Sebastian Kleist Management kulturiibergreifender Geschaftsbeziehungen
WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT
Sebastian Kleist
Ma...
19 downloads
956 Views
7MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Sebastian Kleist Management kulturiibergreifender Geschaftsbeziehungen
WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT
Sebastian Kleist
Management kulturiibergreifender Geschaftsbeziehungen Eine Untersuchung am Beispiel der Zusammenarbeitzwischen deutschen und chinesischen Unternehmen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Gerhard Schewe
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.
Dissertation Universitat Miinster, 2003 [D 6 2003]
I.Auflage Juni2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ute Wrasmann/Anita Wilke Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung aulSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0462-X ISBN-13 978-3-8350-0462-7
Meinen Eltem
Geleitwort Die Frage, in welcher Form die produktbezogene WertschOpfungskette arbeitsteilig zu optimieren ist, ist in den letzten Jahren zusehends ins Blickfeld untemehmerischen Handelns gerUckt. Dieser Trend hat auch in der Wissenschaft seinen Niederschlag geftinden. Die Vielzahl der Forschungsarbeiten, die sich Fragestellungen zum Management von Geschaftsbeziehungen widmen, reduziert sich rasch, wenn man sich mit intemationalen Geschaftsbeziehungen jenem Typ widmet, der durch die Zunahme des Welthandels massiv an Bedeutimg gewonnen hat. Meist vergebens sucht man Arbeiten, die diesen intemationalen Charakter der Geschaftsbeziehung noch um den Aspekt der Kulturverschiedenheit erweitem. Genau hier setzt die vorliegende Arbeit an. Kulturelle Unterschiede sind im Rahmen des Interkulturellen Managements schon fUr diverse Aspekte untemehmerischen Handelns dokumentiert und analysiert (z.B. in der Ftlhnmgs- und Kommunikationsforschung). Hier tiberwiegt jedoch eine Fokussierung auf Aktivitaten innerhalb der intemationalen Untemehmung. Sebastian Kleist ist es mit der vorliegenden Arbeit nun in hervorragender Weise gelungen, die dort vorgelegten Erkenntnisse fUr das Gebiet des Geschaftsbeziehungsmanagements nutzbar zu machen.
Der Autor bringt Ordnung in die Vielfalt der allgemeinen Forschungsarbeiten zu Geschaftsbeziehungen und entwickelt ein umfassendes theoretisches Modell zur Analyse kulturUbergreifender Geschaftsbeziehungen. In diesem Modell werden aufbauend auf Diller eine evaluierende Ebene und vier inhaltliche Ebenen einer Geschaftsbeziehung unterschieden und durch ihre Einflussbeziehungen gekennzeichnet. Durch die systematische VerknUpfung dieses Modells mit dem multidimensionalen Kulturansatz von Hofstede werden zahlreiche Anhaltspunkte daftir aufgezeigt, dass die Landeskultur einen Einfluss auf die bevorzugte Gestaltung der Beziehungsebenen austibt. Sebastian Kleist zeigt somit nachdrticklich, dass sich kulturUbergreifende Geschaftsbeziehungen in vielfaitiger Form von intrakulturellen Geschaftsbeziehungen imterscheiden und es unumganglich erscheint, hier einen neuen Weg zu beschreiten.
Vor dem Hintergrund der Vielfaitigkeit der Kulturen, die einen Einfluss auf das Management von Geschaftsbeziehungen besitzen, ware es unseriSs, den Anspruch zu verfolgen, ftir jede m5gliche Kulturinterdependenz Erkenntnisse zu liefem. Insofem wahlt Sebastian Kleist ftir seine empirische Untersuchung den klaren Weg einer Fokussierung des Erkenntnisobjektes auf deutsch-chinesische Geschaftsbeziehungen. Seine Wahl ist somit auf ein hSchst aktuelles und auch auf ein wirtschaftlich h6chst bedeutsames Forschungsobjekt gefallen. Grundlage der empirischen Untersuchung ist eine pers6nliche Befragung bei deutschen Untemehmen des Textil- und Bekleidungssektors in Hong Kong. Methodisch beschrankt sich die Untersuchung nicht auf eine bivariate Analyse, sondem deckt mit Hilfe der multivariaten Pfadanalyse auch die mehrstufigen Interaktionsbeziehungen zwischen den Beziehungsebenen auf
Vm
Geleitwort
Nachdem die empirische Prilfimg der theoretischen Modellstruktur abgeschlossen ist, gehen Untersuchungen meist dazu tiber, die Arbeit mit einem kurzen Ausblick fiir die praktische Umsetzung zu schlieBen. Die vorliegende Arbeit widmet den Gestaltimgsempfehlungen ftir das Management deutsch-chinesischer Geschaflsbeziehimgen dagegen gar ein eigenstandiges Kapitel. Dabei wird deutlich, dass der Aufbau interkultureller Kompetenz als eine Grundvoraussetzung fiir das erfolgreiche Management deutsch-chinesischer Gesch^ftsbeziehimgen angesehen werden kann. Untemehmen imd ihre verantwortlichen Manager mtissen zahlreiche kulturelle Unterschiede (bspw. beim Aufbau gegenseitigen Vertrauens, bei der Entwicklung einer pers6nlichen Beziehung oder beim Konfliktmanagement) angemessen beriicksichtigen, um kulturtibergreifende GeschSftsbeziehungen im chinesischen Kulturraum erfolgreich zu gestalten. Die Ausfiihrungen sind somit ein tiberzeugendes Beispiel dafiir, wie theoretische und empirische Erkenntnisse in der Praxis umzusetzen sind.
Die vorliegende Arbeit liefert einen hervorragenden Beitrag zur Weiterentwicklung der Forschung im Bereich des Managements von Geschaftsbeziehimgen. Angesichts der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft erscheint eine weitergehende Offiiung der Forschung fiir intemationale und vor allem kulturelle Aspekte des GeschSftsbeziehungsmanagements UberMlig. GleichermaBen sind die verantwortlichen Manager aufgerufen, Anstrengungen zum Ausbau ihrer interkulturellen Kompetenz zu untemehmen. Insofem ist der vorliegenden Arbeit eine durchweg breite Rezeption in der Wissenschaft und Praxis zu wOnschen. Gerhard Schewe
Vorwort Kulturiibergreifende Geschaftsbeziehungen stellen ein faszinierendes und vielschichtiges Forschungsobjekt dar. Es stellt den Forscher vor die nicht imerhebliche Herausfordenmg, sowohl die eigene nationale bzw. kulturelle Grenze als auch eine disziplinSre Grenze zu iiberwinden und sich mit einem ftir den Wirtschaftswissenschaftler fremden sozialwissenschaftlichen Konstrukt auseinander zu setzen.
Bereits wShrend meines Studiums hatte ich die Gelegenheit, mit einem Projekt bei einer Tochter eines deutschen Konzems in Hongkong betraut zu sein. Hier konnte ich schnell erkennen, dass sich kulturelle Unterschiede auch innerbetrieblich bemerkbar machen. Unter anderem musste ich feststellen, dass die unmittelbaren Antworten meiner chinesischen KoUegen auf meine Fragen selten zielftihrend, manches Mai gar irrefuhrend waren und ich erst durch nachhaltige Anstrengungen, Beharrlichkeit und auf subtilerem Weg zum Kern des Problems vorstieB. Dabei handelte es sich weniger um bOse Absicht der chinesischen Mitarbeiter, sondem vielmehr um interkulturelle Unterschiede im Konmiunikationsverhalten. Retrospektiv betrachtet ist auch die Anfertigxmg einer wissenschaftlichen Arbeit ein Prozess, der nicht inmier in gradlinigen Bahnen verlauft. Es gilt viele Fragen zu stellen, meist an sich selbst, aber auch an zahlreiche Diskussionspartner. Auch hier waren die schnellen Antworten nicht immer die Richtigen, tauchten stets neue Fragen auf und das Ziel war nur mit Disziplin imd Kreativitat, aber keineswegs mit Zwang erreichbar. Mein aufrichtiger und herzlicher Dank gilt all jenen, die mich bei der Anfertigung der vorliegenden Arbeit untersttitzt haben. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten akademischen Lehrer und Doktorvater, Herm Prof Dr. Gerhard Schewe. Die gemeinsame Zeit an der Universitat Kiel und am Lehrstuhl fiir Betriebswirtschaftslehre, insb. fUr Organisation, Personal und Innovation an der Universitat Miinster hat mich in besonderem MaBe geprSgt. Nicht zuletzt bietet die von ihm geprSgte Kultur des Lehrstuhls mit einem hohen MaB an Vertrauen, konstruktiver Diskussion und Freiraum wichtige Erfolgsfaktoren ftir das Gelingen einer wissenschaftlichen Arbeit. Herm Prof Dr. Dieter Ahlert danke ich ftir die Ubemahme des Zweitgutachtens. Ebenso mochte ich mich herzlich bei Herm Paul Doodt und den zahlreichen Interviewpartnem in Hongkong bedanken.
Zudem gebtihrt mein Dank meinen KoUegen und Mitarbeitem am Lehrstuhl. Besonders hervorheben m6chte ich meine KoUegen und Freunde Dr. Christoph Brast, Dr. Nico Gaede, Dr. Mirco Schacke und Herm Tim Sttibinger. Die gemeinsame Zeit war und ist stets sehr wertvoll. Auch Herm Prof Dr. Littkemann danke ich ftir die gute und fruchtbare Zusanmien-
Vorwort
arbeit im Rahmen gemeinsamer Forschungsanstrengungen. Eine umfangreiche Dissertation wdre zudem unmOglich ohne die tatkr^ige UnterstUtzung studentischer Hilfskr^e. Diesbeztiglich mOchte ich mich vor allem bei Herm Peter Schaarschmidt, Herm Christoph BOs und Herm Dirk Pieperhoff bedanken. Femer mOchte ich mich auch fllr die breite UnterstUtzung in meinem privaten Umfeld herzlich bedanken. Zu nennen sind hier insbesondere Janina Modersohn und Martin W5hrle, der mir in der Beschleunigungsphase und auf der Zielgeraden der Arbeit zur Seite stand. Zudem mttchte ich Christiane Bischoff filr die groBe Geduld, den steten Rtlckhalt und das Vertrauen danken, die sie mir im Verlaufe meines Forschungsprojekts geschenkt hat. Sie hat mich durch stotliche kritische Phasen im Laufe der Entstehung der Arbeit begleitet und wie keine zweite Person mit mir unter den damit verbundenen Belastungen gelitten.
AbschlieBend gebflhrt der wesentliche Dank meiner Familie, die ftlr mich unersetzlich und ein groBer Rtickhalt ist. Neben meiner Schwester Julia Scheel und ihrem Mann Enno und meiner geliebten GroBmutter sind vor allem meine Eltem Brigitte und Norbert Kleist zu wtirdigen. Sie haben mich bis heute stets in jeglicher Hinsicht untersttltzt, motiviert und mir immer das notwendige Vertrauen und eine groBe individuelle Freiheit geschenkt. Nicht zuletzt haben meine Eltem auch einen wichtigen Grundstein ftlr diese Arbeit gelegt, indem sie bereits im Kindesalter meine Faszination fiir andere LSnder und andere Kulturen geweckt und gefbrdert haben. Dmen sei diese Arbeit in Dankbarkeit gewidmet.
Sebastian Kleist
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
XI
Abbildungsverzeichnis
XV
Tabellenverzeichnis
XVn
Kastenverzeichnis
XVII
Abktirzungsverzeichnis
XDC
1
2
EinfUhrung
1
1.1 Problemstellung
1
1.2 Zielsetzung und abgeleitete Forschungsfragen
6
1.3 Gang der Untersuchung
8
Geschiiitsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
11
2.1 Begriffsabgrenzung und konstituierende Merkmale
11
2.2 Geschftftsbeziehungen im Spektrum interorganisationaler Beziehungen
17
2.2.1 Dyadische Formen interorganisationaler Beziehungen
18
2.2.2 Multilaterale Formen interorganisationaler Beziehungen
26
2.3 Zum Stand der Forschung
30
2.3.1 AusgewShlte theoretische Betrachtungsperspektiven
30
2.3.2 Das Forschungsfeld aus einer integrativen Perspektive
39
2.4 Zwischenfazit
44
2.5 Entwicklung eines Modells zur Analyse von GeschSftsbeziehungen
46
2.5.1 Interaktionsansatz und Ebenenmodelle als theoretische Ankniipfungspunkte 2.5.2 Isolierte Perspektive: Vorstellung der zentralen Komponenten
46 50
2.5.2.1
Kontext der Geschaftsbeziehungen
2.5.2.2
Inhaltliche Ebenen
53
2.5.2.2.1 Die Individualebene
53
2.5.2.2.2 Die Interaktionsebene
56
2.5.2.3
52
2.5.2.2.3 DieSachebene
59
2.5.2.2.4 Die Machtebene
61
Evaluierende Ebene
63
XII
Inhaltsverzeichnis 2.5.3 Wirkungsbezogene Perspektive: Einflussbeziehungen zwischen den Ebenen
3
65
2.5.3.1
Die inhaltlichen Ebenen als Determinanten der evaluierenden Ebene
66
2.5.3.2
Wirkungsbeziehimgen der inhaltlichen Ebenen
70
2.5.3.2.1 Vorbemerkung zur Interdependenz der inhaltlichen Ebenen
70
2.5.3.2.2 Determinanten der Machtebene
73
2.5.3.2.3 Determinanten der Sachebene
74
2.5.3.2.4 Determinanten der Interaktionsebene
76
Das spezielle Erkenntnisobjekt der kulturiibergreifenden Geschaftsbeziehung
77
3.1 Kulturtheoretische Grundlagen
77
3.1.1 Kultur - Begriffliche Abgrenzung, Facetten und Typen
77
3.1.2 Die Landeskultur als multidimensionales Konstrukt
82
3.1.2.1
Machtdistanz
83
3.1.2.2
Unsicherheitsvermeidung
84
3.1.2.3
Individualismus (vs. KoUektivismus)
86
3.1.2.4
Maskulinitat (vs. Femininitat)
87
3.1.2.5
Langfristorientierung (vs. Kurzfristorientierung)
88
3.2 Begriffliche Abgrenzung kulturubergreifender Geschaftsbeziehungen
89
3.3 Zum Stand der Forschung
95
3.3.1 Das ubergeordnete Forschungsfeld ,Interkulturelles Management'
95
3.3.2 Stand der empirischen Forschung zu kulturiibergreifenden Geschaftsbeziehungen. 100 3.4 Ebenenspezifische Besonderheiten kulturiibergreifender Geschaftsbeziehungen 3.4.1 Die inhaltlichen Ebenen kulturubergreifender Geschaftsbeziehungen
110 110
3.4.1.1
Die Individualebene kulturubergreifender Geschaftsbeziehungen
3.4.1.2
Die Interaktionsebene bei kulturiibergreifenden Geschaftsbeziehungen... 114
110
3.4.1.3
Die Sachebene bei kulturiibergreifenden Geschaftsbeziehungen
120
3.4.1.4
Die Machtebene bei kulturiibergreifenden Geschaftsbeziehungen
123
3.4.2 Die evaluierende Beziehungsebene kulturubergreifender Geschaftsbeziehungen.... 125 3.4.3 Zwischenfazit
126
Inhaltsverzeichnis
XIII
4
Das konkrete Erkenntnisobjekt deutsch-chinesischer GeschSftsbeziehungen
131
4.1 China - Okonomische und kulturelle Grundlagen
131
4.1.1 Skizze der politisch-6konomischen Rahmenbedingungen 4.1.2 Keimzeichnung der chinesischen Kultur
131 134
4.1.2.1
Spezifische Besonderheiten der chinesischen Kultur
134
4.1.2.2
Die chinesische Kultur im Raster allgemeiner Kulturdimensionen
138
4.2 Empirische Untersuchung deutsch-chinesischer GeschSftsbeziehungen 4.2.1 Empirisches Design
144 144
4.2.1.1
Auswahl der Untersuchungseinheiten
144
4.2.1.2
Datenerhebung
145
4.2.1.3
Design des Fragebogens
148
4.2.1.4
Stichprobe
149
4.2.2 Deskriptive Analyse der Umwelt der Geschaftbeziehungen
153
4.2.2.1
Das geschaftliche Umfeld
153
4.2.2.2
Das kulturelle Umfeld
157
4.2.2.3
Die Untemehmensnetzwerke
158
4.2.3 Bivariate Untersuchung des Beziehungserfolges
163
4.2.3.1
Zusammenhang zwischen Individualebene und Beziehungserfolg
4.2.3.2
Zusammenhang zwischen Interaktionsebene und Beziehungserfolg
168
4.2.3.3
Zusammenhang zwischen Sachebene und Beziehungserfolg
172
4.2.3.4
Zusammenhang zwischen Machtebene und Beziehungserfolg
173
4.2.4 Methodische Verdichtung der Ebenen von Geschaftsbeziehungen
165
175
4.2.4.1
Verdichtung der Individualebene
176
4.2.4.2
Verdichtung der Interaktionsebene
177
4.2.4.3
Verdichtung der Sachebene
178
4.2.4.4
Verdichtung der Machtebene
180
4.2.4.5
Verdichtung der evaluierenden Ebene
181
4.2.5 Multivariate Untersuchung der Beziehungsqualitat
184
4.2.5.1
Determinanten der Beziehungsqualitat
187
4.2.5.2
Einflusse innerhalb der inhaltlichen Beziehungsebenen
191
4.2.5.2.1 Determinanten der Machtebene
192
4.2.5.2.2 Determinanten der Sachebene
194
4.2.5.2.3 Determinanten der Interaktionsebene
197
4.2.6 Konsequenzen aus der empirischen Untersuchung
198
XIV
Inhaltsverzeichnis
4 3 Gestaltungsempfehlungen fiir das Management deutsch-chinesischer GeschSftsbeziehungen
203
4.3.1 Situativer Rahmen des Managements deutsch-chinesischer Gesch^ftsbeziehungen 203 4.3.2 Aufbau interkultureller Kompetenz als Grundvoraussetzung des Managements deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen 4.3.3 Ebenenspezifische Gestaltungsempfehlungen 4.3.3.1
4.3.3.2
4.3.3.3
4.3.3.4
208
Management der individuellen Ebene
208
4.3.3.1.1 Aufbau von gegenseitigem persOnlichen Vertrauen
208
4.3.3.1.2 Entwicklung personlicherBindungen
212
Management der Interaktionsebene
217
4.3.3.2.1 Kommunikationsgestaltung
217
4.3.3.2.2 Konfliktmanagement
224
Management der sachlichen Ebene
228
4.3.3.3.1 Beeinflussung des Leistungsprozesses
229
4.3.3.3.2 GestaltungderFlexibilitat
232
Management der Machtebene
233
4.3.4 IntegrativerUberblick 5
206
Zusammenfassende Schlussbetrachtung
235 239
Anhang
245
Literaturverzeichnis
283
Abbildungsverzeichnis Abb. 1-1: Gang der Untersuchung
9
Abb. 2-1: GeschSftsbeziehungen im Kontinuum zwischen Markt und Hierarchic
19
Abb. 2-2: Fokale GcschSftsbczichung als Tcil cincs Untcmchmcnsnctzwcrks
27
Abb. 2-3: Das grundlcgendc Interaktionsmodell der IMP-Gruppc
38
Abb. 2-4: Schichtcnmodcll der IMP Gruppe
48
Abb. 2-5: Interaktionsebenen von GeschSftsbcziehungen
49
Abb. 2-6: Erweitcrtes Ebencnmodell als konzeptioncllcr Bezugsrahmen der Arbeit
51
Abb. 2-7: Einflussbeziehungen auf die evaluierende Ebene
66
Abb. 2-8: Modell der Einflussbeziehungen innerhalb der inhaltlichen Ebenen
72
Abb. 3-1: Beziehungstypen bei kulturverschiedenen Untemehmen
92
Abb. 4-1: Kulturprofile der deutschen und der chinesischen Kultur
143
Abb. 4-2: Einschatzung des gcschSftlichcn Umfeldes
154
Abb. 4-3: Einschatzung des kulturellen Umfeldes
158
Abb. 4-4: Textile WertschSpfungskette der Bekleidungsindustrie
159
Abb. 4-5: EinschStzungen des Untemehmensnetzwerkes
161
Abb. 4-6: Das bivariate Untersuchungsmodell
165
Abb. 4-7: Explorative Faktorenanalyse der Individualebene
176
Abb. 4-8: Explorative Faktorenanalyse der Interaktionsebene
177
Abb. 4-9: Explorative Faktorenanalyse der Sachebene
179
Abb. 4-10: Explorative Faktorenanalyse der Machtebene
180
Abb. 4-11: Explorative Faktorenanalyse der evaluierenden Ebene
183
Abb. 4-12: Verteilung der Beziehungsqualitat
184
Abb. 4-13: Pfadmodell der multivariaten Analyse deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
186
Abb. 4-14: Determinanten der inhaltlichen Beziehungsebenen
192
Abb. 4-15: Hypothesensystem als Ergebnis der explorativen Untersuchung
199
Abb. 4-16: Typen und Entwicklung personlicher Beziehungen
214
Abb. 4-17: Konfliktvermeidungsstile
226
Abb. 4-18: EinfuBfaktoren der chinesischen Kultur auf dt.-chinesische Geschaftsbeziehungen
235
Abb. A 1: Priif- und Beurteilungskriterien der explorativen Faktorenanalyse
265
Abb. A 2: Rekursives vs. voiles rekursives System
267
Abb. A 3: Korrelationsdekomposition eines bivariaten Korrelationskoeffizienten
268
Abb. A 4: Das Ebencnmodell als vollstandiges rekursives System
270
Abb. A 5: Anwendungs- und Interpretationsvoraussetzungen der linearen Regressionsanalyse
271
Tabellenverzeichnis Tab. 1-1: Auszug der GniBworte zur Sonderausgabe China der WirtschaftsWoche
2
Tab. 2-1: Exemplarische Abgrenzungen des Begriffs der Geschaftsbeziehung in der deutschsprachigen Literatur
12
Tab. 2-2: Ausgewfthlte Beschreibimgsdimensionen von Untemehmungsnetzwerken
29
Tab. 2-3: Uberblick Uber integrative Studien des Forschungsfeldes
41
Tab. 2-4: Wechselbeziehungen der inhaltlichen Ebenen von Geschaftsbeziehungen
71
Tab. 3-1: Zusammenfassende Darstellung der Kulturdimension Machtdistanz
84
Tab. 3-2: Zusammenfassende Darstellung der Kulturdimension Unsicherheitsvermeidung
85
Tab. 3-3: Zusammenfassende Darstellung der Kulturdimension Individualismus
86
Tab. 3-4: Zusammenfassende Darstellung der Kulturdimension Maskulinitat
88
Tab. 3-5: Zusammenfassende Darstellung der Kulturdimension Langfristorientierung
89
Tab. 3-6: Forschungsansfttze der interkulturellen Managementforschung Tab. 3-7: Empirische Studien zu kulturtibergreifenden Geschaftsbeziehungen
98 104
Tab. 4-1: Ziele, MaBnahmen und Barrieren institutioneller Reformen in China
132
Tab. 4-2: Auspragungen der Kulturdimensionen fiir Deutschland und chinesische Nationen
139
Tab. 4-3: Charakteristika der Interviewpartner
148
Tab. 4-4: Deskriptive Charakteristika der Untemehmensstichprobe
150
Tab. 4-5: Individualebene bei erfolgreichen vs. nicht-erfolgreichen Geschaftsbeziehungen
167
Tab. 4-6: Interaktionsebene bei erfolgreichen vs. nicht-erfolgreichen Geschaftsbeziehungen
170
Tab. 4-7: Sachebene bei erfolgreichen vs. nicht-erfolgreichen Geschaftsbeziehungen
173
Tab. 4-8: Machtebene bei erfolgreichen vs. nicht-erfolgreichen Geschaftsbeziehungen
174
Tab. 4-9: Determinanten der Beziehungsqualitat
188
Tab. 4-10: Determinanten der Machtebene
193
Tab. 4-11: Determinanten der Sachebene
195
Tab. 4-12: Determinanten der Interaktionsebene
197
Tab. 4-13: Morphologische Darstellung wichtiger situativer Rahmenfaktoren
203
Tab. 4-14: Deutsches und chinesisches Kommunikations- und Informationsverhalten
219
Tab. 4-15: Ebenenspezifische Verhaltensansatze und ihre Perzeption
237
Tab. Al: Auswertung empirischer Studien Uber intemationale Geschaftsbeziehungen Ziel, Basis, Stichprobe und Methodik
248
Tab. A2: Auswertung empirischer Studien liber intemationale Geschaftsbeziehungen Untersuchungsvariable und Befiinde
256
Kastenverzeichnis Kasten 1: Determinanten der evaluierenden Ebene
69
Kasten 2: Determinanten der Machtebene
74
Kasten 3: Determinanten der Sachebene
76
Kasten 4: Determinanten der Interaktionsebene
76
Abkiirzungsverzeichnis Abb. AG AMA AMAP AMJ AMR ASQ ASR Aufl. Bd. BRD bspw. bzgl. bzw.
Abbildung Aktiengesellschaft American Marketing Association American Marketing Association Proceedings Academy of Management Journal Academy of Management Review Administrative Science Quarterly American Sociological Review Auflage Band Bundesrepublik Deutschland beispielsweise beziiglich
HKA Hrsg. IDV
beziehungsweise circa Columbia Journal of World Business das heiBt European Marketing Academy Proceedings erklart etalii et cetera Europaische Union folgende fortfolgende General Agreement on Trade in Services General Agreement on Tariffs and Trade gegebenenfalls Harvard Business Review Hauptkomponentenanalyse Herausgeber Individualismus / Individualism
IJRM
International Journal of Research in Marketing
IMP insb. JBR
Industrial Marketing & Purchasing insbesondere Journal of Business Research Journal of Consumer Research
ca. CJWB d.h. EMACP erkl. etal. etc. EU f. ff. GATS GATT ggfs. HBR
JCR
AbkUr2aingsverzeichiiis
XX
Jg. JM JMR JR KMO
Jahrgang
kum.
kumuliert
LFO MAS ML MS MSA
Langfristorientierung
Journal of Marketing Journal of Marketing Research Journal of Retailing Kaiser-Meyer-Olkin
Maskulinitat / Masculinity Marketing Letters Marketing Science Measure of Sampling Adequacy
NAFTA
North America Free Trade Association
No. Nr.
Number
o.V.
ohne Verfasser
OS
Organisation Studies
PD S. SMJ SMR
Machtdistanz / Power Distance
sog.
sogenannt
Sp.
Spalte
stand.
standardisiert
Tab.
Tabelle
Nummer
Seite Strategic Management Journal Sloan Management Review
TRIPS
Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights
tw.
teilweise
u. a.
unter anderem
UA
Unsicherheitsvermeidung / Uncertainty Avoidance
USA
Vereinigte Staaten von Amerika
v.Chr.
vor Christus
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
VR
Volksrepublik
vs.
versus
WTO
World Trade Organization
Z.T.
zum Teil
Z.B.
zum Beispiel
"Noch in diesem Jahrzehnt wird die Lufthansa tSglich mehr Passagiere nach China als nach New York transportieren." Mr gen Weber, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Lufthansa
„Das Risiko, in China nicht dabei zu sein, ist grOBer als das Risiko dabei zu sein!" Dr. Heinrich von Pierer, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens AG'
„China wird zur Produktionsbasis der Welt, das ist gar keine Frage" Dr. Jiirgen Hambrecht, Vorstandsvorsitzender von BASF^
1
Einfiihrung
1.1 Problemstellung Kurz nach der Jahrtausendwende hat die Volksrepublik (VR) China den Rang des zweitwichtigsten auBereuropaischen Handelspartners der Bundesrepublik Deutschland ubemommen.'* Gleichzeitig ist die VR China im Jahr 2002 mit einem Investitionsvolumen in Hohe von 52,7 Mrd. US-Dollar erstmals der weltweit grofite Empf^ger von auslandischen Direktinvestitionen geworden.^ Deutschland befindet sich diesbeztiglich als einziges europaisches Land unter den zehn groBten Herkunftslandem. Diese Fakten sind umso bemerkenswerter, wenn man berUcksichtigt, dass die wirtschaftspolitische Offhung der VR China erst vor gut einem Vierteljahrhundert begonnen hat. Zudem wird deutlich, dass deutsche Untemehmen mittlerweile vielfaltige Interessen in China verfolgen: Grofiere und kapitalkraftige Untemehmen streben ftir ihre Produkte und Dienstleistungen nach einem Zugang zum chinesischen Absatzmarkt, Untemehmen des produzierenden Gewerbes verfolgen den Aufbau und die Nutzung von kostengiinstigen Produktionskapazitaten, Handelsuntemehmen beschaffen giinstige arbeitsin-
zitiert nach: WirtschaftsWoche (2003b), S. 22. Keynote Address von Dr. Heinrich v. Pierer, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, auf dem deutsch-chinesischen Wirtschaftskongress, Berlin, 22. September 2004 zitiertnach: WirtschaftsWoche, (2003a), S. 170. Die VR China hat Japan 2002 als wichtigsten asiatischen Handelspartner der BRD abgelOst. Das statistische Bundesamt weist in der vorlaufigen Aufienhandelsstatistik filr 2005 Einfiihren aus China in H5he von ca. 39,9 Mrd. Euro (Rang 4) sowie Ausftihren in HOhe von 21,3 Mrd. Euro (Rang 11) aus. Lediglich die USA und Grofibritannien nehmen bei beiden Statistiken einen hOheren Stellenwert ein. Vgl. Statistisches Bundesamt (2006). Vgl. o. V. (2003), S. 56.
2
Einfilhrung
tensive Industrie- und Konsumgiiter.^ Als ein prominentes Beispiel kann der SIEMENS Konzem gesehen werden, der 2003 in der VR China bereits Anteile an 40 Gesellschaften, iiberwiegend in Form von Joint Ventures mit chinesischen Partnem und zusatzlich 26 regionale Niederlassungen besaB.^ Angesichts der Wachstumsdynamik der chinesischen Volkswirtschaft ist es unmittelbar vorhersehbar, dass sich der Stellenwert deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen weiter erhohen wird. Die Bedeutung, die der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der BRD und der VR China bereits heute zugemessenen wird, spiegelt sich z.B. auch darin wieder, dass die WirtschaftsWoche der VR China im Herbst 2003 erstmals eine komplette Sonderausgabe gewidmet hat.* Diese zweisprachige Sonderausgabe beginnt mit GruBwortem sowohl des deutschen Bundeskanzlers als auch des Ministerprasidenten des Staatsrates der VR China, aus denen in Tab. 1-1 als Auszug jeweils der erste Absatz wiedergegeben ist.
Deutsches GruBwort
Chinesisches Gru&wort
„Deutschland und China verbindet eine lange und traditionsrelche wirtschaftliche Zusammenarbeit, deren AnfSnge ins 19. Jahrhundert zurUckreichen. Schon damals konnten sich deutsche Firmen einen Ruf als kompetente Technologie- und Infrastrukturanbieter erwerben. Dies hat sich bis heute, als Beispiel ist der Transrapid zu nennen, nicht grundsatzlich gedndert. Wir wollen alles Notwendige dafQr tun, damit dies auch in Zukunft so bleibt..."
„Dass die angesehene WirtschaftsWoche anlelsslich unseres 54. Nationalfeiertages China dem freundlichen deutschen Volk mit einer Sonderausgabe umfassend und objektiv prelsentiert und die Freundschaft zwischen beiden LSindern darstellt, ist ein Ereignis von grower Bedeutung. Ich eriaube mir, dazu meine herzlichen GluckwQnsche auszudrUcken und diese Gelegenheit zu benutzen, dem deutschen Volk die besten GrQIie des chinesischen Volkes zu Ubermitteln.."
Gerhard Schroder, ehem. Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland
Wen Jiabao. Ministerprcisident des Staatsrates der Volksrepublik China
Tab. 1-1: Auszug der GruBworte zur Sonderausgabe China der WirtschaftsWoche Quelle: WirtschaftsWoche (2003b). S. 3
Trotz des identischen Anlasses und dem gemeinsamen Hinweis auf die hohe Bedeutung der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit geben bereits diese wenigen einleitenden Worte einen deutlichen Hinweis auf massive kulturelle Unterschiede zwischen den beiden Nationen: Vereinfacht kann man im deutschen GruBwort eine eher einseitige (deutsche) Perspektive, einen direkten, niichtemen Ton sowie eine hohe Sachorientierung identifizieren. Das chinesische GruBwort ist dagegen in starkem MaBe durch eine bilaterale Perspektive gekennzeichnet und
Vgl. Pye (1992), S. llf. Vgl. Siemens (2003). Vgl. WirtschaftsWoche (2003b).
Problemstellung
wahlt einen freundlichen und sehr hoflichen Ton, der fiir einen Deutschen etwas befremdlich wirkt. Im Ergebnis wird hier anstelle einer Sachorientierung vor allem die zwischen beiden Volkem bestehende Freundschaft betont. Die in diesem Beispiel explizit hervortretenden (und auch anderswo zahlreich belegten) Kommunikationsimterschiede sind kein Zufallsprodukt, sondem konnen auf abweichende verhaltenssteuemde Werte und Annahmen der chinesischen und der deutschen Kultur zuruckgefUhrt werden. Geschaftsbeziehungen zwischen deutschen und chinesischen Untemehmen sind aufgrund der hier nur angedeuteten groBen kulturellen Unterschiede ein besonders prSgnantes Beispiel fiir kulturiibergreifende bzw. interkulturelle Geschaftsbeziehungen.^ Geht man zunachst vereinfachend davon aus, dass jede intemationale Geschaftsbeziehung auch interkulturell ist, so hat der exponentielle Anstieg des Welthandels in den letzten Jahrzehnten zu einer allgemeinen Zunahme von intemationalen, kuhurubergreifenden Geschaftsbeziehungen gefiihrt.^^ Zudem beschranken sich intemationale Geschaftsbeziehungen langst nicht mehr auf die Zusammenarbeit zwischen kulturell zumindest teilweise ahnlichen Nachbamationen. Ausgehend von dem Faktum der Grenz- und Kulturiiberschreitung stellen sich bei intemationalen Geschaftsbeziehungen im Vergleich zu nationalen Geschaftsbeziehungen haufig zusatzliche Probleme. Neben der geographischen und kulturellen Distanz werden u. a. Unklarheit Uber die gegenseitigen Erwartungen, abweichende Zielvorstellungen, groBere Kommunikationsprobleme, begrenzte Inforaiationen uber den Geschaftspartner und die speziellen Marktgegebenheiten sowie ein hohes MaB an Unsicherheit genannt.'' Dennoch haben sich die Rahmenbedingungen von intemationalen Geschaftsbeziehungen durch die zimehmende Liberalisierung des Welthandels, die Bildung von Regionalgemeinschaften wie der EU oder der NAFTA, ^^ modeme Kommunikationstechniken, verbesserte Transportmoglichkeiten sowie politische Transfomiationsprozesse in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert. Hierdurch haben sich zumindest die mit der Uberschreitung von intemationalen Grenzen und geographischen Distanzen verbundenen Probleme teilweise deutlich reduziert. Da Landeskulturen jedoch weitgehend stabile Verhaltensmuster darstellen, sind kulturelle Unterschiede als ein vergleichsweise konstanter, unausweichlicher Rahmenfaktor von intemationalen Geschaftsbeziehungen zu sehen, dem hn
Die Begriffe kulturiibergreifende und interkulturelle Geschaftsbeziehung werden im Rahmen dieser Arbeit synonym verwendet. Vgl. hierzu nSher die Ausfiihrungen zum Begriff der kuhurubergreifenden Geschaftsbeziehung in Kapitel 3.2. Der Umfang des intemationalen Handels hat in den zuriickliegenden Jahrzehnten eine exponentielle Entwicklung durchlaufen. Das Wachstum des Handels tlbersteigt filr die meisten Nationen regelmaBig die Zunahme des Bruttosozialproduktes. Vgl. z.B. WTO (2003), S. 8. Im Jahr 2004 wurden Waren und Dienstleistungen im Gesamtwert von 11,0 Billionen US$ (Waren im Wert von ca. 8,9 Mrd. US$, Dienstleistungen im Wert von ca. 2,1 Mrd. US$) exportiert. Vgl. WTO (2005), S. 3. Vgl. z. B. Katsikeas/Piercy (1991), S. 8. Vgl. z. B. Kutschker (1999), S. 9 ff. Zur Bedeutungszunahme regionaler Handelsvereinbarungen vgl. auch WTO (2003), S. XVI.
4
Einfiihrung
Zeitablauf allenfalls durch eine zimehmende Erfahnmg und Bildung im interkulturellen Umgang begegnet werden kann. Bedenkt man, dass Untemehmen im Rahmen der Beschafiung von Vorleistungen und beim Leistimgsabsatz am Markt seit jeher in interorganisationalen Austauschbeziehungen zu anderen Untemehmen stehen, hat das nachhaltige Interesse von Praxis und Wissenschaft fiir das gezielte Management von GeschSftsbeziehungen erst vergleichsweise spSt eingesetzt. Dennoch wird das in diesem Zusanmienhang zu nennende Konzept des Beziehungsmarketing seit nunmehr ca. 20 Jahren diskutiert und weiterentwickeltJ^ In seiner Anwendimg fordert es eine Abstimmung aller UntemehmensaktivitSten auf die langfristige und zielgerichtete Planung, Steuerung und Kontrolle von Geschaftsbeziehungen.^'* Das unmittelbare Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen wirfl in diesem Zusammenhang das ForschungsrStsel auf, ob und inwieweit sich kulturiibergreifende Geschaftsbeziehungen von herkSmmlichen Geschaftsbeziehungen unterscheiden und ein differenziertes Beziehungsmanagement erfordem. Zur KlSrung dieser tibergeordneten Forschimgsfrage gilt es zunachst zu klSren, welche Grundelemente einer Geschaftsbeziehung im kultunibergreifenden Kontext in besonderem MaBe zu beachten sind, weil sie eine besondere Bedeutung fiir die Qualitat einer Geschaftsbeziehung besitzen. Die als bedeutsam identifizierten Facetten konnen im nachsten Schritt Ansatzpunkte ftir ein effektives Management kulturiibergreifender Geschaftsbeziehungen liefem. Die Frage, inv^eweit hierbei ein differenziertes vom nationalen, intrakuiturellen Kontext abweichendes Vorgehen zu wShlen ist, kntipft an die im Rahmen der intemationalen Managementforschung seit langem diskutierte Kontroverse zwischen kulturgebundenem und kulturfreiem Managementverhalten an. Auf der einen Seite stellen kulturiibergreifende Geschaftsbeziehungen lediglich einen speziellen Typus von Geschaftsbeziehungen dar, so dass eine LFbertragung der Praktiken und Ansatze des Beziehungsmanagements von nationalen Geschaftsbeziehungen zumindest grundsatzlich zulassig erscheint.'^ Auf der anderen Seite konnen kulturelle Unterschiede zu abweichenden Vorstellungen eines adaquaten Beziehungsmanagements ftlhren und die Interaktion zwischen kulturverschiedenen Untemehmen erheblich erschweren. Beispiele fiir ein fehlerhaftes Verhalten in kulturiibergreifenden Geschaftsbeziehungen sind zahkeich. So kann bspw. eine direkte und offene Ansprache von Problemen bei
Yau et al. (2000), S. 17 weisen interessanterweise daraufliin, dass die chinesische Kultur aufgrund der starken Betonung persOnlicher Beziehungen dem Ansatz des Beziehungsmarketing traditioneil nSher steht: "Relationship marketing has its roots in North American and European cultures. But it can be considered even more appropriate within Chinese's cultural context, for the Chinese tend to prefer long-term personalized and mutual cooperation as the basis for most of their business dealings." Vgl.Diller(1994), S.6. Hall6n/Johanson/Seyed Mohamed (1987), S. 30f Ziehen bspw. auf Basis einer empirischen Untersuchung folgendes Fazit: „... the basic nature of customer-supplier relationships in terms of adaptation processes and information exchange is the same for both domestic and export relationships."
