Parker narrt die Außerirdischen Ein Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges »Sie erlauben, Sir...
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Parker narrt die Außerirdischen Ein Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges »Sie erlauben, Sir, daß ich mir ein andeutungsweises Befremden gestatte«, sagte Butler Parker gemessen. »Sie sprachen gerade eindeutig von einem Roboter?« Chief-Superintendent McWarden, ein untersetzter, bulliger Mann, etwas über fünfzig, nickte nachdrücklich. Er war der Chef eines Sonderdezernats im Yard und direkt dem Innenminister unterstellt. McWarden befaßte sich mit Kriminalfällen, die über die normale Routine hinausgingen. »Ich habe von einem Roboter gesprochen«, antwortete McWarden. »Und ich gebe damit wieder, was Augenzeugen meinen Mitarbeitern berichtet haben.« »Roboter!« Lady Agatha schnaubte verächtlich. Sie saß in ihrem Lieblingssessel und winkte ab. »Mit solch einem Unsinn brauchen Sie mir nicht mehr zu kommen, McWarden. Ich habe genug von den Draculas, Vampiren und UFOs, mit denen ich es in jüngster Zeit zu tun hatte. Alles einfältiger Schnickschnack, wenn Sie mich fragen.« Agatha Simpson, stattlich aussehend und füllig, an die Walküre in Wagners Oper erinnernd, war eine vermögende Frau, die sich jede Überspanntheit leisten konnte, und hinsichtlich ihres Alters, nur schwer einzuordnen. Sie war über sechzig, das sah man ihr
an, aber dann wurde man auch schon zu unsicher, um sich genauer festzulegen. Sie machte einen ungemein energischen und dynamischen Eindruck, was auch den Tatsachen entsprach. Einmal in Bewegung gekommen, war Lady Agatha eigentlich kaum zu bremsen. Seit vielen Jahren Witwe, hatte sie sich der Aufklärung von Verbrechen verschrieben. Sie ging dabei sehr unmethodisch .vor und verzichtete in fast allen Fällen auf Logik. Sie senkte einfach den Kopf und nahm ihre Gegner an wie der Stier den Torero. Sie verzichtete auf jede Psychologie und nannte die Dinge stets beim Namen. Mit dem Blut- und Geldadel der Insel verschwistert und verschwägert, hinderte sie nichts daran, jedem auf die Füße zu treten, den sie nicht schätzte. Agatha Simpson hielt sich übrigens für eine Schriftstellerin. Butler Parker hatte ihr im Obergeschoß des altehrwürdigen Stadthauses in Shepherd's Market ein Studio eingerichtet, in dem sie ihren geplanten Bestseller zu Papier bringen konnte. Dieses Studio War mit allen Finessen modernster Bürotechnik ausgestattet. Eine Kugelkopfmaschine wartete nur darauf, endlich mal in Gebrauch genommen zu werden. Die Meisterautorin hatte es sich in den Kopf gesetzt, eine gewisse Agatha
Christie in den Schatten zu stellen, wurde jedoch ständig abgelenkt und suchte zudem immer noch nach einem geeigneten Stoff für ihr fundamentales Werk. Dauernd kreuzten Ganoven und Gangster ihren Weg und hielten sie so von der Maschine fern. »Nehmen Sie schon wieder mal übel, McWarden?« erkundigte Lady Simpson sich maliziös bei dem ChiefSuperintendent, der eine kleine Schweigepause eingelegt hatte. »Gut, ich glaube Ihnen also, daß außerirdische Roboter durch London marschieren. Warum auch nicht? London ist und bleibt immer gut für jede Überraschung. Sine Sie jetzt zufrieden?« »Darf man erfahren, Sir, auf welche Art und Weise die erwähnten Roboter sich betätigen?« Josuah Parker schaltete sich ein. Er trug seinen üblichen schwarzen Zweireiher, einen Eckkragen und einen schwarzen Binder. Butler Parker, dessen Alter überhaupt nicht festzustellen war, besaß das ausdruckslose und glatte Gesicht eines professionellen Pokerspielers und war der hochherrschaftliche Butler in Perfektion. Einen Butler wie ihn sah man eigentlich nur noch in Filmen oder auf der Kinoleinwand. Auf der Welt schien es nichts zu geben, was ihn zu erschüttern vermochte. »Endlich eine gute Frage«, meinte McWarden spitz. »Diese WeltraumRoboter stoppen Lastwagen und rauben sie aus, sie dringen in Büros ein und machen die Tresore leer, sie scheinen wirklich von einem anderen Stern zu kommen.«
»Mit Besuchern von fremden Planeten muß man immer rechnen«, warf Lady Agatha ein. »Und noch etwas, McWarden, mir gegenüber brauchen Sie keine spitzen Antworten zu geben.« »In wie vielen Fällen, Sir, traten diese Weltraum-Roboter bisher in Erscheinung?« fragte Parker, bevor McWarden auf Myladys Hinweis antworten konnte. Er wußte aus Erfahrung, daß Lady Agatha und McWarden kaum eine Gelegenheit ausließen, sich in mehr oder weniger versteckter Form zu beleidigen, wobei die ältere Dame fast immer das letzte und beste Wort behielt. »Ich weiß, eine sehr gute Frage«, stichelte Lady Agatha. »Hoffentlich fällt die Antwort nicht weniger gut aus, was ich allerdings schon jetzt bezweifeln möchte.« »Uns sind bisher drei Raubüberfälle bekannt«, sagte der Chief-Superintendent. »In zwei Fällen wurden Tresore leergeräumt, in einem Fall konnten die Roboter einen Lastwagen mit Radiound Fernsehgeräten ausrauben.« »Außerirdische, die Fernsehgeräte stehlen! Lächerlich!« Die Lady und passionierte Amateurdetektivin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Wieviel Roboter waren es, Sir, und wie sehen sie aus?« wollte Josuah Parker in seiner höflichen und sachlichen Art wissen. »In allen drei Fällen wurde von zwei Robotern gesprochen«, lautete McWardens Antwort. »Tja, und wie sie aussehen? Nun, da gehen die Beschreibungen ein wenig auseinander.«
* Stan Hilling war ein erfahrener Mann, der seit Jahren schwere Lastwagen über die Straßen der Insel bewegte. Er war bei einer Speditionsfirma angestellt und galt als äußerst zuverlässig. An diesem Abend saß er zusammen mit seinem Beifahrer Bruce Travis in der Fahrerkabine seines Lastwagens und fuhr in Richtung Birmingham. Er hatte die Fracht an den West India Docks in London übernommen und kannte sehr wohl den Wert der Ware. Er transportierte Champagner und französische Weine, außerdem Feinkostkonserven der Spitzenklasse. Der Verkehr auf der M 1 war lebhaft, schuf aber keine Probleme. Der feine Regen hatte nachgelassen, und die Straße trocknete ab. Selbstverständlich hielt Stan Hilling sich genau an die vorgeschriebene Geschwindigkeit,, denn die Polizeikontrollen auf dieser wichtigen autobahnähnlichen Verkehrsader waren streng. Er schaute daher nur flüchtig auf den Streifenwagen der Polizei, der den Lastwagen überholte. Stan Hilling hatte ein gutes Gewissen. Mochten die Beamten ihn doch anhalten, sein Fahrtenschreiber würde eindeutig beweisen, daß er sich an das erlaubte Limit gehalten hatte. »Pech, Leute«, sagte er halblaut, als der Streifenwagen sich vor seinen Laster setzte. »Aber nicht mit mir!« Er paßte sich der Geschwindigkeit des immer langsamer werdenden Polizeiwagens an, bis er schließlich hielt. Dann langte er nach seinen Papieren und wartete, bis einer der Beamten un-
ten vor der Fahrertür erschien. Stan Hilling drückte die Tür auf und reichte dem Beamten die Unterlagen, doch der Mann schüttelte den Kopf. »Keine Kontrolle«, meinte er. »Drei Meilen vor uns ist Vollsperrung: Unfall! Nehmen Sie die Umgehung über die A 5 und gehen Sie ab Luton wieder zurück auf die M 1, ist das klar?« »Verstanden!« Stan Hilling nickte. »Vielen Dank für den Tip, Sergeant.« »Ist unser Job.« Der Sergeant in Uniform nickte und eilte nach hinten, um andere Fahrer zu stoppen und zu informieren. Stan Hilling ließ den Laster anrollen und bog nach etwa hundertfünfzig Metern in die Seitenstraße ein, die gut ausgebaut war. »War was?« fragte sein Beifahrer plötzlich. Er war aus dem Schlaf hochgeschreckt und gähnte. »Vollsperrung, Bruce«, erklärte Hilling. »Wir machen 'nen kleinen Umweg. Schlaf weiter!« »Ich lös' dich in 'ner Stunde ab«, sagte Travis und rückte sich wieder in seiner Ecke zurecht. Er gähnte noch mal und schloß die Augen. Stan Hilling hatte inzwischen wieder hochgeschaltet und ließ den schweren Laster über die wesentlich schmalere Straße rollen. Sie war zu beiden Seiten bewaldet. Um diese Zeit mußte man mit Wild rechnen, das über die Straße wechselte. Er war etwa fünf Minuten unterwegs, als er plötzlich automatisch auf die Bremse ging. Er trat das Pedal voll durch und hatte Mühe, den schweren Wagen auf der Straße zu halten. Bruce Travis war natürlich längst wach geworden. Er fluchte und rieb
sich die Stirn. Er war vom Sitz gerutscht und auf dem Boden der Fahrerkabine gelandet. »Das ... Das gibt's doch nicht, das ist doch nicht wahr!« Stan Hilling sagte es sehr leise, und Angst und Unglaube waren in seiner Stimme deutlich zu hören. »Kann man wohl sagen.« Bruce Travis drückte sich hoch. »Ro ... Roboter!« stotterte Stan Hilling mit heiserer Stimme. »Sieh dir das an, Bruce!« Travis sagte nichts. Die Augen fielen ihm fast aus den Höhlen. Er sah zwei riesige Roboter, die auf den schweren Lastwagen zugingen. Die menschlichen Nachbildungen aus Metall mochten zwei bis zweieinhalb Meter groß sein. Ihre Bewegungen waren eckig, so etwas wie große Augen glühten grellrot, um dann in ein grünes Violett überzugehen. Dieses Farbenspiel wechselte unaufhörlich. »Fahr los«, keuchte Travis. »Los, gib Gas, Stan, gib Gas!« Hilling nickte, trat die Kupplung, legte den ersten Gang ein und wollte anfahren, doch die Antriebsräder tourten durch. Der schwere Laster schüttelte sich wie ein Tier, das man gefesselt hat. »Los, mach doch!« schrie Bruce Travis. Er stierte auf die beiden riesigen Roboter, die vom Licht der Autoscheinwerfer aus der Dunkelheit herausgeschnitten wurden. Dann verlor Travis die Nerven, drückte die Beifahrertür auf und ... stieg nach unten auf die Fahrbahn. »Hau' ab, Stan«, brüllte er noch, bevor er losrannte, um im Gebüsch vor dem Wald zu verschwinden.
