „sonst bekommen wir Keswich nicht vom Wagen los. Kommen Sie, McAllister, so schnell wie möglich zurück in den Club! Ich möchte hier nicht wie auf 'nem Präsentierteller herumstehen!“ „Und was ist mit mir, Chef?“ heulte Keswich aufgebracht. „Ich laß' Ihnen 'nen Drink 'rausbringen“, antwortete Poulsen. „Und wenn der Butler und die Lady zurückkommen?“ „Ach wo! Die sind längst über alle Berge“, behauptete Poulsen senior und täuschte sich gründlich. *** Sie eilten also zurück in den Club. 55
Poulsen senior erwies sich dabei schneller als sein Manager und wischte sich den Schweiß von der Stirn, als er im schützenden Haus war. McAllister zog die nur angelehnte Tür zum Aufzug auf, der bis ins Obergeschoß führte. Er drückte den Etagenknopf und lehnte sich dann aufatmend gegen die Kabinenwand. Das war gerade noch mal gutgegangen. McAllister fragte sich wieder mal, was er machen sollte. Sein Zusammengehen mit Poulsen senior trieb einer Katastrophe zu. Der Aufzug hatte inzwischen die Erdgeschoß-Etage passiert und rauschte weiter nach oben, um dann allerdings sehr nachhaltig stehenzubleiben. Es gab einen Ruck, hart und übergangslos. Die beiden Männer fielen gegeneinander. Poulsen verfärbte sich und hatte das Gefühl, der Kragen sei ihm zu eng geworden. McAllister dachte sofort an Parker. „Was hat das zu bedeuten?“ fragte Poulsen, dessen Stimme schrill klang. „Sieht nach einem Kurzschluß aus“, stellte McAllister fest. Er drückte auf den Knopf für die obere Etage, doch der Aufzug rührte sich nicht. „Lassen Sie mich mal.“ Poulsen senior stieß seinen Manager hart zur Seite und betätigte sich dann als Klaviervirtuose. Seine Finger huschten über die nur wenigen Bedienungsknöpfe. Dabei brabbelte Poulsen vor sich hin und trat von einem Fuß auf den anderen. Seine Arbeit als Pianist wurde nicht belohnt. Der Aufzug, der zwischen den beiden Etagen steckte, rührte sich nicht. Er schien festgeschweißt zu sein. Nun schaltete McAllister sich wieder ein. Er drückte auf den Alarmknopf und stöhnte, als die Beleuchtung in der Kabine für einen Moment aufflackerte. Dann wurde es wieder recht dunkel. Nur die Notlampe verbreitete etwas Licht. „Kurzschluß“, wiederholte McAllister noch mal. „Parker“, fügte Poulsen hinzu. Ihm war eine Erleuchtung gekommen. „Und Lady Simpson“, weitete McAllister den Kreis der verdächtigen Personen aus. „Sie müssen ins Haus gegangen sein, als wir am Wagen waren.“ „Warum kommt denn keiner? Lassen Sie mich mal, McAllister.“ Der Clubmanager wurde wieder zur Seite gestoßen. Poulsen senior legte seinen dicken Daumen auf den roten Alarmknopf und lauschte angestrengt in den Aufzugschacht. „Außer uns ist doch kein Mensch im Club“, stellte McAllister fest und wunderte sich kaum, daß er so etwas wie Schadenfreude darüber empfand. Es tat ihm gut, seinen Chef schwitzen zu sehen. Der stets so selbstsichere und harte Poulsen sah sich hier einer Situation gegenüber, die er nicht durch eine Anordnung verändern konnte. Er war dieser Situation hilflos ausgeliefert. „Kein Mensch im Club? Wann kommen die ersten Angestellten, McAllister?“ Poulsen senior zwang sich zur Ruhe. „Normalerweise gegen 15 Uhr“, antwortete McAllister, „manchmal auch später.“ 56
„Das kann ja noch Stunden dauern“, brauste Poulsen senior auf. „Kommen Sie, McAllister, wir müssen uns bemerkbar machen! Man muß uns doch drüben im Angestelltenhaus hören.“ Es dauerte nur wenige Minuten, bis Poulsen senior und McAllister sich zu einem Chor vereinigten, der lautstark um Hilfe rief. Da es sich jedoch um ein altes Haus handelte, waren die Mauern dick und solide. Die hintere Zugangstür war inzwischen vorsorglich geschlossen worden. Josuah Parker war eben ein sehr ordentlicher Mensch. *** „Ich kam zufällig vorbei und wollte mal 'reinschauen“, behauptete Inspektor Mervins, als er vor Lady Simpson stand. „Ich störe doch hoffentlich nicht.“ „Niemals, Inspektor“, sagte Lady Agatha, „nehmen Sie doch Platz und unterhalten Sie eine alte Frau, die sich langweilt!“ „Sie langweilen sich?“ Inspektor Mervins schmunzelte, als er sich 'setzte. Er befand sich in Myladys Haus und saß ihr nun in einem großen Raum gegenüber, der mit erlesenen, alten Möbeln ausgestattet war. „Haben Sie hinsichtlich einer Erfrischung besondere Wünsche?“ erkundigte sich Parker, der den Inspektor zu Agatha Simpson gebracht hatte. „Whisky ohne Eis“, gab Mervins zurück, um sich dann wieder der Lady zu widmen. „Sie langweilen sich, Mylady?“ „Hoffentlich bringen Sie anregende Nachrichten“, antwortete die Detektivin. „Was tut sich hinsichtlich der Poulsens, Inspektor? Sind Sie mit Ihren Ermittlungen vorangekommen?“ „Keinen einzigen Schritt, Mylady, um ganz offen zu sein. Meine Kollegen in Plymouth haben die Zeugen von Poulsen junior verhört. Sie alle behaupten übereinstimmend, Poulsen junior sei zur Tatzeit in einem Nachtclub gewesen. Sein Alibi wird kaum zu erschüttern sein.“ „Selbst wenn Gegenzeugen auftreten, nicht wahr?“ „Aussage würde gegen Aussage stehen, Mylady. Das ist der Tatbestand. Und dabei gibt es noch nicht mal Tatzeugen. Oder?“ Während er sprach, sah er die Lady abwartend an, doch Agatha Simpson ließ sich auf nichts ein. „Das Ehepaar Clinton ist noch nicht gefunden worden?“ fragte sie gespielt harmlos. „Es hat sich noch nicht bei Ihnen gemeldet?“ wollte Mervins wissen. „Mister Parker?“ Agatha Simpson wandte sich an ihren Butler. „Ich muß bedauern, Mylady“, ließ Parker sich gemessen vernehmen. „Ich kann vielleicht noch zwei Tage warten“, erklärte Mervins. „Aber dann werde ich wohl offiziell nach dem Ehepaar suchen müssen.“ „Zwei Tage, Mister Parker.“ Lady Agatha sah zu ihrem Butler hinüber, der jetzt die Getränke servierte. 57