Problemstellung
Geschaftpartnem aus konfliktscheuen Kulturen oder eine voreilige Versetzung eines Mitarbeiters in Kulturen mit einer hohen WertschStzung fUr langfristig aufgebautes, personliches Vertrauen zu einer abrupten Beendigung einer Geschaftsbeziehung ftihren. Derartige Probleme und Missverst&idnisse Probleme stiitzen die Forderung nach einem dem kulturUbergreifenden Kontext angepassten Beziehungsmanagement: „Relationship marketing means different things in different cultures and marketers should be as wary of prescribing universal solutions for exchange bases as they are of developing universal product and promotion policies for all markets."'^ Angesichts der gestiegenen Bedeutung kulturtibergreifender Geschaftsbeziehungen ist es tiberraschend, dass das wirtschaftswissenschaftliche Schrifttum sich mit dieser Problemstellung bisher nur ansatzweise auseinandergesetzt hat. Zwar sind kulturelle Unterschiede bspw. bei Ftihnmgsstilen, im Kommunikationsverhalten oder im Verhandlungsverhalten mittlerweile umfangreich dokumentiert. Diese wertvollen Erkenntnisse werden jedoch iiberwiegend isoliert betrachtet und selten in den Gesamtkontext einer Geschaftsbeziehung geriickt. Internationale und kulturtibergreifende Geschaftsbeziehungen als konkretes und ganzheitlich betrachtetes Untersuchungsobjekt haben somit bisher im Gegensatz zu nationalen, intrakulturellen Geschaftsbeziehungen nur eine relativ geringe Beachtung erfahren. Anstelle der Betrachtung von intemationalen Geschaftsbeziehungen Uberwiegt in einem GroBteil der Beitrage zum Intemationalen Management eine einseitige Fokussierung auf die Internationale Untemehmung.'^ Die wenigen empirischen Abhandlimgen, die intemationale Geschaftsbeziehungen zwischen Untemehmen untersuchen, betrachten zudem haufig kulturell zumindest ahnliche Nationen und berucksichtigen die bestehenden kulturellen Unterschiede zumeist nur peripher. Zum derzeitigen Zeitpunkt ist der Kultureinfluss auf Geschaftsbeziehungen somit lediglich von einigen theoretischen Abhandlungen betrachtet worden.'* Dieses Forschungsdefizit spiegelt sich auch in den Publikationen zum interkulturellen Management in China wider. Betrachtet man den Fundus mittlerweile umfangreicher Veroffentlichungen, so konzentrieren sich diese vor allem auf zwei Forschungsschwerpunkte: Zum einen auf den Aufbau und das Management von Joint Ventures in China und zum anderen - teilwei-
Palmer(1997),S.321. Vgl. zur fehlenden Ausrichtung der intemationalen Managementforschung auf die Austauschbeziehungen Toyne (1989). Als Beispiel kOnnen Exportaktivitaten genannt werden, die in der Kegel lediglich aus einer einseitigen Perspektive der exportierenden Untemehmung betrachtet werden. Untersucht werden u. a. der Prozess der Entwicklung von Exportaktivitaten, verschiedene Exportstrategien sowie Faktoren, die den Erfolg auf den Exportmarkten mafigeblich beeinflussen. Vgl. ffir einen Oberblick insb. Aaby/Slater (1989); GemUnden (1991); Chetty/Hamilton (1993) sowie Zou/Stan (1998). Nur vereinzehid werden dagegen unmittelbar Export-Geschaftsbeziehungen untersucht. Vgl. bspw. Leonidou/Kaleka (1998) und Katsikeas/Goode/Katsikeas (2000). Vgl. im deutschsprachigen Raum grundlegend Mauritz (1996). Vgl. zudem Sheth (1981); Kale/Mclntyre (1991); Kale/Barnes (1992); Bandyopadhyay/Robicheaux (1993); Shankarmahesh/Ford/LaTour (2002).
6
Einfilhrung
se auch hierzu untergeordnet - auf die Besonderheiten der interkulturellen Verhandlungen mit chinesischen Geschaftspartnem. Der starke Fokus auf Verhandlungen resultiert aus den hier im Vergleich zu westlichen Kulturen - besonders deutlich hervortretenden kulturellen Unterschieden sowie der zentralen Bedeutung fiir den Aufbau von untemehmerischen Aktivitaten in China.'^ Die intensive Auseinandersetzung mit Joint Ventures ist als unmittelbare Reaktion auf den starken Rtickgriff auf Gemeinschaftsuntemehmen mit chinesischen Partnem zu sehen, der u. a. auf die politischen Rahmenbedingungen zurtickzufiihren ist. Neben Beitragen im intemationalen Schrifttum^° lassen sich mittlerweile auch diverse deutschsprachige Publikationen finden, die sich speziell deutsch-chinesischen Joint Ventures widmen.^' Neben diese Forschungsschwerpunkte treten schlieBlich zunehmend Publikationen, die den Anspruch verfolgen, ein mehr oder minder umfassendes Bild der Marktbesonderheiten in China zu zeichnen.^^ Erstaunlicherweise sind die aus der Zunahme des AuBenhandels mit China und dem Aufbau von deutschen Tochtergesellschaften in China resultierenden deutschchinesischen Geschaftsbeziehungen zu Marktpartnem - d. h. ohne eine Institutionalisierung der Zusammenarbeit in Form eines Gemeinschaftsuntemehmens - bisher dagegen kaum naher untersucht worden.^^
1.2 Zielsetzung und abgeleitete Forschungsfragen Ausgehend von dem umrissenen Problemfeld und der zunehmenden praktischen Bedeutung intemationaler Geschaftsbeziehungen sowie der bestehenden Forschungslucken besteht das Hauptanliegen der Arbeit darin, zum tieferen Verstandnis des Phanomens kulturtibergreifender Geschaftsbeziehungen beizutragen sowie Ansatzpunkte ftir ein effektives interkulturelles Beziehungsmanagement zu liefem. Aus dieser generellen Zielsetzung lassen sich drei Einzelziele ableiten: Das erste, grundlegende Ziel liegt in der Entwicklung eines allgemeinen Bezugsrahmens zur Analyse von Geschaftsbeziehungen, der eine integrative und systematische Ordnung der zahh-eichen Facetten von Geschaftsbeziehungen ermoglicht und zugleich bestehende WirVgl. zu Verhandlungen in China u. a. Tung (1982); Buttery/Leung (1988); Graham et al. (1988); Lee/Lo (1988); Stewart/Keown (1989); Nair/StafiFord (1998); Pye (1992); Tinsley/Pillutla (1998); PaikATung (1999); Xingpin (2001), im deutschsprachigen Raum bspw. Messman (1995); Zhang (1996); Steffens (1998). Vgl. u. a. Ho (1990); Shenkar (1990); Beamish (1993); Campbell/Stewart (1994); Yan/Gray (1994); Pan (1996); Lee/Chen/Kao (1998); Bj5rkmannA.u (1999); ChildA^an (1999); Hoon-Halbauer (1999); Si/Bniton (1999); Lee (2001); Luo/Shenkar/Nyaw (2001). Vgl. z. B. KOhler/Wascher (1989); Suchardt (1994); TrommsdorfiWilpert (1994); Chung/Sievert (1995); StrickerKellerer (1999); Mohr (2002) und Hoffjan (2003). Vgl. bspw. Zinzius (2000); Kuhn/Ning/Hongxia/Shi (2001); Zttrl/Jinmei Huang (2002). Eine Ausnahme stellt das explorative Arbeitspapier von Diller/Ivens (1998). Dieses Forschungsdefizit ist in nahezu unvermindertem MaB auf Geschaftsbeziehungen zwischen chinesischen Partneruntemehmen und anderen europaischen
Zielsetzung und abgeleitete Forschungsfragen
kungsbeziehungen zwischen relevanten Aspekten abbilden kann. Dieses Ziel fiihrt u. a. zu folgenden Fragestellungen: -
Was sind die zentralen konstitutiven Charakteristika von Geschaftsbeziehimgen? Welches sind die relevanten Aspekte zur Beschreibung von Geschaftsbeziehimgen und welche Wechselwirkungen bestehen zwischen diesen Konstrukten?
-
Auf welcher Grundlage kOnnen die zahbeichen Facetten von Geschaftsbeziehimgen vollstandig und Uberschneidimgsfrei systematisiert werden?
Das zweite Ziel der Arbeit besteht darin, zentrale Besonderheiten des speziellen Typus der kulturiibergreifenden Geschaftsbeziehimg herauszuarbeiten und Ansatzpunkte fiir kulturelle Einfliisse auf die Fimktionsweise und das Management kulturiibergreifender Geschaftsbeziehimgen aufzuzeigen. Dieses Ziel v^rft u. a. folgende Fragen auf: -
Was steckt hinter dem Begriff der Kultur, welche Wirkimgen gehen von ihr aus und wie lassen sich kulturelle Unterschiede erfassen?
-
Was sind die konstitutiven Merkmale einer kulturiibergreifenden Geschaftsbeziehimg?
-
Welchen Einfluss besitzen Kulturunterschiede auf die partnerspezifische Einstellimg zum Management von Geschaftsbeziehimgen?
-
Zu welchen Konsequenzen konnen kulturelle Unterschiede im Rahmen kulturiibergreifender Geschaftsbeziehimgen fiihren?
Das dritte Ziel der Arbeit liegt in der Analyse deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehimgen als einem konkreten Typus kulturiibergreifender Geschaftsbeziehimgen. Im Rahmen einer explorativen empirischen Untersuchimg deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehimgen sollen Hinweise darauf gewonnen werden, inwieweit das allgemeine Analysemodell relevante Erklanmgsbeitrage ftir den Erfolg und die Qualitat von Geschaftsbeziehimgen mit gravierenden kulturellen Unterschieden liefem kann und somit als Grundlage fiir die Herleitung konkreter Gestaltungsempfehlungen auch im interkulturellen Kontext dienen kann. Im Einzelnen gilt es hierzu folgende Fragestellungen zu klaren:
Nationen oder den USA zu tlbertragen. Vgl. hier als Ausnahmen die qualitative!! Untersuchungen von BjOrkman/Kock (1995) sowie Fang (2001).
8
EinfUhmng
-
Durch welche Besonderheiten zeichnet sich die chinesische Kultur allgemein und im Vergleich zur deutschen Kultur aus?
-
Worin unterscheiden sich erfolgreiche von nicht-erfolgreichen deutsch-chinesischen Geschaftsbeziehungen und welche Aspekte sind ursSchlich ftlr die Qualitat der GeschSftsbeziehungen? Inwieweit sind die gewonnenen Erkenntnissen verallgemeinerungsfahig und lassen Rtickschliisse auf die Ubergeordnete Forschungsfrage zu? Welche kulturspezifischen Gestaltungsempfehlungen konnen fur die zentralen Beziehungsaspekte abgeleitet werden?
-
1.3 Gang der Untersuchung Die genannten Forschungsziele spiegeln sich unmittelbar im Aufbau der Arbeit wider, der sich in drei Hauptabschnitte gliedert (vgl. Abb. 1-1). Im Anschluss an diese Einfiihrung widmet sich der erste Hauptabschnitt (Kapitel 2) zunachst dem allgemeinen Untersuchungsobjekt der Geschaftsbeziehung. Da kulturUbergreifende Geschaftsbeziehungen kein eigenstandiges Phanomen darstellen, sondem lediglich ein spezieller Typus von Geschaftsbeziehungen sind, bieten die existierenden allgemeinen Erkenntnisse zu Geschaftsbeziehungen zwangslaufig den Ausgangspunkt der Betrachtung. Daher wird nach einer begrifflichen Abgrenzung und der Vorstellung unterschiedlicher Typen der allgemeine Stand der relevanten Forschung zu Geschaftsbeziehungen skizziert. Hierauf aufljauend wird ein genereller Bezugsrahmen und ein Modell zur Analyse von Geschaftsbeziehungen entsvickelt, die als Grundlage fiir die weitere Untersuchung dienen. In Anbetracht der bisher nur geringen Auseinandersetzung mit kulturubergreifenden Geschaftsbeziehungen wird ein explorativer Ansatz verfolgt und an dieser Stelle bewusst auf die Formulierung nomologischer Hypothesen verzichtet.^"* Im Mittelpunkt des zweiten Hauptabschnitts (Kapitel 3) der Arbeit steht die Landeskultur als zentraler situativer Rahmenfaktor kulturiibergreifender Geschaftsbeziehungen. Im Anschluss an kulturtheoretische Grundlagen erfolgt eine begriffliche Abgrenzung des speziellen Untersuchungsobjekts der kulturUbergreifenden Geschaftsbeziehung. Anschliefiend wird der Stand der Forschung anhand einer Auswertung von empirischen Studien zu intemationalen bzw. kulturiibergreifenden Geschaftsbeziehungen wiedergegeben. SchlieBlich wird der im zweiten Hauptkapitel entwickelte Bezugsrahmen vor dem Hintergrund einer kulturUbergreifenden Beziehungskonstellation aufgegriffen
und diskutiert. Durch den Ruckgriff auf den
24
Vgl. zur Theoriebildung und Exploration im wissenschaftlichen Forschungsprozess z. B. Bortz/DOring (2002), S. 355 ff. Exploration ISsst sich mit Bortz/DOring (2002), S. 358 allgemein verstehen als „das mehr oder weniger systematische Sammeln von Informationen tiber einen Untersuchungsgegenstand ... (...), das die Formulierung von Hypothesen und Theorien vorbereitet."
Gang der Untersuchung
Abb. 1-1: Gang der Untersuchung allgemeinen Bezugsrahmen zur Analyse von GeschSftsbeziehungen bietet sich die Gelegenheit, in verschiedenen Forschungsbereichen existierende Erkenntnisse der interkulturellen Managementforschung in ein systematisches Gesamtmodell zu integrieren. Der dritte Hauptabschnitt (Kapitel 4) bildet den Kern der vorliegenden Arbeit. Er widmet sich aufbauend auf dem entwickelten Analysemodell sowie der Diskussion der Besonderheiten kulturtibergreifender Geschaftsbeziehungen dem Management von deutsch-chinesischen Geschaftsbeziehungen als einem konkreten Beispiel fUr kulturiibergreifende GeschSftsbeziehungen. In einem ersten Schritt wird ein kurzer Oberblick tiber die chinesische Kultur und Hinweise auf die Unterschiede zur deutschen Kultur gegeben. Im Anschluss wird das allgemeine Analysemodell einer explorativen empirischen PrUfimg auf Basis deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen unterzogen. Als Untersuchungsobjekt dienen 32 vertikale Geschaftsbeziehimgen deutscher Untemehmen zu chinesischen Lieferanten im Textilsektor in Hongkong, die im Rahmen einer persOnlichen Befragung deutscher Manager m Hongkong erhoben v^oirden. Im Rahmen einer bivariaten Analyse v^ird zunSchst geprilft, bei welchen Beziehungsaspekten von einem Zusammenhang zum Erfolg der Geschaftsbeziehungen ausgegangen werden kann. Anschliefiend werden die Beziehungsaspekte in einem multivariaten Untersuchungsschritt faktoranalytisch verdichtet und mittels einer Pfadanalyse auf interne Beziehungen und auf ihren Einfluss auf die Qualitat der Geschaftsbeziehungen hin untersucht. Aufgrund der vergleichsweise homogenen Stichprobe und des explorativen Charakters ist die Verallgemeinerungsfahigkeit der empirischen Beftmde grundsatzlich eingeschrankt. Die
10
Einfiihrung
betrachteten vertikalen Geschaftsbeziehimgen stellen jedoch einen sehr wichtigen Typus deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehimgen dar, an dem bereits zahlreiche wichtige Funktionsprinzipien erkennbar sind. Zugleich lassen sich Implikationen fiir zuktinftige Forschungsbemiihimgen ableiten. Im letzten Schritt der Untersuchung werden die Ergebnisse mit der gebotenen Vorsicht und vomehmlich zu systematisierenden Zwecken herangezogen, um kulturspezifische Gestaltungsempfehlungen fiir das Management deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehimgen zu erarbeiten. Die Arbeit schlieBt mit einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung der zentralen Ergebnisse der Untersuchung.
2 Geschaftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt Gegenstand dieses Kapitels ist eine EinfUhrung in das Phanomen der Geschaftsbeziehimg als dem zentralen Erkenntnisobjekt dieser Arbeit. Im Anschluss an die Darlegung gnindlegender Merkmale von Geschaftsbeziehungen wird das vorliegende Begriffsverstandnis dieser Arbeit prazisiert. Im nachsten Schritt erfolgt eine Einordnung von Geschaftsbeziehungen in das weite Spektrum interorganisationaler Beziehungen. Im Anschluss an eine Skizze des Stands der Forschung wird schlieBlich ein allgemeines Modell zur Analyse von Geschaftsbeziehungen entwickelt.
2.1 Begriffsabgrenzung und konstituierende Merkmale Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Geschaftsbeziehungen und die ihnen zugesprochene Bedeutung fur wirtschaftlichen Erfolg von Untemehmen haben in den letzten 20 Jahren stark zugenommen.' Der Blick in die themenspezifische deutschsprachige Literatur zeigt bei naherer Betrachtung, dass sich (noch) kein gSnzlich einheitliches Begriffsverstandnis etabliert hat. Zum einen hat der Begriff der Geschaftsbeziehung leichte Wandlungen voUzogen und zum anderen wurden je nach Erkenntnisinteresse abweichende Akzentuierungen gesetzt (vgl. Tab. 2-\)} Beschrankt man sich auf die wiederkehrenden Kemelemente der in der Literatur vertretenen Begriffsaufifassungen, so sind Geschaftsbeziehungen gekennzeichnet durch (1) eine Mehrzahl interdependenter, (2) okonomisch motivierter Interaktionen zwischen (3) mehreren Wertschopfungspartnem, (4) die durch eine langerfristige Perspektive einen gewissen Grad der integrativen Zusammenarbeit ermoglichen.^ (1) Mehrzahl interdependenter Interaktionsprozesse Als notwendige Bedingung der Existenz einer Geschaftsbeziehung wird eine Mehrzahl okonomischer Interaktionsprozesse vorausgesetzt. Der Begriff der Interaktion kann grundsatzlich sowohl auf die bestehenden Wechselbeziehungen (zweier oder mehrerer Personen) als auch
Diese Tatsache ist insofemtiberraschend,als es sich um einen elementaren, seit jeher existenten Bestandteil arbeitsteiliger industrieller Wirtschailsprozesse handelt. FOr die unterschiedliche Beachtung von Geschaftsbeziehungen im historischen Verlauf vgl. Sheth/Parvatiyar (1995), S. 401 ff. Plinke (1997), S. 20 macht darauf aufinerksam, dass es sich beim Begriff Geschaftsbeziehung trotz der allgemeinsprachlichen Verbreitung um einen Jheoretischen [Hervorhebung im Original] Begriff... [handelt, der] so definiert werden muss, dass er bestimmten Erklarungszielen dient". Vgl. hierzu insb. die Definition von Diller (1997), S. 573.
Geschflftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkeimtnisobjekt
12
iNrJ Begriffliche Abgrenzung
Quelle
1
„jeden von 6konomischen Zielen zweier Organisationen geleiteten Interaktionsprozess zwischen zwei und mehr Personen ab dem ersten Geschaftsabschluss"
2
„Eine Lieferanten-Kunden-Beziehung lasst sich ... als eine Folge von Transak- Plinke(1989), S. 307 f. tionen ansehen, zwischen denen eine Verbindung existlert."
3
Jangfristig angelegte, von Okonomlschen Zielen geleltete Interaktlonsprozesse und Bindungen zwischen Mitgliedern verschledener Organisationen... die auf eine Folge von Austauschvorgangen gerlchtet sind."
GemUnden (1990), S. 34
4
„von Okonomischen Zielen geleltete Interaktionsprozesse mit personalen Kontakten, langfristigen Geschaftsperspektiven und damit verbunden einer investiven Komponente"
Diller (1994), S.I
5
„Geschaftsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern sind ... nichtan bestimmte restriktive Austauschkonsteilationen gebunden, sondern liegen Austauschprozessen generell zugrunde."
Engelhard / Freiling (1995b). S. 37
6
„Als Geschdftsbeziehung gelten hier alle anbieterseitig von Okonomlschen Zielen geleltete, direkte, Integrative und auf mehrmalige Transaktionen ausgerichtete Interaktionsprozesse zwischen einem GQteranbieter und nachfrager."
Diller (1995), S. 1 5
7
„Unter Geschaftsbeziehungen werden im aligenneinen wechselseltlge Bindungen zwischen Kdufern und Verkaufern auf Unternehmensebene verstanden... Geschaftsbeziehungen basieren ... auf einer Folge von Kontakten, die aus wiederholten Kdufen, langwlerlgen Prozessen vor dem Geschdftsabschluss und/oder extensiven Aktivitaten im Nachfeld des Abschlusses bestehen kOnnen."
Mauritz(1996), S. 107
8
„Geschaftsbeziehungen .. .stellen von Okonomlschen Zielen geleltete, auf mehrmalige Transaktionen ausgerichtete Interaktionsprozesse zwischen zwel Oder mehr WertschOpfungspartnern dar, die zu einer mehr Oder minder starken Integration dieser Partner fohren."
Diller (1997), S. 573
1
9
„Eine Geschaftsbeziehung ist eine Folge von Markttransaktionen zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager, die nicht zufdilig sind. ,Nicht zuf£lllig' heilit entweder, dass es auf der Anbieter- und/oder der Nachfragerseite GrOnde gibt, die eine planmdiiige VerknOpfung zwischen Markttransaktionen sinnvoll Oder notwendig erscheinen lassen oder die de facto zu einer VerknOpfung fQhren."
Plinke(1997). S.23
1
Diller / Kusterer (1988), S. 211f.
10 „Geschdftsbezlehungen umfassen: (1) mehrere geplante und / Oder realisierte Gersch (1998), Austauschprozesse, (2) die fOr zwei oder mehr einander bekannter Akteure in einem sachlichen und (3) in einem zeitlichen Zusammenhang stehen."
11 „Geschdftsbeziehung als Gesamtheit aller zwischen zwei Unternehmen existierenden Kooperationen .... d. h. zwischen zwei Unternehmen besteht immer nur eine GeschSiftsbeziehung, innerhalb derer keine, eine oder aber mehrere verschiedene Kooperationen durchgefOhrt werden kOnnen"
S. 12f.
Werp(1998), S. 26
Tab. 2-1: Exemplarische Abgrenzimgen des BegrifTs der Geschaftsbeziehung in der deutschsprachigen Literatur
1
Begriffsabgrenzung und konstituierende Merkmale
13
auf das aufeinander bezogene Handeln im Sinne von Aktion und Reaktion abzielen.^ Die tibliche definitorische Einschrankimg auf Interaktionsprozesse dient somit letztlich der Vermeidung einer tautologischen Definition der GeschSftsbeziehung. Im Folgenden soil daher der BegrifF der Interaktion explizit auf die aktivitatsbezogene Perspektive eingeschr^nkt werden. Eine Interaktion wird somit als eine „Folge von aufeinander bezogenen und aneinander orientierten verbalen und nicht-verbalen Handlungen (Aktionen)"^ verstanden. Die Existenz einer Interaktion ist somit nicht an den Abschluss einer Transaktion im Sinne eines Geschaftsabschlusses gebunden. Vielmehr kOnnen auch lediglich geplante, aber unrealisierte Austauschprozesse zur Entstehung einer Geschaftsbeziehung flihren.^ Eine erst- bzw. einmalige Interaktion, wie sie z. B. bei Transaktionen auf (anonymen) MSrkten erfolgen, kann lediglich den Ausgangspunkt einer Geschaftsbeziehung bilden. So werden die Erfahrungen wahrend einer ersten Interaktion unter der Voraussetzung der AuflGsung der Anonymitat einen wesentlichen Einfluss auf nachfolgende Interaktionen bzw. Transaktionen und somit die Aufhahme einer Geschaftsbeziehung austiben. Die Interaktionen sind im Rahmen einer Geschaftsbeziehung somit grundsatzlich nicht als isolierte, sequentielle Episoden zu begreifen. Da Geschaftspartner eine Geschaftsbeziehung als Ganzes vor dem Hintergrund der Erfahrung der Vergangenheit sowie der antizipierten Zukunft betrachten, besteht vielmehr eine Interdependenz dieser Einzelepisoden/ Erst durch die Mehrzahl von Interaktionen sind wichtige Erfahrungs- und GrOBeneffekte der Zusammenarbeit realisierbar, entstehen persSnliche Bindungen und erOffnet sich die MOglichkeit einer dynamischen Entwicklung der Geschaftsbeziehung.
(2) Skonomischer Interaktionszweck Die einer Geschaftsbeziehung zu Grunde liegenden Interaktionen sind auf 5konomische Ziele ausgerichtet. Im Vordergrund steht diesbezUglich tiblicherweise ein konkreter und fixierter Austausch von materiellen Giitem oder Dienstleistungen. Daneben konnen - eventuell sogar ausschliefilich - Informationen, Finanzmittel oder lediglich immaterielle Ressourcen etc. betroffen sein. Wahrend der Austausch von materiellen Gtitem in der Regel eine vertikale Leistungsbeziehung impliziert, wird der Austausch von Informationen und immateriellen Ressourcen auch zwischen Partnem auf horizontal angesiedelten Wertschopftmgsstufen erfol-
Vgl. bspw.Duden(2001). Schoch (1969), S. 94. Der Interaktionsbegriff wird tiblicherweise auf die soziale Interaktion zwischen Individuen eingeschrankt. Vgl. Crott (1979), S. 13 ff Vgl. zum Interaktionsbegriff im betriebswirtschaftlichen Schrifttum auch Kern (1990), S. 7 ff. sowie Werp (1998), S. 68 f In ihrer frOhen Definition beschrSnken Diller/Kusterer (1988), S. 211 f eine Geschaftsbeziehung noch explizit auf Interaktionen ab dem ersten Geschaftsabschluss. Allerdings weisen sie darauf hin, dass diese Abgrenzung im Grunde willkUrlich ist. So erscheint es beispielsweise auch gerechtfertigt, bereits bei einer iSngeren und intensiven Interaktion zwischen zwei Untemehmen, die letztlich nicht zu einem Geschaftsabschluss filhrt, von einer Geschaftsbeziehung zu sprechen. Vgl. Gersch (1998), S. 13. Vgl. femer Engelhardt/Freiling (1995b), S. 37 f, die auch eine Einzeltransaktion als grundsatzlich in eine Geschaftsbeziehung eingebettet sehen. Vgl. z. B. Diller (1997), S. 574; Gersch (1998), S. 13 sowie Utikal (2001), S. 12 fif.
14
Geschflftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
gen. Somit wird deutlich, dass Geschaftsbeziehimgen zwar tiberwiegend in der WertschSpfung vertikal zueinander angeordnete Partner verbinden, grundsStzlich aber auch anderweitige Beziehungen betrachtet werden kOnnen bzw. mtlssen.* Gleichzeitig sind Geschaftsbeziehungen aus diesem Gmnd nicht auf Absatzbeziehungen aus Sicht einer fokalen Untemehmung zu begrenzen. Je nach Richtimg des Austausches einer Leistung im Fall vertikaler Geschaftsbeziehungen nimmt ein Partnenmtemehmen die Rolle eines Verkaufers bzw. Lieferanten oder die Rolle eines Kaufers ein. In Abhangigkeit der jeweiligen Position werden abweichende Ziele verfolgt, die aber letztlich beidseitig auf 5konomische Interessen zurtickzufiihren sind.
(3) WertschOpfungspartner als Interaktionssubjekte Geschaftsbeziehungen kGnnen grundsatzlich sowohl zwischen Personen als auch zwischen Untemehmen angesiedelt werden.^ Dire allgemeine Kennzeichnung als WertschSpfungspartner verdeutiicht, dass lediglich Absatzbeziehungen zu Konsumenten (wenn auch zumeist nur implizit) von einer Betrachtung ausgeschlossen werden. Person und Untemehmen stehen jedoch im Rahmen modemer arbeitsteiliger Volkswirtschaften in aller Regel in einer komplementaren Beziehung. Zunachst sind geschaftliche Interaktionsprozesse zwischen Personen zumeist in eine Beziehung zwischen tlbergeordneten Untemehmen eingebunden, wobei die Untemehmensangeherigen eine Funktion als Reprasentant der jeweiligen Partnemntemehmung einnehmen.^° Da okonomische Transaktionen umgekehrt jedoch zugleich stets in soziale Beziehungen eingebettet sind, kann umgekehrt auch den personalen Beziehungen eine Rahmenfunktion zugeschrieben werden." Geschaftsbeziehungen konnen folglich einerseits aus existierenden persQnlichen Kontakten heraus entstehen bzw. begriindet sein, andererseits ftihrt die Skonomisch begrtlndete Notwendigkeit der Interaktion zwischen Mitgliedem verschiedener Untemehmen zur Herausbildung personlicher Kontakte.'^ Der Umfang personli-
Haufig wird der Begriff der Geschaftsbeziehung in Abhangigkeit des Erkenntnisinteresses explizit oder implizit auf Untemehmen in vertikal angeordneten WertschOpfiingsstufen oder zumindest auf die eindeutige RoUenverteilung eines Nachfragers bzw. Anbieters einer Leistung eingeschrankt. Ein Grund hierfilr ist in der vergleichsweise groBen Bedeutung zu sehen, die vertikale Geschaftsbeziehungen in jeder arbeitsteiligen Wirtschaft besitzen. Daneben entstammt die Mehrzahl der Untersuchungen die sich mit dem Erkenntnisobjekt der Geschaftsbeziehung auseinandergesetzt haben, der vorwiegend auf vertikale Beziehungen ausgerichteten betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen des Industriegiiter- bzw. Handelsmarketing. Vgl. z. B. Diller (1996). Daneben lassen sich auch andersartige Institutionen sowie Gruppen nennen (vgl. z. B. Bruhn/Bunge (1996), S. 182 f), die jedoch im Rahmen dieser Arbeit aus der Betrachtung ausgeschlossen werden sollen. Vgl. zum Verhaltnis persOnlicher (Geschafts-)Beziehungen zu Geschaftsbeziehungen zwischen Untemehmen lacobucci/Ostrom (1996), insb. S. 56 ff. Vgl. femer die Unterscheidung personen- bzw. organisationsgebundener Interaktionsansatze bei Backhaus (2003), S. 140 fif. Vgl. hierzu die Defmitionen von Diller/Kusterer (1988), S. 211 sowie Gemtlnden (1990), S. 34, die den Interaktionsprozess explizit zwischen Personen ansiedehi und der Organisationen eine Rahmenftmktion zusprechen. Vgl. Bagozzi (1975), S. 35 f Vgl. femer das Konzept der „social embeddedness" bei Granovetter (1985) und Gulati (1998). Dabei wird hier davon ausgegangen, dass selbst bei Geschaftsbeziehungen, die aber eine informatorische Vernetzung automatisierte Interaktionsprozesse voUziehen, insbesondere bei Auft)au bzw. Veranderung der Geschaftsbeziehung persOnliche Kontakte zugrunde liegen. Vgl. z. B. Cunningham/Tumbull (1982), S. 308.
Begriffsabgrenzung und konstituierende Merkmale
15
cher Beziehungen im Rahmen einer Geschaftsbeziehung zwischen Untemehmen kaim dabei von einer einzelnen persOnlichen Beziehimg (1:1) bin zu einer Vielzahl persOnlicher Beziehungen auf verschiedensten Ebenen einer Untemehmung (n:n) reichen.^^ (4) mehr oder minder starke Integration als Folge der Interaktion Geschaftsbeziehungen stehen im Gegensatz zu anonymen oder einmaligen Transaktionen durch die Mehrzahl zumeist sukzessiver Austauschprozesse unter einer iSngerfristigen Perspektive.^^ Im Entwicklungsverlauf einer GeschSftsbeziehung ergeben sich somit vielfaltige MOglichkeiten zur dynamischen Gestaltung einer GeschSftsbeziehung.'^ Die zunehmende Kenntnis des Partneruntemehmens und Geschaflspartner, insb. beztiglich des Leistungspotenzials und der Ziele der Gegenseite, und ein evolvierendes Vertrauen kSnnen eine Effizienzsteigerung der gemeinsamen Interaktion bewirken. Zudem wird die TStigung spezifischer, auf die einzelne Geschaftsbeziehung zugeschnittener Investitionen in aller Kegel erst durch die angestrebte Langfristigkeit einer Geschaftsbeziehung zur sinnvollen Handlungsaltemative.'^ Je nachdem, wie stark die Partneruntemehmen ihre Zusammenarbeit aufeinander abstimmen und ausrichten sowie spezifische Investitionen tatigen, kann von einer mehr oder minder starken Integration der Partner gesprochen werden.'^ Die Integration des Leistungsabnehmers in den Leistungserstellungsprozess auf Anbieterseite kann iiber die Einbringung vielfaltiger extemer Faktoren erfolgen. Neben der Bereitstellung von Personal, Sachobjekten oder Rechten kann hierzu auch die Weitergabe von Informationen gezahlt werden.'* Es ist unter anderem diesem weiten Spektrum zuzuschreiben, dass ein explizites MindestmaB an Integration als notwendige Bedingung fiir die Existenz einer Geschaftsbeziehung kaum operationalisierbar erscheint.
Vgl. z. B. Cunningham/Tumbull (1982), S. 310. Vgl. z. B. GemOnden (1990), S. 34 sowie Diller (1994). Vgl. femer abweichend Gersch (1998), S. 14 f. Vgl. zu Phasenmodellen u. a. Ford (1980), S. 341 ff.; Dwyer/Schur/Oh (1987), S. 15 ff.; Ring/van de Ven (1994), S. 96 ff. Vgl. zur investiven Perspektive von Geschaftsbeziehungen insb. Plinke (1989). Vgl. zur integrativen Leistungserstellung Engelhardt/Freiling (1995b), S. 38 ff.; Engelhardt/Freiling (1995a) sowie Kleinaltenkamp (1997). Vgl. femer Sheth/Parvatiyar (1995), S. 399, die eine integrative Geschaftsbeziehung wie folgt definieren: „An integrative relationship assumes overlap in the plans and processes of the interacting parties and suggests close economic, emotional and structural bonds among them. It reflects interdependence rather than independence of choice among the parties". Vgl. z. B. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbaumer (1993), S. 401 f; Kleinaltenkamp (1997), S. 350fif. Der Einbezug von Informationen ist nicht unumstritten. Vgl. hierzu auch Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbaumer (1993), S. 402.
16
Geschaftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkeimtnisobjekt
Die aufgezeigten Merkmale einer Geschfiflsbeziehung finden sich auch in einer jtingeren Definition von DiLLER wieder, die somit zunSchst als Referenzpunkt dienen soll.^' GeschSftsbeziehungen lassen sich hiemach verstehen als „von Skonomischen Zielen geleitete, auf mehrmalige Transaktionen ausgerichtete Interaktionsprozesse zwischen zwei oder mehr WertschOpfungspartnem ... , die zu einer mehr oder minder starken Integration dieser Partner fQhren."^° Im Hinblick auf die vorliegende Arbeit soil diese allgemeine begriffliche Abgrenzung geringfUgig prazisiert werden. In Anlehnung an die organisationstheoretische Kooperationsforschung sowie das in der relevanten Literatur vorherrschende Begriffsverstandnis soil eine Geschaftsbeziehung aus interdependenten Interaktionsprozessen
zwischen
Unternehmen
bestehen.^' Personen werden hier dagegen als die primSren TrSger von GeschSftsbeziehungen auf einer individuellen Mikroebene gesehen.^^ Urn die unterschiedliche Betrachtungsebenen zu verdeutlichen, wird im Folgenden bei Verwendung einer untemehmensbezogenen Perspektive von Partnerunternehmen^^ gesprochen, wShrend bei einer personalen Perspektive der Terminus des Geschdftspartners den individuellen TrSger der Geschaftsbeziehung kennzeichnet. Im Hinblick auf eine definitorische Abgrenzung von Untemehmensnetzwerken erfolgt zudem eine EinschrSnkung auf zwei Partneruntemehmen. SchlieBlich verdeutlichen die aufgezeigten SpielrSume des Integrationsgrads, dass es sich bei der Integrativitat weniger um ein konstitutives als um ein deskriptives Merkmal einer Geschaftsbeziehung handelt.
Im Rahmen dieser Arbeit soil eine Geschaftsbeziehung daher definiert werden, als von okonomischen Zielen geleitete, auf mehrmalige Transaktionen ausgerichtete und von Individuen getragene Interaktionsprozesse zwischen zwei Unternehmen.
Die Beitrage von DILLER sind im relevanten deutschsprachigen Forschungsfeld auf die grOBte Resonanz gestoBen. Eine Vielzahl deutschsprachiger BeitrSge bezieht sich im Rahmen der begrififlichen Abgrenzung explizit auf DILLER (vgl. u. a. Backhaus (2003), S. 711; Bruhn/Bunge (1996), S. 177; Werp (1998), S. 26). Femer verweist auch das Stichwort Geschaftsbeziehung im HandwOrterbuch filr Marketing (vgl. Tietz/Kfthler/Zentes (1995)) ausschlieBlich auf zwei Beitrage von DILLER. Neben den Beitragen von DILLER sind vor allem die Publikationen von GemOnden zu nennen, denen ein starkerer empirischer Fokus zugrunde liegt. Vgl. hierzu u. a. Gemtlnden (1990); Gemtinden/Heydebreck (1994) sowie GemtindenAValter (1996). Diller(1997), S. 573. Vgl. zur Unterscheidung von untemehmensbezogenen Geschaftsbeziehungen (Geschaftsbeziehungen im engeren Sinne) und persOnlichen Beziehungen z. B. Plinke (1996), S. 24. Die begriffliche Einschrankung auf Unternehmen bzw. der zusatzliche Einbezug persOnlicher Beziehungen hangt somit letztlich wesentlich vom jeweiligen Gegenstand einer Untersuchung ab. Vgl. abweichend von diesem Begriffsverstandnis z. B. die Systematik von Bruhn/Bunge (1994), S. 54 f, die samtliche Personen und Institutionen im intemen und extemen Umfeld eines Untemehmens als potenzielle Trager einer Geschaftsbeziehung nennen.