Stan Hilling gab erneut Gas. Der Lastwagen schüttelte sich verzweifelt, der Motor heulte auf, doch der Laster rührte sich nicht von der Stelle. Die beiden Roboter hatten die Front des Fahrzeugs fast erreicht. Das Licht in ihren Augen wurde rubinrot, immer greller. Stan Hilling war völlig geblendet, hörte das Splittern von Glas, spürte, daß ein Regen von Scherben auf ihn niederprasselte, warf sich auf den Beifahrersitz, kroch zur geöffneten Tür und ... rollte sich nach draußen. Er dachte an Todesstrahlen und an ein Verdampfen im Strahl irgendeiner Energie. Er verstauchte sich den linken Fuß, keuchte vor Angst und rannte dann ebenfalls auf das Gebüsch zu. Bevor die Zweige hinter ihm zusammenschlugen, hörte er noch ein schrilles Pfeifen, erneut das Splittern von Glas und das Schrammen von Blech. Er lief, bis er erschöpft zusammenbrach. * »Was sagen Sie zu diesem Humbug, Mike?« fragte Lady Agatha und musterte Anwalt Rander, der zusammen mit Kathy Porter in Myladys Haus gekommen war. »Riesenroboter?« Mike Rander zuckte die Achseln. »So etwas kommt doch höchstens in Science-fictionFilmen vor, denke ich.« »McWarden ist von der Existenz dieser Roboter fest überzeugt.« Lady Agatha lächelte. »Mein Bedarf an außerirdischen Existenzen ist erst mal gründlich gedeckt. Ich denke da an die UFO's, mit denen wir's zu tun hatten. Diese verrückten Untertassen
bestanden aus Plastik und waren von Studenten gebaut worden.« Seit diesem Fall war inzwischen einige Zeit verstrichen, und Lady Simpson sah die damaligen Dinge von der heiteren Seite. Sie war von Studenten genarrt worden, die ein UFO gebaut hatten, das dann in die Hände gerissener Gangster geraten war. Mike Rander, vor kurzer Zeit erst aus den Staaten zurückgekehrt, um in London wieder als Anwalt zu arbeiten, war früher mal von Butler Parker »betreut« worden und hatte zusammen mit ihm eine Serie gefährlicher und haarsträubender Abenteuer erlebt. Nun war er von Lady Simpson wie selbstverständlich »vereinnahmt« worden und mit der Vermögenskontrolle der Dame beschäftigt. Das Haus in der Curzon Street war nur ein Katzensprung weit von Shepherd’s Market entfernt. Mike Rander, etwa vierzig Jahre alt, war etwas über mittelgroß, schlank und sah sehr sportlich aus. Er hatte braunes Haar und ausdrucksstarke, dunkelbraune Augen. Man sah ihm auf keinen Fall an, wie hart er sein konnte. Seine Gegner hielten ihn immer noch für einen Playboy, der einer Auseinandersetzung gern aus dem Weg ging. Mylady registrierte seit einigen Wochen wohlwollend, daß Kathy Porter sich mit dem Anwalt ausgezeichnet verstand, Die junge Dame war ihre Sekretärin und Gesellschafterin, wurde von ihr aber wie eine Tochter behandelt. Kathy Porter, kastanienbraunes Haar mit einem leichten Rotstich, schlank, geschmeidig, erinnerte auf den ersten
und zweiten Blick an ein scheues Reh. Tatsächlich aber war sie durchtrainiert und in sämtlichen Kämpfarten des fernen Ostens mehr als versiert. Dieses so angeblich scheue Reh konnte sich innerhalb von Sekunden in eine Pantherkatze verwandeln. »Sie sprachen eben von Augenzeugen, Mylady«, warf Kathy Porter ein. »Wie beurteilt der Chief-Superintendent sie?« »Seiner Ansicht nach sollen sie durchaus glaubwürdig sein, Kindchen.« Agatha Simpson machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber was dieser McWarden schon sagt! Lächerlich! Ihm kann man jeden Bären aufbinden...« »Und wie sollen laut Augenzeugen diese Riesenroboter aussehen?« fragte Kathy Porter weiter. »Wenigstens zwei Meter groß, Kathy. Das muß man sich mal vorstellen! Zwei Meter oder noch mehr. Und sie sollen Todesstrahlen aussenden...« »Todesstrahlen in welcher Form?« wollte Mike Rander wissen. »So eine Art von Laserstrahlen, Mike. Die Aussagen dieser angeblichen Augenzeugen scheinen sich zu widersprechen. Und das sagt doch schon alles, finden Sie nicht auch? Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn hier wirklich Außerirdische landen würden, aber die machen sich dann ganz sicher nicht über Tresore und Lastwagen her, oder?« »Kaum.« Rander lächelte. »Es könnte natürlich sein, daß solche Raumroboter zweckentfremdet werden.« »Ich werde erst dann an diese Roboter glauben, wenn ich einen von ihnen
gesehen habe«, meinte die ältere Dame. »Aber dieses Glück werde ich bestimmt nicht haben.« Sie konnte nicht wissen, daß ihr solch eine interessante Begegnung bevorstand. Es war für sie unvorstellbar, daß bereits einer dieser Riesenroboter auf sie einprogrammiert wurde! * Butler Parker vertrat sich ein wenig die Füße, wie er es stets vage umschrieb, wenn er privat ausging. Er hatte sich bei der in solchen Fällen stets mißtrauischen Lady abgemeldet, saß nun in seinem hochbeinigen Monstrum und näherte sich dem Stadtteil Soho. Das hochbeinige Monstrum, wie sein Privatwagen respektvoll-amüsiert genannt wurde, war ein ehemaliges Londoner Taxi älterer Bauart, das nach seinen ausgefallenen Wünschen umgestaltet worden war. Außer der Karosserie war im Grund alles an und in diesem Wagen neu gestaltet worden. Unter dem eckigen, altmodischen Aufbau befand sich ein Motor, der einem Tourenrennsportwagen zur Ehre gereicht hätte. Darüber hinaus besaß das »Monstrum« technische Finessen, um die sich manches moderne Autowerk gerissen hätte. Parkers Ziel in Soho war eine Art Nachrichtenbörse der Unterwelt. Sie befand sich in einem Privatclub, zu dem nur Eingeweihte Zutritt hatten. Bevor man eingelassen wurde, öffnete sich in der starken. Tür eine kleine Sichtklappe. Nach eingehender
Inspektion des Besuchers durfte man dann möglicherweise durch diese Tür. Parker wurde selbstverständlich auch in Augenschein genommen. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, sagte er und lüftete grüßend die schwarze Melone. »Ich möchte Mr. Huntslay sprechen, wenn es sich eben ermöglichen läßt.« Die Klappe schloß sich, doch unmittelbar darauf wurde die Tür geöffnet, sehr weit sogar. Der bullig aussehende Türsteher bemühte sich ehrlich um eine Verbeugung. Er kannte den Butler und wußte von früheren Begegnungen her, wer dieser Josuah Parker war. Er griff nach dem Hörer des Wandtelefons und rief den Besitzer des Clubs an, um Butler Parker anzumelden. »Nur ein paar Sekunden, Mr. Parker«, sagte der Türsteher anschließend. »Mr. Huntslay kommt sofort selbst.« »Außerordentlich höflich«, sagte der Butler und wiederholte es, als John Huntslay erschien. Der Besitzer des Clubs war ein kurzatmiger Mann von etwa fünfzig Jahren, mittelgroß und mehr als vollschlank. Er strahlte den Butler mit seinem falschen Gebiß an, in dem sich einige Goldzähne befanden. »Fahren wir rauf in mein Privatbüro«, sagte er hastig. »Schön, Sie wieder mal zu sehen, Mr. Parker.« »Urteilen Sie erst später«, empfahl Parker dem Mann gemessen. »Sie möchten mir einen kurzen, flüchtigen Blick in Ihren Club vorenthalten?« »Wie... Wie kommen Sie denn darauf, Mr. Parker?« »Weil Sie mich sofort mit hinauf in Ihr Privatbüro nehmen wollen.«
»Nun ja, da feiert eine geschlossene Gesellschaft«, sagte Huntslay ohne jede Überzeugungskraft. »Sie verstehen, Mr. Parker, ich habe meine Clubräume an eine Firma vermietet. Eigentlich ist heute sogar geschlossen.« »Vielen Dank für Ihre Bereitschaft, mich am Betreten des Clubs nicht hindern zu wollen.« Parker kümmerte sich nicht weiter um Huntslay und den Türsteher. Er ging auf die schwere Portiere zu und öffnete die dahinterliegende Tür. »Bitte, Mr. Parker«, stöhnte Huntslay, »bitte nicht!« »Ich werde Ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit Lady Simpson mitteilen«, meinte der Butler und betrat den Vorraum des Clubs. Er hörte Musik, Stimmen und Gelächter, dann das etwas hektische Kreischen einiger Frauen, die offensichtlich bereits leicht angetrunken waren. Zwei Männer verstellten ihm den Weg. Sie hielten im Vorraum eine Art Wache und waren handfeste Kerle, die in ihren dunklen Anzügen ein wenig deplaziert wirkten. »Geschlossene Gesellschaft«, sagte einer der beiden und beging den Kardinalfehler, Parker zurückstoßen zu wollen. »Komm' morgen wieder, Sportsfreund«, sagte der zweite Mann und schüttelte dann in Richtung Huntslay den Kopf. »Wie kommt der Typ hier eigentlich rein?« Während er diese Frage stellte, hatte er den Butler passiert und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Besitzer des Nachtclubs. Dadurch entging dem Mann ein an sich recht interessanter Vorgang: Butler Parker,
den man nicht ungestraft mit Gewalt zurückstoßen durfte, hatte gerade Protest gegen diese Art der Behandlung eingelegt. Er erledigte das auf eine sehr diskrete, dennoch nachdrückliche Art. Er ließ die scharfe Eisenspitze seines UniversalRegenschirms auf den linken Schuh des rüden Mannes fallen. Der Effekt war beachtlich. Der Mann hatte plötzlich den Eindruck, eine Säbelspitze habe seine Zehen durchbohrt. Er schnappte nach Luft, stöhnte durchdringend und schloß die Augen, bevor er sich ungewollt verbeugte. »Gewaltakte liegen mir unendlich fern«, sagte Parker. »Ich hoffe, Sie akzeptieren diese meine Einstellung.« Der Rüde hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet und wollte Parkers Verhalten auf gar keinen Fall akzeptieren. Er holte aus und hatte eindeutig die Absicht, Parkers Kinn mit der geballten Faust zu bearbeiten. »Ihr Lernvermögen scheint das zu sein, was man gemeinhin unterentwickelt nennt«, sagte Parker und hielt den vorschnellen Unterarm mit dem bleigefütterten Griff seines Regenschirms in halber Höhe fest. Dann ließ er diesen Bambusgriff ein wenig höher gleiten, bis er den Unterkiefer des Flegels erreicht hatte. Der Mann hatte das Gefühl, als sei unter seinem Kinn ein Sprengkörper detoniert. Er sah bunte Sterne und einige geometrische Figuren, schnappte noch mal nach Luft und setzte sich dann ohne weiteren Widerstand auf den Boden. Der zweite Mann war inzwischen herumgefahren und brauchte einige Sekunden, bis er begriff. Er hatte
erwartet, daß dieser seltsam gekleidete, offensichtlich altmodische Mann namens Parker auf dem Teppichboden saß. Als er sich mit dem Gegenteil vertraut gemacht hatte, griff er ganz automatisch nach seiner Schulterhalfter. Er wollte wahrscheinlich erst schießen und dann fragen. »Es ist mir wirklich fast schon peinlich«, schickte Josuah Parker voraus. Dann klopfte er mit dem bleigefütterten Griff gegen den Oberarm des Mannes. Der erlitt daraufhin so etwas wie eine Lähmung und war nicht mehr in der Lage, den Arm weiter zu bewegen. Dafür aber wollte er nach dem Butler treten, und es wäre mit Sicherheit ein sehr unschöner Fußtritt geworden. Josuah Parker hatte dies jedoch vorausgesehen. Der Regenschirm erwies sich wieder mal als Universalwaffe. Der Bambusgriff hatte sich längst wieder gesenkt und beförderte das vorschnellende Bein nachdrücklich zur Seite. Daraufhin geriet der Angreifer in eine kreisende Bewegung. Sein Standbein bildete die Längsachse, das in Schwung gebrachte Bein sorgte noch zusätzlich für eine Rotation, der der Mann nicht gewachsen war. Er verlor das Gleichgewicht und fiel mit dem Kopf gegen die Wand des Vorraums. Er verdrehte die Augen, schielte dann den Butler irritiert an und legte sich zu seinem Partner auf den Teppich. »Die Manieren dieser beiden Männer möchte ich als beklagenswert bezeichnen«, sagte Parker und wandte sich zu John Huntslay um. »Gehe ich recht in der Annahme, daß diese
geschlossene Gesellschaft sich aus ähnlichen Männern zusammensetzt?« »Sie ... Sie bringen mich in des Teufels Küche«, stöhnte der Nachtclubbesitzer gequält und wischte sich dicke Schweißtropfen von der Stirn. »Die werden mich in der Luft zerfetzen.« »Ich möchte mir erlauben, Ihnen einen Rat zu geben«, antwortete Josuah Parker. »Legen Sie sich zu diesen Männern auf den Boden und erklären Sie später, Sie seien ebenfalls das beklagenswerte Opfer meiner bescheidenen Wenigkeit geworden!« Nach diesem wirklich wohlfundierten Rat öffnete der Butler die endgültig letzte Tür zur eigentlichen Kellerbar. Er nahm die Anwesenden dort in näheren Augenschein. * Geschäftsführer Peter Sharn war mit dem Ergebnis seiner Endabrechnung mehr als zufrieden. Dies war für den Supermarkt, den er leitete, ein besonders guter Tag gewesen. Die getätigten Umsätze hatten die der Vortage weit übertroffen. Sharn, ein schlanker, drahtiger Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, hatte die Einnahmen in Höhe von fast fünfzigtausend Pfund in diverse Geldbomben verstaut und wollte sie anschließend in den Nachttresor der örtlichen Bank werfen. Die erstaunliche Höhe der Einnahmen hatte ihren Grund: In diesem Supermarkt wurde nur an Zwischenhändler verkauft, die hier Großeinkäufe tätigten. Der Supermarkt lag im Nordwesten von London, genauer