„Zwei Tage“, wiederholte Parker höflich. „Hoffentlich kommen gewisse Leute nicht an dieses Ehepaar heran“, sorgte sich Mervins. „Mein Gefühl sagt mir, Sir, daß dies nie der Fall sein wird“, beruhigte Parker den Inspektor. „Und Sie können sich auch wirklich auf Ihr Gefühl verlassen, Mister Parker?“ „In den meisten Fällen, Sir.“ Parker nickte beruhigend. „Das Ehepaar würde es nämlich mit Mördern zu tun bekommen“, warnte Mervins, „aber das wissen Sie ja.“ „In der Tat, Sir.“ „Meine Leute haben mir berichtet, daß Poulsen erneut einen Schlosser samt Schweißbrenner bemühen mußte“ plauderte Mervins. „Ein gewisser Keswich hatte einen Bentley umarmt, wenn ich's so nennen soll. Er war mit einer Handschelle ungewöhnlicher Bauart an diesen Wagen angeschlossen worden.“ „Demnach könnte Mister Poulsen unwirsch geworden sein, Sir?“ „Er ist zumindest stockheiser“, berichtete Mervins weiter. „Wie übrigens auch sein Clubmanager McAllister. Sie saßen etwa zweieinhalb Stunden in einem blockierten Fahrstuhl und schrien wie verrückt um Hilfe.“ „Die Tücken der Technik“, kommentierte Parker, ohne eine Miene zu verziehen. „Poulsen senior schäumt“, sagte Mervins und lächelte. „Er sollte sich bei der Lieferfirma des Aufzugs beschweren“, meinte der Butler würdevoll. „Vielleicht wendet er sich an eine ganz andere Stelle.“ Mervins wußte natürlich, daß er Wort für Wort genau verstanden wurde. „Ein Mensch in seinem Zorn neigt zu unbedachten Taten“, erklärte der Butler, während Lady Agatha zustimmend nickte. „Und verliert dann die Übersicht“, fügte Mervins hinzu. „Und könnte darüber hinaus noch sehr unvorsichtig werden“, schlußfolgerte der Butler. „Darf ich Ihnen nachgießen, Sir?“ „Hoffentlich geht eine bestimmte Rechnung bald auf“, meinte Inspektor Mervins, der seine flache Hand über das Glas legte. „Nein, Mister Parker, keinen zweiten Drink. Ich bin mit einem Wagen unterwegs. Sie wissen, Alkohol am Steuer und so... Richtig, sagte ich Ihnen, daß Poulsen junior Torquay verlassen hat?“ „Das war fast anzunehmen“, erwiderte Parker gemessen. „Aber ich bin sicher, daß Ihre Beamten sehr genau wissen, wo der junge Mann sich zur Zeit befindet.“ „In Plymouth. Er scheint sich im Apartment seines Vaters sicherer zu fühlen als hier an der Küste.“ „In einem Apartment seines Vaters?“ „Die Adresse steht in jedem Telefonbuch. Unter Hubert P. Poulsen.“ Mervins war überdeutlich geworden. „Aber nun möchte ich nicht länger stören. Vielen Dank für den freundlichen Empfang Mylady! Guten Tag, Mister Parker!“ Er ließ sich von Parker zur Zimmertür bringen, blieb hier aber noch mal kurz stehen. 58
„Er ist übrigens nicht allein in -diesem Apartment“, sagte der Inspektor. „Fielding und Lanters sind bei ihm. Na, ja. Das Apartment ist ja schließlich groß genug. Und ein netter Dachgarten ist auch nicht zu verachten.“ *** Leibwächter Larry Keswich war deutlich frustriert. Er hielt sich in Poulsens Schlößchen auf und stand am Fenster. Er hatte die Riesenblamage noch immer nicht verdaut. Ihm, Larry Keswich, müßte so etwas passieren. Ein Schlosser hatte ihn mittels eines Schweißgerätes vom Bentley trennen müssen! Er drehte sich langsam um, als Poulsen senior den Raum betrat. „Martin ist erst mal aus der Schußlinie“, sagt Poulsen senior, „er sitzt in meinem Apartment in Plymouth.“ „Und kann uns hier nicht mehr in die Quere kommen, Chef.“ „Sie haben sich was überlegt, Larry?“ „Die Lady und der Butler müssen weg“, antwortete der Leibwächter, „je schneller, desto besser. Und zum Teufel mit irgendwelchen Tricks, wenn Sie mich fragen. Ein gezielter Schuß, und das Problem existiert schon nicht mehr.“ „Und die Polizei?“ Poulsen wirkte nicht mehr sehr dynamisch. Der lange Zwangsaufenthalt im Aufzug hatte seine Nerven in Dauervibration versetzt. „Die Polizei kann uns gar nichts“, redete Larry Keswich weiter. „Sie kann vermuten, aber sie wird nichts beweisen können.“ „Sie wissen, auf was Sie sich da einlassen wollen, Keswich?“ „Natürlich.“ „Wir alle haben die Lady und ihren Butler völlig unterschätzt.“ „Das läßt sich korrigieren, Chef.“ „Ich glaube, wir werden es tun müssen.“ Poulsen senior nickte nachdenklich. „Sie hetzen uns noch solange herum, bis wir Fehler begehen. Darauf warten Sie doch nur.“ „Nicht mehr lange, wenn Sie mich von der Kette lassen, Chef.“ „Und wie wollen Sie es tun, Larry?“ „Auf die kalte Tour. Ein Gewehr. Ein Zielfernrohr und Geduld. Dann ist die Sache schon so gut wie gelaufen.“ „Einverstanden, Larry. Aber passen Sie höllisch auf!“ „Larry Keswich legt man nur einmal herein“, behauptete Poulsens Leibwächter. „Die Sache steigt noch heute. Morgen haben wir wieder freie Bahn.“ „Wenn Sie Hilfe brauchen, Larry .. .“ „Das schaffe ich allein sicherer und besser“, sagte Larry Keswich. „Sorgen Sie nur dafür, daß Martin keine Dummheiten macht!“ „Wieso?“ „Hoffentlich bleibt er in Plymouth.“ 59
