„DIE GANZE PHYSIK ZUM 21. JAHRHUNDERT“
Gerthsen Physik D. Meschede 22., völlig neu bearbeitete Auflage www.gerthsen.de ...
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„DIE GANZE PHYSIK ZUM 21. JAHRHUNDERT“
Gerthsen Physik D. Meschede 22., völlig neu bearbeitete Auflage www.gerthsen.de
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Gerthsen Physik: Aufgaben und Lösungen
Kapitel 1: Aufgaben . . .
• 1.1.1 Bogenmaß Welchen Längen entsprechen 1◦ , 1 , 1 , 1 rad auf der Erdoberfläche? Welchen Flächen entsprechen 1 Quadratgrad, 1 Quadratminute, 1 Quadratsekunde, 1 sterad? Wie viel sterad, Quadratgrad usw. hat die ganze Kugel; ein Halbraum; eine Kreisscheibe vom Radius r im Abstand a; ein Rechteck mit den Seiten a und b im Abstand r (senkrecht bzw. unter einem Winkel betrachtet); die Sonne, von der Erde aus gesehen; Ihre Hand bei ausgestrecktem Arm von Ihrem Auge aus (hat Ihre Körpergröße einen Einfluss?); die Bundesrepublik vom Erdmittelpunkt aus? Welchen Anteil der Sonnenstrahlung fängt die ganze Erde auf? Wenn λ die geographische Länge, ϕ die Breite ist, wieso ist das Raumwinkelelement der Erdoberfläche cos ϕ dλ dϕ? In sphärischen Polarkoordinaten zählt die ,,Breite“ anders herum als auf der Erde (ϑ = 0 am Pol, π/2 am Äquator). Wie sieht das Raumwinkelelement aus? Wann spricht man bei einer Messung (z. B. Strahlungsmessung) von ,,4π-Geometrie“? → zur Lösung
•• 1.1.2 Sonnen- und Sterntag Wie kommt es zu dem Verhältnis 366,25/365,25 zwischen Sonnen- und Sterntag? → zur Lösung
• 1.1.3 Stroboskopeffekt Warum sieht man im Kino oder Fernsehen oft Flugzeugpropeller, Panzerketten, Kutschenräder viel zu langsam oder rückwärts laufen? Was kann man schließen, wenn die Rückwärtsdrehung in eine Vorwärtsdrehung übergeht oder umgekehrt? Kann der Effekt beim Anfahren öfter auftreten? Wie kann man den Effekt zur Drehzahlmessung an Motoren, Zentrifugen usw. ausnutzen? Braucht man dazu natürliche oder künstliche Beleuchtung? → zur Lösung
•• 1.1.4 Tageslänge Schätzen Sie, in welchem Maße folgende Ereignisse das Trägheitsmoment der Erde und damit die Winkelgeschwindigkeit ihrer Rotation beeinflussen: Die Krakatau-Katastrophe (mehrere km3 Gestein einige km hoch geblasen); der Bau der chinesischen Mauer; die Sättigung der gesamten Troposphäre mit Wasserdampf; eine Abkühlung der Atmosphäre Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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(Schrumpfung der Skalenhöhe); eine Eiszeit; die Bildung eines Hochgebirges wie des Himalaja (beachten Sie die Breitenlage); die gesamte tertiäre Gebirgs- und Hochlandbildung. Welcher dieser Effekte kann merkliche Veränderungen der Sonnensekunde bringen? → zur Lösung
••• 1.1.5 Pendeluhren
Wie beeinflussen die in Aufgabe 1.1.4 genannten Vorgänge die Periode von Präzisionspendeln, die am Ort des Geschehens oder anderswo aufgestellt sind? Man vergleiche mit der Periodenänderung infolge thermischer Ausdehnung des Pendelarmes (z. B. Temperaturschwankungen der Atmosphäre). Welche Präzision der Thermostatisierung lohnt sich angesichts dieser Einflüsse noch? → zur Lösung
•• 1.1.6 Tageslänge Die Totalitätszone der Sonnenfinsternis von 484 n. Chr. lief nach zeitgenössischen Berichten über Korfu, Rhodos und den Libanon. Rechnet man mit der sehr genau bekannten Länge des Finsterniszyklus zurück, kommt man zwar auf das richtige Datum, aber auf eine Totalitätszone Lissabon–Karthago–Cypern. Diese Diskrepanz fiel schon Halley um 1700 auf. Kant, der durchaus nicht nur abstrakter Philosoph war, schlug Gezeitenbremsung der Erdrotation als Erklärung vor. An Schliffen von Korallenstöcken kann man mikroskopisch periodische Änderungen der Kalkablagerung als Jahres- und sogar Tagesringe feststellen. An devonischen (3 · 108 Jahre alten) Korallen zählt man 400 ± 10 Tagesringe pro Jahresring. Heutige Atomuhren gestatten Direktmessung der Zunahme der Tageslänge: 5(20) µs/Jahr. Vergleichen Sie die drei Angaben miteinander und mit der in Aufgabe 1.7.19 geschätzten Gezeitenreibung. Wie sind diese Schätzung und die Folgerungen über Vergangenheit und Zukunft des Erde-Mond-Systems abzuändern? Worauf könnte der Unterschied beruhen? → zur Lösung
••• 1.1.7 Standard-Abweichung
Vielfach definiert man die Standard-Abweichung anders als in (1.3), näm(xi − x)2 /(n − 1). Dies bezieht sich auf eine Stichprobe lich σ = von endlich vielen Werten xi . Gleichung (1.3) ist dagegen die ,,StandardAbweichung der Grundgesamtheit“. Der Unterschied rührt daher, dass der Mittelwert (1.2) der Stichprobe etwas vom ,,wahren Mittel“ der Grundgesamtheit abweicht. Führen Sie das näher aus. → zur Lösung
•• 1.1.8 Gauß-Fläche Weisen Sie nach, dass die Gesamtfläche unter der Gauß-Funktion 1 ist (was bedeutet das?), und dass ihr Mittelwert tatsächlich x, ihre StandardAbweichung σ ist. → zur Lösung
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••• 1.1.9 Normalverteilung
Warum sind Zufallsabweichungen normalverteilt? Beachten Sie: Solche Abweichungen beruhen auf sehr vielen verschiedenen Ursachen, man kann sie auf viele verschiedene Weisen in Anteile zerlegen. Nach welchem Gesetz addieren sich diese Beiträge? Die Verteilungsfunktion für diese Abweichungen muss immer den gleichen Bau haben, ob es sich um irgendwelche Teilbeträge oder die Gesamtabweichung handelt. → zur Lösung
• 1.2.1 Wie schnell ist der Mensch? Berechnen Sie aus den Weltrekordzeiten für einige Laufstrecken (Leichtathletik, Eisschnelllauf usw.) die mittleren Geschwindigkeiten. Treten während des Laufs irgendwann höhere Geschwindigkeiten auf? → zur Lösung
• 1.2.2 Ein schneller Hund Morgens um 6 Uhr bricht Jäger Bumke zu seiner 10 km entfernten Jagdhütte auf. Sein Hund läuft doppelt so schnell, kehrt an der Jagdhütte um, läuft wieder bis zum Herrn zurück und pendelt so ständig zwischen Jäger und Hütte hin und her. Welche Strecke ist der Hund gelaufen, wenn der Jäger um 8 Uhr an der Hütte anlangt? → zur Lösung
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•• 1.2.3 Wo ist der Hund?
Ein Junge, ein Mädchen und ein Hund setzen sich gleichzeitig vom gleichen Punkt einer schnurgeraden Straße aus in Marsch. Der Junge geht mit 6 km/h, das Mädchen mit 4 km/h, der Hund pendelt ständig mit 10 km/h zwischen beiden hin und her. Wo befinden sich der Junge, das Mädchen, der Hund nach genau einer Stunde, in welche Richtung läuft der Hund? → zur Lösung
••• 1.2.4 Ein nasser Hund
Ein Hund entdeckt seinen Herrn am anderen Ufer eines Flusses, springt genau gegenüber ins Wasser und schwimmt immer genau in Richtung auf Herrchen, obwohl ihn die Strömung abtreibt. Der Fluss habe überall die gleiche Geschwindigkeit. Wo landet der Hund, wie lange braucht er, welche Kurve beschreibt er? → zur Lösung
••• 1.2.5 Der Lobatschewsky-Hund
Ein Hund, der sich abseits der Straße an einem Baum beschäftigt hatte, wird jetzt von seinem Herrn, der geradlinig und gleichförmig auf der Straße weitergeht, an strammer Leine mitgezerrt. Welche Kurve beschreibt der Hund? → zur Lösung
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•• 1.2.6 Un problema quadrato per teste quadrate Ein junges Mädchen, ein Wanderer, ein Räuber und ein Polizist befinden sich auf einer Ebene in genau quadratischer Anordnung, als jeder den genau 1 km entfernten Gegenstand seines Interesses entdeckt – der Wanderer das Mädchen, der Räuber den Wanderer, der Polizist den Räuber, das Mädchen den Polizisten – und beginnt, mit 6 km/h auf ihn zuzugehen. Welche Kurven beschreiben die Leute, wann und wo treffen sie zusammen? Wie ist die Lage, wenn es nur drei, wenn es fünf, sechs usw. Personen sind, die sich entsprechend verhalten? → zur Lösung
•• 1.2.7 Satyr und Nymphe In einem exakt kreisförmigen, vom Ufer ab sehr tiefen See schwimmt ein junges Mädchen genau in der Mitte, als sie das Herannahen eines allem Anschein nach sehr starken, sehr intelligenten, aber sonst widerlichen Mannes mit offenbar sehr bösen Absichten bemerkt, der zum Glück nicht schwimmen und genau viermal so schnell am Ufer laufen kann wie sie schwimmt, aber nicht schneller als sie läuft. Was muss sie tun, um ihm zu entkommen? → zur Lösung
••• 1.2.8 Ans Ende der Welt
In einer Science fiction-Story gerät der Held auf eine Art Fließband, auf dem er nur vorsichtig mit 1 m/s vorwärts kommt. Bald bemerkt er, dass von den beiden Enden A und B des Bandes eines (A) feststeht. Das andere (B) wird mit 10 m/s weggezogen. Zum Glück ist das Bandmaterial beliebig dehnbar. Kann der Held, der bei A auf das anfangs 1 km lange Band geraten ist, jemals das Ende B erreichen, und wenn ja, wann? – Der ,,Rand des Weltalls“, der z. Z. etwa 2 · 1010 Lichtjahre entfernt ist, rast mit Lichtgeschwindigkeit von uns weg. Wenn im Weltall als Ganzem die übliche Geometrie herrschte, wann würde eine Rakete, die mit c/2 fliegt, den Rand der Welt erreichen? → zur Lösung
• 1.2.9 Hemmt Wind immer? Ein Flugzeug fliegt mit der Reisegeschwindigkeit v eine Strecke d hin und zurück. Es weht ein Wind mit der Geschwindigkeit w genau in Flugrichtung bzw. beim Rückflug in Gegenrichtung. Gleicht der Gewinn an Flugzeit beim Hinflug den Verlust beim Rückflug aus? → zur Lösung
•• 1.2.10 Michelson im Fluss Ein Fluss hat überall die Strömungsgeschwindigkeit w. Ein Schwimmer überquert den Fluss zum genau gegenüberliegenden Punkt und kehrt zum Ausgangspunkt zurück. Ein anderer schwimmt genau die Flussbreite stromab und wieder zurück. Welcher der beiden gleich guten Schwimmer gewinnt? → zur Lösung
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•• 1.2.11 Wie kommt man rüber? Ein Fluss hat überall die gleiche Strömungsgeschwindigkeit. Wie muss man sich verhalten, damit man beim Hinüberschwimmen a) eine möglichst kurze Strecke abgetrieben wird; wie lang ist die Überquerungszeit? b) in möglichst kurzer Zeit hinüberkommt; wie weit wird man abgetrieben? c) Der Fluss strömt schneller als man schwimmt. Am sehr unwegsamen Ufer kommt man zu Fuß auch nur langsam vorwärts. Man soll in möglichst kurzer Zeit ans jenseitige Ufer schwimmen und wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren. → zur Lösung
• 1.3.1 Hier irrte Aristoteles Aristoteles behauptete, ein schwerer Körper falle schneller als ein leichter (auch abgesehen vom Luftwiderstand). Galilei schlug vor, man solle sich einen schweren und einen leichten Körper durch einen Faden verbunden denken und diesen immer dünner bzw. dicker machen. Was beweist das? → zur Lösung
•• 1.3.2 Was ist Masse? Newton definiert zu Beginn der ,,Principia“ die Masse (er sagt: ,,Quantity of matter“) wie folgt: ,,The quantity of matter is the measure of the same, arising from its density and its bulk conjunctly“. Er kommentiert dies: ,,Thus air of a double density, in a double space, is quadruple in quantity, . . . “. Ist diese Definition logisch befriedigend? → zur Lösung
•• 1.3.3 Wie viele Axiome braucht man? Eine Betrachtung aus Newtons ,,Principia“: Angenommen, zwei Körper A und B ziehen einander an, aber entgegen dem Reaktionsprinzip so, dass B von A stärker gezogen wird als A von B. Jetzt verbinden wir A und B durch eine Stange. Sie wird nach Voraussetzung durch B stärker geschoben als durch A, erfährt also eine gegen A gerichtete resultierende Kraft, die sie auf A überträgt. Das ganze System müsste sich damit nach dem Aktionsprinzip selbständig beschleunigen, ohne äußeren Kräften ausgesetzt zu sein, im Widerspruch zum Trägheitsprinzip und zur Erfahrung. Ist das eine echte Herleitung des Reaktionsprinzips, die es als Axiom überflüssig macht? → zur Lösung
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••• 1.3.4 Da kann man sich sehr täuschen
Ein Stein wird genau senkrecht hochgeworfen. Trifft er genau an der gleichen Stelle wieder auf? Man lässt einen Stein von einem Turm fallen. Kommt er genau senkrecht unter der Abwurfstelle an? (Beide Male Windstille.) → zur Lösung
• 1.4.1 Brunnentiefe Sie lassen einen Stein in einen Brunnen fallen und hören es nach der Zeit t platschen. Wie tief ist der Brunnen? → zur Lösung
• 1.4.2 Tachoregel Was halten Sie von der Kraftfahrregel: Um den Bremsweg (in m) zu erhalten, teile man die Geschwindigkeit (in km/h) durch 10 und quadriere? Welcher Bremsverzögerung entspricht das (Vergleich mit der TÜV-Forderung von 6 m/s2 )? Welchen Winkel gegen die Vertikale muss ein stehender Fahrgast in einem gebremsten Fahrzeug einnehmen, wenn er ohne Halt nicht umfallen will? Wie lauten die Werte von Beschleunigung und Einstellwinkel für einen PKW, der in 12 s auf 100 km/h beschleunigt? → zur Lösung
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• 1.4.3 Sicherheitsabstand
Welchen Sicherheitsabstand sollte man bei gegebener Geschwindigkeit halten, wenn man (a) die eigenen Bremsen für mindestens so gut hält wie die des Vordermannes und die eigene Reaktionszeit mit t veranschlagt (speziell etwa t = 0,3; 1,0; 2,0 s), (b) damit rechnen muss, dass die Bremsverzögerung des Vordermannes doppelt so groß ist wie die eigene (er hat z. B. bessere Bremsen, Sie bremsen nur entsprechend Aufgabe 1.4.2)? Was sagen Sie zu der Faustregel: In der Stadt fahre man halben, im Freien vollen Tachometerabstand (Tachometerabstand: so viele m, wie der Tacho km/h zeigt)? → zur Lösung
• 1.4.4 Hier irrte Jules Verne Jules Vernes Mondschuss: Eine Granate, als Passagierkabine eingerichtet, wird aus einem tiefen Felsschacht als Kanonenrohr abgeschossen und soll so auf die ,,parabolische Geschwindigkeit“ von 11,2 km/s gebracht werden, die ein Objekt (ohne Berücksichtigung des Luftwiderstandes) zum Entweichen von der Erde braucht. Diskutieren Sie die Möglichkeit des Projektes. Denken Sie daran, dass ein Mensch unter günstigsten Bedingungen (welche sind das?) 1 s lang 30 g, 5 s lang 15 g, 60 s lang 8 g, 200 s lang 6 g aushält. → zur Lösung
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• 1.4.5 Wurfweite Wie groß sind die fehlenden Werte (Anfangsgeschwindigkeit v0 , Wurfweite w, Scheitelhöhe h) bei folgenden Problemen (Voraussetzung: kein Luftwiderstand, Wurfwinkel so, dass w maximal): Weitsprung (Absprung als reine Umlenkung auffassen!); Speerwerfer wirft 90 m. Wie schnell bewegt er die Wurfhand relativ zum Körper? Ferngeschütz schießt 100 km weit (warum so großes Kaliber?); Rakete fliegt 280 km weit. SatellitenRakete (letzte Stufe): v0 = 8 km/s. Sind die Formeln des schiefen Wurfs in allen Fällen anwendbar? → zur Lösung
••• 1.4.6 Kugelstoß
Sollte ein Kugelstoßer auch unter 45◦ abstoßen wie ein Ballwerfer?
→ zur Lösung
•• 1.4.7 Drehscheibe Auf einer mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotierenden Scheibe vom Radius r ist längs eines Durchmessers ein Gleis montiert. Jemand schiebt einen Wagen der Masse m von außen bis ins Zentrum. Welche Arbeit leistet er dabei mindestens? Wie groß ist der Unterschied an potentieller Energie des Wagens zwischen Umfang und Zentrum? Wie schnell würde ein nahe dem Zentrum losgelassener Wagen am Umfang ankommen? Ist seine Bewegung gleichmäßig beschleunigt? (Reibung überall vernachlässigen!) Man koppelt zwei Wagen mit den Massen m 1 und m 2 durch ein Seil der Länge l zusammen. Wo müssen sie stehen, damit sie ohne Bremsvorrichtung nicht wegrollen? Ist das Gleichgewicht stabil? → zur Lösung
•• 1.4.8 Kurvenfahrt Kommt man auf der Innen- oder Außenspur schneller um eine nicht überhöhte Kurve, falls man nicht ,,schneiden“ kann oder darf, also seine Spur beibehält und so schnell fährt, dass man gerade nicht seitlich wegrutscht? → zur Lösung
• 1.4.9 Überhöhung Wie groß ist die richtige Überhöhung einer Kurve vom Krümmungsradius r, die mit der Geschwindigkeit v durchfahren werden soll? Sollte man die Kurve nach dem Prinzip bauen: gerades Stück – Kreisbogen – gerades Stück? → zur Lösung
•• 1.4.10 Eisenbahnkurve Wie schnell darf ein Zug um eine nicht überhöhte, bzw. um den Winkel α überhöhte Kurve fahren, damit die Wagen nicht kippen? Spurbreite 1,435 m, Höhe des Wagenschwerpunktes über der Schienenoberkante ca. 2 m. → zur Lösung
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• 1.4.11 Schwerelosigkeit Berechnen Sie Bahngeschwindigkeit und Umlaufzeit eines Satelliten, der in geringer Höhe über dem Erdboden kreist. Wieso kann man sagen, dass in ihm Schwerelosigkeit herrscht? → zur Lösung
•• 1.4.12 Zentrifuge Diskutieren Sie die Zentrifugalbeschleunigungen und -kräfte in einer Wäscheschleuder (Trommeldurchmesser 30 cm, 3 000 U/min); in einer Astronauten-Testmaschine (Abstand Drehachse–Kabine 6 m); auf der Erde am Äquator und in München (48◦ N) infolge Achsdrehung; auf der Erde infolge der Bahnbewegung um die Sonne; auf dem Mond infolge der Bahnbewegung um die Erde. → zur Lösung
•• 1.4.13 Kreispendel Ein Pendel schwingt in x-Richtung. In einem bestimmten Moment stößt man es auch senkrecht oder schräg dazu an. Wie hängt die Bahn, die der Pendelkörper beschreibt, vom Zeitpunkt des Anstoßes (Phasendifferenz), von seiner Stärke (Amplitudenverhältnis) und seiner Richtung ab? → zur Lösung
•• 1.4.14 Galileis Irrtum Galilei hat vorübergehend gemeint, die Fallgeschwindigkeit v sei proportional zur durchfallenen Strecke s, denn er hatte beobachtet, ,,eine Ramme, die aus doppelter Höhe fällt, treibt den Pfahl doppelt so weit in die Erde“. Was sagen Sie zu dieser Begründung? Die Annahme v ∼ s lässt sich zu einem flagranten qualitativen Widerspruch mit der Erfahrung führen. Wie? → zur Lösung
• 1.4.15 Der starke Floh Sind die Muskeln eines Flohs (pro Querschnittseinheit) wirklich stärker als die des Menschen, weil er 500 seiner Körperlängen weit springen kann und der Mensch höchstens 5? → zur Lösung
••• 1.4.16 Captain Smolletts Uhr
Nur für sehr kleine Amplituden ist die Frequenz eines Pendels unabhängig von der Amplitude. Dies beschränkt die Ganggenauigkeit von Pendeluhren, besonders auf Schiffen, wo die Amplitude schwer konstant zu halten ist. Welche Nachteile hat das für den Navigator? Wir behandeln jetzt die Pendelschwingung exakter, auch für größere Amplituden. Wie stark weicht die Pendelperiode vom üblichen Wert ab? Wie weit durfte die Pendeluhr der ,,Hispaniola“ ausschlagen, mit der man die Schatzinsel nach Captain Flints Koordinaten suchte? → zur Lösung
Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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•• 1.5.1 Bogenschießen Warum ist ein guter Bogen an den Enden dünner als in der Mitte, im Gegensatz zum ,,Flitzbogen“ aus einem Ast einheitlicher Dicke? → zur Lösung
• 1.5.2 Benzinverbrauch Die typische Stadtfahrt bestehe aus Halten vor der Ampel (alle 100 m), Beschleunigen auf 50 km/h, Ampel, Gasgeben, . . . . Um wie viel erhöht das den Kraftstoffverbrauch auf 100 km? Wie viel ,,kostet“ im Vergleich ein kräftiger Pass? → zur Lösung
• 1.5.3 Unfall Ein Auto fährt mit der Geschwindigkeit v gegen eine feste Betonwand. Sein Kühler wird dabei um eine Strecke d zusammengeschoben. Welche Beschleunigung erfährt der Insasse? Kann er sich mit steifen Armen am Armaturenbrett abstützen? Vergleichen Sie die Zerstörungswirkung dieses Unfalls mit dem Frontalzusammenstoß zweier Autos gleicher Bauart und gleicher Geschwindigkeit.
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•• 1.5.4 Hochsprung Der Schwerpunkt eines Hochspringers liegt beim Absprung in der Höhe h 0 über der Absprungfläche. Längs einer Strecke ∆h 1 beschleunigt sich der Springer durch seine Beinkraft auf die Absprunggeschwindigkeit v0 , die ausreicht, ihn über die Latte zu tragen. Mit vernünftigen Werten bestimmen Sie Beschleunigungen, Geschwindigkeiten, Höhen, Arbeiten, Leistungen. → zur Lösung
•• 1.5.5 Veranschaulichung des Raketenprinzips Zwei gleich schwere Körper A1 und B1 werden durch eine Sprengladung auseinandergeschleudert (Maximalgeschwindigkeiten s. Abschn. 1.5.9a). A1 besteht seinerseits aus zwei gleich schweren Teilstücken, mit denen das Gleiche geschieht usw. Wie schnell bewegt sich A1 nach der ersten Explosion relativ zur Erde, wenn das Ausgangssystem in Ruhe war? Wie viele Explosionen braucht man, um mit einem Teilstück die Kreisbahngeschwindigkeit zu erreichen? Wie groß ist das Verhältnis der Ausgangsmasse zur ,,Nutzlast“ (Masse des letzten Teilstücks)? Sind die Verhältnisse bei wirklichen Raketen günstiger oder ungünstiger? → zur Lösung
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•• 1.5.6 Spülmaschine Ein Gefäß ist ganz voll mit praktisch reinem Alkohol. Man gießt unter ständigem gründlichen Umrühren sehr langsam Wasser dazu, wobei die gleiche Gemischmenge in eine Wanne überläuft. Wie viel Wasser muss man zugießen, damit noch 40%iger, 20%iger, allgemein Alkohol der Volumenkonzentration c im Gefäß bleibt? Welche Konzentration hat die übergelaufene Flüssigkeit in der Wanne? Suchen Sie formale Beziehungen zum Raketenantrieb (Aufgabe 1.5.5, Abschn. 1.5.9b). → zur Lösung
• 1.5.7 Rakete Ethanol (95%) hat den Brennwert 2,8 · 107 J/kg. Schätzen Sie die optimalen Flugdaten einer einstufigen Rakete (Ethanol plus Flüssigsauerstoff). → zur Lösung
•• 1.5.8 Projekt für den Fall einer Abkühlung der Sonne Man bohre ein Loch bis ins Magma und lasse das Meerwasser hineinlaufen. Mit dem entstehenden Dampfstrahl als Raketenantrieb bugsiere man die Erde näher an die Sonne heran oder im Notfall zu einem anderen Fixstern, wobei natürlich Atomheizung vorzusehen ist. Kritik? → zur Lösung
•• 1.5.9 Elastischer Stoß Eine elastische Kugel prallt zentral auf (a) eine gleich schwere ruhende Kugel, (b) eine doppelt so schwere ruhende Kugel, (c) eine feste Wand, (d) eine gleich schwere Kugel, die ihr mit gleicher Geschwindigkeit entgegenkommt, (e) eine sehr kleine Kugel. Alle diese Stoßpartner sind ebenfalls elastisch. Bestimmen Sie die Geschwindigkeiten nach dem Stoß und die übertragenen Impulse und Energien. → zur Lösung
•• 1.5.10 Zykloide Welche Kurve beschreibt ein Punkt an der Lauffläche des Reifens eines fahrenden Autos? Stellen Sie zunächst die Koordinaten des Punktes als Funktionen des Drehwinkels des Rades dar (Parameterdarstellung). Bestimmen Sie die Neigung der Kurve. Gibt es Augenblicke, wo der Punkt doppelt so schnell läuft wie das Auto? Wann bewegt er sich genau senkrecht, wann genau waagerecht, wann überhaupt nicht? Diese Kurve spielt eine Rolle angefangen vom Zahnradprofil über die ,,Brachistochrone“ des Johann Bernoulli (Aufgabe 1.5.12), das Pendel konstanter Schwingungsdauer (Tautochrone), das Profil der Wasserwelle, den Raketenflug bis zur Expansion des Weltalls. → zur Lösung
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••• 1.5.11 Pendeluhr
Die Schwingungsdauer eines Pendels sollte unabhängig von der Amplitude sein. Abweichungen von dieser ,,Tautochronie“ bei größeren Amplituden s. Aufgabe 1.4.16. Gilt das Gleiche auch für einen reibungsfreien Schlitten in einem zylinderförmigen U-Tal? Wie müsste das Talprofil aussehen, damit die Periode exakt amplitudenunabhängig ist? Begründen Sie Huygens’ Antwort: Das Profil muss eine umgestülpte Zykloide sein. Wie kann man ein Zykloidenpendel praktisch realisieren? Warum hat man sich zu Huygens’ Zeit so viel mehr für das Problem interessiert als jetzt? → zur Lösung
••• 1.5.12 Bruderzwist im Hause Bernoulli
1696 stellte Johann Bernoulli seinen Kollegen und besonders seinem Bruder Jakob, mit dem er sich nicht gut stand, eine Denkaufgabe: Zwei Punkte A und B, die verschieden hoch, aber nicht direkt übereinander liegen, sollen so durch eine Rutschbahn verbunden werden, dass ein reibungsfreier Schlitten in möglichst kurzer Zeit von A nach B gleitet. Zur Lösung soll selbst Newton einen sehr anstrengenden Tag gebraucht haben. Johann Bernoulli soll dessen anonym veröffentlichte Lösung sofort als Newtons erkannt haben: ,,Ex ungue leonem“, sagte er. Jakob begründete mit seiner Lösung die Variationsrechnung, Johann machte es praktisch ohne Differentialrechnung: Er stellte die Bahn als Lichtweg in einem Medium veränderlicher Brechzahl dar und benutzte das Fermat-Prinzip der kürzesten Laufzeit. Außerdem brauchte er nur die Fallgesetze und die Eigenschaften der Zykloide (das ist die Lösung), soweit sie in Aufgabe 1.5.10 abgeleitet sind. Wenn Sie nicht darauf kommen, studieren Sie wenigstens zwei unvollkommene Lösungen: Die schiefe Ebene, die A und B geradlinig verbindet, und eine Bahn, die von A senkrecht abfällt und ganz kurz vor der Höhe von B in die Horizontale umlenkt. Wovon hängt es ab, welche dieser beiden Bahnen schneller ist? → zur Lösung
•• 1.5.13 Kann Messner mehr? Messen Sie Ihre körperliche Dauerleistung, z. B. beim Bergsteigen. Das Blut enthält 15,5% Hämoglobin. Ein Hb-Molekül (rel. Molekülmasse 65 000) kann vier Moleküle O2 reversibel binden. Herzfrequenz bei Anstrengung bis 150 min−1 , Pumpvolumen 1 cm3 /kg Körpergewicht. Zucker, Grundeinheit CH2 O, wird zu CO2 + H2 O abgebaut; 1 g Zucker liefert 17 kJ. Wirkungsgrad der Muskeln ca. 25%. Wird Ihre Dauerleistung durch die Zirkulation begrenzt? → zur Lösung
• 1.6.1 Bremsweg Einige Reibungskoeffizienten gegen Autoreifen: Gute trockene Straße 0,8, feuchte Straße 0,3, Schnee um 0,1, Glatteis < 0,1. Abgenutzte Reifen haben kaum mehr als die Hälfte (alle Werte ohne Gewähr). Diskutieren Sie Bremswege, zulässige Geschwindigkeiten in Kurven usw. → zur Lösung
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• 1.6.2 Richtiges Bremsen Warum nutzt es nichts, zu stark ,,auf die Bremse zu steigen“? Wie sollte man bremsen, um den Ruck kurz vor dem Zum-Stehen-Kommen zu vermeiden? → zur Lösung
•• 1.6.3 Anfahren Der Haftreibungskoeffizient zwischen Reibung und Straße sei µ0 = 0,6. Das ,,Leistungsgewicht“ eines Autos sei 10 kg/PS. Wie groß ist die maximal mögliche Beschleunigung beim Anfahren auf ebener Strecke? Von welcher Geschwindigkeit ab wird die maximale Beschleunigung durch die Motorleistung begrenzt? Wie steil darf die Straße höchstens sein, damit das Auto hinaufkommt? Wie groß ist bei dieser maximalen Steigung die Geschwindigkeit bei voller Leistung? Das Auto fährt so schnell durch eine nicht überhöhte Kurve, dass es gerade nicht wegrutscht. Unter welchem Winkel zur Senkrechten stellt sich dabei ein im Wagen frei bewegliches Pendel ein? Wie groß ist die maximale Bremsverzögerung? Der Fahrer habe eine Reaktionszeit von 1 s. Welchen Weg (als Funktion der Geschwindigkeit) braucht er, um beim Auftauchen eines Hindernisses zum Halten zu kommen? → zur Lösung
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• 1.6.4 Super-Reibung Gibt es Reibungskoeffizienten > 1? → zur Lösung
•• 1.6.5 Zauberstab Man legt einen langen Stab quer über die beiden parallel ausgestreckten Zeigefinger. Zunächst seien die Arme ausgebreitet. Was geschieht, wenn man die Finger einander nähert? Fällt der Stab herunter? Wo treffen sich die Finger? → zur Lösung
• 1.6.6 Traktor Warum hat ein Traktor so große Räder, wenigstens hinten? Hat das etwas mit seiner Motorleistung oder -drehzahl zu tun? → zur Lösung
•• 1.6.7 Der starke Matrose Ein Matrose kann ein großes Schiff an einem Seil festhalten, wenn er dieses mehrmals um einen Pfahl schlingt. Wie ist das möglich? → zur Lösung
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•• 1.6.8 Kartentrick Auf einem Bierglas liegt eine Spielkarte, mitten darauf eine Münze. Wie schnell muss man die Karte wegziehen oder -schnipsen, damit die Münze ins Glas fällt? Geht es besser mit einem weiten oder einem engen Glas? Wie geht es mit einem weichen Radiergummi statt der Münze? – Wie schnell muss man die Tischdecke unter dem Geschirr wegreißen, ohne dass es Scherben gibt? Fällt ein hohes oder ein niedriges Glas dabei leichter um? → zur Lösung
•• 1.6.9 Fallschirm Wie groß muss ein Fallschirm sein, wenn ein Mann, Auto, Kleinkind den Fall unversehrt überstehen soll? Welche Aufschlaggeschwindigkeit übersteht man? Kommt es auf die Absprunghöhe an? Nach welcher Fallstrecke und -zeit wird die Endgeschwindigkeit erreicht? Wie groß ist die Endgeschwindigkeit für einen Menschen ohne Fallschirm? Beim Fallschirm kann mit einer effektiven Fläche gerechnet werden, die etwa zwei- bis dreimal so groß ist wie die geometrische Fläche (cw = 2 bis 3). → zur Lösung
•• 1.6.10 Brand im Transatlantik-Jet Sie müssen raus! Dürfen Sie den Fallschirm sofort öffnen? Aus welcher Höhe kann man ohne Atemgerät lebend unten ankommen, und wie muss man sich verhalten? Diskutieren Sie den freien Fall auch für kleinere Lebewesen. Gibt es eine Größe, unterhalb der ein Tier sich überhaupt nicht mehr totfallen kann? → zur Lösung
•• 1.6.11 Leistung beim Radeln Ein Radler hat im Wesentlichen gegen folgende Kräfte anzukämpfen: Reibungskräfte, Luftwiderstand, Steigungskräfte . . . . Diskutieren Sie diese Kräfte und die entsprechenden Leistungen in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit. Arbeiten Sie teilweise empirisch, z. B.: Aus der Geschwindigkeit, mit der Sie bestimmte Steigungen fahren, folgt Ihre Leistung; die Geschwindigkeit in der Ebene bei gleicher Anstrengung ergibt Ihren effektiven Querschnitt, usw. Welche Rolle spielt dabei die Übersetzung? → zur Lösung
••• 1.6.12 Bewegung mit Reibung
Untersuchen Sie eine Bewegung unter dem Einfluss einer Reibungskraft, deren Geschwindigkeitsabhängigkeit durch vn mit beliebigem n gegeben ist, z. B. die Bremsung eines Objekts mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 durch eine solche Reibung. Bestimmen Sie den v(t)- und den x(t)-Verlauf. Welcher qualitative Unterschied besteht zwischen dem Verhalten bei n < 1, bei 1 ≤ n < 2 und bei n ≥ 2? Betrachten Sie das Verhalten von v und x bei t → ∞. → zur Lösung
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•• 1.6.13 Schwingung mit Reibung Als gedämpfte Schwingung bezeichnet man i. Allg. eine, deren Amplitude mit der Zeit exponentiell abnimmt. Ist dieses Abklinggesetz allgemein gültig, oder hängt es von der Form des Reibungsgesetzes ab? Betrachten Sie eine Schwingung unter dem Einfluss einer elastischen Rückstellkraft und einer Reibungskraft, die proportional vn ist (n beliebig). Untersuchen Sie nur die zeitliche Änderung der Amplitude x0 (t). Wie hängt die Gesamtenergie W von der Geschwindigkeitsamplitude v0 ab? Wie ändert sich W zeitlich unter der Annahme, dass v immer seinen Maximalwert v0 hat? Ist diese Annahme berechtigt, oder wie kann man den Fehler korrigieren? Aus der Abhängigkeit v0 (t) schließen Sie auf x0 (t) zurück und beachten dabei Aufgabe 1.6.12. → zur Lösung
•• 1.6.14 Reentry Die Bahn eines Satelliten oder eines Meteoriten durch die Erdatmosphäre zerfällt in zwei qualitativ verschiedene Phasen: (1) die stationäre Phase, in der die ursprüngliche Kepler-Bahn praktisch beibehalten wird, in größeren Höhen, (2) die ,,reentry-Phase“ in geringer Höhe. Zeigen Sie, dass das stimmt. Beschreiben Sie das Verhalten des Satelliten in den beiden Phasen. Wo liegt die Grenze zwischen diesen Phasen, und wie hängt ihre Lage von den Eigenschaften des Satelliten ab? → zur Lösung
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•• 1.6.15 Viel Lärm um nichts
Im März 1980 stürzte der Skylab-Satellit ab, der 1972 mit 85 t Masse und 60 m2 Querschnitt auf eine Kreisbahn in 300 km Höhe über dem Erdboden gebracht worden war. Trotz des Geschreis katastrophensüchtiger Medien und ihrer Konsumenten verlief dieser Absturz viel harmloser als bei den meisten Starfighters. Welche Bahngeschwindigkeit und welche Umlaufzeit hatte Skylab auf dieser Kreisbahn? Skylab wurde von einer Trägerrakete gestartet, deren Triebwerk Verbrennungsgase mit etwa 2 km/s ausstößt. Falls dies eine Einstufenrakete war und unter Vernachlässigung des Luftwiderstandes: Welche Startmasse hatte die Rakete, wie viel Treibstoff wurde verbraucht? Warum verwendet man in Wirklichkeit mehrstufige Trägerraketen? Wie groß ist die Luftdichte in der Höhe der Skylab-Bahn bei einer mittleren Skalenhöhe von 12 km? Welcher mittleren Lufttemperatur entspricht diese Skalenhöhe? Wie groß sind die Reibungskraft, die Skylab auf der ursprünglichen Bahn erfuhr, und die entsprechende Leistung? Schätzen Sie die Lebensdauer von Skylab auf seiner Bahn. Der vorzeitige Absturz wurde so erklärt: Die Sonne hatte ihre Aktivität in den vorangegangenen zwei Jahren unerwartet gesteigert, insbesondere mehr Sonnenwind, d. h. mehr schnelle Elektronen und Protonen ausgesandt als erwartet. Diese bleiben in der Hochatmosphäre stecken und heizen sie auf. Wieso hat das die Lebensdauer von Skylab verkürzt? Wie schnell würde die Luftreibung die Energie des Satelliten aufzehren, wenn er plötzlich in Luft geriete, die dieselbe Dichte hat wie am Erdboden? Wie heiß würde das Material von Skylab, wenn es die ganze Reibungshitze aufnehmen
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müsste? Ist das der Fall, oder wo bleibt der Rest der Energie? Mit welcher Geschwindigkeit ist Skylab auf der Erde aufgeschlagen? Geschah es senkrecht oder schräg? Wenn ein Satellit völlig wahllos irgendwo aufschlägt, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch dabei getroffen wird? → zur Lösung
• 1.7.1 Seilsicherung Um Katastrophen bei evtl. Abschaltung der Gravitation vorzubeugen, will man die Erde mit der Sonne durch ein Stahlseil verbinden, das sie auf ihrer Bahn hält. Abgesehen vom Befestigungsproblem und von der Masse des Seils: Wie dick müsste das Seil sein? → zur Lösung
• 1.7.2 Geostationärer Satellit Der Syncom-Nachrichtensatellit soll antriebslos immer über demselben Punkt der Erdoberfläche stehen. Wie groß muss sein Abstand von der Erdoberfläche sein? Könnte er z. B. ständig über München stehen? Wie viele solcher Satelliten braucht man, um jeden Punkt am Äquator zu erreichen? (Ultrakurzwellen breiten sich geradlinig aus.) Welches ist der nördlichste Punkt, der gerade noch erreicht wird? → zur Lösung
• 1.7.3 Sonnenmasse Auch ohne Kenntnis der Gravitationskonstante kann man angeben, wie viel mal massereicher die Sonne ist als die Erde. Man braucht dazu außer allbekannten Daten über Jahres- und Monatslänge nur das Verhältnis der Abstände von Sonne und Mond von der Erde (400 : 1), nicht aber die absoluten Abstände. Wie geht das zu? → zur Lösung
•• 1.7.4 G-Messung Projektieren Sie eine Messung der Gravitationskonstante nach CavendishEötvös: Art der großen Kugeln (müssen es Kugeln sein?), Konstruktion des Drehbalkens, Material und Dicke des Torsionsdrahtes usw. → zur Lösung
•• 1.7.5 Sirius B Sirius führt um seine scheinbare geradlinige Bewegung am Himmel eine leichte Pendelung mit einer Periode von 48 Jahren aus, bei der seine Position insgesamt um 3,2 schwankt. Unter der Annahme, dass dieses Pendeln von einem (bis 1862 noch nicht optisch identifizierten) Begleiter herrührt, der sehr geringe Leuchtkraft hat, und dass die Bahnen kreisförmig sind (was nicht stimmt): Welche Masse hat dieser Begleiter? Sirius ist 8,8 Lichtjahre entfernt. (Parallaxe 0,372 .) Benutzen Sie folgende, auch sonst sehr nützliche Überlegung: Welche Masse müsste im Schwerpunkt des Systems aus den Massen m 1 und m 2 angebracht sein, um in ihrer Gravitationswirkung auf m 1 die Masse m 2 zu ersetzen? → zur Lösung
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•• 1.7.6 Lotablenkung In Bad Harzburg, 10 km nördlich des Brockens, weicht das Lot um 0,25 von der Richtung ab, die man nach Korrektur auf Zentrifugalkraft und Ellipsoidgestalt erwartet. Welchen Fehler würde man beim Kartenzeichnen machen, wenn man sich nur auf die Polhöhe verließe? Was kann man über das Material sagen, aus dem der Harz besteht? Am Fuß des Himalaja findet man nur wenige Bogensekunden Lotabweichung. Warum? → zur Lösung
•• 1.7.7 Ziggurat Angenommen, den Babyloniern wäre ihr Turmbau bis in den ,,Himmel“, sagen wir bis in 50 000 km Höhe gelungen. Man nehme ein genügend festes Seil der gleichen Länge, das zwei Kabinen verbindet, eine nahe der Erdoberfläche, die andere oben im Turm. Was geschieht? Was kann man damit anfangen? Braucht man überhaupt einen Turm? → zur Lösung
• 1.7.8 Mondautobahn Was ist bei der Anlage von Autobahnen auf dem Mond zu beachten (besonders Kurvenradien, Überhöhungen usw.)? → zur Lösung
• 1.7.9 Olympiade 2000 in Selenopolis (Mare Imbrium) Welche Rekorde besonders in den leichtathletischen Disziplinen sind zu erwarten? Welche anderen Sportarten versprechen Sensationen? Welche Änderungen in den Sportanlagen sind zu treffen? → zur Lösung
••• 1.7.10 Projekt Gravitrain
Man baut genau geradlinig, also nicht der Erdkrümmung folgend, einen Tunnel, der zwei Punkte A und B der Erdoberfläche verbindet. Darin kann ein Wagen reibungsfrei rollen. Wie bewegt er sich, wenn man ihn an einem Ende bei A loslässt? Wie lange dauert die Fahrt von A nach B? Wie groß ist die dabei erreichte Höchstgeschwindigkeit? Wie hängen die obigen Werte von der Länge des Tunnels ab? Wie liegen die Dinge, wenn der Tunnel durch den Erdmittelpunkt geht? Erfahrungsgemäß ist der Reibungswiderstand bei gut gelagerten Wagen etwa 1% des Gewichts. Wie groß müsste die Tunnellänge mindestens sein, damit der Wagen nicht infolge Reibung gleich nach dem Start wieder zum Stehen kommt? Die Reibung bringt den Wagen natürlich vor dem Ende des Tunnels (B) zum Stehen. Wo geschieht das? Hinweis: Ein Körper im Innern der Erde in einem Abstand r vom Erdmittelpunkt wird von der Kugel mit dem Radius r angezogen. Die Wirkungen der Teile der äußeren Kugelschale heben sich gegenseitig auf. Man nehme konstante Dichte des Erdkörpers an. → zur Lösung
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•• 1.7.11 Isostasie Über der Tiefsee ist die Schwerebeschleunigung nicht kleiner als über dem Flachland. Schätzen Sie den Unterschied, der eigentlich auftreten sollte, weil Wasser leichter ist als Stein. Wenn dieser Unterschied nicht existiert, wie ist er kompensiert worden? Granit, Gneis usw. (,,Sial“) haben Dichten um 2 650 kg/m3 , die Gesteine unter dem Meeresboden (,,Sima“) um 2 850 kg/m3 . Wie tief ragt die Sialscholle? Wie tiefe Wurzeln müssen die Gebirge haben, wenn sie keinen Einfluss auf die Schwerebeschleunigung haben? → zur Lösung
•• 1.7.12 Ehrenrettung Zu Galileis Zeiten fehlten empirische Beweise dafür, dass sich die Erde bewegt (welche gibt es jetzt?). Vom positivistischen Standpunkt aus war also die Ansicht berechtigt, Copernicus habe vor Ptolemäus nur den Vorzug größerer mathematischer Einfachheit. Indirekte Beweise hatte Galilei zur Genüge (Jupitermonde, Venusphasen usw.). Mit seinem angeblichen direkten Beweis im ,,Dialogo“, sagen die Historiker, habe er sich aber ins Unrecht gesetzt: Die Gezeiten sollten nach Galilei verursacht sein durch die Kombination von Jahresumlauf und Tagesrotation. Ist das wirklich so falsch?
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• 1.7.13 Homogenes Feld Wie müsste eine Massenverteilung aussehen, die für ein homogenes Schwerefeld verantwortlich wäre? → zur Lösung
•• 1.7.14 Tidenhub I Ein sehr langes, genau horizontal liegendes Rohr ist halb voll Wasser. (Genau horizontal heißt: sich der Erdkrümmung anschmiegend!) Kann man hoffen, die Gezeiten in diesem Rohr nachzuweisen? Wie hängt der Gezeitenhub von der Rohrlänge ab? Extrapolieren Sie auf einen weltweiten Ozean. Warum sind die Gezeiten in Wirklichkeit i. Allg. höher? Welche Hübe schätzen Sie für Mittelmeer, Ostsee, Oberen See, Bodensee? → zur Lösung
•• 1.7.15 Tidenhub II Wie kann die winzige Gezeitenbeschleunigung von 10−7 g die Flut 10 m hoch auftürmen? → zur Lösung
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•• 1.7.16 Gezeitenkraft Ein elastischer Reifen wird so auf die Kreisbahn um die Erde gebracht, dass sein Durchmesser auf den Erdmittelpunkt hinzeigt. Bleibt er kreisförmig oder deformiert er sich? Was wird aus einem losen Trümmerhaufen, der um die Erde kreist? Hängt sein Schicksal vom Radius der Kreisbahn ab? Berücksichtigen Sie die eigene Gravitation des Haufens. Wirft das Ergebnis ein Licht auf die Entstehung der Saturnringe? → zur Lösung
•• 1.7.17 Springflut Wer erzeugt höhere Gezeiten: Sonne oder Mond? Erklären Sie Spring- und Nipptiden. → zur Lösung
•• 1.7.18 Stationärer Mond Warum muss die Gezeitenreibung Tag und Monat schließlich gleich lang machen? Welche Einflüsse könnten dem entgegenarbeiten? Wie lang werden Tag und Monat sein, wenn sie sich treffen? Wie weit ist der Mond dann von der Erde entfernt? → zur Lösung
•• 1.7.19 Mondentstehung Schätzen Sie die Stärke der Gezeitenreibung in den Ozeanen, zunächst für einen ,,weltweiten Ozean“: Wie viel Wasser steckt im Flutberg? Wie schnell muss das Wasser durchschnittlich strömen? Wie groß sind die inneren Reibungskräfte auf dem Meeresboden mindestens? Wieso ist dies eine Mindestschätzung? Welche Größenordnung ergibt sich für die Tagesverlängerung und für die Zeit, bis Tag = Monat sein wird? Drehen Sie den Film zurück: Vor wie langer Zeit könnte der Mond ganz nahe der Erde gewesen sein? Reicht die Drehgeschwindigkeit des vereinigten Systems zum Abschleudern des Mondes? Welche Einflüsse könnten dabei geholfen haben? → zur Lösung
•• 1.7.20 Hat die Bibel doch recht? Welikowski machte Sensation mit seiner Behauptung, die Sonne oder vielmehr die Rotation der Erde habe verschiedentlich stillgestanden oder ihre Richtung umgekehrt (einmal, um Josua die völlige Abschlachtung der Amalekiter zu erlauben), und zwar weil einmal Venus, ein andermal Mars sich der Erde sehr genähert haben. Kann er recht haben? → zur Lösung
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•• 1.7.21 Sind wir doch allein? Nach Jeffries-Jeans soll das Sonnensystem entstanden sein, als ein anderer Fixstern der Sonne so nahe kam, dass er Material aus ihr riss und umgekehrt. Aus diesem Material sollen sich die Planeten kondensiert haben. Wie nahe müsste die Begegnung gewesen sein? Wie häufig kommt so etwas vor (z. B. in der ganzen Galaxis)? Hätte es Zweck, nach anderen bewohnten Welten zu suchen, wenn man noch, wie bis vor kurzem, an diese Theorie glaubte? → zur Lösung
• 1.7.22 Schwere auf Jupiter Welche Schwerebeschleunigungen herrschen auf den einzelnen Planeten und an der Sonnenoberfläche? Stellen Sie sich die Auswirkungen vor. → zur Lösung
•• 1.7.23 Mondmasse Was braucht man, um die Masse des Mondes zu bestimmen? → zur Lösung
• 1.7.24 7.1.1610 Galilei wusste, dass Jupiter etwa 12 Jahre zum Umlauf um die Sonne braucht, er sah den Mond Ganymed etwa 6 neben dem Planeten stehen und bestimmte seine Umlaufzeit zu 3,6 Tagen. (Wie viele von diesen Daten können Sie mit einem Feldstecher nachprüfen?) Wenn Galilei das Gravitationsgesetz gekannt hätte, was hätte er daraus über Jupiter aussagen können? (Masse? Abstand von der Sonne? Brauchte er noch weitere Informationen?) → zur Lösung
••• 1.7.25 Hohmann-Bahnen
Interplanetare Raketenbahnen erfordern minimalen Treibstoffaufwand, wenn sie Kepler-Ellipsen sind, die die Bahnen von Start- und Zielplanet innen bzw. außen tangieren (warum?). Berechnen Sie für solche Bahnen Flugzeiten, Start- und Landegeschwindigkeiten (unter Berücksichtigung des Gravitationsfeldes des Planeten), ungefähren Treibstoffbedarf usw. → zur Lösung
•• 1.7.26 Rotation der Galaxis Unsere Galaxis enthält 1011 Sterne. Der Durchschnittsstern ähnelt der Sonne. Die Sonne steht ziemlich am Rand der Galaxis, etwa 27 000 Lichtjahre von deren Zentrum. Mit welcher Geschwindigkeit und Periode muss die Sonne um das Zentrum umlaufen, um nicht hineinzufallen? Können Sie dieses ,,Großjahr“ in der Geologie wiederkennen? Kann man die Rotation z. B. des Andromedanebels (M 31) direkt sehen? Welche Nachweismethoden gibt es sonst? → zur Lösung
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•• 1.7.27 Satelliten-Paradoxon Ein Satellit in einem widerstehenden Medium wird immer schneller, seine Umlaufzeit nimmt ab. Wie kommt das? → zur Lösung
•• 1.7.28 Mondfahrt Die Bahn einer Mondrakete ist keine Parabel, sondern eine Ellipse, die die Mondbahn tangiert oder schneidet. Wie viel spart man hierdurch an Treibstoff gegenüber der Parabelbahn, d. h. der ,,zweiten kosmischen Geschwindigkeitsstufe“? → zur Lösung
• 1.8.1 Der brave Mann Ein Mann beobachtet von einer Brücke aus, wie einem stromauf fahrenden Paddler gerade unter der Brücke eine fast volle Kognakflasche ins Wasser fällt und abwärts treibt. Da der Paddler auf Rufen nicht reagiert, rennt der Mann ihm nach und erreicht ihn nach 12 h. Der Paddler kehrt auf die Nachricht sofort um und holt die Flasche. Der Paddler fährt 6,5 km/h relativ zum Wasser, das mit 3 km/h strömt. Wie lange war die Flasche im Wasser? Benutzen Sie das Bezugssystem des Ufers und das des Wassers. Was ist einfacher? → zur Lösung
• 1.8.2 Wie verhütet man Tanker-Unfälle? Eine Radaranlage ortet gleichzeitig zwei Schiffe und misst ihre momentanen Geschwindigkeiten, Kurse und Positionen. Beantworten Sie möglichst schnell folgende Fragen: Werden die Schiffe zusammenstoßen, wenn sie den Kurs beibehalten? Wenn ja, wo und wann? Wenn nein, wo und wann kommen sie einander am nächsten, nämlich auf welche Entfernung? Entwickeln Sie ein allgemeines Verfahren, das eine schnelle Antwort erlaubt und für Hafenbehörden brauchbar ist. Können Sie es auch an den Flugsicherungsdienst verkaufen? → zur Lösung
• 1.8.3 Hubble-Effekt Eine Granate explodiert, während sie sich noch auf ihrer (fast) parabolischen Bahn befindet. Was tut der Schwerpunkt nach der Explosion? Beschreiben Sie das Verhalten der Sprengstücke im Bezugssystem der Erde, des Schwerpunktes und eines beliebigen Sprengstückes. Achten Sie besonders auf den Zusammenhang zwischen Entfernung und Geschwindigkeit der Sprengstücke in den beiden letzten Systemen. Was hat das mit dem Hubble-Effekt zu tun? → zur Lösung
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•• 1.8.4 Vollziehen Sie Copernicus nach Mars stand im Juni 1969 in Opposition zur Sonne (S–E–M in gerader Linie). Welche scheinbare Bewegung auf dem durch die Fixsterne definierten Hintergrund der ,,Himmelskugel“ beschrieb Mars, etwa bis 1980? Konstruieren Sie möglichst genau. Wie sieht die analoge Konstruktion für andere Planeten aus (bes. Venus, Jupiter)? Welchen Einfluss hat die Exzentrizität der Bahnen? Stellen Sie sich vor, Sie kennen nur diese scheinbare Bewegung; vergessen Sie alle Kenntnisse über die Eigenbewegung der Erde sowie die Bahndaten (Tabelle 1.2), die Sie bisher benützt haben. → zur Lösung
•• 1.8.5 Straßenszene Polizist: Was machen Sie denn da? Am hellen Tage betrunken herumzuliegen! Ich nehme Sie mit! Betrunkener: Aber warum denn? Ich habe es doch lange genug geschafft! P.: Was haben Sie geschafft? B.: Auf dem verdammten Dings zu balancieren! P.: Sie, ich warne Sie! Auf welchem Dings? B.: Auf der Erde! Sie ist hinter mir her, beschleunigt noch dazu, und schließlich hat sie mich eingeholt. Schauen Sie meinen Kopf an! Machen Sie das mal und bleiben stehen! P.: Mache ich ja, den ganzen Tag! B.: Stimmt, Respekt! Sie sollten zum Zirkus gehen! Aber weil ich nicht ganz so geschickt bin, wollen Sie mich einsperren? Sie sind der freundliche, logische, aber gesetzesbewusste Schupo. Was sagen Sie? → zur Lösung
•• 1.8.6 Garten in Woolsthorpe Newton, ein Apfel. Sehr schnell: N.: Aha, da fällt er. A.: Gar nichts mache ich, aber du saust auf mich los! N.: Wart ab, bis du aufplumpst! Dann wirst du sehen, wer sich wirklich bewegt. A.: Mein Lieber, das war unter deinem Niveau. Allerdings bin ich der Schwächere, wenn die Erde gegen mich prallt. Das ist eine Größenfrage, keine Rechtsfrage. Übrigens: Warum sollte ich mich denn beschleunigt bewegen? Hast du nicht selbst mal verkündet, dass dazu eine Kraft nötig ist? N.: Allerdings, und zwar in deinem Fall die Gravitation! A.: Ich merke aber nichts von deiner Gravitation. N.: Ich schon. A.: Kein Wunder! Aber ich muss dir das wohl langsam explizieren, obwohl die Zeit knapp ist. Du musst doch selbst spüren, dass der Erdboden dich beschleunigt vor sich her schiebt. Das, nämlich der Schub des Bodens auf deine Füße, ist die einzige reale Kraft, die hier im Spiel ist. N.: Ja, ja. Aber darin hat er recht: Wenn mich einer beschleunigt aufwärts schiebt, spüre ich eine Kraft nach unten. Hm. Wenn ich ihn frage, warum Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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er bis vor kurzem nicht ,,frei und in Ruhe“ war, sagt er natürlich, der Zweig des Baumes, der mit der Erde paktiert, habe ihn mitgeschleppt, mit exakt messbarer Kraft, und erst als der Stiel dieser Kraft nicht mehr gewachsen war, ist er entkommen. A.: Bravo, eins rauf! Aber jedenfalls 1 : 0 für mich, o.k.? Können Sie Newton wenigstens zum Unentschieden verhelfen? → zur Lösung
••• 1.8.7 Windrichtung
Auf die atmosphärischen Luftmassen wirken in horizontaler Richtung Druckkräfte, Reibungskräfte und Coriolis-Kräfte. Stellen Sie die Bewegungsgleichung eines Luftvolumens auf (Annahme: Reibungskraft ∼ Geschwindigkeit) und untersuchen Sie die stationäre Strömung. Beachten Sie die Breitenabhängigkeit. Wenn die Reibung keine große Rolle spielte, wie stünde die Windrichtung zum Druckgradienten? Was ändert der Reibungseinfluss an dem Ergebnis? Was sagt die Erfahrung (Hoch, Tief, Passate)? Kann man den Reibungskoeffizienten schätzen? Ein kräftiges Hoch liegt über Mittelrussland (1 030 mbar), ein Tief über Irland (990 mbar). Welche Windrichtungen und -stärken erwarten Sie bei uns? Vergleichen Sie mit Wetterkarten. → zur Lösung
•• 1.8.8 Wer irrte hier? Stimmt es, dass die Coriolis-Kraft die Erdsatelliten trägt, wie in dem sonst vorzüglichen Fischer-Lexikon ,,Geophysik“, S. 22, behauptet wird? Wenn nein, welches ist dann die relative Rolle der verschiedenen Trägheitskräfte? Benutzen Sie die beiden in Frage kommenden Bezugssysteme. → zur Lösung
•• 1.8.9 Raumstation In einer Raumstation will man die Streiche vermeiden, die einem die Schwerelosigkeit spielen kann (z. B. welche?), indem man durch Rotation der Station ein ,,künstliches Schwerefeld“ erzeugt. Allerdings müssen dabei Coriolis-Kräfte in Kauf genommen werden. Stellen Sie sich deren Auswirkungen vor, z. B. für eine ringförmige Station und jemanden, der den Ringkorridor entlangläuft. Projektieren Sie die Station so, dass die Querkräfte in vernünftigen Grenzen bleiben. → zur Lösung
•• 1.8.10 Berg- und Wiesenufer Glauben Sie, dass die Bergufer-Flachufer-Asymmetrie der russischen Flüsse oder die angeblich stärkere Abnutzung der rechten Schiene bei der Bahn auf die Coriolis-Kraft zurückzuführen ist? → zur Lösung
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•• 1.8.11 Foucault-Pendel Eine sehr große Masse, aufgehängt an einem sehr langen Draht, die mehrere Tage fast ungedämpft schwingt, behält ihre Schwingungsebene nicht bei, sondern beschreibt eine Rosette (Abb. 1.62). Wie kommt das? Wie lange dauert ein vollständiger Umlauf um die Rosette? Wie hängt die Dauer von der geographischen Breite ab? Zur Behandlung benutzen Sie Abb. 1.63. → zur Lösung
•• 1.8.12 Schuss auf der Scheibe Stimmt es, dass die Kugel in Abb. 1.61 nach der Zeit t = r/v in einen Baum B schlägt, der im Bild senkrecht unter A liegt? Wenn nicht, wo ist sie nach dieser Zeit? Was würde der rotierende Beobachter erwarten, wenn er von seiner Drehung nichts wüsste? Wie deutet er die Diskrepanz? Unter welcher Bedingung ist die entsprechende Abweichung gegen die im Text behandelte zu vernachlässigen? → zur Lösung
•• 1.8.13 Trägheitskräfte Es gibt eine allgemeine, mathematisch sehr elegante Ableitung der Coriolis-Beschleunigung, bei der die Zentrifugalbeschleunigung und ein weiterer, bisher von uns nicht behandelter Term automatisch mit herauskommen. Man betrachte ein Bezugssystem S , das gegenüber einem Inertialsystem S mit einer nicht notwendig zeitlich konstanten Winkelgeschwindigkeit ω rotiert. Im betrachteten Zeitpunkt mögen Ursprung und Achsen der beiden Systeme gerade zusammenfallen. Drücken Sie Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung in S durch die in S aus. Wie hängen also r und r zusammen? Wie ist es mit r˙ und r˙ ? Betrachten Sie erst r˙ ⊥ ω, dann den allgemeinen Fall. Welche Vektoroperation ist anwendbar? Was folgern Sie daraus über die zeitliche Ableitung eines beliebigen Vektors in S , verglichen mit der in S? Wenn nötig, unterscheiden Sie die beiden Operationen symbolisch. Aus r˙ bilden Sie nun r¨ . Drücken Sie alles durch S -Größen aus und deuten Sie die einzelnen Glieder. → zur Lösung
•• 1.8.14 Kosmische Tankstellen Pioneer 10 hatte beim Start von der Erde noch nicht die Geschwindigkeit, die zur Flucht aus dem Sonnensystem nötig ist (wie groß ist sie?). Bei der engen Begegnung mit Jupiter (Dez. 1973) bekam die Rakete so viel Zusatzenergie, dass sie das Sonnensystem verlassen kann. Wie ist das möglich? Müssten nicht auch auf der Kepler-Hyperbel um Jupiter End- und Anfangsgeschwindigkeit gleich sein? Kann man den Vorgang als elastischen Stoß behandeln? Unter welchem Winkel muss die Rakete die Jupiterbahn anfliegen, damit sie mit einer möglichst kleinen Anfangsgeschwindigkeit auskommt? Wie genau muss sie gezielt sein? Genügt es, die Rakete auf eine Hohmann-Ellipse (Aufgabe 1.7.25) zu bringen? Ginge es bei Mars oder Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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Saturn auch mit einer solchen Ellipse? In welcher Richtung muss man von der Erde abschießen? Wie muss Jupiter um diese Zeit am Himmel stehen? → zur Lösung
•• 1.8.15 M. Cinglés Paradoxon Monsieur Cinglé schießt aus dem TGV Paris–Lyon, der mit 360 km/h fährt, in Fahrtrichtung aus einer Luftpistole, deren Mündungsgeschwindigkeit 100 m/s beträgt, und trifft ein Kaninchen. Cinglé: ,,Pauvre petit lapin! Üblicherweise macht ihm das ja kaum was aus, aber hier hat das Geschoss die doppelte Geschwindigkeit, also die vierfache Energie wie gewöhnlich!“ Monsieur Malin, der im gleichen Abteil sitzt, protestiert: ,,Irgendwas stimmt da nicht. Bezeichnen wir mal 12 mv2 als eine Energieeinheit, mit v = 100 m/s. Ich konzediere: Schon im Lauf hatte Ihr Geschoss eine solche Einheit. Wenn Sie im Wald stehen und schießen, teilt das Pulver dem Geschoss offenbar ebenfalls eine solche Einheit mit. Warum sollte das anders sein, wenn Sie hier im Zug stehen? Das gibt zwei Energieeinheiten. Und Sie sagen, es sind vier. Wo sollen denn die anderen beiden herkommen?“ Na, wer hat recht? → zur Lösung
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Kapitel 2: Aufgaben . . .
•• 2.2.1 Die folgsame Garnrolle
Eine Garnrolle ist unter das Bett gerollt. Ein Fadenende schaut noch heraus. Je nachdem, wie man zieht, kommt die Rolle heraus oder rollt noch tiefer unter das Bett. Wieso? → zur Lösung
•• 2.2.2 Wer dreht den Kerl? Damit der Mann in Abb. 2.14 sich in Drehung setzt, müssen Kräfte auf ihn wirken. Weisen Sie diese experimentell und theoretisch nach. Wie wird dem Energiesatz Rechnung getragen? Rotiert der Kreisel in beiden Stellungen gleich schnell? → zur Lösung
• 2.2.3 Motor-Drehmoment Welches Drehmoment gibt ein Motor der Leistung P (in PS oder in W) bei der Drehzahl f (in U/min) her? Wie hängt das Drehmoment von der Drehzahl ab? Vergleichen Sie mit auto- und elektrotechnischen Daten. Wie ändern sich Drehmoment, Leistung, Drehzahl beim Durchgang durch ein Zahnrad- oder Riemengetriebe? → zur Lösung
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• 2.2.4 Luftauftrieb Präzisionswägungen sollten den Auftrieb von Wägegut und Gewichten (meist Messing) berücksichtigen. Entwickeln Sie ein Korrekturverfahren (Formel, Diagramm oder Tabelle) zur schnellen Benutzung im Labor. → zur Lösung
• 2.2.5 Schwungrad Ein Schwungrad dient als Speicher für Rotationsenergie. Würden Sie es bei gegebener Masse aus Blei, Stahl oder Plastik herstellen? → zur Lösung
•• 2.3.1 Standfeste Dose Jemand bekommt bei einem Picknick eine geöffnete Bierdose gereicht und überlegt, bevor er sie auf den unebenen Boden stellt: ,,Jetzt ist der Schwerpunkt in der Mitte; trinke ich etwas ab, so sinkt der Schwerpunkt, also steht die Dose besser; wenn sie ganz leer ist, liegt der Schwerpunkt wieder in der Mitte. Bei irgendeiner Füllung muss er also am tiefsten liegen.“ Können Sie diese Füllung (a) mit, (b) ohne Differentialrechnung finden? (Ohne Differentialrechnung ist schwerer, aber interessanter; gilt die wesentliche Erkenntnis der ,,ohne“-Lösung auch für unregelmäßig geformte Behälter, z. B. Flaschen?) → zur Lösung
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••• 2.3.2 Kettenlinie
Ein Faden ohne jede Nachgiebigkeit und ohne jede Biegesteifigkeit ist an zwei gleich hoch gelegenen Punkten befestigt. Dazwischen hängt er unter seinem eigenen Gewicht durch. Welche Kurve beschreibt er? → zur Lösung
•• 2.3.3 Hirtenunterschlupf Wenn man Ziegel ganz ohne Mörtel übereinander schichtet – immer einen über den anderen – kann man trotzdem einen gewissen Überhang erreichen, indem man jeden Ziegel etwa über den Rand des darunterliegenden hinausschiebt. Ein weiterer Ziegel, auch wenn er selbst gar nicht übersteht, kann allerdings den ganzen Turm zum Umkippen bringen, wenn die unteren Ziegel zu weit überstehen. Wie groß kann der Überhang im Ganzen werden, und wie muss man vorgehen, damit er maximal wird? Wenn Sie in der Provence wandern, können Sie diese Bauweise empirisch studieren. → zur Lösung
•• 2.3.4 Rutschen oder rollen? Rutscht oder rollt ein Zylinder schneller hangabwärts? Leiten Sie das Verhältnis der Beschleunigungen, Geschwindigkeiten, Zeiten aus dem Energiesatz her. Stimmt das alles noch bei starker Reibung? → zur Lösung
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• 2.3.5 Hohlkugel Von zwei äußerlich identischen gleich großen und gleich schweren Kugeln ist die eine hohl (dafür besteht der Mantel aus spezifisch schwererem Material). Wie findet man am einfachsten zerstörungsfrei die hohle Kugel heraus? → zur Lösung
•• 2.3.6 Schwingende Tür Bei einer Gartentür sind die Angeln nicht genau senkrecht übereinander, sondern ihre Verbindungslinie ist um einen Winkel α nach außen geneigt. Infolgedessen schwingt die geöffnete Tür. Wie und mit welcher Frequenz? Wählen Sie sich vernünftige Daten. → zur Lösung
•• 2.3.7 Auswuchten von Rädern Was ist der Unterschied zwischen statischer und dynamischer Unwucht? Ein Dutzend Steinchen von ca. 1 cm Durchmesser haben sich an einer Seite in Ihrem Reifen verklemmt. Welche Zentrifugalkräfte treten bei scharfem Fahren auf? Beeinträchtigt es die Auswuchtung, wenn sich ein Reifen wegen falschen ,,Radsturzes“ (X- oder O-Beinigkeit) ungleichmäßig abnutzt? Kommt man immer mit einem der kleinen Blei-Auswuchtgewichte aus, oder wie viele braucht man schlimmstenfalls? → zur Lösung
•• 2.3.8 Sprungbrett Ein Sprungbrett schwingt mit 1 s Periode und 20 cm Amplitude. Welchen Drehimpuls erteilt es dem Springer, der sich beim Absprung bei aufwärts schwingendem Brett um 30◦ vorneigt, aber nicht mit den Beinen nachdrückt? Was kann er mit diesem Impuls anfangen, z. B. wie viele Saltos drehen? → zur Lösung
••• 2.3.9 Kippende Mauer
Eine Mauer steht um den Winkel α gegen das Lot geneigt und hat sonst keine Stütze. Wovon hängt es ab, ob die Mauer umkippt, und wo wird sie zuerst brechen? Jetzt betrachten wir eine Mauer, die bereits im Kippen begriffen ist. Wird sie dabei noch weiter zerbrechen, wo und warum? Knickt sie, indem sie sich nach vorn oder nach hinten ausbuchtet? Formulieren Sie das zweite Problem am besten im Bezugssystem der als Ganzes kippenden Mauer. → zur Lösung
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•• 2.3.10 Flugzeuglandung Kurz bevor ein Flugzeug auf der Landebahn aufsetzt, drehen sich die Fahrwerksräder i. Allg. noch nicht. Welche Kräfte und Momente versetzen die Räder beim Landen in Drehung? Sie können die gesamte Masse des Rades ganz außen konzentriert denken. Das Flugzeug rolle zunächst ungebremst, bis die Räder die richtige Geschwindigkeit angenommen haben. Wie lange nach der Landung ist das der Fall und nach welchem Rollweg? Welche Gesamtarbeit verrichten die Kräfte, die die Räder beschleunigen? Wo bleibt diese Energie? Warum rauchen die Reifen und brennen sogar manchmal? Wie kann man das verhindern? → zur Lösung
•• 2.4.1 Radl-Gleichgewicht Weshalb fährt ein Radler umso sicherer, je schneller er fährt? Infolge einer Gleichgewichtsverlagerung liege der Schwerpunkt von Radler plus Fahrrad nicht mehr senkrecht über den Unterstützungspunkten, sondern um einen gewissen Winkel geneigt. Wie reagiert der Radler? Auf das Vorderrad oder die Lenkstange wirkt eine gewisse Kraft eine gewisse Zeit lang schwenkend ein. Wie reagiert das Vorderrad, was macht der Radler? → zur Lösung
••• 2.4.2 Nutation
Beschreiben Sie die Nutation eines Kreisels mittels des Begriffs der freien Achse. Wie schnell nutiert er? Welche Winkelgeschwindigkeit ist für die Rotation der momentanen Drehachse oder der Figurenachse maßgebend (vgl. Abb. 2.39)? → zur Lösung
•• 2.4.3 Polschwankung Wie liegen die Hauptträgheitsachsen einer Kugel, einer Kreisscheibe, eines Kreiszylinders, einer Hantel, des Systems Erde-Mond? Welche dieser Achsen sind stabile Drehachsen? Gibt es bei der Achsdrehung der Erde Nutationen oder Präzessionen? Wie würde die Erdrotation vermutlich auf den Aufschlag eines Planetoiden reagieren? → zur Lösung
•• 2.4.4 Paradoxer Kreisel Wenn der Kreisel steht, kippt ihn die Schwerkraft um, wenn er rotiert, weicht er ihr seitlich aus. Ist das ein Widerspruch? Wo liegt die Grenze zwischen den beiden Verhaltensweisen? → zur Lösung
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•• 2.4.5 Saros-Zyklus Die Bahn des Mondes um die Erde ist um 5,15◦ gegen die Bahn der Erde um die Sonne (die Ekliptik) gekippt. Die Sonne übt Gezeitenkräfte auf diesen schiefstehenden Kreisel aus (warum nur Gezeitenkräfte?), die ihn in die Ekliptik zu kippen suchen. Wie reagiert der Kreisel? Welche Periode tritt auf? Wie äußert sich das für den Erdbeobachter (Finsternisse usw.)? Hinweis: Man kann die Masse des Mondes gleichmäßig über seine Bahn verschmiert denken. → zur Lösung
•• 2.4.6 Präzession der Erdachse Der Äquatorwulst der abgeplatteten Erde ((a − b)/a = 1/300, a, b Halbachsen des Erdellipsoids) ist den Gezeitenkräften seitens Sonne und Mond ausgesetzt. Wie reagiert der um 23,4◦ schiefstehende Erdkreisel? Welche Periode ergibt sich? Wie macht sich das auf der Erde bemerkbar? → zur Lösung
•• 2.4.7 Wer verhindert das Kippen? Warum kippt ein schiefstehender Kreisel nicht um, wenn er präzediert? Die Schwerkraft übt doch das gleiche Kippmoment aus, ob der Kreisel rotiert oder nicht und ob er präzediert oder nicht. Gibt es ein anderes Drehmoment, das dieses Kippmoment kompensiert? Was geschieht, wenn man den Kreisel zwingt, zu langsam oder zu schnell zu präzedieren? → zur Lösung
•• 2.4.8 Kreiselkompass Ein schwerer Kreisel in cardanischer Aufhängung stellt seine Drehachse in die Meridianebene, d. h. in Nord-Süd-Richtung. Zeigen Sie, dass hierfür die Coriolis-Kräfte verantwortlich sind, die auf der Erdrotation beruhen. Welche Mißweisungen können auftreten, (a) wenn Schiff oder Flugzeug eine Kurve beschreiben, (b) bei unverändertem Kurs, (c) bei der Fahrt auf einem Großkreis? → zur Lösung
•• 2.4.9 Geschossdrall Ein gezogener Lauf zwingt dem Geschoss eine Rotation um seine Achse auf. Was ist der Vorteil? Die schraubenförmigen Züge in der Rohrwand, meist Rillen, in die entsprechende Vorsprünge des Geschosses eingreifen, bilden mit der Laufachse einen Winkel α (10–20◦ ). Die Ballistiker ordnen dem Geschoss eine ,,fiktive Masse“ µ zu, die in die Bewegungsgleichung F = µa eingeht und berücksichtigt, dass Translations- und Rotationsenergie investiert werden müssen. Um wie viel weicht µ von der wirklichen Masse ab (Modell: Zylinder homogener Dichte). Schätzen Sie Mündungsgeschwindigkeit, Rotationsfrequenz, Drehimpuls eines Geschosses (einfachster Weg: Abschn. 1.5.9, aber Verluste > 50%). Wie verhält sich die Geschossachse, wenn die Bahn von der geraden Linie abMeschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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weicht? Beachten Sie den Luftwiderstand; wie versucht er das Geschoss zu kippen, wie reagiert dieses darauf? → zur Lösung
••• 2.4.10 Sonnensystem
Eine Galaxie rotiert nicht als starrer Körper, sondern die einzelnen Schichten laufen gerade so schnell um das Zentrum, dass sie gegen die Gravitation im Gleichgewicht bleiben. Wie ändert sich ungefähr die Winkelgeschwindigkeit ω mit dem Abstand r vom Zentrum? Es gibt kugelförmige Galaxien, die meisten bilden aber wie unsere eine flache Scheibe ungefähr konstanter Dichte, deren Hauptmasse in einem zentralen Klumpen sitzt. Geben Sie die Größenordnung der ,,differentiellen Rotation“ dω/dr für beide Grenzfälle an. Anfangs waren die Galaxien vermutlich ziemlich homogene Gashaufen, erst allmählich bildeten sich Verdichtungen, die späteren Sterne. Welchen Einfluss hatte die differentielle Rotation auf das Schicksal einer solchen Verdichtung, die sich in einem bestimmten Bereich bildet? Verfolgen Sie das Verhältnis von Gravitation und Zentrifugalkraft bis zur Kontraktion auf normale Sterngröße. Bedenken Sie: Massereiche Sterne sind größer, aber nicht gemäß M ∼ R3 , sondern ungefähr M ∼ R. Das folgt aus der Bedingung, dass alle Sterne im Zentrum etwa Fusionstemperatur (107 K) haben, und aus dem Gasgesetz unter Gravitationsdruck (Aufgabe 5.2.7). Werfen diese Überlegungen Licht auf die Entstehung des Sonnensystems? → zur Lösung
Kapitel 3: Aufgaben . . .
• 3.1.1 Seemannsgarn? Ist es wahr, dass untergegangene Schiffe in einer gewissen Tiefe schweben bleiben, weil das Wasser in der Tiefe viel dichter ist? → zur Lösung
• 3.1.2 Aufstieg Um wie viel ändert sich die Temperatur des Wassers, das sehr schnell vom Tiefseegrund aufsteigt? → zur Lösung
•• 3.1.3 Schwingende Säule In einem U-Rohr, lichter Querschnitt A, steht eine Flüssigkeitssäule, Dichte , Gesamtlänge L. Schwingt die Säule harmonisch (Reibungsfreiheit vorausgesetzt), wenn man sie aus der Ruhelage bringt? Mit welcher Frequenz? → zur Lösung
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• 3.1.4 Wasserverdrängung Ein Schiff schwimmt in einem geschlossenen Seebecken. Plötzlich wird es leck und sinkt. Wie verändert sich dabei der Wasserspiegel im See? → zur Lösung
• 3.1.5 Tiefgang An der Bordwand von Frachtschiffen findet man eine ,,Freibordmarke“ (Abb. 3.83). Welche Abstände haben die Marken in Wirklichkeit? Wie viel könnte ein 10 000 t-Frachter, der aus Hamburg kommt, in Cuxhaven zuladen? Was müsste er in Gibraltar, Istanbul, Kertsch machen, wenn er nach Rostow/Don will? FT F
Abb. 3.83
Trop. Fluß Fluß
T S W WNA
Trop. Meer Meer Sommer Meer Winter N.-Atlant. Winter
→ zur Lösung
•• 3.1.6 Ballspiel Um einen Ball im Mittel auf gleicher Höhe schwebend zu halten, gibt man ihm alle τ Sekunden einen Stoß nach oben. Wie groß müssen ein solcher Impuls und die entsprechende Geschwindigkeitsänderung sein? Welchen Impuls muss der Ball pro Sekunde erhalten? Zeichnen Sie die Zeitabhängigkeit der Höhe des Balles. Wie sieht der Vorgang aus (kinematisch und dynamisch), wenn τ sehr klein wird? → zur Lösung
•• 3.1.7 Gasdruck Machen Sie anschaulich, wie der Druck eines Gases auf einen Kolben sich aus den Stößen der Einzelmoleküle zusammensetzt. Macht es etwas aus, dass die Stöße nicht in regelmäßiger Folge kommen? → zur Lösung
• 3.1.8 Magdeburger Halbkugeln Otto von Guericke ließ zwei mit Flanschen versehene, durch einen Lederriemen abgedichtete hohle Halbkugeln aus Kupfer mit 42 cm Durchmesser herstellen und mit der von ihm erfundenen Luftpumpe evakuieren. Welche Kraft war zur Trennung nötig? → zur Lösung
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•• 3.1.9 Reifendruck Welchen Druck übt ein Autoreifen auf die glatte Straße aus? Vielleicht ist dieser Druck gleich dem Überdruck, der drinnen herrscht? Mit welcher Fläche liegt ein Reifen auf der Straße auf? Stimmt die Tankwarts-Regel: Bei einem PKW muss diese Fläche etwa der Schuhsohle eines kleinen Männerschuhs entsprechen? Auf welchen Druck muss ein Fahrradreifen aufgepumpt werden, damit er auf glatter Straße nicht ,,durchschlägt“? Zeichnen Sie den Reifen in Seitenansicht und lesen Sie die wesentlichen Größen ab. Wie viel Luft muss man in einen Fahrradreifen pumpen, der ganz platt war? Welche Arbeit leistet man dabei? Wie heiß kann die Luft dabei werden? → zur Lösung
•• 3.2.1 Spritzer Weshalb sind Spritzer kleiner als Tropfen? Welche Rolle spielt die Beschleunigung beim Abschleudern? Wie kann man sehr kleine Tropfen machen? Sind Quecksilber-, Ether-, Benzol-Tropfen größer oder kleiner als Wassertropfen? → zur Lösung
•• 3.2.2 Ballonrakete Ein aufgeblasener, aber nicht zugebundener Kinderluftballon schießt in der Luft umher. Schätzen Sie Beschleunigungen und Geschwindigkeiten. Wie hängen sie von der Zeit ab? Warum ist das Aufblasen am Anfang am schwersten? → zur Lösung
•• 3.2.3 Tropfenbildung Warum zerfällt ein Wasserstrahl sehr bald nach dem Austritt in Tropfen? → zur Lösung
• 3.2.4 Wasserkurve Zwei Glasplatten werden an einer Seite etwa durch ein dazwischengeklemmtes Streichholz auf ca. 1 mm Abstand gebracht, an der anderen Seite berühren sie einander. Das Ganze wird so in ein Wassergefäß gestellt, dass das Streichholz senkrecht steht. Die Oberfläche des zwischen den Platten aufgestiegenen Wassers bildet eine Kurve. Welche? → zur Lösung
• 3.2.5 Saftsteigen Ist es möglich, dass der Saft allein durch Kapillarität bis in die Krone eines Baumes steigt (Eukalyptusbäume können bis 150 m hoch werden)? Was hätte der Baum davon? → zur Lösung
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• 3.2.6 Blasendruck Leiten Sie den Überdruck in der Seifenblase nach dem Prinzip der virtuellen Verrückung her: Gleichgewicht herrscht, wenn bei einer virtuellen Radienänderung die Arbeit gegen die Oberflächenkräfte durch die Druckarbeit kompensiert wird. → zur Lösung
• 3.2.7 Tauziehen Man gießt etwas Wasser in eine flache Schale, so dass es überall einige mm tief steht. In die Mitte der Schale tropft man etwas reinen Alkohol. Um die Mitte bildet sich eine trockene Stelle. Warum? → zur Lösung
•• 3.2.8 Fleckentferner Tut man Benzin auf einen Fettfleck im Anzug und wäscht dann nochmals mit sauberem Benzin nach, so bleibt regelmäßig ein Schmutzrand zurück. Wieso? Wie geht man besser vor? → zur Lösung
•• 3.2.9 Molekularkräfte Oberflächenenergien sind zwar nicht sehr groß, entsprechen aber doch gewaltigen Molekularkräften. Schätzen Sie diese Kräfte z. B. zwischen zwei Flächen von je 1 cm2 ab, indem Sie bedenken, dass Molekularkräfte Nahewirkungskräfte sind, die nur über wenig mehr als einen Atomabstand wirken. Vergleichen Sie das Ergebnis mit den Zerreißfestigkeiten fester Stoffe. Wie erklärt sich die Diskrepanz? → zur Lösung
••• 3.2.10 Catenoid
Man ziehe eine Seifenhaut zwischen zwei parallelen Kreisringen. Sie nimmt ,,Sanduhrform“ (seitlich eingebeulter Zylinder) an. Warum? Was muss man machen, um einen ,,ordentlichen“ geraden Zylinder zu erhalten? → zur Lösung
•• 3.3.1 Nachtverkehr Machen Sie Moment- und Zeitaufnahmen des nächtlichen Fahrzeugstroms auf einer verkehrsreichen Kreuzung. Was sind Stromröhren? Unter welchen Umständen sind Strom- und Bahnlinien verschieden? Ist die Strömung immer inkompressibel, divergenzfrei, rotationsfrei? Hat sie ein Geschwindigkeitspotential? Gibt es Quellen oder Senken? Wie misst man den Fluss? Wie wirkt sich die Kontinuitätsgleichung aus? → zur Lösung
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•• 3.3.2 Gezeitenstrom In einem flachen Meeresteil mit ebenem Boden habe der Gezeitenstrom überall die gleiche Richtung. Welche Strömungsfelder sind möglich (zunächst ohne, dann mit Berücksichtigung der inneren Reibung). Wie ist die Lage, wenn der Boden zum Ufer hin allmählich ansteigt? → zur Lösung
•• 3.3.3 Feldeigenschaften Beweisen Sie, dass für jedes vernünftige Skalarfeld u(r) bzw. für jedes Vektorfeld v(r) gilt rot grad u = 0 und div rot v = 0. ,,Vernünftig“ heißt, dass die Ableitungen nach verschiedenen Koordinaten vertauschbar sind, d. h. dass die Reihenfolge ihrer Anwendung keine Rolle spielt. → zur Lösung
•• 3.3.4 Aufrahmung Die Dichte von Butter ist 920 kg/m3 . In Milch ist Fett in Tröpfchen von einigen µm Durchmesser emulgiert. Wie lange dauert es etwa, bis sich der Rahm auf stehender Milch absetzt (experimentell und theoretisch). Geben Sie Konstruktionsvorschriften für eine Milchzentrifuge, die die Trennung in viel kürzerer Zeit durchführen soll. → zur Lösung
•• 3.3.5 Stokes-Rotation Welches Drehmoment ist nötig, um einen Körper im viskosen Medium mit der Winkelgeschwindigkeit ω zu drehen? Schätzung: Man ersetze den einigermaßen runden Körper durch eine kurze Hantel, deren zwei Kugeln dem Stokes-Gesetz gehorchen sollen. Wie wirkt sich die Form des Körpers auf den Drehwiderstand aus? → zur Lösung
•• 3.3.6 Hovercraft Ein Luftkissenboot ist 17 m lang und 8 m breit und wiegt beladen 15 t. Bei der Fahrt bleibt zwischen der das Boot rings umgebenden Gummimanschette und der Wasseroberfläche ein Schlitz von ca. 5 cm Breite, durch den die Luft abströmt. Welcher Überdruck ist nötig, um das Boot zu tragen? Wie schnell strömt die Luft am Rand aus, wie viel geht pro Sekunde verloren? Welche Leistung müssen die Kompressoren aufbringen? Könnte der Schlitz breiter oder enger sein, wovon hängt das ab, welche Folgen hat es? Welchen Einfluss hat die Fahrgeschwindigkeit auf das Schwebeverhalten? Welche Höchstgeschwindigkeit ist vernünftigerweise zu erreichen? → zur Lösung
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•• 3.3.7 Wasserleitung Projektieren Sie die Wasserleitungen für ein Haus, ein Dorf, einen Stadtteil. Geben Sie sinnvolle Werte für Personenzahlen, Verbrauch (Durchschnitt und Spitze), Entfernungen, Reservoirhöhen vor und sorgen Sie dafür, dass der Druckabfall nicht zu groß wird. Beachten Sie die Synchronisierung der Verbrauchsspitzen durch äußere Einflüsse wie Fernsehpausen o. Ä. → zur Lösung
•• 3.3.8 Flugdaten Bei der DC-8 strömt die Luft 10% schneller an der Oberseite der Tragflächen vorbei als an der Unterseite. Welche Startgeschwindigkeit braucht die Maschine? Startgewicht 130 t, Spannweite 42,5 m, mittlere Tragflächenbreite 7 m. Wie lang muss die Startbahn sein, wenn eine Beschleunigung von 3 m/s2 nicht wesentlich überschritten werden soll? Wie hoch ist der Treibstoffverbrauch während der Startperiode und während der Reise, wo der Schub etwa 10% vom Startschub beträgt? Schätzen Sie die Reichweite der Maschine. → zur Lösung
•• 3.3.9 Seltsamer Antrieb Am Bug eines Ruderbootes ist ein Seil befestigt. Ein Mann steht im Boot und lässt sich abwechselnd langsam nach hinten fallen bzw. reißt sich am Seil wieder möglichst heftig in die aufrechte Stellung. Bringt er das Boot in Gang, und wenn ja wie? Funktioniert das Verfahren auch für einen Schlitten- oder einen Weltraumfahrer? → zur Lösung
•• 3.3.10 Herbstlaub Ein Blatt fällt nicht senkrecht vom Baum, gleitet auch nicht auf ,,schiefer Ebene“ ab wie ein Segelflugzeug, sondern pendelt mehrmals beim Fallen hin und her. Warum? Probieren Sie mit Papier- und Kartonblättern verschiedener Größe und Stärke. Wie hängen Pendelamplitude und -periode von den Blatteigenschaften und dem Anfangs-Einstellwinkel ab? Verhalten sich die Samen von Ahorn, Linde und Ulme anders? Wenn ja, warum und wozu? → zur Lösung
•• 3.3.11 Whirlpool Wenn man in der Teetasse rührt, sammeln sich die Blätter in der Mitte des Bodens. Dass sie am Boden sind, heißt doch, dass sie schwerer sind als die Flüssigkeit. Müsste sie dann die Zentrifugalkraft nicht eher nach außen treiben? → zur Lösung
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•• 3.3.12 Wasserrakete Eine Spielzeugrakete wird teilweise mit Wasser gefüllt. Die darüberstehende Luft wird mit einer Pumpe, die gleichzeitig die Düse fest verschließt, komprimiert. Entfernt man den Pumpstutzen aus der Düse, so schießt ein Wassertreibstrahl heraus. Messen Sie an einer solchen Rakete (ca. 10 DM) die wesentlichen Größen nach (Steighöhe, Schub, Überdruck), indem Sie die Betriebsdaten variieren. Wie hängen diese Größen zusammen? Startet die Rakete auch ohne Wasser? Warum kommt dann ein Dampfwölkchen aus der Düse? → zur Lösung
•• 3.3.13 Überlebt er’s? Bei H. Dominik fällt einmal ein Mann in ein über 10 km langes Rohr, das bis zum Grund des Philippinengrabens reicht. Die Todesangst lässt nach, als er merkt, dass sich ein Luftpolster bildet, das ihn trägt und nur noch ganz sanft fallen lässt. Wie lange hat seine Angst gedauert? Kann er die Fallgeschwindigkeit regeln? Kann die Sache überhaupt stimmen? → zur Lösung
•• 3.3.14 Turbine Diskutieren Sie die Bewegung eines Mühlrades, wenn es sich frei dreht (auch praktisch reibungsfrei) und wenn es Arbeit zu leisten hat (z. B. Hochwinden einer Last). Was kann man qualitativ sagen? Für die quantitative Näherung nehmen Sie einen newtonschen Strömungswiderstand der Radschaufeln an (warum nicht einen Stokesschen?). Schätzen Sie Kräfte und Leistungen bei vernünftigen Annahmen über Schaufelabmessungen und Strömungsgeschwindigkeit. Gibt es eine Drehzahl, bei der die Leistung maximal wird? Was passiert bei Überlastung? Kann man Analogien zum Verbrennungs- und Elektromotor aufstellen? → zur Lösung
••• 3.3.15 Rohrströmung
Das Druckgefälle ∆ p/l in einer glatten geraden Rohrleitung der Länge l und des Radius r treibt eine Flüssigkeit, Dichte , Viskosität η, mit der mittleren Geschwindigkeit v. ∆ p/l kann nur von v, r, , η abhängen. Am einfachsten wäre ein Potenzgesetz ∆ p/l ∼ α ηβ r γ vδ . Wenn nötig, muss man die Exponenten für die verschiedenen v-Bereiche verschieden wählen. Leiten Sie aus Dimensionsbetrachtungen Beziehungen zwischen den Exponenten ab. Kann man alle durch δ ausdrücken? Jetzt untersuchen Sie vier Spezialfälle: (a) Reibungsbeherrschte Strömung: tritt nicht auf; (b) Trägheitsbeherrschte Strömung: η tritt nicht auf; (c) und η gehen gleich stark ein; (d) geht dreimal so stark ein wie η: α = 3β. Die Annahme (d) führt auf das Gesetz von Blasius, das den turbulenten Widerstand im glatten Rohr besser beschreibt als der Newton-Widerstand, der für raue Wände gilt. Warum? Diskutieren Sie Abb. 3.68. → zur Lösung
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•• 3.3.16 Aquaplaning Bei starkem Regen kann sich unter den Reifen eines schnellfahrenden Autos eine zusammenhängende Wasserschicht bilden. Dieses ,,Aquaplaning“ ist gefürchtet, denn es setzt den Reibungskoeffizienten der Reifen auf sehr kleine Werte herab. Auf wie kleine? Helfen breite Reifen gegen diesen Effekt? Wer fährt sicherer, gleichen Reifendruck vorausgesetzt: Ein LKW, ein PKW, ein Motorrad? Ist der Rat vernünftig, unter solchen Bedingungen die Reifen nicht zu hart aufzupumpen? → zur Lösung
•• 3.3.17 Magnus-Effekt Wir betrachten einen Zylinder (oder eine Kugel), der in einer strömenden Flüssigkeit rotiert, speziell mit der Drehachse senkrecht zur Strömungsrichtung. Die rotierende Oberfläche nimmt die angrenzende Flüssigkeit mit und erzeugt um sich einen Wirbel, der sich dem normalen Anströmvorgang überlagert. Skizzieren Sie das Stromlinienbild, das sich aus dieser Überlagerung ergibt. Wohin verlagern sich die Staupunkte, wo verdichten sich die Stromlinien, wo werden sie dünner? Welche Strömungsgeschwindigkeit herrscht dicht an der Zylinderwand, speziell dort, wo sich der Zylinder mit der Strömung bzw. gegen sie bewegt? Welche Druckdifferenz muss zwischen diesen Stellen herrschen? Welche Kraft wirkt auf den Zylinder und in welcher Richtung? Stellen Sie diese Kraft für beliebige Achsrichtung dar. Welche Chance sehen Sie für einen ,,Segelantrieb“ durch einen solchen Rotor (Flettner-Rotor)? → zur Lösung
•• 3.3.18 Kollisionsgefahr Zwei nahe beieinander vor Anker liegende Schiffe haben die Tendenz zusammenzutreiben. Ähnlich treibt ein Schiff gegen die Kaimauer. Gilt das auch für zwei Boote, die einen Fluss hinabtreiben? Wenn ein LKW oder Bus Ihr Wohnwagengespann überholt, wird dieses kräftig nach links gezogen. Warum? → zur Lösung
••• 3.3.19 Viskosität von Suspensionen
Man kann Makromoleküle (künstliche Hochpolymere, Proteine) und andere suspendierte Teilchen durch ihren Beitrag zur Viskosität der Suspension kennzeichnen und ihre Strukturänderungen anhand der Viskositätsänderungen verfolgen. Wie beeinflussen feste suspendierte Teilchen die effektive Viskosität? Denken Sie zunächst an plattenförmige Teilchen. Wie werden sie sich in der Strömung einstellen? Wie beeinflusst ihr Vorhandensein den v-Gradienten? Drücken Sie diesen Einfluss durch den Anteil α am Gesamtvolumen aus, den die Teilchen einnehmen. Wird der Einfluss, ausgedrückt durch α, für kugelförmige Teilchen größer oder kleiner sein? Einstein fand η = η0 (1 + 2,5α). Was finden Sie? Wenn das Teilchen von einer kompakten Kugel in ein lockeres Knäuel übergeht, wie wird sich das auswirken? → zur Lösung
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•• 3.3.20 Zerstäubung Regentropfen überschreiten eine gewisse Größe nicht, weil sie sonst zu schnell fielen und der Luftwiderstand sie zerbliese. Dieses Zerblasen oder Zerstäuben in kleinere Tröpfchen ist technisch erwünscht beim Vergaser oder bei der Diesel- oder Einspritzpumpe. Behandeln Sie den Zerfall eines Tropfens als Wettstreit zwischen Oberflächenspannung und Luftwiderstand. Wie groß können Regentropfen werden und wie schnell fallen die größten; wie klein werden die Tröpfchen bei einem bestimmten Einspritzdruck? Beachten Sie, dass beim Dieselmotor in vorkomprimierte Luft eingespritzt wird. → zur Lösung
••• 3.3.21 Strömen und Schießen
Wasser kommt mit einem bestimmten Volumenstrom V˙ und einer bestimmten spezifischen Energie (Energie/kg) w aus dem Oberlauf eines Flusses, von einem Wasserfall oder Wehr, aus einer Stromschnelle. Die Frage ist, wie diese Menge V˙ weiter abfließt und was das Wasser mit dieser Energie w anfängt. Es kann w in potentieller Energie anlegen (sich zu großer Tiefe auftürmen) oder in kinetischer Energie (schnell fließen). Setzen Sie diese Aufteilung an und zeichnen Sie w als Funktion der Tiefe H bei gegebenem V˙ . Zeigen Sie, dass es bei gegebenen w und V˙ i. Allg. zwei völlig verschiedene Abflusszustände gibt (genannt Schießen und Strömen). Wenn im ruhigen Fluss ein Pfahl steht, bildet der Spiegel oft stromauf eine leichte Furche. Beim Wildbach liegt eine (viel tiefere) Furche immer unterhalb des Steinblocks. Wie kommt das? Wovon hängt es ab, ob ein gegebener Fluss strömt oder schießt? Hat das Begriffspaar Strömen-Schießen etwas mit laminar-turbulent zu tun? → zur Lösung
•• 3.3.22 Sind Flüsse laminar? Die Isar hat zwischen Sylvenstein-Speicher (750 m) und München (500 m) eine Lauflänge von 100 km und ist im Mittel 50 m breit und 1 m tief. Wie schnell müsste sie fließen und welche Abflussmenge ergäbe sich, wenn sie laminar über glatten Grund strömte? Andererseits: Die mittlere Abflussmenge ist 60 m3 /s. Wie tief wäre die Isar, wenn sie laminar strömte? Gibt es überhaupt laminare Flüsse oder Bäche? Kommen bei vernünftigeren Annahmen die richtigen Werte heraus? Stellen Sie eine Faustregel mit vernünftigem empirischen Koeffizienten auf. → zur Lösung
•• 3.3.23 Hubschrauber I Wir betrachten einen auf der Stelle schwebenden Hubschrauber mit der Masse m. Geben Sie sinnvolle Kombinationen von Luftschraubenfläche und Motorleistung an. Kann man hier einen Wirkungsgrad formulieren? Wie muss die minimale Motorleistung von der Masse und der Schraubenfläche allgemein abhängen? → zur Lösung
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•• 3.3.24 Hubschrauber II Wenn ein Hubschrauber eine völlig starre Luftschraube hätte, könnte er zwar stabil auf der Stelle schweben, aber beim Vorwärtsflug würde er sofort nach einer Seite kippen. Warum? Untersuchen Sie den Auftrieb der Schraubenflügel auf den beiden Seiten des Hubschraubers. Wie vermeidet man dieses Umkippen? → zur Lösung
•• 3.3.25 Bootsparadoxon Wenn ein Boot antriebslos auf dem Fluss treibt, gehorcht es trotzdem dem Steuerruder. Das wäre nicht möglich, wenn es genau ebenso schnell triebe, wie das Wasser fließt. Beobachtung zeigt, dass das Boot tatsächlich schneller treibt. Wie ist das möglich? → zur Lösung
•• 3.3.26 Widderstoß Wenn man einen Absperrhahn in einer Wasserleitung, hinter dem noch ein längeres Rohrstück folgt, zu plötzlich schließt, kracht es oft fürchterlich in der Leitung, die heftig wackeln und sogar brechen kann. Wie kommt solch ein ,,Wasserschlag“ oder ,,Widderstoß“ zustande? Wie verhält sich das Wasser im Rohr hinter dem Absperrhahn, kurz nachdem dieser geschlossen wird? Welche Drücke können bei diesem Stoß auftreten? → zur Lösung
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••• 3.3.27 Iteration
Stellen Sie Ihren Taschenrechner auf Bogenmaß (RAD), geben Sie eine Zahl < 1 ein und tippen Sie COS, so oft Sie wollen. Das Ergebnis konvergiert gegen 0,739 085. . . . Sie haben die transzendente Gleichung x = cos(x) gelöst. Überlegen Sie, wieso. Tun Sie dies auch graphisch. Ähnlich lassen sich beliebig komplizierte Gleichungen, von algebraischen Gleichungen mit einer Unbekannten bis hin zu Matrixgleichungen (Aufgabe 20.1.4) durch Iteration lösen. Manchmal passiert allerdings Seltsames, z. B. bei λ cos(x) = x mit λ > 1,319 18 (warum gerade da?). Man weiß (z. B. aus der Graphik), dass eine Lösung existiert, aber das Verfahren divergiert. Oder es gibt mehrere Lösungen (bei λ cos(x) = x für λ > 2,971 69; warum?), und man erhält doch nur eine davon, egal welche Zahl man anfangs eingibt. Einige Lösungen wirken als Attraktoren für das Verfahren, andere als Repulsoren. Finden Sie ein Unterscheidungskriterium? Wie kann man eine solche Gleichung lösen, auch wenn das Verfahren divergiert? → zur Lösung
•• 3.4.1 Torsion Dimensionieren Sie Torsionsdrähte für eine Gravitations-Drehwaage, für ein Ultraschallradiometer, die Messung der Boltzmann-Konstante (vgl. Abschn. 5.2.8). → zur Lösung
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•• 3.4.2 Zerreßgefahr Wie schnell darf man einen Drehkörper aus einem Material gegebener Festigkeit (z. B. Stahl) rotieren lassen, damit er nicht zerreißt? Hinweis: Untersuchen Sie alle möglichen potentiellen Bruchlinien und schätzen Sie die Spannungen, die daran auftreten. Welche Bruchlinie liefert die größte Spannung? → zur Lösung
• 3.4.3 Härte und Sprödigkeit Wie unterscheiden sich (qualitativ) die Spannungs-Dehnungs-Diagramme für harte und weiche, spröde und duktile Materialien? Kann man diese Eigenschaften beliebig kombinieren? → zur Lösung
•• 3.4.4 Elastische Dämpfung Die Elastizitätsgrenze σE (Abb. 3.79; genauer die Spannung σ0,005 ) ist nach DIN definiert als die Belastung, die bei ihrer Aufhebung eine bleibende Dehnung von 0,005% zurücklässt. Wie sieht die Hysteresiskurve für eine Belastung bis σE aus? Schätzen Sie die Dämpfung einer elastischen Schwingung des Stahles von Abb. 3.79 Anwendungen? → zur Lösung
•• 3.4.5 Balkenbiegung Um wie viel senkt sich das Balkenende unter der Last F? → zur Lösung
•• 3.4.6 Fernsehturm Warum ist ein Rohr fast so biegesteif wie ein Stab vom gleichen Durchmesser? Hat das Rohr Vorteile, die auch noch den verbleibenden kleinen Unterschied ausgleichen können? → zur Lösung
•• 3.4.7 Brücke Um wie viel mehr kann man einen beiderseits eingespannten Balken (Brücke) in der Mitte belasten als einen halb so langen einseitig eingespannten Balken am Ende? → zur Lösung
•• 3.4.8 Sägewerk Aus einem kreisrunden Baumstamm soll (a) ein Rechteckbalken von möglichst großer Tragkraft, (b) ein Balken, der sich möglichst wenig durchbiegt, geschnitten werden. Offenbar zählt die Dicke mehr als die Breite, also ist der quadratische Querschnitt nicht der beste. Wie sieht der günstigste Querschnitt aus, wie viel mehr trägt er als der quadratische? Wie stellt man ihn im Sägewerk her? → zur Lösung
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••• 3.4.9 Flächenträgheitsmoment
Die Baustatiker kennzeichnen die Biegesteifigkeit eines Balkens durch das Flächenträgheitsmoment seines Querschnitts I = x 2 dx d y (x: Abstand von der neutralen Faser). Warum heißt diese Größe Trägheitsmoment? Zeigen Sie, dass es genau auf sie ankommt; berechnen Sie sie für rechtekkigen, quadratischen, kreisförmigen, kreisringförmigen, I-förmigen Querschnitt. Wie heißt der Faktor α in (3.71)? Füllen Sie die numerischen Lücken in Abschn. 3.4.6 und in den einschlägigen Aufgaben aus. Der I-Träger habe überall die gleiche Materialstärke d. Bei welcher Form trägt er bei gegebenem Querschnitt und gegebenem d am meisten? → zur Lösung
•• 3.4.10 Ein teurer Fehler Kessel aus Edelstahl für Milch oder Bier werden durch Einleiten von heißem Wasserdampf gereinigt. Sie haben zwei Ventile (oben oder unten?). Bei Fehlbedienung (welcher Art?) kann der Kessel hinterher aussehen wie eine Osterinselstatue. Wie stark wurde das Material der Kesselwand belastet? Zeichnen Sie dazu ein kleines Wandstück und tragen Sie die wirkenden Kräfte ein. Wovon hängt es ab, ob der Zusammenbruch auf Knickung oder auf einer Spannung oberhalb der Druckfestigkeit beruht? Wie dick müsste die Wand sein, damit sie diese Behandlung aushält? → zur Lösung
•• 3.4.11 Tiefseeboot
Wie stark müssen die Wände eines zylinder- oder kugelförmigen Tauchboots sein, das Menschen bis in den Grund der Tiefseegräben bringen soll? Solche Boote baut man lieber aus Titan als aus Stahl. Warum? → zur Lösung
• 3.4.12 Das stabile Ei Wenn Sie ein rohes Ei mit der Längsachse zwischen die Höhlungen der gefalteten Hände nehmen, können Sie erstaunlich stark zudrücken, ehe es vielleicht doch kaputtgeht. Bevor Sie eine Schweinerei anrichten, schätzen Sie die Kraft, die Sie anwenden dürfen. → zur Lösung
Kapitel 4: Aufgaben . . .
•• 4.1.1 Koloraturbass Sarastros getragene Platituden gegen die glitzernden Koloraturen der Königin der Nacht – sind die Männer so schwerfällig, oder gibt es physikalische Gründe? Hinweis: Wie lange muss ein Ton andauern, damit er 1 Ton) hat? die erforderliche Reinheit (sagen wir: 16 → zur Lösung
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•• 4.1.2 Obertöne Was kann man aus Abb. 4.10a,b über die Obertöne einer gezupften Saite lernen? Lassen sich die Ergebnisse über den zeitlichen Verlauf von x auch auf die Ortsabhängigkeit der Auslenkung umdeuten? → zur Lösung
•• 4.1.3 Schatzsuche Jemand findet am Strand eine uralte Rumflasche und darin ein Pergament, unterzeichnet ,,Captain Kidd“, in dem die Koordinaten einer Insel angegeben werden, wo der Piratenschatz vergraben ist. Auf der Insel sollen sich zwei Bäume und die Reste eines Blockhauses befinden. Um den Schatz zu finden, gehe man von der Blockhaustür geradlinig zum einen Baum, zähle dabei die Schritte, schwenke am Baum 90◦ nach rechts und gehe in der neuen Richtung ebenso viele Schritte, wie man vorher zum Baum gegangen ist. Dann schlage man einen Pflock ein. Man gehe zurück zur Blockhaustür und verfahre mit dem zweiten Baum genauso, nur dass man an diesem Baum nach links schwenkt. In der Mitte zwischen beiden Pflöcken liegt der Schatz. Der Finder der Flasche fährt zur Insel, findet dort die beiden Bäume, aber keine Spur des Blockhauses. Kann er den Schatz trotzdem finden – besonders wenn er mit komplexen Zahlen umgehen kann? → zur Lösung
•• 4.1.4 Beschleunigungsmesser Eine Stahlkugel in einem horizontalen Glasrohr wird von zwei Spiralfedern normalerweise in die Rohrmitte gedrückt. Zeichnen und diskutieren Sie, wie das System funktionieren soll. Wie dimensionieren Sie Kugel und Federn sowie die Anzeigeskala? Füllen Sie das Rohr mit Wasser oder Glyzerin oder dergleichen oder lassen Sie es leer? → zur Lösung
••• 4.1.5 Messgerät
Das drehbare Anzeigesystem habe das Trägheitsmoment J und die Rückstellgröße D∗ . Die Dämpfungsgröße k lässt sich variieren. Wie muss man sie wählen, damit die Annäherung an den Endausschlag bei einer Messung möglichst schnell erfolgt? Diskutieren Sie auch die Fälle D∗ , k fest, J variabel und J, k fest, D∗ variabel. Sind alle drei Fälle praktisch wichtig? → zur Lösung
•• 4.2.1 Verstimmte Uhren Eine Anzahl von Uhren ist in einer Reihe aufgestellt, jede immer 1 m von der vorigen entfernt. Jede Uhr geht gegenüber der vorigen pro Stunde um 1 s nach. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hat man alle genau gestellt. Jede Uhr gibt jede Viertelstunde einen Gongschlag von sich. Was geschieht später? Mit welcher Geschwindigkeit läuft die ,,Gongschlagwelle“ durch die Uhrenreihe? Wie hängt diese Geschwindigkeit vom Abstand und von der ,,Verstimmung“ der Uhren ab? Wovon hängt sie sonst noch ab? Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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→ zur Lösung
•• 4.2.2 Erdbeben I Fünf Minuten nach dem Erdbeben von Agadir begannen in Paris die Seismographen auszuschlagen. Welchen Elastizitätsmodul haben die Gesteine des Erdmantels? Weshalb wird auch ein stoßartiges Großbeben in der Ferne als mehrere Minuten langer Wellenzug aufgezeichnet? Im Erdkern läuft die schnellste Welle (P-Welle) mit ca. 8 km/s. Kann der Erdkern aus Stahl sein? Erdbebenwellen laufen auf gekrümmten Bahnen. Wie und warum? Was geschieht, wenn sie dabei wieder an die Oberfläche oder auf die Grenze zwischen Mantel und Kern treffen? → zur Lösung
•• 4.2.3 Erdbeben II Ein Weltbeben habe als Hypozentrum eine Bruchzone in 100 km Tiefe. Im Epizentrum direkt darüber an der Erdoberfläche kommen Beschleunigungen vor, die größer als g sind. Die entsprechenden Schwingungsperioden liegen zwischen 4 und 10 s. Welche Verschiebungs- und Geschwindigkeitsamplituden kommen im Epizentrum und in größerem Abstand davon, z. B. am Antipodenpunkt an (verlustfreie Ausbreitung vorausgesetzt)? Wie groß ist die Gesamtenergie des Bebens, wenn das Hypozentrum etwa 10 km Durchmesser hat? Vergleichen Sie mit einer Wasserstoffbombe. Eine Zehnerpotenz in der Epizentrums-Intensität entspricht drei Größenstufen in der Mercalli-Skala. Bis zu welcher Stärke lassen sich Beben auf der ganzen Erde registrieren, wenn die Schreibspitze knapp 1 mm dick ist? → zur Lösung
•• 4.2.4 Seismograph Ist ein System wie in Aufgabe 2.3.6 als Seismograph brauchbar, wenigstens im Prinzip? Wie muss man die Massen, Winkel usw. wählen? Wie würde man das Aufzeichnungssystem konstruieren? Fernbeben haben Perioden bis 20 s. Muss man dämpfen und wie? Man beachte: Ein sehr kurzer Erdstoß soll als Stoß und nicht als gedämpfte Eigenschwingung wiedergegeben werden. → zur Lösung
•• 4.2.5 Seiches Wie schwappt das Wasser in einem flachen Becken hin und her? Allgemeiner betrachten wir Wellen, die sehr lang sind verglichen mit der Tiefe des Beckens, so dass das Wasser über die ganze Tiefe mit gleicher Geschwindigkeit v nach rechts oder links strömt. Wie hängen v und seine Änderung von der Druckverteilung ab, wovon hängt wieder diese ab? Wie verschiebt sich der Wasserspiegel unter dem Einfluss dieser Strömung? Stellen Sie eine Wellengleichung auf und lesen Sie Ausbreitungsgeschwindigkeit, Periode usw. der Flachwasserwellen ab. → zur Lösung
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•• 4.2.6 Wellengruppe Am Meer folgen auf eine große Welle meist noch mehrere ähnlich große, nach einer solchen Serie ist es wieder ziemlich ruhig usw. Wie kommt das? → zur Lösung
•• 4.2.7 Unterwassergespräch Weshalb können sich Taucher so schlecht sprachlich verständigen, obwohl doch die Schallabsorption in Wasser so viel geringer ist als in Luft? Weshalb hat man so lange gedacht, die Fische seien stumm? Wieso hat man diese Ansicht plötzlich korrigiert? → zur Lösung
•• 4.2.8 Seegeflüster Warum hört man am See so deutlich, was die Leute am anderen Ufer reden? Sollte der Effekt über einer glatten Wüstenfläche auch da sein? Warum kann man so schlecht gegen den Wind schreien? Worauf beruht die Wirkung des Sprachrohres? → zur Lösung
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•• 4.3.1 Reflexion
An einer soliden Wand wird eine schräg einfallende Welle reflektiert. Bei einem Lattenzaun sollte man eher den Begriff der Beugung anwenden. Wie sind die beiden Bilder vereinbar? Sie sollten es sein, da sich eine Wand von einem sehr dichten Lattenzaun praktisch nicht unterscheidet. → zur Lösung
•• 4.3.2 Am Strand Auf einem flachen Strand laufen die Wellen fast immer senkrecht aus (Kämme parallel zur Strandlinie), selbst wenn sie im Tiefwasser eine ganz andere Richtung hatten. Wie kommt das? → zur Lösung
•• 4.3.3 Flüsterjets Zwei gleich große Schiffe fahren beiderseits in ungefähr gleichen Abständen an einem kleinen Boot vorbei. Unter welchen Umständen schaukelt das Boot auf beiden Wellen weniger bzw. stärker, als wenn nur ein Schiff vorbeiführe? Wie groß sind die Wahrscheinlichkeiten für beide Ereignisse? Wie kommt es, dass zwei Autos lauter sind als eins? → zur Lösung
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•• 4.3.4 Doppler-Effekt Die Astrophysik verdankt dem Doppler-Effekt einige ihrer wichtigsten Aussagen. Wie bestimmt man die Geschwindigkeit von Sternen oder Galaxien relativ zur Sonne oder die Rotationsgeschwindigkeit von Sternen? Was versteht man unter der Doppler-Verbreiterung von Spektrallinien, und wovon hängt das ab? Kann man mittels des Doppler-Effekts feststellen, ob ein Fixstern dunkle Begleiter (Planeten) hat? → zur Lösung
•• 4.3.5 Überschallknall Warum hören wir einen Doppelknall, wenn ein Überschallflugzeug über uns weggeflogen ist? Wovon hängt der Zeitabstand zwischen den beiden Knallen ab? Das Flugzeug steht 42◦ über dem Horizont, als es knallt; der Zeitabstand der beiden Knalle ist 18 s. Was kann man folgern? → zur Lösung
•• 4.3.6 Tscherenkow-Strahlung Welche Phasengeschwindigkeit v hat das Licht in Glas (n = 1,5) oder Wasser (n = 1,33)? Welche Energie W (in J bzw. in eV) muss ein Elektron, ein Proton, ein α-Teilchen haben, um schneller als v zu fliegen? Wie und wo erreicht man solche Energien? Was ist die Folge? Ändert die relativistische Betrachtung (vgl. Abschn. 18.2.7) die Werte für W erheblich? → zur Lösung
• 4.4.1 Panflöte Sie bauen eine Panflöte aus Schilfrohr. Wie müssen die Längen abgestuft sein, damit Sie alle 12 Halbtöne einer Oktave spielen können? Wie können Sie die absolute Höhe im Voraus festlegen? → zur Lösung
•• 4.4.2 Goldener Schnitt Zeigen Sie, dass folgende Probleme alle auf die gleiche Zahl hinauslaufen: (1) Die Proportionen einer Rechteckmembran sollen so bestimmt werden, dass möglichst wenig Chancen für entartete Schwingungen vorliegen. (2) Eine Strecke soll so geteilt werden, dass sich der große Abschnitt zum kleinen so verhält wie die ganze Strecke zum großen Abschnitt. (3) Konstruktion eines regelmäßigen Zehnecks oder Fünfecks. (4) Die Fibonacci-Folge 1/1, 1/2, 2/3, 3/5, . . . und ihr Grenzwert. (5) Die Folge der Kettenbrüche 1 1 , , 1, 1 1+1 1+ 1+1 1 ,... . 1 1+ 1 + [1/(1 + 1)] Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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(6) Die Angabe zweier Zahlen a, b, für die Euklids Algorithmus zur Bestimmung ihres größten gemeinsamen Teilers (ggT) möglichst viele Divisionsschritte erfordert. (7) Folgende Konstruktion: Senkrecht über dem Ende B der Strecke AB setze man den Zirkel in der Höhe AB/2 ein, schlage einen Kreis K , der durch B geht, und einen Kreis um A, der K berührt. Der letzte Kreis teilt AB nach dem Goldenen Schnitt. (8) Viele Blätter sollen so um einen Stängel angeordnet werden, dass jedes durch alle Blätter darüber möglichst wenig beschattet wird. → zur Lösung
•• 4.4.3 Membranschwingung Wie sieht die Knotenlinie der Eigenschwingung Au 1 2 + Bu 2 1 einer quadratischen Membran aus? Diskutieren Sie verschiedene Kombinationen von A und B. Geht die Knotenlinie immer durch den Mittelpunkt und wie? Trifft sie immer auf den Rand und wie? → zur Lösung
•• 4.4.4 Knotenlinien Zeigen Sie: Eine Kreuzung zweier Knotenlinien einer schwingenden Membran erfolgt immer rechtwinklig. Mehrere Knotenlinien schneiden sich so, dass lauter gleiche Winkel entstehen. Wie passt das Ergebnis von Aufgabe 4.4.3 in dieses Bild? → zur Lösung
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•• 4.5.1 Schalltote Zone
Starke Detonationen sind oft ab ca. 50 km Entfernung nicht mehr hörbar, können aber von etwa 100 km an wieder deutlich wahrgenommen werden. Wie ist das möglich? Spielt die Stratosphäre eine Rolle dabei? → zur Lösung
•• 4.5.2 Schallstrahlungsdruck Ein seitlich begrenztes Wellenbündel fällt auf einen Schirm. Im Bündel haben die Teilchen maximal die Geschwindigkeit v0 (Schallschnelle). Welchen Einfluss hat das auf den statischen Druck im Bündel? Was geschieht, um den Druckausgleich mit der Luft außerhalb des Bündels herzustellen? Am Schirm ist die Teilchengeschwindigkeit Null. Was ist die Folge? → zur Lösung
••• 4.5.3 Fledermaus-Sonar
Fledermäuse stoßen Ultraschall-Schreie aus (um 100 kHz) und benutzen die Echos zur Orientierung und zum Orten von Jagdbeute. Die Schallleistung eines solchen Schreies liegt zwischen 10−6 und 10−5 W. Falls das Fledermausohr ebenso empfindlich ist wie das Menschenohr, aus welcher Entfernung kann die Fledermaus – alle störenden Einflüsse ausgeschaltet (welche sind das?) – bestimmte Objekte (Bäume, Wände, Fliegen usw.) wahrnehmen? Warum verwendet die Fledermaus Ultraschall? Manche Fledermäuse fischen; ist es möglich, dass sie auch
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dazu ihr ,,Sonar“ verwenden? (Beachten Sie, dass der Fisch selbst praktisch nicht reflektiert, sondern nur die Schwimmblase; warum?) Hinweis: Der Fledermausschrei mag eine gewisse Bündelung haben, ist aber sicher kein vollkommener ,,Richtstrahl“. Welche Hilfsmittel sollte man Blinden als Orientierungshilfe geben? → zur Lösung
••• 4.5.4 Schallabsorption
Diskutieren Sie die Schallabsorption nach der Theorie der erzwungenen Schwingungen. Stimmt es allgemein, dass die Absorption mit der Phasenverschiebung zwischen Druck und Kompression zusammenhängt? Wie kommt es dazu im Einzelnen infolge Wärmeleitung, innerer Reibung, Diffusion, anderer Relaxationserscheinungen? → zur Lösung
•• 4.5.5 Klangfarbe Welche Töne spielen die Instrumente in Abb. 4.68? Wie würden alle drei zusammen klingen? Was können Sie über die Klangfarben ablesen? Welche Obertöne erkennen Sie? Analysieren Sie so weit wie möglich den Einzelton und den Akkord, falls sich einer ergibt. → zur Lösung
•• 4.5.6 Reine Stimmung Wenn man die weißen Tasten eines Klaviers so stimmt, dass C-Dur absolut rein ist, dann klingt schon G-Dur falsch. An welchem Ton liegt das? Warum hat man in der reinen Stimmung einen großen und einen kleinen Ganzton einführen müssen? Wie löst die temperierte Stimmung das Problem? → zur Lösung
••• 4.5.7 Warum hören wir nicht feiner?
Ist die Behauptung richtig, dass das menschliche Ohr fast die thermische Bewegung der Moleküle (mit anderen Worten: die thermischen Druckschwankungen beiderseits des Trommelfells) hören kann? Man beachte, dass das Empfindlichkeitsmaximum bei etwa 1 kHz liegt! Wie könnte man die Hörschwelle senken, ohne ins thermische Rauschen zu geraten? (Vergrößerung des Trommelfells, des Auffangtrichters, andere Maßnahmen?) → zur Lösung
••• 4.5.8 Basilarmembran
Diese Membran in der Schnecke des inneren Ohrs ist als Zungen- oder Saiten-Frequenzmesser aufgefasst worden (Reihe von Resonatoren mit verschiedenen Eigenfrequenzen). Der Anregungszustand der einzelnen Teile des Organs durch eine Schallwelle soll zur Frequenzanalyse dienen. Diskutieren Sie die Möglichkeiten eines solchen ,,Spektralapparates“
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nach der Theorie der erzwungenen Schwingungen. Wieso sind die Forderungen nach guter Frequenzauflösung und kurzer Nachhallzeit einander konträr? → zur Lösung
•• 4.5.9 Nachhall Eine der wichtigsten raumakustischen Kenngrößen eines Saales ist seine Nachhallzeit τ. Warum darf sie nicht groß sein? Geben Sie eine vernünftige obere Grenze. τ wird bestimmt durch die allmähliche Absorption der im Saal enthaltenen Schallenergie an den Wänden bzw. ihr Verschwinden durch Öffnungen. Spezialdämmstoffe schlucken etwa 80% der auftreffenden Schallintensität, die besetzten Stuhlreihen etwa 40%, glattes Holz 6–10%, Putz und Glas 3–5%. Statten Sie Säle verschiedener Größe zweckentsprechend aus. → zur Lösung
•• 4.5.10 Wer heizt die Corona? Schätzen Sie die Schallgeschwindigkeit im Innern eines Sterns (Druck: vgl. Aufgabe 5.2.6). Ist es denkbar, dass eine heftige Schallwelle (Stoßwelle) ein Gasvolumen so beschleunigt, dass es ganz vom Stern entweicht? → zur Lösung
••• 4.5.11 Sterne als Stimmgabeln
Die periodisch veränderlichen Sterne vom Typ δ Cephei, die ,,Meilensteine des Weltalls“, geben durch den eindeutigen Zusammenhang zwischen ihrer Leuchtkraft und der Periode ihrer Helligkeitsschwankung das wichtigste Mittel zur Absolutmessung großer Entfernungen im Weltall: Aus der Periode folgt die absolute Leuchtkraft, also aus der scheinbaren Helligkeit der Abstand. Zwei solche Sterne mit Perioden von 2,5 bzw. 100 Tagen zeigen maximale Doppler-Verschiebungen von ∆λ/λ = 10−3 bzw. 5 · 10−4 . Wenn der Sternradius schwingt wie R = Rmin + 12 Rmax (1 + sin(ωt)) mit Rmax Rmin , wie groß sind die Rmax -Werte der beiden Sterne? Wenn sie Sonnenmasse haben (in Wirklichkeit haben sie mehr), welches sind ihre mittleren Dichten? Versuchen Sie die Pulsationen als SchallEigenschwingungen zu deuten: Welche Schallgeschwindigkeit erwartet man (vgl. Aufgabe 4.5.10), welche Periode, wie hängt diese speziell von der Dichte ab? Vergleichen Sie mit den gemessenen Perioden. → zur Lösung
•• 4.5.12 Ultraschall-Bohrer Wie bohrt und stanzt man mit Ultraschall? Welche Schallleistungen braucht man? Darf man einen Luftzwischenraum zwischen Quelle und Werkstück haben, oder muss man einen Transducer direkt aufsetzen? Welche Formgebung und welches Material schlagen Sie für den Transducer vor? → zur Lösung
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•• 4.6.1 Dispersion Welche Schwereenergie und welche Kapillarenergie stecken in einem Wellenberg + Wellental? Wenn Sie das Ergebnis, bezogen auf ein Wasserteilchen der Masse m, in der Betrachtung von Abschn. 4.6 als Differenz der kinetischen Energien verwenden, welche einheitliche Dispersionsformel ergibt sich dann? → zur Lösung
•• 4.6.2 Brecher auf hoher See Wieso kann die Amplitude einer Wasserwelle einen gewissen Bruchteil ihrer Länge nicht überschreiten, ohne dass sie bricht? Welcher maximale Bruchteil ergibt sich rein geometrisch? In Wirklichkeit ist er kleiner, nämlich etwa 18 . → zur Lösung
••• 4.6.3 Totwasser
Mittels der Energiebetrachtung in Aufgabe 4.6.1 behandle man Wellen an der Grenzfläche zwischen einer leichteren und einer schwereren Flüssigkeit (Dichten 1 und 2 ; Süßwasser über Salzwasser, Warmluft über Kaltluft). Man bestimme c(λ). Was hat das mit den Schäfchenwolken zu tun? Wieso betrachtet man sie als Gutwetterboten? (Man beachte, dass die Aufgleitfläche an einer Kaltfront viel steiler ist als an einer Warmfront; zu welchen typischen Fronterscheinungen führt das?) In Flussbuchten haben kleine Schiffe oft mit dem Totwasser zu kämpfen: Sie kommen plötzlich kaum noch voran (Geschwindigkeit sinkt von 10–20 auf 2–3 Knoten). Erklärung: Das Schiff verbraucht den größten Teil seiner Maschinenleistung, um Wellen in der Süßwasser-Salzwasser-Grenzschicht aufzurühren. Bei ,,Einfrieren“ ungünstiger Phasenbeziehung kommt es nur noch mit dem c der Welle voran. → zur Lösung
• 4.6.4 Seiches Im Finnischen Meerbusen (und schwächer auch zwischen den dänischen Inseln) treten oft periodische Hochwasser bis zu einigen Metern auf, und zwar mit einer Periode von 27 h. Wie erklären Sie das? Wie tief ist danach die Ostsee im Mittel? Welche Periode erwarten Sie für Entsprechendes im Bodensee oder anderen Seen? → zur Lösung
• 4.6.5 Brandung Wenn die Formel (4.107) sich auf die Bewegung von Wellenberg und Wellental einzeln anwenden lässt, wie kann man dann die Küstenbrandung erklären? → zur Lösung
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•• 4.6.6 Wellengruppe Welches ist die Gruppengeschwindigkeit für eine Störung, die sich aus Wellen aus einem engen Wellenlängenintervall um den Zentralwert λ1 aufbaut (für Schwerewellen und für Kapillarwellen)? Was wird aus einer solchen Störung mit der Zeit? Was geschieht, wenn Wellen allzu verschiedener Wellenlängen am Aufbau der Störung beteiligt sind? → zur Lösung
• 4.6.7 Kapillarwellen Wenn ein Boot langsam über eine ruhige Wasserfläche gleitet, sieht man oft vor der eigentlichen ,,Bugwelle“ eine stehende (d. h. mit dem Boot mitbewegte) Welle von rasch nach außen abnehmender Amplitude. Wie kommt das? Wie hängt die Wellenlänge dieser Erscheinung von der Bootsgeschwindigkeit ab? → zur Lösung
• 4.6.8 Gruppengeschwindigkeit Wie groß ist sie für Schwerewellen bzw. Kapillarwellen im Tiefwasser bzw. Flachwasser? Kommt es vor, dass sich eine Wellengruppe schneller ausbreitet als ihre Einzelwellen? Wenn ja, wie ist das möglich? → zur Lösung
•• 4.6.9 Sturmsee Wieso unterstützt die Dispersion das Anschwellen des Seeganges? Hinweis: Wenn Welle A Welle B einholt, verstärkt sich momentan die Amplitude so, dass es zum Brechen einer der Wellen kommt, wobei ihre Energie z. T. an die andere übergeht. → zur Lösung
•• 4.6.10 Bugwelle Wie kommt es, dass die Bugwelle auch lange nach dem Vorübersausen eines Motorbootes noch so erstaunlich kurz und hoch ist? Sollte ihre Länge nicht nach (4.108) sehr schnell mit dem Abstand zunehmen? → zur Lösung
•• 4.6.11 Luftkissenboot Ein Luftkissenboot gerät in sehr flaches Wasser. Wie verändert sich dabei die Gestalt seiner Bugwelle? → zur Lösung
• 4.6.12 Tsunami Gibt es eine Maximalgeschwindigkeit für Meereswellen und wie groß ist sie? Wie lange dürften die Wellen von der Krakatau-Explosion um die ganze Erde gebraucht haben? → zur Lösung
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••• 4.6.13 Seegang
Bei ganz leichtem Wind bleibt der See spiegelglatt. Wenn der Wind sich örtlich oder zeitlich etwas steigert, laufen kleine Kräuselwellen über den See. Wie lang und wie schnell sind sie? Warum bilden sie sich zuerst, während längere Wellen einen stärkeren Wind brauchen? Es besteht ein einfacher Zusammenhang zwischen der Phasengeschwindigkeit der Wellen und der kritischen Windgeschwindigkeit, die sie gerade erregen kann. Argumentieren Sie angenähert so: Wenn sich die Oberfläche zufällig etwas wellt, sucht der Winddruck die Störung zu steigern, der unterschiedliche Wasserdruck in einer gegebenen Tiefe sucht sie abzubauen. Der Wind muss eine Weile konstant wehen, bis der Seegang ,,ausgereift“ ist, d. h. die Wellenhöhe nicht mehr wächst. Dann muss die Leistung des Winddrucks gleich der in der Welle verzehrten Leistung sein. Können Sie diese Zeit schätzen? Wie hoch sind ausgereifte Wellen? → zur Lösung
Kapitel 5: Aufgaben . . .