Geschilftsbeziehungen im Spektrum interorganisationaler Beziehungen
17
2.2 Geschaftsbeziehungen im Spektrum interorganisationaler Beziehungen Um das fiir die vorliegende Arbeit zentrale Erkenntnisobjekt der Geschaftsbeziehung inhaitlich nSher zu charakterisieren und abzugrenzen, soil es im Folgenden in das Spektrum unterschiedlicher Formen interorganisationaler Beziehungen zwischen Untemehmen eingeordnet werden. Der Begriff der interorganisationalen Beziehung soil hier ausgehend von einem institutionellen Organisationsbegriff als Oberbegriff tiber sSmtliche Formen okonomischer Austauschbeziehungen zwischen Untemehmen verstanden werden.^"* Ein Grund ftir die Vielzahl der im Laufe der wissenschaftlichen Auseinandersetzung identifizierten und diskutierten Typen^^ ist in den zahlreichen klassifikatorischen Ordnimgskriterien mit ihren unterschiedlichen Auspragimgen zu sehen. Formen der interorganisationalen Beziehung lassen sich bspw. hinsichtlich der Richtung des leistungswirtschaftlichen Zusanmienhangs, der Reichweite der Zusammenarbeit, der Bindungsinstrumente, der Bindungsintensitat, der zeitlichen Dauer, der Autonomic oder der Wettbewerbswirkung beschreiben.^^ Da hierbei jedoch hSufig ein unterschiedliches Augenmerk auf einzelne, konstitutive Charakteristika gelegt wird, lassen sich haufig auch unterschiedliche Begriffsverstandnisse einer identisch bezeichneten Form sowie umgekehrt abweichende Begriffe ftir cine identische Form identifizieren.^^ Aufgrund der typologischen Vielfalt kann hier zwangslaufig nur cine Auswahl von Beziehungstypen in ihren Grundziigen skizziert werden. Ein besonderes Augenmerk der Diskussion wird bereits darauf gelegt, welche Bedeutung dem jeweiligen Typus im intemationalen Kontext zufillt.
Die Kennzeichnung als Partneruntemehmen soil dabei nicht als Hinweis darauf verstanden werden, dass die Untemehmen lediglich partnerschaftliche, kooperative Zielsetzungen verfolgen. Geschaftsbeziehungen sind in aller Kegel sowohl durch komplementare als auch durch konfliktionare Zielsetzungen gekennzeichnet. Beziehungen zwischen BehOrden sowieftffentlichenEinrichtungen kOnnen im Rahmen dieser Arbeit von der Betrachtung ausgeschlossen werden. Vgl. zum Begriff allgemein Sydow/Windeler (1999), S. 2. Vgl. dagegen die am Begriff der Geschaftsbeziehung angelehnte Auffassung bei Oliver (1990), S. 241: „IORs (interorganizational relationships) are the relatively enduring transactions, flows and linkages that occur between an organization and one or more organizations in its environment." Auster (1994), S. 17 spricht diesbezUglich von einerttbergeordneten'umbrella defmition'. Neben dem Begriff der Geschaftsbeziehung finden im deutschsprachigen Schrifttum u. a. die Begriffe Allianz, Austauschbeziehung, Franchising, Joint Venture, Koalition, Kooperation, Untemehmensnetzwerk, Vertriebssystem, virtuelle Organisation und Wertschftpfungspartnerschaft Verwendung. Nach Funktion des fokalen Untemehmens und des Partneruntemehmens werden u. a. Hersteller-Lieferanten-Beziehungen, Hersteller-Anwender-Beziehungen, HerstellerHandel-Beziehungen oder Handel-Lieferanten-Beziehungen unterschieden. Vgl.filrmorphologische Darstellungen Pausenberger (1989), S. 626; Sydow (1992), S. 85 oder Gersch (1998), S. 10. Vgl. z. B. Auster (1994), S. 16, die un Rahmen einer umfangreichen Literaturauswertung feststelU: „the literature review indicates that different perspectives tend to use different terms. Although the plethora of terms for the same phenomenon is not a fatal flaw in and of itself, it does make understanding confusing."
18
Geschflftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkeimtnisobjekt
2.2.1
Dyadische Formen interorganisationaler Beziehungen
Zur Systematisienmg unterschiedlicher Formen interorganisationaler Beziehungen wird trotz der Vielfalt von Beschreibungsdimensionen in der Literatur hfiufig vereinfachend von einem Kontinuum ausgegangen, das zwischen den Polen der marktlichen und der hierarchischen Koordination Okonomischer Interaktionsprozesse aufgespannt wird.^* Mflrkte fungieren idealtypisch als eine Plattform ftlr den Austausch exakt spezifizierter Leistungen und Gegenleistungen zwischen gleichberechtigten, unbekannten Marktteilnehmem, so dass der Preis als Koordinationsmechanismus sSmtliche transaktionsrelevante Informationen tlbermittelt.^^ Der Begriff der Hierarchie steht dagegen in diesem Zusammenhang als Synonym fUr die unternehmensinteme Koordination Okonomischer Aktivitaten. Obwohl Weisungsbefugnisse diesbezUglich eine besondere Position einnehmen, ist das Begriffsverst^dnis nicht auf die aufbauorganisatorische Perspektive beschrankt, sondem umschlieBt diverse Koordinationsmechanismen.^° Zwischen diesen idealtypischen Polen lassen sich zahlreiche alternative Formen (dyadischer und multilateraler) interorganisationaler Beziehungen einordnen.^' Die Zwischenformen werden dabei zumeist als hybride Formen gesehen, die in unterschiedlich starkem AusmaB sowohl Elemente der hierarchischen als auch der marktlichen Koordination kombinieren." So streben die intermedifiren Formen in der Regel an, die Spezialisierungs- und Anreizvorteile der marktlichen Koordination mit der durch die hierarchische Koordination erzielbaren Risikoreduzierung zu kombinieren.^^ Bin Beispiel fUr ein derartiges Kontinuum ist in Abb. 2-1 wiedergegebenen, in dem die im Folgenden vorzustellenden wichtigen Grundtypen aufgenonmien wurden.^^ Vgl. z. B. Picot (1982), S. 274; Siebert (1991), S. 293; Sydow (1992), S. 104; Webster (1992), S. 5; Gundlach/Murphy (1993), S. 37; Fontenot/Wilson (1997), S. 7 sowie Day (2000), S.25. Hftufige alternative Darstellungsformen sind Baumstrukturen (u. a. bei Pausenberger (1989), S. 625; Ihrig (1991), S.29; Backhaus/Meyer (1993), S. 332) sowie zweidimensionale Matrixdarstellungen (u. a. bei Williamson (1991), S. 292; RingA^an de Yen (1992), S. 490; Ahlert (1994), S. 13; Frazier/Antia (1995), S. 323; Park (1996), S. 807; Ahlert (1997), S. 146; Kleinaltenkamp (1997), S. 757; Sydow (1999), S. 287; Ahlert (2001), S. 17.) Vgl. Sydow (1992), S. 98. SYDOW (1992), S. 98 nennt bspw. technokratische und personale Koordinationsinstnunente, die die Koordinationsfunktion der Hierarchie untersttltzen und somit ergftnzend wirken. FUr eine Systematik von tiber die klassische Hierarchie hinausgehende Koordinationsinstnunente vgl. BrockhofE/Hauschildt (1993). Auszuschliefien ist hier dagegen im Hinblick auf den Idealtypus der hierarchischen Koordination die Verwendung marktlicher Koordinationsmechanismen wie bspw. interne Verrechnungspreise. Vgl. zu Koordinationsinstrumenten allgemein Kieser/Walgenbach (2003), S. 100 ff. oder Bea/GObel (1999), S. 264 ff. Allerdings hat sich keine gSnzlich einheitliche Systematisienmg durchgesetzt, da sich die Anordnung auf dem Kontinuum teilweise an unterschiedlichen Kriterien orientiert. Vgl. Picot/Reichwald/Wigand (2001), S. 302. Vgl. u. a. Picot (1982); Thorelli (1986), S. 44; BUchs (1991); Siebert (1991); Sydow (1992), S. 100fif.;Ahlert (2001), S. 15 f; Theurl (2001), S. 75 f Vgl. dagegen auch Powell (1990), der relationale Beziehungsformen nicht als intermediare sondem eigenstfindige Formen ansieht, sowie gegenUberstellend Krebs/Rock (1994). Siehe femer Bardzil/Johnston (1997), S. I l l ff. Vgl. Siebert (1991), S. 238 ff. und Theurl (2001), S. 76. Vgl. hierzu insbesondere Webster (1992), S. 5 ff.
Geschftftsbeziehungcn im Spektrum interorganisationaler Beziehungen
19
Abb. 2-1: Geschaftsbeziehungen im Kontinuum zwischen Markt imd Hierarchic Quelle: in entfernter Anlehnung an Webster (1992), S. 5
Die diskrete marktliche Transaktion zwischen zwei anonymen Partnem stellt den theoretischen Ausgangspunkt des Kontinuums der untemehmensUbergreifenden Okonomischen Interaktion dar." Der Austausch von Leistung und Gegenleistung erfolgt hier vollkommen unabhangig von vorherigen oder ziikUnfdgen Transaktionen zwischen den betroffenen Parteien Oder sonstigen Aspekten, die einen Verlust der Anonymitat oder der Diskretheit darstellen.^^ Ausgangspunkt der marktlichen Transaktion ist ein allgemeines unspezifisches Angebot mit einem Minimum an - extern vorgegebenen - Verpflichtungen. PersOnliche Beziehungen spielen keine Rolle, die Konmiimikation verlauft ritualisiert, der Preis stellt die einzig relevante Entscheidungsgrundlage. Existente Interessenkonflikte zwischen den zwei Parteien werden gleichzeitig mit der Abwicklung des isolierten, unmittelbaren Tausches von Leistung und Gegenleistung aufgel5st. Auf zuktlnftige Transaktionen wird folglich keinerlei Rtlcksicht genonmien. Obgleich die diskrete, marktliche Transaktion eine Form ernes Okonomischen und interorganisationalen Interaktionsprozesses darstellt, wird eine relationale" interorganisationale Beziehung und somit auch eine Geschaflsbeziehung definitionsgemaB ausgeschlossen. Sowohl die geforderte Mehrzahl an interdependenten Interaktionen sowie die personalen
Der Markt als Idealtypus des Okonomischen Austausches wurde in besonderem Mafie im Rahmen der vertragstheoretischen Arbeiten von MACNEIL betrachtet. MACNEIL stellt die klassische Vertragsform bei diskreten, marktlichen Transaktionen neoklassischen und relationalen Vertragsformen gegentiber. Vgl. Macneil (1980), (1988) sowie (1991). Vgl. ferner Williamson (1985), S. 68 ff. und Ebers/Gotsch (2001), S. 231 f. Macneil (1980), S. 60 filhrt aus: "Discreteness is the separating of a transaction from all else between the participants at the same time and before and after. Its [pure form], never achieved in life, occurs when there is nothing else between the parties, never has been, and never will be." Vgl. femer Webster (1992), S. 6. Der Begriff der Relationalitat soil im Folgenden als Hinweis auf die Existenz einer Geschaftsbeziehung gesehen werden und im Gegensatz zur Typologie bei Williamson nicht als Ausdruck hierarchischer Koordination gesehen werden. FUr eine ausfilhrliche Gegentlberstellung der Charakteristika diskreter Transaktionen und relationaler Austauschbeziehungen vgl. Dwyer/Oh/Schur (1987), S. 13; Gundlach/Murphy (1993), S. 36; Heide (1994), S. 74fif.sowie Utikal (2001), S. 11.
20
Geschilftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
Kontakte fehlen. Da der Idealtypus der diskreten marktlichen Koordination sehr rigide Anfordemngen stellt, wird er in der Realitat nur selten erreicht: "... in fact most contract behavior occurs in far more intertwined patterns [There are] countless situations where contractual obligations are created within existing obligations and interdependencies of various kinds."^* Einen ersten Schritt auf dem Kontinuum interorganisationaler Beziehungen stellt diesbeztiglich die AuflSsung der AnonymitSt der Marktpartner dar, die gleichzeitig als notwendige Grundlage filr (bewusst) wiederkehrende marktliche Transaktionen dient, Durch den Wegfall der Anonymitat ergeben sich zudem MSglichkeiten, die Transaktion durch den Abschluss von VertrSgen zeitlich zu entkoppeln, indem auch zulainftige Handlungen und Verpflichtungen aufgenommen werden.^' Die verbreitete Neigung, auf bekannte Produkte und Partner zuriickzugreifen, stellt eine wichtige MOglichkeit zur Minimierung der mit einem Austausch verbundenen Transaktionskosten dar. Wird die Austauschbeziehung zudem tiber einen langeren Zeitraum aufrecht gehalten, kann in einem nSchsten Schritt von langfristigen Austauschbeziehungen gesprochen werden. Beide Typen (wiederkehrende Markttransaktionen bzw. langfristige Austauschbeziehungen) sind dabei weiterhin durch eine eher geringe Integrativitat sowie eher kontrSre als komplementSre Zielkonstellationen gekennzeichnet.^^ Dermoch entsteht durch die Folge interdependenter Transaktionen eine erste Form der GeschSftsbeziehung.'*' Im intemationalen Bereich gilt es dabei zu berilcksichtigen, dass die in der Kegel als hOher empfundene Unsicherheit des Auslandsgeschafts die Neigung verstarken wird, nur mit bekannten Partnem und eher langerfHstig zusammen zu arbeiten. Gleichzeitig sind die fiir die gegenseitige AnnSherung notwendigen Anstrengungen grOBer als im nationalen Kontext. In der Wirtschaflspraxis zeigen sich jedoch zahlreiche Formen, bei der eine noch engere untemehmensiibergreifende Abstimmung erfolgt. Beispiele sind eine untemehmensiibergreifende Produktentwicklung zwischen Wettbewerbem oder zwischen Herstellem und Anwendem''^ die enge Abstinmiung des Materialflusses bei Hersteller-Zulieferer-Beziehungen''^ oder die kooperative Zusammenarbeit im Rahmen enger Hersteller-Handelsbeziehungen.^'* Mit dem
Macneil(1991),S. 11. Vgl. Gundlach/Murphy (1993), S. 37 ff. sowie Kaas (1995), S. 23 f. Vgl. Webster (1992), S. 7. Ob wiederkehrende Transaktionen als Geschaflsbeziehungen gesehen werden, hangt im Wesentlichen davon ab, welche Bedeutung man der Integrativitat und der Langfristigkeit der Zusammenarbeit als konstitutive Bedingung einer Geschaftsbeziehung einrftumt. Webster (1992). S. 6 sieht wiederkehrende Transaktionen bspw. aus einer evolutorischen Perspektive eher als Vorlaufer einer Geschaftsbeziehung. Vgl. z. B. Urban/von Hippel (1988). Vgl. z. B. Frazier/Spekman/O'Neil (1988). Ftlr verschiedene Formen der vertikalen Zusammenarbeit von Herstellem und Handel vgl. Ahlert (1982), insb. S. 73 ff. Vgl. femer exemplarisch die empirische Untersuchung von Anderson/Narus (1990).
Geschaftsbeziehungen im Spektrum interorganisationaler Beziehungen
21
Einzug einer derartigen unternehmensubergreifenden Funktionsahstimmung wird eine nSchste Stufe auf dem Kontinuum interorganisationaler Austauschbeziehungen erreicht, auf der zwischen ausgewShlten Untemehmen eher partnerschaftliche Beziehungen eingegangen werden. Die Zusammenarbeit und gegenseitige Abstimmung kann hierbei lediglich stillschweigend erfolgen oder aber auf eine vertragliche Basis gestellt werden/' Mit einer engeren Abstimmung ausgewShlter Funktionen erhoht sich zugleich der Grad der gegen- bzw. einseitigen AbhSngigkeit, wShrend der exteme Marktdruck fUr die Preisbestimmung zumindest teilweise in den Hintergrund tritt. Im Rahmen der nachhaltigen Interaktion gewinnen stattdessen relationale Charakteristika einer Geschaftsbeziehung, wie z. B. gegenseitige AnpassungsmaBnahmen, Verpflichtungen sowie Vertrauen an Bedeutung/^
Drei Formen, die auch im Rahmen der Intemationalisierung der Untemehmenstatigkeit von Bedeutimg sind, soUen hier exemplarisch nSher herausgegriffen werden/' Der erste Typus stellt die Geschaftsbeziehung auf eine vertragliche Grundlage in Form der Vergabe von Lizenzen.^^ Wahrend mit der Lizenzierung insbesondere auf Auslandsmarkten zahlreiche Vorteile zur Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen verbunden sind, konnen ausgehend von der Weitergabe wettbewerbskritischen Know-hows sowie der geringen MOglichkeiten der Beeinflussung des Lizenznehmers auch negative Konsequenzen fur die zugrunde liegende Geschaftsbeziehungen auftreten. Auch bei vertikalen Hersteller-Handelsbeziehungen wird der Vertrieb der Leistungen einer fokalen Untemehmung zumeist auf eine vertragliche Basis gestellt, um die Umsetzung und Sicherung einer individuellen Absatzkanalstrategie sicherzustellen. Grundlage derartiger vertraglicher Vertriebssysteme^^ bilden mehr oder minder umfassende Vertragswerke, wobei die formal festgelegten, gegenseitigen Rechte und Pflichten hierbei zum Teil weit Uber normale KaufvertrSge hinausgehen/° Eine in der Praxis weit verbreitete und auch ftir Intemationalisierungsaktivitaten bedeutsame Variante vertraglicher Vertriebssysteme ist das Franchising, welches sich durch einen hohen Bindungsgrad zwischen den Partneruntemehmen auszeichnet und somit der hierarchischen Koordination bereits relativ
Zu den Gnmdlagen des Vertragsmanagements aus betriebswirtschaftlicher Perspektive vgl. bspw. Ahlert/SchrOder (1989), S. 74 ff. Vgl. Gundlach/Murphy (1993), S. 40 ff. zur Substitution des klassischen Vertragsrechts durch relationale und ethische Verhaltensregeln. Vgl. femer Heide/John (1992). Vgl. zur Intemationalisierung durch verschiedene Formen der Untemehmenskooperation z. B. Perlitz/Seger (2003). Als Lizenz ist allgemein eine gegen Entgeh erteilte Erlaubnis filr die Nutzung des intellektuellen Eigentums des Lizenzgebers durch einen Lizenznehmer zu verstehen. Gegenstand der Lizenzvergabe kann nicht nur rechtlich geschtitztes, sondem auch geheimes Know-how sein. Vgl. z. B. Backhaus/BUschkenA^oeth (2000), S. 138. Zu vertraglichen Vertriebssystemen vgl. Ahlert (1982). Gegenstand vertraglicher Vertriebssysteme ist nach Ahlert (1982), S. 66 eine „planmaBige, auf Dauer angelegte und durch individualvertragliche Vereinbaningen (Bindungen) im Zusammenhang mit Austauschvertrftgen geregelte Zusammenarbeit bzw. Verhaltensabstimmung (Kooperation) zwischen grundsatzlich selbstSndig bleibenden Industrie- und Handelsuntemehmen." Vgl. Ahlert (1982), S. 65 ff.
22
Geschflflsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjelct
nahe steht.^^ Die vertragliche Gestaltung der Beziehung zwischen Franchisegeber und -nehmer ermttglicht jedoch trotz des generell hohen Bindungsgrades im Grundsatz weiterhin vertragliche Spielraume und somit der dem Franchisenehmer verbleibenden Handlungsautonomie." Eine dritte Form der imtemehmenstlbergreifenden
Funktionsabstimmung, sind zwischen
rechtlich und wirtschaftlich selbstfindigen Untemehmen eingegangene Allianzen. Allerdings wird unter kaum einem Begriff eine vergleichbare Vielfalt an Formen interorganisationaler Beziehungen subsumiert. Abgrenzungsprobleme stellen sich u. a. hinsichtlich der Anzahl der betroffenen Untemehmen sowie der betroffenen Wertschttpfungsstufen.
Hinsichtlich der
WertschOpfungsstufe leistet die von BACKHAUS herausgestellte Beschrfinkung auf horizontal ausgerichtete Formen der Zusammenarbeit einen wichtigen Ordnungsbeitrag." Da Untemehmen der gleichen Wertsch6pfungsstufe eine enge Kooperation eher selten auf der operativen Ebene ansiedeln, stehen insbesondere strategische Allianzen im Mittelpunkt des Interesses.^^ Diese dienen dem expliziten Ziel der Erhfthung der WettbewerbsMigkeit"
Anhand der Typen der vertraglichen Vertriebssysteme sowie eingeschrfinkt der Allianzen, die ebenso aus mehr als zwei Untemehmen bestehen kfinnen," wird deutlich, dass die hier im Fokus stehenden dyadischen Beziehungen in der Regel in ein umfangreiches Untemehmensnetzwerk eingebunden sind. Betrachtet man zunachst lediglich die dyadischen Beziehungen, so lassen sich die skizzierten Beziehungsformen zusammenfassend sSmtlich als eine bewusste
Vgl. in der deutschsprachigen Literatur u. a. Ahlert (1981a); Sydow (1993); Posselt (1999), Ahlert (2001) sowie filr einen intemationalen Vergleich Ahlert/Evanschitzky/Wunderlich (2003), S. 568 fif.. Vgl. zu den Zielen der Franchisegeber z. B. Knigge (1995), Sp. 705 und fUr die Perspektive der Franchisenehmer z. B. Peterson/Dant (1990). Vgl. femer gegenttberstellend Ahlert (1981a), S. 93 fif. Zu Konflikten zwischen Franchisegeber und -nehmer vgl. z. B. Frazier (1983b); Frazier/Summers (1986); Gassenheimer/Baucus/Baucus (1996); Spinelli/Birley (1998). Die jeweiligen Konfliktursachen und -intensitaten kOnnen im Laufe der Entwicklung eines Franchisesystems variieren. Vgl. hierzu Ahlert (1996), S. 135 f. Im Vergleich zu anderen vertraglichen Vertriebssystemen mit einer geringeren Bindungsintensitftt sind femer vermehrt latente und weniger manifeste Konflikte zu erwarten. Vgl. Meflfert (1981), S. 109. Vgl. hierzu die angedeutete Bandbreite des Autonomiegrades von Franchisesystemen bei Ahlert (2001), S. 17. Wfthrend der Bindungsgrad das AusmaB beschreibt, in dem Partneruntemehmen ihr Verhalten vertraglich hinsichtlich Umfang, Dauer und Intensittt festlegen, beschreibt der Autonomiegrad die Freiheitsgrade innerhalb des abgestimmten Aktivitatsbereiches. Vgl. zur Abstimmung der Einzelkomponenten von Franchisevertrftgen z. B. Posselt (1999). Vgl. Backhaus/Plinke (1990), S. 23 ff. sowie Backhaus/Meyer (1993), S. 332. Vgl. hiervon abweichend z. B. Harrigan (1987), die Kooperationen jeglicher Richtung als Allianzen klassifiziert oder Heide/John (1990), die lediglich vertikale Kftufer-Verkftufer-Bezichungen unter dem Begriff der Allianz fassen. Vgl. femer Hess (1999), S. 225, der Allianzen von Untemehmensnetzwerken tlber das Kriterium der Befristung sowie der geringeren Anzahl von Untemehmen abgrenzt. Vgl. u.a. Backhaus/Plinke (1990); Backhaus/Meyer (1993); Ihrig (1991); Parkhe (1993); Varadarajan/Cunningham (1995); Spekman et al. (1998); Heck (1999); Hungenberg/WulfiMaack (2002). Als Vorteile werden bspw. der Zugang zu Ressourcen der Partneruntemehmen, ein Transfer von Know-how sowie Kosteneinspamngen und Zeiterspamisse angestrebt. Vgl. z. B. Backhaus/Meyer (1993), S. 331. Daneben steht das Ziel, die Unsicherheit im Umfeld des Untemehmens zu reduzieren. Ftlr eine Cbersicht tlber in der Literatur angefUhrte Ziele vgl. Hungenberg/WulfiMaack (2002), S. 270. Vgl. auch die Definition von Spekman et al. (1998), S. 748. "a strategic alliance is a close, long-term, mutually beneficial agreement ... in which resources, knowledge, and capabilities are shared with the objective of enhancing the competitive position of each partner". Vgl. z. B. Backhaus/Meyer (1993); Ihrig (1991), S. 29; Spekman et al. (1998), S. 748; Hess (1999), S. 225. Eine klare Abgrenzung einer bilateralen Allianz von multilateralen Netzwerken ist hierdurch wie beim Kooperationsbegriff unmftglich.
Geschtlftsbeziehungen im Spektrum interorganisationaler Beziehungen
23
und zielgerichtete Zusammenarbeit von rechtlich und wirtschaftlich nicht voneinander abhSngigen Untemehmen erkennen. Gnmdlage der Zusammenarbeit bilden mehrmalige, interdependente Interaktionen zwischen den bekannten Partnenmtemehmen, so dass die Einordnung als GeschMsbeziehung unmittelbar ersichtlich ist. Im Gegensatz zu den diskutierten reinen Austauschbeziehungen erfolgt jedoch eine erkennbare Funktionsabstimmimg, die auch als Ausdruck einer httheren Integrativitat gesehen werden kann." Mit der Institutionalisierung einer untemehmensUbergreifenden Zusammenarbeit zwischen zwei Untemehmen tiber die GrUndung eines Gemeinschaftsunternehmens
erhOht sich der
Bindungsgrad zwischen zwei Partneruntemehmen merklich. Zur Kennzeichnung von Gemeinschaftsuntemehmen hat sich auch im deutschsprachigen Raum der Terminus des Joint Ventures durchgesetzt." Ein Joint Venture kann als ein institutionalisierter Ausdruck einer Geschaftsbeziehung und einer Untemehmenskooperation zwischen den Ubergeordneten Partneruntemehmen gesehen werden.'^ Obwohl die einseitige Interaktion zwischen einer Partneruntemehmung und dem Joint Venture aufgrund mOglicher Beherrschungspotenziale eine konzeminteme Beziehung darstellt, wird in der Praxis aufgrund der gemeinschaftlichen Besitzverhaltnisse die Interaktion mit dem Joint Venture kaum von der Interaktion mit der Ubergeordneten Partneruntemehmung zu trennen sein. Da mit der GrUndung von Joint Ventures zumeist strategische Ziele verfolgt werden, kOnnen Joint Ventures zudem auch als institutionalisierter Ausdruck einer strategischen Allianz gesehen werden.^° Die gemeinsame Ftlhrung eines Joint Ventures stellt die Partneruntemehmen vor Herausforderungen, die sich sowohl graduell als auch inhaltlich von gewGhnlichen Geschaftsbeziehungen unterscheiden/' Besondere praktische Relevanz besitzen Joint Ventures ftlr die ErschlieBung von AuslandsmSrkten im Rahmen intemationaler Geschaftsbeziehungen.^^ Abstrahiert man von eventuell bestehenden zwingenden nationalen Bestinmiungen, so lasst sich als vorrangiges Ziel die Nutzung der spezifischen Markterfahrungen und bestehenden Potenziale einer lokalen Partneruntemehmung werten. AUerdings zeigt sich - trotz der relativ hohen Bindungsintensitat - dass Internationale Joint Ventures haufig nur eine sehr eingeschrankte Lebensdauer aufweisen.^^
57 58
Vgl. Engelhardt/Freiling (1995b) sowie die Ausfilhnmgen in Kapitei 2.1. Der Begriff Joint Venture ist grundsfttzlich nicht auf ein gemeinsames gesellschaftsrechtliches Engagement einzuschrtoken, sondem kann neben den Gemeinschaitsuntemehmen mit mehrseitiger Kapitalbeteiligung (.equity joint ventures) auch eine rein vertragliche Zusammenarbeit bezcichnen (.contractual joint venture'). Vgl. Friedman (1972), S. 58 f. Im Gegensatz zur reinen Funktionsabstimmung erfolgt hier eine Obertragung von Funktionen auf das Joint Venture. Vgl. hierzu die oben dargelegte Kooperationsdefmition von Rotering (1990), S. 41. Vgl. exempl. Harrigan (1987); Webster (1992), S. 8. Im Hinblick auf die Abgrenzung von lediglich vertragsbasierten strategischen Allianzen werden Joint Ventures hier jedoch als eigenstfindige Form der Zusammenarbeit betrachtet. Zu denken ist diesbezUglich z. B. an Aspekte der strategischen Steuerung und KontroUe, die zu erbringenden Beitrage der Partneruntemehmen sowie die Ergebnisverteilung. Vgl. exempl. Geringer/Hebert (1989). Vgl. u. a. Beamish/Banks (1987); Endres (1987); Kogut/Singh (1988) sowie Backhaus (1997), S. 255 f Vgl. Kogut (1988) sowie den Oberblick Uber Auflftsungsraten intemationaler Joint Ventures bei Hennart/Zeng (2002), S. 699.
24
Geschftftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
Die zuletzt charakterisierten Beziehungstypen der Fimktionsabstimmung bzw. Funktionsausgliederung werden im organisationstheoretischen Schrifttum hSufig unter dem Terminus der Unternehmenskooperation diskutiert.^ Eine Untemehmenskooperation kairn mit ROTERING
verstanden werden als „die auf stillschweigender oder vertraglicher Vereinbaning beruhende Zusammenarbeit zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbststSndigen Untemehmen durch Funktionsabstimmung oder Funktionsausgliedemng und -tibertragung auf einen Kooperationspartner"^^ Die Untemehmenskooperation grenzt sich von marktlichen imd hierarchischen Beziehungstypen durch das Vorliegen einer gnmdsatzlichen Autonomic - letztlich festzumachen an der Moglichkeit des freiwilligen Verzichts auf die Zusammenarbeit - sowie dem gleichzeitigen Bestehen von Interdependenzen ab.^^ AUerdings wird auch der Kooperationsbegriff in der Literatur teilweise unterschiedlich weit gefasst, indem teilweise auf die explizite Forderung einer erkennbaren gegenseitigen Abstimmung verzichtet wird.^' Eine derart weite Fassung fiihrt jedoch dazu, dass der Begriff der Untemehmenskooperation in die N ^ e eines Synonyms zum Begriff der Geschaftsbeziehung riickt und auch rein kompetitiv angelegte Geschaftsbeziehungen als Kooperation gewertet werden.^* Eine Differenzierung ist jedoch sinnvoll, da zum Beispiel im Gegensatz zu langfristigen LiefervertrSgen fiir unspezifische Waren „explizite vertragliche Vereinbarungen ... haufig ungeeignet [sind], alle Aspekte der Zusammenarbeit eindeutig und durchsetzbar einer Regelung zuzufiihren."^' Schliefilich sei darauf hingewiesen, dass auch der Kooperationsbegriff grundsStzlich nicht auf die bilaterale untemehmensuber-
Vgl. hiervon abweichend bspw. Werp (1998, S. 26 f. Er sieht eine Geschaftsbeziehung als die Gesamtheit zwischen Untemehmen existierenden Kooperationen, wobei eine Geschaftsbeziehung auch ohne eine Kooperation bestehen kann. Dabei geht er jedoch von einen Kooperationsverstandnis aus, dass auf einer expliziten Vereinbaning ausgeht, wahrend Geschaftsbeziehungen bereits vor einem Geschaftsabschluss bestehen kOnnen. Rotering (1990), S. 41. Vgl. z. B. Ahlert (2001), S. 15 ff. Beim Idealtypus der diskreten marktlichen Transaktion bestehen keine Interdependenzen und vollstandige Autonomic, bei konzemintemen Beziehungen bieten sich Ubergeordneten Untemehmen vertraglich abgesicherte BeherrschungsmSglichkeiten, die einen Verlust der Autonomic dahingehend darstellt, dass nicht einmal die Freiwilligkeit der Kooperationsbildung vorliegt. Vgl. bspw. Picot/ReichwaldAVigand (2001), S. 304. Vgl. z. B. auch die Definition von BLOHM, die in der deutschsprachigen Literatur weite Beachtung gefiinden hat. Er definiert Kooperation als „auf stillschweigenden oder vertraglichen Vereinbamngen beruhende Zusammenarbeit zwischen rechtlich selbstandig und in den nicht von der Kooperation betroffenen Bereichen auch wirtschaftlich nicht voneinander abhangigen Untemehmungen" (Blohm (1980), Sp. 1112). Erst im Rahmen der anschlieflenden Erlautenmgen leitet Blohm die notwendige Funktionsabstimmung aus den entstehenden Abhangigkeiten ab. Ahnlich bei Bogaschewsky (1995), S. 161 f. Vgl. zum Kooperationsbegriff femer Gerth (1974); BUchs (1991), S. 3. Ein Grund, dass beide Begriffe nur selten eine in direkte Beziehung zu einander gesetzt werden, kann darin gesehen werden, dass der Begriff der Geschaftsbeziehung vomehmlich im Rahmen der Marketingwissenschaft angesiedeh ist, wahrend der Begriff der (Untemehmens-)kooperation starker in den Bereichen der Organisationstheorie und des Technologiemanagement verortet werden kann. Schrader (1993), S. 223. Vgl. auch schon MacNeil (1978), S. 865: „Two common characteristics of long-term contracts are the existence of gaps in their planning and the presence of a range of processes and techniques used by contract planners to create flexibility in lieu of either leaving gaps or trying to plan rigidly."
GescMftsbeziehungen im Spektrum interorganisationaler Beziehungen
25
greifende Zusammenarbeit beschrankt ist, sondem auch multilaterale interorganisationale Beziehimgstypen einschlieBt.^° Diejenige Form der organisationstibergreifenden Zusammenarbeit, die der idealtypischen Koordination Uber die Hierarchie am nSchsten steht, ist in der interorganisationalen Zusammenarbeit zwischen Konzerngesellschaften
zu sehen. Betrachtet man die Auslandsquoten
groBer deutscher Konzeme, die teilweise bereits bei Uber 70% liegen, so wird erkennbar, dass Konzembeziehimgen auch im intemationalen Kontext ein hoher Stellenwert zuf^Ut. Aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive stellen Konzeme eine wirtschaftliche Entscheidungs- und Handlungseinheit aus mehreren Untemehmen unter einheitlicher Leitung'' dar, wobei eine rechtiiche SelbstSndigkeit der einzelnen Konzemuntemehmen im Gegensatz zur wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit bestehen bleibt." Nach THEISEN iSsst sich die wirtschaftliche Einheit gnmdsatzlich durch personelle, institutionelle oder funktionelle Verkntipftmgen herstellen. Im Hinblick auf eine Abgrenzung unterschiedlicher Formen interorganisationaler Beziehungen ist jedoch die BeschrSnkung auf institutionelle Verbindungen in Form von Kapitalbeteiligungen vorzuziehen, da durch die Einbeziehung rein funktionaler VerknUpfimgen auch symbiotische Formen, wie bspw. Untemehmensnetzwerke als Konzemorganisation zu verstehen wSren.^^
Beztiglich der organisationstibergreifenden Zusammenarbeit von Konzemuntemehmen k5nnen Beziehungen zwischen Uber- bzw. untergeordneten Konzemuntemehmen^'* sowie gleichgeordneten Konzemuntemehmen unterschieden werden.^^ Obwohl iibergeordnete Konzemuntemehmen iiber institutionelle Verkntipfungen einen direkten Einfluss auf die Geschaftspolitik nehmen k5nnen, wird zur Koordination insbesondere gleichgeordneter Konzemuntemehmen auch auf marktliche Koordinationselemente tiber Preise zurilckgegriffen.'^ Aufgmnd der Abhangigkeit untergeordneter Konzemuntemehmen ist bei konzemintemen Beziehungen die
Eine im Hinblick auf eine trennscharfe Systematisiemng interorganisationaler Beziehungen denkbare Einschrankung des KooperationsbegrifFs auf bilaterale Formen und somit einer klaren Abgrenzung von multilateralen Untemehmensnetzwerken hat sich nicht durchgesetzt. Da der Begriff der einheitlichen Leitung rechtlich nicht exakt prSzisiert ist, ist seine Operationalisierung allerdings problematisch. Vgl. Theisen (2000), S. 34 f Vgl. Theisen (2000), S. 15 ff. Vgl. Theisen (2000), S. 127 ff. Umgekehrt kann auch eine institutionelle Konzemorganisation als ein interorganisationales Netzwerk betrachtet werden. Vgl. bspw. Bartlett/Ghoshal (1990). Hier wSre bspw. auch die konzeminteme Zusammenarbeit mit den (mit anderen Partneruntemehmen gegrtlndeten) Gemeinschaftsuntemehmen zu nennen. Diese Unterscheidung bezieht sich auf die fllhrungsbezogene Einordnung der Untemehmen und ist somit unabhSngig von der Einordnung beztiglich der WertschOpfungsstufe eines Untemehmens. Obwohl tiber Verrechnungspreise eine Form marktlicher Koordination auch untemehmensintemen Einsatz fmdet, kann bei Konzembeziehungen aufgmnd der vorliegenden Untemehmensgrenzen im Allgemeinen eine stSrkere marktliche Koordination erwartet werden. Zu den Gmndlagen der pretialen Lenkung tiber Verrechnungspreise vgl. z. B. Liermann/ Laux (1997), S. 370 ff.
26
GeschMftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
wirtschaftliche Selbstandigkeit mindestens einer Partnemntemehmimg stark eingeschrankt. Zumindest die Grundsatzentscheidung tiber die Zusammenarbeit ist letztlich nicht autonom festzulegen. Da die Freiwilligkeit der Zusammenarbeit folglich nicht gewShrleistet ist, f^lt die konzeminteme Zusammenarbeit bereits aus dem Spektrum der Untemehmenskooperation. Dagegen erfiillt sie bei nSherer Betrachtimg sSmtliche konstitutiven Anforderungen zur Klassifizierung als GeschSftsbeziehung, da sich zwischen den Konzemuntemehmen interdependente, Qkonomische Interaktionsprozesse vollziehen. Angesichts der gravierenden Unterschiede von Konzembeziehungen zu Geschaftsbeziehungen zwischen unabhSngigen Untemehmen stellt sich jedoch die Frage, ob konzeminteme Beziehungen analog zum Kooperationsbegriff tiber die Aufhahme der konstitutiven Bedingung der wirtschaftlichen Autonomic aus dem Geschaftsbeziehungsspektrum explizit ausgeschlossen werden sollten. 2.2.2
Multilaterale Formen interorganisationaler Beziehungen
Die vorangegangenen Ausfiihrungen haben gezeigt, dass Geschaftsbeziehungen in unterschiedlichsten Varianten vorliegen. Dabei wurde bereits angedeutet, dass einzelne Geschaftsbeziehungen in der Praxis selten isoliert zu betrachten sind, sondem im Kontext eines ubergeordneten Untemehmensnetzwerkes^^ zu sehen sind/* Grundsatzlich lasst sich ein Netzwerk stets tiber die einbezogenen Akteure sowie die Form ihrer Beziehungen bestimmen.^' Beim Untemehmensnetzwerk sind die Akteure eigenstandige Untemehmen, die hinsichtlich ihrer Leistungserstellung keiner maBgeblichen Fremdbestinmiung unterliegen. Es ist jedoch vor allem die Beschaffenheit der erfassten Geschaftsbeziehungen, die entscheidenden Einfluss auf den Netzwerkcharakter besitzen. Ein Untemehmensnetzwerk lasst sich daher mit ANDERSON ET AL. auch beschreiben als „a set of two or more connected business relationships, in which each exchange relation is between business firms that are conceptualized as collective actors"*^ Die Abb. 2-2 verdeutlicht exemplarisch, inwieweit eine im Fokus stehende Geschaftsbeziehung in ein Untemehmensnetzwerk eingebettet ist. Diese fokale Geschaftsbeziehung steht in
Vgl. grundlegend zu Untemehmensnetzwerken u. a. Miles/Snow (1986); (1992); Powell (1990); Nohria/Eccles (1992); Sydow (1992); Jarillo (1993); Grandori/Soda (1995); HSkansson/Snehota (1995) sowie Sydow (1999). Vgl. zur Integration von Geschaftsbeziehungen in den Netzwerkansatz u. a. Anderson/Hakansson/Johanson (1994) und Hakansson/Snehota (1995). Ausgehend von sozialwissenschaftlichen und insb. soziologischen UrsprQngen der Netzwerkforschung wurden zunachst vor allem soziale Beziehungen zwischen Individuen (in Gruppen, Gemeinschaften, Organisationen etc.) betrachtet. Eine anerkannte Definition stammt von Mitchell (1969), S. 2, der ein soziales Netzwerke definiert als „a specific set of linkages among a defmed set of persons, with the additional property that the characteristics of these linkages as a whole may be used to interpret the social behavior of the persons involved". Vgl. zur sozialen Netzwerkforschung grundlegend Wasserman / Faust (1994). Anderson/HSkansson/Johanson (1994), S. 2.