„Dafür ist gesorgt, Larry. Fielding und Lanters haben den strikten Auftrag, ihn nicht aus den Augen zu lassen. Falls Martin das Apartment verlassen will, werden Sie ihn daran hindern. Ich habe ihnen genaue Instruktionen gegeben.“ Larry Keswich grinste dünn. „Dann will ich mal“, sagte er zu seinem Chef. „Um das Ehepaar Clinton brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Die alten Typen werden auf jeden Fall den Mund halten. Auch wenn sie sich abgesetzt haben.“ „Denke ich auch, Larry. Das sind keine Gegner. Und wenn Parker und Agatha Simpson erst mal im Leichenschauhaus liegen, werden sie stumm werden.“ „Da wäre noch was, Chef.“ »Wenn Sie Geld brauchen, Larry. Jede Summe...« „Kein Geld“, entgegnete Keswich. „Legen Sie die Lady und ihren Butler rein! Sie haben doch davon gesprochen, den Angehörigen der beiden Opfer Geld zu geben. Leimen Sie damit unsere Gegenseite! Sie müssen den Eindruck gewinnen, daß Sie die Segel streichen wollen.“ „Sehr gut“, lobte Poulsen senior, „damit streuen wir ihnen Sand in die Augen.“ „Und ich Blei in die Rippen“, versprach Larry Keswich. Es war später Nachmittag. Agatha Simpson, Butler Parker und Kathy Porter hielten eine Art Kriegsrat. Parker hatte einen wundervoll duftenden Tee serviert, den Lady Agatha sichtlich genoß. „Wie beurteilen Sie also unsere Chancen, Mister Parker?“ erkundigte sie sich. „Bisher handelte es sich doch nur um Geplänkel, nicht wahr?“ „In der Tat, Mylady“, räumte der Butler würdevoll ein. „Die Nerven unserer Gegner dürften aber dennoch' erheblich strapaziert worden sein.“ „Wann drehen diese Subjekte durch?“ wollte Lady Agatha wissen. „In dem Moment, in dem sie nicht mehr über Mitarbeiter verfügen, Mylady.“ „An wen denken Sie speziell?“ „An Poulsens Leibwächter.“ „„Den Sie an den Bentley angeschlossen hatten?“ „Sehr wohl, Mylady. Dieser Mann ist das, was man in Fachkreisen einen Vollprofi nennt.“ „Ziehen wir dieses Individuum also aus dem Verkehr, Mister Parker. Und dann werden wir es nur noch mit den beiden Poulsens zu tun haben?“ „Ich will doch sehr hoffen, Mister Parker, daß Ihnen etwas einfällt!“ „Dies, Mylady, ist meine feste Überzeugung.“ „Worauf warten wir dann noch?“ „An den Profi wird man nicht mehr so leicht herankommen, Mylady, wenn ich dies warnend hinzufügen darf.“ „Ich will mich bemühen, Mylady. Man müßte diesem Subjekt eine Falle stellen.“ „Eine Falle ist immer gut. Was schlagen Sie vor?“ „Jede Falle braucht einen Köder, Mylady.“ „Binsenweisheiten, Mister Parker. Werden Sie präzise!“ Sie sah ihn grollend und unternehmungslustig zugleich an. 60
„Wenn ich mich erkühnen darf, so möchte ich einen bestimmten Vorschlag unterbreiten, Mylady.“ „Erkühnen Sie sich!“ Josuah Parker ließ sich nicht lange bitten und entwickelte seinen Plan. Mylady hörte aufmerksam zu. Von Minute zu Minute glühten ihre Augen immer mehr auf. Sie nickte zwischendurch. „Ich bin sehr angetan von Ihnen, Mister Parker“, sagte sie schließlich, als der Butler zu Ende gekommen war. „So und nicht anders werden wir vorgehen. Wissen Sie eigentlich, daß ich mich sehr angeregt fühle?“ *** Es war dunkel geworden. Larry Keswich hatte Stellung bezogen. Er saß zwischen Sträuchern und Büschen oberhalb von Lady Simpsons Villa auf einem benachbarten Grundstück und wartete auf seine Chance. Das Gewehr mit dem aufmontierten Zielfernrohr hatte er sorgfältig in eine Decke eingeschlagen. Der Leibwächter Poulsens beobachtete durch ein lichtstarkes Nachtglas die Villa der Lady. Erfreulicherweise schien man im Haus dort unten gar nicht auf die Idee gekommen zu sein, eventuell beobachtet zu werden. Die Fenster boten freie Sicht. Hindernde Vorhänge hatte man nicht vorgezogen. Keswich hatte sich Prioritäten gesetzt. Zuerst mußte der Butler erledigt werden. Die Frauen waren dann schon keine Gegner mehr. Und was die beiden wiederum anbetraf, so mußte die Lady vor der jungen Gesellschafterin sterben, falls deren Tod überhaupt noch notwendig war. Sie hatte sich bei der Polizei ja nicht als Zeugin gemeldet. Keswich hatte bisher die rothaarige, junge und attraktive Gesellschafterin in der Optik gehabt. Sie war einige Male in einem der hinteren Räume erschienen und deckte einen Tisch. Das deutete darauf hin, daß die Lady und der Butler auch bald in diesem Raum erscheinen mußten. Dann konnte er die beiden Gegner in aller Ruhe erledigen. Die Entfernung war für sein Gewehr unwesentlich. Keswich, ein sehr guter Schütze, hatte keine Bedenken, daß zwei Schüsse ausreichen würden, die Lady und ihren Butler zur Strecke zu bringen. Auf der Mündung des Gewehrs saß selbstverständlich ein erstklassiger Schalldämpfer. Nach dem Doppelmord wollte Keswich sich in aller Ruhe absetzen. Es galt dann, das Gewehr für immer verschwinden zu lassen. Mochte die Polizei ihn später auch verdächtigen, wenn die Tatwaffe verschwunden war, konnte sie überhaupt nichts ausrichten. Zudem würde Poulsen senior zusätzlich für ein Alibi sorgen. Ein weiterer Blick durch das Nachtglas sagte' Keswich, daß die Dinge sich dramatisch entwickelten. Die Rothaarige, die in der Optik direkt atemberaubend aussah, schob gerade einen Servierwagen in den Raum. Keswich wunderte sich 61