•• 5.1.1 Molekülgröße Überlegen Sie bei jedem Schritt der Entwicklungen in Kap. 5: Kann man aus den geschilderten Beobachtungen auf die Größe oder Masse der Moleküle, die Avogadro-Zahl, die Boltzmann-Konstante schließen? Wieso würde eine der genannten Größen genügen, um die anderen zu finden? → zur Lösung
•• 5.1.2 Gleichverteilungssatz Wenn zwei Kugeln frontal zusammenstoßen, erfolgt nach den Stoßgesetzen ein Energieaustausch zwischen ihnen, außer wenn der Schwerpunkt ruht. Machen Sie sich diese Tatsache klar. Sollte man daraus nicht folgern: Der Energieaustausch zwischen zwei Molekülen hört erst auf, wenn beide den gleichen Impuls haben? Entlarven Sie diesen Trugschluss, indem Sie nicht nur frontale Stöße, sondern auch Stöße ,,von hinten“ untersuchen. → zur Lösung
• 5.1.3 Raketentreibstoffe Wieso genügt die Kenntnis der Temperaturen, die die Brennkammerwände aushalten, zur Abschätzung der Leistungsfähigkeit chemischer Raketen? Welche Größen bestimmen den Schub? Welche Brennstoffe wären am günstigsten? Schätzen Sie Ausströmgeschwindigkeiten und Brennschlussgeschwindigkeiten. Welche Treibstoffe wird man für Kernraketen nehmen? → zur Lösung
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• 5.1.4 Bimetall Wie hängt der Krümmungsradius eines Bimetallstreifens, bestehend aus zwei je 1 mm starken Blechstreifen mit den linearen Ausdehnungskoeffizienten α1 und α2 , von der Temperatur ab? Bei 0 ◦ C sei r = ∞. → zur Lösung
• 5.1.5 Badeofen Ein altmodischer, mit Holz oder Kohle zu heizender Badeofen von 1,20 m Höhe und 40 cm Durchmesser des Wasserreservoirs braucht etwa 1 Stunde, um den Inhalt fast zum Sieden zu bringen. Wie viel Kohle oder Holz braucht man mindestens? Nachdem man den Ofen mit Wasser gefüllt hatte, hat man den Zulaufhahn hermetisch geschlossen. Der Ablaufhahn tropft während des Heizens ca. viermal pro Sekunde. Ein Tropfen von diesem Hahn hat etwa 0,15 ml. Wie groß ist der thermische Ausdehnungskoeffizient des Wassers? → zur Lösung
•• 5.1.6 Thermometer Ein Thermometer taucht meist nicht ganz in das Medium, dessen Temperatur zu messen ist, sondern ein Teil der Skala und damit der Quecksilbersäule ragt in die Raumluft. Welchen Einfluss hat das auf die Messung? Entwickeln Sie eine Korrekturformel. Wie viel kann die Korrektur höchstens ausmachen? → zur Lösung
• 5.1.7 Gipfelhunger Jemand steigt 2 000 m hoch, pumpt eine Wassergrube mit der Handpumpe aus, schwimmt eine Stunde, radelt 200 km (nicht alles am gleichen Tag). Auf wie viel Nahrung hat er, rein physikalisch, dabei oder danach zusätzlich Anspruch oder um wie viel nimmt er ab? Beachten Sie den Wassergehalt seines Gewebes! → zur Lösung
•• 5.1.8 Europas Heizung Der Hauptteil des Golfstroms, der Karibenstrom, kommt aus der 160 km breiten und durchschnittlich 1 000 m tiefen Meerenge zwischen Key West (Florida) und Habaña (Cuba) mit maximal 11 km/h, im Mittel etwa 5 km/h hervorgeschossen. Nördlich der Bahamas vereinigt er sich mit dem etwas schwächeren Antillenstrom. Er bringt bis an die Rockall-Schwelle (zwischen Schottland und Island) selbst im Januar Wasser von ca. 15 ◦ C, während man sonst in ähnlicher geographischer Breite um 0 ◦ C misst. Schätzen Sie die Wärmemenge ab, die der Golfstrom der nordostatlantischen Region zuführt (besonders im Winter), und vergleichen Sie mit der Gesamtsonneneinstrahlung auf dieses 10–20 Mill. km2 große Gebiet. Beachten Sie die Richtung des Sonneneinfalls und die Tageslängen. Um Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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wie viel werden somit England, Island, die norwegische Küste klimatisch ,,nach Süden verschoben“? → zur Lösung
•• 5.1.9 Heiße Bremsen Wie heiß können die Bremsen eines Autos bei der Abfahrt von einem Pass werden, wenn es keine Abstrahlung gäbe und man die ,,Motorbremse“ vergäße? Schätzen Sie den Einfluss der Wärmestrahlung bei vernünftigen Werten von Gefälle, Geschwindigkeit, Felgenfläche. Mit welcher stationären Temperatur muss man rechnen? → zur Lösung
•• 5.1.10 c von Wasser Wie viele Freiheitsgrade müsste das Wassermolekül im flüssigen Zustand haben, damit die richtige spezifische Wärme herauskommt? Desgleichen für die Metalle und Verbindungen nach Tabelle 5.6. → zur Lösung
•• 5.1.11 Spezifische Wärme Schätzen Sie die spezifischen Wärmen einiger Metalle, z. B. Kupfer, Zinn, Aluminium. Welche spezifischen Wärmen müssten Verbindungen wie Wasser, Ammoniak, Ethylalkohol usw. nach der Neumann-Koppschen Regel haben? Wo treten Abweichungen auf und wie sind sie vermutlich zu erklären? Für welchen festen oder flüssigen Stoff erwarten Sie die größte spezifische Wärme? → zur Lösung
•• 5.1.12 Heißer Kaffee I Während der Kellner Ihren Kaffee bringt, bittet er Sie zum Telefon. Da Sie Milch zum Kaffee nehmen, haben Sie zwei Möglichkeiten: Die Milch gleich hineinzutun, oder wenn Sie wiederkommen. In welchem Fall bleibt Ihr Kaffee wärmer? → zur Lösung
•• 5.1.13 Heißer Kaffee II Wenn Sie Milch und Zucker zum Kaffee nehmen, können Sie verschieden vorgehen: Erst Zucker in den Kaffee, oder erst Milch. Auf welche Weise kommen Sie zum heißesten Kaffee? → zur Lösung
•• 5.2.1 Effusiometer nach Bunsen Ein Gas unbekannter Art steht unter dem Kolbenüberdruck p in einem Gefäß, das durch eine sehr enge Öffnung mit der Außenwelt verbunden ist. Wie kann man aus der Zeit, in der der Kolben alles Gas herausgedrückt hat, die Molekülmasse des Gases bestimmen? Muss man die Größe des Loches kennen? Wenn man sie nicht kennt, wie eicht man das Verfahren? → zur Lösung
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•• 5.2.2 Gasthermometer Warum nimmt man im Gasthermometer gerade H2 und He, um die absolute Temperaturskala zu definieren? → zur Lösung
•• 5.2.3 Luftballon Ein Ballon, gefüllt mit Heissluft (H2 , He) soll die Nutzlast m hochtragen. Berechnen Sie alles Nötige: Ballondurchmesser usw. Wie hoch steigt Ihr Ballon? Was geschieht mit ihm in größeren Höhen? Braucht man Ballast? → zur Lösung
•• 5.2.4 Zug im Kamin Ein Schornstein der Höhe H ist von Luft erfüllt, die um ∆T wärmer ist als die Außenluft. Wie groß ist der Auftrieb? Wieso kann man diese Größe als Druckdifferenz deuten, die den ,,Zug“ des Schornsteins ausmacht? Warum zieht ein Schornstein im Allgemeinen umso besser, je höher er ist? → zur Lösung
•• 5.2.5 Einwecken Ein Weckglas wird so gefüllt, dass etwas Luft unter dem Deckel bleibt. Bleibt sie immer drin? Mit welcher Kraft wird der Deckel nach dem Abkühlen angepresst? Unter welchen Umständen wird diese Kraft maximal? → zur Lösung
•• 5.2.6 Druck in der Sonne Schätzen Sie den Druck im Innern der Erde, der Sonne, anderer Himmelskörper. Einfachster Weg: Dimensionsbetrachtung. Ausführlicher: Jede Schicht drückt auf die darunterliegenden, angezogen lediglich durch die noch innerhalb befindliche Materie. → zur Lösung
•• 5.2.7 Wie heiß ist die Sonne? Schätzen Sie Temperatur und Dichte (vor allem ihr Produkt) im Sonneninnern (ideales H-Atomgas; vgl. Aufgabe 5.2.6). → zur Lösung
• 5.2.8 Unser Luftmeer Welche Experimente sind nötig, um die Grunddaten über die Atmosphäre zu beschaffen? Halten Sie alle diese Experimente möglichst einfach! → zur Lösung
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• 5.2.9 M. Périers Bergtour Blaise Pascal schickte seinen Schwager mit einem U-Rohr-Barometer auf den Puy de Dôme. Wie wir wissen, ist dieser 1 463 m hoch; wusste Pascal das auch? Wie genau wird seine Druckmessung gewesen sein? Was konnte er daraus schließen? → zur Lösung
• 5.2.10 Hat Mt. Everest Luft? Rechnen Sie die Konsequenzen einer konstanten Dichte nach (homogene Atmosphäre). Speziell: Wieso wäre bei 8 km Schluss? Wo würde die Verflüssigungstemperatur erreicht? → zur Lösung
••• 5.2.11 Adiabatische Schichtung
Das Auf- und Absteigen von Luftmassen erfolgt adiabatisch. Was geschieht, wenn eine aufsteigende Luftmenge in dichtere bzw. weniger dichte Umgebung gerät? Was wird man unter adiabatisch stabiler, labiler, indifferenter Schichtung verstehen? Wie hängen Dichte, Druck, Temperatur bei indifferenter Schichtung von der Höhe ab? Welches Ergebnis zwingt zu dem Schluss, dass diese Art der Schichtung nur bis zu einer bestimmten Höhe gelten kann? Welche physikalischen Prinzipien gelten oberhalb dieser Tropopause, und wie hoch liegt sie? → zur Lösung
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•• 5.2.12 Marstemperatur
Wenn das Marsgestein ein schwarzer Körper wäre, welche Temperatur würden Sie ihm bei Zenitstand der Sonne zugestehen? Welches dürfte die mittlere Temperatur in den ,,Tropen“ sein? Mars ist nicht ganz schwarz, sondern hat eine Albedo 0,15 (Erde 0,34). Wie ändert das die Schätzung? Was sagen Sie über den Einfluss der Atmosphäre (vgl. Kap. 11)? → zur Lösung
• 5.2.13 Marsatmosphäre Mariner 7 und 9 bestimmten den Atmosphärendruck in den Marstiefebenen zu 10 mbar, 25 km darüber zu 1 mbar. Kann man daraus schließen, woraus die Marsatmosphäre besteht? → zur Lösung
•• 5.2.14 Mars-Samum Während Mariner 9 unterwegs war, zeigten ab September 1971 terrestrische Beobachtungen auf dem Mars einen Staubsturm, der fast die gesamte Oberfläche verhüllte. Als Mariner im November ankam, konnte er keine nennenswerte Konvektion mehr feststellen. Trotzdem blieb der Staubschleier noch bis Februar 1972 merklich. Schätzen Sie die Größe der Staubteilchen. Vergleichen Sie mit der Sinkgeschwindigkeit auf der Erde. Wenn die ,,leuchtenden Nachtwolken“ von der Krakatau-Eruption noch 10 Jahre sichtbar waren, und zwar bis zu 12 bis 34 h nach Sonnenuntergang, Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
wie hoch und wie groß waren dann die Staubteilchen? Warum blieb in der Troposphäre der Staub nicht so lange hängen? → zur Lösung
•• 5.2.15 Mars-Stratosphäre Geben Sie einen kurzen Querschnitt durch die Marsatmosphäre. Gibt es eine Troposphäre, und wie dick schätzen Sie sie? Gibt es eine Ozonsphäre? Wenn nicht, was sind die Folgen für mögliche Lebewesen auf dem Mars? Gibt es eine Ionosphäre, und wo etwa fängt sie an? Spielt der Treibhauseffekt eine Rolle? → zur Lösung
• 5.2.16 Freie Weglänge I Bei einem Radrennen muss ein Teilnehmer, der eine Reifenpanne hat, ausscheiden. Solche Pannen entstehen, indem man auf einen Nagel fährt. Auf 1 m2 Straßenfläche liegen im Mittel n Nägel mit der Spitze nach oben (zum Glück n 1 m−2 ). Nach welchem Gesetz nimmt die Anzahl der Teilnehmer ab? Wie lange bleibt ein Radler im Durchschnitt im Rennen? → zur Lösung
•• 5.2.17 Freie Weglänge II Wir haben in Abschn. 5.2.7 ein schnelles Teilchen in ein Gas aus praktisch ruhenden geschossen. Was ändert sich, wenn sich beide Stoßpartner bewegen, z. B. gleich schnell? Untersuchen Sie die Stoßfrequenz (Zahl der Stöße/s), die ein Teilchen mit Partnern erleidet, die ihm unter einem Winkel ϑ entgegenkommen. Annahme: Alle Geschwindigkeitsbeträge gleich. Mitteln√Sie über die Verteilung der Winkel ϑ. Sie erhalten zwar nicht den Faktor 2 von (5.30 ), aber einen sehr ähnlichen. → zur Lösung
••• 5.2.18 Exosphäre
In der Hochatmosphäre kann die mittlere freie Weglänge ähnlich der Skalenhöhe werden oder größer. Wie verläuft dann das Schicksal eines Moleküls, das nach oben fliegt? → zur Lösung
•• 5.2.19 Reaktionsquerschnitt Zwei Gase oder Lösungen mit den Molekülen A und B werden gemischt, so dass die Reaktion A + B → AB ablaufen kann. Wie hängt die Reaktionsrate, d. h. die Anzahl/s der Reaktionsakte, von den Konzentrationen der beiden Partner ab? Welche Größen sind außerdem bestimmend für die Reaktionsrate? Kann man von einem Reaktionsquerschnitt sprechen? Wieso kann er sich vom geometrischen Querschnitt unterscheiden? → zur Lösung
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•• 5.2.20 Hochvakuum Wie hängt die freie Weglänge vom Gasdruck ab? Bei welchem Vakuum wird die freie Weglänge ebenso groß wie die Gefäßdimensionen? Was ist die Folge? → zur Lösung
•• 5.2.21 k-Messung Das Drehspiegelsystem von Aufgabe 3.4.1 zeigt selbst bei vollkommenem Schutz vor Luftzug unregelmäßig zitternde Drehbewegungen. Bei längerer Aufzeichnung findet man einen quadratisch gemittelten Ausschlag von ca. 2 mm. Warum mittelt man quadratisch? Was kann man schließen? Kann man z. B. die Boltzmann-Konstante bestimmen? → zur Lösung
••• 5.2.22 Diffusion
Die tatsächliche Bahn eines Moleküls setzt sich aus einer Zickzackfolge freier Weglängen zusammen. Falls im Mittel jede Umlenkung um einen rechten Winkel erfolgt: Welche Gesamtverschiebung ergibt sich nach zwei bzw. drei freien Flugdauern? Verallgemeinern Sie auf n freie Flugdauern und drücken Sie das mittlere Verschiebungsquadrat durch die Gesamtflugzeit aus. Mittels (5.64) kann man dies durch den Diffusionskoeffizienten und mittels (5.42) durch die Beweglichkeit ausdrücken. Wieweit trifft dies alles auch für die sehr viel größeren mikroskopisch beobachtbaren Teilchen zu? Kann man aus Beobachtungen der brownschen Bewegung die Größe der Moleküle bestimmen? → zur Lösung
•• 5.2.23 Perrin-Versuch Latex-Kügelchen von 0,6 µm Durchmesser und der Dichte 1 200 kg/m3 werden in Wasser suspendiert, das durch Rohrzucker-Zusatz auf 1 190 kg/m3 gebracht ist. Nach einiger Zeit bildet sich ein Bodensatz, der nach oben allmählich ins leere Suspensionsmittel übergeht. Mit einer feinen Pipette entnimmt man aus Höhen von 2; 4; 6; 8 mm über dem Boden je eine winzige Probe und füllt davon (nach evtl. Verdünnung) in die 0,1 mm tiefe, 1 mm2 große Zählkammer eines Hämozytometers. Man findet in diesem Volumen 1,16 · 106 ; 13 500; 95; 2 Kügelchen. Bestimmen Sie daraus die Avogadro-Zahl, die Boltzmann-Konstante, die Masse des H-Atoms. Welche Fehlerquellen gibt es? → zur Lösung
•• 5.2.24 Maxwell-Verteilung I Wie breit ist sie (Halbwerts- oder 1/e-Wertsbreite), wie hoch ist ihr Maximum? Entsprechen diese Werte der Forderung, dass die Gesamtfläche 1 sein muss? → zur Lösung
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••• 5.2.25 Maxwell-Verteilung II
In einem Gas ist die am häufigsten vorkommende Molekülgeschwindigkeit etwas verschieden von der mittleren Geschwindigkeit und diese wieder von der Wurzel aus dem mittleren Geschwindigkeitsquadrat v2 , das in der kinetischen Gastheorie die beherrschende Rolle spielt. Wie kommt es zu diesen Unterschieden? Können Sie anschaulich sagen, welche der drei Geschwindigkeiten die größte, welche die kleinste ist? Berechnen drei ∞Sien die 2 −az Geschwindigkeiten. Dabei treten Integrale der Form In = 0 z e dz = −d I /da und auf. Man kann sie aufeinander reduzieren mittels I n+2 n ∞ ∞ 2 braucht nur noch I1 = 0 ze−az dz = 1/(2a) 0 e−x dx = 1/(2a) und ∞ −az2 √ ∞ −x 2 dz = 1/ a 0 e dx. Das letzte Integral haben wir in I0 = 0 e √ Aufgabe 1.1.8 schon bestimmt, also I0 = 12 π/a. → zur Lösung
••• 5.2.26 Reaktionsrate
Eine Oxidationsreaktion erfordert, dass Sauerstoff- und Brennstoffmolekül mindestens mit der Aktivierungsenergie WA zusammenstoßen. Sind dadurch die bestehenden Bindungen gelockert, so erfolgt die Reaktion, die eine größere Energie WR hergibt. Welcher Bruchteil der O2 -Moleküle ist für die Reaktion verfügbar? Wie hängt dieser Bruchteil von der Temperatur ab? Wie häufig erfolgen Stöße zwischen O2 - und Brennstoffmolekülen (Stöße überhaupt und Stöße, die zur Reaktion führen)? Welche Reaktionsenergie wird in der Sekunde freigesetzt? Schätzen Sie die Temperatur, von der ab die Reaktion genügend Energie erzeugt, um das Gemisch so zu erhitzen, dass die Reaktion von selbst weitergeht (Flammpunkt). → zur Lösung
•• 5.2.27 Kernfusion Kernfusionsreaktionen würden, wenn der Tunneleffekt nicht wäre, Übersteigung einer Potentialschwelle von mehr als 1 MeV erfordern. Wie heiß müsste ein Gas (eigentlich Plasma) sein, damit wenigstens einige Stöße mit dieser Energie erfolgten? Der Tunneleffekt √ reduziert die effektiv erforderliche Stoßenergie auf etwa Weff = Ws kT . Wie ändert das die Abschätzung? → zur Lösung
•• 5.2.28 Sind Planeten so selten? Sterne fliegen mit etwa 100 km/s (vgl. Aufgabe 1.7.26). Bei engen Begegnungen tauschen sie kinetische Energie aus. Wie eng muss die Begegnung sein, damit dieser Austausch die Größenordnung ihrer ganzen kinetischen Energie erreicht? Wie groß ist die freie Weglänge für einen solchen Austausch, wie groß ist die Relaxationszeit für die Einstellung des ,,thermischen Gleichgewichts“ zwischen den Sternen? Welche Geschwindigkeitsverteilung haben dann die Sterne? Unsere Galaxis enthält 2 · 1011 Sterne; ihr Durchmesser ist ca. 60 000 Lichtjahre, ihre mittlere Dicke ca. 10 000 Lichtjahre. → zur Lösung
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•• 5.2.29 Galaxienhaufen In den größten Strukturen des Weltalls, Haufen aus tausenden Galaxien, sitzen die größten meist ziemlich innen. Warum? → zur Lösung
•• 5.3.1 Ottomotor Welches ist das optimale Mischungsverhältnis im Vergasergemisch? Der 7 Brennwert von Benzin ist etwa 3,7 · 10 J/kg. Geben Sie Temperatur und Druck nach der Zündung an, falls die Wärmeverluste an Zylinder und Kolben vernachlässigbar sind. Spielt die Druckänderung infolge Molzahländerung bei der Verbrennung eine Rolle? Welcher Wirkungsgrad ergibt sich im idealen Fall? Welche Vorteile bietet der Dieselmotor? → zur Lösung
• 5.3.2 Kühlschrank Das Kühlaggregat eines Kühlschrankes von 150 l Inhalt nimmt eine elektrische Leistung von 150 W auf. Der Kühlschrank wird zur Hälfte seines Volumens mit Lebensmitteln von 25 ◦ C gefüllt. Wie lange würde eine Heizung von 150 W brauchen, um die Lebensmittel von 5 auf 25 ◦ C zu erwärmen? Der Kompressor des Kühlschrankes läuft nach dem Einfüllen der Lebensmittel 2 Stunden und schaltet sich dann ab. Erklären Sie den Unterschied in den Zeiten quantitativ. → zur Lösung
•• 5.3.3 Wärmepumpe Eine Stadt soll zentral durch eine Wärmepumpe mit Heizwärme versorgt werden. Wo sind das warme und das kalte Reservoir? Welche mechanische oder elektrische Arbeit kommt ins Spiel? Wirkungsgrad? Reicht der Fluss als Wärmespender aus? Wie viel Öl spart man, verglichen mit den individuellen Ölheizungen bzw. mit vollelektrischen Raumheizungen? → zur Lösung
•• 5.3.4 Projekt Agrotherm Abwärme aus Kraftwerken soll zur Erwärmung des Ackerbodens benutzt werden (auch zur Heizung von Gewächshäusern und Fischzuchtbecken). Man erzielt so erhebliche Ertragssteigerungen. Wenn thermische und Kernkraftwerke mit einer oberen Kesseltemperatur von 600–700 ◦ C arbeiten, wie viel Abwärme erzeugen dann alle Kraftwerke der BRD zusammen? Das Kühlwasser, das etwa 20 K wärmer ist als die Luft, soll durch Rohre geleitet werden, die in der Tiefe d unter dem Ackerboden verlegt sind. Diese Rohre liegen ziemlich dicht beieinander. Wie sieht die Temperaturverteilung im so geheizten Boden aus? Drücken Sie die T -Verteilung im Boden durch diese Größen aus. Damit eine merkliche Ertragssteigerung erzielt wird, müssen die Temperaturen im Wurzelbereich von Getreide, Kartoffeln, Gemüse oder Zuckerrüben um mindestens 2 ◦ C gesteigert werden. Welche Fläche kann man nach diesem Projekt behandeln? Kann die Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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Ackeroberfläche genau Lufttemperatur haben, oder muss sie etwas wärmer sein? Um wie viel? Beeinflusst das die bisherigen Abschätzungen? Wärmeleitfähigkeit der Ackererde λ ≈ 0,5 W m−1 K−1 . → zur Lösung
•• 5.3.5 Wirkungsgrad Bestimmen Sie die Wirkungsgrade einiger Wärmekraftmaschinen aus dem p, V - und aus dem T, S-Diagramm (Abb. 5.25). Beachten Sie dabei, in welchen Arbeitstakten Wärme ausgetauscht wird und mit wem. → zur Lösung
• 5.3.6 Strahlungsdruck Leiten Sie die Beziehung zwischen Energiedichte und Strahlungsdruck in einem isotropen Strahlungsfeld aus der Photonen-Vorstellung ab: Photonen sind ,,Teilchen“ mit der Energie hν und dem Impuls h/λ, die mit c fliegen. Hängt diese Beziehung davon ab, ob die Strahlung schwarz ist? → zur Lösung
••• 5.3.7 Differentieller Carnot-Prozess
Eine Maschine, deren Arbeitssubstanz kein ideales Gas zu sein braucht, vollführe einen Carnot-Prozess aus isothermer Expansion, adiabatischer Expansion, isothermer Kompression und adiabatischer Kompression. Alle diese Änderungen seien sehr klein, speziell die isothermen Volumenänderungen, so dass der Druck auf den isothermen Ästen als konstant betrachtet werden kann. Die adiabatischen Temperaturänderungen seien sogar so klein, dass die Volumenänderungen auf den adiabatischen Ästen klein sind gegen die auf den isothermen (kann man das immer erreichen? Skizze im p, V -Diagramm!). Was ist die Folge für die Arbeitsanteile der einzelnen Takte? Die Eigenschaften der Arbeitssubstanz sind nur lückenhaft bekannt: Von einem Stoff A wisse man nur, dass seine innere Energie W nicht vom Volumen, also nur von der Temperatur abhängt (wie für ein ideales Gas nach dem adiabatischen Expansionsversuch von Gay-Lussac). Bei einem anderen Stoff B ist die Energie dem Volumen proportional: W = uV , wobei die Energiedichte u von T abhängt. Bei Stoff B sei ferner bekannt, dass u = 3 p (Strahlung, vgl. Aufgabe 5.3.6). Ein Stoff C hat W ∼ V −2/3 und W praktisch unabhängig von T (Fermi-Gas). Es ist klar, dass p in allen diesen Fällen von T abhängt; die Frage ist nur wie. Drücken Sie, zunächst in allgemeiner Form, den Wirkungsgrad dieser Carnot-Maschine aus durch T -Änderung dT , Gesamtarbeit d 2 W, Wärmeaufnahme d Q bei isothermer Expansion. Drücken Sie d 2 W ferner durch p(T ) und die Volumenänderung aus und stellen Sie d Q nach dem ersten Hauptsatz auf. Welcher allgemeine Zusammenhang ergibt sich zwischen d p/dT , T , p und dW/dV ? Spezialisieren Sie auf die Stoffe A, B und C und ziehen Sie die Folgerungen: Wie sieht p(T ) aus, wie u(T ) im Fall B? Wie hängt W von V und T ab? Kann man die Zustandsgleichung aufstellen? → zur Lösung
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••• 5.3.8 Sonnenatmosphäre
An der sichtbaren Sonnenoberfläche (Photosphäre) herrscht die Dichte 0,01 g/cm3 , in 50 000 km Tiefe etwa 1 g/cm3 . Welche Temperatur schätzen Sie in dieser Tiefe? Was sagt die Saha-Gleichung (Abb. 8.9) über den Ionisationszustand des Wasserstoffs an der Oberfläche und in dieser Tiefe? Verfolgen Sie ein Gasvolumen, das aus der Tiefe aufsteigt, vergleichen Sie mit feuchter Luft. Woher kommt die zusätzliche Aufstiegstendenz, in welchem Fall ist sie größer? Erwarten Sie, dass in der Sonnenatmosphäre eine adiabatische stabile Schichtung möglich ist? Wenn nicht, wie stellen Sie sich die Verhältnisse dort vor? Vergleichen sie mit einem flachen Kochtopf auf der elektrischen Heizplatte, der mit sehr wenig Wasser gefüllt ist. → zur Lösung
•• 5.4.1 Heizung Die Heizung muss Wärmeverluste durch Luftaustausch, Wärmeleitung usw. ersetzen. Sind Doppelfenster sinnvoll? Kommt die geringe Wärmeleitfähigkeit der Luft (0,025 W/m K) zur Geltung? Ist Konvektion nützlich oder schädlich? Welche Heizleistung veranschlagen Sie? Wie erzielen Sie sie: elektrisch, mit Gas, Öl, Kohle? Beachten Sie auch den ökonomischen Gesichtspunkt! Wärmeisolierstoffe leiten typischerweise mit ca. λ = 0,05 W/m K. Nach welchem Prinzip können sie das leisten? Verwenden Sie sie sinnvoll! → zur Lösung
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•• 5.4.2 Thermische Relaxation
Welchen Temperatur-Leitwert haben Kupfer, Wasser, Luft, Fett, Stein? Ziehen Sie praktische Konsequenzen. Wenn ein ThermikAufwindschlauch 100 m Durchmesser hat, wie groß ist seine thermische Relaxationszeit? Ist der Aufstieg adiabatisch? → zur Lösung
•• 5.4.3 Mindestalter der Erde (Kelvin) Der Temperaturgradient beim Eindringen in die Erde beträgt im Mittel 0,03 K/m (geothermische Tiefenstufe 30 m/K). Wenn die ganze Erde einmal feuerflüssig war, muss um diese Zeit die hohe Temperatur von ca. 3 000 K bis zur Oberfläche gereicht haben und muss dort steil auf die ca. 0 ◦ C abgebrochen sein, die die Sonneneinstrahlung bedingt (vgl. Aufgabe 11.2.16). Wie lange muss die Abflachung bis zum jetzigen Wert des Gradienten gedauert haben (Größenordnung!)? Weshalb kommt nicht ganz das richtige Alter der Erde heraus? → zur Lösung
••• 5.4.4 Bodenfrost
Die tägliche und die jährliche Änderung der Lufttemperatur können grob durch Sinusfunktionen beschrieben werden. Studieren Sie das Eindringen dieser ,,Temperaturwellen“ in den Erdboden. In welcher Tiefe muss man Wasserrohre verlegen, um vor dem Einfrieren sicher zu sein? Wie
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tief müssen Sektkeller sein, in denen die Temperatur höchstens um 1 ◦ C schwanken darf? In welcher Tiefe liegt der ,,Permafrost“ (ewig gefrorene Schicht) in der Arktis? Kann es sein, dass manche Keller nachts wärmer sind als tags? Rechnen Sie am besten komplex. Wenn T(t) am Erdboden wie eiωt geht, liegt nach dem Bau der Wärmeleitungsgleichung nahe, dass auch T(x) eine e-Funktion ist, aber evtl. mit komplexen Exponenten. Erde hat eine Wärmeleitfähigkeit von ca. 2 W/m K. → zur Lösung
•• 5.4.5 Wiener-Versuch Diskutieren Sie die Figur in Abb. 5.40. Was kann man aus ihrer Gesamtfläche und aus der zeitlichen Änderung ihrer Höhe und Breite entnehmen? → zur Lösung
•• 5.4.6 Druckparadoxon In einem porösen Tongefäß ist Luft. Wenn man es außen mit Wasserstoff zu bespülen beginnt, steigt der Druck im Gefäß plötzlich an. Warum? Bleibt er ständig höher? Was geschieht, wenn man mit dem Bespülen aufhört?
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→ zur Lösung
•• 5.4.7 Nackt und pudelwohl Bei welcher Lufttemperatur kann sich ein splitternackter Mensch im Schatten ohne körperliche Bewegung aufhalten, ohne zu frieren? Warum friert er doch, wenn er schläft? Wie dick muss man sich bei gegebener Lufttemperatur anziehen? Warum wärmt Kleidung überhaupt? Sind die Verlustmechanismen beim nackten und angezogenen Menschen dieselben? Was kann der Mensch oberhalb der anfangs bestimmten Temperatur machen, um Überhitzung zu vermeiden? Hilft kühles Getränk erheblich mit, oder gibt es wirksamere Mechanismen? Wasserverlust von 3–4 l (Dehydrierung) ist für den Menschen tödlich. Wie lange kann er es in der Wüste bei 37 ◦ C ohne Wasser aushalten? → zur Lösung
•• 5.4.8 Brrr . . . ! Bei 0 ◦ C und Sturm friert man meist mehr als bei −20 ◦ C und Windstille. Ist dies nur subjektiver Gefühlseindruck oder physikalisch begründbar? Wie kalt wird die Hautoberfläche eines unbekleideten Körperteils bei gegebener Lufttemperatur? Warum erfrieren Nase, Finger und Zehen meist zuerst? → zur Lösung
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••• 5.4.9 Rayleigh-Konvektion
Die Konvektion ist theoretisch äußerst schwierig, weil hier Auftrieb, Viskosität, Wärmeleitung, Oberflächenspannung in sehr komplizierter Weise zusammenspielen. In der Atmosphäre kommen noch die Höhenabhängigkeit der Zustandsgrößen und der Energieumsatz durch Kondensation hinzu, im Meer die Dichteunterschiede infolge verschiedener Salzgehalte, die sich bei der Verdunstung noch ändern, im zähplastischen Erdmantel der Energieumsatz durch Änderung der Kristallstruktur sowie die unterschiedliche Verteilung der radioaktiven Wärmequellen. Kein Wunder, dass die atmosphärische und die Ozeanzirkulation noch viele Geheimnisse bergen, noch mehr die Strömungen im Erdmantel, die Motoren der Plattentektonik. Wir studieren den einfachsten Fall, die Rayleigh-Konvektion, in der Auftrieb, Viskosität und Wärmeleitung zusammenspielen. Wird ein Fluid von unten geheizt wie im Kochtopf oder der Atmosphäre, so dass die Temperatur nach oben abnimmt, dann kann die Schichtung leicht instabil werden. Welche Kräfte wirken auf ein Fluidpaket, das zufällig ein Stück aufsteigt, und wie bewegt es sich also weiter? Hat seine Temperatur dabei Zeit, sich der Umgebung anzugleichen? Wie lautet die Bedingung dafür? Unter welchen Umständen bleibt also die Aufstiegstendenz erhalten? → zur Lösung
•• 5.4.10 Schlaues Huhn Das australische Großfußhuhn Tallegalla brütet seine Eier nicht in eigener Körperwärme aus, sondern benutzt dazu bakterielle Fäulniswärme. Der Hahn scharrt einen großen runden Haufen aus Laub und Humuserde zusammen. Die Henne legt die Eier in die Mitte, nachdem es kräftig geregnet hat und die Fäulnis einsetzt. Der Hahn kommt regelmäßig wieder, um die Haufengröße je nach Außentemperatur zu regeln, so dass die Eier immer auf 35 ◦ C−36 ◦ C bleiben. Was muss er tun, wenn es draußen kälter wird? Denken Sie sich aus dem kugelförmig idealisierten Haufen eine konzentrische Teilkugel herausgeschnitten. Wie hängt die darin erzeugte Wärmeleistung vom Radius der Teilkugel ab? Wohin fließt sie? Wie groß ist die Wärmestromdichte? Wie hängt sie vom Radius ab? Wie groß ist der Temperaturgradient und wie hoch ist die Temperatur im Abstand r von der Haufenmitte? Die Wärmeleitfähigkeit von Laub sei λ ≈ 0,1 W m−1 K−1 . Leistungsdichte der Wärmeproduktion der Bakterien q ≈ 6 W m−3 . → zur Lösung
•• 5.5.1 Stirling-Formel Beweisen Sie die √ Stirling-Formel als analytische Näherung für die Fakultät: x! ≈ x x e−x 2πx. Hinweis: Logarithmieren Sie x! und nähern Sie die Summe von oben und von unten durch geeignete Integrale an, deren Mittelwert sie schließlich verwenden. → zur Lösung
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•• 5.5.2 Irreversibilität Zeigen Sie, dass typisch irreversible Prozesse wie der Wärmeübergang von einem warmen zu einem kalten Körper die Umwandlung von Arbeit in Wärme durch Reibung, die arbeitsfreie Expansion eines Gases, die Mischung zweier verschiedener Gase mit einem Anwachsen der Entropie verbunden sind. → zur Lösung
• 5.5.3 Mischung Wir tun nicht weißen und schwarzen Sand in die Schachtel, sondern weißen Sand und schwarze Eisenfeilspäne. Kann es jetzt vorkommen, dass Schütteln zur Entmischung führt, und unter welchen Umständen? (Antworten Sie so quantitativ wie möglich!) → zur Lösung
• 5.5.4 Protein-Entropie I Ein Proteinmolekül ist eine Kette von Aminosäuren in einer ganz bestimmten, für jedes Protein charakteristischen Reihenfolge. Wie viel Entropie könnte Ihr Körper gewinnen, wenn er alle seine Aminosäuren wild durcheinander würfelte? (Mittleres Molekulargewicht einer Aminosäure 100; Ihr Körper enthält ca. 20% Protein.) → zur Lösung
••• 5.5.5 Protein-Entropie II
Ein Riesenmolekül bildet eine Kette aus N Gliedern, deren jedes L verschiedene Lagen (Richtungen) relativ zum vorhergehenden Glied einnehmen kann. Damit das Molekül eine bestimmte Konfiguration hat, z. B. die ganz gestreckte, muss sich jedes Glied in einer ganz bestimmten seiner L Lagen befinden. Welche Wahrscheinlichkeit und welche Entropie hat die Kette, wenn alle L Lagen gleich wahrscheinlich sind, bzw. wenn rein geometrisch ihre Wahrscheinlichkeiten verschiedene Werte pi haben? Außerdem mögen die einzelnen Lagen verschiedene potentielle Energien εi haben. Welche Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Konfiguration ergibt sich jetzt? Welchen Einfluss hat die Temperatur? Wieso spielt die Freie Energie auch hier eine beherrschende Rolle? → zur Lösung
••• 5.5.6 Seltsame Definition
Nehmen Sie an, Sie wüssten von der Größe ,,Temperatur“ nur, dass sie den Wirkungsgrad einer reversiblen Wärmekraftmaschine bestimmt, nämlich dass dieser eine Funktion η(T2 , T1 ) der Temperaturen der beiden beteiligten Wärmespeicher ist. Nun versuchen Sie, die Form dieser Funktion η und die Eigenschaften der Temperatur genauer festzulegen. Sie können z. B. zwei solche Maschinen hintereinander schalten, so dass die eine den kalten Speicher der anderen als heißen für sich selbst benutzt. Was kann man daraus über η schließen? Wie kann man beweisen, dass es einen absoluten Nullpunkt der Größe T gibt? Kann man hieraus die Größe T
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schon vollständig mit der üblichen Kelvin-Temperatur identifizieren, oder braucht man dazu spezielle Kenntnisse über mindestens eine wirkliche Arbeitssubstanz? → zur Lösung
•• 5.5.7 Mischbarkeit Wenn Mischen immer Entropiegewinn einbringt, warum mischen sich dann z. B. Wasser und Öl nicht? Kann man sagen, ob Erhitzen oder Abkühlen die Mischbarkeit verbessert? → zur Lösung
•• 5.5.8 Kleiner Unterschied Das Verdampfungs- oder Schmelzgleichgewicht liegt, außer für einen Zustand auf der Siede- oder Schmelzkurve, ganz auf einer Seite, d. h. es liegt ausschließlich ein Aggregatzustand vor. Beim chemischen Gleichgewicht kommt das dagegen nie vor: Selbst bei einer Reaktion, die ganz ausgesprochen in eine Richtung strebt, sind immer alle beteiligten Stoffe in einer gewissen Menge vorhanden. Wie erklärt sich dieser Unterschied? → zur Lösung
•• 5.5.9 Adsorption An einer Grenzfläche, z. B. einer Festkörperoberfläche, steht eine gewisse Anzahl von Plätzen zur Verfügung, wo sich Gasmoleküle anlagern können. Wie ändern sich Energie und Entropie bei einer solchen Anlagerung (qualitativ und schätzungsweise quantitativ)? Wie hängt die adsorbierte Menge vom Druck des Gases ab (die rein thermodynamische Ableitung ist schwieriger als die kinetische)? → zur Lösung
•• 5.5.10 Chromatographie Um ein Gemisch von Gasen oder gelösten Stoffen zu trennen, lässt man am Ende einer Chromatographensäule (Aktivkohle oder andere feindisperse Stoffe für Gase, Alaun, verschiedene Kunstharze für Lösungen) zunächst das ganze Gemisch adsorbieren. Dann lässt man ein Trägergas oder reines Lösungsmittel langsam durch die Säule strömen. Die adsorbierten Stoffe treten nach mehrfacher Desorption und Readsorption auf der anderen Seite aus, und zwar nach einer ,,Durchbruchszeit“, die von ihrem Adsorptionsvermögen sehr stark abhängt. Untersuchen Sie, wie eine ursprüngliche rechteckige Welle adsorbierten Stoffs in der Säule fortschreitet. Voraussetzung: An jedem Ort herrscht praktisch Adsorptionsgleichgewicht. Welchen Einfluss hat die Form der Adsorptionsisotherme? → zur Lösung
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•• 5.5.11 T-jump In einem Reaktionsgefäß sind zwei Modifikationen eines Moleküls, A und A , die sich ohne Beteiligung eines anderen Partners ineinander umwandeln können: A A . Bei T = 300 K findet man 90% A und 10% A . Kann man daraus die Differenz der freien Enthalpien von A und A ablesen? Warum gerade der freien Enthalpien? Welches Mengenverhältnis erwartet man bei 370 K? Führt man die T -Änderung sehr schnell aus, so stellt sich die neue Gleichgewichtsverteilung erst allmählich ein. Kann man aus dem Bisherigen folgern, wie schnell das geht, oder geben umgekehrt Art und Geschwindigkeit dieser Relaxation neue Aufschlüsse? → zur Lösung
•• 5.5.12 Gaszentrifuge In einer rotierenden Trommel sind Gase einem Fliehkraftfeld ausgesetzt, das sehr viel größer als das Erdschwerefeld ist (viele g). Wie funktioniert die Trennung von Molekülen verschiedener Masse? Welche Apparategröße ist dafür ausschlaggebend? Was lässt sich besser trennen: O2 , N2 oder 238 UF , 235 UF (Siedepunkt 56 ◦ C)? Welchen Trenngrad kann man im 6 6 einstufigen Betrieb erreichen? Geben Sie ein einfaches Trennkriterium an, das nur von Geschwindigkeiten spricht. Stimmt das alles auch für Teilchen in Lösung? → zur Lösung
•• 5.6.1 Wasserstruktur Was hat die Dichteanomalie des Wassers mit der Struktur seiner Moleküle zu tun (vgl. Abschn. 15.3.6)? Welche Eigenschaften des Wassers hängen damit noch zusammen? → zur Lösung
•• 5.6.2 Wolkenbildung Luft, die am Erdboden die Temperatur T und die relative Feuchte f hat, steigt auf. Wie ändern sich T und f mit der Höhe? Wo beginnt die Wolkenbildung? Wie beeinflusst die Kondensation die Aufstiegstendenz? Warum ist der Föhn so warm und trocken? Beachten Sie die Rolle der Kondensationskeime. → zur Lösung
••• 5.6.3 Verdampfungsgleichgewicht
Leiten Sie Dampfdruckkurve und Clausius-Clapeyron-Gleichung kinetisch ab: Jedes Dampfteilchen, das auf die Flüssigkeitsoberfläche auftrifft, soll sich ihr anlagern; jedes Flüssigkeitsteilchen, das um weniger als δ von der Oberfläche entfernt ist und ausreichende Energie hat, verlässt die Flüssigkeit; man stelle sich vor, die Flüssigkeitsteilchen schwingen mit der Frequenz ν0 ≈ 1013 , nehmen also alle 10−13 s einen Anlauf. Stellen Sie die Bilanz auf. Was bedeutet das Gleichgewicht? Kommt δ vernünftig heraus? Können Sie Verdunstungsgeschwindigkeiten angeben? Kann
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das die übliche Thermodynamik auch? Kommen die berechneten Verdunstungsgeschwindigkeiten praktisch jemals zur Geltung? Wenn nein, warum nicht? → zur Lösung
• 5.6.4 Ist das möglich? Zwei gleich große gut wärmeisolierende Becher mit gleich viel Wasser gefüllt, aber der eine mit 100 ◦ C, der andere mit 50 ◦ C heißem, werden gleichzeitig ins Tiefkühlfach gestellt. Würden Sie an Zauberei glauben, wenn sich auf dem 100 ◦ C-Becher zuerst Eis bildete? → zur Lösung
• 5.6.5 Heizwerte Technische Tabellen geben für Brennstoffe zwei Heizwerte an: Hu , wenn das Verbrennungswasser dampfförmig bleibt, Ho wenn es kondensiert. Wie unterscheiden sich die beiden Werte (Beispiele)? Welcher Wert ist einzusetzen für technische Vorgänge wie Heizung, Verbrennungsmotoren, Raketenmotoren? → zur Lösung
• 5.6.6 Druckaufschmelzung Um wie viel verschiebt sich der Schmelzpunkt des Eises bei Druckerhöhung um 1 bar? Stimmt es, dass Skifahren und Schlittschuhlaufen durch Druckaufschmelzung erleichtert werden? Hat das Profil der Schlittschuhe einen Einfluss? Wie liefe es sich auf CO2 -Eis? → zur Lösung
• 5.6.7 CO2-Flasche
Studieren Sie an Hand von Abb. 5.68 die Herstellung und Anwendung von flüssigem CO2 : Mindestdruck in CO2 -Flaschen, Dichte des flüssigen CO2 ? Was geschieht beim Öffnen des Ventils? Warum ,,schneit“ es dabei? → zur Lösung
• 5.6.8 Freon Kühlschränke enthalten als Kühlmittel meist Freon, einen Kohlenwasserstoff, bei dem die H-Atome durch Chlor oder Fluor ersetzt sind. Das Treibgas in Spraydosen ist ebenfalls Freon. Weshalb verwendet man für zwei so verschiedene Zwecke dieselbe Substanz? Welche Eigenschaften der Substanz sind dafür maßgebend? Oder sind die beiden Zwecke gar nicht so grundverschieden? Was geschieht in einem Kompressor-Kühlschrank mit dem Kühlmittel, während es umläuft? Was geschieht, wenn man auf den Knopf der Spraydose drückt? → zur Lösung
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•• 5.6.9 van der Waals-Konstanten Bestimmen Sie die van der Waals-Konstanten für N2 , O2 , CO2 aus Tabelle 5.14 und überprüfen Sie damit die Angaben über Gasverflüssigung in Abschn. 5.6.6. → zur Lösung
•• 5.6.10 Kritische Daten Wo liegen die kritischen Daten (Druck, Temperatur, Volumen) für ein van der Waals-Gas? Vergleichen Sie mit Abb. 5.68. → zur Lösung
••• 5.6.11 van der Waals-Kurve
Zeichnen Sie eine van der Waals-Kurve, z. B. für Wasser, nach den Daten von Tabelle 5.14. Gibt es ein Gebiet mit negativem Druck und hat es eine physikalische Bedeutung? Beschreibt der Flüssigkeitsast die Verhältnisse quantitativ richtig? Was bedeuten die Äste AB und E D (vgl. Abb. 5.68)? Lassen sich die Zustände dort realisieren? Dieselbe Frage für BC D. Wo liegt der Gleichgewichtsdruck? → zur Lösung
•• 5.6.12 Maxwell-Gerade Der Übergang gasförmig-flüssig erfolgt nicht über das Maximum und das Minimum der van der Waals- Kurve, sondern längs einer Horizontalen, die vom van der Waals-Berg ebenso viel Fläche abschneidet wie vom Tal. Begründen Sie das mit Hilfe eines hypothetischen Kreisprozesses. → zur Lösung
••• 5.6.13 Das Büblein steht am Weiher . . . wer weiß? Wie wächst die Eisdecke auf dem See? Gehen Sie von der idealisierten Situation aus, dass das Wasser bis in eine gewisse Tiefe durchweg 0 ◦ C hat, bevor plötzlich eine Kältewelle einsetzt. Je dicker die Eisschicht wird, desto mehr erschwert sie den weiteren Wärmetransport. Welche Wärme muss nämlich transportiert werden? Drücken Sie das durch eine Differentialgleichung aus und lösen Sie sie. Unter welchen Umständen können Menschen, Autos, Eisenbahnzüge das Eis überqueren? Wie dick dürfte das Eis in der Arktis werden? Erinnern Sie sich daran, dass Fridtjof Nansen damit rechnete, seine ,,Fram“ würde von der Eisdrift in ca. 1 Jahr von NO-Sibirien über den Nordpol getrieben werden. Wenn Sie nach einer guten Meereskarte die Tiefe des Atlantik als Funktion des Abstandes vom Zentralrücken auftragen, erhalten Sie eine Kurve, die Ihnen bekannt vorkommen wird. Wie kommt das? Denken Sie an die Plattentektonik, speziell an ,,Rifts“ und ,,sea floor spreading“ (Abschn. 7.3.5). Bedenken Sie auch, dass Gesteine beim Erstarren dichter werden (etwa 10%). Wenn sich die Aktivität der Rifts und des sea floor spreading in geologischen Zeiträumen ändert, was bedeutet das für das Ozeanvolumen, das jeweils verfügbar ist? Wo bleibt das überschüssige Wasser? Wenn sich Erdöl, Salz und andere Lagerstätten hauptsächlich in Flach- und Randmeeren bilden, Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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in welchen geologischen Formationen sollte man dann besonders danach suchen? → zur Lösung
• 5.7.1 Entsalzung In den Trockengebieten der Erde, soweit sie genügend kapitalkräftig sind, baut man riesige Meerwasser-Entsalzungsanlagen, die hauptsächlich auf Umkehrosmose oder auf Destillation beruhen. Bei der Umkehrosmose presst man Salzwasser durch eine semipermeable Membran von ausreichender Festigkeit, die Wassermoleküle, aber keine Salzionen durchlässt. Welchen Druck braucht man dazu mindestens? Vergleichen Sie dieses Verfahren hinsichtlich des Energieaufwandes mit der Destillation (a) ohne, (b) mit Rückgewinnung der Kondensationsenergie. → zur Lösung
•• 5.7.2 Maritimes Klima Die Temperatur, bei der Wasser am dichtesten ist, verschiebt sich mit zunehmendem Salzgehalt schneller als der Gefrierpunkt. Bei 25 g/l Salz liegen beide bei − 1,33 ◦ C. Vergleichen Sie Meerwasser und Süßwasser in ihrem Konvektionsverhalten und achten Sie besonders auf die Konsequenzen für das Klima. → zur Lösung
•• 5.7.3 Meereis Bei welchen Temperaturen siedet bzw. gefriert Meerwasser (rechnen Sie mit 35 g NaCl/l oder schlagen die genaue Zusammensetzung nach). Verfolgen Sie das Eindampfen bzw. Gefrieren im einzelnen. → zur Lösung
• 5.7.4 Widerspruch? Früher kühlte der Konditor sein Eis mit einer Salzlösung. Zum Auftauen von Hydranten usw. streut man Salz darauf. Wie kann die gleiche Ursache (Salz) so entgegengesetzte Wirkungen haben? → zur Lösung
••• 5.7.5 Osmotisches Kraftwerk
Ein sehr langes Rohr, unten verschlossen durch eine semipermeable Membran, die Wasser, aber keine Salzionen durchlässt, wird senkrecht ins Meer gesenkt. Zunächst bleibt das Rohr auch unter dem Wasserspiegel leer (warum?). Bei einer gewissen Eintauchtiefe aber (bei welcher?) überwindet der hydrostatische Druck den osmotischen der Ionen, und Süßwasser wird ins Rohr gepresst. Man senkt weiter. Da Salzwasser schwerer ist als Süßwasser ( / ≈ 1,03), bleibt der Spiegel im Rohr nicht in der ursprünglichen Höhe stehen, sondern steigt allmählich (wieso?). Schließlich (wann?) erreicht er den Meeresspiegel und sogar mehr: Süßwasser springt am oberen Rohrende heraus. Zum Seenot-Aspekt kommt ein energetischer: Das fallende Süßwasser kann Turbinen treiben. Während Tausende solcher
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Rohre touristenbesuchte Buchten aussüßen und nebenan Ausgangslake für die Salzgewinnung anreichern, erzeugen sie gleichzeitig Energie für Küche und Nachtklub. Wieweit stimmt die Geschichte? → zur Lösung
•• 5.7.6 Kondensationskeime Mit der gleichen Argumentation wie bei der osmotischen Dampfdrucksenkung kann man auch Aussagen über den Dampfdruck in einer engen Kapillare machen, in der eine Flüssigkeitssäule infolge der Oberflächenspannung angehoben oder abgesenkt ist. Wie hängt der Dampfdruck von der Form der Oberfläche ab? Übertragen Sie das auf die Nebelbildung: Welche Übersättigung ist nötig, damit Tröpfchen vom Radius r entstehen? → zur Lösung
••• 5.7.7 Mischungsdiagramm
Tragen Sie den Dampfdruck einer Mischung zweier Flüssigkeiten über dem Mengenanteil einer davon auf, zunächst für den idealen Fall (Raoult). Dann teilen Sie die Abszissenachse anders ein, nämlich für den Mengenanteil im Dampfgemisch. Sie erhalten zwei verschiedene Kurven; wie sehen sie aus, was bedeuten die Flächenstücke, die sie begrenzen? Rechnen Sie das Diagramm um, so dass die Ordinate jetzt die Siedetemperatur darstellt. Diskutieren Sie im Diagramm einen Destillationsvorgang, speziell eine fraktionierte Destillation. → zur Lösung
•• 5.7.8 Luft für Fische Die Tabelle zeigt die Sättigungskonzentration von CO2 und O2 in Wasser. Rechnen Sie auf Molaritäten um. Bestimmen Sie die Lösungsenthalpien und versuchen Sie sie qualitativ modellmäßig zu deuten. Wieso sind arktische Gewässer so reich an Plankton und Fischen? Kann das Meer den Treibhauseffekt durch vom Menschen erzeugtes CO2 abpuffern? Sättigungskonzentrationen von Gasen in Wasser, in g/mm (im Gleichgewicht mit dem reinen Gas von 1 bar Druck)
T/◦ C
0
20
25
40
50
60
100
O2 CO2
0,0349 3,48
— 1,77
0,0207 1,45
— 0,97
0,0149 —
— 0,58
0,0120 —
→ zur Lösung
• 5.7.9 Absorber-Kühlschrank Ammoniak löst sich sehr gut in kaltem Wasser (1 305 g/l bei 0 ◦ C), sehr viel schlechter in heißem (74 g/l bei 100 ◦ C). Geben Sie zwei Gründe an, weshalb dies Verhalten für die Kältetechnik bedeutsam ist. Erklären Sie die Wirkungsweise eines Absorber-Kühlschranks. → zur Lösung
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•• 5.7.10 Kältemischung In 1 l Wasser kann man etwa 350 g Kochsalz lösen, fast unabhängig von der Temperatur. Hierin unterscheidet sich NaCl von fast allen anderen Salzen. Zeichnen Sie ein Zustandsdiagramm für das Gemisch Wasser–Eis–Salz. Kennzeichnen Sie die Flächenstücke, die Koexistenzlinien und -punkte und diskutieren Sie die Anwendung als Kältemischung (z. B. heute noch in ,,Kühlakkus“). → zur Lösung
•• 5.7.11 Trockenfeldbau Auf den Canarischen Inseln, besonders auf Lanzarote, kämpfen die Bauern erfolgreich gegen die Regenarmut mittels der reichlich vorhandenen feinporigen jungvulkanischen Lapilli (,,picón“). Sie pflanzen Weinstöcke, Zwiebeln usw. direkt ins Lapillifeld oder breiten eine Lapillischicht über normalen Boden (,,enarenado natural“ bzw. ,,artificial“). In den Poren kondensiert das Wasser schon bei geringerer Luftfeuchte. Wie kommt das, und wann passiert es? Sie können eine Energiebilanz aufstellen oder an den Dampfdruck in einem Kapillarsteigrohr denken. → zur Lösung
• 5.8.1 Radiometer In einem evakuierten Gefäß (ca. 10−3 mbar) ist ein Rahmen, in den ein feines Häutchen (Kollodium o. Ä.) gespannt ist. Bei einseitiger Beleuchtung beult sich das Häutchen aus, und zwar vom Licht weg. Warum? → zur Lösung
•• 5.8.2 Lichtmühle In einem Glaskolben, der auf 10−2 bis 10−3 mbar evakuiert ist, steht ein Drehkreuz, dessen Schäufelchen (meist dünne Glimmerblättchen) einseitig berußt sind. Beleuchtet man es, so dreht es sich, und zwar mit den blanken Flächen voran. Das tritt auch bei allseitiger Beleuchtung ein, ebenso, wenn man den Kolben plötzlich in eine wärmere Umgebung bringt. Bei Normaldruck im Kolben dreht sich nichts, ebenso wenig bei ca. 10−6 mbar. Erklärung? → zur Lösung
••• 5.8.3 Sinkt Schweres immer abwärts?
Da Sauerstoff schwerer ist als Stickstoff, müsste doch in größerer Höhe über dem Erdboden das Mischungsverhältnis in der Atmosphäre sich immer mehr zugunsten des Stickstoffs verschieben. Die Beobachtung zeigt, dass dies nicht zutrifft. Wie ist das zu erklären? → zur Lösung
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•• 5.8.4 McLeod-Vakuummesser Der äußere Luftdruck treibt Quecksilber in ein Volumen, das vorher mit dem Vakuumgefäß verbunden war, und von dort weiter in eine immer enger werdende zugeschmolzene Kapillare. Entwerfen Sie die Skala zum Ablesen des Druckes. → zur Lösung
Kapitel 6: Aufgaben . . .
• 6.1.1 Ist 1 C wenig oder viel? Wie viel Coulomb fließen während einer elektrischen Rasur bzw. während des Bügelns einer Bluse? Wenn Sie diese Ladung z. B. auf zwei Luftballons vereinigen könnten, welche Kraft würde zwischen ihnen herrschen? Schätzen Sie die Ladungsmengen, die zwischen Körper und Nylonhemd ausgetauscht werden, wenn Sie es sich über den Kopf ziehen. → zur Lösung
• 6.1.2 Abschirmung Wie kommt es, dass man elektrische Felder abschirmen, also aus einem bestimmten Volumen fern halten kann, Gravitationsfelder aber nicht? Wie müssen Schirme gegen elektrische Felder und wie müssten Gravitationsschirme beschaffen sein? Stellen Sie sich die Möglichkeiten vor, die ein Gravitationsschirm bieten würde! → zur Lösung
• 6.1.3 Coulomb-Kraft und Gravitation Vergleichen Sie die Coulomb-Kraft zwischen Elektron und Proton mit ihrer Gravitation. Welche Ladungen müssten Erde und Sonne haben, damit die Gravitation zwischen ihnen kompensiert bzw. verdoppelt würde? Könnte man die Gravitation dadurch erklären, d. h. auf die Coulomb-Kraft zurückführen, dass es solche Überschussladungen gibt oder dass die Ladungen von Proton und Elektron ein wenig verschieden sind (wie viel?). Welche Tatsachen entsprächen einer solchen Theorie, welche widerlegen sie? → zur Lösung
•• 6.1.4 Mit oder ohne Potential Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Wegunabhängigkeit der Verschiebungsarbeit, der Anwesenheit in sich geschlossener Feldlinien, der Gültigkeit der Poisson-Gleichung und der Existenz eines Potentials? Beispiele: Fluss, der in der Mitte schneller strömt als am Rand; Magnetfeld um einen stromdurchflossenen Draht; Wind, der bei Tage von der See, nachts vom Land her weht. Ist es richtig, dass ein Potential immer existiert, wenn die Feldlinien in irgendwelchen ,,Ladungen“ enden? Benutzen Sie den Begriff des ,,Flusses“! → zur Lösung
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••• 6.1.5 Newton hatte es schwerer
Dass das Feld einer leitenden Kugel so ist, als sei die Ladung im Mittelpunkt konzentriert, lässt sich auch direkt durch Summation der Beiträge der einzelnen Kugelflächenelemente zeigen. Man führe dies für das Potential eines Punktes auf der Oberfläche aus, wobei man die Kugel sinngemäß in Schichten zerschneidet. Wäre es einfacher oder komplizierter, mit der Feldstärke statt mit dem Potential zu rechnen? → zur Lösung
••• 6.1.6 Thomson-Modell
Für eine gleichmäßig von Ladung erfüllte Kugel bestimme man die Feldund Potentialverteilung innerhalb und außerhalb der Kugel sowie die elektrostatische Gesamtenergie. Eine kleine Punktladung entgegengesetzten Vorzeichens wird in die große Kugel eingebettet. Wie hängen ihre Kraft und Energie vom Ort ab? Wie bewegt sie sich, wenn keine Reibungswiderstände herrschen, bzw. bei einer geschwindigkeitsproportionalen Reibungskraft? Wieso hat Thomson das System als Atommodell vorgeschlagen, und was hat er damit erklären können? Welche Beobachtung hat dieses Atommodell zu Fall gebracht? → zur Lösung
•• 6.1.7 Superposition In eine gleichmäßig aufgeladene Hohlkugel bohrt man ein kleines Loch. Wie verhalten sich Feld und Potential dicht innerhalb und außerhalb dieses Loches? (Keine Rechnung, nur Superpositionsprinzip o. Ä.). → zur Lösung
•• 6.1.8 Feld des Drahtes Welches Feld erzeugt ein gleichmäßig aufgeladener unendlich langer Draht? Benutzen Sie direkt das Coulomb- Gesetz oder die Flussregel. Was ist einfacher? → zur Lösung
•• 6.1.9 Bahn im ln-Feld Ein Elektron fliegt senkrecht zu einem gleichmäßig aufgeladenen geraden Draht in einem Minimalabstand d an diesem vorbei. Um welchen Winkel wird es abgelenkt? Rechnen Sie in der Näherung kleiner Ablenkungen. Warum haben Möllenstedt und Düker in ihrem ElektroneninterferenzExperiment einen Draht zur Ablenkung benutzt? Wieso kann man dieses System mit einem Fresnel-Biprisma vergleichen? Welches Potential muss man an den Draht legen? → zur Lösung
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•• 6.1.10 Potentialtal Kann es im elektrostatischen Feld im leeren Raum eine stabile Ruhelage für eine Ladung geben? Wie müsste das Feld um eine solche Stelle aussehen? Erlaubt das der Satz von Gauß? Gibt es labile oder indifferente Gleichgewichtslagen? Wie muss man das Feld verallgemeinern, um Teilchen stabil einfangen zu können? → zur Lösung
•• 6.1.11 Wie stark ist ein Blitz? Schätzen Sie die Kapazität einer Gewitterwolke gegen die Erde (am besten für ein lokales Wärmegewitter mit vernünftigen Werten für Ausdehnung und Höhe). Die Durchschlagfestigkeit der Luft ist für kurze Schlagweiten etwa 104 V/cm, sinkt aber für lange auf effektiv ca. 1 000 V/cm. Ein Blitz dauert etwa 1 ms. Bestimmen Sie Gesamtladung, -strom, energie des Gewitters sowie, indem Sie die Anzahl der Blitze schätzen, die entsprechenden Größen und die Leistung für den einzelnen Blitz. → zur Lösung
••• 6.1.12 Gewittertheorie
Damit es blitzt, müssen die Wolken gegen die Erde (Erdblitz) oder Wolkenteile gegeneinander (Wolkenblitz) so stark aufgeladen sein, dass die Durchschlagsfeldstärke der Luft (ca. 104 V/cm) überschritten wird. Welche Ladungsdichten sind dazu erforderlich bei vernünftigen Abmessungen der geladenen Bereiche? Falls jedes Wassertröpfchen ein Ion eingefangen hat: Welche Tröpfchenkonzentration muss man annehmen? Wie groß müssen die geladenen Tröpfchen sein (Vergleich mit Dampfdruckkurve)? Nach C. T. R. Wilson werden die Tröpfchen einsinnig geladen, weil sie im normalen luftelektrischen Feld (ca. 100 V/m mit negativer Erde) zu Dipolen influenziert werden. Im Fallen nimmt ihre Vorderseite Ionen eines Vorzeichens auf und stößt die anderen ab; deren Beweglichkeit ist nicht groß genug, damit die Rückseite des vorbeifallenden Tröpfchens erreicht wird, falls dieses eine kritische Größe überschreitet. Schätzen Sie diese Größe ab und vergleichen Sie mit dem benötigten Wert (vgl. Beispiel auf 105; Beweglichkeit s. Abschn. 8.3.1). → zur Lösung
• 6.1.13 Kondensator Wie stellt man einen Kondensator von z. B. 1 µF möglichst raumsparend her? (Metallfolien und Plastikfolien, eingerollt; Abmessungen?) → zur Lösung
•• 6.1.14 Versuch von Millikan Feinste Öltröpfchen, durch Zerstäubung hergestellt, schweben im dunkelfeldbeleuchteten Blickfeld eines Mikroskops und sinken langsam im Erdschwerefeld. Nun legt man ein vertikales elektrisches Feld E an (Kondensator) und regelt es so, dass ein ins Auge gefasstes Tröpfchen, dessen Sinkgeschwindigkeit vorher zu v bestimmt worden war, jetzt gerade nicht Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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mehr sinkt. Was kann man aus E und v entnehmen? Man setze die Kräftegleichgewichte mit Stokes-Kraft, Schwerkraft und Feldkraft an; was ist bekannt? Manchmal beginnt ein Teilchen, das im Feld ruhte, plötzlich doch zu sinken oder zu steigen, und zwar mit der Geschwindigkeit v ; was ist passiert? Beispiel: Öl der Dichte 0,9 gebe v = 4 µm/s, E = 4,5 V/cm, v = 1,2 µm/s. → zur Lösung
•• 6.1.15 Staubfilter Durch ein Rohr, Radius R, Länge l, ist axial ein Draht vom Radius r0 gespannt. Zwischen Draht und Rohrmantel liegt die Spannung U. Wirkt auf ein Staubteilchen im Rohr eine resultierende Kraft; wenn ja, wie hängt sie von seiner Größe ab? Wie schnell wandern die Teilchen durch die Luft (Ortsabhängigkeit)? Wie lange brauchen sie bis zum Draht oder zur Wand? Wandern auch die Luftmoleküle? Ein Raum soll in vernünftiger Zeit entstaubt werden. Wie schnell darf man die Luft ansaugen? Geben Sie Abmessungen und Spannungen an. → zur Lösung
•• 6.1.16 Influenz Warum führt sie immer zur Anziehung zwischen geladenen und ungeladenen Körpern? Welche Rolle spielt die Ausdehnung des ungeladenen Körpers für die Größe der Kraft? Nähert sich die große oder die kleine Seifenblase schneller dem geriebenen Füllfederhalter? → zur Lösung
•• 6.1.17 Feldemissions-Mikroskop Man erzielt ungeheure Vergrößerungen mit sehr einfachem Aufbau: In eine Kugel, deren Innenwand mit einem Leuchtstoff beschichtet ist, ragt zentral eine sehr feine Drahtspitze. Zwischen Draht und Kugel liegt Hochspannung, die Kugel ist hoch evakuiert. Wieso erhält man auf der Kugel ein stark vergrößertes Bild der Drahtspitze? Welches ist der Vergrößerungsmaßstab? Wie unterscheiden sich ein Feldelektronen- und ein Feldionen-Mikroskop? Wie kommen die Elektronen aus dem Draht? Wie groß ist die Feldstärke dicht an der Drahtspitze? Wie ist die Feldverteilung in der Kugel? Elektronen müssen eine Potentialstufe der Höhe U0 überwinden, um aus dem Draht nach draußen zu gelangen. Die Quantenmechanik zeigt, dass ein Elektron mit der Wahrscheinlichkeit e−kd durch eine Potentialschwelle der Dicke d ,,tunneln“ kann. Dabei hängt k von der Schwellenhöhe U0 √ und der Teilchenmasse m ab: k ≈ h/ 2emU0 . Von welchen Feldstärken ab können Elektronen austreten? (U0 ≈ 1 V). Wie schnell fliegen die ausgetretenen Elektronen, wie lange brauchen sie bis zum Leuchtschirm? Wie kommen die Bilder zustande, auf denen man z. B. einzelne Fremdatome im Gitter des Drahtmaterials sieht? → zur Lösung
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•• 6.1.18 Geiger-Müller-Zähler Ein sehr dünner Draht ist durch ein Rohr gespannt. Zwischen Draht und Rohr liegt eine Spannung. Durch ein Fenster aus sehr dünnem Material können ionisierende Teilchen in das Rohr eintreten. Bei geeigneter Spannung löst jedes Teilchen, das in den ,,aktiven“ Bereich trifft, einen kurzzeitigen Entladungsstrom aus. Kann man mit einem normalen Verstärker-Messgerät den Übergang einer einzelnen Elementarladung direkt nachweisen? Wenn nein, was muss im Zählrohr geschehen? Warum spannt man einen Draht durch ein Rohr und nimmt nicht einfach einen Plattenkondensator? Schildern Sie in Worten, wie ein schnelles Teilchen eine Entladung im Rohr auslöst. Leichte Moleküle wie O2 und N2 haben eine Ionisierungsenergie um 30 eV. Geben Sie Kombinationen von Feldstärke und freier Weglänge an, bei denen sich eine Entladungslawine ausbilden kann. Welche Spannungen sind für ein Zählrohr mit einem 1 µm-Draht nötig, damit das Rohr ,,zündet“, d. h. Lawinenentladung einsetzt? Muss ein Zählrohr evakuiert sein? → zur Lösung
•• 6.1.19 Hochspannungskabel Ein 220 kV-Hochspannungskabel ist im Sturm gerissen und auf den Boden gefallen, ohne dass die Sicherungsanlagen im Kraftwerk oder Umspannwerk die Spannung abschalten. Wie sieht die Verteilung von Feld und Potential im Erdboden um das Kabel aus, wenn es den Boden nur mit seinem Ende berührt, bzw. in einer gewissen Länge auf dem Boden aufliegt? Bis auf welchen Abstand kann man sich dem Kabel ohne Gefahr nähern? Gilt für ein Kabel, das, wie üblich, in der Luft hängt oder für ein Kabel, das im Wasser hängt, der gleiche Sicherheitsabstand? Schätzen Sie auch den Strom, der vom Kabel ins Erdreich fließt. Nehmen Sie dabei gut durchfeuchtetes Erdreich an. → zur Lösung
•• 6.1.20 Fernleitung Eine Stadt von 100 000 Einwohnern soll versorgt werden. Schätzen Sie die zu übertragende Leistung. Welcher Strom muss durch die Leitung fließen? Geben Sie Spannungsabfall und Leistungsverlust in der Leitung allgemein an. Wie dick müssen die Kabel sein, damit nur höchstens 1% der Leistung in der Fernleitung verloren gehen? Warum überträgt man Hochspannung? Wodurch wird die Übertragungsspannung nach oben begrenzt? Wie groß ist die Feldstärke in der Nähe eines Hochspannungskabels in Abhängigkeit vom Abstand vom Kabel? In welchem Gebiet wird die Durchschlagsfeldstärke der Luft überschritten? Was ist die Folge? Welche Feldstärke herrscht dicht über dem Boden unter einem einzelnen Hochspannungskabel? Wie ändert sich die Feldstärke, wenn drei Drehstromkabel gespannt sind? Warum kann ein Mensch ungefährdet unter einer Hochspannungsleitung stehen? Bedenken Sie, dass die Leitung Wechselspannung führt. Fließt im Körper eines darunter stehenden Menschen ein Strom? Wie groß ist dieser Strom, welche Phase hat er gegenüber dem Strom im Kabel? → zur Lösung
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•• 6.2.1 Dissoziation Welche Kraft und welche potentielle Energie herrschen zwischen zwei Elementarladungen im Abstand a (einige Ångström) im Vakuum bzw. in Wasser (ε = 80)? Vergleichen Sie mit der thermischen Energie der Teilchen und ziehen Sie die Schlussfolgerungen. Kleben entgegengesetzt geladene Teilchen zusammen? Benutzen Sie die Boltzmann-Verteilung. Worauf beruht die Rolle des Wassers als universelles Lösungsmittel? Welche Stoffe löst es schlecht? Kann man in atomaren Bereichen ohne weiteres mit dem makroskopisch bestimmten ε rechnen? → zur Lösung
• 6.2.2 Polarisierbarkeit Welche Polarisierbarkeit hätte das Thomson-Wasserstoffmodell (vgl. Aufgabe 6.1.6): Positive Ladung gleichmäßig über ein Kugelvolumen V verteilt, ein punktförmiges Elektron darin eingelagert? → zur Lösung
•• 6.2.3 Orientierungspolarisation In einem Lösungsmittel von der Viskosität η schwimmen Moleküle vom Dipolmoment p in einer Anzahldichte n. Es liegt ein elektrisches Feld vom Betrag E an. Wie sieht die Richtungsverteilung der Dipole im thermischen Gleichgewicht aus? (Hinweis: Abhängigkeit zwischen Dipolenergie und Einstellrichtung; Boltzmann-Verteilung!). Näherungsweise nehme man an, es gäbe nur drei Einstellrichtungen: In Feldrichtung, entgegengesetzt und senkrecht dazu. Was ist größer: Dipolenergie oder thermische Energie? Nähern Sie dementsprechend! Welcher Bruchteil γ der Dipole steht zustätzlich in Feldrichtung, verglichen mit dem Fall ohne Feld? Welche Polarisation bringen sie? Woher mag die ,,3“ in (6.53) stammen? Wie lange dauert eine solche Drehung (Drehmoment: Abschn. 6.1.6. Reibungswiderstand Aufgabe 3.3.5)? Zur Kontrolle: Relaxationszeit ≈ η · Molekülvolumen/(kT ). → zur Lösung
•• 6.2.4 Mikrowelle Warum erhitzt ein Mikrowellenherd wasserhaltige Stoffe und nur diese? Warum arbeitet er mit einigen GHz ? → zur Lösung
•• 6.2.5 Mischungsregel Wenn Sie zwei Stoffe mit den Leitfähigkeiten σ1 und σ2 mischen, z. B. im Verhältnis 1:1, erwarten Sie vielleicht eine Leitfähigkeit (σ1 + σ2 )/2 für das Gemisch. Häufig kommt aber statt des arithmetischen Mittels das geometrische heraus. Wie ist das möglich? Für welche Stoffkombination erwarten Sie das arithmetische, für welche das geometrische Mittel? Warum sollen sich die Leitfähigkeiten linear zusammensetzen und nicht die spezifischen Widerstände? Könnten mikroskopische Bereiche, jeweils aus einem der beiden Stoffe, in der Mischung erhalten bleiben? Wie Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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wären solche Bereiche angeordnet? Entwerfen Sie ein Ersatzschaltbild, aber hören Sie rechtzeitig damit auf. Welche Abhängigkeit der Leitfähigkeit vom Konzentrationsverhältnis, z. B. von der Volumenkonzentration der einen Komponente, erwarten Sie? Könnte für die DK oder andere Materialkonstanten eine ähnliche Mischungsregel gelten? → zur Lösung
• 6.3.1 Schmutziges Kabel Bei einer vor hinreichend langer Zeit verlegten elektrischen Leitung mit weißer Isolation kann man deutlich sehen, welches der Phasendraht und welches der Mittelpunktsleiter ist. Einer der Drähte ist merklich schmutziger. Welcher? Gilt das für Gleichstrom- wie für Wechselstromleitungen? → zur Lösung
• 6.3.2 Kabelschaden Ein 6 km langes, in der Erde verlegtes Kupferkabel (Querschnitt des Innenleiters 1 mm2 ) hat einen Isolationsfehler. Da man es nicht auf der ganzen Länge ausgraben will, stellt man durch zwei Messungen an den beiden Enden den Widerstand zwischen Innenleiter und ,,Erde“ fest (R = 80 Ω und R = 90 Ω). Daraus kann man sowohl den Ort des Isolationsfehlers als auch dessen Widerstand selbst bestimmen. Wie? (Der Widerstand zwischen beliebig weit voneinander entfernten ,,geerdeten“ Punkten sei vernachlässigbar klein). → zur Lösung
•• 6.3.3 Feldrelaxation Zeigen Sie, dass die Konstanz des Stromes über die ganze Länge eines Leiters ein stabiles Gleichgewicht ist, dass nämlich jede lokale Abweichung von dieser Konstanz Einflüsse auslöst, die die Abweichung rückgängig zu machen suchen. Können Sie sagen, warum der Begriff des RC-Gliedes für die Elektronik, speziell die elektromagnetischen Schwingungen, eine so zentrale Rolle spielt? → zur Lösung
• 6.3.4 RC Die Platten eines aufgeladenen Kondensators werden durch einen dünnen Draht verbunden. Was passiert? Kommt ein Gleichstrom augenblicklich zum Erliegen, wenn man den Stromkreis durch einen Schalter unterbricht? Schätzen Sie die eventuelle Verzögerung. → zur Lösung
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•• 6.3.5 Vielfachmesser Die Amperemeterspule hat einen Widerstand von 1 kΩ und gibt, allein benutzt, Vollausschlag bei 10 µA (Abb. 6.61). Wie misst man damit Spannungen, Ströme und Widerstände? Welche Messbereiche stehen zur Verfügung? Welche Leistungen fallen in den einzelnen Zweigen bei den verschiedenen Kombinationen von Schalterstellungen an? Welche Kombinationen sind verboten? Wohin sollte man Sicherungen legen und welcher Art? Wie erkennt man, ohne das Gerät zu öffnen, ob sein Innenwiderstand groß bzw. klein genug für die beabsichtigte Messung ist? Um was für ein Amperemeter muss es sich handeln, wenn man Gleich- und Wechselströme und -spannungen messen kann? Wie sieht die Ω-Skala aus? Lässt man den zu messenden Widerstand unter Spannung? → zur Lösung
•• 6.3.6 Kochplatte Kochplatten mit vier Heizstufen enthalten meist zwei Heizwicklungen, aus deren Kombination sich die vier Leistungsstufen ergeben. Wie sieht die Schaltung aus? Wie sind die Heizleistungen abgestuft, wenn die beiden Wicklungen gleiche Widerstände haben? Wie müssen sich die beiden Widerstandswerte verhalten, wenn die Leistungen nach einer geometrischen Reihe abgestuft sein sollten, d. h. wenn die Leistung von Stufe zu Stufe um den gleichen Faktor zunehmen soll? → zur Lösung
•• 6.3.7 Bügeleisen Ein Bügeleisen von 220 V/300 W hat eine Heizwicklung aus einem Manganinband (spez. Widerstand 4 · 10−7 Ωm) von 5 mm Breite und 0,01 mm Dicke. Wie lang muss das Manganinband sein? Wie verhält sich das Bügeleisen, wenn man es an 110 V anschließt? Wie müsste man die Länge der Wicklung ändern, damit das Bügeleisen bei 110 V normal funktioniert? Wird das umgebaute und mit 110 V betriebene Bügeleisen ebenso lange halten wie das ursprüngliche Eisen bei 220 V? Warum verwendet man nicht Kupfer als Heizdraht, dessen spez. Widerstand nur 1,7 · 10−8 Ωm ist? Manganin hat nur eine sehr geringe Temperaturabhängigkeit des Widerstandes. Welchen Vorteil hat das für ein Bügeleisen? Was könnte passieren, wenn der Draht eine sehr starke Temperaturabhängigkeit des Widerstandes hätte? → zur Lösung
•• 6.3.8 Ohm-Puzzle I Die drei folgenden Probleme, besonders das letzte, haben schon manchen Knoten in Elektroniker-Hirnwindungen verursacht. Benutzen Sie Symmetrieüberlegungen und andere dem Problem angepasste Tricks, sonst wird es schwierig: Aus zwölf Widerständen von je 1 Ωm ist ein Würfel zusammengelötet. Welchen Widerstandswert misst man zwischen (a) den Endpunkten einer Raumdiagonale, (b) den Endpunkten einer Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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Flächendiagonale, (c) zwei benachbarten Würfelecken? Helfen ähnliche Überlegungen auch beim Tetraeder, Oktaeder, Dodekaeder, Ikosaeder? → zur Lösung
•• 6.3.9 Ohm-Puzzle II Zur Definition: Eine Leiter besteht aus zwei Holmen, verbunden durch Sprossen. Die Enden des einen Holms heißen A und B, die des anderen A und B . – Man lötet eine sehr lange Leiter zusammen; jede Sprosse hat einen Widerstand R2 , jeder Holm hat zwischen je zwei Sprossen und an jedem Ende den Widerstand R1 . Welchen Widerstand misst man zwischen den ,,oberen“ Enden A und A ? Wenn man an A A die Spannung U legt, welche Spannung misst man dann zwischen den Lötstellen der ersten Sprosse, der zweiten Sprosse usw.? Kann man z. B. erreichen, dass an jeder Sprosse genau halb so viel Spannung liegt wie an der vorhergehenden? Wenn man gezwungen ist, die Leiter auf wenige Sprossen zu verkürzen: Was kann man tun, damit sich der Widerstand zwischen A und A und die Spannungen an den verbleibenden Sprossen nicht ändern? Hinweis: Wie ändert sich der Widerstand zwischen A und A , wenn Sie die ohnehin schon sehr lange Leiter um eine weitere Sprosse (R2 ) und die beiden Holmstücke (R1 ) nach oben verlängern? → zur Lösung
••• 6.3.10 Puzzle III
Ein Drahtgitter bestehe aus quadratischen Maschen. Der Widerstand jedes Drahtstücks, das eine Quadratseite bildet, ist 1 Ωm, der Kontakt an den Kreuzungen ist ideal. Welchen Widerstand misst man zwischen zwei benachbarten Kreuzungen in einem sehr großen Gitter? Entsprechend für ein Dreiecks- und ein Sechsecksgitter. Warum nicht für ein Fünfecksgitter? → zur Lösung
• 6.4.1 Elektronenschleuder Nichols versuchte die Potentialdifferenz zwischen dem Zentrum und dem Rand einer schnell rotierenden Scheibe zu messen. Meinen Sie, dass ihm das gelang? Wie groß sind die Potentialdifferenzen bei maximaler Drehzahl (vgl. Aufgabe 3.4.2). Welche Messmöglichkeiten gibt es im Prinzip? Welche Fehlerquellen sind zu beachten, speziell welche Störspannungen? → zur Lösung
•• 6.4.2 Tolman-Versuch Tolman und Stewart bremsten eine rotierende Spule schnell ab und maßen den Spannungsstoß mit einem ballistischen Galvanometer. Projektieren Sie das Experiment: Drahtmaterial, Drahtstärke, Spulendurchmesser, Art des Galvanometers. → zur Lösung
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•• 6.4.3 Wiedemann-Franz-Gesetz Ein Metallstab sei mit einer wärmeisolierenden Hülle umgeben, so dass er nur an den Enden Wärme abgeben kann. Zwischen diesen Enden liegt eine elektrische Spannung. Welche Temperaturverteilung stellt sich ein? Wie kann man hieraus das Verhältnis der elektrischen zur Wärmeleitfähigkeit bestimmen? → zur Lösung
•• 6.4.4 Essigsäure Für die Dissoziation von Essigsäure gilt bei 25 ◦ C die Massenwirkungskonstante κ = 1,85 · 10−5 mol/l. Wie hängen der Dissoziationsgrad und die Ionenkonzentration von der Gesamtkonzentration der Säure ab? Kann man die Werte von Tabelle 6.5 nach dem ostwaldschen Verdünnungsgesetz erklären? → zur Lösung
•• 6.4.5 Debye-Hückel-Länge Wie hängt die Debye-Hückel-Länge von der Ionenkonzentration, speziell vom pH-Wert einer Elektrolytlösung ab? Welche Folgerungen ziehen Sie aus den Größenordnungen? Veranschaulichen Sie sich die Relaxationskraft, die die nachschleppende Gegenionenwolke auf das wandernde Zentralion ausübt. → zur Lösung
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• 6.4.6 Elektrischer Unfall
Wenn man physiologische Lösung anrührt, löst man 9 g NaCl im Liter Wasser. Welche Leitfähigkeit hat diese Lösung? Schätzen Sie den Widerstand des menschlichen Körpers, z. B. zwischen Hand und Hand oder zwischen Hand und Füßen. Wenn weniger als 5 mA durch den Brustraum fließen, ist das harmlos, mehr als 100 mA sind meist tödlich. Was für Spannungen kann man einigermaßen ungeschoren berühren? Diskutieren Sie typische elektrische Unfälle. Der Übergangswiderstand trockener Haut kann höher sein als der Innenwiderstand des Körpers. → zur Lösung
•• 6.4.7 Dissoziationsgleichgewicht Untersuchen Sie ein Molekül, das ein Proton abspalten kann. Es kann sich um eine Säure AH handeln, die gemäß AH A− + H+ dissoziiert, oder auch um eine Base, zu deren ,,Basenrest“ B+ wir ein Hydratations-H2 O hinzurechnen: B+ H2 O = BH2 O+ = BOHH+ . Dieses dissoziiert dann zu BOH + H+ , während man in der Schulchemie üblicherweise die andere Reaktionsrichtung als Dissoziation der Base auffasst. Jetzt setzen Sie das Massenwirkungsgesetz für die Abspaltung des Protons an und bestimmen Sie den Dissoziationsgrad als Funktion des pH-Wertes der Lösung. Wo ist gerade die Hälfte der Moleküle mit einem Proton besetzt? Wie breit ist die Übergangszone zwischen voll besetzten und ganz leeren Molekülen? Stimmt das mit den üblichen Vorstellungen über Säuren und Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
Basen überein? Unterscheiden Sie immer ,,Proton dran oder weg“ und ,,geladen oder ungeladen“. Welches ist die kinetische Grundlage des Massenwirkungsgesetzes? → zur Lösung
•• 6.4.8 i oder nicht-i Die Gegenionenkonzentration vor einer geladenen Grenzfläche n = n 0 e−ax sieht rein mathematisch fast aus wie eine ebene harmonische Welle, nur dass das i im Exponenten fehlt. Physikalisch ist der Unterschied natürlich weltweit. Aber gilt die mathematische Analogie vielleicht auch für den dreidimensionalen Fall, d. h. unterscheiden sich die Gegenionenverteilung um eine Punktladung (ein Ion anderen Vorzeichens) und eine harmonische Kugelwelle auch nur durch ein i? Wenn ja, gibt es eine allgemeinere Begründung? Was können Sie über das zylindrische Problem sagen, d. h. über die Gegenionenverteilung um einen geladenen Stab (z. B. ein Fadenmolekül)? Vorsicht, dieser Fall ist nicht so einfach wie die beiden anderen. Gibt es außer den Debye-Hückel-Wolken noch andere Fälle, wo die Lösungen ohne i von Nutzen sind? Gehen Sie auf die Wellen- bzw. Potentialgleichung zurück, dann haben Sie den besten Überblick; worauf läuft die Frage ,,i oder nicht-i“ dann hinaus? In der Quantenmechanik erlebt man den Übergang zwischen i und nicht-i besonders dramatisch (denken Sie in Kap. 12 gelegentlich an diese Aufgabe); aber beherrscht er nicht eigentlich die ganze Schwingungs- und Wellenlehre (Schwingfall–Kriechfall, schwach oder stark gedämpfte Welle)? → zur Lösung
••• 6.4.9 Elektrophorese
Bei der elektrophoretischen Analyse und Trennung biochemischer Substanzen legt man eine Gelschicht auf einen Kühlblock. Eine Spannung von einigen 100 oder 1 000 V erzeugt ein Feld in Längsrichtung der Gelschicht, in dem die einzelnen Moleküle mit verschiedenen Geschwindigkeiten wandern. Das Gel kann sich dabei so stark erhitzen, dass es zerstört wird oder dass zumindest die untersuchten Substanzen sich verändern (denaturieren). Welche Form hat die Temperaturverteilung im Gel? Wo ist es am wärmsten, und wie warm? Wie hängt speziell die Erhitzung des Gels von seiner Dicke ab? Die elektrophoretische Beweglichkeit der meisten Moleküle ist temperaturabhängig. Warum und in welcher Weise? Wie wirkt sich das auf die Trennschärfe der Methode aus? → zur Lösung
••• 6.5.1 Kondensationskeime
Warum wirken Ionen als Kondensationskeime für Wasserdampf? In welchen Geräten macht man Gebrauch davon? Gibt es meteorologische Folgen dieses Effektes? Studieren Sie ihn möglichst quantitativ. → zur Lösung
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• 6.5.2 Akku-Gewicht Warum ist ein Akku so schwer? Ist sein Gewicht verknüpft mit der Anzahl speicherbarer Amperestunden? Wenn ja, schätzen Sie die Ladung und die Energie, die man pro kg Akku speichern kann. Vergleichen Sie mit Benzin als Energiespeicher. Welche Chancen geben Sie den Elektroautos? → zur Lösung
•• 6.5.3 Anlasser Schätzen Sie den Strom, den der Anlasser eines Autos beim Starten des Motors entnimmt. Der Motor muss dabei mit einer Leistung durchgedreht werden, die ein gewisser Bruchteil der maximalen Motorleistung ist, z. B.10%. Warum führen von der Batterie zum Anlasser so dicke Kabel? Wie dick müssen sie sein, damit sie höchstens 0,5 V wegfressen? Sie wollen den Motor mit einer fremden Batterie starten, weil ihre leer ist, und schließen die fremde Batterie über normale Leitungsdrähte an. Kann man so starten? Wenn Sie den Motor starten, während die Autolampen brennen, gehen diese fast aus. Warum? Ist das normal oder liegt ein Defekt vor? Wir entnehmen dem Akku einen Strom, den wir variieren und messen können. Gleichzeitig bestimmen wir die Spannung zwischen den Klemmen des Akkus. Sie sinke z. B. um 0,01 V, wenn der Strom um 1 A zunimmt. Welches ist der höchste Strom, den der Akku hergibt? Warum nimmt die Klemmenspannung ab? Was bedeutet die Neigung der U(I)-Kurve? An den Akku werden verschiedene Verbraucher mit verschiedenem Widerstand R angeschlossen. Wiehängen Strom, Spannung, Leistung von R ab? Welche maximale Leistung kann man dem Akku entnehmen und unter welchen Umständen? Die Batteriesäure hat eine H2 SO4 -Konzentration von 20%–30% (Dichte 1 150–1 220 kg/m3 ). Schätzen Sie den elektrolytischen Widerstand der Säureschicht zwischen den Bleiplatten. Hat er etwas mit dem Innenwiderstand des Akkus zu tun? Schätzen Sie Innenwiderstand, Maximalstrom und Maximalleistung für eine Taschenlampenbatterie. → zur Lösung
Kapitel 7: Aufgaben . . .
• 7.1.1 Draht im Feld Ein stromdurchflossener Draht hängt frei beweglich in einem zeitlich konstanten Magnetfeld. Unter welchen Umständen kommt über längere Zeiten keine Verschiebung des Drahtes zustande? Antworten Sie für Gleich- und für Wechselstrom. → zur Lösung
• 7.1.2 Schleife im Feld Eine stromdurchflossene Drahtschleife hängt drehbar im Magnetfeld. Unter welchen Umständen kommt über längere Zeit kein Drehmoment zustande? Antworten Sie für Gleich- und für Wechselstrom. → zur Lösung
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• 7.1.3 Drehspul-Messwerk Kann man mit einem solchen Gerät Gleichstrom oder Wechselstrom oder beide messen? Wie hängt der Ausschlag der Spule und des daran befestigten Zeigers vom Strom ab? Ist die Skala gleichmäßig eingeteilt oder wie sonst? → zur Lösung
•• 7.1.4 Wattmeter Ein Elektrodynamometer ist ähnlich aufgebaut wie ein Drehspulinstrument, nur ist der Permanentmagnet durch einen Elektromagneten ersetzt. Dessen Spule (die Feldspule) kann in verschiedener Art mit der Drehspule zusammengeschaltet werden. Man legt Feld- und Drehspule hintereinander und lässt sie vom zu messenden Strom durchfließen. Wie unterscheidet sich dies Gerät vom Drehspulinstrument? Man lässt den Strom, der durch einen Verbraucher fließt, durch die Feldspule fließen. Gleichzeitig legt man die Messspule, notfalls mit einem ohmschen Widerstand davor, parallel zum Verbraucher. Zeichnen Sie die Schaltung und diskutieren Sie, was man damit anfangen kann. Warum spricht man von einem Wattmeter oder Wirkleistungsmesser? Statt des großen ohmschen Widerstandes legt man eine große Induktivität vor die Drehspule und schaltet sonst genau wie oben. Was zeigt jetzt das Gerät an? Wieso spricht man von einem Blindleistungsmesser? Man lässt zwei ganz verschiedene Ströme durch Feld- und Drehspule fließen. Welchen Ausschlag erhält man jetzt für zwei Gleichströme, zwei phasengleiche Wechselströme, zwei phasenverschiedene Wechselströme? → zur Lösung
•• 7.1.5 Vektoranalysis I a(r) und b(r) sind zwei Vektorfelder. Was ist rot(a × b), was ist div(a × b)? Spezialisieren Sie auf den Fall a = const. Sie brauchen nur eine Komponente der Rotation auszurechnen, die anderen können Sie aus Symmetriebetrachtungen erschließen. → zur Lösung
••• 7.1.6 Vektoranalysis II
Stellen Sie den Ausdruck v div E + rot(E × v) in Komponenten dar und zeigen Sie, dass er die Feldänderung beschreibt, die jemand misst, wenn er mit der Geschwindigkeit v durch ein E-Feld fliegt, das für den ruhenden Beobachter zeitlich konstant, aber räumlich veränderlich ist. Vergleichen Sie auch mit dem Unterschied zwischen ortsfester und ,,materieller“ Beschleunigung in der Hydrodynamik (Navier-Stokes-Gleichungen). → zur Lösung
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••• 7.1.7 Relativität der Felder
Ein Raumschiff (Geschwindigkeit klein gegen c) fliegt durch eine Gegend, wo elektrische und magnetische Felder herrschen. Die Felder können sich zeitlich und räumlich ändern, das Raumschiff oder Teile davon können geladen oder polarisiert sein und Ströme führen. Vergleichen Sie die Felder, Ströme usw., die ein Raumfahrer und ein ,,ruhender“ Beobachter messen. Im Raumschiff gelten natürlich die Maxwell-Gleichungen. Kann der ruhende Beobachter die Erscheinungen im Raumschiff auch mit den Maxwell-Gleichungen beschreiben, die auf sein eigenes System bezogen sind, oder muss er Änderungen daran anbringen? Benutzen Sie Aufgabe 7.1.6 und diskutieren Sie die auftretenden Transformationen und Zusatzglieder. In welchem Licht erscheint danach die Lorentz-Kraft? → zur Lösung
•• 7.1.8 Space talk Wir beobachten ein geladenes Teilchen, das ruht, denn ein elektrisches Feld ist nicht vorhanden, wohl aber ein großräumiges homogenes Magnetfeld. Ein Raumfahrer fliegt vorbei und beobachtet ebenfalls das Teilchen. Bruchstücke seiner Unterhaltung mit seiner Zentrale: ,,Da fliegt ein geladenes Teilchen mit . . . . Es herrscht ein Magnetfeld von . . . . Trotz der . . . fliegt das Teilchen genau . . . . Also muss ein . . . herrschen, das die . . . kompensiert, und zwar vom Betrag . . . in der Richtung . . . “. Was hat er gesagt? In der Rakete ist auch ein geladenes Teilchen. Wie verhält es sich und warum, (a) für den Raumfahrer, (b) für uns? → zur Lösung
•• 7.2.1 Kreisstrom Bestimmen Sie das Magnetfeld im Mittelpunkt eines kreisförmigen Leiters nach Biot-Savart. In welche Richtung zeigt das Magnetfeld in einem beliebigen Punkt auf der Achse (Abb. 7.23), wie groß ist es? Wie ist die Abstandsabhängigkeit bei sehr großem axialen Abstand vom Kreis? Vergleichen Sie mit dem Feld eines elektrischen Dipols. Rutherford und Bohr nahmen kreisende Elektronen im Atom an. Mit welchem Recht kann man sie als magnetische Dipole auffassen? → zur Lösung
•• 7.2.2 Kurze Spule Welches Magnetfeld erzeugt eine Spule der Länge L und des Radius a genau in der Mitte ihrer Achse, wenn L nicht mehr klein gegen a ist? Gehen Sie am besten nicht von einer Spule, sondern von einem Rohr aus, das rings von einer Stromdichte durchflossen ist und rechnen Sie nach Biot-Savart. Beschreibt Ihre Formel die Grenzfälle der sehr langen Spule und des kurzen Kreisringes richtig? Können Sie auch die Feldstärke dort angeben, wo die Achse durch die Endfläche der Spule tritt? → zur Lösung
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•• 7.2.3 Bohr-Magneton Schätzen Sie das magnetische Moment eines Kreisstroms. Sie kennen sein Magnetfeld (wenigstens in der Kreismitte; nahe der Peripherie ist es kaum anders). Damit ergeben sich der Gesamtfluss und die Polstärke. Im Abstand r ober- und unterhalb der Kreisebene ist das Feld noch nicht wesentlich kleiner, entspricht also etwa dem Feld einer Spule welcher Länge? Wenden Sie das Ergebnis auf eine Elektronen-Kreisbahn an (z. B. für das bohrsche H-Atom) und vergleichen Sie mit dem Wert des bohrschen Magnetons. → zur Lösung
• 7.2.4 Erdfeldmessung Zur Messung des erdmagnetischen Feldes kann man eine Magnetnadel horizontal aufhängen und sie zu horizontalen Schwingungen anstoßen. Was erhält man aus der Schwingungsdauer? Welche Zusatzmessung braucht man noch? → zur Lösung
••• 7.2.5 Elektromagnet
Diskutieren Sie den Verlauf von B und H eines Permanentmagneten außerhalb (im Luftraum) und innerhalb (im Eisen) nach den MaxwellGleichungen. Achten Sie besonders auf die Richtungsverhältnisse. Kann B = µµ0 H allgemein gelten? Vergleichen Sie mit einer stromdurchflossenen Eisenkern-Spule bzw. einer Luftspule. Auf welchem Teil der Hysteresiskurve müssen sich die Vorgänge abspielen? Ein Permanentmagnet soll in einem Luftspalt gegebenen Volumens V ein gegebenes Feld B erzeugen. Wie kann man das mit einem möglichst kleinen Eisenvolumen V erreichen (Wahl des Materials, des Arbeitspunktes auf der Hysteresiskurve, Formgebung)? Welche Eigenschaft des Materials ist am wichtigsten? Welche Rolle spielt das ,,Energieprodukt“, das durch den maximalen Wert von BH auf der Hysteresiskurve gegeben ist? Warum heißt es so? Wie findet man es graphisch? Warum kann man B im Luftspalt nicht beliebig steigern? Wo liegt die praktische Grenze? → zur Lösung
•• 7.3.1 Weidezaun Neben dem Zaun steht ein 6 V-Akkumulator. Von ihm führen Drähte in einen Kasten, in dem es tickt. Die Kühe hüten sich, den Zaun zu berühren. Haben sie Angst vor 6 V, oder wovor sonst? Warum tickt es in dem Kasten? → zur Lösung
•• 7.3.2 Zebrastreifen im Meer Von Flugzeugen nachgeschleppte Magnetometer wurden im 2. Weltkrieg zur U-Boot-Aufspürung entwickelt und dienen jetzt der Erzprospektion. Klassische Magnetometer können Feldänderungen von 1 γ (10−9 T) feststellen, Kernresonanzgeräte sind noch genauer, aber teurer und schwerer. Es wird sogar behauptet, dass Tiere (Brieftauben) und vielleicht Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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auch Menschen auf Änderungen um 10 γ in einigen Sekunden reagieren. Die Suszeptibilität χ von Magnetit, Fe3 O4 , liegt je nach Qualität zwischen 10−2 und 10. Wieso sprechen Magnetometer auf Schiffe oder Erzlager an? Aus welchem Abstand kann man sie erkennen? Eruptivgesteine, besonders Basalt, haben χ ≈ 10−5 –10−2 . Wie reagiert das Magnetometer beim Überfliegen des Vogelsberges (200 m dicke Basaltkuppe, 40 km Durchmesser)? Kann man die remanente fossile Magnetisierung des Ozeanbodens mit Geräten messen, die von Schiffen nachgeschleppt werden? → zur Lösung
••• 7.3.3 Trafo-Bleche
In einem Leiter herrsche ein zeitlich veränderliches Magnetfeld. Der Leiter bestehe wie im Transformator oder Motor aus gegeneinander isolierten Blechen der Stärke d. Schätzen Sie die Stromdichte und Leistungsdichte der Wirbelströme, die sich im Leiter ausbilden. Wie müssen die Bleche liegen, damit sie ihren Zweck erfüllen? Welcher ist das? Sind dünne Stäbe noch wesentlich besser als Bleche? Wie hängt die Leistungsdichte der Wirbelströme von der Blechstärke d ab? Schätzen Sie, welchen Anteil der übertragenen Leistung in einem Transformator die Wirbelströme ausmachen.
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→ zur Lösung
•• 7.3.4 Seltsame Heizung Ein aus 5 mm dicken Eisenstäben zusammengeschweißter quadratischer Rahmen wird bei Zimmertemperatur mit v = 20 m/s in ein scharf begrenztes, homogenes Magnetfeld (B = 2 Vs/m2 ) gestoßen. Welche Temperatur hat das Eisen unmittelbar nach dem Experiment? Der Rahmen wird mit derselben Geschwindigkeit v wieder aus dem Feld herausgerissen. Welche Temperatur hat er dann? → zur Lösung
•• 7.4.1 Analogie Es besteht doch eine weitgehende Analogie zwischen dielektrischen und magnetischen Erscheinungen. Führen Sie sie im Einzelnen durch. Welche Größen entsprechen einander, welche Gesetze lassen sich einfach übertragen? Übersetzen Sie z. B. Abschn. 6.2 ins Magnetische. Die Orientierungspolarisation entspricht dem Paramagnetismus, die Verschiebungspolarisation dem Diamagnetismus. Wie weitgehend stimmt das? Wie kommt es, dass die diamagnetische Suszeptibilität negativ ist, die Verschiebungs-Polarisierbarkeit dagegen positiv? → zur Lösung
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•• 7.4.2 Larmor-Rotation Ist es richtig, dass jedes Atom im Magnetfeld B mit der LarmorFrequenz eB/m um die Feldrichtung rotiert? Welches magnetische Moment ergibt sich daraus? Wie errechnet sich die diamagnetische Suszeptibilität? → zur Lösung
•• 7.4.3 Dia oder Para? Können Sie eine einfache Regel dafür aufstellen, welche Atome und Moleküle dia-, welche paramagnetisch sind (versuchen Sie nicht, eine durchgehend gültige Regel zu finden). Wie groß ist ungefähr das magnetische Moment eines paramagnetischen Teilchens, und welche Größenordnung für die paramagnetische Suszeptibilität von Gasen und kondensierter Materie ergibt sich daraus? Können Sie eine Regel ableiten, nach der die paramagnetische sich zur diamagnetischen Suszeptibilität ungefähr so verhält wie die Bindungsenergie eines Elektrons ans Atom zur thermischen Energie? → zur Lösung
•• 7.4.4 Metall-Paramagnetismus Metalle haben vielfach eine temperaturunabhängige positive Suszeptibilität. Wie mag sich der Gegensatz zum T −1 -Gesetz für Gase erklären? Benutzen Sie die Ergebnisse von Kap. 16 über das Energieschema der Leitungselektronen und die quantenmechanische Tatsache, dass sich das Spinmoment eines Elektrons entweder parallel oder antiparallel zu einem Magnetfeld einstellen kann, aber nicht anders. → zur Lösung
••• 7.4.5 Langevin-Funktion
Wie sieht die Verteilung der Momente von Gasteilchen über die Einstellrichtungen zum Magnetfeld aus (im einfachsten Fall nur parallel oder antiparallel)? Benutzen Sie die Boltzmann-Verteilung. Wie sollte also die paramagnetische Suszeptibilität von Feld und Temperatur abhängen? Ist die Sättigung praktisch erreichbar? → zur Lösung
•• 7.4.6 Warum nur Eisen? Wieso sind gerade Fe, Co, Ni nach ihrem Atombau zum Ferromagnetismus prädestiniert? (Hinweis: Hund-Regel). Weshalb wiederholen sich die ferromagnetischen Eigenschaften nicht in den höheren Perioden? → zur Lösung
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••• 7.5.1 MHD-Generator
Im magnetohydrodynamischen Generator strömt ein Plasma (ionisiertes Gas) durch ein transversales Magnetfeld. Senkrecht zur Strömungsrichtung v und zu B entsteht ein E-Feld. Warum? Wie groß ist es? Welche Spannungen erzielt man bei vernünftigen Abmessungen und v- und BWerten? Wenn man den Generator belastet, d. h. die Spannung an einen Energieverbraucher legt, stammt die Leistung woher? Wie geschieht das im Einzelnen? Schätzen Sie den Maximalstrom, den man dem Generator entnehmen kann. Vergleichen Sie mit Dampfmaschinen- und GasturbinenGenerator hinsichtlich der Direktheit der Energieumwandlung und des vermutlichen Wirkungsgrades. Wie weit geht die Analogie mit dem HallEffekt? Dort ist die Richtung des Querfeldes verschieden je nach dem Vorzeichen der Ladungsträger. Müssten die Querfelder der Elektronen und Ionen einander nicht kompensieren? Vergleichen Sie auch mit dem Unipolargenerator (Aufgabe 18.3.6). Hängt die Existenz des Querfeldes vom Ionisationsgrad des Gases ab? Was hängt sonst davon ab? Relativistisch betrachtet ist alles sehr viel einfacher! → zur Lösung
• 7.5.2 Fernleitung Das Walchenseekraftwerk nützt einen Höhenunterschied von 200 m aus. Pro Sekunde fließen 5 m3 Wasser durch die Turbinen. Wie groß ist die damit in den Generatoren erzeugbare elektrische Leistung (keine Verluste)? Zum Transport der Energie vom Kraftwerk nach München (60 km) steht eine Kupfer-Freileitung zur Verfügung. Der Querschnitt der Hinund Rückleitung beträgt je 1 cm2 . (In der Praxis verwendet man natürlich Drehstrom!) Zeigen Sie, dass es nicht möglich ist, mit dieser Leitung auch nur einen kleinen Teil der Kraftwerksleistung nach München zu transportieren, wenn man eine Übertragungsspannung von 220 V verwendet. Welche muss man verwenden, damit die Leitungsverluste nur 0,4% der Gesamtleistung betragen? → zur Lösung
•• 7.5.3 Hochspannung Beim Entwurf elektrischer Fernleitungen benutzt man die Faustregel: Eine Leitung von x km Länge sollte mindestens x kV führen. Was sucht diese Regel zu minimieren: Die Leistungsverluste, den Spannungsabfall, die für die Leitung benötigte Kupfermenge, die Anzahl von Umspannstationen, den Aufwand an Isolier- und Sicherheitsvorrichtungen? Sie können die Isolationskosten als proportional zur Spannung und natürlich zur Leitungslänge betrachten. Denken Sie zunächst an eine Leitung, die ein gegebenes, z. B. ländliches Gebiet zentral versorgen soll! Länge? Leistung? Welche Spannung ist am wirtschaftlichsten? → zur Lösung
• 7.5.4 R = 0
Gibt es Schaltungen, deren Widerstand Null oder Unendlich ist? → zur Lösung
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• 7.5.5 Reine Blindleistung Wie kommt es, dass in induktiven und kapazitiven Widerständen keine Stromarbeit geleistet wird? Gilt das auch momentan oder nur im Zeitmittel? → zur Lösung
•• 7.5.6 Filterglieder Wieso nennt man die in Abb. 7.80 dargestellten Schaltungen Tiefpass, Hochpass bzw. Bandfilter? Denken Sie sich links eine Wechselspannung angelegt und überlegen Sie, welche Spannung man rechts misst, und zwar in Abhängigkeit von der Frequenz. Ändern sich die Verhältnisse, wenn man rechts einen Strom entnimmt (Klemmen durch R überbrückt)? → zur Lösung
• 7.5.7 C- und L-Brücke Wie kann man mit einer Wheatstone-Brückenschaltung Kapazitäten oder Induktivitäten messen? → zur Lösung
•• 7.5.8 Additiver Zweipol Beweisen Sie: Jeder irgendwie aus Widerständen, Spulen und Kondensatoren zusammengeschaltete Zweipol verhält sich additiv, d. h. bei doppelter Spannung fließt durch ihn der doppelte Strom, anders ausgedrückt: Man kann dem Zweipol einen ganz bestimmten komplexen Widerstand zuordnen. Beweisidee: Vollständige Induktion (im mathematischen Sinn). → zur Lösung
•• 7.5.9 Ortskurve Beweisen Sie: Wenn in irgendeinem Zweipol ein Schaltelement verändert wird, durchläuft der komplexe Widerstand des Zweipols immer einen Kreisbogen als Ortskurve. → zur Lösung
•• 7.5.10 Lorentz-Karussell Der Versuchsaufbau von Abb. 7.4 mit der rotierenden Schwefelsäure wird jetzt mit Wechselspannung an Magnet und Elektrolytgefäß betrieben. Vor die Magnetspule, die als rein induktiver Widerstand gedacht sei, legt man einen veränderlichen ohmschen Widerstand und stellt fest, dass die Lösung bei einem mittleren Wert dieses Widerstandes am stärksten rotiert, dagegen fast gar nicht, wenn der Widerstand sehr klein oder sehr groß ist. Wie kommt das? Welches ist der günstigste Widerstand? → zur Lösung
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•• 7.5.11 Spiegelgalvanometer Das Spiegelchen eines Galvanometers ist der brownschen Bewegung unterworfen. Wie begrenzt dies die Ströme, die man mit einem solchen Gerät messen kann? Die elektrische Leistung in der Galvanometerspule wird teils in joulesche Wärme verwandelt, teils zur Auslenkung verwendet. Wovon hängt die Aufteilung ab? Betrachten Sie z. B. eine ballistische Messung. Welche Auslenkenergie kann maximal investiert werden? Sie muss natürlich größer als die thermische Energie sein, damit die Messung einen Sinn hat. Wie geht der Spulenwiderstand ein? In welchen Grenzen wird er bei einem Strommesser liegen? → zur Lösung
•• 7.5.12 Rauschen In einem Draht muss ständig ein gewisser Strom fließen, weil die Elektronen thermisch hin- und herzittern. Dieser Strom hat natürlich keinerlei Periodizität. Wie sieht sein Fourier-Spektrum aus? Wenn die Schaltung einen Frequenzbereich der Breite ∆ω durchlässt, wie groß ist dann die quadratisch gemittelte Stromstärke des thermischen Rauschens in einem Widerstand R? → zur Lösung
•• 7.5.13 Messbrücke Messbrücke für Tonfrequenzen: Eine Brückenschaltung hat in ihren vier Ästen 1) eine Parallelschaltung von C1 und R1 , 2) eine Reihenschaltung von C2 und R2 , 3) den Widerstand R3 , 4) den Widerstand R4 . Am Eingang (zwischen 1,4 und 2,3) liegt eine Wechselspannung, deren Frequenz gemessen werden soll, am Ausgang (zwischen 1,2 und 3,4) ein hochohmiges Voltmeter, das durch Einstellung von R1 und R2 auf Null abgeglichen werden muss. Ist der Abgleich immer möglich? In der Praxis benutzt man meist nur einen Drehknopf: R1 = R2 = R gemeinsam veränderlich, C1 = C2 = C fest, R3 und R4 fest. Wie müssen R3 und R4 beschaffen sein? Welche Variationsbreite muss R1 = R2 haben, wenn man Frequenzen zwischen 50 Hz und 20 kHz messen will? Warum benutzt man eine Parallel- und eine Reihen-RC-Schaltung? Ginge es nicht auch mit zwei gleichartigen Gliedern, z. B. mit zwei Reihenschaltungen? → zur Lösung
•• 7.5.14 Schwingkreis Prüfen Sie alle Aussagen über Schwingkreise nach, indem Sie die Gleichungen (7.98) und (7.100) lösen. → zur Lösung
•• 7.5.15 Transformator mit Schmelzrinne Die Primärwicklung hat 500 Windungen, es fließt durch sie ein Strom von 1,5 A. Die Sekundärwicklung besteht aus einer ringförmigen, mit Zinn gefüllten 0,5 mm dicken Kupferrinne (Außendurchmesser 10 cm, Innendurchmesser 5 cm). Nach etwa 15 s ist das Zinn geschmolzen, und der Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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Transformator wird vom Netz abgeschaltet. Wie groß sind die induzierte Spannung, der Strom und die während der Betriebsdauer erzeugte Energie in der Sekundärwicklung? Wie groß ist die Energie, die zur ausreichenden Erwärmung des Kupferringes erforderlich ist? (Die Masse des Zinns kann gegenüber der des Kupferringes vernachlässigt werden.) Wie groß ist also der Wirkungsgrad der Anlage? Wodurch entstehen vermutlich die Verluste? → zur Lösung
••• 7.5.16 Trafo-Gewicht
Ein 100 MVA-Transformator wiegt über 10 t, bei 1 kVA etwa 10 kg, bei 10 VA immer noch 12 kg. Können Sie die Abhängigkeit erklären? Betrifft die Abschätzung den idealen Transformator, die Eisenverluste, die Kupferverluste? Wie groß sollte man B machen, wie lang und wie dünn den Wicklungsdraht? In der Konstruktionspraxis benutzt man oft Diagramme, die die Spannung pro Windung als Funktion der Nennleistung darstellen. Diese Kurve hat etwa die Form einer liegenden Parabel. Entwerfen Sie ein solches Diagramm. Kann man daraus alle Bestimmungsstücke des Transformators ablesen? → zur Lösung
•• 7.5.17 Trafo-Brummen Warum und mit welcher Frequenz brummt ein Transformator? Wie ändert sich das Brummen bei Belastung? → zur Lösung
•• 7.5.18 Gleichstrommotor: Wirkungsgrad Diskutieren Sie den Wirkungsgrad von Reihen- und Nebenschlussmotoren in Abhängigkeit von der Drehzahl oder anderen Größen. Unter welchen Bedingungen ist er maximal? → zur Lösung
•• 7.5.19 Gleichstrommotor: Regelung Wenn man einen zusätzlichen Widerstand vor die Rotor- oder Statorwicklung eines Gleichstrom-Nebenschluss- oder Reihenschlussmotors legt, können ganz verschiedene Dinge passieren. Diskutieren Sie sie! Kann die Drehfrequenz dabei sogar zunehmen? Sind diese Arten der Regelung ökonomisch? Betrachten Sie auch einen Nebenschlussmotor, bei dem man Stator- und Rotorspannung unabhängig voneinander variieren kann. Wie kann man damit die T(ω)-Kennlinie beeinflussen? Wie kehrt man den Drehsinn eines Gleichstrommotors um? → zur Lösung
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•• 7.5.20 Dynamo Manche kleinen Fahrzeuge erzeugen ihren Beleuchtungs- und Zündstrom auf folgende Weise: Zwischen den zylindrisch ausgefrästen Polschuhen eines Permanentmagneten dreht sich ein Eisen-Hohlzylinder, in dessen Wand zwei breite, einander gegenüberliegende Schlitze in Achsrichtung sind (sie sind fast so breit wie die dazwischen stehengebliebenen Stege). Der Deckel des Hohlzylinders fehlt, mit dem Boden ist er an der Antriebswelle befestigt. Innerhalb des Zylinders sitzt eine feststehende Spule. Nur der Eisenzylinder kann sich drehen, und wenn er das tut, brennt die Lampe, die an die Spulenenden angeschlossen ist. Wieso?
O1
T
O2
K
Abb. 7.151. Warum dreht sich der Läufer dieses Spaltpolmotors?
→ zur Lösung
•• 7.5.21 Spaltpolmotor Kleine Wechselstrommotoren in Haushaltsgeräten usw. sind oft nach dem einfachen Schema von Abb. 7.151 aufgebaut. K ist ein Eisenkern, meist aus dünnen Blechen. O1 und O2 sind Metallringe, T ist ein Rotor, auf eine Achse montiert, aber ohne jede Stromwicklung. Wie und warum dreht sich der Rotor? → zur Lösung
•• 7.5.22 Asynchronmotor Ein Drehstrom-Asynchronmotor mit Schleifringläufer wird mit 50 Hz betrieben. Wir untersuchen zunächst das Verhalten des Motors mit kurzgeschlossenen außenliegenden Widerständen in der Schleifringwicklung. Er rotiert im Leerlauf (ohne äußeres Lastmoment) mit 730 U/min, mit einem Lastmoment von 1 000 Nm rotiert er nur noch mit 670 U/min. Wenn man das Lastmoment langsam bis auf 1 500 Nm steigert, bleibt der Motor plötzlich stehen, nachdem er bei etwas kleinerem Lastmoment mit 570 U/min rotiert hat. Zeichnen Sie, so weit wie möglich, die T(ω)-Kennlinie und tragen Sie wichtige Werte ein. Warum bleibt der Motor bei Lastmomenten 1 500 Nm stehen? Wie viele Polpaare hat der Motor? Geben Sie für die genannten Belastungen die Werte des Schlupfes an. Was kann man über den ohmschen Widerstand und die Induktivität des Rotors aussagen? Welches Anlaufmoment hat der Motor? Was verändert sich an den obigen Beobachtungen und Betrachtungen, wenn man die äußeren Widerstände in der Schleifringwicklung einschaltet? → zur Lösung
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• 7.6.1 Skineffekt Gibt es Drahtmaterialien, bei denen der Skineffekt schon bei Netzfrequenz wesentlich ist? Schätzen Sie die Widerstandszunahme für normale Kupferdrähte als Funktion der Frequenz. Kontrollieren Sie die Angaben im Abschn. 7.6.8 (Tesla-Transformator). → zur Lösung
•• 7.6.2 Bewegt sie sich doch? In einer geschlossenen Metallhohlkugel befindet sich ein geladener kleiner Körper. Wie kann man am einfachsten zerstörungsfrei feststellen, ob und wie sich die Ladung bewegt? Macht es einen Unterschied, ob die große Kugel aus Eisen oder Aluminium ist? → zur Lösung
••• 7.6.3 Vektorpotential
Warum kann man eigentlich ein elektrostatisches Feld immer als E = − grad ϕ darstellen? Hängt das mit der Wirbelfreiheit von E zusammen? B ist nicht wirbelfrei, aber quellenfrei. Man kann es also nicht als grad eines Skalarpotentials darstellen, sondern . . . ? Kann man sagen, diese Definition löse automatisch eine der Maxwell-Gleichungen oder mache sie überflüssig? Lässt sich das elektrische Feld auch im dynamischen Fall als grad ϕ darstellen? Beispiele: Gleichstrom, Wechselstrom durch geraden Draht. Zeigen Sie, dass man einen allgemein gültigen Ausdruck für E erhält, wenn man das Vektorpotential A in einfacher Weise einbezieht. Hinweis oder Kontrolle: Eine andere MaxwellGleichung muss dadurch automatisch erfüllt sein. Bestimmen ϕ und A das Feld ebenso vollständig wie E und B? Haben sie rechentechnische Vorteile? Sind ϕ und A durch diese Definitionen vollständig festgelegt, wenn E und B gegeben sind? Kann man z. B. div A = 0 oder div A = −ϕ/c ˙ 2 festsetzen? Wie lauten die übrigen Maxwell-Gleichungen, in ϕ und A geschrieben, speziell im Vakuum und mit diesen Konventionen (die zweite heißt Lorentz-Konvention)? Man beachte die Identität rot rot A ≡ −∆A + grad div A. → zur Lösung
•• 7.6.4 Poynting-Vektor Durch einen Draht fließt ein Gleichstrom, der ein Magnetfeld um sich erzeugt. Wie liegen E und H? Ergibt sich ein Poynting-Vektor? Was bedeutet er? Ändert sich die Energiedichte des Feldes? Wie sieht die Energiebilanz rein feldmäßig (abgesehen von der Spannungsquelle) aus? → zur Lösung
• 7.6.5 Antenne Ist die Stabantenne eines Autos auf Radiowellen abgestimmt? Warum wird der Empfang besser, wenn man die Antenne auszieht? Warum sind Sendetürme so hoch (zwei Gründe)? → zur Lösung
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•• 7.6.6 Ionosphäre Appleton und Barnett sandten (1924) ein Funksignal aus, dessen Frequenz sie langsam änderten. Ein Empfänger in 200 km Abstand empfing eine Amplitude, die bei Frequenzänderung periodisch zwischen einem Maximum und einem Minimum schwankte. Der Abstand zwischen zwei Minima der Empfangsamplitude war 3 kHz. Dieses Ergebnis wurde als Interferenz der direkten Welle mit einer Welle gedeutet, die in einer bestimmten Höhe reflektiert wurde. In welcher Höhe lag die reflektierende Schicht? → zur Lösung
• 7.6.7 Fading Ein Mittelwellensender wird eine Weile fast unhörbar, dann ist er wieder in voller Stärke da, usw. Wie kommt das? Werden nahe oder ferne Sender mehr durch diesen ,,Fading-Effekt“ gestört? Welche Höhenänderungen der reflektierenden Schicht sind nötig, um Fading zu bewirken? Warum gibt es kein Fading beim UKW-Sender? → zur Lösung
•• 7.6.8 UHF-Wellen Warum hat die Elektronik bei der Überschreitung der Meterwellengrenze wesentlich neue Bauprinzipien entwickeln müssen? Schätzen Sie Kapazität und Induktivität eines geraden Drahtes von einigen cm Länge und einigen Zehntelmillimetern Dicke (benutzen Sie die Ausdrücke für die Feldenergien). Schätzen Sie auch Kapazität und Induktivität eines Hohlraumoszillators in Abhängigkeit von seinen Abmessungen. → zur Lösung
•• 7.6.9 TV-Signal Ein Fernsehbild stelle ein Gitter aus abwechselnd hellen und dunklen senkrechten Streifen dar. Welches Signal emittiert der Sender (Idealfall und reales Signal)? Wie viele Striche kann das Gitter maximal haben? Die Bandbreite eines Fernsehkanals ist 3 bis 10,4 MHz. → zur Lösung
•• 7.6.10 Lecher-Bleche Die Feldverteilung um eine Doppelleitung (zwei parallele Lecher-Drähte) ist recht kompliziert. Wir betrachten statt dessen ein Doppelblech (zwei parallele Bleche, Länge l, Breite b, Abstand d, mit l b d) und ein Koaxialkabel. Wie verteilen sich das E- und das B-Feld zwischen den Leitern? Welche Kapazität/Längeneinheit und Induktivität/Längeneinheit haben Doppelblech bzw. Koaxialkabel? → zur Lösung
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••• 7.6.11 Wellenleiter
Stellen Sie Doppelleitung, Doppelblech oder Koaxialkabel durch ein Ersatzschaltbild aus Induktivitäten und Kapazitäten dar, zunächst für Leiter ohne ohmschen Widerstand und ideale Isolation der beiden Leiter gegeneinander. Dann berücksichtigen Sie auch den Leiterwiderstand und eine Leitfähigkeit des Isoliermaterials. Wie breitet sich ein hochfrequentes Signal längs einer solchen Leitung aus? Welche Bedeutung und welchen Zahlenwert hat die Größe U/I in einem solchen System?
→ zur Lösung
•• 7.6.12 TV-Kabel Sie gehen ein Fernsehantennenkabel kaufen. Es gebe Kabel mit 240 Ω und mit 60 Ω Wellenwiderstand, sagt der Verkäufer. Ob das nicht von der Kabellänge abhänge? Nein, sagt der Verkäufer, und auch für alle Sender sei dieser Wert gleich. Versteht der Verkäufer sein Fach, und was folgt aus seinen Angaben? → zur Lösung
•• 7.6.13 Kabelabschluss Wenn man ein Kabel nicht richtig ,,abschließt“, sondern wenn man seine Enden offen hängen lässt oder einfach kurzschließt, trifft die Welle, die längs des Kabels läuft, am Ende auf eine abrupte Änderung des Wellenwiderstandes und wird reflektiert. Was ist die Folge für den Energiefluss? Man vermeidet dies durch einen Abschlusswiderstand. Wie groß muss er sein? Denken Sie dabei auch an Aufgabe 6.3.9. → zur Lösung
•• 7.6.14 Wellenwiderstand Im Text von Abschn. 7.7.3 wurde der Wellenwiderstand einer Leitung oder eines Mediums als Verhältnis der Felder definiert: Z = E/H, in Aufgabe 7.6.11 wie üblich als Z = U/I. Wie reimt sich das zusammen? Stellen Sie die Leistung, die längs der Leitung fließt, dar als Joule-Leistung und als Leistungsfluss im Feld. Vergleichen Sie beide. → zur Lösung
•• 7.6.15 Widerspruch? In einem Doppelblech oder einem Koaxialkabel laufen elektromagnetische Wellen mit Lichtgeschwindigkeit, in einem Hohlleiter, der fast genauso aussieht, laufen sie nach Abschn. 7.7.10 schneller oder bei zu kleiner Frequenz gar nicht. Wie erklärt sich dieser Widerspruch? → zur Lösung
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••• 7.6.16 Tscherenkow-Strahlung
Die Betrachtung, zu der Sie hier verleitet werden, ist etwas vereinfacht, liefert aber ungefähr den richtigen Wert z. B. für die Intensität der Tscherenkow-Strahlung. Ein Teilchen mit der Ladung Ze fliegt mit der Geschwindigkeit v. Stellen Sie das E- und B-Feld der Ladung auf und bilden den Poynting-Vektor S, ohne aber irgendwelche Feinheiten der Richtungen zu beachten, d. h. so, als stünde E überall senkrecht auf v. Bilden Sie auch die Gesamtleistung so, als zeigte S überall radial. Woran kann man sofort sehen, dass das Ergebnis nicht stimmt? Jetzt kommt der entscheidende Schritt: Aus dem Abstand r betrachtet sieht der Vorbeiflug des Teilchens aus wie ein Feldimpuls der Dauer . . . , dessen Fourier-Zerlegung die beherrschende Kreisfrequenz . . . liefert. Ersetzen wir in P also r durch . . . . Wenn dies alles nur hinauf bis zu einer Frequenz ωm gilt (Begründung Aufgabe 18.3.8), welche Leistung ergibt sich dann? Wie viele Photonen strahlt ein sehr schnelles Teilchen auf 1 cm seiner Bahn ab? Antwort des Experiments und der genaueren Theorie: 490Z 2 Photonen/cm. Haben Sie das auch heraus? → zur Lösung
••• 7.6.17 Pulsar
Gibt es auch magnetische Antennen? Pulsare sind Sterne, deren Radiound auch Röntgenintensität kurzperiodisch schwankt. Man kennt zwei Gruppen mit Schwankungsperioden von 30 ms und darüber, sowie neuerdings auch mit 1,5 ms und etwas mehr. Diese Strahlung und ihre Periodizität wird dadurch erklärt, dass das riesige Magnetfeld dieses Sterns etwas schief zur Rotationsachse steht. Die Strahlungsleistung wird der Rotationsenergie entnommen, so dass 30 ms-Pulsare ihre Periode im Jahr um etwa 10 µs verlängern, 1,5 ms-Pulsare dagegen nur um 3 ps/Jahr. Vier Abschätzungen für den Pulsarradius: 1. Wie groß darf er sein, damit sein Äquator nicht schneller rotiert als c? 2. Wie groß, damit er nicht zentrifugal auseinander fliegt? 3. Wie stark müsste sich die Sonne (Rotationszeit 26 Tage) kontrahieren, damit sie so schnell rotierte? 4. Wie groß wäre ein Klumpen enggepackter Neutronen von Sonnenmasse? Zur Strahlung: Die magnetische Achse stehe etwa 1◦ schief. Welche Strahlungsintensität ergibt sich daraus (denken Sie an H. Hertz), welcher Verlust an Rotationsenergie? Schätzen Sie die Magnetfelder der beiden Pulsargruppen. Überreste einer Supernova wie der Crab-Pulsar rotieren in 30 ms und werden dann langsamer; die superschnellen Pulsare sollen viel älter sein, und zwar durch Einfang der Außenhülle eines nahen Begleiters wiederbelebt worden sein, der in seinem Rote-Riesen-Stadium über seine Roche-Grenze hinausschwoll. Es gibt aber auch Einzelsterne, die superschnelle Pulsare sind. Um die Doppelsternhypothese zu retten, nimmt man an, dass sie ihren Retter zum Dank durch ihre Strahlung zerblasen haben. → zur Lösung
•• 7.6.18 Röntgenquelle Der Pulsar Hercules X-1 hat in seiner extrem starken Röntgenemission eine etwas verbreiterte Linie bei 58 keV. Können Sie dies als charakterisMeschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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tische Strahlung einem Atom zuweisen? Was sagen Sie zur Deutung als landausche Zyklotron-Strahlung: Übergang zwischen gequantelten Kreisbahnen im Magnetfeld, analog zum Bohr-Modell? Wie stark müsste dieses Magnetfeld sein? → zur Lösung
Kapitel 8: Aufgaben . . .