gesagt, auf der grünen Wiese in der Nähe von Hendon. Als vorsichtiger Mensch hatte Sharn noch zwei männliche Angestellte gebeten, ihn während der Fahrt hinüber zur Bank zu begleiten. Diese beiden Abteilungsleiter befanden sich in der riesigen Verkaufshalle und kontrollierten die Bestände an Spirituosen und Konserven. Peter Sharn hatte die Ledertasche mit den Geldbomben auf den Boden gestellt und wollte gerade sein Büro verlassen, als er drüben im Supermarkt seltsame Geräusche hörte. Holz schien zu splittern, Glas zu bersten und zu zerspringen. Dann hörte er Rufe, wieder das Brechen von Holz und dann einen entsetzten Schrei... Natürlich dachte Sharn sofort an einen Überfall. Er lief zur Tür, öffnete sie spaltbreit und ... zweifelte umgehend an seinem Verstand. Er sah einen riesigen Roboter, wie er sie in Science-fiction-Filmen schon genußvoll beobachtet hatte. Dieser Riesenroboter marschierte mit seltsam staksigen Schritten genau auf die Tür zu, hinter der Sharn stand. Das Monster bestand aus Metall, hatte Augen, die rubinrot glühten und hielt in der rechten Hand eine übergroße Axt. Der Weg, den der Roboter genommen hatte, war deutlich gezeichnet: Er hatte einige Regale einund umgerissen, Flaschen unter seinen klobigen Füßen zermalmt und schlug mit der Axt nach einer kleineren Verkaufstheke, die ihm im Weg stand. Die mächtige Axt spaltete fast die Theke. Der Roboter richtete seine »Augen« auf Sharn und gab dann
schrille, piepsende Töne von sich, die fast ein wenig lächerlich wirkten. Peter Sharn dachte an die Geldbomben, schmetterte die Tür ins Schloß und schob instinktiv einen Riegel vor. Erst dann schloß er auch noch ab, sah sich wie gehetzt um und suchte nach einem Fluchtweg. Die beiden kleinen Fenster waren leider vergittert, und die Nebentür führte nur in den Waschraum, dessen Oberlicht ebenfalls mit einem starken Gitter versehen war. In diesem Augenblick erbebte bereits die Tür. Nach einem zweiten Schlag war die Schneide der Axt im Türholz zu sehen. Dann peinigte ein Schmettern und Ächzen Sharns Ohr. Er wich hinter den Schreibtisch zurück, dachte erfreulicherweise nicht mehr an die Geldbomben, sondern nur noch an- sein Leben. Er lief in den Waschraum und riegelte erneut hinter sich ab. Er zitterte am ganzen Körper, schwitzte vor Angst und Grauen und hörte deutlich, wie die Tür zu seinem Büro zerschmettert wurde. Schrillen, Pieptöne... Im Büro war ein schreckliches Rumoren und Poltern zu hören. Der Riesenroboter war dabei, das Mobiliar in Kleinholz zu verwandeln, doch erstaunlicherweise interessierte er sich nicht weiter für die schmale Nebentür. Sharn hatte sich in eine Nische gezwängt, die von einem Schrank und der Wand gebildet wurde. Er erwartete jeden Moment, daß der Roboter nun auch noch die leichte Tür eindrücken würde. Wieviel Zeit verstrich, bis er wieder klar denken konnte, wußte Peter Sharn später nicht zu sagen. Er hörte die schweren Schritte des Roboters, die
sich entfernten, dann wieder das Bersten und Brechen von Holzregalen, das Splittern von Glas und dann nichts mehr. Als er sich endlich aus dem Waschraum hinaustraute, sah er erst gar nicht nach der Geldtasche. Er ging zögernd auf die Tür zu, die völlig zersplittert war, stieg über die Trümmer und horchte in den Supermarkt hinein. Der Riesenroboter schien verschwunden zu sein. Mit halblauter, heiserer Stimme rief Sharn nach seinen beiden Abteilungsleitern. Keine Antwort! Er rief nun etwas lauter, doch er kam noch immer nicht auf den Gedanken, die Polizei zu alarmieren. Er hörte von irgendwoher ein Schluchzen, das dann ohne Übergang in ein hysterisches Lachen überging. Sharn folgte diesem Lachen und entdeckte seinen' ersten Abteilungsleiter, der aus dem Souterrain kam und seinen Chef offensichtlich nicht mehr wahrnahm. Dann erschien der zweite Abteilungsleiter. Er kam aus der Feinkostabteilung und hielt eine Flasche Whisky in der Hand. Er setzte sie an den Mund und trank wie ein Verdurstender. Er sah durch Sharn hindurch und stand ebenfalls noch eindeutig unter einem tiefen Schock. Sharn spürte erst jetzt, wie müde er war. Die Beine vermochten ihn kaum noch zu tragen. Sharn griff nach einer anderen Flasche, öffnete den Schraubverschluß und trank ebenfalls hemmungslos. Dann nahm er auf einem ungeöffneten Karton Platz und stierte auf den Boden. Er wollte weder nachdenken noch etwas sagen. Er
wollte nur das Bild dieses Roboters verschwinden lassen und trank... * Sie sahen aus wie ehrenwerte Herren, die Männer, die im Hauptraum des Nachtclubs an kleinen, runden Tischen saßen. Sie trugen ohne Ausnahme erstklassig geschnittene Smokings und hörten einem fast schmächtigen Mann zu, der gerade so etwas wie eine Gewinn- und Verlustrechnung vorlas. Dabei kämpfte er unentwegt mit einer Brille, die schwer auf seinem Nasenrücken saß und die Tendenz zeigte, immer wieder nach unten zu rutschen. Parker hatte sich mit schnellem Blick orientiert. Er entdeckte einige ihm recht bekannte Gesichter, deren Besitzer zu den Spitzen der Unterwelt gehörten. Es waren sogenannte Bosse, die sich hüteten, bei irgendwelchen illegalen Handlungen selbst die Finger zu rühren. Dafür hatten diese Männer ihre Handlanger. Was sich in Huntslays Nachtbar versammelt hatte, war, negativ gesehen, die Creme der Unterwelt. Die einzelnen Bosse hatten selbstverständlich ihre jeweiligen Leibgarden mitgebracht, doch diese Männer mußten in einem Nebenraum sitzen, wie Parker vermutete. Er entdeckte nämlich eine Seitentür, die dorthin führte. Diese Tür war bis auf einen schmalen Spalt geschlossen. »Erlauben die Herren, daß ich einen recht angenehmen Abend wünsche?« erkundigte sich Parker gemessen und behielt den Türspalt unter Sichtkontrolle.
Wie Marionetten bewegten sich die Köpfe der Männer. Erstaunte Augen musterten den Butler. Murmeln war zu vernehmen, erregte Stimmen. Einige Männer erhoben sich, Unsicherheit breitete sich aus. »Sie werden bestimmt gleich wieder unter sich sein«, versprach Josuah Parker und lüftete höflich die schwarze Melone. »Ließe es sich unter Umständen ermöglichen, meine bescheidene Wenigkeit als Gastredner einzuschieben?« Während Parker sprach, hatte er bereits die nur leicht angelehnte Tür erreicht und gewisse Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Nachdem er einen seiner Patentkugelschreiber in den Raum hatte rollen lassen, zog er die Tür ins Schloß und stemmte seinen Universal-Regenschirm unter die schwere Klinke aus Bronze. Dadurch war es den Leibgardisten im Nebenraum erst mal unmöglich, die Tür zu öffnen. Dies alles war mit einer Schnelligkeit und Unauffälligkeit geschehen, daß nur wenige der zwei Dutzend Männer es mitbekommen hatten. Parker hörte im Nebenraum ein Hüsteln und Husten, das von Sekunde zu Sekunde intensiver wurde. Die überraschten Smokingträger debattierten inzwischen und hatten ehrliche Mühe, die plötzliche Anwesenheit des Butlers zu verdauen. Josuah Parker war in Kreisen der Unterwelt kein Unbekannter. Entweder kannte man ihn bereits persönlich, oder aber hatte von ihm gehört. Hinzu kam die selbstverständliche Autorität, die er ausstrahlte. Er wurde nachdrücklich zur Kenntnis genommen.
Parker wartete nicht ab, bis die Smokingträger sich geeinigt hatten. Er ging nach vorn zu dem kleinen Mann, der die Bilanz verlesen hatte. »Sie können vielleicht später Ihre Satzung studieren und darüber entscheiden, ob ein Gastredner überhaupt zugelassen werden darf«, schlug Josuah Parker vor. »Ich möchte Ihnen mitteilen, daß sich Dinge anbahnen, die Ihnen mit Sicherheit nicht gefallen werden. Nach meinen bescheidenen Ermittlungen arbeitet eine der Organisationen, die Sie hier vertreten, neuerdings mit Riesenrobotern, die aus dem Weltraum oder von einem anderen Planeten stammen könnten. Diese Roboter werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Mehrzahl Ihrer Organisationen zerschlagen oder zumindest zur Bedeutungslosigkeit verurteilen. Ich möchte Ihnen ans Herz legen, diesen neuen Tagesordnungspunkt zu diskutieren. Sein oder Nichtsein dürfte für Sie hier die Frage sein, wenn ich einen der größten Dramatiker der Geschichte zitieren darf. Es liegt bei Ihnen, ob Sie sich von Robotern verdrängen lassen wollen. Fragen Sie sich also, wer von Ihren angeblichen Freunden diese Roboter für sich arbeiten läßt, wer plant, ein kleines Imperium auf Ihre Kosten zu errichten. Wehren Sie den Anfängen!« * »Man hat Sie wieder rausgelassen?« staunte Mike Rander eine Stunde später und sah den zurückgekehrten Butler Ungläubig an. »Man hat Sie nicht in der Luft zerfetzt?«
»Möglicherweise haben die Herren mit diesem Gedanken gespielt«, antwortete Parker in seiner bekannten Bescheidenheit. »Ich konnte sie dazu überreden, von solchen Plänen Abstand zu nehmen.« »Überreden?« Lady Agatha schnaufte verächtlich und ließ ihren berüchtigten Pompadour am Handgelenk pendeln. »Ich hätte diesen Wüstlingen gezeigt, wie man sich seiner Haut erwehrt.« »Dazu, Mylady, zwangen mich allerdings, dann die' näheren Umstände«, entgegnete Parker höflich. »Es gab also doch Ärger!« Rander warf Kathy Porter einen amüsierten Blick zu. »In der Tat, Sir, für die versammelten Herrschaften.« Parker nickte andeutungsweise. »Ich sah mich gezwungen, meinen Absichten Nachdruck zu verleihen, um es mal so auszudrücken.« »Erzählen Sie doch endlich, Mr. Parker«, forderte die Lady den Butler ungeduldig auf. »Es hat geläutet, Mylady«, antwortete Parker und deutete hinüber zur Wohnhalle. »Die Gangster!?« Agatha Simpson straffte sich. »Hoffentlich versuchen diese Subjekte, sich noch mal mit Ihnen anzulegen. Dann werden sie es aber mit mir zu tun bekommen!« Es war leider nur der Chief-Superintendent, den Josuah Parker wenig später in den Salon seiner Herrin führte. McWarden machte wie immer einen verbissenen Eindruck. Er sah den Butler eindringlich an. »Ich komme gerade aus einer verwüsteten Nachtbar«, sagte er dann. »Das
heißt, ich war auch in einem Hospital.« »Haben Sie sich geprügelt?« fragte Lady Simpson. »Dazu fand ich keine Gelegenheit mehr, das müssen andere getan haben, Mylady. Mr. Parker, würden Sie mir verraten, wo Sie vor etwa einer Stunde gewesen sind?« »Wo soll er schon gewesen sein? Hier, selbstverständlich!« Lady Agatha war sofort bereit, ihrem Butler ein Alibi zu verschaffen. Sie schwindelte schamlos, wenn es sein mußte. »Bis auf meinen kurzfristigen Ausgang, den Mylady meiner bescheidenen Wenigkeit freundlicherweise einräumten«, schränkte der Butler die Aussage sofort ein. »Darf man fragen, Sir, ob Sie sich aus bestimmten Gründen für meine Person interessieren?« »In Huntlays Nachtclub muß ein Tornado gewütet haben, Mr. Parker«, antwortete McWarden. »Der Besitzer alarmierte die Polizei.« »Und beschwerte sich über meine Wenigkeit, Sir?« »Er will so gut wie nichts mitbekommen haben. Im Club herrschte nämlich nach einem Kurzschluß völlige Dunkelheit. Als wir endlich Licht machten, hatte ich den Eindruck, mich in einem Unfallkrankenhaus zu befinden.« »Wurden die Gäste belästigt, Sir?« »Sie wurden total frustriert, Mr. Parker. Sie litten an Sehstörungen und an Reizhusten. Und in einem Nebenraum fanden wir gut ein Dutzend handfester Gangster mit Kanonen in Schulterhalftern.« »Mr. Huntslays Club ist in der Tat nicht unbedingt empfehlenswert, Sir.«
»Die Gäste sagten übereinstimmend aus, sie seien von einem Lichtblitz geblendet worden. Anschließend wollen sie mit einem Schlagstock reihenweise niedergeschlagen worden sein.« »Und so etwas trauen Sie Mr. Parker zu?« schaltete sich die ältere Dame grollend ein. »Doch, durchaus«, bestätigte McWarden. »Mich hat vor allen Dingen stutzig gemacht, daß die Burschen im Nebenzimmer durch die Bank betäubt waren. Sie müssen mit einem Reizgas behandelt worden sein.« »Sir, darf man fragen, ob es irgendwelche konkreten Anschuldigungen gegen meine bescheidene Person gibt?« erkundigte sich der Butler. »Konkrete Anschuldigungen? Nein! Aber die ganze Art und Weise, wie da im Nachtclub agiert worden ist, die deutet auf Sie hin, Mr. Parker.« »Um welche Personen handelte es sich denn im Club?« wollte Mike Rander lächelnd wissen. »Bandenbosse, die sich zu einem Treff versammelt hatten«, meinte der Chief-Superintendent und bemühte sich, wenn auch nur mit halbem Erfolg, um ein Lächeln. »Ich möchte nicht mißverstanden werden, ich freue mich, daß diesen Brüdern mal so eine Niederlage beigebracht wurde. Und da ist noch etwas, wenn ich das richtig mitbekommen habe: Ich habe herausgehört, daß eine Art Geschäftsbericht verschwunden sein soll. Sie wissen nicht zufällig, Mr. Parker, wo er geblieben ist?« »Dazu müßte Mr. Parker ja schließlich im Club gewesen sein«, stichelte Lady Agatha genußvoll. »Und eben haben wir gehört, daß keiner der
Beteiligten Mr. Parkers Namen genannt hat.« »Diese Unterlagen könnten mich unter Umständen interessieren, Mr. Parker«, sagte der Chief-Superintendent und sah Parker an. »Vielleicht wird man Sie Ihnen über kurz oder lang, wie es so treffend heißt, zustellen, Sir«, bemerkte der Butler. »Die Person, die dieses Chaos angerichtet haben soll, dürfte ja wohl nicht zur Unterwelt gehören, wie ich unterstellen möchte.« »Nein, diesen Eindruck habe ich tatsächlich nicht, Mr. Parker.« McWarden bemühte sich erneut um ein Lächeln. »Aber lassen wir das Thema, es gibt wichtigere Dinge.« »Aha! Ihre Riesenroboter sind also wieder aufgetreten, nicht wahr?« erkundigte sich Agatha Simpson ironisch. »Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Mylady.« McWarden nickte und lächelte längst nicht mehr. »Sie haben einen Lastwagen mit Spirituosen und Feinkostkonserven verschwinden lassen. Und sie haben einen Supermarkt für Zwischenhändler ausgeraubt. Fast fünfzigtausend Pfund haben die Roboter mitgehen lassen.« »Sind Personen verletzt worden?« fragte Mike Rander. »Die beiden Lastwagenfahrer und drei Männer aus dem Supermarkt stehen unter schwerer Schockwirkung«, entgegnete McWarden ernst. »Zu Verletzungen kam es erfreulicherweise aber nicht.« »Sie glauben immer noch an diese außerirdischen Roboter, McWarden«, fragte die Lady skeptisch.