aber nicht einen Moment darüber, daß die Gesellschafterin diese Arbeit erledigte, eine Arbeit, die auf einen hochherrschaftlichen Butler zugeschnitten war. Und dann fluchte Keswich ausgiebig. Leise, aber nachdenklich. Plötzlich schwang ein Vorhang zu, der sich bis auf einen schmalen Spalt vor dem erleuchteten Fenster schloß. *** „Ein etwaiger Mörder ist jetzt gezwungen, näher an das Haus heranzukommen“, dozierte der Butler, der den beiden Frauen gegenüberstand. „Sein Interesse ist nachhaltig geweckt. Er weiß, daß Mylady hier im Zimmer speisen wird. Er rechnet damit, daß auch meine bescheidene Wenigkeit sich in diesem Raum aufhalten wird.“ „Angewandte Psychologie, Mister Parker?“ „Ich glaube, Mylady, daß ich mich in der Psyche gewisser Menschen tatsächlich ein wenig auskenne“, versicherte der Butler. „Der Mörder dürfte jetzt auf seine Opfer fixiert sein. Er wird nur noch an die Tat denken. Er wird den Spalt im Vorhang entdecken und sich dem Haus in erfreulicher Weise nähern. »Manchmal sind Sie mir direkt unheimlich, Mister Parker.“ Lady Agatha sah ihren Butler wohlwollend und gar nicht ängstlich an. „Mylady belieben einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann zu schmeicheln“, gab Parker gemessen zurück. „Wenn Sie erlauben, Mylady, möchte ich jetzt meinen Posten beziehen.“ *** Larry Keswich handelte genauso wie Parker es vorhergesagt hatte. Er dachte nur noch an seine beiden Opfer. Er wurde von der Vorstellung beherrscht, Lady Simpson und den Butler erledigen zu können. Gleich und endgültig! Von seinem Versteck aus konnte er das Zimmer nicht mehr überblicken, aber da war noch der deutliche Spalt im Vorhang. Keswich mußte näher an die Villa heran, dann konnte er trotzdem zu den beiden tödlichen Schüssen kommen. Er wickelte sein Gewehr aus, überprüfte es noch mal und legte sich das Glas um den Hals. Dann verließ er sein Versteck und pirschte sich vorsichtig an das Haus heran. Er überstieg eine niedrige Trennmauer aus Bruchsteinen und legte immer wieder kleine Beobachtungspausen ein. Larry Keswich war eben ein Profi, der nichts überstürzte. Nach etwa zehn Minuten .hatte er das kleine Teehäuschen im Park erreicht. Es handelte sich um einen Rundbau, dessen Dach von zierlichen Steinsäulen getragen wurde. Von hier aus war die Sicht in das Zimmer der Villa sogar ausgezeichnet. Er nahm das Glas vor die Augen und entdeckte den Butler! 62
Der Mann wandte ihm den Rücken zu und stand steif wie eine Statue seitlich hinter einem Stuhl, in dem offensichtlich Lady Agatha Simpson saß und speiste. Von Kathy Porter war nichts zu sehen, aber auf sie kam es ja auch gar nicht an. Parker trug den schwarzen Zweireiher. Die Hände, die er auf dem Rücken verschränkt hatte, steckten in weißen Servierhandschuhen. Keswich sah sie sich genau an. Sie bewegten sich und verrieten eine gewisse Nervosität. Ahnte der Butler vielleicht, daß er bereits in Lebensgefahr schwebte? Keswich grinste dünn. Das war ausgeschlossen. Der Mann war ahnungslos. Er wußte nicht, daß das Geschoß bereits auf ihn wartete. Keswich entsicherte das Gewehr und kniete nieder, um ganz ruhig und konzentriert zielen zu können. Er kam sich vor wie auf dem Schießstand. Dieser Schuß war schon jetzt ein Volltreffer! Der Blick durch den Vorhangspalt reichte vollkommen aus. Mehr brauchte ein Larry Keswich nicht. Langsam krümmte sich sein Zeigefinger. Parkers Rücken war in der Optik des Zielfernrohrs groß wie ein Scheunentor. Keswich schoß. Butler Parker wurde wie von einer unsichtbaren Riesenhand nach vorn geschleudert und verschwand aus dem Zielfernrohr. Er gab den Blick frei auf den Stuhl, in dem Lady Simpson sitzen mußte. In dem sie aber keineswegs saß! Der Stuhl war leer! Keswich spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Mit dieser Überraschung hatte er nicht gerechnet, und sofort brandete in ihm das Mißtrauen auf. Eine Falle? Hatte er sich hereinlegen lassen? Er stand schnell auf und griff wieder nach dem Nachtglas. „Ein beachtenswerter Schuß“, hörte er gleichzeitig hinter sich eine gemessene, ruhige Stimme. Und dann verlor er bereits das Bewußtsein. Parker hatte sich auf kein unnötiges Risiko eingelassen und den Profi mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Regenschirms eingeladen, sich auf den Boden zu legen. *** Als das Telefon läutete, warf McAllister sich förmlich nach vorn und. hob den Hörer ab. „Fielding?“ fragte er überrascht und sah Poulsen senior an, der sich mit ihm im Büro befand „Was ist los? Wie bitte? Martin ist verschwunden? Wie konnte denn das ...“ „Geben Sie her!“ Poulsen senior riß ihm den Hörer aus der Hand und nannte seinen Namen. „Los, noch mal! Martin ist also weg. Und ihr habt nichts dagegen tun können? Darüber unterhalten wir uns noch. Ihr entwickelt in letzter Zeit zuviel Pech. Kommt sofort zurück nach Torquay! Und beeilt euch! Ende!“ 63