•• 8.1.1 Austrittsarbeit Wie sieht das Feld eines Elektrons aus, das dicht vor einer ebenen Metallfläche schwebt? Suchen Sie eine Anordnung von Ladungen, deren Feld genauso aussieht, wenigstens außerhalb des Metalls. Welche Kraft zwischen Elektron und Metall folgt daraus? Bis zu welchem Minimalabstand gilt dieses Kraftgesetz? Wie groß ist also die Austrittsarbeit ungefähr? Warum ist sie gerade bei Cs und Ba besonders klein? → zur Lösung
••• 8.1.2 Glühemission
Versuchen Sie das Richardson-Gesetz (8.1), speziell den Faktor vor der e-Funktion modellmäßig zu verstehen. Wenn Sie dabei auf Widersprüche stoßen, versuchen Sie es nochmal, nachdem Sie die Fermi-Verteilung (Abschn. 19.3) studiert haben. → zur Lösung
• 8.1.3 Arrhenius-Auftragung Von der Physik bis zur Biologie ist diese Auftragung eines der wichtigsten Auswertungsmittel. Warum? Was bedeutet der Schnittpunkt der Geraden mit der Ordinatenachse? Wie findet man ihn, wenn man nur in einem engen T -Bereich gemessen hat, und mit welcher Genauigkeit? Wie liest man am schnellsten die Aktivierungsenergie ab? → zur Lösung
•• 8.1.4 Kompensationseffekt Bei vielen Prozessen, die sich durch ein Arrhenius-Gesetz Ae−W/(kT ) beschreiben lassen, ändern sich A und W bei Variation der Versuchsmaterialien und -bedingungen, und zwar oft so, dass die verschiedenen Arrhenius-Geraden sich alle in einem Punkt, dem ,,Inversionspunkt“, schneiden (Kompensationseffekt). Wie müssen die Änderungen von A und W zusammenhängen, damit das der Fall ist? Was bedeuten die Koordinaten des Inversionspunktes? Wie könnte es zu diesem Effekt kommen? → zur Lösung
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•• 8.1.5 Aktivierungsenergie Für viele chemische Reaktionen lässt sich die Reaktionsgeschwindigkeit darstellen als αe S/R e−E/(RT ) (S, E Aktivierungsentropie und -energie pro mol). Begründen Sie dieses Gesetz kinetisch. Wenn ein Atom in zwei Zuständen vorkommen kann (z. B. frei und gebunden), wird das Konzentrationsverhältnis in den beiden Zuständen oft gegeben durch βe S /R e−E /(RT ) . Warum? Sind S und S , E und E identisch? Wenn nicht: Kann man sagen, welcher Wert größer ist? Ist das bei der Glühemission auch so? → zur Lösung
• 8.1.6 h-Messung Wie kann man aus dem Photoeffekt möglichst genau die PlanckKonstante h bestimmen? Versuchsanordnung! Welche Größe muss man variieren? → zur Lösung
• 8.1.7 Lichtschranke Entwerfen Sie ein Lichtschrankensystem für eine automatische Tür, als Einbruchsicherung o. Ä. Wählen Sie Lichtquelle, Strahlgeometrie, Kathodenmaterial, Anodenspannung, Galvanometer bzw. Nachweisschaltung.
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→ zur Lösung
•• 8.1.8 Feldemission Wie hängt die Dicke der Potentialschwelle vor einer Metalloberfläche von der angelegten Feldstärke ab? Wie groß sind Tunnelwahrscheinlichkeit und Feldemissionsstrom? Bei welchen Feldstärken wird der Effekt wesentlich? Wie erreicht man solche Felder? → zur Lösung
• 8.1.9 Feldemissionsmikroskop Wie sieht ein Feldemissionsmikroskop aus, und was kann man damit sehen? Weshalb und wie erreichen solche Mikroskope fast beliebig hohe Vergrößerungen? → zur Lösung
• 8.1.10 Multiplier Welche Spannungen muss man zwischen die Dynoden eines Multipliers legen, damit man mit acht Stufen eine Verstärkung von 108 erzielt (Schätzung)? Wie weist man den Anodenstrom am besten nach? Wie sieht die Gesamtschaltung aus? Welche Hilfsgeräte braucht man? → zur Lösung
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••• 8.1.11 Eggert-Saha-Gleichung
Thermische Ionisation erfolgt im einfachsten Fall nach der Reaktion A A+ + e− . Das Massenwirkungsgesetz für diese Reaktion ist die Eggert-Saha-Gleichung. Damit ergibt sich eine Verfeinerung des Ausdruckes (8.4) (der nur für schwache Ionisierung gilt). Können Sie diese Verfeinerung angeben? Dabei erklärt sich auch, warum der Exponent nicht E i /(kT ), sondern E i /(2kT ) heißt. Gibt es eine allgemeine Regel, wann E/(kT ) und wann E/(2kT ) gilt? Der ,,Gewichtsfaktor“ (2πmkT )3/4 /h 3/2 lässt sich nach der Quantenstatistik richtig verstehen. Kommen Sie nach dem Studium von Kap. 19 wieder darauf zurück. Ist Rekombination nicht eigentlich nur im Dreierstoß möglich? Ist das bisher berücksichtigt worden? → zur Lösung
•• 8.1.12 Thermische Ionisation Der Ionisationsgrad hängt nach (8.4) von T und p ab. Wie verläuft in einem p, T -Diagramm die Grenze zwischen überwiegend neutralem und überwiegend ionisiertem Zustand der Atome? Von welchen Atomeigenschaften hängt ihre Lage ab? Lässt sich auch für die Moleküldissoziation ein ähnliches Diagramm zeichnen? → zur Lösung
• 8.1.13 Ionisation in der Sonne Sind H und He in der Sonnenphotosphäre (6 000 K, 0,1 bar) bzw. 10 000 km darunter (106 K, 3 · 106 bar) weitgehend ionisiert? → zur Lösung
• 8.2.1 Wettkampf der Felder Wie stark müsste ein Schwerefeld sein, um in seiner Wirkung auf geladene Teilchen mit ganz üblichen elektromagnetischen Feldern konkurrieren zu können? → zur Lösung
• 8.2.2 E-Ablenkung In (8.10) sind Ladung und Masse der Teilchen herausgefallen. Trotzdem zeigt sich, dass Protonen und Elektronen in entgegengesetzter Richtung abgelenkt werden. Wie kommt das? → zur Lösung
• 8.2.3 α-, β-, γ-Strahlung
Kann man Masse, Ladung und Geschwindigkeit von Teilchen aus der Ablenkung im elektrischen oder im Magnetfeld allein bestimmen, oder muss man beide kombinieren, oder braucht man zusätzliche Auskünfte? Projektieren Sie solche Messungen für α-Strahlung, β-Strahlung, den Nachweis, dass γ -Strahlung nicht aus Teilchen besteht, usw. → zur Lösung
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• 8.2.4 Oszillograph Man kann die Kippspannung an den x-Ablenkplatten durch eine beliebige Spannung ersetzen. Was für Spannungen muss man an x- und y-Platten legen, um auf dem Schirm Kreise, Ellipsen verschiedener Exzentrizität, schrägliegende Gerade zu zeichnen? Kann man eine 8 oder ein ∞ zeichnen? Wie ändern sich die Figuren, wenn man bei gleichem x- und y-Spannungsverlauf die Anodenspannung ändert? → zur Lösung
•• 8.2.5 Fernsehröhre Welche Forderungen stellt man an Bild-, Zeilen-, Punktfrequenz, Helligkeitssteuerung usw., und wie kann man sie elektronenoptisch realisieren? Gibt es eine Grenze, bei der die Elektronen zu träge werden, und wie weit ist man gegebenenfalls noch von ihr entfernt? → zur Lösung
• 8.2.6 Thomson-Parabel Wie sieht die Kruve aus, die (a) ein Kathodenstrahl einheitlicher Energie, (b) ein β-Strahlenbündel aus einem radioaktiven Reinnuklid zeichnet? → zur Lösung
• 8.2.7 Triode Schätzen Sie den Innenwiderstand einer Vakuumröhre bzw. die Steilheit einer Triode im Schottky-Langmuir-Bereich. → zur Lösung
• 8.2.8 Durchgriff Wieso ist der Durchgriff einer Triode kleiner als 1, und wozu ist das gut? Warum sollte der Arbeitspunkt im linearen Teil der Kennlinie liegen? → zur Lösung
• 8.2.9 Anoden-Basisschaltung Man kann das Eingangssignal auch zwischen Gitter und Anode legen. Wie verhält sich dann die Schaltung? → zur Lösung
• 8.2.10 Logarithmische Kennlinie Wie kann man mit einer Röhren- oder Halbleiterdiode einen logarithmischen Zusammenhang erzeugen? → zur Lösung
•• 8.2.11 Phasenschieberoszillator Warum hat er drei RC-Glieder (Abb. 8.54). Würden eins oder zwei nicht auch genügen? Welches V muss der Verstärker haben, damit die Selbsterregungsbedingung erfüllt ist, falls alle drei R und alle drei C unter sich gleich sind? Welche Frequenz erzeugt das System? → zur Lösung
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Abb. 8.54 Rückkopplungsglied (Dreikondensatorschaltung), an Abb. 8.27 anzuschließen, vgl. Abb. 8.29
•• 8.2.12 Meißner-Dreipunktschaltung Mit welcher Frequenz schwingt sie (Abb. 8.29)? Spielt die Größe von CA eine Rolle? Welchen Verstärkungsfaktor setzt sie voraus? → zur Lösung
•• 8.2.13 Brückenschaltung Sie kann als Rückkopplungsglied für einen zweistufigen Verstärker dienen (Abb. 8.30). Warum muss er zweistufig sein? Welche Frequenz kann die Schaltung erzeugen und welche Verstärkung ist vorausgesetzt? → zur Lösung
••• 8.2.14 Quarzuhr
Fast jeder hat heute eine Quarzuhr, die viel genauer geht als eine zehnmal so teure mechanische Uhr. Man sagt so schön, die piezoelektrisch angeregte Schwingung des Quarzes stabilisiere den Schwingkreis in der Uhr. Aber wie macht er das? Wie verhält sich ein Quarzplättchen in einem Kondensator schaltungstechnisch? Suchen Sie Ersatzschaltbilder für die verschiedenen Frequenzbereiche. → zur Lösung
•• 8.3.1 Rekombinationskoeffizient Begründen Sie zunächst den Zusammenhang β = vA (v: thermische Geschwindigkeit, A Einfangquerschnitt). Beschreiben Sie dann die durch A charakterisierte Wechselwirkung genauer. Wie nahe mindestens müssen zwei entgegengesetzt geladene Ionen kommen, um einander einfangen und ihre Ladung neutralisieren zu können? Stichwort: Beziehung zwischen E kin und E pot . Wie hängen demnach A und β von Temperatur und Druck ab? Kommt die in Abschn. 8.3.1 genannte Größenordnung von β heraus? Sind alle Annahmen dieser einfachen Theorie immer plausibel, besonders die über den Verlauf des Einfanges? → zur Lösung
• 8.3.2 Glimmentladung Diskutieren Sie die Kennlinie (8.43) für verschiedene Fälle δ > 1, δ < 1 usw.). Tragen Sie zunächst I über γ auf und rechnen Sie dann mittels Abb. 8.40 auf E um. Beachten Sie die Gültigkeitsbedingung der Summation. → zur Lösung
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•• 8.3.3 Zündspannung Geben Sie eine atomistische Deutung für die Paschen-Regel, nach der bei gegebenem Füllgas und Elektrodenmaterial die Zündspannung einer Glimmentladung nur von dem Produkt aus Druck und Elektrodenabstand abhängt. Benutzen Sie die Begriffe Feldstärke und freie Weglänge. → zur Lösung
• 8.3.4 Durchschlag Wie groß ist die Feldstärke nahe einem 10 µm dicken Draht, wenn 500 V daran liegen? In welchem Bereich ist die Durchschlagsfeldstärke der Luft (106 V/m) überschritten? → zur Lösung
• 8.3.5 Funken Zu welcher Entladungsform gehört der Blitz? Sind die Funken eines Feuers, eines Feuerzeuges Funkenentladungen im oben definierten Sinne? Wohin gehören die Lichterscheinungen, die man im dunklen Zimmer sieht, wenn man sich ein Nylonhemd über den Kopf zieht? Welchen Einfluss haben das Wetter und der Zustand der Haare sowie das Material des Hemdes? Gewisse Schuhsohlen (Krepp usw.) haben die Eigenschaft, dass ihr Träger nach einem kurzen ,,Solotanz“ imstande ist, ausströmendes Gas mit dem bloßen Finger (aus etwa 1 cm Abstand) anzuzünden. Erklären Sie das (quantitative Schlussfolgerungen). Andererseits ergeben sich z. T. erschreckende Effekte beim Berühren von Türklinken usw. → zur Lösung
• 8.3.6 Blitz Aus einer großen Gewitterwolke zucken mehrere Blitze. Schätzen Sie unter vernünftigen Annahmen die Spannung zwischen Wolke und Erde (beachten Sie Abb. 8.45), die Ladung, die in der Wolke steckt, den Strom, den ein Blitz transportiert, und seine Leistung und Energie. Wie lange könnten Sie Ihre Tischlampe mit der Ladung bzw. der Energie des Blitzes betreiben? Fließt im Blitz mehr oder weniger Ladung als bei einer Elektrorasur? → zur Lösung
• 8.3.7 Leuchtstoffröhre Zum Zünden einer Leuchtstoffröhre dient die nebenstehend vereinfacht dargestellte Schaltung. Die Glimmentladung im Glimmzünder setzt ein, wenn etwa 100 V daranliegen, und heizt ihn auf. Die Entladung in der Leuchtstoffröhre selbst setzt erst bei etwa 400 V ein; wenn sie erst einmal eingesetzt hat, brennt sie auch bei 200 V weiter. Wie entsteht die erhöhte Spannung, die die Leuchtstoffröhre zur Zündung braucht? → zur Lösung
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220 V
Schalter S Drosselspule
Leuchtstoffröhre Bimetallstreifen
I Glimmzünder U
Abb. 8.55
• 8.3.8 Elektronenmühle Kathodenstrahlung kann ein Flügelrädchen antreiben. Vergleichen Sie mit dem analogen Effekt für Licht. Handelt es sich um eine direkte Wirkung der Kathodenstrahlung oder um einen indirekten, z. B. thermischen Effekt? → zur Lösung
• 8.3.9 e/m
Projektieren Sie eine e/m-Messung, die wenigstens genau genug ist, um Ionen auszuschließen, möglichst aber etwas genauer. Lenken Sie elektrisch oder magnetisch ab, oder müssen Sie beides kombinieren? Welche Hilfsgrößen müssen Sie messen? → zur Lösung
• 8.3.10 Elektronenschatten Bringt man die Kathodenstrahlröhre, z. B. mit dem klassischen Abschirmkreuz (Abb. 8.46) in ein Magnetfeld, dann wird der Schatten des Kreuzes nicht nur verschoben, sondern auch unscharf, selbst im homogenen Feld. Wie kommt das? → zur Lösung
•• 8.3.11 Fallende Kennlinie Was würde geschehen, wenn man den Vorwiderstand in einem Kreis, der eine Bogenentladung mit fallender Kennlinie enthält, wegließe oder falsch dimensionierte, oder wenn man ihn parallel legte? Können Sie eine qualitative Erklärung für das Fallen der Kennlinie geben? → zur Lösung
•• 8.3.12 Mikrowellenherd In einem solchen Herd kann man keine Metalltöpfe verwenden. Keramikoder Plastikgeschirr wird höchstens indirekt durch die darin enthaltenen wasserhaltigen Lebensmittel erhitzt. Man sagt doch, elektrische Felder dringen in Wasser oder biologische Substanzen gar nicht ein. Wie verträgt Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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sich das? Kernstück dieser Herde ist i. Allg. ein Magnetron mit 2,5 GHz. Erklären Sie das alles, speziell, warum man gerade diese Frequenz benutzt. → zur Lösung
••• 8.3.13 Brathendl
Ein Hähnchen kann man im Mikrowellenherd braten, eine Gans kaum. Vergleichen Sie Wellenlänge und Eindringtiefe der Strahlung. Ist die Übereinstimmung zufällig? → zur Lösung
•• 8.3.14 Mikrowellenheizung Unser Zimmer sei wie ein Mikrowellenherd mit schwächerer hochfrequenter Strahlung erfüllt, unsere Tapeten seien metallisiert. Vergleichen Sie diese Heizung mit einer konventionellen. Was muss jeweils erwärmt werden: Luft, Bewohner, Wände, Möbel? Wo und wie erfolgen Verluste? → zur Lösung
• 8.4.1 Plasmafrequenz Welchem Ionisationsgrad entspricht eine Elektronenkonzentration n ≈ 1010 cm−3 bei 10−2 mbar? Wie groß sind die Plasmafrequenzen in der Sonnenphotosphäre (Aufgabe 8.1.13)? Welche Plasmafrequenzen erwartet man für Halbleiter (n zwischen 1012 und 1020 cm−3 ) und Metalle (n zwischen 1021 und 1023 cm−3 )? Bestehen Beziehungen zur Optik? → zur Lösung
• 8.4.2 Nordlicht Warum entstehen die Polarlichter vorwiegend in Höhen um 100 km? → zur Lösung
• 8.4.3 Durchschlag Wenn Sie die Größenordnung der Durchschlagsspannung durch dünne Luftschichten (mm bis cm) vergessen haben, wie können Sie sie ableiten? (Hinweis: Die Begriffe Feldstärke und freie Weglänge müssen in der Ableitung vorkommen.) Für welche praktischen Zwecke ist die Kenntnis der Durchschlagsspannungen nützlich? Wie ist es zu erklären, dass die 220 V der Lichtleitung bei einem Kurzschluss oft erheblich längere Luftzwischenräume überschlagen (der eine der sich berührenden Drähte kann gelegentlich auf fast 1 cm wegschmelzen, bevor die Entladung abbricht)? → zur Lösung
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• 8.4.4 Ionenrakete Positive Ionen (welcher Art?) werden beschleunigt (wie?) und nach Vereinigung mit Elektronen (warum?) ausgestoßen. Diskutieren Sie Ausströmungsgeschwindigkeit, Energiebedarf, Fahrpläne usw. Kann man genügend Sonnenenergie einfangen oder braucht man Kernreaktoren? Planen Sie Raumfahrten. Vergleichen Sie mit thermischen und Kernraketen. → zur Lösung
• 8.4.5 Photonenrakete Welche Temperatur müsste ein Plasma von vernünftigen Abmessungen haben, um einen Schub von interessanter Größenordnung durch Photonenrückstoß zu erzielen? Diskutieren Sie, soweit möglich, die Spiegelund Strahlenschutzverhältnisse sowie die Energiequellen. → zur Lösung
Kapitel 9: Aufgaben . . .
• 9.1.1 Sonnenkringel Die Sonne malt Kringel auf den Waldboden. Wie kommen sie zustande? Geben sie die Form der Blattlücken wieder, oder was sonst? Hängt es von den Abstandsverhältnissen ab, was sie wiedergeben? → zur Lösung
• 9.1.2 Log K. May hier auch? Winnetou und Old Shatterhand reiten wieder einmal durch eine ihrer beliebten tief eingeschnittenen Schluchten: Senkrechte Wände, 2 000 Fuß hoch. Plötzlich reißt Winnetou die Silberbüchse hoch, schießt – und der Indianer, der sie oben vom Schluchtrand aus bespäht hatte, schlägt vor ihnen auf dem Pfad auf, bevor noch sein Todesschrei ihr Ohr erreicht. Niemand als Winnetou hätte natürlich den Schatten auf dem Pfad bemerkt. → zur Lösung
•• 9.1.3 Finsternisse Beantworten Sie graphisch oder rechnerisch folgende Fragen für einige der möglichen Abstandskombinationen, z. B. minimaler Abstand Sonne–Erde, mittlerer Abstand Erde–Mond: Welchen Durchmesser hat das Totalitätsgebiet bei einer Sonnenfinsternis? Wie lange dauert die Totalität höchstens? Wie groß ist die maximale Verfinsterung (abgedeckte Sonnenfläche in Abstände Sonne– (km) Erde
Mond– Erdoberfläche
minimal 146,6 · 106 356 400 mittel 149,5 · 106 378 060 maximal 152,6 · 106 406 700
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Prozent) in 1 000–2 000 km Abstand von der Totalitätszone (Schätzung ausgeeigneter Skizze)? Wie lange kann eine totale Mondfinsternis dauern (Kernschatten)? Wie groß kann die Gesamtdauer einer Mondfinsternis sein (Kern- und Halbschatten)? Aristarch von Samos (um 300 v. Chr.) wusste zwar den Durchmesser der Erde, aber zunächst nicht den des Mondes. Er bestimmte ihn bei einer totalen Mondfinsternis. Können Sie sich vorstellen, wie? → zur Lösung
• 9.1.4 Finsternisse auf dem Mars Gibt es auf dem Mars Sonnen- oder Mondfinsternisse? → zur Lösung
• 9.1.5 Was vertauscht der Spiegel Warum sieht man im Spiegel rechts und links vertauscht, aber nicht oben und unten? → zur Lösung
•• 9.1.6 Brennspiegel Kann man mit einem Rasierspiegel Feuer machen? Papier muss auf ca. 500 ◦ C erhitzt werden, damit es Feuer fängt. Benutzen Sie die Strahlungsgesetze (Kap. 11). → zur Lösung
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• 9.1.7 Wunderwaffe
Archimedes soll auf den Zinnen von Syrakus Hohlspiegel angebracht haben, um die römischen Schiffe in Brand zu setzen. Glauben Sie das? → zur Lösung
•• 9.1.8 Brennlinie Wie kommt die ,,herzförmige“ helle Linie zustande, die man oft in Weingläsern, Ringen usw. beobachten kann? Die Brennlinie im Glas vom Radius r ist eine Epizykloide, die Spur eines Punktes auf der Peripherie eines Rades vom Radius r/4, das auf einem konzentrischen Kreis vom Radius r/2 abrollt. Beweisen Sie das. → zur Lösung
•• 9.1.9 Weltraumspiegel Ein stationärer Erdsatellit, als Hohlspiegel von 600 m Durchmesser ausgebildet, wird auf eine Umlaufbahn um die Erde gebracht. Er soll ein bestimmtes Gebiet auf der Erdoberfläche auch nachts beleuchten, indem er dort ein Bild der Sonne erzeugt. Welchen Abstand vom Erdmittelpunkt muss der Spiegel haben, damit er immer über dem gleichen Punkt des Äquators bleibt? Wie hoch steht er über der Erdoberfläche? Wie groß müssen Brennweite und Krümmungsradius des Spiegels sein? Welchen Durchmesser hat das beleuchtete Gebiet? Um welchen Faktor etwa ist die nächtliche Beleuchtungsstärke durch den Spiegel geringer als die bei Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
Tage durch die Sonneneinstrahlung? Infolge der Beugung am Spiegel entsteht um das Sonnenbild eine Folge von dunklen und hellen Ringen. Welchen Abstand vom Rand des oben berechneten Sonnenbildes hat der erste Dunkelring? Wird durch die Beugung das beleuchtete Gebiet wesentlich vergrößert? Von wann bis wann ist es trotz Spiegel dunkel (Ortszeit)? Aus welchem Abstand könnte der Spiegel von einem Astronauten zum Rasieren benutzt werden? → zur Lösung
•• 9.1.10 Echo-Satellit Wie hell erscheint ein kugelförmiger Erdsatellit vom Durchmesser d (z. B. d = 1 m, 30 m) aus blankem Metall? Vergleichen Sie mit einem Stern. Sterngrößenklassen sind so definiert: Die Sonne hat die Größe −27. Ein Stern (n + 5)-ter Größe erscheint 100-mal weniger hell als ein Stern n-ter Größe. Hinweis: Welche Beziehung besteht zwischen den Leuchtdichten von Bild und Gegenstand? → zur Lösung
• 9.1.11 Parabolspiegel Ist der Parabolspiegel optisch ideal? Was macht er mit nicht achsenparallelen Strahlen? → zur Lösung
•• 9.1.12 Riesenfernrohr In einem Bergwerksschacht rotiert eine Wanne mit Quecksilber, dessen Oberfläche als idealer Parabolspiegel gedacht ist. Diskutieren Sie das Projekt. Welche wären seine Vorteile, welche technischen Schwierigkeiten sehen Sie? → zur Lösung
•• 9.1.13 Schärfentiefe Wie groß ist die Schärfentiefe bei der Abbildung durch den Hohlspiegel? Wie definieren Sie die Schärfentiefe sinnvoll für die Beobachtung des Bildes mit bloßem Auge bzw. für die Photographie? Wie kann man sie steigern? → zur Lösung
•• 9.1.14 Refraktometer Im abbeschen Refraktometer tupft man ein Tröpfchen der zu untersuchenden Flüssigkeit auf ein Glasprisma und klappt dann eine mit einem Okular verbundene Glasplatte darauf. An einem Drehknopf dreht man so lange, bis im Blickfeld des Okulars eine scharfe Grenze zwischen Licht und Dunkelheit erscheint. Die Skala am Drehknopf zeigt dann direkt die Brechzahl der Flüssigkeit an (manchmal gibt es noch eine zweite Skala, die den Zuckergehalt angibt). Können Sie sich vorstellen, wie das Gerät funktioniert? → zur Lösung
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•• 9.1.15 Asymmetrischer Durchgang Ein Lichtbündel fällt senkrecht auf eine Fläche eines Dreikantprismas und tritt durch die um γ dagegen geneigte Fläche wieder aus. Um wie viel wird es abgelenkt? Ist die Ablenkung immer größer als bei symmetrischem Durchgang, und um wie viel? → zur Lösung
•• 9.1.16 Minimale Ablenkung Man kann auch ohne Rechnung zeigen, dass die Ablenkung bei symmetrischem Durchgang durch ein Prisma am kleinsten ist. Alles, was man braucht, ist die Umkehrbarkeit des Lichtweges. → zur Lösung
• 9.1.17 Dreikantprisma Warum benutzt man zur Erzeugung eines Spektrums ein Dreikantprisma und nicht z. B. eines mit quadratischem Querschnitt? → zur Lösung
•• 9.1.18 Rückstrahler Die Richtung, in die ein Spiegel ein Lichtbündel ablenkt, ist empfindlich gegen Verdrehung des Spiegels. Dies kann als vorteilhaft ausgenützt werden (wo?), aber auch ein Nachteil sein. Wie verhält sich ein Winkelspiegel (bestehend aus zwei gegeneinander um den Winkel α gekippten Spiegeln)? Warum benutzt man technisch zum Umkehren der Richtung von Lichtbündeln meist nicht Winkelspiegel, sondern Prismen? Was kehrt sich noch um? Welche Rolle spielen Brechung und Dispersion bei Umkehrprismen? Sollte man im Prismenfeldstecher die Gegenstände nicht mit bunten Rändern sehen? Wie kann man Lichtbündel in sich selbst zurückwerfen, unabhängig von allen Kippungen des reflektierenden Systems (,,Rückstrahler“)? → zur Lösung
• 9.1.19 Camera obscura Unbegabte Landschaftsmaler früherer Zeiten setzten sich in ein Zelt, das bis auf ein Loch in der Seitenwand lichtdicht war, und pinselten das Bild auf der gegenüberliegenden Wand nach. Wie entsteht dies Bild? Ist es seitenrichtig? Unter welchen Umständen ist es optimal scharf? Wie steht es mit der Helligkeit? → zur Lösung
•• 9.1.20 Kommen wir da durch? Wenn man mit dem Boot durch ein klares, flaches Gewässer fährt, meint man oft, unter dem Boot sei es gerade noch ausreichend tief, weiter vorn aber werde man bestimmt auf Grund laufen. Zum Glück verschiebt sich die scheinbare Mulde immer mit dem Boot. Welche Form hat sie? → zur Lösung
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•• 9.2.1 Gärtnerlatein? Manche Gärtner raten ab, Blumen bei Sonne zu gießen, weil die Brennglaswirkung der Tröpfchen auf den Blättern diese zerstöre. Was sagen Sie? → zur Lösung
•• 9.2.2 Astigmatismus Welche Abbildungseigenschaften hat eine Zylinderlinse (brechende Fläche gleich Ausschnitt eines Zylindermantels)? Kann man mit zwei Zylinderlinsen punktförmig abbilden? Sind sie dann ganz äquivalent zu einer sphärischen Linse? Erläutern Sie, warum die Optiker statt von Astigmatismus auch von einem Zylinderfehler reden? → zur Lösung
•• 9.2.3 Aphakie Betrachten Sie Abb. 9.52 (Maßstab 1,4 : 1). Bei manchen Augenleiden muss die Linse entfernt werden. Zurück bleibt das aphake Auge. Liegt das Bild eines unendlich fernen Gegenstandes auf der Netzhaut oder wo sonst? Wo entsteht das Bild eines näheren Gegenstandes? Kann man einem Menschen mit einem aphaken Auge durch eine oder mehrere Brillen helfen? Wie stark muss die Brille sein? Probieren Sie aus (ohne Brille): Wie nah und wie fern können Sie gerade noch scharf sehen? Geben Sie den Brechkraftbereich Ihrer Augen an. Wie funktioniert die Entfernungseinstellung des Auges? Vergleichen Sie mit dem Fotoapparat. Welche Brechkraft hat Ihre Augenlinse (nur die Linse allein)? Können Sie aus den bisherigen Beobachtungen und Überlegungen schließen, ob Sie eine Brille brauchen und was für eine? → zur Lösung
• 9.2.4 Taucherbrille Kann man unter Wasser (ohne Taucherbrille) scharf sehen? Sind Weitsichtige oder Kurzsichtige wesentlich im Vorteil? Würden +- oder −-Brillengläser helfen? Wie viele Dioptrien müssten sie haben? Welches ist das Prinzip der Taucherbrille? Jemand nimmt eine normale Kamera (die nicht in einem Glasgehäuse sitzt) unters Wasser mit. Abgesehen von den mechanischen Konsequenzen: Kann er scharfe Bilder erwarten? Kann er mittels der Entfernungseinstellung korrigieren? → zur Lösung
•• 9.2.5 Wenigstens ein Vorteil Warum können Kurzsichtige kleine Dinge besser erkennen? Wie viel kann dieser Effekt einbringen? → zur Lösung
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• 9.2.6 Dicke Linse An welchen Ebenen muss man bei einer dicken Linse einmalige Brechung ansetzen für (a) Parallelstrahlen von rechts, (b) Brennstrahlen von links, (c) Brennstrahlen von rechts, (d) Strahlen, die weder Parallel- noch Brennstrahlen sind? → zur Lösung
•• 9.2.7 Sphärische Aberration Warum werden in sphärischen Konvexlinsen die Randstrahlen eines Parallelbündels näher an der Linse vereinigt als achsennahe Strahlen? Wie ist die Lage bei Konkavlinsen? → zur Lösung
•• 9.2.8 Trikolore Unser Auge ist offenbar chromatisch gut korrigiert. Da aber rotes Licht schwächer gebrochen wird als blaues, muss der Akkommodationsmuskel die Linse stärker wölben, wenn eine rote, als wenn eine blaue Fläche in gleichem Abstand betrachtet wird. Wie kommt es, dass Rot, wie die Maler sagen, ,,aggressiv auf uns zukommt“ und Blau ,,uns in seine Tiefen zieht“? Wenn man bunte Kirchenfenster betrachtet, scheinen die verschiedenen Farben oft in verschiedenen Ebenen zu stehen. In der französischen Trikolore ist der rote Streifen merklich breiter (37%) als der weiße (33%) und dieser breiter als der blaue (30%). Warum? → zur Lösung
•• 9.2.9 Lupe Warum kann eine Lupe nicht mehr vergrößern als 20- bis 30mal? → zur Lösung
• 9.2.10 Mikroskop Die Brennweiten des Okularsatzes eines Mikroskops sind 50; 25; 17 mm, die des Objektivsatzes 10; 5; 3; 1,5 mm. Die Tubuslänge ist 25 cm. Welche Vergrößerungen kann man kombinieren? Wie weit müssen die einzelnen Objektive dem Objekt genähert werden? → zur Lösung
• 9.2.11 Immersionsobjektiv Das Immersionsöl mit der Brechzahl n ≈ 1,5 verringert die Wellenlänge des ins Objektiv einfallenden Lichtes, wodurch das Auflösungsvermögen verbessert wird (kleinster auflösbarer Sehwinkel ≈ λ/a, a Durchmesser der Eintrittspupille). Ist das ein weiterer Vorzug des Immersionssystems oder ist er äquivalent mit einem der in Abschn. 9.2.6 genannten? → zur Lösung
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•• 9.2.12 Auflösungsvermögen Gilt die abbesche Theorie des Auflösungsvermögens auch für Elektronenmikroskope? Es gibt ein Mittel, das für Lichtmikroskope nur sehr beschränkt, für Elektronenmikroskope aber in großem Umfang anwendbar ist, um das Auflösungsvermögen zu steigern. Welches? → zur Lösung
•• 9.2.13 Wie misst man Vergrößerung? Besteht beim Fernrohr ein Zusammenhang zwischen der Vergrößerung und dem Verhältnis der Durchmesser des eintretenden und des austretenden Lichtbündels? Wie kann man die Vergrößerung mit einer Schublehre messen? → zur Lösung
• 9.2.14 Entfernungseinstellung Warum kommt auf dem Entfernungseinstellring der Kamera ∞ so bald nach 10, während 0,55 und 0,5 viel weiter auseinander liegen? → zur Lösung
••• 9.2.15 Hohlwelt
Nach der Hohlwelttheorie leben wir auf der Innenseite einer Kugel, in die auch das ganze Weltall eingeschlossen ist. Dass wir bei klarem Wetter nicht bis Australien sehen, liege einfach daran, dass das Licht krumm läuft. Das mag ein Bierwitz sein, aber es ist ein wesentlich besserer als Astrologie oder Welteislehre. Beweisen Sie erst mal das Gegenteil! Sie werden feststellen, dass die üblichen optischen und positions-astronomischen Gegenargumente nicht zwingend sind. Gibt es einen allgemeinen Grund dafür? Wie müsste das Licht in der Hohlwelt laufen, damit alles stimmt? Kann man dieses Verhalten durch eine Brechzahl beschreiben, und wie müsste sie vom Ort abhängen? Hinweis: Spiegelung an Kreis oder Kugel. Geben Sie ein quantitatives Hohlweltmodell für Sonne, Mond und Sterne (Größen, Bahnen usw.). Wie kommen Tages- und Jahreszeiten, Finsternisse usw. zustande? Ergibt sich eine Parallaxe bei der Bewegung auf der Erde, im Lauf des Jahres? Liefern andere Gebiete der Physik zwingendere Gegenargumente? → zur Lösung
•• 9.2.16 Halo Die häufigste Haloerscheinung ist ein Ring um Sonne oder Mond mit 22◦ Radius, ganz schwach gefärbt mit Rot innen. Eis hat die Brechzahl 1,31. Nadelförmige Eiskriställchen, wie sie sich in der Hochtroposphäre bilden, haben vorwiegend Prismenform mit gleichseitig-dreieckigem Querschnitt. Wie kommt der 22◦ -Halo zustande? → zur Lösung
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•• 9.3.1 Rømer oder Doppler Kann man Rømers Beobachtung über die verzögerte Jupitermondfinsternis auch als Doppler-Effekt verstehen? Führen Sie das quantitativ durch. → zur Lösung
•• 9.3.2 Fizeau-Versuch Projektieren Sie einen Versuch zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit nach Fizeau. Beachten Sie den Umstand, dass man eine Scheibe aus Stahl höchstens bis zu einer Umfangsgeschwindigkeit von 100 m/s rotieren lassen sollte. Nehmen Sie an, Sie hätten einen Lichtstrahl bis auf 1 mm Durchmesser fokussiert. Wie lang muss der Lichtweg sein, wenn der durch eine Zahnlücke gegangene Strahl auf dem Rückweg gerade auf einen Zahn stoßen soll? Fizeau benutzte einen Spiegel in 8,6 km Abstand. Kann man mit weniger auskommen? Welche Genauigkeit für c kann man erreichen? → zur Lösung
•• 9.3.3 Foucault-Versuch Schätzen Sie die Genauigkeit einer c-Messung nach der Drehspiegelmethode von Foucault, wobei die ganze Messanordnung in einem großen Saal aufgebaut ist. Reicht die Genauigkeit zur Direktbestimmung der Brechzahl von Luft? Man erreicht Spiegeldrehzahlen von ca. 1 000 Hz. Warum nicht mehr? Wie könnte man die in Abschn. 9.3.3 angegebene Genauigkeit für c erreichen? → zur Lösung
• 9.3.4 Ändert sich λ oder ν?
Im Wasser läuft das Licht langsamer als in der Luft. Liegt das an einer Abnahme der Wellenlänge oder der Frequenz? Auch wenn man taucht, sieht man die Wasserpflanzen grün (falls sie nicht zu weit entfernt oder zu tief unten sind). Welche Welleneigenschaft übersetzen Auge und Gehirn also in Farbe: λ oder ν?
→ zur Lösung
•• 9.3.5 Widerspruch? Licht fällt von unten schräg auf die Seeoberfläche und wird demnach totalreflektiert. An der Seeoberfläche entstehen aber doch auch Elementarwellen, die sich in die Luft ausbreiten. Ist das nicht ein Widerspruch? → zur Lösung
•• 9.3.6 c-Messung In dem Versuchsaufbau (Abb. 9.83) spiegelt man das Licht einer Leuchtdiode (LED) zurück auf eine Photodiode (PD). Das Licht der LED hat einen mit 50 MHz voll durchmodulierten Sinusverlauf. Dieses Signal wird auf die horizontalen Platten eines Oszilloskops gelegt, ein Signal, das dem PD-Strom proportional ist, auf die vertikalen Platten. Dreht man am Phasenschieber, kann man auf dem Schirm eine schräge Linie (b) Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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(a)
(b)
PD
LED
~ 50 MHz
Abb. 9.83. Messung der Lichtgeschwindigkeit. Elektronik stark vereinfacht
erhalten. Verändert man nun den Abstand l nur um 15 cm, öffnet sich diese Linie zur Ellipse (a). Wieso? Genauso öffnet sich die Ellipse, wenn man l konstant lässt, aber in den einen Arm des Lichtweges ein wassergefülltes Rohr von 90 cm Länge stellt oder einen Glasstab von 60 cm Länge. Wieso? → zur Lösung
•• 9.4.1 Glasfenster Wie ändert ein planparalleles Glasfenster die Brennweite einer Sammellinse, wenn es sich innerhalb der Brennweite befindet? → zur Lösung
•• 9.5.1 Hätte Newton sich gefreut? Obwohl Licht und Elektronen rein geometrisch dem gleichen Brechungsgesetz gehorchen, bestehen physikalisch erhebliche Unterschiede. Man betrachte besonders die Geschwindigkeit in Abhängigkeit von der Brechzahl. → zur Lösung
•• 9.5.2 Lichtkrümmung Leiten Sie das Krümmungsmaß eines Lichtstrahles in einem Medium mit stetig ortsabhängiger Brechzahl rein geometrisch-optisch her. Vermeiden Sie zunächst den Fall, dass der Strahl senkrecht zum Gradienten von n Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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läuft (warum?); stellen Sie diesen Fall durch Grenzübergang von endlichen Winkeln aus her. → zur Lösung
• 9.5.3 Bahnkrümmung Ein Elektron fliegt durch einen Raum mit ortsabhängigem Potential. Wie groß ist die Krümmung seiner Bahn? (Hier ist am einfachsten der Fall v ⊥ grad U). → zur Lösung
•• 9.5.4 Fata Morgana Im Sommer scheint die Straße in einer gewissen Entfernung häufig nass zu sein. Erklären Sie den Effekt. Hat er etwas mit der Fata Morgana in der Wüste zu tun? Warum tritt er meist in der warmen Jahreszeit auf? Was kann man aus der Entfernung der ,,Pfütze“ quantitativ schließen? → zur Lösung
•• 9.5.5 Atmosphärische Refraktion ,,Wenn der untere Rand der untergehenden Sonne gerade den Horizont zu berühren scheint, ist geometrisch die Sonne schon vollkommen untergegangen.“ Stimmt das? (Wohlgemerkt: Es handelt sich nicht um die Laufzeit des Lichtes zwischen Sonne und Erde). Um wie viel wird der Tag durch diesen Effekt verlängert? Könnte man sich eine Planetenatmosphäre vorstellen, die so ist, dass die Sonne gar nicht untergeht? Diskutieren Sie die Sichtverhältnisse auf der Venus (Atmosphärendruck am Boden ca. 90 bar (CO2 ), Skalenhöhe ca. 13 km) (a) unter Berücksichtigung der undurchsichtigen Wolkenschicht in ca. 20 km Höhe, (b) wenn diese Wolkenschicht nicht da wäre. Wie viel ,,Sonnenatmosphäre“ (etwa atomarer Wasserstoff bei 6 000 K) würde notwendig sein, um die zwei Bogensekunden Ablenkung herbeizuführen, die nach Einsteins Gravitationstheorie am Sonnenrand zu erwarten sind (vgl. Abschn. 18.4.2)? Wie genau muss man also die Dichte über der Chromosphäre kennen, um die Messungen entsprechend korrigieren zu können? → zur Lösung
•• 9.5.6 Elektronenspiegel Kann man nach dem Prinzip von Abb. 9.72 einen ebenen oder konvexen Elektronenspiegel herstellen? → zur Lösung
••• 9.5.7 Lange Linse
Kommt Ihnen (9.31) nicht auch merkwürdig vor? Die Ablenkung eines Elektrons soll nur vom Feld auf der Achse abhängen, obwohl doch gerade dort gar keine Ablenkung erfolgt. Bedenken Sie aber, dass die Feldverteilung längs der Achse auch irgendwie die Feldverteilung quer zur Achse mitbestimmt. Wie nämlich? Die Ablenkung soll nur vom Integral über B 2 abhängen, nicht von der Verteilung des Feldes. Jetzt zeigen Sie, ob Sie
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Bewegungsgleichungen aufstellen können und sich auch nicht zu früh verleiten lassen, sie lösen zu wollen. In der Näherung, die die geometrische Optik ziemlich durchgehend benutzt (was besagt sie hier?), stellen Sie die Bewegungsgleichungen für die Geschwindigkeitskomponenten des Elektrons auf und setzen, bevor Sie sie zu lösen versuchen (ginge das denn überhaupt?), eine in die andere ein. Wir gehen ja davon aus, dass ein ursprünglich achsparalleles Elektronenbündel durch die Linse in einem Punkt vereinigt wird. Wie muss also vr von r abhängen? Suchen Sie etwas, das unabhängig von r ist, aber dabei natürlich von z abhängt, und formen Sie die Bewegungsgleichung um, sodass sie nur diese Größe enthält. Dann wird sie wirklich lösbar, sagen wir, in zwei Schritten. → zur Lösung
Kapitel 10: Aufgaben . . .
• 10.1.1 Fresnel-Spiegel Zeigen Sie, dass der Abstand der virtuellen Lichtquellen L 1,2 für kleine Winkel α und den Abstand l der Lichtquelle L vom Spiegel den Wert 2lα annimmt. L1 L2
j α α
l
L
Abb. 10.83. Beim Fresnel-Doppelspiegel ist der Abstand der beiden virtuellen Lichtquellen, d. h. der Brennpunkte der Interferenz-Hyperbeln, gleich 2lα (vgl. Abb. 10.3)
→ zur Lösung
• 10.1.2 Glasplatte I Mit einer Linse und einer Glasplatte wollen Sie nach Abb. 10.48 Interferenzen herstellen. Beschreiben Sie genau, was Sie beobachten, wenn Sie den Einfallswinkel α allmählich von 0 auf einen maximalen Wert drehen. → zur Lösung
• 10.1.3 Glasplatte II Man diskutiere die Interferenzen an einer planparallelen Schicht für monochromatisches oder weißes Licht, für paralleles einfallendes Licht, eine punktförmige Lichtquelle oder Licht aus allen Richtungen. → zur Lösung
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• 10.1.4 Schillernde Ölhaut Auf eine mit schrägem Parallellicht beleuchtete, mit Wasser gefüllte Wanne spritzt man einen Tropfen Maschinenöl (wie groß ist der Tropfen ungefähr?). Während der Tropfen sich ausbreitet (warum tut er das?), entspinnt sich ein lebhaftes Farbenspiel (wie muss man schauen, um es zu sehen?), das schließlich erlischt. Warum? Bedeckt das Öl die ganze Wasseroberfläche? Wenn nein, warum nicht? Warum sieht man nicht immer Ringe? → zur Lösung
• 10.1.5 Seifenblase Wie schätzt man die Wandstärke einer Seifenblase? → zur Lösung
• 10.1.6 Newton-Ringe in Dias Wie entstehen sie? Warum fangen sie an zu ,,kriechen“? Wie vermeidet man sie? Warum werden die Newton-Ringe in Hookes Anordnung (Abb. 10.42) nach außen immer matter? → zur Lösung
• 10.1.7 Babinet-Prinzip Babinet bewies auf genial einfache Weise folgenden Satz: Eine Aussparung beliebiger Form in einer undurchsichtigen Wand erzeugt im parallelen Licht genau die gleiche Beugungsfigur wie ein Hindernis, das dieselbe Form hat wie das Loch. Anders ausgedrückt: Ein photographisches Negativ erzeugt das gleiche Beugungsbild wie sein Positiv. Unter Beugungsbild sind hier die Teile des Schirms verstanden, wohin kein direktes Licht gelangt. Können Sie den Beweis finden? Entscheidend ist die Tatsache, dass die Öffnungen sich additiv an der Lichterregung im Beugungsbild beteiligen. Sind die beiden Beugungsbilder auch phasenmäßig identisch? → zur Lösung
• 10.1.8 Viererstern Warum sieht man auf Sternphotographien, die mit dem Fernrohr gemacht werden, besonders die hellen Sterne meist als vierzackige Gebilde? Was müsste man tun, damit der Fixstern so abgebildet wird, wie er eigentlich aussieht, nämlich als Scheibchen? Kann man das technisch erreichen? → zur Lösung
• 10.1.9 Auflösungsvermögen Gegenstände welcher Größe kann man unter den günstigsten Bedingungen (welche sind das?) mit bloßem Auge, mit einem Feldstecher von 50 mm-Öffnung, mit einem 50 cm-Refraktor, mit dem 5 m-Reflektor von Mt. Palomar erkennen (z. B. auf dem Mond, auf dem Mars in Opposition, auf der Sonne, in Siriusabstand, ca. 10 Lichtjahre, im Andromedanebel, ca. 2 · 106 Lichtjahre)? → zur Lösung
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•• 10.1.10 Sind wir allein? Es sind vier Methoden für den direkten Nachweis vorgeschlagen worden, dass ein bestimmter Fixstern Planeten hat: (a) Beobachtung periodischer Positionsänderungen des Fixsterns; (b) Doppler-Effekt im Licht des Fixsterns, der periodische Bewegungen ausführt; (c) direkte Trennung des Lichts eines Planeten von dem des Zentralsterns; (d) indirekte Trennung mittels des Doppler-Effekts. Bis auf welche Entfernung könnte man mit diesen Methoden feststellen, dass die Sonne einen Jupiter hat? → zur Lösung
• 10.1.11 Farbverteilung In einem Prismenspektrum sind Violett und Blau viel breiter als Rot, im Beugungsspektrum ist es umgekehrt. Warum? → zur Lösung
•• 10.1.12 Fourier-Spektrometer In einem Michelson-Spektrometer kann ein Spiegel (z. B. A B in Abb. 10.50) durch einen Feintrieb sehr langsam gleichförmig verschoben werden. Das einfallende Lichtbündel ist gut parallel. Anstelle des Fernrohrs in Abb. 10.50 bringt man eine Photozelle an. Wie sieht die zeitliche Aufzeichnung des Photostroms aus? Diskutieren Sie z. B. den Fall monochromatischen Lichts, eines Gemisches zweier Spektrallinien, eines natürlichen, maximal monochromatischen Wärmestrahlers (viele Teilchen, die inkohärent gedämpfte Wellenzüge emittieren). Warum nennt man das Gerät Fourier-Spektrometer oder genauer FourierTransformations-Spektrometer? Spielt die Fourier-Transformation bei üblichen Spektrometern keine Rolle? Welche Vorzüge hat das Gerät, besonders im fernen Ultrarot? → zur Lösung
• 10.1.13 Intensitätsfragen Wenn man die Spaltbreite eines Spektrographen verdoppelt, kommt manchmal doppelt so viel Licht durch, manchmal aber auch viermal so viel. Wovon hängt das ab? → zur Lösung
• 10.1.14 Farbenlehre Im Himmel oder wohin Leute wie Newton (N), Goethe (G), Huygens (H) kommen. G: Also, bester Sir Isaac, ich bleibe dabei: Die Farben sind nicht von vornherein im weißen Licht, sondern sie werden erst durch die farbigen Dinge daraus erzeugt. N: Jetzt lassen Sie mich erst fertig aufbauen. Das ist nicht meine ursprüngliche Anordnung, weil ich hier kein Prisma auftreiben konnte. Aber hier habe ich eine Schwungfeder vom Erzengel Gabriel, die tut’s auch. So. Ist das weißes Licht, das da vorn drauffällt? Gut. Jetzt halten Sie mal Ihr Auge dorthin, Herr Geheimrat. Was sehen Sie? Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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G: Ein prächtiges Grün. N: Na, also. G: Jetzt sagen Sie mir bitte, was ist denn das eigentlich, grünes Licht? H: (Räuspert sich vernehmlich). N: Schon gut, Herr Kollege. Ich habe ja inzwischen auch dazugelernt. Also, das Grün, das Sie gesehen haben, ist eine harmonische Welle mit der Wellenlänge 0,5 µm. G: Und Sie versichern, dass Sie die 0,5 µm nicht irgendwie hineingeschmuggelt haben in Ihre Apparatur? N: Allerdings, das versichere ich. G: Ha, mein Bester! Jetzt betrachten Sie den Renommieratavismus von Seiner Heiligkeit genauer. Da sind doch periodische feine Seitenstrahlen, viel feiner als bei irdischen Flügelbesitzern, oder nicht? N: Natürlich. Aber nicht, wie Sie vielleicht denken, in 0,5 µm Abstand. G: Zugegeben. Aber von da, wo Sie mich hingestellt haben, liegt jeder Seitenstrahl um genau 0,5 µm weiter entfernt als der benachbarte. Sie haben also eine Periodizität von 0,5 µm in Ihrer Apparatur. Kein Wunder, dass entsprechendes Licht herauskommt. Wer hat recht? Wie wäre die Lage, wenn Newton ein Prisma gehabt hätte? → zur Lösung
•• 10.1.15 Höfe Wenn Sonne oder Mond hinter einer sehr dünnen, gleichmäßigen Wolkenschicht stehen, sieht man sie oft umgeben von einem farbigen Hof (Kranz, Aureole). Wenn ein Beobachter die Sonne im Rücken hat und sein Schatten auf eine Nebelwand oder eine betaute Wiese fällt, ist der Schatten des Kopfes oft von einem ähnlichen Kranz umgeben (Glorie, Heiligenschein, Brockengespenst). Wie kommt das zustande? Wie ist die Farbenverteilung? Wie groß sind die verantwortlichen Objekte? Kann der Kranz mehrfach sein? Welches ist der Unterschied zum Halo (Aufgabe 9.2.16)? → zur Lösung
•• 10.1.16 Facettenauge Das Insektenauge besteht aus vielen Facetten oder Ommatidien, die auf einer Kugelschale angeordnet sind. Ein Ommatidium hat keine Linse und bildet nicht ab. Es ist nur ein Lichtleiter, der den von ihm ausgehenden Sehnerv erregt, wenn Licht hinreichend genau in seiner Achsenrichtung einfällt. Das Insekt sieht ein Raster aus hellen und dunklen Flecken, die den Richtungen der einzelnen Ommatidien entsprechen. Sieht es also umso schärfer, je mehr und kleinere Ommatidien es hat? Oder gibt es irgendwo ein Optimum? Erfüllen ein Fliegen- oder Libellenauge diese Optimalbedingungen? → zur Lösung
•• 10.1.17 Doppelspalt Gegeben ein Blendenschirm mit zwei feinen parallelen Spalten in sehr geringem Abstand. Im Versuch A lässt man 1 s lang Licht durch den Doppelspalt fallen und schließt ihn dann. Im Versuch B bleibt der eine Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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Spalt 1 s offen, dann schließt man ihn und öffnet den anderen ebenso lange. Als Auffangschirm dient beide Mal eine Photoplatte. Wie unterscheiden sich die beiden Aufnahmen? → zur Lösung
• 10.2.1 Unsichtbarer Strahl Ein polarisiertes Lichtbündel geht durch ein trübes Medium (rauchige Luft, schmutziges Wasser). Sein Verlauf ist deutlich zu erkennen, jedenfalls von der Seite. Genau von oben oder unten sieht man nichts. Wie kommt das und wie liegt die Polarisationsrichtung? Was sieht man bei unpolarisiertem Licht? Hinweis: Ausstrahlungsrichtung des Hertz-Dipols. → zur Lösung
• 10.2.2 Komponentenzerlegung Kann man alle denkbaren elliptischen Schwingungen auch aus zwei zueinander senkrechten linearen Schwingungen mit der Phasendifferenz π/2 herstellen? Warum wird in Abschn. 10.2.9 die andere im Text erwähnte Aufspaltungsart vorgezogen? → zur Lösung
•• 10.2.3 Doppelbild Aus den Daten von Abb. 10.59 und cao = 1,116 co berechnen oder konstruieren Sie den Winkel zwischen ordentlichem und außerordentlichem Strahl. Wie dick muss der Kristall sein, damit ein Bündel von 2 mm Durchmesser in zwei völlig getrennte Bündel aufgespalten wird? Was sieht man, wenn polarisiertes Licht einfällt? → zur Lösung
•• 10.2.4 Wollaston-Prisma Zwei Dreikantprismen von rechtwinklig-gleichschenkligem Querschnitt sind aus einem einachsigen Kristall geschnitten (meist aus Quarz), und zwar so, dass in dem einen die optische Achse im Querschnitt liegt, im anderen senkrecht dazu. Beide werden mit den Hypotenusenflächen zusammengekittet (oft einfach mit einem Tropfen Wasser aneinander geheftet). Was wird aus einem engen unpolarisierten Lichtbündel, das senkrecht auf eine der vier Kathetenflächen fällt? Welche Winkel treten für Kalkspat auf? → zur Lösung
• 10.2.5 Brewster-Fenster Beim Gaslaser sind die Spiegel oft hinter den Abschlussfenstern angebracht. Da das Licht sehr oft hin- und hergespiegelt wird, ergibt auch der kleine Reflexionsverlust an der Glas-Luft-Grenze untragbare Verluste an phasenrichtiger Intensität. Wie groß ist der Verlust bei 100-maligem Durchgang? Kann man ein Glasfenster konstruieren, bei dem selbst bei sehr vielen Durchgängen nur 50% der Lichtintensität verloren geht? → zur Lösung
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•• 10.2.6 Buntes Zuckerrohr Ein polarisiertes Lichtbündel fällt in ein Rohr mit schlammigem Wasser, und zwar in Längsrichtung. Was sieht man, wenn man um das Rohr geht? Man schüttet Zucker dazu und sieht bunte Ringe erscheinen. Wie kommt das? → zur Lösung
•• 10.2.7 Sechs Effekte Wie hängen die sechs Begriffe Faraday-Effekt, Kerr-Effekt, optische Aktivität, Doppelbrechung, lineare Polarisation, zirkulare Polarisation logisch zusammen? Erstreckt sich die Korrespondenz auch auf die atomistische Deutung? → zur Lösung
• 10.3.1 Dunkle Fenster Warum kann man bei Tage aus einiger Entfernung nicht sehen,was hinter den geschlossenen Fenstern eines Hauses vorgeht? Wie stellt man solche Fenster in einer naturalistischen Zeichnung dar? Unter welchen Umständen kann man ein Fenster als Spiegel benutzen? Alles möglichst quantitativ: Tageszeit, Beleuchtungsart usw. berücksichtigen. → zur Lösung
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• 10.3.2 Schichtspiegel
Wie viel Licht kommt durch einen Stapel aus N Glasplatten? Ergibt sich ein Spiegelbild, und wie sieht es aus? Spielt die Qualität der Platten, der Druck, mit dem sie zusammengepresst werden, evtl. Befeuchtung eine Rolle? Bestehen Unterschiede gegenüber einem ebenso dicken Glasblock? → zur Lösung
•• 10.3.3 Verteilungsfehler Sie wollen die Menge einer absorbierenden Substanz in einem mikroskopischen Objekt photometrisch messen. Sie kennen die Dicke des Objekts und den molaren Extinktionskoeffizienten im benutzten Spektralbereich und wissen, dass andere Substanzen, die dort absorbieren, nicht vorhanden sind. Sie messen den gesamten Strahlungsfluss vor und hinter dem Objekt. Die zu messende Substanz kann aber ungleichmäßig im Objekt verteilt sein, z. B. auch in submikroskopischem Maßstab, sodass man sie für homogen verteilt hält. Welchen Fehler in der Mengenbestimmung kann dieser Verteilungseffekt bringen? Vergleichen Sie z. B. eine wirklich homogene Verteilung mit einer, bei der die Hälfte der Fläche die doppelte Konzentration enthält, die andere Hälfte gar nichts. Ist das der maximal mögliche Fehler? Über- oder unterschätzt man die Menge immer, wenn man gleichmäßige Verteilung annimmt, oder kann das Vorzeichen des Fehlers je nach den Umständen verschieden sein? Geben Sie den Fehler in der Näherung sehr schwacher Absorption und auch für starke Absorption. TatMeschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
sächlich ist ja jede Substanz grundsätzlich inhomogen, nämlich molekular verteilt. Bringt das auch einen Verteilungsfehler? → zur Lösung
•• 10.3.4 Widerspruch zu Einstein? Widerspricht nicht n < 1 der speziellen Relativitätstheorie? → zur Lösung
• 10.3.5 Blaue Augen Säugetiere besitzen kein blaues Pigment. Wie kann es trotzdem blauäugige Menschen geben? → zur Lösung
• 10.3.6 Dunkles Bier Hat dunkles Bier dunkleren Schaum als helles? Warum sind Milch, Salz, Zucker, Schnee, Papier weiß? → zur Lösung
• 10.3.7 Weiße Milch Wann sieht ein feindisperser Stoff weiß aus, wann blau, wann rot? Beispiele: Voll- und Magermilch. → zur Lösung
• 10.3.8 Heller oder dunkler Rauch
Rauch von einem frischen Holzfeuer sieht vor dunklem Hintergrund weiß, vor hellem dunkelgrau aus. Wenn nur noch Holzkohlenglut da ist, sieht die dünne Rauchsäule vor dem dunklen Wald bläulich, vor dem hellen Himmel rötlich braun aus. Warum? → zur Lösung
• 10.3.9 Blaue Schatten Schatten auf Schnee sehen manchmal bläulich aus. Wann, warum? → zur Lösung
• 10.3.10 Bunter Hauch Man hauche eine Glasscheibe an und betrachte durch sie eine Lampe. Was sieht man? Warum? → zur Lösung
• 10.3.11 Gelbfilter Warum fotografiert man Wolken mit einem Gelbfilter? → zur Lösung
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Kapitel 11: Aufgaben . . .
• 11.1.1 Ausrede für Verkehrssünder? Unser Auge ist für Grün sehr viel empfindlicher als für Rot. Warum sehen eine rote und eine grüne Lampe trotzdem ungefähr gleichhell aus? → zur Lösung
• 11.1.2 Abstandsabhängigkeit Welche photometrischen Größen ändern sich, welche bleiben konstant, (a) wenn man das Licht einer Lichtquelle mit einem Parabolspiegel bündelt, (b) wenn man den Abstand von ihr ändert, (c) wenn man ein Filter davor setzt? → zur Lösung
• 11.1.3 Kerzen Ist es eigentlich richtig, eine Lichtquelle durch eine Lichtstärke (so und so viele ,,Kerzen“) zu bezeichnen? → zur Lösung
•• 11.1.4 Hefner-Kerze Eine Hefnersche Normallampe strahlt auf 1 cm2 einer senkrecht gestellten Fläche in 1 m Abstand 9,5 · 10−5 Watt (gemessen mit einem berußten Thermoelement. Die Strahlung der heißen Gase über der Flamme ist ausgeblendet; nur die Flamme allein strahlt). Entwerfen Sie eine Messanordnung, um das nachzuprüfen. Wie eicht man ein Thermometer in W? Welche Strahlungsleistung und Strahlungsstärke hat die Lampe? Schätzen Sie die mittlere Emissionsdichte der Flamme und ihre Temperatur. Ist die Flamme ,,schwarz“? Machen Sie Angaben über die Intensitätsverteilung im Raum und über sämtliche photometrischen Größen, die den angegebenen physikalischen entsprechen. → zur Lösung
• 11.1.5 Leselampe Zum Lesen sollte man mindestens 50 Lux haben, für feine Arbeiten (Zeichnen usw.) 1 000 Lux. Entspricht dem Ihr Arbeitsplatz? Richten Sie Lampenleistung und -geometrie danach ein. → zur Lösung
•• 11.1.6 Belichtungszeit Denken Sie alle Ihre Fotoerfahrungen in Lux, Lumen, Candela, Stilb um. → zur Lösung
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• 11.1.7 Leuchtstoffröhre Betrachten Sie eine Leuchtstoffröhre. Auf manche ihrer strahlenden Flächenelemente schauen Sie senkrecht drauf, auf andere fast streifend. Trotzdem sieht die Röhre überall fast gleichhell aus. Wie kommt das, obwohl Sie doch die meisten Teile der Röhre verkürzt sehen (um welchen Faktor?). Sendet also ein Stück der Rohrwand nach allen Seiten gleich viel Strahlung aus, oder wie ist die Winkelabhängigkeit? Verstehen Sie, wozu man die Leuchtdichte oder die Strahldichte B = d J/(d A cos ϑ) einführt? Wie hängt B bei der Leuchtstoffröhre vom Winkel ab? Welche Fläche bildet die Charakteristik J(ϑ) dieser Röhre? → zur Lösung
• 11.1.8 Ulbricht-Kugel Warum integriert die Ulbricht-Kugel über die Lichtstärke und misst direkt den Lichtstrom? Beweisen Sie: Der Anteil d E der Beleuchtungsstärke, den das Fenster F von einem Wandstück d A empfängt (Abb. 11.11), ist unabhängig vom Abstand zwischen F und dA. → zur Lösung
••• 11.1.9 Vollmond
Wie viel mehr Licht strahlt der Vollmond der Erde zu als der Halbmond? Vorsicht, die Antwort, die sich aufdrängt, ist falsch. → zur Lösung
•• 11.1.10 Echo-Satellit Ein kugelförmiger Satellit mit spiegelblanker Oberfläche wird auf die Bahn gebracht (z. B. der Satellit Echo aus den 60er Jahren, eine erst oben aufgeblasene metallisierte Ballonhülle mit 12 m Durchmesser). Wie hell sieht der sonnenbeschienene Satellit von verschiedenen Seiten aus? → zur Lösung
• 11.2.1 Leslie-Würfel Der Leslie-Würfel aus Blech, gefüllt mit heißem Wasser (Abb. 11.33), hat eine blanke (1) und eine berußte Fläche (2). Dicht vor diese Flächen kann man Blechplatten schieben, deren Temperatur mit einem Thermoelement gemessen wird. Von zwei gleichen Blechplatten wird die viel wärmer, die der berußten Würfelfläche gegenübersteht. Mit einer blanken und einer berußten Platte gegenüber den entsprechenden Würfelflächen wird der Temperaturunterschied noch größer. Dreht man den Würfel um 180◦ , dann verschwindet der Temperaturunterschied. Erklären Sie. → zur Lösung
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(a) 1⬘ 1
2 2⬘
100°
(b) 1⬘ 2
1 2⬘ 100°
Abb. 11.33.
• 11.2.2 Weinpanscher Da steht ein Glas mit Rotwein, daneben eins mit ebenso viel Weißwein. Man schöpft einen Löffel voll aus dem Rotweinglas, entleert ihn ins Weißweinglas, rührt um und schöpft einen Löffel voll von dem Gemisch zurück ins Rotweinglas. Jetzt ist etwas Rotwein im Weißwein und etwas Weißwein im Rotwein. In welchem Glas ist mehr fremdfarbiger Wein? Wie ändert sich die Antwort, wenn man unvollständig oder gar nicht umrührt? Wie ändert sie sich, wenn man den Prozess wiederholt? Was macht es aus, wenn man ein Glas immer umrührt, das andere nicht? → zur Lösung
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• 11.2.3 Kirchhoff-Gesetz
Bei unserer Herleitung des Kirchhoff-Gesetzes (Abschn. 11.2.1) haben wird nur die Leistungen ε2 P1 und ε1 P2 berücksichtigt, die eine Platte aus der Strahlung der anderen absorbiert. Ein Teil wird aber reflektiert und kommt zur Ausgangsplatte zurück. Stört das nicht die Betrachtung? → zur Lösung
•• 11.2.4 Strahlungsmaximum In welchem Frequenz- bzw. Wellenlängenbereich strahlt ein schwarzer Körper am meisten Energie ab? Wo strahlt er die meisten Photonen ab? Wenden Sie dies, soweit möglich, auf die Sonne an. → zur Lösung
••• 11.2.5 Stefan-Boltzmann-Konstante ∞
Integrale der Form 0 x n dx/(ex − 1), wie Sie sie brauchen, um die Gesamtstrahlung eines schwarzen Körpers zu berechnen, könnten Ihnen öfter begegnen. Wenn Sie an die geometrische denken, stoßen Sie dabei Reihe −n auf Riemanns Zeta-Funktion ζ(n) = ∞ x=1 x , die z. B. in der Zahlentheorie eine große Rolle spielt. Der Wert der Zeta-Funktion lässt sich für einige n, besonders geradzahlig-ganze, auf überraschende Weise aus der Fourier-Zerlegung geeigneter Funktionen finden. → zur Lösung
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•• 11.2.6 Lampenausbeute Welcher Anteil der Gesamtemission eines schwarzen Körpers der Temperatur T fällt in den sichtbaren Bereich? Ist dieser Anteil direkt in Lumen ausdrückbar? Lösen Sie diese Fragen graphisch für einige interessante Temperaturen. Wie groß ist die Lichtausbeute (lm/W) der Sonne, einer Glühlampe (bis 3 000 K Fadentemperatur), einer Bogenlampe (bis 7 000 K)? Was ändert sich, wenn der Leuchtkörper grau oder selektiv strahlt? → zur Lösung
•• 11.2.7 Sternhelligkeit Wie hell sind Sonne, Mond und Sterne? Gehen Sie z. B. aus von der Photosphärentemperatur und rechnen die W/cm2 und lm/cm2 aus, die auf der Erde ankommen. Für den Mond reicht eine einfache geometrische Betrachtung. Seine Albedo (refl. Licht/einfall. Licht) ist 0,07, die der Venus 0,61 (warum?). Man beachte die Phasen von Mond und Venus. Betrachten Sie auch Fixsterne und Spiralnebel. Astronomische Skala der scheinbaren Helligkeiten: Die Sonne hat −27; 5 Größenklassen entsprechen einem Faktor 100 in der Helligkeit. → zur Lösung
•• 11.2.8 Wie viel Sternlein? Sterne bis zu welcher Größenklasse könnte das Auge bei maximaler Adaptation sehen? → zur Lösung
•• 11.2.9 Nachthimmelleuchten Kann der Nachthimmel, auch zwischen den sichtbaren Sternen, völlig dunkel sein? Beachten Sie die nicht sichtbaren Sterne und Galaxien (Olbers-Leuchten), die Auflösungsgrenze des Auges, die Streuung des Sternlichts in der Luft, die Emission interstellarer Materie, das Leuchten der Atmosphäre selbst (Rekombination von Molekülen, die im Tageslicht gespalten wurden, besonders in der Ozonschicht). → zur Lösung
•• 11.2.10 Augenempfindlichkeit Das dunkeladaptierte menschliche Auge kann etwa 50 Quanten/s im günstigsten Spektralbereich wahrnehmen. Man sieht dann nur mit den Stäbchen, die keine Farbempfindung vermitteln und im Gebiet deutlichsten Sehens, der Fovea centralis, am dünnsten gesät sind. Von welcher Temperatur ab kann man einen Körper glühen sehen, und wie? → zur Lösung
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• 11.2.11 UR-Kamera Warum können die Ultrarotdetektoren der Spionageflugzeuge so viel mehr leisten als unser Auge oder selbst die Telekamera? Wofür sind sie besonders geeignet? → zur Lösung
•• 11.2.12 Wien-Gesetz Wie würde die Energieverteilung der schwarzen Strahlung aussehen, wenn es keine erzwungene Emission gäbe? Entspricht das einer bekannten Strahlungsformel? Wie sieht man anschaulich, dass es nicht so sein kann? → zur Lösung
•• 11.2.13 Erzwungene Emission Welche Rolle spielt die erzwungene Emission im Vergleich zur spontanen bei verschiedenen Temperaturen und in verschiedenen Spektralbereichen? Folgerungen? → zur Lösung
• 11.2.14 Erdschein Der Neumond ist nicht ganz dunkel, sondern vom Widerschein der Erde beleuchtet. Die Albedo der Erde ist 0,4. Wie hell ist der Neumond? → zur Lösung
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• 11.2.15 Zinklicht
Wenn man einen verzinkten Eisendraht elektrisch verdampft (Kurzschluss), steigt eine lebhaft blaugrüne Flamme auf. Hat das etwas mit der Tatsache zu tun, dass ZnO im Roten und Gelben viel schwächer absorbiert als im Blauen? → zur Lösung
• 11.2.16 Planetentemperatur Welche Oberflächentemperatur erwartet man auf Grund der Theorie des Strahlungsgleichgewichts für die einzelnen Planeten des Sonnensystems? (Astronomische Daten s. Tabelle 1.2). Welchen Einfluss auf das Ergebnis haben die Rotationsperiode des Planeten, seine Albedo (der Reflexionsgrad einschließlich Atmosphäre), die Existenz und Zusammensetzung der Atmosphäre, speziell eine CO2 - und H2 O-reiche Atmosphäre? → zur Lösung
• 11.2.17 Mondscheinfoto An einem strahlenden Sommermittag belichten Sie Ihren Iso-100-Farbfilm 1 s. Wie würden Sie belichten, um aufzunehmen (a) die mit Blende 16 und 60 Vollmondscheibe mit einem Teleobjektiv, (b) eine vollmondbeschienene Landschaft, (c) die Landschaft bei mondloser, aber sternklarer Nacht? → zur Lösung
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•• 11.2.18 Schmelzofen In einem Glasschmelzofen, der ein kleines Fenster hat, erkennt man im kalten Zustand die vielen grauweißen bis rotbraunen Flecken an der Wand, das Schmelzgut hebt sich deutlich ab. Wenn der Ofen heiß ist, erkennt man praktisch keine Einzelheiten mehr. Wie kommt das? Heißt das, dass die Körper im Innern alle ,,schwarz“ sind? Würde man Selektivstrahler sehen? → zur Lösung
•• 11.2.19 Weltraumkälte Ist es wahr, ,,dass die Temperatur des Weltraums 0 K ist“? Hat die Aussage überhaupt einen Sinn ohne Bezug auf einen Probekörper, von dessen Temperatur die Rede ist? Welche Eigenschaften des Probekörpers bestimmen seine Temperatur? Wie hängt die Temperatur vom Ort im Weltall ab? Man betrachte einen schwarzen Körper an einem ,,typischen Ort“ innerhalb der Galaxis, d. h. etwa gleich weit von den nächstgelegenen Sternen entfernt. Welche Temperatur nimmt er an? (Vernachlässigen Sie zunächst die Existenz der übrigen Galaxien.) Entsprechend für einen ,,typischen intergalaktischen Ort“ im einsteinschen sphärischen Weltall. Daten: Mittlere Entfernung zwischen Fixsternen in der Galaxis: 7 Lichtjahre; mittlere Entfernung zwischen Galaxien: 5 · 106 Lichtjahre; eine mittlere Galaxis enthält knapp 1011 Sterne; mittlere Leuchtkraft der Sterne etwa gleich Leuchtkraft der Sonne. → zur Lösung
• 11.2.20 Sherlock-Holmes Szene: Baker Street, abends. Während Sherlock Holmes (H) seine Violine stimmt, blättert Dr. Watson (W) in einem Lexikon. W.: ,,Stellen Sie sich vor, Holmes: Die gesamte Strahlungsemission oder -absorption eines Körpers ist proportional der vierten Potenz seiner absoluten Temperatur!“ H.: ,,Was ist absolute Temperatur?“ W.: ,,Der absolute Nullpunkt liegt bei −273 ◦ C. 1◦ absolut als Temperaturdifferenz ist gleich 1 ◦ C.“ Holmes streckt den Arm mit abgespreiztem Daumen vor sich hin in Richtung des Fensters, hinter dem gerade die Sonne untergeht. Kurze Pause. H.: ,,Wenn das so ist, mein lieber Watson, hat die Sonne eine Oberflächentemperatur von etwa 6 000◦ absolut.“ W.: ,,Ihre astrophysikalischen Kenntnisse überraschen mich, Holmes!“ H.: ,,Mein Lieber, sie sind gleich Null. Ich weiß nicht einmal, wie weit die Sonne entfernt ist. Reine Kombinationsgabe! Sehen Sie . . . (das Gerassel einer Kutsche übertönt Teile des Folgenden): . . . mein Arm ist . . . mein Daumen . . . Sonne etwa viermal . . . mal so weit entfernt wie ihr Durchmesser lang ist . . . verdünnt auf ein . . . stel. Die Erde als Ganzes ist schon lange genug . . . ebenso viel wie sie ausstrahlt . . . . Ihr T 4 -Gesetz . . . zel Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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aus Radienverhältnis . . . etwa 6 000◦ absolut . . . ist das nicht einfach genug?“ Können Sie die Lücken in Holmes’ Deduktion ergänzen? → zur Lösung
• 11.2.21 Glühlampe Welchen Einfluss hat die Schmelztemperatur des Glühfadenmaterials auf die Strahlungsleistung einer Glühlampe? Eine Osmium-WolframLegierung schmilzt bei 3 400 ◦ C und hat einen spezifischen Widerstand von 5 · 10−7 Ωm. Schätzen Sie Oberfläche, Länge, Querschnitt des Glühdrahtes für eine 100 Watt-Lampe aus diesem Material. Vergleichen Sie mit der scheinbaren Spannlänge des Drahtes. Welcher Anteil der Gesamtstrahlung fällt ins Sichtbare? Welcher Anteil kommt als physiologisch wahrgenommenes Licht zur Geltung (graphische Schätzung)? → zur Lösung
• 11.2.22 Superlampe Angenommen, eine Lichtquelle mit der Farbtemperatur 20 000 K kommt auf den Markt. Kaufen Sie sie, warum und wozu: wegen der hohen lm/WZahl, zur Projektion von Dias, o. Ä.? → zur Lösung
• 11.2.23 Halogenlampe Atomares Wolfram bildet mit Halogenen Wolframhexahalogenide, die in der Hitze (ab ca. 2 000 ◦ C) wieder zerfallen. Warum sind Halogenlampen so hell? → zur Lösung
•• 11.2.24 Beste aller Welten Unsere Welt ist optisch recht nett eingerichtet: Unser Auge ist am empfindlichsten für Wellen, die die Sonne maximal abstrahlt. Die Atmosphäre lässt gerade diese Wellen besonders gut durch, im Gegensatz zu längeren und kürzeren. Feste und flüssige Objekte beeinflussen aber gerade diese Wellen besonders einschneidend, so dass wir diese Objekte deutlich sehen können (im Gegensatz zu Gasen). Wie weit ist all dies zufällig, wie weit gesetzmäßig? Welche Empfindlichkeitskurve erwarten Sie bei Bewohnern eines Planeten eines heißen O-Sterns (etwa 25 000 K Oberflächentemperatur)? → zur Lösung
•• 11.2.25 Sternatmosphäre Wenn ein Stern i. Allg. weder in sich zusammenbricht noch explodiert, verdankt er das dem Gleichgewicht zwischen Gasdruck und Gravitationsdruck. Man kann dieses Gleichgewicht auf mehrere Arten formulieren: Als Druckgleichheit, aus der Kreisbahnbedingung, aus dem Virialsatz. Zeigen Sie, dass dieses Gleichgewicht stabil ist. Wie regeln sich die Parameter des Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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Sterns (Masse M, Radius R, Temperatur T , mittlerer Teilchenabstand d, Gesamtteilchenzahl N, mittlere Teilchenenergie W) aufeinander ein? → zur Lösung
• 11.2.26 Sternentwicklung Ein Stern verliert ständig Energie durch Abstrahlung. Wird er dadurch kühler? Denken Sie z. B. an einen Satelliten: Wenn er in der Hochatmosphäre gebremst wird, läuft er immer schneller um. Warum? Denken Sie auch ans Bohr-Atom: Je energieärmer, also je enger die Bahn, desto schneller wird sie durchlaufen. Stimmt die Analogie mit dem Stern? → zur Lösung
• 11.2.27 Sonnenalter Wie lange könnte die Sonne ihre Strahlung aufrechterhalten aus chemischer Energie, aus der Gravitationsenergie (Kontraktion)? Ziehen Sie geologisch-paläontologische Konsequenzen. Charles Darwin war gegen Ende seines Lebens so beeindruckt von den Argumenten der damaligen Physik (besonders Lord Kelvins), dass er sich gezwungen glaubte, lamarckistische Evolutionsmechanismen anzunehmen, damit die Entwicklung etwas schneller ginge. Er gab seine eigene Grundidee auf, bevor die moderne Physik sie rechtfertigen konnte. → zur Lösung
• 11.3.1 Veilchenfarbige Ägäis Man hat spekuliert, dass UV und UR, wenn wir sie sehen könnten, keinen wesentlich neuen Farbeindruck böten, sondern nur die bekannten auf höherer bzw. tieferer Oktave wiederholten, ähnlich wie bei den Tönen. – dass Homer von der ,,veilchenfarbigen See“ spricht, hat man so gedeutet, dass die alten Griechenaugen weiter ins UV empfindlich gewesen seien. Bestehen physikalische oder physiologische Gründe für diese Annahmen? → zur Lösung
• 11.3.2 Farbdreieck Wie sähe das Farbdreieck aus und wie würde sich vermutlich unser Farbempfinden ändern, wenn die Spektralempfindlichkeiten der drei Rezeptoren nicht überlappten oder der sekundäre kurzwellige Buckel des Rot-Rezeptors fehlte? → zur Lösung
• 11.3.3 Crab-Nebel Die Supernova aus dem Jahr 1 054 n. Chr. war nach chinesischen Berichten viel heller als Venus, man konnte in ihrem Licht fast so gut sehen wie bei Vollmond. Ihre Explosionswolke, der Crab-Nebel, erscheint heute unter 6,5 Bogenminuten Durchmesser. In seinem Spektrum misst man DopplerVerschiebungen bis zu ∆λ/λ = 0,0043, die offenbar von der Expansion des Nebels stammen. Kann die Expansion durch Eigengravitation gebremst sein? Wie weit ist der Crab-Nebel von uns entfernt? Vergleichen Sie die Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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absolute Leuchtkraft der Supernova mit der der Sonne. Was würde geschehen, wenn α Centauri (4,3 Lichtjahre entfernt) zur Supernova würde? Stiege die Temperatur auf der Erde merklich? Das Helligkeitsmaximum einer Supernova dauert etwa 10 Tage. Welche Gesamtenergie strahlt sie während dieser Zeit aus? Vergleichen Sie mit der Fusionsenergie für einen Wasserstoffstern und mit der gravitativen Kontraktionsenergie. Wie weit müsste ein Stern kontrahieren, um dadurch diese Energie aufzubringen? → zur Lösung
• 11.3.4 Fixstern-Parallaxe Einer der Haupteinwände (intelligenter) Kritiker gegen Copernicus wie schon 1 800 Jahre vorher gegen Aristarch war folgender: Wenn sich die Erde auf einem so riesigen Kreis um die Sonne bewegte, müssten sich doch die Fixsterne scheinbar im entgegengesetzten Sinn verschieben, d. h. Parallaxen zeigen. Copernicus wie Aristarch gaben die einzig sinnvolle Antwort: Die Sterne sind so weit weg, dass ihre Parallaxe unter der Messgrenze liegt (für beide Forscher war diese etwa 5 Bogenminuten; warum?). Wie fern müssen also die Sterne sein? Wie verschob sich diese Schätzung mit der Erfindung und Weiterentwicklung des Fernrohrs? Newton zog aus der einfachen Tatsache, dass Saturn so hell ist wie ein Fixstern 1. Größe, völlig unabhängig die Folgerung, die Fixsternparallaxen müssten tatsächlich kleiner als 1 Bogensekunde sein. Wie argumentierte Newton? → zur Lösung
•• 11.3.5 Sonneneinstrahlung Schätzen Sie die Gesamtenergie, die Orte verschiedener geographischer Breite in verschiedenen Jahreszeiten von der Sonne empfangen, ebenso wie die Gesamtenergie im Lauf eines Jahres in Abhängigkeit von der geographischen Breite. Arbeiten Sie am besten graphisch, denn die auftretenden Integrale sind ziemlich eklig. Ziehen Sie klimatologische Folgerungen. → zur Lösung
• 11.3.6 Sonneninneres Materie im Sonneninnern hat etwa 107 K. Bei welcher Wellenlänge liegt ihr Emissionsmaximum? Welche Strahlungsenergiedichte herrscht dort? Wenn ein Klümpchen von 1 cm3 dieser Materie isoliert und irgendwie durch eine vollkommen durchsichtige Hülle zusammengehalten werden könnte, wie schnell würde es sich relativistisch zerstrahlen? Welchen Druck würde seine Strahlung in 1 km Abstand ausüben? Warum geht die Zerstrahlung im Sonneninnern nicht so schnell? → zur Lösung
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•• 11.3.7 Treibhauseffekt Erklären Sie in Worten, warum es in einem ungeheizten Treibhaus mit Glasdach wärmer ist als draußen. Eine dünne Glasplatte absorbiert Infrarotlicht mit Wellenlängen oberhalb 20 µm. Alles andere lässt sie praktisch ungeschwächt durch. Das Treibhausdach stand längere Zeit ganz offen und wird dann wieder zugedeckt. Für die drei Zustände: Offenes Treibhaus – unmittelbar nach dem Zudecken – längere Zeit nach dem Zudecken stellen Sie schematisch Strahlungsbilanzen auf, indem Sie die Leistungen von Einstrahlung und Rückstrahlung durch entsprechende Anzahlen von Pfeilen darstellen. Welche Temperatur kann das Treibhaus annehmen, wenn die Sonne voll darauf scheint? Die Abdeckplatte eines Sonnenkollektors kann 90% der Rückstrahlung absorbieren, aber das Sonnenlicht fast ungeschwächt durchlassen. Wie warm kann es im Innern des Kollektors werden? Warum absorbiert Glas wie die meisten Stoffe im Infraroten, lässt aber sichtbares Licht durch? Wo erwarten Sie noch einen Absorptionsbereich des Glases? Welche Teilchen sind für diese Absorptionen verantwortlich? → zur Lösung
• 11.3.8 Siafu Die gefürchteten Treiberameisen (Siafu) bauen kein Nest im Boden oder im Holz, sondern formen eines aus ihren eigenen Körpern: Alle nicht zum Jagen benötigten Arbeiterinnen bilden eine Hohlkugel, in der sie die zur Larvenaufzucht nötige konstante Temperatur aufrechterhalten. Worin liegt der Unterschied zum Fall des Tallegalla-Huhns (Aufgabe 5.4.10)? Was müssen die Ameisen machen, wenn es draußen kälter bzw. wärmer wird? Stellen Sie eine Leistungsbilanz auf und entwickeln Sie daraus eine Formel oder ein Diagramm, nach dem sich die Ameisen richten könnten. Die Konvektion sei vernachlässigt. → zur Lösung
Kapitel 12: Aufgaben . . .
• 12.1.1 Konstante Proportionen Ein Sultan hatte einen sehr intelligenten, aber mindestens ebenso kurzsichtigen Wesir. Eines Tages führte er ihn auf sein Reiterübungsfeld. ,,Was geschieht dort drüben“, fragte er ihn. ,,Eine größere braune Masse vereinigt sich mit einer kleineren weißen, nachdem jemand ,Aufgesessen’ geschrien hat.“ ,,Und dort links?“ ,,Ähnliches, obwohl dort die eine Masse schwarz ist und beide kleiner sind.“ Könnte der Wesir durch sorgfältige Beobachtungen Genaueres über die Vorgänge herausbringen? → zur Lösung
• 12.1.2 Panspermie Berechnen Sie den Strahlungsdruck des Sonnenlichts auf ein Teilchen vom Radius r. Gibt es Teilchengrößen, bei denen der Strahlungsdruck mit der Gravitation wetteifern kann? Hängt dieser kritische Radius vom Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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Abstand von der Sonne ab? Beschreiben Sie quantitativ die Reise eines Teilchens unter dem Einfluss dieser Kräfte. Diskutieren Sie den Effekt als interstellares Verkehrsmittel von Bakteriensporen u. Ä., besonders hinsichtlich des Fahrplans. Halten Sie danach die von Arrhenius vertretene Panspermie für eine Möglichkeit zur Lösung der Frage nach der Entstehung des Lebens? → zur Lösung
• 12.1.3 Strahlungs-undGasdruck Gibt es eine Temperatur, bei der der Strahlungsdruck einer Gasmasse den gaskinetischen Druck überholt? Wird diese Temperatur in der Sonne erreicht? Welchen Strahlungsdruck würde z. B. 1 cm3 Materie aus dem Sonneninnern etwa in 1 km Abstand ausüben, wenn man sie intakt auf die Erde brächte? Explodieren Atombomben mehr infolge des gaskinetischen oder des Strahlungsdrucks? → zur Lösung
• 12.1.4 Compton-Effekt Wie groß ist die relative Wellenlängenänderung beim Compton-Effekt für die K α -Röntgenstrahlung von Blei? Wie stellen Sie sich ein Experiment zu Nachweis und Präzisionsmessung dieser Änderung vor? → zur Lösung
•• 12.1.5 Seldowitsch-Sunjajew-Effekt Ein Photon stößt zentral mit einem Elektron. Wer prallt zurück? Wie ändert sich die Frequenz des Photons? Anwendung z. B. auf die 3 K-Photonen der Penzias-Wilson-Strahlung und die 106 K-Elektronen des intergalaktischen Plasmas. → zur Lösung
•• 12.1.6 Mößbauer-Effekt Wieso sind manche γ-Linien so scharf? Kommt die geringe relative Breite nach der Theorie der klassischen Strahlungsdämpfung heraus? Was für Teilchen schwingen? Welche Lebensdauern müssen die Ausgangszustände solcher Übergänge haben? Um was für Übergänge muss es sich handeln? Wie dürfte die relative Linienbreite von der Energie des Quants abhängen? → zur Lösung
• 12.2.1 De Broglie-Wellenlängen Wie groß ist die de Broglie-Wellenlänge für verschiedene Objekte bei der mittleren kinetischen Energie der Raumtemperatur: Wasserstoff-Atom, Uran-Atom, C60 -Molekül und Bakterium bei thermischen Geschwindigkeiten; ein Gummibärchen (1 g), das vom Tisch fällt, ein Tennisball beim Aufschlag (200 km/h), ein Kleinwagen im Stadtverkehr. Ist die Ausdehnung eines Wellenpaketes ∆λ λ kleiner oder größer als das Objekt selbst? → zur Lösung
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•• 12.2.2 Düker-Möllenstedt-Versuch Man findet für 1 eV-Elektronen einen Streifenabstand δ = 1 µm (Abb. 12.5, 12.6). Welche Ladung trägt der Ablenkdraht? Der Draht sei 5 µm dick, der Rest der Apparatur sei etwa 20 cm von ihm entfernt. Welche Spannung hat man an den Draht gelegt? Kann man die Elektronen wesentlich langsamer machen, und wozu wäre das gut? → zur Lösung
• 12.2.3 Neutronenbeugung Welche Neutronenenergien eignen sich zur Aufnahme von Kristallbeugungsbildern? Diskutieren Sie Abb. 12.48. Braucht man einen Reaktor? Wozu dienen die Cd-Spalte? Erhält man auf die dargestellte Weise monochromatische Neutronen? Wenn nein, wie sonst? Müssen sie monochromatisch sein? Kernreaktor
Zählrohr
KadmiumSpalte 5m
KalkspatKristall (drehbar)
Abb. 12.48. Neutronenspektrometer zur Kristallstrukturanalyse
→ zur Lösung
•• 12.2.4 Wellenpaket Ein Teilchen muss durch eine Welle dargestellt werden, deren Amplitude die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens an der betreffenden Stelle angibt. Was kann man über den Ort eines Teilchens aussagen, das durch eine harmonische Welle (scharfer Wert von λ) beschrieben wird? Wir überlagern zwei harmonische Wellen mit λ1 und λ2 , aber gleicher Phasengeschwindigkeit. Welcher Impulsdifferenz entspricht das, speziell bei λ1 ≈ λ2 ? Welche Schwebungsfrequenz tritt auf? Welche räumliche Ausdehnung hat ein Schwebungsmaximum? Wenn wir andere Wellen mit λ zwischen λ1 und λ2 hinzufügen, die einander alle in einem Schwebungsmaximum verstärken, was wird aus den anderen Schwebungsmaxima? Auf welchen Raumbereich ∆x ist das entstehende Wellenpaket lokalisiert? Welcher Zusammenhang besteht zwischen ∆x und ∆ p? → zur Lösung
• 12.2.5 Makroskopische Unbestimmtheit Spielt die Unbestimmtheitsrelation für makroskopische Objekte eine Rolle? Sie messen den Ort eines Steins, Sandkorns, Bakteriums so genau, wie das unter dem Mikroskop möglich ist, und überzeugen sich auch, dass die Objekte allem Anschein nach ruhen. Keinerlei äußere Kräfte wirken ein, selbst das Bakterium bewegt sich nicht aktiv. Mit welcher Genauigkeit lässt sich der Ort der Objekte nach einem Tag, 30 Jahren, Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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1010 Jahren voraussagen? Es sei, z. B. durch tiefe Temperatur, gesichert, dass das Bakterium noch da ist. → zur Lösung
•• 12.2.6 Unbestimmtheitsrelation Die Unbestimmtheitsrelation wird zu einem heuristischen Werkzeug von unglaublicher Kraft, wenn man die Worte mindestens und höchstens benutzt. Wenn z. B. der Ort eines Teilchens um höchstens ∆x unsicher ist, muss die Impulsunschärfe mindestens ∆ p = h/∆x sein. Wenn der Impuls aber so ,,verschwimmt“, kann und muss auch eine bestimmte kinetische Energie vorhanden sein (Nullpunktsenergie). Wenden Sie das auf ein Teilchen an, von dem man weiß, dass es in einem Kasten von der Abmessung d sitzt. Anwendungen dieser Idee beherrschen sämtliche folgenden Kapitel. Eine Unbestimmtheitsrelation gilt auch zwischen Drehwinkel und Drehimpuls. Betrachten Sie irgendein rotierendes Objekt. Welchen Höchstfehler kann man in der Lageangabe (Winkel) machen? Welchem Mindest-Drehimpuls entspricht das? Ein System lebt nur eine Zeit ∆t. Wie unscharf ist seine Energie? Anwendungen? → zur Lösung
•• 12.3.1 Strahlungsdämpfung Führt die klassische Strahlungsdämpfung zu einem exponentiellen zeitlichen Abfall der Amplitude der emittierten Welle? → zur Lösung
• 12.3.2 Doppler-Breite In heißen Gasen beobachtet man eine Linienverbreiterung, die der Wurzel aus der Temperatur proportional ist. Können Sie aus dem Namen DopplerVerbreiterung schließen, wie sie zustande kommt? Wann überwiegt die Druck-, wann die Doppler-Verbreiterung? Wann beginnen sich beide von der natürlichen Linienbreite abzuheben? → zur Lösung
• 12.3.3 Leuchtdauer W. Wien hat versucht, die Leuchtdauer der Atome an Kanalstrahlionen oder durch deren Umladung entstandenen Atome direkt zu messen. Wie verhindert man, dass die Teilchen nach dem Durchtritt durch die Kathode neu angeregt werden? Bei 30 kV-Wasserstoff-Kanalstrahlen ist die Leuchtdichte des Strahles etwa 1 cm hinter der Kathode auf 1/e abgefallen. Schlussfolgerung? Wie könnte man die Teilchengeschwindigkeit direkt aus dem Spektrum messen? → zur Lösung
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•• 12.3.4 Anregungsfrequenz Man betrachte ein Atom in einer Gasflamme (1 000 K), in einem Hochofen (2 000 K), in der Sonnenphotosphäre (6 000 K). Wieviel Zeit verstreicht im Durchschnitt zwischen zwei Emissionen von Photonen durch dieses Atom? Man vergleiche mit der Umlaufzeit eines Elektrons im Rutherfordoder Bohr-Modell, die man als ,,1 Jahr“ im ,,atomaren Planetensystem“ auffassen kann. Wo herrscht mehr Betrieb, im Sonnensystem oder im Atom? → zur Lösung
•• 12.3.5 Linienbreite Isolierte Atome können nur ganz scharfe Spektrallinien absorbieren, wie die Erfahrung zeigt. Warum wird aber ein Photon mit etwas höherer Energie nicht auch absorbiert, wobei das Atom den Energieüberschuss als kinetische Energie aufnimmt? → zur Lösung
•• 12.3.6 Spontane Elektronenemission? Warum ist in Abb. 12.25 kein Elektronenstoß-Analogon zur spontanen Emission gezeichnet? → zur Lösung
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•• 12.5.1 Fusionsbedingung
Ein geladenes Teilchen A fliegt auf ein anderes B zu, so dass es, wenn es seine Bahn geradlinig fortsetzte, im Minimalabstand a am Teilchen B vorbeikäme. Welche Kräfte wirken zwischen den Teilchen, welcher Impuls wird übertragen? Unter welchen Bedingungen bleibt die Bahn praktisch geradlinig (vgl. Aufgabe 17.3.3)? Dies war die klassische Beschreibung der Situation. Unter welchen Bedingungen macht die Unschärferelation diese Beschreibung hinfällig? Kann man sagen, was unter diesen Bedingungen passiert? Erkennen Sie die Bedingung im Bohr-Atom wieder? Welche Energie entspricht dieser Bedingung im Fall zweier stoßender Protonen? Welches ist die entsprechende Temperatur thermischer Protonen (minimale Fusionstemperatur Tfus )? → zur Lösung
•• 12.5.2 Fusionstemperatur Ein Proton fliegt zentral auf ein anderes zu. Bis zu welchem Abstand a kommen sie einander nahe? Bedenken Sie, dass ein Proton eine de BroglieWellenlänge λ hat und dass es Potentialwälle durchtunneln kann, wenn deren Dicke nicht zu groß gegen λ− = λ/(2π) ist. Von welchen Energien und Temperaturen ab ist Fusion der Protonen möglich? → zur Lösung
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• 12.6.1 Funktionen als Vektoren Welche Winkel bilden die Funktionen sin nx, sin mx, cos nx, cos mx miteinander (n, m ganz, n = m bzw. n = m), wenn man als Integrationsbereich in der Winkeldefinition (0, 2π) zugrundelegt? Hilft die ei x -Darstellung bei der Rechnung? Wenn man den Integrationsbereich auf (−∞, +∞) erweitert, kann man dann eine der obigen Voraussetzungen fallen lassen? → zur Lösung
•• 12.6.2 Orthogonalität I Welche Rolle spielt die Orthogonalität eines Funktionensystems in der Herleitung der Fourier-Reihe für einen periodischen bzw. des FourierIntegrals für einen beliebigen Vorgang? Wie würden die Ausdrücke für die Koeffizienten bzw. Amplituden aussehen, wenn die zugrundegelegten Funktionen nicht orthogonal wären? → zur Lösung
• 12.6.3 Lineare Unabhängigkeit Beweisen Sie: Eigenvektoren einer Matrix, die zu verschiedenen Eigenwerten gehören, sind linear unabhängig. → zur Lösung
• 12.6.4 Orthogonalität II Beweisen Sie: Zwei Eigenvektoren einer symmetrischen Matrix, die zu verschiedenen Eigenwerten gehören, sind orthogonal. → zur Lösung
• 12.6.5 Hermitesche Operatoren Welche der Operatoren in Tabelle 12.2 sind hermitesch? Welche sind linear? Speziell: Wie muss K(x, x ) aussehen, damit der Integraloperator hermitesch ist? Versuchen Sie auch Eigenfunktionen und Eigenwerte für die angegebenen Operatoren zu finden. → zur Lösung
•• 12.6.6 Entwicklung nach Eigenfunktionen Ein linearer Operator A habe ein vollständiges Eigenfunktionensystem fk , d. h. jede Funktion ψ lasse sich nach den f k entwickeln: ψ = ck f k . Beschreibt der Vektor der ck die Funktion ψ ebensogut wie die übliche Art, ψ anzugeben? Vergleichen Sie mit der Darstellung eines dreidimensionalen Vektors als ,,Pfeil“ bzw. durch seine Komponenten. Wie drücken sich ψ · ψ und ϕ · ψ durch die Koeffizienten aus? Wieso ist die Lage bei einem hermiteschen Operator einfacher? Worin besteht die entsprechende Vereinfachung bei den Dreiervektoren? Bilden Sie auch den Ausdruck Aψ in Koeffizientenschreibweise. Wenn ψ vollständig durch die ci charakterisiert ist, wie sieht dann die entsprechende Charakterisierung des Operators A aus? Jetzt betrachten Sie irgendein vollständiges Orthogonalsystem gk , das nicht das Eigenfunktionensystem von A zu sein braucht. Was ändert sich an den bisherigen Betrachtungen? Kann man sagen, der Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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Operator sei in dieser ,,gk -Darstellung“ vollständig durch eine Matrix charakterisiert? Wie berechnen sich die Elemente dieser Matrix? Versuchen Sie auch den Ausdruck ϕ · Aψ. Welche Besonderheiten ergeben sich, wenn A hermitesch ist? → zur Lösung
•• 12.6.7 Eigenwertbestimmung Beweisen Sie die Richtigkeit einer ,,klassischen“ und einer ,,modernen“ Methode zur Bestimmung von Eigenvektoren und Eigenwerten einer Matrix A: (1) Man löse die ,,Säkulargleichung“ A − λU = 0. bedeutet die Determinante der darinstehenden Matrix. U ist die Einheitsmatrix. Die Lösungen λ sind die Eigenwerte. Wie viele gibt es? Wie geht man praktisch vor, um sie zu berechnen? (2) Man nehme irgendeinen Vektor x0 und wende A auf ihn an. Das Ergebnis normiere man durch Division durch den Faktor λ1 und nenne es x1 . Dies Verfahren setze man fort, bis sich xi nicht mehr ändert. Dann ist λi der Eigenwert mit dem größten Absolutbetrag und xi der zugehörige Eigenvektor. → zur Lösung
•• 12.6.8 Hilbert-Raum Die Mathematiker führen den Begriff des Vektorraums folgendermaßen ein: Ein metrischer Vektorraum R ist eine Menge von Elementen, genannt Vektoren, zwischen denen folgende Operationen erklärt sind: (1) Addition zweier Vektoren; Ergebnis ein anderer Vektor; (2) Multiplikation von Vektor und (komplexer) Zahl; Ergebnis ein anderer Vektor; (3) skalare Multiplikation zweier Vektoren; Ergebnis eine Zahl. Diese Additionen und Multiplikationen sind wie üblich kommutativ (im Komplexen hermitesch) und distributiv. Zeigen Sie, dass die Menge der quadratisch integrierbaren Funktionen einen Vektorraum (den Hilbert-Raum) bildet, wenn man erklärt: f · g = f(x)g(x) dx. Die Dimension von R ist die Anzahl von an , die man mindestens braucht, um jeden Vektor b aus R Vektoren a1 , . . . , in der Form b = ck ak darstellen zu können. Welche Dimension hat der Hilbert-Raum? → zur Lösung
•• 12.6.9 Operator der Standard-Abweichung Der Operator A gehöre zur physikalischen Größe a. Wie heißt der Operator der Streuung von a, d. h. der Operator, dessen Mittelwert (für eine gegebene Zustandsfunktion) gleich der Streuung ∆a ist? → zur Lösung
•• 12.6.10 Unbestimmtheitsrelation
A und B seien hermitesche Operatoren. Ihr Minuskommutator heiße C/i, d. h. C = i(AB − BA). Welche Vertauschungsrelation gilt für die Operatoren der Streuungen von a und b, d. h. ∆A und ∆B? Beweisen Sie: 2 (∆A)2 · (∆B)2 14 C . Welche physikalische Nutzanwendung können Sie ziehen? Hinweis: Bilden Sie den Operator D = A + iαB, α beliebig reell.
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Untersuchen Sie den Ausdruck F(α) = D∗ ψ ∗ · Dψ. Kann man über das Vorzeichen von F(α) unabhängig von ψ und α etwas aussagen? Welche Bedingung folgt daraus für die Koeffizienten von α in dem Ausdruck F(α)? Betrachten Sie das Minimum von F(α). Achten Sie bei allen Umformungen genau auf Hermitizität, Komplexheit und Vertauschbarkeit! → zur Lösung
• 12.6.11 Teilchen = Welle
In welchem der Axiome kommt besonders deutlich zum Ausdruck, dass alle physikalischen Systeme Welleneigenschaften haben? Bedenken Sie: Bei der Interferenz addieren sich die Amplituden der Teilwellen; erst das Amplitudenquadrat gibt die Energie. Andererseits kann man einen komplizierten Wellenvorgang aus Teilwellen zusammengesetzt denken, wenn das für die Behandlung bequemer erscheint. Gibt es auch Unterschiede zwischen ψ- und gewöhnlichen Wellen? → zur Lösung
•• 12.6.12 Vertauschbarkeit Zeigen Sie: Wenn zwei Größen a und b gleichzeitig, d. h. für die gleichen Zustände scharfe Werte besitzen, müssen die zugehörigen Operatoren A und B vertauschbar sein, d. h. es muss AB = BA gelten. → zur Lösung
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• 12.6.13 Impulsoperator
Untersuchen Sie die Vertauschbarkeit zwischen den Operatoren der Impulskomponenten px , p y , pz und dem Operator des Gesamtimpulses. Sind diese Ergebnisse physikalisch sinnvoll? → zur Lösung
•• 12.6.14 Drehimpuls I Wir bilden den Drehimpulsoperator. Seine x-Komponente L x verhält sich zum Drehwinkel ϕ um die x-Achse ebenso wie die x-Komponente px des Impulsoperators zur Koordinate x. Geben Sie auch den vollständigen Ausdruck für L (alle Komponenten). Hätte man auch von der klassischen Vektorformel L = r × p ausgehen können? Welche Eigenfunktionen und Eigenwerte hat L x ? Welches ist der wesentliche Unterschied zum Impulsoperator? Was bedeuten die Eigenfunktionen? Ist L x hermitesch? Sind die einzelnen Komponenten von L miteinander und mit L selbst vertauschbar? → zur Lösung
•• 12.6.15 Drehimpuls II Ein System kann frei um eine feste Achse rotieren, d. h. einer solchen Drehung stehen keine Kräfte entgegen. Suchen Sie physikalisch interessante Beispiele. Wie wird man diesen ,,raumfesten starren Rotator“ quantenmechanisch behandeln? Für welche Operatoren ist die Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
Zustandsfunktion dieses Systems Eigenfunktion? Welche Drehimpuls- und Rotationsenergiewerte kommen für stationäre Zustände in Frage? → zur Lösung
• 12.6.16 Standard-Abweichung Fast ebenso wichtig wie der Mittelwert einer Größe a ist auch ihre Streuung um diesen Mittelwert (Standardabweichung, mittlere Schwankung). Wie lässt sich diese Streuung durch den Operator A ausdrücken? Wie sieht danach ein Zustand mit scharfem Wert von a aus? → zur Lösung
•• 12.6.17 Hamilton-Operator Der Mittelwert einer Größe a kann zeitlich veränderlich sein, auch ohne dass der entsprechende Operator A eine explizite Zeitabhängigkeit enthält. Dann stammt die Zeitabhängigkeit natürlich aus der Zustandsfunktion selbst. Können Sie einen Operator angeben, aus dem sich a˙ nach den üblichen Regeln ergibt? Versuchen Sie es mit den Operatoren AH und HA. Wie ändern sich speziell die Mittelwerte von x und px ? → zur Lösung
•• 12.6.18 Teilchen im Magnetfeld Konstruieren Sie den Hamilton-Operator H für ein Teilchen im Magnetfeld. Hinweis: Das Feld lässt sich ,,wegtransformieren“, indem man das Bezugssystem mit der Larmor-Frequenz rotieren lässt. Damit ergibt sich ein Zusammenhang zwischen Feld und Drehimpulsoperator. Da man H in der üblichen Darstellung aus dem Impulsoperator aufbaut, geht man besser vom Vektorpotential aus (vgl. Aufgabe 7.6.3). Nutzen Sie die formalen Entsprechungen zwischen diesen Größen aus. Welche Rolle spielt dieser Ausdruck in der Theorie der Supraleitung (vgl. Aufgabe 16.7.2)? → zur Lösung
• 12.6.19 Unbestimmtheit I In einer richtig betriebenen Wilson-Kammer haben die Tröpfchen, aus denen sich die Teilchenspur zusammensetzt, nicht viel mehr als 1 µm Durchmesser. Kann man hier praktisch von einer klassischen Bahn sprechen, oder machen sich Impulsunschärfen bemerkbar (ggf. wie)? Wir sprechen hier nicht von den Stoßprozessen, die die Ionisierung bewirken, sondern nur von der ,,Bahn als solcher“, die durch die Tröpfchen markiert ist. → zur Lösung
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•• 12.6.20 Unbestimmtheit II Spielt die Unbestimmtheitsrelation wirklich für makroskopische Systeme keine Rolle? Es gelingt bekanntlich niemandem, einen gut gespitzten Zahnstocher auf harter Unterlage ohne Hilfsmittel so senkrecht auszubalancieren, dass er auf der Spitze stehenbleibt. Liegt das am Ungeschick oder an der Unschärfe? Wie lange dauert es z. B. maximal, bis die quantenmechanischen Unschärfen von Einstellwinkel und Drehimpuls um die Spitze zu einer Neigung von 1◦ gegen die Senkrechte führen? Das Ergebnis ist verblüffend. Kann man daraus wirklich schließen, die Unbestimmtheitsrelation spiele praktisch hier eine Rolle? → zur Lösung
•• 12.7.1 Harmonischer Oszillator Wie verhält sich ein Teilchen der Masse m in einem parabolischen Potentialtopf U = 12 Dx 2 ? Bestimmen Sie die möglichen stationären Zustände, d. h. Eigenfunktionen und Eigenwerte des Hamilton-Operators. Die Schrödinger-Gleichung vereinfacht sich, wenn man als Energie√ einheit 12 hω = 12 h D/m benutzt und als x-Einheit die Amplitude, die ein klassischer Oszillator bei dieser Energie hätte. Welche Glieder der Schrödinger-Gleichung bleiben für sehr große x noch übrig? Zeigen Sie, dass der entsprechende asymptotische Verlauf der Lösung durch eine Gauß-Funktion gegeben ist. Diese Gauß-Funktion multipliziert sich noch mit einem Polynom in x, einem Hermite-Polynom H(x). Wie lautet dessen Differentialgleichung? Jetzt kommt das Entscheidende: Für x → ±∞ muss ψ verschwinden (warum?). In einer unendlichen Potenzreihe H(x) würden aber die Glieder mit hohen x-Potenzen schließlich sogar das Abklingen der Gauß-Funktion kompensieren. Die Potenzreihe H(x) muss also abbrechen. Wie heißt die Bedingung dafür? Bestimmen Sie die ersten Hermite-Polynome. Vergleich mit dem klassischen Verhalten: Wo ist das klassische, wo das quantenmechanische Teilchen am häufigsten anzutreffen (bei geringer und bei hoher Energie)? → zur Lösung
••• 12.7.2 Theorie des α-Zerfalls
Im ,,Fujiyama-Krater“ eines Kerns liegt ein α-Teilchen energetisch oberhalb des Nullniveaus. Bei welchen Kernen ist das der Fall (vgl. Aufgabe 17.1.7)? Wie kommt das Teilchen aus dem Berg? Wie hängt seine Austrittswahrscheinlichkeit von seiner Energie ab? Kann man den Potentialwall als Rechteck oder Dreieck annähern? Hinweis zur Behandlung des richtigen Potentials: 1 x −1 − 1 dx ≈ x0
1 0
x0
x −1 − 1 dx −
wenn x0 1 ;
x −1/2 dx ,
0
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ersten Integral substituiere man z. B. x = sin2 α; wie verhalten sich beim π/2 π/2 sin2 α dα und 0 cos2 α dα? Kommen die Daten in Abb. 17.19 rich0 tig heraus? Welcher Parameter muss angepasst werden? Warum gibt es 60 Nd, der leichteste bekannte α-aktive z. B. keine α-Strahler mit 20 MeV? 144 Kern, hat E = 1,5 MeV und τ1/2 ≈ 1015 Jahre. Kommt das richtig heraus? Liegt dieser Kern auf der Kurve von Abb. 17.19? → zur Lösung
•• 12.7.3 Feldemission An einem Metall liegt ein sehr hohes elektrisches Feld. Wie sieht das Potential für Elektronen dicht an der Metalloberfläche aus? Wie kommen die Elektronen nach draußen? Geben Sie eine Abschätzung für den Feldemissionsstrom. Zeichnen Sie die Bandstruktur für eine Halbleiterdiode mit sehr dünner Übergangsschicht, an der ein starkes Feld liegt. Wie kommen Elektronen vom Valenz- ins Leitungsband? → zur Lösung
•• 12.7.4 Potentialgraben Ein Teilchen sitzt in einem nur von x abhängigen RechteckPotentialgraben, der Wände von endlicher Höhe U hat. Diesen Wert hat das Potential außen überall. Wie unterscheiden sich Eigenwerte und Eigenfunktionen von denen im Fall U = ∞ bei E < U? Was passiert bei E U? Die Teillösungen für die drei Gebiete können Sie sofort hinschreiben, aber es bleiben unbestimmte Koeffizienten. Reduzieren Sie deren Anzahl: Was kann die ψ-Funktion im Unendlichen machen? Es bleiben die Anschlussbedingungen für ψ und ψ an den Bereichsgrenzen. Warum müssen beide stetig sein? Warum nicht z. B. auch ψ ? Beachten Sie weiter: Ein linear-homogenes Gleichungssystem hat nur dann eine nichtverschwindende Lösung, wenn die Determinante Null ist. Die entstehende transzendente Gleichung lässt sich graphisch sehr anschaulich lösen. → zur Lösung
•• 12.7.5 Zwei Potentialgräben Ein Teilchen sitzt in einem nur von x abhängigen Potential, bestehend aus zwei Gräben mit glattem Boden, getrennt durch eine Rechteckschwelle. Überall sonst ist das Potential unendlich hoch. Bestimmen Sie die stationären Zustände und deren Energien, speziell für die symmetrische Anordnung. → zur Lösung
•• 12.7.6 Kugelwelle Die ,,ebene“ stationäre Zustandsfunktion im kräftefreien Fall heißt ei(kx−ωt) . Zeigen Sie, dass die entsprechende kugelsymmetrische Funktion r −1 ei(kr−ωt) heißt. Vergleichen Sie mit ebener und Kugelwelle, z. B. Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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beim Licht. Was ändert sich am Ergebnis von Aufgabe 12.7.5, wenn die Abszisse r statt x bedeutet (r = 0, z. B. an der linken Wand)? → zur Lösung
•• 12.7.7 Tunneleffekt Der Tunneleffekt ist eigentlich ein Fall für die zeitabhängige SchrödingerGleichung. Betrachten Sie das Potential von Aufgabe 12.7.5 und untersuchen Sie, wie sich ein Zustand entwickelt, bei dem das Teilchen zunächst ganz in einem der Töpfe ist. Wie unterscheiden sich der ebene und der kugelsymmetrische Fall? Wie kann man zu einer Schwelle beliebiger Form übergehen? → zur Lösung
•• 12.7.8 Resonanzenergie Ein System hat zwei ,,Grenzzustände“, zwischen denen es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hin- und herspringen kann. Suchen Sie Beispiele. Man kann die Situation manchmal, aber nicht immer, durch zwei räumlich getrennte Potentialtöpfe darstellen. Der wirkliche Zustand ψ des Systems lässt sich aus den beiden Basiszuständen f i , i = 1, 2, ,,System ist im Zustand i“, aufbauen. Dieser Zustand ψ ist i. Allg. zeitabhängig. Was bedeutet das für die Entwicklungskoeffizienten? Sind f 1 und f 2 Eigenfunktionen des wirklichen Hamilton-Operators H? Wie lautet die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung? Verwandeln Sie sie in eine Matrixgleichung (üblicher Trick: Skalarmultiplikation mit f i ). Welche physikalische Bedeutung haben die Matrixelemente von H? Was kann man über sie sagen, wenn die Zustände 1 und 2 symmetrisch sind? Wieso treten zwei Frequenzen auf, wie heißen sie, was bedeuten sie? Welche stationären Zustände hat das System? Achten Sie besonders auf die ,,Resonanzenergie“. Wie sehen die nichtstationären Zustände aus? → zur Lösung
Kapitel 13: Aufgaben . . .
•• 13.1.1 Bohr-Modell anders Wir leiten die Bohr-Radien und Energiestufen auf etwas andere Weise her, die noch wesentlich verallgemeinerungsfähiger ist. Dazu brauchen wir nur die Unschärferelation ∆x ∆ p ≈ h. Ein Teilchen sei in ein Volumen mit dem Durchmesser d eingesperrt. Welches ist seine maximale Orts- und die zugehörige minimale Impulsunschärfe? Welchen Impuls und welche kinetische Energie (Nullpunktsenergie) hat also das Teilchen mindestens? Ein Elektron kann sich in verschiedener energetischer Höhe im CoulombPotentialtopf des Kerns ansiedeln. Setzen Sie die Gesamtenergie (E pot + E kin ) an. Wo liegt das Minimum? Eine dritte Art, zu den Bohr-Energien zu gelangen, zeigen Aufgaben 12.5.1 und 12.5.2. → zur Lösung
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• 13.1.2 Bohr-Geschwindigkeit Bestimmen Sie Umlaufgeschwindigkeiten und -frequenzen für das Elektron in den einzelnen Zuständen des H-Atoms. Lassen sich diese Rechnungen für höhere Atome fortsetzen? → zur Lösung
• 13.1.3 Ionisierung Wie kann man die Ionisierungsspannung des H-Atoms aus dem BohrModell bestimmen? Geht das für andere Elemente (vgl. z. B. Abb. 13.10, 15.1) auch direkt, oder welche Modifikationen muss man anbringen? → zur Lösung
• 13.1.4 Energie-Größenordnungen Vergleichen Sie folgende typischen Energien, immer bezogen auf ein Atom oder Molekül: Energie eines Elektrons im Atom (z. B. im H-Atom); chemische Energie, z. B. Bindungsenergie von H2 ; Bindungsenergie der Teilchen in einer Flüssigkeit, z. B. Wasser; Oberflächenenergie, z. B. der auf ein H2 O-Molekül entfallende Anteil; elastische Energie, z. B. aus Festigkeitsgrenze und Bruchdehnung eines Metalls. Deuten Sie die gefundenen Größenordnungen atomistisch (vgl. die vorstehenden Aufgaben). Kann man sagen, es handele sich eigentlich immer um die gleiche Art von Energie? → zur Lösung
•• 13.2.1 Rydberg-Atome In Abb. 13.11 sind die Linien Hη und Hϑ kaum noch, die höheren gar nicht mehr erkennbar. Verdünnt man das Entladungsgas, so erscheinen immer höhere Linien. Wie kommt das? Können Sie schätzen, mit welchem Gasdruck Abb. 13.10 aufgenommen worden ist? Würden Sie meinen, dass bei der Verdünnung unter sonst gleichen Entladungsbedingungen die übrigen Linien auch intensiver werden? → zur Lösung
•• 13.2.2 Balmer-Absorption Balmer-Absorptionslinien sind ziemlich schwer zu erzeugen. Warum? Unter welchen Umständen gelingt das doch? → zur Lösung
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• 13.3.1 Quantenbedingung Machen Sie sich das bohrsche Postulat, nach dem sich Drehimpulskomponenten immer nur um ganzzahlige Vielfache von h unterscheiden können, aus der Unbestimmtheitsrelation klar. Sie gilt z. B. zwischen Impulskomponente px und Koordinate x, aber auch zwischen Drehimpulskomponente und der entsprechenden konjugierten Variablen. Welche wird das sein? Welche maximale Unschärfe kann sie haben? Welcher minimale Unterschied in L z ergibt sich daraus? Warum gibt es keine so allgemeingültige Stufe für Impuls oder Energie? Unter welchen Umständen sind diese Größen überhaupt gequantelt, und warum ist es der Drehimpuls immer? → zur Lösung
• 13.3.2 Bohr-Magneton Geben Sie die Werte des gyromagnetischen Verhältnisses γ für die Teilchen in Tabelle 13.5 an. Welche anschauliche Bedeutung hat γ z. B. für ein ,,spinnendes Elektron“ oder ein Elektron auf einer bohrschen Kreisbahn? → zur Lösung
•• 13.3.3 Stern-Gerlach-Versuch Wie sollte das Profil der Silber-Niederschlagsdichte auf dem Schirm des Stern-Gerlach-Versuchs in Richtung der Achse des Elektromagneten aussehen? Berücksichtigen Sie die Geschwindigkeitsverteilung im Atomstrahl. Warum müssen die Polschuhe so eigenartig ausgebildet sein? Wie groß müssen das Magnetfeld und seine Inhomogenität sein, damit die beiden Teilstrahlen sauber getrennt werden? Wie könnte man die Schärfe der Niederschlags-Flecken verbessern? Wie sähe das Ergebnis aus, wenn einige Silberatome ionisiert wären? Kann das vorkommen? → zur Lösung
•• 13.3.4 Zeeman-Effekt I Als Modell für den Zeeman-Effekt kann man ein harmonisch gebundenes Elektron betrachten, das nicht nur einem elektrischen Wechselfeld (13.3), sondern gleichzeitig im magnetischen Feld der Lorentzkraft ausgesetzt ist. Das magnetische Feld sei senkrecht zur Bahnebene des Elektrons in zRichtung orientiert. Wie sieht dann die modifizierte Bewegungsgleichung aus? Welchen Einfluss hätte ein B-Feld in der Bahnebene? → zur Lösung
•• 13.3.5 Zeeman-Effekt II Damit sich die Zeeman-Aufspaltung aus der thermischen, der druckbedingten, der natürlichen Linienverbreiterung heraushebt, muss das Magnetfeld gewisse Grenzen übersteigen. Geben Sie diese Grenzen an. Sonnenflecken sind magnetische Zentren, wie man mittels des Zeeman-Effekts feststellte. Wie groß muss das Magnetfeld dort mindestens sein? → zur Lösung
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•• 13.3.6 Larmor-Präzession Man kann die Larmor-Frequenz, mit der jedes Elektron um die Richtung eines Magnetfeldes präzediert, auch rein elektrodynamisch durch den Induktionseffekt beim Einschalten dieses Feldes erklären. Untersuchen Sie die Spannungen und Kräfte, die beim Einschalten auftreten, und zeigen Sie, dass der Gesamteffekt unabhängig davon ist, auf welche Art, wie schnell usw. man das Feld eingeschaltet hat. → zur Lösung
•• 13.4.1 Feinstruktur Schätzen Sie die Größe der Feinstruktur- und der Hyperfeinstruktur-Aufspaltung. Welches mittlere Magnetfeld erzeugt der Umlauf des Elektrons in der Bahnebene? Ist es klassisch vernünftig, dieses Feld auf das Spinmoment desselben Elektrons zurückwirken zu lassen? → zur Lösung
• 13.5.1 Pickering-Serie Im Funkenspektrum des Heliums gibt es eine Pickering-Serie von der jede zweite Linie praktisch mit einer Balmer-Linie des Wasserstoffs zusammenfällt; die übrigen Linien fallen dazwischen. Wie deuten Sie diese Serie? Wie erklärt sich die geringfügige Abweichung von den Balmer-Linien? → zur Lösung
•• 13.5.2 Spektralklassen Die Astrophysiker ordnen die Sterne nach ihren Spektren in die Klassen O, B, A, F, G, K , M, R, N (,,O be a fine girl, kiss me right now“). In dieser Reihe wandert das Emissionsmaximum immer mehr ins Langwellige (Farbe!). O-Sterne haben starke Emissionslinien, in den übrigen herrschen Absorptionslinien vor. Die H-Absorptionslinien sind bei A-Sternen am kräftigsten (Deneb, Sirius, Wega), beiderseits werden sie immer schwächer. B-Sterne haben die stärksten He-Linien (Rigel, Regulus). Verstehen Sie das? → zur Lösung
•• 13.5.3 Zwei Elektronen Schätzen Sie die Energie E des Grundzustandes eines Atoms oder Ions mit zwei Elektronen nach der Unschärferelation. Aus welchen Anteilen setzt sich W zusammen? Das erste Elektron sei auf einen Bereich vom Radius r1 beschränkt, das zweite auf r2 . Drücken Sie E durch r1 und r2 aus. Wo liegt das Minimum? Gemessene Werte für H− , He, Li+ , Be++ , B+++ , C++++ : 1,05; 5,81; 14,5; 27,3; 44,1; 64,8, ausgedrückt als Vielfache der Rydberg-Einheit − 13,65 eV. → zur Lösung
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•• 13.6.1 21 cm-Linie Kalter atomarer Wasserstoff hat nur eine Möglichkeit, niederfrequente Strahlung zu absorbieren oder emittieren: Der Elektronenspin kann sich parallel oder antiparallel zum Kernspin einstellen. Schätzen Sie die Energie, Frequenz und Wellenlänge des Überganges zwischen diesen beiden Zuständen und vergleichen Sie mit der ersten eigentlichen Elektronenanregung (Lyman-Übergang). Rechnen Sie zuerst mit einem klassischen Punktelektron, dann mit einem quantenmechanischen 1s-Elektron, dessen Aufenthaltswahrscheinlichkeit ψψ ∗ gemäß ψ = ψ0 e−r/r0 verteilt ist (r0 : Rohr-Radius). → zur Lösung
•• 13.9.1 Kernmitbewegung Das Elektron kreist nicht einfach um den ruhenden Kern, sondern beide kreisen um den gemeinsamen Schwerpunkt. Um wie viel verändern sich dadurch die Radien, Energien, Frequenzen des Bohr-Modells? Warum hängt man an den Wert R∞ , wie er in Abschn. 13.1.2 definiert ist, den Index ∞ an? Bei der Rechnung beachten Sie, dass jetzt der Drehimpuls des Gesamtsystems der Quantenbedingung unterliegt. → zur Lösung
• 13.9.2 Kernspin Versuchen Sie die in Tabelle 13.5 angegebenen Kernspins und magnetischen Momente aus den Spins der Bausteine zusammenzusetzen. Bei welchen Teilchen gelingt das problemlos, und worauf beruht die Diskrepanz bei den anderen? → zur Lösung
•• 13.9.3 Protonen im Eis Schätzen Sie aus Abb. 13.51 das Störfeld am Ort des untersuchten Protons. Wenn ein Nachbarproton dafür verantwortlich ist, welcher Abstand der beiden ergibt sich daraus? Könnte die Aufspaltung von anderen Teilchen herrühren? Sähe die Resonanzkurve auch so aus, wenn das Proton im Eis in der Mitte einer O−O-Bindung säße? Es scheint, als sprängen die Protonen zwischen den beiden möglichen Lagen auf einer solchen Bindung hin und her (Abschn. 16.1.6). Was kann man über die Sprungfrequenz aussagen? → zur Lösung
•• 13.9.4 Spinecho Wie groß war in Abb. 13.52 das Hochfrequenzfeld B1 , wenn der HF-Impuls 10 µs dauerte? Was bedeutet die Abklingzeit des Echos von etwa 10 ms? → zur Lösung
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•• 13.9.5 Chemische Verschiebung Wie kommt es zu der Größenordnung ∆ω/ω ≈ 10−6 für die chemischen Verschiebungen bei der hochauflösenden Kernresonanz? Mit welcher Stoffkonstante, die ähnliche Größenordnung hat, hängt das direkt zusammen? Wenn Sie weiterdenken, lassen sich beide Werte auf ein Verhältnis von Naturkonstanten zurückführen, das in der Atomphysik seit langem einen besonderen Namen hat. Welches? → zur Lösung
•• 13.9.6 Rabi-Versuch In einem Magnetfeld von 0,3453 T werde die Resonanzbedingung bei 14,693 MHz erfüllt. Um was für Teilchen wird es sich gehandelt haben? Machen Sie nähere Angaben über die Abmessungen der Apparatur in Abb. 13.59. Dürfen die Teilchen eine Ladung oder ein elektronisches magnetisches Moment haben? Was bedeutet die Breite des Maximums in Abb. 13.61? Welche Amplitude hatte das Wechselfeld? → zur Lösung
•• 13.11.1 Fermionen und Bosonen Der Zustand zweier Teilchen wird durch eine Wellenfunktion ψ(x1 , x2 ) beschrieben. Wie ergibt sich daraus die Wahrscheinlichkeit P, Teilchen 1 in (x1 , x1 + dx1 ) und Teilchen 2 in (x2 , x2 + dx2 ) zu finden? Wie ändert sich P, wenn man Teilchen gleicher Art vertauscht? Und wenn man sie nochmal vertauscht? Was folgt daraus für ψ? → zur Lösung
•• 13.11.2 Fermi-Druck Nach dem Pauli-Prinzip können höchstens zwei Elektronen (mit entgegengesetzten Spins) den gleichen Zustand einnehmen. Welches Volumen steht jedem Elektron in einem Elektronengas mit n Elektronen/m3 zur Verfügung? Welche kinetische Energie muss es mindestens haben (auch bei T = 0)? Wie reagiert das Gas auf Kompression? Kann man einen Druck definieren (Fermi-Druck pF , auch Schrödinger-Druck genannt), den es auch bei T = 0 ausübt? Wie verhält sich pF zum üblichen gaskinetischen Druck? In welcher logischen und numerischen Beziehung steht er zur Kompressibilität oder zum Elastizitätsmodul? → zur Lösung
• 13.11.3 Bergeshöhe und Fermionen Wie hoch kann ein Berg auf der Erde oder auf einem anderen Planeten sein? Ein Material lässt sich höchstens so hoch auftürmen, bis sein Druck auf die Unterlage deren Elastizitäts- oder Festigkeitsgrenze überschreitet. In welcher Tiefe muss demnach das Gestein plastisch sein? Wie dick sind die Kontinentalschollen (vgl. Aufgabe 1.7.11)? Wie hoch könnten Berge auf Mond, Mars, Jupiter sein? Erreichen sie diese Höhe? Wie groß dürfte ein Himmelskörper sein, damit die ,,Berge“ auf ihm ungefähr so hoch sein Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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können wie sein Radius? Im Augenblick ist Phobos der größte unregelmäßige (nicht im wesentlichen kugelige) Körper, den wir im Weltall aus Nahaufnahmen kennen. Stimmt das zur obigen Betrachtung? → zur Lösung
• 13.11.4 Kräuselwellen An einem sehr ruhigen Tag regt ein leiser Wind zunächst Wellen an, die dem Übergang von den Schwere- zu den Kapillarwellen entsprechen. Warum? Wie groß ist die entsprechende Wellenlänge λ? Physikalisch wesentlicher ist λ− = λ/(2π), diese Länge ist etwa 107 Atomdurchmesser. Andererseits ist die maximale Bergeshöhe (vgl. Aufgabe 13.11.3) etwa 107 λ−. Ist das Zufall oder Gesetz? Gilt auf anderen Planeten Entsprechendes? → zur Lösung
•• 13.11.5 Der größte Planet Wenn ein Himmelskörper nicht die in Aufgabe 13.5.1 und Aufgabe 13.5.2 berechnete Mindest-Fusionstemperatur Tfus hat, hält sein eventueller Wärmevorrat nicht lange vor (vgl. Aufgabe 13.11.4). Wer hält dann dem Gravitationsdruck die Waage? Wie groß wird der Himmelskörper bei gegebener Masse? → zur Lösung
•• 13.11.6 Jupiter ist aus Fermi-Gas Warum hat kondensierte Materie fast immer Dichten zwischen 1 und 20 g cm−3 ? Wie kann man diese Dichte allein durch atomare Konstanten ausdrücken? Wie hängen demnach Masse und Radius eines kleinen Himmelskörpers zusammen? Bei welchen Werten von Masse, Radius, Druck geht diese ,,normale“ Abhängigkeit in die von Aufgabe 13.11.5 über? Was ist die physikalische Ursache für diesen Übergang? → zur Lösung
•• 13.11.7 Der leichteste Stern Eine Gasmasse wird erst dann zum Stern, wenn in ihr Fusion stattfindet. Wieso? Wie müssen M und R (oder N und d, s. Aufgabe 11.2.25) des Sterns zusammenhängen, damit er die dazu nötige Minimaltemperatur hat? Eine weitere Bedingung ist, dass nicht der Fermi-, sondern der thermische Druck den Gravitationsdruck kompensiert. Warum? Wie groß ist also der leichteste Stern? → zur Lösung
••• 13.11.8 Chandrasekhar-Grenze
Für das Folgende brauchen wir den Virialsatz für relativistische Teilchen. Wiederholen Sie die Ableitung von Abschn. 1.5.9i. Was ändert sich daran? Bleibt Fi = p˙ i ? Bleibt pi r˙i = 2E kin ? Beachten Sie Abschn. 18.2.7. Welchen Wert hat die Gesamtenergie? Kann man relativistische Teilchen durch ein r −2 -Kraftfeld stabil zusammenhalten? → zur Lösung
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•• 13.11.9 Der schwerste Stern Kann ein Stern so heiß werden, dass der Strahlungsdruck pS den thermischen Druck pT überholt? Vergleichen Sie unter diesen Umständen die kinetische Energie der Teilchen mit der Energie des Strahlungsfeldes, d. h. der Photonen. Kann das System stabil sein (Virialsatz)? Wie schwer sind also die größten stabilen Sterne? Welche atomistische Konstante erkennen Sie in dem Massenverhältnis des schwersten und des leichtesten Sterns wieder? → zur Lösung
Kapitel 14: Aufgaben . . .