»Fest sogar, wenngleich ich annehme, daß diese Roboter hier auf unserer Erde gebaut worden sind.« »So etwas bastelt man nicht in einer Garage«, warf der Anwalt ein. »Um solch einen Roboter zu bauen, braucht man große Geldmittel und technisches Know-how.« »Ich weiß, ich weiß, Mr. Rander.« Der Chief-Superintendent nickte. »Glauben Sie mir, wir befassen uns bereits mit den Finnen, die so etwas bauen können. Und damit bin ich beim Kern der Sache angelangt: Mylady, ich bitte Sie höflich, aber auch sehr nachdrücklich, sich diesmal in diesen Fall nicht einzuschalten. Die Dimensionen übersteigen Ihre Möglichkeiten, glauben Sie mir! Und ich möchte natürlich auch nicht, daß irgendein Riesenroboter sich mit Ihnen befaßt... Ich möchte es wirklich nicht!« »Papperlapapp, McWarden«, gab die Detektivin grollend zurück. »Sie rühren mich fast zu Tränen. Sie wollen mir doch nicht etwa einreden, Sie würden sich wegen mir Sorgen machen!? Nein, nein, Sie haben nur Angst, daß ich den Fall kläre, bevor Sie überhaupt aus den Startlöchern sind! Diese Riesenroboter werden sich noch sehr wundern, das verspreche ich Ihnen! Ich glaube, sie sind der richtige Stoff für meinen geplanten Bestseller, und dieses Thema lasse ich mir nicht nehmen. Mr. Parker, ich hoffe, in meinem Studio befindet sich genügend Manuskriptpapier...« * Mitternacht war vorüber.
Butler Parker begab sich auf einen Kontrollgang durch das altehrwürdige Haus seiner Herrin, das in Fachwerkbauweise in Shepherd’s Market auf den Grundmauern einer uralten Abtei errichtet worden war. Parker hatte die Fensterläden geschlossen und die Sicherheitsanlage eingeschaltet. Dieses Haus am Ende eines zur Hauptstraße ihn offenen Platzes war der zentrale Punkt der anderen Häuser, die das offene Viereck säumten. Auch diese Gebäude waren noch in Fachwerkart errichtet und stellten eine echte Sehenswürdigkeit dar. An dieser Stelle sollte vielleicht vermerkt werden, daß alle Häuser des Platzes sich im Besitz der älteren Dame befanden. Aus Gründen der Sicherheit waren die Bauten nicht vermietet, denn die etwaigen Bewohner dieser Wohnungen hätten es früher oder später bestimmt mit Gangstern zu tun bekommen, ein Risiko, das Mylady ihren Mietern niemals zugemutet hätte. Die Häuser standen alle miteinander in Verbindung. Parker hatte im Geist bester englischer Schlössertradition dafür gesorgt, daß es gewisse Durchschlüpfe und Geheimgänge gab. Bevor der Butler sich ins Souterrain des Haupthauses begab, schaltete er noch mal die Fernsehkamera ein, die über der Haupttür angebracht war. Er wollte sich vergewissern, daß der gepflasterte Weg innerhalb des offenen Vierecks auch tatsächlich leer war. Ein dort abgestellter Wagen hätte nämlich auf gewisse Aktivitäten hingedeutet, die vielleicht von jenen Männern ausgingen, von denen er sich in Huntslays Privatclub ein wenig abrupt und nachdrücklich getrennt hatte.
Nun, ein Wagen war nicht zu sehen, dafür jedoch ein Roboter! Parkers Gesicht blieb unbeweglich. Er, justierte noch ein wenig die Feineinstellung der Kamera und schaute sich dieses technische Monstrum genau an. Dann griff er nach einem Knopf und schaltete den Video-Rekorder ein, der das gezeigte Bild auf Band festhielt. Einen besseren dokumentarischen Beweis für die Existenz eines Riesenroboters hätte er sich gar nicht wünschen können. Der Roboter bewegte sich unbeholfen über 'das alte Pflaster genau zur Haustür. Das Monster, das offensichtlich aus Stahlblech zusammengeschweißt war, mochte zweieinhalb Meter groß sein und zeigte fast so etwas wie ein Gesicht. Es gab auf jeden Fall ein Augenpaar, das rubinrot glühte. Die stämmigen Beine, die an die eines mittelgroßen Elefanten erinnerten, hatten Kniegelenke. Der Roboter ging selbstverständlich 'nicht wie ein normaler Mensch, nein, er schien trotz der Kniegelenke zu rollen, wobei er seine Beine wechselseitig vorschob. Obwohl in Parkers Gesicht keine Bewegung festzustellen war, gestattete er sich in Anbetracht dieses ungewöhnlichen Besuchs das Gefühl der Überraschung. Mit dem Besuch eines Roboters hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Kam dieses technische Monstrum vielleicht als Antwort auf seinen Besuch in Huntslays Bar? Der Roboter hatte inzwischen fast die Haustür erreicht und stand schon halb unter dem Dachvorsprung. Er
hob seine linke Hand und schob sie ruckartig auf das Türblatt zu. Diese Hand, das war auf dem Monitor deutlich zu erkennen, war eine Art Metallklaue, bestehend aus zwei, drei starken Klammern, die fast an die Backen einer Schraubzwinge erinnerten. Auf dem Kopf des Roboters waren zwei Antennen zu sehen, die wie kleine Hörner wirkten. Der Roboter stand jetzt dicht vor der Tür und befaßte sich auf seine spezielle Weise mit ihr. Er hatte die Absicht, die Tür aus dem Rahmen zu sprengen, was Parker gelassen beobachtete. Er kannte diese Tür und wußte, wie fest und sicher sie war. Die Stahlklaue des Roboters suchte inzwischen nach einem Ansatzpunkt, doch die Tür schloß ungewöhnlich dicht. Noch nicht mal die Andeutung einer Fuge gab der Klaue eine Chance. Sie rutschte immer wieder ab, was von einem häßlichen Schrammen begleitet wurde. Parker betätigte die Fernsteuerung der Fernsehkamera und suchte die Durchgangsstraße hinter dem kleinen Platz nach einem Wagen ab. Von irgendwoher mußte dieser Roboter ja schließlich gesteuert werden. Doch der Butler konnte keinen Wagen ausmachen, obwohl die Sicht dank der Lichtverhältnisse gut war. Der Riesenroboter schien inzwischen in Rage geraten zu sein. Er hatte gerade einen kurzen Anlauf genommen und warf sich mit seinem sicher nicht unbeträchtlichen Gewicht gegen das Türblatt. Es rührte sich nicht. Die Tür war nämlich im Grund nichts anderes als eine Panzertür, die
einem Banktresor zur Ehre gereicht hätte. Sie war eigentlich nur dann zu öffnen, wenn man gleich auch das ganze Haus in die Luft jagte. Butler Parker ging in die Wohnhalle und rief Anwalt Rander an, dessen Haus in der nahen Curzon Street lag. Er wollte ihn sicherheitshalber warnen, denn möglicherweise tauchte solch ein Roboter auch vor dem Haus Mike Randers auf. Zu Parkers Überraschung war die Leitung auf der Gegenseite tot. Sie schien durch Fremdeinwirkung lahmgelegt zu sein. Etwa durch einen Roboter, wie Parker sich beunruhigt fragte ... * Mike Rander lag in seinem Bett und hatte erst vor wenigen Minuten das Licht im Schlafzimmer ausgeschaltet. Er war noch wach und dachte an Kathy Porter, die ihm von Tag zu Tag immer besser gefiel. Die rein dienstliche Zusammenarbeit mit ihr war mehr als angenehm. Erfreulicherweise hielt sich die junge Dame nun häufig in seinem Anwaltsbüro im Erdgeschoß des Hauses auf. Die Vermögensverwaltung für Agatha Simpson war eine recht komplizierte, zeitraubende Arbeit. Mike Rander, seit einigen Wochen erst wieder auf der Insel, brauchte noch viel Zeit, um sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen. Dazu benötigte er Kathy Porter, die sich in dieser Materie bestens auskannte. Nach seiner Rückkehr hatte er sich zuerst mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, von Lady Simpson verplant zu werden, doch er hatte so gut wie
keine Chance gehabt. Die ältere Dame hatte ihn wie einen heimgekehrten Sohn empfangen und alles arrangiert. Selbst dieses Haus hier war von ihr beschafft worden, von der Einrichtung mal ganz zu schweigen. Mike Rander hatte schnell nachgegeben, als er Kathy Porter kennenlernte. Hinzu kam natürlich Butler Parker, mit dem er vor seiner Übersiedlung in die Staaten jahrelang manches Abenteuer erlebt hatte. Es war einfach reizvoll, wieder mit diesem skurrilen Mann zusammenzuarbeiten. Parker war und blieb für Mike Rander ein Rätsel. In der Vergangenheit hatte er sich immer wieder gefragt, warum dieser Mann als Butler arbeitete. Parker hätte mit seinen Fähigkeiten im Geheimdienst, um nur ein Beispiel zu nennen, Karriere machen können. Im Polizeidienst wäre Josuah Parker inzwischen wohl längst ein High Commissioner geworden. Aber nein, Parker hatte allen Abwerbungsversuchen widerstanden und war Butler geblieben, ein Butler allerdings besonderer Art. Mike Randers Gedanken wurden abgelenkt. Unten im Haus hatte er ein Geräusch gehört, das nach Reißen und Splittern klang, aber nur kurz gewesen war. Einbrecher? Rander, äußerlich gesehen eine Art verspielter Playboy, griff nach seiner Automatik, die auf dem Nachttisch lag. Er entsicherte die Waffe und stieg aus dem Bett. Er schaltete natürlich das Licht nicht ein, sondern lief leise zur Schlafzimmertür, öffnete sie vorsichtig und lauschte ins Treppenhaus.
Ein seltsames Stampfen und Schleifen war zu vernehmen, dann ein feiner Piepton. Der Anwalt pirschte sich ans Geländer der oberen Galerie und beugte sich über die Brüstung. Zuerst konnte er nichts sehen, doch dann schob sich ein seltsames Gebilde in sein Blickfeld: Ein Riesenroboter marschierte quer durch die Empfangshalle, des Hauses und zerschlug mit seiner linken Hand Kleinmobiliar, das ihm den Weg versperrte. Mike Rander brach nicht gerade in Panik aus, doch er war recht beeindruckt. Solch ein Monster hatte er nicht erwartet. McWarden hatte also wirklich nicht übertrieben oder gar seine Phantasie überanstrengt. Es gab also die zweieinhalb Meter großen Roboter, die ganz aus Metall zu bestehen schienen. Mike Rander ließ es auf einen Test ankommen. Er richtete den Lauf der Waffe auf eines der beiden rubinroten Augen und drückte ab. Der ungedämpfte Schuß peitschte durch das Haus, das Geschoß landete im Ziel und löschte ein Auge im wahrsten Sinn des Wortes aus. Das Piepen wurde jedoch augenblicklich ohrenbetäubend schrill. Dann drehte der Roboter seinen massigen Kopf und legte ihn in den Nacken. Er visierte die Galerie an und ... erwiderte das Feuer. Nein, er schoß nicht.' Aus einem Spalt, der andeutungsweise an einen Mund erinnerte, jagte ein Feuerstrahl in Richtung Mike Rander, der ihn nur knapp verfehlte. Dicht neben dem Anwalt landete dieser Feuerstrahl im
Holz der Brüstung und setzte sie umgehend in Brand. Schon folgte ein zweiter Strahl. Er hätte den Anwalt mit Sicherheit getroffen, wenn Mike Rander nicht instinktiv zurück und zur Seite ausgewichen wäre. Feuer tropfte von der Wand der Galerie und setzte den Teppichboden in Brand. Mike Rander wollte prompt mit der Automatik antworten, doch das Ziel war nicht mehr auszumachen. Unten in der kleinen Empfangshalle waberten dichte Nebelschwaden, die jede Sicht nahmen. Dafür aber war das Schleifen und Scharren des Roboters um so deutlicher zu hören. Schickte der Roboter sich an, die Treppe zu ersteigen? * »Weiter, weiter«, drängte die ältere Dame. »Und was passierte dann? Gütiger Himmel, Mike, muß man um jedes Wort von Ihnen kämpfen?« »Ich stehe immerhin noch unter einem Schock«, antwortete der Anwalt, doch er lächelte ironisch. »So etwas muß man innerlich erst mal verarbeiten!« »Dieser Riesenroboter spuckte also Feuer?« drängte Lady Agatha und wurde noch ungeduldiger. »Wie ein kleiner Flammenwerfer«, bestätigte der Anwalt. »Als er endlich gegangen war, hatte ich meine liebe Mühe und Not, das Feuer zu löschen.« »Ich begreife nicht, wieso Sie dieses Monstrum haben gehen lassen, Mike.« Sie sah ihn vorwurfsvoll an und wandte sich dann an ihren Butler, der sich zusammen mit Kathy Porter ebenfalls im Salon befand.