Geschflftsbeziehungen im Spektrum interorganisationaler Beziehungen
27
Abb. 2-2: Fokale Geschaftsbeziehimg als Teil eines Untemehmensnetzwerks Quelle: Darstellung in Anlehnung an Anderson/Hakansson/Johanson (1994), S. 3
einer teilweise direkten, teilweise indirekten Wechselbeziehung mit anderen Geschaftsbeziehungen und somit dem Untemehmensnetzwerk als Ganzem.*^ So kSrinen bspw. im Netzwerk etablierte Verhaltensnormen die Interaktion zwischen den Untemehmen beeinflussen.*^ Umgekehrt koiinen Verandenmgen im Rahmen der fokalen Geschaftsbeziehimg einen wichtigen Einfluss auf das gesamte Untemehmensnetzwerk besitzen.*^ Die in der deutschsprachigen Literatur akzeptierte Begriffsdefinition von S Y D O W geht tiber die soeben angefiihrte allgemein gehaitene Definition hinaus, indem eine erste, wenn auch weit gefasste Charakterisierung netzwerktypischer Beziehimgen erfolgt. Er beschreibt ein Untemehmungsnetzwerk als "eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen zielende Organisationsform ekonomischer Aktivitaten ..., die sich durch komplex-reziproke, eher kooperative,
Vgl. zur 'Connectedness' von Geschaftsbeziehungen bereits Cook/Emerson (1978), S. 725: "Two exchange relations are connected to the degree that exchange in one relation is contingent upon exchange (or nonexchange) in the other relation." Gierl/Bambauer (2002) belegen bspw., dass die informationsbezogene Netzwerkintegritat den Erfolg von Geschaftsbeziehungen der Untemehmen auf vorgelagerten Wertschfipfungsstufen erhOht. Vgl. insb. Halinen/Sahni/Havila(1999), S. 781 ff.
28
Geschaftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbstandigen, wirtschaftlich jedoch zumeist abhangigen Untemehmungen auszeichnet."*^ Die spezifische Organisation von Untemehmensnetzwerken lassen sich anhand einer grofien Anzahl von Dimensionen beschreiben (vgl. Tab. 2.2). Aus der unterschiedlichen Kombination dieser Dimensionen resultiert zugleich eine grofie typologische Vielfalt von Untemehmensnetzwerken." In der Literatur werden bspw. u. a. strategische Netzwerke, regionale Netzwerke*^, Innovationsnetzwerke*^ Zuliefemetzwerke" und Projektnetzwerke'^ und virtuelle Unternehmungen^ diskutiert. Die gr6Bte Aufinerksamkeit im betriebswirtschaftlichen Schrifttum ist dem strategischen Netzwerk entgegengebracht worden.*^' Obwohl ein Untemehmungsnetzwerk aufgrund der den Netzwerkuntemehmungen verbleibenden Autonomie grundsatzlich ein polyzentrisches System darstellt, werden strategische Netzwerke von einer (oder mehreren) fokalen Untemehmung proaktiv unter BerUcksichtigimg markt- und technologiebedingter Gegebenheiten mit dem Ziel der ErschlieBung wettbewerbsrelevanter Potenziale geftihrt.^^ Der Chance der erhShten strategischen FlexibilitSt stehen Risiken gegentiber, die mit zunehmender GrOBe eines Untemehmensnetzwerkes zum Teil Uberproportional zunehmen: der Verlust der eigenen Kemkompetenz, die EinbuBe strategischer Autonomie, die Steigerung der Koordinationskosten, der Verlust der organisationalen Identitat und die hieraus resultierende mangelnde Identifikationswirkung sowie schlieBlich die erschwerte strategische Steuerung.^^
Sydow(1992), S. 79. Sydow (1999), S. 284 f. nennt 25 ihm bekannte Unterscheidungen. Regionale Netzwerke zeichnen sich durch eine rftumliche Konzentration auf bestimmte Regionen aus. Sie sind eher polyzentrisch aufgebaut und umfassen eher gleichberechtigte Untemehmen kleinerer und mittlerer GrOBe. Vgl. z. B. Staber (1996); Sydow (1999), S. 288 f. Vgl. zu innovationsorientierten Netzwerken exempl. Gemtlnden/Heydebreck (1994); Gemtinden/RitterAValter (1996); Semlinger (1998); Gassmann/Fuchs (2001), S. 348 ff. Vgl. bspw. Mtonel (1996). Projektnetzwerke werden nach Beendigung einer gemeinsamen, zeitlich befristeten Aufgabe aufgel5st. Die betroffenen Geschaftsbeziehungen sind lediglich latent vorhanden und werden nur gegebenenfalls filr ein neues Projekt reaktiviert. Vgl. z. B. Sydow (1999), S. 286 ff. sowie Sydow/Windeler (1999). Die virtuelle Untemehmung kann charakterisiert werden als eine flexible und kurzfristig angelegte, selbstorganisatorisch und kooperative Zusammenarbeit mehrerer Untemehmen mit einem einheitlichen Aufienauftritt, die unter einem verstarkten Einsatz modemer Kommunikationstechnologien und Nutzung spezifischer Kemkompetenzen eine konsequente Optimierung der gemeinsamen WertschOpfimg vollziehen. Als Ausgangspunkt der Diskussion kann die Monographie von Davidow/Malone (1992) gesehen werden. Vgl. im deutschsprachigen Raum u. a. Bleicher (1996); Schewe (1997); Scholz (1996), (1997); Klein (1994); BOschken (1999); Meffert (1999a); von Kortzfleisch (1999) sowie Albach/SpechtAVildemann (2000). Zum Begrifif der Virtualitat vgl. Scholz (1996), S. 204. Der flexible, kurzfristige Charakter ermOglicht eine Abgrenzung der virtuellen Untemehmung von herkOmmlichen Untemehmungsnetzwerken, die eher auf stabile Beziehungen ausgerichtet sind. Vgl. z. B. die Unterscheidung bei Bleicher (1996), S. 13. Vgl. auch Winand/Nathusius (1998), S. 31. Vgl. insb. Jarillo (1988), (1993); Sydow (1992). Vgl. femer Steffen (2001). Vgl. Sydow (1992), S. 80 fif. Vgl. Sydow (1999), S. 291.
Geschilftsbeziehungen im Spektrum interorganisationaler Beziehungen
Dimension
Beschreibung / AusprSgungen
Austauschgegenstand
GQter, Dienstleistungen, Personal, Finanzmittel, Informationen, Erwartungen, EinflUsse, Kontrolle
Dichte
Anzahl und Intensitdt mCglicher (oder tatsdchlicher) Interaktionen
Diversitat
Anzahl artverschiedener Untemehmen innerhalb eines Netzwerkes
Funktionsteilung
Anzahl von Untemehmen, die unterschledllche Funktionen wahmehmen
Interdependenz
Gepoolte, sequentlelle Oder rezlproke Abhdnglgkelten im Netzwerk
Kohdsion
Zusammenhalt der Netzwerkuntemehmen
Konnektivitdt 1 Multiplexitdt
29
Relation von direkten zu indirekten Netzwerkbeziehungen Ausmall, indem Netzwerkbeziehungen zum Austausch unterschiedlicher Inhalte genutzt werden kOnnen
Offenheit
HOhe von Elntritts- bzw. Austrittsbarrieren
Redundanz
Anzahl von funktionsSquivalenten Untemehmen und/oder funktionsSquivalenten Netzwerkbeziehungen
Richtung
linear-einseitiger vs. komplex-reziproker Vollzug des Leistungstausches
Sichtbarkeit
Grad, in dem Netzwerkbeziehungen fUr Aulienstehende sichtbar sind
1 Stabilitat Umfang 1 Zentralitat
Grad der Stabilitdt der Netzwerkakteure und -beziehungen Anzahl und/oder Umsatz der dem Netzwerk angehOrigen Untemehmen Anzahl von Untemehmen mit hohem Anteil von Netzwerkbeziehungen
Tab. 2-2: AusgewShlte Beschreibimgsdimensionen von Untemehmungsnetzwerken Quelle: in Anlehnung an Sydow (1992), S. 84 f.
Strategische Netzwerke umfassen in der Regel Untemehmen unterschiedlicher GroBe, wobei die Ftihning mehrheitlich eher grolieren Untemehmen zufallt.^"* Im Fall pyramidalen Produktionsnetzwerken (wie sie z. B. in der Automobilindustrie, aber auch in der im Rahmen der spateren empirischen Untersuchimg betrachteten Textilwirtschaft zu fmden sind), wird die das Netzwerk strategisch ftihrende Untemehmung aufgmnd der zentralen Bedeutung des Kunden zudem in der Regel den konsunmaheren Stufen der Wertschopfungskette, d. h. den Endproduktherstellem oder Handelsuntemehmungen angehoren.^^ Auch mehrstufige vertikale Distributionssysteme werden haufig von einer zentralen fokalen Untemehmung gefOhrt und konnen somit als strategische Netzwerke eingeordnet werden.^^ Besonders deutlich wird dies am Beispiel von Franchisingsystemen.^^
94 95
Vgl. Sydow (1999), S. 287. Vgl. Wildemann (1997), S. 423 ff. Problematisch bei der Einordnung von Distributionssystemen als Untemehmensnetzwerk sind jedoch zum einen der Ausschluss vorgelagerter Fertigungsstufen sowie unterschiedliche Abgrenzungen des Distributions- bzw. Absatzkanals (gUterspezifisch vs. subjektspezifisch). Vgl. hierzu Ahlert (1996), S. 37 f. Vgl. zu u. a. Franchisingnetzwerken Sydow (1993); Ahlert (2001) sowie AhlertAVunderlich (2002).
30
Geschaftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
2.3 Zum Stand der Forschung Wissenschaftlicher Erkeimtnisfortschritt resultiert aus einem iterativen Prozess der Formulierirng von Theorien'*' iind ihrer Konfrontation mit der RealitSt im Rahmen der empirischen PrUfung.'^ Die empirische Forschung erftillt somit die Funktion einer ZwischenkontroUe auf dem Weg zu einer anspruchsvolleren Theorie.^^*^ Im Folgenden soil ein Oberblick iiber den bisherigen Forschungsstand zum allgemeinen Erkenntnisobjekt der Geschaftsbeziehung gegeben werden. Hierzu werden zunachst ausgewShlte theoretische Ansatze skizziert und - aufgrund der besonderen praxeologischen Bedeutung - die Perspektive der Marketingforschung hervorgehoben. AnschlieBend wird der Stand der theoretischen und empirischen Forschung aus einem integrativen Blickwinkel betrachtet. 2.3.1 Ausgewahlte theoretische Betrachtungsperspektiven Theoretische ForschungsansStze stellen ein „Mittel zum Zweck der Gewinnung und Ordnung von Erkenntnissen"'°^ dar. Der Vergleich mit einem Scheinwerfer'^^ verdeutlicht, dass hierbei zwangslaufig einige Aspekte zugunsten der im Zentrum der Analyse stehenden Sachverhalte ausgeblendet werden.^°^ Hieraus folgt zugleich, dass eine Theorie bzw. ein Forschungsansatz nicht als wahr oder unwahr klassifiziert werden kann, sondem anhand der Ergiebigkeit bezuglich des betrachteten Problems zu beurteilen ist.'*^ Geschaftsbeziehungen sind aus einer Vielzahl von theoretischen Perspektiven untersucht worden.'°^ Das gemeinsame Untersuchungsobjekt der Austauschbeziehung bedingt, dass zwischen einzelnen Perspektiven zum Teil In einer allgemeinen Definition lasst sich eine Theorie mit Witte (1974), Sp. 1266 f. als „ein System allgemeuier objektiver Aussagen kognitiven Charakters" verstehen. Vgl. auch Hunt (1983), S. 10. Wissenschaftlich zulSssige Hypothesen beschreiben reale, empirisch tlberprilfbare Sachverhalte, sind allgemeingUltig, liegen zumindest implizit in der Struktur eines Wenn-dann-Satzes vor und sind potenziell falsifizierbar. Vgl. Bortz/DOring (2002), S. 7 f. Gleichwohl ist der Theoriebegrififin der Wirtschaftswissenschafl nicht eindeutig festgelegt. Wolf (2003), S. 2 ff. gibt einen Oberblick tiber acht relevante Theorieaspekte und neun zu stellende Mindestanfordeningen. Im Siime des kritischen Rationalismus gilt eine Theorie als voriaufig bewahrt, wenn die aus ihnen deduktiv abgeleiteten Hypothesen der empirischen PrUfung standhalten. Vgl. Popper (1982), S. 5 ff. Allerdings hat sich der rigide deduktive Anspruch des kritischen Rationalismus in der betriebswirtschaftlichen Forschung nicht durchsetzen kOnnen. Im Rahmen der Prtifung einer Theorie entstehen neue Erkenntnisse, die nach Witte (1977), S. 278 einen „theoriebildenden, heuristischen Impuls" zu geben vermOgen. Zur frtlhen Kontroverse bezUglich des Pluralismus in der betriebswirtschaftlichen Forschung vgl. die Diskussionsbeitrage von Schanz (1975a); Witte/GrUn/Bronner (1975); Schanz (1975b). Vgl. Witte/Gran/Bronner(1975), S. 797. Meffert (1999b), S. 38. Diese bereits von Popper (1982) verwendete Metapher fmdet sich bspw. auch bei Schneider (1987), S. 34; Aufderheide/Backhaus (1995), S. 45 sowie Meffert (1999b), S. 38. Vgl. auch Emerson (1981), S. 3: „the aim of any theoretical perspective is to separate out a few attributes to be examined in purely analytic isolation." Vgl. Meffert (1999b), S. 38. Vgl. auch Schneider (1987), S. 32: „Nur hinsichtlich einer prSzise formulierten Problemstellung kann beurteilt werden, was eine Theorie taugt, ob sie ,wirklichkeitsnah' oder ,wirklichkeitsfem' ist!". Vgl. ferner Witte (1981). Einen Eindruck tlber die Vielfalt der zur Analyse von Geschaftsbeziehungen herangezogenen Theorien und ihre Bedeutung filr das Forschungsfeld interorganisationaler Beziehungen und Untemehmensnetzwerke vermittelt die Metaanalyse von Oliver und Ebers. Im Rahmen ihrer meta-analytischen Literaturauswertung identifizieren sie 17 theoretische Perspektiven. Vgl. Oliver/Ebers (1998), S. 551 ff. Zur dieser Untersuchung vgl. auch die Ausfiihrungen in Kapitel 2.3.2.
Zum Stand der Forschimg
31
offensichtliche Oberschneidungen bestehen und sich bisweilen ein Problem der Abgrenziing ergibt.'°^ Aus dem Spektrum theoretischer Ansatze werden mit der sozialen Austauschtheorie, dem Ressourcen-AbhdngigkeitS'Ansatz
sowie dem Transaktionskostenansatz lediglich drei
Ansfitze skizziert, die eine zentrale Bedeutung ftir die Analyse und Gestaltung von Geschaftsbeziehungen besitzen, eine breite Beachtung im relevanten Schrifttum gefimden haben und im Rahmen der spSteren Argimientation wiederholt explizit und auch implizit aufgegriffen werden.'°' Als Basistheorie der Untersuchung von dyadischen Geschaftsbeziehungen gilt die soziale Austauschtheorie, deren Ursprung in frUhen soziologischen Theorien der Interaktion auf der Ebene von Individuen liegt.^°* Der Zweck eines sozialen Austausches wird stets im Erhalt wertvollen Inputs gesehen.'°^ HOMANS formuliert ein gnmdlegendes Modell der sozialen Interaktion zwischen zwei Interaktionspartnem.'^^ Beide Partner besitzen zw^ei grundsatzliche Handlungsaltemativen: die Interaktion mit dem Partner bzw. den Verzicht auf die Interaktion und die Verfolgung einer altemativen Aktivitat. Die Interaktionspartner bewerten diesbeztiglich ihr soziales Handeln anhand von Kosten-Nutzen-Uberlegungen. Eine Austauschbeziehung wird dabei nur langerfristigen Bestand haben, wenn der Nutzen der Interaktion - verstanden als eine psychische Belohnung fiir beide Parteien - groBer als der entgangene Nutzen einer altemativen Aktivitat ausfallt, auf die zugunsten der Austauschbeziehung verzichtet wurde. Nutzen und Kosten sind hierbei sehr weit zu fassen und besitzen nur selten einen materiellen oder gar quantifizierbaren Charakter."^ Eine empfundene Ungerechtigkeit zwischen den Interaktionspartnem wird femer zu einer Verargerung des benachteiligten Interaktionspartners fiihren und die Beziehung gefahrden.^^^
Diese Grundtiberlegungen der sozialen Austauschtheorie sind bereits fhih auf okonomische Interaktionen und interorganisationale Beziehungen tibertragen worden.^^^ Die Aktivitat eines freiwilligen Austauschs zwischen Partneruntemehmen fmdet folglich analog nur statt, wenn
Vgl. ROssl (1994), S. 51. Vgl. femer Bruhn/Bunge (1994), S. 50 ff. Zur besonderen Bedeutung der genannten Ansatze fUr die Untersuchung von Geschaftsbeziehungen vgl. u. a. Oliver (1990); Sydow (1992), S. 127 ff.; Schrader (1993), S. 236. sowie Oliver/Ebers (1998). FtirfrUheTheorien der sozialen Interaktion vgl. Homans (1958); Thibaut/Kelley (1959) sowie Blau (1964). Vgl. femer Kelleymiibaut (1978) sowie Emerson (1981). Blau (1964), S. 91 definiert soziale Interaktionen als „voluntary actions of individuals that are motivated by the returns they are expected to bring and typically in fact bring from others". Vgl. Homans (1964) sowie Homans (1972), S. 90 ff. Vgl. fUr eine detailliertere Darstellung und Beurteilung z. B. Crott (1979),S.62ff. Vgl. Emerson (1981), S. 3 If. Vgl. Homans (1958), S. 603 f. sowie Homans (1972), S. 99 ff. Vgl. z. B. LevineAVhite (1961); Cook (1977); Dwyer/Schur/Oh (1987); Das/Teng (2002). Filr empirische Studien zu Geschaftsbeziehungen, die auf Kemaussagen der sozialen Austauschtheorie auft)auen, vgl. stellvertretend Anderson/Nams (1984), (1990); Hall6n/Johanson/Seyed-Mohamed (1991) sowie Ping (1994).
32
Geschaftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
der damit verbundene Nutzen die Kosten tibersteigt. Die Beurteilung der Interaktionsbeziehungen erfolgt unter Rtickgriff auf zwei VergleichsmaBstabe. Die gegenwartigen Ergebnisse einer Geschaftsbeziehung werden zum einen im Vergleich zu frUheren Erfahrungen bewertet. Daneben wird jedoch die beste vorhandene Alternative, sei es das Eingehen einer anderen Austauschbeziehung oder der Verzicht auf eine interorganisationale Beziehung, berUcksichtigt.'^^ Da im Rahmen von Geschaftsbeziehungen vertragliche Bindungen nicht sSmtliche Sachverhalte eindeutig und durchsetzbar regebi k6nnen, verbleibt in der Kegel eine Unsicherheit tiber den Austausch. Folglich konimt der sich entwickelnden bzw. bestehenden sozialen Beziehung zwischen den Interaktionspartnem eine besondere Bedeutung zu.^'^ So fiihren aus einer dynamischen Perspektive im Zeitablauf positive Erfahrungen in einer Geschaftsbeziehung zur Herausbildung relationaler Verhaltensnormen, zum Aufbau von Vertrauen, gegenseitiger Verpflichtung und Zufi^iedenheit. Es ist nicht zuletzt diesem Fokus auf die Entstehurig der relationalen Beziehung zwischen den Partneruntemehmen zuzuschreiben, dass die Austauschtheorie Eingang in eine Vielzahl von theoretischen und empirischen Untersuchungen zu Geschaftsbeziehimgen gefimden hat."^
Der Ressourcen-AbMngigkeits-Ansatz^^^ sieht den Aufbau dauerhafter Geschaftsbeziehimgen als eine M5glichkeit von Untemehmen, die durch die Abhangigkeit von extemen Ressourcen ausgehende Unsicherheit zu reduzieren.^'* Die Abhangigkeiten einer fokalen Untemehmung sind imiso grofier, je wichtiger die benotigte Ressource fiir die Untemehmimg ist und je schwieriger die Ressource durch alternative Ressourcen zu substituieren ist.^^^ Ressourcen konnen dabei vielfaltiger Natur sein.'^° Uber den Aufljau von Geschaftsbeziehungen streben Untemehmen folglich nach einem Zugang zu benotigten Ressourcen und letztlich nach einer erhohten Stabilitat.'^^ Allerdings fiihren Geschaftsbeziehungen nicht nur zu einem Abbau extemer Abhangigkeiten. Vielmehr geht mit dem Aufbau von Geschaftsbeziehungen haufig ein Verlust an Autonomic einher, der wiederum zu einer Abhangigkeit von einem Geschafts-
114 115 116
119 120
Vgl. Kelley/Thibaut (1978), S. 8 f. Vgl. Das/Teng (2002), S. 448. Vgl. zur Bedeutung der sozialen Austauschtheorie fUr Geschaftsbeziehungen sowie einen aktuellen Literaturttberblick tiber konzeptionelle und empirische Untersuchungen Lambe/Wittman/Spekman (2001), insb. S. 14 fF. Der Ressourcen-AbhSngigkeits-Ansatz geht wesentlich auf die Arbeiten von Pfeffer, Salancik sowie Aldrich zurttck. Vgl. Pfeffer/Nowak (1976); Pfeffer/Salancik (1978); Aldrich (1979). Der Ressourcen-Abhangigkeits-Ansatz umfasst seinerseits Anleihen aus der sozialen Austauschtheorie und Machttheorien. Vgl. z. B. bereits Emerson (1962). Ftir kompakte Darstellungen des Ressourcen-AbhSngigkeits-Ansatzes im Kontext interorganisationaler Beziehungen vgl. Pfeffer (1987) sowie Sydow (1992), S. 196. Vgl. Sydow( 1992), S. 197. Bspw. kOnnen fmanzielle, legale, physische. Human-, organisational, relationale sowie informationelle Ressourcen unterschieden werden. Vgl. Morgan/Hunt (1999), S. 283 ff. Vgl. Pfeffer/Salancik (1978), S. 144.
Zum Stand der Forschimg
33
partner fHhren kaiin iind das eigene Verhalten innerhalb der Geschaftsbeziehimg beeinflusst.^^^ Dabei konnen zwei Situationen unterschieden werden. Im Fall einer beidseitigen, interdependenten Abhangigkeit, kaiin von einem gemeinsamen Interesse an der FortfUhrung und Pflege der Austauschbeziehung ausgegangen werden. Liegt dagegen eine einseitige oder asymmetrische Abhangigkeit vor, so wird eine Untemehmung danach streben, den eigenen Grad der AbhSngigkeit zu reduzieren bzw. die AbhSngigkeit des Partnemntemehmens zu erh6hen, um letztlich ein symmetrisches Abhangigkeitsniveau zu erreichen.'^^ Die Anpassung des Verhaltens im Rahmen von Geschaftsbeziehimgen aufgrund beziehungsintemer Abhangigkeiten ist somit nicht ohne Beachtung der zwischen den Untemehmen bestehenden Machtverhaltnissen zu erklaren.'^"*
Die Transaktionskostentheorie
untersucht die institutionellen Arrangements'^^ in deren Rah-
men 6konomische Austauschprozesse vollzogen werden.'^^ Untemehmen bilden sich nach Transaktionskostentheorie aus einem EfFizienzkalktil, wenn der mit einer arbeitsteiligen Leistungserstellung einhergehende Koordinationsbedarf im Binnenbereich einer Untemehmung effizienter gedeckt werden kann, als bei der Abwicklung mit anonymen, extemen Partnem tiber den Markt.'^^ Als Entscheidungskriterium dienen die Transaktionskosten, die bei der „Bestinmiung, Ubertragung und Durchsetzung von Verfugimgsrechten fiir einen bestimmten Leistungsaustausch"'^* anfallen und den Koordinationskosten bei untemehmensintemer Ab-
Vgl. bspw. die Untersuchung von Anpassungsreaktionen bei Hall6n/Johanson/Seyed-Mohamed (1991), S. 31 sowie Heide(1994), S. 78ff. Vgl. Sydow (1992), S. 196 f. Vgl. femer die Untersuchung von Heide/John (1988). Die dem RessourcenabhangigkeitsAnsatz zu Grunde liegende Ablehnung extemer Abhangigkeiten - auch von Partnenintemehmen - ermOglicht zudem eine inhaltliche Abgrenzung vom ressourcenbasierten Ansatz der Untemehmensfilhrung (vgl. hierzu bspw. Rasche/Wolfrum (1994)). Dieser sieht den Aufbau von Geschaftsbeziehungen und den Zugang zu strategisch wichtigen Ressourcen des Partneruntemehmens als erstrebenswerte MOglichkeit zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen. Vgl. Morgan/Hunt (1999), S. 282. Vgl. zur Bedeutung von Macht in Geschallsbeziehungen grundlegend Emerson (1962); Cook/Emerson (1978) und Gaski (1984). Vgl. femer exempl. die Studien von Frazier/Summers (1986); Frazier et al. (1989); Gundlach/Cadotte (1994); Johnson etal. (1993). Die Transaktionskostentheorie wird zusammen mit der Property-Rights Theorie sowie dem Prinzipal-Agenten-Ansatz der Neuen Institutionenftkonomie zugerechnet. Als gemeinsame Klammer der Ansatze fungiert der weit gefasste Begriff der Institution, unter dem u. a. Verfilgungsrechte, Vertrage, Hierarchien und Markte subsumiert werden. Vgl. Ebers/Gotsch (2001), S. 199 ff. Als Ausgangspunkt des Transaktionskostenansatzes wird der 1937 von COASE verfiifentlichte Beitrag „The Nature of the Firm" gesehen. Im Vordergrund dieser Untersuchung steht die Frage, warum sich in arbeitsteiligen Wirtschaftssystemen Untemehmen bilden und die marktliche Koordination zwischen unabhangigen Teilnehmem ersetzen. Vgl. Coase (1937), hier S. 388. Im letzten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts wurde dieser Ansatz im Rahmen der Neuen InstitutionenOkonomie von WILLIAMSON aufgegriffen und maBgeblich weiterentwickelt. Vgl. Williamson (1975), (1979), (1985) sowie (1991). Ftlr einen Uberblick vgl. Picot (1982), (1993). Zur Kritik an der Transaktionskostentheorie vgl. u. a. Schneider (1985); Donaldson (1990) sowie Ebers/Gotsch (2001), S. 243 ff. Die explizite BerUcksichtigung von Effizienztiberlegungen grenzt den Transaktionskostenansatz von anderen Theorien interorganisationaler Beziehungen ab. Der Fokus des Ressourcenabhangigkeitsansatz liegt bspw. auf Efifektivitatstiberlegungen. Vgl. Heide (1994), S. 73. Picot (1993), Sp. 4195. Die mit einer Transaktion verbundenen Kosten lassen sich im Einzehien unterscheiden in Anbahnungskosten (fiir die Informationssuche im Vorfeld einer Transaktion), Vereinbarungskosten (fiir die Verhandlung und Einigung), Abwicklungskosten (fiir die Steuerung der arbeitsteiligen Aufgabenerfiillung), Kontrollkosten (fiir
34
Geschtlftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
wicklung gegentlberzustellen sind. Als wichtigste EinflussgrOBen auf die Transaktionskosten werden die Spezifitftt'^' einer Transaktion, ihre VerSnderlichkeit sowie die Transaktionshaufigkeit gesehen. In Verbindung mit den gnmdlegenden Pramissen begrenzter Rationalitat, Opportunismus sowie individueller Gewinnmaximierung der handelnden Wirtschaftssubjekte fOhren unterschiedlich hohe Transaktionskosten zur Vorteilhaftigkeit verschiedener institutionellen Formen der Koordination. So ist beispielsweise bei hohen spezifischen Investitionen und einer hohen Unsicherheit tendenziell eine untemehmensinteme Koordination der marktlichen Transaktion vorziiziehen.^^° Vereinfachend wurden im Rahmen der Transaktionskostentheorie zunSchst mit dem Markt als Plattfonn anonymer Austauschprozesse sowie der Hierarchie als Form der intemen Koordination von Leistungsprozessen im Untemehmen die zwei Endpunkte des Kontinuums der Koordination von Austauschprozessen konzeptionalisiert und erst spater explizit durch hybride Zwischenformen erganzt.'^' Es ist dieser Integration hybrider Formen zuzuschreiben, dass die Transaktionskostentheorie und ihre zentralen Konstrukte breite Rezeption im Rahmen von Studien zu Geschaftsbeziehungen und der Kooperationsforschung gefunden hat.'" Der besondere Erklarungsgehalt ftlr das Phanomen der Geschaftsbeziehung zeigt sich dabei - u. a. aufgrund der Operationalisierungsschwierigkeiten des Effizienzkriteriums der Transaktionskosten'" - haufig erst in Kombination mit anderen Theorien"^ wie bspw. dem Ressourcenabhangigkeitsansatz oder der relationalen Austauschtheorie.'" Die diversen theoretischen Betrachtungsperspektiven von Geschaftsbeziehungen sind von verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Teildisziplinen aufgegriffen und je nach Er-
die CberprQfung der Einhaltung der Vereinbarung) sowie eventuelle Anpassungskosten (ftlr nachtrSgliche Anderungen der Transaktionsvereinbarung). Vgl. Picot (1993), Sp. 4195 f. Eine im Mittelpunkt einer Transaktion stehende Leistung ist umso spezifischer, je „gr5Ber der Wertverlust ist, der eintritt, wenn ein ... [Transaktionsobjekt] nicht im Rahmen der beabsichtigten Transaktion, sondem seiner n^lchstbesten Verwendung eingesetzt wird" (Picot 1993, Sp. 4198). Die Transaktionshftufigkeit nimmt bezUglich der situativen Faktoren eine untergeordnete Position ein, da sie die Wahl eines institutionellen Arrangements nur in Verbindung mit anderen situativen Faktoren erklMren vermag. Vgl. Williamson (1985), S. 72 ff. sowie Ebers/Gotsch (2001), S. 230. Allerdings kann aufgrund der geringeren zu erwartenden Degression der Transaktionskosten von einer schnelleren Amortisation der mit dem Aufbau hierarchischer oder enger kooperativer Geschaftsbeziehungen verbundenen Investitionen ausgegangen werden. Vgl. bspw. Picot/Reichwald/Wigand. (2001), S. 53. Zur Diskussion hybrider Formen vgl. insb. Williamson (1991). Vgl. femer die AusfUhrungen zum Kontinuum zwischen Markt und Hierarchie in Kapitel 2.2 Vgl. z. B. Beamish/Banks (1987); BQchs (1991); Bogaschewsky (1995); Park (1996). Vgl. femer exempl. die empirischen Studien von Dwyer/Oh (1988); Heide/John (1988); Hennart (1988); Klein/Frazier/Roth (1990); Noordewier/John/Nevin (1990); Pilling/Crosby/Jackson (1994); Heide/Stump (1995); Backhaus/Btischken (1999); Dahlstrom/Nygaard (1999). Vgl. z. B. Ebers/Gotsch (2001), S. 247. Vgl. hierzu auch die Ergebnisse der Meta-Analyse von Oliver/Ebers (1998), S. 557 f. zur hohen sog. .Betweenness Centrality' der Transaktionskostentheorie, die auf die Fahigkeit zur Verkntlpftmg verschiedener Theorien abzielt. Vgl. exempl. die Untersuchungen von Heide/John (1988), (1992); Heide (1994); Haugland (1999).
Zum Stand der Forschung
35
kenntnisinteresse unterschiedlich akzentuiert worden.^^* Neben der Organisationsforschung hat vor allem die Marketingforschung einen beachtlichen Beitrag zur theoretischen und empirischen Erforschung von Geschaftsbeziehungen geleistet. So wurde die Gestaltung von Austauschbeziehungen schon frOh als das Kemkonzept des Marketing herausgestellt.^^^ Vor dem Hintergrund eines erhOhten Wettbewerbsdrucks hat das Management von Kunden- und Lieferantenbeziehungen erheblich an Aufinerksamkeit gewonnen. Mancherorts wurde diesbezUglich sogar ein Paradigmenwechsel der Marketingwissenschaft gesehen,'^* und ein grundsatzlicher Obergang
von
Beziehungsmarketing
einem
kurzfristigen
und
einseitigen
Transaktionsmarketing
zum
gefordert.^^^ WShrend hierbei ursprtlnglich eine Einschrankung auf
Kundenbeziehungen erfolgte^^°, hat sich das in diesem Zusammenhang betrachtete Spektrum auf vieMtige, sogar nicht ausschlieBlich vertikale Geschaftsbeziehungen erweitert.'^^ Eine zweckmaBige Abgrenzung bezieht das Beziehungsmarketing dagegen auf Beziehungen zwischen vertikalen Marktpartnem und ordnet es dem Konzept des Beziehungsmanagements unter, welches neben vertikalen Geschaftsbeziehungen auch Beziehungen zu Drittinstitutionen und Wettbewerbem bertlcksichtigt.^^^ Beziehungsmanagement lasst sich somit allgemein verstehen als die „aufeinander abgestimmte Gesamtheit der Grundsatze, Leitbilder und Einzelmafinahmen zur langfristig zielgerichteten Selektion, Anbahnung, Steuerung und Kontrolle von Geschaftsbeziehungen"'^^
Vgl. fill einen Oberblick im Hinblick auf Untemehmensnetzwerke z. B. Sydow (1999), S. 303fif.sowie die dort aufgefllhrte Literatur. Vgl. Bagozzi (1975); Hunt (1983), S. 9 sowie die Cbersicht bei Bruhn/Bunge (1994), S. 49. Bereits die Definition der American Marketing Association (AMA) Ifisst durch die Betonung der Austauschperspektive einen deutlichen Bezug zum dargelegten Begriffsverstfindnis der Geschaftsbeziehung erkennen: „Marketing is the process of planning and executing the conception, pricing, promotion, and distribution of ideas, goods, and services to create exchanges that satisfy individual and organizational objectives." (Bennet (1995), S. 166). Vgl. filr unterschiedliche MarketingbegrifiFe im ZeitablaufMefrert(1995), Sp. 1474. Vgl. z. B. Webster (1992); GrOnroos (1994); Sheth/Parvatiyar (1995) sowie Gummesson (1997). Ftlr eine tabellarische GegenUberstellung der Konzepte des Beziehungsmarketing sowie des Transaktionsmarketing vgl. bspw. Hennig-Thurau/Hansen (2000), S. 5. Die EinfUhrung des korrespondierenden englischsprachigen BegrifFdes .relationship marketing' wtrd allgemein Berry (1983) zugeschrieben. Ftlr Zusammenstellungen englischsprachiger Definitionen vgl. GrOnroos (1997), FuBnote 111; Mattsson (1997), S. 38 f sowieMorris/Brunyee/Page (1999), S. 360. Berry (1983), S. 25 sieht bspw. Relationship Marketing als „strategy to attract, maintain and enhance customer relationships". Vgl. z. B. die Definition von GrOnroos (1997), S. 327. Die haufig resultierende synonyme Verwendung der BegrifiFe Relationship Marketing, Beziehungsmanagement sowie Beziehungsmarketing erfolgt aufgrund der Tatsache, dass auf dieselben Kemaussagen und Basiskonzepte zurUckgegrififen wird. Vgl. Bruhn/Bunge (1996), S. 190. Beziehungsmarketing und Beziehungsmanagement gehen somit ttber das Kundenmanagement - verstanden als Management der Beziehungen zu Geschailspartnem auf nachgelagerten WertschOpfimgsstufen - hinaus. Vgl. Diller (1994), S. 6 sowie Diller/Kusterer (1988), S. 212. Vgl. zur Abgrenzung von Relationship Management, Relationship Marketing sowie dem auf Kundenbeziehungen ausgerichteten und starker profitabilitatsfokussierten Customer Relationship Management auch Ahlert/Hesse (2002), S. 4 ff. Diller (1994), S. 6.
36
Geschflftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
Da hierbei auf umfangreiche Vorleistungen der Marketingwissenschaft zurUckgegriffen werden kanii, vollzieht das Konzept des Beziehungsmarketing eine Integration diverser Modelle iind Theorien zur Analyse von Geschaftsbeziehungen.'^ Befiirworter betonen vier einhergehende Modifikationen des Marketingkonzeptes:'^^ Zimachst wird eine interaktionsbezogene Perspektive vertreten, die nicht nur eine einseitige Beeinflussbarkeit unterstellt, sondem die Interaktion der Marktteilnehmer explizit als ein Wechselspiel begreift. Aus einer dynamischen Perspektive wird nicht mehr eine einzelne, episodenhafte Transaktion betrachtet, sondem eine ganzheitliche Analyse mehrerer Interaktionen verfolgt. Femer wird die Annahme der Anonymitat der Beziehimgspartner aufgehoben, indem neben sachlichen Aspekten der Interaktion auch die personliche, beziehungsspeziflsche Ebene betrachtet wird. Die angesprochene Beriicksichtigung mehrerer interdependenter Interaktionen in Verbindung mit dem Wegfall der Anonymitat durch den Aufbau einer pers6nlichen Ebene fiihrt dazu, dass schlieBlich mit dem Beziehimgsmanagement eine investive Perspektive vertreten wird.