• 14.1.1 Spontane Emission Schätzen Sie den Einstein-A-Koeffizienten (14.2) der spontanen Emission für einen charakteristischen atomaren Übergang (λ = 600 nm, Dipolmoment d = elektron. Ladung · Bohrradius) ab. Berechnen Sie die erforderliche Laserleistung, um für diesen atomaren Übergang eine Rabifrequenz zu erreichen, die schneller ist als die Zerfallsrate. Wie ändert sich die erforderliche Leistung mit der Zerfallsrate? → zur Lösung
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•• 14.1.2 Laser und gefiltertes Licht
Man könnte ja auf den Gedanken kommen, monochromatisches Laserlicht durch das gefilterte Licht einer Glühlampe zu ersetzen. Wie heiß muss ein perfekter schwarzer Strahler mit 1 cm2 (100 cm2 ) Fläche sein, um mit einem Filter der Breite 1 Å die gleiche Strahlungsstärke wie ein roter Helium-Neon-Laser (λ = 633 nm) zu erreichen, der mit einer Divergenz von 1 mrad emittiert? → zur Lösung
••• 14.1.3 Dynamik der Laserintensität
Schreiben oder verwenden Sie ein einfaches Computerprogramm zur Lösung der Laser-Ratengleichungen (14.9) und studieren Sie unterschiedliche Parameterbereiche. → zur Lösung
• 14.1.4 UV-Laser Indem man Einsteins Ableitung des Planck-Gesetzes sinngemäß abändert, kann man leicht ablesen, warum ein UV-Laser sehr viel schwerer herzustellen ist als ein IR-Laser. → zur Lösung
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• 14.2.1 Gauß-Näherung Rechnen Sie explizit nach, dass sich die Gesamtintensität des Gauß-Modes (14.12) entlang der z-Richtung nicht ändert. → zur Lösung
• 14.2.2 Krümmung der Wellenfronten Skizzieren Sie Durchmesser und Krümmungsradius R(z) des Gaußstrahls als Funktion von z. Wo tritt die größte Krümmung auf? Wie kann man die Krümmung beobachten? → zur Lösung
•• 14.2.3 Gouy-Phase Wie ändert sich die Phase eines Gaußstrahls beim Durchgang durch den Fokus im Vergleich zu einer ebenen Welle? Wie kann man diese Phasenverschiebung beobachten? → zur Lösung
• 14.3.1 Verstärkungskoeffizient Wie groß ist der Verstärkungskoeffizient (in cm−1 ) entlang des Lichtweges in einem 30 cm langen Helium-Neon-Laser, wenn dieser bei einer Transmission des Auskoppelspiegels < 92% erlischt? Was kann man tun, um die Ausgangsleistung zu erhöhen? → zur Lösung
•• 14.3.2 Strahlungsdruck Welche Kraft übt ein Nd-YAG-Laserstrahl (λ = 1 064 nm) mit 10 W Leistung bei der Reflexion an einem Spiegel aus? Wie weit wird ein pendelartig (l = 10 cm) aufgehängter Spiegel mit 10 g Masse ausgelenkt? → zur Lösung
• 14.3.3 Laserbremsung Ein Atom erfährt durch Absorption von Photonen aus einem Laserstrahl einen Rückstoß. Die spontane Emission geschieht in alle Richtungen, verursacht also im Mittel keinen Impulsübertrag. Wie groß ist die maximale Beschleunigung für ein Cäsium-Atom, das Licht bei 852 nm absorbiert und maximal ein Photon pro 60 ns streuen kann? Wie lang ist die Bremsstrecke für thermische Cäsiumatome? → zur Lösung
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• 14.3.4 Dotierung mit Laserionen In Yttrium-Kristallen lassen sich die Y-Ionen häufig durch Nd-Ionen ersetzen, z. B. im Nd:YAG-Kristall. Wenn deren Dichte jedoch zu hoch wird, führen Wechselwirkungen zwischen den Fremd-Ionen zu nichtstrahlenden Verlusten, die die Inversion beeinträchtigen. Nehmen Sie eine hexagonal dichteste Kugelpackung für die Konfiguration der Y-Ionen an. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, direkt benachbarte Nd-Ionen bei einer Dotierung von 1% zu finden? → zur Lösung
• 14.3.5 Laserdioden und Facetten Welche Intensität tritt an der Ausgangsfacette einer Laserdiode mit 1 mW bzw. 1 W auf? Nehmen Sie einen aktiven Streifen mit einer Fläche 10 · 1 µm2 an. → zur Lösung
•• 14.4.1 Laser-Spitzenleistungen Bei welcher Laserleistung wird in einem Brennfleck mit 10 µm Durchmesser die Durchschlagfeldstärke an Luft erreicht? Wann werden inneratomare Feldstärken erreicht? Wie hängt die Spitzenleistung von Pulslänge und Wiederholrate ab? → zur Lösung
• 14.4.2 Femtosekunden-Pulsverformung
Wie weit laufen blaue (400 nm) und rote (700 nm) Wellenlängenanteile eines kurzen (Femtosekunden-)Pulses beim Passieren von 1 mm gewöhnlichem Glas auseinander? → zur Lösung
••• 14.4.3 Nichtlineare Optik10 I
Laserlicht kann mehr als die 10 fache Intensität des Sonnenlichts erreichen. Wie groß sind das elektrische und das Magnetfeld in der Welle? Vergleichen Sie mit den Feldern, die ein Elektron an sein Atom binden. Stellen Sie das Mitschwingen des Elektrons mit der Welle in seiner Potentialkurve dar. Ist das Elektron noch als harmonischer Oszillator aufzufassen, oder welche Abweichungen treten auf? Unterscheiden Sie asymmetrische und symmetrische Abweichungen. Wie wird die einfallende Welle durch die Sekundäremission verzerrt? Falls Oberwellen auftreten, zu welchen Frequenzen führen die symmetrische und die asymmetrische Anharmonizität? Bewirkt die symmetrische in jedem Kristalltyp Oberwellen? Schätzen Sie die Intensität der Oberwellen. Es gibt eine eigentümliche Schwierigkeit für die Beobachtung der Oberwellen: Sie interferieren sich meist weg. Warum? Ein raffinierter Weg zur Behebung dieser Schwierigkeit nutzt die Doppelbrechung aus. Können Sie sich vorstellen, wie? → zur Lösung
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••• 14.4.4 Nichtlineare Optik II
Wie kommt es, dass normalerweise die von den mitschwingenden Elektronen emittierte Sekundärwelle die Primärwelle so wenig stört? Warum beeinflussen sich eigentlich zwei Lichtbündel nicht, die durch das gleiche Medium gehen? Warum treten z. B. keine Schwebungswellen mit Summen- und Differenzfrequenzen auf? Ist das bei intensivem Laserlicht auch noch so? Denken Sie daran, dass das Licht durch seine eigenen Wechselfelder die optischen Eigenschaften des Mediums periodisch moduliert (Faraday- und Kerr-Effekt, aber auch direkte Beeinflussung der Brechzahl). Unter welchen Umständen kann man von Photon-Photon-Streuung sprechen? Welche Stoßgesetze beherrschen diese Streuung? → zur Lösung
Kapitel 15: Aufgaben . . .
•• 15.1.1 Periodensystem Erklären Sie die Begriffe metallisch, nichtmetallisch, elektropositiv, elektronegativ in möglichst vielen ihrer Schattierungen und Anwendungen, die in der Chemie und Physik üblich sind. Wie sind diese Gegensatzpaare im Periodensystem lokalisiert? Betrachten Sie den ,,horizontalen“ und ,,vertikalen“ Gang dieser Eigenschaften. Wie ist dieser Gang aus der Struktur der Elektronenhülle zu verstehen? • 15.1.2 Atomvolumina Schätzen Sie Radien und Volumina der Atome mittels des Begriffs der effektiven Kernladung. Kommt der Gang von Abb. 15.3 heraus? Stimmen auch die Einzelwerte überein? Wie sind die Daten von Abb. 15.3 vermutlich gewonnen worden? • 15.1.3 Ionisierungsspannung Welche Gesetzmäßigkeiten über den Gang der Ionisierungsspannung in den Perioden und Gruppen kann man aus den effektiven Kernladungen folgern? Ziehen Sie quantitative Konsequenzen über den Grad des Metallcharakters im Sinne der anorganischen Chemie (Säure- und Basenstärke) und der Elektrochemie (Elektrolyse). → zur Lösung
• 15.1.4 Verspätete Auffüllung Erklären Sie die energetische Staffelung der s-, p-, d-, f -Zustände und die Unregelmäßigkeiten in der Auffüllung der Elektronenschalen (Übergangsmetalle, Seltene Erden, Aktiniden) mit den Ellipsenbahnen des Bohr-Sommerfeld-Modells. → zur Lösung
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• 15.1.5 Vakuum-Polarisation Wir wissen, dass auch im Vakuum ständig Teilchenpaare, z. B. ElektronPositron-Paare entstehen. Falls ihnen niemand die dazu notwendige Energie stiftet, müssen diese Teilchen einander sehr bald wieder vernichten. Nach welcher Zeit muss dies spätestens geschehen, und wie weit können sie bestenfalls in dieser Zeit fliegen? → zur Lösung
•• 15.1.6 Maximale Reichweite Wenn Teilchen eines virtuellen Paares genau mit ihrer Ruhmasse erzeugt werden, bewegen sie sich nicht und kommen nicht vom Fleck. Will man ihnen sehr große kinetische Energie mitgeben, fliegen sie zwar schnell, aber existieren noch kürzere Zeit. Gibt es ein Maximum für ihre mögliche Flugstrecke, und wie groß ist sie? → zur Lösung
•• 15.1.7 Legale Überziehung Das erzeugte Elektronenpaar kann seine Existenz vorher oder nachher rechtfertigen, indem ihm jemand seine Energieschuld vorher oder nachträglich bezahlt, letzteres so schnell, dass niemand die Überziehung merken kann. Diese Deckung des Defizits könnte erfolgen, indem das Elektron in eine hinreichend tief gelegene bohrsche Bahn stürzt. Welche Atome besitzen so tief gelegene Bahnen? Gehen Sie vom Bohr-Modell aus. Wie groß wären der Bahnradius und die Bahngeschwindigkeit? → zur Lösung
••• 15.1.8 Relativistisches Bohr-Modell
Kann man annehmen, die Massen in der Kreisbahn- und Drehimpulsbedingung hätten alle die gleiche Geschwindigkeitsabhängigkeit, und wie sieht diese Abhängigkeit aus? Drücken Sie v durch den Bahnradius r aus und geben Sie dann r an. Gilt noch die Beziehung Wkin = − 12 Wpot , oder wie sieht sonst die Gesamtenergie aus? → zur Lösung
••• 15.1.9 Kern-Tauchbahnen
Von welchem Z ab tauchen die innersten Elektronenbahnen in den Kern ein, und welchen Einfluss hat das auf die Bahnenergie? → zur Lösung
••• 15.1.10 Tauchbahnen nach Bohr
Formulieren Sie die Bohr-Bedingungen für ein Elektron, das im Innern einer Kugel vom Radius rK und von der Gesamtladung Z e umläuft. Wie sind die Bahnradien und die Bahnenergien abgestuft? → zur Lösung
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••• 15.1.11 Relativistische Tauchbahnen
Behandeln Sie auch die Elektronenbahnen, die im Innern des Kerns verlaufen, relativistisch. Welche Tatsachen können Sie vom Fall des Coulomb-Feldes übernehmen, welche aus der nichtrelativistischen Behandlung? → zur Lösung
••• 15.1.12 Spontane Paarbildung
Von welcher Kernladungszahl Z an kann man spontane Paarerzeugung mit nachträglicher Schuldendeckung durch Einfang in Bahnen mit n = 1, 2, 3, . . . erwarten? → zur Lösung
•• 15.1.13 Elektron im Kern? Man behauptet doch gewöhnlich, Elektronen könnten sich nicht im Kern aufhalten. Wieso soll das für sehr große Kerne nicht mehr wahr sein? Wie soll sich das Elektron ungehindert durch die dichtgepackten Nukleonen bewegen können? → zur Lösung
•• 15.1.14 Zwei Elektronen Schätzen Sie die Energie E des Grundzustandes eines Atoms oder Ions mit zwei Elektronen nach der Unschärferelation. Aus welchen Anteilen setzt sich W zusammen? Das erste Elektron sei auf einen Bereich vom Radius r1 beschränkt, das zweite auf r2 . Drücken Sie E durch r1 und r2 aus. Wo liegt das Minimum? Gemessene Werte für H− , He, Li+ , Be++ , B+++ , C++++ : 1,05; 5,81; 14,5; 27,3; 44,1; 64,8, ausgedrückt als Vielfache der Rydberg-Einheit − 13,65 eV. → zur Lösung
•• 15.1.15 Elektronegativität In dem Bemühen, möglichst viele Eigenschaften eines Atoms durch einen einzigen Parameter auszudrücken, wenn auch nur halbphänomenologisch, führte L. Pauling den Begriff der Elektronegativität ein. Er ging davon aus, dass die Bindungsenergie eines Moleküls AB immer größer ist als das Mittel der Bindungsenergien für A A und BB und nannte ∆ AB = E AB − 12 (E A A + E BB ) die Stabilisierungsenergie. Woher mag sie stammen? Formal√hängt sie mit der Differenz der Elektronegativitäten χ A − χ B = 0,102 ∆ AB zusammen (Energie in kJ/mol). Was bedeuten die χ anschaulich? Gibt man dem elektronegativsten Element Fluor willkürlich χ = 4, ergeben sich einfache Werte im Periodensystem. H hat χ = 2,1. Jeder Schritt nach links in der ersten Periode senkt χ um 0,5. Die weiteren Perioden fangen beim Halogen niedriger an und haben kleinere Schritte. Die Ablösearbeit für ein Elektron aus einem Metall (in eV) ist E ≈ 2,3χ + 0,34, die Summe von erster Ionisierungsenergie und Elektronenaffinität ist 5,4χ, der Atomradius in einer kovalenten Bindung (in Å) r ≈ 0,31(N + 1)/(χ − 12 ), wo N die Anzahl der Valenzelektronen ist. Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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Versuchen Sie dies alles qualitativ zu erklären und prüfen Sie die Zahlenwerte. Schätzen Sie die Partialladungen in einer O−H- und einer Na−Cl-Bindung. → zur Lösung
•• 15.2.1 Röntgens Apparatur Wie sah seine Spannungsquelle aus? Welche Spannungen dürfte er erreicht haben? Wie hart war das erste Röntgenlicht? → zur Lösung
•• 15.2.2 Röntgen-Totalreflexion Die Wellenlängenmessung von Röntgenstrahlung mit streifender Inzidenz auf das Gitter wird dadurch erleichtert, dass Totalreflexion auftritt. Wieso? Weisen Sie aus der Dispersionstheorie (Abschn. 10.3.3) nach, dass Glas oder Metall für Röntgenstrahlung dünner sind als Luft, und schätzen Sie den Grenzwinkel der Totalreflexion. → zur Lösung
• 15.2.3 Charakteristische Strahlung Welche Frequenzen haben die Linien K α und L α mit Mo bzw. W als Antikathode? Welche Röhrenspannungen braucht man, um sie anzuregen? Welche Frequenzen haben die härtesten K -Linien, die es gibt? Konnte W. C. Röntgen mit seinen 25 keV-Elektronen die K -Serie seiner Antikathode (Glas) anregen? → zur Lösung
•• 15.2.4 Auger-Effekt Welche Termdifferenzen können als Auger-Elektronenenergien auftreten, wenn der anregende Elektronenstoß ein K -Elektron abgetrennt hatte? → zur Lösung
• 15.2.5 X-Ray panic Man sagt, dass um 1900 jede junge Dame errötete, wenn von X-Strahlen die Rede war; eine Londoner Firma bot ,,X-feste Damenunterwäsche“ an; ein Abgeordneter von New Jersey brachte einen Gesetzesvorschlag ein, der ,,den Einbau von X-Strahlen in Operngläser“ verbot. Hatten diese Befürchtungen oder Hoffnungen eine Grundlage? → zur Lösung
•• 15.2.6 Tomographie Wie kann man Organe tief im Körperinnern, deren Dichte sich kaum von der Umgebung unterscheidet, ohne Kontrastmittel im Röntgenbild deutlich sichtbar machen? Wie kann man sie gezielt bestrahlen? → zur Lösung
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•• 15.2.7 Paarvernichtung Ist die Paarvernichtungslinie immer gut vom Compton-Streuspektrum zu trennen? Hat die Bildung des Positroniums einen merklichen Einfluss auf die Vernichtungswellenlänge? Berechnen Sie Energiezustände und Bahnradien des Positroniums. Kann man seine ,,Lyman-Linien“ neben der Zerstrahlungslinie sehen? → zur Lösung
•• 15.2.8 Bremsstrahlung Wie ist es möglich, dass die spektralen Energieverteilungen der Bremsstrahlung über ν und über λ (Abb. 15.20) so grundverschieden aussehen? Beachten Sie die Definitionen von Iν und Iλ . Nehmen Sie die einfachste mit den Daten einigermaßen verträgliche Funktion Iν (ν) an und rechnen Sie auf Iλ (λ) um. Bestätigt sich das Näherungsgesetz für Lage und Höhe des Maximums von Iλ (λ)? Besteht eine Ähnlichkeit mit der Planck-Kurve? Wenn ja, ist sie physikalisch begründet? → zur Lösung
•• 15.2.9 Protonen-Therapie Einige große Kliniken haben die Tumor-Therapie mittels schneller Protonen eingeführt. Welchen Vorteil hat diese gegenüber der herkömmlichen Röntgen-Therapie? Vergleichen Sie auch mit der Neutronentherapie. Schwerere Ionen wären noch günstiger. Wieso? Welche Energie braucht man, um alle Tumore im Menschen erreichen zu können? Denken Sie an die Ionendichte und ihre räumliche Verteilung (Abschn. 14.3.1). → zur Lösung
• 15.3.1 Rotationsspektrum Schätzen Sie den Abstand der Rotationsterme für die Rotation eines zweiatomigen Moleküls um die Kernverbindungslinie. Von welchen Temperaturen ab muss man mit dem sechsten Freiheitsgrad rechnen? → zur Lösung
•• 15.3.2 Schwingungsspektrum Wenn in einem Molekül ein höherer Elektronenzustand angeregt ist, bedeutet das i. Allg. einen geänderten Abstand des Elektrons von ,,seinem“ Kern. Wie wirkt sich das auf die Potentialkurve der Kerne aus? Zeichnen Sie schematisch die Potentialkurven für die beiden Elektronenzustände mit den Schwingungstermen darin. Diskutieren Sie den Aufbau der Rotations-Schwingungsbanden in diesem Bild. → zur Lösung
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•• 15.3.3 Franck-Condon-Prinzip Da die Elektronenmasse so viel kleiner ist, können die Kerne ihre Lage während eines Elektronensprungs nicht wesentlich ändern. An den Umkehrpunkten hält sich ein schwingendes System am längsten auf. Leiten Sie aus diesen beiden Tatsachen Regeln über die Intensität der Bandenlinien ab. Ergeben sich noch andere Folgerungen? → zur Lösung
•• 15.3.4 Dissoziation Stellen Sie die Dissoziation eines Moleküls infolge Lichtabsorption im Potentialkurvenschema dar. Warum ist Photodissoziation allein durch Anregung von Kernschwingungen i. Allg. unmöglich? Wie hängt die Dissoziationsenergie mit der Lage des Bandenkopfes zusammen? → zur Lösung
•• 15.3.5 Chemische Bindung Ein System sei gekennzeichnet durch seinen H-Operator. Wie vollständig ist diese Kennzeichnung? Welcher Zustand hat die kleinstmögliche Energie? Zur Konkurrenz zugelassen seien nicht nur die stationären Zustände (dann ist die Antwort klar), sondern auch beliebige nichtstationäre. Welches Maß für die Zustandsenergie wird man dann verwenden? Das System bestehe aus zwei Teilsystemen, deren H-Operatoren, Eigenfunktionen und Eigenwerte bekannt seien. Wie sieht der H-Operator des Gesamtsystems aus, solange die Teilsysteme noch weit getrennt sind? Jetzt werden sie in Kontakt gebracht, sodass sie einander beeinflussen. Was kann man dann allgemein über H-Operator, Eigenfunktionen (speziell den Grundzustand), Eigenwerte sagen? Arbeiten Sie mit den Begriffen Resonanz, Resonanzstabilisierung, Resonanzenergie. Suchen Sie Beispiele. → zur Lösung
•• 15.3.6 Wasserstoffbrücke Die H-Brücke (Bindung zwischen dem an ein elektronegativeres Atom gebundenen Proton und einem ebenfalls elektronegativen Atom) ist der wichtigste Strukturbildner in biologischen Makromolekülen. Sie bestimmt in Proteinen α-Helix und β-Faltblatt, in Nukleinsäuren die Passung zwischen Guanin und Cytosin (3 Brücken) sowie Adenin und Thymin oder Uracil (2 Brücken), die die Präzision der Reduplikation der DNS wie auch der Transkription der DNS in RNS garantiert. Machen Sie sich das am Modell klar. Hier handelt es sich um N − H − O-Brücken mit Abständen N − H von 1,0 Å und H − O von 1,9 Å. Schätzen Sie Partialladungen und Bindungsenergien. Tun Sie das auch für Wasser und vergleichen Sie mit der Verdampfungsenergie. → zur Lösung
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Kapitel 16: Aufgaben . . .
•• 16.1.1 Eisen-Kristall Bis 910 ◦ C aufwärts kristallisiert reines Eisen im α-Gitter (kubisch-raumzentriert, ferromagnetisch), oberhalb im γ -Gitter (kubisch-flächenzentriert, nichtferromagnetisch). In welchem der beiden Gitter gibt es mehr Zwischenraum? In welchem haben kugelförmige Zwischengitterteilchen mehr Platz? Wie viele dafür geeignete Plätze gibt es in den beiden Gittern? Wenn zwischen den obigen Aussagen ein scheinbarer Widerspruch auftritt, wie behebt er sich? Was schließen Sie daraus über das Verhalten von Zwischengitterteilchen, z. B. C-Atomen, beim Abkühlen aus der Schmelze, beim Anlassen (Erhitzen auf 200–600 ◦ C), beim Abschrecken des angelassenen Werkstücks? Wenn bei einer dieser Gelegenheiten das Gitter zu eng wird für die C-Atome, was wird die Folge sein? Ziehen Sie Schlüsse über Härte, Duktilität usw. → zur Lösung
•• 16.1.2 Diamant-Schleiferei Der Diamantschleifer unterscheidet Oktaeder-, Dodekaeder- und Würfelflächen, die entsprechende Wuchsformen des Kristalls begrenzen, die er aber auch im Innern erkennt. Können Sie diesen Flächen bestimmte Netzebenen zuordnen? Der Schleifer spaltet einen Diamanten, indem er einen Stahlkeil längs einer bestimmten potentiellen Kristallfläche ansetzt und kurz und scharf mit einem Hämmerchen zuschlägt. Wie ist das möglich, da doch Diamant viel härter ist als Stahl? Am leichtesten spaltet man längs Oktaederflächen, wesentlich weniger leicht längs Dodekaederflächen, noch schlechter längs Würfelflächen und praktisch gar nicht in anderer Richtung. Innerhalb jeder Flächenart muss man, um die verbleibenden Unebenheiten wegzubringen oder ganze Schichten abzutragen, in bestimmten ,,guten“ Richtungen schleifen. In der Würfelfläche ist die Kantenrichtung gut, die Diagonale schlecht. In der Oktaederfläche schleift man besser auf eine Kante zu als auf eine Spitze. Der Schlag eines spitzen Meißels senkrecht auf eine Oktaederfläche erzeugt eine sechseckige, auf eine Würfelfläche eine quadratische, auf eine Dodekaederfläche eine rhombische Narbe. Können Sie diese empirischen Regeln atomistisch deuten? → zur Lösung
•• 16.1.3 Madelung-Konstante Bestimmen Sie die Gitterenergie für eine eindimensionale Kette von abwechselnd positiven und negativen Ionen. Probieren Sie zunächst, wie die auftretende Reihe konvergiert. Dann erinnern Sie sich an die ln-Reihe: ln(1 + x) = x − x 2 /2 + x 3 /3 − + · · · . Wenden Sie dies an auf eine NaClKette mit einem Ionenabstand wie im vollständigen Kristall (Dichte von NaCl 2,165 g cm−3 ). → zur Lösung
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•• 16.1.4 Gitterpotential Die Potentialkurve eines Gitteratoms ergebe sich aus einer CoulombAnziehung (E pot = −Ar −1 ) und einer viel steileren Abstoßung (E pot = Br −n ). Lesen Sie aus einem solchen Potential ab: Lage und Tiefe des Potentialminimums, Krümmung in seiner Umgebung. Wie muss man über die Konstanten A, B und n verfügen, damit ein vernünftiger Kristall herauskommt? Sind diese Parameterwerte selbst vernünftig? Welche empirischen Daten kann bzw. muss man zu einer solchen Anpassung benutzen: Gitterkonstante, Verdampfungswärme, Gitterschwingungsfrequenzen, o. Ä.? → zur Lösung
•• 16.1.5 Thermische Ausdehnung Führen Sie die im Abschn. 16.1.4 angedeutete Theorie der thermischen Ausdehnung quantitativ durch (rechnerisch oder graphisch, am besten beides). Legen Sie vereinfachend den Schwingungsmittelpunkt mitten zwischen die Endpunkte der Schwingung auf der Potentialkurve. Ist das eine zulässige Vereinfachung? → zur Lösung
•• 16.1.6 E-Modul Ein Festkörper sei einer elastischen Spannung (z. B. einer Zugkraft) ausgesetzt. Welchen Einfluss hat das auf die Potentialkurve des Gitterteilchens? Wie verschiebt sich speziell ihr Minimum? Wie sind also die elastischen Konstanten (E-Modul usw.) durch die Parameter der Potentialkurve auszudrücken? Ergibt sich auch die Festigkeitsgrenze, und sind die Werte, die für sie herauskommen, vernünftig? Wenn nein, warum wohl nicht? → zur Lösung
•• 16.1.7 Gitterenergie Welche Größenordnung erwarten Sie für die Gitterenergie in den verschiedenen Bindungstypen aus dem atomistischen Modell? Hinweise: Es handelt sich manchmal, aber nicht immer um die Wechselwirkungsenergie nächster Nachbarn. Das Dipolmoment des H2 O kommt so zustande, dass das O 0,3 negative, die H je 0,15 positive Elementarladungen tragen: der O-H-Abstand ist ziemlich genau 1 Å, der Valenzwinkel 105◦ ; zwei Moleküle in Wasser oder Eis sind 2,6 Å voneinander entfernt (vgl. die makroskopische Dichte). Beim Na wirkt auf das Valenzelektron (3s) als effektive Kernladung nur noch etwa 2e (warum?); wie groß ist der BohrRadius? Welche Nullpunktsenergie hat ein Elektron in einem Potentialtopf dieses Durchmessers? Das Metall bietet den Leitungselektronen einen gemeinsamen Potentialtopf an, der so weit ist, dass die Nullpunktsenergie gleich der Fermi-Energie wird. → zur Lösung
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•• 16.1.8 Diamant und Eis Die C-Atome im Diamant und die H2 O-Moleküle im Eis sind effektiv beide vierwertig und haben tetraedrische Bindungssymmetrie. Warum wählt trotzdem Diamant die kubisch-flächenzentrierte, Eis die hexagonale Kristallstruktur? Es genügt, ein Paar nächster Nachbarteilchen und die Verteilung der Ladungen über ihre Bindungen zu betrachten. → zur Lösung
•• 16.1.9 Reziprokes Gitter Zeigen Sie, dass man auf folgende Weise das Beugungsbild eines Kristalls im monochromatischen Röntgenlicht erhält: Man hält das Auge dahin, wo der Kristall war, und stellt ein Modell des reziproken Gitters, ebenso orientiert wie der Kristall und z. B. im Maßstab 108 :1 (1 cm für 1 Å), im Abstand 2π108 /λ in Richtung des Primärstrahls vor das Auge. Dann sieht man Gitterpunkte genau in den Richtungen, wo Reflexe liegen. → zur Lösung
•• 16.1.10 Bucky ball Wenn man aus regulären Fünfecken und Sechsecken ein Polyeder bauen will, geht das nur mit genau 12 Fünfecken. Wieso? Wie viele Sechsecke müssen dazukommen? → zur Lösung
•• 16.2.1 Abtasttheorem Zeichnen Sie das Momentbild einer Sinuswelle in ein eindimensionales Punktgitter ein. Stellen Sie die gleiche Welle auch analytisch dar. Gibt es eine andere Welle, die genau die gleichen Auslenkungen der Gitterpunkte darstellt? Betrachten Sie die Fälle λ < 2d und λ > 2d (d: Gitterkonstante). Wenn es eine äquivalente Welle gibt, untersuchen Sie die Beziehung zwischen ihrer Wellenlänge λ und dem λ der ursprünglichen Welle. Jetzt gehen Sie zu fortschreitenden Wellen über. Wie verhalten sich die Ausbreitungsrichtungen der beiden äquivalenten Wellen? Vereinfachende Annahme: Phasengeschwindigkeit unabhängig von λ. Alle Fragen lassen sich leichter analytisch beantworten (besonders wenn man den k-Vektor einführt), obwohl die Zeichnung anschaulicher ist. → zur Lösung
•• 16.2.2 Einsteins spezifische Wärme Führen Sie folgende Betrachtungen parallel für die klassische und die Einstein-Theorie der spezifischen Wärme eines Festkörpers durch. Kontrollieren Sie dabei quantitativ Abb. 16.28. Wie kommt die T Unabhängigkeit der Gesamtzahl von Oszillatoren zum Ausdruck? Welchen Einfluss hat die Temperatur? Welche Energie haben die meisten Oszillatoren? Welche Oszillatoren leisten den größten Gesamtbeitrag zur Energie? Wie viele solche Oszillatoren gibt es? Wie breit ist die Verteilung des Energiebeitrags? Schätzen Sie daraus die Gesamtenergie und die spezifische Wärme. In welchem Grenzfall geht die Einstein-Theorie in die klassische Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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über? Kann man das anschaulich sehen? Wie erklärt sich anschaulich die Abweichung zwischen beiden Theorien im anderen Grenzfall? → zur Lösung
•• 16.2.3 Debyes spezifische Wärme Setzen Sie in Aufgabe 16.2.2 für ,,klassische“ das Wort ,,debyesche“ und beantworten Sie alle Fragen. Was können Sie über die Güte der T 3 Näherung für Debyes spezifische Wärme anschaulich sagen? Warum gilt sie nur bei so kleinen Temperaturen? Was geschieht im Übergangsbereich? → zur Lösung
•• 16.2.4 Wie zählt man Wellen? Eigentlich hat Rayleigh die Idee gehabt, die Wien und Planck für ihre Strahlungsgesetze und Debye für seine spezifische Wärme nutzen konnten. Zeigen Sie Analogien und Unterschiede zwischen (11.11), (11.12), (11.13) und (16.29) auf. → zur Lösung
•• 16.2.5 Dispersion Bei m 1 = m 2 lässt sich die Wurzel in der Dispersionsformel (16.37) einfach ,,ziehen“. Worin besteht der Unterschied zum Fall (16.32)? Kommt ein optischer Zweig zustande? Wenn ja, wie ist das trotz der Massengleichheit möglich? Existiert zwischen den beiden Zweigen ein verbotener ω-Bereich? Bestimmen Sie Phasen- und Gruppengeschwindigkeit für beide Zweige. → zur Lösung
•• 16.2.6 Phononenstoß Zwei Phononen mit λ dicht oberhalb 2d und nicht zu verschiedenen Ausbreitungsrichtungen kollidieren und bilden ein drittes Phonon. Welche Werte von λ, k, ν hat das neue Phonon (Annahme: keine Dispersion)? Wie sieht die entsprechende Gitterwelle aus? Befolgt sie Debyes Abschneidebedingung? Wenn nein, kann man die gleiche Bewegung der Gitterpunkte auch durch eine zulässige Welle darstellen? Welchen k-Vektor hat diese Welle (k3 )? Unter welchen Umständen ist k3 dem k der ursprünglichen Phononen entgegengerichtet? Wie muss man den Vorgang deuten? Gilt Impulserhaltung unter den drei Phononen, oder wie sonst? (Vgl. Aufgabe 16.2.1.) → zur Lösung
• 16.2.7 Steinsalzoptik Welche Beziehungen bestehen zwischen DK, Absorptionsgrad und Reflexionsgrad eines Kristalls? Vergleichen Sie z. B. Abb. 11.23 und 16.38. → zur Lösung
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• 16.2.8 Leitet Diamant? Diamant (besonders synthetischer) ist ein besserer Wärmeleiter als Kupfer, aber ein sehr guter elektrischer Isolator. Wie erklären Sie diese flagrante Verletzung der Regel von Wiedemann-Franz? → zur Lösung
•• 16.2.9 Leitet Germanium? Diskutieren Sie Abb. 16.44. Warum leitet reines 74 Ge die Wärme besser als das natürliche Isotopengemisch? Wie würden Sie die Funktion λ(T ) bei sehr tiefen Temperaturen quantitativ darstellen, und wie erklären Sie dieses Verhalten? Warum nimmt λ bei höheren Temperaturen wieder ab? → zur Lösung
• 16.3.1 Fermi-Grenze Wie hoch liegt die Fermi-Grenze für die Leitungselektronen in einem Metall, einem Halbleiter, einem Plasma? Beschaffen Sie sich vernünftige Werte für die erforderlichen Größen. Sind diese Elektronengase entartet? → zur Lösung
•• 16.3.2 Brillouin-Zonen Wir betrachten einen einfach-kubischen Kristall mit der Gitterkonstante d. Bei den ,,kritischen“ Werten nh/d des Elektronenimpulses treten eigentümliche Effekte für ein Elektron in einem solchen Kristall auf; welche? (Braggs Reflexionsbedingung!) Gibt es fortschreitende ψ-Wellen mit solchen Impulsen? Welche Phasenlagen kommen für stehende Wellen in Frage? Wo ist die Elektronendichte maximal? Wie wirkt sich das auf die Energie der Zustände aus? Wie viele W-Werte existieren demnach für jeden ,,kritischen“ Impuls? Wie muss sich die für ein freies Teilchen übliche Beziehung zwischen Energie und Impuls bei einem Kristallelektron verzerren? Kann man in diesem Bild Energiebänder und verbotene Zonen wiedererkennen? → zur Lösung
•• 16.3.3 Effektive Masse Wenn ein ,,Teilchen“ nicht mehr lokalisierbar ist, kann man auch nicht mehr im üblichen Sinne von Geschwindigkeit und Beschleunigung reden. Sein mechanisches Verhalten muss vielmehr durch Energie und Impuls, bzw. durch Frequenz und Wellenlänge seiner ψ-Welle ausgedrückt werden. Die Geschwindigkeit lässt sich nur als Gruppengeschwindigkeit dieser Welle angeben. Wie drückt sie sich durch die E( p)-Abhängigkeit aus? Wie findet man daraus die Größe, die die Rolle der trägen Masse spielt (effektive Masse)? Man beachte: Nach wie vor ist die Kraft gleich der zeitlichen Impulsänderung. Wenn die E( p)-Kurve verzerrt ist wie im Kristall, wird die effektive Masse abhängig von W. Wie verhält sie sich an den Rändern bzw. in der Mitte der Bänder? → zur Lösung
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• 16.3.4 Elektron und Loch Arbeiten Sie die Analogie zwischen Elektronen und Defektelektronen (Löchern) heraus. Kann man den Löchern Ladung, Masse, Energie, Impuls zuschreiben? Ist ein Loch ein Antiteilchen? → zur Lösung
•• 16.3.5 Quanten-Hall-Effekt Klaus v. Klitzing (Nobelpreis 1985) fand, dass der Hall-Widerstand RH (Querspannung/Strom) in manchen sehr dünnen Halbleiterschichten bei riesigen Magnetfeldern B und sehr tiefen Temperaturen T , als Funktion der Spannung U aufgetragen, Stufen bei den RH -Werten nh/(2e2 ) aufweist. Drücken Sie RH durch die geometrischen und sonstigen Eigenschaften des Halbleiters aus. Warum müssen die Werte B, T usw. so extrem sein, damit man den Effekt messen kann? Geben Sie sinnvolle Kombinationen dieser Werte an. Versuchen Sie eine Erklärung auf folgender Basis: Immer, wenn auf ein Elektron im Halbleiter genau ein magnetisches Flussquant oder eine ganze Zahl davon entfällt, passiert etwas Besonderes. Haben die Kreisbahnen im entsprechenden Magnetfeld etwas mit Bohr-Bahnen zu tun? → zur Lösung
•• 16.4.1 Reiner Halbleiter Bei einem Isolator sind das höchste vollbesetzte und das niederste leere Band durch eine verbotene Zone der Breite E 0 getrennt. Diskutieren Sie die Bildung thermischer Ladungsträger und ihre Rekombination. Kommt es für die Gleichgewichtsbesetzung der Bänder auf den Rekombinationskoeffizienten an? Wenn nicht, wo spielt dieser eine Rolle? Welche Temperaturabhängigkeit erwarten Sie für den spezifischen Widerstand? Wie kann man aus Widerstandsmessungen die Breite der verbotenen Zone bestimmen? → zur Lösung
•• 16.4.2 Isolator Die besten Isolatoren haben eine Breite der verbotenen Zone von 3–5 eV (warum nicht mehr?) und relative Verunreinigungen von etwa 10−6 (ein Fremdteilchen auf 106 Gitterteilchen). Welche Größenordnungen für Trägerbeweglichkeit und Leitfähigkeit ergeben sich daraus? → zur Lösung
•• 16.4.3 Dotierung Die Dielektrizitätskonstante von Ge ist 31, von Si 17,3. Ein Einkristall eines dieser Stoffe enthalte einige As- und Ga-Atome. Was wird aus den überschüssigen bzw. fehlenden Elektronen dieser Fremdatome? Was für lokalisierte Zustände sind mit den Fremdteilchen verbunden? Kann man sie als wasserstoffähnliche Systeme auffassen? Können Sie Energie, bohrsche Radien usw. für diese Zustände angeben? → zur Lösung
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•• 16.4.4 Beweglichkeit Sie wollen Konzentration, Beweglichkeit und Vorzeichen der Ladungsträger in einem Halbleiter bestimmen. Welche Messungen müssen Sie mindestens ausführen? → zur Lösung
•• 16.4.5 Randschicht Ein metallisch leitender oder halbleitender Kristall wird in ein Kondensatorfeld gebracht (ohne Kontakt mit den Kondensatorplatten). Zeichnen Sie die evtl. Verschiebung in der Bandstruktur und der Fermi-Grenze. Wo sitzt die Flächenladung und wie groß ist sie? Kann sie in einer unendlich dünnen Schicht konzentriert sein? Benutzen Sie die Begriffe des elektrochemischen Potentials und der Debye-Hückel-Länge. Vergleichen Sie mit der im Text gegebenen Dicke der Randschicht in Dioden und Transistoren. → zur Lösung
•• 16.4.6 Kontaktierung Ein n-Halbleiter ist mit einem Metall kontaktiert, dessen Fermi-Grenze tiefer liegt als das Donatorniveau des Halbleiters. Was geschieht beim Kontaktieren mit den Bändern und Elektronen? Zeichnen Sie die Bandstruktur vor und nach der Kontaktierung. Wie läuft die Fermi-Grenze danach? Wie dick ist die Randschicht? Welche Gesamtladung sitzt darin? Felder welcher Größenordnung sind nötig, um die Randschicht ganz ,,zuzuwehen“? Was geschieht, wenn man eine Spannung zwischen Metall und Halbleiter legt? Betrachten Sie beide Polaritäten. → zur Lösung
•• 16.4.7 Diodenkennlinie In Abb. 16.63 ist der Verlauf der Bandränder nicht ganz exakt gezeichnet. Wenn Sie den Fehler finden, haben Sie die Berechnung der StromSpannungs-Kennlinie der Diode in der Hand. Hinweise: Warum sind die Bänder außen horizontal und nur in der Übergangsschicht geneigt? Wie groß ist der Höhenunterschied zwischen rechts und links? Wie dick muss die Übergangsschicht sein, um den Übergang zu vermitteln? Wodurch sind die Widerstände in Sperr- und Durchlassrichtung bestimmt? → zur Lösung
•• 16.4.8 Thermolumineszenz Ein Halbleiter habe Donatoren (Traps), die ziemlich tief (ca. 1 eV) unter dem Leitungsbandrand liegen. Wie können die dort sitzenden Elektronen ins Leitungsband kommen? Diskutieren Sie besonders die thermische Befreiung. Welche T -Abhängigkeit erwarten Sie für die Freisetzungsrate? Wie kann man die Traptiefe aus Leitfähigkeitsmessungen bestimmen (Aktivierungsenergie)? Was geschieht, wenn man die Temperatur allmählich steigert (Thermolumineszenz oder Glowkurve)? → zur Lösung
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•• 16.4.9 Kristallphosphor Schnelle Elektronen, die in ZnS oder ähnlichen Kristallen gebremst werden, heben Valenzelektronen ins Leitungsband, von wo sie unter Lichtemission zurückfallen können. Kann man solche ,,Phosphore“ für Fernsehschirme benutzen? Welche Bedingungen stellen Sie an das Emissionsspektrum, die Nachleuchtdauer usw. eines solchen Phosphors? Wie drücken sich diese Bedingungen im Bändermodell aus? Welche Eigenschaften ergeben einen guten Phosphor für Leuchtzifferblätter? → zur Lösung
•• 16.4.10 Trägerkonzentration Diskutieren Sie Abb. 16.57. Was hat man gemessen, um diese Daten zu gewinnen? Was bedeutet der geradlinige Abfall, was bedeutet seine Neigung? Warum erfolgt Sättigung bei höheren Temperaturen? Wie werden sich die drei Proben unterscheiden? Können Sie die As-Konzentration schätzen? Warum biegen die höheren Kurven erst später in die Sättigung ein? Verlaufen die σ(T )-Kurven sehr viel anders? Annahme: µ ∼ T −3/2 ; was berechtigt zu dieser Annahme? Welche weiteren Messungen braucht man, um sie zu prüfen? → zur Lösung
•• 16.4.11 Minimale Leitfähigkeit Schätzen Sie die ,,minimale metallische Leitfähigkeit“, die einer freien Weglänge von der Größenordnung des Atomabstandes entspricht. Unter welchen Umständen erwartet man solche Werte? → zur Lösung
•• 16.4.12 Excitonen Abbildung 16.60 zeigt den Absorptionskoeffizienten von Cu2 O bei 77 K als Funktion der Photonenenergie. Wie sieht ein Cu2 O-Kristall aus? Hängt die Farbe wesentlich von der Dicke des Kristalls ab? Was bedeuten die Peaks? Können Sie ein Seriengesetz für die Peakenergien aufstellen? Wo erwarten Sie den Grundzustand? Kann man aus diesem Energiewert etwas über die Eigenschaften des Kristalls schließen (DK)? Kann man aus der Breite der Peaks Aussagen über den Kristall machen? Wie wird die Absorptionskante aussehen, wenn man sie bei Zimmertemperatur misst? → zur Lösung
•• 16.4.13 Solarzelle Warum haben Solarzellen nur 10–20% Wirkungsgrad? Denken Sie an die Form der Diodenkennlinie! → zur Lösung
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•• 16.4.14 Goethes Leuchtsteine Um 1630 fand der Schuster und Alchimist Vincenzo Casciarolo in Bologna, dass gewisse schwere und glänzende Steine vom nahen Monte Paterno, mit Kohle und Kalk geglüht, nachts leuchten, nachdem sie vorher beleuchtet worden waren. Goethe berichtet in der ,,Italienischen Reise“, er habe ,,ein Achtelzentner dieses Schwerspats aufgepackt“, und in der ,,Farbenlehre“, er habe die Steine durch verschiedenfarbige Glasscheiben beleuchtet: ,,Den Bononischen Phosphoren teilt sich das Licht mit durch blaue und violette Gläser, keineswegs aber durch gelbe und gelbrote; ja . . . die Phosphoren, welchen man durch violette und blaue Gläser den Glühschein mitgeteilt, wenn man solche nachher unter gelbe und gelbrote Scheiben gebracht, früher verlöschen als die, welche man im dunklen Zimmer ruhig liegen lässt.“ 50 Jahre später fand Edmond Becquerel, dessen Sohn Henri die Uranstrahlung entdeckte, dasselbe mit einem Prisma, ohne eine Erklärung zu wissen. Wissen Sie eine? → zur Lösung
•• 16.6.1 Diffusion Weisen Sie nach, dass (16.88) eine Lösung der Diffusionsgleichung ist und der Anfangsbedingung entspricht, dass bei t = 0 alle Moleküle am gleichen Platz waren. → zur Lösung
• 16.6.2 Escargots gratinés Man sagt, alle deutschen Weinbergschnecken seien aus kulinarischen Gründen durch die Mönche importiert worden. Unter vernünftigen Annahmen über Dichte und Gründungszeit der Klöster, die mittlere Marschgeschwindigkeit einer Schnecke und die Wegstrecke, nach der sie Halt macht, um dann in irgendeiner anderen Richtung weiterzukriechen: Wie lange hat es gedauert, bis von den Klostergärten aus ganz Deutschland von Schnecken bevölkert worden ist? → zur Lösung
• 16.6.3 Random walk Ein Betrunkener torkele zwar noch mit normaler Schrittfrequenz, aber der nächste Schritt könne mit gleicher Wahrscheinlichkeit in alle Richtungen erfolgen, unabhängig von der Richtung des vorherigen Schrittes. Er erkenne sein Haus erst und mache Anstalten zum Eintreten, wenn er direkt davorsteht. Das Haus habe eine Breite b und eine Entfernung a vom Wirtshaus. Wie lange dauert im Mittel der Heimweg? → zur Lösung
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•• 16.7.1 Perfekter Leiter Ein normaler Leiter im statischen Magnetfeld B wird durch die MaxwellGleichungen und das ohmsche Gesetz beschrieben. Weisen Sie nach, dass danach B sich nicht ändern kann, wenn die Leitfähigkeit sich beliebig ändert, selbst wenn sie sehr groß wird. Wenn man nach diesem Übergang zum perfekten Leiter das äußere Magnetfeld abschaltet, bleibt es im Leiterinnern trotzdem ,,eingefroren“. Vergleichen Sie mit dem Verhalten eines Supraleiters. → zur Lösung
••• 16.7.2 Meißner-Ochsenfeld-Effekt
(a) Wie dick ist die suprastromführende Schicht, die beim MeißnerOchsenfeld-Effekt das Innere feldfrei hält? Benutzen Sie die MaxwellGleichungen und die Stromdichte j = nev. Betrachten Sie z. B. einen langen Draht mit der Achse parallel zum äußeren Magnetfeld. (b) Zeigen Sie, dass die Feldverhältnisse beschrieben werden, wenn man annimmt, dass überall im Supraleiter für die Elektronen die Größe mv − eA verschwindet. A ist das Vektorpotential, aus dem sich das B-Feld wie B = rot A und der induktive Beitrag zum E-Feld wie − A˙ ableitet (im ˙ Würde mv − eA = 0 auch für den perfekGanzen also E = − grad ϕ − A). ten Leiter mit = 0 zutreffen? Wenn nicht, wie mag sich das abweichende Verhalten des Supraleiters erklären? (c) Zeigen Sie, dass für einen Supraleiterring mv − eA = 0 nur erfüllt sein kann,wenn der durch den Ring tretende Magnetfluss gequantelt, d. h. ein ganzzahliges Vielfaches von h/e ist. Beachten Sie dabei, dass der Drehimpuls der im Ring umlaufenden Elektronen genauso gequantelt ist wie für um den Kern ,,umlaufende“ Elektronen (warum? vgl. Abschn. 12.7.1), beachten Sie die Zusammenhänge zwischen v, p und k. → zur Lösung
• 16.7.3 Magnetaufhängung ,,Die Welt“, 1.4.1999: Die Supra-Einschienenbahn Berlin–Hamburg ,,rollte“ um 1000 von der Kreuzberg-Rampe (350 m ü. d. M.) ab und erreichte die Hamburger Michaelsrampe (ebenfalls 350 m) um 1059 . Aufenthalt 1 Minute. Seitdem funktioniert die 1-Stunde-Intercityverbindung Tag und Nacht. Die Frage nach den Motoren quittieren die Ingenieure mit dem gleichen Grienen wie vor hundert Jahren die Frage, wo denn das Pferd in der Lokomotive sei: Es gebe keine, weder im Zug noch außerhalb. Die blanken Zylinder seien ,,Helium-Superinsulators“. – Für wie utopisch halten Sie das? → zur Lösung
•• 16.7.4 Cooper-Paar Einzelelektronen im Supraleiter haben i. Allg. die Energie-ImpulsAbhängigkeit W = ∆W + p2 /(2m). ∆W ist die Energielücke. Was bedeutet diese Abhängigkeit? Die energetisch höchsten Cooper-Paare liegen bei W = 0. Ein Gas von Cooper-Paaren bewege sich als Ganzes mit Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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v gegen das Gitter. Der Impuls ist dann im System des bewegten Elektronengases zu rechnen, denn die Lücke ist an dieses gebunden. Gebremst werden können die Elektronen nur, indem Paare aufgebrochen und Elektronen in Zustände mit passenden Impulsen gehoben werden. Zeigen Sie, dass Energie- und Impulssatz eine solche Bremsung nur oberhalb einer gewissen kritischen Geschwindigkeit erlauben, und schätzen Sie diese. Wie groß können also Suprastromdichten werden? → zur Lösung
•• 16.7.5 Josephson-Wechselstrom Schätzen Sie den Tunnelstrom durch eine 10 Å-Oxidschicht zwischen zwei Supraleitern (Abschn. 12.7.2; das Elektronenpotential im Oxid liege etwa um 3 V höher als im Metall). Mit welcher Frequenz oszilliert der Josephson-Strom, wenn man 1 mV an die Junction legt? Die Kontaktfläche habe 1 cm Seitenlänge. Bei welchem Magnetfeld wechselt erstmalig das Vorzeichen des Josephson-Gleichstroms? → zur Lösung
•• 16.7.6 Energielücke Die Breite Wg der Lücke im Energiespektrum des Elektronengases eines Supraleiters ist temperaturabhängig: Bei T ≈ 0 hat sie ihren vollen Wert Wg0 ≈ 3,5kT0 , bei Annäherung an die Sprungtemperatur T0 (für B = 0) nimmt sie sehr schnell ab und verschwindet ganz für T = T0 . Bei T = T0 bleibt keinerlei Unterschied zwischen supraleitendem (s) und normalem (n) Zustand. Vergleichen Sie den Übergang s ↔ n im Magnetfeld und ohne Magnetfeld mit dem zwischen Wasser und Dampf. Vergleichen Sie vor allem die Werte G, H, S der beiden jeweils konkurrierenden Phasen. Wie verhalten sich speziell Hn , Hs bzw. Sn , Ss bei T = T0 ? Gibt es ein analoges Verhalten im Fall der Verdampfung? Betrachten Sie den ganzen Verlauf der Siede-Grenzkurve. Ehrenfest definierte Phasenübergänge 1., 2., 3. Ordnung: Am Übergang 1. Ordnung macht H einen Sprung, am Übergang 2. Ordnung nur einen Knick (Unstetigkeit der ersten Ableitung), beim Übergang 3. Ordnung ist erst die zweite Ableitung von H unstetig usw. Von welcher Ordnung sind die diskutierten Übergänge? Wie verläuft die spezifische Wärme, speziell bei konstantem Druck, am Übergang? Wie verläuft die Entropie? In welchen Fällen tritt eine ,,latente“ Umwandlungswärme auf? Wann sind Überhitzung und Unterkühlung möglich, wann ist Keimbildung nötig? → zur Lösung
•• 16.7.7 Sprungpunkt Wie in Aufgabe 16.7.6 festgestellt, werden supraleitender und normaler Zustand am feldfreien Sprungpunkt T0 identisch. Bei T = 0 muss Sn = SsT= S0 sein (3. Hauptsatz). Für eine beliebige Temperatur ist S(T ) = S0 + 0 c dT/T . Warum? s- und n-Leiter unterscheiden sich nur durch den Zustand ihres Elektronengases, d. h. die Existenz der Energielücke und ihre Folgen. Zeichnen Sie die Energieverteilung der Elektronen in beiden Leitern für verschiedene T . Beachten Sie das Schrumpfen der Energielücke Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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mit wachsendem T . Wie groß ist cn (vgl. Sommerfeld-Theorie des FermiGases)? Ist der Ansatz cn = γT berechtigt, und was bedeutet γ ? Ist cs größer oder kleiner (a) bei T ≈ 0, (b) bei T ≈ T0 ? Wie sähe cs (T ) bei konstanter Energielücke aus? Häufig kann man setzen cs (T ) = αT 3 . Heißt das, dass es sich um die Debye-Wärme des Gitters handelt? Wie müssen α und γ zusammenhängen, damit der Phasenübergang bei T0 von 2. Ordnung ist? → zur Lösung
•• 16.7.8 Grenzkurve Mit den Ergebnissen von Aufgabe 16.7.7 diskutieren Sie die Form der Grenzkurve zwischen Supra- und Normalleitung im B, T -Diagramm. Wie erfolgen speziell die Einmündungen in der B- und T -Achse? Kommt eine exakte Parabel als Grenzkurve heraus? Was muss man messen, um alle in Aufgaben 16.7.6–16.7.8 benutzten Größen angeben zu können, (a) wenn man sicher ist, dass die Grenzkurve eine Parabel ist, (b) wenn man diese Sicherheit nicht hat? → zur Lösung
Kapitel 17: Aufgaben . . .
•• 17.1.1 Austauschkraft Da nach der Unschärferelation die Energie eines Zustandes, der nur sehr kurze Zeit dauert, nicht ganz genau bestimmt ist, kann z. B. auch der Energiesatz durch Schaffung eines Teilchens ,,aus dem Nichts“ verletzt werden, wenn das Teilchen nur so schnell wieder verschwindet, ,,dass es niemand merkt“. So lässt sich die Austauschwechselwirkung unter Vermittlung virtueller Teilchen (Photonen, Mesonen, Gravitonen) anschaulich verstehen. Warum haben die Kernkräfte eine kurze Reichweite, und wie groß ist sie? Warum gibt es keine solche Reichweitebegrenzung für die elektrostatische Wechselwirkung? → zur Lösung
• 17.1.2 Oberflächenenergie Wenn A Kügelchen zu einer großen Kugel zusammengesetzt sind, wie viele Kügelchen sitzen dann an der Oberfläche? Wie viele nächste Nachbarn hat jedes Kügelchen, wenn es innen bzw. an der Oberfläche sitzt? → zur Lösung
•• 17.1.3 Coulomb-Energie Welche elektrostatische Energie hat eine gleichmäßig mit Ladung erfüllte Kugel? Wenden Sie das Ergebnis auf die Kerne an und verifizieren Sie den Faktor des 5. Gliedes in (17.4). → zur Lösung
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•• 17.1.4 Warum hat der Kern nicht mehr Neutronen? Für Protonen und Neutronen gebe es zwei unabhängige Termleitern, die von unten her aufgefüllt werden. Die Terme seien energetisch ungefähr äquidistant (für welches Potential trifft das zu?). Welche Energie hat ein Kern mit N Neutronen und Z Protonen? Welches N und Z wären bei gegebener Masse A = N + Z energetisch optimal? Drücken Sie die Abweichung von dieser optimalen Energie durch N − Z aus. → zur Lösung
•• 17.1.5 Im Tal der Stabilität Welcher Kern gegebener Massenzahl A ist nach (17.4) am stabilsten? Wie groß sind seine Bildungsenergie und die Bindungsenergie pro Nukleon? Vergleichen Sie mit Abb. 17.3. Verifizieren Sie die Konstante vor dem 6. Glied in (17.4) aus der Tatsache, dass z. B. 238 U stabil ist. → zur Lösung
•• 17.1.6 β-Zerfall Wie steigt das Stabilitätstal von seiner Sohle aus seitlich an (Querschnitt bei konstantem A)? Beachten Sie das letzte Glied in (17.4) und zeichnen Sie Querschnitte für gerades und ungerades A bei kleinem und großem A. Wie viele stabile Isobare gibt es? Wie zerfallen die übrigen und mit welchen Energien? → zur Lösung
•• 17.1.7 α-Zerfall Wie verläuft die Sohle des Tals der stabilen Kerne bei Änderung der Massenzahl? Für welche Kerne ist ein α-Zerfall möglich und mit welcher Zerfallsenergie? → zur Lösung
•• 17.1.8 Weizsäckers Chance Als C. F. von Weizsäcker 1935 das Tröpfchenmodell ausbaute, hätte er die Kernspaltung voraussagen können? Welche Elemente wären besonders günstig erschienen, welche Zerfallsenergien hätte er erwartet? Gab es auch Hinweise auf Spaltungsneutronen und Kettenreaktion? → zur Lösung
•• 17.1.9 Spaltungsmodell Wie ändert sich die Energie eines Kerns nach (17.4), wenn er von der Kugelgestalt abweicht? Welchen Einfluss hat die Massenzahl auf die Bilanz der Glieder, die sich dabei ändern? Wie verläuft demnach eine Kernspaltung? → zur Lösung
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• 17.1.10 Moderation Warum werden Neutronen in Wasser mehr gebremst als in Blei, warum ist es bei den meisten anderen Strahlungen umgekehrt? → zur Lösung
• 17.1.11 Schweres Wasser Warum moderiert man Neutronen in vielen Reaktoren mit schwerem und nicht mit normalem Wasser? → zur Lösung
•• 17.1.12 Günstigste Fusion Gibt es Fusionsreaktionen mit noch höherer Energieausbeute pro Gramm als die Lithium-Deuterid-Reaktion? → zur Lösung
•• 17.1.13 Magnetische Flasche Damit ein Plasma durch ein Magnetfeld zusammengehalten wird, muss (1) das äußere Magnetfeld mindestens so groß sein wie die Felder, die ein Teilchen infolge seiner Bewegung auf Nachbarteilchen ausübt, (2) die Lorentz-Kraft mindestens so groß sein wie der mittlere Kraftanteil, der infolge des Gasdrucks auf ein Teilchen entfällt. Hieraus ergibt sich eine enge Beziehung zwischen magnetischem Druck und Energiedichte des Feldes. Welche Dichten und Temperaturen kann man einem Plasma in einem magnetischen Kessel zumuten, ohne dass es explodiert? Schätzen Sie Wirkungsquerschnitt, Stoßzeit, Energieausbeute von Fusionsreaktionen ab. Wie müsste ein Fusionskraftwerk konstruiert sein, dessen Leistung in großtechnischen Bereichen läge? → zur Lösung
• 17.1.14 Nukleonen-Mikroskop Wie schnell müssen Elektronen sein, mit denen man die innere Struktur des Nukleons abtasten will? Man bedenke: Wie beim Mikroskop ist das Auflösungsvermögen durch die Wellenlänge bestimmt; für ultrarelativistische Teilchen (E m 0 c2 ) hängen Energie E und Impuls p zusammen wie E = pc. Hängt das Auflösungsvermögen von der Teilchenart ab? Warum benutzt man gern Elektronen? → zur Lösung
•• 17.1.15 Die größte Kraft Nukleonen ziehen einander an, halten sich aber doch auf Abstand. Wie groß ist diese Abstoßung? Gibt es noch größere Kräfte? → zur Lösung
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• 17.1.16 Nochmal Sherlock Holmes Wintertag. Sherlock Holmes (H) und Dr. Watson (W) stapfen bibbernd über die Heide von Salisbury. W.: Wenn die Technik doch schon so weit wäre, uns von den Positionsschwankungen dieses lächerlichen Gestirns da freizumachen! Wenn man die Sonne imitieren könnte . . . H.: Sie wollen sagen, dann hätte die Menschheit genug Energie, um ewigen Sommer machen zu können? Don’t jump to conclusions, my dear Watson. (Er deckt die bleiche Sonne in einer uns bereits bekannten Bewegung mit dem Daumen zu.) Die Sonne ist doch viel größer als die Erde, oder irre ich mich? W.: In der Tat. Sie hat den hundertfachen Durchmesser. H.: Und man kann annehmen, dass ein wesentlicher Teil ihres Gesamtvolumens an der Energieproduktion mitwirkt? W.: Das glaube ich schon, obwohl noch niemand weiß, wie die Sonne ihre Energie erzeugt. H.: Dann muss ich Ihnen sagen, dass das ganze Volumen der Erdatmosphäre – sagen wir, bis in einige Meilen Höhe – für eine Vorrichtung nicht ausreichen würde, die genügend Energie produzierte und genau die Vorgänge in der Sonne imitierte. Wie kommt Holmes darauf? Welchen Ausweg gibt es? → zur Lösung
•• 17.1.17 Neutronendiffusion Entscheidend für die Leistung, die in einem Kernreaktor freigesetzt wird, sind die Neutronenzahldichte n und die Neutronenflussdichte j. Neutronen lösen Spaltungsakte aus und werden dabei durch Fremdatome sowie auch durch nichtspaltende Kerne eingefangen, gleichzeitig entstehen bei der Spaltung aber wieder andere Neutronen. Wie hängen n und j zusammen? Welche Grundgleichung regelt die zeitlich stationäre räumliche Verteilung von n und j? Denken Sie daran, dass ein Neutron keine Vorzugsrichtung hat, in die es fliegt, sondern dass seine Flugrichtungen ganz zufällig verteilt sind. Wie kann trotzdem ein Neutronenfluss zustandekommen? Wo haben Sie die gefundene Gleichung schon mal gesehen? Sie spielt fast in jedem Kapitel dieses Buches eine Rolle, auch wenn dies nicht immer gesagt wurde. Lösen Sie diese Gleichung für einen kugelförmigen Reaktor. Wie groß sollte das stationäre n im Mittelpunkt sein? Diskutieren Sie die Fälle des unterkritischen und des überkritischen Reaktors. Denken Sie immer auch an die vielen anderen Anwendungen dieser Gleichung und ihrer Lösung. → zur Lösung
•• 17.1.18 Katalysierte Fusion Wieso wäre es günstig, bei der Kernfusion das Coulomb-Feld der beteiligten Kerne abzuschirmen, und durch was für Teilchen kann man das machen? Bis auf welchen Abstand kann sich z. B. ein Proton einem Deuteron nähern, das ein Elektron bzw. ein Myon gebunden hat? Vergleichen Sie mit dem Abstand, von dem ab die Tunnelwahrscheinlichkeit durch den Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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restlichen Coulomb-Wall erträgliche Werte annimmt (für ,,kaltes“ Reaktionsgemisch). Bei welchen Temperaturen werden Myo-Wasserstoff oder Myo-Deuterium thermisch dissoziieren? Luis Alvarez fand in einer H2 Blasenkammer, die mit Myonen beschossen wurde, mehrere Ereignisse folgender Art: Die Spur eines bei A eintretenden Myons endet bei B. Bei B , 1 mm von B, taucht wieder ein Myon auf, das 1,7 cm läuft und dann bei C in ein Elektron und zwei Neutrinos zerfällt. Alvarez’ Deutung: Bei B wird µ von einem Proton eingefangen, geht aber sehr schnell unter Gewinn von 135 eV auf ein Deuteron über. Warum soll d das µ umso viel fester binden als p? Wie schnell läuft das d mit dieser Energie? Wann erreicht es B ? Dort soll die Molekülbildung dµ+ p → dµp mit anschließender Fusion dµp → 3 He + µ+ 5,4 MeV und Ausstoß des µ erfolgen. Woher kommen die 5,4 MeV? Wie weit käme das Myon mit einem wesentlichen Teil dieser Energie innerhalb seiner Lebensdauer (τ = 2 · 10−6 s)? Oder wird es vorher abgebremst und zerfällt aus der Ruhe? (Denken Sie an die 1,7 cm Spurlänge). Schätzen Sie, wie lange die Bildung eines MyonMoleküls in der Blasenkammer dauert, und vergleichen Sie dies mit dem Alvarez-Experiment und mit der Lebensdauer des Myons. Kann ein Myon als Katalysator für die Fusion betrachtet werden? Wie viel Fusionsenergie kann man bestenfalls mittels eines Myons erzeugen? Vergleichen Sie dies mit dem Energieaufwand zur Erzeugung eines Myons, z. B. aus den Pionen, die beim Aufprall schneller Protonen entstehen. De facto-Werte heute: Ein 4,5 MW-Beschleuniger bringt 2 · 107 Myonen/s ins Target. → zur Lösung
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• 17.2.1 Wieso wird’s mehr?
0,1 g frisch hergestelltes Radium strahlt in den ersten Stunden wie 0,1 Ci, nach einigen Wochen wie 0,8 Ci, nach einigen Jahren wie 0,9 Ci. Wie kommt das? Gliedern Sie auch nach α- und β-Strahlung auf. → zur Lösung
• 17.2.2 Pierres Nachtlicht 0,1 g Radium, das Marie und Pierre Curie hergestellt hatten, erzeugte einige Wochen später im Kalorimeter etwa 40 J. Mit einem Szintillationsmikroskop zählte man auf einem Bildfeld von 0,1 mm2 , das unter einer Vakuumglocke 30 cm entfernt von einer Probe mit 10−6 g Ra aufgestellt war, in der Minute im Mittel 2 Lichtblitze. Welche Schlüsse konnte er ziehen? Konnte er die Energie pro Zerfallsakt, die Halbwertszeit usw. schätzen? Welche Korrekturen hätte er nach späterer Kenntnis anbringen müssen? Würde man die Experimente heute noch so machen? → zur Lösung
• 17.2.3 Maries Waschküche Welche Konzentrationen von 226 Ra und den übrigen Nukliden der UReihe erwarten Sie im Uranerz? Wie viel Pechblende mussten die Curies mindestens verarbeiten, um 0,1 g Radium herzustellen? → zur Lösung
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• 17.2.4 Stabilität Ist das radioaktive Gleichgewicht stabil? Wie entwickelt sich eine kleine Störung, z. B. Zufügung einer bestimmten Menge eines Zwischennuklids? → zur Lösung
• 17.2.5 α-β-γ-Analyse Projektieren Sie eine Versuchsanordnung zur Messung von Masse, Ladung, Impuls, Energie von α- und β-Teilchen. Können Sie damit beweisen, dass γ-Strahlung nicht aus üblichen Teilchen besteht? → zur Lösung
•• 17.2.6 Zufallsereignisse Ein Ereignis (Flugzeugunfall, Kernzerfall o. Ä.) möge im langzeitigen Durchschnitt ν-mal im Jahr eintreten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es eintritt, sei konstant. Sie hänge z. B. auch nicht davon ab, ob gerade vorher ein entsprechendes Ereignis stattgefunden hat. Können Sie eine Formel für die Wahrscheinlichkeit entwickeln, dass in einem Zeitraum von t Jahren kein solches Ereignis, genau eines, genau zwei usw. eintreten? Gehen Sie von sehr kurzen Zeiträumen aus, in denen bestimmt höchstens ein solches Ereignis stattfindet. → zur Lösung
•• 17.2.7 Strenge Sitten In einem fernen Land wird jedem Fahrer nach zehn Unfällen der Führerschein auf Lebenszeit entzogen. Von einem Jahrgang von Fahrschulabsolventen, die alle gleich viel und gleich gut fahren, sind nach t Jahren noch wie viele fahrberechtigt? Wie ändert sich die t-Abhängigkeit, wenn das Gesetz noch strenger bzw. milder wird? → zur Lösung
• 17.2.8 Positronenzerfall Warum beobachtet man keinen natürlichen, sondern nur einen künstlichen β + -Zerfall? → zur Lösung
•• 17.2.9 14 C-Uhr
Kosmische Strahlung erzeugt in der Erdatmosphäre 2,4 Neutronen/cm2 s, die zumeist in der 14 N(n, p)14 C-Reaktion verbraucht werden. 14 C zerfällt mit einer Halbwertzeit von 5 600 a. Die Atmosphäre und die Biosphäre enthalten 8 bis 10 g/cm2 C als CO2 oder lebende Substanz. Welche 14 CAktivität erwartet man in einer Probe lebender Substanz? Vergleichen Sie mit dem Messwert von 0,1(16,1) Zerfallsakten/min im Gramm Kohlenstoff. Was geschieht, wenn das Lebewesen stirbt? Holz aus dem Grab des Pharao Sneferu zeigte 8,5 ± 0,2 Zerfälle pro s und g C. Wann wurde das Holz geschlagen? → zur Lösung
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• 17.2.10 40 K-Uhr
zerfällt durch β-Emission mit der Zerfallskonstante λ1 = 4,75 · 10−10 a−1 in 40 Ca, durch K-Einfang mit λ2 = 0,585 · 10−10 a−1 in 40 Ar. Eine Glimmerprobe enthält 4,21% Kalium; vom Gesamtkalium macht das Isotop 40 K nur 0,0119% aus. Außerdem findet man 0,000 088% 40 Ar in der Probe. Wie macht man solche Bestimmungen? Wie alt ist das Mineral? Welche Fehlerquellen für die Altersbestimmung gibt es? 40 K
→ zur Lösung
•• 17.2.11 Ist die Erde heiß oder kalt entstanden? Die Erdkruste enthält etwa 3 · 10−4 % Uran, 9 · 10−4 % Thorium, wenig Aktinium. Schätzen Sie die radioaktive Wärmeproduktion der Gesteine. Reicht sie aus, um die Wärmeleitungsverluste zu decken (Temperaturgradient 3 K/(100 m), Wärmeleitfähigkeit 1,5 W/(m K))? Falls die Wärmeproduktion zu klein ist: Woher stammt die Wärme des Erdinnern? Im gegenteiligen Fall: Folgerungen über die Uranverteilung in größerer Tiefe bzw. über die Zukunft des Erdkörpers? Wie lange würde alles Uran der Erde den Energiebedarf der Menschen decken? → zur Lösung
••• 17.2.12 Kann man Radioaktivität beeinflussen?
Man liest oft, ein Kernzerfall sei durch äußere Umstände nicht zu beeinflussen. Dass dies nicht richtig ist, folgt schon aus der Möglichkeit, im Beschleuniger oder im Fusionsreaktor neue Kerne aufzubauen, also den Zerfall umzukehren. Gewöhnliche Temperaturen und Drucke, besonders aber der chemische Zustand des Atoms beeinflussen die Zerfallskonstante ebenfalls, wenn auch nur so schwach, dass dieser Einfluss noch nicht sicher nachgewiesen werden konnte. Schätzen Sie, um wie viel z. B. eine Ionisierung das Potential in Kernnähe verschiebt. Um wie viel könnte sich dadurch die Zerfallskonstante im Gamow-Modell des α-Zerfalls ändern?
→ zur Lösung
• 17.2.13 Totzeitfehler I Der Fehler infolge der Zählertotzeit ist leicht anzugeben, wenn die Lebensdauer des Präparats sehr groß gegen die Messzeit ist (s. Aufgabe 17.2.14). Wenn die Aktivität während der Messung merklich abklingt, wird auch der Teil der Impulsrate, der in Totzeiten fällt und unterschlagen wird, zeitabhängig. Berücksichtigen Sie dies in dem Ausdruck für den relativen Fehler der Gesamtimpulszahl. → zur Lösung
• 17.2.14 Totzeitfehler II Sie wollen die Halbwertzeit bzw. die Zerfallskonstante λ eines Nuklids möglichst genau messen. Nehmen wir zunächst an, Sie verfügen über ein völlig reines Präparat dieses Nuklids, das eine sehr lange Lebensdauer habe, und über einen Zähler, der alle Zerfallsakte registriert. Wie gehen Sie vor? Jetzt berücksichtigen Sie den statistischen Fehler, der aus der Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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endlichen Dauer ∆t der Messung resultiert, und den Koinzidenzfehler, der auf der Totzeit t0 des Zählers beruht. Welcher relative Fehler der λ-Messung ergibt sich daraus? Wie kann man den relativen Fehler bei gegebenem ∆t und t0 möglichst klein machen? Wie klein wird er dann? → zur Lösung
• 17.3.1 Nebelkammerspuren Die Bahn eines α-Teilchens ist dick und gerade, die des β-Teilchens dünn und zitterig, eine γ-Spur ist bei genauerem Hinsehen nur durch einzelne davon ausgehende zitterige Spuren markiert. Wieso? → zur Lösung
• 17.3.2 Lange Spur In Abb. 17.23 geht eine α-Spur über alle anderen hinaus. Woran liegt das? Vergleichen Sie die Energie dieses Teilchens mit der der übrigen. Kann es aus einem anderen Nuklid der Zerfallsreihe stammen, oder aus einem angeregten RaC -Kern? Wie groß dürfte die Anregungsenergie sein? Kann man schätzen, wie häufig solche Anregungen vorkommen? Wie wird es zu dieser Anregung gekommen sein? → zur Lösung
•• 17.3.3 Impulsübertragung Ein geladenes Teilchen fliegt im Abstand a (Stoßparameter) an einem Atom vorbei. Welche Kraft wirkt auf die Elektronen des Atoms in den einzelnen Phasen des Vorbeifluges? Welcher Impuls wird insgesamt auf das Atomelektron übertragen? Annahme: Das einfliegende Teilchen ist so schnell oder so schwer, dass es nicht wesentlich aus der geraden Bahn gebracht wird. Wieweit stimmt das? Rechnen Sie die Impulsübertragung in eine Energieübertragung um. Unter welchen Umständen wird das Atom ionisiert oder angeregt? Was passiert, wenn die Energie dazu nicht ausreicht? → zur Lösung
υ
a a a
Abb. 17.55 Entscheidender Wechselwirkungsbereich zwischen einem Atomelektron und einem schnellen geladenen Teilchen
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•• 17.3.4 Energieübertragung Ein geladenes Teilchen fliegt auf seiner Bahn durch Materie an sehr vielen Atomen in verschiedenen Abständen a vorbei und gibt an jedes entsprechend Energie ab. Wie viele Atome passiert das Teilchen auf dem Bahnstück dx im Abstand zwischen a und a + da? Welches ist der größte Stoßparameter, bei dem noch Energie ausgetauscht wird? Welches ist die größte austauschbare Energie mit dem zugehörigen Stoßparameter? Alle Abstände zwischen amin und amax tragen zur Bremsung bei. Wie groß ist der Energieverlust auf der Strecke dx (Vergleich mit (17.16))? → zur Lösung
•• 17.3.5 Ionisierungsdichte Wie viele Ionen erzeugt ein geladenes Teilchen auf 1 cm seiner Bahn in Abhängigkeit von den wesentlichen Größen, die es selbst und die durchflogene Substanz kennzeichnen (welche sind das?). Vergleichen Sie mit Abb. 17.25. → zur Lösung
•• 17.3.6 Röntgen Ein radioaktives Präparat gegebener Aktivität (in Bq) und Teilchenenergie ist umgeben von Luft, Wasser, organischer Substanz, Eisen oder Blei. Wie kann man die Ionisierungsdichten berechnen und in gebräuchlichen Einheiten (Röntgen, Gray usw.) ausdrücken? → zur Lösung
E
x dE dx
x dE dx
x
R
Abb. 17.65. Energieverlust eines geladenen Teilchens in Materie. Oben: E(x); Mitte: d E/dx ohne Berücksichtigung des Logarithmus in der Bethe-Formel; unten: d E/dx mit Berücksichtigung des Logarithmus (Bragg-Kurve)
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•• 17.3.7 Reichweite I Betrachten Sie Abb. 17.15 und schätzen Sie aus den Reichweiten der Teilchen ihre Energie. Beachten Sie den Ionisierungszustand des schweren Atoms. Benutzen Sie Energie- und Impulssatz. Können Sie die Deutung, die Rutherford diesem Experiment gab, bestätigen? → zur Lösung
•• 17.3.8 Reichweite II Leiten Sie aus (17.16) oder Ihrer eigenen Formel für d E/dx ab, wie viel Energie das schnelle Teilchen nach einer gegebenen Laufstrecke noch hat. Welche Laufstrecke kann man als seine Reichweite betrachten? Wie verteilt sich die Ionisierung über die Weglänge? → zur Lösung
• 17.3.9 Maximale Energieübertragung Wieso kann ein schweres Teilchen der Masse M und der Energie E an ein Elektron der Masse m maximal nur die Energie 4mW/M abgeben? Unter welchen Umständen tritt diese maximale Energieübertragung ein? → zur Lösung
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• 17.3.10 Geiger-Nuttall Bestimmen Sie die Energien und Reichweiten einiger α-Strahler aus ihren Halbwertzeiten (z. B. nach der Geiger-Nuttall-Regel bzw. der Geiger-Formel) und vergleichen Sie mit Abb. 17.19. → zur Lösung
•• 17.3.11 Reichweite III Erklären Sie die Einzelheiten der Abhängigkeiten Abb. 17.26 und benutzen Sie diese Daten neben den Formeln des Textes für die folgenden Aufgaben. → zur Lösung
•• 17.3.12 Relativistische Bremsung Gilt die Bremsformel (17.16) auch für relativistische Teilchenenergien E m 0 c2 , oder was ist daran abzuändern? Denken Sie besonders an die Lorentz-Kontraktion. Kommen diese Modifikationen in Abb. 17.25 zum Ausdruck? → zur Lösung
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•• 17.3.13 Bremsformeln Für verschiedene Teilchen und Energiebereiche benutzt man sehr verschiedene Formeln, die die Energieabhängigkeit des Wechselwirkungsquerschnitts oder der Stoßwahrscheinlichkeit dieses Teilchens mit anderen ausdrücken. Beispiele: Der Stoßquerschnitt zwischen Gasatomen wird als unabhängig von E betrachtet, die freie Flugdauer für Stoß- und Einfangwechselwirkung zwischen geladenen Teilchen als proportional E 3/2 , der Einfangquerschnitt für Neutronen durch Kerne als proportional E −1/2 . Haben diese Abhängigkeiten nichts miteinander zu tun, oder können Sie einen Gedankengang finden, der sie und die Folgerungen daraus unter einen Hut bringt? → zur Lösung
• 17.3.14 Bremsen Kerne auch? Wieso können Bethe und Bohr die Kerne der Bremssubstanz in ihrer Theorie der Bremsung geladener Teilchen (Aufgaben 17.3.3–17.3.5) aus dem Spiel lassen? Welche Tatsache ist dafür entscheidend? Führen Sie die Betrachtung auch für Kerne durch und vergleichen Sie die Ergebnisse. → zur Lösung
•• 17.3.15 Materialabhängigkeit Vergleichen Sie Ionisierungsdichten und Reichweiten in verschiedenen Materialien (Luft, Wasser, biologisches Gewebe, Gestein, Aluminium, Eisen, Blei) ausgedrückt in durchlaufener Schichtdicke oder Flächendichte. → zur Lösung
•• 17.3.16 Abschirmung Charakterisieren Sie Ionisierungsvermögen und Reichweite der α- und βStrahlung verschiedener radioaktiver Präparate (Abb. 17.13, 17.19). Was folgt daraus an praktischen Regeln für die Gefährlichkeit der Radionuklide und die Abschirmung ihrer Strahlung? Dimensionieren Sie solche Abschirmungen für einige Präparate. Wie hängt die Stärke der Abschirmung von der Aktivität der Quelle (in Bq) ab? Beachten Sie die gesetzlichen Vorschriften über den Strahlenschutz. •• 17.3.17 Dosisleistung Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Aktivität eines radioaktiven Präparats (in Bq) und der Dosisleistung (in Gray) in gegebenem Abstand von der Quelle? Diskutieren Sie einige praktische Beispiele. → zur Lösung
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•• 17.3.18 Theorie der Nebelkammer Wieso wirken Ionen als Kondensationskeime? Wie kann sich übersättigter Dampf überhaupt halten, ohne in Tröpfchen zu kondensieren? Möglicher Weg zur quantitativen Behandlung: Setzen Sie die Energie eines geladenen Tröpfchens an (Volumen-, Oberflächen-, Coulombenergie); diskutieren Sie Existenz, Lage, Tiefe des Minimums. Was bedeutet das für die effektive Kondensationstemperatur? Benutzen Sie z. B. die Formel Tkond = (Hfl − Hd )/(Sfl − Sd ), aber nicht ohne Begründung! Wie stark muss man expandieren? Wie weit lassen sich die Ergebnisse auf Blasenkammern übertragen? → zur Lösung
•• 17.3.19 W, W-Detektor-Teleskop
Es besteht aus einer sehr dünnen Halbleiter-Schicht, die den geladenen schnellen Teilchen nur einen kleinen Bruchteil ∆E ihrer Energie entzieht, und einer dicken Halbleiter-Schicht, in der die Teilchen stecken bleiben und ihre ganze Restenergie abgeben. Wie dick müssen die beiden Kristalle für verschiedene Teilchensorten und Energien sein? Versuchen Sie eine möglichst universelle Lösung zu finden. Trägt man die Einzelakte in ein ∆E, E-Diagramm ein, ordnen sie sich auf verschiedenen hyperbelähnlichen Kurven an. Warum? Was bedeuten die einzelnen Hyperbeln? Kann man verschiedene Teilchensorten so unterscheiden (Reichweiten s. Abb. 17.26)? → zur Lösung
•• 17.3.20 Zyklotron-Modell Eine im Wesentlichen horizontale Scheibe besteht aus zwei Halbkreisen (Durchmesser d), die durch ein Brettchen (Länge d, Breite b d) über Scharniere verbunden sind. Ein Motor stellt die eine Halbkreisscheibe abwechselnd etwas höher bzw. etwas tiefer als die andere, wobei das Mittelbrett als schiefe Ebene variablen Neigungssinnes den Übergang vermittelt. In einer spiralförmigen Rille können Kugeln laufen, die aus einem zentral gelegenen Loch austreten. Wieso ist das ein Zyklotron-Modell? Wo sind das E- und das B-Feld? Wie muss die Rille gestaltet sein, damit die Beschleunigung immer im richtigen Zeitpunkt kommt? Diskutieren Sie auch ein Modell ohne Rille, in dem eine Kugel durch eine weiche Spiralfeder, die das reibungsfreie Rollen nicht beeinträchtigt, am Zentrum befestigt ist. Vergleichen Sie die Bahnen der Teilchen in den drei Fällen: Rille, Feder, Zyklotron. → zur Lösung
•• 17.3.21 Linearbeschleuniger Wie müssen die Rohrlängen eines Linearbeschleunigers abgestuft sein, wenn die Beschleunigung an allen Rohrzwischenräumen durch die gleiche Wechselspannung erfolgt? Diskutieren Sie den Stanford-Beschleuniger (3,2 km lang, 40–45 GeV). → zur Lösung
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• 17.3.22 Teures Synchrotron Warum müssen Synchrotrons so groß (und so teuer) sein? Wie hängt der Bahnradius von der Maximalenergie ab? Testen Sie die Theorie an einigen existierenden Anlagen. Wie groß müsste eine TeV-Anlage sein? Was könnte das Super-Synchrotron leisten, dessen Ringkammer rings um den Äquator geht? → zur Lösung
• 17.3.23 Synchrozyklotron In welchem Bereich muss man die Frequenz des Beschleunigungsfeldes bei einem 750 MeV-Protonen-Synchrozyklotron variieren, wenn es einen 1,7 T-Magneten hat? In welcher Zeit muss das geschehen, wenn die Beschleunigungsspannung 5 kV ist? Welchen Durchmesser hat der Magnet? Welche Strecke legen die Teilchen etwa im Beschleuniger zurück? → zur Lösung
• 17.4.1 Vorspiel auf dem Theater Im Elysium. Asphodeloswiese. Bach mit Nymphen im Hintergrund. Domokrit: Es gibt nichts als Atome – unteilbar, daher unzerstörbar – und Leere. Alles andere ist Meinung. Aristoteles: Wenn ein Ding ausgedehnt ist, muss es auch Teile haben. Dinge ohne Ausdehnung haben aber nichts, womit sie aneinander haften können. Man kann daraus nichts bauen, schon gar nicht eine Welt. Also gibt es keine Atome. Achilleus: Vielleicht sind sie ausgedehnt, aber unendlich hart? Alexander d. Gr.: Arrhhmmmm! Polyhistor: Ganz recht, Majestät! Da hat neulich ein gewisser Monopetros bewiesen . . . (Er zieht einen Spickzettel aus der Chlamys und trägt Längeres vor.) Aristophanes: Sagt man nicht, die Atome bestünden aus noch kleineren Dingen, die umeinander kreisen wie – nach dem berüchtigten Aristarchos – die Erde um die Sonne? Vielleicht leben auf diesen ,,Erden“ wieder winzige Leute, die natürlich auch aus Atomen bestehen usw. Das fände ich lustig. Und vielleicht ist unser Sonnensystem auch nur ein Atom, sagen wir im Gehirn eines Riesen . . . Orothermos: Vielleicht kann man die Atome so retten: Wenn man wissen will, ob sie ausgedehnt sind oder nicht, muss man sie ausmessen. Dazu braucht man Maßstäbe. Da es aber nichts Kleineres gibt als Atome, erledigt sich die Streitfrage, und die Atome dürfen doch existieren. Alexander: Glänzend! Sie sind unteilbar, weil sie das Kleinste sind, und sie sind das Kleinste, weil sie unteilbar sind! Polyhistor: Ja, aber die Oxygalakta des Oukoun-Andros? Und rechnet nicht Trochites schon mit Längen, die . . . (er malt sehr viele Buchstaben in den Sand) . . . -mal kleiner sind als deine ,,kleinste Länge“, verehrter Orothermos? Diskutieren Sie mit! → zur Lösung
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• 17.4.2 Vorspiel im Himmel Meph.: Da du, o Herr, dich wieder einmal nahst . . . Der Herr: Schon gut. Du willst nur wieder lamentieren, und alles, was du in der Schöpfung sahst, das taug’ zu nichts, es sei denn, zum Krepieren. Versuch’s: Ein Rädchen nimm aus dem Getriebe! Wenn du’s vermagst, steig ich von diesem Thrönchen. Meph.: So macht der Herr den Teufel selbst zum Diebe? Die Wette gilt: Klau ich ein Elektrönchen . . . Der Herr: . . . und es bleibt nichts zurück, dann dank ich ab, und frei erklär ich meinen ganzen Stab. Wie mag die Sache ausgehen? Man denke sich den Himmel und die ,,Schöpfung“ als zwei völlig getrennte Welten, abgesehen davon, dass Mephistopheles dank diabolischer Transzendenz gelegentlich in unsere Welt hineinlangen kann. Die Erzengel Michael (gesprochen ,,Meikel“), Maxewell und Hertzelel sind Schiedsrichter. → zur Lösung
•• 17.4.3 Eddingtons Spekulation Die Unschärferelation ordnet jeder maximalen Ortsunbestimmtheit eine nichtunterschreitbare Impulsunschärfe zu. Nun kann man im EinsteinWeltall mit dem Radius R beim besten Willen keinen größeren Fehler in einer Ortsangabe machen als R. Das Weltall enthält etwa N = 1080 Teilchen (vgl. Aufgabe 17.4.4). Wenn sie im Großen gesehen regellos verteilt sind, ist der mittlere Fehler, den man bei √ der Angabe ihres Schwerpunkts ohne jede weitere Kenntnis macht, R/ N. (Wieso?). Dem entspricht ein gewisser kleinster Impulsbetrag, oder – mit c als typischer Geschwindigkeit – eine bestimmte Masse, die im Weltbau eine grundlegende Rolle spielen sollte. Welche Masse ist das? → zur Lösung
•• 17.4.4 Eddington-Diracs Wunderzahl Ein Argument (nicht das einzige) für die grundlegende Rolle der Elementarlänge l0 ≈ 10−15 m ist Folgendes: Die damals kleinste Länge l0 passt in die größte, den Einstein-Radius R, etwa 1040 -mal. Ebenso oft passt auch die Elementarzeit τ0 = l0 /c in das Alter der Welt, das experimentell als reziproke Hubble-Konstante gegeben ist (Abschn. 18.4.5). Eine ganz ähnliche Zahl findet man, wenn man die Coulomb-Kraft zwischen zwei Elementarteilchen mit der Gravitation zwischen ihnen vergleicht. Die mittlere Dichte im Weltall, soweit wir es übersehen, ist etwa 10−27 kg/m3 (nachprüfen!). Damit ergibt sich einmal der Wert von R, zum anderen die Anzahl der Teilchen in der Welt zu etwa 1080 , dem Quadrat der obigen Wunderzahl! Prüfen Sie alle diese Übereinstimmungen nach. Wie viel daran ist relativ trivial, was bleibt evtl. als Einblick in die Grundstruktur der Welt? → zur Lösung
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•• 17.4.5 Hat das Elektron eine richtige Masse? Fassen Sie ein Elektron als Kugel vom Radius r mit der Ladung an der Oberfläche auf und nähern Sie diese Kugel als eine Spule mit einer einzigen Windung. Welche Induktivität ergibt sich? Welchen Strom repräsentiert das Elektron, wenn es mit v fliegt, in der Ebene, die es gerade durchtritt? Welche Spannung an den Enden der Spule wäre nötig, um eine Beschleunigung a herbeizuführen? Wie groß ist dann die Feldstärke innerhalb der Spule? Welche Kraft auf das Elektron bedeutet das? Welche ,,elektromagnetische Masse“ hat also das Elektron? Wie groß muss r sein, damit die richtige Elektronenmasse herauskommt? → zur Lösung
•• 17.4.6 Planck-Länge Um irgendeine Messung in einem Raumbereich der Abmessung d auszuführen, braucht man ein materielles Objekt, am besten ein Teilchen, von dem man sagen kann, dass es in dem fraglichen Bereich ist. Damit man dies sagen kann, muss das Teilchen nach der Unschärferelation einen gewissen Minimalimpuls und eine Minimalenergie haben. Wie groß sind diese, speziell im Fall sehr kleiner Längen d, wo bestimmt der relativistische Energiesatz gilt? Welche Masse hat das Messteilchen infolgedessen? Andererseits besitzt ein Teilchen gegebener Masse einen gewissen Gravitationsradius rG mit folgender Bedeutung: Wenn das Teilchen so klein wäre wie rG , würde es sich als Schwarzes Loch aus dem Universum abkapseln. rG muss offenbar kleiner sein als die auszumessende Länge d. Wie klein sind demnach die kleinsten Bereiche, über deren Struktur man prinzipiell etwas aussagen könnte? → zur Lösung
•• 17.4.7 Pion-Umwandlung Analysieren Sie das Ereignis in Abb. 17.38 genauer. Zeigt die Winkelhalbierende der e+ e− -Gabel oben rechts wirklich genau auf den Knick (vgl. Abschn. 17.4.2)? In welche Richtung muss das andere Photon aus dem Zerfall π0 → 2γ fliegen? Schätzen Sie die Energie des π0 . → zur Lösung
•• 17.4.8 Myonzerfall Warum kann das Elektron aus dem Zerfall µ− → e− + νe + νµ nur maximal 53 MeV haben? Warum kann es beim üblichen β-Zerfall die volle Zerfallsenergie mitnehmen? Umgekehrt: Wenn man nur die Myon-Masse kennt (woher?) und diese Maximalenergie des Zerfallselektrons von 53 MeV misst, was kann man über den Zerfallsmechanismus aussagen? Würde ein zusätzliches ,,unsichtbares“ Teilchen energie- und impulsmäßig ausreichen? Wenn ja, warum nimmt man zwei an? → zur Lösung
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• 17.4.9 Myon-Atom Schätzen Sie Bahnradien, Umlaufgeschwindigkeiten, Termenergien und Emissionsfrequenzen für Myon- und Kaon-Atome. Welches wäre z. B. die K α -Röntgenenergie für Kaon-Uran? Würden Sie sich wundern, wenn die bohrschen Werte nicht genau stimmten? Was könnte man aus evtl. Abweichungen schließen? → zur Lösung
•• 17.4.10 Cowan-Reines-Versuch Wieso erzeugt ein Kernreaktor so viele Antineutrinos, aber kaum Neutrinos? Wie viele Antineutrinos kommen z. B. aus einem 100 MW-Reaktor? Diskutieren Sie danach das Experiment von Cowan und Reines zum Nachweis des Antineutrinos aus der Reaktion p + νe → n + e+ . Welche Kontrollen waren nötig, um andere Erklärungen auszuschließen? → zur Lösung
•• 17.4.11 Graphit-Moderator Durch eine dichte Graphitschicht kommen nur ,,eiskalte“ Neutronen mit Energien unterhalb 1,8 · 10−3 eV hindurch. Was hat das mit der Gitterkonstanten (in c-Richtung) von 3,4 Å und der mikrokristallinen Struktur des Graphits zu tun? → zur Lösung
•• 17.4.12 Einfangquerschnitt Der Einfangquerschnitt von Neutronen durch Kerne nimmt mit der Neutronenenergie i. Allg. wie E −1/2 ab. Warum? Über diesen Abfall lagern sich steile Resonanzpeaks. Was bedeuten sie? H, Be, Cd haben große, D, C, O kleine Einfangquerschnitte für langsame Neutronen. Begründen Sie das und geben Sie Anwendungen an. → zur Lösung
• 17.4.13 Sonnen-Neutrinos Gibt es auf der Erde mehr Neutrinos oder Antineutrinos? Welche Teilchenart strahlt uns die Sonne zu und wie viele? Vergleichen Sie die Energie, die die Neutrinos und Antineutrinos aus einem Stern abführen, mit der normalen Strahlungsenergie. Diskutieren Sie das vermutliche Schicksal dieser Neutrinos. → zur Lösung
• 17.4.14 Protonenzerfall Kann sich z. B. das H-Atom zerstrahlen? Reichen die klassischen Erhaltungssätze für Energie, Impuls, Drehimpuls, Ladung aus, um die Paarbildung oder -vernichtung von p + e− auszuschließen? → zur Lösung
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• 17.4.15 Hyperonzerfall Vergleichen Sie die folgenden Aussagen hinsichtlich ihrer empirisch oder theoretisch begründeten Sicherheit: ,,Es könnte sich im Prinzip jeden Morgen erweisen, dass die Sonne nicht mehr da ist. Das wird aber nie eintreten“, und ,,Es könnte sich im Prinzip alle 10−23 s erweisen, dass dieses Hyperon nicht mehr da ist. Das wird aber nie eintreten“. → zur Lösung
• 17.4.16 Speicherring Diskutieren Sie den Stoß (a) eines 6 GeV-Elektrons mit einem ruhenden Positron, (b) eines 3 GeV-Elektrons mit einem Positron, das ihm mit gleicher Energie entgegenkommt. Wieweit stimmt der Vergleich mit dem Stoß eines Autos gegen eine Mauer bzw. gegen ein entgegenkommendes Auto qualitativ und quantitativ? Wie groß ist die Bremsenergie (zur Teilchenerzeugung verfügbare Energie) in den Fällen (a) und (b)? Wie viel schneller müsste das Elektron im Fall (a) sein, damit die gleiche Bremsenergie herauskommt wie im Fall (b)? E c
E kin c E kin c m0 c m0 c
E c
p L-System
p⬘
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S-System
Abb. 16.66. Stoß eines schnellen Teilchens mit einem gleichartigen, im Laborsystem ruhenden Teilchen. Im Schwerpunktsystem ist die verfügbare viel geringer. Das liegt an der relativistischen Transformation des Energie E kin (zeitartigen) Impuls-Vierervektors ( p1 , p2 , p3 , iE/c). Das i hat dramatische geometrische Wirkung: In den Koordinaten iE/c, p rotiert der Endpunkt des Vektors auf einem Kreis, in den Koordinaten E/c, p auf einer Hyperbel
→ zur Lösung
• 17.4.17 /J-Zerfall Diskutieren Sie das Ereignis in Abb. 17.41 genauer. Lesen Sie speziell die Lebensdauer des erzeugten Teilchens ab (Maßstab beachten!). Wie mögen die eingezeichneten Fehlergrenzen der Messpunkte zustandekommen? Warum sind sie auf dem Peakgipfel so viel kleiner? Warum laden die entsprechenden Balken z. T. nach unten stärker aus? → zur Lösung
•• 17.4.18 Ein Zerfall oder zwei? Bei einer Granate (A) sitzt die Sprengladung in einem Mantel, der aus drei Teilstücken (a, b, c) lose zusammengeschweißt ist, sodass sie bei der Detonation auseinander fliegen, jedes aber intakt bleibt und seine Energie gemessen werden kann. Bei einem anderen Typ (B) bleiben zwei Teilstücke (b, c) zunächst zusammen, bis sie etwas später durch eine weitere Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
Explosivladung ebenfalls getrennt werden. Man misst die Energien der Stücke bei sehr vielen Explosionen. Kann man daraus feststellen, ob es sich um Typ A oder B handelt? Stört es dabei, wenn man nur das Stück a verfolgen kann? → zur Lösung
•• 17.4.19 Negative Ruhmasse Wie kann man behaupten, das Quark sei schwerer als das Nukleon, wenn doch das Nukleon (und sogar das noch viel leichtere Pion) aus mehreren Quarks bestehen soll? Vergleichen Sie mit der Situation im Kern. Was ist eigentlich Fusionsenergie? Wäre es energetisch aufwändiger, ein QuarkAntiquark aus dem Nichts zu machen, als ein Pion in seine Bestandteile (Quark–Antiquark) aufzubrechen? → zur Lösung
•• 17.4.20 Asinon Gibt es einen physikalisch einigermaßen sinnvollen Weg, wie ein Teilchen mit negativer Masse entstehen könnte? Wie verhielte sich ein solches Teilchen, wenn eine Kraft darauf wirkt? Welche Gravitationskraft würde zwischen einem solchen Teilchen und einem normalen, bzw. zwischen zwei solchen Teilchen wirken? Wie würden die Teilchen auf diese Kräfte reagieren? → zur Lösung
•• 17.4.21 Tachyon Wie würde sich ein Teilchen mit imaginärer Ruhmasse, ein Tachyon, verhalten, wenn man verlangt, dass es eine normale (reelle) Energie haben soll? Stichwort: Tscherenkow-Strahlung. Aus der Relativitätstheorie 2 brauchen Sie, außer E = mc , nur die Geschwindigkeitsabhängigkeit der Masse: m = m 0 / 1 − v2 /c2 . → zur Lösung
•• 17.4.22 Back in time Richard Feynman erzählt in seinem Nobelvortrag, wie er auf seine Graphenmethode kam: Eines Tages rief mich mein Physikprofessor John Archibald Wheeler an: ,,He, Feynman, ich weiß jetzt, warum alle Elektronen so exakt identisch sind!“ – ,,Nämlich . . . ?“ – ,,Es ist immer dasselbe Elektron! Es gibt überhaupt nur eins!“ – ,,Und warum denken wir, es gibt 1080 oder so?“ – ,,Ganz einfach: Es rennt furchtbar oft zeitlich im Zickzack. Jedes Mal wenn es von der Vergangenheit her wieder durch die Gegenwart kommt, denken wir, es ist ein neues Elektron . . . “ – ,, . . . und wenn es aus der Zukunft kommt, denken wir, es ist ein Positron?“ – ,,Bravo, machen Sie ’ne Theorie draus!“ – Zeichnen Sie den graphischen Fahrplan. Kann man Paarbildung und -vernichtung darstellen? Warum ist dabei mindestens ein Photon beteiligt? Wo liegen die Schwierigkeiten? Ist es vernünftig anzunehmen, dass ein Elektron, für das die Zeit rückwärts läuft, sich wie ein Positron verhält? → zur Lösung
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•• 17.4.23 Quark confinement Wenn Teilchen, z. B. Quarks, in einem Bereich vom Radius r (z. B. Nukleonenradius) eingesperrt sind, müssen sie einen bestimmten Mindestimpuls und eine Mindestenergie haben. Damit sie mit dieser kinetischen Energie nicht auseinander fliegen, muss eine Kraft da sein, die sie auf eben diesen Abstand r abbremst und zur Umkehr zwingt. Schätzen Sie diese Kraft unter der Annahme, dass sie unabhängig vom Abstand vom Zentrum oder von einem anderen Teilchen ist. Drücken Sie diese Kraft durch die Naturkonstanten h, c, m H aus. Hätte man das Ergebnis auch aus einer einfachen Dimensionsbetrachtung voraussehen können? Schätzen Sie auch den Druck und die Schallgeschwindigkeit in einem solchen System. → zur Lösung
•• 17.4.24 Bohr-Modell für Quarks Behandeln Sie die möglichen Drehimpulszustände eines ZweiquarkSystems (Mesons) in Anlehnung an das Bohr-Modell mit einer abstandsunabhängigen Kraft F0 zwischen den Quarks. Prüfen Sie dabei, ob die Quarks relativistische Geschwindigkeiten haben oder nicht. Wenn ja, beachten Sie den Zusammenhang zwischen Masse und Energie. Stellen Sie so ein Massenspektrum der Teilchen auf und vergleichen Sie mit den gemessenen Werten für Mesonen und Meson-Resonanzen (Tabelle 17.11). Tabelle 17.11. Einige Mesonen und Mesonen-Resonanzen mit ihrer Ruheenergie (in GeV) π+ B+ A3 K− Q− L−
0,14 1,23 1,64 0,44 1,3 1,77
+ A+ 2 g+ −∗ K K−∗∗ K−∗∗∗
0,77 1,31 1,69 0,89 1,42 1,78
→ zur Lösung
•• 17.4.25 Dipolkräfte I Vergleichen Sie nochmals die Massenwerte der Tabelle in der vorigen Aufgabe, diesmal in waagerechter Richtung. Ist das Verhalten der Massendifferenzen zwischen nebeneinander stehenden Teilchen verträglich mit der Annahme, die linken Zustände seien solche mit antiparallelen Spins der beiden Quarks, die rechten mit parallelen Spins? Vergleichen Sie mit entsprechenden Elektronenzuständen im Atom und schätzen Sie die magnetischen Wechselwirkungsenergien zwischen den rotierenden Ladungen. Wie müsste die Abstandsabhängigkeit der ,,starken magnetischen Dipolenergie“ sein? Ist diese Abhängigkeit vergleichbar mit dem elektrischen Fall? Beachten Sie dabei auch die Vorzeichen der Ladung, die hier wesentlich ist, nämlich der ,,Farbe“. → zur Lösung
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•• 17.4.26 Dipolkräfte II Elektronen, Nukleonen oder Quarks müssen je nach der Einstellung ihrer Spins, d. h. ihrer magnetischen Momente zueinander dem Gesamtsystem verschiedene Energien verleihen. Schätzen Sie die Größenordnungen dieser Energieunterschiede und ihre Auswirkungen. Sie verstehen dann manches, von der 21 cm-Linie des H-Atoms bis (annähernd) zum Massenunterschied zwischen den Mitgliedern eines Elementarteilchen-Multipletts, z. B. zwischen Proton und Neutron. → zur Lösung
•• 17.4.27 Hyperonzerfall Hier sind die Zerfallsmöglichkeiten einiger Hyperonen mit deren Lebensdauern: Σ− (1,5 · 10−10 s) → n + π− Σ+ (0,8 · 10−10 s)
p + π0 n + π+
Ξ0 (3 · 10−10 s) → Λ + π0 Ξ− (1,7 · 10−10 s) → Λ + π− . Erklären Sie diese Unterschiede zwischen den sonst so ähnlichen Mitgliedern eines Multipletts und zwischen den verschiedenen Multipletts. → zur Lösung
•• 17.4.28 Wie viele Quarks gibt es? Bei energiereichen Elektron-Positron-Stößen entstehen Myonen und Hadronen. Welches Verhältnis zwischen den Erzeugungsraten dieser beiden Teilchensorten erwartet man in den verschiedenen Energiebereichen? → zur Lösung
•• 17.4.29 Monopol-Kräfte Eine elektrische (e) und eine magnetische Elementarladung ( p) liegen im Abstand d voneinander. Wie sieht das Gesamtfeld aus? Bestimmen Sie besonders seine Energiestromdichte (Poynting-Vektor S) und seine Impulsdichte g = c−2 S (Begründung?). Wie sieht das g-Feld aus? Kann man ihm einen Gesamtdrehimpuls L zuordnen und welchen? Wie hängt L von r ab? Alle Drehimpulse müssen gequantelt sein. Was folgt daraus über die zulässigen Größen von e und p? Wenn das System wirklich einen Drehimpuls hat, müsste es doch z. B. auf eine Kraft senkrecht zur Verbindungslinie wie ein Kreisel reagieren, nämlich präzedieren, d. h. nicht kippen, sondern seitlich ausweichen. Tut das System das, und mit welcher Präzessionsfrequenz? Entspricht das den Kreiselgesetzen? → zur Lösung
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•• 17.4.30 War es ein Monopol? In einem Stratosphärenballon in 40 km Höhe über Sioux City (Iowa) wurde ein Sandwich-Zähler aus mehreren durchsichtigen Plastikschichten (Lexan, insgesamt 8 mm) und Kernemulsionen der kosmischen Strahlung ausgesetzt. Eine einzige Spur zeichnete sich aus durch (1) sehr große Dicke (hohe Ionisierungsdichte), (2) sehr schwache Bremsung, (3) Fehlen von Tscherenkow-Strahlung. Die Brechzahl von Lexan ist n ≈ 1,5. → zur Lösung
•• 17.4.31 Neutrino-Oszillation Ob und wie ein Neutrino sich in ein anderes verwandeln kann, versteht man annähernd aus der Unschärferelation. Wie genau ist der Impuls eines Teilchens festgelegt, von dem man weiß, dass es aus einer um x entfernten Quelle stammt? Wie kann sich das für ein Elektron auswirken, dessen Identität durch strenge Erhaltungssätze, u. A. für die Ladung, gesichert ist, und wie bei einem Teilchen, das seiner Identität nicht so sicher ist? Beachten Sie den relativistischen Energiesatz und die Größenordnung der evtl. Ruhmasse der Neutrinos. → zur Lösung
• 17.5.1 K. o. durch ein Proton? Suga u. A. fanden für einen kosmischen Schauer, der aus einem einzigen Primärteilchen stammte, eine Energie von 4 · 1021 eV. Drücken Sie diese Energie in anderen Einheiten aus; vergleichen Sie z. B. mit einem Vorschlaghammerschlag. → zur Lösung
•• 17.5.2 Solarer Beschleuniger Besonders große Sonnenflecken erreichen Durchmesser von 50 000 km. In ihnen herrschen Magnetfelder bis 0,3 T. Große Flecken entstehen und vergehen in ca. 100 Tagen. Welche Energien kann ein solches Betatron geladenen Teilchen vermitteln? → zur Lösung
•• 17.5.3 Tiefsee-Myonen Schätzen Sie die Energie kosmischer Teilchen oder Photonen aus ihrer Reichweite. Welche Komponente wird man in 4 000 m Wassertiefe noch finden? → zur Lösung
• 17.5.4 Maximalenergie Drücken Sie die Maximalenergien kosmischer Teilchen in makroskopischen Einheiten aus. Wie groß ist ihre Masse, auf wie viel sind sie Lorentz-abgeflacht, um wie viel weicht ihre Geschwindigkeit noch von c ab (im Erdsystem gemessen); wie lange brauchen sie, um die Galaxis zu durchqueren (in ihrem eigenen System gemessen)? → zur Lösung
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• 17.5.5 Raumanzug Vergleichen Sie die Reichweiten der wichtigsten Teilchen im Strahlungsgürtel der Erde, nämlich 0,78 MeV-Elektronen und 150 MeV-Protonen. Wenn der äußere Strahlungsgürtel nur Elektronen von höchstens 1 MeV enthält, welche Abschirmung müsste man für einen Raumfahrer vorsehen, der die Erde in der Äquatorebene verlassen soll? Benutzen Sie die Daten von Abb. 17.26 und vernünftige Werte für Raketengeschwindigkeiten. → zur Lösung
•• 17.5.6 Strahlungsgürtel Man zählt im van Allen-Gürtel einen Fluss schneller Protonen (> 100 MeV) von etwa 108 m−2 s−1 . Wie macht man das? Prüfen Sie die Angaben über Durchdringungsvermögen und Dosis in Abschn. 17.5.3 nach. Wie groß ist die Teilchenzahldichte der schnellen Protonen? Versuchen Sie die Lebensdauer der Gürtel-Protonen zu schätzen. Wie groß muss die Nachlieferung sein? Diskutieren Sie die astronautischen Konsequenzen der Existenz der Strahlungsgürtel. → zur Lösung
• 17.5.7 Kosmische Schauer Warum bilden kosmische Primärteilchen ganze Schauer von Sekundärteilchen, warum kommt z. B. bei radioaktiven α-Teilchen nichts Entsprechendes vor? → zur Lösung
• 17.5.8 Unser Strahlungsschirm Bis zu welchen Energien unterliegen die kosmischen Teilchen dem Breiteneffekt, d. h. kommen nur in den Polarzonen an? Diskutieren Sie die Bahn eines Teilchens, das weit draußen vom Erdmagnetfeld eingefangen wird. Welcher Larmor-Radius ist als Grenze zwischen ,,Einfang“ und ,,Freiheit“ anzusetzen? Das galaktische Magnetfeld hat etwa 5 · 10−10 T. Kann die Galaxis alle kosmischen Teilchen magnetisch speichern? Es handelt sich in allen Fällen um relativistische Teilchen. An den Formeln für die Larmor-Präzession ändert sich nur, dass die Masse geschwindigkeitsabhängig wird. → zur Lösung
• 17.5.9 Energien im Weltall Vergleichen Sie die Gesamtenergiedichte der kosmischen Strahlung mit anderen Energiedichten, z. B. der der thermischen Strahlungsenergie (abgesehen vom lokalen Effekt der Sonne), der kinetischen Energie der Materie, der Energiedichte des galaktischen Magnetfeldes, der inter- und intrastellaren Gravitationsenergie. → zur Lösung
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• 17.5.10 Aufladung Nach Abschn. 17.5.1 fällt auf 1 cm2 Erdoberfläche pro Sekunde im Mittel annähernd ein kosmisches Primärproton auf. Wie schnell lädt sich dadurch die Erde auf, wie steigt ihr Potential an? Kann es so hoch steigen, dass keine kosmischen Teilchen mehr durchkommen? Wenn nein, warum nicht? → zur Lösung
•• 17.5.11 Space tennis Ein Magnet mit seinem homogenen Feld bewegt sich nach rechts. Von dort kommt ihm ein geladenes Teilchen entgegen, dringt ein Stück in das Magnetfeld ein und verlässt es wieder. Mit welcher Geschwindigkeit und Energie tut es das? Überlegen Sie im Bezugssystem des Magneten und im ,,Laborsystem“. Wie ist die Lage, wenn der Magnet auch nach links fliegt? → zur Lösung
•• 17.5.12 Fermi-Beschleuniger Nach Fermi könnten kosmische Teilchen durch bewegte interstellare Gaswolken, die Magnetfelder enthalten, auf sehr hohe Energien beschleunigt worden sein. Ist diese Hypothese sinnvoll? → zur Lösung
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Kapitel 18: Aufgaben . . .
•• 18.1.1 Die seltsamen Eigenschaften des Äthers Seit es nachweisbar astronomische Messungen gibt (ca. seit 3 000 v. Chr.) hat sich die Länge des Jahres, wenn überhaupt, höchstens um 10 min verändert. Seit es Präzisionschronometer gibt (seit ca. 100 Jahren) beträgt diese Änderung höchstens 0,1 s. Es gibt kein Anzeichen, dass sich seit dem Kambrium (d. h. in ca. 500 000 000 a) die Jahreslänge um mehr als etwa 30% geändert hat (vgl. Aufgabe 1.1.6). Welche dieser Abschätzungen ergibt die kleinste relative Änderung? Was folgt daraus für die evtl. Änderungen des Erdbahnradius und der Bahngeschwindigkeit der Erde? Wenn es ein widerstehendes interplanetarisches Medium gibt, welche Bremskraft übt es höchstens auf die Erde aus? Wie groß kann demnach seine Dichte und insbesondere die des hypothetischen Äthers höchstens sein? Eine weitere Abschätzung ergibt sich daraus, dass die bei dieser Bremsung auftretende Reibungswärme viel kleiner ist als die Strahlungsleistung der Sonne auf die Erde. Welche meteorologischen Folgen müssten nämlich sonst eintreten? Wenn die Lichtwellen elastische Ätherschwingungen wären, welche elastischen Eigenschaften müsste der Äther haben? Beachten Sie, dass das Licht transversal schwingt! Geben Sie Abschätzungen für die zu postulierenden elastischen Größen und vergleichen Sie mit normalen Materialien! → zur Lösung
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•• 18.1.2 Michelson-Versuch Monochromatisches Licht aus der Quelle L wird durch einen halbdurchlässigen Spiegel P in zwei kohärente Teilstrahlen gleicher Intensität zerlegt, die nach gleicher Laufstrecke l durch zwei Spiegel A B und A B zurückgeworfen und wieder auf P vereinigt werden. Dort erzeugen sie ein Interferenzbild (Abb. 10.50). Betrachten Sie zunächst idealisierte Lichtstrahlen mit streng punktförmigem Querschnitt. Wie sieht das Interferenzbild aus, wenn (a) die Arme genau gleich lang sind, (b) wenn sie um genau eine halbe Wellenlänge verschieden lang sind? Wozu ist die Kompensatorplatte P da? Wie lang müssen die Arme sein, damit bei einer Bewegung des Labors und der Erde gegen den hypothetischen Äther z. B. mit der Kreisbahngeschwindigkeit der Erde eine Laufzeitdifferenz von einer halben Periode herauskommt? Ist es mechanisch möglich, zwei Arme von dieser Länge bis auf λ/2 anzugleichen? Wie müsste sich das Interferenzbild ändern, wenn man den Apparat um 90◦ schwenkt, also die Rollen der beiden Arme vertauscht? Welche Schlüsse ziehen Sie, wenn keine solche Änderung eintritt? Kann es daran liegen, dass die Erde im Moment der Messung relativ zum Äther ruhte? Wenn ja, welchen Effekt sollte man dann 6 Monate später erwarten? Wenn wieder nichts eintritt, was sagen Sie dann? Um welchen Faktor müsste sich der jeweils in Richtung des ,,Ätherwindes“ stehende Arm verändern, um die erwartete Laufzeitdifferenz zu kompensieren? → zur Lösung
• 18.1.3 Weltlinien Wie sehen graphische Fahrpläne aus für den Verkehr auf einer Bahnlinie, für den Schiffsverkehr auf einer Meeresfläche, für den Flugverkehr (unter Berücksichtigung der Höhendimension)? Wie würde in jedem der drei Fälle ein ruhendes Fahrzeug, ein mit konstanter Geschwindigkeit bewegtes Fahrzeug, ein Zusammenstoß dargestellt werden? Wie liest man Geschwindigkeiten ab, wie Beschleunigungen? Welche Rolle spielt es, welche Kartenprojektion man für die Darstellung des Meeres wählt? → zur Lösung
•• 18.1.4 Lösungsvorschläge Als Ausweg aus dem Michelson-Dilemma schlug Ritz vor, das Licht breite sich immer relativ zu seiner Quelle allseitig mit der Geschwindigkeit c aus. Würde dies das Ergebnis des Michelson-Versuchs erklären? De Sitter argumentierte so: Es gibt Doppelsterne, die einander mit Perioden von wenigen Stunden umkreisen. Man stellt die periodisch wechselnden Radialgeschwindigkeiten relativ zur Erde aus dem Doppler-Effekt fest (spektroskopische Doppelsterne). Wenn Ritz recht hätte, müsste es in den Spektren solcher Doppelsterne sehr spukhaft zugehen. Wie nämlich? → zur Lösung
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• 18.1.5 Wer hat sich bewegt? Während eines Vortrages über Relativitätstheorie, den Eddington in Edinburgh gab, bemerkte ein Zuhörer: ,,Sir Arthur, Sie sehen müde aus, und ich verstehe das, denn Sie sind ja den ganzen Tag hierher gereist. Was ich nicht verstehe, ist, wie Sie sagen können, es sei ganz egal, ob Sie zu uns gekommen sind oder wir zu Ihnen, denn im zweiten Fall hätten Sie doch keinerlei Grund zur Müdigkeit.“ Wie hätten Sie sich aus der Affäre gezogen? → zur Lösung
• 18.1.6 Strahlungsbremsung Man hat gemeint, die Sterne müssten allmählich zur Ruhe kommen, denn solange sie sich bewegen, staut sich ihr Licht vor ihnen auf, m. a. W. die Energiedichte ist vor ihnen größer als hinter ihnen, was einen bremsenden Zusatz-Strahlungsdruck zur Folge hat. Stimmt das? Gibt es einen entsprechenden akustischen Effekt? → zur Lösung
•• 18.1.7 Lorentz-Kontraktion Zwei entgegengesetzte Ladungen stehen im Abstand d im Gleichgewicht, weil ihre Coulomb-Anziehung durch eine steilere Abstoßung kompensiert wird. Welche Zusatzfelder und -kräfte treten für einen Beobachter auf, der sich gegenüber dem System mit einer Geschwindigkeit v senkrecht zur Verbindungslinie der Ladungen bewegt? Wie verhält sich die Zusatzkraft zur Coulomb-Kraft? Kann der Gleichgewichtsabstand derselbe bleiben? Um welchen Faktor ändert er sich, vorausgesetzt dass diese Änderung klein bleibt? Wie verhält sich eine Netzebene eines NaCl-Kristalls, die senkrecht zu v steht? Wie werden die benachbarten Netzebenen darauf reagieren? → zur Lösung
•• 18.2.1 Schnelle Uhren gehen nach dpa-Meldung vom Oktober 1971: ,,Zwei amerikanische Wissenschaftler . . . schnallten im Jumbo-Jet . . . zwei Präzisions-Atomuhren fest. Zwei weitere Messgeräte des gleichen Typs, haargenau abgestimmt, blieben im U.S. Naval Observatory zurück . . . Auf dem Flug in östlicher Richtung . . . sind die ,,schnellen“ Atomuhren im Flugzeug etwa eine hundertmilliardstel Sekunde nachgegangen . . . Wesentlich schwieriger zu begreifen war das Ergebnis des Fluges in westlicher Richtung . . . Die Vergleichsuhren auf der Erde gingen diesmal nach, um etwa eine dreihundertmilliardstel Sekunde . . . “ Ist rein physikalisch eine Zeitdifferenz zu erwarten? Ist ihre angegebene Größenordnung richtig? Begeben Sie sich ins bequemste Bezugssystem, das eines Beobachters, der an der Erdrotation nicht teilnimmt. Sie können dann sogar die Fluggeschwindigkeit abschätzen. Ist das Ergebnis vernünftig? → zur Lösung
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S O c∆t⬘
c∆t α
P
P⬘ υ∆t
υ
Abb. 18.24. Gedankenversuch zur Lorentz-Transformation
•• 18.2.2 Zeitdilatation In dem Moment, wo eine Rakete mit der Geschwindigkeit v (z. B. c/2) an uns vorbeifliegt, öffnet jemand darin einen Photoverschluss in einer seitlichen Öffnung O und sieht das Licht eines Sterns S genau auf den gegenüberliegenden Punkt P der Wand fallen. Wir müssen den Vorgang durch einen Lichtstrahl beschreiben, der, um den während der Lichtlaufzeit OP weiterbewegten Punkt P (jetzt in P ) zu erreichen, unter einem Winkel α verläuft (wie groß ist α?). Die Zeit zwischen den beiden Punktereignissen ,,Verschluss wird geöffnet“ und ,,Licht erreicht P“ sei für uns ∆t, für den Astronauten ∆t . Welcher Zusammenhang zwischen ∆t und ∆t ergibt sich daraus? Sehen die Astronauten und wir den Stern in der gleichen Richtung? Müsste dieser Effekt nicht auch auf der bewegten Erde auftreten? Wie groß wäre er? Wo stehen eigentlich die Sterne wirklich? Zeichnen Sie das Schema so, dass wir den Stern in ,,senkrechter“ Richtung sehen, und ziehen Sie die entsprechenden Schlussfolgerungen. Sind sie quantitativ die gleichen wie vorher? Wenn nein, warum nicht? → zur Lösung
•• 18.2.3 Zwillingsparadoxon Nehmen Sie die ,,vitalistische“ Hypothese an: Alle physikalischen Vorgänge in einem System S , das sich gegen ein Inertialsystem S geradlinig gleichförmig bewegt, verlaufen, von S aus betrachtet, nach der einsteinschen Zeitdilatation verlangsamt, alle biologischen und psychischen Prozesse dagegen nicht. Entwickeln Sie eine Methode, ein Inertialsystem vor dem anderen auszuzeichnen, speziell eines als absolut ruhend zu erklären. Was folgt daraus? Sie beobachten einen Astronauten, der mit v = 0,99c fliegt. Beschreiben Sie seinen Tageslauf. Wie beschreibt der Astronaut Ihren Tageslauf? (Alles unter der obigen ,,vitalistischen“ Annahme!) → zur Lösung
•• 18.2.4 Myonen der kosmischen Strahlung Ein ruhendes Myon hat eine Masse von 207 Elektronenmassen und eine Lebensdauer von 2,2 · 10−6 s. An der Erdoberfläche treffen etwa 5 Myonen pro cm2 und s ein. Ihre mittlere Energie liegt um 1 GeV. Diese Myonen werden vorwiegend in 12–15 km Höhe erzeugt (durch Zerfall von Pionen, die ihrerseits aus Kernstößen der kosmischen Primärkerne stammen). Diskutieren Sie das Schicksal einer Anzahl von Myonen, die Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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in der Höhe h erzeugt werden und die Lebensdauer τ haben. Welcher Bruchteil höchstens kann die Erdoberfläche erreichen? Wie groß müsste die Myonen-Flussdichte in 13 km Höhe sein? Welche Energieflussdichte repräsentiert dies mindestens (außer Myonen werden auch sehr viele Elektronen u. A. erzeugt)? Vergleichen Sie diese Energieflussdichte mit der optisch-thermischen Sonnenstrahlung. Wo wird schließlich die Energie der kosmischen Strahlung absorbiert, wo die der Sonnenstrahlung? Stellen Sie sich die Folgen für den Energiehaushalt der Erdoberfläche und der Atmosphäre vor. Wenn diese Folgen Ihnen paradox erscheinen, wo liegt die Lösung? Fermis Antwort: In der Zeitdilatation. Wieso? Myonenflussdichte in großer Höhe für zwei Myonenenergien: Tabelle 18.1. Wörterbuchstatistischer Ensembles
Höhe h/km
0,4 GeV
1,5 GeV
0 4 13
5 11 25
0,2 1,6 10 Myonen/cm2 s
Sind die Höhenabhängigkeiten gleich? Wenn nicht, wie erklären Sie den Unterschied? Können Sie die oben aufgestellte Hypothese auch quantitativ bestätigen? Der Abfall des Myonenflusses in Wasser ist so, dass 1 des ursprünglichen nach 50 m durchlaufener Schichtdicke noch etwa 100 Flusses vorhanden ist. Korrigieren Sie die obigen Abschätzungen durch Berücksichtigung der atmosphärischen Absorption der Myonen! → zur Lösung
•• 18.2.5 Transversaler Doppler-Effekt He+ -Ionen werden in Feldern verschiedener Stärke beschleunigt (Beschleunigungspotential U) und zum Leuchten angeregt. Die Emission wird genau senkrecht zum Ionenstrahl beobachtet. Man findet folgende Emissionslinien (Pickering-Serie) für verschiedene U: U/MV 0 1 3 10 30
Wellenlängen in nm 656,0 656,2 656,6 657,8 661,4
541,2 541,3 541,6 543,7 545,6
485,9 486,1 486,3 487,2 489,8
Tabelle 18.2. Thermodynamische Gleichgewichtsgrößen
433,9 434,0 434,2 435,1 437,5
Erklären Sie die erste Zeile dieser Tabelle. Was bedeutet das Verhalten der Zahlen in den Spalten quantitativ? Wo in der Tabelle vermuten Sie einen Mess- oder Protokollierfehler? Deuten Sie die Werte quantitativ. Welche Frequenzen erwarten Sie bei Beobachtung in Richtung des Strahles? Was geschieht, wenn die Emission eines zu langen Abschnitts des geraden Strahles in den Kollimator gelangt? → zur Lösung
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• 18.2.6 v-Stapelei
Von einer großen Rakete R1 , die relativ zur Erde mit v = c/2 fliegt, wird eine sehr viel kleinere Rakete R2 gestartet, die schließlich relativ zu R1 mit c/2 fliegt. R2 schießt eine noch viel kleinere Rakete R3 ab, die relativ zu R2 mit c/2 fliegt usw., solange technisch möglich. Alle Geschwindigkeiten liegen in gleicher Richtung. Geben sie die Geschwindigkeiten der einzelnen Raketen relativ zur Erde an. Ist es möglich, so die Lichtgeschwindigkeit zu erreichen oder zu überschreiten? → zur Lösung
•• 18.2.7 Fizeau-Versuch Licht aus der monochromatischen Quelle L wird durch den halbdurchlässigen Spiegel HS in zwei kohärente Strahlen zerlegt. Diese gehen durch zwei Rohre der Länge l, in denen eine Flüssigkeit von der Brechzahl n mit der Geschwindigkeit v im angegebenen Sinne strömt. Die Strahlen vereinigen sich schließlich auf dem Interferenzschirm I, auf dem ihr Gangunterschied bestimmt werden kann. Die Messung selbst spielt sich z. B. so ab, dass man die Geschwindigkeit v von 0 aus bis zu einem Wert v1 steigert, wo ein Gangunterschied von λ/2 auftritt. Wie stellt man diesen Gangunterschied fest? Wie kommt er zustande? Ergebnisse bei l = 3 m, Wellenlänge λ = 500 nm: Flüssigkeit
Brech- λ/2-Geschwinzahl digkeit (m/s)
Wasser Ethanol Benzol Schwefelkohlenstoff
1,33 1,36 1,50 1,63
Tabelle 18.3.
15,9 14,8 10,2 7,4
Einen weiteren Punkt dieser Abhängigkeit hat man noch ,,umsonst“. Welchen? Stellen Sie eine empirische Formel für die Lichtgeschwindigkeit (Phasengeschwindigkeit) in diesen strömenden Medien auf! Wie kann man diese Formel deuten? Können Sie sich eine ,,klassische“ Deutung vorstellen? Müsste jemand, der an den Lichtäther glaubt, schließen, dass dieser von der Flüssigkeit mitgeführt wird oder nicht? L S2 HS
I
S1
Abb. 18.25. Der Fizeau-Versuch zur Messung der Lichtgeschwindigkeit in einer bewegten Flüssigkeit
→ zur Lösung
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•• 18.2.8 Transversale Beschleunigung In Abschn. 18.2.5 wird die Transformation einer Beschleunigung a beim Übergang zwischen zwei Inertialsystemen diskutiert, deren Relativgeschwindigkeit v parallel zu a ist. Leiten Sie die Transformation für eine transversale Beschleunigung a⊥v her. → zur Lösung
• 18.2.9 Zyklotron Im Zyklotron laufen die geladenen Teilchen mit einer Winkelgeschwindigkeit ω = ZeB/m um (m Masse, Ze Ladung, B Magnetfeld; s. Abschn. 17.3.3). Die Beschleunigung erfolgt durch ein elektrisches Wechselfeld genau angepasster fester Frequenz im Zwischenraum zwischen den beiden ,,D“. Man stellt fest, dass man Protonen so nur bis auf etwa 400 MeV bringen kann. Warum? → zur Lösung
• 18.2.10 Elektronengeschwindigkeit Ein Physiker, gefragt, wie schnell die Elektronen in seinem 2 MeVBeschleuniger fliegen, tippt in seinen Taschenrechner 2 000 ÷ 512 + 1 = 1/x INV COS SIN, erhält 0,979 und sagt: Sie fliegen mit 97,9% der Lichtgeschwindigkeit. Können Sie das erklären? → zur Lösung
• 18.2.11 Kernenergie Welches ist die Energieausbeute pro kg Kernbrennstoff bei der Spaltung, 138 94 − z. B. als typische Reaktion 235 92 U → 58 Ce + 42 Mo + 3 n + 8 e , bei der Fu2 4 sion 2 1 D → 2 He, bei der Proton-Antiproton-Zerstrahlung p + p → 2γ. Die Massenzahlen der Teilchen sind Teilchen
Massenzahl
e± 4 He p, p 138 Ce n 94 Mo D 235 U
0,000 55 4,003 87 1,008 15 137,95 1,008 99 93,93 2,014 74 235,1
Tabelle 18.4.
Was könnte man mit diesen Energien beispielsweise ausrichten? → zur Lösung
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• 18.2.12 Wie lange lebt die Sonne? Bestimmen Sie den Massenverlust der Sonne infolge ihrer Strahlung. Wie lange könnte demnach die Sonne bestenfalls mit der heutigen Leistung scheinen, wenn man bedenkt, dass es sich um eine Fusionsreaktion handelt? Welchen Bruchteil Helium muss die Sonne mindestens enthalten, da sie annähernd 1010 Jahre alt ist? → zur Lösung
• 18.2.13 Energiesatz Leiten Sie den relativistischen Zusammenhang (18.14) zwischen Gesamtenergie W und Impuls p her. Inwiefern enthält er den nichtrelativistischen Zusammenhang als Spezialfall? Wie lautet der extremrelativistische Zusammenhang und oberhalb welcher Energie gilt er? → zur Lösung
•• 18.2.14 Pion-Zerfall Das geladene Pion zerfällt (nach der Lebensdauer τ = 2,6 · 10−8 s) in ein Myon und ein Neutrino: π → µ+ ν. Ruhmasse des Pions: 273 m e , des Myons: 207 m e , des Neutrinos: m ν ≈ 0. Welches ist die Summe der kinetischen Energien von Myon und Neutrino beim Zerfall eines ruhenden Pions? Wie verteilt sie sich auf die beiden Teilchen? Welches sind deren Impulse? Wie wäre die nichtrelativistische Aufteilung? Wie ändert sich die Betrachtung, wenn das Pion im Fluge zerfällt? → zur Lösung
•• 18.2.15 Antiproton-Erzeugung Beim Stoß eines sehr schnellen Protons mit einem ruhenden Proton kann zusätzlich ein Proton-Antiproton-Paar entstehen: p + p → p + p + p + p. Die Reaktion setzt nicht bei 1,88 GeV ein (warum sollte man das auf den ersten Blick erwarten?), sondern erst bei 5,62 GeV. Wie kommt das? → zur Lösung
•• 18.2.16 Masse-Energie-Äquivalenz Von Einstein selbst stammt (bis auf die Einkleidung) folgendes Gedankenexperiment: An den Enden eines rohrförmigen Raumschiffs sind zwei gleiche Laser angebracht. Der Laser L ist angeregt und strahlt dem Laser L einen Lichtblitz von der Gesamtenergie E zu, den L absorbiert, wobei L selbst angeregt wird. Emissions- und Absorptionsvorgang dauern je eine Zeit ∆t, der Lichtblitz hat eine Laufzeit l/c (l: Länge des Raumschiffs). Es sei z. B. ∆t l/c. Welche Kräfte übt der Strahlungsdruck bei Emission und Absorption aus und in welcher Richtung? Wie viel Impuls wird übertragen? Bewegt sich das Raumschiff? Ferner sei eine Vorrichtung eingebaut, die die beiden Laser hinreichend langsam (warum?) vertauscht, sodass der angeregte Laser (jetzt L ) wieder ,,vorn“ ist. Damit ist alles wie zu Anfang. Hat sich das Raumschiff verschoben? Wenn ja: Widerspricht das nicht dem Schwerpunktsatz? Wenn nein: Da doch beim Emissions-Absorptionsvorgang eine Verschiebung stattgefunden hat, muss Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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die Vertauschung der Laser eine kompensierende Verschiebung bewirken. Wie ist das möglich, wenn die beiden Laser gleiche Masse haben? Oder haben sie das nicht? → zur Lösung
••• 18.2.17 Photon-Ruhmasse?