»Ich hatte einfach keine Lust, ebenfalls Feuer zu fangen«, meinte Mike Rander und lächelte. »Zudem prallten meine Schüsse an diesem Roboter einfach ab, das konnte ich einwandfrei beobachten. Nur diese rubinroten Augen scheinen da verletzbarer zu sein.« »Und warum haben Sie nicht die Polizei verständigt?« »Wäre das in Ihrem Sinn gewesen, Mylady?« »Natürlich nicht, aber in diesem besonderen Fall...« »Darf ich mir erlauben, Mylady darauf hinzuweisen, daß auch Myladys Telefon gestört ist«, warf Parker ein. »Meiner bescheidenen Vermutung zufolge dürften die Roboter vor ihrem Angriff irgendeine zentrale Schaltstelle für diesen Bezirk nachhaltig gestört haben.« »Nun, darüber werden wir morgen ja hören.« Die Detektivin winkte ungeduldig ab. »Kam dieser Roboter die Treppe herauf, Mike? Das interessiert mich ganz besonders.« »Das Treppensteigen scheint ihm schwer zu fallen, Mylady.« Rander stand eindeutig nicht unter einem Schock, wie deutlich zu hören war. Er hatte längst Abstand zu dem nächtlichen Überfall gewonnen und sah die Dinge fast schon von der heiteren Seite. »Unten vor der ersten Stufe blieb er stehen und wackelte sogar ein wenig. Dann drehte er ab und marschierte zurück nach draußen.« »Um in Ihr Haus zu kommen, muß man aber eine Außentreppe nehmen«, erinnerte Kathy Porter. »Richtig, Kindchen, eine kluge Feststellung.« Mylady nickte ihrer Gesellschafterin wohlwollend zu. »Genau
darauf wollte ich gerade hinweisen. Wie hat der Roboter denn diese Stufen geschafft, Mike? Konnten Sie das sehen?« »Offen gestanden, Mylady, ich hatte zu sehr mit dem Brand zu tun.« Mike Rander schüttelte den Kopf. »Zudem hatte ich keine Lust, von dem Flammenwerfer erwischt zu werden. Ich hielt mich tapfer zurück.« »Würden Sie unterstellen, Sir, daß dieser Riesenroboter ferngesteuert wurde?« erkundigte sich Parker höflich. »Gibt es denn überhaupt noch eine andere Möglichkeit?« Mylady sah den Butler streng an. »In diesem Roboter könnte sich auch durchaus ein besonders kleinwüchsiger Mensch befinden, Mylady.« »Natürlich, daran wollte ich gerade erinnern.« Die ehrgeizige Dame wechselte ohne jede Verlegenheit oder Scham ihre Aussage. »Ich denke da zum Beispiel schon die ganze Zeit über an einen Liliputaner.« »Könnte ein kleinwüchsiger Mensch solch einen, Roboter überhaupt steuern?« wollte Kathy Porter wissen. »Technisch wäre dies kaum ein Problem, Miß Porter«, antwortete Butler Parker. »Ich darf in diesem Zusammenhang an die sogenannten Arbeitsroboter erinnern, die in der Industrie verwendet werden. Sie werden entweder computergesteuert oder von Hand. Ein kleinwüchsiger Mensch im Innern solch eines Roboters könnte über Wellen, Gelenke und Panzerdruckschläuche durchaus solch ein Monster nach Wunsch bewegen. Das alles ist nur eine Frage der Konstruktion.«
»Sie sollten mir solch einen Roboter herbeischaffen, Mr. Parker«, sagte die ältere Dame grollend. »Auch Sie haben sich die einmalige Gelegenheit entgehen lassen, solch ein Monstrum einzufangen. Es hat sich lange genug vor dem Haus herumgetrieben.« »Wieso ist der Roboter eigentlich verschwunden?« erkundigte sich Mike Rander und schaute den Butler interessiert an. »Haben Sie ihn mit Ihrem Regenschirm in die Flucht geschlagen?« »Als er an der Haustür nichts auszurichten vermochte, Sir, beschäftigte der Roboter sich mit den Fenstern im Erdgeschoß des Hauses, die selbstverständlich ebenfalls entsprechend gesichert sind. Er schaffte es allerdings, einige Kerben in die Fensterläden aus Stahl zu schlagen.« »Diese Roboter müssen über Riesenkräfte verfügen, oder?« »Diese Frage sollte man unbedingt bejahen, Sir.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Mir kam es darauf an, den Roboter ausgiebig zu filmen, um später gewisse Handlungsabläufe studieren zu können. Nach seinen vergeblichen Bemühungen, ins Haus einzudringen, rollte der Roboter zur Hauptstraße zurück und entschwand dem Blickfeld der Video-Kamera.« »McWarden wird begeistert sein, wenn er diesen Video-Streifen zu sehen bekommt.« »Er wird ihn nicht zu sehen bekommen, Mike«, sagte Lady Agatha energisch. »Er soll seine eigenen Aufnahmen machen.« »Mylady, ich plädiere für eine gewisse Zusammenarbeit«, erwiderte der Anwalt gelassen- »Wir haben doch
nie die Möglichkeit wie ein McWarden, Mylady. Wie sollen wir alle Firmen überprüfen, die solche Roboter herstellen können? Auf diesem Gebiet der»Ermittlung ist der Chief-Superintendent uns haushoch überlegen.« »Haushoch?« Agatha Simpson preßte die Lippen aufeinander. So etwas hörte sie gar nicht gern. »Nur McWardens Apparat kann die Firmen heraussuchen, die sich sogar bereits mit dem Bau von Robotern aller Art befassen«, redete der Anwalt weiter. »Mr. Parker sprach eben von den Arbeitsrobotern? Genau diese Firmen muß McWarden finden und uns dann das Ergebnis seiner Ermittlungen mitteilen. Dies wird er aber nur dann tun, wenn wir ihm die Video-Aufnahme zeigen.« »Das sage ich ja schon die ganze Zeit.« Mylady nickte ungeduldig. »Wir brauchen ihm ja nicht den ganzen Film zu zeigen, sondern nur Teile davon. Mr. Parker, bereiten Sie für den ChiefSuperintendent einen hübschen Kulturfilm vor, mehr aber auch nicht. Die wichtigen Einzelheiten lassen Sie selbstverständlich weg!« »Im Austausch gegen diesen kleinen Film, Mylady, sollte McWarden Mylady vielleicht sagen, wo dieser Lastwagen mit den Spirituosen und Konserven überfallen und ausgeraubt wurde. Mylady wollen sich den Tatort sicher ansehen.« »Was dachten denn Sie!?« Parkers Herrin nickte. »Und Sie werden mir rechtzeitig mitteilen, wonach ich suchen werde, Mr. Parker. Sie wissen, mit diesen Kleinigkeiten gebe ich mich grundsätzlich nicht ab, mich interes-
siert immer nur die große Linie eines Falls.« * Sie waren mit dem hochbeinigen Monstrum über die M1 in Richtung Luton gefahren und dann in die Straße abgebogen, in die der Lastwagen umgeleitet worden war. Inzwischen stand fest, daß die beiden Streifenbeamten keine Angehörigen der Polizei waren. McWarden hatte das kurz vor der Abfahrt noch telefonisch mitgeteilt. Nach dem Lastwagen wurde übrigens noch gesucht. Er schien sich bis zur Stunde geradezu in Luft aufgelöst zu haben. Die Polizei hatte längst Hubschrauber eingesetzt, um nach diesem großen und auffälligen Laster zu suchen. »Hier muß der Überfall stattgefunden haben«, sagte Mike Rander, als sie das Wäldchen erreicht hatten, durch das die Nebenstraße führte. »Sehen Sie doch, Parker, da sind Reifenspuren!« Der Straßenbelag zeigte sie mehr als deutlich. Gummi hatte fette, schwarze Spuren hinterlassen. Zudem waren noch die Kreidemarkierungen der Polizei zu erkennen, die den Tatort natürlich eingehend untersucht hatte. Butler Parker ließ sein hochbeiniges Monstrum am Straßenrand stehen und stieg zusammen mit Mike Rander aus. Er legte den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den angewinkelten Unterarm, prüfte den korrekten Sitz der schwarzen Melone und begutachtete erst mal eingehend die Straße und das Waldstück.
»Bestens geeignet, wie?« Mike Rander zündete sich eine Zigarette an. »Wie war das noch, Parker: Die beiden Fahrer behaupten, der Roboter habe den Lastwagen auf der Stelle festgehalten. Er hat sich geschüttelt, war aber trotz Vollgas nicht mehr ins Rollen gekommen.« »So lautete die Auskunft des Mr. Hilling, Sir.« Parker nickte. »Wie denken Sie darüber, Parker? Der Lastwagen hat gut und gern seine vierhundert Pferdestärken. Wie kann man so etwas auf der Stelle festhalten?« »Ich muß gestehen, Sir, daß ich momentan noch vor einem Rätsel stehe«, räumte Josuah Parker ein. »Nach 'menschlichem Ermessen können die beiden beobachteten Roboter dies niemals verursacht haben. Möglicherweise finden sich andere Erklärungen dafür.« »Sie denken an einen Fehler des Fahrers? Wäre durchaus möglich. Der gute Mann befand sich immerhin in einem seelischen Ausnahmezustand.« »Der Lastwagen, Sir, wurde von zwei falschen Streifenbeamten hierher dirigiert«, schickte Parker voraus. »An der wahrscheinlich genau vorausberechneten Stelle erschienen die beiden Roboter und verursachten die geschilderte Vollbremsung. Daraus ließen sich unter Umständen gewisse Schlüsse ziehen.« »Nämlich, Parker?« Mike Rander hatte endlich zu dem vertrauten »Parker« zurückgefunden und verzichtete auf das formelle Mr. Parker. Der Butler nahm dies erfreut zur Kenntnis.
»Wenn man den Lastwagen also an einer bestimmten Stelle stoppte, Sir, dann sicher nicht ohne Grund.« »Worauf wollen Sie hinaus, Parker?« »Wenn Sie erlauben, Sir, würde ich mir gern mal dort die Baumgruppe näher ansehen.« Parker deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf einige dickstämmige Ulmen, die am äußeren Rand der leichten Kurve standen. »Moment mal, Parker, Sie glauben doch wohl nicht, daß man den Laster festgezurrt hat?« Rander schüttelte ungläubig den Kopf. »Das wäre allerdings ein raffinierter Trick.« »Falls dieser Trick angewendet wurde, Sir, müßten sich an den diversen Baumstämmen deutliche Spuren feststellen lassen.« »Okay, sehen wir uns die Ulmen mal aus der Nähe an.« Rander hatte sich bereits mit Parkers Gedanken angefreundet und marschierte zusammen mit ihm zur sanften Kurve. Sie brauchten nicht lange zu suchen. Die Rinde von zwei Bäumen war besonders tief eingeschnitten und verletzt worden. Ein zumindest daumendickes Drahtseil schien diese Spuren hinterlassen zu haben. Rander lehnte sich mit dem Rücken gegen einen der beiden Baumstämme und visierte die Kurve an. Dann nickte er. »Direkte Linie«, sagte er. »Während die beiden Roboter die Lastwagenfahrer schockten, dürften die beiden angeblichen Streifenwagenfahrer das Drahtseil am Laster befestigt haben. Würde so was ausreichen, einen anfahrenden Wagen dieser Größe zu stoppen?«
»Mit Sicherheit, Sir«, gab der Butler zurück. »Die Einschnitte des Drahtseils sind außerordentlich markant, ein Zeichen dafür, welche Kräfte hier im Spiel gewesen sein müssen.« »Eine sehr außerirdische Methode, finden Sie nicht auch, Parker?« Mike Rander lächelte ironisch. »Wir haben es mit sehr irdischen Gangstern zu tun, Parker, die sich einen neuen Trick einfallen ließen.« »Dieser Auffassung, Sir, möchte ich mich vollinhaltlich anschließen«, gab Josuah Parker zurück. »Darf ich übrigens darauf hinweisen, daß man es gleich mit einigem Ärger zu tun haben wird? Die Herren aus Mr. Huntlays Nachtclub scheinen einige Schergen in Marsch gesetzt zu haben.« Während der Butler noch sprach, deutete er mit der Spitze seines Regenschirms auf einen dunklen Morris, der um eine Kurve kam und auf den Tatort zuhielt. * Chief-Superintendent McWarden hatte sich den von Parker zurechtgeschnittenen Video-Film angesehen und ihn anschließend zur näheren Auswertung mitgenommen. Seitdem er das altehrwürdige Haus der älteren Dame in Shepherd's Market verlassen hatte, war etwa eine halbe Stunde vergangen. »Ein sehr langweiliger Vormittag, Kindchen, finden Sie nicht auch?« Sie war keine Frau, die die Hände in den Schoß zu legen vermochte. Lady Agatha brauchte Aktivitäten. »Wir hätten Mr. Parker und Mike Rander nach Luton begleiten sollen.«
»Mr. Parker rechnet mit wichtigen Anrufen, Mylady«, erinnerte Kathy Porter. »Er glaubt, daß die Gäste aus Huntlays Nachtclub sich melden werden.« »Hoffentlich versuchen sie, das Haus zu stürmen«, meinte die Detektivin, »das wäre eine hübsche Abwechslung.« »Ich glaube, Mylady, Sie haben gerade das Stichwort dazu geliefert«, antwortete Kathy Porter. Sie stand vor einem Fenster des Salons und sah einen teuren Daimler, der von der Hauptstraße in das offene Viereck des kleinen Platzes einbog. »Das sieht nach einem Gangsterboß aus, Kathy.« Lady Agathas Stimme klang sofort animiert. »Bereiten Sie alles für einen netten Empfang vor, Kathy! Wir wollen uns zuerst einigermaßen höflich geben.« Der schwarze Daimler hielt inzwischen vor der Haustür. Ein junger Mann, der einen dunklen Anzug trug, stieg aus und läutete. Lady Agatha, die hinter der Gardine stand, entdeckte im Wagen zwei seriös aussehende Männer, die dicke Zigarren rauchten. Sie kannte solche Typen vom Fernsehen her. Gangsterbosse wurden in Kriminalserien stets in dieser Art dargestellt. Kathy Porter stand in der Wohnhalle bereits vor dem verglasten Windfang und drückte auf den elektrischen Türöffner. Der junge Mann stieß die Tür auf und wollte schwungvoll auf Kathy losgehen. Die Glastür zwischen dem quadratischen Windfang und der Wohnhalle hielt er offenbar für kein Hindernis. Er täuschte sich...