„Er hat sie 'reingelegt und ist abgehauen“, sagte Poulsen, der den Hörer langsam auf die Gabel gleiten ließ. „Martin wird zurück nach Torquay kommen.“ „Wegen der Lady und dem Butler?“ fragte Poulsen senior unnötigerweise. „Bestimmt, Chef. Sie kennen doch Martin. Er ist manchmal etwas jähzornig ...“ „Gut, daß ich Keswich losgeschickt habe“, stellte Poulsen fest. „Wenn Martin hier aufkreuzt, ist alles bereits überstanden.“ „Keswich müßte sich bald melden“, erwiderte McAllister und sah auf seine Armbanduhr. „Nur nicht nervös werden“, sagte Poulsen, „auf Larry kann man sich verlassen;“, McAllister hütete sich, das Gegenteil zu sagen. Er war anderer Meinung als Poulsen. McAllister ahnte, daß auch ein Larry Keswich gegen Butler Parker keine Chance hatte. Dieser Mann war mit allen Wasser gewaschen und ihnen stets einige Schritte voraus. Poulsen sah nun auch auf seine Armbanduhr und nahm eine Miniaturwanderung durch das Clubbüro auf. Er dachte an seinen Sohn und an dessen Leichtsinn. Martin hatte es einfach nicht verwunden, in die Wüste geschickt worden zu sein. Und Plymouth mußte für ihn so etwas wie eine Wüste sein. Martin wollte sich bestimmt wieder mal beweisen und imponieren. Er fuhr zusammen, als das Telefon erneut anschlug. Diesmal war er schneller als McAllister. .Poulsen griff nach dem Hörer und meldete sich. „Für Sie“, sagte er enttäuscht und reichte den Hörer an McAllister weiter. „Irgendein Oberkellner unten im Club. Verdammt, warum meldet Keswich sich nicht? Er muß es doch längst geschafft haben!“ *** Martin Poulsen saß am Steuer eines Ford und raste durch die Nacht. Er hatte seine beiden väterlichen Aufpasser hereingelegt. Fielding und Lanters waren in Plymouth zurückgeblieben und hatten keine Chance, ihn noch einzuholen. Martin Poulsen, der Amokfahrer, wollte die Dinge auf seine Art zu Ende bringen. Er hatte sich dem Befehl seines Vaters nur scheinbar gefügt, die ganze Zeit aber überlegt, wie er Lady Simpson und diesen Butler beseitigen konnte. Das war schließlich seine eigene, sehr persönliche Sache. Er brauchte nicht seinen Vater, er brauchte überhaupt keine fremde Hilfe. Er wollte sich später nicht nachsagen lassen, er habe sich hinter dem Rücken seines Daddy versteckt. Es war einfach gewesen, Fielding und Lanters zu überrumpeln. Er hatte ihnen eine Flasche Whisky gegeben und die Aufpasser dann später sehr nachhaltig niedergeschlagen. Und zwar mit dem Kolben des 38ers, den er die ganze Zeit über bei sich gehabt hatte.
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Die Fahrt über die autobahnähnliche Schnellstraße war eine Kleinigkeit. Vor allen Dingen zu dieser Zeit. Der Verkehr war spärlich geworden, er konnte aufdrehen, wie er es ja so gern tat. Martin Poulsens Plan war einfach. Er wollte den Wagen irgendwo in Torquay stehen lassen und sich dann an die Villa der Lady heranschleichen. Alles weitere würde sein 38er besorgen. Dann sollte es zurück nach Plymouth gehen. Das Alibi war perfekt, denn Fielding und Lanters würden später der Polizei gegenüber Stein und Bein schwören, er, Martin Poulsen, habe das Apartment nie verlassen. Aber er hatte dann die Genugtuung, das verhaßte Zweigespann erledigt zu haben. Das würde sein ramponiertes Ansehen nur noch steigern, zumindest aber wieder in Ordnung bringen. Martin Poulsen war immer noch davon überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Das Ehepaar Clinton, die Lady und der Butler hatten unter Druck gesetzt werden müssen. Diese Spießbürger wurden noch knieweich, wenn sie um ihr Leben fürchten mußten. In der Vergangenheit hatte diese Methode sich immer noch als wirksam erwiesen. Martin Poulsen sah von Zeit zu Zeit in den Rückspiegel, eines Wagens. Irgendeine Verkehrsstreife, die die Höchstgeschwindigkeit kontrollierte, war genau das, was er jetzt nicht brauchte. Noch in dieser Nacht mußte diese dumme Affäre mit den beiden überfahrenen Trampern ein für allemal erledigt werden. *** Larry Keswich starrte aus schmalen Augen auf die Schneiderpuppe, die noch immer auf dem Boden des Zimmers lag. Er hatte sich hereinlegen lassen, das war ihm jetzt klar! Die Schneiderpuppe war, was den oberen Teil anbelangte, wie Parker hergerichtet worden. Diese Puppe, die auf einem Dreibein stand, trug Parkers schwarzen Zweireiher. Und in diesem Zweireiher war der Einschuß deutlich zu sehen. „Sie werden verstehen, Mister Keswich, daß ich mich Ihrem Schuß nicht unbedingt darbieten wollte“, sagte Parker gerade. „Meiner bescheidenen Wenigkeit war klar, daß Sie ein guter Schütze sind.“ „Sie haben gewußt, daß ich kommen würde?“ Keswich verstand die Welt nicht mehr. „Ich wußte, daß Sie früher oder später im Teehaus sein würden“, präzisierte der Butler würdevoll. „Nachdem der Vorhang geschlossen wurde, brauchte ich dort nur noch auf Sie zu warten.“ „Was haben Sie jetzt mit mir vor?“ „Haben Sie besondere Vorschläge zu machen?“ wollte der Butler wissen. „Ich streite natürlich ab, geschossen zu haben. Und Sie haben keinen Zeugen, Parker. Hoffentlich wissen Sie das?“ 65
„Natürlich. Ich pflege mir nur selten Illusionen zu machen.“ „Warum lassen Sie mich dann nicht laufen? Festhalten können Sie mich nicht. Das wäre Freiheitsberaubung. Und die ist strafbar. Ich wette, Sie kennen sich in den Gesetzen aus.“ „In der Tat, Mister Keswich!“ „Na, also. Was sagen Sie zu meinem Vorschlag, Lady?“ Keswich glaubte Oberwasser bekommen zu haben und sah ironisch zu Agatha Simpson hinüber, die in einem bequemen Sessel saß. „Mister Parker wird Sie wahrscheinlich noch brauchen“, gab Lady Agatha zurück. „Brauchen? Ich verstehe nicht.“ „Für den nächsten Mörder“, redete Agatha Simpson im Plauderton weiter. „Ich möchte nicht, daß die Schneiderpuppe unnötig lädiert wird.“ „Für den nächsten — Mörder!?“ Keswich schluckte. „Wie Mylady zu sagen beliebten“, schaltete der Butler sich würdevoll ein. Er nickte Keswich zu, der an Händen und Füßen gefesselt auf einem Stuhl saß. „Sie glauben doch nicht, daß Poulsen senior hier aufkreuzen wird?