Breitet sich das Licht wirklich mit Lichtgeschwindigkeit aus? Haben Photonen vielleicht doch eine Ruhmasse? Energie und Impuls eines Photons folgen aus der Planck- und der de Broglie-Beziehung, erfüllen aber auch den relativistischen Energiesatz. Das Photon ist einer Wellengruppe zuzuordnen. Wie hinge die Geschwindigkeit eines Photons von seiner Frequenz ab, wenn es eine Ruhmasse m 0 hätte?
→ zur Lösung
•• 18.2.18 Wird Andy es überleben? Im interstellaren Raum. Andy: Jetzt sehe ich euer Schiff. Aber ihr fliegt ja mindestens mit Einstein 0,5 auf mich zu! Bob: Stimmt. Genau mit c/2. Was hast du bei dir? Andy: Nichts, nur den Raumanzug. Luft habe ich noch für 5 Minuten. Bob: Jetzt haben wir dich im Radar. Du fliegst, Kopf voran, genau parallel zur Schiffswand. Wir machen die seitliche Luke auf, um dich einzufangen. Kollisionskurs ist genau berechnet. Andy: Habt ihr eurem Computer auch gesagt, dass ich immerhin noch endliche Dicke habe? Bob: Sicher. Die Wand ist hinreichend dünn und du auch. Vor allem roll dich nicht etwa zusammen aus Angst, nicht durchzupassen, sonst haust du bestimmt mit dem Rücken oder irgendwas an. Bleib ausgestreckt! Wie groß bist du? Andy: 2 m, mit Helm. Bob: Die Luke ist auch 2 m lang. Andy: Aber selbst wenn ich reinkomme, haue ich doch drinnen an! Bob: Das Schiff ist lang genug, alles frei. Wir werden dich dann schon irgendwie bremsen. Andy: Halt mal, eure Luke ist doch Lorentz-kontrahiert. Also komme ich nicht durch. Bob: Unsinn, du bist kontrahiert, auf 1,73 m. Wir haben also noch Spiel. Verlass dich doch auf den alten Einstein. Andy: Eben. Der weiß ja nicht mal, wer wirklich kontrahiert ist. Er sagt, das ist egal. Mir nicht. Unrecht hat er übrigens sowieso: Wenn ich durchkomme, war ich wirklich kontrahiert, wenn nicht, die Luke. Schreibt mir auf den Grabstein: Hier ruht absolut, der die Relativität widerlegte. Wie geht die Geschichte aus? → zur Lösung
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• 18.2.19 Tachyonen Das Tachyon ist ein hypothetisches Teilchen, das schneller als das Licht im Vakuum fliegt. Wenn ein Tachyon vernünftige (positiv reelle) Werte von Energie und Impuls haben soll, wie müsste dann seine Ruhmasse beschaffen sein? In Materie müsste ein Tachyon immer TscherenkowStrahlung anregen, da es mit v > c fliegt. Diskutieren Sie, wie es auf diesen Energieverlust reagiert. Welche Phasengeschwindigkeit müsste die de Broglie-Welle eines Tachyons haben? → zur Lösung
•• 18.3.1 Vierervektoren Wenn eine Größe in einem Bezugssystem durch einen Vierervektor a, z. B. (x, y, z, ict), dargestellt wird, ergibt sich der Vektor a in einem dagegen mit v bewegten System als a = La, wobei L die Lorentz-Matrix ist. (Matrix A · Vektor b ergibt einen Vektor, dessen i-Komponente lautet k aik bk ). Wie lautet L, in Komponenten geschrieben, speziell für v parallel zur x-Achse? Zeigen Sie, dass die Zeilenvektoren von L den Betrag 1 haben und aufeinander senkrecht stehen. Gilt dasselbe für die Spaltenvektoren? Ändert a bei der Transformation seinen Betrag? Wie lautet die zu L inverse Matrix L−1 , definiert durch LL−1 = U (U Einheitsmatrix, definiert durch Ua = a für jedes a)? Welche Beziehung besteht zur Transponierten L∗ (durch Spiegelung an der Hauptdiagonale entstanden)? Welches Transformationsgesetz, ausgedrückt durch eventuell mehrfache Anwendung von L, vermuten Sie für einen Vierertensor T? Ein Tensor macht aus einem Vektor einen anderen Vektor gemäß b = T a. → zur Lösung
•• 18.3.2 Vierer-Maxwell Schreiben Sie die Maxwell-Gleichungen relativistisch. Folgende Konventionen sind dabei üblich und nützlich: (a) Ein lateinischer Index läuft von 1 bis 3, ein griechischer von 1 bis 4. (b) Über einen doppelt auftretenden Index wird automatisch summiert. (c) Ein Index hinter dem Komma besagt, dass nach der entsprechenden Koordinate differenziert werden soll. – Wie Geschwindigkeit und Ladungsdichte, so verschmelzen Vektorpotential A (vgl. Aufgabe 7.6.3) und Skalarpotential ϕ, zu einem Vierervektor Aν (den Faktor ic setzen Sie so, dass die Dimension passt und alles Folgende richtig wird). Dann bilden Sie den Feldtensor Tµν = Rot Aν = Aµ,ν − Aν,µ . Analogie zur dreidimensionalen rot? Warum ist rot ein Vektor, Rot ein antimetrischer Tensor? Was bedeuten die Komponenten von Tµν ? Zwei der Maxwell-Gleichungen betreffen Tµν und sind, entsprechend der Definition von Tµν , eigentlich Trivialitäten. Ein anderer Tensor, der Induktionstensor Wµν , fasst die beiden anderen Feldvektoren zusammen. Von ihm handeln die beiden anderen Maxwell-Gleichungen. Wie lauten sie jetzt? Wie drücken sie sich in Aν aus, speziell im Vakuum? Wie schreiben sich Kontinuitätsgleichung, Lorentz-Konvention (Aufgabe 7.6.3) und Wellengleichung im Vakuum? Sind sie relativistisch invariant formuliert? → zur Lösung
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•• 18.3.3 Lorentz-Kraft Im Labor herrscht ein homogenes statisches Magnetfeld und kein elektrisches Feld. Jemand, z. B. ein Elektron, fliegt mit der Geschwindigkeit v durch das Labor. Welche Felder herrschen für ihn? Legen Sie die räumlichen Achsen so, dass Sie möglichst wenig Arbeit beim Transformieren haben. Welche Kraft wirkt auf das fliegende Elektron? Muss man die Lorentz-Kraft besonders postulieren oder braucht man nur elektrische Kräfte? Welche relativistische Verfeinerung erfährt der übliche Ausdruck für die Lorentz-Kraft? → zur Lösung
•• 18.3.4 Trouton-Noble-Versuch Ein geladener Plattenkondensator ist so aufgehängt, dass er sich um eine zu den Platten parallele Achse drehen könnte, wenn er einem Drehmoment unterworfen wäre. Trouton und Noble versuchten 1903 so den Bewegungszustand der Erde relativ zum ,,Äther“ zu messen. Wenn Erde und Kondensator eine Geschwindigkeit v haben, repräsentiert jede Kondensatorplatte einen Strom, deren Magnetfeld B auf die andere Platte eine Lorentz-Kraft F ausübt. Vereinfachen Sie, indem Sie einen elektrischen Dipol Q + Q − betrachten. Bestimmen Sie Richtung und Größe von B und F. Tritt ein Drehmoment auf, und wie groß ist es? In Wirklichkeit dreht sich der Kondensator nicht. Warum nicht? Kann man dies als Bestätigung der Relativitätstheorie werten? → zur Lösung
•• 18.3.5 Bewegte Kugel Eine homogen aufgeladene Kugel erzeugt um sich ein kugelsymmetrisches E-Feld. Bleibt das richtig in einem Bezugssystem S , in dem die Kugel sehr schnell fliegt (im Vakuum)? Wenn nicht, was hat sich geändert? Ist die Kugel nicht mehr homogen geladen? Ist sie keine Kugel mehr? Stehen die Feldlinien nicht mehr senkrecht auf ihrer Oberfläche? → zur Lösung
•• 18.3.6 Relativistisches Kraftwerk Eine Eisenbahnschiene z. B. in Nordost-Kanada ist durch das erdmagnetische Feld vertikal magnetisiert. Um den Effekt zu verstärken, kann man auch an eine künstlich vertikal permanent-magnetisierte Stahlschiene denken. Kann eine fahrende Lokomotive an zwei Schleifkontakten, die beiderseits der Schiene gleiten, eine Spannung abgreifen? Wie groß ist sie? Wie ist die Lage, wenn nicht der Zug fährt, sondern die Schiene unter ihm weggleitet? Wenn Ihnen die letzte Frage zu einfach scheint, benutzen Sie das Ergebnis der ersten nicht, und denken daran, dass B über der bewegten Schiene streng konstant ist (homogene Magnetisierung vorausgesetzt). Wie kann nach den Maxwell-Gleichungen aus B˙ = 0 ein E entstehen? Betrachten Sie die Leitungselektronen in der bewegten Schiene und zeigen Sie, dass die Schiene eine elektrische Querpolarisation annehmen muss. Auf ihr beruht der Unipolargenerator (aus technischen Gründen Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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nicht als translatorisch bewegter, sondern als rotierender Magnet ausgebildet). Kann man sagen, ein solcher Generator beruhe auf einem rein relativistischen Effekt? → zur Lösung
•• 18.3.7 Bewegte Leiter laden sich auf Im Bezugssystem A ist ein Draht gespannt, durch den Strom fließt, ohne dass der Draht selbst eine Ladung trägt. Welche Felder misst ein Beobachter in A? Ein Beobachter B fliegt parallel zum Draht. Herrscht für ihn auch nur ein Magnetfeld? Woher könnte ein eventuelles elektrisches Feld stammen? Könnte es sein, dass der Draht für B geladen ist? Gäbe es eine anschauliche Erklärung dafür? Denken Sie daran, dass Elektronen sich im Draht an den ruhenden Rumpfionen vorbeibewegen und zeichnen Sie die Weltlinien der beiden Teilchenarten. Zeigen Sie quantitativ, welche Ladungsdichte und welches E-Feld B misst. → zur Lösung
••• 18.3.8 Tscherenkow-Strahlung
Warum strahlt ein ungebremstes Teilchen im Vakuum nicht, kann aber in einem Medium Tscherenkow-Strahlung aussenden? Ein geladenes Teilchen fliegt durchs Vakuum bzw. durch ein Medium mit der Brechzahl n. Ein bremsendes Kraftfeld ist nicht vorhanden. Kann das Teilchen ein Photon emittieren? Setzen Sie Energie- und Impulssatz an und beachten Sie zur Vereinfachung, dass E = pc/v (aber am besten nur auf einer Seite der Energiegleichung). Es ergibt sich eine Bedingung für den Emissionswinkel. Ist sie immer erfüllbar? Gibt es mehrere mögliche Richtungen? Vergleichen Sie die beiden Glieder im entstandenen Ausdruck. Diskutieren Sie z. B. die Lichtemission durch ein 3 MeV-Elektron in Wasser. Betrachten Sie die Sache auch so: Das Teilchen fliege mit v > cPhase = c/n. Es herrscht keine Dispersion. Welcher Raumbereich kann von der Existenz des Teilchens überhaupt etwas wissen, d. h. wo kann überhaupt nur ein Feld existieren, das von der Ladung ausgeht? Wie steht die mögliche Emissionsrichtung zu diesem Bereich? Kann man diese Richtung auch rein elektrodynamisch verstehen? → zur Lösung
• 18.4.1 Äquivalenzprinzip Die Astronauten Max und Moritz, die bisher alle Freuden der Schwerelosigkeit genossen haben, stellen beim Aufwachen fest, dass sie sich normal schwer fühlen. Max meint, die Rakete beschleunige, Moritz, man befinde sich in einem Schwerefeld. Die Diskussion dreht sich um Antriebsmotoren, Gegenstände in der Kabine und draußen, Präzisionsmessungen an quer und längs zur Kabine laufenden Lichtsignalen usw. → zur Lösung
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•• 18.4.2 Zwillingsparadoxon Es wurde und wird immer wieder versucht, der Relativitätstheorie Absurditäten und Selbstwidersprüche nachzuweisen. Eines der ernstesten dieser ,,Paradoxa“ ist das folgende: Von zwei Zwillingsbrüdern bleibe Max auf der Erde, Moritz werde Astronaut und fliege z. B. mit v = 0,3 c zum α Centauri (4,3 Lichtjahre) und zurück. In den ca. 30 Reisejahren ist Moritz infolge der Zeitdilatation nur um etwa 28,5 Jahre gealtert, Max aber um 30. Dies ist Max’ Darstellung der Angelegenheit. Moritz würde sagen, Max habe sich die ganze Zeit mit 0,3 c bewegt und müsse daher jünger sein. Entweder ist also die ganze Zeitdilatation hinfällig und beide altern in Wirklichkeit gleich schnell, oder einer ist tatsächlich jünger geblieben, und dieser ist der ,,wirklich Bewegte“, im eklatanten Widerspruch zum Relativitätsprinzip. Wie löst sich das Dilemma? → zur Lösung
•• 18.4.3 Drehscheibe Im Zentrum einer mit ω rotierenden Scheibe sitzt ein Mann. Da er dort geboren ist, glaubt er, seine Scheibe sei in Ruhe und verteidigt diesen Standpunkt auch gegen den Hubschrauberpiloten, der über ihm schwebt, ohne sich mitzudrehen. Malen Sie die Diskussion aus; sie dreht sich um Kräfte, Potentiale, Uhren, Lichtquellen und Maßstäbe weiter außen auf der Scheibe. → zur Lösung
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•• 18.4.4 Lichtablenkung
Man kann die Krümmung eines Lichtstrahls auch durch einen Gradienten der Brechzahl n beschreiben. Wie müsste n vom Ort abhängen, um die Lichtkrümmung in einem homogenen Schwerefeld, einem Zentrifugalfeld, dem Feld einer kugelsymmetrischen Masse zu deuten? Wieso hat eine Kugelmasse Linsenwirkung für Licht- und Gravitationsstrahlung? → zur Lösung
• 18.4.5 Die fernsten Objekte? Könnte die Rotverschiebung in der Strahlung eines Quasars nicht auch von seinem eigenen Schwerefeld herrühren? Schätzen Sie die nötigen Werte von Gravitationspotential und Radius bei verschiedenen sinnvollen Massen. Wenn der Quasar als Stern 19. Größe erscheint und seine Oberfläche etwa die Emissionsdichte der Sonne hat, wie weit dürfte er entfernt sein? → zur Lösung
• 18.4.6 Laplaces Schwarzes Loch ,,Ein Stern von der gleichen Dichte wie die Erde, dessen Durchmesser 250-mal größer wäre als der der Sonne, würde infolge seiner Anziehung von seinen Strahlen nichts zu uns gelangen lassen. Es ist möglich, dass die größten Körper im Weltall aus diesem Grunde für uns unsichtbar sind“. (Pierre Simon de Laplace, Exposition du Système du Monde, 1796.) Stimmt das? Wie stellte sich Laplace das Licht vor? Würde er Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
seine Aussage auch nach Fresnels und Youngs Arbeiten aufrechterhalten haben? Welche anderen Kombinationen von Masse, Dichte, Radius erfüllen Laplaces Bedingung (speziell = Kerndichte, M = Sonnenmasse, R = Elementarlänge ≈ 1013 cm, R ≈ 1010 Lichtjahre)? → zur Lösung
•• 18.4.7 Olbers-Paradoxon Warum ist es nachts dunkel? Olbers zeigte 1826: Wenn die Welt unendlich groß und überall im Wesentlichen so beschaffen ist wie hier (homogen), dann müsste der Nachthimmel überall ungefähr so hell sein wie die Sonnenscheibe. Wie kam er darauf? Zeigen Sie auch, dass dann sogar die Temperatur und das Potential überall unendlich groß wären. Welche Auswege gibt es (vgl. Aufgaben 18.4.8, 18.4.9)? → zur Lösung
• 18.4.8 Olbers-Lösung? Würde absorbierende interstellare Materie das Olbers-Paradoxon (unendliche Strahlungsdichte für ein unendliches homogenes Weltall) lösen? → zur Lösung
•• 18.4.9 Charlier-Modell Zeigen Sie, dass man durch hierarchische Staffelung der Systemgrößen die Olbers-Divergenzen (T = ∞, ϕ = ∞) vermeiden kann: Viele Sterne bilden eine Galaxis, viele Galaxien eine Metagalaxis usw. Wie müssen die Anzahlen von Systemen in einem Übersystem und die Abstände zwischen Übersystemen gestaffelt sein, damit T und ϕ endlich bleiben? → zur Lösung
•• 18.4.10 Sind Schwarze Löcher wirklich schwarz? Ist ein Schwarzes Loch gar nicht schwarz – oder nur so schwarz wie ein schwarzer Körper? Es scheint, als gingen auch in einem Schwarzen Loch wie überall ständig Erzeugungs- und Vernichtungsprozesse virtueller Teilchen vor sich. Solche Teilchen können u. U., gedeckt durch die Unschärferelation, bis über den Rand des Schwarzen Loches, seinen Ereignishorizont, hinausfliegen und sich draußen ,,realisieren“ (dies klingt konträr zu den Aussagen über Austauschkräfte, ist aber die einfachste Art, diese sehr komplizierten Gedankengänge darzustellen). Welche Teilchen mit welchen Impulsen und Energien widersetzen sich so der Einsperrung in ein Schwarzes Loch? Wieso kann Hawking sagen, ein Schwarzes Loch der Masse M strahle wie ein schwarzer Körper der Temperatur 10−7 M /M K? Drücken Sie das in rein physikalischen Konstanten aus. Welche Strahlungsleistung hätte ein solcher schwarzer Körper? Welchen Massenverlust bedingt diese Abstrahlung? Wie lange kann also ein Schwarzes Loch leben? Was passiert kurz vor Ende seines Lebens? Wie groß (Radius und Masse) sind die Schwarzen Minilöcher, die gerade jetzt zerstrahlen? → zur Lösung
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••• 18.4.11 Einstein kontra Bohr
Einstein hat den indeterministischen Charakter der Quantentheorie nie akzeptiert, und manche Theoretiker geben ihm auch heute noch Recht. Er versuchte immer wieder, z. B. die Unschärferelation als Trugschluss zu entlarven. Auf dem Solvay-Kongress 1930 trug er folgendes Gedankenexperiment vor: In einem innen ideal verspiegelten Kasten sei Strahlungsenergie eingesperrt. In der Kastenwand sitzt ein Photoverschluss, der sich z. B. um Punkt 12 Uhr für eine sehr kurze Zeit öffnet und etwas Strahlung austreten lässt. Wägen vor und nach dem Öffnen ergibt mit beliebiger Genauigkeit den entwichenen Energiebetrag, der Zeitzünder + Verschluss-Mechanismus ergibt mit beliebiger Genauigkeit die Zeit, wo diese Energie den Verschluss passiert hat, ohne jede Begrenzung durch ∆E ∆t h. Bohr brauchte eine schlaflose Nacht, um diesen Einwand zu widerlegen. Brauchen Sie auch so lange, wenn Sie wissen, dass er Einstein mit dessen eigenen Waffen schlug, nämlich nachwies, dass einer von Einsteins ,,eigenen“ Effekten die Sache in Ordnung bringt? → zur Lösung
•• 18.4.12 Doppelstern Zwei gleiche Massen M umkreisen einander im Abstand d. Welcher Wert ist für das Quadrupolmoment Q in (18.40) anzusetzen, damit das Potential des Systems in erster Näherung richtig herauskommt? Sie brauchen nur einen weit entfernten Punkt auf der Drehachse (ϑ = 0) zu betrachten. Da (18.40) die allgemein gültige Entwicklung des (im Mittel) kugelsymmetrischen Potentials nach Kugelfunktionen darstellt, genügt Anpassung in einem einzigen Punkt. Sie können auch einen Punkt auf der zur Drehachse senkrechten Ebene, die die Körper enthält, wählen, aber achten Sie darauf, dass die Hantel rotiert. Welches Quadrupolmoment erreichen also Doppelsterne? Ist die Gravitations-Strahlungsleistung bei weiten oder engen Doppelsternen größer? Wie groß kann sie werden? → zur Lösung
•• 18.4.13 Gravitationswellen-Antenne Schätzen Sie die Strahlungsleistung, die Webers Al-Zylinder aus dem Gravitationswellenfeld einer typischen starken Quelle in plausibler Entfernung aufnimmt. Wie hängt diese Leistung vom Verhältnis Antennenabmessung/Wellenlänge ab? Vergleichen Sie mit der Leistung des thermischen Rauschens, d. h. eines elastischen Schwingungsmodes. Wie hängt diese Rauschleistung von Temperatur und ,,durchgelassenem“ Frequenzbereich ab? Was kann man tun, um die Empfindlichkeit des Empfängers zu verbessern? → zur Lösung
•• 18.4.14 Doppelpulsar Taylor und Hulse entdeckten mit dem 305 m-Radioteleskop in der Felsmuschel von Arecibo (Puerto Rico) einen Pulsar mit 59 ms Pulsperiode. Diese Periode schwankt allerdings ganz regelmäßig um 0,05% innerhalb Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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T ≈ 28 000 s auf und ab. Wieso lässt dies auf einen unsichtbaren Partner schließen, und wie groß ungefähr müsste der Abstand beider sein? T nimmt jede Sekunde um 2,4 · 10−12 s ab. Wie ändern sich Bahnparameter und Bahnenergie? Welche Gravitationswellenleistung strahlt dieser Quadropol ab? Passt das zum Bahnenergieverlust? → zur Lösung
•• 18.4.15 Tunguska-Meteorit Am 30.6.1908, 7h 17, bei wolkenlosem Himmel sahen Reisende der Transsibirischen Bahn nahe der Station Kansk im Nordosten ein Objekt über den Himmel sausen, das heller war als die Sonne. Das Ereignis mit den vielfach beschriebenen Folgen (Bäume in 40 km Umkreis entwurzelt und radial auswärts umgelegt usw.) fand 600 km entfernt jenseits der Podkamennaja Tunguska statt. Schätzen Sie seine Gesamtenergie aus den obigen Angaben. Mit schönster Regelmäßigkeit wird jede neue Energiequelle zur Erklärung vorgeschlagen: Spaltbare, fusionierbare Materie, Antimaterie . . . Welche Massen wären jeweils anzunehmen? In welcher Höhe hätte z. B. ein Anti-Meteorit dieser Größe genügend Luft eingefangen, um völlig verpufft zu sein? Wenn er vorher verdampft, erhöht das die Höhenschätzung oder nicht? Zur Hypothese eines Schwarzen Mini-Lochs, das die Erde durchschlagen hat: Welchen Durchmesser hat der Kanal, in dem ein MiniLoch der Masse M und der Geschwindigkeit v alle Materie einschlürft? Welches M müsste man annehmen, um die atmosphärische Energiefreisetzung zu erklären? Was müsste im Erdinnern und beim Wiederaustritt passieren? Klassische Hypothese (Whipple u. A.): Kometenkopf, als ,,dreckiger Schneeball“, d. h. Staub und Steine in H2 O-, NH3 - und CH4 -Eis eingebacken. Masse? Spielt die chemische Zusammensetzung eine Rolle? Auf welche Hypothese setzen Sie? → zur Lösung
•• 18.4.16 n-Kugel Der Weltraum könnte die Oberfläche einer vierdimensionalen Kugel sein. Bestimmen Sie Volumen und Oberfläche einer n-dimensionalen Kugel. → zur Lösung
•• 18.4.17 Urstrahlung Ein Volumen, in dem ein isotropes Strahlungsfeld besteht, dehne sich adiabatisch aus. Wie ändern sich dabei Energiedichte und Druck? Wenn das Strahlungsfeld schwarz ist und bleibt (kann man das beweisen?), wie ändert sich seine Temperatur? 1965 entdeckten Penzias und Wilson eine isotrope schwarze Weltraumstrahlung mit T = 2,7 K. Welche Energiedichte hat sie, wo liegt das spektrale Dichtemaximum? Vergleichen Sie die Intensität mit der Radiostrahlung der Sonne. Man hat diese Strahlung gedeutet als ,,Nachhall vom Geburtsschrei der Elemente“, d. h. als eine mit der Hubble-Expansion des Weltalls verdünnte und von der Materie entkoppelte Strahlung aus der Zeit, als Temperatur und Dichte im ganzen Weltall (nicht nur in den Sternen, die es damals noch nicht gab) zur thermonuklearen Bildung schwerer Kerne ausreichten. Heute ist die mittlere Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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Materiedichte im Weltall etwa 10−29 g/cm3 (vgl. Abschn. 18.4.5). Extrapolieren Sie zurück. Kommen Sie auf vernünftige T - und -Werte? Wie alt war das Weltall, als die Elemente entstanden? → zur Lösung
•• 18.4.18 Steady state Nach der Urknall-Theorie existiert das Weltall erst seit einer Zeit T . Allgemeiner: Wenn die Deutung des Hubble-Effekts durch eine Expansion des Universums richtig ist, existiert der größte Teil des jetzt vorhandenen Raumvolumens erst seit dieser Zeit T . Welche Energieunschärfe ist mit dieser endlichen Existenzdauer verknüpft? Beziehen Sie diese Energieunschärfe auf das ,,Elementarvolumen“, nämlich das Volumen eines Nukleons, und drücken Sie sie als mögliche Erzeugungsrate neuer Nukleonen aus. Reicht diese Erzeugungsrate aus, um das Universum in einem stationären Zustand entsprechend Hoyle-Bondi-Gold zu halten? Welche Massendichte ist dazu notwendig? Wie würde sich ein Weltall entwickeln, das eine andere Dichte hätte? Geben Sie den Radius eines stationären Weltalls (definiert als der ,,Horizontabstand“, wo die Expansionsgeschwindigkeit c würde) und die Teilchenzahl in diesem Weltall an und prüfen Sie, ob die Eddington-Dirac-Beziehung erfüllt ist. → zur Lösung
••• 18.4.19 Geschichte des Universums
Diskutieren Sie, wie sich die physikalischen Verhältnisse im Universum nach der Urknall-Theorie entwickelt haben. Wir gehen dabei aus von einem Zustand, wo die Temperatur so hoch war, dass sie zur Erzeugung von Hadron-Antihadron-Paaren ausreichte. Dementsprechend war das ganze damals existierende Weltall mit Hadronen erfüllt, die Materie hatte Kerndichte. Dies ist der früheste Zustand, den die bekannten Naturgesetze noch beschreiben können. Vorher lag die Hadronenära, es folgte die Leptonenära. Sie umfasst die Zeit, wo noch überall ElektronPositron-Paare erzeugt werden konnten. Dann folgte die Photonenära, in der Strahlung und Materie im Gleichgewicht standen. Dies hörte auf, und die Materie begann, sich zu Galaxien und Sternen zusammenzuballen, als die mittlere freie Weglänge des Photons größer wurde als der ,,Weltradius“. Während dieser ganzen Zeit dehnte sich das Weltall gemäß der Friedmann-Gleichung aus (Abschn. 18.4.5 und 1.5.9e). Stellen Sie die Zeitabhängigkeiten des Weltradius R und der Materiedichte für kleine Zeiten explizit dar. Wie hing die Temperatur während der Photonenära von der Zeit ab? Um den Ausgangspunkt zu finden, extrapolieren Sie zurück bis zum Ende der Hadronenära. Dann betrachten wir das von der Materie entkoppelte Strahlungsfeld der Stellarära. Zusammen mit dem Raum dehnt sich dieses Strahlungsfeld adiabatisch aus. Wie ändern sich dabei Energiedichte und Druck? Wenn das Strahlungsfeld ,,schwarz“ ist und bleibt (was spricht dafür?), wie ändert sich dann die Temperatur mit der Zeit? Welche Dichte und Temperatur ergeben sich für die heutige Zeit? → zur Lösung
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•• 18.4.20 Primordiales Helium Die Masse des Weltalls, soweit sie in Atomen steckt, besteht zu 85% aus Wasserstoff, zu 15% aus Helium, schwerere Elemente, so wichtig sie für uns sind, machen noch nicht 1% aus. Man hält das He für überwiegend primordial, d. h. vor der Galaxien- und Sternbildung entstanden. Die Sterne haben fast ebenso viel davon weiterfusioniert wie aus H erzeugt. Den 15%-Anteil erklärt man so: Kurz nach dem Urknall gab es gleich viele Protonen und Neutronen, weil sie sich durch Reaktionen wie n + ν p + e− ständig ineinander umwandelten. Unterhalb einer gewissen Temperatur (welcher und wann?) ging dies nur noch in Richtung Proton, weil das Neutron schwerer ist. Neutronen sind nur deswegen noch übrig, weil für ihre vollständige Vernichtung nach dem obigen Mechanismus nicht genug Zeit war. Vor dem normalen β-Zerfall hat sie später die Bindung in He bewahrt. Erklären Sie die 15%. Beachten Sie das Expansionsgesetz und den Wirkungsquerschnitt von Neutrino-Wechselwirkungen. → zur Lösung
•• 18.4.21 Periheldrehung I Wie sieht die Bahn eines Planeten im Einstein-Schwarzschild-Feld der Sonne aus? Wiederholen Sie die Rechnung von Abschn. 1.7.4, wobei Sie den Abstand r immer vom Schwarzschild-Radius aus zählen. → zur Lösung
•• 18.4.22 Feldmasse Entnehmen Sie die Energiedichte des Schwerefeldes aus der Analogie mit dem elektrischen Feld. Was entspricht der Feldstärke E, was entspricht ε0 ? Welche Massendichte steckt im Schwerefeld der Erde? Vergleichen Sie mit der Dichte der Atmosphäre. Dasselbe für die Sonne: Vergleich mit der Dichte der Corona oder des interstellaren Gases. Könnte es Sterne geben, deren ganze Masse in ihrem Schwerefeld steckt? → zur Lösung
•• 18.4.23 Periheldrehung II Ein Planet bewegt sich im kombinierten Schwerefeld der Sonne und der Massenwolke, die im Schwerefeld selbst steckt. Wie sieht das kombinierte Potential aus? Welche Bahn beschreibt der Planet? → zur Lösung
• 18.4.24 Überlichtgeschwindigkeit I Laserstrahlbündel reichen ohne weiteres bis zum Mond und erzeugen dort einen nicht allzu großen Lichtfleck (wie groß etwa?). Schwenkt man diese Lichtquelle etwas, dann huscht der Lichtfleck sehr schnell über die Mondoberfläche. Kann man erreichen, dass der Fleck mit Lichtgeschwindigkeit oder sogar schneller huscht? Wenn ja, was sagt die Relativitätstheorie dazu? → zur Lösung
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• 18.4.25 Überlichtgeschwindigkeit II Bewegt man die Finger, die eine Schere halten, ganz wenig, dann verschiebt sich der Punkt, in dem die beiden Scherenblätter sich schneiden, um sehr viel mehr, d. h. der Schnitt z. B. in Papier verlängert sich schneller, als man die Finger bewegt. Wäre rein geometrisch eine Schere denkbar, bei der der Schnitt sich mit Überlichtgeschwindigkeit verlängert? Was sagt die Relativitätstheorie dazu? → zur Lösung
•• 18.4.26 Überlicht-Jets Die Radioastronomie hat entdeckt, dass viele Galaxien ,,Jets“ aussenden, d. h. sehr scharf begrenzte Plasmastrahlen, in denen manchmal ,,Blobs“ oder Verdichtungen entstehen und auswärts fliegen. Die Geschwindigkeit dieser Blobs bestimmte man aus dem Winkelabstand von der Muttergalaxie, den sie eine gewisse Zeit nach ihrem Austritt erreicht haben. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Abstand dieser Galaxie von uns bekannt ist. Dabei ergaben sich häufig Geschwindigkeiten größer als c für den Blob. Muss man danach an der Relativitätstheorie oder an den Abstandsschätzungen zweifeln, oder gibt es einen anderen Ausweg? Nehmen Sie z. B. an, dass der Jet unter einem spitzen Winkel auf uns zukommt. Zeichnen Sie ein Weltliniendiagramm (einen graphischen Fahrplan) des Blobs und der Lichtsignale, die von ihm und von seiner Galaxie ausgehen. Mittels dieses Diagramms geben Sie die scheinbare Geschwindigkeit des Blobs an, die ein Erdbeobachter misst, wenn er nicht an diesen Winkel denkt. Wie hängt diese Geschwindigkeit vom Winkel ab, wann kann sie größer als c werden? → zur Lösung
•• 18.4.27 Gravitationslinse Es gibt Gruppen von Galaxien, seltsamerweise oft in ,,Quintetten“ angeordnet, die das Modell des expandierenden Universums zu widerlegen scheinen. Die Galaxien der Gruppe scheinen einander zu berühren, sehen gleich groß und gleich hell aus, aber eine hat eine erheblich andere Rotverschiebung als die übrigen (Beispiele: Stephan-Quintett, 4 Galaxien mit 6 000 km/s, eine mit 800 km/s; Quintett VV 172: 4 Galaxien mit 16 000 km/s, eine mit 37 000 km/s). Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass diese Galaxien nur zufällig in der gleichen Sichtlinie stehen und dass ihre Leuchtkräfte so extrem verschieden sind, dass dies den extremen, aus dem Hubble-Gesetz folgenden Abstandsunterschied ausgleicht. Jetzt scheint man das Rätsel durch Gravitationslinsenwirkung erklären zu können: Das nähere Objekt verstärkt durch Lichtablenkung die ferneren. Ist das bei den gegebenen Werten plausibel? Reicht die Masse der leuchtenden Materie in einer Galaxie dazu aus? → zur Lösung
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Kapitel 19: Aufgaben . . . Diese Reihe von Aufgaben soll Sie mit einigen Grundbegriffen der Informationstheorie vertraut machen. Wir werden feststellen, dass diese Begriffe formal völlig identisch mit den Begriffen der statistischen Physik sind. Vor allem spielt die Entropie in beiden Gebieten eine zentrale Rolle. Es ist erstaunlich und den Physikern hoch anzurechnen, dass sie diesen Begriff zuerst entdeckt haben, da er doch in der Informationstheorie sehr viel einfacher ist.
• 19.1.1 Abstrakt–Konkret Ein Objekt soll durch eine Reihe von Entscheidungsfragen (Antwort ja oder nein) identifiziert werden. Es handele sich zunächst darum, eine Zahl festzulegen, sagen wir eine höchstens dreistellige. Welche Methode schlagen Sie vor? Wie viele Fragen brauchen Sie? Wie ändern Sie das Verfahren ab, wenn es sich um eine historische Jahreszahl handelt? Jemand soll eine Person raten. Statt mit Begriffen zu operieren, erfragt er den Namen buchstabenweise. Wie verfährt er am besten? Welche Buchstaben übertragen am meisten Information? Geschickte Frager finden selbst komplizierte Objekte z. B. ,,das Spundloch im Fass des Diogenes“ in 50–70 Fragen. Was schließen Sie daraus? → zur Lösung
• 19.1.2 Autonummern Deutsche Autonummernschilder enthalten bis zu drei Buchstaben, die den Stadt- oder Landkreis kennzeichnen. Ist Ihnen aufgefallen, dass z. B. das E sehr selten vorkommt? Warum? Kann man das System verbessern, mit der Randbedingung, dass auch Polizisten nur Menschen sind? → zur Lösung
•• 19.1.3 Information Zeigen Sie, dass alle bisherigen Ergebnisse spezielle Anwendungen der folgenden Definition sind: Wenn eine Zeichenkette die sequentielle Wahrscheinlichkeit P hat, zufällig aus dem vorhandenen Zeichenvorrat zu entstehen, enthält sie eine Information I = − ldP. Dabei ist ld der Logarithmus zur Basis 2. Die Einheit der Information 1 bit, wird vermittelt durch die Antwort auf eine optimal formulierte Entscheidungsfrage. Hängt die Information einer Nachricht, so definiert, von ihrer Sequenz oder ihrer Komposition ab? Welche Buchstabenhäufigkeiten pi müsste eine Quelle haben, damit sie möglichst viel Information pro Zeichen emittiert? Wie viel nämlich? Um wie viel weicht eine Quelle mit gegebener Verteilung pi von diesem Optimalwert ab? → zur Lösung
• 19.1.4 Gold bug Bestimmen Sie die Buchstabenhäufigkeit im Deutschen und anderen Sprachen an einem langen Text. Beobachten Sie, wie die Verteilung gegen die Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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,,wirkliche“ konvergiert, wenn der Text länger wird. Das Ergebnis ist eine wichtige Hilfe beim Geheimcode-Knacken. Einfache Substitutionscodes strecken sofort die Waffen (vgl. E. A. Poe, ,,The Gold Bug“). Wie groß sind, ausgehend von den wirklichen pi , Wahrscheinlichkeit und Information von ,,To be or not to be“ oder des ganzen Hamlet? Wie sieht der wahrscheinlichste Text gleicher Länge aus? Wie viel Information enthält er? → zur Lösung
• 19.1.5 Morse-Alphabet Warum haben die Morse-Symbole für E und T nur je ein Zeichen, warum hat X vier? Wie viel Information enthält im Mittel ein morsecodierter Buchstabe? Hat Morse die pi des Englischen genau respektiert? Wie viel Information hat er verschenkt? Welches sind die auffälligsten Fehlzuordnungen? → zur Lösung
•• 19.1.6 Redundanz Ein deutsches Wörterbuch enthalte 100 000 Wörter einer mittleren Länge von 10 Buchstaben. Wenn Ihnen diese Werte nicht gefallen, beschaffen Sie sich bessere. Wie viel Information verschenkt das Deutsche, indem es nicht alle denkbaren Buchstabenkombinationen ausnutzt? Wie sähe das Wörterbuch einer informationstechnisch idealen, aber phonetisch und mnemonisch bestimmt scheußlichen (weder aussprech- noch merkbaren) Sprache aus? Welches wäre seine mittlere Wortlänge? Redundanz ist verschenkte Informationskapazität, d. h. Differenz zwischen optimal übertragbarer und tatsächlich übertragener Information, gewöhnlich in % ausgedrückt. Schätzen Sie die Redundanz der deutschen Sprache (auf Wortbasis). Ist Redundanz immer von Nachteil? → zur Lösung
•• 19.1.7 Markow-Kette I Ein Teil der Redundanz einer Sprache stammt von ihrer ungleichen Zeichenhäufigkeit. Wie viel macht das im Deutschen aus? Woher stammt der Rest? Wenn auf ein S sehr oft ein T folgt oder ein C, nie ein X, bedeutet das Redundanz? Wir nennen qik die Wahrscheinlichkeit, dass hinter einem Buchstaben vom Typ i einer vom Typ k steht. Eine Nachricht, die nur durch die pi und die qik gekennzeichnet ist, heißt Markow-Kette vom Gedächtnis 1. Ohne Kopplung zwischen Nachbarzeichen, wie im Abschn. 19.1 angenommen, erhält man Markow-Ketten vom Gedächtnis 0. Geben Sie andere Beispiele für Markow-Ketten. Spielen auch größere Gedächtnislängen eine Rolle, in der Sprache und anderswo? → zur Lösung
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•• 19.1.8 Markow-Kette II Zeigen Sie, dass in einer Markow-Kette vom Gedächtnis 1 die Zeichenhäufigkeit pi gegen eine Grenzverteilung strebt, die durch die Übergangswahrscheinlichkeiten qik gegeben ist, wenn die Kettenlänge gegen unendlich geht. Diese asymptotische Verteilung pi ist ein Eigenvektor der Matrix qik . Zu welchem Eigenwert gehört dieser Eigenvektor? Welche durch die Natur des Problems gegebene Eigenschaft von qik garantiert, dass ein solcher Eigenwert und ein solcher Eigenvektor immer existieren? Überzeugen Sie sich, wie viel einfacher diese Betrachtungen bei einiger Matrizenerfahrung werden als die direkte Rechnung, selbst für nur zwei mögliche Zeichen. → zur Lösung
•• 19.1.9 Markow-Kette III Drücken Sie die sequentielle Wahrscheinlichkeit einer gegebenen Nachricht, aufgefasst als Markow-Kette vom Gedächtnis 1, durch die pi und qik der Quelle aus. Hinweis: Wenn die pi überhaupt auftreten, dann nach Aufgabe 19.1.8 nur als Abkürzung für gewisse Kombinationen der qik . Schätzen Sie aus einigen markanten Beispielen für qik -Werte (oder durch Auszählen von Paarhäufigkeiten, was allerdings wohl nur mit dem Computer für hinreichend lange Texte möglich ist) die ,,Redundanz erster Ordnung“ des Deutschen. → zur Lösung
•• 19.1.10 Übertragungskapazität In den meisten technischen Informationskanälen wird die Nachricht einer Welle aufmoduliert. Warum ist dazu eine bestimmte Bandbreite (durchgelassener Frequenzbereich) nötig, auch wenn es sich nicht um Musik handelt? Die Nachricht sei in nur zwei Zeichen codiert: 0 und 1, d. h. Strom bzw. Nicht-Strom während einer gewissen vereinbarten Einheitszeit. Wenn diese Einheitszeit τ ist, welche Bandbreite muss der Kanal mindestens durchlassen (vgl. Theorie der Linienbreite)? Wie groß ist die Übertragungskapazität (gemessen in bit/s) eines Kanals der Bandbreite ∆ν? Wie ändert sich die Lage, wenn mehrere Binärzeichen zu einem Buchstaben zusammengefasst sind, oder wenn mehrere Amplituden-Niveaus unterschieden werden sollen? → zur Lösung
•• 19.1.11 Gehirnkapazität Schätzen Sie die Übertragungskapazität der menschlichen Nerven bzw. die Verarbeitungskapazität des Gehirns durch Lesen, Anhören, Nachsprechen, Memorieren von sinnlosen Ketten von Buchstaben oder anderen Zeichen (warum sinnlose Ketten?). Welche bit-Übertragungszeit folgt daraus? Wie viel Information enthält ein Fernsehbild (schwarz-weiß oder farbig)? Wie viel optische Information nehmen die Augen während des ganzen Lebens auf? Können sie sie auch weitergeben? Vergleichen Sie mit früher gefundenen Werten. Schlussfolgerungen? → zur Lösung
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•• 19.1.12 Das letzte Bit Ein amerikanischer ,,Zauberer“ bat einen Zuschauer, aus einem BridgeSpiel (52 Karten) fünf Karten auszuwählen. Eine davon, die ,,Zielkarte“, wurde beiseitegelegt, die vier anderen steckte der Zauberer in einen Umschlag. Ein anderer Zuschauer, der keine der Karten kannte, brachte den Umschlag der Frau des Zauberers, die im Hotelzimmer geblieben war, ohne jede Kommunikationsmöglichkeit mit dem Vortragssaal. Die Frau öffnete den Umschlag und nannte die Zielkarte. Kein Schummel! → zur Lösung
•• 19.1.13 Protein-Information Man glaubt, Bau und Funktion eines Proteins seien durch seine Aminosäuresequenz völlig festgelegt. Es gibt im Wesentlichen 20 Aminosäuren. Ein mittelgroßes Protein hat etwa 200 Aminosäuren. Wie viele verschiedene Proteine dieser Länge sind möglich? Wie viel macht es aus, wenn man auch kürzere in Betracht zieht? Schätzen Sie die Gesamtmenge belebter Substanz auf der Erde und die Gesamtzahl existierender Proteinmoleküle. Wenn jedes davon nur 1 s lang lebt und dann einer anderen Kette Platz macht, wie viele Ketten könnte der Zufall seit Entstehung des Lebens durchgespielt haben? Schlussfolgerungen? → zur Lösung
•• 19.2.1 Mikro- und Makrozustände
In einem Kasten, der durch eine Zwischenwand in zwei Hälften geteilt ist, sind N nichtwechselwirkende Moleküle zunächst alle in einer Hälfte. Jetzt öffnet man ein Loch in der Zwischenwand. Warum gleicht sich der Druck aus? Welches ist der Entropiegewinn dabei? Entspricht das der Betrachtung von Abschn. 19.2.8? Verfolgen Sie den Vorgang, z. B. bei N = 4, und stellen Sie die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Zustände auf. Wenn ein Zustand A in einen Zustand B übergehen kann, muss doch umgekehrt auch B in A übergehen können. Warum kommt das u. U. so selten vor oder gar nicht mehr, wenn man alle Molekülzahlen mit 1026 multipliziert? → zur Lösung
• 19.2.2 Arbeit und Wärme Weisen Sie nach, dass die Aufteilung (19.36) der Energieänderung genau dem entspricht, was man physikalisch Arbeit bzw. Wärme nennt, dass also (19.36) der erste Hauptsatz ist. Betrachten Sie z. B. ein System geladener Teilchen, die verschiedene Zustände zur Verfügung haben und in ein elektrisches Feld gebracht werden. Wie lässt sich die Betrachtung auf mechanische Druckkräfte ausdehnen, die auf ein Gas wirken? → zur Lösung
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•• 19.2.3 Boltzmann-Verteilung∗
Gegeben ist ein System mit äquidistanten diskreten Energiezuständen. Verteilen Sie eine gegebene Anzahl N von Teilchen mit gegebener Gesamtenergie E über diese Zustände. Welches ist die einfachste Kombination von Teilchensprüngen, bei der sich der Makrozustand ändert, E aber konstant bleibt? Wie ändert sich die Zustandswahrscheinlichkeit P dabei? Wie muss ein Zustand aussehen, bei dem dabei keine P-Änderung eintritt (großes N vorausgesetzt)? Haben Sie damit die Boltzmann-Verteilung abgeleitet? → zur Lösung
•• 19.2.4 Entropiekraft Einführung in die Thermodynamik irreversibler Prozesse: Wir betrachten ein abgeschlossenes System, dessen Zustand durch die Variablen a1 , a2 , . . . , an beschrieben wird. Seine Entropie ist eine Funktion dieser Variablen. Denken Sie an eine Fläche im n + 1-dimensionalen Raum. Wo liegt das Gleichgewicht? Wie sieht die S-Fläche in der Umgebung aus? Vergleichen Sie mit dem mechanischen Gleichgewicht: Minimum von U, Form der U-Fläche in der Umgebung. Irreversible Vorgänge vermehren die Entropie. Reversible Vorgänge sind unendlich langsam. Ein Vorgang läuft um so schneller ab, je mehr Entropie dabei erzeugt wird. Stimmen diese Aussagen? Beispiele! Kann man auch sagen: Die Möglichkeit zum Entropiezuwachs ist die treibende Kraft eines Prozesses? Tragen Sie solche Prozesse in die S-Fläche ein. Wie verschiebt sich der Zustandspunkt? Wenn Sie die Analogie mit der U-Fläche vervollkommnen wollen, wie müssen Sie das mechanische Modell einrichten? Welche Größen können Sie als verallgemeinerte Kräfte bezeichnen? Kann man eine allgemeine Bewegungsgleichung für den Systempunkt ai aufstellen? •• 19.2.5 Kräfte und Ströme Wie vertragen sich folgende Bezeichnungen und Aussagen mit dem Modell von Aufgabe 19.2.4: Wir nennen Ji = a˙i verallgemeinerte Ströme, X i = ∂S/∂ai verallgemeinerte Kräfte. Die Kräfte ,,ziehen“ Ströme gemäß Ji = k L ik X k (L ik sind die Onsager-Koeffizienten). Ein System außerhalb des Gleichgewichts erzeugt Entropie mit der Rate S˙ = i Ji X i . Vorausgesetzt ist dabei, dass die Variablen ai vernünftig gewählt sind. Was wird eine solche vernünftige Wahl bedeuten? •• 19.2.6 Onsager-Relation Ein System im Gleichgewicht liegt nicht still auf dem Gipfel des S-Berges, sondern führt kleine Schwankungen aus. Wie weit wagt es sich dabei im Durchschnitt vom Gipfel weg? Ist das eine Frage der S- oder der ai Differenz? Denken Sie an die statistische Definition von S. Auch für solche Schwankungen gelten die Bewegungsgleichungen a˙i = k L ik ∂S/∂ak . Vergleichen Sie ak a˙i und ai a˙k . Stimmt es, dass vernünftig gewählte Zustandsvariable ai und ak unabhängig voneinander schwanken und was folgt daraus? Kann man allgemeine Aussagen über das Zeitmittel von ∗
Die Anregung zu dieser Aufgabe verdanke ich Herrn Stud.-Rat i. H. W. Schmidt
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ai ∂S/∂ai machen? Kann man ai und ∂S/∂ak als im Zeitmittel orthonormal bezeichnen? Wieso folgt daraus L ik = L ki (Onsager-Relation)? Ist die Übertragung auf das Nichtgleichgewicht möglich? → zur Lösung
•• 19.2.7 Thermoelektrizität Zwei Drähte aus verschiedenen Metallen sind an beiden Enden zusammengelötet. Die Lötstellen 1 und 2 stecken in Thermostaten mit den Temperaturen T1 und T2 (T1 < T2 ). Ein Draht ist aufgeschnitten, ein Kondensator ist hineingelegt. Welche Variablen beschreiben das System (auf die Details der T - und Potentialverteilung kommt es nicht an, nur auf die Spannung am Kondensator)? Welche Entropieerzeugung findet statt, wenn ein Wärmestrom Q˙ von 2 nach 1 bzw. ein elektrischer Strom fließt? Entspricht das den Ansätzen von Onsager (Aufgabe 19.2.5)? Grenzfälle: (a) kein elektrischer Strom, ∆T festgehalten; (b) konstante Spannung am Kondensator, ∆T = 0. Können Sie die Thomson-Beziehung zwischen Thermokraft und Peltier-Koeffizient ableiten? → zur Lösung
•• 19.2.8 Thermo-mechanische Effekte Zwei Gefäße 1 und 2, jedes mit konstantem Volumen, sind durch Kapillaren, enge Öffnungen oder Membranen miteinander verbunden. In beiden Gefäßen ist der gleiche Stoff (ein Gas, eine Flüssigkeit, flüssiges Helium), aber Temperaturen oder Drücke können verschieden sein. Bestimmen Sie vernünftige Variable und stellen Sie die Onsager-Gleichungen auf. Grenzfälle: (a) Man hält eine T -Differenz zwischen den Gefäßen aufrecht, (b) man hält eine Druckdifferenz aufrecht. Diskutieren Sie die Zusammenhänge zwischen thermomolekularer Druckdifferenz, Thermoosmose und mechano-kalorischem Effekt. Wie klein müssen die verbindenden Öffnungen sein, damit die Diskussion einen Sinn hat? Im Gas spricht man auch von Knudsen-Effekten, im flüssigen Helium vom Springbrunneneffekt. → zur Lösung
•• 19.2.9 Stationarität Zwei große Wärmereservoire mit den Temperaturen T1 und T2 werden plötzlich durch einen Metallstab verbunden. Was geschieht unmittelbar nach dem Einschieben des Stabes, was geschieht längere Zeit danach? Definieren Sie den Begriff Stationarität. Wie schnell stellt sich ein solcher Zustand ein? Untersuchen Sie die Entropieverhältnisse, besonders im stationären Zustand. Ändert sich dann die Entropie des Stabes noch? Wird ihm Entropie zugeführt? Wie sind beide Aussagen vereinbar? Führen Sie den Begriff der inneren Entropieerzeugung σ ein. Wie groß ist σ im Beispiel? Wie entwickelt sich σ im Lauf der Zeit? → zur Lösung
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•• 19.2.10 Satz von Prigogine Beweisen Sie: Ein System sei durch die verallgemeinerten Kräfte X 1 , . . . , X n gekennzeichnet. k davon, nämlich X 1 , . . . , X k seien zwangsweise festgehalten. Wenn unter diesen Umständen die Entropieerzeugung minimal sein soll, müssen die den übrigen Kräften zugeordneten Flüsse Jk+1 , . . . , Jn verschwinden. Beispiele! Ist die Forderung nach minimaler Entropieerzeugung sinnvoll? Was versteht man unter einer Stationarität k-ter Ordnung (speziell k = 1 oder k = 0)? → zur Lösung
•• 19.2.11 Minimale Entropieerzeugung Wenn ein System nicht im Gleichgewicht ist, d. h. Entropie erzeugen muss, richtet es sich so ein, dass diese Entropieerzeugung den Umständen entsprechend so klein wie möglich wird. Wieso ist dieser Zustand stabil? Wieso ergibt dieses Prinzip eine erhebliche Erweiterung der Gleichgewichts-Thermodynamik (eigentlich Thermostatik)? Stellen Sie an Beispielen eine ungefähre Zeitskala für die Folge von Zuständen auf: Beliebige Anfangsverteilung von T – stationärer Zustand – Gleichgewicht. Prigogine hat gezeigt, dass sich das Prinzip minimaler Entropieerzeugung unter gewissen, z. B. auch biologischen Umständen als ,,innerer Ordnungstrieb“ auswirken kann. Es führt nicht immer zur Verschmierung der Gegensätze, sondern manchmal auch zur Entstehung dissipativer Strukturen.
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→ zur Lösung
•• 19.2.12 Isotopieeffekt
In Abb. 19.7 sind die Größen ∆G nicht vom Talboden, sondern von den eingezeichneten etwas höheren Niveaus aus gerechnet. Warum? Um wie viel ungefähr liegt dieses Niveau höher als der Talboden, wenn das in der Reaktion umgesetzte Teilchen ein Proton, ein Deuteron, ein 16 O-Atom ein 18 O-Atom ist? Spielt die Masse des anderen Partners keine Rolle, oder wie kann man sie berücksichtigen? Eigentlich ist eine ähnliche Korrektur auch für den aktivierten Übergangskomplex anzubringen. Wenn sie dort keine Rolle spielt, welcher Unterschied in den Reaktionsgeschwindigkeiten zwischen H und D bzw. zwischen 16 O und 18 O ergibt sich dann (kinetischer Isotopieeffekt)? Sind die Gleichgewichts-Konzentrationsverhältnisse zwischen den H- und den DVerbindungen auch verschieden, unter welchen Bedingungen, und um wie viel (Gleichgewichts-Isotopieeffekt)? Wie erklären Sie sich, dass die beiden H-Isotope im Meerwasser im Verhältnis 1/6 000, im Antarktis-Eis im Verhältnis 1/11 000 vorkommen? → zur Lösung
•• 19.3.1 Glühemission Die Maxwell-Verteilung liefert für die Emissionsstromdichte aus einer Glühkathode einen um fast drei Größenordnungen falschen Wert (Aufgabe 8.1.2). Korrigieren Sie jetzt diesen Fehler. → zur Lösung
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• 19.3.2 Supernova Mitten im Crab-Nebel, dem Überrest der von den Chinesen aufgezeichneten Supernova-Explosion von 1 054 n. Chr., sitzt ein winziger Stern, der völlig periodisch alle 0,033 s einen ungeheuer intensiven Radiopuls von etwa 0,003 s Dauer aussendet. Wenn diese Periodizität von der Rotation des Sterns herrührt (Leuchtturm!), wieso fliegt er dann nicht zentrifugal auseinander? Annahme: Der Stern hat, wie fast alle, etwa Sonnenmasse. Welche Dichte ergibt sich? Vergleichen Sie mit der Dichte der Kernmaterie. Welchen Drehimpuls hat der Stern? Vergleichen Sie mit dem der Sonne. → zur Lösung
•• 19.3.3 Pulsar Die Schärfe der Radiopulse eines Pulsars erlaubt ungewöhnliche Beobachtungen. Zum Beispiel kommt seine Emission mit λ = 1 m etwa 0,1 s später bei uns an als die mit λ = 1 cm. Kann man das auf die Dispersion im interstellaren Plasma zurückführen? Welche Elektronendichte (warum kommt es nur auf die Elektronen an?) muss man dazu annehmen? Abstand des Crab-Pulsars: etwa 4 000 Lichtjahre. → zur Lösung
• 19.3.4 Pulsarfeld Die Sonne hat ein mittleres Magnetfeld von einigen 10−4 T. Bei der Kontraktion bleiben die B-Linien i. Allg. an die Materie gefesselt. Schätzen Sie das Magnetfeld eines Pulsars. Wie groß sind Larmor-Radius und Larmor-Frequenz für verschiedene Teilchen, speziell nichtrelativistische Elektronen? Teilchen welcher Maximalenergie kann ein Pulsar magnetisch speichern? → zur Lösung
•• 19.3.5 Kernverdampfung Analysieren Sie den Effekt in Abb. 17.53. Warum ordnet man gerade die dünnste Spur dem Primärproton zu? Wie hoch dürfte die Energie dieses Primärprotons gewesen sein? Welche Durchschnittsenergien haben die Sekundärteilchen? (Alle Energien im Schwerpunkt- und im Laborsystem!) Wie groß werden die Reichweiten von Primär- und Sekundärteilchen sein? → zur Lösung
•• 19.3.6 Fermis Theorie des β-Spektrums Wir berechnen das Energiespektrum der β-Teilchen, d. h. die Wahrscheinlichkeit, mit der das β-Teilchen die Energie E e mitbekommt, unter folgenden Annahmen bzw. Benutzung folgender Tatsachen: Der Ausgangszustand des Mutter- und der Endzustand des Tochterkerns sind für jeden individuellen Zerfallsakt die gleichen. Wenn trotzdem Elektronen unterschiedlicher Energie entstehen, liegt das daran, dass ein Neutrino den Rest wegführt. Das Neutrino ist wegen seiner kleinen (wahrscheinlich verschwindenden) Ruhmasse immer relativistisch, das Elektron Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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manchmal (wann?; jedenfalls sind dann Rechnungen und Ergebnis viel einfacher). Die Wahrscheinlichkeit eines Zerfallsakts, charakterisiert durch eine bestimmte Kombination von Energien und Impulsen von Elektron und Neutrino, ist proportional dem entsprechenden Volumen im Impulsraum. Dieser ist sechsdimensional, weil es sich um zwei Teilchen handelt. Wie sieht das Energiespektrum aus mit relativistischem bzw. nichtrelativistischem Elektron? → zur Lösung
•• 19.3.7 Weiße Zwerge Sterne von ungefähr Sonnenmasse verbringen ihre alten Tage als Weiße Zwerge. Warum sie Zwerge werden, ist klar. Aber warum bleiben sie eine ganze Weile weiß? Schätzen Sie ab, welcher Teil des alten Sterns ein normales Gas, welcher ein Fermi-Gas bildet. Wie wird die Temperaturverteilung im Fermi-Gas aussehen? Wird der Weiße Zwerg sich bei weiterem Energieverlust kontrahieren, oder wie wird er sich sonst verändern? → zur Lösung
•• 19.3.8 Suprafluidität Helium 4 wird unter Normaldruck bei 4,211 K flüssig und unterhalb 24 bar niemals fest. Unterhalb des λ-Punktes 2,186 K nimmt 4 He seltsame Eigenschaften an: Die Viskosität wird immer kleiner und geht für T → 0 ebenso wie die spezifische Wärmekapazität gegen Null, die Wärmeleitfähigkeit wird dagegen sehr groß. Das Helium kriecht in dünner Schicht längs der gemeinsamen Wand aus einem höheren in ein anfangs leeres tieferes Gefäß, wobei das höhere sich erwärmt, das tiefere abkühlt. Ähnliches passiert beim Überströmen durch eine sehr enge Kapillare (mechanokalorischer Effekt). Schallwellen breiten sich fast ungedämpft aus. Bei flüssigem 3 He kommt nichts dergleichen vor. Erklären Sie alles nach dem Zwei-Flüssigkeiten-Modell von Tisza: Bei Abkühlung unter den λ-Punkt sammeln sich immer mehr Teilchen im tiefstmöglichen Energiezustand (Bose-Einstein-Kondensation) und bilden die suprafluide Flüssigkeitskomponente. (Nobelpreis 1996 an Lee, Osheroff und Richardson) → zur Lösung
Kapitel 20: Aufgaben . . .
• 20.1.1 Lineare Vielfalt I Bestimmen Sie für die 13 Phasendiagramme in Abb. 20.6 aus den Werten D und T mögliche Matrixelemente und die Eigenwerte der Systemmatrix sowie die Steigungen der Eigengeraden, soweit reell. → zur Lösung
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• 20.1.2 Lineare Vielfalt II Klassifizieren Sie die stetigen linearen autonomen Systeme zweiter Ordnung nach der Lage von Eigenwerten und Eigenvektoren, dem qualitativen Verlauf der Orbits, Existenz und Stabilität der Fixpunkte usw. Wie viel davon lässt sich übertragen auf Systeme höherer Ordnung; diskrete Systeme; nichtlineare Systeme? → zur Lösung
•• 20.1.3 Chemische Kinetik Gegeben eine Reihe von Größen x 1 , . . . , x n , die voneinander nach dem Differentialgleichungssystem x˙i = aik xk abhängen. Ist ein chemisches Reaktionssystem immer von dieser Art? Welchen Sinn haben dann die Variablen und Konstanten? Versuchen Sie, allgemeine Angaben über die Vorzeichen der aik zu machen. Können Sie andere Anwendungen finden? Drehen Sie das Koordinatensystem, in dem x und A dargestellt sind, bis A nur noch Diagonalelemente hat und die anderen Elemente Null werden. Zeigen Sie, dass eine solche Drehung für x in der Multiplikation mit einer orthonormalen Matrix S besteht. Zeigen Sie weiter, dass die Matrix S, die diese Drehung auf Diagonalform leistet, als Zeilenvektoren lauter Eigenvektoren von A hat und dass die entstehenden Diagonalelemente Eigenwerte von A sind. Wieso ist damit das Problem im Prinzip gelöst?
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→ zur Lösung
• 20.1.4 Homogenisierung Gibt es Fälle, wo sich das inhomogene System x = Ax + b nicht durch eine Translation in ein homogenes überführen lässt? Was bedeutet das anschaulich? Soll man sich darüber freuen oder nicht? → zur Lösung
• 20.1.5 Eigenvektoren Wo liegen die Eigenvektoren der Matrix eines linearen stetigen Systems zweiter Ordnung? Welche Rolle spielen sie für die Orbits? Verallgemeinern Sie auf ein System n-ter Ordnung. → zur Lösung
• 20.1.6 Spiralen Welche Art Spiralen bilden die Orbits eines linearen stetigen Systems zweiter Ordnung im Fall D > T 2 /4? Sind es archimedische (r = r0 + aϕ), logarithmische (r = r0 eaϕ ) oder andere Spiralen? Welches ist ihr Steigungswinkel (Winkel gegen die Radien), wie groß ist der Abstand zwischen zwei Windungen? → zur Lösung
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• 20.1.7 D = 0
Wie verhält sich ein lineares stetiges System zweiter Ordnung, dessen Systemdeterminante 0 ist? Unter welchen Bedingungen ist ein Eigenwert 0? Wie sieht dann der andere aus? → zur Lösung
• 20.1.8 Feldlinien Kann man die Orbits eines linearen Systems als Feldlinien auffassen? Unter welchen Umständen gibt es ein Potential? Wie sehen dann die Potentiallinien aus? → zur Lösung
•• 20.1.9 Grenzzyklus Hat das System, beschrieben durch die Dynamik x˙ = x − ay/(x 2 + y2 ) − bx x 2 + y2 + cx 2 y˙ =y + ax/(x 2 + y2 ) − by x 2 + y2 + cxy mit a, b, c > 0, c < b Fixpunkte, Grenzzyklen? Wie sehen sie aus? Sind sie stabil? Rechnen Sie in Polarkoordinaten um, wie schon das Auftreten von x 2 + y2 nahe legt. → zur Lösung
• 20.1.10 Linearer Grenzzyklus Kann ein lineares System einen Grenzzyklus haben? Wie viele Fixpunkte kann es haben? Prüfen Sie die allgemeine Theorie an einem System zweiter Ordnung. → zur Lösung
• 20.1.11 Pendel Wie sieht das Phasenporträt eines Schwerependels ohne Beschränkung auf kleine Amplituden, aber ohne Reibung aus? Was ändert sich, wenn Reibung vorliegt? → zur Lösung
• 20.1.12 Elektronenstoß Ein Elektron rast geradlinig auf ein Proton zu. Wie sieht das Phasenporträt aus? Hat es Wendepunkte, wenn ja, wo (Abb. 20.3)? → zur Lösung
• 20.1.13 Absturz Ein Mensch fällt aus einem Flugzeug. Wie sieht das Phasenporträt aus? Berücksichtigen Sie die Höhenabhängigkeit der Luftdichte (Abb. 20.4) → zur Lösung
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• 20.1.14 Meteorit Ein antriebsloser Satellit kehrt auf die Erde zurück oder ein Meteorit schlägt ein. Wie sieht das Phasenporträt eines solchen Fluges in radialer Richtung aus? Berücksichtigen Sie die Höhenabhängigkeit der Luftdichte und der Erdbeschleunigung (Abb. 20.5). → zur Lösung
• 20.1.15 Stabilitätsbedingung Zeigen Sie, dass die meist graphisch begründete Bedingung für die Stabilität eines stationären Wertes xs eines diskreten Modells xt+1 = f(xt ), nämlich | f (xs )| < 1, auch aus der in Abschn. 20.1.2 entwickelten Stabilitätsanalyse folgt. → zur Lösung
• 20.2.1 Ein Integral
Was kommt heraus, wenn man über sin2n x (was natürlich heißen soll (sin x)2n ; n sei eine natürliche Zahl) integriert, speziell von 0 bis π/2? → zur Lösung
•• 20.2.2 Noch ein Integral √ π/2 Berechnen Sie das Integral 0 dα/ cos α − cos α0 durch Reihenentwicklung des Integranden. Wählen Sie aber eine neue Variable, nach der die Entwicklung besser konvergiert als nach cos α. Beachten Sie auch, ob sich die Reihenglieder selbst integrieren lassen. → zur Lösung
• 20.2.3 Smolletts Uhr Die ,,Hispaniola“ sucht Treasure Island nach Billy Bones’ Karte. Dort gibt es drei Berge; auf den höchsten hat Ben Gunn Captain Flints Schatz transferiert. Um wie viel durfte die Amplitude der Schiffs-Pendeluhr schwanken, damit Captain Smollett die Insel finden konnte? → zur Lösung
•• 20.2.4 Duffing-Rüssel Beschreiben Sie die x1 (ω)-Resonanzkurve für den Duffing-Schwinger genauer. Wie verläuft der ,,Rüssel“ bei E > 0 ins Unendliche? Wie dick ist er? Wie sieht er bei E < 0 aus, speziell bei ω = 0? → zur Lösung
•• 20.2.5 Van der Pol Führen Sie die Fourier-Zerlegung für den Grenzzyklus der van der PolGleichung ausführlich durch. → zur Lösung
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•• 20.2.6 Nichtlinearer Schwingkreis Stellen Sie die Gleichungen für Strom und Diodenspannung für den nichtlinearen Schwingkreis von Abb. 20.14 auf, beseitigen Sie möglichst viele Parameter und simulieren Sie U(t), I(t) bzw. I(U ) auf dem Computer. Beachten Sie, dass der Einschwingvorgang sehr lange dauern kann (manchmal mehr als 1 000 Perioden!). Ab wann erwarten Sie U(t)-Verläufe, die nicht mehr sinusförmig sind? Wieso ist I(t) dann doch noch sinusförmig? Wieso können zwei Differentialgleichungen erster Ordnung schon Chaos liefern? Kann bei einer normalen Diode (Abschn. 16.4.3) Ähnliches vorkommen? → zur Lösung
•• 20.2.7 Schaukel Mit welcher Zeitabhängigkeit muss das Kind seinen Schwerpunkt aufbzw. abwärts verschieben, um die Schaukel anzuwerfen? Stellen Sie die Differentialgleichungen der Schaukel auf unter den Bedingungen (a) noch kleine Amplitude, (b) Schwerpunktsverschiebung Länge der Aufhängung. → zur Lösung
•• 20.2.8 Beta-Funktion Die folgenden sechs Aufgaben wenden sich an leidenschaftliche Integral1 knacker. Berechnen Sie das bestimmte Integral 0 x a (1 − x)b dx, genannt Eulersche Betafunktion B(a + 1, b + 1), für ganzzahlige a und b durch mehrfache partielle Integration. Die Fakultät im Ergebnis lässt sich auch für unganze a, b durch ihre Verallgemeinerung, die Gamma-Funktion, ersetzen. Dann transformieren Sie mittels t = sin2 ϕ auf ein Integral, das wir brauchen werden. → zur Lösung
• 20.2.9 Superellipsen Im neuen Zentrum Stockholms haben Straßenzüge, Brunnen usw. die Form von ,,Superellipsen“: (x/a)2,5 + (y/b)2,5 = 1. Plotten Sie diese Kurven für verschiedene Exponenten. Die Fläche innerhalb der Kurve (x/a)1/c + (y/b)1/d = 1 ist 4abcd/(c + d) B(c, d). Man findet das, wenn man im Flächenintegral die störende Klammer zur Variablen ernennt. Was kommt für die übliche Ellipse heraus? Alles lässt sich auch ins n-Dimensionale übertragen. → zur Lösung
• 20.2.10 Minimaler Flugplatz Flugzeuge starten und landen immer gegen den Wind (warum?). Auf Flugplätzen mit einer oder wenigen Startbahnen ist das nur annähernd erfüllbar. Legen Sie einen möglichst kleinen Flugplatz an, auf dem in jeder Windrichtung die Startbahnlänge L zur Verfügung steht, (a) wenn der Wind aus jeder Richtung kommen kann, (b) wenn er nur aus dem Sektor W-SW-S oder N-NO-O wehen kann. Zeigen Sie, dass Hypozykloiden dies erfüllen Meschede: Gerthsen Physik, 22. Aufl. © Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004 www.gerthsen.de
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(ein Rad rollt in einem größeren ab). Kommen auch ,,Superellipsen“ in Frage? → zur Lösung
• 20.2.11 Gamma-Funktion
∞ Die Gamma-Funktion ist definiert als Γ(x) = 0 t x−1 e−t dt. Zeigen Sie: Für natürliche x ist Γ(x) = (x − 1)! (partielle Integration). Γ( 12 ) geht durch √ u = t über in ein Integral, das wir aus Aufgabe 1.1.8 kennen. Vergleich mit der bekannten Ellipsenfläche liefert laut Aufgabe 20.2.9 dasselbe. → zur Lösung
• 20.2.12 Pendel-Periode I Man lenkt ein Pendel bis α0 = 90◦ aus und lässt los. Vereinfachen Sie das Integral, das die Periode angibt, und berechnen Sie es mit Hilfe der Gamma-Funktion. Vergleichen Sie mit der genäherten Reihe (20.13). → zur Lösung
• 20.2.13 Pendel-Periode II Bei der Anfangsauslenkung 180◦ lässt sich das unbestimmte Integral, das die Zeit angibt, leicht lösen. Was kommt als Schwingungsdauer heraus, was für den Teil der Schwingung von 90◦ bis 0◦ ? → zur Lösung
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• 20.2.14 Van der Pol-Fixpunkt
Untersuchen Sie die Stabilität der (des) Fixpunkte(s) eines Systems, das sich nach der van der Pol-Gleichung verhält. → zur Lösung
•• 20.2.15 Van der Pol-Schwänze Wie kommen die ,,Schwänze“ zustande, die rechts und links am Grenzzyklus eines van der Pol-Systems hängen und in die die meisten Transienten-Kurven einmünden (Abb. 20.17)? → zur Lösung
•• 20.3.1 Descartes’ Regel Wir werden oft die Regel von Descartes benutzen, nach der man die Anzahl reeller Lösungen einer Gleichung n-ten Grades kann: so abschätzen ai x i zähle man die In der Folge der Koeffizienten ai des Polynoms Zeichenwechsel; als ein Zeichenwechsel gilt, wenn auf ein positives ein negatives ai folgt oder umgekehrt. Es gibt so viele positive Lösungen wie Zeichenwechsel oder eine gerade Anzahl weniger. Für die negativen Lösungen gilt Entsprechendes, wenn man die Vorzeichen aller ai mit ungeradem i umkehrt. Gemäß Descartes’ anderer Regel: ,,Akzeptiere nur, was du völlig klar einsiehst“, beweisen Sie die obige Regel. → zur Lösung
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• 20.3.2 Bevölkerungsexplosion I Wie viele Menschen werden in jeder Sekunde auf der Erde geboren, wie viele sterben? Wie entwickelt sich die Menschheit, wenn das so weitergeht? → zur Lösung
• 20.3.3 Bevölkerungsexplosion II Schätzen Sie die mittlere Anzahl fruchtbarer Nachkommen pro Person und die Generationsdauer für die Menschheit und entwickeln Sie Prognosen daraus. → zur Lösung
• 20.3.4 Sterbemodell I Modell 1): Alle Menschen, ob alt oder jung, haben die gleiche Wahrscheinlichkeit, im nächsten Jahr zu sterben. Modell 2): Alter und Tod beruhen auf der Ansammlung genetischer Defekte. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Defekts ist altersunabhängig. Wenn sich eine bestimmte Anzahl angesammelt hat, stirbt man. Wie sieht die Alterspyramide einer stationären Bevölkerung nach diesen Modellen aus? → zur Lösung
• 20.3.5 Sterbemodell II Angenommen, von Leuten eines bestimmten Geburtsjahrganges werden 75% 65 Jahre oder älter, 50% 74 Jahre oder älter, 25% 84 Jahre oder älter. Wenden Sie das Modell ,,Altern ist Anhäufung genetischer Defekte“ an. Welche Parameter können Sie aus den Daten entnehmen? → zur Lösung
•• 20.3.6 Tierwachstum Ein Wachstumsmodell will die Massenzunahme eines Tieres dadurch beschreiben, dass die Nahrungsaufnahme (Assimilation) proportional zur Körperoberfläche, die Dissimilation zur Körpermasse ist. Wie würden demnach Masse und ,,Radius“ des Körpers zunehmen? Wie wäre es für zweidimensionale, n-dimensionale Tiere? Hat m(t) einen Wendepunkt, und wenn ja, wo liegt er? → zur Lösung
• 20.3.7 Talent-Rückkopplung Warum sind manche Leute in Physik oder im Geigen so unglaublich viel besser als andere? Wahrscheinlich werden genetische und kulturelle Unterschiede, die sicher existieren, in einer Art Rückkopplung durch Erfolgserlebnisse verstärkt. Machen Sie ein Modell dazu. → zur Lösung
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•• 20.3.8 Bifurkation Beweisen Sie: Der Übergang von der Zweier- und Viererperiode in der Lösung der logistischen Gleichung xk+1 = axk (1 − xk ) erfolgt bei a = 1 + √ 6 = 3,4495. Kurz vorher pendelt x zwischen 0,8499 und 0,4400 hin und her. → zur Lösung
• 20.3.9 Anti-Wojtila Wie die Fruchtbarkeit einer Population unter der Bevölkerungsdichte leidet, lässt sich durch viele Funktionen darstellen, wie z. B. durch xt+1 = axt exp(b(1 − xt )). Welchen Vorteil hat dies gegenüber der logistischen Gleichung? Bestimmen Sie die Stationaritäten und ihre Stabilität. Wo erwartet man Bifurkationen? → zur Lösung
• 20.3.10 Lösbares Chaos Bei a = 4 lässt sich die logistische Iteration leicht allgemein lösen durch die Substitution x = sin2 α. Wie ändert sich dann α? Was folgt daraus für die Lage und Dichte der Punktfolge xn ? → zur Lösung
•• 20.3.11 Feigenbaum verallgemeinert Gegeben die diskrete Dynamik x → f(x). f(x) habe nur ein Maximum, kein Minimum im betrachteten x-Intervall. Wie sieht die Zweifach-Iterierte f 2 (x) aus? Was bedeutet es, wenn die Gerade y = x die Kurve y = f 2 (x) berührt, speziell, wenn sie das an ihrem Wendepunkt tut? Tut sie das immer dort? → zur Lösung
•• 20.3.12 Intermittenz Wie lange dauern im Mittel die quasiperiodischen Episoden, wenn die echte Periodizität soeben durch Intermittenz ins Chaos übergegangen ist? Verfolgen Sie, wie die Spinne durch den engen Kanal kriecht! → zur Lösung
• 20.3.13 Stetig und diskret Wie kommt es zu dem frappanten Unterschied im Verhalten stetiger und diskreter Systeme, z. B. zwischen der Verhulst- und der logistischen Gleichung (20.27) bzw. (20.30)? → zur Lösung
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•• 20.3.14 Die Sünden der Opas Eine Tierart mit einer Lebensdauer von sehr vielen Jahren habe jeden Herbst eine Brunftzeit. Die Anzahl von Jungen pro Muttertier sei proportional den Nahrungsmengen, die die vorige Generation übrig gelassen hat. Wie entwickelt sich die Population? Bestimmen Sie stationäre Zustände. Sind diese stabil? Kommen Periodizitäten vor? → zur Lösung
•• 20.3.15 Symbiose Untersuchen Sie das Stabilitätsverhalten des vierten Fixpunktes ((d − e)/(cd − e f ), (c − f )/(cd − e f )) des Systems (20.43), speziell für den Fall der Symbiose. → zur Lösung
• 20.3.16 Konkurrenz Kann die Separatrix zwischen den Einzugsgebieten der beiden stabilen Fixpunkte im Wettbewerbsmodell (20.43) eine Kurve der Form y ∼ x n – Gerade, Parabel o. Ä. – sein? → zur Lösung
•• 20.3.17 Ökologie Normieren Sie das ökologische Modell (20.43), um die Anzahl der Parameter zu reduzieren. Klassifizieren Sie die möglichen Fälle. → zur Lösung
•• 20.3.18 Parasitismus Wie könnte man die bisher nicht erwähnten Vorzeichenkombinationen der A, B, C von Aufgabe 20.3.17 biologisch deuten? → zur Lösung
• 20.3.19 pH Wie hängt der pH-Wert von der Säurekonzentration im Wasser ab? So einfach ist das gar nicht, selbst wenn Sie nur eine Dissoziationsstufe berücksichtigen. Wie ist es bei einer Base? → zur Lösung
• 20.3.20 Auch nicht so einfach! Wie hängt die Konzentration c im Reaktionsmodell (20.50) von der Zeit ab? → zur Lösung
•• 20.3.21 Enzymkinetik Unter welchen Bedingungen und nach welcher Zeit stellt sich das Michaelis-Menten-Quasigleichgewicht (20.52) ein? → zur Lösung
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•• 20.3.22 Inhibition Wie arbeitet ein Enzym, das nicht nur Bindungsstellen für ein Substrat, sondern noch für ein anderes Teilchen hat? → zur Lösung
•• 20.3.23 Hämoglobin Wieso liefert Hämoglobin als Tetramer (vier Bindungsstellen für O2 ) die Sättigungskurve (20.57) und im kooperativen Grenzfall die Näherung (20.58)? Wieso kann Kooperativität die Transportkapazität von 10% auf 60% steigern? (Voraussetzung: O2 -Partialdruck im arbeitenden Gewebe sei halb so hoch wie in der Lunge.) → zur Lösung
• 20.3.24 Trapmodell Unter welchen Umständen lässt das Trapmodell Lösungen mit Extrema zu? Wie viele Extrema sind möglich und für welche Variablen? (Hinweis: Beziehen Sie p = n + d mit ein!) → zur Lösung
• 20.3.25 Was ist besser? Vergleichen Sie die Aussagekraft der Stabilitätsanalyse und des Möglichkeitsschemas hinsichtlich des qualitativen Verhaltens der Lösungen (Monotonie usw.). → zur Lösung
•• 20.3.26 Brauerei Bier wird seit altersher im ,,Batch-Verfahren“ gebraut: Man lässt einen Bottich mit Malzschrot, Hefe und Wasser gären und setzt neu an, wenn das Bier fertig ist. Hier wie vielfach in der Verfahrenstechnik wäre ein Übergang zu einem kontinuierlichen Verfahren zeit- und kostengünstiger: Ein Substrat S wird ständig in den Fermenterkessel eingeleitet, in dem Mikroorganismen daraus das Produkt P erzeugen, das ebenso ständig entnommen wird, wobei i. Allg. auch Mikroorganismen verloren gehen. Studieren Sie die Dynamik! → zur Lösung
•• 20.4.1 Dreiecksdynamik Liefert die Dreiecks-Abbildung x ← a(1 − 2| 12 − x|) für a > 12 immer Chaos, oder hängt es von den Anfangs-x ab, ob Konstanz, Zweier-, Dreier-. . . -Periodizität herauskommt? Falls das letztere stimmt: Sind diese Zustände gegenüber einer kleinen Änderung der Anfangswerte stabil? → zur Lösung
•• 20.4.2 Irrationale Überraschung Beweisen Sie: In der Dezimaldarstellung fast jeder reellen Zahl wiederholt sich jede beliebige Ziffernfolge unendlich oft. → zur Lösung
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•• 20.4.3 Mal anders Lösen Sie die Gleichung x 2 − x + a = 0 nicht wie üblich, sondern durch die Iteration x ← x 2 + a, ausgehend von verschiedenen Anfangswerten x0 und verschiedenen a. Wann konvergiert das Verfahren, wann divergiert es gegen Unendlich, wann oszilliert es und mit welcher Periode? Gibt es Bifurkationen, gibt es Chaos? Prüfen und erklären Sie alle mit dem Computer gefundenen Aussagen, soweit möglich, auch theoretisch. → zur Lösung
• 20.4.4 Ljapunow-Exponent Wie groß ist der Ljapunow-Exponent im stabilen, im periodischen, im Chaos-Bereich, an den Bifurkationen eines Feigenbaum-Szenarios? → zur Lösung
• 20.4.5 Koch-Garten Um die ,,Koch-Kurve“ zu erzeugen, beginnt man mit einem gleichseitigen Dreieck, nimmt das mittlere Drittel jeder Seite heraus und setzt dort ein kleines gleichseitiges Dreieck auf. Dies wiederholt man beim entstehenden Sechsstern usw. usw. Wie groß ist die schließlich umrandete Fläche, wie lang ist ihre Berandung, welche Hausdorff-Dimension hat sie? Wie lautet ihre Ableitung? Herr X., stolzer Besitzer eines von der Koch-Kurve begrenzten Gartens von 800 m2 , bricht um 11 Uhr auf, seinen Garten zu umwandern (auf einer punktförmigen Stelze). Um 12 Uhr sucht ihn Frau X. Wo ist er? → zur Lösung
• 20.4.6 Cantor-Staub Aus einer Strecke lasse man das mittlere Drittel weg, aus jedem verbleibenden Teilstück ebenso usw. usw. Was bleibt, nennt man Cantor-Staub. Welche Hausdorff-Dimension hat er? In der Fläche entspricht dem der Sierpinski-Teppich (aus jedem ,,heilen“ Rechteck schneidet man immer wieder das mittlere Neuntel heraus), im Raum der Sierpinski-Schwamm (Menger-Schwamm). Geben Sie Flächen, Volumina, Dimensionen an! → zur Lösung
• 20.4.7 Affine Transformation I Beweisen Sie: Eine affine Transformation wandelt Gerade in Gerade um. Parallelität zweier Geraden und Längenverhältnis von Abschnitten einer Geraden bleiben erhalten. → zur Lösung
• 20.4.8 Affine Transformation II Was macht eine affine Transformation aus einem Kreis, einem Quadrat? Wie muss sie aussehen, damit sie nur eine Drehung mit Maßstabsänderung, keine Verzerrung bringt? Was kann man über die Eigenwerte der Matrix A sagen? → zur Lösung
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• 20.4.9 Farn Der Farnwedel von Abb. 20.32 entsteht durch vier affine Transformationen mit den Elementen Tabelle 20.2.
T1 T2 T3 T4
a11
a12
a21
0 0,85 −0,155 0,155
0 0,026 0,235 −0,235
0 −0,026 0,196 0,196
a22
b1
b2
0,17 0,85 0,186 0,186
0 0 0 0
0 3 1,2 3
Deuten Sie diese Transformationen: Welche Strukturdetails erzeugen sie? Wo fängt der Farnwedel an, wo ist er zu Ende? Vergessen Sie nicht, das Bild zu programmieren! → zur Lösung
•• 20.4.10 Julia und Mandelbrot Wie sieht die Julia-Menge der Iteration z ← z 2 + c für c = 0 aus? Was kann man über ihre Symmetrie bei reellem c sagen, was generell über ihre Symmetrie? → zur Lösung
•• 20.4.11 Brennlinie Die Abendsonne fällt in ein Glas mit Rotwein und erzeugt eine herzförmige Brennlinie darin. Welche Kurve steckt dahinter? Was hat das mit dem ,,Apfelmännchen“ zu tun? → zur Lösung
•• 20.4.12 z3 = 1
Zwischen den Einzugsbecken der drei Fixpunkte des Newton-Algorithmus für z 3 = 1 (Abb. 20.36) gibt es manchmal ,,schwarze Löcher“, nämlich immer in den ,,Dreiländerecken“. Einige davon liegen auch auf der reellen Achse. Wie kommen diese Löcher zustande, und wie heißt das Gesetz für ihre Lage? Finden Sie auch solche Löcher im Komplexen? → zur Lösung 333 33 133 233
3 13
3111 111
3111
1111
11 2111
2111
23
311 131 31 1 211
231 21
32 12 2 122
322 22
1222 222
Abb. 20.36. Genealogie der ,,schwarzen Löcher“ in der komplexen NewtonIteration für z 3 = 1. Von einem Loch n-ter Ordnung, bezeichnet durch n Ziffern, kommt man in n Sprüngen zum Zentralloch (0, 0). Zu diesem Loch n-ter Ordnung kommt man direkt von drei Löchern (n + 1)-ter Ordnung aus, deren Codenummern durch Anhängen von 1, 2 oder 3 an die des Loches n-ter Ordnung entstehen
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•• 20.4.13 Iteration Gegeben die Iteration x ← f(x). Aus der Kette x1 = f(x0 ), x2 = f(x1 ), . . . , xn = f(xn−1 ) formulieren wir die höheren Iterationen f 2 (x) = f( f(x)), f 3 (x) = f( f( f(x))) . . . , also z. B. xn = f n (x0 ). Bewei sen Sie folgende Tatsachen: f n (x0 ) = f (xn−1 ) f (xn−2 ) . . . f (x1 ) f (x0 ), speziell: Wenn x ein Fixpunkt von x ← f(x) ist, gilt f n (x) = ( f (x))n . n Ein Fixpunkt von f(x) ist auch Fixpunkt von f (x). Wenn er hinsichtlich f(x) stabil/instabil ist, ist er es auch hinsichtlich f n (x). → zur Lösung
• 20.4.14 Percolation Ein Stoff bestehe aus zwei Sorten Teilchen, leitenden und nichtleitenden. Beide Teilchen sind gleich groß, regulär sechseckig und bedecken eine Ebene dicht, aber ganz zufällig verteilt. Wie groß muss der Anteil p der leitenden Teilchen sein, damit der ganze Stoff leitet? Wie lautet die Antwort bei drei- oder viereckigen Teilchen? → zur Lösung
• 20.4.15 Wurzel Das Wurzelziehen ist ja auch ein iterativer Vorgang. Formulieren Sie dieses Verfahren für die zweite, für die n-te Wurzel und führen Sie es auf dem Taschenrechner (ohne x y - oder log-Taste) durch. → zur Lösung
• 20.4.16 Trick 17 Hat die Iteration x → a e−x stabile Fixpunkte? Wenn nicht, was macht man, um die Gleichung x = a e−x iterativ zu lösen? → zur Lösung
• 20.4.17 Charlier-Modell Wenn das Weltall in hierarchischer Staffelung Galaxie – Galaxiencluster – Supercluster . . . aufgebaut ist (Aufgabe 18.4.9), kann man ihm dann eine Hausdorff-Dimension zuordnen? → zur Lösung
• 20.4.18 Hele-Shaw-Muster Legen Sie einen Klacks Butter (oder Schuhcreme o. Ä.) zwischen zwei glatte Platten (am besten Glas) und drücken sie beide zusammen. Welche Form nimmt der Klacks an? Ziehen Sie die Platten wieder ganz allmählich auseinander, senkrecht zur Plattenebene. Sie werden sich wundern. Auch wenn die Platten wieder ganz getrennt sind, bleiben interessante Muster darauf. Erklären Sie! Steckt ein Minimalprinzip dahinter? Solche Prinzipien klingen immer teleologisch. Geht es auch kausal? → zur Lösung
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•• 20.4.19 Ein unmögliches Ergebnis Sie kennen vielleicht die Maschine zur Demonstration der kinetischen Gastheorie oder der atmosphärischen Dichteverteilung: Der Boden eines Schachtes hat einen Rüttelmechanismus und schleudert Kügelchen mit regelbarer Intensität (,,Temperatur“) in die Höhe. Teilen Sie den Boden durch eine ca. 1 cm hohe Trennwand in zwei Hälften und regeln Sie die Rüttelei ganz allmählich hinunter. Man erwartet, dass die Kugeln, wenn sie zur Ruhe gekommen sind, sich etwa gleichmäßig, nur mit PoissonSchwankungen, auf beide Hälften des Bodens verteilen. Ist das so? Wenn nein, warum nicht? → zur Lösung
•• 20.4.20 Stromsystem Den Rand eines flachen Glasschälchens umgeben Sie ganz oder teilweise mit einem geerdeten Blechstreifen, schütten einige kleine Metallkugeln hinein (nicht zu viele, sodass sich höchstens einige berühren) und füllen ca. 5 mm hoch Öl darauf. Dann halten Sie eine sehr feine Drahtspitze, an 15–25 kV Hochspannung gelegt, darüber oder tunken sie etwas ins Öl. Die Kügelchen arrangieren sich zu baumartig verzweigten Mustern. Warum? Steckt auch hier ein Minimalprinzip hinter dieser Strukturbildung? → zur Lösung
•• 20.4.21 Versorgungsnetz
Ein Raum- oder Flächenbereich soll von einer oder wenigen Zentralen aus mit Wasser, elektrischer Energie, Blut, Information, Verkehr o. Ä. versorgt werden. Dazu muss sich das Versorgungsnetz, ausgehend von dicken Leitungen nahe der Zentrale, immer feiner verzweigen. Material- und Arbeitsaufwand sollen dabei minimal bleiben. Entwickeln Sie an einfachen Beispielen Regeln für den Aufbau solcher Netze. → zur Lösung
•• 20.4.22 Konvektionszellen Der Verdacht liegt nahe, dass hinter dem Bénard-Phänomen (Abschn. 5.4.4) auch ein Optimierungsproblem steckt: Wie kann die Flüssigkeit die Wärme möglichst effizient aufwärts abführen? Begründen Sie diesen Verdacht. → zur Lösung
•• 20.4.23 Video-Rückkopplung Warum soll man für die Video-Rückkopplung kein zu perfektes Kabel benutzen? Erklären Sie einige Strukturen der entstehenden Bilder: Symmetrie, Rotationsbewegungen, Wellenausbreitung usw. → zur Lösung
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•• 20.4.24 Hamiltons Prinzip Hamilton zeigte: Jedes mechanische System, dem man eine kinetische Energie T und eine potentielle U und damit eine Lagrange-Funktion L = T − U zuschreiben kann, entwickelt sich zwischen t beliebigen Zeitpunkten t1 und t2 so, dass das ,,Wirkungsintegral“ S = t12 L dt minimal ist. Dabei sind zur Konkurrenz alle Funktionen L(t) zugelassen, die bei t1 einen gegebenen Wert haben und ebenso bei t2 . Zwischendurch können sie machen, was sie wollen. Zeigen Sie, dass man dieses scheinbar teleologische Prinzip auch kausal erklären kann (Methode der Variationsrechnung). → zur Lösung
•• 20.4.25 Fermats Prinzip Auch Fermats Prinzip, nach dem das Licht von A nach B immer so läuft, dass es am wenigsten Zeit braucht, klingt verdächtig teleologisch. Hat das Photon einen Willen und einen Bordcomputer, um diesen zu realisieren? Wo steckt hier der kausale Mechanismus? → zur Lösung
•• 20.4.26 Lorenz-Bifurkationen Analysieren Sie die Stabilität der Fixpunkte des Lorenz-Modells (20.69). Achten Sie besonders auf die ,,Bifurkationen“, die Stellen, wo sich das Verhalten qualitativ ändert. → zur Lösung
•• 20.4.27 Das Apfelmännchen auf dem Feigenbaum
Bilden Sie die Mandelbrot-Iteration z ← z 2 + c auf die logistische x ← ax(1 − x) ab. Für welchen Fall lassen sich die Stabilitätsbedingungen für die Attraktoren verschiedener Ordnung (einfacher Fixpunkt, Zweier-, Dreier-, Viererperiode) einfacher formulieren? Schreiben Sie die Periodizitätsbedingung als Gleichung in z bzw. x. Überlegen Sie, ob Sie dieses ganze Polynom brauchen, um die Stabilitätsgrenze zu finden (denken Sie an den Satz von Vieta über die Faktorzerlegung eines Polynoms). → zur Lösung
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= Kapitel 1: Lösungen . . . 1.1.1 Bogenmaß Wäre die Erde eine Kugel mit genau 40 000 km Umfang, dann entspräche 1◦ genau 40 000/360 = 111,111 km. In Wirklichkeit ist der Polradius um 1/300 kürzer als der Äquatorradius, und daher entspricht ein Grad auf dem Äquator 111,324 km, ein mittlerer Meridiangrad 111,137 km. Sieht man von diesen Feinheiten ab, gelten folgende Entsprechungen: 1 rad: 1 Erdradius; 1 : 1,853 km = 1 Seemeile; 1 : 31 m; 1 sterad: R2 = 4,05 · 107 km2 (fast wie Asien): 1 Grad2 : 1,24 · 104 km2 (größer als Korsika); 1 min2 : 3,44 km2 ; 1 s2 : 960 m2 . Die ganze Kugel hat 4π = 12,6 sterad = 4,1 · 104 Grad2 usw.; der Halbraum hat halb so viel. Die Kreisscheibe vom Radius r im Abstand a deckt πr 2 /a2 sterad, wenn r a, sonst π arcsin2 r/a. Das Rechteck a, b im Abstand r unter dem Winkel α deckt (ab/r 2 ) cos α, wenn a, b r. Die Sonne erscheint 0,5◦ breit, deckt also 0,2 Grad2 oder 6,2 · 10−5 sterad, die Hand, ziemlich unabhängig von der Körpergröße (da alle Abmessungen ungefähr proportional zueinander sind), 0,055 sterad, fast 10-mal so viel wie die Bundesrepublik vom Erdmittelpunkt aus. Die Erde von der Sonne aus gesehen deckt 6 · 10−9 sterad, fängt also nur 4,6 · 10−10 der Gesamtemission der Sonne auf. Das Element der Erdoberfläche zwischen den Breiten ϕ, ϕ + dϕ und den Längen λ, λ + dλ hat die Fläche r dϕ r cos ϕ dλ, also den Raumwinkel dΩ = cos ϕ dϕ dλ, in den üblichen Polarkoordinaten dΩ = sin ϑ dϑ dλ. 4π-Geometrie liegt vor, wenn alle Richtungen von der Quelle aus für die Messung gleichberechtigt in Frage kommen. 1.1.2 Sonnen- und Sterntag Ein Planet laufe in der Zeit T um seine Sonne und rotiere in der Zeit τ um seine Achse, vom Bezugssystem der Fixsterne aus gesehen; d. h. sein Sterntag bei τ. Der Sonnentag hat eine andere Länge tS . Während eines Sonnentages rückt die Sonne scheinbar um einen Winkel tS /T gegenüber dem Fixsternhimmel vor, d. h. der Planet muss sich in einem Sonnentag um den Faktor 1 + tS /T weiter drehen als in einem Sterntag, falls Umlauf und Rotation in gleicher Richtung erfolgen (sonst gilt ein Minuszeichen). Der Sonnentag ist also um diesen Faktor länger: tS = τ(1 + tS /T ) oder tS = 1/(τ −1 − T −1 ) = τ · T/(T − τ). Für die Erde T = 366,25 τ, also tS = τ · 366,25/365,25. Für den Mond T = τ = 1 Monat, also ist der ,,Erdentag“ tS = ∞. 1.1.3 Stroboskopeffekt Ein Rad mit n Speichen und dem Durchmesser d drehe sich ν-mal pro Sekunde. Mit der Bildfrequenz ν0 betrachtet, scheint es stillzustehen, wenn innerhalb der Zeit 1/ν0 gerade die nächste oder die übernächste usw. Speiche den Platz der ersten einnimmt; für die i.-nächste Speiche erfordert das eine Zeit i/(nνi ) = 1/ν0 . Die Umfangsgeschwindigkeit des Rades ist dann vi = πd · νi = πd · iν0 /n. Bei d = 0,9 m, n = 24, ν0 = 25 s−1 (Fernsehen) folgt vi = i · 10,8 km/h. Wenn das Rad sich etwas zu schnell/langsam dreht (i/(nν) ≶ 1/ν0 ), kommt das Bild etwas zu spät/früh, die andere
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Speiche hat den Ort der ersten schon überschritten/noch nicht ganz erreicht, und das Rad scheint sich langsam vorwärts/rückwärts zu drehen. Das Stroboskop misst bei Wechselstrom-Beleuchtung Drehzahlen: Man legt eine Scheibe mit abwechselnd schwarzen und weißen Sektoren auf (z. B. Abb. 1.2). Wenn man die Sektoren einer bestimmten Zone klar sieht, ist die entsprechende Drehzahl erreicht. 1.1.4 Tageslänge Das Trägheitsmoment der Erde würde bei gleichmäßiger Massenverteilung J = 0,4 MR2 = 0,4 · 6 · 1024 kg · 4 · 1013 m2 = 1038 kg m2 betragen; da der Kern dichter ist, kommt etwas weniger heraus. Eine Masse m, aus ihrer Normallage am Erdboden um die Höhe h gehoben, und zwar in einer geographischen Breite ϕ, steigert das Trägheitsmoment um ∆J = [m(R + h)2 − m R2 ] cos ϕ ≈ 2m Rh cos ϕ. Es folgen grobe Schätzungen für die einzelnen Ereignisse: Krakatau: V ≈ 10 km3 , h ≈ 2 km, ∆J/J ≈ 5 · 10−15 . Chinesische Mauer: 4 800 km lang, 6 m dick, 10 m hoch, V ≈ 3 · 108 m3 , ∆J/J ≈ 4 · 10−19 . Troposphäre mit H2 O gesättigt: Bei T = 0 ◦ C ist der Sättigungsdruck 6 mbar. Wasserdampf von 1 bar hat 1,3 · 18 29 = 0,8 g/l, bei 6 mbar 5 · 10−3 g/l; das Troposphärenvolumen von 10 km · 5,1 · 108 km2 fasst ca. 3 · 1016 kg Wasser; mit h ≈ 4 km folgt ∆J/J ≈ 10−11 . Wegen der T Abnahme mit der Höhe sind m und h in Wirklichkeit kleiner. Abkühlung um 30 ◦ C: Die Skalenhöhe der Atmosphäre sinkt von 8 km auf 7,2 km. Über jedem cm2 ruht 1 kg Luft, also m ≈ 5 · 1018 kg, h ≈ 400 m, ∆J/J ≈ 2 · 10−10 . Eiszeit: 107 km2 mögen eine Inlandeisdecke von 3 km Dicke haben, m ≈ 3 · 1019 kg, ∆J/J ≈ 2 · 10−9 Tertiäre Faltung: 50 000 km lang, 500 km breit, 3 km hoch, V ≈ 7 · 107 km3 , m ≈ 2 · 1020 kg, ∆J/J ≈ 3 · 10−8 ; der isostatische Massenausgleich (Aufgabe 1.7.11) reduziert das um den Faktor 4d/R (d: Schollendicke ≈ 50 km), ∆J/J ≈ 10−9 . Die Änderung der Rotationsperiode T ergibt sich aus dem Drehimpulssatz: Jω = const oder J/T = const, also ∆T/T = ∆J/J. Eiszeit und Faltung haben ca. 10−4 s Änderung der Tageslänge gebracht, die anderen Ereignisse viel weniger. Die derzeitige relative Messgenauigkeit von 10−12 s/s entspricht annähernd dem Einfluss maximaler Änderung der Luftfeuchtigkeit. 1.1.5 Pendeluhren Der Einfluss von Massenverschiebungen √ auf die Fallbeschleunigung g und damit auf die Pendelperiode T = 2π l/g hängt stark von der Verteilung dieser Massen ab. Der annähernd kugelschalenförmig verteilte atmosphärische Wasserdampf leistet keinen Beitrag zur Schwerkraft auf ein annähernd in Meereshöhe aufgehängtes Pendel. Kondensierte dieses Wasser, so zöge es so an, als sei seine Masse im Erdmittelpunkt vereinigt. Das bedeutet eine relative g-Änderung von ∆g/g = m/M ≈ 10−8 . Ein Gebirge in der Nähe des Beobachtungsortes stört i. Allg. stärker, falls seine Masse nicht
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isostatisch kompensiert ist (durch eine ,,Wurzel“ aus leichterem Gestein). Die gleiche Änderung der Pendelperiode wie durch ∆g/g = 10−8 würde bedingt durch ∆l/l = −10−8 ; dies entspricht bei einem Draht mit dem thermischen Ausdehnungskoeffizienten α = 10−5 K−1 einer T -Änderung um 10−3 K. 1.1.6 Tageslänge Die Tageslänge ändere sich täglich um α (α z. B. in µs/Tag), d. h. jeder Tag sei um α µs länger als der vorhergehende. Die mittlere Tageslänge seit 484, d. h. über einen Zeitraum von t = 5 · 105 Tagen, war dann nicht T0 wie heute, sondern T0 − αt. Rechnet man mit konstanter Tageslänge T0 , dann findet man für ein Ereignis, das vor t Tagen stattgefunden hat, eine um 12 αt 2 falsche Tageszeit. Die südlichsten Punkte der wirklichen und der berechneten Totalitätszone (Euphrat-Tigris-Mündung bzw. Große Syrte) liegen 30◦ , d. h. 2 Std. auseinander. Man erhält α ≈ 0,05 µs/Tag. Das stimmt mit der Direktmessung gut überein. Wer sich wundert, dass schon Halley die Finsternisperiode so genau kannte, der bedenke, dass auch hier der mögliche Fehler mit der Länge der Beobachtungszeit wie t −2 abnimmt. 200-jährige Beobachtung mit 2 min Fehler bei der Bestimmung des Totalitätsmaximums genügen für die Entdeckung der Diskrepanz. Dass sich die Jahreslänge ändern sollte, ist viel weniger plausibel. Demnach war der Devon-Tag 10% kürzer, d. h. α ≈ 0,07 µs/Tag. Diese Bremsung der Erdrotation ist etwa 100-mal größer als die in Aufgabe 1.7.19 für einen homogenen Ozean geschätzte. Die Existenz von Kontinentalrändern und Flachmeeren ist also sehr entscheidend. Die Wartezeit bis zum stationären Mond verkürzt sich entsprechend. 1.1.7 Standard-Abweichung Wir betrachten speziell eine Grundgesamtheit von unendlich vielen Werten xi mit dem Mittel xw = 0 und der Varianz Vw = xi2 . Wenn wir aus dieser wird ihr Mittel nicht genau 0 sein, Gesamtheit n Werte xi herausgreifen, √ √ sondern um etwa xS = σ/ n = Vw /n davon abweichen. Die aus diesen n Werten direkt berechnete Varianz V = xi2 − xS2 = xi2 − Vw /n ist√also um den Faktor (n − 1)/n kleiner als die ,,wahre“ Varianz Vw . In σ = V wandert statt n also n − 1 unter die Wurzel in den Nenner. Die Beschränkung auf xw = 0 ist unwesentlich: Es geht hier nur um Abweichungen. 1.1.8 Gauß-Fläche
√ −δ2 /(2σ) . Für die Abweichung δ = x − x schreiben wir p(δ) ∞ = (1/ 2πσ)e Irgendeinen Wert hat ja δ bestimmt, also −∞ p(δ) dδ = 1. Das In∞ 2 tegral −∞ e−u du bestimmen wir, indem wir es mit dem genauso ∞ 2 großen −∞ e−v dv malnehmen. Das Produkt können wir auch als Doppelintegral denn die beiden Variablen sind unabhän ∞ −(u 2schreiben, +v2 ) du dv. Die u, v-Ebene lässt sich aber auch in e gig: −∞ Polarkoordinaten darstellen: u 2+ v2 = r 2 , du dv = r dr dϕ. Unser Dop2 ∞ 2π pelintegral geht über in 0 0 e−r r dr dϕ. Die ϕ-Integration gibt ∞ −r 2 2π, es bleibt 2π 0 e r dr = π. Das ist das Quadrat des gesuch-
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∞ √ 2 ten Integrals: −∞ e−δ dδ = π. Aus unserem p(δ) kommt noch √ 2σ aus dem Exponenten ∞nach draußen, also stimmt2 die Normierung. Der Mittelwert δ = −∞ δ p(δ) dδ ist 0, weil δe−δ antimetrisch ist, also ist x wirklich der Mittelwert von x. Die Standard2 Abweichung verlangt Berechnung von δ2 e−δ dδ. Wir beachten: Die 2 2 2 2 Ableitung von δe−δ heißt (1 − 2δ2 )e−δ , also (1 − 2δ2 )e−δ dδ= δe−δ , ∞ was bei δ = −∞ und bei δ = ∞ verschwindet, so dass −∞ (1 − √ 2 2 2 ∞ ∞ 1 1 2δ2 )e−δ dδ = 0, also −∞ δ2 e−δ dδ = 2 −∞ e−δ dδ = 2 π. So folgt ∞ richtig −∞ δ2 p(δ) dδ = σ 2 . 1.1.9 Normalverteilung Wenn sich der Gesamtfehler δ einer Messung auf zwei unabhängige Fehlerquellen aufteilt, addieren sich deren Beiträge δ1 und δ2 nicht direkt, sondern nach dem Pythagoras: δ2 = δ12 + δ22 , genauso wie zwei Wegstücke, die jemand in zueinander senkrechten Richtungen zurücklegt. Da beide Fehler unabhängig sind, ist die Wahrscheinlichkeit p(δ) für den Gesamtfehler gleich dem Produkt der Wahrscheinlichkeiten der Teilfehler: p(δ) = p(δ1 ) p(δ2 ). Die Funktion p muss genauso von δ abhängen wie die Teilfunktionen von δ1 und δ2 , sonst wäre eine solche Aufteilung, die ja jeder nach Belieben ausführen kann, gar nicht möglich. Welche Funk2 tion führt eine Quadratsumme in ein Produkt über? Nur eδ , wobei aber im Exponenten und davor noch je ein zunächst beliebiger Faktor stehen 2 kann und muss: p(δ) = be−aδ . Das Minus sorgt dafür, dass große Fehler seltener sind. Wie a und b heißen müssen, damit p normiert ist und die Standard-Abweichung σ hat, folgt aus Aufgabe 1.1.8. 1.2.1 Wie schnell ist der Mensch? Die mittleren Geschwindigkeiten bei 100 m in 10,0 s und bei 500 m Eis in 40,0 s sind 10 m/s = 36 km/h bzw. 12,5 m/s = 45 km/h. Die Höchstgeschwindigkeiten liegen merklich höher: Der 100 m-Läufer erreicht sie erst nach gut 13 der Strecke, läuft also 35 m durchschnittlich mit vm /2 und 65 m mit vm . Die Gesamtzeit ist 35 m/(vm /2) + 65 m/vm = 10 s, also vm = 13,5 m/s. 1.2.2 Ein schneller Hund Da der Hund zwei Stunden lang ständig doppelt so schnell läuft wie sein Herr, hat er doppelt so viel, nämlich 20 km zurückgelegt. Man sagt, dass Mathematiker sich mit dieser Aufgabe i. Allg. schwerer tun als Physiker, denn sie erkennen sofort, dass die Teilwege des Hundes eine geometrische Reihe bilden, und lassen sich verleiten, diese aufzusummieren, was länger dauert als die obige Betrachtung. Ein Psychologe testete alle Wissenschaftler, deren er habhaft werden konnte, und fand, dass (gute) Mathematiker im Mittel 35 s brauchen, (gute) Physiker 14 s. Johann v. Neumann brauchte 8 s, worauf der Psychologe sein Erstaunen ausdrückte, dass er als Mathematiker es so schnell schaffe, obwohl er doch eigentlich die Reihe summieren müsste. ,,Habe ich ja“, sagte v. Neumann.
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1.2.3 Wo ist der Hund? Diese Aufgabe zeigt, dass kinematische Probleme, die wohldefiniert aussehen, es manchmal gar nicht sind. Die Antwort heißt: Der Hund könnte überall zwischen 4 und 6 km sein und in jeder der beiden Richtungen laufen – man weiß es nicht. Am leichtesten sieht man das ein, wenn man durch Umkehrung der Zeitrichtung das Problem praktisch auf Aufgabe 1.2.2 zurückführt: Der Hund kann anfangs gewesen sein wo er will, er muss bei seiner Verhaltensweise immer gleichzeitig mit den beiden Kindern am Kilometerstein 0 ankommen. Dreht man von diesem umgekehrten Vorgang mit verschiedenen Ausgangspositionen je einen Film, den man dann wieder rückwärts spielt, so erfüllt jeder dieser Filme genau die Bedingungen der Aufgabe. 1.2.4 Ein nasser Hund Der Fluss ströme mit der Geschwindigkeit w, der Hund schwimme mit v. Wenn er sich wirklich so dumm anstellt, besteht der Verdacht, dass er bei w > v nie ankommt und unendlich weit abtreibt, denn dicht an Herrchens Ufer schwimmt er parallel zu diesem. Am besten rechnet man in Polarkoordinaten: r˙ = −v + w sin ϕ, ϕ˙ = w cos ϕ/r, also dr/dϕ = r(tan ϕ − v/(w cos ϕ)). Das lässt sich leicht integrieren: r r ϕ dr v = ln dϕ = tan ϕ − r0 w cos ϕ r0 r 0 v 1 + tan ϕ , = − ln(cos ϕ) − ln w cos ϕ (cos ϕ)v/w−1 /(1 + sin ϕ)v/w .
Bei ϕ = π/2, d. h. an Herrchens also r = r0 Ufer, ist r = r0 2−v/w 0v/w−1 . Das ist 0 bei v < w, r0 /2 bei v = w, ∞ bei v > w, wie erwartet. Bei v = w folgt einfach r = r0 /(1 + sin ϕ), y = (r02 − x 2 )/(2r0 ), ein Parabelast. Gleich in x, y angesetzt, wäre alles viel schwieriger.
B
A υ⬎w
B
A υ⫽w
B
A υ⬍w
Abb. L.1 1.2.5 Der Lobatschewsky-Hund Es sei a die Projektion der wahrscheinlich nicht horizontalen Leinenlänge auf die x, y-Ebene. Herrchen möge auf der x-Achse, der Leitlinie, gehen (ob gleichförmig oder nicht, ist für die Kurvenform egal). Die Leine bildet die Tangente an die Traktrix y(x), hat also zwischen Berührpunkt P und Schnittpunkt S mit der Achse überall die konstante Länge PS = a. Ihr
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Abb. L.2. Die Schleppkurve oder Traktrix und ihre Evolute, die Kettenlinie (Evolute: Geometrischer Ort aller Krümmungsmittelpunkte). Rotation der Traktrix um die x-Achse erzeugt die Pseudosphäre (konstante negative Gauß-Krümmung), Rotation der Kettenlinie das Catenoid (konstante mittlere Krümmung)
Winkel ϕ mit der x-Achse ist einerseits der Steigungswinkel (y = tan ϕ), andererseits gilt y = a sin ϕ. Damit können wir auch x durch ϕ ausdrücken, wenn auch nicht so direkt. Der Baum habe den Abstand a von der x-Achse, sodass der Hund nur dort sein kann, wenn der Mann genau auf derselben Höhe x = 0 ist (und, wenn er nett ist, bleibt). Nun muss dy d y d y dϕ = = tan ϕ sein, woraus wegen = a cos ϕ folgt dx dϕ dx dϕ a cos2 ϕ dx = oder integriert x = dϕ sin ϕ
ϕ
π/2
a
cos2 ψ dψ sin ψ
(zu x= 0 gehört ϕ = π/2). Mit cos2 ψ = 1 − sin2 ψ erhält man cos ϕ und dψ/ sin ψ. Dies Integral löst man nach Tabelle oder dem Additionstheorem: dψ d tan ψ/2 dψ dψ cos2 ψ/2 = = = ψ ψ sin ψ/2 sin ψ tan ψ/2 2 sin cos 2 2
2
cos ψ/2
= ln tan ψ/2, also x = a(cos ϕ + ln tan ϕ/2) . Damit haben wir eine Parameterdarstellung x(ϕ), y(ϕ), aus der sich alles weitere ebenso gut ergibt wie aus der fast unzumutbaren x(y)-Darstellung. Die Krümmung k=
y der Traktrix ergibt sich so: (1 + y2 )3/2
d tan ϕ dϕ 1 sin ϕ = , 2 dϕ dx cos ϕ a cos ϕ 1 + y2 = 1 + tan2 ϕ = cos−2 ϕ , also k = a−1 tan ϕ , y = tan ϕ ,
y =
Krümmungsradius R = a cot ϕ. Der Krümmungsmittelpunkt M liegt immer senkrecht über S. Übrigens bilden alle Krümmungsmittelpunkte die Kettenlinie y = cosh x, die Evolvente der Traktrix, das ist die Kurve, die
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ein beiderseits aufgehängtes Seil bildet (Aufgabe 2.3.2). Damit ist auch PM · PQ = PS2 = a2 , denn a ist die Höhe im rechtwinkligen Dreieck MQ S. Dies ist die interessanteste Eigenschaft der Traktrix: Wenn sie um die x-Achse rotiert, bildet sie einen doppel-posaunenförmigen Körper. Einer seiner Hauptkrümmungsradien ist PM, der andere PQ: Hauptkrümmungsrichtungen stehen senkrecht zueinander. Die Gauß-Krümmung R1−1 · R2−1 ist für diese Fläche konstant (gleich −a−2 ), und zwar negativ, sofern man die x-Achse als ,,innen“ ansieht, sodass die Krümmung in der x, y-Ebene negativ wird. Dies ist die einzige Fläche mit überall gleicher negativer Gauß-Krümmung, wie die Kugel die einzige mit überall gleicher positiver Krümmung (gleich R−2 ) ist. Man nennt sie daher Pseudosphäre. Ihre Oberfläche ist 4πa2 , das eingeschlossene Volumen 23 πa3 , wie bei der Halbkugel, obwohl die Pseudosphäre bis ins Unendliche reicht. Jedes Dreieck auf ihr, d. h. je drei Punkte mit den kürzesten Verbindungslinien auf dieser Fläche, hat eine Winkelsumme < 180◦ , auf der Kugel > 180◦ . Die Abweichung von den euklidischen 180◦ wächst mit der Fläche D des Dreiecks: π − (α + β + γ) = D/a2 (bei der Kugel gilt links das umgekehrte Vorzeichen). Die Pseudosphäre, diskutiert 1863 von Beltrami, war das erste konkrete Beispiel für eine hyperbolische nichteuklidische Geometrie (Lobatschewski-Geometrie). Dieses Posaunenpaar kommt also vielleicht der räumlichen Gesamtstruktur der Welt so nahe, wie man das bei der Reduktion um eine Dimension verlangen kann – falls unser Raum hyperbolisch gekrümmt ist. – Sie sagen, mein Hund gehorcht nicht? Irrtum: Wir zeichnen das Lobatschewski-Universum. 1.2.6 Un problema quadrato per teste quadrate Die vier Leute bilden immer ein Quadrat, das rotiert und dabei immer kleiner wird. Jede Seite wird begrenzt von einer Person, die senkrecht dazu, und einer, die in der jeweiligen Richtung dieser Seite geht. Jede Seite verkürzt sich also mit 6 km/h, d. h., das Quadrat ist nach 10 auf einen Punkt geschrumpft. Der kompliziert aussehende Spiralbogen, den jeder beschreibt, ist also genau 1 km lang. Bei drei Leuten hat jede Dreiecksseite einen Endpunkt, der sich in ihrer Richtung, und einen, der sich unter 60◦ zu ihr bewegt, also mit der Komponente v cos 60◦ = v/2 ebenfalls zu ihrem Schrumpfen beiträgt. Das Zusammentreffen erfolgt also schon nach 6 40 oder 667 m Marsch. Bei sechs Leuten erhält man 20 und 2 km, bei fünf 14 28 und 1,447 km, allgemein d/(1 + cos α), α = (n − 2)180◦ /n. 1.2.7 Satyr und Nymphe R sei der Radius des Sees. Auf einem Kreis, dessen Radius etwas kleiner als R/4 ist, kann das Mädchen den Mann jederzeit überrunden, d. h. mit größerer Winkelgeschwindigkeit schwimmen als er läuft, sich also immer in eine Position bringen, die der seinen diametral gegenüberliegt. Von dort aus hat sie nur wenig mehr als 3R/4 bis zum Ufer zu schwimmen, was weniger ist als 14 seiner Laufstrecke πR. Es gibt noch mehrere mögliche Strategien für das Mädchen, aber diese ist die einfachste und übersichtlichste.
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1.2.8 Ans Ende der Welt Wir zählen die x-Koordinate von A ab und führen die Anfangslänge L 0 des Bandes, die Geschwindigkeit v0 des Endes B und die Geschwindigkeit v des Helden relativ zum Band ein. Das Ende B ist zur Zeit t bei L = L 0 + v0 t. Wenn der Held bei x ist, bewegt sich das Band dort, wo er ist, mit v0 x/L relativ zu A. Dazu kommt seine Geschwindigkeit relativ zum Band. Er bewegt sich also insgesamt mit x˙ = v + v0 x/L = v + v0 x/(L 0 + v0 t). Man löst diese Differentialgleichung am besten durch ,,Variation der Konstanten“. Eleganterer Lösungsweg: Man stelle sich vor, man schwebe anfangs sehr hoch, etwa H0 = 100 km über dem Band mit der Anfangslänge L 0 = 1 km, sodass man auf jeden Punkt des Bandes praktisch senkrecht hinunterschaut, und steige mit w = v0 H0 /L 0 = 1 km/s senkrecht hoch. Wenn man nicht weiß, dass man sich vom Band entfernt, hält man seine Länge für konstant, und zwar winkelmäßig α0 = L 0 /H0 = 0,01 rad. Der Mann scheint dann immer langsamer, nämlich mit einer Winkelgeschwindigkeit ω = v/H = v/(H0 + wt) über das t Band zu kriechen. Er befindet sich winkelmäßig zur Zeit t bei α = 0 ω dt = (v/w) ln(1 + (wt/H0 )), d. h. er legt die Bandlänge in t = (H0 /w)(ewα0 /v − 1) = (L 0 /v0 )(ev0 /v − 1) zurück. Im Beispiel muss er keine Viertelstunde, wie wenn das Band ruhte, sondern fast einen Monat gehen. Anwendung aufs Weltall: L 0 /v0 = 2 · 1010 Jahre, v0 /v = 2, also t = 1,5 · 1011 Jahre. Selbst zu Fuß 7 kommt man ,,bis ans Ende der Welt“, allerdings erst in etwa 109·10 Jahren. Natürlich hat das expandierende Weltall keinen Rand. Die angegebenen Zeiten würden etwa auch für seine Umkreisung gelten. 1.2.9 Hemmt Wind immer? Die Geschwindigkeit des Flugzeugs gegen den Boden ist beim Hinflug v + w, die Flugzeit d/(v + w), beim Rückflug v − w, Flugzeit d/(v − w). Dass der Gewinn den Verlust nicht ausgleichen kann, sieht man schon am Fall w = v, wo sich die Hinflugzeit halbiert, die Rückflugzeit aber unendlich lang würde. Allgemein ist die Gesamtflugzeit T = 2dv/(v2 − w2 ), z. B. bei w = v/2: T = 43 2d/v. 1.2.10 Michelson im Fluss Beide Schwimmer bewegen sich mit v relativ zum Wasser. Damit der Querschwimmer überhaupt genau gegenüber ankommt, muss w < v sein, und er muss seine Körperachse unter einem Winkel ϕ zur Uferlinie stellen, sodass cos ϕ = −w/v ist. Die Querkomponente seiner Geschwindigkeit ist v sin ϕ, also braucht er hin und zurück t1 = 2b/v sin ϕ = 2b/v 1 − w2 /v2 . Der andere Schwimmer braucht nach Aufgabe 1.2.9 t2 = 2bv/(v2 − = 2b/v(1 − w2 /v2 ). Der erste Schwimmer braucht also um den Fakw2 ) tor 1 − w2 /v2 weniger Zeit als der zweite. Dieser Faktor taucht in der Relativitätstheorie überall auf. Der berühmte Michelson-Versuch ist eine einfache Umdeutung des Schwimmerversuchs.
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1.2.11 Wie kommt man rüber? Das Wasser habe die Geschwindigkeit w, der Schwimmer v; er stelle seinen Körper unter einen Winkel ϕ gegen die Uferlinie (mit dem Strom: ϕ = 0). Seine Geschwindigkeitskomponenten relativ zum Ufer sind also v sin ϕ in Querrichtung, w + v cos ϕ in Strömungsrichtung. Die Überquerung dauert t = b/(v sin ϕ) (b Breite des Flusses). In dieser Zeit treibt der Schwimmer um a = (w + v cos ϕ)b/(v sin ϕ) stromabwärts ab. t ist minimal, nämlich b/v, wenn sin ϕ maximal, d. h. ϕ = 90◦ ist. Dann treibt man um a = wb/v ab. Die Abdrift a kann immer nur dann gleich Null gehalten werden, wenn v w, und zwar durch ϕ = arccos(−w/v). Bei v < w ergibt sich minimale Abdrift aus w 2 − sin ϕ − + cos ϕ cos ϕ da v =0=b , dϕ sin2 ϕ √ also ϕ = arccos(−v/w). Die Abdrift ist dann a = b w2 − v2 /v. Bei größerem ϕ dauert die Überquerung zu lange, bei kleinerem ϕ gewinnt man der Strömung zu wenig ab. Im Fall (c) geht man am Ufer mit der Geschwindigkeit u eine Strecke 2a (Abdrift beim Hin- und Zurückschwimmen). Man braucht dazu eine Zeit t = 2a/u. Die Gesamtzeit ist w + v cos ϕ 2b 1+ . T= v sin ϕ u Dies wird minimal, wenn die Ableitung nach ϕ verschwindet, d. h. wenn cos ϕ = −v/(u + w). 1.3.1 Hier irrte Aristoteles Galilei liebte solche Gedankenversuche, die aus der gegnerischen Annahme einen Widerspruch herleiten. Er meinte wohl, seine gelehrten Gegner ließen sich durch solche aprioristischen Argumente eher überzeugen als durch den vulgären Augenschein, den sie sich oft genug weigerten zu nehmen. Wenn der leichte Körper langsamer fällt als der schwere, müsste er diesen zurückhalten, falls er fest genug mit ihm verbunden ist. Immer festere Verbindung führt aber zu einem einheitlichen Körper, der schwerer ist und schneller fallen müsste als selbst der schwerere Teilkörper. Manche versuchten sich so herauszureden, dass es nicht auf ,,schwer überhaupt“, sondern auf ,,spezifisch schwer“ ankomme. Die verbundenen Körper würden sich dann auf eine mittlere Geschwindigkeit einigen, die dazu nötige Kraft würde durch die Verbindung übertragen. Dies kommt der Wahrheit (bei Berücksichtigung des Luftwiderstandes) etwas näher und lässt sich nicht so leicht a priori ausschließen. 1.3.2 Was ist Masse? Solange es sich um Körper gleicher Dichte handelt, weiß man aus Newtons Definition, dass dem doppelten Volumen eine doppelte Masse entspricht. Hat man Luft doppelter Dichte dadurch erzeugt, dass man 2 l auf 1 l komprimiert hat, dann ist auch plausibel, dass doppelt so viel Masse in dem Liter ist wie vorher. Dass aber 1 l Eisen 7,5-mal so viel Masse hat wie
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1 l Wasser, lässt sich ohne Bezug auf die Axiome, z. B. das Reaktionsprinzip, nicht nachweisen, es gibt also keine allgemeine Definition der Masse, die von der Bewegungsgleichung (oder vom Gravitationsgesetz) logisch unabhängig wäre. Selbst heute kann man zwar direkt vergleichen, wie viele Teilchen in einem cm3 Eisen bzw. Wasser sitzen (z. B. durch Röntgen-Beugung), dass aber das Eisenatom 56, das Wassermolekül nur 18 Nukleonen enthält, ist noch keine direkte Beobachtungstatsache, sondern von der Massendefinition abhängig. 1.3.3 Wie viele Axiome braucht man? Falls die Wechselwirkung zwischen A und B durch das Vorhandensein der Stange nicht beeinflusst wird, ist die Ableitung logisch einwandfrei. Newton hatte wohl nicht den Ehrgeiz, ein Minimalsystem von Axiomen aufzustellen, sondern eines, mit dem man bequem arbeiten kann. Die rein logische Schwäche seiner Massendefinition ist ihm sicher auch nicht entgangen, aber allzu reine Logik bleibt eben oft steril. 1.3.4 Da kann man sich sehr täuschen Fast jeder argumentiert zuerst so: Die Turmspitze (Höhe H) hat bei der Erdrotation eine größere Bahngeschwindigkeit als der Fuß (außer am Pol). Der Stein bringt diese größere Geschwindigkeit bis zur Erde mit. Die Erde dreht sich nach Osten, also schlägt der Stein östlich vom Abwurfpunkt auf. Quantitativ: In der Höhe h herrscht v = ω(R + h) cos ϕ (ϕ: geogr. Breite), der Stein hat aber noch v = ω(R + H ) cos ϕ, Differenz ∆v T= ω(H − 1 2 gt wird die Ostabweichung x = h) cos ϕ. Wegen H − h = 0 ∆v dt = 2 √ √ ω cos ϕ 21 g t 2 dt = 16 ωgT 3 cos ϕ = 13 2ω cos ϕH 3/2 / g (T : Flugzeit). Beim hochgeworfenen Stein heben sich die Abweichungen nach Westen beim Aufstieg und nach Osten beim Abstieg auf. Hierin stecken zwei Fehler: (a) Die Ostabweichung ist in Wirklichkeit doppelt so groß, und, wichtiger, (b) es gibt eine viel größere Südabweichung. Begründung: (a) Die obige Rechnung wäre richtig, wenn Turmspitze und Turmfuß sich geradlinig parallel bewegten, wie zwei Läufer in der Geraden. Wenn der schnellere dem anderen einen Ball zuwirft, genau senkrecht zur Bahn im Moment, wo beide auf gleicher Höhe sind, geht der Ball vorn vorbei. Das ganze System dreht sich aber außerdem. Das bringt nochmal eine ebenso große Ostabweichung. Warum, wird unten klar werden. (b) Setzen wir uns ernstlich ins nichtrotierende Bezugssystem. Der losgelassene Stein beschreibt wie ein Satellit einen Großkreis, genauer einen kurzen Bogen einer Kepler-Ellipse, deren Ebene eine Großkreisebene ist. Was sollte er sonst tun: Da er nur einer Zentralkraft zum Erdmittelpunkt unterworfen ist, muss seine Bahnebene durch diesen gehen. Anfangs fliegt der Stein natürlich nach Osten, wie die Turmspitze. Diese geht dann notgedrungen auf einem Breitenkreis weiter. Der Großkreis des Steins, der den Breitenkreis im Abwurfpunkt tangiert, weicht immer mehr südlich davon ab (Nordhalbkugel), wie das Flugzeug nach Sydney, das genau √ ostwärts von Hamburg abfliegt. Der Stein legt in der Fallzeit T = 2H/g das Großkreisstück TRω cos ϕ zurück (vom Eiffelturm immerhin 2,5 km), also einen Winkel α = Tω cos ϕ. Im rechtwinkligen sphärischen Dreieck
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gilt sin ϕ = sin ϕ cos α ≈ sin ϕ(1 − α2 /2), also ϕ − ϕ = − 12 α2 tan ϕ, Südabweichung −R(ϕ − ϕ) = 12 ω2 RH sin 2ϕ/g. Sie ist maximal bei 45◦ , verschwindet an Äquator und Polen. Vom Eiffelturm: 50 cm Süd-, nur 8 cm Ostabweichung. Solange H ω2 R/g ≈ 20 km, ist die Südabwei1 chung viel größer als die Ostabweichung. Der Faktor ω2 R/g ≈ 300 hat dieselbe Herkunft wie die Erdabplattung, 20 km ist auch der Unterschied zwischen äquatorialem und polarem Erdradius. Der Luftwiderstand verlängert die Fallzeit so, dass auch bei noch größeren Fallhöhen Süd Ost bleibt, außer bei tonnenschweren Brocken. Einfachere Ableitung beider Abweichungen im System der rotierenden Erde mittels Zentrifugalund Coriolis-Beschleunigung aZ bzw. aC : Hier ist aZ , das proportional ω2 R cos ϕ ist, viel größer als aC , das nur proportional ωv, solange v ωR ≈ 500 m/s. Die Südkomponente von aZ , ω2 R cos ϕ sin ϕ erzeugt in der Fallzeit T die Abweichung 12 ω2 R cos ϕ sin ϕT 2 = 12 ω2 RH sin 2ϕ/g, 2ωv cos ϕ. Mit v = gt folgt wie oben. aC hat nur die Ostkomponente die Ostgeschwindigkeit ∆v = 2ωgt cos ϕ dt = ωgt 2 cos ϕ, die Ostab√ weichung 13 ωgT 3 cos ϕ = 13 23/2 H 3/2 ω cos ϕ/ g, richtig mit Faktor 2. Die Südabweichung verdoppelt sich für den hochgeworfenen Stein. Die 10 km senkrecht hochgeschossene Flakgranate fällt nicht ins Rohr zurück, sondern 60 m südlich. 1.4.1 Brunnentiefe √ Wenn der Brunnen die Tiefe h hat, fällt der Stein tf = 2h/g, und es dauert noch h/c (c: Schallgeschwindigkeit), √ bis man den Aufschlag hört. Man könnte die quadratische Gleichung t = 2h/g + h/c lösen, aber es ist klar, dass für h 2c2 /g = 20 km die Laufzeit des Schalls zu vernachlässigen ist. Dann bleibt einfach h = 12 gt 2 ; z. B. bei t = 2 s ist h = 20 m. 1.4.2 Tachoregel Dass der Bremsweg proportional dem Quadrat der Geschwindigkeit ist, entspricht der Formel s = 12 v2 /a bei konstanter Verzögerung a. Es ist a = 1 2 2 v /s, also z. B. für v = 10 km/h = 2,8 m/s, wo nach der Kraftfahrerregel s = 1 m herauskommt: a = 4,4 m/s2 . Wer also nur gerade durch den TÜV rutscht, sollte mehr Abstand halten. Der Einstellwinkel α ergibt sich aus tan α = g/a = 0,44 zu 24◦ . Die Anfahrbeschleunigung ist 100/(3,6 · 12) = 2,3 m/s2 , α = 13◦ . 1.4.3 Sicherheitsabstand Bei der Geschwindigkeit v rollt man in der Reaktionszeit eine Strecke vt. Die Bremsstrecke ist im Fall (a) die gleiche wie die des Vordermannes. Wenn man sich vollkommen auf seine Bremsen verlassen kann, ist also die Faustregel wirklich für Opas gemacht, denn sie setzt in der Stadt 1,8 s, im Freien 3,6 s Reaktionszeit voraus. Im Fall (b) allerdings kommt Ihr halber Bremsweg dazu, z. B. bei 120 km/h = 33,5 m/s ein Zusatzweg von etwa 50 m. Dann ist die Faustregel nicht mehr so konservativ.