Obwohl die Einstufung als grundsatzlicher Paradigmenwechsel kritisch zu sehen ist,'"*^ ist kaum zu bestreiten, dass der Ansatz des Beziehungsmarketing einen nachhaltigen Einfluss auf die modeme Untemehmensftihrung ausUbt. Das gezielte Management von Geschaftsbeziehungen findet sich somit auch in zahheichen Teilbereichen der Marketingwissenschaft wieder. So betrachtet bspw. das vertikale Marketing^"*^ die Geschaftsbeziehungen in mehrstufigen Wertschepftmgsketten und bezweckt eine „tiber alle Distributionsstufen hinweg koordinierte Steuerung und Regelung marktgerichteter Untemehmensaktivitaten"'"** Das Investitionsgiitermarketing sieht Geschaftsbeziehungen als Instrument zur Vermarktung von Giitem und Dienstleistungen, die investiv von (unmittelbaren oder nachgelagerten) organisationalen Abnehmem eingesetzt werden.^^^ Enge Geschaftsbeziehungen bilden hier in der Praxis eher die Kegel denn die Ausnahme, da die Vorteile enger, langfristiger Geschaftsbeziehungen etwaige
Neben marketingspezifischen Konzepten sind diesbezttglich auch allgemeine theoretische Bezugspunkte u. a. der Organisationstheorie und Soziologie zu nennen. Vgl. Bruhn/Bunge (1996), S. 177 ff. sowie Hennig-Thurau/Hansen (1999), S. 4 f. Vgl. hier und im Folgenden Diller/Kusterer (1988), S. 211. Vgl. bspw. Backhaus (1997); Bruhn/Bunge (1996), S. 185; Meffert (1999c), S. 20 f. sowie Ahlert/Hesse (2002), S. 9. So wird bspw. tlbersehen, dass langfristige Beziehungen nicht filr den Absatz sflmtlicher Gtlter und Dienstleistungen - insbesondere im Konsumgtlterbereich - vorteilhaft sein mttssen. Vgl. Meffert (1999b), S. 55. Vgl. z.B.Ahlert (1997). Meffert (1975), S. 15. Als Akteure treten neben Herstellem auch diverse Handelsstufen in den Vordergrund. Vgl. fiir eine Systematik der Distributionstrager Ahlert (1993), Sp. 794. Vgl. zum aktuellen Stand der Forschung z. B. Frazier (1999). Zur vertraglichen Institutionalisierung der Zusammenarbeit vgl. bspw. umfassend Ahlert (1981b), zur Existenz von Macht, Kontrolle und Konflikten vgl. z. B. Steffenhagen (1975); Frazier (1983a); Gaski (1984). Auch der Verkauf von Investitionsgtttem an zwischengeschaltete Handelsorganisationen MM somit in den Bereich des Investitionsgtttermarketing. Vgl. Engelhardt/Gtinter (1981), S. 24. Diese verwendungs- bzw. nachfragerbezogene Abgrenzung hat sich gegenUber anbieter- oder produktbezogenen Unterscheidungsversuchen bewahrt. Vgl. Engelhardt (1995), Sp. 1056. Die Ahnlichkeit der Beziehungsstrukturen zwischen Investitionsgtltermarkten sowie vertikalen Handelsstrukturen wird durch das Konzept des Business-to-Business-Marketing erfasst, welches in einer Negativabgrenzung
Zum Stand der Forschung
37
Nachteile wie eine grSBere Abhangigkeit hSufig mehr als ausgleichen.^^° Das Beschaffungsmarketing betrachtet schliefilich aus einer Kundenperspektive diejenigen Geschaftsbeziehungen, die der Versorgung des Leistimgserstellungsprozesses mit Einsatzfaktoren dienen.^^' Auch hier wird hinsichtlich der Anzahl von Lieferantenbeziehungen ein Trend zur Konzentration auf wenige, ausgewahlte Lieferanten konstatiert, zu denen enge, kooperative Geschaftsbeziehungen aufgebaut werden.'" Im Ergebnis unterscheiden sich die Perspektiven der genannten Marketingfelder somit hSufig lediglich durch die Funktion iind Position der fokalen Untemehmimg und liefem zusammengenommen wichtige Erkenntnisse flir das Verstandnis von Geschaftsbeziehungen.'"
Von besonderer Bedeutung sind diesbeztiglich die durch die Marketingforschung entwickelten Interaktionsansatze. Diese Studien betrachten einen organisationalen Austauschprozess nicht nur isoliert aus einer Perspektive und beschranken das Schwergewicht der Aussagen nicht nur auf ein Partneruntemehmen.^^'* Stattdessen analysieren sie „die Beteiligten in ihrem sozialen Gruppengeftige [... und berilcksichtigen] die Abhangigkeitsbeziehungen zwischen den Marktparteien durch relationale Faktoren".^^^ Als bekanntester Ansatz gih diesbeztiglich das Konzept der sog. ,Industrial Marketing and Purchasing Group'^^^. Das bereits fhih entwickelte
den persOnlichen Konsum als Ausschlusskriterium verwendet. Vgl. Kleinaltenkamp (1994), S. 77. Vgl. auch den Sammelband von Kleinaltenkamp/Plinke (2002). Im Idealfall kaiin der Anbieter dauerhafte Umsfttze bei geringen Transaktionskosten generieren, wShrend die KSufer Erfahmngen mit den Produkten des Verkaufers aufbauen und durch die bessere Information und ein evolvierendes Vertrauen ebenfalls Transaktionskosten sparen kOnnen. Vgl. Kleinaltenkamp (1994), S. 84. Vgl. Koppehnann (1995), Sp. 211. Das im Blickpunkt stehende organisationale KaufVerhalten steUt ein traditionsreiches Forschungsfeld dar. Vgl. Backhaus/BUschken (1995). Ftlr einen Uberblick fiber ausgewahlte Totahnodelle des Beschaffimgsverhaltens vgl. Backhaus (2003) S. 122 ff., filr einen aktuellen Literaturttberblick vgl. Johnston/Lewin (1996) und Sheth (1996). Die Einbettimg in den Kontext existierender Geschaftsbeziehungen geh5rt zu den spateren konzeptionellen Erweiterungen. Vgl. Johnston/Lewin (1996), S. 5. Zur Integration von Erkenntnissen zum organisationalen Beschaffungsverhalten und dem Beziehungsmarketing siehe femer Tanner (1999). Das in vielen Bereichen abgelOste konkurrenzorientierte Beschaiiungsmodell sah dagegen eine grOBere Anzahl von Zulieferem vor, von denen ein relativ ausgeglichenes Beschafiungsvolumen auf Basis eher kurzfristiger Vertragsabschltlsse bezogen wurde, um die Zulieferer im Hinblick auf Preiszugestandnisse, Qualitat, Lieferzeiten und Liefersicherheit gegeneinander ausspielen zu kOnnen. Vgl, Spekman (1988), S. 76. Im KonsumgUterbereich wird dagegen dem Ansatz des Beziehungsmarketing eine geringer Bedeutung zugesprochen, da wesentliche situative Rahmenbedingungen wie hohe Wechselkosten, ein langfristiger Planungshorizont und eine hohe Unsicherheit in der Kegel nicht vorliegen. Vgl. MefFert (1999b), S. 55. Der KonsumgUterbereich wird aufgrund der speziellen Produktcharakteristika und dem spezifischen Kaufverhalten nach wie vor in starkem MaBe durch einen transaktionsorientiertem Marketingansatz beeinflusst, obwohl beziehungsorientierte Marketingziele wie z. B. eine hohe Kundenbindung auch hier zunehmend verfolgt werden. Vgl. zur Kundenbindung Diller (1996) sowie Bruhn/Homburg (2003); die Sammeh-ezension von Krafift (1999). Zur Systematisierung von Interaktionsansatzen spannt Kern (1990), S. 17 ff. eine 4-Feld Matrix Uber die Kombination der Kriterien ,Art der Beteiligten' (Person bzw. Organisation) sowie ,Zahl der Beteiligten' (2 oder mehr als 2). Backhaus (2003), S. 140. Vgl. zum Interaktionsansatz im Investitionsgtitermarketing Kern (1990). Seit ihrer Grilndung im Jahre 1976 hat sich diese Vereinigungtiberwiegendeuropaischer Wissenschaftler stetig erweitert und die theoretische und empirische Auseinandersetzung zunachst mit dyadischen Geschaftsbeziehungen und spater zunehmend mit multiorganisationalen Netzwerken mafigeblich beeinflusst. Vgl. zu den Ergebnissen der IMP-Gruppe insbesondere HSkansson (1982); TumbulWalla (1986); HSkansson/Snehota (1995) sowie Tumbull/Ford/Cunningham (1996).
Geschilftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
38
grundlegende Interaktionsmodell der IMP-Gruppe integriert vier zentrale Komponenten (vgl. Abb. 2-3).'^'
Atmosphere der Geschflftsbeziehung Macht/Abhdngigkeit - Konflikt - Kooperation - Erwartungen - Soziale Distanz
^Nachfrager^ i
rf
N/
Interaktionsprozesse f Austauschepisoden langfristige Prozesse
Organisation: - Struktur - Strategie - Technologie - Ressourcen individuum - Ziele - Einstellungen ^ Erfahrungen
Interaktionspartner Markt-Struktur - Markt-Dynamik - Internationalisierungsgrad - soziale Umwelt
Umwelt der Geschflftsbeziehung Abb. 2-3: Das grundlegende Interaktionsmodell der IMP-Gruppe Quelle: Turnbull/ Valla (1986), S. 5
ZunSchst erfasst das Modell die Charakteristika der Interaktionspartner, wobei mit der Organisation und den Personen zwei Ebenen unterschieden werden. Die Ebene der Organisation wird Uber die Struktur, Strategie, Ressourcen sowie Technologien des Partneruntemehmens charakterisiert, die Ebene der Individuen hinsichtlich ihrer jeweiligen Ziele, Einstellungen und Erfahrungen. Zwischen diesen Interaktionspartnem voUziehen sich
Interaktionsprozesse,
bestehend aus unterschiedlichen, aber voneinander abhSngigen Episoden des Austauschs von Gtitem, Informationen und finanziellen Mitteln sowie sozialer Interaktionen. Ober die Interdependenz und Langfristigkeit der Austauschbeziehungen bildet sich eine Beziehungsatmosphare^^\ die Uber die Konstrukte AbhSngigkeit und Macht, Konflikt bzw. Kooperation, gegenseitige Erwartungen sowie Soziale Distanz beschrieben wird und umgekehrt die eingebetteten Austauschepisoden beeinflussen.'" SchlieBlich wird die tibergeordnete Beziehungs-
Vgl. Hfikansson (1982), S. 10 ff. Vgl. Hall6n/Sandstrom (1991). Vgl. zum Verhaltnis dertibergeordnetenGeschaftsbeziehung und der einzelnen Austauschepisoden z. B. Ford (1980), S. 341.
Zum Stand der Forschung
39
umwelt erfasst, wobei insbesondere die relevanten Markt- und Branchenbeschaffenheiten, aber auch gesellschaftliche Aspekte genannt werden. W ^ e n d zwischen den einzelnen Interaktionsprozessen und der Beziehungsatmosph^e eine Wechselbeziehimg besteht, geht von der Umwelt ein imidirektionaler Einfluss auf die Geschaftsbeziehung aus. Ein derartiger Einfluss des situativen Kontextes auf organisatorische Regelungen besitzt in der organisationstheoretischen Forschung eine vergleichsweise groBe Tradition.^^° Durch die Einbindung der Umwelt Ubertragt der IMP-Interaktionsansatz somit die Grundaussage des situativen Ansatzes, dass Managementhandeln und organisatorische Regelungen stets abhSngig von ihrem situativen Kontext sind, auf das PhSnomen einer interorganisationalen Austauschbeziehung. 2.3.2
Das Forschungsfeld aus einer integrativen Perspektive
Skizziert man den historischen Forschungsverlauf in groben Ztigen, so kann der Ausgangspunkt einer nachhaltigen Auseinandersetzung mit untemehmensUbergreifenden Beziehungen in der betriebswirtschaftlichen Forschung in den frUhen 1970er Jahren verortet werden. Im Zentrum frUher BeitrSge standen zunSchst die Bestimmung des Kooperationsbegriffs sowie die Beschreibung altemativer Kooperationsformen.'^' In den 70er Jahren liegt der Forschungsschwerpunkt sowohl von marketingorientierten als auch organisationstheoretischen Untersuchungen auf den Aspekten der AbhSngigkeit und des Konflikts zwischen Partneruntemehmen (tiberwiegend) im Absatzkanal.^" Im Verlauf der 80er Jahre gewann das Forschungsfeld rasch an Bedeutung. Das Spektrum identifizierter Kooperationsformen weitete sich, die Modelle wurden zunehmend verfeinert und durch neue bzw. differenziertere Beziehungsaspekte erganzt. Mit dem Einzug sog. Interaktionsansatze wurden auch Austauschprozesse im IndustriegUtermarketing zunehmend im Kontext der tibergeordneten Geschaftsbeziehung gesehen. Neben theoretische Beitrage und Fallstudien traten in zunehmendem MaBe auch groBzahlige empirische Untersuchungen. In den 90er Jahren wurde die dominierende dyadische Perspektive durch eine muhilaterale Netzwerkperspektive erganzt und teilweise abgelOst. Im Hinblick auf die Untersuchung von dyadischen Geschaftsbeziehungen wendete sich das Forschungsfeld verstarkt spezielleren Fragestellungen zu. SchlieBlich traten verstarkt auch Beitrage auf, die
Insbesondere in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts bestimmten Arbeiten des sogenannten situativen Ansatzes die Organisationstheorie nachhaltig, in dem sie die bis dahin geltende weitgehende Nicht-BerUcksichtigung von Situationseinfltlssen auf die organisatorische Gestaltung sowie die resultierende Effektivitat und Effizienz ablOste. Vgl. hierzu u. a. Frese (1992), Sp. 1709 £f. und Ebers (1992), Sp. 1818 f. sowie zum Aufbau kontingenztheoretischer Modelle Kieser/Kubicek (1992), S. 55 ff Der situative Ansatz ist einer umfangreichen Kiitik ausgesetzt worden. Vgl. bspw. Kieser (2001), S. 183 ff. und Zey-Ferrell (1981). Vgl. hierzu Gerth (1974) und die dort aufgefUhrte Literatur des deutschsprachigen Raumes. Vgl. hierzu die Studie von Gaski (1984) und die dort zitierte Literatur.
40
Geschaftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
sich angesichts der Vielzahl von VerOffentlichungen im Forschimgsfeld vomehmlich um einen Oberblick und die Integration der vorliegenden Erkenntnisse bemtihten. Um einen Eindruck tiber den Stand und das Spektrum der theoretischen und empirischen Auseinandersetzung mit interorganisationalen Beziehungen zu veraiitteln, sollen im Folgenden ausgewShlte Studien dieses integrativen Typus vorgestellt werden. Die Beschrankung auf diesen Studientyp ermoglicht eine grobe Skizze der Forschungsanstrengungen, ohne an dieser Stelle auf Detailergebnisse von Einzelstudien einzugehen. In der jiingeren Literatur wurden hierzu insgesamt sieben Beitrage identifiziert, die sich explizit und exklusiv sowie systematisch und umfassend der Integration der Forschungsergebnisse tiber Geschaftsbeziehungen und interorganisationale Beziehungen widmen (vgl. Tab. 2-3). Die identifizierten Abhandlungen lassen sich grob in drei Gruppen einordnen: Zunachst die Studien von OLIVER, von AUSTER sowie von BACKHAUS und BUSCHKEN, die eine eher quali-
tative Auswertung, Gegentiberstellung und Integration der unterschiedlichen Perspektiven verfolgen.^" Femer die Untersuchungen von SCHRADER und SOBRERO sowie von EBERS und OLIVER, die zentrale Facetten des Forschungsfeldes tiber eine quantitative, gleichwohl deskriptiv gehaltene Auswertung der Literaturbasis beschreiben.'" SchlieBlich mit den Studien von GEYSKENS, STEENKAMP und KUMAR zwei klassische Meta-Analysen, die eine statistische Aggregation vorliegender Beftmde verfolgen.^^^
Vgl. Oliver (1990); Auster (1994); Backhaus/Bttschken (1997). ^^ Vgl. Sobrero/Schrader (1998) sowie Oliver/Ebers (1998). Vgl. Geyskens/Steenkamp/Kumar (1998) sowie Geyskens/Steenkamp/Kumar (1999).
Zum Stand der Forschimg
41
Q)
3.£ B2
CO 0 )
£
O. 0)
x: a o
'5.C
Q.
0) ^ U
8:1 c
C
0) ^
ac
E.9>
(D tS
^ -^
+ CO
•c '5. F E.2 0) -D
•c
(M B
CO CO
CNCO
?^ W
Ml
E
'S N
ra-o 0) 3 «= E
0^^
^ « C o S 0) = CO ?£ =(0
oS 2
S c"C
S CO 3
c o^ D
li
.t^ . . C O ) .N O) CO C
Id
S CD CO I
Jk^ CO 00 3
. .2 .92 -a 5 5 -
5| .b! CO a ^ £ » £ 0) 5» S * o JO
Is
=1 .1 i a c '•5
"cS§S
" O CO ^
c« S
CD S
X "J? « £ 0) O
P
j-o)«.
c c (0
.
) Q> CO CO '»'c O 3
• « (0 x : "m -Q . 2 0) CO u,
o fl)
' (0 0) iS cL _
t i CO
- C 0) W
0 C) 03 3 CD C
CO E
3 ^ •'S ^
^
CO V . $
^
CO
c t: O 0) 0)"P
O ) CO E ' 3 0 ) 3
c ® o .9 _« -5 CD - J i - ^ o o)£ 0 ) » ^
I 111
"B c oi O 0 )
T3 (I) Ta
— 0) q= (11 - t i c
II
S*
N
CO CO (O O (O • O F 0) 0) 7 3 "O) C CO < 5 i_ 0) - E 0) I
.2 3 0)
0) A b 0)
lD"S.S-g CO CO 0>
^ p ^.
Is
N
: E i S.
=S S
^ N JO (0 Q>
o
_-
0 (I) £
71
211
O ) ®
0) CO M ^ 0) 3 o - j
^ 73 -El o>x: c X3 ^
;? I
sii
Q> £ • 9 Q«5 c
•E « =0 T 3 -O j ;
^1
CO > c
3 C
x : T3
g> (o N E
CQ C
CD g-o q> CO
JC
CO CO
CO
0) c CO «
^ =5
it: O
0)
3
C
CO
CD 0 )
0> O ) ^
"o.ja o5 S
CD c :
o> .J5 9-
0 ) CO w : CO
20) to 3 E 0) iU d J o) E 0) CO 0 ) c o lo'o) c O
- I
(D
.5 o
III
li
x:
2 B
0) (0 N 0) 0 CQ x: (U o T3
© ^
111 N O ?5
CD 8
Q> ^
C
o 0) -
Q> 0 )
C
CO
«
0)
rO
0 ) «4_ C 0 > ^ 0)
^
il
0) c^
-^
>
CO O
T3 E .S c: F^ -2 ro o 0 ) (o ^ ? 0 ) C
•Jo x: c c ^ CO 0 ) O E 5 -c ^ 0) .Q o
^
CO
Q)
~
0)
X 0)
0) 0)
CO " C3)-0
c c 3 3 "co c g 0) 0) 0) E^ ECL
25) 0) "O
X3 0 lo.^
«l
0)Q_
T3 7 3 •^ C CO O CO \^
0)
W Jo
Q.^ E W S ^ r^
*-
73
2: 0)
0)
.J. C -Q N 0) j : 0) T3 ^
ill
O
^
a> ^ § 0) 3 ES' ^ ^ E 0) o ) - c : 0) E
c 3 >
^.^
0)
fe
" D O .
0)
CD 0 ) 3
-5 CD ^
2>
CO §
0) ® C Q . X : (Q
III
% 8E-D
0) > CO O ) ^
w E £
3
•sis
0) 0) CO •fc 1 - ^ O - 0 ) C= - I
CO
i^ -c ^
> C
h = CO N 3 0 ) l!= QL
C
CO 0 )
-^
ts Q.73 O
c x: -a o o _
•o £
••= J 2 4 i
d w5 0 ) ^ i s "co "S c Sc CO 55 0 ) i> 0) 0) Q 0) 2>
3 - 1 3 0) ^ 0) E 0) S o E jg
C JC 0) C - O 0)
^ S 5
E
c E « E ^
CO
• Q CO
: S h= 0)
c 2 CO 3
illii
§111
92 13 0) - ^
m C tf - ^ 0) 0)
nil
3 :i^ O ^ .Si CfeCO
* 5 CO
•
(1) =C0
0)
CO c
t = 0) O)
w s; 2 "" ^_ 0 ) CO « - ^ CO -3
•Q r j CO N x: C3)|^-?> C
CO '
E S S2 «= 3 o
x: ^ a> c V c 0) T^
iS 0) c C 0)
C
^
0) C O)
c 2 SCO -^ - 2 0) E o 2 g 0)
s -s ^ g I s .CO . a
UJ X Ouj
Dz H UJ < UJ
^
JO
O ) 0)
£1
3
^ «
o o
o
s
CO CO QQ
^ 0) £ •» E ' t 0) 3 - x> 0
0 0) C3>x: :(0 CO -c }E
0)
IS CO
CO ^ = CO
wiii-col
,=
•
u (0
(0 eueqg ejBui^iiqeun
o
Q SI o)b 3
0)
CO
E -o
5 «
J3
72
Geschaftsbeziehungen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
oberhalb als auch imterhalb der Diagonale Zusammenhange aufweist. Die Felder der Diagonale geben femer m5gliche Einfliisse iimerhalb einer inhaltlichen Ebene an, wobei durch den bilateralen Charakter einer Geschaflsbeziehung insb. auch Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Ansatzen bzw. Perspektiven der Partnerimtemehmen zu beachten sind. Trotz der nicht auszuschlieBenden Moglichkeit interdependenter Wirkimgsbeziehungen soil im Folgenden dennoch der Versuch einer sinnvollen Ordnimg der Ebenen anhand der dominierenden Wirkungsbeziehimgen untemommen werden.^^* Die hierbei imterstellten Einflussbeziehimgen sind in Abb. 2-8 zusammenfassend dargestellt. Gmndlage dieser Ordnung bilden ausgewahlte, besonders prSgnante Zusammenhange zwischen ausgewShlten Konstrukten der verschiedenen inhaltlichen Ebenen. Die Herleitung eines derartigen wirkungsbezogenen Modells impliziert vor dem Hintergnmd der gmndsatzlichen Interdependenz der Ebenen jedoch zugleich, dass das entwickelte Modell lediglich als eines von mehreren moglichen Modellen zur Analyse von Geschaftsbeziehungen zu sehen ist.
Abb. 2-8: Modell der Einflussbeziehungen innerhalb der inhaltlichen Ebenen
Vgl. hierzu auch die Stellungnahme von Crosby/Evans/Cowles (1990), S. 70: „Though many of the causal links depicted in the model are likely to be reciprocal over time, the literature to date is unclear about the sequential properties of relationship development... Hence, we deemed it appropriate to model the dominant flow of influence on and through relationship quality rather than the actual process."
Entwicklimg eines Modells zur Analyse von Geschaftsbeziehimgen
73
2.5.3.2.2 Determinanten der Machtebene Im Rahmen der isolierten Vorstellung der Machtebene wurde darauf hingewiesen, dass die spezifische Machtkonstellation einer GeschSftsbeziehung wesentlich durch die bestehenden AbhSngigkeiten der Partnenmtemehmen definiert wird. Geht man davon aus, dass die Umwelt durch einen funktionierenden Wettbewerb sowie eine ausreichende Anzahl von altemativen Partnenmtemehmen gekennzeichnet ist, so wird die Abhangigkeit von einer Geschaftsbeziehung hSufig erst im Entwicklungsverlauf einer Geschaftsbeziehimg eintreten bzw. ansteigen. Spezifische Investitionen, die aufgrund der mit einer Beendigimg einer Geschaftsbeziehung verbundenen Wertverluste die Abhangigkeit tendenziell erhShen, werden - mit Ausnahme der Anbahnungskosten - nur unter Beriicksichtigung der speziellen Qualitat und dem Entwicklungsstand einer Geschaftsbeziehung getatigt. Femer wird auch eine Ausweitung der Zusammenarbeit bzw. des Transaktionsvolumens eher graduell in Abhangigkeit der Leistungsfahigkeit und des Verlaufs vergangener Austauschprozesse erfolgen. Letztlich konnen sich hierdurch wiederum die bestehenden Abhangigkeiten vergroBem. Diese tjberlegungen zeigen, dass Abhangigkeiten nicht nur verhaltenssteuemd sind, sondem haufig erst aus der spezifischen Entwicklung der Geschaftsbeziehung heraus resultieren. Aus diesem Grund soil die Machtebene im imserem Modell als nachgelagerte Ebene eingeordnet werden, die durch die anderen inhaltlichen Ebenen determiniert wird. Innerhalb der verbleibenden drei inhaltlichen Ebenen wird ankntipfend an diese (jberlegimgen unmittelbar ersichtlich, dass (vor allem) die sachliche Ebene als direkte Determinante der Machtebene zu sehen ist. Das Verhaltnis von Leistung und Gegenleistung sowie die Wichtigkeit der angestrebten Leistung besitzen einen wichtigen Einfluss auf die jeweilige Abhangigkeit und resultierende Machtkonstellation der Partneruntemehmen, da sie tiber die Ausweitung der Zusairmienarbeit sowie die Bereitschaft zu spezifischen Investitionen bestimmen.^^^ Modellannahme 2a: Die Ausgestaltung der sachlichen Ebene besitzt einen direkten Einfluss auf die Machtebene einer Geschaftsbeziehung. Auch ein Einfluss der Interaktionsebene auf die Machtebene ist ankntipfend an diese Uberlegungen grundsatzlich plausibel. Wahrend die Sachebene im Wesentlichen durch den Leistungsfokus iiber die Effektivitat einer Geschaftsbeziehung Aufschluss gibt, bestimmt die Interaktionsebene maBgeblich tiber die Effizienz der gemeinsamen Zusammenarbeit. Die Akzeptanz einer hoheren Abhangigkeit durch die Ausweitung der Zusammenarbeit sowie zusatzliche (spezifische) Anstrengungen in den Beziehimgsauft)au bzw. -ausbau erscheinen somit nur sinnvoll, wenn die Interaktion im Rahmen der Geschaftsbeziehung als positiv emp-
27Q
Vgl. z. B. Metcalf/Frear/Krishnan (1992), S. 38 ff. sowie Campbell (1985).
74
Geschaflsbeziehimgen als betriebswirtschaftliches Erkeimtnisobjekt
fimden wird.^^° Im Gegensatz dazu, wird bei einer negativen Interaktion ein starkeres Bestreben vorliegen, die bestehenden AbhSngigkeiten zu reduzieren. Ein weiterer Zusammenhang zwischen der Interaktionsebene und der Machtebene ist femer dadurch moglich, dass auf das Auftreten von Konflikten mit dem Einsatz bzw. Aufbau entsprechender Machtpotentiale reagiert wird.^*' Modellannahme 2b: Die Ausgestaltung der Interaktionsebene besitzt einen direkten Einfluss auf die Machtebene einer Geschdftsbeziehung. Dagegen ist hinsichtlich der Individualebene ausgehend von einer okonomischen Perspektive nicht von einem direkten Einfluss auf die Machtebene auszugehen. Obwohl Macht vor allem im Rahmen soziologischer Studien als Aspekt personlicher Beziehungen identifiziert und untersucht worden ist, erscheint ein personlicher Einfluss auf die untemehmensspezifische Machtkonstellation ausgeschlossen. Die resultierenden Modellannahmen beziiglich der Machtebene sind im Kasten 2 dargestellt. Modellannahme 2: Die Machtebene einer Geschaftsbeziehung ist abhangig von der Ausgestaltung von vorgelagerten inhaltlichen Ebenen, und zwar - von der Sachebene (Modellannahme 2a) und - von der Interaktionsebene (Modellannahme 2b). Kasten 2: Determinanten der Machtebene
2.5.3.2.3 Determinanten der Sachebene Im Zentrum der Sachebene einer Geschaftsbeziehung steht die inhaltliche Ausgestaltung des Leistungstausches. Die Interaktionsebene ist unmittelbar als Determinante der Sachebene zu erkennen, da neben einem materiellen Gtiteraustausch auch die Weitergabe von Informationen, Ideen und Know-how eine groBe Bedeutung besitzt.^*^ Transaktionsobjekte sind im Rahmen von Produktionsnetzwerken nur teilweise standardisiert und auf den Massenmarkt ausgerichtet. Beispielsweise gibt es bei Hersteller/Lieferanten-Beziehungen haufig kundenspezifische Anforderungen zu beriicksichtigen. Der Leistungsanbieter ist in diesem Fall auf Informationen der Anwenderseite angewiesen, um die sachliche Leistung den speziellen Bediirfhissen des Kunden anzupassen. Ergebnisse der Innovationsforschung belegen, dass (ausgewahlten) Industriegiiterkunden eine wichtige Stellung sowohl hinsichtlich der AnreVgl. z. B. den Befiind von MetcalfTrear/Krishnan (1992), S. 38 ff. zum positiven Einfluss des Informationsaustauschs auf die spezifischen AnpassungsmaBnahmen und Investitionen. Vgl. im chinesischen Kontext LeungAVong/Tam (1995). Vgl. z. B. Frazier/Gill/Kale (1989), 55fif.Zum aus einer dynamischen Perspektive interdependenten Verhaltnis von Macht und Konflikt im Rahmen von GeschSftsbeziehungen vgl. den Disput zwischen Etgar (1978) und Lusch (1978).
Entwicklung eines Modells zur Analyse von Geschaftsbeziehungen
75
gung als auch Entwicklung von Innovationen zufallen kann.^*^ Bspw. werden Zulieferer friihzeitig mit ihrem spezifischen Produktentwicklimgs-Know-how in die Endproduktentwicklimg eingebimden, um technische Probleme gemeinsam erkennen und losen zu konnen.^^ Sogenannte Pilot-Kunden konnen einem Hersteller neben konkretem Anwendungswissen auch neuartige Bedtirfhisse ubermitteln und sogar weitgehende Problemlosungen anbieten.^*^ Im umgekehrten Fall kann jedoch auch ein erheblicher Informationsbedarf beim Kunden auftreten, wenn der Abnehmer bei komplexeren Giitem - bspw. bei Maschinen fur die eigenen Produktionsprozesse - auf eine unterstUtzende Informationsversorgung angewiesen ist.^*^ Uber diese komplementare Funktion hinaus kann der Wissenstransfer teilweise sogar als explizites Ziel des Aufbaus enger Geschaftsbeziehungen verfolgt werden.^*^ Der aufgezeigte Informations- und Abstimmungsbedarf verdeutlicht, dass die Qualitat der Zusammenarbeit auf der Interaktionsebene einen wichtigen Einfluss auf die Sachebene ausiibt. Wahrend eine offene, hochwertige Kommunikation die Sachebene positiv beeinflussen wird, wild von einer problembehafteten Zusammenarbeit eine negative Wirkung ausgehen. Modellannahme 3b: Die Ausgestaltung der Interaktionsebene besitzt einen direkten Einfluss auf die Sachebene einer Geschaftsbeziehung. Auch beziiglich der individuellen Ebene ergeben sich bei naherer Betrachtung Hinweise fur einen direkten Einfluss auf die Sachebene. Eine voUkonmiene Unabhangigkeit von den individuellen Tragem der Geschaftsbeziehung ist lediglich bei vollig standardisierten Produkten von geringer Komplexitat denkbar. Beim oben aufgezeigten Anpassungsbedarf von Leistungen und Gegenleistungen wird jedoch die Qualitat der personlichen Beziehungen zu beriicksichtigen sein. So konnen bei guten personlichen Beziehungen ein besseres Verstandnis der Ziele und Anforderungen des Partners sowie bspw. eine groBere Bereitschaft zu einer gemeinschaftlichen Losung sowie Zugestandnissen vorausgesetzt werden.^** Modellannahme 3a: Die Ausgestaltung der Individualebene besitzt einen direkten Einfluss auf die Sachebene einer Geschaftsbeziehung.
282 283 284
Vgl. auch Diller/Kusterer (1988), S. 214. Vgl. z. B. den sog. Lead-User Ansatz bei Urban/von Hippel (1988). Vgl. Backhaus (1997), S. 738 ff. Vgl. Brockhoff (1997). Diese kann entweder vorangestellt, zeitgleich oder auch nachgestellt zu einer materiellen Transaktion erfolgen. Eine derartige Einordnung wird bei langfristigen Geschaftsbeziehungen jedoch zuweilen schwierig sein, da eine Informationsweitergabe oft nicht eindeutig einem einzelnen Transaktionsprozess zugerechnet werden kann. Vgl. hierzu u. a. Hamel (1991); Parkhe (1991); GemUnden/Heydebreck (1994); GemUnden/Walter (1996) sowie Inkpen (1998). Vgl. femer ftlr den Wissenstransfer im Rahmen chinesischer Joint Ventures Si/Bruton (1999). Vgl. hierzu auch Cunningham/Tumbull (1982), S. 314: „personal contacts facilitate other elements of interaction, such as the adaptations by suppliers and customers to the design or application of the product".
76
Geschaftsbeziehimgen als betriebswirtschaftliches Erkenntnisobjekt
Die Modellaimahmen zu den Determinanten der Sachebene sind in Kasten 3 zusammenfassend dargestellt. Modellannahme 3: Die Sachebene einer Geschaftsbeziehung ist abhangig von der Ausgestaltung von vorgelagerten inhaltlichen Ebenen, und zwar - von der Individualebene (Modellannahme 3 a) und - von der Interaktionsebene (Modellannahme 3 b). Kasten 3: Determinanten der Sachebene 2.5.3.2.4 Determinanten der Interaktionsebene Der Zusammenhang zwischen der Individuumsebene und der Interaktionsebene ist bereits dadurch zwingend, dass Interaktion ex definitione subjektgebunden ist. WShrend aus einer langfristigen Perspektive von einer Interdependenz der beiden Ebenen auszugehen ist, wird eine konkrete Interaktionssituation u. a. mafigeblich von den personlichen Beziehungen auf der Individuumsebene gepragt. So ist bspw. mit einem zunehmenden freundschaftlichen Verhaltnis davon auszugehen, dass der Informationsaustausch offener wird und auch vertrauliche Informationen ausgetauscht werden.^^^ Eine bessere Kenntnis des Interaktionspartners wird auch die Interpretation der gesendeten Botschaften erleichtem. Gute personliche Beziehungen werden femer die HSufigkeit und Intensitat manifester Konflikte reduzieren, da davon auszugehen ist, dass die Bereitschaft zu einer gemeinschaftlichen Problemlosung ansteigt. Modellannahme 4a: Die Ausgestaltung der Individualebene besitzt einen direkten Einfluss auf die Interaktionsebene einer Geschaftsbeziehung. Diese letzte Modellannahme entspricht der in Kasten 4 dargestellten Annahme tiber die Determinanten der Interaktionsebene. Modellannahme 4: Die Interaktionsebene einer Geschaftsbeziehung ist abhangig von der Ausgestaltung der Individualebene. Kasten 4: Determinanten der Interaktionsebene
Vgl. hierzu Cunningham/Tumbull (1982), S. 307: "Mutual trust, respect and personal friendships between participants allows confidential information to be exchanged, which provides market and technological feedback to the customer and supplier alike".
3 Das spezielle Erkenntnisobjekt der kulturiibergreifenden Geschaftsbeziehung Die stark gestiegene Verflechtung der Weltwirtschaft hat dazu gefiihrt, dass kulturilbergreifende Geschaflsbeziehungen erheblich an Bedeutimg gewoimen haben. Unterschiede der landesspezifischen Kultur der Partneruntemehmen werfen die Frage auf, inwieweit die umfangreichen Erkenntnisse tiber Rationale Geschaftsbeziehungen auf intemationale, kulturUbergreifende Geschaftsbeziehungen als dem speziellen Erkenntnisobjekt dieser Arbeit tlbertragen werden kOnnen. Im Folgenden sollen die im vorangegangenen Kapitel gelegten Grundlagen vor emem kulturiibergreifenden Hintergrund aufgegriffen und diskutiert werden. Hierzu erfolgt in einem ersten Schritt eine nShere Betrachtung der Kultur als dem hier relevanten, situativen Einflussfaktor. Im Anschluss an eine begriffliche Abgrenzung kulturubergreifender Geschaftsbeziehung wird der bisherige Stand der Forschung gekennzeichnet. SchlieBlich werden potenzielle Kultureinfltisse auf die Ebenen des konzeptionellen Bezugsrahmens aufgezeigt. 3.1
Kulturtheoretische Grundlagen
3.1.1 Kultur - Begriffliche Abgrenzung, Facetten und Typen Die Untersuchung des Einflusses von unterschiedlichen Kulturen auf Geschaftsbeziehimgen impliziert filr den Wirtschaftswissenschaftler eine doppelte Grenziiberschreitung: Neben der nationalen bzw. kulturellen Grenze gilt es auch eine disziplinare Grenze zu iiberwinden. Im Gegensatz zu anderen sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen, in denen Kultur haufig den Rang eines zentralen Erkenntnisobjekts besitzt,^ nimmt Kultur im Rahmen der Betriebswirtschaft lediglich den Rang eines zumeist vemachlassigten situativen Einflussfaktors ein. Als ein nahe liegender Grund fur die haufig fehlende bzw. oberflachliche Beriicksichtigung kultureller Einfltisse im betriebswirtschaftlichen Schrifttum kOnnen sowohl Schwierigkeiten beztig-
Als zentraier Wesensbestandteil des Menschen und seines Verhaltens hat die Kultur Eingang in nahezu alle sozialwissenschaftlichen Wissenschaftsdisziplinen gefunden. Dabei stellt die Anthropologie als Wissenschaft vom Menschen und seiner Entwicklungsgeschichte in der Gegenwart die logische Heimat des Kulturbegriffes. Im Mittelpunkt der Teildisziplin der Kulturanthropologie bzw. Ethnologie steht die Beschreibung kultureller Phdnomene hinsichtlich ihrer Strukturen und Prozesse sowie der komparativen Identifizierung von kulturellen Besonderheiten bzw. Universalismen. Vgl. hierzu bspw. Harris (1989), S. 15fif.Auch die Soziologie als Wissenschaft vom sozialen Handehi in seiner Beziehung und Abhangigkeit zu anderen Menschen berUcksichtigt Kultur als eine wichtige Determinante auf die soziale Organisation einer Gruppe. Die Teildisziplin der Kultursoziologie widmet sich nach Lipp (1989), S. 373 explizit der .Jrage nach der gesellschaftlichen Bedingtheit von Kultur ergSnzt um die Frage nach der grundlegenden kulturellen Verfasstheit des Sozialen."
78
Das spezielle Erkenntnisobjekt der kulturUbergreifenden Geschftftsbeziehung
lich der Operationalisiening der Kultur und als auch der Erfassung seiner Wirkungen gesehen werden.^ „Die Kultur hat als erklSrende Variable unter anderem deshalb einen so schweren Stand, weil ihre Erfassung groBe Probleme bereitet. Die Ergebnisse und Auswirkungen kultureller Unterschiede sind nicht von der Hand zu weisen. Aber die Beschreibung, Kategorisierung und Analyse dessen, was Kultur ausmacht, ist nicht einfach. Am schwersten f^lt es zu ergrUnden, durch welchen Prozess die Kultur das menschliche Verhalten beeinflusst. Viel einfacher und operationeller ist es, vorzugeben, kulturelle Unterschiede verwischten sich ..."^ Die erste Hiirde bei der Auseinandersetzung mit dem vergleichsweise ungewohnten sozialwissenschaftlichem Konstrukt der Kultur stellt bereits die erstaunliche Begriffsvielfalt dar/ Letztere ist sowohl auf die Behandlung seitens verschiedener Wissenschaftsdisziplinen als auch auf die im historischen Zeitablauf feststellbaren Sinnveranderungen zuriickzufiihren.^ Der etymologische Ursprung des Kulturbegriffs liegt im lateinischen Wort „cultura", welches die Pflege und das Bestellen des Bodens bezeichnet. Bereits zu Zeiten der romischen Herrschaft setzte jedoch eine tjbertragung des Kulturbegriffs auch auf die Pflege des Geistes ein. Im ausklingenden Zeitalter der AufklSrung des 18. Jahrhunderts diente der Begriff als Differenzierungsmerkmal der ,zivilisierten' Menschheit gegenUber der Barbarei. Dieses Verstandnis im Sinne einer erreichten hSheren Entwicklungsstufe trat im Rahmen der Etablierung und Differenzierung der Sozialwissenschaften in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts allmahlich in den Hintergrund.^ Als allgemeines Attribut jedweder Gesellschaft wird Kultur erst seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts gesehen, als die verknupften Annahmen von der biologischen Pradetermination, von universell giiltigen Standards sowie der Parallelitat der Richtung der kulturellen Entwicklung aufgegeben wurden. In einer umfassenden Bestandsaufnahme zeichnen KROBER und KLUCKHOHN die Entwicklung des Kulturbegriffes bis zur Mitte des 20.