“ meinte Keswich und grinste schwach. „Keineswegs“, sagte Parker. „Oder McAllister!?“ „Keineswegs.“ „Wer sonst, zum Teufel? Reden Sie doch endlich!“ „Ich wurde vor knapp zehn Minuten von der Polizei darüber informiert, daß Martin Poulsen das väterliche Apartment in Plymouth verlassen hat“, sagte Lady Agatha. „Die Polizei weiß natürlich nichts von Ihnen. Sie wollte uns nur warnen. Die Behörden sind der festen Ansicht, daß Martin Poulsen versuchen wird, Mister Parker und mich umzubringen.“ „Martin ist aus Plymouth abgehauen? Dieser hornverbrannte Idiot!“ „Und er wird sicher schießen“, versicherte der Butler würdevoll. „Mylady verzichtete übrigens auf den angebotenen Schutz der Polizei.“ „Wir machen das unter uns ab“, übernahm Lady Agatha nun wieder ihren Part. „Ich bin sicher, Sie sind damit einverstanden.“ „Sie wollen mich umbringen! Das ist Mord.“ „Nur, wenn Martin Poulsen schießt“, stellte die Lady richtig. „Eine gewisse Chance haben Sie durchaus, junger Mann.“ „Hören Sie, Lady! Hören Sie jetzt genau zu. Ich mach' Ihnen ein Angebot ..,.“ Keswich schnappte nach Luft. Er hatte begriffen. „Wenn ich auspacke — restlos ... Wenn ich alle Karten auf den Tisch lege, lassen Sie mich dann laufen?“ „Nein!“ Mehr sagte Lady Agatha nicht. „Wieso denn nicht? Dann haben Sie Martin Poulsen doch am Wickel Er ist es doch gewesen, der die beiden Tramper überrollt hat. Er! Was habe ich damit zu tun?“ 66
„Sie wollten einen Doppelmord begehen, damit Martin Poulsen nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.“ „Poulsen senior hat mich dazu gezwungen.“ „So trägt eben jeder sein persönliches Risiko mit sich herum“, antwortete Agatha Simpson gelassen. „Ist Martin Poulsen eigentlich ein guter Schütze?“ „Ich werde aussagen, daß ich neben Martin saß“, beeilte sich Keswich zu versichern. „Ich kann beeiden, daß Martin die beiden Tramper zusammengefahren hat.“ „Der Beifahrer ist unwichtig“, entschied Lady Simpson, „mir geht es einzig und allein darum, daß der Fahrer, nämlich Martin Poulsen, zur Rechenschaft gezogen wird.“ „Wenn ich aussage, haben Sie ihn doch festgenagelt.“ „Keineswegs“, schaltete sich jetzt wieder Parker ein, „da sind noch die von Mister Poulsen senior gekauften und bezahlten Augenzeugen in Plymouth. Ganz zu schweigen davon, daß Sie Ihre Aussagen später vor dem Richter wieder zurückziehen werden, Mister Keswich. Martin Poulsen kann also sehr wahrscheinlich nicht wegen seiner Amokfahrt belangt werden, aber wegen eines Mordes, der noch in dieser Nacht geschehen wird, Sie haben die tiefe Problematik begriffen?“ „Sie sind wahnsinnig“, behauptete Keswich und schluckte. „Weil Sie ihn wegen der Geschichte mit den beiden Trampern nicht erwischen können, lassen Sie ihn hier einen Mord begehen?“ „Nur an Ihnen, junger Mann“, beruhigte ihn Lady Simpson wohlwollend, „falls es überhaupt dazu kommt. Sonst müssen mein Butler und ich uns noch eine andere Geschichte einfallen lassen.“ *** „Das ist der Ford!“ McAllister, der den Bentley steuerte, bremste hart und sah dem bereits vorbeirasenden Wagen nach, dessen Schlußlichter sich in der Dunkelheit verloren. „Drehen Sie doch endlich!“ brüllte Poulsen senior. „Wir können ihn noch einfangen. Das muß Martin gewesen sein.“ Poulsen atmete auf. Seine Reaktion auf das Verschwinden .seines Sohnes war also richtig gewesen. Martin war auf dem Weg zurück nach Torquay. Es bestand noch die Chance, ihn unterwegs abzufangen und an seinem Vorhaben zu hindern. Poulsen und McAllister waren seit fast zwanzig Minuten unterwegs und schienen es jetzt geschafft zu haben. McAllister wendete rücksichtslos und gegen jede Regel. Er überfuhr den Grünstreifen, erreichte die Gegenfahrbahn und brachte den Bentley wieder auf Tempo. 67
„Beeilen Sie sich doch!“ schnauzte er McAllister an „Wir müssen ihn abfangen. Wie müssen es schaffen.“ „Polizei!“ sagte McAllister lakonisch und deutete mit dem Daumen über seine rechte Schulter. Poulsen drehte sich hastig um. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Hinter ihnen befand sich eine Verkehrsstreife der Polizei. Der schwere Wagen holte bereits deutlich auf. „Tempo, McAllister, Tempo!“ „Das hat doch keinen Sinn, Chef“, warnte McAllister, „die haben doch Funk in ihren Wagen.“ „Geben Sie Gas!“ Poulsen drehte sichtlich durch. Er schob seinen rechten Fuß vor und legte ihn nachdrücklich auf den Schuh von McAllister, der das Gaspedal bediente. Der Bentley machte einen Sprung nach vorn. „Sind Sie verrückt, Chef?“ McAllister hatte kein Interesse daran, sich den Hals zu brechen. Er boxte Poulsen in die Seite und warf ihn gegen die Tür zurück. Dann nahm er das Gas weg und trat vorsichtig auf die Bremse. „Weiterfahren!“ Poulsens Stimme hatte plötzlich einen Klang, in dem Wahnsinn mitschwang. Wenigstens hörte es sich so an. „Weiterfahren, McAllister, sonst schieße ich!“ Poulsen hielt eine kleine Automatik in der Hand und preßte die Mündung der Waffe gegen McAllisters Hüfte. „Schon gut, Chef, schon gut“, beschwichtigte McAllister, „ich spiel' mit.