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1.4.4 Hier irrte Jules Verne Die Sache scheitert schon daran, dass das Geschoss nicht schneller werden kann als die Verbrennungsgase, die es beschleunigen. Bei den besten Sprengstoffen kommt man aus energetischen Gründen nicht über 4 km/s hinaus (vgl. Abschn. 1.5.9a). Angenommen, es gebe einen Sprengstoff, dessen Explosionsgase schneller als 11 km/s sind. Wie tief müsste der Schacht sein, damit die Insassen die Beschleunigung überleben? Offenbar liefert die letztgenannte Kombination (200 s, 6 g) die höchste, und zwar eine ausreichende, Endgeschwindigkeit. Die Schachttiefe muss dann sein H = 12 v2 /a = 1 000 km! Verbesserungsvorschlag: Man schieße aus dem Schacht zunächst ein riesiges Kanonenrohr ab, das dann seinerseits ein kleineres Kanonenrohr abschießt, usw. in 4 bis 6 Stufen. Bis zur PassagierGranate könnte man evtl. sogar mit Jules Vernes Schießbaumwolle auskommen, falls jedes Rohr etwa 50 km lang ist. 1.4.5 Wurfweite Wenn der Sprinter beim Anlauf auf 13 m/s kommt (vgl. Aufgabe 1.2.1) und, ohne sich eine Aufwärtskomponente zu erteilen, √ beim Absprung die Beine einfach um 70 cm einzieht, fliegt er in t = 2 · 0,7/10 ≈ 0,375 s, die sein Schwerpunkt braucht, um diese 0,7 m zu durchfallen, bereits 5,1 m weit. Am weitesten käme er, wenn er sich beim Absprung um fast 45◦ umlenken könnte, aber so viel Beinkraft kann er beim Laufen nicht erübrigen. Sein Umlenkwinkel ϕergibt sich empirisch so: Die Sprungweite ist w = v2 /g · cos ϕ(sin ϕ + sin2 ϕ + 2 · 0,7g/v2 ) ≈ 8 m (Ableitung siehe Aufgabe 1.4.6); numerische Lösung liefert ϕ ≈ 12◦ , also eine Aufwärtsgeschwindigkeit von 2,7 m/s. Um sie zu erzeugen, muss man durch kurzes In-die-Knie-Gehen um ca. 30 cm mit einer Zusatzkraft von immerhin 2,72 · 75/2 · 0,3 = 900 N = 90 kp nachdrücken, und das im vollen Sprint. Der Speerwerfer braucht für w = 90 m bei 45◦ ein v = 30 m/s. Er läuft horizontal mit 10 m/s oder etwas mehr. Konstruktion oder Rechnung nach dem Parallelogramm der Geschwindigkeiten zeigt, dass er die Hand mit 24 m/s hochreißen muss, und zwar relativ zum Körper steiler als 45◦ , nämlich mit 62◦ . Für das Ferngeschütz ergäbe der schiefe Wurf ohne Luftwiderstand aus w = 100 km v = 1 km/s. Dies ist viel weniger als die tatsächliche Abschussgeschwindigkeit; also hat der Luftwiderstand erheblichen Einfluss, trotz großen Kalibers und, was wichtiger ist, sehr langer Geschosse. Die Betrachtung von Newton (Abschn. 1.5.9) zeigt das auch: 100 km Luft wiegen viel mehr als 2 m Eisen, also fällt das Geschoss zum Schluss fast senkrecht herunter. Bei der Rakete sind die errechneten 1,67 km/s ebenfalls unterschätzt. Die Satelliten-Rakete hat die ,,Wurfweite“ ∞. Bei 8 km/s biegt sich die Erde unter ihr ebenso schnell weg, wie die Rakete fällt. Allgemein ist die Wurfparabel eigentlich ein ganz flacher Abschnitt einer meist sehr engen Kepler-Ellipse mit dem Brennpunkt im Erdmittelpunkt. 1.4.6 Kugelstoß Der 45◦ -Wurf ist nur dann optimal, wenn die Abwurfhöhe gegenüber der Wurfweite keine Rolle spielt. Aus einem Wolkenkratzer werfe man
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praktisch horizontal. Bei 45◦ ist die Kugel, wenn sie nach Passieren des Scheitels wieder in der Wurfhöhe ankommt, zwar weiter als bei allen anderen Winkeln, aber dann geht sie steil zu Boden. Bei etwas flacherem Winkel gewinnt man im zweiten Teil der Bahn mehr Weite, als man im ersten verliert. Die Abwurfhöhe sei h, die Abstoßgeschwindigkeit v hänge nicht vom Wurfwinkel ϕ ab. Dann erreicht die Kugel den Bahn2 2 scheitel nach t1 = v sin ϕ/g in der Höhe h + v sin ϕ/2g und hat danach 2 2 2 t2 = 2h/g + v sin ϕ/g Zeit, um von dieser Höhe zu fallen. In der Gesamtzeit erreicht sie die Weite w = v cos ϕ(t1 + t2 ) 2 2 2 = v cos ϕ v sin ϕ/g + 2h/g + v sin ϕ/g . Nullsetzen der Ableitung nach ϕ liefert nach einiger Rechnung für den günstigsten Winkel sin ϕ = 1/(2 + 2hg/v2 ) und für die entsprechende 2 Weite w = (v /g) 1 + 2hg/v2 . Bei den heutigen Rekordweiten von über 20 m macht die Abwurfhöhe nur etwa 8% aus, der günstigste Winkel ist etwa 40◦ . v liegt um 14 m/s. Deswegen darf man nicht beliebig lange Anlauf nehmen. 1.4.7 Drehscheibe Im Abstand r vom Zentrum wirkt auf den Wagen die Kraft mω2r nach außen. Beim Schieben vom Abstand R zum Zentrum muss die Arbeit R 2 r dr = 1 mω2 R2 geleistet werden. Die potentielle Energie ist im mω 0 2 Zentrum umso viel höher. Wenn er wieder bis R rollt, verwandelt der Wagen diese potentielle Energie in kinetische, er kommt also mit v = ωR, d. h. genau mit der Umfangsgeschwindigkeit der Scheibe außen an. Die Beschleunigung ist nicht konstant, sondern innen schwach, nach außen immer stärker. Die Bewegungsgleichung r¨ = ω2r hat die Lösung r = r0 eωt , wo r0 die Anfangsauslenkung ist. Bei sehr kleinem r0 kann die Fahrt sehr lange dauern: t = ω−1 ln(R/r0 ). Wenn die beiden Wagen im Gleichgewicht sein sollen, müssen die Kräfte auf beide entgegengesetzt gleich sein: m 1 ω2r1 = m 2 ω2r2 . Sie müssen so stehen, dass ihr Schwerpunkt in der Scheibenmitte liegt. Eine kleine Auslenkung aus dieser Lage, z. B. des Wagens 1 nach außen, führt zum Überwiegen der Zentrifugalkraft auf diesen Wagen, was die Auslenkung vergrößert: Das Gleichgewicht ist labil, ebenso wie das eines Wagens im Zentrum. 1.4.8 Kurvenfahrt Dass man gerade nicht rutscht, heißt, dass die Zentrifugalkraft gerade durch die Reibung kompensiert wird. ω2r ist dann innen und außen gleich groß. Man kann sich zwar außen eine größere Bahngeschwindigkeit v = ωr leisten, aber die Winkelgeschwindigkeit, auf die es beim ,,Herumkommen“ √ um einen bestimmten Winkel ankommt, ist innen größer: ω ∼ 1/ r. 1.4.9 Überhöhung Die Resultierende von Schwerkraft und Zentrifugalkraft muss senkrecht auf der Straße stehen. Deren Neigungswinkel ergibt sich also aus
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tan α = v2 /rg. Der Übergang zu dieser Überhöhung von der nichtüberhöhten Geraden aus muss natürlich allmählich erfolgen, und dementsprechend sollte auch das Krümmungsmaß allmählich von 0 auf 1/r zu- und dann wieder abnehmen. Sonst müsste man ja auch das Lenkrad momentan aus der geraden Stellung in die Stellung herumreißen, die dem Krümmungsradius r entspricht (Abschn. 10.1.10). 1.4.10 Eisenbahnkurve Die am Schwerpunkt angreifende Resultierende von Schwerkraft und Zentrifugalkraft muss die Ebene der Schienenoberkante zwischen den Schienen treffen, sonst kippt der Wagen. Bei nichtüberhöhter Strecke bedeutet das v2 /(rg) < 1,435/4 = 0,36. Eine Kurve, die mit v = 120 km/h = 33,5 m/s befahren wird, darf also nicht enger sein als r = v2 /0,36 g = 310 m. Bei der Überhöhung um α lautet die Stabilitätsbedingung v2 /(rg) = (tan α + tan β)/(1 − tan α tan β) mit tan β = 0,36. 1.4.11 Schwerelosigkeit Die Kreisbahn verlangt, dass die Zentrifugalbeschleunigung gleich der Schwerebeschleunigung ist. Dies gilt auch für jeden Gegenstand im Satelliten: Auf jeden wirkt die resultierende Kraft 0 (bis auf winzige Gezeitenkräfte). Die Schwerebeschleunigung hat allerdings nur am Erdboden den gewohnten Wert g. Im Abstand r vom Erdmittelpunkt ist a = gR2 /r 2 2 (R: Erdradius). Für den sehr bodennahen Satelliten √ √ gilt also ω R = g, √ d. h. ω = g/R, T = 2π/ω für = 2π R/g, v = ωR = gR = 7,9 km/s, größere Höhen T = 2π r 3 /(gR2 ) (3. Kepler-Gesetz!) und v = gR2 /r in 1 000 km Höhe z. B. T = 103 min, v = 7,45 km/s. Der Mond (r = 3,85 · 105 km) braucht nur noch mit v = 1 km/s umzulaufen. 1.4.12 Zentrifuge Die Wäscheschleuder mit r = 0,15 m, ν = 50 s−1 , ω = 314 s−1 erzeugt eine Zentrifugalbeschleunigung aZ = ω2r = 1,5 · 104 m/s2 = 1 500 g. Die Kraft, mit der ein Tröpfchen in der Faser festhaftet, steigt mit seinem Durchmesser d, die Kraft, die es ausschleudert, mit dem Volumen, 3 also √ mit d . Die 1 500fache ,,Schwere“ schleudert also Tröpfchen mit 1 500-mal kleinerem Durchmesser aus als die normale Schwere, d. h. Spritzerchen von etwa 100 µm Größe, die 60 000-mal kleiner an Volumen sind als normale Tropfen. Die Astronauten-Martermaschine darf sich, wenn sie 10g nicht überschreiten soll (was kurzfristig im Liegen auszuhalten ist), nur so schnell drehen, dass ω2r = 100 m/s2 , also ω = 4 s−1 , T = 1,5 s. Jeder Punkt der Breite ϕ auf der Erde beschreibt täglich (ω = 2π/86 400 s = 7,25 · 10−5 s−1 ) einen Kreis vom Radius r = R cos ϕ, also aZ = 3,36 · 10−2 cos ϕm/s2 . Am Äquator macht das 0,34% von g aus, in München 0,25%. Die Erdoberfläche bildet im kombinierten Schwere- und Zentrifugalfeld ein Rotationsellipsoid mit ebenfalls etwa der Abplattung von 0,3%. Der verlängerte Äquatorradius lässt die Gesamtkraft dort nochmals um etwa 0,3% abnehmen. Für die Erde auf der Bahn um die Sonne ist aZ = v2 /r = 6 · 10−3 m/s2 . Wir merken im
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Großen und Ganzen nichts davon, weil sie durch die Anziehung der Sonne kompensiert wird, bis auf die Gezeitenkräfte (vgl. Abschn. 1.7). Für den Mond ist der Anteil von aZ infolge der Eigenrotation klein gegen den Umlaufanteil: Die ω sind gleich, also zählt der größere Radius. aZ = 106 m2 s−2 /3,8 · 1011 m = 2,6 · 10−3 m/s2 . Infolge des Umlaufs mit der Erde um die Sonne hat der Mond praktisch das gleiche aZ wie die Erde, nämlich 6 · 10−3 m/s2 , d. h. mehr als infolge des Umlaufs um die Erde. Dementsprechend muss erstaunlicherweise auch die Erde den Mond schwächer anziehen als die Sonne den Mond. Zeichnet man die Mondbahn maßstabsgetreu, dann sieht man tatsächlich, dass sie immer, auch bei Neumond, gegen die Sonne hin gekrümmt ist. Der Umlauf um die Erde bringt nur eine kleine zusätzliche Undulation. 1.4.13 Kreispendel Das Pendel schwang vor dem seitlichen Anstoß gemäß x = x0 sin ωt. Zur Zeit t1 erteilt man ihm senkrecht dazu die Zusatzgeschwindigkeit w0 . Dann beginnt es auch in y-Richtung eine harmonische Schwingung mit der Amplitude y0 = w0 /ω, also y = y0 sin ω(t − t1 ). Erfolgte der Anstoß genau beim Nulldurchgang (t1 = nπ/ω), dann wird y = ±y0 sin ωt. Das Pendel schwingt in der x-y-Ebene auf einer Geraden mit der Schräge tan ϕ = ±y0 /x0 . Wenn das Pendel beim Anstoß den maximalen Ausschlag hatte (t1 = 12 (2n + 1)π/ω), wird y = ±y0 cos ωt. Es ergibt sich eine Ellipse symmetrisch zu den Koordinatenachsen mit den Halbachsen x0 und y0 . Beim Anstoß zu einer anderen Zeit oder in schräger Richtung erhält man auch eine Ellipse, denn die Bewegungsgleichung lässt keine andere Lösung zu. Man sieht das am schnellsten ein, wenn man die Bewegungsgleichung vektoriell aufstellt: r¨ = −Dr/m, und als allgemeinsten Fall beliebige Vektoren für Anfangsauslenkung r0 und Anfangsgeschwindigkeit r˙0 annimmt. Die allgemeine Lösung (zwei vektorielle Integrationskonstanten!) ist r = r0 cos ωt + r˙0 ω−1 sin ωt. Man kann dies in Komponenten zerlegen und in einigen Zeilen langweiliger Rechnung auf die Gleichung einer Ellipse in beliebiger Mittelpunktslage ax 2 + by2 + cxy = 1 bringen. 1.4.14 Galileis Irrtum Die Beobachtung trifft häufig zu, nur deuten wir sie durch eine doppelte kinetische Energie bei doppelter Fallhöhe, die die konstante Kraft (Reibung Pfahl–Boden) auf der doppelten Strecke überwinden kann. Wenn v ∼ s wäre, also s˙ = ks, ergäbe sich durch Integration ln(s/s0 ) = kt oder s = s0 ekt . Wenn der Körper bereits in Bewegung ist, nämlich die Geschwindigkeit v0 = ks0 nach einer vorher zurückgelegten Fallstrecke s0 hat, geht alles gut. Von v0 = 0, d. h. s0 = 0 aus brauchte er aber unendlich lange, um auch nur die kleinste endliche Fallstrecke oder Fallgeschwindigkeit zu erreichen. 1.4.15 Der starke Floh Nehmen wir an, ein Mensch sei proportional um den Faktor a auf Flohgröße verkleinert. Wie weit könnte er noch springen? Sein Muskelquerschnitt hat um a2 abgenommen, die Sprungkraft ebenso, die Beschleunigungsstrecke
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(Hubstrecke der Muskeln) um a, also die Sprungenergie um a3 , die Masse um den gleichen Faktor. Anfangsgeschwindigkeit und Sprungweite oder -höhe bleiben (bei Vernachlässigung des Luftwiderstandes) also erhalten: Der Flohmensch könnte höher als 1 m und weiter als 5 m springen, was kein Floh schafft. Menschenmuskeln sind also doch stärker. 1.4.16 Captain Smolletts Uhr Die geographische Länge bestimmt man durch Vergleich der Ortszeit z. B. mit der Greenwich-Zeit, die man vor Einführung des Funkverkehrs in Gestalt der Borduhr mitnehmen musste. Eine Zeitminute Abweichung der Uhr ◦ bedeutet schon einen Ortungsfehler von 14 , d. h. fast 30 km in tropischen Gegenden. Damit die Uhr nach etwa dreimonatiger Reise keinen größeren Fehler hat, darf die Pendelfrequenz höchstens um 10−5 vom Normalwert abweichen. Daher der Aufschwung der technischen und theoretischen Mechanik im Zeitalter der Entdeckungen besonders in den Seefahrernationen England, Niederlande und Frankreich. Einfache Abschätzung: Bei nicht ganz kleinen Winkelamplituden β ist die Winkelbeschleunigung β¨ nicht mehr −(g/l)β, sondern −(g/l) sin β ≈ −(g/l)(β − β 3 /6 + − . . . ). Die relative Abweichung zwischen beiden ist β 2 /6, ihr Mittelwert β02 /12 (Mittel von sin2 ist 1/2). Ungefähr so groß ist auch der relative Fehler der Pendelperiode (exakt β 2 /16, Aufgabe 20.2.2). Nach Aufgabe 20.2.3 durfte β0 höchstens um 5◦ schwanken, damit Captain Smollett die Schatzinsel finden konnte. 1.5.1 Bogenschießen Der Bogen soll die Spannarbeit möglichst vollständig als kinetische Energie auf den Pfeil übertragen. Außerdem nimmt stets auch der Bogen selbst kinetische Energie auf, wenn er aus der gespannten Stellung zurückschnellt. Die Enden des Bogens bewegen sich am schnellsten. Sie müssen möglichst leicht sein, damit diese verlorene kinetische Energie möglichst klein wird. Die Enden müssen gerade so stark sein, dass sie die notwendigen Kräfte übertragen können, ohne zu brechen oder sich zu stark zu biegen. 1.5.2 Benzinverbrauch Beschleunigen auf v kostet die Energie 12 mv2 , mit m = 1 000 kg, v = 14 m/s also 105 J. Auf 100 km ist dies nach Voraussetzung 1 000-mal nötig, also 108 J. Der Ottomotor hat nur knapp 30% Wirkungsgrad. 1 l Benzin hat den Brennwert 2,6 · 107 J. Man verbrennt bei dieser Fahrweise also ca. 14 l zusätzlich auf 100 km. Der Col d’Iseran (2 770 m) z. B. von St. Jean de Maurienne (546 m) kostet nur etwa 14 davon. 1.5.3 Unfall Aus der Geschwindigkeit v soll auf der Strecke d gebremst werden. Die mittlere Verzögerung von a = 12 v2 /d kann momentweise erheblich überschritten werden, wenn die ,,Knautschzone“ nicht auf Sicherheit durchkonstruiert ist. Wenn der nichtangegurtete Fahrer es aushält, mit drei
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Erwachsenen auf dem Rücken ,,Pferdchen“ zu spielen, verträgt er a ≈ 4 g. Bei d = 0,5 m hält er dann nur v = 23 km/h aus, ohne in die Frontscheibe zu fliegen. Kraft-, energie- und impulsmäßig ist es gleichgültig, ob ein Auto mit v gegen eine feste Wand fährt oder ob zwei gleiche mit v und −v frontal zusammenstoßen. 1.5.4 Hochsprung Der Hochspringer verschafft sich, indem er in die Knie geht, eine Beschleunigungsstrecke ∆h und drückt sich mit der Kraft F nach oben, erteilt seinem Körper also die kinetische Energie W = 12 mv02 = (F − mg)∆h. Von dem Moment an, wo der Schwerpunkt S wieder die Normalhöhe h 0 erreicht hat und die Beschleunigung aufhören muss, beschreibt S eine sehr steile Wurfparabel und erreicht die Höhe h = h 0 + W/(mg), die im ,,Fosbury-Flop“ sogar etwas kleiner als die Lattenhöhe sein kann. Mit h 0 = 1,1 m, h = 2,4 m, m = 75 kg, ∆h = 0,4 m erhält man W ≈ 1 000 J, Beinkraft F ≈ 1 500 N, Aufwärtsbeschleunigung a = F/m − g ≈ 10 m/s2 , Absprunggeschwindigkeit v0 ≈ 1,6 m/s, Beschleunigungszeit 0,16 s, Leistung während dieser Zeit 6 000 W = 8 PS. 1.5.5 Veranschaulichung des Raketenprinzips Die Sprengladung möge einer Granate im festen Rohr 2 km/s erteilen. Hat das ,,Rohr“, wie im Fall der beiden Raketen, die gleiche Masse, dann erhält jede unter den gleichen Bedingungen nur 1 km/s. Auf jeder Stufe steigert sich so die Geschwindigkeit des Stückes, das noch in der gewünschten Richtung weiterfliegt, um 1 km/s, wobei sich die Masse halbiert. Nach n Explosionen hat man noch die Masse m n = m 0 2−n mit n km/s. Um 8 km/s zu erreichen, braucht man 8 Explosionen; die auf die Kreisbahn gebrachte Nutzlast ist m 8 = m 0 /256. Allgemein: m v = m 0 2−2v/w = m 0 4−v/w , wenn w die Geschossgeschwindigkeit aus festem Rohr, also günstigstenfalls die Pulvergasgeschwindigkeit ist. Der kontinuierliche Treibstrahl ist günstiger: m 0 e−v/w ; man spart gegenüber den diskreten Explosionen den Faktor (4/e)v/w = 1,47v/w , z. B. bei v = 8, w = 2 km/s den Faktor 4,7. 1.5.6 Spülmaschine v Gefäßvolumen, q Zuflussmenge/s, c Alkoholkonzentration, cV Alkoholmenge im Gefäß, cq Alkoholverlust/s durch Überlaufen. Das ist gleichzeitig die Abnahme der Alkoholmenge −d(cV )/dt = −˙cV . Also c˙ = cq/V , integriert c = c0 e−qt/V bei gleichmäßigem Zufluss, allgemein c = c0 exp(− q dt/V ). Man kann das auch durch die gesamte Durchflussmenge V = q dt ausdrücken: c = c0 e−V /V . Das Spülen geht überraschend schnell: Bei V = 1 l und V = 3 l ist schon c = 5%, bei V = 10 l nur noch 0,005%. Dies wird weniger erstaunlich, wenn man so spült: Man gießt die Hälfte des jeweiligen Gemisches aus und füllt mit reinem Wasser auf. Jedes Mal halbiert sich c. Nach n solchen Prozessen, also Zugießen von n/2 l Wasser, ist c = c0 2−n . Mit 3 l Wasser erreicht man so 1,6%. Diese Spülmethode ist wirksamer, weil man immer höher konzentriertes Gemisch weggießt als bei der kontinuierlichen. Ersetzt
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man c durch die Raketenmasse, V durch die Treibgasgeschwindigkeit, V durch die Raketengeschwindigkeit, dann ergibt sich völlige Analogie mit diskontinuierlichem und kontinuierlichem Raketenantrieb. 1.5.7 Rakete Um 1 kg Ethanol (C2 H5 OH, Molmasse 46), also 21,7 mol, zu 2CO2 + 3H2 O zu verbrennen, braucht man 3 · 21,7 mol = 2,08 kg O2 . Die Verbrennungswärme von 2,8 · 107 J kann die 3,1 kg Produktgas √ auf maximal w = 2 · 2,8 · 107 /3,1 = 4,2 · 103 m/s bringen. Bei einem Startlast-Nutzlast-Verhältnis 3 : 1 würde man die Fluggeschwindigkeit v = w ln 3 = 4,6 km/s erreichen. Das ist nicht realisierbar, schon weil diese Molekülgeschwindigkeit T ≈ 20 000 K entspräche, was keine Brennkammer aushielte. Man erreicht knapp die Hälfte (1/4 der Temperatur; Aufgabe 5.1.3), also v ≈ 2 km/s und eine Schussweite v2 /g ≈ 400 km, ohne Berücksichtigung des Luftwiderstandes; der größte Teil des Fluges erfolgt in sehr geringer Dichte. Man wählt die Brenndauer nicht zu kurz (t ≈ 70 s), damit die Endgeschwindigkeit nicht schon in zu dichter Luft erreicht wird, aber auch nicht so lang, dass der Impulsverlust gegen die Schwerkraft mgt, entsprechend einer zusätzlichen Treibstoffmenge mgt/w, zu erheblich wird. Das optimale Beschleunigungsprogramm ist ziemlich kompliziert. 1.5.8 Projekt für den Fall einer Abkühlung der Sonne Das Magma sei da, wo man es erreichen kann, 4 000 K heiß. Bringt man den Wasserdampf auf die gleiche Temperatur, dann haben seine Mole√ küle die mittlere Geschwindigkeit w = 3kT/m = 2,4 km/s. Schneller kann der Treibstrahl nicht ausströmen. Das ganze Meer hat ein Volumen von 3,5 · 108 km2 · 4 km = 1,4 · 109 km3 , also eine Masse von 1,4 · 1021 kg, d. h. 1/4 000 der Erdmasse. Folglich kann die Geschwindigkeit der Erde höchstens um v = wm/M ≈ 0,6 m/s geändert werden, was der Mühe nicht wert ist angesichts der 30 km/s Bahngeschwindigkeit. 1.5.9 Elastischer Stoß (a) Die gestoßene Kugel übernimmt Geschwindigkeit, Impuls und Energie der stoßenden, diese bleibt liegen. (b) Die stoßende Kugel prallt mit 13 ihrer ursprünglichen Geschwindigkeit v zurück, die gestoßene erhält 2v/3; an sie gehen 43 des Impulses und 89 der Energie über. (c) Die Wand ist ein Stoßpartner mit unendlicher Masse. Also erhält sie zwar den Impuls 2mv, aber keine Energie (∆W = 12 ∆ p2 /M). Die Kugel prallt mit −v zurück. (d) Die Kugeln tauschen v, p, W vollständig aus. Jede verhält sich so, als stoße sie gegen eine feste Wand. (e) Die kleine Kugel, die erst ruhte, prallt von der großen mit doppelter Relativgeschwindigkeit ab, die große verringert ihr v nur sehr wenig. Sie gibt die Bruchteile 2m/M bzw. 4m/M ihres Impulses bzw. ihrer Energie ab. 1.5.10 Zykloide Wir legen die x-Achse auf die Straße, den Ursprung dorthin, wo der Punkt ganz unten ist. Von da rolle das Rad (Radius a) in der Zeit t um den
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Winkel ωt. Dann hat der Punkt Koordinaten, die sich nach Abb. 1.25 zu y = a(1 − cos ωt), x = a(ωt − sin ωt) ablesen lassen. Seine Geschwindigkeitskomponenten sind x˙ = aω(1 − cos ωt), y˙ = aω sin ωt. Die Neigung der Kurve ist d y/dx = y/ ˙ x˙ = sin ωt/(1 − cos ωt). Die Kurve ist natürlich periodisch mit der Periode 2πa. Der Punkt bewegt sich fast vertikal (x˙ y) ˙ bei ωt ≈ 0, 2π, . . . , horizontal ( y˙ = 0) bei ωt = π, 3π, . . . mit x˙ = 2aω, d. h. doppelt so schnell wie das Auto. Bei ωt = 0, 2π, . . . ruht der Punkt einen Augenblick, wenn er die Straße berührt (x˙ = y˙ = 0). Ein Punkt auf der Radfelge beschreibt eine Trochoide, die dem Profil einer Wasserwelle entspricht. Physikalisch interessieren an der Zykloide als Bahnkurve zwei Dinge: Wenn wir das Rad um dϕ weiterdrehen, um welche Strecke ds verschiebt sich der Punkt auf der Lauffläche, und unter welchem Winkel α gegen die Waagerechte tut er das? Das lässt sich aus der Parameterdarstellung ausrechnen, aber sehr umständlich. Wir machen es lieber geometrisch und zeichnen die beiden Lagen des Rades, zwischen denen es um a dϕ weitergerollt ist. Der Punkt P hat sich dabei mit dem Radzentrum um a dϕ nach rechts verschoben, aber gleichzeitig auf der Felge ebenfalls um a dϕ. Beide Verschiebungen bilden den Winkel ϕ zueinander. ds als dritte Seite dieses Dreiecks ist ds = 2a dϕ sin(ϕ/2), der Steigungswinkel ist α = π/2 − ϕ/2. Die Bogenlänge s, deren Differential 4a sin(ϕ/2) dϕ/2 heißt, ist s = 4a(1 − cos(ϕ/2)) (von der Spitze ϕ = 0 an gerechnet). Ein Zykloidenbogen von ϕ = 0 bis ϕ = 2π hat die Länge s = 8 a. Der Krümmungsradius ist R = ds/dα = 4 a sin(ϕ/2), in der Mitte Rmax = 4 a. 1.5.11 Pendeluhr Schon bei ϕ0 = 30◦ schwingt das Sekundenpendel nicht mehr in 1 s, sondern in 1,03 s. Zum Ausgleich muss man die Enden des Kreisbogens hochbiegen wie bei der Zykloide. Dass diese die Tautochrone ist, sieht man, wenn man die Bewegungsgleichung aufstellt, wobei man alles durch den Rollwinkel ϕ des erzeugenden Kreises ausdrückt (der natürlich die unmittelbare Bedeutung verliert, die er beim Kreis hatte). v = ds/dt = 2 aϕ˙ sin(ϕ/2) (vgl. Lösung 1.5.10) oder v = −4a(d cos(ϕ/2)/dt). Die Beschleunigung ergibt sich kinematisch als v˙ = −4 a(d 2 cos(ϕ/2)/dt 2 ). Dynamisch kommt nur die zur Bahn tangentiale Komponente der Schwerebeschleunigung zur Geltung: v˙ = g sin α = g cos(ϕ/2) (Lösung 1.5.10). Man kann also die ganze Bewegungsgleichung durch die Variable u = cos(ϕ/2) ausdrücken: gu = −4au. ¨ Das ist die exakte harmonische Schwingungsgleichung, und auch bei größeren Amplituden √ ändert sich daran nichts: Das Zykloidenpendel schwingt immer mit ω g/4a. Um den Pendelkörper auf einer Zykloide zu halten, nutzte Huygens die Tatsache aus, dass die Evolute der Zykloide wieder eine kongruente Zykloide ist. Er hängte den Faden zwischen zwei Zykloidenprofilen auf, um die sich der Faden beim Schwingen teilweise herumwickeln musste, sodass sich das freie Stück verkürzte und sein Ende eine Zykloide beschrieb. Die Fadenlänge (maximaler √ Krümmungsradius der Zykloide) ist l = 4a, die Kreisfrequenz ω = g/l. Konstanz der Periode trotz Amplitudenschwankung war damals besonders für
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Schiffs-Chronometer zur Bestimmung der geographischen Länge äußerst wichtig. 1.5.12 Bruderzwist im Hause Bernoulli Zunächst vergleichen wir die beiden unvollkommenen Lösungen. Bei der Höhendifferenz h ist die Laufzeit auf der schiefen Ebene der Neigung √ √ α −1 α. Senkrechter Fall dauert 2h/g nach den Fallgesetzen t = 2hg sin 1 √ und liefert v =√ 2gh. Das horizontale Bahnstück der Länge h cot α wird dann√in cot α h/2g durchlaufen, im Ganzen braucht die zweite Bahn t2 = 2h/g(1 + 12 cot α). Zeichnung oder Rechnung zeigen, dass unterhalb α = 37◦ die schiefe Ebene, oberhalb die Knickbahn schneller ist. – Die ideale Lösungsbahn wird steil anfangen, damit der Schlitten eine möglichst hohe Geschwindigkeit möglichst lange ausnutzt. Zum Schluss kann sie horizontal auslaufen. Wie erfolgt der Übergang? Nach Jakob Bernoulli so, dass er einen möglichen Lichtweg √ darstellt. Der Schlitten befinde sich um y tiefer als A. Er hat dann v = 2gy. Licht in einem Medium mit der √ Brechzahl n hätte die Geschwindigkeit v = c/n, also muss man n ∼ 1/ y annehmen. Beim Übergang von einer Schicht mit n 1 zu einer mit n 2 ist √ nach Snellius sin ψ1 / sin ψ2 = n 2 /n 1 = y1 /y2 , wo ψ der Winkel der Bahn gegen die Vertikale ist. Nach Lösung 1.5.10 ist ψ = π/2 − α = ϕ/2. Andererseits y = a(1 − cos ϕ) = a(1 − cos2 (ϕ/2) + sin2 (ϕ/2)) = 2a sin2 (ϕ/2) . √ Das Brechungsgesetz sin ψ = sin(ϕ/2) ∼ y ist also für die Zykloide und nur für diese tatsächlich erfüllt. Die Bahn muss wegen v = 0, n = ∞, sin ψ = 0, ϕ = 0 an der Spitze A vertikal beginnen. Wie sie bei B ankommt, d. h. ein wie langes Stück der Zykloide man ausnutzt und welchen Rollradius a diese hat, hängt vom Verhältnis der horizontalen und vertikalen Abstände von A und B ab. Abb. L.3
1.5.13 Kann Messner mehr? Die Steiggeschwindigkeit (Höhenmeter/s) ergibt sich als mechanische Leistung/kg Körpergewicht nach Division durch g. Bezogen auf 1 kg Körpergewicht haben wir folgende Umsätze: 1,7 g/s Blut mit 0,26 g/s Hämoglobin, die 0,5 mg/s O2 tragen und 0,47 mg/s Zucker oxidieren können. Die thermische Leistung ist 8 W/kg, die mechanische 2 W/kg, Steiggeschwindigkeit 0,2 m/s = 720 m/h.
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1.6.1 Bremsweg Bremsweg: s = v2 /(2µg), zulässige Geschwindigkeit in einer Kurve vom √ Radius r: v = µgr. µ = 0,3 ist die Hälfte der polizeilich vorgeschriebenen Mindest-Bremsverzögerung. Bei Schnee ist der Bremsweg mehr als dreimal länger als bei Regen und achtmal länger als auf trockener Straße. Kurven dürfen bei Schnee höchstens 13 so schnell gefahren werden wie bei trockenem Wetter. 1.6.2 Richtiges Bremsen Tritt man so stark auf die Bremse, dass die Verzögerung größer wird als µg, fangen die Reifen zu gleiten an, wodurch die aufs Auto übertragene Bremskraft verringert wird (gleitende Reibung < Haftreibung). Außerdem leidet natürlich die Spur- und Lenksicherheit. Der Ruck beim Zum-Stehen-Kommen beruht ebenfalls darauf, dass die Haftreibung, diesmal zwischen Bremsbacken und -scheiben, größer ist. Daher lässt man das Pedal vorher etwas los. Tut man das etwas zu früh, dann scheint der Wagen kurz vor Schluss noch einmal davonzuschießen. Deswegen empfehlen manche das ,,logarithmische Bremsen“ mit allmählichem Nachlassen des Bremsdruckes. Ist der Druck und damit die Verzögerung der jeweils noch vorhandenen Geschwindigkeit proportional, dann nimmt diese nach einem Exponentialgesetz ab. 1.6.3 Anfahren Das Fahrzeug der Masse m übt auf die Straße die Normalkraft mg aus. Die maximale Haftreibungskraft µmg kann eine Trägheitskraft (Beschleunigungs- oder Zentrifugalkraft) oder einen Hangabtrieb von höchstens ma = µmg aufnehmen, sonst rutschen die Reifen, was die Reibung nur noch vermindert. Damit ergibt sich die maximale Anfahroder Bremsbeschleunigung zu a = µg, im Beispiel 6 m/s2 , die maximale Steigung zu ϕ mit tan ϕ = µ, d. h. im Beispiel ϕ = 31◦ oder 60%. Die maximale Zentrifugalbeschleunigung von ebenfalls µg lässt das Pendel ebenfalls um 31◦ schiefhängen. Der Anhalteweg aus v ist bei entsprechend guten Bremsen s = vtr + 12 v2 /(µg). Das ,,Leistungsgewicht“ ist definiert als Fahrzeugmasse m/Leistung P. Zur Beschleunigung mit a bei der Geschwindigkeit v braucht man die Leistung mav. Bei voller Leistung beschleunigt man also mit a = P/(mv). Bis v = v1 = P/(mµg) begrenzt also die Reibung die erreichbare Beschleunigung, oberhalb davon die Motorleistung. Bei 10 kg/PS ist v1 ≈ 45 km/h. Mit dieser Geschwindigkeit kann man auch die maximale Steigung fahren; nur beschleunigen kann man dabei nicht mehr. 1.6.4 Super-Reibung Warum nicht? Bei glatten Flächen ist das zwar nicht einfach herzustellen, aber bei entsprechender Verzahnung der Mikro-Rauigkeiten kann ein Klotz auch auf einer Fläche halten, die schiefer als 45◦ steht. Definiert man den Reibungskoeffizienten auch für makroskopische Gebilde wie z. B. die selbstschließenden ,,Klett-Verschlüsse“, die zusammenhaften, sobald man sie aufeinander drückt, dann ist µ beliebig groß.
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1.6.5 Zauberstab Auf den Finger, der weiter vom Stabschwerpunkt entfernt ist, sagen wir den rechten, drückt der Stab mit geringerer Normalkraft. Daher ist auch die Reibungskraft dort kleiner, und der Stab gleitet auf dem rechten Finger auswärts. Da die gleitende Reibung kleiner ist als die ruhende, rutscht der Stab so weit, dass schließlich der rechte Finger näher am Schwerpunkt ist. Ist das Verhältnis der Abstände vom Schwerpunkt gleich dem Verhältnis von Gleit- zu Haftreibungskoeffizient, fängt der Stab auf dem linken Finger zu rutschen an, und das Spiel wiederholt sich mit ständig vertauschten Rollen in immer kürzeren Abständen, bis sich die beiden Finger genau unter dem Schwerpunkt begegnen. Natürlich fällt der Stab dabei nie herunter, außer wenn man die Finger zu heftig bewegt. 1.6.6 Traktor Stark untersetzte Motoren liefern eine kleine Drehzahl und ein hohes Drehmoment T . Die Zugkraft z. B. des Traktors auf den Anhänger oder der Lokomotive auf den Zug darf aber den Wert µgm nicht überschreiten, sonst rutschen die Räder. Um das hohe Drehmoment T = Fr auszunutzen, muss also der Radradius r groß sein. 1.6.7 Der starke Matrose Ein Seil überträgt direkt Kräfte nur in seiner eigenen Richtung, aber wenn es um einen Pfahl geschlungen wird, entstehen gerade dadurch Normalkräfte. Der Pfahl habe den Radius R. Wir betrachten ein Seilstück der Länge dl, das an den Pfahl geschmiegt ist und an dessen beiden Enden eine Kraft vom Betrag F zieht. Diese Kräfte bilden einen Winkel dα = dl/R miteinander, und es entsteht eine Normalkomponente F dα = F dl/R, die das Seil gegen den Pfahl drückt. Sie führt zu einer tangentialen Reibungskraft d F = µ0 F dl/R. Bevor das Seil zu rutschen anfängt, muss also am einen Ende von dl eine um d F größere Kraft ziehen als am anderen. Mit anderen Worten nimmt die Zugkraft längs des Seiles nach dem Gesetz d F/dl = µ0 F/R zu. Bei der Seillänge l liefert die Integration F1 = F0 eµ0 l/R . Mit der Kraft F0 am einen Ende kann man also, unterstützt durch die Reibung, einer viel größeren Kraft F1 am anderen Ende das Gleichgewicht halten. Wenn l = 2πn R, also das Seil n-mal um den Pfahl geschlungen ist, wird mit µ0 = 0,8: F1 = F0 · 150n . Mit n = 3 hält 1 kg 3 000 t aus. Heranziehen kann man das Schiff allerdings nicht. 1.6.8 Kartentrick Die bewegte Karte beschleunigt die Münze mit a = gµ. In der Zeit t = 2r/v, bis die ganze Glasöffnung frei ist, darf die Münze√nicht weiter als r rutschen, also x = 12 at 2 = 2gµr 2 /v2 < r, d. h. v > 2gµr. Bei µ = 0,3, r = 3 cm kommt man mit 0,45 m/s aus. Wider Erwarten geht es mit engen Gläsern besser, wenn man von dem Anfangsruck infolge Haftreibung absieht. – Während das Tischtuch darunter weggleitet, wirkt auf den Boden eines Glases die Kraft mgµ, das Drehmoment T = mgµh (h: Halbe Höhe). Die Kippzeit ergibt sich aus ω˙ = T/J = 12gµ/h und dem Kippwinkel α = 12 ωt ˙ 2 , der etwa r/h sein muss, damit das Glas auf der
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√ √ Kippe steht, zu t = 2r/(ωh) ˙ = r/(6gµ). Während dieser √ Zeit muss die ganze Tischtuchlänge l weggezogen sein. Es folgt v > l 6gµ/r, also bei l = 1 m, µ = 0,5, r = 5 cm etwa 90 km/h, was manche Leute schaffen sollen. Auf die Höhe der Objekte kommt es nicht an, solange sie sich im Wesentlichen als Zylinder auffassen lassen: T nimmt wie h zu, αkrit wie h −1 ab, aber J nimmt wie h 2 zu. Dies gilt für Zylinder. Der schwere Boden stabilisiert die Lage noch. – Beim Radiergummi (µ ≈ 1,0) ist vor allem die Haftreibung zu groß. 1.6.9 Fallschirm Ein Fallschirm vom Radius R erzeugt beim Fall mit der Geschwindigkeit v die Bremskraft F = 12 cw πR2 v2 . Die stationäre Geschwindigkeit, √ mit der 2 eine Masse M fällt, wird also vst = 2Mg/(πcw R ) = 1,56 · M/R bei cw = 2. Dies entspricht einer Fallhöhe h = 12 v2 /g ≈ 18 M/R2 ohne Fallschirm. Für die Beispiele muss R mindestens 1,6; 6; 0,6 m sein; die Endgeschwindigkeit von v = 10; 7,7; 7,7 m/s wird erreicht nach etwas mehr als 1; 0,8; 0,8 s und einer Fallhöhe gleich den angegebenen 5; 3; 3 m. Ein Mensch ohne Fallschirm hat günstigstenfalls die effektive Bremsfläche 2 m2 wie in der Aufgabenstellung vst ≈ 110 m/s). Die Stationarität wird nach etwa 10 s und 500 m erreicht. Ob man aus dem Flugzeug oder vom Empire State Building fällt, macht also kaum einen Unterschied. 1.6.10 Brand im Transatlantik-Jet In der Atmosphäre nimmt die Dichte annähernd wie e−h/H ab (Skalenhöhe H = 8 km). Oberhalb von 10 km erstickt man in wenigen Minuten. Der Fallschirm ist so berechnet, dass er in Bodennähe die Geschwindigkeit auf 10 m/s oder weniger senkt. Da vst wie −1/2 geht, würde man z. B. in 24 km Höhe, wo die Dichte 20-mal kleiner ist, mit 45 m/s fallen (allgemein: vst = vst 0 eh/2H ). Spätestens bei 15 km wäre man also tot. Lässt man sich zunächst frei fallen, dann nimmt man bald die rund zehnmal größere ,,nackte“ Fallgeschwindigkeit an, besonders wenn man sich ,,dünn macht“, d. h. wie im Kopfsprung fällt. Allgemein folgt im stationären Zustand vst = −h˙ = vst 0 eh/2H , integriert folgt für die Fallzeit von h 0 bis h: t = 2Hvst−10 (e−h/2H − e−h 0 /2H ). Bei großer Anfangshöhe hängt die Fallzeit praktisch nur noch von der Endhöhe ab: t ≈ 2Hvst−10 e−h/2H . Bis zum Boden: t = 2H/vst 0 = 160 s, bis in 10 km Höhe ca. 80 s, unabhängig von der Anfangshöhe. Dazu kommt allerdings noch die Zeit, die man braucht, um den stationären Zustand zu erreichen, und die ist umso länger, je höher man ist: t ≈ vst /g = vst 0 g−1 eh/2H . Aus h 0 = 100 km Höhe fällt man ca. 100 s, bis man um 40 km die stationäre Geschwindigkeit von ca. 1 km/s erreicht. Von da an braucht man noch 80 s bis zur Troposphäre. 1.6.11 Leistung beim Radeln Wenn man eine 10%-Steigung mit 10 km/h fährt, muss man 0,1 · 1 000 N · 3 m/s = 300 W = 0,4 PS aufbringen, was als Dauerleistung annehmbar ist. Mit der gleichen Anstrengung (und entsprechender Gangschaltung) hält man in der Ebene etwa 30 km/h durch. Hier wird die Leistung im We-
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sentlichen gegen den Luftwiderstand aufgebracht, also 12 A v3 = 150 W, oder A ≈ 1 m2 . Ein Gefälle muss etwa 1% haben, damit man, ohne zu treten, gleichmäßig rollt. Daraus folgt die Lager- und Reifenreibung zu etwa 1% des Gewichts. Damit haben wir alle Konstanten. Die Leistung in W bei der Fahrt mit v km/h auf einer Steigung von α% und einer Gegenwindgeschwindigkeit w ist P = 3(α + 1)v + 1,5 · 10−2 (v + w)3 . Unterhalb von 15 km/h überwiegt die Reibung, oberhalb der Luftwiderstand. Selbst wenn ein Rückenwind mit genau w = −v bläst, schafft man auf die Dauer kaum mehr als 80 km/h. Bei ungünstiger Übersetzung reicht entweder das Gewicht des Fahrers zum Treten nicht aus, oder er muss zu schnell strampeln, d. h. einen erheblichen Leistungsanteil in die Beschleunigung seiner Beine investieren. Der Weltrekord mit Spezialübersetzung hinter einem Auto mit Windschutzschild liegt allerdings bei 225 km/h. 1.6.12 Bewegung mit Reibung Die Bewegungsgleichung v˙ = −kvn hat bei n = 1 die Lösung v = v0 e−kt ; bei n = 1 ist v−n dv = −k dt leicht zu integrieren: v = v0 [1 − (1 − n)kv0n−1 t]1/(1−n) . Für n = 1 findet man den zurückgelegten Weg x = v0 k−1 (1 − e−kt ). Bei n = 1 und n = 2 führt die Substitution z = 1 − (1 − n)kv0n−1 t zu x=
v02−n
1 − [1 − (1 − n)kv0n−1 t](2−n)/(1−n) . (2 − n)k
Bei n = 2 schließlich ist v = v0 /(1 + kv0 t), also x = k−1 ln(1 + kv0 t). Bei n < 1 endet die v(t)-Kurve plötzlich, wenn v = 0 wird. Das geschieht bei t = v0 /[(1 − n)k]. Bis dahin ist das Objekt eine Strecke v02−n /[(2 − n)k] mit der mittleren Geschwindigkeit v = v0 (1 − n)/(2 − n) gerutscht und kommt dann plötzlich zum Stehen (ein Klotz kippt in diesem Augenblick oft vornüber, ein Fahrzeug geht ,,vorn in die Knie“). Bei n 1 wird v nie exakt 0. Wenn 1 n < 2, ist die Bremsstrecke trotzdem endlich, nämlich v02−n /[(2 − n)k]. Da das unendlich lange dauert, ist v = 0. Wenn n 2, wird der Bremsweg unendlich lang. 1.6.13 Schwingung mit Reibung Infolge der Reibungskraft FR = −mkv0n und ihrer Leistung P = FR v = ˙ = mv0 v˙ 0 ändert sich die Schwingungsenergie W = 1 mv2 −mkv0n+1 = W 0 2 gemäß v˙ 0 = −kv0n . Also ändern sich v0 und x0 = v0 /ω genauso wie v bei der Bremsung (Aufgabe 1.6.12). Bei n = 0 (trockene Coulomb-Reibung) nimmt die Amplitude linear ab, bei n = 1 (Stokes-Reibung) exponentiell, bei n = 2 (Newton-Reibung) nach der Hyperbel (1 + t/τ)−1 , bei n = 12 (Reynolds-Reibung mit Schmiermittel) parabolisch. Die exponentielle Dämpfung in Abschn. 4.1.2 ist keineswegs allgemein gültig. Unsere Näherung gilt natürlich nur, wenn die Reibung nicht zu stark ist, d. h. wenn die Amplitude nur langsam abnimmt. Eigentlich wäre für die Reibungsleistung der Mittelwert vn+1 zu nehmen, nicht der Maximalwert v0n+1 . Das ändert den Verlauf x0 (t) nicht, verlangsamt ihn nur um den Faktor 2/π bei n = 0 bzw. 12 bei n = 1 bzw. 4/3π bei n = 2.
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1.6.14 Reentry Oberhalb der Höhe h kr , die in Aufgabe 1.6.15 bestimmt wird, liegt praktisch immer eine Kreisbahn vor, und es gilt für den Höhenverlust die Gleichung mgh˙ = −Av3 0 e−h/H mit der Lösung h = h 0 + H ln(1 − t/τ), wobei τ = mgH/(Av3 0 e−h 0 /H ) ist. Für t τ nimmt h sehr langsam ab wie h 0 − Ht/τ (diese Gerade würde die t-Achse erst bei t = h 0 τ/H schneiden). Kurz vor τ knickt die h(t)-Kurve urplötzlich abwärts. Bei τ − t = τ / 0 würde h = 0 werden; dann gilt aber die Voraussetzung der stationären Kreisbahn nicht mehr, sondern die Bahn wird praktisch √ senkrecht, die Geschwindigkeit nimmt den stationären Wert vst = mg/A an. 1.6.15 Viel Lärm um nichts Die Bahngeschwindigkeit von Skylab ergibt sich aus v2 /(R + h) = gR2 (R + h)2 zu v = 7,72 km/s, die Umlaufzeit zu τ = 90,5 min. Die Startmasse der Einstufenrakete wäre m 0 = mev/w = 4 000 t (w = 2 km/s, m = 85 t). Ein solches Verhältnis m 0 /m wäre aus Stabilitätsgründen nicht zu erreichen; selbst eine 2 l-Milchkanne wiegt fast 200 g, hat also m 0 /m ≈ 10. Das Mehrstufenprinzip verringert den Treibstoffbedarf, weil leere Treibstoffbehälter abgeworfen werden. In 300 km Höhe ist die Dichte immer noch etwa 0 e−h/H ≈ 10−11 kg m−3 . Die Skalenhöhe H ≈ 12 km ≈ kT/(mg) entspricht T ≈ 420 K. So heiß ist es in der Ionosphäre in etwa 150 km Höhe; darüber ist es noch heißer, darunter kühler. Dort oben erfährt Skylab eine Reibungskraft F = 12 A v2 ≈ 10−3 N, die nur P = Fv ≈ 10 W an Leistung verzehrt. Die kinetische Energie W = 12 mv2 = 1012 J würde dort erst nach der Zeit t = W/P ≈ 1011 s verzehrt sein, also nach etwa 300 Jahren. Die Dichte in der Hochatmosphäre ist aber sehr empfindlich gegen Energiezufuhr von außen, besonders durch den Sonnenwind, der mit der Sonnenfleckenperiode stark variiert. Wenn die Hochatmosphäre heißer wird, wächst die Skalenhöhe und damit die Dichte. Da dort nur sehr wenig Atmosphärenmasse ist, genügt schon eine geringe Energiezufuhr. Erwärmung um 40 K bringt die Skalenhöhe auf 13 km, die Dichte steigt fast um den Faktor 10, entsprechend nimmt die Lebensdauer des Satelliten ab. Luft von der Dichte 0 ≈ 1 kg m−3 würde die Energie 1011 -mal schneller aufzehren, die Geschwindigkeit also in wenigen Sekunden auf sehr kleine Werte herabsetzen. Wenn die ganze Bremsenergie das Material erhitzte, würde dies z. B. bei Al mit c ≈ 1 kJ kg−1 K−1 über 104 K ausmachen. Die Bremsenergie verteilt sich aber auf Satelliten und durchschlagenen Luftkanal. Der Luftanteil wird bei bemannten Raketen durch die Reentry-Technik (Hitzeschild usw.) gesteigert, was nur leichte Rotglut für die Satellitenwandung liefert. Unterhalb der Höhe h kr , wo die Stationaritätsbedingung A v2 ≈ mg noch erfüllt ist, also unterhalb kr ≈ 10−4 kg m−3 und h kr ≈ 70√km besteht Gleichgewicht zwischen Reibung und Schwerkraft, also v ≈ mg/A , der Satellit wird entsprechend der -Zunahme immer langsamer und hat in Bodennähe nur noch 100 m/s. Infolge der Stationarität stürzt er fast senkrecht zu Boden. Auf der ganzen Erde (einschließlich Meer) leben etwa 10 Menschen/km2 . Wenn 100 m2 dem direkten Treffer ausgesetzt sind, ist die Wahrschein-
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lichkeit, dass irgendein Mensch sich dort befindet, 10−3 , dass gerade Sie es sind, nur etwa 10−13 . 1.7.1 Seilsicherung Die Kraft zwischen Erde und Sonne ergibt sich am schnellsten aus der Bahngeschwindigkeit der Erde: F = mv2 /R = 6 · 1024 kg · 109 m2 s−2 /1,5 · 1011 m = 4 · 1022 N. Ein Stahlseil, Zugfestigkeit σZ = 200 N/mm2 , das die Gravitation ersetzen sollte, müsste einen Querschnitt von 2 · 1020 mm2 = 2 · 108 km2 haben, also dicker sein als die ganze Erde. 1.7.2 Geostationärer Satellit Der stationäre Satellit muss mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit umlaufen, mit der sich die Erde dreht, also ω = 2π/86 400 s = 7,27 · 10−5 s−1 . Er bleibt nur dann auf der Kreisbahn, wenn Zentrifugal- und Schwerkraft einander die Waage halten: ω2 R = G M/R2 , also 3 R = G M/ω2 3 = 6 · 10−11 · 6 · 1024 /5,3 · 10−9 = 42 300 km vom Erdmittelpunkt oder 36 000 km von der Erdoberfläche. Die Bahnebene des Satelliten muss durch den Erdmittelpunkt gehen, ihr Schnitt mit der Erdoberfläche ist ein Großkreis. Wirklich stationär ist der Satellit nur, wenn dieser Großkreis der Äquator ist; sonst pendelt er mit der Periode 1d zwischen Nord- und Südhalbkugel hin und her. Über München könnte er also nicht stationär stehen. Der Satellit sieht etwa 160 Längengrade auf dem Äquator (2α, wobei tan α = R/RErde = 6,6), drei solche Satelliten sehen also die ganze Erdoberfläche bis auf zwei Polkappen oberhalb ca. 80◦ Breite. 1.7.3 Sonnenmasse Die Erde zwingt den Mond auf eine Bahn mit dem Radius R und der Periode T , die Sonne zwingt die Erde auf eine Bahn mit dem Radius 400R und der Periode ≈ 13T . Die Kreisbahnbedingung fordert ω2 R ∼ R/T 2 ∼ M/R2 oder M ∼ R3 /T 2 (M: Masse des jeweiligen Zentralkörpers; die des anderen Körpers fällt heraus; die gewonnene Beziehung ist das 3. keplersche Gesetz). Also MSonne /MErde = 4003 /132 = 3,8 · 105 . Hat man die Erdmasse, so folgt sofort die Sonnenmasse zu 2 · 1030 kg. 1.7.4 G-Messung Die Kugel ist günstig, weil man genau weiß, dass sie so anzieht, als sei ihre ganze Masse im Zentrum vereinigt. Bei jeder anderen Form muss man den Abstand auf einen anderen Punkt als den Mittelpunkt beziehen, und dieser Punkt kann seine Lage mit dem Abstand ändern. Das würde komplizierte Rechnungen oder Eichungen erfordern. An einem Torsionsdraht vom Durchmesser d aus einem Material mit der Zugfestigkeit σz kann man zwei Probekugeln mit der Gesamtmasse 2m = πσz d 2 /4g aufhängen. Zwei große Kugeln mit der Masse M üben
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auf einen Dreharm der Länge 2l ein Drehmoment D = lGm M/(R + r)2 ≈ lGm M/R2 = 16 π 2 G Rσz d 2l/g aus, das den Aufhängedraht der Länge L um den Winkel ∆ϕ = D/Dϕ = 16πG σz RlL/(3E t d 2 g) verdrillt (vgl. (3.65)). Damit ∆ϕ möglichst groß wird, muss d möglichst klein sein, selbst wenn dadurch die Probekugeln sehr klein werden. Bei d = 0,01 cm-Stahldraht mit E t = 80 000 N/mm2 , σz = 200 N/mm2 , l = 1 m, L = 3 m, R = 25 cm, Bleikugeln mit = 11 340 kg/m3 folgt ∆ϕ ≈ 0,2 ≈ 10◦ . Das Experiment gehört also bestimmt nicht zu den ,,hochgezüchteten“; es wurde ja auch schon im 18. Jh. ausgeführt. In der Praxis bestimmt man meist die Torsionssteifigkeit T = 2π J/Dϕ und gewinnt so aus der Ablenkung ∆ϕ, die man sehr viel kleiner hält, die Gravitationskonstante G. 1.7.5 Sirius B Wenn Sirius keine geradlinige Eigenbewegung hätte, würde die Pendelung zu einem etwas von der Seite gesehenen Kreis um den Schwerpunkt des Systems Sirius-Siriusbegleiter (Sirius A-Sirius B). Der Radius r dieser Bahn ergibt sich aus der scheinbaren Amplitude des Pendelns (Sehwinkel α) und der Parallaxe β des Sirius, die dem Erdbahndurchmesser, von Sirius aus gesehen, entspricht, zu α/β = 8,6 Erdbahnradien = 1,3 · 109 km. Das ist der Abstand des Sirius A vom Schwerpunkt. Sirius B steht nicht im Schwerpunkt, sondern in einem Abstand m 1r/m 2 vom Schwerpunkt, also (m 1 + m 2 )r/m 2 von Sirius A. Die Kreisbahnbedingung für Sirius A lautet ω2r = Gm 32 (m 1 + m 2 )−2r −2 . Daraus folgt m 32 /(m 1 + m 2 )2 = 6 · 1029 kg. Die beiden Massen lassen sich so nicht trennen. Nimmt man m 1 = m 2 an, so folgt m 1 = m 2 = 2,4 · 1030 kg, also etwa Sonnenmasse. Die optische Entdeckung des Begleiters (Sirius B) zeigte, dass er maximal 12,5 von Sirius A entfernt ist. Daraus folgt m 2 = 0.34m 1 und m 1 = 27 · 1030 kg, m 2 = 9,3 · 1030 kg. Die Tatsache, dass die Bahn elliptisch ist, ändert die Zahlenwerte, aber nicht die Größenordnung. 1.7.6 Lotablenkung Die Lotabweichung von 0,25 = 0,7 · 10−4 rad entspricht einem Abstand von 450 m auf der Erdoberfläche. Sie wird durch eine Überschussmasse ∆m in 10 km Abstand hervorgerufen, die sich aus ∆m/(10 km)2 = 0,7 · 10−4 MErde /(6 400 km)2 zu 1015 kg ergibt. Der ganze oberirdische Brocken reicht dazu nicht aus; er hat nur etwa 30 km3 , also etwa 1014 kg. Auch in der Tiefe muss das Material des ,,Horstes“ dichter sein. Mit ∆ ≈ 0,3 g/cm3 erhält man eine Dicke von etwa 10 km. Junge Faltengebirge sind meist isostatisch ausgeglichen, d. h. sie erzeugen weder eine Lotabweichung noch eine Änderung der Schwerebeschleunigung. Wenn im Himalaja z. B. in 4 000 m Höhe g genau so groß ist wie anderswo in gleicher Höhe, müssen die 4 km Gestein dadurch kompensiert werden, dass in größerer Tiefe leichteres Material liegt. Die Faltengebirge haben tiefe Wurzeln (Aufgabe 1.7.11).
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1.7.7 Ziggurat Je höher der Turm ist, der z. B. am Äquator stehe, desto größer ist die Zentrifugalbeschleunigung an seiner Spitze: aZ = ω2 (R + h). Theoretisch gibt es eine Höhe, bei der aZ gleich der Schwerebeschleunigung wird: ω2 (R + h) = G M/(R + h)2 . Dies ist genau die Höhe eines stationären Erdsatelliten (Aufgabe 1.7.2), nämlich 36 000 km. Könnte man ein Seil vom Erdboden bis in noch etwas größere Höhe legen, dann würde es wie beim indischen Seiltrick ,,an den Himmel gehakt“ aufrecht stehen, falls man oben eine hinreichend große Masse anhängt. Der weitere Materialtransport in noch größere Höhe ist dann kein Problem mehr. Heutige Seile würden allerdings spätestens bei 10 km Länge zerreißen, jedenfalls in Erdnähe. Wenn man das Seil exponentiell verjüngte, um die Last zu reduzieren, käme man zu völlig unmöglichen Querschnitten. Das Problem lässt sich auch in potentieller Energie von Schwere und Zentrifugalkraft gemeinsam ausdrücken. Dies Potential hat sein Maximum auf einer schlauchförmigen Fläche, die nahe dem Äquator in 42 000 km Abstand von der Erdachse liegt und sich nach Norden und Süden verjüngt, ähnlich wie ein Strumpf, in den man einen Apfel gesteckt hat. 1.7.8 Mondautobahn Man muss zunächst mit erheblich höheren Geschwindigkeiten rechnen, denn die Leute fahren nun mal gern ihre Motorleistung aus, und auf der Erde frisst der Luftwiderstand den weitaus größten Teil davon. Die Schwerebeschleunigung auf dem Mond ist entsprechend seiner 80-mal kleineren Masse und seinem 3,7-mal kleineren Radius etwa 6-mal kleiner als auf der Erde (g ∼ M/R2 ). Alle Reibungskräfte nehmen mit der Normalkraft i. Allg. ebenfalls auf 16 ab. Nichtüberhöhte Kurven müssten selbst bei gleicher Fahrgeschwindigkeit einen 6-mal größeren Radius haben als bei uns, gut ausgebaute Kurven müssten in für uns lächerlicher Weise überhöht sein (z. B. bei v = 120 km/h, R = 300 m um 63◦ ). Die Fahrer werden sich daran gewöhnen müssen, die an jeder Kurve angegebenen Maximal- und Minimalgeschwindigkeiten streng zu respektieren, weil sie sonst nach außen bzw. innen wegrutschen. Auch Bremsverzögerung und Bremsweg sind 6-mal kleiner bzw. 6-mal länger als hier. Man wird vermutlich Spezialmondspikes entwickeln. 1.7.9 Olympiade 2000 in Selenopolis (Mare Imbrium) Es ist klar, dass alle Sprung- und Wurfdisziplinen ihre Rekordleistungen etwa versechsfachen werden, sofern Weite bzw. Höhe durch v2 /g gegeben sind (v: Anfangsgeschwindigkeit). Beim Diskuswurf ist die Steigerung nicht so hoch, denn dabei hilft die Luft tragen. Die Leistung des Läufers ist nicht durch den Luftwiderstand begrenzt, sondern durch die Beschleunigung seiner Beine. Nicht nur wegen der Speerwerfer wird man aber die Stadien weit über den erdüblichen 400 m-Umfang vergrößern müssen, denn in der R = 30 m-Kurve müsste sich der Läufer um ca. 60◦ schieflegen und würde glatt wegrutschen.
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1.7.10 Projekt Gravitrain Wir vernachlässigen zunächst die Reibung und betrachten einen flachen Tunnel der Länge 2L R (R: Erdradius). Im Abstand x von der Tunnelmitte wirkt auf den Wagen in Schienen- oder Straßenrichtung eine Schwerkraftkomponente F= = mgx/R. Diese Kraft ist quasielastisch (F ∼ x), d. h. der Wagen führt eine harmonische Schwingung aus mit der √ von der Tunnellänge unabhängigen Periode √ T = 2π m/(mg/R) = 2π R/g = 1 h 24 min. Er schwingt wie ein Pendel, dessen Faden so lang ist wie der Erdradius. Die Höchstgeschwindigkeit √ in der Tunnelmitte ist dagegen abhängig von L: Sie ist v0 = ωL = g/R · L ≈ L/800 s. Bohrt man tiefer, sodass der Abstand r vom Erdmittelpunkt nicht immer als R angesehen werden kann, dann wird die Schwerebeschleunigung im Innern kleiner. Nur die Teilkugel vom Radius r zieht. Bei konstanter Dichte wird F = mgM(r)R2 /[M(R)r 2 ] = mgr 3 /R3 · (R2 /r 2 ) = mgr/R, also die Schienenkomponente F= = mgx/R, wie bisher. Die Schwingungsdauer bleibt also noch dieselbe, selbst wenn L = R, also wenn der Tunnel durch den Erdmittelpunkt geht: Nach genau 42 min taucht der Wagen in Neuseeland auf, falls Start und Ziel in gleicher Höhe ü. d. M. liegen. Die Kugellagerreibung wirkt als Bremskraft, die ca. 1/100 der Normalkraft ausmacht, also für den flachen Tunnel: Antriebskraft F= = mgx/R − 0.01mg. Die halbe Tunnellänge L muss mindestens R/100 = 64 km sein, damit der Wagen im Rollen bleibt. Er bleibt stehen, wenn die Reibung so viel Energie verzehrt hat, wie dem Unterschied an potentieller Energie zwischen dem Startort (der Erdoberfläche) und dem Ort des Stehenbleibens (Tiefe h senkrecht unter dem Erdboden) entspricht. Die Leistung der Reibung ist P = 0,01mgv = 0,01mgLω sin ωt, also die verzehrte Energie auf eiπ ner Halbperiode W = mgh = 0,01mgL 0 sin ωt d(ωt) = 0.02mgL, d. h. h = 0.02L. Bei L = 1 000 km z. B. bleibt der Wagen 140 km vor dem Tunnelende stehen, rollt zurück und schwingt weiter gedämpft um die Tunnelmitte. So funktioniert nur der Tunnel von Pol zu Pol; sonst treibt die Coriolis-Kraft den Wagen an die Wand. 1.7.11 Isostasie Eine Kugelschale, Radius R, Dicke d, hat die Masse 4π dR2 und übt an ihrer Oberfläche die Schwerebeschleunigung a = 4π Gd aus. a/g = 3 d/( Erde R). Differenz zwischen Stein- und Wasserschale 3( St − W )dg/( Erde R) = 6 · 10−4 g, mit Präzisionspendeln gut messbar. Die leichtere Kontinentalscholle muss eine Dicke D haben, sodass die gleiche Masse unter jeder Flächeneinheit liegt: D Sial = d W + (D − d) Sima , also D = d( Sima − W )/( Sima − Sial ) = 50 km. Ein Gebirge muss unter der Scholle um den Faktor Sial /( Sima − Sial ) weiter vorragen als oberhalb, wenn Isostasie herrschen soll. Die Wurzeln der Faltengebirge ragen also etwa 100 km tief. 1.7.12 Ehrenrettung Der Umlauf um die Sonne erzeugt eine Fliehkraft, die für alle Teile der Erde gleich groß ist (wir sehen zunächst von der Achsdrehung ab). Im
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Schwerpunkt wird sie exakt durch die Gravitation der Sonne ausgeglichen, aber da, wo Mittag ist und die Sonne näher, überwiegt die Gravitation, umgekehrt an der Nachtseite. Ohne Achsdrehung würde die Kugel des Meeresspiegels in radialer Richtung etwas langgezogen, der Erdkörper hätte aber Zeit, dem zu folgen: Das Wasser stünde dort nicht höher. 12 h reichen nicht für diese Deformation des Erdkörpers, er dreht sich fast unverzerrt unter dem erhöhten Meeresspiegel weg: Zweimal täglich gibt es Flut, hier eine Sonnenflut. Sie macht nur etwa 13 der Mondflut aus, aber gegenüber dem Mond ist die Situation dieselbe, da die Erde auch hier um den gemeinsamen Schwerpunkt läuft. Es wäre nicht richtig, dass das Meer hin- und herschwappt, weil sich die Nachtseite der Erde um 900 m/s schneller bewegt als die Tagseite, wie Galilei meinte. Vom Schwerefeld und seiner Inhomogenität konnte er ja noch nichts wissen. 1.7.13 Homogenes Feld Gäbe es positive und negative Massen, dann wäre es ziemlich leicht, ein annähernd homogenes Schwerefeld herzustellen: Analog zum elektrischen Fall stelle man zwei große Scheiben aus positiven und negativen Massen einander dicht gegenüber. In Wirklichkeit ist nichts zu machen: Im homogenen Feld dürften Feldlinien nirgends anfangen noch enden, divg = −∆ϕ = 0, d. h. es dürften überhaupt nirgends Massen sein, ∆ϕ = 4π = 0. Das einzig mögliche ,,homogene“ Feld ist g = 0. Dicht außerhalb der galaktischen Scheibe ist es annähernd realisiert. 1.7.14 Tidenhub I Das Rohr der Länge L sei völlig starr. Das Wasser darin stellt sich so ein, dass seine Oberfläche überall auf gleichem Potential liegt. Wenn der Mond über der Mitte des Rohres steht, sind die Rohrenden um d = R − R2 − L 2 /4 ≈ L 2 /8R weiter vom Mond entfernt als die Mitte. Die Gezeitenbeschleunigung beim Rohr ist G MM /r 2 · (2R/r) = 10−6 m/s2 , die Differenz ihres Potentials zwischen Rohrmitte und -ende also 10−6 d. Diese Potentialdifferenz muss durch eine ebenso große im Schwerefeld der Erde ausgeglichen werden: gh = 10−6 d also h = 10−7 d. Umso viel steht das Wasser in der Mitte höher als am Ende. Für Bodensee, Oberen See, Mittelmeer, d. h. L = 60, 600, 3 200 km erhält man h = 0,01 mm, 1 mm, 3 cm, für d = R, d. h. den weltweiten Ozean, h = 60 cm. An den Küsten werden die wirklichen Gezeiten durch Stauwirkung i. Allg. höher. 1.7.15 Tidenhub II Es kommt nicht auf die Beschleunigung a selbst an, sondern auf den dadurch bewirkten Potentialunterschied z. B. zwischen einem Punkt der Erdoberfläche, der direkt unter dem Mond liegt, und einem um 90◦ dagegen verschobenen Punkt. Dieser Potentialunterschied ist aR, und zwar ist das Gezeitenpotential unter dem Mond umso viel geringer. Die Wasseroberfläche ist eine Äquipotentialfläche. Die Differenz im Gezeitenpotential muss durch eine entgegengesetzt gleiche Differenz im Potential des Erdschwerefeldes kompensiert werden, d. h. unter dem Mond steht das Wasser um h höher, sodass gh = aR, h = Ra/g ≈ 0,6 m. Man kann auch sagen:
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Zwischen der 0◦ - und der 90◦ -Gegend zieht die Gezeitenkraft schräg, also bildet die Wasseroberfläche dort eine schiefe Ebene. Deren Neigung ist zwar winzig, aber auf der langen Strecke eines Erdquadranten kommt trotzdem ein ansehnlicher Höhenunterschied zustande. 1.7.16 Gezeitenkraft Der Reifen wird von rechts und links zusammengedrückt, nach oben und unten gezerrt, wenn auch beide Mal nur sehr schwach. Er nimmt ungefähr elliptische Form an. Eine Schnur wird nach einigen Stunden zu einer senkrecht stehenden ,,Ellipse“ mit der kleinen Achse 0; bei höherer Steifigkeit wird die Ellipse immer kreisähnlicher. Der kugelförmige Haufen habe die Masse m, den Radius r und den Abstand d vom Erdmittelpunkt. Auf einen Brocken ganz unten wirkt die Gezeitenbeschleunigung aG = G M/(d − r)2 − G M/d 2 ≈ 2G Mr/d 3 als Differenz zwischen Erdanziehung und Zentrifugalkraft. Die Gravitationsbeschleunigung durch den Haufen selbst ist aH = Gm/r 3 . Ob der Haufen zusammenhält oder sich allmählich zerstreut, hängt davon ab, ob aH ≷ aG , d. h. ob m/r 2 ≷ 2Mr/d 3 . 3 ) die H = 3m/(4πr 3 ) ist die mittlere Dichte des Haufens, E = 3M/(4πR √ 3 3 3 der Erde, also lautet die Bedingung H ≷ 2 E R /d oder d ≷ R 2 E / H . Wenn der Haufen nicht z. B. ein Hg-Tropfen ist, zerreißt er in Erdnähe. Ein Stein ist bis d = 1,6R eigentlich instabil, ein Wassertropfen bis 2,2R. Der Grenzabstand, unterhalb dessen ein Satellit instabil ist, heißt RocheGrenze. Dieser Abstand vergrößert sich gegenüber unserer Abschätzung dadurch, dass der Haufen nicht kugelförmig bleibt, sondern sich nach oben und unten streckt, wodurch der Einfluss der Eigengravitation geschwächt wird. Das Zerreißen innerhalb der Roche-Grenze spielt sich so ab, dass z. B. die inneren Teile auf etwas engere Bahnen fallen und dort schneller umlaufen. Der Haufen zieht sich also nach einiger Zeit zu einem Ring um den Planeten auseinander. 1.7.17 Springflut Die Gezeitenkräfte seitens zweier Körper verhalten sich wie M/d 3 (M: Masse, d: Abstand). Nun ist MMond = MErde /80, MSonne = 3,3 · 105 MErde , aber dSonne = 400dMond , also verhalten sich Beschleunigungen und Hubhöhen von Mond- und Sonnengezeiten wie 2,4 : 1. Wenn Sonne und Mond unter 90◦ stehen (Halbmond), folgt der Flutberg dem Mond, aber mit verminderter Höhe (Nipptiden), bei Voll- oder Neumond addieren sich beide Einflüsse (Springtiden). Im weltweiten Ozean wären die Springfluten etwa 1 m, die Nippfluten nur 0,35 m hoch. Existenz und Form der Küste komplizieren die Situation. 1.7.18 Stationärer Mond Solange die Erde sich schneller dreht als der Mond, und damit die Flutberge umlaufen (Winkelgeschwindigkeit!), erzeugt das Strömen des Wassers, das sich im Flutberg verschiebt, und besonders sein Anprall an die Kontinentalränder eine Bremsung der Erdrotation. Der Drehimpuls, der der Erde so verloren geht, muss in einer Erhöhung des Bahndrehimpulses des Mondes wieder auftauchen. Falls keine äußeren Einflüsse den Mondum-
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lauf bremsen (z. B. die Reibung im interplanetarischen Medium), lautet die Drehimpulsbilanz JErde ωErde + Md 2 ωMond = L = const. Die Reibung hört erst dann auf, wenn Tag und Monat gleich lang geworden sind, d. h. wenn ωErde = ωMond = ω∞ . Hätte die Erde homogene Dichte, dann wäre ihr Trägheitsmoment J = 0,4MErde R2 = 1038 kg m2 . Da der Erdkern schwerer ist, wird J kleiner: J = 0,8 · 1038 kg m2 . Einsetzen der Zahlenwerte ergibt L = 3,6 · 1034 kg m2 /s, wovon 6 · 1033 auf die Erdrotation, 3 · 1034 auf den Mondumlauf entfallen. Wenn der Mond jetzt schon fast das ganze L hat, wird das im Endzustand mit radikal reduziertem ωErde erst recht 2 ω = L. Außerdem gilt auch noch die Kreisbahnbedinso sein: Md∞ ∞ 3 . Man erhält ω = gung, m. a. W. das dritte Kepler-Gesetz: ω20 d03 = ω2∞ d∞ ∞ 1,33 · 10−6 s−1 , d∞ = 6 · 108 m, d. h. Tag und Monat werden 56 heutige Tage lang sein, und der Mond wird dann 1,56-mal weiter entfernt sein als jetzt. 1.7.19 Mondentstehung Gäbe es keine Kontinentalschollen, dann wäre der Ozean überall knapp 4 km tief. Der Flutberg wäre 0,6 m hoch, enthielte also etwa einen Bruchteil 10−4 des gesamten Wassers. Er läuft mit der Geschwindigkeit 500 m/s um die Erde, was bedeutet, dass sich das Wasser im Mittel mit 500 · 10−4 = 0,05 m/s verschieben muss. Am Meeresboden kann man v = 0, an der Oberfläche v = 0,1 m/s ansetzen. Der Geschwindigkeitsgradient ist dv/dz ≈ 0,1 m s−1 /4 000 m ≈ 2 · 10−5 s−1 , die innere Reibung (Kraft/m2 ) η dv/dz ≈ 2 · 10−8 N/m2 (η für Wasser: 10−3 N s/m2 ), die Gesamtkraft auf die Erdoberfläche von 5 · 108 km2 also ungefähr 107 N, das Drehmoment 6 · 1013 N m. Dieses Drehmoment würde den Drehimpuls der Erde von 6 · 1033 N m s in etwa 1020 s ≈ 3 · 1012 a abbremsen. In Wirklichkeit ist die Gezeitenreibung infolge der ,,Rauigkeit“ der Erdoberfläche um mindestens eine Größenordnung höher. Bedenkt man, dass die Fluthöhe und damit das Reibungsmoment mit dem Mondabstand wie d 3 gehen, dann sieht man, dass der Mond in einem ,,Weltalter“ von 1010 a sich durchaus von einer sehr erdnahen Bahn in seine jetzige hinaufspiralt haben kann (Mondabschleuderung aus dem Pazifik nach Darwin-Fowler). Bis zum Endzustand, wo nur noch eine Hälfte der Erde in den Genuss des Mondes kommt, ist es allerdings viel länger hin. 1.7.20 Hat die Bibel doch recht? Venus ist fast 80-mal massereicher als der Mond, Mars etwa 9-mal. Im gleichen Maße würde die Gezeitenreibung bei gleichem Abstand größer sein. Der Mond ist 60 Erdradien entfernt. In etwa 12 Erdradien Abstand würde die Venus einen 80 · 53 ≈ 104 -mal höheren Flutberg auftürmen als der Mond jetzt, also einen Flutberg, der alles Wasser des Ozeans enthielte. Bei Ebbe wäre der Meeresgrund trocken. Häuser, Bäume, selbst Berge, Josua samt Freund und Feind wären mit 500 m/s davongespült worden. Trotzdem würde die Vollbremsung der Erde über 108 Jahre dauern. Man könnte diese Zeit zwar auf etwa 106 a senken, wenn man Venus die Erde fast berühren lässt; dann wären aber selbst die Kontinentalschollen nicht ,,ungeschoren“ geblieben.
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1.7.21 Sind wir doch allein? Eine Sternbegegnung kann nur dann zum Herausreißen von Material führen, wenn sie enger ist als die Roche-Grenze, d. h. wenn die Gezeitenkräfte größer werden als die Eigengravitation. Wenn beide Partner sonnenähnlich sind, liegt die Roche-Grenze bei etwa drei Sternradien: d ≈ 2 · 106 km (vgl. Aufgabe 1.7.16). Die kinetische Gastheorie zeigt, wie man die Häufigkeit so enger Begegnungen bestimmt: Der Stoßquerschnitt ist A = πd 2 ≈ 1013 km2 . Die Sterne haben einen mittleren Abstand von etwa 7 Lichtjahren (gegen das Zentrum der Galaxis stehen sie viel dichter als bei uns). Die Sternzahldichte ist also n ≈ 1/(7 Lichtjahre)3 ≈ 5 · 10−42 km−3 , also die mittlere freie Weglänge l = 1/(n A) ≈ 2 · 1028 km. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 100 km/s passiert einem Stern so etwas alle 1019 Jahre. Nur jeder 109 -te Stern dürfte danach Planeten haben, d. h. das nächste Planetensystem wäre in über 10 000 Lichtjahren Entfernung zu erwarten. 1.7.22 Schwere auf Jupiter Die Schwerebeschleunigung auf einer Kugel vom Radius R (in Erdradien) und der Masse M (in Erdmassen) ist a = gM/R2 . Bei gleicher mittlerer Dichte ist also a ∼ R. Für Merkur, Mars, Ceres, Jupiter, Sonne erhält man folgende Schwerebeschleunigungen: 3,6; 3,8; 0,36; 26; 400 m/s2 (die Masse der Ceres ist hier aus dem Durchmesser geschätzt). Ein 100 kg-Mensch ,,wöge“ 36; 38; 3,6; 260; 4 000 kg. Die Kreisbahnbzw. Entweichgeschwindigkeiten ergeben sich aus den irdischen Werten durch Multiplikation mit dem Radienverhältnis und der Wurzel aus dem Dichteverhältnis. Kreisbahngeschwindigkeiten 3,2; 3,6; 0,38; 43; 530 km/s. 1.7.23 Mondmasse Beim Mond ist es schwierig, wie bei jedem Körper, der selbst keinen Satelliten hat. Die Höhe des Flutberges ergibt eine größenordnungsmäßige Schätzung, nach der der Mond noch immer z. B. einen Eisenkern haben könnte wie die Erde. Die 26 000 a-Präzessionsperiode der Erde liefert einen besseren Wert (Aufgabe 2.4.6). Genaueres erfährt man erst aus sehr präzisen Pendelmessungen der Gezeitenkräfte oder heutzutage, noch vor den direkten Mondflügen, aus den Bahnstörungen künstlicher Erdsatelliten. 1.7.24 7.1.1610 Wir benutzen nur die angegebenen Daten und das 3. keplersche Gesetz, das allerdings erst neun Jahre nach der Entdeckung der Jupiter-Monde veröffentlicht wurde. Hätte Galilei es gekannt, so hätte er gefolgert, dass Jupiter 122/3 ≈ 5,2 Erdbahnradien von der Sonne entfernt ist, also von uns günstigstenfalls 4,2 Erdbahnradien. Wie groß der Erdbahnradius ist, brauchte Galilei nicht zu wissen; Kopernikus hatte ihn etwa 20-mal zu klein geschätzt. Ein Abstand, der aus dieser Entfernung wie 6 ≈ 1,5 · 10−3 rad aussieht, beträgt r ≈ 4,2 · 10−3 ≈ 6 · 10−3 Erdbahnradien. Die Sonne lässt die Erde in einem Erdbahnradius Abstand in einem Jahr umlaufen, Jupiter den Ganymed in 6 · 10−3 Erdbahnradien Abstand in 3,6 d ≈ 0,01 a. Also
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folgt nach dem vollständigen 3. Kepler-Gesetz MSonne /MJupiter ≈ 600 (in Wirklichkeit 1 000). 1.7.25 Hohmann-Bahnen Auf einer Kepler-Ellipse ist bis auf den eigentlichen Start- und Landevorgang, d. h. bis auf die Anpassung an die Bahngeschwindigkeit von Startund Zielplanet sowie die Überwindung von deren Schwerefeldern kein Antrieb nötig. Wir planen einen Flug von einem Planeten mit dem Bahnradius r1 zu einem Planeten mit dem Bahnradius r2 . Offensichtlich sind r1 und r2 der Minimal- bzw. Maximalabstand von der Sonne auf dieser Bahnellipse (Perihel- bzw. Apheldistanz). Die große Halbachse der Bahnellipse ist a = 12 (r√1 + r2 ), die Exzentrizität e = 12 (r1 − r2 ), also die √ kleine Halbachse b = a2 − e2 = r1r2 . Bahnenergie, Drehimpuls und Umlaufzeit √ ergeben sich nach (1.95) bis (1.98) zu W√= −2G Mm/(r1 +r2 ). L = m 2G Mr1r2 /(r1 + r2 ), T = 2π(r1 + r2 )3/2 / 8G M. Wichtig, weil treibstoffverzehrend, sind die Unterschiede zwischen der Raketengeschwindigkeit am Perihel bzw. Aphel und der Geschwindigkeit des Planeten, dessen Bahn dort tangiert wird. Perihel- und Aphelgeschwindigkeit sind v1,2 = L/(mr ) = r2,1 G M/(r1,2 (r1 + r2 )), der tangierte 1,2 = G M/r . Für einen Flug zum Mars mit weicher Planet hat dort v1,2 1,2 Landung braucht man im Ganzen folgende Geschwindigkeiten: Start von der Erde 11,2 km/s. Einschuss in die Kepler-Bahn 3,0 km/s. Anpassung an die Marsgeschwindigkeit 2,7 km/s, Landung 5,1 km/s. Beim Rückflug spart man die 11,2 km/s, da die Erdatmosphäre zur aerodynamischen Bremsung ausreicht. Man kann die Geschwindigkeiten addieren, um den Treibstoffbedarf zu erhalten, der exponentiell mit v geht: 33 km/s, die Gesamtflugzeit ist 1,4 Jahre. 1.7.26 Rotation der Galaxis Die Masse der Sonne ist 2 · 1030 kg, die der ganzen Galaxis M > 1041 kg. Diese Masse ist zwar nicht kugelförmig, sondern als ziemlich flache Scheibe angeordnet. Größenordnungsmäßig liefert aber der Fall der Kugel das Richtige, zumal ein großer Teil der Masse im annähernd kugelförmigen Zentralteil sitzt. Die Bahngeschwindigkeit v der Sonne muss so sein, dass v2 /r = G M/r 2 , mit r = 3 · 104 Lichtjahren ≈ 3 · 1020 m, also v ≈ 140 km/s. Ein voller Umlauf würde etwa 3 · 108 Jahre dauern. Etwa in diesem Abstand folgen die großen Gebirgsbildungs- und Eiszeitperioden aufeinander, z. B. die variskische und die alpine Faltung oder die carbon-permischen und die quartären Eiszeiten. Herrschen an einer bestimmten Stelle der Sonnenbahn besonders ,,revolutionäre“ Verhältnisse? Die Rotationsgeschwindigkeit der Spiralnebel lässt sich direkt aus dem Doppler-Effekt bestimmen und liegt in der erwarteten Größenordnung. 1.7.27 Satelliten-Paradoxon Die Bremsung in der Hochatmosphäre ist so schwach, dass die Bahn praktisch immer kreisförmig bleibt. Dann ist Wkin = − 12 Wpot . Die Reibung lässt die Gesamtenergie W = −Wkin abnehmen, also Wkin zunehmen. Das sieht wie ein rein mathematischer Trick aus. Kräftemäßig gilt aber im-
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mer ω2r = G M/r 2 , also ω ∼ r −3/2 (Kepler). Wenn r langsam abnimmt, steigt ω. Sogar die Bahngeschwindigkeit steigt: v ∼ r −1/2 . Die Schwerkraft gibt dem Satelliten beim Absinken mehr kinetische Energie, als ihm die Bremsung entzieht. 1.7.28 Mondfahrt Die Energie einer Kepler-Bahn hängt von der großen Halbachse a ab wie W = − 12 G Mm/a. Die Startenergie, d. h. die kinetische Energie am Perigäum (r = RE ) ist also für die Mondrakete Wkin = G Mm/RE − 12 G Mm/a, für die Rakete auf der Parabelbahn Wkin = G Mm/RE . Der Unterschied beträgt nur 12 a/RE = 1/120. Wenn man bis zum Mond schießen kann, kommt man mit 0,8% Treibstoff-Mehraufwand auch ganz aus dem Erdschwerefeld weg. Andererseits sieht man, wie wenig Unterschied in der Anfangsgeschwindigkeit dazu gehört, um einige 100 000 km am Mond vorbeizuschießen. 1.8.1 Der brave Mann Bezugssystem des Wassers: Das Boot macht 6,5 km/h, die Flasche bleibt auf der Stelle. Also fährt das Boot ebenso lange von der Flasche weg wie es nachher zu ihr hinfährt, nämlich beide Mal 12 h. Im Bezugssystem des Ufers ist es schwieriger: Stromauf macht das Boot 3,5 km/s, die Flasche treibt mit 3 km/h davon, also sind sie nach 12 h um 3,25 km auseinander. Stromab fährt das Boot mit 9,5 km/h, also mit 6,5 km/h mehr als die Flasche, die folglich nach 12 h eingeholt wird. 1.8.2 Wie verhütet man Tanker-Unfälle? Das Problem scheint zunächst sehr kompliziert, bis man auf die Idee kommt, dass die Bewegung der Schiffe relativ zum Ufer oder zur Radaranlage gar nicht interessiert. Ob es zur Kollision kommt, hängt nur von der Relativbewegung der Schiffe ab. Man betrachte also etwa A als ruhend. Anfangsposition und Kurs von B relativ zu A ergeben sich am schnellsten graphisch durch Subtraktion der Geschwindigkeitsvektoren. Dieses Verfahren gilt natürlich auch für drei und mehr Dimensionen. 1.8.3 Hubble-Effekt Der Schwerpunkt des Granatsplittersystems fliegt auch nach der Explosion ruhig weiter seine Bahn, falls man vom Luftwiderstand absieht, der für die Gesamtheit der Splitter größer ist als für die kompakte Granate. Im Bezugssystem des Schwerpunktes fliegen alle Sprengstücke etwa geradlinig radial auseinander; ebenso wie von jedem Splitter aus betrachtet alle anderen von diesem wegfliegen, und zwar umso schneller, je weiter sie entfernt sind. Ganz ähnlich verhalten sich die Galaxien, von einer beliebigen aus betrachtet, nur lässt sich hier aller Wahrscheinlichkeit nach kein Schwerpunkt des Gesamtsystems angeben, da die Explosion im sphärisch-geschlossenen Raum stattfindet.
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1.8.4 Vollziehen Sie Copernicus nach Diese Konstruktionen kann man nicht so vollständig beschreiben, wie sie es verdienen. Wer in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtausends lebt, sollte sie mindestens einmal gemacht und ihr Gegenstück am Himmel verfolgt haben. Sonst bleibt das moderne Weltbild auswendig gelerntes Schulwissen. Die erste Erkenntnis ist, dass die Rückläufigkeiten der Planeten, für die Ptolemaios besondere Epizyklen erfand, einfach darauf beruhen, dass die Erde den Planeten überholt bzw. von ihm überholt wird. Das entspricht der Opposition für die äußeren, der ,,oberen“ Konjunktion für die inneren Planeten. Besonders auffällig ist das beim Mars. Daher wohl auch dessen Name: Während er hartnäckig rückwärts stürmt, schwillt er enorm an (bis Jupiter-Größe), und erst kurz bevor er aufgibt, wird er wieder kleiner (vgl. Ilias 21, 400). Auch die Unregelmäßigkeiten in diesem Verhalten sind beim Mars mit seiner stark elliptischen Bahn am auffälligsten. 1.8.5 und 1.8.6 Von Newton zu Einstein Schupo und Newton haben das herkömmliche Bezugssystem des Erdbodens gegen das frei fallende System der Nonkonformisten zu verteidigen. Im letzteren lassen sich die Ereignisse zunächst viel einfacher beschreiben, denn mysteriöse Fernkräfte wie die Gravitation fallen ganz weg; alle Beschleunigungen sind auf unmittelbar verständliche Nahkräfte (Zug, Stoß usw.) zurückzuführen. Newton muss beschleunigt sein, weil der Garten ihn vor sich herschiebt, der Garten wird von tieferen Erdschichten geschoben – warum schiebt aber Neuseeland? Warum sind völlig freie neuseeländische Äpfel sogar mit 2g beschleunigt? Auch der Apfel kommt nur in seiner unmittelbaren Umgebung ohne Fernkräfte aus. Wir würden von Gezeitenkräften reden. Einstein würde sagen: Diese Kräfte, wie alle gravitativen Fernkräfte, beruhen darauf, dass sich die Raumkrümmung in der Umgebung von Materie nicht verzerrungsfrei auf ein ebenes Bezugssystem abbilden lässt, sei es das des Apfels oder das Newtons, und zwar ebenso wenig, wie sich die Erdoberfläche in einer ebenen Karte darstellen lässt. Die dafür verantwortliche ,,absolute“ Krümmung ist der eigentliche Inhalt des einsteinschen Gravitationsgesetzes. Es geht dem Apfel wie dem Griechen, der die Erde für flach hielt und dementsprechend eine mercatorähnliche Weltkarte zeichnete. Als er unwiderlegliche skythische Berichte über Tagesmärsche in der nordrussischen Tundra erhielt, die auf seiner Karte ganz unerklärlich lang aussahen, folgerte er, die Barbaren seien mit umso größeren Kräften begabt, je weiter sie von Hellas’ erschlaffender Zivilisation entfernt wohnten. – Newton kann übrigens noch für sich vorbringen, dass er seine Fernkräfte wenigstens symmetrisch um die offensichtlich singulären Himmelskörper verteilt, während der Apfel sie anscheinend nur auf seine eigene ziemlich bedeutungslose Person bezieht. Aber das ist mehr ein ästhetisches Argument. 1.8.7 Windrichtung Luftmassen werden beschleunigt, wenn der Druck in einer bestimmten Richtung abnimmt (Kraftdichte = − grad p). Auf strömende Luft wirken senkrecht zu v die Coriolis-Kraft (Kraftdichte = 2 v × w, w Kreisfre-
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quenzvektor der Erdrotation) und entgegengesetzt zu v die Reibung (Kraftdichte = −kv). Wir lassen die Reibung zunächst weg. Dann lautet die Bewegungsgleichung ¨v = − grad p + 2 v × w. Großräumige und langdauernde Strömungen sind stationär, d. h. alle Beschleunigungen sind auf 0 abgeklungen. Dann folgt 2 v × w = grad p. Welche stationäre Strömung stellt sich bei gegebenem grad p ein? v steht nach Definition des Vektorproduktes auf v × w, also auch auf grad p senkrecht, d. h. erstaunlicherweise kreist die Luft um die Hochs und Tiefs, ohne einen Druckausgleich zu vermitteln. Jetzt führen wir die Reibung ein. Die Bewegungsgleichung wird ¨v = − grad p + 2 v × w − kv, bei Stationarität 2 v × w − kv = grad p. Überwöge das Reibungsglied, so wäre v = −k−1 grad p: Die Luft strömte direkt vom Hoch ins Tief. Der Kompromiss zwischen Coriolis-Kraft und Reibung besteht darin, dass der Wind schräg aus dem Hoch heraus und ins Tief hineinströmt. Das Tief liege z. B. westlich vom Hoch: grad p zeigt nach Osten, die Luft strömt etwa nach NW, die CoriolisKraft zeigt nach NO und addiert sich mit der Reibung, die nach SO zeigt, zum Ost-Vektor grad p. Der Winkel zwischen v und − grad p hängt vom Verhältnis zwischen Coriolis-Kraft und Reibung ab. In den Tropen ist die Horizontalkomponente der Coriolis-Kraft am kleinsten, der Winkel am spitzesten: Tropische Tiefs gleicher Stärke füllen sich schneller auf. Der Koeffizient k lässt sich so abschätzen: In einer bodennahen Schicht der Dicke d ≈ 1 m nimmt v von v0 (Höhenwind) auf 0 ab, und zwar ungefähr parabolisch: v ≈ v0 h 2 /d 2 . Der Geschwindigkeitsgradient ist dv/dh ≈ 2v0 h/d 2 . Ein Luftwürfel der Kante a erfährt an seiner oberen Fläche die Kraft a2 η2v0 h/d 2 , unten a2 η2v0 (h − a)/d 2 , im Ganzen also die Bremsung a3 2ηv0 d −2 . Die Kraft auf die Volumeneinheit ist 2ηv0 /d 2 , also k = 2η/d 2 . Luft hat η = 1,7 · 10−5 Pa s, also k ≈ 10−5 Ns/m4 , d. h. etwas kleiner als 2 ω. Der Wind geht also etwa unter 45◦ zu − grad p. Seine Geschwindigkeit ist bis auf Richtungscosinus v ≈ grad p/(2 ω). Im Beispiel: grad p ≈ 40 mbar/3 000 km ≈ 10−3 N/m3 , also v ≈ 7 km/h. 1.8.8 Wer irrte hier? Die Coriolis-Beschleunigung für einen Satelliten, der mit 8 km/s in der Äquatorebene kreist, ist 2vω = 1,6 · 104 m s−1 · 7,2 · 10−5 s−1 = 1,2 m/s2 , also nur 0,12 g. Tatsächlich ist es die Zentrifugalkraft, die den Satelliten trägt. Die Coriolis-Kraft tritt überhaupt nur auf, wenn man die Bewegung im Bezugssystem des Erdbodens beschreibt. Dann ändert√sich die im Inertialsystem nötige Kreisbahngeschwindigkeit von v0 = gR auf v1,2 = v0 ± ωR, je nachdem, ob der Satellit ost-westlich oder west-östlich kreist. Die im Erdsystem berechnete Zentrifugalbeschleunigung wäre daher im ersten Fall größer, im zweiten kleiner als g. Für den Unterschied 2 /R ≈ g ± 2ωv . kommt genau die Coriolis-Beschleunigung auf: v1,2 0 1.8.9 Raumstation Damit die ganze Besatzung in den Genuss der heimatlichen Beschleunigung g kommt, müssen die Mannschaftsräume als Ring z. B. vom Radius R angelegt werden, der mit der Kreisfrequenz ω rotiert, sodass ω2 R = g (z. B. bei R = 30 m: ω = 0,55 s−1 , T = 11,5 s). Dann ist an Bord alles normal,
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solange man sich nicht bewegt. Rennt jemand aber z. B. mit v = 10 m/s den Ringkorridor entlang, dann schiebt ihn die Coriolis-Kraft mit 2ωv, was im Beispiel fast gleich g ist, nach oben bzw. unten, je nachdem ob er gegen die Rotation der Station oder mit ihr läuft. Er fühlt sich also entweder doppelt so schwer oder ,,geht in die Luft“. Die Füße, die sich sogar etwa doppelt so schnell bewegen wie der Mann, werden bleischwer oder ebenso unangenehm leicht. Für den Beobachter außerhalb der Station ist dieses Verhalten nicht erstaunlich: Der Mann, der gegen den Drehsinn läuft, steht ja eigentlich fast still, für ihn ist also die Zentrifugalkraft aufgehoben; der andere hat seine Umlaufgeschwindigkeit fast verdoppelt. 1.8.10 Berg- und Wiesenufer Selbst ein reißender Fluss strömt im Mittel höchstens mit v = 2 m/s, für Flachlandflüsse ist 1 m/s schon sehr viel. Die Coriolis-Beschleunigung ist dann 2vω < 10−4 m/s2 ≈ 10−5 g. Das Wasser eines 1 km breiten Stroms auf der nördlichen Halbkugel kann also tatsächlich am rechten Ufer bis zu 1 cm höher stehen als am linken. Sind Bodenwellen vorhanden, so wäre es denkbar, dass sich der Fluss nach rechts an sie heranarbeitet. Bei v = 30 m/s (Eisenbahn) ist 2vω = 5 · 10−4 g. Die geringste Abweichung der Gleisverlegung von der Horizontalen (um 0,1 mm) oder die leiseste Kurve (Kurvenradius ≈ 200 km!) hätte einen stärkeren Effekt auf die Asymmetrie der Abnutzung. 1.8.11 Foucault-Pendel Hängt das Pendel am Pol, dann kann man einfach sagen: Seine Schwingungsebene bleibt raumfest, die Erde dreht sich mit ωE darunter weg, also dreht sich die Schwingungsebene relativ zum Erdboden mit der Winkelgeschwindigkeit ω = −ωE . In der Breite ϕ ± 90◦ ist es schwieriger, denn die Pendelebene kann nicht raumfest bleiben, weil sich die g-Richtung, vom raumfesten System aus gesehen, ständig ändert. Wir überlegen so (Abb. 1.63): Auf der kleinen Strecke ∆s, d. h. in der Zeit ∆t = ∆s/v, sammelt sich die Quergeschwindigkeit v⊥ = a⊥ ∆t = 2vωE sin ϕ∆s/v an. Im Mittel gilt auf der Strecke ∆s die Hälfte davon: v⊥ = ωE sin ϕ∆s. Sie ergibt in der Zeit ∆t die Ablenkung ∆s = v⊥ ∆t = ωE sin ϕ∆s∆t, also den Ablenkwinkel ∆α = ∆s /∆s = ωE sin ϕ · ∆t, d. h. die Drehgeschwindigkeit der Pendelebene von ∆α/∆t = ωE sin ϕ. In München (ϕ = 48◦ ) dauert eine volle Drehung 1/ sin ϕ = 1,35 Tage. 1.8.12 Schuss auf der Scheibe In der Zeit t = r/v erreicht die Kugel den Baum B, falls er auf demselben Kreis mit dem Radius r = vt um M liegt wie A, aber um den Winkel ωt unter der Horizontalen. B liegt bei x = vt cos ωt, y = vt sin ωt. Die gekrümmte Bahn MB ist länger als die Gerade M A, also ist die Kugel für den Scheibenmann schneller geflogen als für den ruhenden, nämlich mit v mit den Komponenten x˙ = v cos ωt − vtω sin ωt, y˙ = v sin ωt + vtω cos ωt, v2 = v2 + v2 ω2 t 2 = v2 + ω2 r 2 . Der mit der Zeit anwachsende Energiezuwachs 12 m(v2 − v2 ) = 12 mω2r 2 beruht auf der Zentrifugalkraft; mω2r ist die Ableitung des Zentrifugalpotentials 12 ω2r 2 . Dies ist in Abschn. 1.8.4
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gegen die Coriolis-Beschleunigung vernachlässigt. Das ist erlaubt, wenn ω2r ωv, also v v, z. B. für eine Pistolenkugel auf einer nur mit einigen U/min rotierenden Scheibe oder auf der Erde (wo als ωr nur die Differenz der Bahngeschwindigkeiten der Erde zwischen End- und Anfangspunkt der Bahn zur Geltung kommt). 1.8.13 Trägheitskräfte Wir betrachten zwei Bezugssysteme, das Inertialsystem S und das System S , das gegenüber S mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotiert. Die Drehachse soll durch die Ursprünge von S und S gehen, d. h. diese Ursprünge fallen immer zusammen, und bei t = 0 sollen auch die entsprechenden Achsen zusammenfallen. Ein Punkt, der in S den Ortsvektor r hat, hat in S zur Zeit t = 0 den gleichen Ortsvektor r = r, aber die in beiden Systemen gemessenen Geschwindigkeiten sind verschieden. Wenn man von S aus einen Körper bei r mit v fliegen sieht, ist er in S bei r und fliegt mit v = v + r × ω. r × ω ist nämlich die Geschwindigkeit, mit der sich ein fester Punkt von S bewegt, wenn man ihn von S aus beobachtet. Überhaupt ergibt sich die zeitliche Ableitung jedes Vektors b in S so: Man bilde die zeitliche Ableitung b˙ in Bezug auf S und addiere b × ω. Wir bezeichnen die zeitliche Ableitung in S mit dem Punkt, die in S durch d/dt. Dann wird die Beschleunigung in S dv /dt = v˙ + v × ω = r¨ + r˙ × ω + r × ω˙ + v × ω = r¨ + 2v × ω − (r × ω) × ω + r × ω˙ . r¨ gibt die durch echte (Nichtträgheits-)Kräfte bewirkte Beschleunigung, 2v × ω ist die Coriolis-Beschleunigung, −r × ω × ω die Zentrifugalbeschleunigung, r × ω˙ die Beschleunigung infolge Änderung der Drehgeschwindigkeit. Dieser Ausdruck gibt alle Richtungseigenschaften richtig wieder: −(r × ω) × ω zeigt immer nach außen und hat den Betrag ω2r, wo r der Abstand senkrecht zur Drehachse ist; 2v × ω steht immer senkrecht auf v und ω; r × ω˙ steht senkrecht auf r und ω, wenn ω sich der Größe, aber nicht der Richtung nach ändert; wenn sich ω dreht, kommt ebenfalls die richtige Beschleunigungsrichtung heraus. 1.8.14 Kosmische Tankstellen √ Auf jeder Planetenbahn braucht eine Rakete die Geschwindigkeit vP 2, um aus dem Sonnensystem entweichen zu können (vP : Kreisbahngeschwindigkeit des Planeten). Von der Erde aus sind das 42,3 km/s, vom Jupiter, der 5,2-mal weiter draußen ist, also mit vP = 13,2 km/s fliegt, braucht man 18,7 km/s. Wir betrachten die Begegnung Rakete–Jupiter im Bezugssystem des Jupiter. Die Rakete beschreibt eine Kepler-Hyperbel um ihn. Der ,,Stoß“ ist elastisch, Energie wird praktisch auf den schweren Jupiter nicht übertragen. Vor- und nachher herrscht der gleiche Geschwindigkeitsbetrag v1 . Man richte es so ein, dass die Raketenbahn symmetrisch zur Jupiterbahn liegt mit den Asymptoten unter einem Winkel ±ϕ dazu. Aufs Bezugssystem der Sonne umgerechnet (überall vJ addiert) erhält man vor und nach dem Stoß v1,2 = vJ2 + v12 ± 2vJ v1 cos ϕ, also v22 = v12 + 4vJ v1 cos ϕ. Offenbar ist der Gewinn bei ϕ = π maximal,
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also wenn die Rakete Jupiter direkt entgegenfliegt (im J-System), bzw. wenn ihre Bahn die Jupiters tangiert und sie langsamer ist als vJ . Dann ist v2 = 2vJ − v1 . Eine Hohmann-Ellipse tangiert und ist am ökonomischsten. Für einen beliebigen Planeten in r Erdbahnradien√Abstand ist nach Aufgabe 1.7.25 die Ankunftsgeschwindigkeit v1 = 2/(r(1 + r)) · 30 km/s die Fluchtge(r hier Radienverhältnis √ √ √zur Erdbahn). v2 soll√mindestens schwindigkeit vP 2 = 2/r · 30 km/s sein. 2/ r − 2/(r(1 + r)) 2/r. Das entspricht r 4,83. Jupiter mit r = 5,2 ist der erste Planet, bei dem der Effekt für eine Hohmann-Bahn funktioniert. Der Start von der Erde erfolgt tangential zur Bahn, also um Mitternacht nach Osten (Erdrotation ausgenutzt). Nach dem Entweichen aus dem Erdfeld müssen noch 8,3 km/s bleiben. Damit die Jupiterbahn allerdings auch nur auf 105 km genau tangiert wird, muss diese Geschwindigkeit auf 1‰ genau eingehalten (oder später korrigiert) werden. Wie nahe muss man an Jupiter vorbeizielen, damit die Ablenkung fast 180◦ ist? Für eine so schlanke Hyperbel mit ε wenig größer als 1 ist b ≈ p ≈ L 2 /Gm 2 M, L = mbv1 , also b ≈ G M/v12 ≈ 2,4 · 105 km ≈ 3 Jupiter-Radien. Damit erreicht man allerdings keine Umlenkung um 180◦ , sondern nur um 180 − 2ϕ, wo ϕ ≈ b/a ≈ (e − a)/b. e − a muss mindestens ein Planetenradius sein, also folgt ϕ = 20◦ , Umlenkung um 140◦ . Dabei werden noch 94% des Maximalimpulses ausgenutzt. Man braucht nur 0,2 km/s zur Hohmann-Geschwindigkeit zuzugeben. 1.8.15 M. Cinglés Paradoxon Damit, dass die Energie des Geschosses in den Bezugssystemen Erde und Zug verschieden ist, kann man M. Malin nicht widerlegen. Er zieht den Schuss im Wald ja nur zum Vergleich heran, sonst argumentiert er konsequent im Bezugssystem Zug. Man darf aber nicht vergessen, dass Cinglé und TGV beim Abschuss einen Rückstoß erfahren, also verlangsamt werden, wenn auch völlig unmerklich, nämlich um w = mv/M (M: Masse des Zuges). Damit verringert sich die kinetische Energie des Zuges um 1 1 2 2 2 2 Mv − 2 M(v − w) = Mwv = mv , und dies sind die fehlenden zwei ,,Einheiten“, die dem Geschoss zugute kommen müssen.
= Kapitel 2: Lösungen . . . 2.2.1 Die folgsame Garnrolle Die Garnrolle kann so liegen, dass sich der Faden von oben oder dass er sich von unten abspult. Im ersten Fall gibt es kein Problem, dann rollt die Garnrolle immer in Richtung des Zuges am Faden. Der Faden laufe also von unten ab. Wir betrachten reines Rollen, kein Gleiten. Man hüte sich vor allem, die Rollenachse als Drehachse zu betrachten; dadurch wird alles viel schwieriger. Momentane Drehachse ist die Verbindungslinie der beiden Punkte, wo die Rolle den Boden berührt. Zieht man unter einem zu steilen Winkel, dann läuft die Verlängerung des Fadens unterhalb dieser Drehachse vorbei, und der Zug am Faden erzeugt ein Drehmoment, das die Rolle nach hinten, weiter unter das Bett dreht. Man muss so flach ziehen, dass diese Verlängerung oberhalb der Drehachse läuft. Bei sehr
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voller Rolle ohne erhöhten Rand ist der kritische Winkel oft sehr klein. Dann kann man notfalls etwas abwickeln, bis die Rolle gehorsamer wird. 2.2.2 Wer dreht den Kerl? Sobald er die Kreiselachse schwenkt, empfindet der Mann ein Drehmoment, das sehr groß werden und ihn vom Schemel werfen kann, wenn er diese Schwenkung zu plötzlich macht und der Kreisel sehr massiv ist und sehr rasch rotiert. Das entgegengesetzte Drehmoment wirkt nach dem Reaktionsprinzip auf den Kreisel selbst. Die entsprechenden Kräfte sind dieselben, die den Kreisel senkrecht zu seiner Drehachse und der beabsichtigten Schwenkrichtung ausweichen lassen. Der Mann muss also nicht hochdrücken, sondern kräftemäßig so tun, als wolle er die Achse in einer horizontalen Ebene schwenken, wodurch er sich selbst in Drehung versetzt. Der entsprechende Drehmomentvektor steht z. B. im ersten Augenblick, wo die Kreiselachse noch waagerecht liegt, in Richtung der Schemelachse, allgemein immer senkrecht zur Kreiselachse. Daher hat dieses Drehmoment keinen Einfluss auf den Drehimpuls des Kreisels selbst um seine Achse. Die Rotationsenergie, die der Mensch aufnimmt, bezieht er aus der Arbeit seiner Muskeln, mit denen er sich von der Kreiselachse abdrückt. 2.2.3 Motor-Drehmoment Dreharbeit = Drehmoment · Drehwinkel, also Leistung = Drehmoment · Winkelgeschwindigkeit, ganz analog wie sich bei Translation Leistung als Kraft · Geschwindigkeit ergibt. 1 U/min entspricht ω = 2π/60 = 0,105 s−1 , also gibt ein Motor der Leistung P (in W) ein Drehmoment D = P/ω = 60P/(2π f ) N m = 9,5P/ f N m her. 1 PS = 736 N m/s = 736 W, also mit P in PS: D = 7 026P/ f N m. Ein 40 PS-Motor zieht bei 3 000 U/min mit 100 N m, könnte also beim Übersetzungsverhältnis 1 ein 1 000 kg-Auto mit 0,4 m Reifenradius nur eine Steigung von 2,5% hochziehen. Selbst der 4. Gang ist also offenbar etwa 3-mal untersetzt, der 1. mehr als 10-mal, wenn er allen Alpenpässen gewachsen sein soll. Jede Übersetzung durch Getriebe, Riemen oder einfach durch Radienänderung lässt, bis auf Reibungsverluste, die Leistung unverändert (Energiesatz!), kann aber Drehzahl und Drehmoment in entgegengesetztem Sinn ändern. 2.2.4 Luftauftrieb Die Laborluft (20 ◦ C) hat die Dichte L = 1,21 · 10−3 g/cm3 . Hat das Wägegut die Masse m und die Dichte W g/cm3 , so ist sein Gewicht um den Auftrieb mg L / W , das der Messinggewichte um mg L / M verringert. Für jedes Gramm, das die Waage anzeigt, muss man also ∆m = 1,21(1/ W − 1/ M ) Milligramm dazuzählen, z. B. bei W = 1 g/cm3 : ∆m/m = 0,97 mg/g. 2.2.5 Schwungrad Die speicherbare Energie ist W = 12 Jω2 , also mit dem Trägheitsmoment J = 12 MR2 für eine homogene Kreisscheibe W = 14 MR2 ω2 . Die zulässige Umfangsgeschwindigkeit v = Rω ist nach Aufgabe 3.4.2 durch
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die Zerreißfestigkeit σ0 des Materials bestimmt: v2 ≈ σ0 . Die spezifische Speicherfähigkeit ergibt sich also als W/M ≈ 14 σ0 / und ist somit erstaunlicherweise umgekehrt proportional zur Dichte. Kunststoffe mit der Zerreißfestigkeit von Stahl, wie man sie heute herstellen kann, speichern also mehr als fünfmal besser als Stahl, nämlich mehr als 105 J/kg (σ0 = 109 N/m2 ). Ein Bleiakku von 12 V, 90 Ah, der ca. 1 kWh = 3,6 · 106 J enthält, wiegt 20 kg, speichert also nicht besser als das Schwungrad. Ein 200 kg-Schwungrad kann 4 · 107 J speichern, was bei dem nur 20%igen Wirkungsgrad des Ottomotors ca. 5 l Benzin (Brennwert 3,7 · 107 J/kg) gleichwertig ist, also einen PKW ca. 50 km weit treiben könnte, bevor an der nächsten Station ,,aufgetankt“ wird. Die einzige Schwierigkeit liegt in der Sicherheit: Wer will ein Ding unter der Kühlerhaube haben, das, wenn es platzt, Masse und Geschwindigkeit einer Granate hat? Die Schwungradachse muss senkrecht stehen, sonst erlebt man Überraschungen beim Kurvenfahren, d. h. beim Schwenken der Achse. 2.3.1 Standfeste Dose Während der Bierspiegel (Höhe h) von ,,ganz voll“ (h = H ) auf ,,ganz leer“ (h = 0) sinkt, fällt gleichzeitig der Schwerpunkt der ganzen Dose von h = H/2 auf einen zu bestimmenden Minimalwert, kommt aber für die leere Dose wieder bei H/2 an. Es muss also einen Füllungsgrad geben, wo der Schwerpunkt genau im Bierspiegel liegt. Der Verdacht liegt nahe, dass diese Koinzidenz etwas Besonderes bedeutet, vielleicht sogar die gesuchte tiefste Schwerpunktslage. Wir prüfen diese Vermutung und stellen uns dazu vor, das Bier sei gefroren, sodass man die Dose auf die Seite legen und den Schwerpunkt durch Balancieren auf einer Messerschneide bestimmen kann, sagen wir, mit dem gefüllten Teil der Dose rechts. Betrachten wir den Zustand, wo der Schwerpunkt im Bierspiegel liegt. Fügen wir etwas Biereis hinzu, so wird die Dose links schwerer und kippt nach dort: Der Schwerpunkt ist nach links (d. h. für die stehende Position nach oben) gerutscht. Nehmen wir etwas Bier weg, so wird sie rechts leichter und kippt ebenfalls nach links: Der Schwerpunkt ist wieder nach oben gewandert. Damit ist die Minimumeigenschaft des betrachteten Zustandes bewiesen. Wenn man so viel weiß, kann man die Höhe des tiefsten Schwerpunkts sofort angeben, sobald man das Massenverhältnis von voller und leerer Dose hat. Zum Beispiel: m v = 400 g, m l = 100 g. Der Schwerpunkt der leeren Dose liegt bei H/2, der des Bierrestes bei h/2; diese Restfüllung hat die Masse m r = (m v − m l )h/H, der Schwerpunkt der Gesamtdose liegt bei η=
1 m l (H 2 − h 2 ) + m v h 2 , 2 m 1 (H − h) + m v h
was gleich h sein muss (Schwerpunkt im Bierspiegel). Für unser Zahlenbeispiel: Füllungsgrad η/H = 1/3. Die analytische Lösung ist wirklich viel primitiver: Man stellt die Schwerpunktshöhe η allgemein als Funktion des Bierniveaus h dar (s. o.). Nullsetzen der Ableitung nach h ergibt dasselbe wie die Nichtanalytiker-Lösung, die den Vorzug hat, dass ihre
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Schlussfolgerung (Schwerpunktsminimum im Bierspiegel) z. B. auch für Flaschen gilt. 2.3.2 Kettenlinie Faden, Seil oder Kette können Kräfte nur in ihrer eigenen Richtung übertragen: Die Kraftrichtung ist Tangentenrichtung an die gesuchte Kurve, die Kettenlinie. Die Horizontalkomponente F= ist gleich dem horizontalen Zug am Aufhängepunkt und ist überall im Faden gleich groß. Die Vertikalkomponente ändert sich, wenn man in Fadenrichtung um ds nach oben fortschreitet, um das Gewicht dieses Fadenstücks: d F /ds = g ( : Fadenmasse/Längeneinheit). Die Steigung der Ketten linie, d y/dx = F /F= , ändert sichalso gemäß d y /ds = g /F= . Wegen ds = dx 1 + y2 folgt daraus d y / 1 + y2 = g dx/F= , oder nach Integration arsinh y = g x/F= (x = 0 soll am tiefsten Punkt des Fadens sein, wo y = 0 ist). Also y = sinh(x/a) mit a = F= /g, und y = a cosh(x/a). Die Kettenlinie ist eine cosinus hyperbolicus-Kurve. Genauere Analyse liefert einige bemerkenswerte Eigenschaften der Kettenlinie oder Catenoide: Sie ist die Evolute der Traktrix oder Schleppkurve (Aufgabe 1.2.5), d. h. sämtliche Krümmungsmittelpunkte der Traktrix bilden die Kettenlinie. Bei der Rotation um die x-Achse bildet die Kettenlinie eine Fläche, ein Catenoid, dessen mittlere Krümmung R1−1 + R2−1 überall gleich ist (Aufgabe 3.2.10), ähnlich wie die durch Rotation der Traktrix entstehende Fläche, die Pseudosphäre, ein überall gleiches gaußsches Krümmungsmaß R1−1 · R2−1 hat. 2.3.3 Hirtenunterschlupf Der Witz ist, dass man von oben anfängt beim Denken, wenn man es beim Bauen schon nicht kann. Der oberste Ziegel kann offenbar fast um seine halbe Länge den darunterliegenden überragen. Der Schwerpunkt dieser beiden liegt dann auf 14 ihrer Länge, und um so viel darf der zweite Ziegel den dritten überragen. Die drei zusammen haben ihren Schwerpunkt auf 16 der Länge des dritten, und dies ist dessen maximaler Überstand. Allgemein: Die n obersten Ziegel haben ihren Schwerpunkt nach Bauvorschrift am Ende des n + 1-ten, dieser hat seinen Schwerpunkt natürlich auf der Hälfte seiner Länge, also liegt der Schwerpunkt der n + 1 Ziegel auf n/2 der Länge N−1 1/n des n + 1-ten. N Ziegel erlauben einen Gesamt-Überhang von 12 n=1 Ziegellängen. Diese ,,harmonische Reihe“ ist divergent, wenn auch nur sehr langsam, d. h. man kann mit hinreichend vielen Ziegeln jeden noch so großen Überhang erreichen! Für eine Ziegellänge muss man 5, für zwei Längen 32, drei Längen 228, vier Längen 1 675 Ziegel hochstapeln. Nicht sehr bequem zu bauen, wenn alle auf der Kippe liegen. Trotzdem sind die provencalischen ,,Bóris“ so gebaut (flache Platten). Der Schlussstein, der das Ganze schließlich gegen Störungen stabilisiert, klemmt nicht. 2.3.4 Rutschen oder rollen? Wenn der Zylinder, Masse M, Radius R, mit der Geschwindigkeit vgl 2 . Wenn er mit der gleitet, hat er die kinetische Energie Wgl = 12 Mvgl Geschwindigkeit vr rollt, ohne zu rutschen, muss er mit der Winkelge-
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schwindigkeit ω = vr /R rotieren, hat also zusätzlich eine Rotationsenergie 1 2 2 Jω . Sein Trägheitsmoment J ist (wie das der Kreisscheibe, (2.6)) J = 12 MR2 , also Wrot = 14 Mvr2 , und die Gesamtenergie beim Rollen Wr = 34 Mvr2 . Beim Heruntergleiten bzw. -rollen steht die gleiche potentielle Energie zur Verfügung (ohne Reibungseinfluss, der allerdings beim Gleiten größer ist); also ist die Rollgeschwindigkeit √ in jeder Höhe kleiner als die Gleitgeschwindigkeit: Wgl = Wr ⇒ vgl = 1,5vr = 1,22vr . 2.3.5 Hohlkugel Man lässt die beiden Kugeln eine schiefe Ebene hinunterrollen. Die hohle hat ein größeres Trägheitsmoment, muss einen größeren Anteil der potentiellen Energie in Rotationsenergie investieren und rollt daher langsamer. 2.3.6 Schwingende Tür Der Schwerpunkt der Tür (Masse M, Trägheitsmoment J) sei um b von der Drehachse entfernt. Dann hängt der Schwerpunkt in seiner tiefsten Lage um b sin α tiefer als in seiner ,,Normallage“, in der die Tür dagegen um 90◦ geschwenkt ist. Während dieser 90◦ -Auslenkung übt also die Schwere im Mittel ein Drehmoment D = Wpot /(π/2) = gMb sin α/(π/2) aus, die Winkelrichtgröße ergibt 2 sich zu√k = D/(π/2) √ = (4/π )gMb sin α, die Schwingungsdauer zu 2 T = 2π J/k = π J/(gMb sin α). Ist die Tür symmetrisch gebaut zu einer normalerweise senkrechten Achse durch den Schwerpunkt, so ist das Trägheitsmoment um diese Achse J < Mb2 , also um die Achse, die durch die Angeln Satz Mb2 < J < 2Mb2 . Also √ geht, nach dem steinerschen √ ergibt sich 14 b/(2g sin α) < T < 14 b/(g sin α). Die genauere Rechnung nach der sphärischen Trigonometrie liefert für kleine √ Auslenkungen (das Kraftgesetz ist nicht exakt quasielastisch) T = 2π J/(2gMb sin α), also etwa halb so viel. Die Ableitung ergibt sich aus Abb. L.4: Stünden die Angeln senkrecht, dann würde sich der Schwerpunkt längs der horizontalen Bahn BA A schwenken. In Wirklichkeit läuft er auf einem dagegen um α geneigten Kreis BCC . Es sei C die tiefste Schwerpunktlage. Beim Ausschwenken um ϕ aus dieser Lage liegt der Schwerpunkt bei C, d. h. um h = b sin η tiefer als bei senkrechten Angeln, wo er bei A läge. η ergibt sich aus dem Sinussatz im Kugeldreieck ABC: sin η = sin α sin(90◦ − ϕ) = sin α cos ϕ. Es ist also h = b sin α cos ϕ, d. h. das Kraftgesetz ist genau im gleichen Grade quasielastisch wie beim Fa-
B α 90 ⫺ φ
A η b η C
α
A⬘ α
φ
C⬘
Abb. L.4. Weg des Schwerpunktes einer Tür mit senkrechten Angeln (BA A ) und mit schrägen Angeln (BCC )
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denpendel. b sin α spielt die Rolle der Pendellänge. √ Beim Fadenpendel ist h = l cos ϕ, J = Ml 2 , es folgt hier wie dort T = 2π J/(Mgl). 2.3.7 Auswuchten von Rädern Statische Unwucht äußert sich darin, dass die Achse nicht durch den Radschwerpunkt geht, dynamische darin, dass die Achse nicht mit einer Hauptträgheitsachse zusammenfällt. Dynamische Unwucht kann auch vorliegen, wenn die statische ausgeglichen ist. Sie macht sich erst beim Rotieren durch Ansätze zu Nutationsbewegungen um die Hauptträgheitsachse bemerkbar. Ein Dutzend Steine von etwa 1 cm Durchmesser haben zusammen 10 bis 20 g. Bei v = 160 km/h = 45 m/s – dies ist auch die Bahngeschwindigkeit des Reifenumfangs – zerrt eine Zentrifugalkraft von mv2 /r ≈ 100 N periodisch seitlich an der Achse. Falscher Radsturz führt zu erhöhter Abnutzung innen oder außen auf der Lauffläche. Da der Materialverlust normalerweise gleichmäßig über den Umfang verteilt ist, sollte er die Auswuchtung nicht beeinträchtigen. Hat man Ausgleichsgewichte von verschiedener Größe, die man in festem Abstand (am Felgenrand) festklemmt, so reicht für das statische Auswuchten schon eines aus. Für das dynamische Auswuchten braucht man u. U. ein weiteres. 2.3.8 Sprungbrett Wenn das Sprungbrett mit der Amplitude a und der Periode T , also der Kreisfrequenz ω = 2π/T schwingt, hat sein Endpunkt die Maximalgeschwindigkeit v = aω (1,2 m/s). Lässt der Springer bei der Vorwärtsneigung α0 seinen Füßen diese Geschwindigkeit erteilen, so nimmt sein Körper eine Drehgeschwindigkeit α˙ = v sin α0 /H(≈ 0,6 s−1 ) an, dazu eine Aufwärtskomponente der Translation von va = v cos α0 . Sein Drehimpuls ist, wenn er sofort abspringt, L = Jv sin α0 /H. Mit dieser Winkelgeschwindigkeit α˙ vollführt er einen vollen Salto (α = 2π) in t = 2πH/(v sin α0 )(≈ 10 s), wenn er ausgestreckt bleibt. Durch Zusammenrollen des Körpers kann er sein J fast auf 1/10 verringern, also α˙ fast verzehnfachen und den Salto auf etwas mehr als 1 s, d. h. die Fallzeit für 5 m, zusammendrängen. 2.3.9 Kippende Mauer Stehende Mauer der Höhe H: Auf ein Stück dx der Mauer wirkt senkrecht zur Mauer die Kraft d F = Ag sin α dx (A: Querschnittsfläche der Mauer, : Dichte des Materials). Auf einen Querschnitt H im Abstand h vom Boden wirkt das Knickmoment D(h) = h (x − h) d F(x) = 12 Ag sin α(H − h)2 . Dieses Moment ist maximal, nämlich Dmax = 12 AgH 2 sin α = 12 MgH sin α am Fuß der Mauer. Dort bricht sie, wenn Dmax größer ist als das Zusammenhaltmoment DZ , das der Mörtel ausübt. Mit einer Zerreißspannung σ folgt DZ = 12 σbd 2 (b: Breite, d: Dicke der Mauer); oder mit der Zerreißgewichtslänge l, definiert durch σ = g l, bricht die Mauer bei sin α ld/H 2 . Kippende Mauer der Höhe H: Die unteren Ziegel würden, wenn die Mauer nicht zusammenhielte, früher auf dem Boden aufschlagen. Wenn die als Ganzes kippende Mauer allen Ziegeln die gleiche Fallzeit aufnö-
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tigt, entstehen Spannungen, die zum Knicken mit dem Bauch voran führen. Aus der Bewegungsgleichung J α¨ = D mit J = 13 MH 2 , D = 12 MgH sin α folgt α¨ = 32 gH −1 sin α für das ungebrochene Kippen. Ein Mauerteil in der Höhe x wird dabei mit x α¨ = 32 gx H −1 sin α beschleunigt. Die Fallbeschleunigung senkrecht zur Mauer ist im Bezugssystem der Erde g sin α, also die Beschleunigung im Bezugssystem der kippenden Mauer g sin α(1 − 32 x/H ). Auf einen Querschnitt in der Höhe h wirkt jetzt seitens der darüberliegenden Mauerteile das Knickmoment H D(h) = (x − h) Ag sin α(1 − 32 x/H ) dx h
= − 14 Mg sin α h(1 − h/H )2 . 2 MgH sin α, für h = Dieses Moment ist maximal, nämlich Dmax = − 27 1 H. Dort wird die Mauer brechen, und zwar bei einer Neigung mit sin α = 3 27 2 . Von diesem Bruch an können die oberen 2 frei fallen, während ld/H 4 3 im unteren Drittel u. U. weitere Brüche eintreten können.