Zu den methodologischen Problemen der interkulturellen Managementforschimg vgl. z. B. Keller (1982), S. 281 fif.; Adler (1983a), S. 35 ff.; Ronen (1986), S. 47 ff.; Kumar (1988), S. 391 ff. Usunier/Walliser 1993, S. V. Bereits zur Mitte des 20. Jahrhunderts haben in einer vielbeachteten Literaturanalyse 164 verschiedene Begriffsauffassungen ausgewertet und kategorisiert. Vgl. hierzu Kroeber/Kluckhohn (1952), S. 77 ff. sowie S. 291 f. Vor dem Hintergrund der sich intensivierenden Auseinandersetzung mit kulturellen Problemstellungen vermag es kaum zu ilberraschen, dass Herbig (1998, S. 11) knapp ein halbes Jahrhundert spater bereits von 450 existenten Defmitionen spricht. Ftlr eine ausfUhrliche Darstellung der Veranderungen des Kulturbegriffs im Zeitablauf vgl. KUsters (1998), S. 84 ff. In diesen Zeitraum f^U die erste prfizise sozialwissenschaftliche Kulturdefmition von dem Anthropologen Tyler im Jahre 1871: „Culture, or civilization, ... is that complex whole which includes knowledge, belief, art, law, morals, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society." Tylor (1871), S. 1, zitiert nach Kroeber/Kluckhoehn (1952), S. 81. Kultur wird in dieser Defmition somit als komplexe Verbindung diverser Einzelbestandteile und als eine kollektive Errungenschaft gekennzeichnet. Obwohl Tyler noch drei Entwdcklungsstufen von Wildheit aber Barbarei zur Zivilisation unterstellt, wird Kultur hier (erstmalig) zum Besitz aller Menschen. Vgl. Mauritz (1996), S. 10.
Kulturtheoretische Gnmdlagen
79
Jahrhimderts nach und fassen das begriffliche Spektrum schlieBlich in einer eklektischen Kompromissformel zusammen: „Culture consists of patterns, explicit and implicit, of and for behavior acquired and transmitted by symbols, constituting the distinctive achievement of human groups, including their embodiments in artifacts; the essential core of culture consists of traditional (i.e. historically derived and selected) ideas and especially their attached values; culture systems may, on the one hand, be considered as products of action, on the other as conditioning elements of further action."^ Kultur umfasst in diesem weiten Begriffsverstandnis sowohl explizit hervortretende Verhaltensmuster und Artefakte einer Gruppe als auch die ihrem Verhalten zu Grunde liegenden impliziten Ursachen. Diese weite begriffliche Abgrenzung vereinigt folglich zwei unterschiedliche Perspektiven, die im Schrifttum u. a. als explikatives vs. deskriptives Kulturkonzept bezeichnet werden.* Sieht man als Kern der Kultur lediglich die verhaltenssteuemden Muster,^ so kann Kultur mit dem hollandischen Soziologen HOFSTEDE vereinfacht auch beschrieben werden als "die kollektive Progranmiierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet."'° Die Trager dieser mentalen Programme stehen entweder als Gruppe in einem unmittelbaren Kontakt zueinander oder sind als Kategorie lediglich durch eine iiber die Kultur hinausgehende Gemeinsamkeit verbunden.^^ Kultur besteht in diesem Begriffsverstandnis somit aus gemeinsamen Denk-, Fiihl- und Handlungsmustem, die Menschen im Laufe ihrer Entwicklimg erlemt bzw. angenommen haben. Obwohl diese Muster nicht zwingend ein bestinmites Verhalten bedingen, lassen sie dennoch gewisse Reaktionen wahrscheinlich erscheinen.^^ Hinsichtlich der Manifestation dieser kulturellen Muster wird ublicherweise von diversen Schichten ausgegangen. Das Modell von SCHEIN geht bspw. von drei hierarchisch aufeinander
Kroeber/Kluckhohn (1952), S. 357. Vgl. hierzu auch die angelehnte Definition von Keller (1982), S. 118: „Unter Kultur versteht man samtliche kollektiv geteilten, impliziten oder expliziten Verhaltensnormen, Verhaltensmuster, VerhaltensSuBenmgen und Verhaltensresultate, die von den Mitgliedem einer sozialen Gruppe erlemt und mittels Symbolen von Generation von Generation weitergegeben werden." Vgl. hierzu Keller (1982), S. 121 ff. Vgl. femer die auf Osgood (1951), S. 210 ff. zuriickgehende begriffliche Unterscheidung von Conceptas vs. Perceptas. Vgl. hierzu auch die GegenUberstellung ideationaler vs. materialistischer Ansatze bei Mauritz (1996), S. 12 ff. Grundsatzlich hat eine ideational Sichtweise, die das Stoffliche (die expliziten Verhahensmuster) als eine Folge der geistigen Wirklichkeit gegentlber den diametralen materialistischen Ansatzen eine breitere Akzeptanz gefimden. Hofstede (1993), S. 19. Im weiteren Verlauf dieser Untersuchung wird auf eine Unterscheidung von Gruppen und Kategorien verzichtet. Vgl. Hofstede (1993), S. 18.
80
Das spezielle Erkeimtnisobjekt der kulturUbergreifenden Geschaftsbeziehung
aufbauenden Stufen aus.'^ Auf der untersten Stufe stehen unsichtbare und nicht mehr hinterfragte Gmndaimahmen iiber den Menschen und seine Natur.'"* Diese werden auf einer mittleren Stufe durch unsichtbare, gleichwohl bewuBtere Werte als Leitlinien des gemeinsamen Zusammenlebens konkretisiert. Werte kSnnen grundsatzlich sowohl von einzelnen Individuen als auch von Gruppen vertreten werden. Aufgrund ihres unsichtbaren Charakters verschliefien sich Werte einer empirischen Beobachtung, so dass zur Ermittlung auf individuelle Aussagen zuriickgegriffen werden muss.^^ Die in einer Gruppe von Menschen existierenden Normalformen von Werten werden auch als Normen bezeichnet.'^
Auf der obersten Schicht werden schlieBlich beobachtbare Artefakte eingeordnet, die als Ausdruck der darunter liegenden Grundannahmen und Werte zu sehen sind, obgleich eine direkte Riickfilhnmg hSufig kaum mSglich ist. HOFSTEDE unterscheidet beztiglich dieser sichtbaren Manifestationen kultureller Werte Symbole, Helden und Rituale. Als Symbole dienen Worte, Gesten, Bilder oder Objekte mit einer bestimmten Bedeutung, die nur von denjenigen als solche erkannt werden, die der gleichen Kultur angehOren. Helden - in Form toter oder lebender sowie echter oder fiktiver Personen - besitzen die Eigenschaften, welche in einer Kultur hoch angesehen sind und dienen somit als Verhaltensvorbilder. Rituale schlieBlich stellen koUektive TStigkeiten dar, die fur eine Zielerreichung eigentlich uberfltissig, innerhalb einer Kultur aber als sozial notwendig gelten.^^
Da Kultur ein gruppenspezifisches Phanomen ist, lassen sich je nach Abgrenzung der Gruppe quasi unbegrenzt verschiedene Kulturtypen unterscheiden. Bei der im Zentrum dieser Arbeit stehenden Landeskultur wird aus ZweckmaBigkeitsgriinden zumeist auf die Staatsangehorigkeit als Abgrenzungskriterium zuriickgegriffen.'* Da Nationen jedoch politische Konstrukte darstellen, die nicht zwangslaufig mit einer einheitlichen Kultur verbunden sind, bedingt diese
Vgl. Schein (1984), S. 3 f. Obwohl der Beitrag von Schein auf die Untemehmenskultur ausgerichtet ist, liegt diesem Schichtenmodell ein allgemeiner Anspruch zugrunde. Vgl. auch Hofstede (1993), S. 22. Diese Annahmen orientieren sich nach Grundthemen menschlicher Existenzbewaltigung wie Annahmen tiber die Umwelt, Uber die Wahrheit, die Natur des Menschen sowie aber zwischenmenschliche Beziehungen. Vgl. Schein (1985), S. 86. Die hier zugrundegelegte Systematik geht auf Kluckhohn/Strodtbeck (1961) zurQck. Instrumente zur Erhebung individueller Wertestrukturen basieren in der Regel auf umfangreichen Fragenkatalogen, die Uber muhivariate Verfahren zu Ubergeordneten Dimensionen tiberfilhrt werden kOnnen. Vgl. hierzu bspw. die sog. Rokeach Value Survey (vgl. Rokeach (1973)), die Chinese Value Survey (vgl. Chinese Culture Connection (1987)) sowie auch den Fragenkatalog der Untersuchung von Hofstede (1982), auf die an spftterer Stelle ausfilhrlich eingegangen wird. Vgl. Hofstede (1993), S. 24. Auf einer individuellen Ebene gih es zudem Werte von Einstellungen zu unterscheiden. Die selteneren Werte sind im Gegensatz zu Einstellungen eher situationsunabhSngig, besitzen eine grfifiere Dauerhaftigkeit und gelten im Gegensatz zu Einstellungen als Verhaltens- und Bewertungsstandard filr sich selbst und andere. Vgl. Rokeach (1968), S. 160; Scholz/Hofbauer (1990), S. 19 sowie Hofstede (1998a). Vgl. Hofstede (1993), S. 22 f Vgl. Lenartowicz/Roth (1999), S. 784.
Kulturtheoretische Gnmdlagen
81
Vorgehensweise stets auch die Gefahr unzulassiger Generalisienmgen.'^ Neben der Landeskultur fUllt im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Auseinandersetzung mit kulturellen Aspekten der Organisations- bzw. Untemehmenskultur eine grofie Bedeutung zu, deren TrSger sich durch eine gemeinsame UntemehmenszugehSrigkeit auszeichnen.^° Uber anderweitige Gruppenabgrenzungen sind jedoch vielfaltigste Kulturtypen denkbar. Wahlt man bspw. einen engeren Ausschnitt der nationalen bzw. organisatorisch definierten Gruppen, so lassen sich auch regionale oder organisatorische (Sub-)kulturen unterscheiden.^' Andererseits sind unter Wegfall der Gruppenabgrenzung Nation bzw. Untemehmen auch transnationale bzw. organisationstibergreifende Kulturen von Berufsgruppen oder Kulturen spezieller Untemehmensnetzwerke oder allgemeiner Industriezweige denkbar.^^ Im Hinblick auf die Untersuchung von GeschSftsbeziehungen ist auch eine Unterscheidung einer speziellen, synergetischen Kultur einer Geschaftsbeziehung mSglich. Eine derartige Kultur kann als eine sich im Beziehungsverlauf herausbildende Verbindung zwischen kompatiblen Elementen der verschiedenen Landes- und Untemehmenskulturen gesehen werden und wird u. a. als ,third culture' bezeichnet.^^ Ahnlich ftihrt MAURITZ im deutschen Schrifttum den Begriff der ,Interkultur' ein, „die Personen oder soziale Organisationseinheiten iiber (nationale) Kulturgrenzen [Hervorhebung im Original] hinweg miteinander verbindet."^"*
Da Menschen stets Mitglieder verschiedenster Gruppen bzw. Kategorien sind, sind sie zugleich auch Trager verschiedener Kulturen. Dies fiihrt zur Frage, in welchem Verhaltnis die verschiedenen Kulturtypen zueinander stehen. Beziiglich der hier relevanten Landeskultur und der Untemehmenskultur wird bspw. von einem einseitigen Einfluss der tibergeordneten Landeskultur auf die untergeordneten Untemehmenskulturen der in dem jeweiligen Land ansassigen Untemehmen ausgegangen. Die Landeskultur prSgt demnach Uber eine Einschrankung der mentalen Programme der Menschen in Teilen auch das spezifische Wertgefuge der Unter-
Dass Landesgrenzen nicht zwangsl^lufig deckungsgleich mit nationalen Grenzen sind, iMsst sich z. B. an der Region Stldtirol verdeutlichen, die derfisterreichischenKultur nSher steht als der (siid-)italienischen Kultur. Vgl. zur problematischen Verhaltnis von Nationalitat und Kultur z. B. UsunierAValliser (1993), S. 29. Vgl. u. a. Heinen (1985); Scholz (1988); Hofstede et al. (1990); Hofstede/Bond/Luk (1993); SchreyOgg (1993); Hofstede (1998b). Unter Einbezug der Wechselbeziehung von Kultur und Verhalten definiert SCHOLZ eine Organisationskultur als das "implizite Bewusstsein einer Organisation, das sich zum einen aus dem Verhalten der Organisationsmitglieder ergibt und das selbst als kollektive Programmierung die Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder beeinflusst." Vgl. Scholz (1988), S. 244. Zu organisatorischen Subkulturen vgl. bspw. Hofstede (1998b). Vgl. zu berufsgruppenspezifischen Kulturen bspw. Raelin (1986). Useem/Useem/Donoghue (1963), S. 170 definieren 'Third Culture' allgemein als „...behavior patterns created, shared, and learned by men of different societies who are in the process of relating their societies, or sections thereof, to each other." Vgl. auch Graen/Hui (1996) sowie Casmir (1999). Mauritz (1996), S. 97.
82
Das spezielle Erkenntnisobjekt der kulturUbergreifenden Geschaftsbeziehung
nehmenskulturen der verschiedenen Untemehmen eines Landes." Von der StSrke dieser EinschrSnkung hSngt es u. a. auch ab, inwieweit Untemehmen einer Nation eine einheitliche oder zumindest eine ahnliche Untemehmenskultur besitzen. Empirische Untersuchungen legen diesbeztlglich nahe, dass Untemehmenskulturen die Ubergeordneten landeskulturellen Werte in einem starken MaBe reflektieren.^^ Bei auslSndischen Tochtergesellschaften ist jedoch auch eine eventuelle Beeinflussung durch die Untemehmens- und Landeskultur des tibergeordneten Mutterkonzems zu beachten.^^ 3.1.2
Die Landeskultur als multidimensionales Konstrukt
Die Literatur liefert verschiedene Konzepte zur systematischen Beschreibimg verschiedener Landeskulturen, indem die jeweiligen Wertestrukturen auf eine bestimmte Anzahl von kulturellen Dimensionen zurtlckgeftlhrt werden.^* Als bekanntester Ansatz gelten die von HOFSTEDE im Rahmen einer groB angelegten empirischen Untersuchung identifizierten Kulturdimensionen: Indmdualismus, Machtdistanz, Maskulinitdt sowie Unsicherheitsvermeidung?^ Erganzt werden diese vier Dimensionen durch die Langfristorientierung einer Gesellschaft. Diese fOnfte Dimension wurde durch eine als CHINESE CULTURE CONNECTION
Vgl. z. B. Scholz/Hofbauer (1990), S. 18 und S. 100 ff. Vgl. auch Griffith/Harvey (2001), S. 90: „The influence of national culture on the operation of an organization or the coordination of its network relations is inescapable. Employees bring the assumptions of their culture to work and thereby modify the consistency of their organizational culture." Vgl. zu den Interdependenzen zwischen Landeskultur, Untemehmenskultur und PersOnlichkeit auch Kale/Barnes (1992), S. Ill f. Vgl. insb. Hofstede et al. (1990). Vgl. auch die Diskussion bei Mauritz (1996), S. 193 f. Newman/NoUen (1996) weisen jedoch nach, dass der fmanzielle Erfolg von auslandischen Vertriebsorganisationen eines multinationalen Untemehmens positiv von der Kongmenz der Managementpraktiken mit der Landeskultur abhfingen. Vgl. z. B. den LiteraturUberblick bei Triandis (1982), S. 141 ff, der bis zu 30 Dimensionen identifiziert, in denen sich Landeskulturen unterscheiden kOnnen. Vgl. neben dem im Folgenden nflher vorgestellten Ansatz von Hofstede insbesondere die folgenden Abhandlungen und Unterscheidungen: Kluckhohn/Strodbeck (1961): Mensch-NaturOrientierung, Mensch-Selbst-Orientierung, Beziehungs-Orientierung, Zeit-Orientierung sowie Selbst-AktivitatEinstellung; Hall (1976): ,High Context' und ,Low Context'-Kulturen; Hall/Hall (1990): Monochronismus vs. Polychronismus; Trompenaars (1993): Universalismus vs. Partikularismus, Individualismus vs. Kommunitarismus, Neutralitat vs. Emotionalitat, Spezifisch vs. Difflis sowie Leistung vs. Zuschreibung; Schwartz (1999): Konservatismus vs. intellektueller bzw. affektiver Autonomic, Hierarchic vs. Egalitarianismus, Unterwerfung vs. Harmonic. Die Publikation ..Culture's Consequences" aus dem Jahre 1980 wird im allgemeinen als Meilenstein der Erforschung der Landeskultur gesehen. Ftlr eine kompakte Zusammenfassung vgl. Hofstede (1983). Zum wissenschaftlichen Stellenwert dieser Untersuchung vgl. Sandergaard (1994). Die Untersuchung basiert auf einer Gesamtstichprobe von ca. 117.000 Fragebogen von etwa 88.000 Respondenten, die auf Basis mehrerer Erhebungsrunden in den Jahren 1967 bis 1973 aggregiert wurde. Bei den Respondenten handelt es sich um Mitarbeiter der Firma IBM aus insgesamt 66 Nationen. Zur Datenerhebung vgl. Hofstede (1991), S. 39 ff. Die Identifizierung der verschiedenen Dimensionen erfolgte in verschiedenen Analyseschritten (vgl. hierzu Hofstede (1982), S. 49-62): Zunachst bestatigten Varianzanalysen einen grundsatzlichen Einfluss der Nationalitat auf die mit der Arbeit verbundenen persOnlichen Werte. Uber einen Zeitvergleich vmrden zeitstabile Frage-Items ftlr die weitere Analyse identifiziert. Im nachsten Schritt ermittehe HOFSTEDE partialanalytisch und theoriegeleitet die zwei Dimensionen der Machtdistanz und Unsicherheitsvermeidung. AnschlieBend fUhrte eine partielle Faktorenanalyse Uber acht weitere Items zu den Dimensionen Individualismus sowie Maskulinitat. Eine abschlieBende Faktorenanalyse Uber samtliche 32 zeitstabilen Werte filhrte jedoch lediglich zu 3 Faktoren. Wahrend zwei Faktoren die Dimensionen Maskulinitat sowie Unsicherheitsvermeidung bestatigten, vereinigte der dritte Faktor die ermittelten Dimensionen (niedriger) Individualismus und Machtdistanz. Diesen Zusammenhang wertet HOFSTEDE jedoch als einen statistischen Artefakt, da beide Dimensionen in einer gegenlaufigen Beziehung zum Wohlstand einer Gesellschafl stehen. Vgl. Hofstede (1993), S. 73.
Kulturtheoretische Grundlagen
83
firmierende Internationale Forschergruppe im Rahmen einer spateren Untersuchung identifiziert, die die kulturellen Besonderheiten des asiatischen Raumes berUcksichtigt.^° Der multidimensionale Kulturansatz von HOFSTEDE hat sich - trotz wiederholter, vor allem methodischer Kritik^' - nicht zuletzt dadurch durchgesetzt, dass er Uber die Messung landesspezifischer Punktwerte fUr jede Kulturdimension auch eine aufschlussreiche komparative Einschatzung verschiedener Landeskulturen ermOglicht.^^ Anhand der dimensionsspezifischen Rangposition in der Gesamtstichprobe lasst sich bspw. erkennen, dass sich die deutsche Kultur im globalen Vergleich durch eine eher mittlere Unsicherheitsvermeidung, durch tlberdurchschnittliche Auspragungen der Maskulinitat und des Individualismus sowie durch eine unterdurchschnittliche Machtdistanz und Langfristorientierung auszeichnet. Die genannten Kulturdimensionen sollen im Hinblick auf die Verdeutlichung kultureller Unterschiede sowie als Grundlage der spateren Diskussion kultureller EinflUsse auf intemationale Geschaftsbeziehungen im Folgenden allgemein skizziert werden.
3.1.2.1
Machtdistanz
Die Kulturdimension der Machtdistanz erfasst die Beziehung zwischen Vorgesetzen und Untergebenen in der Form existierender und erwarteter Unterschiede der gegenseitigen Verhaltensbeeinflussbarkeit (vgl. hierzu Tab. 3-1). HOFSTEDE beschreibt Machtdistanz als das „AusmaB, bis zu welchem die weniger machtigen Mitglieder von Institutionen ... erwarten und akzeptieren, dass Macht ungleich verteilt ist."^^ Auswirkungen dieser Dimension finden sich somit tlberall dort, wo quasi hierarchische Beziehungen vorliegen.^^ Von betriebswirtschaftlicher Relevanz sind neben der Vorgesetzten-Untergebenen-Beziehimg in einem Untemehmen bspw. auch Geschaftsbeziehungen mit ungleicher Machtverteilung. Eine hohe Machtdistanz liegt tendenziell in asiatischen, afrikanischen, lateinamerikanischen sowie stideuropaischen Landem vor, wahrend das restliche Europa sowie Nordamerika sich eher durch eine geringe Machtdistanz auszeichnen."
Vgl. Chinese Culture Connection (1987) sowie Hofstede/Bond (1988) sowie die Ausfilhrungen in Kapitel 3.1.2.5. Vgl. insb. McSweeney (2002). Vgl. auch die bei Sendergaard (1994), S. 449 aufgefiihrte BeitrSge. Die Indexbildung fliBt auf ausgewShlten Fragen oder auf Faktorwerten, die Uber einfache mathematische Transformationen zu einem Spektrum von 0 bis 100 tlberfiihrt wurden. Vgl. z. B. Hofstede (1982), S. 75 f Hofstede (1993), S. 42. Hofstede nennt neben der Beziehung von Vorgesetzten zu Untergebenen bspw. das Verhaltnis von Eltera zu Kind, Lehrer zu SchUler, Btirger zu Staat. Vgl. Hofstede (1993), S. 46 ff. Vgl. Hofstede (1993), S. 40.
Das spezielle Erkenntnisobjekt der kulturUbergreifenden Geschaftsbeziehung
84
1 Definition
Operationalisierung
• „The Power Distance between a boss B and a Subordinate S in a hierarchy is the difference between the extent to which B can determine the behavior of S and the extent to which S can determine the behavior of B." (Hofstede 1982, S. 72) • Item A: Angst des Untergebenen einem Vorgesetzten gegenUber eine abweichende Meinung zu vertreten (Ordinalskala: 1 - sehr h&ufig bis 5 - sehr selten) • Item B: Anteil der Vorgesetzten, die einen autokratischen oder patriarchalischen Stil pral 2 c c
V^
eo 5
c
0 ) >CQ
?|!
3
ll
2^ c ^1 1^1 11 = fl ^ 'c -c ««« •2 2-E lK iOsm O.S.m
E o
M
||
1^2
C (Q 0) C
(0 U « I- .!S
wa
»1
"O LU
c O
•s 5
i =
i|
2I
S|
Jl
^
•ii
-l§
o o .2
§11
Zum Stand der Forschung
105
I (0 C
ffl
111
P II 11 M E c ®
El
lis III
1 0)
H
ill m1 III
00
lis SI'S
si"" .2 .£ 5
c E= O — Q)
»•%
i| ® g 3 (0
If
II II
P|l
ill" ^ Q (£
5 ®
E
au einer Beziehung ist femer der Riickgriff auf gemeinsame Bekannte, die als Referenz dienen. Da auf diesem Wege jedoch ziigig zahlreiche Verpflichtungen resultieren konnen,^^^ gilt auch die Selektion und Einschrankung der Intensitat der Beziehungen als Teil eines bewussten Managements von guanxi. Obwohl gemeinsam untemommene nicht-geschaftlich orientierte Aktivitaten auch im Geschaftsleben westlicher Kulturen eine Rolle spielen, besitzen Einladungen, gegenseitige Besuche, gemeinsame Abendessen etc. in China eine besondere Bedeutung.^°' Bspw. ist es in China zu Beginn von Verhandlungen tiblich, iiber die Ausrichtung von Banketten oder Shnlichen Veranstaltungen eine freundschaftliche Atmosphare zu schaffen, die Bedeutung der Verhandlung bzw. der Beziehung zu verdeutlichen sowie dem Geschaftspartner ,Gesicht' zu
195 196 197 198 199 200
Vgl. zur Unterscheidung von Geschaftsfreunden und persfinlichen Freunden Shenkar/Ronen (1987b), S. 271. Vgl. Buttery/Leung (1998), S. 384. VgI.Stefrens(1998), S.21. Vgl. Yeung/Tung (1996), S. 62 f. Vgl. Buttery/Leung (1998), S. 383, Lovett/Simmons/Kali (1999), S. 233 sowie Yau et al. (2000), S. 18 f. Vgl. z. B. Buttery/Leung (1998), S. 384. Aufgnind der entstehenden Verpflichtungen greifen Chinesen haufig nur zOgerlich auf die Untersttttzung von Aufienseitem auBerhalb der eigenen Gruppe zurUck. Vgl. Shenkar/Ronen (1987b), S. 270. Vgl. Tai (1988), S. 8; Simmons/Munch (1996), S. 93 ; Woo/Prud'homme (1999), S. 320; Yau et al. (2000), S. 21.
216
Das konkrete Erkeimtnisobj ekt deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
verschaffen.^^^ Auch die tJberreichimg von pers6nlichen Geschenken, die in westlichen Kulturen schnell in eine inhaltliche NShe zur Korruption und Bestechimg genickt wird, wird in China als selbstverstandlich auf dem Weg zur Etablienmg einer langfristigen, pers6nlichen Beziehung gesehen.^"^ Ftir den Aufbau einer guten personlichen Beziehung ist aufgnind der gegensatzlichen kulturellen Wertesysteme bei deutsch-chinesischen Geschaftsbeziehungen ein iMngerer Zeitraum anzusetzen als bei intrakulturellen Geschaftsbeziehungen. Dabei ist zusatzlich zu bedenken, dass der Aufljau von persOnlichen Beziehungen, die nicht auf der eigenen Herkunft, sondem auf sozialen Interaktionen basieren, innerhalb der chinesischen Kultur langsamer als in westlichen Kulturen erfolgt.^^^ Da eine personliche Beziehung ein beidseitig zu definierendes Phanomen darstellt, wird die Geschwindigkeit der Annaherung durch den zogerlicheren Partner bestimmt. Aufgnind der kulturellen Einstellungen wird dies in den meisten Fallen der chinesische Geschaftspartner sein. Die deutsche Seite muss in diesem Fall auch eine eher langsame und vorsichtige Annaherung akzeptieren und dem chinesischen Partner ihrerseits mit Geduld und Ausdauer begegnen. Der notwendige langfristige Horizont dieses personlichen Beziehungsaufbaus lasst es auch ratsam erscheinen, iiber entsprechende organisatorische und personalpolitische MaBnahmen die Haufigkeit von Wechseln der zustandigen Kontaktpersonen eher gering zu halten.^^^ Die somit teilweise erheblichen Anstrengungen, die zum Auft)au enger personlicher Beziehungen untemommen werden mtissen, sowie die aus personlichen Beziehungen entstehenden eigenen Verpflichtungen machen ein differenziertes Vorgehen notwendig. So ist eine Selektion der chinesischen Geschaftspartner vorzunehmen, zu denen eine besonders intensive Bindung aufgebaut werden soil. Hierbei wird nicht nur der Stellenwert einer unmittelbaren zuzuordnenden Geschaftsbeziehung zu berucksichtigen sein, sondem auch die weiteren Beziehungen der Kontaktperson, die gegebenenfalls eine indirekte Ausdehnung des eigenen Beziehungsnetzwerkes ermoglichen.
202 203
204 205
Vgl. Shi (2001), S. 167. Vgl. z. B. Simmons/Munch (1996), S. 93; Woo/Prud'homme (1999), S320 sowie LeungA'eung (1995), S. 74 ff. Die aus Geschenken resultierenden Verpflichtungen starken die Beziehung, wobei die Erwiderung in der Regel nicht unmittelbar zu erfolgen hat. Geschenke sind demnach auch gelOst von einzehien Entscheidungen zu betrachten. Entscheidend ftlr die Wirksamkeit von Geschenken ist das richtige MaB und Timing der Ubergabe. Yau et al. (2000), S. 22 sprechen nicht zu Unrecht von „the art of presenting a gift". Vgl.z.B.Osland(1990), S.6. Vgl. hierzu bspw. den Befiind von Luo (2001), S. 192 ff. der bei intemationalen Joint Ventures in China einen signifikanten positiven Einfluss der Lange der personlichen Zusammenarbeit auf die empfundene persOnliche Verbindung ermittelt.
Gestaltimgsempfehlungen fUr das Management deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
217
4.3.3.2 Management der Interaktionsebene Die Interaktionsebene bildet die Gmndlage ftr die prozessuale Abwicklung der bezweckten Transaktionen. Im Rahmen der empirischen Untersuchimg konnte nachgewiesen werden, dass die Interaktion insbesondere durch das Kommunikationsniveau sowie das KonfliktausmaB bestimmt wird. Aufgnmd der diversen direkten und indirekten Effekte konnte femer gezeigt werden, dass die Interaktionsebene einen wichtigen Einfluss auf die Qualitat deutschchinesischer Geschaftsbeziehimgen besitzt. Im Blickpimkt der Gestaltungsempfehlungen stehen somit Handlimgsempfehlungen fiir die spezifische Gestaltung der Kommunikation und fiir ein erfolgreiches Konfliktmanagement.^^^
4.3.3.2.1 Kommunikationsgestaltung Die pfadanalytische Untersuchung hat einen starken positiven Einfluss des Kommunikationsniveaus auf die Beziehungsqualitat der untersuchten deutsch-chinesischen Geschaftsbeziehungen bestatigt. Wesentliche Komponenten des Kommunikationsniveaus sind vor allem die Haufigkeit und die Offenheit der Kommunikation. Im Hinblick auf die KommunikationshSufigkeit ist somit trotz eventuell groBer raumlicher Distanzen eine enge Zusanmienarbeit anzustreben, fUr die die entsprechenden organisatorischen Voraussetzungen geschaffen und Kommunikationswege aufgebaut werden mtissen. Wahrend die Kommunikationshaufigkeit somit letztlich vom Einsatz der Geschaftspartner sowie von infrastrukturellen Voraussetzungen abhangt, ist die empfundene Kommunikationsoffenheit starker durch den kuhurubergreifenden Kontext beeinflusst. Die Kommunikationssituation deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen ist zunachst entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mindestens zwei voUig unterschiedliche Sprachen in Verbindung mit imterschiedlichen Schriften aufeinandertreffen und somit z. T. massive Sprachbarrieren auftreten.^°^ Bereits die chinesische Sprache umfasst mehr als ein Dutzend gesprochener Dialekte. Der Wortschatz und die Intonation sind hierbei haufig derart unterschiedlich, dass selbst eine VerstSndigung zwischen Sprechem verschiedener Dialekte haufig nur iiber gemeinsame Schriftzeichen oder gegebenenfalls iiber die Amtssprache Mandarin^"*
206 207
Fflr einen Uberblick Uber das soziale Interaktionsverhalten in der chinesischen Kultur vgl. Gabrenya/Hwang (1996). Schwierigkeiten der Ubersetzung kOnnen bspw. am Begriff der .Kommunikation' verdeutlicht werden. Eine aquivalente Ubersetzung dieses BegrifiFs existiert nicht. ,Reden' wird bspw. nur als besondere Eigenschail von wenigen ausgewShlten Personen gesehen, die eine Gabe zum Reden (neng shuo) besitzen. Die besten Ubersetzungen des Verbs ,kommunizieren' sind ,verbinden' (gou tong), ,austauschen' (jiao liu) sowie .verbreiten' (chuan bo). Vgl. Gao/TingToomey/Gudykunst (1996), S. 280 f. Vgl. zu den Sprachbarrieren femer Lee/Lo (1988), S. 48. Die international gelaufige Bezeichnung Mandarin ist identisch mit dem Dialekt Putonghua, der seit 1955 die ofTizielle Amtssprache darstellt. Als zweiter wichtiger Dialekt gilt das in Hongkong und der stidlichen Provinz Kanton gesprochene Kantonesisch. Vgl. Osland (1990), S. 4
218
Das konkrete Erkenntnisobj ekt deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
moglich ist.^°^ Die Fremdsprachenkenntnisse chinesischer Geschaftspartner gelten zudem nach wie vor als recht eingeschrankt. Zwar besitzen zumindest jiingere Gesprachspartner, die mittlerweile auch teilweise auf (Studiums-)aufenthalte im Ausland zuriickblicken, in zimehmendem MaBe Englischkenntnisse.^'° Bei alteren, hierarchisch hoher angesiedelten Gesprachspartnem liegt jedoch neben den geringen sprachlichen Fahigkeiten haufig auch eine geringere Bereitschaft zur Kommunikation in einer Fremdsprache vor.^" Der Schwierigkeitsgrad der chinesischen Sprache fUhrt im Gegenzug dazu, dass auch deutsche Manager nur in seltenen Fallen des Chinesischen m^chtig sind.^'^ Selbst deutsche Expatriates, die bereits seit mehreren Jahren in Hongkong bzw. der VR China tatig sind, stellt die Meisterung alltaglicher Aufgaben im Chinesischen haufig vor unlosbare Herausforderungen. Die inhSrenten Sprachbarrieren stellen die Kommimikation im Rahmen deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen somit haufig vor massive Probleme. In gUnstigen Fallen konnen deutsche und chinesische Geschaftspartner gemeinsam auf die englische Sprache ausweichen. Selbst falls hierdurch eine sachbezogene Verstandigung erzielbar ist, geht jedoch mit diesem beidseitigen Verzicht auf die eigene Muttersprache in aller Regel ein Verlust an subtileren Ausdrucksformen einher.^'^ Haufig ist jedoch eine indirekte Kommunikation iiber Dritte notwendig - mit samtlichen hieraus resultierenden Problemen der Filtenmg, Selektion und Verzerrung von Informationen. Als kritisch beim Einsatz von Dolmetschem wird u. a. die Tatsache gesehen, dass Dolmetscher haufig die relevanten geschaftlichen Sachverhalte und Praktiken nur begrenzt Uberblicken.^''' Daneben stellt sich die Frage, ob der Dolmetscher als eine Art neutrale Drittpartei fungieren sollte bzw. kann, oder ob er einer der beiden Partneruntemehmen zuzurechnen sein sollte.^^^ Uber die Sprache hinaus zeigen sich jedoch zahlreiche weitere Unterschiede im Kommunikationsverhalten (vgl. Tab. 4-14).^^^ Im Vergleich mit der westlichen Kultur erfolgt die chinesi-
Chung (1995), S. 50 weist darauf hin, dass sich die regionalen Dialekte teilweise „starker unterscheiden als das Deutsche vom Englischen." Vgl. z. B. Messmarm (1995), S. 121. Dies gilt ebenso filr die in Hongkong ansSssigen bzw. aufgewachsenen chinesischen Manager. Vgl. Osland (1990), S. 4 f., Chung (1995), S. 51. Vgl. Schwantes (1999), S. 33. Vgl.Knapp(1991),S. 11. Vgl. Osland (1990), S. 4; Nair/Stafford (1998), S. 14. Messmann (1995), S. 121 gibt an, dass der Bedarf an qualifizierten Dolmetschem aufgrund der massiv angestiegenen Zahl von Joint Ventures in China nicht immer adaquat gedeckt werden kann. Vgl. hierzu Johnston (1991), S. 209, der aufgrund des notwendigen Einsatzes filr einen Geschaftsabschluss dafilr eintritt, dass der Dolmetscher nicht gSnzlich neutral sein soHte, sondem sich einem Partneruntemehmen verbundenfilhlensollte. Vgl. zum allgemeinen chinesischen Kommunikationsverhalten umfassend Gao (1998) sowie Chung (1995).
Gestaltungsempfehlungen fUr das Management deutsch-chinesischer GeschSftsbeziehungen
Deutsche Kommunikation
Chinesische Kommunikation 1 -
personenbezogen ganzheitlich / synthetisch non-linear / polychron indirekt / verdeckt hfiflich introvertiert lernend harmoniebestrebt
219
-
sachbezogen analytisch linear / monochron dlrekt / offen aggressiv extrovertiert belehrend ergebnisorientiert
Tab. 4-14: Deutsches und chinesisches Kommimikations- und Informationsverhalten Quelle: inAnlehnung an Chung (1995), S. 57
sche Kommunikation in viel stSrkerem MaB in impliziter imd/oder indirekter Forai.^^^ Eine Botschaft wird folglich nicht so sehr durch das gekennzeichnet, ,was' gesagt wird, als durch das ,wie' etwas gesagt wird.^^* Dies fUhrt dazu, dass auch die nonverbale Kommunikation eine bedeutende Stellung einnimmt. Gestik und Mimik sind ihrerseits Trager von Botschaften, die haufig essentiell ftir eine effektive Kommunikation sind.^'^ Femer werden Sachverhalte zum Teil bewusst nicht ausgesprochen, um Interpretationsspielraume offen zu lassen oder um eine BrUskierung und Zurtickweisung zu vermeiden.^^^ Als primSre Funktion der Kommunikation wird generell nicht so sehr der Austausch von Informationen wie die Aufrechterhaltung existierender Beziehungen zwischen Individuen, die Bestatigimg von RoUen und Statusunterschieden sowie die Bewahrung von Harmonie gesehen.^^^ Ausgehend von unterschiedlichen RoUen oder etwaigen Statusunterschieden wird femer eine starke Asymmetric der Kommunikation bzgl. des Rede- bzw. des Zuhoranteils akzeptiert bzw. vorausgesetzt.^^^ Die resultierende Praferenz der Chinesen fiir das Zuhoren hilft einer Vermeidung u. a. von manifesten Konflikten.^^^ Die Wahrung der Harmonie als Ziel der Kommunikation wird femer durch die besondere Beachtung von Hoflichkeitsprinzipien und Zuruckhaltung verfolgt.^^"* In Verbin-
218 219
222 223 224
Vgl. z. B. Gao/Ting-Toomey/Gudykunst (1996), S. 281 ff. Die chinesische Kultur ist in der Typologie von HALL als ,High Context' Kultur einzustufen. Vgl. hierzu Hall (1976). Vgl.Gao(1998), S. 170. Gleichzeitig bietet die Bedeutung der KOrpersprache auch potenzielle kulturelle Missverstflndnisse. So gilt z. B. in der VR China das Vermeiden eines intensiven Augenkontaktes als Respektsbekundung und die Haltung der FtlBe direkt auf den Gesprachspartner sowie das Zeigen der FuBsohle als unhftflich. Vgl. Joy (1989), S. 30 sowie Nass (1998), S. 239 fif. Vgl. bspw. Shenkar/Ronen (1987b), S. 267 f.; O'Keefe/O'Keefe (1997), S. 192 sowie Yau et al. (2000), S. 19. Vgl. Gao (1998), S. 168. Gao/Ting-Toomey/Gudykunst (1996), S. 290 Ziehen folgendes Fazit: "It can be argued that engaging in face-saving and face-negotiating behaviour is considered more important than its honest and tnithfiil communication. That is, providing the appropriate information at the appropriate time and context is more a desirable process than is honest and truthful communication." Vgl. z. B. GaoATing-Toomey/Gudykunst (1996), S. 285 f Vgl. Gao (1998), S. 172 ff. Vgl. auch die Ausftlhrungen zum spezifischen Konfliktverhalten im folgenden Kapitel. Vgl. z. B. Shenkar/Ronen (1987b), S. 267 f; GaoA'ing-Toomey/Gudykunst (1996), S. 286 f
220
Das konkrete Erkenntnisobjekt deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
dung mit der Bedeutimg der Gesichtswahrung kann daher eine verbale Zustimmung jedoch lediglich der Wahrung der Harmonie in der konkreten Situation dienen, ohne einen Ausdruck einer Ubereinkunft darzustellen.^^^ Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist eine starke Differenzierung des Kommunikationsverhaltens bezuglich der Kommunikation mit Mitgliedem und Nicht-Mitgliedem der eigenen Gruppe.^^^ Beim Kommunikationsprozess zwischen deutschen und chinesischen Geschaftspartnem gilt es femer wichtige Unterschiede im Informationsverhalten^^^ zu beachten. Im Gegensatz zur analytischen, zerteilenden westlichen Denktradition verfolgt die chinesische Kultur einen eher ganzheitlichen Denkansatz. Probleme werden nicht direkt angegangen, sondem im Rahmen von Gesprachszyklen eingekreist.^^* WShrend in westlichen Kulturen eine Prilfung iiber unabhangige Quellen erfolgt, wird in der chinesischen Kultur die Korrektheit und der Wert von Informationen eher uber die personliche Erfahrung und Intuition geprtift. Eine ausschliefilich rationale und analytische Nahenmg an Entscheidungsprobleme wird angesichts der per se anzunehmenden und zu akzeptierenden Unsicherheit und Dynamik der Umwelt als ungeeignet erachtet.^^^ Das spezifische Inforaiationsverhalten steht hierbei in einem Zusammenhang mit dem unterschiedlichen Zeitverstandnis der chinesischen Kultur. Wahrend Zeit in westlichen Kulturen als monochron, linear und absolut gesehen wird, geht die chinesische Kultur von einem polychronen, non-linearen, wiederholenden und ereignisbasiertem Zeitverstandnis
Das spezifische chinesische Kommunikationsverhalten fthrt zu einer Reihe von Gestaltungsempfehlungen ftir das Management von deutsch-chinesischen Geschaftsbeziehungen. Im Hinblick auf die Vermeidung der Schwierigkeiten, die sich aufgnmd der genannten Sprachbarrieren stellen, sind Anstrengungen ftir den Erwerb eigener chinesischer Sprachkenntnisse die am nachsten liegende Mafinahme. Angesichts der Fremdartigkeit der chinesischen und deutschen Sprache wird jedoch ftir die meisten deutschen Manager ausgehend von geringen Vorkenntnissen tiber einen kurz- bis mittelfristigen Zeitraum kaum ein ausreichendes Sprachniveau zur Abwicklung geschaftlicher Transaktionen erreichbar sein. Wenn nicht bereits bei der Einstellung des deutschen Managers chinesische Sprachkenntnisse vorhanden sind, wird auf den Rtickgriff auf die englische Sprache oder chinesische Angestellte bzw. Dolmetscher kaum verzichtet werden konnen. Gleichwohl kann der Erwerb auch geringfiigiger Sprach-
^^^ Vgl. z. B. Joy (1989), S. 30 f. ^^^ Vgl. GaoA-ing-Toomey/Gudykunst (1996), S. 287 ff.; Gao (1998), S. 176 ff. 227
Vgl. allgemein Gemtlnden (1992), Sp. 1010 ff. ^^* Vgl. Chung (1995), S. 52. ^^^ Vgl. O'Keefe/O'Keefe (1997), S. 194. 2^0
Vgl. Joy (1989), S. 31; Kirkbride/Yang/Westwood (1991), S. 368 sowie Paik/Tung (1999), S. 110.