“ Er sah wieder in den Rückspiegel und bemerkte, daß der Streifenwagen schon erheblich herangekommen war. Die Sirene war deutlich zu hören. Poulsen fiel auf den Trick herein und sah hastig zur Seite. Er glaubte wohl, bereits überholt zu werden. McAllister schlug mit aller Kraft zu und riß den Wagen herum. Poulsen verlor die Waffe, schlug mit dem Kopf seitlich gegen die Wagenscheibe und wurde dann durch das jähe und bewußte Abbremsen nach vorn auf die Windschutzscheibe geschleudert. Glas splitterte. McAllister hatte alle Hände voll zu tun, den schlingernden und aus dem Kurs geratenen Wagen unter Kontrolle zu bringen. Dennoch konnte er es nicht vermeiden, daß der Bentley von. der Fahrbahn abkam und krachend im Straßengraben landete. McAllister hatte sich abgestemmt und dann zur Seite geworfen. Er hörte das Kreischen von Blech, das Splittern von Glas und wurde hart durchgeschüttelt. Benommen taumelte er aus dem Wagen, ging auf die beiden Streifenpolizisten zu und brach vor ihnen zusammen. Bevor er bewußtlos wurde, bekam er noch mit, daß es plötzlich nach Rauch und Feuer roch. *** 68
Martin Poulsen hatte nicht bemerkt, was sich hinter ihm auf der Schnellstraße abgespielt hatte. Er saß verbissen' am Steuer und raste durch die Nacht. Natürlich hatte er wieder getrunken. Vor dem Verlassen des Apartments seines Vaters in Plymouth hatte er sich ausgiebig gestärkt, wie er es nannte. Zu seiner Verbissenheit hatte sich eine Art Hochgefühl gesellt. Er fühlte sich stark und unüberwindlich. Er wollte es diesem Butler Parker und der komischen Lady schon zeigen. Wer sich mit Martin Poulsen anlegte, der hatte schon verloren, bevor er überhaupt den ersten Zug tun konnte. Die ersten Häuser von Torquay kamen bereits in Sicht. Martin Poulsen dachte natürlich nicht daran, sich erst mal bei seinem Vater zu melden. Das sollte geschehen, wenn er gleichzeitig eine Erfolgs- und Vollzugsmeldung mitliefern konnte. Was zu tun war, wollte er allein tun. Natürlich kannte er sich in dem Seebad gut aus. Er benutzte Seitenstraßen und Nebenwege, die die weiten Hügel durchschnitten. Er ließ den Ford an irgendeinem Straßenrand stehen und legte den Rest des Weges zu Fuß zurück. Unterwegs vergewisserte er sich, daß der 38er griffbereit an Ort und Stelle saß. Und dann hatte er den weitläufigen Park erreicht, in dem die Villa der Lady Simpson stand. Das Haus war dunkel, alles schien zu schlafen. Etwas mühsam überkletterte Martin Poulsen die Mauer. Der Alkohol in seinem Blut machte sich deutlich bemerkbar. Martin Poulsen marschierte ziemlich ungeniert auf das Haus zu, beobachtete die Fenster und entdeckte an der südlichen Hausecke einen Lichtschein. Er ging um das große, massige Gebäude herum und kicherte zufrieden. Da war ein Fenster, das strahlend, hell erleuchtet war. Dieses Fenster war von einer angrenzenden Terrasse aus leicht zu erreichen: Kleinigkeit für einen Martin Poulsen. Er betrat die Terrasse und pirschte sich an das Fenster heran. Gewiß, da waren zwar Vorhänge, die eine Gesamtsicht in das Zimmer verhinderten^ aber er konnte immer noch genug sehen. In einem halbhohen Sessel, mit dem Rücken zu ihm, saß Agatha Simpson, die offensichtlich in einer Zeitung las. Wahrscheinlich war sie darüber eingeschlafen, denn sie rührte sich nicht. Und Parker? Martin Poulsen hatte Mühe, ein triumphierendes Kichern zu unterdrücken. War der erste Schuß erst mal abgefeuert, würde dieser verdammte Butler doch mit Sicherheit ins Zimmer gestürzt kommen. Und dann war er an der Reihe. Einfacher und wirkungsvoller ließ, sich so etwas doch nicht machen. Martin Poulsen hatte seine Waffe längst in der Hand. Er trat einen halben Schritt zurück, visierte die schlafende Lady an und schoß. 69
*** Larry Keswich brüllte entsetzt auf, als der Schuß fiel. Er sah, wie Agatha Simpson aus dem Sessel flog und auf dem Boden landete. Er rechnete mit dem zweiten Schuß, der diesmal ihm gelten mußte. Er duckte sich verzweifelt in seinem Sessel zusammen und schloß gleichzeitig die Augen. Er hatte Todesangst. Die Lady lag ruhig auf dem Parkettboden. Daß es sich natürlich nicht um sie handelte, wußte Keswich. Er hatte die Vorbereitungen ja bis ins Detail mitbekommen. Diese Lady Simpson auf dem Boden war die Schneiderpuppe, die von Kathy Porter und der Hausherrin als Double hergerichtet worden war. Und Martin Poulsen war prompt in die Falle gegangen. Nur er konnte geschossen haben! Und wann fiel der nächste Schuß? Keswich kannte doch den Sohn seines Chefs. Martin Poulsen würde jetzt jede Übersicht verlieren und hemmungslos wüten. Qualvolle Sekunden verstrichen. Dann erfolgte ein zweiter Schuß, der allerdings anders klang als der erste. Stimmengewirr auf der Terrasse, Schreie, Toben, lautes Schimpfen. Dann Schritte. Keswich öffnete hoffnungsvoll die Augen und sah Martin Poulsen vor sich, der von zwei Zivilisten festgehalten wurde. Martin zierten bereits Handschellen, aber er war einfach nicht zu beruhigen. Er stierte zuerst auf Parker, der jetzt ebenfalls zu sehen war. und beschimpfte ihn geifernd. „Ich möchte behaupten, Sir“, sagte Parker zu einem dritten Zivilisten, der von der Terrasse aus ins Zimmer kam, „ich möchte behaupten, Sir, daß dieser Mordversuch die eindeutigen Augenzeugen aufweist, die für eine Anklage und Aburteilung notwendig sind.“ „Worauf Sie sich verlassen können, Mister Parker“, erwiderte Mervins, um den es sich handelte. „Das reicht vollkommen.“ „Mister Martin Poulsen scheint ein wenig außer Kontrolle zu sein“, redete der Butler weiter. „Man sollte ihn vielleicht entfernen, Sir.