2.3.10 Flugzeuglandung Zunächst rutschen die Räder über die Piste. Die Reibung µMg und ihr Moment T = µMgr versetzen sie allmählich in Drehung (M: Flugzeugmasse, r Reifenradius, Moment T für alle Räder zusammen). Winkelbeschleunigung ω˙ = T/J = µMg/(mr) (m: Masse aller Räder). Wenn die Räder nicht mehr gleiten, sondern ,,fassen“, ist ωr = v (v Landegeschwindigkeit). Dies erreichen sie nach der Zeit t = v/(ωr) ˙ = vm/(µMg). In dieser Zeit rutscht das Flugzeug die Strecke x = vt = mv2 /(µMg). Die Reibung verrichtet auf dieser Strecke die Arbeit W = Fx = mv2 . Genau die Hälfte steckt in der Rotationsenergie der Räder, die andere Hälfte muss in Wärme übergehen. Geringes v verringert W, große Reifen- und Felgenfläche verbessern die Wärmeabgabe. 2.4.1 Radl-Gleichgewicht Gegen ein kippendes Drehmoment D, das z. B. von einer Schrägstellung um den Winkel α herrührt, D = mgh sin α, schützt sich der Radler, indem er eine Kurve vom Krümmungsradius R beschreibt, deren Zentrifugalkraft ein entsprechendes Moment ausübt: DZ = mv2 h cos α/R = D, also R = v2 /(g tan α). Das gelingt mit einer umso flacheren Kurve, je größer v ist, z. B. bei v = 36 km/h = 10 m/s und α = 30◦ mit R = 17 m. Bei v = 3,6 km/h kippt man aus dieser Schrägstellung unweigerlich um, denn R = 0,17 m kann man nicht fahren. Will der Radler von sich aus in die Kurve gehen, kann er das nicht mit α = 0◦ tun, sonst würde ihn das Zentrifugalmoment umkippen. Um sich schrägzulegen, macht er meist einen kleinen ,,Schlenker“, d. h. eine Schwenkung der Lenkstange in entgegengesetzter Richtung (betrachten Sie Ihre Radspur im Sand!). 2.4.2 Nutation Wir behandeln den weitaus wichtigsten Fall des symmetrischen Kreisels: Figurenachse ist Hauptträgheitsachse, ebenso ist das jede dazu senk-
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rechte Achse. Die entsprechenden Trägheitsmomente sind J und J⊥ , wobei J = J⊥ (sonst hätten wir den ,,Kugelkreisel“, der nicht nutiert). Die momentane Rotation sei durch ω gegeben; ihre Achse stehe unter dem Winkel ϕ zur Figurenachse. Wir benutzen ein ,,raumfestes“ Bezugssystem R, das an einer evtl. Translation des Kreisels teilnimmt, aber nicht an seiner Rotation, und ein ,,kreiselfestes“ System K , definiert durch die Hauptträgheitsachsen. Beider Ursprung 0 liege im Schnittpunkt der Hauptachsen, und momentan sollen auch die Achsenrichtungen zusammenfallen. Die Komponentenzerlegung von ω ist ω = (ω , ω⊥ , 0). Wenn der Kreisel keiner äußeren Kraft ausgesetzt ist, bleibt sein Drehimpuls L im raumfesten System konstant. Er hat die Komponenten L = (L , L ⊥ , 0) = (J ω , J⊥ ω⊥ , 0) und bildet den Winkel ψ zur Figurenachse. Da J = J⊥ , schließen ω und L einen Winkel α = ϕ − ψ ein. Ein raumfester Punkt im Abstand a von der Drehachse läuft, von K aus gesehen, mit der Winkelgeschwindigkeit ω, also der Bahngeschwindigkeit v = ωa um diese Achse. Der Endpunkt des an 0 angetragenen raumfesten Vektors L z. B. läuft mit L˙ = ωL sin α um die Drehachse, oder einfacher und vollständiger mit L˙ = ω × L. Hierin steckt speziell L˙ ⊥ L. L muss also auch um die Figurenachse umlaufen. Der entsprechende Weg ist 2πL sin ψ und wird in der Zeit T = 2π sin ψ/(ω sin α) zurückgelegt. Von R aus gesehen nutiert umgekehrt die Figurenachse um L mit der gleichen Periode. Wir brauchen noch α. Es ergibt sich aus seinem Tangens: tan α = (tan ϕ − tan ψ)/(1 + tan ϕ · tan ψ) ω⊥ (J − J⊥ ) = . ω (J + J⊥ ω2⊥ /ω2 ) Bei kleinen Winkeln ϕ und α ist tan ≈ sin ≈ Winkel, ω⊥ ω , L ≈ ω J , also die Nutationsperiode T ≈ 2πJ⊥ /(ω(J − J⊥ )). Für die Erde mit Polradius a, Äquatorradius b ist J ∼ b2 , J⊥ ∼ ab, also T = b(a − b)−1 2π/ω = 300 Tage (2π/ω = 1 Tag). Mit dieser ,,Euler-Periode“ würde eine starre Erde auf Massenverlagerung in und auf ihr, d. h. auf Verschiebungen zwischen Figuren- und Drehachse reagieren. Da sie nicht starr ist, ergibt sich tatsächlich die ,,Chandler-Periode“ von 420 Tagen. Jahreszeitliche atmosphärische Massenverlagerungen scheinen den Hauptanlass zur Nutationsamplitude zu geben, die einige Meter beträgt. 2.4.3 Polschwankung Kugel: Jeder Durchmesser ist Hauptträgheitsachse mit dem gleichen Trägheitsmoment. Kreisscheibe und Kreiszylinder: Die Symmetrieachse ist Hauptträgheitsachse mit maximalem oder minimalem J, je nach Länge des Zylinders; jede Achse senkrecht dazu durch die Mittelebene ist ebenfalls Hauptachse. Hantel: Die Verbindungslinie der beiden Kugelmitten hat minimales, jede Achse senkrecht dazu durch die Griffmitte gleiches maximales Trägheitsmoment. Erde-Mond: Die Verbindungslinie der Mitten hat minimales J. Jede Achse senkrecht dazu durch den Schwerpunkt, der noch innerhalb des Erdkörpers liegt, hat maximales J. Alle genannten Achsen können als stabile freie Drehachsen dienen, denn sie haben extremales Trägheitsmoment. Präzession der Erdachse: s. Aufgabe 2.4.6;
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Nutation: 2.4.2. Ein kurzer Stoß hat nicht die Zeit, die Kreiselachse wesentlich zu schwenken, ändert aber natürlich den Drehimpuls und löst damit i. Allg. Nutationen aus. Planetoid Eros mit ca. 30 km Durchmesser, also m ≈ 1016 kg und v ≈ 20 km/s, wenn er z. B. streifend in der Polargegend aufschlüge, erteilte der Erde ein Zusatz-Drehmoment L = mvR ≈ 1027 m2 kg/s senkrecht zum normalen L = 3 · 1034 m2 kg/s. Das Gesamtmoment weicht daher nur um den Winkel L /L ≈ 10−7 von der Figurenachse ab, also an der Erdoberfläche nur um etwa 1 m, weniger als bei der üblichen Polschwankung. Die Folgen des Aufpralls würden also in der normalen Chandler-Nutation untergehen. Die Katastrophe würde sich auf die Erdoberfläche beschränken, wo sie allerdings ziemlich total wäre. 2.4.4 Paradoxer Kreisel Man nehme das Rad eines Fahrrades mit den Enden seiner ungefähr horizontal gestellten Achse in beide Hände, setze es in kräftige Rotation und lasse mit einer Hand los. Die Achse kippt nach unten, es sei denn, dass man schon kurz vor dem Loslassen der erwarteten Präzessionsbewegung folgt, was man fast automatisch tut, da man sofort spürt, wohin die Achse will. In jede andere Richtung ist sie außerordentlich schwer zu schwenken. Rotiert das Rad sehr langsam, dann ist diese Präzession sehr schnell, man kann ihr kaum folgen, und die Achse kippt ab. Folgt man ihr aber exakt, dann bleibt der Winkel der Achse zum Lot sehr lange erhalten, bis die Reibung die Rotation selbst aufgezehrt hat. In diesem Versuch müssen zwei Einflüsse der Hand gut unterschieden werden: (1) Sie folgt der Präzession der Achse; täte sie das nicht, würde die Achse abkippen. (2) Sie prägt der Achse gleich zu Anfang ihre stationäre Präzessionsbewegung auf; täte sie das nicht, brauchte diese eine gewisse Zeit, um sich aufzubauen, und zwar umso länger, je langsamer die Rotation, also je schneller die Präzession ist. Sei J das Trägheitsmoment des Rades um eine senkrechte Achse, die durch die haltenden Finger läuft (J ≈ ma2 , m Masse des Rades, a halbe Achslänge), J das Trägheitsmoment um die Radachse selbst (J ≈ mr 2 , r Radius des Rades), ω die Rotations-Kreisfrequenz, D ≈ gma das Drehmoment, mit dem die Schwerkraft die Achse zu kippen sucht. Dann ist die stationäre Präzessionsfrequenz ω = D/(Jω), und die Präzession repräsentiert den Drehimpuls L = ω J = J D/(Jω). Nehmen wir an, wir lagern ein Ende der Achse so, dass diese der Präzession frei folgen kann, aber dass der Aufbau der Präzession nicht begünstigt wird, wie das die Hand fast unbewusst tut. Dann braucht das Drehmoment D eine Zeit t = L/D = J /(Jω), um die stationäre Präzession aufzubauen. Wir vergleichen diese √ Zeit mit der Dauer des Kippens, die von der Größenordnung τ = a/g ist (vgl. Abschn. 2.3.4). Wenn τ t, ist das Abkippen während der Beschleunigungsphase fast unmerklich; wenn τ t, steht die Achse schon praktisch senkrecht, bevor sich die Präzession aufbauen kann. Der Übergang zwischen den beiden scheinbar qualitativ verschiede /J · √g/a, für das ≈ J nen Verhaltensweisen liegt bei τ ≈ t, d. h. ω ≈ ω K √ Rad ωK ≈ a2 /r 2 · g/a. Bei einem Rad ist J J und daher ωK ziemlich klein. Ein Spielkreisel hat J J und muss sich viel schneller drehen oder steiler stehen, damit er nicht umfällt.
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2.4.5 Saros-Zyklus Die Anziehung durch die Sonne wird im Mittel durch die BahnZentrifugalkraft des Systems Erde-Mond ausgeglichen: mv2 /a = Gm M/a2 . In Neu- oder Vollmondstellung ist der Mond der Sonne aber um r näher bzw. ferner, also wirkt eine Gezeitenkraft FG = ∓2Gm Mr/a3 = ∓2mv2 r/a2 auf ihn und übt ein Drehmoment D = 2mv2r 2 sin 5,15◦ /a2 aus. Dieses Drehmoment wirkt allerdings nur etwa die Hälfte des Monats in dieser Stärke. Rechnung: der Mond sei auf seiner Monatsbahn um einen Winkel ϕ von der Neumondstellung entfernt. Die Gezeitenkraft ist dann um den Faktor cos ϕ kleiner als FG , denn der Abstand von der Erdbahn ist um so viel kleiner. Auch der Kippwinkel ist um den gleichen Faktor verringert, das Drehmoment also um cos2 ϕ. Der Mittelwert von cos2 ϕ ist aber 12 . Ein weiterer Faktor 12 resultiert daraus, dass die Mondbahn nicht immer, wie hier angenommen, genau gegen die Sonne hin gekippt ist. So ergibt sich das mittlere Drehmoment zu D = mv2r 2 · sin 5,15◦ /2a2 . Der Mondkreisel hat den Drehimpuls L = mvMr. Er präzediert unter dem Einfluss von D mit der Winkelgeschwindigkeit ω = D/(L sin 5,15◦ ) = 12 rv2 /(vM a2 ). Alle rechts auftretenden Brüche sind Winkelgeschwindigkeiten von Erde bzw. Mond. Also ist die Präzessionsperiode T = 1 Jahr · 1 Jahr/ 12 Monat ≈ 20 Jahre. Dieser Präzessionszyklus ist der Saros-Zyklus, der die Perioden von Sonnen- und Mondfinsternissen beherrscht und tatsächlich 18,5 Jahre dauert. 2.4.6 Präzession der Erdachse 1 Der Äquatorwulst enthielte bei homogener Dichteverteilung etwa 150 2 3 3 der Erdmasse: (a b − b )/b ≈ 2(a − b)/b. In Wirklichkeit ist die Dichte an der Oberfläche nur etwa halb so groß wie die mittlere, also hat der 1 der Erdmasse. Säße diese Masse ganz z. B. auf der Wulst etwa 300 sonnenzugewandten Seite der Erde, dann übte diese ein Drehmoment D = mv2 R2 sin 23,4◦ /a2 auf den Erdkreisel aus (Ableitung vgl. Aufgabe 2.4.5). Die Verschmierung um den ganzen Äquator gibt wieder einen Faktor 12 . Der Drehimpuls der Erde ist (etwas kleiner als bei der gleich schnell rotierenden homogenen Kugel, vgl. Aufgabe 1.7.18) L = 0,7 · 0,6MR2 vE /R. Die Präzession erfolgt also mit der Winkelgeschwindigkeit D m v2 R = 1,2 L sin 23,4◦ M vE a2 1 ωJahr 1 v R v = = ωJahr , 250 a vE a 250 ωTag
ω=
die Periode ist T = 250 · 1 Jahr · 1 Jahr/1 Tag = 90 000 Jahre. Die Mondgezeiten sind 2,4-mal stärker (vgl. Aufgabe 1.7.17), insgesamt wird also die Präzessionsperiode um den Faktor 3,4 kürzer als der obige Wert: T = 27 000 Jahre (in Wirklichkeit: 26 000 Jahre). Die Lage der Jahreszeiten auf der Erdbahn, m. a. W. die jahreszeitliche Stellung der Sonne zum Fixsternhimmel ändert sich mit dieser Periode, die schon den Chaldäern bekannt war und von Hipparch (um 150 v. Chr.) genauer studiert wurde. Laplace zeigte, dass diese Periode aus der Kreiseltheorie folgt.
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2.4.7 Wer verhindert das Kippen? Der Kreisel sei ein Rad, das um eine horizontal liegende Achse rotiere. Wir nehmen an, der Kreisel präzediere ,,richtig“, d. h. mit der von der Theorie gegebenen Kreisfrequenz ω = D/(Jω) (D: Kippmoment, Jω: Drehimpuls der Achsrotation), und setzen uns in das Bezugssystem der Rotationsachse, das mitpräzediert, aber nicht mitrotiert. In diesem System erfahren die Teile des Kreisels, die sich momentan auf- oder abwärts bewegen, keine Coriolis-Kräfte, denn ihr v ist parallel zum ω des Bezugssystems. Aber die Teile oben und unten, deren v senkrecht zu ω sind, werden nach innen bzw. außen gedrückt, sodass ein Gegenmoment gegen das Kippmoment entsteht. Die Coriolis-Beschleunigung für einen Teil des Rades, der um den Winkel ϕ von ,,oben“ entfernt ist, dessen Momentan-Bahngeschwindigkeit also den Winkel 90◦ − ϕ mit ω bildet, ist aC = 2vω cos ϕ. Der Beitrag dieses Teils zum Drehmoment wird gemessen durch die Armlänge r cos ϕ (r: Radius des Rades). cos2 ϕ hat den Mittelwert 12 , also ist das CoriolisKippmoment DC = mvωr = mωωr 2 = Jωω . Da ω = D/(Jω), ist dieses Moment genau entgegengesetzt gleich groß wie das der Schwere. Bei zu schneller Präzession überwiegt DC , die Achse richtet sich auf, bei zu langsamer Präzession überwiegt D, die Achse kippt abwärts. 2.4.8 Kreiselkompass Auf jeden Teil eines Kreisels außerhalb seiner Achse wirkt eine CoriolisKraft, die senkrecht auf seiner Bahngeschwindigkeit und auf der Erdachse steht. Beim symmetrischen Kreisel erfahren zwei Punkte, die symmetrisch zur Achse liegen, Kräfte in der von Erd- und Kreiselachse bestimmten Ebene, die ein Kräftepaar bilden, das die Kreiselachse in Richtung der Erdachse zu kippen sucht. Wenn die Kreiselmasse m überwiegend in einem Ring vom Radius R konzentriert ist, der mit ω rotiert, ist dieses Drehmoment annähernd mωRωE sin ϕ (ϕ: Kippwinkel gegen Erdachse, ωE : Winkelgeschwindigkeit der Erde). Bei ωR = 100 m/s folgt ωRωE ≈ 10−2 m s−2 . Gegen ein evtl. Kippmoment der Schwerkraft bei nichtzentraler Lagerung könnte dieses Moment nichts ausrichten, aber bei sorgfältiger Lagerung überwindet es leicht die Reibung. – In einer Kurve vom Radius r kompensieren einander die Momente der Zentrifugalkraft auf den Kreisel. Es bleibt die zusätzliche Coriolis-Kraft infolge der Rotation um eine Achse, die durch den Krümmungsmittelpunkt der Kurve und (bei horizontaler Bahn) den Erdmittelpunkt geht. ω = v/r ist i. Allg. viel größer als ωE ; damit der Kompass nicht in Richtung dieser Rotationsachse missweist, macht man sein Trägheitsmoment so groß, dass er solchen meist relativ kurzzeitigen Momenten nicht erheblich nachgibt. Bei der Fahrt auf einem Großkreis ergibt sich eine Missweisungskomponente in Richtung der Achse dieses Großkreises. Bei Schiffsgeschwindigkeiten ist dieser Einfluss gering. Für ein Flugzeug, das mit 460 m/s ostwestlich längs des Äquators fliegt, ist keine Rotation vorhanden, denn es steht immer am gleichen Punkt des raumfesten Bezugssystems. Sein Kreiselkompass ist im indifferenten Gleichgewicht. Bei westöstlichem Flug verdoppelt sich die Richtkraft ohne Richtungsänderung, der Kompass spricht stärker ohne Missweisung an. Bei nichtäquatorialem Flug sind Korrekturen
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anzubringen. Fester Kurs, d. h. fester Winkel zum Meridian, bedeutet Abweichung vom Großkreis (Loxodrome). Hier überlagert sich die Missweisung der Großkreisfahrt mit dem kleineren Effekt der ,,Kurve“, d. h. der Abweichung vom Großkreis. 2.4.9 Geschossdrall Ohne diese Kreiselwirkung der Drallstabilisierung würde die Geschossachse unter dem heftigen Luftwiderstand wild zu schwanken beginnen. Wenn das Geschoss sich durch den Lauf schrauben muss, dreht es sich beim Vorwärtsschieben um dx um einen Winkel dϕ, sodass r dϕ = dx tan α. Entsprechend ist seine Winkelgeschwindigkeit ω = v tan α/r. Die Gesamtenergie + Rotation) ist 12 mv2 + (Translation 1 1 1 2 3 4 2 2 Jω . Der Zylinder hat J = l 2πr dr = 2 πlr = 2 mr , also folgt 1 2 −1 µ = m(1 + 2 tan α). Für v0 = 1 500 m s (entsprechend einem Brennwert von 6 000 J/g mit m Pulver ≈ m Geschoss und über 50% Energieverlust) folgt bei 2r = 76 mm eine Rotationsfrequenz von 2 300 Hz. Das 5 kgGeschoss mit J = 4 · 10−3 kg m2 hat den Drehimpuls L = 60 J s. Der Luftwiderstand übt auf das um β gegen die Bahn geneigte Geschoss (das ja seine Einstellung beibehalten möchte) ein Drehmoment von etwa sin βD L v2 lrl ≈ 100 sin β aus. Das führt zu einer Präzession mit ωP = D/(L sin β) ≈ 1 s−1 : Präzessionsperiode einige Sekunden. Diese Periode ist nicht klein gegen die Gesamtflugzeit, manchmal sogar größer. Die Geschossachse zeigt also überwiegend auf die Seite der Bahnebene, wohin sie zuerst ausweicht. Bei Rechtsdrall ist das die rechte. Der schräge ,,Fahrtwind“ schiebt daher das Geschoss nach rechts (viel mehr als die Coriolis-Kraft). 2.4.10 Sonnensystem In einer Kugel gleichförmiger Dichte ist ω unabhängig von r. Das folgt aus der Parabelform des Potentials (Abb. 1.51, genauer begründet Abschn. 6.1.4 und Aufgabe 6.1.6). Nimmt die Dichte nach außen ab, tut es auch ω. In der Spiralgalaxie mit massivem Kern gelten an2 2 genähert die Kepler-Gesetze, speziell das dritte: ω r = G M/r , also 3 ω = G M/r . Wenn ein Bereich vom ursprünglichen Radius R0 sich verdichtet, rotiert er in seinem eigenen Bezugssystem, das mit ω ums Zentrum der Galaxie läuft, mit ω = R0 dω/dr und hat einen Drehimpuls L ≈ MR02 ω ≈ MR03 dω/dr ≈ M 2 −1 0 dω/dr, den er auch behält. Für eine Spiralgalaxie schätzen wir dω/dr ≈ 10−35 m−1 s−1 (aus M ≈ 1040 kg, r ≈ 1020 m). Wenn die Verdichtung durch Anlaufen der Kernfusion zum Stern geworden ist, hat sie den Radius R1 . Das Verhältnis von Zentrifugalkraft zu Gravitation ist dann ω21 R13 /(G M) ≈ (dω/dr)2 M/(R1 20 G). Einsetzen der Zahlenwerte liefert für die Sonne ein Verhältnis um 10. Tatsächlich hat die Sonne ja auch den größten Teil ihres Drehimpulses ins Planetensystem gesteckt – wie, das ist noch nicht ganz geklärt. Der Schweredruck im Sterninnern ist p ∼ M 2 /R4 (Aufgabe 5.2.6), die Dichte ∼ M/R3 , also die Temperatur T ∼ p/ ∼ M/R. Danach sollte, wenn T im Zentrum aller Sterne gleich ist, auch M/R und damit das Verhältnis Zentrifugalkraft/Gravitation gleich sein. In Wirklichkeit ist R ∼ M 0,6 ,
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und daher sinkt bei sehr schweren Sternen, die auch sehr hell und heiß sind (oben links in der Hauptreihe des Hertzsprung-Russel-Diagramms), dies Verhältnis unter 1. Sie konnten sich ohne Abspaltung eines Planetensystems bilden, rotieren dafür aber, wie der Doppler-Effekt in ihren Spektren zeigt, auch sehr viel schneller als die Sonne. Jedenfalls lässt sich auf dieser Basis ein ziemlich konsistentes Bild von der Entstehung des Sonnensystems zeichnen, wenn es auch nicht das einzig mögliche ist.
= Kapitel 3: Lösungen . . . 3.1.1 Seemannsgarn? Die Kompressibilität des Wassers ist 5 · 10−6 cm2 /N = 5 · 10−5 bar−1 . In 10 km Tiefe herrschen 1 000 bar. Das Wasser ist dort also um 5% dichter. Die mittlere Dichte der Materialien eines Schiffes müsste genau zwischen 1,02 (Seewasser an der Oberfläche) und 1,07 g/cm3 liegen, damit es schweben bliebe. Gewöhnlich bleibt Luft im Wrack. Sie komprimiert sich viel stärker, also nimmt die Sinktendenz mit zunehmender Tiefe zu. 3.1.2 Aufstieg Beim Aufstieg aus 10 km Tiefe dehnt sich das Wasser aus. Die dazu nötige Energie wird seinem Wärmevorrat entzogen und kann ihm bei schnellem (adiabatischem) Aufstieg nicht durch Wärmeleitung zurückerstattet werden. Die Expansionsenergie ist 12 Vκ( p21 − p22 ) = 25 bar · V , oder pro Liter 2,5 · 103 J. Das Wasser kühlt sich um 0,6 K ab. 3.1.3 Schwingende Säule Steht die Flüssigkeit in einem Schenkel um 2h höher als im anderen, d. h. um h höher als im Gleichgewicht, dann übt sie eine Kraft F = −2g Ah aus. Die ganze Flüssigkeitssäule der Masse m = L A wird dadurch mit h¨ = F/m = −2gh/L beschleunigt. Da die Kraft proportional zur Auslenkung ist, schwingt die Säule harmonisch um die Gleichgewichtslage, und zwar √ mit der Kreisfrequenz ω = 2g/L und der Periode T = 2π 12 L/g, ebenso wie ein Pendel mit der Fadenlänge L/2. 3.1.4 Wasserverdrängung Wenn das Schiff schwimmt, verdrängt es so viel Liter Wasser, wie seiner Masse (in kg) entspricht. Wenn es gesunken ist, verdrängt es so viel, wie seinem Volumen (in l) entspricht. Die Masse (in kg) ist größer als das Volumen (in l), selbst wenn das Wrack noch z. B. Luft enthält, denn sonst würde es nicht sinken. Also ist die Wasserverdrängung im gesunkenen Zustand geringer, d. h. der Wasserspiegel muss fallen, während das Schiff sinkt. 3.1.5 Tiefgang Wasserdichte und damit Auftrieb sind verschieden. Dichten in kg/m3 : Flusswasser 999,7 (10 ◦ C), 995,7 (30 ◦ C); Atlantik (34 g/l Salz) 1 033, 1 030, 1 027, 1 024 bei 0, 10, 20, 30 ◦ C; Mittelmeer (38 g/l, 20 ◦ C) 1 030,
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Schwarzes Meer (16 g/l) 1 012, Asowsches Meer (3 g/l) 1 003. Bei 12 m Tiefgang sind die 4 Meermarken etwa 3 cm auseinander, T und F etwa 18 cm. Cuxhaven: 19 t zu, Gibraltar knapp 3 t zu, Istanbul 14 t ab, Kertsch 9 t ab. 3.1.6 Ballspiel In jeder Zeitspanne τ soll der Ball auf die gleiche Höhe steigen, also τ/2 steigen, τ/2 fallen, wobei er gτ/2 Steiggeschwindigkeit verbraucht bzw. Fallgeschwindigkeit ansammelt. Der Spieler muss die Geschwindigkeit bei jedem Auftreffen um 2gτ/2 = gτ ändern, also den Impuls mgτ erteilen. In der Sekunde (1/τ-maliges Auftreffen) wird der Impuls mg übertragen. Für sehr kleines τ ruht der Ball praktisch auf der Hand des Spielers, die Impulsübertragung pro Sekunde mg erweist sich als praktisch konstante Kraft, nämlich als das Gleichgewicht des Balles. Maximale Steighöhe h = gτ 2 /8, bei τ = 15 s ist h = 5 cm. 3.1.7 Gasdruck Der Kolben der Fläche A werde durch die Kraft F in das Gas hineingedrückt. Damit er trotzdem ,,in gleicher mittlerer Höhe schwebt“ (vgl. Aufgabe 3.1.6), muss er durchschnittlich alle τ Sekunden einen Stoß mit dem Impuls I erhalten, sodass I/τ = F. I ist gleich der Impulsänderung des auf- und rückprallenden Moleküls, bei senkrechtem Aufprall I = 2mv. Die mittlere Stoßfrequenz ergibt sich (Abschn. 5.2.1) zu 1/τ = Anv/6, woraus folgt F = 16 Anv2mv oder p = F/A = nmv2 /3. In der Zeit t erfolgen durchschnittlich z = t/τ Stöße. √ Die wirkliche Anzahl weicht hiervon nach√Poisson um etwa ∆z = t/τ ab. Die relative Schwankung ist ∆z/z = τ/t. Das ist auch die Größe der relativen Druckschwankungen ∆ p/ p innerhalb dieser Zeit t (vgl. Aufgabe 3.1.6). Für längere Zeiten sind sie völlig zu vernachlässigen. Selbst ein kleiner Kolben (1 cm2 ) zittert nur um h ≈ 10−45 cm (τ ≈ 10−23 s). 3.1.8 Magdeburger Halbkugeln Die Trennkraft ist kleiner als 4πr 2 p = 40 000 N, denn nur die Kraftkomponente normal zur Trennfläche zählt. Sie wird durch den Querschnitt πr 2 gemessen: F = πr 2 p = 10 000 N. Acht Pferde (die anderen acht dienen nur als Widerlager) brauchen sich nicht sehr anzustrengen. 3.1.9 Reifendruck An Stellen, wo die Reifenwand die normale, gewölbte Form hat, nimmt er den Innendruck nach dem Prinzip der Seifenblase (3.13) auf (wir betrachten den Reifen hier als Membran ohne innere Steifigkeit, die nur Tangentialkräfte übertragen kann). Die plattgedrückte Reifenfläche kann keine solchen Kräfte nach innen ausüben und drückt daher genau mit dem Gasdruck auf die Straße. Ein auf 2 bar aufgepumpter Reifen, belastet mit 14 des PKW-Gewichts, also etwa 2 500 N, bildet also eine Auflagefläche von 250 cm2 , also wie eine Männer-Schuhsohle. Wenn der Peripheriewinkel des plattgedrückten Reifenstücks 2α beträgt, wird dieses Stück maximal um R(1 − cos α) ≈ 12 Rα2 nach innen gedrückt. Dies darf höchstens b/2,
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√ die halbe Reifenbreite betragen, also α ≈ b/R ≈ 0,3. Die Auflagefläche ist dann etwa 2bR sin α ≈ 2bRα ≈ 2b3/2 R1/2 . Bei einer Belastung mit F ≈ 500 N muss p ≈ F/(2R1/2 b3/2 ) ≈ 1 bar sein. Das Reifenvolumen 1 2 4 πb 2πR ist 2,5 l. Bei p = 2 bar muss man also 5 l Luft oder 6,5 g hineinpumpen. Die isotherme Aufpumparbeit ist p1 V1 ln(V1 /V2 ) ≈ 350 J, etwa die Steigarbeit für zwei Stockwerke. Wer schnell pumpt, pumpt adiabatisch und muss mehr Arbeit verrichten, weil die erhitzte Luft einen größeren Gegendruck ausübt. Wir wollen ja nach dem Abkühlen 2 bar im Reifen haben. Das Arbeitsintegral W = p dV = p1 V1 V −γ dV ist um den Faktor (2γ −1 − 1)/(γ − 1) ln 2 = 1,15, also um 53 J größer als beim Langsampumper. Diese Zusatzenergie erhitzt die Luft. Die 6,5 g Luft haben eine Wärmekapazität von etwa 6 J/K, erwärmen sich also um annähernd 10 K. In der Pumpe und im Ventil ist die Erhitzung natürlich bedeutend stärker, weil der Widerstand des Spalts unter dem Ventilgummi mit zu berücksichtigen ist. 3.2.1 Spritzer Wenn man einen Tropfen abschleudert, tritt die Schleuderbeschleunigung a an die Stelle der Schwerebeschleunigung g oder addiert sich dazu. Der Tropfen reißt bei einer Masse m ab, die gegeben ist durch ma = 43 πr 3 a = 2πσR, also r = 3 3σR/(2 a). Das Tropfenvolumen geht wie a−1 . Entsprechend geformte Ultraschall-Transducer können an der Spitze mehr als a = 106 g erzeugen (das entspricht etwa der Zerreißfestigkeit des Materials selbst). Als Röhrchen mit R = 0,1 mm ausgebildet, schleudern sie Tröpfchen um 10 µm Durchmesser ab. Ein Stahlröhrchen mit R = 20 µm, das mit ν = 500 Hz und A = 2 mm Amplitude schwingt, hat an der Spitze a = Aω2 ≈ 1 800 g, erzeugt also Tröpfchen um 100 µm. Fast alle anderen Flüssigkeiten haben ein kleineres σ/ , also kleinere Tropfen (Tabelle 3.1). 3.2.2 Ballonrakete Die Hülle des Luftballons habe die Masse m, etwa 2 g. Erfahrungsgemäß dauert es etwa 5 s, bis die 5 l Luft ganz herausgepfiffen sind. Die Ausströmrate ist also etwa µ = 1 g/s, die Ausströmgeschwindigkeit bei A ≈ 0,6 cm2 Öffnung w ≈ V/(tA) ≈ 16 m/s, also der Schub F = µw ≈ 0,02 N. Dieser Schub beschleunigt den Ballon, der im Durchschnitt samt Füllung die Masse 5 g hat, mit etwa 20 m/s2 . Bliebe die Beschleunigungsrichtung erhalten, so führte diese mittlere Beschleunigung nach einigen Zehntelsekunden zu einer stationären Geschwindigkeit, die gemäß 12 A v2 = F einige m/s beträgt. Die momentanen Werte können viel höher werden: Die Gummihaut verhält sich annähernd wie eine Seifenhaut, d. h. der Überdruck innen ist proportional zu r −1 . Das erklärt, warum man zum Aufblasen zuerst viel mehr Druck Torricelli ist die Aus√ braucht. Nach −1/2 und damit der Schub 2∆ p/ ∼ r strömungsgeschwindigkeit w = √ F = wµ = w Aw = 2A∆ p ∼ r −1 . Der Luftwiderstand ist ∼ r 2 , also die stationäre Geschwindigkeit v ∼ F/r 2 ∼ r −3 . Je leerer der Ballon ist, desto wilder schießt er hin und her.
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3.2.3 Tropfenbildung Ebenso wie die Seifenhaut von Aufgabe 3.2.10 hat ein zylindrischer Wasserstrahl die Tendenz, sich einzuschnüren. Wenn er länger ist als 23 seines Durchmessers, wird seine Form instabil, und er zerfällt bei der leisesten Störung in Abschnitte, die sich zu Tropfen abrunden. Man erkennt das am einfachsten daran, dass der Strahl infolge Reflexion nach allen Seiten zu glitzern anfängt. Die Störungen, die das Zerbrechen in Tropfen auslösen, kann man durch das unmerkliche Wackeln der Ausflussdüse erzeugen, die von einem Schallgeber berührt wird. Die Tropfenfolge gibt dann die Schallschwingungen wieder und verstärkt sie erheblich, wenn man den Strahl auf eine Membran trommeln lässt. Ein elektrisches Feld, schon z. B. eine geriebene Glasstange, influenziert die Tröpfchen so, dass ihre ungleichnamig geladenen Oberflächen einander anziehen: Sie vereinigen sich, der Strahl bleibt länger glatt. 3.2.4 Wasserkurve In einem Spalt der Breite b zwischen zwei benetzbaren Platten bildet das Wasser eine zylindrische Oberfläche mit dem Krümmungsradius r = b/2 und steht um h = 2σ/(b g) höher als normalerweise (Kapillarsog −∆ p = σ/r nach oben!). Bei der gewählten Anordnung nimmt die Spaltbreite z. B. nach rechts linear von 0 auf B zu: b = Bx/d. Daher bildet die Wasserfläche zwischen den Platten eine Hyperbel h = 2σd/( gBx). 3.2.5 Saftsteigen Eine Steighöhe von 150 m ist im Prinzip erreichbar. Man braucht einen Kapillardurchmesser von etwa 0,1 µm. Selbst sehr viele solche Röhren können aber nicht im eigentlichen Sinn Flüssigkeit fördern. Zum Absaugen brauchte man, um den Kapillarsog zu überwinden, den gleichen Unterdruck von 15 bar, als ob man gleich direkt um 150 m hochsaugen wollte. Natürlich gibt es einen solchen Unterdruck gegen den Luftdruck nicht: Man kann höchstens um 10 m hochsaugen. Anders ist das, wenn das ,,Absaugen“ durch Verdunstung erfolgt. Der Baum muss also durch Ventilation dafür sorgen, dass auch das Blattinnere, wo die Kapillaren enden, eine geringere als die Sättigungsfeuchte hat. 3.2.6 Blasendruck Damit die Seifenblase im Kräftegleichgewicht ist, muss innen ein Überdruck ∆ p herrschen, der folgender Bedingung genügt: Vergrößert man den Blasenradius um δr, d. h. das Volumen um 4πr 2 δr, dann leistet der Druck die Arbeit 4πr 2 δr∆ p. Gleichzeitig muss man zur Vergrößerung der Oberfläche um 4π(r + δr)2 − 4πr 2 = 8πrδr die Arbeit 8πrδr σ aufbringen. Beide Arbeiten müssen gleich sein: ∆ p = 2σ/r. 3.2.7 Tauziehen An der Grenzfläche zwischen Wasser und Alkohol sucht jede der Flüssigkeiten ihre eigene Oberfläche zu minimieren, indem sie sich zurückzieht. Das Wasser hat die größere Oberflächenspannung und gewinnt bei diesem
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Tauziehen. Der Alkohol geht mit, denn seine Grenzflächenenergie gegen Wasser ist kleiner als gegen Luft. Die Mischbarkeit von Wasser und Alkohol zieht die scharfe Grenzfläche zu einer kontinuierlichen Übergangszone auseinander, ändert aber nichts Wesentliches. 3.2.8 Fleckentferner Fetthaltiges Benzin hat eine höhere Oberflächenspannung als sauberes und zieht dieses daher nach außen, wobei es nach dem Verdampfen den Schmutz als Rand ablagert. Man ziehe mit dem sauberen Benzin einen Ring um das schmutzige. Dieses zieht sich auf die Mitte zurück und kann dort mitsamt dem Schmutz mit einem Lappen abgesaugt werden. 3.2.9 Molekularkräfte Eine Kraft, die auf einer Strecke d von wenigen Å eine Energie E von der Größenordnung 0,1 J/m2 hervorbringt, muss etwa F = W/d ≈ 109 N/m2 sein. Das entspricht der Zerreißfestigkeit von Qualitätsstahl. 3.2.10 Catenoid Wenn die Ringe offen sind, herrscht innen und außen der gleiche Druck. Unter diesen Umständen muss das mittlere Krümmungsmaß 1/r1 + 1/r2 der Seifenhaut Null sein. Der Ringradius R zwingt der Haut in der einen Richtung einen positiven (konvexen) Krümmungsradius auf. Also muss die Krümmung in der anderen Richtung negativ (konkav) sein, d. h. die Haut hängt nach innen durch und wird zur Sattelfläche. Eine ähnliche Fläche erhält man, wenn man die beiden Ringe durch viele zunächst senkrechte Fäden verbindet und dann gegeneinander verdreht. Allerdings entsteht so ein einschaliges Rotationshyperboloid, das nicht überall die Krümmung 0 hat. Legt man die Trommel auf die Seite, dann sieht ihr Profil aus wie eine Kette, die unter ihrem eigenen Gewicht durchhängt. Diesmal täuscht die Analogie nicht. Die Kette bildet eine cosh-Kurve. Durch ihre Rotation um die x-Achse entsteht ein Catenoid. Für welche Kurve r(z) hat der Körper, der durch Rotation dieser √ Kurve um die r = 0-Achse entsteht, die kleinste Oberfläche A = 2π r 1 + r 2 dz? Dieses Variationsproblem liefert die Euler-Lagrange-Gleichung 1 + r 2 = r 2 (vgl. Aufgabe 20.4.24), die durch r = R cosh(z/R) gelöst wird. Dass diese Fläche überall die Krümmung 0 hat, ist differentialgeometrisch etwas umständlicher nachzuweisen. Der eine Hauptkrümmungsradius r1 , nämlich der mit minimaler, d. h. am stärksten negativer Krümmung, ergibt sich, indem man längs der Seitenlinie der Trommel geht. Die maximale Krümmung erfolgt dagegen nicht in der x-y-Ebene (außer an der engsten Stelle der Trommel), sondern in einer Ebene, die die Normale zur Seitenlinie enthält. Aus den Eigenschaften der cosh-Kurve folgt, dass die Trommel im Verhältnis zu ihrem Radius R nicht zu lang werden kann. Ihre Länge 2L muss sich mit R durch R = a cosh L/a verknüpfen lassen, sonst gibt es keine stabile Seifenhaut. Wir schreiben dies als αu = cosh u mit u = L/a und R = αL. Diese Gleichung hat nur dann reelle Lösungen (i. Allg. zwei), wenn α größer ist als der Wert, der der Tangente an die cosh-Kurve vom Ursprung aus entspricht. Diese Tangente ist gegeben durch αu = cosh u, α = sinh u,
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also u = coth u, d. h. u = 1,2; α = 1,5. Nur für L < R/1,5 ergibt sich eine stabile Haut. Zieht man die Ringe weiter auseinander, dann zerreißt die Trommel, und in jedem Ring entsteht eine einfache ebene Haut. Um einen geraden Zylinder zwischen den Ringen zu ziehen, muss man einen Innendruck von σ/R anwenden (nicht 2σ/R wie bei der Kugel gleichen Radius, denn der Zylinder hat nur eine Krümmung). 3.3.1 Nachtverkehr Wenn der Verkehr stationär fließt, sind Strom- und Bahnlinien identisch (abgesehen von einzelnen Fahrbahnwechslern). Wenn die Zeitaufnahme eine Ampelschaltung umfasst, ist das nicht mehr der Fall. Stromröhren sind die Fahrbahnen (Straßenhälften). Eine Verengung bringt nur dann keine Stauung, wenn sich alle stetig ,,einfädeln“ (Stromlinien) und in der Engstelle dichter oder schneller fahren. Die Polizei misst den Fluss durch ein Kabel, das allerdings den Richtungssinn nicht anzeigt (im Vertrauen auf Respektierung durchgehender Linien). Die Strömung ist nicht inkompressibel. Vor der roten Ampel ist die Divergenz negativ, vor der grünen positiv. Solche Stellen sind Senken bzw. Quellen im Sinn von . ˙ Andere Quellen und Senken für das Photo sind Unterführungen, Parkhäuser usw., Rotationsfreiheit gilt nur, wenn auf gerader Straße auf allen Spuren gleich schnell gefahren wird, bzw. wenn der Kreisverkehr ,,starr“ rotiert (ω konstant). 3.3.2 Gezeitenstrom Bei horizontalem Boden und Strömung in West-Richtung ohne Reibung folgt aus der Divergenzfreiheit nur, dass v überall horizontal ist (Boden ist Stromröhrenstück) und sich in west-östlicher Richtung nicht ändert. Nordsüdliche und tiefenmäßige Verteilung wären noch beliebig. Wirbelfreiheit schließt Nordsüd-Variation aus. Innere Reibung verlangt Proportionalität von v mit der Höhe z über dem Boden: v = az. Je stärker die ,,Tide drückt“ oder ,,zieht“, desto größer ist a. Wenn der Boden mit tan α = b nach Westen zu ansteigt, ist die Tiefe h = bx (x: Abstand von der Küste) und v ∼ h −1 . Daher die riesigen Tidenhübe in entsprechend gelegenen Buchten (Mt. St. Michel 12 m; Fundy-Bay noch mehr). 3.3.3 Feldeigenschaften Indizes hinter dem Komma bedeuten Ableitung nach der entsprechenden Koordinate. grad u = (u ,x , u ,y , u ,z ). rot grad u = (u ,z y − u ,yz , u ,xz − u ,zx , u ,yx − u ,xy ). Alle drei Komponenten verschwinden wegen der Vertauschbarkeit der Ableitungen. rot v = (vz,y − v y,z , vx,z − vz,x , v y,x − vx,y ), div rot v = (vz,yx − v y,zx + vx,z y − vz,xy + v y,xz − vx,yz ). Auch hier findet man drei Paare identischer Glieder mit verschiedenen Vorzeichen, die sich wegheben. 3.3.4 Aufrahmung Ein Fetttröpfchen vom Radius r und der Dichtedifferenz −∆ gegen Wasser erfährt den Auftrieb F = 43 π∆ r 3 g. Er schiebt das Tröpfchen mit der Geschwindigkeit v = F/(6πηr) = 29 r 2 ∆ g/η aufwärts. Für die ca. 10 cm bis zur Oberfläche brauchen die Tröpfchen in Stallmilch etwa
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10 Stunden, für homogenisierte Ladenmilch zehnmal so lange. Die Tröpfchenradien ergeben sich daraus zu 4 µm bzw. 1,2 µm. Eine Zentrifuge mit dem Trommelradius R = 20 cm und 3 000 U/min, d. h. ω ≈ 300 s−1 erzeugt ein Zentrifugalfeld von etwa 2 000 g, reduziert also die Trennzeit um den gleichen Faktor, d. h. auf einige Minuten. 3.3.5 Stokes-Rotation Wenn die Hantel aus zwei Kugeln vom Radius r im Mittelpunktsabstand 2a besteht, bedeutet ihre Drehung mit der Winkelgeschwindigkeit ω um eine Achse senkrecht zum Hantelgriff, dass jede Kugel sich mit v = aω durch die Flüssigkeit bewegt. Dazu muss nach Stokes an jeder Kugel die Kraft F = 6πηvr = 6πηarω angreifen, also ein Drehmoment D = F2a = 12πηa2rω. Das ist das Stokes-Gesetz für Rotation. Es lässt sich angenähert auf andere Formen übertragen. Die größte Ausdehnung senkrecht zur Drehachse geht quadratisch, die Ausdehnung in Achsenrichtung linear in den Drehwiderstand ein. Bei einigermaßen rundlichen Körpern ist der Drehwiderstand größenordnungsmäßig gleich η-mal dem sechsfachen Volumen. Die Form wird durch einen Faktor berücksichtigt, den Perrin für Rotationsellipsoide berechnet hat. 3.3.6 Hovercraft Wenn das Luftkissen 15 t auf einer Fläche von 130 m2 tragen soll, muss in ihm ein Überdruck von ∆ p = 1,5 · 105 N/130 m2 ≈ 0,01 bar herrschen. Dieser Druck fällt kurz außerhalb der berandenden Gummimanschette auf 0 ab, was√nach Bernoulli √ oder Torricelli zu einer Strömungsgeschwindigkeit v = 2∆ p/ ≈ 2 · 103 Nm−2 /1,3 kg m−3 ≈ 40 m/s führt. Bei 5 cm hat der Schlitz etwa 2,5 m2 Querschnitt, also ist der Luftverlust V˙ = A v = 100 m3 /s. Diese Luftmenge oben anzusaugen und auf den erforderlichen Überdruck zu bringen, erfordert eine Kompressorleistung V˙ ∆ p = 100 m3 /s · 103 N/m2 = 105 W ≈ 130 PS. Die Schlitzbreite regelt sich bei gegebener Motorleistung selbst: Hebt sich das Boot zu sehr, so geht mehr Luft verloren, der Überdruck nimmt ab, das Boot senkt sich, und umgekehrt. Kommt die Fahrtgeschwindigkeit in die Nähe der Abströmgeschwindigkeit (≈ 140 km/h), dann wird ein wesentlicher Teil des Luftkissens beim Fahren abgestoßen. Schneller kann das Boot bei vernünftiger Motorleistung auch infolge des Luftwiderstandes nicht fahren: Dieser ist bei 140 km/h FW ≈ 12 A v2 ≈ 104 N, die Leistung gegen ihn FW v ≈ 4 · 105 W ≈ 530 PS. 3.3.7 Wasserleitung Aus Kostengründen muss der Radius r so klein gehalten werden, wie das mit einem vernünftigen Druckabfall verträglich ist. Man stelle sich das Wasserleitungsnetz einer Stadt hierarchisch gestaffelt vor: Stadt, Stadtteil, Straße, Block, Haushalt. Jede Einheit enthalte etwa 10 Untereinheiten. Die Flächen, die Einwohnerzahlen und der Verbrauch steigen von Einheit zu Einheit um den Faktor 10, die Rohrlängen um 3–4. Man verlange, dass der Druckabfall in den Zuleitungen jeder Stufe gleich ist, etwa 0,2 bar. Dann braucht der zentrale Wasserturm nur etwa 15 m höher zu sein als
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das höchste Haus, und es bleibt doch bei Spitzenverbrauch noch mehr als 0,5 bar Druck am Hahn übrig. Für einen Haushalt sei die Spitze 0,5 l/s. Bei laminarem Strom ist der Druckabfall an einem mit v durchflossenen Rohr ∆ p/l = 8ηv/r 2 . Das gilt, solange Re = vr/η < Rekr ≈ 1 500 ist. Für größere Re ist der Poiseuille-Widerstand mit Re/Rekr zu multiplizieren: ∆ p/l = v2 /200r. Ersetzt man v durch den Strom I = πr 2 v, dann wird im laminaren Fall ∆ p/l = 2,5 · 10−3 I/r 4 , im turbulenten ∆ p/l = 0,5I 2 /r 5 ; Re = 3 · 105 I/r (Werte für Wasser im SI: I in m3 /s, r in m). Der Übergang erfolgt bei Re ≈ 1 500, d. h. I ≈ r/200. Für den Haushalt fällt man so mit r = 0,9 cm und 30 m individueller Zuleitung schon ins turbulente Gebiet. Da r von Stufe zu Stufe langsamer steigt als I, sind die Rohre höherer erst recht turbulent. Die Rohrradien steigen mit dem Faktor √ Ordnung 10 ≈ 3 (r 5 ∼ I 2l). Mit vernünftigen Längen von 30, 100, 300, 1 000, 3 000 m erhält man die Durchmesser 18, 55, 170, 550, 1 700 mm. 3.3.8 Flugdaten Wenn die Luft unten mit v, oben mit v + ∆v an der Tragfläche vorbeiströmt, entsteht ein Bernoulli-Druck ∆ p ≈ v∆v. Soll er das Flugzeug auf einer Fläche A tragen, dann muss v∆v = mg/A sein. Der Rumpf trägt mindestens ebenso viel wie eine Tragfläche. Man erhält v∆v = 2 · 103 m2 /s2 , also bei ∆v = 0,1 v eine Fluggeschwindigkeit von v = 140 m/s = 500 km/h. Bei der Startbeschleunigung a = 3 m/s2 , entsprechend dem Schub F = ma = 4 · 105 N, müsste die Startbahnlänge l = v2 /2a ≈ 3 km sein. Dieser Schub F = µw verlangt bei w = 3 km/s eine Ausstoßrate von µ ≈ 130 kg/s. Die Treibgase stammen gemäß C6 H14 + 9,5 O2 → 6 CO2 + 7 H2 O zu 22% aus dem Benzin, zu 78% aus der Luft. Beim Start werden also knapp 30 kg/s Benzin verbrannt. Der Start dauert knapp 50 s, verbraucht also knapp 1,5 t Benzin. Fast die Hälfte des Startgewichts ist Brennstoff. Das reicht beim Dauerverbrauch von 3 kg/s etwa 6 Stunden, d. h. für etwa 5 000 km Aktionsradius. In Wirklichkeit werden die Werte für Startbahnlänge und Startgeschwindigkeit etwas reduziert durch die Schrägstellung von Tragflächen und Startklappen, die für einen etwas höheren Unterschied ∆v der Strömungsgeschwindigkeiten sorgen. Beim Horizontalflug ist ∆v dagegen etwas kleiner, solange man noch in Bodennähe ist. In 11 km Höhe hat die Luft nur noch 14 der Dichte, also muss man bei ∆v ≈ 0,1 v etwa mit 1 000 km/h fliegen. 3.3.9 Seltsamer Antrieb Ausprobieren zeigt, dass das Boot mit einigen km/h vorwärts fährt. Natürlich übertragen Seil und Füße beim Zurückfallen lassen genau den entgegengesetzten Impuls wie beim Hochreißen, aber beim schnellen Reißen verhält sich das Wasser wegen F ∼ v2 fast wie eine feste Wand und nimmt einen großen Teil des Impulses auf, beim langsamen Zurückfallen lassen kommt er hauptsächlich dem Boot zugute. Im Schnee, besonders auf glattgefahrenem, ist der Effekt sehr viel geringer, im Weltraum ist er nicht vorhanden.
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3.3.10 Herbstlaub Zunächst fällt das Blatt überwiegend in Richtung seiner eigenen Ebene. Es gleitet auf dem Luftpolster abwärts, hat aber dabei immer noch eine gewisse Sinkgeschwindigkeit direkt nach unten, wird also nicht parallel zu seiner Ebene angeströmt, sondern ein bisschen von vorn-unten her. Die Stellung einer Platte parallel zur Strömung ist instabil, denn jede Abweichung erzeugt ein Drehmoment, das die Platte senkrecht zur Strömung zu stellen sucht. Eine solche Abweichung ist beim oben geschilderten Strömungsbild von vornherein da, und zwar im Sinne eines Hochkippens, d. h. einer Hebung der Vorderkante, die ursprünglich tiefer war. Sonst könnte das Blatt ebenso gut abkippen, d. h. zum Sturzflug übergehen. Dies passiert noch am leichtesten bei sehr leichtem Blattmaterial, wo die Sinkgeschwindigkeit und damit die Unsymmetrie des Strömungsbildes am kleinsten ist. – Nach einer Zeit, die umso länger ist, je schwerer das Blattmaterial ist, ist das Blatt so weit gekippt, dass der vergrößerte Luftwiderstand das Gleiten weitgehend bremst. Meist erreicht man dabei eine Schrägstellung entgegengesetzt zur ursprünglichen, bei der das Gleiten wieder einsetzt. So wiederholt sich der Zyklus. Ein Blatt fällt auf diese Weise nicht weit vom Stamm. Der Fernflug wird verbessert, wenn man dieses Pendeln unterdrückt, z. B. durch Propeller- und Kreiselwirkung stabilisiert wie beim Lindensamen. Manche sagen sogar, der Samen bohre sich nach diesem Spiralflug in die Erde, aber dazu reicht die kinetische Energie wohl doch nicht aus (sonst wäre es auch besser, nur einen Samen an den Propeller zu hängen, nicht zwei oder drei, wie üblich). 3.3.11 Whirlpool Der Tee rotiere, von oben gesehen, ,,links herum“, d. h. ebenso wie die Erde, wenn man auf den Nordpol schaut. Wir begeben uns jetzt ins rotierende Bezugssystem des Tees, oder vielmehr der Hauptmasse des Tees, denn es kann nicht aller Tee völlig gleichmäßig rotieren: Die wandnahen Zonen bleiben infolge der Reibung zurück, fließen also relativ zu unserem Bezugssystem ,,rechts herum“. Das bedingt aber Coriolis-Kräfte,
Bezugssystem der Tasse
Bezugssystem des Tees
Tee bodennaher Tee
CoriolisKraft
Tasse
Abb. 3.1. Im Bezugssystem der Hauptmasse des Tees rotieren die bodennahen Schichten ,,rückwärts“ und werden daher von einer Coriolis-Kraft einwärts getrieben. Es bildet sich ein Zirkulationssystem aus, das die Teeblätter nach innen führt
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und zwar, wie auf der Nordhalbkugel der Erde, eine Rechtsablenkung, d. h. eine Ablenkung nach innen. Am Tassenboden, wo dieser Einfluss am stärksten ist, wird also eine Strömung nach innen erzwungen (die an der Oberfläche durch eine Auswärtsströmung kompensiert wird, sodass sich ein geschlossenes Zirkulationssystem wie in Abb. L.5 ausbildet). Die Einwärtsströmung am Boden zieht die Teeblätter in die Mitte; i. Allg. ist sie nicht stark genug, um die spezifisch schwereren Blätter im Schlauch der Aufwärtsströmung mit hochzureißen. Lässt man umgekehrt die Tasse rotieren und die anfangs ruhende Flüssigkeit erst allmählich, wieder infolge der Wandreibung, mitnehmen, so ist die Lage umgekehrt: Die Bodenzone strömt schneller, erfährt also im Bezugssystem der Hauptmasse der Flüssigkeit eine Linksablenkung, d. h. eine Kraft nach außen. 3.3.12 Wasserrakete Wenn im Luftvolumen über dem Wasser ein Druck√p, also ein Überdruck ∆ p = p − p0 herrscht, wird das Wasser mit w = 2∆ p/ ausgeschleudert. Die Ausstoßrate ist µ = wA (A: Düsenquerschnitt), also der Schub F = µw = A w2 = 2A∆ p. Die Raketenmasse m wird dadurch bei Senkrechtstart mit a = F/m − g beschleunigt. Bliebe der Druck bis zum ,,Brennschluss“ konstant, was annähernd der Fall ist, wenn man wenig Wasser hineintut, dann ergäbe sich die Brennschlussgeschwindigkeit als vB = w ln(m 0 /m) − gtB mit m 0 = m + VW und tB = VW /(Aw). Die Rakete steigt vom Brennschluss ab noch h = vB2 /(2g). Man kann sie bis p = 6 bar aufpumpen. Sie wiegt leer etwa 200 g. Bei Füllung mit 0,3 l Wasser (wobei die Bedingung konstanten Drucks allerdings nicht mehr erfüllt ist) wird w ≈ 30 m/s, mit A = 0,5 cm2 ist der Schub während der 0,2 s Brennzeit 50 N, die Beschleunigung kurz vor Brennschluss über 20 g, die Brennschlussgeschwindigkeit 25 m/s, der Brennschluss erfolgt in etwa 3 m Höhe, aber die Rakete steigt noch bis etwa 35 m. In Wirklichkeit fällt der Druck natürlich mit Ausdehnung des Luftvolumens ab, und zwar adiabatisch, weil der Vorgang so schnell erfolgt. Man sieht das am besten, wenn man nur mit Luft füllt: Nach dem Druckausgleich hat sich die Luftfüllung so abgekühlt, dass der Wasserdampf kondensiert. Die Adiabatengleichung T ∼ pγ/(γ −1) liefert bei p = 6 bar eine Abkühlung auf 200 K. Die Luft schießt dabei anfangs mit w ≈ 1 100 m/s aus und erzeugt immerhin etwa 0,001 s lang den gleichen Schub, den das Wasser 35-mal so lange ausübt. Die Rakete nimmt dabei über 3 m/s an und springt fast 1 m hoch. Alle diese rechnerischen Befunde bestätigt das Experiment. 3.3.13 Überlebt er’s? Wenn der Mann den ganzen Rohrquerschnitt A abdichtete, würde er nur so weit fallen, bis der Druck der komprimierten Luft ihn trägt. Bei 50 cm Durchmesser, also A = 2 000 cm2 , wäre das bei ∆ p ≈ 0,05 bar der Fall, 1 oder 500 m Fallweg. In Wirkd. h. nach isothermer Kompression um 20 lichkeit erfolgt die Kompression schnell genug, um adiabatisch zu sein. Dann ist ∆ p/ p = −κ∆V/V = − 1,4∆V/V : Der Mann fällt in einigen Sekunden bis 350 m und sinkt dann in einigen Minuten mit Abkühlung der Luft weiter auf 500 m. Selbst der rundeste Mann muss aber einen An-
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teil A des Querschnitts offen lassen, √ durch den die Luft wegpfeift, und zwar mit der Geschwindigkeit w = 2∆ p/ . Der Vorgang zerfällt dann in zwei Etappen: (1) Ungebremster freier Fall; (2) Fall mit konstanter Geschwindigkeit v. Der Überdruck trägt in der zweiten Etappe auf der Fläche A − A das Gewicht des Mannes: ∆ p = mg/(A − A ), und er sinkt nur ab, weil dasLuftpolster am Rand mit w entweicht: (A − A )v = A w. Dabei ist w = 2mg/( (A − A )) etwa die stationäre Geschwindigkeit des freien Falls ohne Fallschirm: w ≈ 75 m/s. Die Sinkgeschwindigkeit v = ws/(A − A ) kann in nicht zu weitem Rohr durch ,,Dicker- oder Dünnermachen“ in weiten Grenzen auf u. U. ganz harmlose Werte geregelt werden. 3.3.14 Turbine Im Leerlauf dreht sich das Rad so schnell, dass die Schaufeln die über ihren Weg gemittelte Komponente der Strömungsgeschwindigkeit annehmen. Wenn das Rad Arbeit leisten soll, muss es sich langsamer drehen, damit das relativ zu den Schaufeln vorbeiströmende Wasser eine Kraft auf diese ausüben kann. Effektive Schaufelfläche A, Strömungsgeschwindigkeit relativ zum Ufer v, relativ zur Schaufel v − u, Schaufel bewegt sich mit u relativ zum Ufer, Kraft auf Schaufel F ≈ (v − u)2 A. Die Drehzahl wird durch u bestimmt, die verfügbare Leistung auch: P ≈ A(v − u)2 u. Maximale Leistung bei d P/du = 0, also u = v/3, Pmax ≈ A4v3 /27. Zahlenbeispiel: A = 1 m2 , v = 5 m/s, Pmax ≈ 104 W = 13 PS. Verlangt man zu hohes Drehmoment, bleibt das Rad stehen oder dreht sich rückwärts; P wird 0 oder negativ. Jeder Motor folgt im Leerlauf praktisch der Antriebskraft (umlaufendes Magnetfeld, Gasstrom), bei Belastung hinkt er hinterher, bei Überlastung bockt er auf nur äußerlich verschiedene Arten. 3.3.15 Rohrströmung Die Dimension von ∆ p/l (N/m3 = kg m−2 s−2 ) lässt sich aus denen von (kg m−3 ), η (kg m−1 s−1 ), r und v nur zusammenbauen, wenn α = δ − 1, β = 2 − δ, γ = δ − 3. Es ist aber klar, dass ∆ p/l mit und η nicht abnimmt, also 1 δ 2. Die Fälle a − d bedeuten δ = 1, ∆ p/l ∼ ηv/r 2 (Poi√ seuille); δ = 2, ∆ p/l ∼ v2 /r (Newton); δ = 1,5, ∆ p/l ∼ η(v/r)3/2 (Abschn. 3.3.3g) und δ = 1,75, ∆ p/l ∼ 3/4 η1/4 v7/4 r −5/4 (Blasius). Wandrauigkeit begünstigt den Trägheitseinfluss. 3.3.16 Aquaplaning Wasser mit η ≈ 10−3 N s m−2 ist ein ausgezeichnetes Schmiermittel, nur ist zum Glück eine zusammenhängende Wasserschicht nicht so leicht herzustellen wie beim Öl. Für einen PKW mit v = 30 m s−1 , b = 0,15 m, F = 3 000 N (ein Reifen) wird µ ≈ 10−3 , schlimmer als bei Glatteis! So ergäben sich Bremsstrecken von Dutzenden von km, falls die Reifen bei langsamerer Fahrt nicht wieder Haftung gewönnen. Breite Reifen sind günstiger, vor allem weil sie die Wahrscheinlichkeit des Aquaplaning verringern. Hinsichtlich µ bringen selbst doppelt so breite Reifen nur einen Faktor 1,4. Nach Aufgabe 3.1.9 ist der Reifendruck gleich dem Druck p des Reifens auf die Straße. Wenn p konstant ist, wird l umso größer. µ umso
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kleiner, je schwerer das Fahrzeug ist. Wie stramm die Reifen aufgepumpt sind, macht für µ nichts aus, denn hier ist F gegeben. 3.3.17 Magnus-Effekt Die Zylinderwand nimmt die Flüssigkeitsgrenzschicht mit ihrer Drehgeschwindigkeit ωr mit. Herrschte seitlich um den ruhenden Zylinder eine Strömung mit v, dann herrscht jetzt auf der einen Seite v + ωr, auf der anderen v − ωr. Nach Bernoulli ergibt sich daraus eine Druckdifferenz 1 2 2 2 ((v + ωr) − (v − ωr) ) = 2 vωr zwischen diesen beiden Seiten, d. h. eine Kraft von etwa lr∆ p = 2 vωr 2l. Sie treibt dorthin, wo der Druck geringer, also die Strömung schneller ist, d. h. wo die Oberfläche sich in Strömungsrichtung bewegt. Bei beliebiger Achsrichtung w gibt das Vektorprodukt F = 2 lr 2 v × w Betrag und Richtung richtig wieder. Flettner nutzte diesen Magnus-Effekt mit seinen Rotoren zum Schiffsantrieb aus, aber ein Segel, das nur wenig größer ist als die Zylinderoberfläche, ergibt denselben Antrieb ohne zusätzliche Motorleistung zum Drehen, und der Schraubenantrieb ist viel praktischer. 3.3.18 Kollisionsgefahr Zwischen den Schiffen oder zwischen Schiff und Mauer verengt sich der Stromquerschnitt, also muss das Wasser dort schneller strömen und einen Bernoulli-Sog erzeugen, der die ,,Anziehungskraft“ erklärt. Voraussetzung ist nur eine Strömung, die durch Winddrift, Ebbe und Flut oder dadurch bedingt sein kann, dass auch ein antriebsloses Boot schneller treibt als das Wasser fließt (Aufgabe 3.3.25). Wenn die Strömungsgeschwindigkeit relativ zum Fahrzeug v ist und sich in der Verengung auf v steigert, ergibt sich ein Bernoulli-Druck 12 (v2 − v2 ), der nach dem newtonschen Widerstandsgesetz eine stationäre Quergeschwindigkeit der Boote von √ der Größenordnung w ≈ v2 − v2 erzeugt (Sog ≈ Staudruck infolge w). w kann also unter Umständen fast so groß werden wie v. 3.3.19 Viskosität von Suspensionen Der Druckgradient muss gleich der Krümmung des v-Profils sein: grad p = η∆v. Wenn d die Dicke der Flüssigkeitsschicht ist, l ihre Länge, kann man dafür schreiben ∆ p/l = ηv/d 2 . Bei der Suspension dürfte man für d eigentlich nur die Schichtdicke d der reinen Flüssigkeit nehmen, die zwischen den suspendierten Teilchen bleibt. Wenn deren Volumenkonzentration c ist, bleibt nur d = d(1 − c). Man sieht das am einfachsten, wenn man sich die Teilchen in zur Strömungsrichtung parallelen Schichten angeordnet denkt. Die Anwesenheit der Teilchen verlängert aber auch die Strecke l, längs der der Druckabfall ∆ p erfolgt: Die Stromlinien werden länger, weil sie sich zwischen den Teilchen durchwinden müssen, denn die Teilchen sind eben nicht in Platten angeordnet. Wir schätzen: Eine beliebige Stromlinie läuft eine Strecke L, die mittlere freie Weglänge, bevor sie auf ein Teilchen trifft. Dann muss sie ausbiegen. Trifft sie mitten auf ein Teilchen, ist ihr Weg um (π − 2)r länger, trifft sie ganz außen, verliert sie fast nichts an Weg. Zwischen beiden Fällen gemittelt, ergibt sich die relative Län-
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genzunahme einer Stromlinie als 0,6r/L = 0,6πr 3 n(L = 1/(πr 2 n)). Dies können wir durch c = 43 πr 3 n ausdrücken: l ≈ l(1 + 0,45c). Benutzte man in Navier-Stokes diese d und l , würde die normale Viskosität η0 gelten. Wenn man die geometrischen Werte d und l benutzt, muss man mit η = η0 (1 + 0,45c)/(1 − c)2 ≈ η0 (1 + 2,45c) arbeiten. Die genauere Mittelung der Stromlinienlänge (Einstein) liefert η = η0 (1 + 2,5c), was natürlich auch nur für kleine c gilt. Manchmal bezeichnet man die Größe (η − η0 )/(η0 α) irreführenderweise als ,,Eigenviskosität“ der suspendierten Teilchen. Sie ist 2,5 bei Kugeln, wird aber viel größer, wenn die Kugel sich zu einem lockeren Knäuel auflöst, das das Strömungsbild viel stärker beeinflusst. 3.3.20 Zerstäubung An der Oberfläche eines kugeligen Tropfens herrscht der Druck 2σ/r (σ: Oberflächenspannung). Wenn der Staudruck 12 L v2 etwa ebenso groß wird ( L : Luftdichte), beginnt er den Tropfen zu deformieren und schließlich zu zerteilen. Große Regentropfen fallen gemäß 43 π Wr 3 g = 12 πr 2 L v2 . Die größten Tropfen haben also r ≈ σ/( W g) ≈ 2,5 mm, und fallen mit v = 7 m/s.√Eine Pumpe mit dem Überdruck ∆ p spritzt einen Strahl zunächst mit v = 2∆ p/ fl . Die Tröpfchengröße ergibt sich wieder aus 2σ/r ≈ 12 L v2 , also r ≈ 2σ fl /(∆ p L ). Bei p = 3 bar, σ ≈ 0,1 N/m, L ≈ 3 · 10−2 kg m−3 (Vorverdichtung 20 : 1!) wird r ≈ 0,02 mm. 3.3.21 Strömen und Schießen Der obere Rand der Wehrmauer liege um H0 über dem Bett des Abflusskanals, dessen Querschnitt rechteckig sei (Breite b). Oberhalb des Wehrs stehe das Wasser praktisch (Stausee). Unterhalb sei die Wassertiefe H, die Geschwindigkeit in allen Tiefen v (falls diese Annahmen nicht gelten, werden die Ausdrücke komplizierter, die qualitativen Fol√ 2g(H − H ), gerungen bleiben unberührt). Der Energiesatz liefert v = 0 √ es fließt also der Volumenstrom V˙ = bH 2g(H0 − H ) ab. Diese Funk2 kann tion V˙ (H ) ist maximal bei H = 3 H0 . Bei dieser günstigsten Tiefe √ 2 2 V˙kr = 3 bH0 3 gH0 abfließen, das Wasser strömt dann mit vkr = gHkr . Dies ist die Geschwindigkeit einer Flachwasserwelle in einem Becken der Tiefe Hkr (Abschn. 4.6). Jeder kleinere Wert V˙ kann auf zwei Arten realisiert werden: Durch H > Hkr mit v < vkr (Strömen), oder durch H < Hkr mit v > vkr (Schießen). Da vkr die Wellengeschwindigkeit ist, d. h. die Geschwindigkeit, mit der sich Störungen ausbreiten, kann schießendes Wasser nicht merken, dass es sich einem Hindernis nähert: Die Störung liegt immer unterhalb ihrer Ursache. Strömendes Wasser kann rechtzeitig ausweichen, was nicht ausschließt, dass sich kurze Wellen (kleine Phasengeschwindigkeit) auch hinter dem Hindernis bilden. Nach Aufgabe 3.3.22 ist v außer durch einen Rauigkeitsbeiwert nur durch Tiefe und Gefälle α bestimmt √ (typischerweise v ≈ 7 gHα). Also liegt der Übergang vom Strömen zum Schießen bei einem Gefälle α ≈ 0,02. Der Kajakfahrer kann auf der obe-
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ren Isar höchstens 10% technisch interessante Streckenlänge erwarten. Das Strömen gehört ebenfalls zum turbulenten Fließen. 3.3.22 Sind Flüsse laminar? Im Gefälle α( 1) wirkt auf die Volumeneinheit des Wassers die Schwerkraftkomponente gα. Sie muss im laminaren Fall durch die Reibungskraftdichte η d 2 v/dz 2 = ηv kompensiert werden (die seitliche Krümmung des v-Profils spielt keine Rolle, wenn die Breite b groß gegen die Tiefe H ist). Am Grund (z = −H ) ist v = 0, an der Oberfläche (z = 0), wo von oben her keine Reibung herrscht, kann auch von unten keine wirken, also v (0) = 0. Daher ist das v-Profil v = 12 α gη−1 (H 2 − z 2 ) mit dem Mittelwert v = 13 α gH 2 /η. Das ist genau die halbe Parabel von Abb. 3.45. Für α = 2,5 · 10−3 und H = 1 m würde v ≈ 104 m/s folgen, bzw. bei Q = vbH = 60 m3 /s dürfte H nur 5 cm sein (und v = 20 m/s), damit die nötige Reibung herauskäme. Ein Bach wäre nur bei Hv < 10−3 m2 /s laminar (Reynolds-Zahl 1 000), z. B. bei H < 10 cm, v < 1 cm/s. √ Man muss turbulent nach Newton ansetzen αg ≈ v2 /H, also v ≈ γ αgH mit einem Faktor γ , der die Rauigkeit des Bettes beschreibt und sich aus den empirischen Werten zu 6–7 ergibt (Formel von Chézy, Gauckel, Manning, Strickler). 3.3.23 Hubschrauber I Wir können die Überlegungen von Abschn. 3.3.7 mit v = 0, F = mg anwenden. η hat keinen Sinn, denn die Schubleistung ist Fv = 0. Die Schraube erzeugt einen Luftstrahl, der in größerer Entfernung mit w, durch die Schraube mit v = w/2 strömt. Man erhält F = mg = 12 A w2 √ und eine Motorleistung P = Fv = 14 A w3 = F 3/2 / 2A . Das Produkt Pr (r: Länge eines Propellerflügels) muss proportional m 3/2 sein. Zahlenmäßig: Pr ≈ 10m 3/2 (P in W, r in m, m in kg). 3.3.24 Hubschrauber II Auf der Seite, wo die Schraubenflügel sich in Flugrichtung drehen, werden sie schneller angeströmt und erfahren einen höheren Auftrieb. Abhilfe: Jeder Flügel ist mit einem Schwenkgelenk befestigt, sodass er dem verstärkten oder verminderten Auftrieb durch Hoch- oder Abkippen folgen und kein Kippmoment auf Achse und Hubschrauberkörper übertragen kann. 3.3.25 Bootsparadoxon Wir vergleichen das Boot mit der von ihm verdrängten Wassermasse, auf die nach Archimedes genau die gleiche Schwerkraft wirkt wie auf das Boot. Die Wassermasse, wenn sie vorhanden wäre, würde aber einen größeren Widerstand erfahren, weil sie sich wenigstens teilweise mit umgebenden, besonders mit tieferen und daher langsameren Wasserschichten turbulent mischt, was ihr ständig Impuls entziehen würde (selbst im laminaren Fall durch innere Reibung an tieferen Schichten). Da das Boot eine
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feste Form hat, tritt hier keine Vermischung ein, es wirkt nur eine dünne Reibungsschicht um den Bootskörper. Daher treibt das Boot schneller. 3.3.26 Widderstoß Die Wassersäule im Rohrstück hinter dem Hahn strömt infolge der Trägheit zunächst weiter, wobei sich hinter dem geschlossenen Hahn ein Vakuum bilden kann, das die Wassersäule nach einer ,,Wurfbewegung“ wieder zurückzieht. Hier gilt die Fallbeschleunigung p/(l ), also kommt das Wasser bis x = 12 lv02 / p in der Zeit t = lv0 / p. Nach der gleichen Zeit prallt es mit der gleichen Geschwindigkeit v0 wieder auf den geschlossenen Hahn auf. Dann muss sich die kinetische Energie 12 Al v02 in Kompressionsenergie umsetzen. Eine Längenänderung ∆l = lκ∆ p ergibt 1 1 2 eine Kompressionsenergie √ 2 A∆l∆ p = 2 Alκ∆ p√. Gleichsetzen beider Energien liefert ∆ p = /κv0 = c v0 (c = 1/ κ ist die Schallgeschwindigkeit im Wasser). Bei v0 = 10 m/s kann die Säule 5 m vorwärts schießen und nach 2 s wieder zurückprallen, wobei sie einen Druck von 140 bar erzeugen kann. Ähnlich heftige Vorgänge treten bei der Implosion von Dampfblasen bei der Kavitation auf oder wenn eine Welle während des Brechens mit senkrechter Front gegen eine Hafenmauer prallt. 3.3.27 Iteration Eine Gleichung f(x) = 0 lässt sich immer umwandeln in x = g(x), meist auf mehrere Weisen. Man probiere, ob die Iteration xi+1 = g(xi ) konvergiert. Wenn nicht, ist die Lösung ein Repulsor, und man versuche es mit der Umkehrfunktion x = g−1 (x). Beispiele: x 3 + x = 1, d. h. x = 1/(x 2 + 1) konvergiert gegen x = 0,682 328. Bei x = cot x springt das Verfahren scheinbar regellos hin und her. x = arc cot x konvergiert schnell auf x = 0,860 33. Graphisch: Gesucht ist der Schnittpunkt zwischen der 45◦ -Geraden y = x und der Kurve y = g(x). Die Iteration entspricht der Spielregel: Von x geh hoch zu g(x), dann waagerecht bis zur Geraden, usw. Wenn g(x) flacher als 45◦ steigt oder fällt, z. B. g(x) = λ cos x mit λ < 1,319 16, führt eine Treppe bzw. Spirale zum Schnittpunkt. Anderenfalls gibt es drei Möglichkeiten: Die Werte können ins Unendliche entweichen, sie können zwischen zwei oder mehr Punkten periodisch zirkulieren, oder sie können scheinbar regellos variieren. Jedenfalls konvergiert dann das Verfahren mit der Umkehrfunktion, denn wenn g(x) steiler ist als 45◦ , ist g−1 , das Spiegelbild, flacher als 45◦ , dort wo sich beide auf der 45◦ -Spiegelgeraden schneiden. Für λ > 2,971 69 schneidet die Gerade x/λ die cos x-Kurve nicht nur zweimal bei ±x, sondern mindestens sechsmal. 3.4.1 Torsion Ein Quarzglasfaden von 2 µm Dicke und 2 m Länge ergibt bei einem Torsionsmodul G = 3,3 · 1010 N/m2 eine Richtgröße DR = 12 · 1,5 · 3,3 · 1010 · 10−24 N m = 2,5 · 10−14 N m. Ein solcher Faden hält maximal etwa 0,2 N, tatsächlich aber wegen der immer vorhandenen Oberflächenverletzungen nur etwa 0,01 N aus. Ein Spiegelscherbchen von 0,3 mm Dicke und 2 mm Länge und Breite, auf diesen Faden geklebt, hat ein Träg-
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heitsmoment J ≈ 10−12 kg m2 . Das System führt Drehschwingungen mit √ ω = DR /J ≈ 0,16 s−1 , T ≈ 40 s aus. Für eine Messung der brownschen Drehbewegung könnte man das Spiegelchen auch größer und damit T länger machen, denn das mittlere Ausschlagsquadrat bei gegebener mittlerer Rotationsenergie hängt vom Trägheitsmoment nicht ab (vgl. Aufgabe 5.2.21). Bei der Rayleigh-Scheibe ist es dagegen wichtig, dass die Scheibe möglichst klein ist, denn umso kürzere Ultraschallwellen kann man messen (vgl. Abschn. 4.5.1). Bei der Gravitationswaage kann man mit viel dickeren Metalldrähten arbeiten (vgl. Aufgabe 1.7.4). 3.4.2 Zerreißgefahr Die Bruchlinie der Länge L, die ein potentiell abreißendes Teilstück vom Restkörper abtrennt, ist einer Zentrifugalkraft ω2 mr und einer mittleren Spannung σ ≈ ω2 r A/L ausgesetzt (m, A Masse und Fläche des Teilstücks, r Achsabstand seines Schwerpunkts). Am größten wird dieser Wert für einen Durchmesser: σ ≈ 12 ω2 R2 = 12 v2 . Für Stahl von σ = 7 · 108 N/m2 wird vzul ≈ 300 m/s. Oberhalb von v = 100 m/s sollte man aber schon in Deckung gehen 3.4.3 Härte und Sprödigkeit Ein hartes Material hat eine steile Spannungs-Dehnungs-Kurve, d. h. großes E. Ein duktiles Material verträgt viel Deformation, seine Spannungs-Dehnungs-Kurve lädt also weit nach rechts aus. Beide Merkmalspaare sind begrifflich und tatsächlich gut kombinierbar: Glas, Grauguss sind hart-spröde, α-Eisen ist hart-duktil, Blei weich-spröde, Holz weich-duktil. Zur vollständigeren qualitativen Kennzeichnung der Kurve braucht man mehr Merkmale. Zum Beispiel sind V2A und Federstahl etwa gleich hart (E) und gleich fest (σF ), aber die Bruchdehnungen sind sehr verschieden. Offenbar ist V2A weit über die Proportionalitätsgrenze hinaus dehnbar, Federstahl nicht. 3.4.4 Elastische Dämpfung Hebt man die Belastung σ0,005 , die der Elastizitätsgrenze entspricht, wieder auf, dann geht die Dehnung definitionsgemäß nicht auf 0, sondern auf 5 · 10−5 zurück. Die Hysteresiskurve für Belastungen wechselnden Vorzeichens bis σ0,005 hat also ungefähr die Fläche ∆η ≈ 2 · 2 · 5 · 10−5 · 12 · σ0,005 . Diese Fläche gibt die Energie an, die in der Volumeneinheit bei jedem vollständigen Durchfahren der Kurve, also z. B. bei jeder Schwingungsperiode in Wärme übergeht. Die Gesamtenergie pro Volumeneinheit der Schwingung ist gleich der Dreiecksfläche η = 12 σ0,005 δE (δE : Dehnung an der Elastizitätsgrenze). Energieverlust/Gesamtenergie gibt den doppelten Dämpfungsfaktor (den doppelten, weil die Energie durch das Amplitudenquadrat gegeben wird): δ = 12 ∆η/η = 10−4 /δE . Für den Stahl von Abb. 3.79 folgt δ ≈ 5 · 10−3 . 3.4.5 Balkenbiegung Ausgehend von (3.71) kann man sofort das Profil angeben, das der Balken unter der Last F annimmt. Sei y die Auslenkung nach unten, x der Abstand
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vom Balkenende. Dann ist die Krümmung y (x), denn die Neigung y ist so klein, dass man sie im Nenner des vollständigen Ausdrucks gegen die 1 vernachlässigen kann. Also y = 1/r = Fx/(αEd 3 b). Integration liefert 2 3 F F x x y = +A und y = + Ax + B . αEd 3 b 2 αEd 3 b 6 An der Einspannstelle sind y = 0 und y = 0. Damit ergibt sich 3 L2 L3 F x − x + , y= 2 3 αEd 3 b 6 speziell für das Ende (x = 0): y = FL 3 /(3αEd 3 b). 3.4.6 Fernsehturm Der Widerstand gegen Verbiegung und Bruch wird überwiegend von den Außenzonen des Balkens geleistet, und zwar nach Maßgabe des Quadrats des Abstandes vonder Faser. Es kommt auf das ,,Flächenträg neutralen heitsmoment“ I = x 2 dx d y an. Für den Rundstab ist I ∼ R4 , wie man am schnellsten sieht, wenn man das Integral in Polarkoordinaten schreibt. Vollständig I = 14 πR4 . Beim Rohr, Außenradius R, innen r, fehlt innen ein Rundstab mit r, also I ∼ R4 − r 4 . Das Rohr mit r = R/2 ist nur um 6% gegenüber dem Vollstab mit R geschwächt. Ein Rohr mit 2 cm Durchmesser und nur 1,7 mm Wandstärke ist immer noch halb so fest wie ein 2 cm-Vollstab. Das geringere Eigengewicht des Rohrs gleicht in vielen Fällen den Festigkeitsverlust mehr als aus. Auch bei der Verdrillung gelten die gleichen Verhältnisse, denn auch hier sind Rückstellmoment und Belastbarkeit proportional zu R4 . 3.4.7 Brücke Der Balken bricht, wenn und wo seine Krümmung den Wert überschreitet, der der Bruchdehnung (oder Bruchstauchung) der Randzone entspricht. Sägt man den beiderseits eingespannten Balken in der Mitte durch und macht den Sägeschlitz so weit, dass sich die Balkenstücke nicht gegenseitig abstützen, dann trägt dieser Doppelbalken schon die doppelte Last wie ein einzelner. Ist dagegen der Schlitz sehr fein, bedeutet das Zersägen keinen Festigkeitsverlust. Die Stirnseite der einen Balkenhälfte übt dann nämlich auf die andere ein Stützmoment aus, das genau so groß ist wie das Moment, das die Einspannung auf ihr Balkenende ausübt, denn der Erfolg ist an beiden Seiten der gleiche: Der Balkenquerschnitt hat sich senkrecht gestellt. Beide Momente haben auch den gleichen Drehsinn, addieren sich also und halten einem doppelt so großen lastbedingten Moment das Gleichgewicht, als wenn der Balken nur einseitig eingespannt wäre. Im ganzen hat sich die Tragfähigkeit also vervierfacht. Bei der quantitativen Überlegung bedenke man: Momente wie das Einspannmoment in der Balkenmitte pflanzen sich ungeändert bis zum anderen Balkenende fort. Kräfte wie die Last dagegen müssen mit der Entfernung bis zu dem Punkt, wo man das resultierende Moment bestimmen will, multipliziert werden.
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3.4.8 Sägewerk Nach Abschn. 3.4.6 muss d 2 b maximal sein, wobei natürlich d und b mit dem Stammdurchmesser D immer nach Pythagoras verknüpft sein müssen: D2 = d 2 + b2 . Wir drücken die Tragfähigkeit durch b allein aus: (D2 − b2 )b und bestimmen das Maximum√dieses Ausdrucks durch Differenzieren: 2 = 0, also b = D/ 3, d = D√2/3. Die Tragfähigkeit ist um D2 − b2 − 2b√ √ den Faktor 4 2/3 3 = 1,09 größer als bei quadratischem Querschnitt. 3.4.9 Flächenträgheitsmoment Bei gegebenem Biegeradius R sind Spannung und Dehnung proportional zum Abstand x von der neutralen Faser: σ = Ex/R. Das Flächenelement dx d y übt die Kraft d F = σ dx d y und das Moment 2 dT = x d F = Ex 2 dx d y aus, der ganze Querschnitt also das Moment −1 x dx d y = E I/R. Eine Scheibe der Dicke d, quer zum T = ER · Balken geschnitten, hätte das übliche Trägheitsmoment J = I d. Das Rechteck mit der Länge a in x-Richtung, b in y-Richtung hat I = ba3 /12, in Polarkoorder Kreis vom Radius r hat I = πr 4 /4 (am bequemsten R 2π 2 dinaten auszurechnen: dx d y = r dϕ dr, I = 0 0 r sin ϕr dϕ dr). Der Kreisring (Rohrquerschnitt) hat I = I1 − I2 = π(r14 − r24 )/4, der DoppelT-Träger, dessen Querschnitt ins Rechteck a, b einbeschrieben ist und der überall die Materialstärke d hat, I = da3 /12 + dba2 /4. Bei gegebenem Querschnitt A = d(2b + a) hat I kein Maximum im Endlichen, sondern I steigt monoton mit a: Bei gegebener Masse wäre ein unendlich schmaler Träger am biegesteifsten. In Wirklichkeit ist die Höhe a des Mittelsteges durch seine Knickfestigkeit begrenzt (Abschn. 3.4.7). 3.4.10 Ein teurer Fehler Die Ventile sind unten, denn die Luft muss raus, und sie ist schwerer (29/18) als kühler, erst recht als heißer Wasserdampf. Wenn man beide zumacht, kondensiert der Dampf, der Innendruck wird minimal. Auf ein Wandstück der Fläche lb wirkt von außen Fp = plb, Gleichgewicht erfordert Tangentialkräfte F = Fpr/l (vgl. Abb. 3.26), also Spannungen σ = F/(bd) = pr/d (d: Wandstärke). Bei σ > σ F , d. h. p > p F = σ F d/r wird das Material zerquetscht. Hier liegt aber offenbar Knickung vor. (3.73) ist auch auf eine Wand anwendbar mit einer Spannweite l ≈ r. Bei 4αEd 3 b/r 2 > prb, also p > pK = Ed 3 /r 3 tritt Knickung ein. Mit d = 5 mm folgt pK = 0,1 bar. Fast d = 5 cm wäre nötig gewesen. Die Grenze√zwischen Knicken und Zerquetschen liegt bei pK = p F , also um d/r = σ/E, für Stahl um d ≈ r/20. 3.4.11 Tiefseeboot In 12 km Tiefe herrschen 1 200 bar. Nach p F = σ F d/r und σ F = 5 · 108 N/m2 erfordert das d = 20 cm bei r = 1 m. Knickung ist dann laut Aufgabe 3.4.10 nicht zu befürchten. Ein solcher Zylinder aus Stahl hätte dann mehr Gewicht als Auftrieb (Verhältnis beider ist 2d Fe /(r W )), das Auftauchen würde besondere Vorrichtungen erfordern. Titan hat nur 4 510 kg/m3 und ist ebenso fest.
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3.4.12 Das stabile Ei Vergleichen wir den Kalk der Schale mit Beton (Tabelle 3.3; kein DDTgeschwächtes Ei!), folgt mit d = 0,5 mm, r = 30 mm etwa pD = 10 bar, pK = 2 bar. Jede Handfläche übt einen ziemlich gleichmäßigen Druck auf fast die halbe Eioberfläche von knapp 50 cm2 aus und dürfte demnach mit annähernd 1 000 N drücken.
= Kapitel 4: Lösungen . . . 4.1.1 Koloraturbass Ein kurzer Staccatoton von der Dauer T hat ein Frequenzband von der Breite ∆ν ≈ 1/T als Spektrum. Man macht sich das am einfachsten so klar: In der Zeit T treffen bei einem Ton, der ,,eigentlich“ die Frequenz ν hat, n = νT Berge unser Ohr, z. B. bei T = 0,2 s und ν = 100 Hz n = 20. Ebenso viele Berge treffen aber auch bei 104 Hz ein. Die um ∆ν = 1/T verschiedenen Töne sind also in dieser kurzen Zeit nicht unterscheidbar. Je tiefer ein Ton ist, desto länger muss er andauern, damit er die vorgeschriebene Reinheit ∆ν/ν hat. Damit ein 100 Hz-Ton überhaupt auf einen Viertelton genau definiert ist, d. h. damit man sagen kann, ob es E oder F sein soll, muss er ∆ν = 0,055 · 100 Hz = 5,5 Hz haben, also mindestens 0,2 s dauern. Ein gutes Ohr fordert mehr als doppelte Reinheit. Selbst der sicherste Bassist kann also keine Melodie rein singen, in der die Töne viel kürzer als 14 s dauern. 4.1.2 Obertöne Abbildung 4.10 lässt sich als das Auslenkungsbild einer in der Mitte angezupften Saite auffassen, wenn man an die Abszissenachse x, an die Ordinate y schreibt und nur das erste Dreieck betrachtet. Der Beweis für diese Vertauschbarkeit von Ort und Zeit ergibt sich aus dem Bau der Wellengleichung, der in x und t völlig symmetrisch ist. Wenn y(x, t) die Orts- und Zeitabhängigkeit der Auslenkung ist, heißt die Wellengleichung y(x, ¨ t) = c2 y (x, t); der Punkt deutet die partielle Ableitung nach der Zeit, der Strich nach dem Ort an. Die Lösung y = f(x ± ct) lässt sich nach Fourier aus sin k(x ± ct) und cos k(x ± ct) zusammensetzen. Für t = 0 gibt diese Fourier-Reihe die Anfangsauslenkung, für x = 0 gibt sie den zeitlichen Verlauf der Schwingung. Hat man also das Spektrum, d. h. die Amplituden der Grund- und Oberwellen zur gegebenen Dreieckskurve, dann stellen sie auch die Stärken der Obertöne dar. Die ganze Schwingung, als stehende Welle aufgefasst, geht so vor sich, dass jeder Punkt der Saite mit dem vom Spektrum gegebenen Frequenzgemisch schwingt. Die Gesamtamplitude dieser Schwingung ist allerdings an jeder Stelle anders, so wie es die Dreieckskurve vorschreibt. 4.1.3 Schatzsuche Wenn man den Schatz auch finden kann, ohne die Lage des Blockhauses zu kennen, muss der Ort des Schatzes unabhängig vom Ausgangspunkt der Prozedur sein. Dann kann man jeden beliebigen Ausgangspunkt nehmen,
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z. B. eine Ecke des Quadrats, dessen Diagonale die Verbindungslinie der Bäume ist. Kidds Vorschrift führt dann zur 4. Ecke des Quadrats. Da man nicht weiß, wie Kidd die Bäume nummeriert hat, wird man es an beiden Ecken des Quadrats versuchen. Den Beweis, dass der Endpunkt der Prozedur unabhängig von ihrem Ausgangspunkt ist, führt man am besten in der komplexen Ebene. Der Ursprung sei die Mitte zwischen beiden Bäumen. Zum Baum A führt der komplexe Pfeil z, zum anderen (B) führt −z. Irgendwo bei y liege die Blockhaustür H. Dann geht man von H bis A längs z − y. Schwenkung um 90◦ nach rechts bedeutet Multiplikation mit −i: Von A zum 1. Pflock P führt −i(z − y), von O nach P führt z − i(z − y). Analog: HB = −z − y, BQ = i(−z − y), OQ = −z − i(z + y). Der Schatz liegt mitten zwischen den Pflöcken P und Q bei 12 (OQ + OP) = −iz, also tatsächlich in der Ecke des Quadrates mit der Diagonale AB. 4.1.4 Beschleunigungsmesser Im Bezugssystem des Fahrzeugs, das mit a beschleunigt ist, lautet die Bewegungsgleichung der Kugel m x¨ = −ma − Dx − k x. ˙ Die Kugel soll durch ihren Ausschlag x die unregelmäßige Zeitfunktion a(t) möglichst getreu darstellen. Bei längerer konstanter Beschleunigung a ist x = −ma/D. Das entspricht dem quasistatischen Plateau der Resonanzkurve. Da auch und erst recht solche Vorgänge aufgezeichnet werden sollen, gibt es keine andere Wahl des Messbereichs als ω ω0 . Kurze Stöße von etwa 0,1 s Dauer infolge Straßenunebenheiten brauchen nicht aufgezeichnet zu werden. Das Auge könnte ihrer Anzeige auch gar nicht folgen. ω0 kann also in der Gegend von 10 s−1 liegen. Für eine Stahlkugel von 1 cm Durchmesser, also 4 g Masse erfordert das eine Feder von etwa 0,4 N/m. Dämpfung auf den aperiodischen Grenzfall optimiert wieder Messbereich und Einstellzeit (vgl. Aufgabe 4.1.5). Ein solches k = 0,08 N s/m lässt sich als StokesReibungsfaktor k = 6πηr mit η = 0,8 N s/m2 realisieren. Das entspricht einem ziemlich dicken Maschinenöl. Seine Viskosität muss gut temperaturbeständig sein, sonst kann man aus dem Grenzfall geraten und damit für schnelle Vorgänge falsche Angaben erhalten, weil sich der Horizontalitätsbereich verengt. Der Ausschlag der Kugel ist x ≈ ma/D ≈ 10−2 a. Beschleunigungen von einigen Zehntel m/s2 lassen sich also mit Hilfe eines Lupenglases noch gut und schnell ablesen. 4.1.5 Messgerät Die Schwingungsgleichung J ϕ¨ + kϕ˙ + Dϕ = 0 hat die vollständige Lösung ϕ = ϕ1 eλ1 t + ϕ2 eλ2 t , wobei λ1 und λ2 die Wurzeln dercharakteristischen Gleichung√Jλ2 + kλ + D = 0 sind, d. h. λ1,2 = 12 k/J(± 1 − 4JD/k2 − 1). √ Bei k < 2 √ JD (Schwingfall) ist der Dämpfungsfaktor δ = 12 k/J < D/J, √ bei k√= 2 JD (aperiodischer Grenzfall) δ = 12 k/m = D/J. Bei k > 2 JD (Kriechfall) heißt die vollständige Lösung
ϕ = ϕ1 exp − 12 k/J 1 − 1 − 4DJ/k2 t 1
+ ϕ2 exp − 2 k/J 1 + 1 − 4DJ/k2 t .
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Der zweite Term hat den stärker negativen Exponenten, ist also stärker gedämpft. Effektiv istdemnach der Dämpfungsfaktor des langsameren Gliedes δ = 12 k/J(1 − t − 4DJ/k2 ) maßgebend. Im extremen Kriechfall nimmt er den Wert δ ≈ D/k an. Bei festem J und D als Funktion von k aufgetragen, ist δ am größten im aperiodischen Grenzfall. Bei festem k und J bleibe man im extremen Schwingfall (D 14 k2 /J ), damit δ möglichst groß, nämlich D/k wird. Bei festem k und D schließlich muss J möglichst klein sein (extremer Kriechfall), damit δ maximal, nämlich 12 k/J wird. Man kann also daraus allein nicht einfach sagen, der Grenzfall sei für jedes Messsystem am günstigsten. Es kommt dazu die Bedingung der verzerrungsfreien Amplitudenwiedergabe über einen großen Frequenzbereich, die das quasistatische Plateau des Grenzfalls ebenfalls gut erfüllt, und die Bedingung, dass die Empfindlichkeit der Anzeige, d. h. das Verhältnis des Ausschlags zur Amplitude des angreifenden Drehmoments nicht zu klein, d. h. D nicht zu groß sein soll. 4.2.1 Verstimmte Uhren Jede Uhr habe von der folgenden den Abstand a. Wir nummerieren die Uhren von 0 an fortlaufend und legen den Ursprung in die 0-te, sodass die k-te Uhr bei x = ka ist. Die relative Verstimmung zwischen zwei Nachbaruhren sei δ = ∆t/t, z. B. δ = 1 s/1 h = 1/3 600. Eine Zeit t nach der Synchronisierung hat die Uhr k den Rückstand k∆t = xδt/a gegen die um x entfernte 0. Uhr. Die Gongschlagwelle läuft also mit der Geschwindigkeit c = a/δt. Bei jeder Wiederholung läuft sie langsamer. Ganz zu Anfang war die Geschwindigkeit beliebig groß (u. U. größer als die Lichtgeschwindigkeit). Für die ,,Gongwelle“ als rein kinematischen Vorgang verbietet das die Relativitätstheorie auch gar nicht, sondern nur für einen Vorgang, der Energie, Impuls oder Masse transportiert. 4.2.2 Erdbeben I Die zuerst ankommende Erdbebenwelle (P-Welle) hat die 2 300 km von Agadir bis Paris mit 2 300/300 = 7,7 km/s durchlaufen. Die PWellen sind longitudinal, wie man an der Schwingungsrichtung des Seismographen erkennt; also ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit durch √ den Kompressionsmodul auszudrücken: c = K/ (man beachte, dass kein seitliches Ausweichen möglich ist). Mit = 3 g/cm3 ergibt sich K = c2 = 2 · 1011 N/m2 . Selbst ein stoßartiges Beben liefert ein langgezogenes Seismogramm, umso mehr, je weiter der Herd entfernt ist; denn die verschiedenen Wellen haben verschiedene c und laufen auf verschiedenen Wegen. Am schnellsten laufen die longitudinalen P-Wellen, nur etwa halb so schnell die rein transversalen S-Wellen, noch später kommen die Rayleigh- und Love-Wellen (M und L), reine Oberflächenwellen, die einen längeren Weg haben als die P- und S-Wellen. Die langsameren Wellen sind überwiegend Scherwellen; ihr etwa halb so großes c wird durch G bestimmt, das etwa 14 so groß ist wie K (Tabelle 3.3, Abschn. 3.4.3). Die Moduln nehmen mit der Tiefe (dem Druck) schneller zu als die Dichte. Deshalb ist c in der Tiefe größer, und die Wellenfronten schwenken zur Oberfläche hin leicht ab. An der Oberfläche und an der
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Mantel-Kern-Grenze tritt Reflexion ein, an der Kerngrenze auch Brechung mit sin α1 / sin α2 = c2 /c1 . Der Mantel ist optisch dünner (c ist dort größer), also können die Wellen den Kern nur wieder verlassen, wenn sie steiler als mit α ≈ 40◦ auf die Grenze auftreffen. Der c-Wert im Kern deutet bei 10 g/cm3 auf ein K oder G hin, das wesentlich höher ist als das von Stahl. 4.2.3 Erdbeben II Die Intensität der Kugelwelle nimmt mit dem Quadrat des Abstandes ab und ist proportional dem Amplitudenquadrat. Geschwindigkeits- und Verschiebungsamplituden ergeben sich aus der Beschleunigungsamplitude durch Division durch ω bzw. ω2 . Mit ω ≈ 1 s−1 erhält man x˙0 ≈ 1 m/s und x0 ≈ 1 m. Im über 100-mal größeren Abstand des Antipodenpunkts hat 1 man noch die 10−4 fache Intensität und 100 der Amplituden, also etwa 1 cm usw. Das geschilderte Beben hat 10 bis 11 Mercalli-Grade. Beben bis 7–8 werden noch überall registriert. Die Energiedichte ist etwa v2 . Unter den geschilderten Umständen ist sie im Hypozentrum etwa 100-mal größer als im Epizentrum, nämlich 105 bis 106 J m−3 , also im Ganzen 1017 bis 1018 J. Eine Megatonne Sprengstoff setzt etwa 1016 J frei. 4.2.4 Seismograph Die schiefhängende Gartentür ist im Prinzip ein HorizontalpendelSeismograph. Eine Beschleunigung a des Erdbodens und der Türangeln in horizontaler Richtung senkrecht zur Türebene führt im Bezugssystem der Erde zu einem Drehmoment dMa (d Breite, M Masse der Tür, die, wie gleich gezeigt wird, ganz außen konzentriert sein sollte). Die Lage ist genau umgekehrt wie beim Beschleunigungsmesser für das Auto (Aufgabe 4.1.4): Die Auslenkung soll proportional der Bewegungs-, nicht der Beschleunigungsamplitude der Erde sein, und man will kurze Schwingungen bis zu einer Grenze (in der Praxis ca. 20 s Periode) verfolgen. Nun ist selbst der kürzeste ,,Erdstoß“ immer als Wellenzug darstellbar, wenigstens in größerer Entfernung, denn ein einsinniger Beschleunigungsstoß würde zu einer bleibenden Geschwindigkeit, ein Doppelstoß in positiver bzw. negativer Richtung zu einer bleibenden Verschiebung führen. Für eine Welle, speziell eine harmonische, gilt die Resonanzkurve, hier in der Darstellung x0 Seis /x0 Erde = f(ω). (Amplitudenverhältnis der Schwingungen von Seismographenmasse und Erde.) Diese Darstellung ergibt sich aus der üblichen x0 /F0 -Kurve durch Multiplikation mit mω2 . Aus Abschn. 4.1.3 oder (4.39) sieht man, dass sie über T aufgetragen genauso aussieht wie die übliche Kurve über ω. Man verwendet hier also das quasifreie Plateau: Die Masse muss in Ruhe bleiben, während die Erde darunter wegschwingt. Die Eigenperiode muss um 20 s liegen, was sich durch ein kleines α (≈ 1◦ ) erreichen lässt. Plateaubreite und Nachschwingzeit werden wieder durch Dämpfung zum aperiodischen Grenzfall optimiert. 4.2.5 Seiches Das Becken habe die mittlere Tiefe H, die groß ist gegen die Unterschiede in der lokalen Tiefe h des Wellenprofils. Das Wasser wird
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beschleunigt durch Druck-, d. h. Höhenunterschiede: ˙v = − p = −g h , also v˙ = −gh . Räumliche Unterschiede in v bringen einen effektiven Zuoder Abfluss, d. h. Änderungen von h: B h˙ = −HBv , (B: Breite des Be˙ ckens), also v = −h/H. Man leitet die erste Gleichung nach x, die zweite ¨ nach t ab: v˙ = −gh = −h/H, also h¨ = gHh . Das ist eine d’Alembert√ Länge L ist die Wellengleichung mit c = gH. In einem Becken der √ Periode des Schwappens (der Seiches) T = 2L/c = 2L/ gH. Man hüte sich, mit dieser Periode am Becken zu wackeln. 4.2.6 Wellengruppe Tiefwasserwellen haben normale Dispersion: c(λ) steigt (vgl. (4.104)). Der Wind erzeugt nicht nur Wellen mit einem λ-Wert, sondern ein ganzes Spektrum von λ-, also auch c-Werten. Diese überlagern sich zu schwebungsartigen Wellengruppen, deren Länge ∆x mit der Breite ∆λ des λ-Spektrums nach der Unschärferelation zusammenhängt: ∆x ≈ λ2 /∆λ. Wenn die Serie z. B. aus ∆x/λ = 5 Wellen besteht, lässt das auf ∆λ/λ = 15 schließen, z. B. λ zwischen 80 und 120 m. All dies gilt besonders für Dünung aus einem entfernten Sturm; ein Wind an Ort und Stelle erzeugt oft ein so breites Spektrum, dass sich keine solchen Gruppen bilden (∆x ≈ λ). 4.2.7 Unterwassergespräch Wasser leitet den Schall zwar sehr gut, aber es ist schwierig, aus dem luftgefüllten Sprechapparat genügend Schallintensität ins Wasser und aus dem Wasser ins luftgefüllte Innenohr zu bringen, weil der Reflexionskoeffizient beide Mal praktisch 1 ist. Man verliert jedes Mal einen Faktor von der Größenordnung 104 . Normale Mikrophone zeigen daher auch von den Unterwassergeräuschen nur sehr wenig an. Man benutzt ,,Hydrophone“, die mit Wasser oder einem Medium ähnlichen Wellenwiderstandes gefüllt sind und daher bessere Übertragungseigenschaften haben. 4.2.8 Seegeflüster Die größere Schallgeschwindigkeit im Wasser ist nicht der Grund, obwohl die meisten Leute das glauben. Der Schall kann nämlich wegen des hohen Reflexionskoeffizienten zwischen zwei Stoffen so verschiedener Dichte praktisch nicht von der Luft ins Wasser und umgekehrt, und der ,,Wasserschall“ spielt daher keine Rolle. Auch die Freiheit von Hindernissen ist nicht der Hauptfaktor: Über glatten Wüsten- und Sandflächen trägt der Schall keineswegs besser, am wenigsten bei Sonnenschein. Über dem See herrscht eine Temperaturinversion: Dicht über dem Wasser ist es kühl, mit zunehmender Höhe steigt die Temperatur schnell auf den Normalwert an. √ Da sich der Schall in warmer Luft schneller ausbreitet (c ∼ T ), führt das zu einer Bündelung des Schalls, ähnlich wie im Sprachrohr. Das Umgekehrte tritt über heißen Sand- oder Asphaltflächen ein. Dass man so schwer gegen den Wind anschreien kann, liegt nicht an dem Verlust der Schallgeschwindigkeit in der bewegten Luft (der Wind ist immer langsam gegen den Schall), sondern ebenfalls an einem negativen Sprachrohreffekt: In größerer Entfernung von Hindernissen wie dem Erdboden oder selbst unserem Kopf ist die Strömung schneller, und daher fächern die ,,Schall-
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strahlen“ auf, und man hat das Gefühl, dass einem der Schall vom Mund weggerissen wird. Quantitativ: Über dem Wasser sei es um ∆T kühler als normalerweise, der Ausgleich erfolgt auf einer Höhe h. Dann werden alle ,,Schallstrahlen“, die unter weniger als α ≈ 12 h/T · dT/dh ≈ 12 ∆T/T ansteigen, wieder zur Oberfläche zurückgeworfen. Windgeschwindigkeit v bedingt Auffächerung der Abstrahlwinkel um den Faktor 1 + v/c, also eine Intensitätsabnahme um den Faktor 1 − 2v/c. 4.3.1 Reflexion Wenn Lattenbreite und -abstand klein sind gegen die Wellenlänge, wirkt jede Latte als praktisch punktförmiges Sekundärwellenzentrum. Bei einem einfallenden Bündel paralleler Wellen interferieren sich die Sekundärwellen in allen Richtungen weg, außer in der durch das Reflexionsgesetz bestimmten, und zwar unabhängig davon, ob die Latten regelmäßig angeordnet sind oder nicht. Man liest das am schnellsten aus der Huygens-Konstruktion (Abb. 4.33) ab; ob man die Sekundärzentren darin kontinuierlich oder auch nur regelmäßig zeichnet, ist gleichgültig. Für die Zaunlücken gilt natürlich dasselbe, aber ihre Emission geht auch in Vorwärts-Richtung ungeschwächt. Das Interferenzbild ist also beiderseits, abgesehen von der Intensität, spiegelbildlich. Wenn die Wellenlänge etwas kleiner ist als der Lattenabstand, ergeben sich die vom Beugungsgitter bekannten Effekte: In Reflexion und Durchgang treten Nebenmaxima auf. Sie liegen umso dichter, je kleiner λ wird. Immer noch ist aber das Hauptmaximum, das regulärer Reflexion bzw. geradlinigem Durchgang entspricht, am stärksten. Erst bei sehr viel kleinerem λ verschmelzen diese vielen Maxima mit ausgeglichener Intensität zu einer annähernd isotropen Emission. Schallwellen sind meist als Kugelwellen aufzufassen, daher wird das Bild des Echos geometrisch komplizierter. Nebenmaxima hört man selbst vor einem streng ,,preußischen“ Kiefernwaldrand nur schwer. Der Übergang von diskreter zu kontinuierlicher Reflexion ist aber sehr sinnfällig, wenn man z. B. mit dem Motorrad an einer Baum- oder Pfahlreihe, einem Zaun oder einer Mauer vorbeifährt. 4.3.2 Am Strand
√ Wenn die Wassertiefe H λ− ist, breiten sich die √ Wellen mit c = gH aus (vgl. (4.107)). Ihre Brechzahl n = c0 /c ∼ 1/ H geht gegen ∞, wenn sie sich dem flachen Ufer nähern (was mit anderen Wellen schwerer zu erreichen ist). So biegt der ,,Wellenstrahl“ immer mehr in die Lotrichtung zum Strand (vgl. Abschn. 9.5.1). Der Winkel α zwischen Strahl und Lot ändert sich nach sin α/ sin α0 = n 0 /n, auch bei einer stetigen Folge von ,,Brechungen“, und wird bei H = 0, n = ∞ schließlich 0. Man will dies in Wellenkraftwerken ausnutzen: Eine künstliche Insel in Form eines umgedrehten flachen Tellers soll die Wellen von allen Seiten auf den Empfänger konzentrieren. 4.3.3 Flüsterjets Da die Amplituden gleich sind, kommt es nur auf die Phasen ϕ an. Ein Zeigerdiagramm zeigt: Bei |∆ϕ| < 120◦ ist die Summe der Amplituden größer
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als eine einzelne, sonst kleiner. Bei Zufallsphasen ist die Wahrscheinlichkeit für ,,größer“ also 23 . Motorenlärm hat ein sehr breites Frequenzband, und es ist völlig ausgeschlossen, dass alle Teilwellen ausgerechnet in den 1 3 -Schwächungsbereich fallen. 4.3.4 Doppler-Effekt Die Radialkomponente der Geschwindigkeit von Stern oder Galaxis relativ zur Sonne drückt sich in einem Rot- oder Violett-Doppler-Effekt aus: ∆ν = ν(1 + vr /c). Bei Sternen ist vr in der Größenordnung 10–100 km/s, also ∆ν/ν ≈ 10−3 . Bei fernen Galaxien geht vr bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit. Das führt nicht nur zu einer Verschiebung weit ins Rote, sondern auch zu einer Intensitätsverdünnung der Strahlung. Damit man diese Verschiebungen bei den Linien des Sternspektrums messen kann, dürfen sie nicht wesentlich kleiner sein als die Linienbreite, die z. T. ebenfalls ein Doppler-Effekt ist, nämlich infolge der thermischen Geschwindigkeit der strahlenden Teilchen. Bei 10 000 K hat ein H-Atom v = 15 km/s, schwerere Teilchen fliegen langsamer, z. B. ein Fe-Ion mit 2 km/s. Die Doppler-Verschiebung infolge Sternbewegung ist natürlich für alle Teilchenmassen gleich. Außerdem gibt es eine Stoßverbreiterung: Infolge der Stöße mit anderen Teilchen kommen die Strahler nur dazu, kurze StaccatoTöne zu strahlen, und die sind wie beim Koloratur-Bass (Aufgabe 4.1.1) notwendig unrein, d. h. spektral verbreitert. Die Rotationsgeschwindigkeit eines ausgedehnt erscheinenden Gebildes wie einer nahen Galaxis lässt sich aus dem Doppler-Effekt der einzelnen Teile des Bildes direkt messen. Bei einem Stern oder fernen Nebel ergibt die Rotation eine Zusatzverbreiterung, die bei schneller Rotation gut von thermischer und Stoßbreite trennbar ist. Bei manchen Doppelsternen deckt eine Komponente die andere zeitweise ab und isoliert so im Moment teilweiser Bedeckung u. U. das Licht vom Rand des Sterns; dann tauchen plötzlich verschobene Linien aus der allgemeinen Verbreiterung auf. Ein nicht direkt sichtbarer Begleiter erzeugt eine Kreisbewegung und einen Doppler-Effekt periodisch wechselnden Vorzeichens beim Hauptstern. Die Beobachtungsmöglichkeit für diesen Effekt hängt schwächer vom Abstand von der Sonne ab als für die direkten Positionsschwankungen, aber selbst bei Planeten von Jupitermasse ist er winzig (zwischen 1 und 100 m/s). 4.3.5 Überschallknall Ein punktförmiger Überschallkörper würde einen scharfen Mach-Kegel, also einen einzigen Knall erzeugen. Beim Flugzeug erfolgt die stärkste Erregung am Bug und am Heck (Eintauch- bzw. Abreißwelle). Es wird von zwei koaxialen Mach-Kegeln begleitet. Der Zeitabstand der Knalle ist einfach die Zeit, in der die Flugzeuglänge vorbeifliegt. Bei α = 42◦ folgt v = c/ sin α = 500 m s−1 , und bei t = 18 s ist die Flugzeuglänge t/v = 60 m. 4.3.6 Tscherenkow-Strahlung vGlas = 2 · 108 m s−1 , vWasser = 2,25 · 108 m s−1 . W = 12 mv2 = 1,8 · 10−14 J = 0,11 MeV in Glas, 2,3 · 10−14 J = 0,14 MeV in Wasser. Die relativis-
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tische Formel (16.9) ergibt etwas höhere Energien (die Masse ist ja größer geworden): 0,174 MeV in Glas, 0,259 MeV in Wasser. Praktisch jeder Kernprozess gibt direkt oder indirekt (durch γ -Strahlung ausgelösten) Elektronen solche und viel größere Energien mit. Durch Wasser abgeschirmte γ -Quellen z. B. leuchten daher intensiv in blaugrünem Tscherenkow-Licht. 4.4.1 Panflöte Benutzt man einseitig offene Rohrflöten, dann geht bei der Grundschwingung λ/4 auf die Rohrlänge. Die Frequenzen verhalten sich umgekehrt wie die Längen: Die Oktavflöte ist halb so lang wie die Grundtonflöte. Bei temperierter Stimmung haben zwei benachbarte Rohre (Halbton-Intervall) immer das gleiche Längenverhältnis 2−1/12 = 0,944. Die Längen bilden eine geometrische Folge mit diesem Faktor, d. h. die Rohrenden liegen auf einer Exponentialkurve. Der Kammerton A (440 Hz) entspricht einer Rohrlänge l = λ/4 = 14 c/ν = 18,9 cm. 4.4.2 Goldener Schnitt (1) Beim Rechteck mit ,,goldenen“ Proportionen alternieren die abgetrennten Quadrate, bei allen anderen Verhältnissen bilden sich manchmal mehrere gleich große (Abb. 4.61). Goldene Membranen oder Säle minimieren die Chancen für gefährliche mehrfach entartete Eigenschwingungen in Quadraten oder Würfeln. (2) Strecke a geteilt √ in x und a − x, sodass x/(a − x) = a/x, d. h. x 2 = a2 − ax, x = 12 a( 5 − 1). (3) Das regelmäßige Zehneck mit der Seite x und dem Umkreisradius a zerfällt in 10 gleichschenklige Dreiecke mit 36◦ an der Spitze und 72◦ an der Basis. Die Winkelhalbierende eines Basiswinkels schneidet ein dem großen ähnliches kleines Dreieck ab, aus dem man wieder abliest x/(a − x) = a/x. (4) und (5). Die Folge der Kettenbrüche mit lauter Einsen ist identisch mit der Fibonacci-Folge: Wenn ein Kettenbruch den Wert a/b hat, heißt der nächste 1/(1 + a/b) = b/(a + b). Der Grenzwert ist der ,,unendliche Kettenbruch“ g, für den gilt g = 1/(1 + g) (bei unendlich vielen Stockwerken macht es nichts aus, wenn man das oberste weglässt), also g2 + g = 1. (6) Der euklidsche Algorithmus geht von zwei Zahlen a, b(a > b) aus und konstruiert eine Zahlenfolge c0 = a, c1 = b, c2 = Rest der Division a/b, . . . , ci+1 = Rest der Division ci−1 /ci , . . . . Wenn a und b ganz sind, bricht die Folge ab (spätestens bei 1), und zwar mit dem größten gemeinsamen Teiler von a und b. Wenn a und b einen Fibonacci-Bruch bilden, garantiert dessen Bildungsgesetz, dass bei jeder Division herauskommt ,,1, Rest. . . .“ Daher muss man für gegebenes b hier öfter dividieren als bei jedem anderen a. (7) Dies ist die einfachste √ Konstruktion des Goldenen Schnitts. Der Pythagoras liefert AO = 12 a 5. (8) Nachbarblätter müssen am Stängel um den Fibonacci-Winkel 360◦ g oder 360◦ (1 − g) = 137,5◦ versetzt sein, dann kommt es so spät wie möglich zur angenäherten Überdeckung. Man sieht das bei Compositen wie Beifuß (Artemisia), auch an Koniferenzapfen und Sonnenblumenblüten.
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4.4.3 Membranschwingung u = A sin(2kx) sin(ky) + B sin(kx) sin(2ky) ist 0 bei cos(ky) = −AB −1 cos(kx)(Additionstheorem für sin(2kx) und sin(2ky)). Nahe der Mitte der Membran (x = 12 π/k + ξ, y = 12 π/k + η) lautet diese Bedingung η = −Aξ/B. Die Knotenlinie geht unter dem Winkel arctan(−A/B) durch die Mitte. Bei A = 0 oder B = 0 oder A = ±B behält sie diese Richtung bis zum Rand. Bei |A| < |B| trifft sie auf die Ränder x = 0 und x = a, wobei cos(kx) → 1 − k2 x 2 /2, also cos(ky) → −A/B. Da cos(ky) dort noch weit von seinem Maximum entfernt ist, während cos(kx) es gerade erreicht, kann sich y zum Schluss nicht mehr ändern: Die Knotenlinie trifft senkrecht auf den Rand. Entsprechend für |B| < |A| und Vertauschung von x und y. Die Knotenlinien sind daher i. Allg. S-förmig. 4.4.4 Knotenlinien Auf einer Knotenlinie und besonders an der Kreuzung solcher Linien ist u = 0 und daher wegen (4.98) ∆u = 0. Das bedeutet für den Kreuzungspunkt: Die u-Fläche ist dort in einer Richtung ebenso stark positiv gekrümmt wie in der dazu senkrechten Richtung negativ (∆u = 1/r1 + 1/r2 ; außerhalb einer Kreuzung auf dem Knoten ist die Krümmung 0 längs der Knotenlinie, also auch 0 senkrecht dazu: gleichmäßiger Anstieg). Die Kreuzung ist also ein Sattelpunkt oder Pass mit Bergen auf zwei und dazu genau symmetrischen Tälern auf den zwei anderen Seiten. In einer solchen Landschaft müssen die beiden geraden steigungsfreien Straßen, die es bei jedem Pass gibt, sich rechtwinklig schneiden. Diese Straßen sind natürlich die Knoten (u = 0). Man kann auch u(x, y) um den Kreuzungspunkt nach Taylor entwickeln. Die ersten Ableitungen verschwinden, bei geeigneter Achsenorientierung wird u = aξ 2 + bη2 mit a = −b wegen ∆u = 0. Die Höhenlinien sind gleichseitige Hyperbeln, die Asymptoten ξ 2 = η2 , d. h. η = ±ξ kreuzen sich rechtwinklig. Ein Spezialfall ist das senkrechte Auftreffen auf den Rand in Aufgabe 4.4.3, denn die Randlinie ist auch ein Knoten (u = 0). Bei mehreren sich kreuzenden Knoten muss man bis zu höheren Taylor-Gliedern entwickeln oder noch besser nach Fourier. 4.5.1 Schalltote Zone Da normalerweise die Temperatur mit der Höhe abnimmt (adiabatische Schichtung, vgl. Aufgabe 5.2.11), krümmen sich die ,,Schallstrahlen“ von der Erde weg. Diese T -Abnahme hört in der Tropopause auf und geht in der Ozonsphäre in eine T -Zunahme über. Die Ozonsphäre krümmt den Strahl daher wieder zur Erde zurück und wirkt für kleine Einfallswinkel effektiv als Spiegel. In einem T -Gradienten dT/dh ist der SchallgeschwindigkeitsGradient dc/dh = 12 c/T · dT/dh (c ∼ T 1/2 ). Eine Welle, deren Normale unter dem Winkel α gegen die Vertikale steht, wird so zum Umschwenken auf einen Kreis vom Radius R = 2T/(sin α · dT/dh) gezwungen. In der Troposphäre ist üblicherweise dT/dh = −1◦ /100 m, also R ≈ 60 km. Horizontal abgehende Schallstrahlen erreichen so die Tropopause nach 30–40 km Lauf, brauchen etwa doppelt so weit, um ihren Neigungswinkel in der Ozonsphäre umzukehren und kommen also nach 120–160 km wieder unten an.
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4.5.2 Schallstrahlungsdruck Nach Bernoulli wäre der statische Druck im Schallbündel, wo die mittlere Teilchengeschwindigkeit v0 herrscht, um 12 v02 reduziert, wenn die Dichte dort ebenso groß wäre wie außerhalb. In Wirklichkeit saugt das Bündel aus dem Außenraum Luft an bis zum Druckausgleich. Da v0 c und p ≈ 12 c2 , genügt dazu ein sehr geringer Zustrom. Am Schirm wird die Teilchengeschwindigkeit plötzlich 0. Dort ist der statische Druck daher genau um den Betrag 12 v02 größer als normalerweise, d. h. um den Schallstrahlungsdruck. 4.5.3 Fledermaus-Sonar Wenn die Hörschwelle des Fledermaus- wie des Menschenohrs bei 10−16 W/cm2 liegt, entspricht das der auf eine Kugelwelle von 1 km Radius verteilten Energie des Fledermausschreis. Das Tier kann aber erheblich bündeln. Eine Welle von 100 kHz, also mit λ = 3 mm lässt sich durch eine ,,Apertur“ von ca. 1 cm wie das Fledermausmaul bestenfalls auf einen Öffnungswinkel von 12 λ/d ≈ 0,15, d. h. etwa 10◦ konzentrieren. Der entsprechende Raumwinkel ist ca. 0,03 sterad oder 1/300 Vollwinkel. Eine √ Fledermaus hört also die andere, die sie genau anschreit, auf etwa 300 km ≈ 17 km. Beutetiere oder Hindernisse reflektieren i. Allg. nach allen Seiten. Ein Insekt vom Durchmesser δ im Abstand a streut einen Bruchteil δ2 /(0,15a)2 der Gesamtenergie des Signals (abgesehen von Verlusten bei der Reflexion). Die reflektierte Welle ist praktisch als Kugelwelle aufzufassen. Ihre Intensität im Abstand a ist δ2 /[(0,15a)2 4πa2 ] ≈ δ2 /(0,03a4 ). Bei δ = 1 cm und a = 10 m enthält der Reflex 10−9 –10−10 W, ist gerade noch √ zu hören. Bei größeren Objekten wächst der zulässige Abstand wie δ. Die Fledermaus verwendet Ultraschall wohl weniger deswegen, weil er kleinere Objekte ,,aufzulösen“ gestattet. Es kommt ihr ja wohl hauptsächlich darauf an, dass etwas im Weg ihres Sonars ist; die Intensität des Reflexes kombiniert mit der Stereophonie der beiden Ohren erlaubt bestimmt eine ziemlich sichere Unterscheidung, selbst wenn keine Einzelheiten im Objekt erkennbar sind. Die Bündelung dürfte wichtiger sein als das Auflösungsvermögen, und sie verlangt bei so kleiner Schallquelle eine sehr kurze Welle. Beim Unterwasser-Sonar ist die Hauptschwierigkeit der Intensitätsverlust beim Übergang Luft-Wasser und zurück. Außerdem hat der Fisch, abgesehen von seiner Schwimmblase, praktisch den gleichen Wellenwiderstand wie das Wasser und reflektiert daher nur schwach. 4.5.4 Schallabsorption Wenn Druck und Dichte genau in Phase schwingen, entspricht das dem quasistatischen Fall der erzwungenen Schwingung, bei dem Kraft und Auslenkung phasengleich sind. Die Energie, die ein Volumenelement in der Kompressions-Halbperiode aufnimmt, gibt es bei der Dilatation genau wieder her (dies unabhängig davon, ob die beiden Vorgänge isotherm oder adiabatisch sind). Man sieht das am klarsten im p, V -Diagramm: Das System pendelt auf einer nach rechts geneigten Geraden harmonisch hin und her. Die eingeschlossene Fläche, die die pro Periode geleistete Arbeit
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angibt, ist Null. Bei einer Phasenverschiebung δ zwischen p und öffnet sich eine Ellipse und wird bei δ = π/2 zum Kreis, falls man die Achsen entsprechend normiert (d p = −κ dV/V ; man betrachte ein Volumen V , das zahlenmäßig gleich 1/κ ist). Die Ellipsenfläche ist proportional sin δ und stellt die Energie dar, die die Welle beim Fortschreiten um eine Wellenlänge dem Medium zuführt: Der Absorptionskoeffizient ist α ∼ sin δ. Die vollständige Betrachtung liefert α = sin δ · 2π/λ. Die drei wichtigsten Transportphänomene (innere Reibung, Wärmeleitung, Diffusion) scheinen auf den ersten Blick sehr verschiedenen Einfluss zu haben. Am leichtesten sieht man für die Viskosität ein, dass sie ähnlich wie die Reibung bei der erzwungenen Schwingung eine Phasenverschiebung und damit eine Absorption herbeiführt. Die Wärmeleitung lässt die komprimierten Gebiete nicht so warm werden, wie sie es adiabatisch werden sollten. Wenn die Dilatationsphase kommt, findet sie ein etwas zu kühles Gas vor, das sich langsamer ausdehnt als es sollte: Die Dichtewelle hinkt etwas nach. Ähnlich wie die Wärmeleitung versucht auch die Diffusion die Dichteberge abzubauen und die Täler aufzufüllen. 4.5.5 Klangfarbe Als Perioden liest man ab 2,5 ms, 3,75 ms, 3,75 ms, für die Frequenzen also 400 Hz, 267 Hz, 267 Hz. Wahrscheinlich spielen die Künstler g , c , c (392 Hz, 262 Hz, 262 Hz). Die Geige spielt die Quint zu Trompete und Klarinette. Der Klarinettenton ω enthält sehr stark und fast ausschließlich die Oktave 2ω (allerdings etwas phasenverschoben, was das Ohr nicht wahrnimmt). Er klingt daher etwas leer und scharf (bewusst so gespielt, im Beispiel vom Jazz-Klarinettisten Bill Munroe). Auch die Trompete ist bewusst scharf angeblasen (Louis Armstrong), enthält aber 3ω, die höhere Quint (zum Klang leerer Quinten vgl. 9. Sinfonie). Der Geigenton nähert sich der Dreieckskurve von Abb. 4.10, die alle ,,geraden“ Obertöne nω mit n = 2m + 1 enthält, wenn auch in einer mit n −2 abnehmenden Intensität. ω, 3ω, 5ω bilden den Dur-Dreiklang. Daher klingt die Geige am wärmsten. Ganz ,,dolce“ wird sie hier aber auch nicht gespielt, wie die starke aufgesetzte Wellenlinie mit 7ω zeigt. Zino Francescatti legt etwas von der Schärfe und Spannung des Dominantseptakkords hinein. 4.5.6 Reine Stimmung Die reine Stimmung strebt rationale Frequenzverhältnisse mit möglichst kleinem Zähler und Nenner an. Die große Terz (5/4) √ lässt sich aber nicht in zwei gleich große Ganztöne zerlegen (dies ergäbe 5/2), sondern nur in einen großen (9/8) und einen kleinen (10/9) Ganzton. Das Frequenzverhältnis zwischen beiden Ganztönen (81/80), das syntonische Komma, wird von einem einigermaßen guten Ohr wahrgenommen. Stimmt man das Intervall c–d als großen Ganzton 9/8 und c–a als 5/3 (a als kleine Terz zur Oktave 2 : 5/3 = 6/5), dann ergibt sich g–a als 5/3 : 3/2 = 10/9. G-Dur erhält damit einen kleinen Ganzton als Sekundschritt. Das ginge vielleicht noch an, aber bei der nächsten Tonart (D-Dur) wird dann sogar die Quint falsch (20/9 : 3/2 = 40/27 = 3/2).
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4.5.7 Warum hören wir nicht feiner? Man kann das Trommelfell als ein Teilchen ansehen, das eine unregelmäßige brownsche Zitterbewegung mit der mittleren Energie W = kT ausführt ( 12 kT für die kinetische, ebenso viel für die potentielle Energie der Schwingung). Während der Periode τ einer 1 000 Hz-Welle, für die das menschliche Ohr am empfindlichsten ist, entspricht das einer Leistung kT/τ ≈ 4 · 10−18 W oder bei einer Trommelfellfläche von 0,3 cm2 einer völlig aperiodischen Schallintensität von etwas mehr als 10−17 W/cm2 . Die Hörschwelle liegt bei 10−16 W/cm2 . Wäre sie wesentlich geringer, würde man nur noch thermisches Rauschen hören. Dieses Rauschen ist ,,weiß“, denn in den völlig regellosen Impulsen sind alle Frequenzen gleich stark vertreten. Mehr Einblick in den Mechanismus gibt die folgende Ableitung: Die Trommelfellfläche A erfährt im Durchschnitt in der Zeit τz = 16 nvAτ Molekülstöße, die den Luftdruck darstellen. Eine solche statistische Stoßzahl ist nach Poisson√nie genau realisiert, sondern nur bis auf eine Standardabweichung ∆z = z vom Mittelwert. Mit τ = 1 ms ist z ≈ 0,6 · 1020 , also ∆z/z ≈ 10−10 . Innerhalb der Schallperiode kann also der Druck auf der einen Seite des Trommelfelles leicht um 10−10 bar größer sein als auf der anderen. Eine solche Druckamplitude von 10−10 bar entspricht gemäß I = 12 c∆ p2 /κ einer Schallintensität von etwas mehr als 10−17 W/cm2 . Allgemein erhält man I ≈ 13 p2 /(κnvAτ). Die Rauschintensität ließe sich also hinabdrücken, wenn man das Trommelfell vergrößerte und die Frequenz des Empfindlichkeitsmaximums senkte. Beide Maßnahmen steigern nämlich die Stoßzahl und senken damit ihre relative Abweichung vom Mittelwert. Dann erst hätten vergrößerte Ohrmuscheln u. dgl. einen Sinn. 4.5.8 Basilarmembran Wenn ein Zungenfrequenzmesser rasch wechselnden Schallsignalen folgen soll, müssen die Resonatoren stark gedämpft sein, sonst würden sie mehr den Nachhall vergangener Signale als die jetzigen wiedergeben. Starke Dämpfung macht die Resonanzkurve breit, d. h. die Resonatoren sprechen auch auf andere Frequenzen als auf ihre Resonanzfrequenz an. Die Nachhallzeit eines einmal angestoßenen Resonators, definiert als die Zeit, in der seine Energie um den Faktor e abklingt, ist τ = 2/δ = m/k (s. Abschn. 4.1.2; der Faktor 2 stammt daher, dass die Energie durch das Amplitudenquadrat gegeben wird). Bei dem √ Dämpfungsfaktor k hat das Resonanzmaximum die Breite ∆ω ≈ ω0 k/ 2m D = k/m = τ −1 . Trennschärfe und Nachhallzeit sind also direkt gekoppelt. Wenn das Ohr im meistbenutzten Frequenzbereich um 400 Hz Unterschiede um einen Achtelton, d. h. ∆ν/ν ≈ 0,007, ∆ω ≈ 20 wahrnehmen soll, ergibt sich also eine Nachhallzeit von 0,02 s, die auch sonst als ,,physiologische Flimmergrenze“ eine generelle Rolle spielt (Kino usw.). Hierbei ist vorausgesetzt, dass eine Verstimmung erst bemerkt wird, wenn die Amplitude des entsprechenden Resonators auf die Hälfte abgesunken ist. Besonders ein geübtes Ohr leistet natürlich viel mehr.