Die Tür war verschlossen und saß fest im Rahmen. Der junge Mann rüttelte ungeduldig am Türknauf und entschloß sich dann für eine Patentlösung, die nicht gerade zivilisiert war, jedoch Rückschlüsse auf seine Denk- und Handlungsweise zuließ. Er stieß mit dem linken Ellbogen kurz und kräftig gegen die Glasfüllung der Tür und war sich seiner Sache sicher. Jetzt mußte der Glaseinsatz bersten und zersplittern. Danach brauchte er nur noch den sperrenden Schlüssel im Schloß umzudrehen. Der Mann erlebte eine herbe Enttäuschung. Sein Ellbogen wurde mittelschwer geprellt, doch die Scheibe hielt wie selbstverständlich stand. Sie bestand natürlich aus bestem Panzerglas. Ein gewisser Josuah Parker hatte beim Umund Ausbau dieses Fachwerkhauses dafür gesorgt, daß alle modernen Erkenntnisse zur Sicherung eines Gebäudes bedacht wurden. »Wen darf ich melden?« erkundigte sich Kathy Porter über die Sprechanlage bei dem fluchenden Fahrer, der sich den Ellbogen massierte. »Los, machen Sie schon auf, Süße«, sagte der Fahrer und holte eine schwere Automatik aus der Innentasche seines Jacketts. Der Schalldämpfer allein sah bereits unheimlich genug aus. »Bitte, nein!« Kathy Porter zeigte Angst und starrte wie gebannt auf die Schußwaffe. »Ich ... Ich werde sofort aufsperren.« Ihre rechte Hand langte nach dem Schlüssel, doch ihre Finger drückten auf einen Ziernagel, der völlig harmlos
aussah und unter dem Türknauf auf ihrer Seite angebracht war. Daraufhin warf der junge Mann beide Arme fast freudig hoch in die Luft und ... verschwand nach unten. Unter seinen Füßen hatte sich die von Parker installierte Falltür geöffnet, die die ganze Größe des Windfangs ausmachte. Der Fahrer rauschte nach unten weg und fand noch nicht mal Zeit, einen Schuß abzufeuern, geschweige seine beiden Insassen im Wagen zu warnen. * Es waren vier sportliche Männer, die aus dem Morris förmlich herausfielen und dann ausschwärmten. Sie hatten es eindeutig auf Josuah Parker und Mike Rander abgesehen. Und sie wußten offensichtlich nicht, auf welche Gegner man sie gehetzt hatte. Sie hielten es noch nicht mal für nötig, ihre Schußwaffen zu ziehen. Sie legten es darauf an, ihre beiden Opfer ein wenig tiefer in das Wäldchen zu treiben, um sich dann in aller Ruhe mit ihnen zu befassen. »Nichts gegen ein Training«, meinte Anwalt Rander zu Parker. »Aber ausgerechnet jetzt? Ich hatte mir den Morgen etwas anders vorgestellt.« »wenn Sie erlauben, Sir, werde ich den Zwischenfall sofort beenden«, antwortete der Butler und zog seine zusammenlegbare Zwille aus der Innentasche seines schwarzen Zweireihers. Es handelte sich dabei um eine Gabelschleuder, wie sie von Jugendlichen noch immer gern verwendet wird. Mittels zweier Gummistränge ließen sich damit Geschosse aller Art fast lautlos
verschicken. In der Hand eines Könners war solch eine Y-förmige Gabelschleuder eine ungemein treffsichere Waffe. Butler Parker war ein Könner! Er hatte die zusammenklappbare Gabelschleuder schußbereit gemacht und legte eine kleine, oberflächlich gebrannte Tonmurmel in die Lederschlaufe. Er strammte die beiden starken Gummistränge, visierte kurz einen der vier Männer an und ließ die Lederschlaufe los. Der Effekt war frappierend. Der Mann stand plötzlich nicht mehr auf seinen Beinen, sondern legte sich flach auf die Luft, die ihn natürlich nicht zu tragen vermochte. Bruchteile von Sekunden später landete der »Angeschossene« auf dem erfreulicherweise weichen Waldboden und streckte alle viere von sich. Was seinen Begleiter stutzig machte! Er hatte natürlich nichts gehört, von dem »Einschlag« der Tonmurmel mal abgesehen, die das obere Stirndrittel getroffen hatte. Der Mann blieb stehen und schaute auf seinen Partner hinunter. Dann riß der Begleiter automatisch seine Schußwaffe aus der Schulterhalfter und hielt Ausschau nach den beiden Opfern. Butler Parker und Mike Rander waren nicht mehr zu sehen. Sie hatten sich in Deckung begeben und ließen die Dinge auf sich zukommen. Der Butler hielt bereits sein zweites Geschoß in der Lederschlaufe und interessierte sich für den Mann, der weit links war und Anstalten traf, seine beiden Opfer zu überlaufen, um sie dann in der Flanke anzugreifen. Es blieb bei diesem Versuch.
Der Mann blieb plötzlich wie angewurzelt stehen und hob fast träumerisch-sinnierend den Kopf. Er schien dem Gesang einiger weit entfernter Waldvögel zu lauschen. Dann zeigte er deutliche Konditionsschwächen und setzte sich erst mal ins Gras. Bevor er überhaupt mitbekam, daß er angesprochen wurde, schloß er die Augen und machte es sich auf dem Moos gemütlich. Die beiden restlichen Männer hatten sich instinktiv zusammengeschlossen und flüsterten miteinander. Sie fühlten sich hier draußen im Wäldchen sehr unwohl. Als eingefleischte Bewohner des städtischen Dschungels war ihnen ein echter Wald unheimlich. Sie entschlossen sich zur Rückkehr zum Morris. Um ihre beiden Partner kümmerten sie sich nicht weiter. Die mochten sehen, wie sie zurecht kamen. Zudem schienen sie auf eine endgültige und geheimnisvolle Art und Weise getroffen worden zu sein. Im Schweinsgalopp trabten die beiden »Überlebenden« zurück zur Straße, was allerdings nicht so problemlos ging, wie sie es sich wohl vorgestellt hatten. Sie passierten einen dichten Strauch, der mit Blättern reich gesegnet war. Sie kamen gar nicht auf den Gedanken, daß ihre beiden Opfer vielleicht auch schon Stellungswechsel vorgenommen hatten. Daher blieben sie auch mit rauchenden Absätzen stehen, so intensiv bremsten sie ihren Schwung ab. Vor ihnen stand nämlich Anwalt Rander, tadellos gekleidet und eigentlich kein Hindernis darstellend. Er schien gerade von einer Party gekommen zu
sein. Die graue Flanellhose und der dunkelblaue Blazer verstärkten diesen Eindruck noch. Die beiden Gangster hatten keine Zeit, sich auf diese Überraschung einzustellen. Mike Rander hatte sich doch noch für eine kleine Trainingsrunde entschieden und zeigte, daß auch er sich in der fernöstlichen Kampfweise bestens auskannte. Die beiden flüchtenden Gangster begriffen überhaupt nicht, was mit ihnen geschah: Mike Randers Hände wirbelten verwirrend durch die Luft, schufen Muster, die in Treffer endeten und sorgten dafür, daß die beiden Männer nach wenigen Sekunden traumlos im Gras lagen. »Und jetzt?« fragte Mike Rander und wandte sich Josuah Parker zu. »Ich sage Ihnen gleich, Parker, daß ich keine Lust habe, mich mit diesen vier Burschen abzugeben. Sie stören nur.« »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich die vier Herren an die Kette legen, selbstverständlich nur im übertragenen Sinn, wie ich betonen möchte.« * Die beiden seriös aussehenden Männer im Fond des Daimler mißverstanden gründlich die Situation. Als Lady Simpson aus dem Haus kam, mußten sie denken, ihr Fahrer habe sie dazu in irgendeiner Form überredet. Sie kannten ja schließlich den jungen Mann, der von der harten Sorte war. Was er wollte, hatte er bisher stets durchgesetzt, meist ohne Rücksicht auf Verluste. Die beiden Männer mißverstanden also und stiegen aus dem Wagen. Sie warteten aber, bis Agatha Simpson sie
erreicht hatte. Sie sollte ihren Bitt- und Bußgang bis zum bitteren Ende durchmessen. Die Lady sah allerdings nicht sonderlich zerknirscht oder gar bedrückt aus. Sie trug eines ihrer viel zu weiten und ausgebeulten TweedKostüme, an ihrer Hand pendelte der sattsam bekannte Pompadour mit dem darin befindlichen »Glücksbringer« in Form eines echten Pferdehufeisens. »Warum kommen Sie nicht ins Haus?« fragte die ältere Dame unwirsch, als sie die beiden Männer erreicht hatte. Sie musterte sie mit ihren grauen Augen. »Wie heißen Sie eigentlich?« »Namen sind Schall und Rauch«, meinte der kleinere der beiden und lächelte dünn. »Sie sind also bereit, uns die Unterlagen zurückzugeben?« »Aber natürlich, meine Herren.« Die Detektivin deutete auf die Haustür. »Meine Gesellschafterin holt sie gerade aus dem Tresor.« »Wir verlangen natürlich einen gewissen Schadensersatz, Lady Simpson«, sagte der Stämmigere. »Wir denken da an etwa tausend Pfund für unseren Sozialfonds.« »Dürfen es vielleicht zweitausend sein?« fragte die ältere Dame. »Akzeptiert.« Der Kleinere nickte und lächelte spöttisch. »Unser Fahrer scheint Sie ja bereits nachdrücklich eingestimmt zu haben.« »Worauf warten wir noch?« Lady Agatha deutete noch mal auf die Haustür. Dann setzte sie sich in Bewegung und übernahm die Führung. Die beiden seriös aussehenden Männer folgten ihr arglos und schöpften auch dann noch keinen
Verdacht, als Mylady vor der Haustür zur Seite trat, um ihren beiden Besuchern den Vortritt zu lassen. Sie betraten den viereckigen, relativ kleinen Windfang und ... segelten Bruchteile von Sekunden später nach unten in die Fallgrube. Der weggeklappte Boden hob sich bereits wieder und fügte sich nahtlos in das Parkett des Rahmens. »Gimpel«, sagte Agatha Simpson und nickte Kathy Porter zu, die jenseits des Windfangs vor der Tür aus Panzerglas stand. Sie öffnete und kam auf Lady Agatha zu, die auf den Wagen zeigte. »Durchsuchen Sie diesen protzigen Wagen, Kindchen. Vielleicht finden Sie irgendwelche Anhaltspunkte.« Lady Agatha ging in die Wohnhalle und öffnete hier einen Wandschrank. Sie schaltete den Monitor ein und brauchte nur einige Sekunden zu warten, bis eine Fernsehkamera zeigte, was sich in der Fallgrube unter dem Parkett des Windfangs abspielte. Die drei Männer hatten den Sturz gut überstanden, zumal der Boden dieser Grube gut gepolstert war. Die drei Männer machten einen völlig konsternierten Eindruck und hatten ihren Sturz innerlich noch nicht verarbeitet. »... konnte das nur passieren, Kevin?« fragte der Stämmige wütend den jungen Fahrer. »Keine... Keine Ahnung, Mr. Bellow«, erwiderte der Fahrer und sah zur Decke, wo die Linien der Falltür deutlich zu sehen waren. »Tun Sie endlich was, Kevin«, brauste der Kleinere auf. »Mann, wofür bezahlen wir Sie eigentlich so fürstlich!?«
»Wir könnten vielleicht 'ne Pyramide bauen, Mr. Norwich«, schlug der Fahrer vor, »aber ich glaube nicht, daß die Falltür sich bewegen läßt.« »Richtig«, schaltete Agatha Simpson sich über die eingebaute Sprechanlage grollend ein. »Jetzt wissen Sie, wie es Ratten zumute ist, wenn sie in der Falle stecken. Wie wäre es denn mit einem kleinen Bad zur Abkühlung? Sie brauchen nur was zu sagen. Ich kann das Wasser bis zur Decke steigen lassen.« Die drei Männer drehten sich um, suchten nach dem versteckt angebrachten Mikrofon, nach dem Lautsprecher und konzentrierten sich schließlich auf ein feines Siebgitter unter der Decke. Der Fahrer richtete den Lauf seiner Waffe auf dieses Gitter. »Sinnlos, Sie Subjekt«, herrschte die Detektivin den jungen Fahrer an. »Selbstverständlich würde das Geschoß abprallen. Aber bitte, Sie können das ja testen, wenn Sie an einem hübschen Querschläger interessiert sind.« Er schoß aber nicht, sondern ließ die Waffe sinken und machte einen recht bedrückten Eindruck. Bellow und Norwich schlossen sich seiner Grundstimmung an und ließen zusätzlich noch die Köpfe hängen. »Hö... Hören Sie mich! Mylady?« fragte der Stämmige. »Noch«, gab Lady Agatha zurück, »aber ich werde abschalten.« »Mylady, bitte, tun Sie's nicht«, redete Bellow hastig weiter. »Sie ... Sie haben unseren Besuch mißverstanden, bestimmt. Gut, wir wollten zwar die Unterlagen