“ Inspektor Mervins lächelte und nickte seinen beiden Mitarbeitern zu, die dann zusammen mit Martin Poulsen den Raum verließen. Sein Schreien und Toben war solange zu hören, bis die Wagentüren ins Schloß fielen. „Die Polizei war die ganze Zeit über hier im Haus?“ fragte Larry Keswich, dessen Mund trocken geworden war. „In der Tat“, gab der Butler zurück. „Damit wollten Mylady und meine bescheidene Wenigkeit weiteren gekauften Zeugen vorbeugen.“ „Aber ich...“ „Machen Sie sich nur nichts vor, Keswich“, -.fiel Inspektor Mervins dem Profi in die Rede, „glauben Sie etwa, die Poulsens würden Sie frei ausgehen lassen? Machen Sie sich auf massive Belastungen gefaßt! Wahrscheinlich wird man sogar 70
versuchen, Ihnen den Tod der beiden Tramper in die Schuhe zu schieben. Sie kennen doch diese Poulsens, oder?“ „Aber nicht mit mir!“ Keswich sah den Inspektor verbissen an. „Da werden die Poulsens sich aber auf was gefaßt machen können. Ich packe aus. Hören Sie, Inspektor, ich will ein Geständnis ablegen.“ „Später“, sagte Mervins fast desinteressiert. „Das hat noch Zeit.“ *** „Sehr begabt“, stellte Agatha Simpson fest, nachdem Parker ihr und Kathy Porter Bericht erstattet hatte. „Die Falle war perfekt, Mister Parker. Ich fürchte, man darf Sie noch nicht mal empfehlen, sonst engagiert man Sie mir weg.“ „Mylady können sich auf meine Loyalität verlassen“, erklärte Parker, der am Steuer seines hochbeinigen Monstrums saß, mit dem er durch Torquay fuhr. „Das will ich Ihnen auch geraten haben“, gab Lady Agatha grimmig zurück. „Fassen wir also zusammen, die beiden Poulsens haben gestanden.“ »Wie die Herren Keswich und McAllister, der nur am Rande mitbeteiligt war, Mylady.“ „Wurde bei der Gelegenheit nicht auch bekannt, daß Poulsen senior vor einiger Zeit einen tödlichen Unfall verursachte, Mister Parker?“ erkundigte sich Kathy Porter, die im Fond des Wagens neben Lady Agatha saß. „In der Tat“, erläuterte Parker. „Dieses Detail hätte ich beinahe vergessen, was man mir nachsehen sollte.“ „So reden Sie doch endlich“, raunzte Mylady ihren Butler über die Wagensprechanlage an. „Mister Hubert P. Poulsen überfuhr mit seinem Motorboot einen Schwimmer und verletzte ihn tödlich“, berichtete Parker gemessen, wie es seiner Art entsprach. „Damit wurde er von seinem eigenen Sohn praktisch erpreßt.“ „Unmögliche Individuen“, stellte Agatha Simpson fest. „Vergessen wir sie so schnell wie möglich.“ „Wie Mylady befehlen.“ „Widmen wir uns den Clintons, Mister Parker. Haben Sie den Blumenstrauß besorgt?“ „Wie Mylady befahlen.“ „Ein schönes Gefühl, daß dieses alte Ehepaar jetzt wieder ohne Angst leben kann“, freute sich Agatha Simpson. „Ich denke, Mister Parker, wir sollten den Clintons ein paar hübsche Ferienwochen auf meine Kosten vorschlagen.“ „Ich möchte Mylady auf keinen Fall widersprechen.“ „Aber wir sollten auch an uns denken“, redete die Detektivin weiter. „Finden Sie nicht auch, daß Torquay auf die Dauer recht langweilig ist?“ „Wie Mylady befehlen.“ Parker leistete sich den Luxus einer Gefühlsregung und verdrehte ergeben die Augen. Er wußte natürlich, was jetzt kam. 71
„Es ist also abgemacht“, entschied Lady Simpson. „Wir werden unsere Zelte abbrechen. Sagten Sie etwas, Kindchen?“ „Bestimmt nicht, Mylady“, gab Kathy Porter hastig zurück, obwohl sie leicht aufgeseufzt hatte. „Und Sie, Mister Parker? „ „Ich würde mich nie erkühnen, Mylady zu widersprechen“, gab Parker gemessen zurück. „Mylady können, wie immer und stets, über meine bescheidene Wenigkeit verfügen.“ „Was ich mir auch ausgebeten haben möchte“, meinte Lady Agatha und ließ sich äußerst zufrieden und angeregt zugleich im Polster zurücksinken. : ENDE
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Unsere Krimis mit
werden fortgesetzt mit Band 131:
PARKER und der Sex-Report von Günter Dönges
Lady Agatha Simpson war nicht zu bremsen, als sie den Schuß und dann einen entsetzten Schrei hörte. Unternehmungslustig wie immer machte sie sich sofort an die Verfolgung des heimtückischen Schützen, begleitet von einem gewissen Josuah Parker, der zwar zur Vorsicht mahnte, aber nichts auszurichten vermochte. Butler Parker hatte alle Hände voll zu tun, um Lady Agatha vor selbstmörderischen Dummheiten zu bewahren. Die streitbare alte Dame erkannte dank Parker schnell gewisse Zusammenhänge, die sich auf einen dubiosen „Sex-Report“ hin verdichteten. Eine junge Dame, in der horizontalen Lage offensichtlich erfahren, schrieb an ihren zweifelhaften Erinnerungen und brachte gesetzte Herren in gelinde Aufregung. Es dauerte nicht lange, bis Parker und die Lady in einen tollen Wirbel gerieten. Gewisse Leute fühlten sich in ihren Absichten gestört und setzten das skurrile Duo auf die Liste ihrer Opfer. Doch auch diesmal funkten Parker mit seiner Trickkiste und Agatha Simpson mit ihrem „Glücksbringer“ dazwischen und entwirrten den „Sex-Report“, ließen sogar einige attraktive Zusatzkapitel schreiben ... Wieder ein neuer PARKER-Krimi! Günter Dönges mischt Spannung, Aktualität und Witz — ein hochexplosives Gemisch, das Sie unweigerlich ins Lachen bringt.
Als Butler-Parker-Krimi bringen wir in Neuauflage demnächst die Nr. 99 PARKER und Kleopatra ebenfalls von Günter Dönges
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