Gestaltungsempfehlungen fUr das Management deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
221
kenntnisse neben einer Verbessenmg der Verstandigung auch als ein Zeichen der Wertschatzung des Geschaftpartners und des nachhaltigen Interesses an der Geschaftsbeziehung gesehen werden. Ausgehend von der fehlenden gemeinsamen Sprache sowie aufgrund der Tendenz zu indirekter und impliziter Kommunikation erscheint der Erwerb einer chinaspezifischen^^^ interkulturellen Kompetenz unerlasslich, um samtliche Kommunikationsinhalte korrekt deuten zu konnen.^^^ Missverstandnisse basieren aufgrund der kulturellen Unterschiede nicht nur auf fehlerhaften tFbersetzungen, sondem auch auf Fehlinterpretationen. Ein Beispiel hierfUr ist es, ein Schweigen oder sogar eine verbale Zustimmung der chinesischen Geschaftspartner, das lediglich der situationsbezogenen Wahrung des Gesichts dient, als Form der Zustimmung zu interpretieren.^^ GAO veranschaulicht dies pragnant an folgendem einfachen Konversationsbeispiel: „American: You said yes. Chinese: That doesn't mean I agree"^^^ Umgekehrt gilt es durch ein kultursensibles Verhalten auch Fehlinterpretationen und Irritationen auf der chinesischen Seite vorzubeugen. So soUte in Erwagung gezogen werden, das eigene Kommunikationsverhalten bis zu einem bestimmten Grad anzupassen, indem selbst eine grSfiere Geduld, verbale ZurUckhaltung imd Hoflichkeit eingebracht wird.^^ Beziiglich der in westlichen Kulturen tiblichen direkten und offenen Form der Kommunikation gilt es zu bedenken, dass diese von Chinesen haufig als bedrohlich und aggressiv empfunden wird.^^^ Auch die Verwendung von Scherzen, die in der westlichen Geschaftswelt haufig zur Auflockerung der Gesprachsatmosphare dienen, wirkt auf chinesische Geschaftspartner haufig eher verunsichemd und arrogant.^^^
Vgl. abweichend Griffith/Harvey (2001), S. 93. Sie fordem aus Effizienzgesichtspunkten den Aufbau efFektiver und adi^tierbarer Kommunikationspotentiale, dieflexibelfUr eine Vieizahl kuiUirabergreifender Geschaftsbeziehungen einsetzbar sein sollten. Vgl. hierzu die Einschaizung von Kale (1991), S. 28: „Cultural sensitivity and cultural adaptation have tremendous potential to increase the effectiveness of cross-cultural marketing communication." Ting-Toomey/Kurogi (1998), S. 204 weisen zudem darauf hin, dass der chinesische BegrifF ,rmg'filrZuhOren in der voUstflndigen Ubersetzung wie folgt lautet: ..listening with your ears, eyes and one heart". Vgl. Morris et al. (1998), S. 730. Hieraus resultierende Missverstandnisse kOnnen zu erheblichen Frustration auf Seiten westlicher Interaktionspartner filhren und bei in falschem Glauben eingeleiteten MaBnahmen Geschaftsbeziehungen sogar in ihrer Existenz gefahrden. Gao (1998), S. 163. Ting-Toomey/Kurogi (1998), S. 207 unterbreiten hierzu u. a. folgende Vorschlage: ,J*ractice patience and verbal restraint in articulating interests, goals and wants, ... use self-effacing questions to encourage the others to coach you or show you the way, ... accept longer turn-taking pauses and reflective silences". Zur groBen Bedeutung von Geduld bei Verhandlungen mit chinesischen Geschaftspartnem vgl. femer z. B. Lee/Lo (1988), S. 49; Tai (1988), S. 8; Pye (1992), S. 13; PaikA'ung (1999), S. 110fif.;Ghauri/Fang (2001), S. 320 f Vgl. George/Jones/Gonzales (1998), S. 759.
222
Das konkrete Erkenntnisobjekt deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
Femer sollten die deutschen Partneruntemehmen auch die eingesetzten Kommimikationswege situationsspezifisch auswahlen. Bei schrifllicher Kommunikation gilt es zu bedenken, dass schriftliche Vereinbanmgen in China im Vergleich zu westlichen Kulturen eine geringere Bedeutimg besitzen. Zumindest bei bedeutenden Abstimmungsprozessen oder Verhandlungen bietet es sich zudem an, auf persOnliche Face-to-Face Kommunikation und idealerweise ein (grOBeres) eigenes Team zuriickzugreifen, bei denen Fehldeutungen tendenziell leichter vermieden bzw. Informationen unmittelbarer validiert werden kSnnen.^^* Ein in diesem Fall eingesetzter Dolmetscher soUte „nicht nur Obermittler des Gesagten oder Geschriebenen sein, sondem auch ein Vermittler zwischen zwei Kulturen, verschiedenen Sitten und Gewohnheiten.""^ Die Entscheidimg iiber den Ortlichen Trefipunkt fiihrt in der Kegel bereits zu wichtigen Konsequenzen ftir die Konmiunikationssituation, da tiber die GastgeberroUe ein wichtiger Einfluss auf die Tagesordnung genonmien werden kann und zudem groBere finanzielle, personelle und zeitliche Restriktionen auf der Seite des Gastes vorliegen. Aufgrund der spezifischen Konstellationen bei deutsch-chinesischen Geschaftsbeziehungen wird der Verhandlungsort mehrheitlich in China liegen, so dass de facto haufig eine strukturelle Benachteilung der deutschen Partneruntemehmen resultiert.^^° Falls der Ort der Verhandlungen nicht beeinflussbar ist, soUte zumindest die strukturelle Benachteiligung soweit moglich und notwendig durch angemessene Kapazitaten begrenzt werden. Kostentlberlegungen fiihren zudem oft dazu, dass hierarchisch hochrangige westliche Manager in China hSufig nur zu Beginn an Verhandlungen teilnehmen und tiefer angesiedelte Manager die Verhandlungen weiter fiihren und konkretisieren. Die aus einer derartigen Arbeitsteilung resultierenden Probleme, wie eine zu filihe Einengung des Handlungsspielraumes sowie Konfliktpotentiale innerhalb des eigenen Verhandlungsteams,^^' gilt es ebenso zu minimieren und die Vorteile wie den Zeitgewinn bei notwendigen intemen Konsultationen zu nutzen.^^^
Die im Rahmen deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen empfimdene Kommunikationsoffenheit bestinmit sich nicht nur durch kulturbedingte Unterschiede und Missverstandnisse,
237 238
Vgl. Chung (1995), S. 53. Zur Empfehlung mehrpersonaler Teams vgl. z. B. Lee/Lo (1988), S. 49. Vgl. femer den Befund der bivariaten Analyse in Kapitel 4.2.3.2, die bei der Haufigkeit der Face-to-Face Kommunikation einen signifikanten Unterschied zwischen erfolgreichen und nicht-erfolgreichen Geschaftsbeziehungen ermittelte. Messmann (1995), S. 121. Nair/Stafford (1998), S. 141 pladieren aufgrund der schwierigen Ubersetzungsaufgabe filr den Emsatz mehrerer Dohnetscher, die zudem durch eine Tatigkeit innerhalb des eigenen Untemehmens geschaitsspezifische Kenntnisse mitbringen sollten. Vgl. hierzu Frankenstein (1986), S. 155; Pye (1992), S. 32 sowie Paik/Tung (1999), S. 106 f Vgl.z.B.Pye(1992),S.32. Vgl. bspw. StefFens (1998), S. 21.
Gestaltungsempfehlungen fUr das Management deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
223
sondem durch den Grad der bewussten Informationsweitergabe. Entscheidend ist somit die Einstellung gegentiber einer offenen Kommimikation, die situativ variieren wird. Zum einen wird - wie Ergebnisse der Pfadanalyse belegen - das zwischen den Tragem der Geschaftsbeziehung bestehende VertrauensverhSltnis und die pers6nliche Beziehung zu beriicksichtigen sein. Liegt einefreundschaftlicheBeziehung vor, kann eher auf ein kooperatives Kommunikations- und Verhandlungsverhalten gesetzt werden. Hierbei gilt es zugleich zu bedenken, dass eine erzielte Obereinkunft aus chinesischer Perspektive weniger als Abschluss einer Transaktion denn als ein weiterer Schritt der Starkung dieses freundschaftlichen Rahmens der Beziehung gesehen wird. ^*^ Daneben muss die jeweilige Rolle der deutschen Untemehmung berucksichtigt werden. So ist bei vertikalen Leistungsbeziehungen fiir einen Kunden eine offene Informationsweitergabe in der Kegel unproblematischer, da es letztlich um die Ubermittlung der eigenen Anforderungen und Bedtirfhisse geht. Hierbei wird im eigenen Interesse lediglich darauf zu achten sein, dass eine rechtzeitige und prazise Information erfolgt. Auf der Seite eines Lieferanten kOnnen jedoch eher Bedenken gegen eine offene Kommunikation auftreten. Im Hinblick auf die Sicherung eines Auftrages konnen beispielsweise falsche Angaben und Zusicherungen gemacht werden oder Probleme bei der Abwicklung nicht rechtzeitig bekannt gegeben werden. Die lediglich subtile eher indirekte Ansprache von Problemen seitens chinesischer Lieferanten ist dabei auf die konfuzianischen Wurzeh der chinesischen Kultur zuriickzufiihren. „While this passivity and politeness are at best puzzling to the Westerner, a Chinese cognizant of the Confucian principles of behaviour would cite this as an example of virtuous behaviour: show respect and consideration for others; treat others as you would like to be treated. In particular, do not tell them things that may be disconcerting."''' Derartige Fehl- bzw. Nichtinformation konnen jedoch zu erheblichen negativen Konsequenzen beim Abnehmer einer Leistung fOhren und die Beziehungsqualitat massiv schadigen. Deutsche Untemehmungen milssen daher ihrerseits bereits auf schwache Signale seitens der chinesischen Lieferanten reagieren. Zudem stellt sich die -angesichts der kulturellen Pragung - schwierige Aufgabe, die chinesischen Partneruntemehmen tiber angemessene differenzierte Reaktionen und tiber den Aufbau einer vertrauensvollen und engen Beziehung zu einer offeneren Kommunikation ermutigen.
^'^ Vgl. McGuinnes et al. (1991), S. 188. ^^ O'Keefe/O'Keefe (1997), S. 192.
224
Das konkrete Erkeimtnisobjekt deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
Filr den imigekehrten Fall des Markteintritts deutscher Firmen als Lieferanten industrieller Gtiter in China stellen sich besondere Probleme. Haufig ist (insbesondere beim Aufbau gemeinsamer Joint Ventures) der Zugang zu technologischen Informationen explizites Ziel der chinesischen Seite.^'*^ Jedoch werden bestehende Eigentumsrechte westlicher Firmen haufig in geringerem MaBe geachtet, als es in westlichen Kulturen iiblich ist.^"*^ PYE beschreibt die diesbeztiglich vorherrschende Einstellung wie folgt.: „... it is worth emphasizing the Chinese tendency to undervalue the costs of knowledge. On the one hand they do not seem to appreciate whatever knowledge they are given, accepting it as their rightful due; on the other hand, they may become resentful when they are denied free access to knowledge they feel they deserve."^"*' Die verfolgte Konmiunikationsoffenheit der deutschen Untemehmung wird daher differenziert zu bewerten sein. Stehen wertvolle, wettbewerbskritische Informationen im Zentrum der Interaktion, kann es vorteilhaft sein, die negativen Risiken ftlr die Beziehungsqualitat imd eventuell hieraus folgend fUr die Existenz der jeweiligen Geschaftsbeziehung zu akzeptieren und auf eine allzu offene Kommunikation zu verzichten. Die Imitierbarkeit des Wissens und die Bedeutung der Geschaftsbeziehung werden somit zu entscheidenden GroBen.
4.3.3.2.2 Konfliktmanagement Der Konfliktgehalt steUt die zweite Dimension der Interaktionsebene deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen dar und steht erwartungsgemaB in einer negativen Wirkungsbeziehung zur Beziehungsqualitat. Im Rahmen von Geschaftsbeziehungen bieten abweichende Interessenlagen stets zahlreiche potenzielle Ursachen fiir Konflikte. Meinungsverschiedenheiten k6nnen bspw. beztiglich des vereinbarten Leistungsaustausches, des Einsatzes fiir eine Geschaftsbeziehung, der Weitergabe bzw. Nichtweitergabe kritischer Informationen oder der Verteilung gemeinsam erzielter Erfolge auftreten. Im speziellen Fall deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen liegen in der Kegel vergleichsweise unterschiedliche Interessenslagen vor.^"** Zwar mtissen die verfolgten Interessen nicht zwangslaufig in einer konfliktionaren Beziehung zueinander stehen.^"*^ So erganzen sich bspw. das chinesische Interesse an Kapitalinvestitionen und das deutsche Interesse am Marktzugang zur VR China. Bei stark unter-
247 248
Vgl. Shenkar (1990), S. 85. Vgl. femer Si/Bruton (1999), S. 84 ff. filr eine differenzierte Beurteilung der wissensbezogenen Ziele der beiden Partnerseiten. In ihrer Befragung westlicher und chinesischer Manager von Joint Ventures in der VR China traten bei 9 von 10 Zielen signifikante Unterschiede hinsichtlich der Beurteilung der Wichtigkeit auf. Der Erwerb technologischen Wissens stellte dabei das wichtigste Ziel der chinesischen Seite dar. Vgl. z. B. Frankenstein (1986), S. 152, Nair/Stafford (1998), S. 144 sowie Pye (1992), S. 46 f. Vgl. Pye (1992), S. 46. Vgl. z. B. Si/Bruton (1999), S. 89. Zu w^eiteren Ursachen von Konflikten in der dt.-chinesischen Zusammenarbeit vgl. z. B. Schneidewind (1995), S. 26 ff. Vgl. hierzu die Konflikt-Konsens-Matrk bei Shenkar (1990), S. 85.
Gestaltungsempfehlungen fUr das Management deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
225
schiedlichen Motiven besteht jedoch die Gefahr, dass die Interessen des Partnerlmtemehmens nicht richtig bewertet und berticksichtigt werden. Im Hinblick auf ein erfolgreiches Konfliktmanagement deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen erscheint es notwendig, neben einer Ordnung der eigenen Ziele auch ein klares Bild der Interessen des Partneruntemehmens zu erlangen. Das Beziehungsmanagement deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen sieht sich ausgehend von zahkeichen mSglichen Konfliktursachen zusatzlich mit der Herausforderung konfrontiert, dass unterschiedliche Vorstellungen tiber ein adSquates Konfliktmanagement vorliegen. TJOSVOLD, der das spezifische chinesische Konfliktverhalten im Rahmen zahheicher Arbeiten untersucht hat^^°, nimmt hierzu (fiir den Fall von Joint Ventures) wie folgt Stellung: „In addition to the considerable potential for conflict in joint ventures, Chinese and Western partners have different preferences for how they should approach and deal with their conflicts."^^^ Allgemein lassen sich Stile der Konflikthandhabung mit THOMAS anhand der Betonung eigener Interessen sowie der Beachtung von Interessen des Interaktionspartners typologisieren.^" Je nach Kombination dieser beiden unabhSngigen Dimensionen lassen sich vereinfachend funf verschiedene Typen unterscheiden (vgl. hierzu Abb. 4-17). Der im Rahmen von langfristigen Geschaftsbeziehungen zu erwartende bzw. anzustrebende Konflikthandhabungsstil ist dabei in der kooperativen Zusammenarbeit (Typus 2) zu sehen, bei der sowohl die eigenen Interessen als auch diejenigen des Geschaftspartners in hohem MaBe berticksichtigt werden. Bei deutschchinesischen Geschaftsbeziehungen liegen jedoch landeskulturell bedingt unterschiedliche Praferenzen vor. WShrend in westlichen Kulturen das Eigeninteresse tendenziell im Vordergrund steht (Typus 1), ist die Handhabung von Konflikten seitens chinesischer Interaktionspartner maUgeblich durch ein Streben nach Vermeidung offener Konflikte gekennzeichnet, indem weder eine nachhaltige Betonung eigener Interessen noch eine (Jbergewichtung der Interessen des Partners verfolgt wird (Typus 4).^"
250
Vgl. insb. Tjosvold/Hui/Law (2001) und Tjosvold/Sun (2001) sowie die dort aufgefilhrten Studien. ^^^ Tjosvold/Hui/Law (2001), S. 169. ^ " Vgl. Thomas (1992), S. 668 f. ^ " Vgl. insb. Morris et al. (1998), S. 737 ff. Vgl. femer Ting-Toomey et al. (1991); Kirkbride/Yang/Westwood (1991); Tse/Francis/Walls (1994), S. 544 ff.
226
Das konkrete Erkenntnisobjekt deutsch-chinesischer Geschaflsbeziehungen
Abb. 4-17: Konfliktvermeidungsstile Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Thomas (1979), S, 154
Die PrSferenz ziir Vermeidung von Konflikten ist in der chinesischen Kultur tief verankert. Die Bewahmng von Harmonie im Rahmen interpersoneller Beziehungen stellt eine der wichtigsten Verhaltensmaxime der als hoch kollektivistisch einzuschatzenden chinesischen Kultur dar.^^^ Die Vermeidung von Konflikten wird als notwendiges Instrument zum Erhalt der bestehenden Beziehungen gesehen.^" Konflikte und direkte Konfrontation gelten als auBerst unangenehm, unerwUnscht und sind daher - soweit moglich - durch eine behutsame Interaktion zu vermeiden.^^^ Die offene Ansprache von Konflikten gilt als aggressiv und schSdlich und kann zu einem Gesichtsverlust ftir beide Seiten fiihren.^" Gerade in Konfliktsituationen entfaltet dabei das Konzept der Gesichtswahrung eine besonders starke Verhaltenswirkung. PrSventive und konfliktveraieidende Verhaltensweisen besitzen dabei einen derart hohen Stellenwert, weil in der kollektivistischen Kultur Chinas das Gesicht einer Person vor allem
254
Vgl. Kirkbride/Yang/Westwood (1991), S. 367 ff., Morris et al. (1998), S. 732 flf. sowie Tjosvold/Hui/Law (2001), S. 169f. 255
Vgl. zum Zusammenhang der Bedeutung der Erhaltung existenter Beziehungen und dem Konflikthandhabungsstil die Untersuchung von Morris et al. (1998), S. 734 ff. ^^^ Vgl. Gao (1998), S. 180 sowie O'Keefe/O'Keefe (1997), S. 192. 257
Vgl. KirkbrideATang/Westwood (1991), S. 369 f; Gao (1998), S. 180.
Gestaltungsempfehlungen fUr das Management deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
227
durch die Gruppe bestimmt und nicht als proprietSre Eigenschaft einer Person betrachtet
Die gnindsatzliche Praferenz chinesischer Interaktionspartner ftir die Vermeidung von Konflikten ist jedoch nicht als ein Automatismus zu verstehen. ZunSchst sind die allgemeinen kulturellen PrSferenzen nicht uneingeschrSnlct auf hier relevante geschaftliche Interaktionen tibertragbar.^'^ In AbhSngigkeit von unterschiedlichen komplementSren bzw. konfliktionSren Zielsystemen kSnnen durchaus sowohl konstruktive als auch kompetitive Konflikthandhabungsstile gewShlt werden.^^° WONG ET AL. kSnnen bspw. ftlr den Fall vertikaler Lieferantenbeziehungen in China nachweisen, dass - trotz der kulturellen Praferenz - die Wahl eines konfliktvermeidenden Interaktionsstils die Beziehungsqualitat der untersuchten Lieferantenbeziehungen schwSchen kann und starke gegenseitige AbhSngigkeit somit zum verstSrkten Einsatz kooperativer Strategienfiihren.^^^Femer werden in geschaftlichen Interaktionen selektiv durchaus Vorwtirfe eingesetzt, um den Interaktionspartner vor dem Hintergrund der Wichtigkeit von moralischen Verpflichtungen und der Wahrung des Gesichts im eigenen Sinne zu beeinflussen.^^^ Dartiber hinaus erOffiiet in kulturtibergreifenden Geschaftsbeziehungen die Einschatzung des intemationalen Geschaftspartners als AuBenseiter grOBere Freiheitsgrade bezilglich der von der Norm abweichenden Konflikthandhabungsformen.^"
Auch bei der LOsung manifester, offen zu Tage getretener Konflikte gilt es wiederum kulturelle Besonderheiten zu beachten. Angesichts der hohen Bedeutung eines gegenseitigen respektvoUen Umgangs erscheinen zur Beseitigimg von offenen Konflikten eher OberzeugungsmaBnahmen als Drohungen geeignet.^^ Der unbedachte Einsatz von Druck, bspw. durch angedrohte bzw. ergriffene SanktionsmaBnahmen kOnnen zudem als Zeichen fehlender Kompetenz interpretiert werden und - entgegen der beabsichtigten Wirkung - als Ausdruck des Verlusts der KontroUe Uber eine Interaktionsbeziehung gewertet werden. Zudem steigt die Gefahr angesichts des Konfliktvermeidungsstrebens, dass mit einer abrupten Beendigung der Geschaftsbeziehung seitens der chinesischen Interaktionspartner reagiert wird.^^^
Vgl. hierzu insb. die sog. Face-Negotiation-Theory zum Verhalten zur Gesichtswahning in Konfliktsituationen und den bestehenden Beziehungen zu den Kulturdimensionen des Individualismus und der Machtdistanz. Vgl. TingToomey/Kurogi (1998). S. 189 ff. Vgl. auch Donath/Ivens (2000), S. 74, die bei deutschen Exportmanagem ein Bild eher unkooperativer, unflexibler Geschaflspartner festellen. Vgl. Tjosvold/Hui/Law (2001). Vgl. Wong etal. (1999), S.llfiF. Vgl. Kirkbridenrang/Westwood (1991), S. 369 sowie Tjosvold/Hui/Law (2001), S.170. Die Ergebnisse der Verhandlungsforschung legen jedoch nahe, dass die Anpassung des Verhandlungsstils an eine interkulturelle Verhandlungssituation nur eingeschrfinkt erfolgt. Vgl. bspw. Adler/Graham (1989), S. 527 sowie Tse/FrancisAValls (1991), S. 548 f. Vgl. Tjosvold/Sun (2001), S. 249. Vgl. hierzu den Befund von Tse/Francis/Walls (1991), S. 544.
228
Das konkrete Erkenntnisobjekt deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
Als eine in der chinesischen Kultur wichtige Form der Konfliktlosung gilt die Einschaltung eines Vermittlers, um die Wahrung der Harmonie irnd des Gesichts zu gewahrleisten.^*^ Allerdings stellen sich ftir den Einsatz von Vermittlem zur KonfliktlSsung in kulturiibergreifenden Geschaftsbeziehungen hSufig untiberwindbare Probleme bei der Identifikation eines geeigneten Vermittlers. Aufgrund der hohen Machtdistanz der chinesischen Kultur werden tendenziell hochrangige Personen bevorzugt.^^^ Bei Geschaftsbeziehungen zwischen gleichrangigen Partneruntemehmen kann jedoch zumeist nicht auf hierarchisch legitimierte Vermittler zuriickgegriffen werden. Femer praferieren westliche Kulturen fremde und somit ganzlich neutrale Vermittler, wahrend in der chinesischen Kultur eher auf Personen zurtickgegriffen wird, die in einer engen Beziehung zu beiden Parteien stehen.^^* Aus dem gleichen Grund wird die kooperative Einigung oder Vermittlung haufig auch einer neutralen gerichtlichen Entscheidung vorgezogen.^^^ Die zahlreichen Besonderheiten des chinesischen Konfliktverhaltens fiihren zu besonderen Schwierigkeiten beim Konfliktmanagement. Im Hinblick auf die Etablierung langfristig erfolgreicher Geschaftsbeziehungen soUte in der Kegel eine partnerschaftliche LOsung angestrebt werden, die beide Interessen in Einklang bringt. Aufbauend auf Kenntnissen des spezifischen chinesischen Konfliktverhaltens gilt es, einen situativ angemessenen Konfliktstil zu finden. Eine zu starke, dauerhafte Anpassung an das konfliktvermeidende Verhalten kann dabei auf lange Sicht ebenso nachteilig auf den Erfolg der Geschaftsbeziehung wirken,^^° wie eine allzu ofifene Brtiskienmg zu unmittelbaren, negativen Konsequenzen fiihren kann.^^' 4.3.3.3 Management der sachlichen Ebene Die Gestaltung der sachlichen Ebene deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen besitzt einen wichtigen direkten Einfluss auf die Beziehungsqualitat. Inhaltlich kann die Geschaftsbeziehung auf der Sachebene iiber die zwei unabhangigen Dimensionen der Leistung sowie der im Hinblick auf die Abwicklung der Leistungsprozesse offenbarten Flexibilitat beschrieben werden.
^^ Vgl. Gao (1998), S. 182. ^^^ Vgl. Tse/FrancisAValls (1994), S. 549 sowie Ting-Toomey (1998), S. 196. ^^* Vgl. Fu et al. (2002), S. D4. 269
Vgl. z. B. Sheng (1979), S. 21; Lee/Lo (1988), S. 46.; GaoA'ing-Toomey/Guciykunst (1996), S. 292. ^^° Vgl. Tjosvoldetal. (2001), S.170. " ' Vgl. Chung (1995), S. 54.
Gestaltungsempfehlungen fUr das Management deutsch-chinesischer GeschSftsbeziehungen
229
4.3.3.3.1 Beeinflussung des Leistungsprozesses Die pfadanalytische Untersuchimg identifizierte einen starken positiven Einfluss der Lieferantenleistung auf die Beziehungsqualitat der untersuchten deutsch-chinesischen Geschaftsbeziehungen. Die Leistung wurde hierbei als ein Eigenschaftsbtindel interpretiert, das neben der Qualitat auch Sicherheitsaspekte sowie die Auftiahme von kundenspezifischen Wtinschen berUcksichtigt. Obwohl die Leistung maBgeblich durch die beim Lieferanten angesiedelten Produktionsprozesse bestimmt wird, ilbt somit auch das Beziehungsmanagement tiber die Gestaltung der Zusammenarbeit einen Einfluss auf die Leistung aus. Die hierbei einer Partnenmtemehmung im Rahmen von vertikalen Geschaftsbeziehungen zufallenden Verantwortlichkeiten und MSglichkeiten unterscheiden sich in starkem MaBe in AbhSngigkeit von der Rolle als Abnehmer bzw. Lieferant. Der empirischen Untersuchung dieser Arbeit liegen Geschaftsbeziehungen zu chinesischen Lieferanten zugrunde, in denen die deutsche Untemehmung die Position des Abnehmers einnimmt. In dieser Rollenkonstellation liegt ein erster Ansatzpunkt fiir ein erfolgreiches Geschaftsbeziehungsmanagement in der ,richtigen' Auswahl der chinesischen Partnerunternehmung. Bei einer derartigen Auswahlentscheidung gilt es generell eine Vielzahl von Kriterien zu beriicksichtigen, deren Bedeutung situativ und untemehmensspezifisch variieren wird und die zumindest teilweise in einer konfliktionaren Beziehung zueinander stehen konnen.^^^ Problematisch ist zudem, dass valide Informationen tiber die Leistungsfahigkeit neuer Partneruntemehmen aufgrund der intemationalen bzw. kulturiibergreifenden Situation schwieriger zu beschaffen sind^^^ und Erfahnmgen im Rahmen einer existierenden Geschaftsbeziehung somit tendenziell wichtiger werden. Die Befunde der empirischen Untersuchung verdeutlichen jedoch zugleich, dass die Leistung eines Lieferanten aus Sicht des Abnehmers nicht als gegeben hingenommen werden muss, sondem tiber eine entsprechende Gestaltung der vorgelagerten Individualebene sowie der Interaktionsebene positiv beeinflusst werden kann. Kriterien wie eine gute KommunikationsfShigkeit und -bereitschaft sowie die Vertrauenswtirdigkeit auf der personlichen Ebene soUten demnach als wichtige Auswahlkriterien beachtet werden, die somit klassische Kriterien wie Preisgtinstigkeit oder Qualitat erganzen.
Vgl. zu Selektionskriterien amerikanischer Untemehmen im asiatischen Raum bspw. Deng/Wortzel (1995). Boisot/Child (1988), S. 524 verdeutlichen die informationstheoretischen Probleme Chinas, die aus der immensen GrfiBe Chinas und seinen historischen (und mit den wirtschaflspolitischen Reformen emeut einsetzenden) Dezentralisierungstendenzen folgen: ,^i any one time, upward of a million people are travelling across China on trains in search of raw material or other scarce inputs for their firms. They lack nationally available information on where these might be found, and it can take up to several days to effect telephone calls within the country." FOr eine Zusammenstellung von Informationsquellen zu Okonomischen Sachverhalten beztlglich der VR China vgl. Drew (1995).
230
Das konkrete Erkenntnisobjekt'deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
Zudem obliegt es der deutschen Untemehmung ihrerseits durch die Etabliemng einer vertrauensvollen persSnlichen Ebene und einer angemessenen Kommunikation einen positiven Einfluss auf die Leistung des chinesischen Lieferanten auszuiiben. Vor allem sind diesbezUglich die eigenen Ziele und spezifischen Wtinsche prSzise zu formulieren und klar zu kommunizieren. Aufgrund der kulturiibergreifenden Kommunikationssituation gilt es hierbei Missverst^dnisse von vomeherein zu vermeiden. Der gSngige Austausch von Mustem bietet bspw. eine MSglichkeit zur Verringening der AbhSngigkeit von der verbalen Kommunikation, wobei jedoch der zur Versendung notwendige Zeitbedarf zu berticksichtigen ist. Besuche und Aufenthalte beim chinesischen Lieferanten stellen eine weitere wichtige MaBnahme der Beeinflussung des Leistungsprozesses dar. Zu denken ist hierbei nicht nur an die vor bzw. bei Vertragsabschluss notwendigen Abstinmiimgsprozesse. Bereits wShrend der Leistungserstellimg kann tiber Qualitatsinspekteure die Einhaltung der kundenspezifischen Anforderungen gepriift werden. Die befristete Entsendung von eigenen technischen Mitarbeitem, die im Falle anspmchsvoUer Fertigungsprozesse Untersttitzung geben, stellt eine weitere mSgliche MaBnahme dar. Der durch derartige Besuche zu erzielende Nutzen wird dem hiermit verbundenen Aufwand gegeniiber zu stellen sein.
Dabei sind auf der Nutzenseite vomehmlich die ,vermiedenen' negativen Konsequenzen einer mangelhaften Qualit^t oder der Nichteinhaltung von Lieferterminen zu berticksichtigen, die bspw. bei zeitlich eng abgestimmten Fertigungsprozessen oder bei modischen Handelswaren erheblich sein konnen. Die eindringliche Kommunikation von Terminvorgaben ist umso wichtiger, als die chinesische Kultur als eine polychrone Kultur gilt, in der Termine eher als Richtwerte denn prSzise Eckwerte gelten.^^"* Auch beziiglich des verbundenen Aufwands kOnnen situativ bedingt groBe Unterschiede vorliegen. So ist der Besuch einer Fertigungsstatte in der Sonderwirtschaftszone Shenzhen durch Mitarbeiter einer deutschen Firma bzw. Niederlassung in Hongkong relativ unproblematisch, wShrend der Besuch einer Fertigungsstatte in Zentralchina durch in Deutschland ansassige Mitarbeiter mit einem relativ groBen Aufwand verbunden ist.
In der Summe bieten sich aufgrund des in der Kegel vorhandenen technologischen Vorteils sowie der Position als Abnehmer trotz der schwierigen kulturiibergreifenden Konstellation somit mehrere Ansatzpunkte zur Beeinflussung der Leistung chinesischer Lieferanten. Die Einflussnahme wird dabei umso bedeutsamer, je spezifischer und je technologisch anspmchsvoUer die Anforderungen aus Sicht des chinesischen Lieferanten einzuschatzen sind und je erfolgskritischer die bezogene Leistung fiir die deutsche Untemehmung ist.
274
Vgl. zur Unterscheidung monochroner und polychroner Kulturen Hall/Hall (1990).
Gestaltungsempfehlungen fUr das Management deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
231
Im Falle einer Absatzorientierung liegt die Hauptverantwortung fUr die zu erbringende Lieferantenleistimg dagegen bei der deutschen Untemehmimg. Vor dem Hintergrund der unter dem Stichwort guanxi diskutierten besonderen Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen in China stellt sich zunSchst die Frage, ob Uberhaupt davon auszugehen ist, dass die Leistimgsf^higkeit der westlichen Untemehmen den groBten Stellenwert einnimmt oder ob sie eher hinter das persSnliche Beziehimgsnetzwerk rUckt.^^^ In letzterem Fall erscheint angesichts der groBen staatlichen Einflussnahme insbesondere der Aufbau von Beziehungen zu hohen Regiemngsangestellten lohnenswert, die neben offiziellen Zusagen auch effektive Empfehlungen aussprechen kSnnen.^'^ AUerdings finden sich in der Literatur ebenso Hinweise darauf, dass die LeistungsfMhigkeit der westlichen Partneruntemehmung auch fUr chinesische Untemehmen bzw. BehSrden mittlerweile eine grOfiere Bedeutung als die personlichen Beziehungen besitzen.^^^ PYE nimmt hierzu wie folgt Stellung: „The search for ,only the best' conflicts with the concept of,friendship/ and generally wins out. Numerous examples can be cited of cases in which the Chinese welcomed ideologically friendly businessmen but then abandoned them for the opportunity to deal with enterprises that could be classified as among the best."^^* Plausible Griinde fiir die in der Kegel grofie Bedeutung der LeistungsfMhigkeit westlicher Industriegtiteruntemehmen im chinesischen Markt liegen u. a. in dem expliziten Ziel des Erwerbs technologischen Know-hows sowie der Einstufung westlicher Geschaftspartner als Fremde und AuBenseiter.^^^ Letzteres fUhrt dazu, dass auf der chinesischen Seite ein stSrkeres Gewicht auf die Leistungskriterien statt auf freundschaftliche Beziehungen gelegt wird.^*° Zudem wird der Reputation einer auslSndischen Untemehmung eine groBe Bedeutung zu geschrieben, da aufgrund der lange anhalten Isolation Chinas nur geringe Erfahrungen mit auslSndischen Produkten vorliegen.^*' Als Konsequenz fiir westliche Untemehmen sehen McGuiNESS ET AL., dass MaBnahmen in den Aufbau enger personlicher Beziehungen nur eine unterstUtzende Funktion einnehmen konnen und in erster Linie leistungsspezifische MaBnah-
So imterstellt Guthrie (1998) eine abnehmende Bedeutung des guanxi in den modemen, industrialisierten Zonen Chinas. Vgl. z. B. Yau et al. (2000), S. 20. Vgl, z. B. Stewart/Keown (1989), insb. S. 69. Im Rahmen ihrer Befragung westlicher Manager in Hongkong tiber Verhandlungen in der VR China wird die Einzigartigkeit des Produktes als wichtigster Erfolgsfaktor identifiziert und somit bspw. wichtiger eingeschatzt als gute persOnliche Beziehungen. Vgl, femer die Untersuchung von McGuiness et al. (1991), insb. S. 205, die fiir kulturUbergreifende Geschaftsbeziehungen zwischen China und 5 westlichen Nationen ebenso einen starker nutzenorientierten statt beziehungsorientierten Ansatz der chinesischen Seite identifiziert. Vgl. jedoch abweichend den Befund von LeungA'eung (1995), S. 73, die persOnliche Beziehungen als wichtigsten Erfolgsfaktor vor sSmtlichen leistungsbezogenen Aspekten identifizieren. Vgl. Pye (1992), S. 38. Zur Dififerenziening von Mitgliedem vs. Nichtmitgliedem der Gruppe vgl. bspw. Yau et al. (2000), S. 19. Vgl. z. B. StefFens (1998), S. 19, der auf Basis seiner Verhandlungserfahrungen in China zu folgendem Fazit gelangt: ,JHarmonie, Bescheidenheit und andere .asiatische' Werte haben allenfalls innerhalb der jeweiligen Insider-Gruppe ihre Gtlltigkeit, und zu dieser Gruppe werden Sie sowieso nicht gehOren." Vgl. PaikyTung (1999), S. 118.