zurückholen, Sie wissen schon, diesen Geschäftsbericht, den Ihr Butler versehentlich mitgenommen hat, aber der wahre Grund unseres Kommens hängt mit diesen Riesenrobotern zusammen.« Er zwinkerte Norwich und dem Fahrer zu und hatte keine Ahnung, daß die versteckt angebrachte Fernsehkamera das prompt übertrug. »Sie wissen etwas über die Roboter?« Agatha Simpson tat so, als habe sie bereits gründlich angebissen. »Wir haben einen bestimmten Verdacht, wer sie gebaut haben könnte, Mylady«, log Bellow weiter und zwinkerte Norwich und dem Fahrer Kevin erneut zu. »Ich mache Ihnen einen ehrlichen Vorschlag: Sie lassen uns raus, und wir geben Ihnen dafür den bewußten Tip.« »Sie geben mir zuerst den Tip, dann werde ich Sie vielleicht rauslassen«, widersprach die energische Dame. »Also schön.« Bellow erklärte sich eindeutig zum Schein damit einverstanden und zwinkerte seinen beiden Begleitern bereits triumphierend zu. »Reden Sie schon weiter, junger Mann«, blaffte Agatha Simpson den etwa fünfzigjährigen Gangsterboß an. »Fahren Sie in die Waterloo Road«, antwortete Bellow und grinste tückisch. »Biegen Sie in den Upper Ground ab und sehen Sie sich mal in der Firma Penton um! Die ist mit Sicherheit um diese Zeit leer bis auf ein paar Mäuse und Ratten. Aber da werden Sie wahrscheinlich einen halbfertigen Roboter sehen.« »Ich werde das nachprüfen«, sagte Lady Agatha. »Und gnade Ihnen Gott, falls Sie mich belogen haben sollten!«
»Mein Wort darauf, Sie werden auf Ihre Kosten kommen, Mylady«, erwiderte Bellow und grinste seine beiden Mitinsassen in der Fallgrube wissend an. »Aber halten auch Sie sich an die Abmachung und lassen Sie uns anschließend hier raus!« »Wir werden sofort losfahren«, versprach die ältere Dame. Und bevor sie abschaltete, sah sie noch, wie Bellow sich zufrieden die Hände rieb. * Die vier jungen Waffenträger, waren ein wenig irritiert, als sie wieder zu sich gekommen waren. Sie hatten sich ihren Ausflug aufs Land immerhin erheblich anders vorgestellt. Sie hatten vor allem mit einem echten Erfolgserlebnis gerechnet, doch daraus war nun nichts geworden. Butler Parker hatte sie im übertragenen Sinn an die Kette gelegt, wie er es Mike Rander gegenüber angedeutet hatte. Die vier Gangster befanden sich auf der Plattform eines Aussichtsturms und hätten eigentlich die Schönheit dieser hügeligen Landschaft genießen können. Doch sie übersahen sie und beschäftigten sich mit ihrer Lage. Sie konnten diese Plattform zu ihrem Ärger nicht verlassen, denn da gab es einige Handschellen, die sie miteinander verbanden. Butler Parker hatte sie damit aneinandergekettet. Diese privaten Handschellen aus dem Besitz des Butlers zeichneten sich durch erstklassigen Chromnickelstahl und komplizierte Schlösser aus, die nur von Spezialschlüsseln zu öffnen waren. Es versteht sich am Rand, daß die letzte der Handschellen um einen daumendicken Eisenstab des
Geländers gelegt worden war. Die vier Gangster waren dazu verurteilt, die frische Luft zu genießen. Parker hatte ihnen die diversen Schuß-, Stich- und Hiebwaffen weggenommen, die er in ihren Schulterhalftern und Taschen gefunden hatte. Diese Mordinstrumente lagen im Kofferraum ihres Morris, der unten vor dem Aussichtsturm parkte. Erstaunlicherweise verzichteten die vier Gangster darauf, den Butler oder Mike Rander mit Schimpfworten zu belegen. Sie standen ziemlich betreten auf der Plattform und verstanden die Welt nicht mehr. Sie begriffen einfach nicht, wieso sie von zwei Männern überwältigt worden waren, die auf keinen Fall wie ernsthafte Gegner ausgesehen hatten. Es war nicht damit zu rechnen, daß die Gangster schnell entdeckt wurden. Der Aussichtsturm in der bewaldeten Hügellandschaft stand an relativ einsamer Stelle. Zudem war das Wetter umgeschlagen. Mit Regen und Wind war durchaus zu rechnen. Wanderer zogen es mit Sicherheit vor, in der Nähe von Ortschaften oder Ausflugslokalen zu bleiben. Josuah Parker und Mike Rander hatten bewußt darauf verzichtet, die Männer nach ihren Auftraggebern zu fragen. Man hätte ihnen doch nur faustdicke Lügen vorgesetzt. »Gehören sie nun zu den Burschen, die diese Roboter herummarschieren lassen, Parker, oder sollten sie uns den Geschäftsbericht abjagen?« fragte der Anwalt. Er saß neben Parker im hochbeinigen Monstrum und machte einen zufriedenen Eindruck. »Meiner bescheidenen Ansicht nach, Sir, ging es nur um diesen
Geschäftsbericht«, antwortete der Butler. »Die Besitzer der Roboter sind aus einem anderen Holz geschnitzt, wenn ich es so ausdrücken darf. Sie werden wesentlich effektivere Methoden bevorzugen, um Nachforschungen zu unterbinden.« »Vergessen Sie nicht, daß sie versuchten, Lady Simpsons Haus zu betreten«, erinnerte der Anwalt. »Von dem Besuch bei mir mal ganz zu schweigen. Ich denke, daraus lassen sich Schlüsse ziehen.« »In der Tat, Sir!« Parker deutete ein zustimmendes Nicken an. »Weder bei Mylady noch bei Ihnen, Sir, ging es um Beute. Diese beiden Besuche waren als nachdrückliche Warnung gedacht. Daraus ergibt sich, daß die Besitzer der Roboter durchaus wissen, wer Mylady und Sie sind, Sir.« »Von Ihnen mal ganz zu schweigen, Parker.« Mike Rander lächelte ein wenig ironisch. »Sie wollen Ihr Licht mal wieder unnötig unter den Scheffel stellen, wie? Aber lassen wir das, ich bin mit Ihrem Schluß einverstanden. Die Gangster wissen verdammt gut, wer wir sind. Und daraus ergibt sich dann wieder, daß es Profis aus der Unterweltszene sein müssen.« »Wenn Sie gestatten, Sir, möchte ich mich dieser Ansicht höflich anschließen.« »Bleiben wir doch mal bei diesen Roboter-Gangstern, Parker. Ich frage mich die ganze Zeit, wie sie diese Monster transportieren! Sie lassen sie ja schließlich nicht einfach durch die Straßen marschieren. Benutzen sie nun kleine Lieferwagen? Oder haben sie sich vielleicht sogar einen Hubschrauber zugelegt?«
»Der zuständigen Luftaufsicht, Sir, wäre solch ein irregulärer und nicht angemeldeter Hubschrauber mit Sicherheit aufgefallen«, antwortete der Butler. »In diesem Zusammenhang darf man sicher sein, daß Mr. McWarden längst Ermittlungen angestellt hat.« »Okay, man verwendet also irgendwelche Transportwagen.« Rander nickte und lehnte sich zurück. »Dann müssen sie aber eine Basis haben, von wo aus sie ihre Beutezüge starten.« »Treffender, Sir, hätte ich es nie auszudrücken vermocht.« »Vielen Dank für die Blumen, Parker!« Der Anwalt schmunzelte. »Nun mal ganz unter uns, Parker: Stecken in diesen Robotern kleinwüchsige Menschen? Können Sie sich erinnern? Wir hatten da doch schon mal einen Fall, in dem Liliputaner für solche Zwecke mißbraucht wurden.« »Ich glaube nicht an kleinwüchsige Menschen, die diese Roboter steuern, Sir.« »Ich kann's mir auch kaum vorstellen, Parker. Als ich diesen Roboter in meinem Haus beobachtete, hatte ich den Eindruck, daß dieses Monster primitiv reagierte. Ein kleiner Mensch im Innern des Roboters hätte sich schneller und besser angepaßt.« »Die Roboter dürften nur dem einen Zweck dienen, Sir, Panik und Verwirrung zu stiften«, meinte der Butler höflich. »Ihr Erscheinen löst so etwas wie Urängste aus. Anschließend beschäftigen sich sehr menschliche Gangster mit dem eigentlichen Raub. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß der gestohlene Lastwagen drüben auf der Umgehungsstraße offensichtlich von
Menschenhand mittels einer Stahltrosse festgezurrt wurde.« »Richtig! Und wie kommen wir nun an die Gangster heran, Parker? Diese Gegner sind nicht zu verachten.« »Und dennoch, Sir, sie dürften bereits das begangen haben, was man gemeinhin einen Kardinalfehler nennt.« »Nämlich? Jetzt bin ich aber gespannt!« »Sie setzten ihre Roboter auf Mylady und Sie an, Sir. Demnach paßt es ihnen überhaupt nicht, daß nicht nur die Behörden sich für sie interessieren. Vielleicht sollte man sich der Lösung des Falls von dieser Seite aus annehmen.« »Es regnet«, meinte der Anwalt unvermittelt. »Ein Dauerregen scheint sich anzukündigen, Sir«, stellte -der Butler nach einem prüfenden Bück fest. »Die vier Herren auf der Plattform werden das sicher nicht sonderlich begrüßen.« »Wann wollen Sie den Behörden einen entsprechenden Tip geben?« »Sofort nach der Ankunft in London, Sir«, antwortete Josuah Parker. »Falls meine bescheidene Ahnung mich nicht trügt, dürfte sich dort inzwischen ebenfalls einiges ereignet haben.« »Sie glauben, die Gangster aus Huntslays Nachtclub haben sich mit Mylady angelegt?« »In der Tat, Sir! Aber ich war so frei, Miß Porter gewisse Hinweise zu geben und Ratschläge zu erteilen. Ich möchte annehmen, daß die Dinge sich nicht zu einer Katastrophe ausgeweitet haben.« »Besprechen Sie's nur nicht, Parker!« Rander seufzte auf. »Sie
wissen doch, wenn Mylady auf den Geschmack kommt, ist sie nicht mehr zu halten.« * »Nun, Kindchen, wie lauten die Auskünfte?« fragte Agatha Simpson aufgeräumt, als Kathy Porter im Salon erschien. Die ältere Dame hatte ihren Kreislauf prophylaktisch mit einem Sherry angeregt. Sie machte einen sehr unternehmungslustigen Eindruck. »Bellow und Norwich unten im Keller sind bekannt, Mylady«, berichtete die Gesellschafterin. »Bellow betreibt eine Anzeigen-Agentur, Norwich ist im Feinkost-Großhandel tätig.« »Und was tun sie wirklich?« »Sie führen keine Banden im normalen Sinn, Mylady«, berichtete Kathy Porter weiter. »Sie haben natürlich Angestellte, die irgendwie mit der Unterwelt in Verbindung stehen.« »Sagten Sie gerade Feinkosthandel, Kindchen?« »Mr. Norwich betreibt einen Großhandel, Mylady. Er beliefert einschlägige Geschäfte, aber auch Restaurants und Nachtclubs.« »Merken Sie denn immer noch nichts, Kathy?« »Sie denken an den Laster, der bei Luton gestohlen wurde, Mylady?« »Woran sonst!?« Die Detektivin zog ein ungeduldiges Gesicht. »Und was war in diesem Lastwagen?« »Französische Spirituosen und Feinkost-Konserven, Mylady.« »Jetzt müßte Ihnen aber ein Licht aufgegangen sein, Kathy! Norwich und seine Freunde lassen diese scheußlichen Roboter für sich laufen, das ist für mich vollkommen logisch
und klar. Wir haben genau die richtigen Subjekte eingefangen.« »Mr. Parker und Mr. Rander werden beeindruckt sein, Mylady.« »Und Mr. Parker wird sich schwarz ärgern«, hoffte die ältere Dame. »Ich habe einen Fall wieder mal gelöst, bevor er überhaupt richtig tätig werden konnte.« »Dann ist dieser Hinweis auf die Firma Penton nur ein Ablenkungsmanöver, Mylady?« »Das möchte ich nicht unbedingt sagen, Kindchen.« »Die beiden Gangster Bellow und Norwich wollen Sie doch unbedingt in diese Firma locken, Mylady. Es kann sich da nur um eine Falle handeln.« »Was wir jetzt wissen, Kathy. Wir könnten uns entsprechend vorbereiten.« »Bellow und Norwich rechnen doch eindeutig damit, daß Sie, Mylady, dort auftauchen.« »Aber doch nicht ich, Kathy.« Lady Agatha lächelte versonnen. »Eine reizvolle Vorstellung, sich in dieser Firma mal umzusehen. Wirklich, sehr reizvoll!« »Noch sind Bellow, Norwich und dieser Fahrer aber Trumpfkarten in Ihrer Hand, Mylady. Vielleicht sollte man abwarten, bis Mr. Parker und Mr. Rander zurückgekehrt sind.« »Erkundigen Sie sich, wer sich hinter dieser Firma Penton befindet, Kathy«, sagte Agatha Simpson. »Ich werde mir inzwischen noch mal diese Individuen in der Fallgrube ansehen.« Während Kathy zum Telefon ging, bemühte sich die Detektivin hinüber zum Wandschrank, öffnete ihn und schaltete die Fernsehkamera ein.
Damit war natürlich gleichzeitig auch das Einschalten des Tons verbunden. Die beiden Gangsterbosse Bellow und Norwich saßen auf dem gepolsterten Boden und gaben sich sehr maulfaul. Ihr Fahrer Kevin aber untersuchte mit Hingabe und ohne Erfolg die andeutungsweise erkennbare Tür, die aus der Fallgrube führte. Er hielt ein Taschenmesser in der rechten Hand und zog damit die Linien der dicht schließenden Tür nach. »Da ist nichts zu machen«, sagte er und wandte sich zu Bellow und Norwich um. »Ob die Alte zu Penton fährt?« »Natürlich wird sie fahren«, sagte Bellow. »Den Köder mit dem Roboter hat sie geschluckt, davon bin ich überzeugt.« »Dann sind wir hier bald wieder raus«, vermutete Norwich. »Penton wird sie sich schnappen und dann ganz schön unter Druck setzen.« »Okay, wir kommen hier also raus«, äußerte Bellow, »und was ist dann? Wie kommen wir an die Kerle, die diese Roboter herumrennen lassen? Wer könnte das sein?« »Ich denke die ganze Zeit an einen bestimmten Namen«, sagte Norwich. »Was hältst du von Kilburn?« »Du meinst diesen verrückten Professor, wie sie ihn nennen?« »Verrückt oder nicht, aber er ist ein erstklassiger Techniker.« »Kilburn!« Bellow nickte langsam. »Seit vielen Monaten wie vom Erdboden verschwunden. Kevin, haben Sie mal was von ihm gehört?« »Überhaupt nichts.« .Der junge Fahrer schüttelte den Kopf. »Ich habe Kilburn nie kennengelernt.«
»Sobald wir hier raus sind, werden wir nach ihm suchen«, redete Bellow weiter. »So langsam bekomme ich da ein paar Einzelheiten zusammen. Der hat doch mal in einem Konstruktionsbüro gearbeitet, oder?« »Er hat das Büro sogar mal geleitet, bis er mit dem Trinken anfing«, fügte Norwich hinzu. »Dann ist er von Catby übernommen worden. Du weißt doch, Windhund-Catby.« »Der sich auch seit Monaten nicht mehr rührt.« Bellow hatte sich steil aufgesetzt. »Das würde zusammenpassen, Norwich. Vielleicht hat Kilburn für ihn diese Roboter entwickelt.« »Das war 'n Hammer.« Norwich nickte. »Seitdem wir Windhund-Catby rausgeschmissen haben, hat er sich kaum gerührt.« »Um in aller Ruhe diese Roboter bauen zu können.« Bellow geriet in Eifer. »So 'ne Hinterlist trau' ich ihm ohne weiteres zu.« »Hoffentlich ist die Alte schon unterwegs zu Penton«, meinte Norwich. »Wird höchste Zeit, daß wir was unternehmen können. Ich glaube, wir liegen da völlig richtig.« Agatha Simpson schaltete ab und brauchte jetzt unbedingt einen weiteren Sherry. Die Informationen, die sie da gerade aus erster Hand erhalten hatte, waren brisant. Die beiden Gangsterbosse hatten genau im richtigen Moment einige wertvolle Hinweise geliefert. Lady Agatha gratulierte sich dazu, gerade jetzt das Gerät eingeschaltet zu haben. Es fragte sich allerdings, ob die beiden Gangsterbosse mit einem Abhören gerechnet hatten. Waren die Hinweise auf diesen Kilburn und Catby bewußt
gegeben worden? Bereiteten sie damit eine zusätzliche Falle vor? Schöpften sie jede Möglichkeit aus, um aus dieser Fallgrube herauszukommen? Lohnte es sich, ein Risiko einzugehen? Noch war die ältere Dame unentschlossen, doch als sie dann einen weiteren Sherry zu sich genommen und damit ihren Kreislauf endgültig in Schwung gebracht hatte, stand ihr Entschluß fest. Nein, sie war wirklich nicht die Frau, die untätig herumsitzen konnte. Sie mußte etwas tun, auch wenn es völlig falsch sein sollte. * »Eine Straßensperre«, sagte Mike Rander, als sie sich St. Albans näherten. »Sieht nach einer Großfahndung aus.« »Es hegt meiner Wenigkeit äußerst fern, den sprichwörtlichen Propheten zu spielen, Sir, aber ich möchte davon ausgehen, daß die Roboter erneut zugeschlagen haben.« »Wir haben doch Autotelefon im Wagen«, meinte der Anwalt. »Ich werde McWarden anrufen.« Während Parker das Tempo drosselte und dann langsam auf die Sperre zufuhr, griff Mike Rander nach dem Telefonhörer und ließ sich mit dem Yard verbinden. Aus Gründen einer schnelleren Verbindung nannte er Parkers Namen. Im Yard wußte man damit viel anzufangen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Chief-Superintendent sich meldete. Seine Stimme klang bissig und verärgert. »Hier Mike Rander«, sagte der Anwalt. »Neben mir sitzt Parker, McWarden. Wir rollen gerade auf eine
Straßensperre in St. Albans zu. Haben sich die Roboter wieder blicken lassen?« »Und wie«, sagte McWarden hastig. »Sie sind in Edgware gewesen. Runde dreißigtausend Pfund Beute. Eine Bankfiliale ist ausgeraubt worden.« »Hübscher Betrag«, erwiderte Mike Rander. »Hoffentlich hat es keine Verletzten gegeben? Haben die Roboter sich wenigstens manierlich verhalten?« »Sie haben Flammen gespuckt, Rander, aber Verletzte hat es erfreulicherweise trotzdem nicht gegeben. Ein Wunder fast!« »Und wie sieht es mit brauchbaren Spuren aus? Können Mr. Parker und ich Ihnen helfen?« »Die beiden Roboter sind spurlos verschwunden. Und was Ihre Hilfe anbetrifft, Rander, so würde ich verdammt gern wissen, was Sie da drüben in St. Albans suchen.« »Mr. Parker und ich haben einen kleinen Ausflug unternommen. Das ist bereits die ganze Erklärung.« »Natürlich glaube ich Ihnen kein Wort, Rander.« McWarden lachte grimmig. »Sie kochen wieder mal ihre eigene Suppe. Ob Sie mir helfen können? Nein, überhaupt nicht! Was die Polizei nicht herausfindet, werden auch Sie nicht finden...« »Wie Sie meinen, McWarden.« Mike Rander lachte nicht bitter, sondern ein wenig ironisch. »Übrigens, Sie haben selbstverständlich schon an die Möglichkeit gedacht, daß die Roboter vielleicht per Hubschrauber eingesetzt werden, wie?« »Natürlich habe ich daran gedacht.« McWarden wurde nun sehr zurückhal-
tend. Man konnte es deutlich durchhören. »Eine Frage, wo befindet sich denn Mylady? Sie sitzt nicht zufällig mit im Wagen?« »Sie ist zusammen mit Miß Porter in der Stadt geblieben, McWarden. Sie sind auf dem falschen Dampfer, wenn Sie annehmen, Mr. Parker und ich würden hier nach Spuren suchen.« »Ich muß Schluß machen«, bedauerte McWarden. Man hörte im Hintergrund Stimmengewirr und das Läuten anderer Telefone. »Verdammt, ich fürchte, da ist schon wieder was passiert.« Auf der Gegenseite wurde abrupt aufgelegt. Mike Rander deponierte seinen Telefonhörer in der Halterung und zündete sich eine Zigarette an. Er sah die uniformierten Beamten an, auf die sie inzwischen zurollten. Die Straßensperre war gründlich und geschickt errichtet worden. Sie ließ eine genaue Kontrolle beider Fahrtrichtungen zu. Die Beamten nahmen sich viel Zeit, die Wagen zu durchsuchen. »Der Transport der Roboter, Mr. Parker, scheint zur entscheidenden Frage zu werden«, meinte Rander wenig später, als sie die Straßensperre passiert hatten. »Hubschrauber kommen also nicht in Betracht, schön, aber welche Möglichkeiten bieten sich denn sonst noch?« »Darüber, Sir, erlaube auch ich mir den Kopf zu zerbrechen«, antwortete Josuah Parker höflich. »Ich darf daran erinnern, daß die Roboter immerhin gut und gern zweieinhalb Meter groß sind.« »Eindeutig«, sagte der Anwalt. »Ich habe solch einen Roboter schließlich mit meinen eigenen Augen gesehen. Zweieinhalb Meter.«
»Um solche technischen Geräte zu transportieren, Sir, bedarf es größerer Wagen.« »Und die braucht man auch für den Abtransport der Beute, Parker, wenn ich nur an die Spirituosen und Konserven denke. Also, suchen wir nach geeigneten Last- oder Lieferwagen, wie?« »Darauf sollte man sich in der Tat konzentrieren, Sir. Wobei ich hinzufügen möchte, daß diese Transportwagen ungemein geschickt getarnt sein müssen.« »Getarnt? Woran denken Sie?« »Sie müssen sich meiner bescheidenen Ansicht nach in das übliche Straßenbild völlig unauffällig einfügen.« »Mir schwirrt da ein anderer Gedanke durch den Kopf, Parker. Wir vermuten, daß sich in den Riesenrobotern kleinwüchsige Menschen befinden könnten. Warum eigentlich? In solch einem zweieinhalb Meter großen Roboter kann sich ja durchaus auch ein großwüchsiger Bursche befinden, oder?« »Ein Hinweis, Sir, den man ebenfalls in Betracht ziehen sollte«, räumte Parker ein. »Ich möchte meiner ehrlichen Befürchtung Ausdruck verleihen, daß dieser spezielle Fall nicht leicht zu lösen sein wird, falls die Besitzer der Riesenroboter keine gravierenden Fehler begehen.« »Rechnen Sie mit einem Fehler, Parker?« »Ich fürchte, Sir, diese Frage verneinen zu müssen«, lautete Parkers Antwort. »Die bisherige Arbeit der Roboter deutet auf fast schon generalstabsmäßige Planung hin.
Vielleicht sollte man jetzt ein wenig auf den Zufall setzen.« * Er hieß nicht umsonst »WindhundCatby«. Lester Catby hatte einen fast schon anormal schmalen Kopf, der an den eines Windhunds erinnerte. Er mochte etwa knapp fünfzig Jahre alt sein und machte einen durchaus seriösen Eindruck. Er war der Besitzer einer kleinen, aber ausgezeichnet eingerichteten Werkstatt in Southwark, jenseits der Themse. Lester Catby trug einen Overall und wischte sich seine langgliedrigen Hände an einem Putzlappen ab, als Agatha Simpson zusammen mit Kathy Porter erschien. »Madam?« fragte er höflich und lächelte neutral. »Sie sind mir empfohlen worden«, schickte die Detektivin voraus. »Man hat mir gesagt, daß Sie eine Art Restaurator sind, Mr. Catby.« »Naja, ich bringe altes mechanisches Zeug wieder in Gang«, untertrieb Catby. »Von wem sind Sie mir empfohlen worden, wenn man fragen darf?« »Sagen Ihnen die Namen Bellow und Norwich etwas?« »Doch, allerdings.« Catby lächelte nicht mehr. »Diese beiden Leute haben Ihnen den falschen Tip gegeben.« »Das ist Lady Simpson«, schaltete Kathy sich ein. »Ich bin Kathy Porter, die Sekretärin Myladys.« »Lady Simpson? Lady Simpson! Diesen Namen habe ich mit Sicherheit schon gehört.« »Ich besitze einige alte Schlösser«, meinte Agatha Simpson leichthin und ablenkend. »Meine Waffensammlung
möchte ich wieder in Ordnung bringen lassen, verstehen Sie? Alte Stein- und Radschloßpistolen. Wäre das etwas für Sie?« »Und ausgerechnet Bellow und Norwich haben Ihnen meinen Namen genannt, Mylady? Wie sind Sie denn an die geraten?« »Unter Umständen, die für die beiden Herren nicht gerade erfreulich waren«, antwortete die ältere Dame und lächelte wohlwollend. »Machen wir uns nichts vor, Mr. Catby: Ich weiß, daß Sie früher mal hin und wieder für gewisse Leute gearbeitet haben.« »Das ist lange her, Mylady. Ich bin sauber bis auf die Knochen, wenn Sie das meinen? Ich verdiene mein Geld nur noch mit ehrlicher Arbeit.« »Um unter anderem auch Mr. Paul Kilburn bezahlen zu können, nicht wahr?« »Sie ... sind sehr gut informiert.« »Bellow und Norwich ebenfalls, Mr. Catby. Und diese beiden Individuen werden schon bald hier erscheinen, aber bestimmt nicht allein. Sie werden Ihnen ein paar Fragen stellen, denke ich.« »Mit diesen Leuten will ich nichts mehr zu tun haben, Mylady. Ich arbeite jetzt nur noch für Museen und Privatsammler. Ich kann mich vor Aufträgen kaum noch retten.« »Wie hübsch für Sie, junger Mann! Und Mr. Kilburn hilft Ihnen dabei?« »Der Mann ist einmalig, wenn er betrunken ist«, gab Catby zurück. »Er macht die technischen Zeichnungen für Nachbildungen oder verlangte Miniaturausführungen. Das schafft er aus dem Handgelenk. Ich glaube, er fühlt sich bei mir ganz wohl.«
»Diese beiden Individuen namens Bellow und Norwich werden dieses Idyll stören, junger Mann«, redete Agatha Simpson weiter. »Sie haben nämlich einen konkreten Verdacht, was Sie betrifft.« »Verdacht, Mylady? Ich verstehe nicht, worauf Sie hinaus wollen.« »Genügt Ihnen das Wort >Roboterin