232
Das konkrete Erkenntnisobjekt deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
men zu ergreifen sind.^*^ Hierbei wird sich die konkrete Ausgestaltimg u. a. in Abhangigkeit der untemehmensspezifischen Potentiale und der verfolgten Wettbewerbs- und Intemationalisienmgsstrategie bestimmen. Auf generelle Handlungsempfehlimgen soil daher an dieser Stelle verzichtet werden.
4.3.3.3.2 Gestaltung der FlexibilitMt Als zweite Dimension der sachlichen Ebene wurde im Rahmen der empirischen Untersuchung die in den deutsch-chinesischen Geschaftsbeziehungen vorhandene Flexibilitat identifiziert. Die Flexibilitat drtickt sich in der Bereitschaft zu einer schwScher ausgepragten schriftlichen Fixienmg des Leistungsaustausches sowie grSfieren ZugestSndnissen aus und besitzt einen eigenstSndigen positiven Einfluss auf die Beziehungsqualitat.
Die Akzeptanz bzw. GewShrung von Flexibilitat wird haufig als ein notwendiges Merkmal der Interaktion mit chinesischen Geschaftspartnem angefiihrt. Schriftliche Vereinbarungen setzen aus der Sicht chinesischer Partneruntemehmen lediglich einen Rahmen, der spater im Hinblick auf die effektive Abwicklung angepasst wird.^" Die zu Grunde liegende Annahme hierfiir ist, dass filr eventuell spater auftretende Konflikte eine Losung auf Basis der personlichen Beziehung gefimden werden kann. „The Chinese also prefer to rely on friendship and trust between the parties for solving any conflict. Therefore, any agreements or contracts drawn up by the Chinese are likely to be shorter than their Western equivalents. The dislike of Western styled contracts arises from the fact that they tend to be too precise to be used comfortably within the Chinese system."^*^ Im Rahmen langerer Verhandlungsprozesse werden folglich zunachst allgemein gehaltene Prinzipien der Zusanmienarbeit entwickelt und die Fixienmg von Details lange vermieden.^*^ Zugestandnisse chinesischer Verhandlungspartner werden eher nicht sequentiell, sondem erst
McGuinness/Campbell/Leontiades (1991), S. 205 Ziehen folgendes Fazit: "Efforts to gain higher preference through developing an extremely close rapport based on personal attractiveness may pay off, providing the company's services are also good. However, for Western companies with only limited knowledge of the Chinese language, customs, and systems, it would seem difficult, if not impossible, to depend heavily on building traditional type .friendships' with the Chinese". Vgl. z. B. Tai (1988), S. 8; Pye (1992), S. XIV; Lockett (1988), S. 489; Boisot/Child (1988), S. 524 sowie Stefifens (1998), S. 20. In der Untersuchung von Lassere/Probert (1994), S. 25 zeigen sich allerdings deutliche Unterschiede zwischen der VR China sowie Hongkong, wo vertragliche Vereinbarungen eher als defmitiv und verbindlich betrachtet werden. Es sei an dieser Stelle zudem an die niedrige Unsicherheitsvermeidung der chinesischen Kultur erinnert. Vgl. hierzuKapitel 4.1.2.2 Tai (1988), S. 8. Diese Aussage bestatigte sich im Rahmen der Pfadanalyse. Eine enge persOnliche Beziehungfllhrtezu einer signifikanten Reduktion des Konfliktgehaltes sowie einer erhOhten Flexibilitat. Vgl. hierzu Kapitel 4.2.5. Vgl. z. B. Pye (1992), S. 76 und KirkbrideA^ang/Westwood (1991), S. 380.
Gestaltungsempfehlungen filr das Management deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
233
am Ende von Verhandlimgen eingebracht.^*^ Zudem koimen selbst getroffene Vereinbanmgen iinter Berufung auf einen andersartigen ,Geist' der Zusammenarbeit verandert werden.^*^ Die Unterzeichnimg eines Vertrages soUte somit eher als Signal fUr den Beginn bzw. Fortftihrung einer Geschaftsbeziehung gesehen werden als fur den Abschluss einer Verhandlimg.^** Uberraschend ist angesichts der PrSferenz fiir flexible Abmachungen, dass fur den Fall der Zusanmienarbeit mit chinesischen BehSrden haufig ein tiberdurchschnittlicher Aufwand zur Bereitstellung von Dokumenten notwendig ist.^*^ Als Grund hierfiir ist die durch ungentlgende Anreizstmkturen begriindete Risikoaversitat der EntscheidungstrSger und nicht etwa eine Praferenz fiir geringe Freiheitsgrade zu sehen. Deutsche Untemehmen setzten dagegen tiblicherweise in relativ starkem Mafie auf eine formale Fixierung. Aufgnmd der hieraus resultierenden Einstellungsdiskrepanz kann in einem mittleren Regelungsgrad vertraglicher Vereinbanmgen ein moglicher Kompromiss gefunden werden. Aus Sicht der deutschen Untemehmen gilt es, den chinesischen Verhandlungspartnem die Vorteile vertraglicher Vereinbanmgen ftir eventuelle eintretende kritische Situationen zu verdeutlichen und zumindest die wahrscheinlichsten Risiken vertraglich zu berUcksichtigGu}^ Obwohl mit der Gewahrung von FlexibilitSt seitens der deutschen Partneruntemehmung eine Verbesserung der Beziehungsqualitat der Geschaftsbeziehungen erreichbar ist, wird das AusmaB der FlexibilitSt situativ zu bestinmien sein. Die Ergebnisse der Pfadanalyse belegen, dass das auf der personlichen Ebene vorhandene Vertrauen hierbei als wesentlicher Faktor zu sehen ist. Fehlt es auf der personlichen Ebene dagegen an dem notwendigen Vertrauen und Fairness stellt eine unprazise vertragliche Fixierung dagegen ein Risiko fiir die Beziehungsqualitat dar.^^' 4.3.3.4 Management der Machtebene Im Zentrum der Machtebene deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen stehen Moglichkeiten der ein- bzw. gegenseitigen Beeinflussung. Die Machtposition einer Untemehmung kann auf die Bedeutung der Geschaftsbeziehung fiir diese Untemehmung sowie die von ihr geleisteten spezifischen Investitionen in Relation zu der Bedeutung und Abhangigkeit des Partneruntemehmens zunickgeftihrt werden. Fiir die im Rahmen der empirischen Untersuchung Vgl. Lee/Lo (1988), S. 50. Pye (1992), S. XIV beschreibt dieses PhSnomen wie folgt: „In commercial transactions, agreement on principles usually takes the form of intent or protocols, the purpose of which often mystifies American businessmen because the Chinese will readily cancel the details of such agreements while insisting the 'spirit' must be maintained." Vgl. KirkbrideA^ang/Westwood (1991), S. 381 und Buttery/Leung (1998), S. 385. Vgl. Butteiy/Leung (1998), S. 384. Vgl. StefFens (1998), S. 20.
234
Das konkrete Erkenntnisobjekt deutsch-chinesischer Gesch^ftsbeziehungen
betrachteten Geschaftsbeziehungen zeigt sich allerdings, dass der Transaktionsumfang sowie die spezifischen Anstrengungen bzw. Investitionen der beiden Partnenmtemehmen inhaltlich eng verkniipft sind und im Rahmen der Verdichtung jeweils auf zwei gemeinsame Faktoren entfallen. Im Rahmen der Pfadanalyse wurde fUr die Variablen der Machtebene femer ein deutlich geringerer Einfluss auf die Beziehungsqualitat deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen als fiir die anderen inhaltlichen Ebenen ermittelt. Wahrend der Transaktionsumfang uberhaupt keinen eigenstandigen Einfluss besitzt, konnte ftir die Tatigung spezifischer Investitionen lediglich ein schwacher positiver Einfluss auf die Beziehungsqualitat identifiziert werden. Darttber hinaus scheinen beide Variablen in einem vergleichsweise schwachen Zusammenhang zu den anderen inhaltlichen Ebenen zu stehen. Da beide Variablen zudem in einem geringen kulturellen bzw. chinaspezifischen Kontext zu sehen sind, soil an dieser Stelle auf nahere Hinweise verzichtet werden.
Da das Konstrukt der Macht nicht unmittelbar in die empirische Analyse einbezogen wurde, soil diesbeztlglich ebenso auf konkrete Gestaltungsempfehlungen verzichtet werden. Es sei allerdings nochmals darauf hingewiesen, dass sich die chinesische Kultur im Vergleich zur deutschen Kultur durch eine deutlich hohere Machtdistanz auszeichnet. Dies legt nahe, dass Macht und die hieraus resultierenden RoUenunterschiede auch im Rahmen von Geschaftsbeziehungen in starkerem MaBe akzeptiert bzw. erwartet werden. Da der unsachgemaBe Einsatz von Macht jedoch zu negativen Konsequenzen fiir die Beziehungsqualitat folgen kann, soUte er seitens der deutschen Untemehmungen nur bei klaren Vorteilen und einer sehr geringen Abhangigkeit von dieser Geschaftsbeziehung erfolgen. Beim Einsatz negativer Formen von Macht sind die besondere AnfMlligkeit und speziellen Empfindsamkeiten zu berucksichtigen, die bei deutsch-chinesischen Geschaftsbeziehungen vorliegen. Femer sind auch die im Konfiizianismus verankerten RoUenerwartungen an hierarchische Beziehungen zu beachten, aufgrund derer einem machtigen Partner auch Verpflichtungen zufallen.^^^ Zu erinnem ist diesbeztiglich u. a. an das Konzept der Gesichtswahrung sowie die Erwiderung von Gefalligkeiten. Als wesentliche EinflussgroBen der Machtposition im Rahmen deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen wird die RoUe der deutschen Untemehmung gesehen. Durch die geringe technologische Komplexitat zahheicher chinesischer GUter und der Konkurrenz durch nachrtickende Entwicklungslander ist die Position deutscher Abnehmer vergleichsweise gtinstig.
291
Vgl. hierzu auch Tai (1988), S. 8., der in der unklaren und voUstandigen Definition von Pflichten die grOBte Konfliktquelle sieht und flir eine Integration der sowohl der Pflichten als auch der aus der Verletzung bzw. Nichterftllung resultierenden Sanktionen pladiert. Vgl. hierzu z. B. O'Keefe/O'Keefe (1997), S. 194.
Gestaltungsempfehlungen fUr das Management deutsch-chinesischer Geschflftsbeziehungen
235
Im umgekehrten Fall des Markteintritts deutscher Untemehmung aus Absatz- oder Produktionsmotiven fiihren dagegen der Internationale Wettbewerb durch die Vielzahl westlicher Untemehmen mit ahnlichen Interessen sowie die weiterhin relevanten staatlichen Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen haufig zu einem Ungleichgewicht zu Gunsten der chinesischen Seite.^^^ 4.3.4 Integrativer tJberblick Im Rahmen der ebenenspezifischen Uberlegungen zum Management deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehimgen ist eine Vielzahl kulturell bedingter Unterschiede des Managements von Geschaftsbeziehimgen angesprochen worden. Die integrative Abb. 4-18 stellt die wichtigsten der diskutierten Einflussfaktoren der chinesischen Kultur in der tJbersicht und losgel6st von einer expliziten ebenenspezifischen Zuordnung dar. Die Ausfiihrungen haben femer gezeigt, dass die kulturellen Unterschiede eine teilweise erhebliche Relevanz ftir die Interaktion im Rahmen deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen besitzen und durch ein kultursensibles Geschaftsbeziehungsmanagement berticksichtigt werden mussen.
Abb. 4-18: EinftiBfaktoren der chinesischen Kultur auf dt.-chinesische Geschaftsbeziehungen Die zahlreichen Unterschiede der chinesischen und der deutschen Kultur dienen samtlich als potenzielle Quellen ftir ein fehlerhaftes Handeln und den Misserfolg von deutsch-chinesischen 293
Pye (1992), S. 15 beschreibt dieses strukturelle Ungleichgewicht wie folgt: ..Structurally there is a lack of symmetry as a multiplicity of autonomous American entrepreneurs compete with each other in dealing with a bureaucratic hierarchy".
236
Das konkrete Erkeimtnisobjekt deutsch-chinesischer Geschilftsbeziehungen
Geschaflsbeziehungen. Problematisch ist hierbei insbesondere, dass es sich nicht nur um sichtbare Verhaltensunterschiede handelt, sondem diese Unterschiede zugleich auf unterschiedliche Einstellungen zunlckzufiihren sind. Folglich kaiin sich nicht nur das jeweilige Verhalten, sondem auch die SelbsteinschStzimg zum Teil erheblich von der Perzeption durch den Geschaftspartner unterscheiden. Die integrative Tab. 4-15 lehnt sich an die vorangegangenen AusfDhnmgen an und verdeutlicht die kulturell bedingten Unterschiede im dominierenden Verhaltensansatz zwischen deutschen und chinesischen Geschaftspartnem auf den verschiedenen inhaltlichen Ebenen des Geschaftsbeziehungsmanagement. Neben dem stereotypischen Verhaltensansatz werden fUr beide Seiten jeweils die Selbsteinschatzung des eigenen Verhaltens sowie die mOgliche Perzeption durch den Geschaftspartner aufgeftihrt. Exemplarisch soUen hier die besonders pragnanten Unterschiede der Kommunikationsgestaltung vorgestellt werden: Auf der chinesischen Seite erfolgt die Kommunikation eher implizit und hoflich. Diese Kommunikationsgestaltung erscheint chinesischen Interaktionspartnem als respektsvoUe und riicksichtsvoUe Form des Umganges, wahrend die deutsche Seite in der impliziten, verdeckten Konmiunikation ein ausweichendes und irrefiihrendes Verhalten sieht. Umgekehrt wahlen deutsche Interaktionspartner eine direkte, explizite und offene Kommunikation, die als effektiver zur effizienten LSsung auftretender Probleme gesehen wird, wahrend diese Form des Umganges auf der chinesischen Seite tendenziell als offensiv und beleidigend gewertet werden kann.
Einschrankend sei darauf hingewiesen, dass die Benennung eines ebenenspezifischen Verhaltensansatzes und dahinter stehenden Einstellungen bzw. Perzeptionen starke Verallgemeinerungen und Ausblendungen erfordert. Zudem ist im Hmblick auf die Abgrenzimg der beiden Perspektiven teilweise auch eine bewusste Uberzeichnung der Unterschiede erfolgt. Es wird somit an dieser Stelle bewusst keine detaillierte, voUstandige und situativ dififerenzierende Auflistung von kulturellen Verhaltensunterschieden angestrebt.
237
Gestaltungsempfehlungen fUr das Management deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen
Chinesis che Seite Verhalten
Eigeneinschfltzung
Perzeption der deutschen Seite
Deutschle Seite Eigeneinsciiatzung
Verhalten
Perzeption derctiinesischen Seite
Vertrauen
Vertrauen Qber Erfahrung & Intuition
realistisch, polychron
eher irrational
Erfahrung & Validierung Qber mehrerer Quellen
rational, analytisch
unpersOnlich, undifferenziert
Bezlehung
Bezlehung bei Gruppenzugehorigkeit
gemeinschaftsorientiert, traditionsbewusst
schwer zug£lnglich
Beziehung bei Sympathie
Suche nach Gleichgesinnten
traditionslos, egozentrisch
Kommunikation
Kommunikation eher implizit und hOfiich
respekts- & rUcksichtsvoli
ausweichend & irrefQhrend
Kommunikation eher direkt & explizit
effektiv
offensiv und beleidigend
Konfliktstil
Vemieidung von Konflikten
schwach & respekts- & rUcksiclitsvoJI ausweichend
Austragung von Konflikten
effektiv
respektlos& ,Gesicht' gefdhrdend
Leistung
Aneignung & Imitation
strebend, lernbegierig, tugendhaft
berechnend, ausnutzend
Schutz eigener Technologie
vorsichtig
misstrauisch, eigensinnig
Flexibilitat
Vemneidung von Festlegung
sinnvoll, vorausschauend
ausweichend, unzuverldssig
Wunsch nach Fixierung
klare Regelung
naivundzu kompliziert
Transaktion
Geschdfte im Rahmen langfristiger Beziehungen
langfristig, vorsiclitig
irrational, korrupt, unnstandlich
Transaktion bei kurzfristiger Vorteilhaftigkeit
nutzbringend, rational
anonym, kurzsichtig
Spez. Investitionen
spezifisclie Investitionen als notwendige Beziehungsbasis
vertrauensbildend
risikoerhOhend, einschrankend
Tatigung spezifischer Investitionen wenn vorteil1 haft
kosten- & risikovermeidend
geringes Commitment
Tab. 4-15: Ebenenspezifische Verhaltensansatze und ihre Perzeption Quelle: Eigene Darstellung in entfernter Anlehnung an O'Keefe/O'Keefe (1997), S. 195
Nicht nur die Unterschiede im Verhaltensansatz, sondem auch die Unterschiede hinsichtlich der Eigen- bzw. FremdeinscMtzimg verdeutlichen den Problemgehalt deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen. Wenn die Verhaltensunterschiede kaum abbaubar sind, so scheint jedoch zumindest das Verst^dnis der hinter dem jeweiligen Verhalten des Geschaftpartners stehenden Einstellungen eine Grundvoraussetzung fiir ein erfolgreiches Management deutschchinesischer Geschaftsbeziehungen zu sein. Deutsche Manager, die sich ftir das Management deutsch-chinesischer Geschaftsbeziehungen verantwortlich zeigen, sind somit aufgemfen, neben dem Erwerb fachlicher ManagementfShigkeiten auch Anstrengungen zum Ausbau ihrer interkulturellen Kompetenz zu untemehmen.
5 Zusammenfassende Schlussbetrachtung Kulturtibergreifende Geschaftsbeziehungen sind von Skonomischen Zielen geleitete und auf mehrmalige Transaktionen ausgerichtete Interaktionsprozesse zwischen Untemehmen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und ihren fUr diese Interaktionen maBgeblichen kulturverschiedenen Personen. Sie stellen eine spezielle Form einer Geschaftsbeziehung dar, die aufgnmd der zimehmenden Verflechtung der Weltwirtschaft eine steigende praktische Relevanz besitzt. Da Kultur als ein System gemeinsamer Denk-, Fiihl- und Handlungsmuster einen allgemeinen verhaltensleitenden Einfluss austibt, wirft die Besonderheit der kulturUbergreifenden Beziehungskonstellation die Frage auf, ob und inwieweit sich kulturtibergreifende Geschaftsbeziehungen von intrakulturellen Geschaftsbeziehungen unterscheiden. Aufgnmd der bisher nur geringen gesicherten Erkenntnisse tiber kulturtibergreifende Geschaftsbeziehungen wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein weitgefasster Ansatz in Verbindung mit einer explorativen empirischen Untersuchung gewahlt, um in einem ersten Schritt einen Beitrag zum naheren Verstandnis der Besonderheiten kulturtibergreifende! Geschaftsbeziehungen zu leisten.
Im ersten Hauptkapitel (Kapitel 2) wurde ein konzeptioneller Bezugsrahmen zur Analyse von Geschaftsbeziehungen entwickelt, der auf den umfangreichen Erkenntnissen tiber nationale, intrakulturelle Geschaftsbeziehungen aufsetzt. Die Bestandsaufiiahme der relevanten Forschung zeigte, dass die Breite dieses Forschungsfeldes u. a. aus den zahlreichen betrachteten Typen von Geschaftsbeziehungen, den diversen theoretischen Betrachtungsperspektiven und betriebswirtschaftlichen Anwendungsfeldem sowie unterschiedlichen methodischen Ansatzen resultiert. Der mittlerweile umfangreiche Kenntnisstand fiihrt dazu, dass sich konzeptionelle und empirische Studien im intrakulturellen Kontext zunehmend partiellen Problemausschnitten zuwenden. Im Hinblick auf die explorative Untersuchung von kulturtibergreifenden Geschaftsbeziehungen wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit dagegen bewusst ein konzeptioneller Bezugsrahmen entwickelt, der eine umfassende Analyse von Geschaftsbeziehungen ermQglicht und nicht unmittelbar auf Detailprobleme eingeschrankt ist. In Anlehnung an DiLLER und KusTERER wurden hierzu mit einer Individualebene, einer Interaktionsebene, einer Sachebene sowie einer Machtebene vier inhahliche Beziehungsebenen sowie als konzeptionelle Erweiterung eine evaluierende Ebene unterschieden. Dieses Ebenenmodell wurde zudem tiber die Einbeziehung zentraler Wirkungsbeziehungen in ein konkretes Analysemodell tiberfiihrt.
240
Zusammenfassende Schlussbetrachtung
Zentrales Ergebnis: Eine umfassende Analyse kulturtibergreifender GeschSftsbeziehungen kann sich an verschiedenen Beziehimgsebenen orientieren, die eine integrative und systematische Ordnung der zahlreichen relevanten Facetten von Geschaftsbeziehungen ermOglichen.
Im zweiten Hauptabschnitt der Arbeit (Kapitel 3) wurde auf das Ebenenmodell zurUckgegriffen, um Anhaltspimkte ftir einen Kultureinfluss auf Geschaftsbeziehungen zu identifizieren, die eine andersartige Konzeption des Beziehungsmanagements erforderlich machen kSnnten. Aufbauend auf den notwendigen kulturtheoretischen Gmndlagen gait es hierzu zunSchst eine prSzise begriffliche Abgrenzung der kulturtibergreifenden GeschSftsbeziehung zu entwickeln. Hier konnte gezeigt werden, dass die Einordnung einer GeschSflsbeziehung als kulturiibergreifend eine Betrachtung der individuellen TrSger der Geschaftsbeziehungen erfordert. Gleichzeitig wurde deutlich, dass Internationale und kulturUbergreifende GeschSftsbeziehungen trotz einer zumeist synonymen Verwendung nicht zwangslSufig identische Untersuchungsobjekte darstellen. Anhand einer umfassenden Literaturauswertung konnte femer verdeutlicht werden, dass der Stand der empirisch abgesicherten Erkenntnisse zu kulturtibergreifenden GeschSftsbeziehungen im Vergleich zu herkOmmlichen Geschaftsbeziehungen noch sehr Itickenhaft ist. So wird bei der Analyse von intemationalen Geschaftsbeziehungen u. a. nur ein geringes Augenmerk auf kulturelle Aspekte gelegt, eine sehr begrenzte Auswahl von Beziehungskonstrukten betrachtet und lediglich in wenigen Fallen speziflsche Beziehungskonstellationen mit deutlichen kulturellen Unterschieden untersucht. Bei den wenigen komparativ angelegten Studien zeigen sich zudem uneindeutige Hinweise beziiglich des Einflusses der kulturtibergreifenden Beziehungskonstellation. Zentrales Ergebnis: Der Einfluss der Kultur auf Geschaftsbeziehungen wird im Vergleich zu anderen Determinanten und Beziehungsaspekten weitestgehend vemachlassigt. Auch bei empirischen Studien mit intemationalen Untersuchungsstichproben werden die Besonderheiten der kulturtibergreifenden Beziehungskonstellation zumeist nur unzureichend berticksichtigt.
Ausgehend von dem erkennbaren Forschungsdefizit wurden Hinweise ftir einen Kultureinfluss auf das Management von Geschaftsbeziehungen auf Basis theoretischer Uberlegungen erarbeitet. Durch die Verkntipfung des erweiterten Ebenenmodells mit dem multidimensionalen Kulturansatz von HOFSTEDE konnten zahlreiche Anhaltspunkte daftir aufgedeckt werden, dass die Landeskultur einen Einfluss auf die Einstellung zu und die bevorzugte Gestaltung der verschiedenen Beziehungsebenen austiben kann. Im Rahmen einer Geschaftsbeziehung kon-
Zusammenfassende Schlussbetrachtimg
241
nen somit diverse unterschiedliche Vorstellungen unmittelbar aufeinander treffen. Ftir die Diskussion derartiger Unterschiede wurde vereinfachend von dichotomen Auspragungen und einer ceteris-paribus Aimahme bzgl. der Kulturdimensionen ausgegangen. So ist auf der Individualebene, die die persOnlichen Beziehungen zwischen den individuellen Tragem der GeschSftsbeziehung abbildet, kultureller Einfluss auf die Form der Auswahl von Geschaftspartnem sowie den Aufbau und den Stellenwert pers5nlicher Beziehungen zu erwarten. Zum Beispiel kann die Kulturdimension der Unsicherheitsvermeidung die Neigung verstarken, mit bekannten Geschaftspartnem zusammenzuarbeiten. Bei einer hohen Auspragung der Kulturdimension des Individualismus und der Maskulinitdt ist per se eine geringere Wertigkeit pers5nlicher Beziehungen wahrscheinlich. Eine hohe Machtdistanz kann einen Einfluss auf das RoUenverhalten bei ungleichen Machtverteilungen ausiiben und auch den Wunsch nach ranghohen Geschaftspartnem verstMrken. Eine hohe Langfristorientierung wird die Bereitschaft zu groBeren Anstrengungen in den Auft)au personlicher Beziehungen vergroBem. Auch auf der Interaktionsehene einer Geschaftsbeziehung treten kulturelle Unterschiede durch stark kulturabhSngige Interaktionsstile offen zu Tage. Sowohl Kommunikations- als auch Konfliktverhalten und Verhandlungsstile sind in einem sehr starken Mafie kulturgebunden. Unter Ruckgriff auf die Kulturdimensionen kann bspw. bei einer hohen Maskulinitat und einem hohen Individualismus ein kompromissloserer, sachorientierterer Umgang angenommen werden. Eine hohe Unsicherheitsverafieidung und eine hohe Machtdistanz wird z. B. die Praferenz eindeutig festgelegter und fomialisierter Konmiunikationswege verstarken. Sowohl auf der Individualebene als auch der Interaktionsehene kSnnen im Ergebnis deutliche Einstellungsunterschiede vorliegen. Bei einer abweichenden kulturellen Herkimft die steigt Gefahr von dysftmktionalen Missverstandnissen, da die verhaltensleitenden Werte, die verfolgten pers6nlichen Motive und dass Verhalten des Geschaftspartners falsch eingeschatzt werden konnen. Dagegen sind auf der Sachebene, die die inhaltliche Ausgestaltung des Leistungstausches beschreibt, nur relativ schwache kulturelle Einflusse zu erwarten. Jedoch kann auch hier eine kulturell bedingte unterschiedliche Wertigkeit von Produkteigenschaften vorliegen. Eine hohe Unsicherheitsvermeidung lasst eine starkere Bevorzugung klar definierter Leistungspakete, einer hohen Qualitat und zusatzlicher Garantien vermuten. Eine hohe Langfristorientierung lasst auch eine Bereitschaft zu groBeren Investitionen in neue Produkte und Projekte vermuten. Die Machtdistanz einer Gesellschaft kann einen Einfluss auf das akzeptierte Verhaltnis von Leistung und Gegenleistung nehmen. Die Machtehene ist schlieBlich unmittelbar als kulturabhangig zu erkennen, da unterschiedliche Annahmen Uber die Verteilung und die Anwendung von Macht per se eine wichtige Kulturdimension darstellen.
242
Zusammenfassende Schlussbetrachtung
SchlieBlich konnten auch Argumente daftlr identifiziert werden, dass die Bewertung von Gesch^sbeziehungen auf der evaluierenden Ebene sowie die hieraus resultierenden Konsequenzen kulturabhSngig sind. Bspw. legt eine hohe Unsicherheitsvermeidung eine hflufigere und kritischere Auseinandersetzimg mit einer Gesch^sbeziehung nahe. Gleichzeitig kOnnte in Verbindung mit der Langfristorientienmg auch der Wunsch nach langfristigen Geschaftsbeziehungen verstfirkt werden. Ein hoher Individualismus lasst eine einseitigere Bewertung erwarten. Eine hohe Maskulinit^t schliefilich kOnnte zu einer sachorientierteren und rein ttkonomischen Bewertung sowie zu einer grOfieren Bereitschaft zur Beendigung einer Beziehung fUhren. Zentrales Ergebnis: Die im kulturtlbergreifenden Kontext mOglichen Pr^erenzunterschiede kdnnen das Beziehungsmanagement erheblich erschweren und stUtzen die Annahme, dass sich kulturUbergreifende Geschaftsbeziehungen sptlrbar von intrakulturellen Gesch^sbeziehungen unterscheiden. Kulturelle Unterschiede sind insbesondere auf der Individualebene und der Interaktionsebene zu erwarten.
Im dritten und letzten Hauptabschnitt (Kapitei 4) wurde das vergieichsweise hohe Abstraktionsniveau verlassen und mit deutsch-chinesischen GeschMsbeziehungen eine konkreten Beziehungskonsteliation analysiert, die durch massive kulturelle Unterschiede gekennzeichnet ist. So zeichnet sich die chinesische Kultur im Vergleich zur deutschen Kultur durch eine wesentlich hOhere Langfristorientienmg, eine deutlich hOhere Machtdistanz, eine geringere Unsicherheitsvermeidung und als kollektivistische Gesellschaft durch einen deutlich geringeren Individualismus aus. Vor dem Hintergrund dieser erheblichen Unterschiede wurde das erweiterte Ebenenmodell einer explorativen empirischen PrUfung am Beispiel der Untersuchung von vertikalen Geschaftsbeziehungen deutscher Untemehmen zu chinesischen Lieferanten im Textilsektor Hongkongs unterzogen. Im Rahmen einer bivariaten Analyse konnte zunachst gezeigt werden, dass die Einschfitzung des wirtschaftlichen Erfolges in einem Zusammenhang mit der AusprSgung der inhaltlichen Beziehungsebenen steht, sich beide Gruppen jedoch nur hinsichtlich einer Auswahl von Beziehungsaspekten signifikant unterscheiden. Durch eine anschlieBende faktoranalytische Verdichtung der Beziehungsebenen konnte gezeigt werden, dass sich die zahlreichen Facetten auf den Beziehungsebenen auf wenige dahinter liegende Dimensionen zurUckzufUhren sind. Die Individualebene wird durch das existierende professionelle Vertrauen sowie die pers6nliche Beziehung geprSgt. Die methodische Verdichtung der Interaktionsebene ftihrte zu den Dimensionen des Kommunikationsniveaus und des Konfliktgehalts. Die Sachebene wird durch die LeistungsfMhigkeit der Lieferanten und der empfundenen FlexibilitSt und die Machtebene durch den Transaktionsumfang sowie die
Zusammenfassende Schlussbetrachtimg
243
spezifischen Investitionen geprfigt. Auf der evaluierenden Ebene trat schlieBlich das dem Erfolg vorgelagerte Konstmkt der BeziehungsqualiUlt in den Analysefokus. Das Ergebnis der auf dem theoretisch hergeleiteten Analysemodell und den identifizierten Konstrukten aufsetzenden multivariaten Pfadanalyse fiel deutlich aus: Die Beziehungsqualit^t der deutsch-chinesischen Gesch^sbeziehimgen wird mafigeblich durch die Auspr^gung der inhaltlichen Beziehungsebenen bestimmt. SSmtliche Ebenen tragen direkt oder indirekt zur Verbesserung bzw. Verschlechterung der BeziehungsqualiUlt bei. Die empirischen ermittelten Wirkungsbeziehungen waren in ihrer Richtung tlberwiegend erwartungsgemaB. Mit Ausnahme des Konfliktniveaus besitzen die Konstrukte durchweg einen positiven Einfluss. Eine hohe Bedeutung fUr die Qualit&t von Gesch£lftsbeziehungen zwischen deutschen und chinesischen Untemehmen besitzen insbesondere die Beziehung zwischen den Kontaktpersonen auf der Individualebene sowie die Form der Zusammenarbeit auf der Interaktionsebene. Es handelt sich somit interessanterweise um die Ebenen, bei denen zugleich die grOfiten kulturellbedingten Einstellungsunterschiede zu erwarten sind. Cberraschenderweise erfolgt der Einfluss der Individualebene jedoch iediglich auf indirektem Weg Uber eine Verbesserung bzw. Verschlechterung der Interaktionsebene und der Sachebene der Gesch^sbeziehung. Im Oberblick legt die explorative Untersuchung nahe, dass kulturUbergreifende Geschaftsbeziehungen nicht voUkommen wesensfremd von nationalen Geschaftsbeziehungen sind. Obwohl zahlreiche Einstellungsunterschiede zu erwarten sind, wurde die Beziehungsqualitat dt.chinesischer Geschaftsbeziehungen weitgehend durch bereits im nationalen Kontext identifizierte Konstrukte bestimmt. Unterschiede zwischen intrakulturellen und kulturUbergreifenden Geschaftsbeziehungen werden somit vermutlich Iediglich gradueller Natur derart sein, dass schwachere oder starkere Wirkungsbeziehungen vorliegen kCnnen. Allerdings gilt es zu bertlcksichtigen, dass diese Befimde aufgrund der weitgefaBten, explorativen Analyse und der eher kleinen und homogenen Stichprobe konsequenterweise einer konfirmatorischen Prllftmg zu unterziehen sind. Auch die VerallgemeinerungsfMhigkeit der vorliegenden Untersuchung fiir andere dt.-chinesische Geschaftsbeziehungen und andere kulturUbergreifende Geschaftsbeziehungen ist zunachst eingeschrankt und im Rahmen zuktinftiger Forschungsbemtlhungen zu prUfen. Jedoch lassen es die Beftmde auch sinnvoU erscheinen, fruchtbare, im Rahmen intrakultureller Studien entwickelte Hypothesensysteme einer emeuten Prtifimg im kulturUbergreifenden Kontext zu unterziehen.
244
Zusammenfassende Schlussbetrachtung
Ergebnis: Die explorativen empirischen Ergebnisse legen nahe, dass Beziehungsqualitat der deutschchinesischen Geschaftsbeziehimgen mafigeblich durch bereits im nationalen Kontext iintersuchte Konstrukte auf den inhaltlichen Beziehungsebenen bestimmt wird. Die Wirkungsbeziehungen waren in ihrer Richtimg tiberwiegend erwartungsgemaB. Unterschiede gegentiber intrakulturellen Geschaftsbeziehimgen k6nnen hinsichtlich der Starke der Wirkungsbeziehungen auftreten.
Ober die empirische Untersuchung hinaus wurden in einem abschlieBenden Schritt der Arbeit Gestaltungsempfehlungen fur das Management von dt.-chinesischen GeschSftsbeziehungen erarbeitet. Dies erschien trotz des explorativen Charakters der Untersuchung mOglich, da die identifizierten Konstrukte hierfiir lediglich eine systematisierende Funktion abemahmen. Unter RiickgrifF auf dieses Raster konnte die zahlreichen, aber nur selten in den Kontext einer Geschaftsbeziehung eingebetteten Beitrage zum interkulturellen Management in China integriert werden. Die Diskussion hat verdeutlicht, dass die konkrete Handhabung der Ebenen in einem starken MaBe Besonderheiten der spezifischen kulturilbergreifenden Beziehungskonstellation zu berticksichtigen hat. Dabei gilt es, die durch kulturelle Unterschiede moglichen Handlungsfehler und MissverstSndnisse auf den inhaltlichen Beziehungsebenen durch eine hohe interkulturelle Kompetenz der verantwortlichen Manager zu vermeiden. Die Diskussion praktischer Gestaltungsempfehlungen hat somit auch gezeigt, dass existierende Erkenntnisse iiber auch Forschungsergebnisse anderer Sozialwissenschaften, wie bspw. die interkulturelle Kommunikationsforschung, diesbeziiglich bereits wertvoUe Anregungen geben konnen. Ergebnis: Die konkrete Gestaltung der Beziehungsebenen bei kulturubergreifenden Geschaftsbeziehungen hat in einem starken MaBe kulturelle Besonderheiten zu berticksichtigen, urn mSgliche Handlungsfehler und MissverstSndnisse zu vermeiden.
Der aktuelle Forschungsstand zu allgemeinen Geschaftsbeziehungen auf der einen und zu kulturubergreifenden Geschaftsbeziehungen auf der anderen Seite iSsst eine deutliche Diskrepanz erkennen. Die Untersuchung von kulturubergreifenden Geschaftsbeziehungen steht nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen forschungsmethodischen Probleme der interkulturellen Managementforschung - erst am Anfang. Die vorliegende Arbeit hat lediglich einen ersten Beitrag zum nSheren VerstSndnis kulturiibergreifender Geschaftsbeziehungen geleistet. Die identifizierten Beziehungsaspekte sowie die bestehenden Wirkungsbeziehungen konnen eine wertvoUe Orientierung ftr zukiinftige und weiterftihrendeForschungsbemtihungen geben.
Anhang
Anhang 1: Tabellarische Literaturauswertung empirischer Studien zu intemationalen Geschaftsbeziehungen
247
Anhang 2: Dokumentation des Methodeneinsatzes
263
Anhang 3: Fragebogen „Deutsch-chinesische Geschafitsbeziehungen"
275
Anhang
Anhang 1
Tabellarische Literaturauswertung empirischer Studien zu internationalen GeschMftsbeziehungen
247
Anhang
248
^
?
f
o>^
9,
"I
.2
I g I ^ ^ g.
1^^
||?i|tll i =1
111 liii
O I
g. w w
fl
I
I
c
I
P
.2^
N
€
I
UJ
i
£i
^
CO
s
JO
2
it
-g
CO
: « .9-i8 8.
00 = CD
c x: }R "W
C f £ (/}
o
^
CO
^
O ^
III
— « 2
Anhang
249
1 I I £ §» f t
115 i f 11 S, UJ O 0^ ra g ^
t N I c c 3 'N
CO
o
^ ll nil eo-5
S«2 N 5
« E
ff-"-
£
C O N 3 § > CO 0) S
0 C 3 c
Hill 3 3
k. 40 >;. 40 (0 (0 : =
5§c
(0
l|| .E CD
.E£5«
sill
B
B .S
|«
iii
8 J S a>
fill S 85"5 1 c 2.2
S O C (0 D > n (0
T-
^
bO C
Anhang
250
< § ^
1
>
2
$ w
IL lit JO s
o ^
SIS
o 0) E
2
Illllfl O
I
I
I
c< < £
0) 'N
^. QJ fe ^
©
III
^ ^ c « = §>
S ^
I I
1^1 =
S2
illlliil » " C Ji D
2 m "3 .C
S g 2-3 E
Hill
(D 0>UJ
0>
^ o « n
CO
si 1^ ID £ IS
Ills
r- S C S «
^
252
Anhang
I f Q
iB
1
I hi iI l O
§p
(0 C (0 C « 0)
CO
S 45
2 £ E
? If
- £•? c ^ §
e o c
1 -^^ • i sis
c < «"g 8 2^! -« = w e .2 a> 0) .. > c -e
s 2 aa
"a
Anhang
257
I . 5S 0)
-a
c CQ
i f S.2 5
&c
E
ii
11
_
i« S
-E
JI i
J E t . .2 E S «o « .
3
is tn c o
J2 n .5 'iZ
>
Q
E =«; 5
a> -« ^ 0»
H
Z
^
ill i t 111 I ^
=
ii
I
I
I
O
^5
wo ® E ^ > O) s
>
il II'
3
«:o0 JZ
o 2 §2
UJ g-i=
1 -Is
0 S-go a. J CO I
(fl w
cSI ^ O
JO (0 - ^
..
•>
.
CO c «P
I
c: s >
« i •'^
111
c
on -c tn « ; 10 3 CO C
^
£8
0^ «
111
T3
c o - '"§
IS
•§ •« o
,2 DC
> o ? c « m •»« S o> . o
I
II
ix: ^ 1 '~* O
V 0) g