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4.5.9 Nachhall Eine Nachhallzeit von einigen Zehntelsekunden ist im Vortragssaal noch erträglich, im Musiksaal kann sie länger sein. Im Raum vom Volumen V steckt eine Schallenergie W = V . Die in eine gegebene Richtung wandernde Intensität ist etwa I = 16 c. Die Wandfläche A mit der mittleren ,,Absorption“ α (man beachte, dass dies kein Absorptionskoeffizient im ˙ = −αI A. W klingt, wenn üblichen Sinne ist) verringert die Energie um W ˙ = 6V/(αAc), für plötzlich Ruhe eintritt, exponentiell ab mit τ = −W/W einen Würfel der Kante a wird τ = a/(αc). Langgestreckte Räume haben relativ größeres A, also kürzeres τ. Ein großes Opernhaus kommt der Würfelform noch am nächsten. Bei a = 40 m muss überall α = 0,4 sein, damit τ ≈ 0,3 s bleibt. Schlussfolgerungen auf Ausführungstechnik von Schauspiel, Predigt, Barock- und Kammermusik liegen nahe. 4.5.10 Wer heizt die Corona? Im Stern nehmen Druck und √ Dichte nach √ innen stark zu, Temperatur und Schallgeschwindigkeit cS = γ p/ ∼ T ebenfalls. p ist der Schweredruck (gleich dem gaskinetischen Druck), also nach Aufgabe 5.2.6 im Zentrum p ≈ G M /r. Dies, etwas inkonsequenterweise mit der mittle√ ren Dichte = 34 M/(πr 3 ) kombiniert, ergibt cS ≈ G Mγ/r, was sicher zu groß ist (für das Zentrum, weil dort größer ist, für die Außenschichten, weil p dort kleiner ist). Das Gas ist einatomig, also γ = 53 . cS ist also praktisch identisch mit der parabolischen Entweichgeschwindigkeit v, die aus 12 mv2 = G M/r folgt. Da unser cS aber besonders außen zu groß ist, kann keine Schallwelle Gasfetzen ganz vom Stern abschleudern, wenn auch immerhin auf erhebliche Abstände. Die Corona mit ihren 106 K wird vermutlich durch Schallwellen, d. h. den Lärm der brodelnden WasserstoffKonvektionszone in der oberen Sonnenatmosphäre so stark geheizt (vgl. Aufgabe 5.3.8). 4.5.11 Sterne als Stimmgabeln Aus der Doppler-Verschiebung folgen für die beiden Cepheiden Expansionsgeschwindigkeiten von vmax = 12 ωrmax = πrmax /τ = 300 bzw. 150 km/s, also mit den angegebenen τ-Werten rmax = 2 · 107 bzw. 5 · 108 km oder 30 bzw. 1 000 Sonnenradien. Wenn die Sonne sich verhielte wie der größere dieser Sterne, würde sie bei maximaler Ausdehnung bis zum Jupiter reichen! Die Dichten sind entsprechend gering: 10−4 bzw. 2 · 10−9 √ g/cm3 bei√ maximaler Ausdehnung. Die Schallgeschwindigkeit ist cS ≈ γ p/ ≈ γG M/r,die Schallwellebraucht vom Zentrum bis zur Oberfläche τ = r/cS ≈ r 3 /(γG M) = 3/(4π G). Einsetzen der obigen Minimaldichten liefert τ ≈ 1,6 bzw. 300 Tage. Je genauer man rechnet, desto besser wird die Übereinstimmung mit der Beobachtung. Speziell die Beziehung τ ∼ −1/2 bestätigt sich durchgehend. Die Cepheiden-Pulsation ist wirklich eine akustische Eigenschwingung. Diese Sterne sind die größten Stimmgabeln, die man kennt (über die kleinsten vgl. Aufgabe 17.1.15).
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4.5.12 Ultraschall-Bohrer In der Unterdruckphase des Schallfeldes muss die Zerreißspannung σ des Werkstücks überschritten werden. Die Schallintensität I muss also größer sein als 12 σ 2 /( cS ). Für Stahl mit σ ≈ 5 · 108 N m−2 , cS ≈ 5,1 · 103 m s−1 folgt I > 5 · 109 W m−2 , also braucht man für eine 1 mm ∅-Bohrung eine Schallleistung von etwa 4 kW. Jeder Luftspalt würde infolge der Reflexionsverluste die Intensität um viele Größenordnungen senken. Der Transducer muss sich glatt auf den gewünschten Durchmesser verjüngen und natürlich aus festerem Material sein als das Werkstück. 4.6.1 Dispersion Die Welle hat mehr Schwereenergie als die glatte Oberfläche, denn das Wasser, das im Tal fehlt, ist auf den Berg gehoben worden. Für eine Welle der Länge λ und der Amplitude h ist das Volumen des Berges auf der Frontbreite b kleiner als 12 λbh (Rechteckform), aber größer als 12 λbh/2 (Dreiecksform), also etwa 13 λbh (exakt für eine Sinuswelle λbh/π). Diese Masse m = λbh/π ist um eine Strecke gehoben worden, die zwischen h (Rechteck) und 23 h (Dreieck) liegt (exakt πh/4). Die Schwereenergie in diesem Wellenabschnitt ist also WSch = 14 g λbh 2 = 2mgh. Die Oberfläche des Wellenberges ist größer als die entsprechende glatte Wasserfläche A0 = 12 λb. Die Dreieckskurve ergäbe A = 12 λb 1 + 16h 2 /λ2 ≈ 12 λb(1 + 8h 2 /λ2 ). Der exakte Wert ist 12 λb(1 + π 2 h 2 /λ2 ). Die Differenz ergibt eine Oberflächenenergie Wk = σ(A − A0 ) = π 2 σbh 2 /λ. In der Betrachtung von Abschn. 4.6 muss man jetzt 2mcv gleich der Summe dieser beiden Energien setzen. Man erhält dann schließlich c = gλ/(2π) + 2πσ/( λ). Dieser Ausdruck fasst die beiden Näherungen für reine Schwere- und reine Kapillarwellen zusammen. 4.6.2 Brecher auf hoher See Das Wellenprofil ist eine Trochoide, die nach Abb. 4.71 aus der kreisenden Bewegung der Wasserteilchen entsteht. Soll die Amplitude bei gegebenem λ größer werden, dann muss man den Kreis vergrößern. Man erreicht dabei einen Zustand, wo der Kreis zum Rad wird, das rutschfrei auf der Grundlinie (Höhe des Wellentals) abrollt (auch die allgemeine Trochoide kann durch Abrollen eines einzigen Kreises entstanden gedacht werden, dessen Umfang natürlich immer gleich λ ist; für kleinere Amplituden wie in Abb. 4.71 ist es aber ein Punkt auf der Speiche im Innern des Rades, der die Trochoide beschreibt). Im oben geschilderten Fall r = 12 λ/π entsteht eine Zykloide, deren Wellenberge zu Spitzen ausgezogen sind. Legt man den schreibenden Punkt noch außerhalb des Radkranzes, d. h. steigert man die Amplitude noch mehr, dann löst sich über der Bergspitze ein kleiner Sonderbogen ab. Es ist plausibel, dass eine solche Welle brechen würde. h/λ kann danach nicht viel größer werden als 16 . 4.6.3 Totwasser Wenn die Grenzfläche zwischen zwei Flüssigkeiten oder Gasen mit den Dichten 1 und 2 sich wellt, erfordert das einen Aufwand an Schwere-
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energie, der sich nach Aufgabe 4.6.1 pro Wellenlänge und Frontbreite b zu W = 14 g( 2 − 1 )λbh 2 ergibt. Der Auftrieb in der leichteren Flüssigkeit reduziert also die Schwereenergie um den Faktor ( 1 − 2 )/ 2 . Die zu bewegende Masse ist dagegen nach wie vor durch 2 bestimmt. Damit ergibt sich analog zu Aufgabe 4.6.1 c2 = 12 gλ( 2 − 1 )/(π 2 ). Wenn sich Flusswasser über Salzwasser schichtet, ist 1 = 1,00, 2 ≈ 1,02, also ist c etwa siebenmal kleiner als für eine Welle an der Oberfläche gegen Luft bei gleichem λ. Diese Wellen verzehren, gerade weil sie so leicht anzuregen sind, u. U. einen großen Anteil der Maschinenenergie eines Schiffes, das dann ,,wie von unsichtbarer Hand festgehalten“ wird. Das Aufgleiten von Warmluft über Kaltluft mit z. B. 30◦ Temperaturdifferenz, also ∆ / ≈ 0,1 kann zu Wellen von 200 m Länge und 20 km/h Geschwindigkeit führen. Der zusätzliche Aufwind vor dem Wellenberg kann Kondensation in ,,Schäfchenwolken“ auslösen. An der Warmfront (,,Schönwetterfront“) eines Tiefs geht dieses Aufgleiten ziemlich gleichmäßig vor sich, an der Kaltfront dagegen sehr turbulent. 4.6.4 Seiches So langperiodische Wellen können nur zustandekommen, wenn das ganze Wasser im Ostseebecken als Seiche hin- und herschwappt. Die Länge L des Beckens ist dann λ/2. √ Die Wellengeschwindigkeit ist durch die Seichtwasserformel c = gH gegeben. Die Zeit zwischen zwei Hochwassern entspricht dem Hin- und Herlaufen der Welle: T = 2L/c. Mit L = 1 200 km (Lübeck–Leningrad) folgt c = 25 m/s, also H = c2 /g = 62 m. Direktmessungen ergeben die mittlere Tiefe von 55 m. Im Bodensee (L ≈ 50 km, H ≈ 90 m) erwartet man c ≈ 30 m/s, T ≈ 55 min. 4.6.5 Brandung √ Im Flachwasser ist c = gH. Die Wassertiefe H ist unter dem Wellenberg größer, also läuft dieser schneller als das Wellental und kippt schließlich über. Diese ,,Herleitung“ ist allerdings mit Vorsicht aufzunehmen: Die Welle ist eine Einheit, man kann Berg und Tal nicht so einfach trennen. 4.6.6 Wellengruppe Die Gruppengeschwindigkeit vG = c − λ dc/dλ ergibt sich für Schwe rewellen mit c = 12 gλ/π zu vG = 12 c, für Kapillarwellen mit c = 2πσ/( λ) zu vG = 32 c. Da c und damit vG von der Wellenlänge abhängen, läuft eine Wellengruppe umso schneller auseinander, je größer der Spektralbereich harmonischer Wellen ist, aus denen sich die Gruppe zusammensetzt. Die Breite dieses Bereichs sei ∆λ, der Zentralwert λ. Dann unterscheiden sich die Gruppengeschwindigkeiten für den schnellsten und den langsamsten Teil der Gruppe um ∆vG = ∆λ dvG /dλ = 12 vG ∆λ/λ. Eine Gruppe aus Wellen mit Längen zwischen 5 und 6 m z. B. läuft auf einer Strecke von 1 km um 100 m auseinander.
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4.6.7 Kapillarwellen Wie man aus der Wellenlänge sieht (um 1 cm oder kleiner), handelt es sich um Kapillarwellen, die genauso schnell laufen wie das Boot (dieses muss schneller fahren als 0,23 m/s, die Minimalgeschwindigkeit von Wasserwellen) und daher immer in der richtigen Phase angeregt werden. Je schneller das Boot wird, desto schneller, also desto kürzer werden die Wellen. Gleichzeitig wird die Wellenzone immer schmaler, denn die Dämpfung infolge innerer Reibung ist für kurze Wellen mit ihren höheren Gradienten der Strömungsgeschwindigkeit größer. Genauer betrachtet handelt es sich um eine Wellengruppe um die Wellenlänge, die der Bootsgeschwindigkeit entspricht; die kurzen Wellen laufen voran. 4.6.8 Gruppengeschwindigkeit Vergleiche Aufgabe 4.6.6: Kapillarwellen vG = 32 c, Tiefwasserwellen vG = 12 c, Flachwasserwellen (keine Dispersion) vG = c. Bei den Kapillarwellen wie überhaupt bei anomaler Dispersion läuft die Gruppe schneller als die Einzelwelle. An der Vorderfront der Wellengruppe bilden sich dauernd neue Einzelwellen. 4.6.9 Sturmsee Der Wind erzeugt zunächst überwiegend kurze Wellen. Die längsten Wellen aus dem so erzeugten Spektralbereich laufen am schnellsten. Im Allgemeinen durchsetzen Wellen einander ungestört, aber die Tendenz einer kurzen Welle zum Brechen verstärkt sich, wenn sie vorübergehend auf den Rücken einer längeren gerät, die darunter wegläuft. Wenn die kurze Welle bricht, übergibt sie damit einen Teil ihrer Energie der längeren. Daher werden die Wellen immer länger (und stärker), je länger der Wind anhält und auf je längerer Laufstrecke sich der Seegang aufbauen kann. Der Pazifik hat die längsten und mächtigsten Wellen. Lange Wellen haben kleinere Gradienten der Strömungsgeschwindigkeit und dämpfen sich daher langsamer durch innere Reibung. Sie laufen deshalb noch lange nach dem Sturm als Dünung weiter. 4.6.10 Bugwelle Die Bugwelle ist eine Wellengruppe, die von dem Schiff mit der Geschwindigkeit v erzeugt wird, selbst aber nicht mit v, sondern mit vG = v sin 19◦ = v/3 läuft. Diese Gruppe baut sich aus einem sehr engen Bereich harmonischer Einzelwellen auf (die übrigens nach Aufgabe 4.6.6 selbst doppelt so schnell, also mit 2c/3 laufen) und die sich um die beherrschende Wellenlänge (vgl. Prinzip der stationären Phase) scharen. Diese beherrschende Wellenlänge ändert sich praktisch mit dem Fortschreiten des Schiffes nicht: Aus (4.109) erhält man für die Schiffslage, deren Einfluss die eigentliche Bugwelle mit cos ϑ = 8/9 beherrscht, t = −1,4r/v. Damit ergibt sich die beherrschende Wellenlänge als λ1 = 8πr 2 /(gt 2 ) = 4πv2 /g, was nur von der Schiffsgeschwindigkeit abhängt. Ein schnelles Motorboot hat nicht nur eine stärkere, sondern auch eine breitere Bugwelle als ein langsames.
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4.6.11 Luftkissenboot Im Tiefwasser besteht die Bugwelle hauptsächlich aus Einzelwellen, deren Länge so ist, dass die Gruppengeschwindigkeit 13 der Bootsgeschwindigkeit v ist; die Einzelwellen haben c = 2v/3. Bei v = 30 m/s ergibt das λ ≈ 250 m. Für solche Wellen ist Wasser von H < 12 λ/π ≈ 40 m seicht. Seichtwasserwellen haben keine Dispersion. Also vereinfacht sich die Betrachtung nach dem Prinzip der stationären Phase und liefert einen einfachen Mach-Kegel. Dessen Öffnungswinkel hängt im√Gegensatz zur Tiefwasser-Bugwelle von v ab: sin ϑ = c/v, wobei c = gH. Bei konstanter Geschwindigkeit v wird also der Kegel umso enger, je seichter das Wasser wird. 4.6.12 Tsunami Für sehr lange Wellen, nämlich solche mit 30 und mehr km Wellenlänge, wie sie bei Seebeben usw. √entstehen können, gilt selbst in der Tiefsee die Seichtwasserformel c = gH. Mit einer mittleren Ozeantiefe von 5 km erhält man c ≈ 220 m/s, also 23 der Schallgeschwindigkeit. Solche Wellen brauchten, ohne Hindernisse, etwa zwei Tage um die Erde. Sie laufen in Ausnahmefällen wie der Krakatau-Explosion auch mehrmals in merklicher Amplitude herum, denn als Oberflächenwellen schwächen sie ihre Intensität nur nach einem r −1 -Gesetz, nicht nach einem r −2 -Gesetz wie räumliche Kugelwellen.
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4.6.13 Seegang Es sollen Wellen der Höhe H, die beliebig klein sein kann, und der Länge λ bestehen. Auf eine Einzelwelle der Breite b übt der Wind (Geschwindigkeit u) eine Kraft F ≈ 1 u 2 Hb aus (mehr durch Sog hinter dem Berg als durch Druck vor ihm). Über die Fläche verteilt, ergibt sich der mittlere Winddruck p1 ≈ 1 u 2 H/λ mit auftürmender Tendenz. Auf dem Niveau des Wellentals herrscht unter dem Berg der Druck pW ≈ W gH. Bei pW > p1 ist die glatte Oberfläche stabil, Störungen bil2 2 den sich √ −zurück. Das ändert sich ab p1 = pW , d. h. 1 u ≈ W gλ ≈ W c (c = gλ Phasengeschwindigkeit der Welle), wenn also der Wind mit u ≈ 30c weht. Da es ein minimales c gibt (Übergang von Kapillar- zu Schwerewellen, cmin = 23 cm/s, λmin = 1,7 cm), sollte der Spiegel bis u ≈ 6 m/s völlig stabil sein. Darüber bilden sich zuerst die Minimalwellen, dann auch längere. Leider stimmt diese Theorie, die sich in komplizierterer Form, aber mit dem gleichen Ergebnis, in vielen Darstellungen der Hydrodynamik findet, numerisch nicht sehr gut: Das wirkliche kritische u ist etwa zehnmal kleiner. Ein Orkan Stärke 12 (u 30 m/s) kann also Wellen mit λ 300 m machen. In der Welle strömt Wasser einer Schichtdicke λ− mit v = cH/λ−. Der turbulente Strömungswiderstand ist W v2 λ−b, seine Leistung W v3 λ−b ≈ W c3 H 3 b/λ−2 . Diese Verlustleistung wird gleich der Windleistung 1 u 2 cHb bei H ≈ λ/20, was gut stimmt. Die Ausreifzeit sollte sein: √ τ ≈ Wellenenergie/Windleistung ≈ W gH 2 λ−b/( 1 u 2 Hbc) ≈ 5 000 λ/g. Für m-Wellen stimmt das, aber längere Wellen brauchen viel länger, und zwar τ ∼ λ. 400 m lange Wel-
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len kommen nur nach tagelangem Sturm und entsprechender Laufstrecke, also fast nur im Pazifik zustande.
= Kapitel 5: Lösungen . . . 5.1.1 Molekülgröße Aus Druck und Dichte eines Gases lässt sich nach p = 13 v2 sofort die mittlere Molekülgeschwindigkeit vm entnehmen, √ z. B. für Zimmerluft: Mit p = 105 Pa, = 1,3 kg m−3 folgt vm = 3 p/ = 480 m s−1 . Ähnliche Aufschlüsse liefert die Schallgeschwindigkeit. Eine Expansionsenergie p dV stammt primär aus der kinetischen Energie der Moleküle, ergibt also deren Geschwindigkeit, erlaubt aber nicht, Masse oder Dichte des Gases in ihre Faktoren n und m aufzuspalten. Dass Luft unter Normalbedingungen etwa 1 000-mal weniger dicht ist als Wasser, zeigt, dass ihre Moleküle im Mittel etwa 10 Moleküldurchmesser voneinander entfernt sind, sagt aber nichts über Molekülgröße und -abstand einzeln aus. Erst Diffusion, Viskosität, Wärmeleitung, brownsche Bewegung als echte Molekularprozesse hängen von der freien Weglänge und damit von Größe und Abstand der Moleküle ab. Die freie Weglänge l enthält Radius r und Anzahldichte n in einer anderen Kombination l ≈ 1/(nr 2 ) als die bisherigen Größen, gibt daher eine unabhängige Aussage über sie. Historisch stand die Schätzung aus der Viskosität am Anfang: η = 13 nmvl = 13 mv/(4πr 2 ) ergibt zusammen mit der Dichte flüssiger Luft (900 kg m−3 ) und den obigen Daten r = 2 · 10−10 m, m = 3,4 · 10−26 kg, n = 4 · 1025 m−3 . Ähnliche √ Werte liefern die anderen Transportphänomene. Der Korrekturfaktor 2 (Aufgabe 5.2.17) verbessert die Ergebnisse erheblich. Es folgte historisch der Versuch von J. Perrin, d. h. die Messung der Skalenhöhe der exponentiellen Höhenverteilung in einer Suspension aus Teilchen bekannter Masse (Aufgabe 5.2.23). Vergleich von Oberflächenspannung und Verdampfungsenergie liefert eine Schätzung (r ≈ 1,4 · 10−10 m für Wasser), ähnlich Vergleich von Faraday-Konstante und Ionengeschwindigkeit bei der Elektrolyse. Andere elementare Schätzungen der Atomgröße aus Dicke einer Ölhaut, der wasserentspannenden Wirkung von Detergentien oder dem radioaktiven Zerfall kann jeder zu Hause ausführen (die letzte mit einem Geigerzähler oder einfacher einem Leuchtschirm und Kenntnis der Halbwertszeit eines Nuklids). Mit der Molekülmasse ist aus der Molmasse NA m natürlich auch die Avogadro-Konstante bestimmt, aus R = NA k die Boltzmann-Konstante. 5.1.2 Gleichverteilungssatz Masse und Geschwindigkeit des schweren Teilchens seien M und v, des leichten m und u (vor dem Stoß). u < 0 bedeutet Stoß von vorn, u > 0 Stoß von hinten. Nach (1.68) ist der Energieaustausch ∆W = 2Mw(v − w) (elastischer zentraler Stoß), wo w = (Mv + mu)/(M + m) die Geschwindigkeit des Schwerpunkts ist. Einsetzen von w liefert für ∆W, bis auf den konstanten Faktor 2Mm/(M + m)2 , den Ausdruck (Mv + mu)(v − u). Wir verlangen, dass er sein Vorzeichen ändert, wenn u das tut, damit sich die energetischen Wirkungen von Vorn- und Hinten-Stoß gerade aufheben.
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Es soll also (Mv + mu)(v − u) = −(Mv − mu)(v + u) sein. Daraus folgt sofort Mv2 = mu 2 , d. h. Gleichheit der kinetischen Energien. 5.1.3 Raketentreibstoffe Der Schub einer Rakete ist Ausströmgeschwindigkeit · Treibstoß/s, d. h. F = wµ. Die Ausströmgeschwindigkeit kann nicht größer werden als √ die Molekülgeschwindigkeit: 12 mv2 = 32 kT , also v = 3kT/m. Indem man die Brennkammerwände durch kühles einströmendes Gas schützt, kann man die Brenntemperatur T etwas über den Schmelzpunkt der Wand steigern, aber nicht viel. Der Schmelzpunkt der besten Legierungen (Karbide von Hf und Ta) liegt um 4 500 K. Bei gegebenem T sollte die Molekülmasse der Treibgase möglichst klein sein. Ist das Treibgas selbst Produkt einer gewöhnlichen Verbrennung, so sind H2 O und HF die leichtesten Moleküle, die in Frage kommen. Mit der (technisch ziemlich riskanten) √ Knallgasreaktion 2H2 + O2 → 2H2 O würde man demnach w = 510 m/s · 4 500 · 29/300 · 18 = 2,5 km/s erreichen. Geeignete Düsenform (Lavaldüse) nutzt auch noch einen Teil der Rotationsenergie als √ Ausströmenergie aus. Man gewinnt so einen Faktor 5/3, kommt also auf 3,2 km/s. Um eine Kreisbahn zu erreichen, müsste man ein Verhältnis e8/3,2 ≈ 12 zwischen Start- und Brennschlussmasse haben, was für eine Einstufenrakete nur schwer erreichbar ist. In einer Kernrakete, bei der das Treibgas nicht als Verbrennungsprodukt, sondern im Reaktor aufgeheizt wird, kann man Wasserstoff verwenden. Falls man auch hier etwa 4 000 K erreicht und alle H-Moleküle dissoziiert sind, vervierfacht sich die Ausströmgeschwindigkeit: w ≈ 10 km/s. Die Kreisbahn erfordert dann nur noch ein Massenverhältnis 2,2, die Befreiung aus dem Erdschwerefeld ein Verhältnis 3,0. 5.1.4 Bimetall Die beiden Teilstreifen sind fest aufeinander geschweißt. Nur die Außenzonen können sich daher gemäß ihrem α ausdehnen; weiter innen hält ein Metall das andere zurück, und es bilden sich Spannungen aus. Ein Stück der ursprünglichen Länge l hat nach Erwärmung um ∆T oben die Länge l(1 + α1 ∆T ), unten l(1 + α2 ∆T ). Das ist nur möglich, wenn der Streifen sich zu einem Kreisbogen vom Radius R biegt, wobei dieser Radius sich zur Streifendicke d verhält wie die mittlere Länge zur Längendifferenz: R = d/((α1 − α2 )∆T ). Mangan-Wolfram ergeben α1 − α2 = 1,85 · 10−5 K−1 , also bei d = 2 mm und ∆T = 500 K: R = 20 cm. 5.1.5 Badeofen Der Badeofeninhalt von 150 l braucht 5 · 107 J zur Erhitzung von 20 auf 100 ◦ C. Das entspräche der verlustfreien Verheizung von ca. 2,5 kg Brikett (Heizwert 2 · 107 J/kg). In Wirklichkeit gehen je nach Konstruktion 40–70% an Badezimmer und Schornstein verloren. Der Überlauf durch den Hahn beträgt 0,6 ml/s oder 2,2 l während des ganzen Heizens. Das ist die Volumenzunahme der 150 l bei ∆T = 80 K. Der Ausdehnungs-
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koeffizient schätzt sich also zu β = 2,2/(150 · 80) = 1,8 · 10−4 K−1 . Die Präzisionsmessung liefert 2,07 · 10−4 K−1 . 5.1.6 Thermometer Die Thermometerkugel tauche in eine Flüssigkeit der zu messenden Temperatur T ein. Die Kapillare sei oberhalb eines Teilstrichs, der der Temperatur T1 entspricht, der Labortemperatur ausgesetzt und nimmt diese wegen der schlechten Wärmeleitung durch den engen Kapillarenquerschnitt auch praktisch an. Dieser Teil der Quecksilbersäule sollte ein Volumen V0 βeff (T − T1 ) haben, wenn er ebenfalls die Temperatur T hätte. In Wirklichkeit ist sein Volumen um den Faktor 1 + βeff (T0 − T ) davon verschieden. Um eben diesen Faktor wird die Temperaturdifferenz T − T1 falsch angezeigt. Bei T = 100◦ , T0 = T1 = 20 ◦ C macht der Fehler etwa 1 ◦ C aus. 5.1.7 Gipfelhunger Die Energien, um die es sich handelt, sind (a) 750 N · 2 000 m = 1,5 · 106 J; (b) 2,5 m · 1,2 · 105 N = 3 · 105 J; (c) Wärmeverlust bei 2 m2 Körperoberfläche durch 1 cm Unterhautfettgewebe: λA∆T/d ≈ 1 000 W, in 1 Stunde 3 · 106 J, (d) Leistung 12 Av3 ≈ 330 W; 200 km in 6,7 h, also 8 · 106 J. Die mechanischen Arbeiten (a), (b), (d) sind mit 4–5 zu multiplizieren, damit der Kalorienbedarf herauskommt (Wirkungsgrad des Muskels 20–25%). Nahrungsbedarf (Trockensubstanz Eiweiß oder Kohlenhydrat) oder Gewichtsabnahme bei Verzicht (Körper enthält 80% Wasser): (a) 250 g bzw. 1,2 kg, (b) 75 g bzw. 400 g, (c) 170 g bzw. 700 g, (d) 1,2 kg bzw. 5 kg. 5.1.8 Europas Heizung Die angegebene Geschwindigkeit gilt an der Oberfläche. Bei linearem v-Profil gilt im Mittel die Hälfte. 1,6 · 105 m · 103 m · 0,8 m/s ≈ 1,3 · 108 m3 /s. Im Winter werden bei 15◦ Temperaturdifferenz 1016 W in den Nordostatlantik befördert, d. h. etwas weniger als die Sonne bei senkrechtem Einfall auf die Fläche Europas (107 km2 ) einstrahlt (Solarkonst. 1,4 kW/m2 ). Im Sommer ist die T -Differenz sehr viel kleiner (≈ 5◦ ); der Sinus der Sonnenhöhe ist im Winter nur knapp halb so groß wie im Sommer, die Tage sind halb so lang. Wenn Sibirien nicht wäre, würde also die Golfstrom-Warmwasserheizung den Unterschied zwischen mittlerer Januar- und Julitemperatur auf etwa 5◦ reduzieren. 5.1.9 Heiße Bremsen Bei einer Höhendifferenz h zwischen Passhöhe und jenseitigem Tal, einer Fahrzeugmasse M und einer Masse m von Bremsbacken und -belägen, Felgen usw. mit der spezifischen Wärme c würde ohne Wärmeabgabe an die Umgebung eine Erhitzung um ∆T = Mgh/(mc) eintreten; z. B. bei M = 1 000 kg, h = 1 000 m, m = 20 kg, c = 400 J/kg K eine Erhitzung um ∆T ≈ 1 200 K. Fährt man ein Gefälle von α = 10% mit 20 km/h, dann muss die Leistung P = Mgαv ≈ 5,5 · 103 W verzehrt werden. Ohne Motorbremse erwärmen sich dann die Bremsen anfangs um 0,7 K/s. Bei längerem Gefälle wird T so hoch, dass die Abstrahlung wesent-
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lich wird. Ein m2 eines schwarzen Körpers strahlt in der Sekunde 6 · 10−8 T 4 J ab (s. Abschn. 11.2.5). Die effektiv abstrahlende Fläche ist etwa 0,4 m2 (Felgen). Erst um 700 K ist Gleichgewicht erreicht, d. h. nach ca. 15 min Abfahrt, 5 Fahrkilometern oder 500 Höhenmetern. Luftzug und Motorbremse verbessern die Fahrbedingungen. 5.1.10 c von Wasser Wasser hat die Molwärme 75 J/mol K; das entspricht 18 Freiheitsgraden. Die drei Atome verhalten sich also wie unabhängige Teilchen mit je sechs Freiheitsgraden, ebenso wie Metallatome. Dies entspricht der Neumann-Kopp-Regel, die allerdings nicht für alle Verbindungen so gut stimmt (vgl. Aufgabe 5.1.11). Man deutet die sechs Freiheitsgrade als drei translatorische und drei rotatorische für die Schwingung des Atoms in dem Potentialtopf, den seine Umgebung darstellt. Für eine harmonische Schwingung sind ja kinetische und potentielle Energie im Mittel gleich. Leichte Nichtmetalle haben erheblich geringere Atomwärmen, besonders Diamant hat nur etwa 14 des Dulong-Petit-Wertes. Das kann nicht allein an der kleinen Masse liegen, denn Li ist noch leichter und weicht viel weniger vom normalen Wert ab. Die kovalente Bindung z. B. im harten Diamant ist so starr, dass erst größere Komplexe, hier etwa vier C-Atome, die Rolle thermodynamisch unabhängiger Einheiten spielen. Dass man sich bei hohen Temperaturen dem Dulong-Petit-Wert nähert, liegt nicht daran, dass die Bindungen mechanisch weicher werden, sondern ist ein quantenstatistischer Effekt (vgl. Abschn. 16.3 und 19.3). 5.1.11 Spezifische Wärme Nach Dulong-Petit wären die spezifischen Wärmen von Cu, Sn, Al, Pb, Fe (Atommasse 63,54; 118,7; 26,98; 207,19; 55,85) 397; 213; 920; 121; 460 J/kg K. Man misst 385; 226; 878; 129; 451 J/kg K. Die Neumann-Kopp’sche Regel gilt weniger allgemein. Für Wasser und NaCl (Molekülmassen 18 und 58,5) sollte man 4 180 bzw. 857 J/kg K erhalten, was auch recht gut stimmt (gemessen 4 180 bzw. 861): Die Atome scheinen sich hier wie unabhängige Einheiten zu verhalten, wenn auch bei beiden Stoffen aus ganz verschiedenen Gründen. Für Wasserdampf und NH3 -Gas misst man cV = 1 839 bzw. 1 650 J/kg K. Die NeumannKopp’sche Regel würde das Drei- bzw. Vierfache liefern. Im Gas sind also die Moleküle die thermischen Einheiten. Organische Flüssigkeiten liegen etwa in der Mitte: C6 H6 und C2 H5 OH haben 1 705 bzw. 2 400 J/kg K, die Molwärmen sind 134 bzw. 110 kJ/kg K, was 5,4 bzw. 4,4 ,,Atomwärmen“ entspricht, nicht 12 bzw. 9 wie nach Neumann-Kopp. Je kleiner die Einheiten, desto größer die spezifische Wärme: Bei H2 ist sie am größten; bei normalen Temperaturen liegt unter den kondensierten Stoffen Wasser mit an der Spitze. 5.1.12 Heißer Kaffee I Die Endzusammensetzung des Kaffees ist bei beiden Methoden die gleiche. Man braucht also nur zu fragen, in welchem Fall Kaffee und Milch zusammen am Schluss mehr Wärmemenge enthalten, oder in welchem
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Fall beide zusammen weniger Joule an die Umgebung abgegeben haben. War die Milch zimmerwarm, so verliert nur der Kaffee bzw. das Gemisch Wärme. Dieser Verlust ist etwa proportional zur Oberfläche und steigt stärker als proportional mit der Temperaturdifferenz gegen die Umgebung. Beim Zufügen der Milch nimmt das Volumen zu, die Temperatur im gleichen Maße ab, die Oberfläche zu, aber schwächer. Also verliert das Gemisch in der gleichen Wartezeit weniger Wärme. 5.1.13 Heißer Kaffee II Man hüte sich vor folgendem Trugschluss: Der Zucker entzieht dem Kaffee immer die gleiche Lösungswärme, unabhängig von dessen Temperatur. Dagegen muss der Kaffee der Milch umso mehr Wärme übergeben, je heißer er ist. Daher ist es besser, den Kaffee erst durch Zufügen des Zuckers leicht abzukühlen und dann Milch zuzugeben. Man übersieht bei dieser Argumentation, dass der Zucker, wenn er in der größeren Menge der Mischung Kaffee-Milch aufgelöst wird, deren Temperatur um weniger Grad senkt. Dieser Effekt gleicht den obengenannten genau aus. Man sollte überhaupt nicht die Temperatur- und die Wärmemengen-Betrachtung vermengen, sondern am besten gleich in Wärmemengen denken. Dann sieht man, dass bei sofortigem Trinken die Reihenfolge keine Rolle spielt. Wenn die Situation so ist, wie in Aufgabe 5.1.12, wird man allerdings alles mischen, bevor man telefonieren geht. 5.2.1 Effusiometer nach Bunsen Nach Torricelli oder Bernoulli ist die Ausströmgeschwindigkeit und damit √ der Verlust an Molekülen und der Druckabfall proportional zu 1/ , √ d. h. zu 1/ µ. Man kalibriert durch Vergleich mit einem Gas bekannter Molmasse µ, z. B. H2 . 5.2.2 Gasthermometer Es wäre ein Zirkelschluss zu sagen, He und H2 eignen sich am besten für Gasthermometer, weil ihr Ausdehnungskoeffizient dem idealen Wert 1/273,2 am nächsten kommt. Bevor man so genau wusste, wo der absolute Nullpunkt liegt, war schon klar, dass He und H2 ,,idealer“ als andere Gase sind. CO2 z. B. lässt sich unterhalb 31 ◦ C durch Druck von etwa 100 bar ab verflüssigen, und schon bei einiger Annäherung an diesen Druck versagt das Boyle-Mariotte-Gesetz. Luft, O2 , N2 sind zwar bei normaler Temperatur nicht druckverflüssigbar, sodass sie lange als ,,permanente Gase“ galten, aber Abweichungen vom Boyle-Mariotte-Gesetz sind ebenfalls schon ab ca. 20 bar und unterhalb 10 ◦ C deutlich. He und H2 haben die tiefsten Verflüssigungs- und kritischen Temperaturen und verhalten sich daher am idealsten. 5.2.3 Luftballon Die Hülle des kugelförmigen Ballons vom Radius R hat die Masse MB = 4π B R2 d. Sein Auftrieb bei Füllung mit einem Gas der Dichte G ist 43 πR3 ( L − G ), seine Tragfähigkeit also MT = 43 πR3 ( L − G ) − 4π B R2 d. Heißluft von 300 ◦ C bei 10 ◦ C Außentemperatur hat G = L /2,
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Wasserstoff G = 2 L /29,5 = 0,07 L , Helium doppelt so viel, also 0,14 L . Um insgesamt 100 kg zu tragen, muss der Ballon mit den genannten Füllgasen den Radius 2,70; 2,78; 3,06 m haben. Dann wiegt aber die Hülle allein bei d = 1 mm und B = 1 g/cm3 92; 97; 117 kg. Um 100 kg Nutzlast hochzubefördern, braucht man R = 3,80; 4,00; 4,82 m. Der Ballon steigt bis in eine Höhe, wo die Luftdichte so weit abgenommen hat, dass die Tragfähigkeit gleich der Nutzlast ist. Ein He-Ballon mit R = 6 m z. B. trägt einen Menschen bis in etwa 5 km Höhe, wenn die Hülle sich nicht ausdehnt. Bei völlig nachgiebiger Hülle (Druckgleichheit innen und außen) würde in der isothermen Atmosphäre der Auftrieb immer gleich bleiben: V = V0 eh/H , = 0 e−h/H , also FA = gV( L − G ) = const. Der Ballon würde unendlich hoch steigen. 5.2.4 Zug im Kamin Wenn die Luft im Schornstein die Temperatur T + ∆T hat, die Außenluft T , sind die Dichten − ∆ = (1 − ∆T/T ) bzw. . Der Auftrieb der Schornsteinluft ist gHA∆ , wenn der Querschnitt A ist. Auf der Höhe H fällt der Luftdruck außen um gH ab, innen nur um gH( − ∆ ). Entweder oben oder unten herrscht also eine entsprechende Druckdifferenz, die durch den Bernoulli-Sog einer Strömung ausgeglichen werden muss. Wenn z. B. unten Druckgleichheit bei ruhender Luft herrscht, ergibt sich oben im Schornstein ein Überdruck gH∆ , falls die Luft dort auch ruhte. Sie strömt also mit einer Geschwindigkeit v aus, sodass 12 v2 = gH∆ . Bei Druckgleichheit und Ruhe oben wird die Luft unten mit der gleichen Geschwindigkeit angesaugt. Vergleich mit der Laplace-Formel für die Schallgeschwindigkeit zeigt übrigens, dass aus einem Schornstein von halber Skalenhöhe (4 km) bei 300 ◦ C Innentemperatur die Luft mit Schallgeschwindigkeit ausströmen würde. 5.2.5 Einwecken Vor dem Erhitzen sei im Glas ein Volumen VF an Flüssigkeit und VL an Luft. Beim Erhitzen auf 100 ◦ C dehnt sich die Flüssigkeit um VF β∆T aus. Die verdrängte Luft kann von innen austreten, indem sie den Deckel hebt, es erfolgt Druckausgleich. Beim Abkühlen bildet sich ein Unterdruck aus, der Deckel drückt sich an dem Gummiring fest. Luft kann nicht hinein. Hat man lange genug eingekocht, sodass der Wasserdampf die Luft völlig verdrängt hat – sein Druck ist ja am Siedepunkt 1 bar –, dann bleibt nach dem Abkühlen im Glas nur der Dampfdruck des Wassers bei 20 ◦ C, nämlich 0,02 bar. Auf den Deckel von 110 cm2 drücken fast 1 100 N. Bei kurzem Einkochen entsteht der Unterdruck der eingeschlossenen Luft durch das Zurückweichen des Wassers: pinnen = VL /(VL − VF β∆T ) bar, Druckdifferenz VF β∆T/(VL − VF β∆T ) bar. Lässt man gerade VL = 16 ml Luft im 1 l-Glas, dann wird VF β∆T = VL , also bleibt auch bei kurzem Einkochen nur der Wasserdampfdruck, und der Deckel hält optimal zu. 5.2.6 Druck in der Sonne Der Druck im Innern eines Himmelskörpers entsteht durch das Gewicht der darüberliegenden Schichten; dieses Gewicht beruht auf der Gravitations-
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anziehung, die die inneren auf die äußeren Schichten ausüben. Folgende Größen sind für den Druck maßgebend: Dichte und Radius R des Sterns (die Masse braucht man nicht mehr, denn sie ist durch R und ausdrückbar) und die Gravitationskonstante G. Die Dimensionen von R, , G sind m, kg/m3 und N m/kg2 = m3 /s2 kg. Hieraus soll p von der Dimension N/m2 = kg/s2 m aufgebaut werden. s kommt nur in G vor, also p ∼ G. Um die kg−1 von G in die kg von p zu verwandeln, brauchen wir zwei . Der Ausdruck G 2 hat die Dimension kg/m3 s2 . Zwei m im Nenner müssen noch weg, also p ≈ G 2 R2 . Ausführliche Betrachtung für einen Stern homogener Dichte (in Wirklichkeit ist sogar in Planeten, erst recht in Sternen die Dichte innen größer): Die Kugelschale der Dicke dr, Innenradius r, wird von der eingeschlossenen Kugel angezogen mit der Kraft d F = 43 π r 3 · 4π r 2 drG/r 2 (die äußeren Schichten haben keinen Einfluss, vgl. Aufgabe 1.7.10). Der Druck nimmt also auf der Strecke dr zu um d p = d F/(4πr 2 ) = 43 πG 2r dr. Der Gesamtdruck in der Tiefe r ist R p(r) = r d p = 23 πG 2 (R2 − r 2 ). Für Erde, Jupiter, Sonne ergeben sich Mittelpunktsdrucke von 1,3 · 106 , 1,3 · 107 , 1,4 · 109 bar. Die Dichtezunahme mit der Tiefe lässt die wirklichen Werte erheblich ansteigen. Man schätzt für die Erde 3,6 · 106 bar, für die Sonne sogar um 1011 bar. 5.2.7 Wie heiß ist die Sonne? Damit das Sonnengas nicht in sich zusammenstürzt, muss sein thermischer Druck (zu dem genau genommen noch der Strahlungsdruck kommt) dem Schweredruck (vgl. Aufgabe 5.2.6) die Waage halten. Wenn man es unter so extremen Bedingungen noch als ideales Gas auffassen kann (in Wirklichkeit verhält es sich in den Zentren der meisten Sterne als FermiGas), bedeutet das im Fall unserer Schätzungen von einigen 109 bar für das Sonneninnere einfach, dass das Produkt von Temperatur und Dichte über 109 -mal größer ist als auf der Erdoberfläche, wo ein H-Atomgas = 1,3 · 10−3 /29 = 4,5 · 10−5 g/cm3 hätte. Ist die Dichte im Sonneninnern nur gleich der mittleren Dichte 1,4 g/cm3 , so ist die Temperatur 4,5 · 10−5 · 1,4 · 109 · 300 ≈ 107 K. Die Dichte ist im Zentrum viel größer; das würde die Temperatur verringern, aber gleichzeitig nimmt aus dem gleichen Grund der Druck zu, und beide Einflüsse kompensieren sich annähernd: Unsere Schätzung für T ist recht gut. 5.2.8 Unser Luftmeer Der Luftdruck ergibt sich mit dem Hg-Barometer direkt im Mittel zu 760 Torr. Messung der Dichte vgl. Aufgabe 5.2.9. Ein berühmter einfacher Versuch zur angenäherten Bestimmung der Luftzusammensetzung ist dieser: Man lässt einen Stoff, der sich gierig oxidiert, z. B. Phosphor, unter einer Glasglocke reagieren, deren Rand im Wasser steht. Die Reaktion erlischt, nachdem das Wasser fast 15 des anfänglichen Luftvolumens ausgefüllt hat. 5.2.9 M. Périers Bergtour Clermont-Ferrand, wo Pascals Schwager wohnte, liegt selbst 400 m hoch. Der Anstieg um 1 060 m lässt Hg um ziemlich genau 100 mm fallen.
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Pascal mag die Höhendifferenz auf 1 000 m geschätzt haben und folgerte (unabhängig von den benutzten Längeneinheiten), dass Hg 10 000-mal schwerer ist als Luft. Die Dichte von Hg ergibt sich ganz einfach z. B. durch Vergleich mit Wasser im U-Rohr (Abschn. 3.1.4). Man erhält so für Luft den recht guten Dichte-Werte von 1,3 g/l. 5.2.10 Hat Mt. Everest Luft? Hätte die Luft überall die Dichte wie am Erdboden, nämlich = 1,3 · 10−3 g/cm3 , dann könnte die Atmosphäre nur die Höhe H = 1 kg cm−2 /(1,3 · 10−3 g cm−3 ) = 8 km haben. Der Druck als das Gewicht der noch darüber lastenden Luftsäule nähme ab wie p = p0 (1 − h/H ). Nach der Gasgleichung müsste T genauso abnehmen: T = T0 (1 − h/H ). Schon auf dem Mont Blanc wäre es selbst im Sommer −150 ◦ C kalt, auf dem Kilimandscharo wäre die Luft flüssig (falls sie wider Erwarten dort oben schweben bliebe und nicht auf die Erde regnete), der Mt. Everest würde fast 1 km ins Vakuum ragen, über einem Meer aus 2 km tiefer flüssiger Luft. 5.2.11 Adiabatische Schichtung Wenn eine Luftmasse aufsteigt und dabei der Druck der Umgebung abnimmt, dehnt sich die Luft aus und kühlt sich ab. Schon bei mäßig großen Luftvolumina ist die Wärmeleitung nicht imstande, den Verlust schnell genug zu decken (vgl. Aufgabe 5.4.2). Temperatur und Dichte der aufsteigenden Luft ändern sich also mit dem Druck nach den Adiabatengleichungen ∼ p1/γ und T ∼ p1−1/γ . Wenn diese Dichte größer ist als die der Umgebung, in die das Luftvolumen gekommen ist, sinkt es wieder ab (stabile Schichtung). Im umgekehrten Fall bleibt die Aufstiegstendenz erhalten (labile Schichtung). Indifferentes Gleichgewicht herrscht, wenn das Luftvolumen gerade die Dichte der Umgebung angenommen hat (adiabatische Indifferenz). Die Betrachtung, die zur barometrischen Höhenformel führte, ist jetzt abzuwandeln (vgl. Abschn. 3.1.6): Auf der Höhe dh nimmt der Druck um das Gewicht der entsprechenden Luftsäule −1/γ 1/γ −1/γ ab: d p = − g dh = −g 0 p0 p dh oder p−1/γ d p = −g 0 p0 dh −(γ −1)/γ −1/γ −(γ −1)/γ − p0 ) = −g 0 p0 , oder nach Integration γ/(γ − 1)( p d. h. p = p0 (1 − h/H )γ/(γ −1) . Nach den Adiabatengleichungen folgt für Dichte und Temperatur = 0 (1 − h/H )1/(γ −1) und T = T0 (1 − h/H ). Für alle drei Verteilungen ist H = γ/(γ − 1) p0 /(g 0 ). Dabei ist p0 /(g 0 ) = His die in Abschn. 3.1.6 definierte isotherme Skalenhöhe von 8 km. H ist größer, nämlich 28 km. In dieser Höhe würden p, und T auf Null abfallen. Das adiabatische Gleichgewicht kann also nicht die ganze Atmosphäre beherrschen. In der Troposphäre stimmt der berechnete T -Abfall von 1 K/100 m sehr gut. Die Troposphäre hat Bodenheizung, die Stratosphäre dagegen wird direkt durch Absorption von Sonnenlicht geheizt. Daher ist T dort konstant oder steigt sogar mit der Höhe an, weil immer mehr UV- und UR-Strahlung verfügbar werden, die in der Tiefe schon herausgefiltert sind. Für kleine Höhendifferenzen ist übrigens die adiabatische Druckverteilung identisch mit der isothermen: (1 − h/H )γ/(γ −1) ≈ 1 − γh/((γ − 1)H ) ≈ e−h/His .
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5.2.12 Marstemperatur Ein Stern habe den Radius RS und sende gemäß seiner Oberflächentemperatur T0 eine Strahlungsintensität I0 = σT04 aus (Stefan-Boltzmann-Gesetz unter der Annahme, dass die Photosphäre ,,schwarz“ ist). Im Abstand RP kreise ein Planet vom Radius r. In diesem Abstand herrscht nur noch die Strahlungsintensität I = I0 (RS2 /RP2 ). Auf den Querschnitt πr 2 des Planeten fällt die Strahlungsleistung P = πr 2 I. Diese Einstrahlung lässt die Temperatur der Planetenoberfläche, wenn sie vorher z. B. kälter war, auf einen Wert T ansteigen, wo der Energiegewinn durch den Abstrahlungsverlust ausgeglichen wird. Ist der Planet ,,schwarz“, dann strahlt er von 4 seiner Oberfläche 4πr 2 die Leistung P = 4πr 2 σ T ab. Bei hinreichendem Ausgleich durch die Atmosphäre und schneller Rotation kann man T als Temperatur für die ganze Planetenoberfläche ansetzen. Gleichgewicht √ 4 2 2 bedeutet dann P = P oder T = T0 RS /(4RP ) = T0 RS /(2RP ). Für die Erde folgt T ≈ 260 K. Bei ungenügendem Ausgleich fällt der Faktor 2 weg: T ≈ 370 K. So etwa sind die Temperaturen am Mondmittag. Für Mars sind die beiden Extremwerte 225 K und 315 K. Bei seiner dünnen Atmosphäre liegt die Tagestemperatur etwa in der Mitte dazwischen. Die Albedo α = 0,15 bedeutet, dass nur ein Bruchteil 1 − α = 0,85 der einfallenden Intensität absorbiert wird (α bezieht sich eigentlich auf das physiologisch wahrgenommene Licht; für die Gesamtstrahlung gilt ein ähnlicher Wert). Damit reduziert sich T um den Faktor (1 − α)1/4 , also um etwa 4%. 5.2.13 Marsatmosphäre Bei einer Oberflächentemperatur um 260 K (vgl. Aufgabe 5.2.12) sollte der Atmosphärendruck bei isothermer Schichtung wie e−h/H , bei adiabatischer wie (1 − h/Had )γ/(γ −1) abfallen. Dabei ist H = kT/(mgM ) (m mittlere Molekülmasse, gM Schwerebeschleunigung auf dem Mars) und Had = Hγ/(γ − 1). Die isotherme Formel ergibt den beobachteten 1 Abfall auf 10 für h = 2,3H, die adiabatische für h ≈ 1,8H, ziemlich unabhängig von γ . Man erhält also H ≈ 11 bzw. 14 km. Da gM = 0,4g ist, erhält man durch Vergleich mit den irdischen Werten ein mittleres Molekulargewicht von 59 bzw. 42. Wahrscheinlich handelt es sich um CO2 (44), was die Spektroskopie bestätigt, und die Wahrheit liegt näher der adiabatischen Schichtung. 5.2.14 Mars-Samum Staubteilchen, die drei Monate, d. h. etwa 107 s brauchen, um in einer Atmosphäre der Viskosität η und unter einer Schwerebeschleunigung gM aus einer Höhe von einigen km zu fallen, haben eine Teilchengröße, die bestimmt ist durch 6πηrv = 43 π r 3 gM . v ist etwa 10−3 m/s, η ≈ 2 · 10−5 N s/m2 (unabhängig von der Gasdichte), für Mars gM = 4 m/s2 , also der Teilchenradius r ≈ 0,1 mm. Krakatau: Ein Teilchen, das 40 min nach Sonnenuntergang, d. h. wenn die Sonne in den Tropen α ≈ 10◦ unter dem Horizont steht, noch besonnt wird, muss h = R(1/ cos α − 1) ≈ 100 km hoch schweben. Zehnjähriger Fall aus dieser Höhe entspricht v ≈ 3 · 10−4 m/s. Der Teilchenradius lag also um
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1 µm. Die Troposphäre wird besonders durch die Niederschläge schneller von Staub reingewaschen, denn Wasserdampf kondensiert gern an Staubteilchen. Allerdings rührt die vertikale Konvektion immer neuen Staub auf. 5.2.15 Mars-Stratosphäre CO2 , der Hauptbestandteil der Marsatmosphäre (vgl. Aufgabe 5.2.13), absorbiert stärker als N2 und O2 . Dafür kommt aber auf dem Mars nur knapp halb so viel Sonnenstrahlung an wie auf der Erde. Beide Einflüsse gleichen sich etwa aus: Die Mars-Stratosphäre hat etwa die gleiche Temperatur wie die unsere, nämlich etwa 150 K. An den Polen ist es kaum wärmer (die weißen Polkappen bestehen aus CO2 -Schnee, der unter 10 mbar bei 150 K kondensiert). Dort reicht die Stratosphäre bis fast auf den Boden. In den Tropen kann T am Boden bis 275 K gehen und nimmt nach dem Gesetz der adiabatischen Schichtung (vgl. Aufgabe 5.2.11) mit Had = kTγ/[gM m(γ − 1)] ≈ 50 km ab, d. h. etwa um 0,5 K/100 m. Die Stratosphäre beginnt dort erst um 30 km. Da es praktisch kein O2 gibt, bildet sich auch keine Ozonsphäre. Das sterilisierende UV, das bei uns unter Ozonbildung weggefiltert wird, dringt bis zur Marsoberfläche durch. Lebewesen mit einem Chemismus, wie wir ihn kennen, müssten entweder unterirdisch leben oder selbst besondere Schutzschichten entwickelt haben. Die Ionosphäre existiert, enthält aber wegen der geringeren Dichte und Sonnenstrahlung erheblich geringere Elektronenkonzentrationen als bei uns. Das CO2 erhöht zwar die Temperatur etwas durch den Treibhauseffekt, aber unvergleichlich weniger als auf der Venus, wo es 75 bar CO2 gibt und die Bodentemperatur auf 700 K kommt. 5.2.16 Freie Weglänge I Ein Reifen der Breite b sammelt auf der Fahrstrecke dx im Mittel nb dx Nägel ein. Dies ist die Wahrscheinlichkeit des Ausscheidens auf dieser Strecke für jeden Fahrer. Die Anzahl der Teilnehmer nimmt ab nach N˙ = −nbN dx, also N = N0 e−nbx . Die ist l = 1/(nb). Das ergibt sich ∞mittlere Fahrstrecke ∞ rechnerisch so: x = 0 N(x)x dx/ 0 N(x) dx = (bn)−2 /(bn)−1 unter Beachtung von ze−az dz = −a−1 z e−az + a−2 e−az . 5.2.17 Freie Weglänge II Bei einem Winkel ϑ zwischen ihren Flugrichtungen haben die Stoßpartner eine Relativgeschwindigkeit w = 2v sin(ϑ/2). Für diese Partner kann man so tun, als flöge das betrachtete Teilchen mit w durch einen Schwarm ruhender Teilchen. Deren πDichte ist allerdings nicht n, sondern nur ein Bruchteil dn = n sin ϑ dϑ/ 0 sin ϑ dϑ fällt in diesen Winkelbereich dϑ. Sie tragen zur Stoßfrequenz ν mit einem Anteil dν ergibt π= σw dn bei. Summation π die mittlere Stoßfrequenz: ν = 2σnv 0 sin(ϑ/2) sin ϑ dϑ/ 0 sin ϑ dϑ. Mittels sin ϑ = 2 sin(ϑ/2) cos(ϑ/2) kann man das obere Integral in die Form x 2 dx überführen und erhält√ν = 43 σnv und eine freie Weglänge l = v/ν = 3/(4σn), √ was sich von 1/( 2σn) nur wenig unterscheidet. Der exakte Faktor 2 ergibt sich erst, wenn man auch die Verteilung der Geschwindigkeitsbeträge berücksichtigt.
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5.2.18 Exosphäre Wenn die Teilchenzahldichte n(x) ortsabhängig ist, muss man die Verlustrate eines z. B. in x-Richtung laufenden Teilchenstrahls differentiell formulieren: Auf der Strecke dx erfolgen σNn dx Stöße (N Teilchen im Strahl; σ: Stoßquerschnitt). Wenn ein Stoß zum Ausscheiden aus dem Strahl führt, ist d N = −σNn dx, also ln N − ln N0 = −σ n(x) dx. Bei konstantem n(x) = n folgt wie üblich N = N0 e−σnx = N0 e−x/l mit l = 1/(σn). In der Atmosphäre hängt n von der Höhe x ab wie n ≈ n 0 e−x/H . Dann folgt N = N0 exp(−σHN0 (1 − e−x/H )). Bei H l0 = 1/(σn 0 ) läuft sich der Strahl schon lange vor der Strecke H tot, man kann e−x/H entwickeln, 1 − x/H, und erhält wie üblich N = N0 e−σn 0 x . Bei l0 H dagegen bleibt σHn 0 (1 − e−x/H ) immer 1, d. h. der Teilchenstrahl fliegt praktisch ungeschwächt ins Unendliche. Die Grenze zwischen diesen beiden grundverschiedenen Verhaltensweisen liegt bei l0 ≈ H. Für die Erdatmosphäre ist sie erreicht, wenn n ≈ 1/(σH ) ≈ 1/(10−19 m2 · 104 m) = 1015 m−3 , also in 300–400 km Höhe über dem Erdboden. Dort beginnt die Exosphäre. Teilchen, die dort oben durch Zufall (im Schwanz der Maxwell-Verteilung) Geschwindigkeiten über 11 km/s annehmen und ganz oder teilweise auswärts fliegen, verlassen die Atmosphäre für immer. Je kleiner der Planet, desto geringer ist die Fluchtgeschwindigkeit, je dünner seine Atmosphäre, desto tiefer liegt die Grenze der Exosphäre. Die Atmosphäre kleiner Planeten verflüchtigt sich daher in beschleunigtem Tempo, sodass Mond und Merkur schon keine mehr haben, Mars sehr wenig. 5.2.19 Reaktionsquerschnitt Damit zwei Moleküle A und B reagieren, müssen sie sich mindestens treffen. Wenn es nur auf eine geometrische Kollision ankommt und die Moleküle die Radien r1 und r2 haben, ist der Stoßquerschnitt σ = π(r1 + r2 )2 , und ein bestimmtes Molekül A hat die Wahrscheinlichkeit n B σ dx, auf einer Wegstrecke dx eines der n B Moleküle B, die im m3 sind, zu treffen. Unser Molekül A überstreicht ja das Zylindervolumen σ dx, und darin befinden sich im Mittel n B σ dx Moleküle B. Auf die Zeit dt bezogen, ist diese Wahrscheinlichkeit n B σv dt. Wenn im m3 andererseits n A Moleküle A sind, geschehen in diesem m3 in der Zeit dt im Mittel n A n B σv dt Reaktionen. Die Reaktionsrate (Anzahl der Reaktionsakte/Zeit) ist also n A n B σv. Die Chemiker schreiben dies meist kn A n B mit der Reaktionskonstante k, die wir als k = σv entlarvt haben. Der Reaktionsquerschnitt σ ist höchstens gleich dem geometrischen Querschnitt der Moleküle, außer wenn es sich um Reaktionen zwischen Ionen handelt; dann kann er größer sein, weil sich die Teilchen mittels ihres weit reichenden Coulomb-Feldes einfangen. Meist ist der Reaktionsquerschnitt viel kleiner als der geometrische, falls es nämlich bei der Reaktion darauf ankommt, dass die Partner in einer ganz bestimmten Lage zusammenstoßen oder falls nicht jeder Zusammenstoß zur Reaktion führt. Das letzte trifft besonders dann zu, wenn die Reaktion einen Energieaufwand W erfordert, den nur ein kleiner Teil der Moleküle aus ihrer zufällig erhöhten kinetischen Energie aufbringen kann (nur die Moleküle im Maxwell-Schwanz). Dann enthalten Reakti-
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onskonstante k und Reaktionsquerschnitt σ noch einen Boltzmann-Faktor e−W/(kT ) , der umso kleiner ist, je mehr Energie W erforderlich ist. 5.2.20 Hochvakuum Die mittlere freie Weglänge ist l = 1/(σn). Die Teilchenzahldichte n ist proportional dem Druck: n = p/(kT ), also l = kT/(σ p). Bei 300 K mit σ = 10−19 m2 (Molekülradius knapp 2 Å) folgt bei p = 1 bar: l = 4 · 10−5 cm. In die Größenordnung der Gefäßdimensionen (≈ 10 cm) kommt man bei 4 · 10−6 bar ≈ 3 · 10−3 Torr. Von diesem Vakuum ab, das mechanische Vorpumpen gerade erreichen, Diffusionspumpen aber leicht überschreiten, fliegen die Moleküle des Restgases ungehindert durch die ganze Apparatur, sie stoßen nicht mehr miteinander. Die Strömungsgesetze, die ein Kontinuum wechselwirkender Teilchen voraussetzen, gelten nicht mehr. Der Gasstrom durch eine enge Öffnung (Hahn), √ an der die Druckdifferenz ∆ p liegt, ist nicht mehr nach Torricelli A 2∆ p/ , √ 3 sondern Avmol ∆ p/ p = A 2 p/ · ∆ p/ p, d. h. um den Faktor ∆ p/ p kleiner als nach Torricelli: Die Pumpen ziehen schlechter. Kühlt man eine Wandstelle unter den Siede- oder Sublimationspunkt eines Restgasanteils, so schlagen sich praktisch alle auftreffenden Moleküle dort nieder (Kühlfalle). 5.2.21 k-Messung Das Spiegelchen kann als Riesenmolekül aufgefasst werden, das eine brownsche Rotationsbewegung mit der mittleren Energie 12 kT , aber mit ständig wechselndem Drehsinn ausführt. Diese Energie kann gleich der mittleren potentiellen Energie der Torsion 12 Dr ϕ2 gesetzt werden. Der quadratisch gemittelte Ausschlagwinkel ist √ √ 2 ϕ = kT/Dr = 4 · 10−21 J/(2,5 · 10−14 N m) = 4 · 10−4 (vgl. Aufgabe 3.4.1). Wenn der Lichtzeiger 5 m lang ist, zittert er im quadratischen Mittel um etwa 2 mm hin und her. Einzelne Ausschläge sind natürlich viel größer. Beobachtet man (unter Ausschluss jeder Luftbewegung um das Drehspiegelsystem!) lange genug, um sagen zu können, dass der quadratisch gemittelte Ausschlag 2 ± 0,5 mm ist, und bestimmt man die Torsionssteifigkeit Dr aus einer Messung der Drehschwingungsperiode bei bekanntem Trägheitsmoment (man kann das Spiegelchen auch größer machen), dann hat man damit die Boltzmann-Konstante, die Avogadro-Zahl und die Massen der Atome auf 25% genau direkt bestimmt. 5.2.22 Diffusion Zwei Weglängen l, rechtwinklig aufeinander gesetzt, bringen eine Gesamt√ 2, drei Weglängen in den drei Raumrichtungen verschiebung ∆x = l √ √ ∆x = l 3 (Würfeldiagonale), allgemein n Weglängen √ ∆x = l n. Die Flugzeit für n Weglängen ist t = nl/v, also ∆x = lvt. Das entspricht folgendem Diffusionsexperiment: Man lässt viele Teilchen von einem sehr engen Raumbereich aus starten und beobachtet, wie diese Verteilung sich allmählich verwischt. Die Verteilung wird im Wesentlichen durch die 2 Gauß-Kurve e−x /(4Dt) beschrieben, die einen mit der Zeit auseinander lau-
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fenden Berg darstellt. Abstand und Zeit sind ebenso verknüpft wie oben. Man sieht daraus, dass der Diffusionskoeffizient von Teilchen, ob sie molekular oder makroskopisch sind, sich entsprechend (5.64) darstellen lässt als D ≈ lv. Andererseits gilt auch die Einstein-Beziehung D = µkT für jede Teilchengröße. Unsere Ableitung von (5.42) aus dem Gleichgewicht von Diffusions- und Sinkstrom erwähnt ja gar nicht, was für Teilchen es sind. Also gilt allgemein ∆x 2 = 3Dt = 3µkT . Man beobachte die Zitterbewegungen eines Teilchens von z. B. 1 µm Durchmesser unter dem Mikroskop und stelle in sehr vielen Messungen fest, dass es sich in der Minute im Mittel um 10 µm von seinem ursprünglichen Ort entfernt hat. Dann kann man k so bestimmen: µ = 1/(6πηr), η = 10−3 N s/m2 = 10−3 kg/m s, also k = 2πηr∆x 2 /(Tt) ≈ 1,5 · 10−23 J/K. Dies ist eine der historisch ersten Bestimmungen der Boltzmann-Konstante k und damit der Avogadro-Zahl NA , der Molekülmassen und -größen. 5.2.23 Perrin-Versuch Die gefundenen Teilchenzahldichten haben eine exponentielle Höhenverteilung (in einfachlogarithmischem Papier aufgetragen!). Die Skalenhöhe, die die Ergebnisse am besten beschreibt, ist H = 0,45 mm (man beachte, dass die kleinen Teilchenzahlen √ n in größerer Höhe einem erheblichen Poisson-Stichprobenfehler n unterliegen, die Werte für die unteren Schichten sind nur durch Fehler in der Höhenmessung durch unvorsichtige Entnahme mit Umrühren und dgl. verfälscht; man kann daher nicht allen Messpunkten das gleiche Gewicht beimessen). Diese Skalenhöhe ist 1,8 · 107 -mal kleiner als die der Luftmoleküle, also sind diese 1,8 · 107 -mal leichter als die Latexkügelchen unter Berücksichtigung des Auftriebs. Die effektive Masse der Kügelchen ist M = 43 π(0,3 · 10−4 )3 · 0,01 g = 1,1 · 10−15 g, womit sich für ein Luftmolekül m = 6 · 10−23 g und für das H-Atom 2 · 10−24 g ergeben. Gleichzeitig erhält man die Boltzmann-Konstante und die Avogadro-Zahl mit einer entsprechenden Ungenauigkeit: k = mgH/T = 1,7 · 10−23 J/K und NA = 1/m H [g] = 5 · 1023 . 5.2.24 Maxwell-Verteilung I Wir betrachten die W-Auftragung der Maxwell-Verteilung mit der Abkürzung x = W/(kT ), also f(x) dx = √2π x 1/2 e−x dx. Das Maximum liegt
bei f(x)= 0, d. h. 12 x −1/2 − x 1/2 = 0, also x = 12 und hat die Höhe f( 12 ) = π2 e−1/2 = 0,484. Wir fragen, in welchem Abstand vom Maximum die Funktion f(x) nur noch 1/e dieses Wertes hat, also 0,178 ist. Rechts √ vom Maximum fällt die Kurve praktisch wie e−x ab, bis auf den Faktor x, der den Abfall verlangsamt. Also liegt der rechte 1/e-Punkt etwas mehr als ∆x = 1 rechts vom Maximum, d. h.√etwas oberhalb 1,5. Links vom Maximum ist x 1, also e−x ≈ 1, und x regiert allein. Der linke 1/e-Punkt liegt also nahe bei x = 0. Die Breite des Berges zwischen den 1/e-Punkten ist danach ca. 1,5, die Höhe 0,5, die Fläche 0,75. Die genauere Rechnung liefert eine Breite 1,78, also eine Fläche 0,86.
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Die effektive Breite der Maxwell-Kurve ist also durch die 1/e-Punkte gut definiert. 5.2.25 Maxwell-Verteilung II Maximum √ der Maxwell-Verteilung: d f(v)/dv = 0 ⇒ 2v − mv3 /(kT ) = 0 ⇒ vm = 2kT/m. Wie bei jeder Verteilung, die asymmetrisch ist und nach einer Seite weiter auslädt, liegt der Mittelwert außerhalb des Maximums, und zwar an der stärker ausladenden Seite. Für das quadratische Mittel ist das noch stärker der Fall. Die mittlere Geschwindigkeit ist (mit a = m/(2kT )) 2 4 3/2 −4 3/2 d 1 8kT =√ = . v = √ a I3 = √ a da 2a πm π π πa Das mittlere Geschwindigkeitsquadrat (entsprechend der mittleren Energie) ist 3kT 4 3/2 4 3/2 d 2 1 π 2 = , v = √ a I4 = √ a 2 2 a m da π π ganz wie die Grundgleichung der Gaskinetik und der Gleichverteilungssatz das verlangen. 5.2.26 Reaktionsrate Der Bruchteil der Moleküle, die zum gegebenen Zeitpunkt eine höhere Energie haben als die Aktivierungsenergie WA , ergibt sich aus der Fläche des ,,Maxwell-Schwanzes“ zu ∞ WA −WA /(kT ) 2 α= f(W ) dW ≈ f(WA )kT = √ . e kT π WA Wenn der gasförmige Brennstoff A und der Sauerstoff stöchiometrisch sind, im einfachsten Fall wie 1 : 1 (z. B. bei CH3 OH + O2 → CO2 + 2H2 O), stößt jedes Molekül A in der Sekunde nvσ-mal mit einem O2 zusammen. (n Teilchenzahldichte, v thermische Geschwindigkeit, σ Stoßquerschnitt.) Die n Moleküle A, die im m3 sind, machen insgesamt n 2 vσ Stöße mit O2 -Molekülen. Davon führt aber nur ein Bruchteil α zur Reaktion, wobei jedes Mal die Energie WR frei wird. Die Gesamtleistungsdichte der Reaktion ist also √ 2 3 WA 2 P = αn vσWR = √ WR n 2 σe−WA /(kT ) . m π Ein unendlich ausgedehntes Reaktionsgemisch würde im Prinzip selbst bei sehr kleiner Anfangstemperatur schließlich durchreagieren: Die anfangs wenigen Reaktionsakte erwärmen das Gas langsam aber sicher und beschleunigen so den Prozess immer mehr. In der Praxis bei begrenzten Reaktionen sind Strahlungs- und Konvektionsverluste zu beachten. Bei einer Abmessung R des Reaktionsraumes erhält man bis auf unwesentliche Zahlenfaktoren die Bedingung m σSt B T 4 ≈ e−WA /(kT ) R2 σSt B T 4 ≈ R3 P ⇒ RWR n 2 σ WA
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für den Einsatz der Reaktion. Gegen die starke Änderung der e-Funktion sind die praktisch möglichen Variationen der Größen auf der linken Seite nicht sehr wesentlich: Der Flammpunkt TF wird hauptsächlich durch WA bestimmt. Die linke Seite hat eine Größenordnung um 10−12 , also TF ≈ WA /(27k). Bei WA = 0,5 eV geht die Reaktion daher schon bei Zimmertemperatur los, typische organische Brennstoffe haben WA 1 eV. 5.2.27 Kernfusion Dies ist im Wesentlichen die Aufgabe 5.2.26, nur mit √ sehr viel höherer Aktivierungsenergie Wa = Ws ≈ 1 MeV bzw. Wa ≈ Ws kT . Mit unserer Flammpunkt-Abschätzung erhalten wir für ein Fusionsplasma, in dem n etwa 104 -mal geringer ist als bei üblichen Gasreaktionen, Tf ≈ Wa /(9k), dagegen im Sonneninnern, wo n mehr als 104 -mal höher ist als im Gas, Tf ≈ Wa /(45k). Mit Wa ≈ 1 MeV würde die Fusion also im Plasma erst 1 eV, um T ≈ 109 K zünden, in der Sonne um 108 K (bei 300 K ist kT = 40 10 also entspricht 1 MeV etwa 10 √K). Der Tunneleffekt erleichtert die Zündbedingung zu kT ≈ Wa /γ ≈ Ws kT /γ ⇒ kT ≈ Ws /γ 2 , bringt also nochmals den Faktor γ im Nenner ein. Das senkt die Zündtemperatur im Plasma auf etwa 108 K, in der Sonne etwa 107 K. 5.2.28 Sind Planeten so selten? Die beiden Sterne mögen mit der Relativgeschwindigkeit v so aneinander vorbeifliegen, dass der minimale Abstand a ist. In diesem Abstand üben sie eine Kraft Fm = G M1 M2 /a2 aufeinander aus. Natürlich ist dieser Mindestabstand nur einen Augenblick lang realisiert, aber während der Zeit√t = 2a/v ist der Abstand nicht viel größer (höchstens um den Faktor 2). Die genaue Rechnung (s. Aufgabe 17.3.3) bestätigt, dass man so tun kann, als habe die Kraft während der Zeit t immer ihren Maximalwert, und als verschwinde sie dafür früher und später. Dann wird zwischen den Sternen ein Impuls ∆ p = Fm t = 2G M1 M2 /(av) ausgetauscht, d. h. wenn der Stern 2 im gewählten Bezugssystem vorher ruhte, hat er nachher den Impuls ∆ p und die kinetische Energie ∆W = ∆ p2 /(2M2 ) = 2G 2 M12 M2 /(a2 v2 ) vom Stern 1 übernommen. Dieser Energieaustausch fällt dann in die Größenordnung der kinetischen Energie 1, wenn ∆W ≈ W = 12 M1 v2 , d. h. wenn √ des Sterns 2 a = akrit = 2G M1 M2 /v . Diese Bedingung lässt sich, bis auf den evtl. Unterschied zwischen M1 und M2 , auch so lesen: Die potentielle Energie bei größter Annäherung muss etwa gleich der kinetischen sein. Oder: Der kritische Minimalabstand ist bei M1 = M2 doppelt so groß wie der Bahnradius eines Planeten, der einen der Sterne mit der Bahngeschwindigkeit v umflöge. Für zwei Sterne von Sonnenmasse mit einer Relativgeschwindigkeit v = 100 km/s folgt akrit = 0,2 Erdbahnradien = 3 · 107 km (hätte die Erdbahn nur 1/10 ihres Radius, so würde die Erde dreimal so schnell flie2 = 3 · 1015 km2 . gen, d. h. etwa mit v). Der Stoßquerschnitt ist σ = πakrit Die mittlere Sternzahldichte in der Galaxis ergibt sich aus deren Volumen V = 3 · 1013 Lichtjahre3 = 3 · 1052 km3 und der Sternzahl N = 2 · 1011 zu n = N/V ≈ 10−41 km−3 . Die mittlere freie Weglänge für ,,wesentliche“ Stöße ist also l = 1/(nσ) ≈ 3 · 1025 km. Ein Stern fliegt
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τ = l/v = 3 · 1023 s = 1016 Jahre, bevor ihm so etwas passiert. Nach vielen solchen Stößen müsste die Geschwindigkeitsverteilung der Sterne eine Maxwell-Verteilung werden, denn deren Herleitung und Gültigkeit sind völlig unabhängig davon, ob es sich um Moleküle oder Sterne handelt. Die ,,thermische“ Relaxationszeit τ ist so groß, dass die Sterne in 1010 Jahren ,,Weltalter“ das tatsächlich annähernd beobachtete Gleichgewicht längst nicht erreicht haben könnten, falls sie nicht früher sehr viel enger gestanden haben. Wenn die Entstehung eines Planetensystems, wie Jeffries und Jeans annahmen, einen noch viel engeren Stoß zwischen Sternen voraussetzte, gäbe es bei der heutigen Sterndichte kaum ein zweites Planetensystem in unserer Galaxis. 5.2.29 Galaxienhaufen Auch Galaxien ,,stoßen“ miteinander, d. h. tauschen durch gravitative Wechselwirkung Energie aus und nähern sich einem thermischen Gleichgewicht, in dem alle etwa die gleiche Energie 12 mv2 haben. Die größeren fliegen daher langsamer und bewegen sich näher dem Haufenzentrum. Wie groß die ,,Teilchen“ sind, spielt für die statistische Mechanik keine Rolle. 5.3.1 Ottomotor Wenn Oktan und Sauerstoff stöchiometrisch gemischt sein sollen, müssen entsprechend C8 H18 + 12,5 O2 → 8 CO2 + 9 H2 O auf 114 g Benzin 400 g Sauerstoff, d. h. 2 000 g Luft kommen. Die 4 · 106 J, die optimal beim Verbrennen freiwerden, erhitzen die 75 mol Verbrennungsprodukte +N2 um 2 700◦ , wenn keine Verluste auftreten. Nach der Explosion herrschen also mindestens 10 bar im Zylinder. Die Molzahländerung ist klein: 71,5 mol vor, 75 nach der Verbrennung. Sie allein würde den Druck nur um etwa 0,05 bar erhöhen. Jetzt erfolgt adiabatische Expansion auf etwa 1 bar. Dabei nimmt T gemäß T ∼ p1−1/γ auf T2 ≈ 1 550 K ab. Wirkungsgrad η = (T1 − T2 )/T1 ≈ 0,5, Ausdehnung auf V2 ≈ 5,2V1 . Direkte Berechnung der dabei geleisteten Arbeit und Vergleich mit der Verbrennungswärme gibt den gleichen Wert für η. Offenbar steigt η mit dem Verdichtungsfak1−γ 1−γ 1−γ tor (der Kompression) V2 /V1 , nämlich η = (V1 − V2 )/V1 = 1 − γ −1 (V1 /V2 ) . Vorverdichtung gibt höheres η. Allerdings kann man beim Ottomotor die Kompression 7–8 kaum überschreiten, weil sie das Gemisch bis über den Flammpunkt erhitzen würde. Dieselöl ist schwerer entflammbar und wird erst während der Kompression eingespritzt. Daher kann man im Dieselmotor die Kompression bis 20 treiben und erzielt damit theoretisch η ≈ 0,7. Wärmeverluste reduzieren T und η erheblich. 5.3.2 Kühlschrank 75 kg Lebensmittel von 25 ◦ C auf 5 ◦ C abkühlen bedeutet den Entzug der Wärmeenergie W = 6,3 · 106 J. Die Heizung P braucht t ≈ 11,5 h. Der Kühlschrank braucht offenbar etwa sechsmal weniger Zeit, um eine bestimmte Wärmemenge zu entziehen, als eine Heizung gleicher Leistung braucht, um dieselbe Wärmeenergie zuzuführen. Bei Kühlschrank und Wärmepumpe ist lediglich die Flussrichtung der Energien umgekehrt wie beim Verbrennungsmotor. Speziell beim Kühlschrank werden wir
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als Nutzeffekt das Verhältnis der Wärmeleistung, die dem Kühlgut entzogen wird, zur hineingesteckten elektrischen Leistung bezeichnen, also ˙ = T1 /(T2 − T1 ). Das warme und das kalte Reservoir sind beim η−1 = P/W Kühlschrank der Wärmetauscher (schwarzes Gitter hinter dem Schrank) bzw. die Kühlplatten (die Metallplatten, die oft vereist sind, im Innern). Fassen Sie das Gitter an, wenn der Kühlschrank arbeitet: Es hat 50–60 ◦ C. Es muss ja auch im heißesten Sommer noch seine Wärme an die Küchenluft abgeben, muss also heißer sein als diese. Umgekehrt muss die Kühlplatte kälter sein als die Solltemperatur des Kühlgutes, also 0 ◦ C oder weniger. Damit erhalten wir einen theoretischen Nutzeffekt 270 K/50 K = 5,5. Auf dem gleichen Effekt beruht die gute Energieausnutzung durch eine Wärmepumpe: Die direkte elektrische Heizung setzt teure mechanisch-elektrische Energie direkt 1 : 1 in Wärme um. Die Wärmepumpe bringt das Mehrfache des elektrischen Aufwands in das Heizsystem (T2 ). Der Rest stammt aus dem kalten Reservoir (Wasser, Atmosphäre, Erdboden). Kühlschrank und Wärmepumpe leisten dies nach dem Kompressor- oder dem Absorberprinzip: Eine Flüssigkeit wird durch Expansion im Kühlschrank verdampft und entzieht dem Kühlgut die dazu nötige Verdampfungsenergie; im Wärmetauscher wird sie durch Kompression wieder verflüssigt und gibt dort die gleiche Energie wieder ab, oder man nutzt entsprechend die Absorptionsoder Lösungswärme aus. 5.3.3 Wärmepumpe Das Kühlmittel wird im Wärmetauscher durch Kompression verflüssigt, wobei es seine Kondensationswärme an das Heißwasser abgibt. Das Heißwasser speist die Heizkörper. Die Kühlflüssigkeit wird zum Wärmetauscher im Fluss gepumpt und dort entspannt, wobei sie verdampft und dem Flusswasser die Verdampfungswärme entzieht (bei T1 = 8 ◦ C). Der Nutzeffekt der Anlage, definiert als Heizleistung/Leistung von Pumpe und Kompressor kann idealerweise η−1 = T2 /(T2 − T1 ) = 4,5 erreichen. Statt 108 W konventioneller Heizleistung würden wir idealerweise nur etwa 2 · 107 W elektrischer Pumpleistung brauchen. 5.3.4 Projekt Agrotherm Abwärme ist die Energie, die eine Wärmekraftmaschine an das kalte Reservoir (meist Kühlwasser) abgeben muss. Die gewinnbare mechanische oder elektrische Energie ist ja nur ein Bruchteil η < (T2 − T1 )/T2 der Energie, die aus dem Brennstoff, also dem heißen Reservoir (T2 ) entnommen wird. Der restliche Bruchteil 1 − η muss in das kalte Reservoir (T1 ) übergehen. Wenn man das Kühlwasser mit einem unendlich großen Volumenstrom zur Verfügung hätte, brauchte man es dabei nicht wesentlich zu erwärmen. Auch Wasser ist aber Mangelware, und man wählt den Volumenstrom in der Praxis so, dass das Kühlwasser 20–30 K wärmer wird als die Luft. Jahresverbrauch der BRD 6 · 1010 kWh, mit Industrie usw. 2,5 · 1011 kWh im Jahr, der mittlere Leistungsbedarf 2,9 · 1010 W. Der ideale Wirkungsgrad einer solchen Wärmekraftmaschine ist η = 600 K/900 K = 23 , Abwärme etwa 15 GW. Wenn die Rohre weniger als 1 m auseinander liegen, steigt die Temperatur mit der Tiefe linear an, Gradient (TW − T0 )/d, wo TW
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und T0 die Temperaturen des Wassers und der Ackeroberfläche sind. Wärmestromdichte j = λ(TW − T0 )/d. Wenn man auf der Fläche A die Abwärme P abführen will, muss A = P/ j sein. Mit d = 1 m ergibt sich eine erwärmte Ackerfläche A ≈ 2 · 103 km2 . Das ist zwar nur 2% unserer Ackerfläche, aber trotzdem lohnend. Wenn TW um 20 K höher ist als die Lufttemperatur und d = 1 m ist, herrschen in 10 cm Tiefe schon 2 K mehr als üblich. Man könnte die Rohre auch tiefer legen und entsprechend mehr Ackerfläche versorgen. Die Bodenoberfläche ist etwas wärmer als die Luft, denn sie muss ja die aufwärts fließende Wärme an die Luft abgeben. Dazu ist eine Temperaturdifferenz T0 − T1 nötig, sodass j = α(T0 − T1 ) mit dem Wärmeübergangswert α ≈ 6 W m−2 K−1 . Mit den obigen Werten wird T0 − T1 ≈ 1,2 K. Dadurch wird der T -Gradient nicht merklich flacher, aber die verlangten 2 K Unterschied werden schon in 4–5 cm Bodentiefe erreicht. 5.3.5 Wirkungsgrad Die Diskussion ist besonders einfach im T, S-Diagramm. Ein beliebiger reversibler Kreisprozess lässt sich dort durch eine geschlossene Kurve darstellen. Nach der Definition von S ist die Wärmezufuhr zur Arbeitssub stanz Q = T dS, also die Fläche unter der T(S)-Kurve (der Vorgang ist ja als reversibel vorausgesetzt). Die geschlossene Kurve zerfällt in einen oberen und einen unteren Bogen. Die Fläche unter dem oberen ist Q 2 , die dem heißen Reservoir entnommene Wärme, die Fläche unter dem unteren ist Q 1 , die dem kalten zugeführte Wärme (rein mathematisch ist eine davon negativ zu rechnen wegen der umgekehrten Laufrichtung). Nach dem Energiesatz (das System kehrt ja in den gleichen Zustand zurück) ist die geleistete Arbeit W die Differenz beider Wärmen: W = Q 2 − Q 1 , graphisch dargestellt durch die Fläche innerhalb der Kurve. Man kann so für jede Maschine den Wirkungsgrad direkt ausplanimetrieren (z. B. die Flächen aus Papier ausschneiden und abwiegen). Am einfachsten sieht der Carnot-Prozess aus: Rechteck aus zwei isothermen (T = const) und zwei adiabatischen (S = const) Takten. Man liest sofort η = (T2 − T1 )/T2 ab. Hierbei bedenke man, wie kompliziert der Carnot-Zyklus in den ,,natürlichen“ Koordinaten p, V aussieht, sogar für ein Idealgas. Bei anderen Arbeitssubstanzen sieht er in ,,natürlichen“ Koordinaten wieder anders aus, z. B. für ein nichtideales Gas, für ein Flüssigkeits-Dampf-Gemisch (Kühlschrank, Wärmepumpe usw.; hier ist für T = const auch p = const entsprechend der Dampfdruckkurve), für ein paramagnetisches Salz (magnetische Kühlung; natürliche Koordinaten sind hier Magnetfeld und Magnetisierung, mit T verknüpft durch das Curie-Gesetz). Nur in T, S werden alle diese Prozesse Rechtecke. – Jeder andere Kreisprozess lässt sich aus Carnot-Prozessen zusammensetzen. Man zerlege ihn z. B. im T, S-Diagramm durch hinreichend viele vertikale Adiabaten. Die entstehenden Streifen kann man dann gern oben und unten durch waagerechte Isothermenstücke abschließen, ohne dass man gegenüber dem Originalprozess flächenmäßig einen wesentlichen Fehler macht. Natürlich lässt sich dann η nicht mehr so einfach durch obere und untere Temperatur ausdrücken, weil diese variiert; man muss mitteln oder rein graphisch vor-
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gehen. Speziell beim Otto-Motor ist allerdings das T -Verhältnis über die ganze Breite des Zyklus nach der Adiabatengleichung das gleiche, weil das Volumenverhältnis gleich ist. 5.3.6 Strahlungsdruck Wenn das Strahlungsfeld n Photonen/m3 enthält, ist seine Energiedichte u = nhν. Pro 1 m2 treffen in der Sekunde 16 nc Photonen auf (vgl. kinetische Gastheorie) und üben den Druck p = 13 nch/λ = 13 nhν aus (Druck = Impuls/m2 s, ein Photon hat den Impuls h/λ). Diese Beziehung u = 3 p folgt allein aus der Isotropie des Strahlungsfeldes und hängt nicht von seiner spektralen Zusammensetzung, speziell nicht von seinem Gleichgewichtscharakter ab. 5.3.7 Differentieller Carnot-Prozess Da dVad dVis , brauchen nur die Isothermenarbeiten berücksichtigt zu werden. Erfolgt die Expansion bei T + dT , die Kompression bei T , so sind diese Arbeiten dW1 = − p(T + dT ) dV , dW2 = p(T ) dV , also die Gesamtarbeitsleistung der Maschine d 2 W = −dW1 + dW2 = (∂ p/∂T ) dT dV . Die Wärmezufuhr d Q, die für die isotherme Expansion nötig ist, besteht aus zwei Anteilen: Der Arbeit dW1 und der Änderung der inneren Energie (∂W/∂V ) dV , also d Q = ( p + ∂W/∂V ) dV . Der Wirkungsgrad ist η = dT/T = d 2 W/d Q = (∂ p/∂T ) dT/( p + ∂W/∂V ), d. h. ∂ p/∂T = ( p + ∂W/∂V )/T . Für Stoff A (ideales Gas) ist ∂W/∂V = 0, also ∂ p/∂T = p/T , also p ∼ T (Zustandsgleichung). Für Stoff B (schwarze Strahlung) ∂W/∂V = u = 3 p, also ∂ p/∂T = 4 p/T , also p ∼ u ∼ T 4 (Stefan-Boltzmann). Für Stoff C (Fermi-Gas) ∂W/∂V = −aV −5/3 . Da W nur schwach von T abhängt, ist auch ∂ p/∂T klein, also p = aV −5/3 . 5.3.8 Sonnenatmosphäre 50 000 km ≈ 0,1R (R Sonnenradius); praktisch die gesamte Sonnenmasse liegt innerhalb. Gravitations- und Gasdruck sind also 2 ≈ 0,1G M /R. Mit ≈ 0,1 g/cm3 wird p p ≈ G M h /R 50 000 ≈ 7 3 · 10 bar. 1 bar mit ≈ 10−4 g/cm3 gibt 300 K, 3 · 107 bar mit 1 g/cm3 geben 106 K. Bei diesen T und sind nach Abb. 8.9 alle H-Atome ionisiert, bei den Oberflächenverhältnissen dagegen nicht. Das aufsteigende Plasma muss rekombinieren, wobei es pro H-Atom 13,6 eV, d. h. 32 kT mit T ≈ 105 K gewinnt. Das Gas dehnt sich also viel stärker aus, als dem reinen Druckgleichgewicht entspräche. Feuchte Luft tut das dank der Kondensationswärme auch, nur in viel geringerem Maße. In der Sonnenatmosphäre ist stabile Schichtung nicht möglich, sie brodelt ununterbrochen. Es bilden sich relativ beständige Konvektionszellen, die innen einen Aufwärts-, am Rand einen Abwärtsstrom haben, wie im hinreichend flachen Wasser im Kochtopf vor dem Sieden. Auf der Sonne erkennt man diese Zellen in der Granulation und anderen Strukturen wieder. 5.4.1 Heizung Sauerstoffbedarf und CO2 -Produktion ergeben sich aus den Umsatzgleichungen, z. B. für Kohlenhydrate. Ein Mensch mit 12 000 kJ/d verbraucht
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25 mol = 800 g O2 und erzeugt 25 mol = 1 100 g CO2 täglich. Bei z. B. 4 Menschen in 300 m3 , d. h. 390 kg Luft mit maximal 3,9 kg CO2 muss die Luft mehr als einmal täglich vollständig erneuert werden. Erwärmung von 440 kg Luft, d. h. 15 000 mol, von −20◦ auf +20 ◦ C kostet 1,2 · 107 J. Durch z. B. 200 m2 Außenwand (Stärke 40 cm) und 30 m2 Fensterfläche (Stärke 4 mm) würden die katastrophalen Wärmemengen von 4 · 108 bzw. 2 · 1010 J/d verloren gehen, wenn das ganze Temperaturgefälle direkt am Stein bzw. Glas erfolgte. In Wirklichkeit liegt drinnen und draußen eine schützende Prandtl-Grenzschicht, die bei einer konvektiven Strömungsgeschwindigkeit v = 2 m/s etwa je 1 cm dick ist und wegen λ = 0,025 W/m K insgesamt besser isoliert als das Mauerwerk. Bei Sturm allerdings kann diese Schicht auf 15 zurückgehen (v ≈ 50 m s). Mit 2 cm Luftschicht ergibt sich ein Verlust von 10 kW oder 109 J/d, entsprechend etwa 30 l Heizöl/d. 5.4.2 Thermische Relaxation Der Temperaturleitwert λ/( c) ist für Kupfer 3,9/(8,9 · 0,38) = 1,15, Wasser 0,0054/(1 · 4,2) = 1,3 · 10−3 , Fett 0,002/(0,9 · 1,8) ≈ 10−3 , Luft 2,4 · 10−4 /(1,3 · 10−3 · 1) = 1,18, Stein 0,02/(2,5 · 1) ≈ 0,01 cm2 /s (für Fett ist entgegen der Neumann-Kopp-Regel die CH2 -Gruppe als unabhängige thermische Einheit anzusehen, daher c ≈ 20 J mol−1 K−1 /(14 g mol−1 ) ≈ 1,8 J g−1 K−1 ). Fett isoliert also mehr als dreimal besser als Wasser, Luft 20-mal, der Wärmeausgleich erfolgt aber bei gleicher Geometrie in Fett und Wasser etwa gleich schnell, in Gestein 10-mal schneller, in Luft 200-mal schneller. Trotzdem ist die thermische Relaxationszeit (Wärmeausgleichszeit) bei großräumigen Luftströmungen sehr lang, bei R = 50 m z. B. τ ≈ cR2 /λ ≈ 0,2 · 2,5 · 107 s ≈ 1 Woche. Vertikale und horizontale Konvektion erfolgen also weitgehend adiabatisch. Das führt zur adiabatischen Höhenschichtung (vgl. Aufgabe 5.2.8–5.2.15), und dazu, dass die Temperatur, die bei uns herrscht, mehr von den Luftströmungen als von der momentanen Sonneneinstrahlung abhängt. 5.4.3 Mindestalter der Erde (Kelvin) Bei einem T -Gradienten von 0,03 K/m leitet das Gestein eine Wärmestromdichte von λ dT/dz = 1,6 W/m K · 0,03 K/m ≈ 0,04 W/m2 . In 100 km Tiefe ist es noch 3 000 K heiß, wenn der T -Gradient bis dahin so weitergeht. Wenn diese Säule von 100 km Höhe und 1 cm2 Querschnitt, also 3 · 107 g Masse und 4 · 107 J/K Wärmekapazität, anfangs durchweg 3 000 K hatte, also im Durchschnitt 1 500 K verloren hat, muss sie inzwischen 1 500 K · 4 · 107 J/K = 6 · 1010 J abgegeben haben. Das dauert bei dem angegebenen Wärmestrom 1,5 · 1016 s = 5 · 108 Jahre. In Wirklichkeit hat die Wärme des Erdinnern wahrscheinlich längst nichts mehr mit dem evtl. glutflüssigen Ursprung der Erde zu tun, sondern wird laufend gleichgewichtsmäßig durch die radioaktive Wärmeproduktion der Gesteine und Umschichtungen im Erdinnern, die Gravitationsenergie in Wärme umsetzen, aufrechterhalten.
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5.4.4 Bodenfrost Wir machen für die räumliche und zeitliche Temperaturverteilung T(x, t) den Ansatz T = T0 + T1 eiωt · eax : Harmonische Schwankung um den Mittelwert T0 mit der Amplitude T1 am Erdboden, mit der Amplitude T1 eax in der Tiefe x. Einsetzen der Ableitungen in die Wärmeleitungsgleichung T˙ = λTxx /( c) zeigt, dass dieser Ansatz wirklich eine Lösung ist, falls a2 = i cω/λ ist. Wurzelziehen in der komplexen Ebene heißt: Winkel halbieren, Betrag radizieren. Es gibt zwei Wurzeln: a = ± 12 cω/λ(1 + i). Nur die negative ist brauchbar, denn mit der positiven würde die Amplitude mit der Tiefe unbegrenzt zunehmen. Also √ √ T = T0 + T1 · ei(ωt−x cω/(2λ)) · e−x cω/(2λ) . Die Amplitude klingt auf der Tiefenstufe x0 = 2λ/( cω) auf 1/e ab, die Phase hinkt gegenüber der Lufttemperatur um x/x0 nach. Mit ω = 7 · 10−5 s−1 (Tagesschwankung) ist x0 ≈ 14 cm, mit ω = 2 · 10−7 s−1 (Jahresschwankung) ist x0 = 2,70 m, mit ω = 3 · 10−6 s−1 (dreiwöchige Kältewelle) ist x0 ≈ 60 cm. Für Deutschland ist T0 = 9 ◦ C, T1 Jahr = 10 K, T1 Tag = 8 K, T1 Kältewelle ≈ 20 K. Mit 1,20 m Erde dämpft man die Jahresamplitude auf 6 K, die der Kältewelle auf 3 K, die der Tageswelle auf praktisch 0 K. Das Wasserrohr ist in dieser Tiefe sicher. Dem gut angelegten Sektkeller kann nur die Jahreswelle gefährlich werden. In 6 m Tiefe ist ihre Amplitude nur noch 1 K. Wenn x/x0 = π, ist die Phase um eine Halbwelle verschoben. In 0,5 m Tiefe ist es also nachts, in 8,5 m Tiefe im Winter am wärmsten. Jakutsk hat T0 = −12 ◦ C, T1 Jahr = 30 K. Ab x = x0 · e−12/30 = 1,80 m bleibt es selbst im Sommer unter 0 ◦ C, dort beginnt der Permafrost. Dieses Phänomen existiert überall, wo T0 unter Null liegt, die Zone ewigen Frostes beginnt in umso größerer Tiefe, je größer T1 und T0 sind, nämlich bei x = x0 ln(T1 /|T0 |). 5.4.5 Wiener-Versuch In einer Lösung, wo die Salzkonzentration und damit die Brechzahl n sich senkrecht zur Lichtausbreitung ändert, wird der Lichtstrahl gekrümmt. Eine Wellenfront der Breite d läuft unten mit der Geschwindigkeit c/n, oben mit c/(n − dn/dx · d) ≈ (1 − dn/dx · d/n) c/n . Innerhalb der Schichtdicke l wird sie um den Winkel α = l dn/dx nach unten abgelenkt, wenn die Brechzahl, wie üblich, nach unten zunimmt. Auf einem um L entfernten Schirm bewirkt das eine Ablenkung y = Ll dn/dx. In der Lösung bilden die Funktionen c(x) und n(x) zuerst eine steile Stufe bei x = 0, die sich allmählich abflacht, aber ihren Wendepunkt bei x = 0 behält. Die Ableitung dn/dx, auf die es hier ankommt,√ ist eine Gauß-Kurve 2 ∼ e−x /(4Dt) , die ihre Wendepunkte zur Zeit t bei x = 2Dt hat. Das um y verzerrte Lichtbündel stellt, wenn man die 45◦ -Neigung korrigiert, genau diese Kurve dar. Ihre Gesamtfläche gibt die Differenz der asymptotischen n-Werte, also der Konzentrationen. Ihre Wendepunkte verschieben sich mit der Zeit genau gemäß x 2 = 2Dt und erlauben eine Bestimmung des Diffusionskoeffizienten.
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5.4.6 Druckparadoxon Durch ein Loch von normaler Größe strömt nach Torricelli √ ein Gas bei der Druckdifferenz ∆ p mit der Geschwindigkeit vT = 2∆ p/ . Ohne Druckdifferenz erfolgt auch kein resultierender Strom, wenn beiderseits verschiedene Gase sind. Sie diffundieren nur langsam ineinander. Die Poren im Ton haben aber z. T. Abmessungen, die kleiner sind als die freie Weglänge. Durch solche Poren strömt das Gas nicht mehr nach Torricelli als Kontinuum, sondern die Moleküle verhalten sich als unabhängige Teilchen, die entweder den Lochquerschnitt treffen und durchkommen √ oder nicht. In der Sekunde kommen also n Av Moleküle durch, wo v = 3kT/m die mittlere Molekülgeschwindigkeit ist (Knudsen-Strömung). Auch bei beiderseits gleichem Druck, d. h. gleichem n, treten dann von der Seite, wo die Moleküle leichter, d. h. schneller sind, mehr Teilchen durch. Wenn der H2 -Partialdruck im Tongefäß ebenso groß geworden ist wie draußen, geht der Überdruck natürlich zurück. Hört man mit dem H2 -Bespülen auf, entweicht das H2 aus dem Gefäß und lässt vorübergehend einen Unterdruck zurück. 5.4.7 Nackt und pudelwohl Die nackte Haut verliert im Wesentlichen Strahlungswärme. Wenn man sie als ,,schwarzen Körper“ betrachtet und A = 2 m2 Körperoberfläche annimmt, ist die Abstrahlungsleistung αA∆T . Der menschliche Stoffwechsel liefert etwa P ≈ 100 W (Stoffwechselumsatz ≈ 2 000 kcal/d. Die Bilanz ist ausgeglichen bei ∆T ≈ P/(αA) ≈ 8 K, was 29 ◦ C entspricht. In Wirklichkeit ist der Stoffwechsel im wachen Zustand wesentlich aktiver als im Schlaf, man hält es daher auch bei 25 ◦ C gut aus, friert aber, wenn man einschläft. Der bekleidete Mensch verliert Wärme nicht mehr durch Strahlung, sondern durch Leitung, und zwar wirkt gute Wollkleidung im wesentlichen als ein Luftpolster, in dem die Konvektion ausgeschlossen ist. Die Wärmeverlustleistung des Menschen muss wieder auf P = 100 W gehalten werden. Da P = λA∆T/d (A ≈ 2 m2 Körperoberfläche, λ = 0,025 W/m K Wärmeleitfähigkeit der Luft), muss die Dicke der Kleidung d ≈ λA∆T/P ≈ 5 · 10−4 ∆T sein, z. B. 1 cm bei 17 ◦ C, 2 cm bei −3 ◦ C, 3 cm bei −23 ◦ C. Wenn der Mensch schwitzt, nutzt er die Verdampfungswärme des Wassers von 2,3 · 106 J/kg aus. Um die 107 J/Tag seines Stoffwechsels bei 37 ◦ C Außentemperatur abzuführen, muss er etwa 4 l/Tag schwitzen. Dann kann nämlich auch der nackte Mensch keine Wärme durch Strahlung abgeben. Bei 32 ◦ C ist die Schweißmenge halb so groß, bei 27 ◦ C genügt die Abstrahlung. Bei 37 ◦ C übersteht der Mensch ohne Flüssigkeitsaufnahme kaum 24 h, selbst im Schatten ohne Bewegung. 5.4.8 Brrr . . . ! Wir frieren, wenn wir zu viel Wärme durch die Haut verlieren. Auch unbekleidete Hautstellen sind immer durch eine Prandtl-Grenzschicht geschützt, die an der Strömung im Wind nicht teilnimmt, allerdings mit zunehmender Windgeschwindigkeit immer dünner wird. Ihre Dicke ist d ≈ 6ηl/( v). Der Wärmeverlust erfolgt durch Wärmeleitung durch die Prandtl-Schicht mit einer Wärmestromdichte j = λ∆T/d. Der obige Aus-
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√ druck für d ergibt j ∼ ∆t v. Wir vergleichen stille Luft, durch die √ ein Mensch mit v ≈ 2 m/s geht, und einen Sturm von 30 m/s. Im Sturm ist v etwa viermal so groß, also darf bei Windstille ∆T viermal so groß sein, damit der Mensch ebenso friert. Wenn die Hautoberfläche 37 ◦ C hätte, ergäbe dies Äquivalenz zwischen stiller Luft von −20 ◦ C und Sturm bei +23 ◦ C. Die Haut ist aber wesentlich kühler als das Körperinnere. Der Temperaturabfall von 37 ◦ C auf die Außentemperatur verteilt sich im Verhältnis der Wärmewiderstände d/λ auf Hautschicht und Prandtl-Schicht. Fettgewebe hat etwa die zehnfache Wärmeleitfähigkeit der Luft. Dies gilt für Gewebeteile, denen keine Wärme zugeführt wird (keine Durchblutung) und in denen auch keine entsteht (kein Stoffwechsel). Die Haut kann annähernd 0 ◦ C annehmen, bevor Erfrierungen eintreten. Unter solchen Umständen sind −20 ◦ C bei Windstille äquivalent mit −5 ◦ C bei Sturm. Die Unterkühlung ist natürlich umso stärker, je dünner die Prandtl-Schicht ist, d. h. je größer v und je kleiner die Abmessung l des Körperteils ist. Nase, Finger, Zehen und Ohren erfrieren zuerst. 5.4.9 Rayleigh-Konvektion Ein zufällig um d y aufsteigendes Fluidpaket gerät in eine um |grad T | d y kühlere, also um β |grad T | d y dichtere Umgebung (β = d /( dT )) und erfährt also den Auftrieb FA = gV d = 43 πr 3 β g gradT d y (wir denken an ein kugelförmiges Paket). Diesem Auftrieb wirkt die Stokes-Reibung Fη = 6πηrv entgegen, und aus dem Gleichgewicht FA = Fη ergibt sich eine Aufwärtsgeschwindigkeit v = 2r 2 gβ grad T d y/(9η). Der Aufstieg um d y, der ja wegen v ∼ d y erst am Schluss so schnell erfolgt, dauert eine Zeit tA ≈ 2 d y/v = 9η/(r 2 gβ grad T ). All dies stimmt aber nur, wenn sich unser Paket in der Zeit tA nicht durch Wärmeleitung seiner Umgebung angeglichen hat. Dies würde eine Zeit τ ≈ r 2 c/(3λ) dauern (vgl. (5.53)). Nur bei tA < τ, also r 4 2 cgβ grad T/(ηλ) > 27 tritt daher die geschilderte Instabilität auf. Die Tendenz dazu ist für große Pakete sehr viel stärker (r 4 ), aber kleiner als die Fluidschichtdicke d muss das Paket jedenfalls sein, sagen wir höchstens r ≈ d/3. So ergibt sich die Instabilitätsbedingung d 3 2 cgβ∆T/(ηλ) > 2 000 (grad T = ∆T/d). Die dimensionslose Zahl links heißt Rayleigh-Zahl, ihr kritischer Wert liegt bei genauerer Betrachtung um 1 700. Die Bénard-Zellen (Abb. 5.39) sind keine Rayleigh-Instabilitäten, sondern werden durch die Oberflächenspannung σ mitbestimmt. Hier tritt anstelle der Rayleigh-Zahl die Marangoni-Zahl, in der dσ/dT anstelle von d 2 g d /dT tritt. Vergleich der Zahlenwerte und der d-Abhängigkeiten zeigt, dass die Zellenstruktur in sehr flachen, die Rayleigh-Struktur (Aufquellen bzw. Absinken in ungefähr konzentrischen breiten Ringen) in tieferen Töpfen vorherrscht. 5.4.10 Schlaues Huhn Wenn die Luft kälter wird, muss der Hahn den Haufen verstärken, damit mehr Fäulniswärme darin erzeugt wird und die erzeugte Wärme schwerer abströmt. In einer Teilkugel vom Radius r wird dann die Wärmeleistung
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P = 43 πr 3 q erzeugt. Sie muss im stationären Fall durch die Oberfläche A = 4πr 2 dieser Kugel abfließen, und zwar gleichmäßig nach allen Seiten: P = 43 πr 3 q = −4πr 2 λ dT/dr. Der Temperaturgradient nimmt also nach außen zu: dT/dr = −qr/(3λ). Die Temperaturverteilung ist parabolisch: T = T0 − qr 2 /(6λ). Hier ist T0 die Zentraltemperatur, die ja 35 ◦ C sein soll. Wenn der ganze Haufen den Radius R hat, verlangt der Anschluss an die Lufttemperatur T1 = T0 − qR2 /(6λ) (in Wirklichkeit ist dieses T1 ein wenig größer als die Lufttemperatur, damit die Wärme durch Wärmeübergang abgegeben werden kann). Der notwendige Haufenradius ist √ also gegeben durch die liegende Parabel R = 6λ(T0 − T1 )/q, mit den gegebenen Werten z. B. 1,4 m bei T1 = 16 ◦ C, 1 m bei 25 ◦ C. 5.5.1 Stirling-Formel x ln z. Man stelle diese Summe durch ein BlockdiaEs ist ln x! = z=2 gramm über der x-Achse dar. Die Kurve ln x berührt diese ,,Treppe“ an den oberen Ecken, die Kurve ln(x − 1) berührt x sie ebenso von unten. Also liegt die gesuchte Summe zwischen 1 ln z dz = x ln x − x + 1 x x+1 und 1 ln(z −1) dz = 2 ln z dz = (x + 1) ln(x + 1) − x − 1 − 2 ln 2 + 2. x Man beachte ln z dz = x ln x − x. Der Mittelwert der beiden Integrale ist 1 x ln x − x + 2 ln x + 1,5 − ln 2. Wir erheben dies wieder in den Exponen√ ten und finden x! ≈√x x e−x x 12 e1,5 . Dies weicht nur durch den Faktor 1 1,5 = 2,24 statt 2π = 2,51 von der offiziellen Stirling-Formel ab. 2e Wenn man bedenkt, dass man in der Entropie immer nur Logarithmen von Fakultäten benutzt, spielt √dieser Unterschied keine Rolle; meist lässt man dabei sogar den Faktor 2πx ganz weg. 5.5.2 Irreversibilität Es handelt sich hier vor allem darum, den Begriff der reversiblen Führung einer Zustandsänderung richtig zu verstehen. Er geht ja in die Definition der Entropie ein: dS = d Q rev /T . In den ersten beiden Beispielen ist das einfach. Eine kleine Wärmemenge d Q fließe von einem Körper mit der Temperatur T1 , dessen Entropie sich dabei um dS1 = −d Q/T1 ändert, zu einem mit T2 , sodass dS2 = d Q/T2 . Die gesamte Entropieänderung ist dS = d Q(T2−1 − T1−1 ), was genau dann positiv ist, wenn T1 > T2 , d. h. genau dann, wenn der Prozess von selbst abläuft. Molekular betrachtet: Wenn schnelle und langsame Moleküle in Kontakt kommen, gleichen sich ihre Energien aus, weil das dem wahrscheinlicheren Zustand entspricht. Bei der Umwandlung einer entsprechenden Arbeit in die Wärmemenge d Q entsteht die Entropie dS = d Q/T . Reibung erzeugt immer Entropie. Molekular sieht dieser Prozess z. B. so aus, dass ,,in Reih und Glied“ marschierende Moleküle anfangen, chaotisch durcheinander zu laufen, was wiederum wahrscheinlicher ist als die strenge Marschordnung. Von zwei gleichen Gasmassen expandiere die eine (A) um dV , indem sie durch langsames Wegschieben eines Kolbens die Arbeit p dV leistet. Die andere (B) expandiere frei, nachdem man z. B. eine Trennwand weggezogen hat. Beide sind nicht im gleichen Zustand: A hat die Energie p dV hergeben müssen und sich abgekühlt. Um A auf den Zustand von B zu
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bringen, muss man ihm die Wärmemenge d Q = p dV zuführen, wobei man die Entropie dS = p dV/T erzeugt. A ist damit reversibel in den gleichen Zustand übergeführt worden, den B irreversibel erreicht hat. Obwohl im Fall von B keine Wärme ausgetauscht worden ist, besteht zwischen Anfangs- und Endzustand die gleiche Entropiedifferenz, die sich bei reversibler Führung ergibt. Molekular: Der Zustand ,,Alle Moleküle in V , keines in dV “ ist unwahrscheinlicher als der Zustand ,,Moleküle gleichmäßig über V und dV verteilt“. Wenn zwei verschiedene Gase sich mischen, ist zunächst ebenfalls von keinem Wärmeaustausch die Rede. Die Diffusion ineinander ist ja auch nicht reversibel. Man könnte reversibel mischen, wenn man z. B. die Trennwand durch zwei semipermeable Membranen ersetzte, die eine nur für Moleküle A, die andere nur für B durchlässig, und diese Membranen langsam auseinander zöge. Die eine Membran erfährt nur den Partialdruck p A des Gases A, die andere nur p B . Freigabe des Volumens 2 dV setzt also die Arbeit ( p A + p B ) dV = p dV frei, die zu einer Abkühlung des Gemisches führt. Ersatz durch die entsprechende Wärmemenge führt zum Entropieanstieg um dS = p dV/T . 5.5.3 Mischung Das Rütteln (das natürlich für die thermische Bewegung steht) hat zwei völlig verschiedene Effekte: Es ermöglicht die Einstellung des Gleichgewichts, und es beeinflusst die Art des Gleichgewichts. Schwächeres Rütteln bringt die Eisenspäne allmählich nach unten: Es überwiegt der Einfluss der Energie, die in diesem Zustand kleiner ist. Starkes Rütteln dagegen wirbelt die Teilchen ohne Rücksicht auf ihre Schwere gleichmäßig durcheinander: Es überwiegt der Einfluss der Entropie (Wahrscheinlichkeit), die in diesem Zustand größer ist. Man kann die Heftigkeit des Rüttelns durch eine Temperatur kennzeichnen, sodass die mittlere Translationsenergie der Teilchen 3 2 kT ist. Dann kann man rein thermodynamisch rechnen und die Zustände ,,Eisen unten – Sand oben“ und ,,Alles gemischt“ durch ihre W und S kennzeichnen. Die Kiste habe die Höhe h, die Grundfläche A und enthalte gleiche Volumina und Anzahlen N von Spänen und Körnern. Die Energiedifferenz zwischen den Zuständen ist ∆W = 18 gh 2 A( Fe − Sa ), die Entropiedifferenz ∆S = k2N ln 2. Welcher Zustand dem Gleichgewicht entspricht, hängt davon ab, welcher das kleinere A hat, also ob ∆W ≷ T ∆S oder ∆W ≷ 23 · ln 2 · εN ist (ε mittlere kinetische Energie eines Teilchens). Die Grenze liegt also ungefähr da, wo die kinetische Energie des Rüttelns die potentielle Energiedifferenz ausgleicht. Im Magnetfeld ist die Lage ähnlich wie im Schwerefeld. 5.5.4 Protein-Entropie I Ein Mensch von 80 kg hat 16 kg Protein mit etwa 1026 Aminosäureresten (mittlere Masse 1,6 · 10−25 kg). Sie sind in Proteinmolekülen von je etwa 300 Aminosäuren angeordnet. Jede solche Kette hat eine ganz bestimmte Anordnung, also die Wahrscheinlichkeit 300! ≈ 10600 und die Entropie −1 400 k. Alle 3 · 1023 Proteinketten zusammen haben S = − 5 · 1026 k ≈ 8 000 J/K. Bei 300 K bedeutet das einen Beitrag zur Freien Energie −TS = +2,4 · 106 J. Dies ist nur einer der ,,Negentropie“-Anteile des Organismus.
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Jede andere Ordnungsform liefert ebenfalls einen Beitrag. Diese Ordnung kann das Lebewesen nur durch einen Energieaufwand aufrechterhalten, der mindestens so groß ist wie TS. 5.5.5 Protein-Entropie II Zunächst seien alle Lagen eines Gliedes geometrisch und energetisch gleich wahrscheinlich, haben nämlich die Wahrscheinlichkeit 1/L. Ein bestimmter Zustand der ganzen Kette, gegeben dadurch, dass jedes der N Glieder eine bestimmte Lage einnimmt, hat die Wahrscheinlichkeit P = L −N . Ein solcher Zustand hat, verglichen mit dem regellosen Zustand (Wahrscheinlichkeit 1) eine um ∆S = k ln P = −kN ln L kleinere Entropie. Allgemeiner habe die i-te Lage geometrisch die Wahrscheinlichkeit pi (bisher alle pi = L −1 ; pi = 1). Energetisch seien die Lagen noch gleichberechtigt. Nun unterscheiden wir zwei Arten, einen Zustand zu kennzeichnen: (1) Für jedes Glied geben wir an, in welcher Lage es ist; (2) wir geben an, wie viele Glieder in der 1-ten Lage sind, nämlich n 1 , usw. Die Kennzeichnung 1 ist vollständiger. Jeder Zustand n 1 , n 2 . . . vom Typ 2 kann durch N!/(n 1 ! n 2 ! . . . ) Zustände vom Typ 1realisiert werden. Ein Zustand vom Typ 1 hat die WahrscheinlichS = k n i ln pi , ein Zustand vom Typ 2 hat keit i pin i , die Entropie P = N!/(n 1 ! n 2 ! . . . ) pin i . Sind noch die Energien der Lagen verschieden, hat z. B. ein Glied in der i-ten Lage die Energie εi , dann ist die rein energetische Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Glied in der −εi /(kT ) hat ein Zustand vom i-ten Lage ist, nach Boltzmann e n i −n. Insgesamt Typ 1 die Wahrscheinlichkeit i pi · e i εi /(kT ) . Am wahrscheinlichsten ist der Zustand, für den dieser Ausdruck oder sein Logarithmus maximal ist: (n i ln pi − n i εi /(kT )) = (ST − W )/k = −A/k = Max. Interessant wird die Diskussion dieses Ausdrucks vor allem für Zustände vom Typ 2 (vgl. Kap. 19). Sie erklärt dann das gesamte Verhalten des Systems. 5.5.6 Seltsame Definition Die reversible Wärmekraftmaschine A arbeitet zwischen den Temperaturen T3 und T2 . Wir nutzen einen Teil ihrer Abwärme, indem wir sie bei T2 einer anderen Maschine B zuführen, die zwischen T2 und einem noch tieferen T1 arbeitet. Stecken wir oben die Wärmeenergie Q 3 hinein, so liefert A die Arbeit W = η A Q 3 . Aus der Abwärme Q 2 = (1 − η A )Q 3 erzeugt B noch die Arbeit W = η B Q 2 , und ihre Abwärme ist Q 1 = (1 − η B )Q 2 = (1 − η B )(1 − η A )Q 3 . Die Verbundmaschine AB hat den höheren Wirkungsgrad η AB = (W + W )/Q 3 = η A + (1 − η A )η B , d. h. es gilt 1 − η AB = (1 − η A )(1 − η B ). Die Größe 1 − η hängt nur von den beteiligten Temperaturen ab, z. B. 1 − η A = f(T3 , T2 ). Wie wir sahen, gilt f(T3 , T1 ) = f(T3 , T2 ) f(T2 , T1 ). Da die linke Seite dieser Gleichung nicht von der Zwischentemperatur T2 abhängt, muss sich T2 auch rechts wegkürzen, gleichgültig welchen Wert T2 hat. Das ist nur dann der Fall, wenn f(T, T ) ein Quotient zweier eindeutiger Funktionen der Temperatur ist: f(T, T ) = g(T )/g(T ), d. h. η = 1 − g(T )/g(T ). Unsere Maschine AB leistet mehr Arbeit als A allein bei gleicher Wärmezufuhr oben, sie hat einen höheren Wirkungsgrad. Damit dies allgemein gilt, muss g eine mo-
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noton wachsende Funktion von T sein. Wenn wir noch nicht wüssten, was T ist, können wir einfach g(T ) = T festsetzen, und zwar so, dass Wasser bei T = 273,2 gefriert. T = 0 wäre die Temperatur, die als unteres Reservoir einer Wärmekraftmaschine den Wirkungsgrad 1 ergibt, weil dort keine Abwärme mehr abgegeben werden muss. Vergleich mit einem Idealgas als Arbeitssubstanz zeigt, dass die so definierte ,,thermodynamische Temperatur“ identisch mit der üblichen Kelvin-Temperatur ist. 5.5.7 Mischbarkeit Bei konstanten T und p tritt ein Vorgang, z. B. die Mischung zweier Stoffe, von selbst ein, wenn die freie Enthalpie G = W − TS + pV dabei abnimmt. pV spielt für kondensierte Stoffe praktisch keine Rolle. Das Mischen von Schwefelsäure und Wasser z. B. bringt eine Energieabnahme ∆W < 0 (Hydratationsenergie), das Mischen von Öl und Wasser erfordert Oberflächenenergie ∆W > 0. Wenn dieser Energieaufwand größer ist als T ∆S (∆S Mischungsentropie, etwa 4 J/mol K), tritt trotz ∆S > 0 keine Mischung ein. Falls ∆W nicht von T abhängt, wird die Bedingung für Mischbarkeit umso besser, je höher T ist. 5.5.8 Kleiner Unterschied Der Unterschied liegt in der Mischungsentropie Sm . Für Phasengleichgewichte reiner Stoffe tritt kein Sm auf, weil alle Teilchen gleichartig sind. Im Gleichgewicht liegt nur die Phase mit dem kleineren G vor. Beim chemischen Gleichgewicht bringt das Vorhandensein einer gewissen Menge eines Stoffes immer einen Zuwachs an Mischungsentropie, der den G-Zuwachs überkompensiert. Allerdings kann diese Menge sehr klein sein, wenn der Stoff ein sehr hohes G hat (vgl. Abschn. 5.5.8). 5.5.9 Adsorption Das adsorbierte Gas hat geringere Energie (Bindung) und Entropie (Einschränkung der Beweglichkeit). Es verhält sich ähnlich wie eine Flüssigkeit, deren Maximalmenge allerdings durch die verfügbaren Plätze beschränkt wird. Daher gilt die Thermodynamik der Phasengleichgewichte, die unbeschränkte Menge voraussetzt, nicht ohne weiteres. Kinetik: Teilchenzahldichte im Gas n 0 ; im m3 der feinverteilten Oberfläche (Aktivkohle o. dgl.) stehen N Plätze zur Verfügung. n sind davon besetzt, n n 0 . Die Adsorptionsrate (sich anlagernde Teilchen/m3 s) ist αn 0 (N − n), die Desorptionsrate βn. Im Gleichgewicht sind beide gleich, und man erhält n = αNn 0 /(β + αn 0 ). n 0 ist proportional dem Gasdruck (Langmuir-Isotherme). Dasselbe erhält man, wenn man die Adsorption als Reaktion eines Gasmoleküls M mit einem leeren Platz P zu einem besetzten Platz auffasst: M + P MP. Das Massenwirkungsgesetz ergibt für die Konzentration (eckige Klammern): [MP]/[M][P] = K . Mit [P] + [MP] = N, der Gesamtzahl der Plätze, ergibt sich wieder die Langmuir-Isotherme, und α/β erweist sich als identisch mit K , mit der in Abschn. 5.5.8 abgeleiteten T - und p-Abhängigkeit. Speziell liefert die Arrhenius-Auftragung von ln(α/β) über 1/T die Adsorptionsenthalpie.
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5.5.10 Chromatographie Definitionen s. Aufgabe 5.5.9. Im Gleichgewicht, wenn n˙ = 0 ist, folgt n = αn 0 N/(αn 0 + β) (Langmuir-Isotherme). Speziell bei schwacher Besetzung (n N ) ist n ≈ αn 0 N/β. Je fester ein Molekül adsorbiert ist, desto größer ist α/β. Wenn zur Lostrennung die Desorptionsenergie W nötig ist, enthält β/α einen Boltzmann-Faktor: β/α ∼ e−W/(kT ) . Wie der kinetische Ansatz zeigt, bleibt ein bestimmtes Molekül im Mittel eine Zeit τa = 1/β im adsorbierten Zustand, eine Zeit τd = 1/(αN ) im freien Zustand. Das Molekül ist also einen Bruchteil τd /(τd + τa ) = β/(β + αN ) ≈ β/(αN ) der Gesamtzeit frei und wanderungsfähig. Es verschiebt sich also nicht mit seiner Geschwindigkeit v, wie im freien Zustand, sondern nur mit v = vβ/(αN ). Bei einer Säulenlänge d ist die ,,Durchbruchzeit“ t = d/v = dαN/(vβ) ∼ eW/(kT ) . Da W i. Allg. groß gegen kT ist, haben geringe Unterschiede in der Desorptionsenergie sehr großen Einfluss auf die Durchbruchzeit. Die Rechteckwelle von aufgebrachter Substanz zerläuft sehr bald in eine Folge von Teilwellen, für jeden Stoff eine. Da auch v nur einen statistischen Mittelwert darstellt, bleibt auch jede Teilwelle nicht immer rechteckig, sondern verbreitert sich ähnlich einer Gauß-Kurve. Die Verbreiterung, also die Streuung der Laufzeiten, ist proportional zur Wurzel aus der Anzahl der Adsorptionsakte tαN, hängt also nicht nur von β/α ab wie die Laufzeit, sondern von α selbst. 5.5.11 T-jump Da die Modifikation A im Gleichgewicht eine geringere Konzentration hat, ist ihre freie Enthalpie größer. Nach Boltzmann ist das Konzentrationsverhältnis A /A = e−∆G/(kT ) = 19 , also ∆G = 2,2kT . Es geht hier um die freie Enthalpie G (das Gibbs-Potential), weil das Gleichgewicht sich unter den Bedingungen konstanten Drucks und konstanter Temperatur einspielt. Bei 370 K erwartet man A /A = e−2,2·300/370 = 0,168: Die Modifikation mit dem höheren G ist bei hohen Temperaturen relativ reichlicher vertreten als bei niederen. Gleichgewichtsmessungen erlauben nur Rückschlüsse auf ∆G, nicht auf die Einzelwerte von G für die beiden Modifikationen. Solche Schlüsse erlaubt nur die Einstellung des Gleichgewichts nach einer plötzlichen Änderung der Bedingungen, z. B. von Konzentration, Druck oder Temperatur. Dann findet man die Aktivierungsenergien G und G , deren Differenz G − G = ∆G ist. Es sind die energetischen Abstände zum aktivierten Zustand, über den die Reaktion erfolgt. Die Zeitabhängig keit von A lautet A˙ = −α0 (Ae−G/(kT ) − A e−G /(kT ) ). Die Summe von A und A ist konstant: A + A = C. Also kann man z. B. A eliminieren: A˙ = βC − (α + β)A mit der Lösung A = A∞ + (A0 − A∞ )e−(α+β)t . Hier ist A∞ = βC/(α + β) wieder die Gleichgewichtskonzentration. Messung der Anklingzeit τ = 1/(α + β) gibt die Summe der Reaktionskonstanten. Ihre Temperaturabhängigkeit gibt aus einem Arrhenius-Diagramm die Aktivierungsenergie G und G . Somit findet man auch die Konstante α0 . Diese Methoden der ,,schnellen Kinetik“ haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm entwickelt.
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5.5.12 Gaszentrifuge Wenn das Gas nach einiger Laufzeit wie ein starrer Körper mit der Trommel mitrotiert, setzen wir uns in das rotierende Bezugssystem. Das Gas ist dann einer Beschleunigung ω2r, also einem Potential 12 ω2r 2 unterworfen, und jedes Teilgas bildet bei unterdrückter Konvektion und Vernachlässigung der Mischungsentropie (Aufgabe 5.5.3) seine eigene exponentielle ,,Höhen“verteilung mit dem Trommelumfang als Boden aus: Teilchen2 2 zahldichte n i = n i0 emω r /(2kT ) (anstelle des −mgh in der barometrischen Höhenformel tritt hier + 12 mω2r 2 ). Die entscheidende Größe ist ω2 R2 (R Trommelradius), nicht die ,,g-Zahl“ ω2 R/g. Da technisch die Begrenzung in der Umfangsgeschwindigkeit v = ωR liegt (einige hundert m/s), ist die Trennfähigkeit unabhängig von R, im Gegensatz zur g-Zahl, die bei kleinem R größer gemacht werden kann. Die entscheidende Größe lässt sich auch darstellen als 2v2 /(3u 2 ) (u: thermische Molekülgeschwindigkeit), denn 12 mu 2 = 32 kT . Für N2 und O2 ist u ≈ 500 m/s, also die Trennung selbst bei höchstem v gering. Dann kann man die e-Funktion entwickeln ex ≈ 1 + x, also n i R = n i0 (1 + mω2 R2 /(2kT )), die Anreicherung hängt in dieser Näherung nur von der Molekülmassen-Differenz ab und ist für N2 , O2 etwa ebensoklein wie bei den beiden Uran-Hexafluoriden, nämlich nur etwa 0,3% bei v = 100 m/s. Bei etwas höheren v versagt aber für UF6 die Entwicklung der e-Funktion (für die leichten Gase noch nicht). Die Trennung wird dann sehr viel besser. 5.6.1 Wasserstruktur Im H2 O-Molekül bilden die beiden OH-Verbindungslinien einen 105◦ -Winkel miteinander. Die beiden H tragen je 0,15 positive Elementarladungen, das O 0,3 negative (Verschiebung der Elektronenwolken). Der Winkel zwischen zwei Verbindungslinien Schwerpunkt–Ecke in einem Tetraeder ist sehr ähnlich (109◦ ). Eis besteht aus einer tetraedrischen Anordnung von H2 O-Molekülen, in der jedes H die Brücke zwischen O bildet und jedes O von vier H umgeben ist, von denen zwei ursprünglich ihm, die anderen beiden zwei Nachbarmolekülen gehörten. Die Unterschiede zwischen den beiden H-Typen sind vor allem durch den quantenmechanischen Effekt der H-Brückenbildung weitgehend verwischt: Jedes H kann auch zum anderen O hinübertunneln. Diese Struktur ähnelt dem Diamant, indem sie eine dichteste Kugelpackung darstellt, ist aber nicht kubischflächenzentriert wie dieser, sondern hexagonal. ,,Dichtest“ bezieht sich nur auf die Anordnung der Molekülschwerpunkte. Tatsächlich ist die Struktur sehr locker. Daher ist Eis weniger dicht als Wasser, in dem wenigstens ein Teil der Moleküle in einer regellosen, dichteren Anordnung sitzt. Flüssiges Wasser besteht aus mindestens zwei Anteilen: Molekülgruppen in eisähnlicher Struktur, getrennt durch regellose Bereiche. Mit zunehmender Temperatur schmelzen die Eis-,,Clusters“ allmählich auf, und die resultierende Verdichtung ist unterhalb von 4 ◦ C größer als die normale Auflockerung infolge Temperatursteigerung. Auch viele andere der ungewöhnlichen Eigenschaften des Wasser erklären sich durch das Modell, z. B. die hohe spezifische Wärme, die teilweise zum Aufbrechen der Dipol- und H-Bindungen benötigt wird.
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5.6.2 Wolkenbildung Solange noch keine Kondensation eintritt, d. h. solange die Temperatur T über dem Taupunkt Tt liegt, nehmen T, p, i. Allg. nach dem adiabatischindifferenten Modell mit der Höhe ab (vgl. Aufgabe 5.2.11), speziell sinkt T um 1 K je 100 m. Der Taupunkt wird also in (T0 − T1 ) · 100 m Höhe erreicht (T0 : Temperatur am Erdboden). Bei weiterem Aufstieg kondensiert ein Teil des Wasserdampfes, falls genügend Kondensationskeime da sind, um Übersättigung zu vermeiden. Die Kondensationswärme kommt der Luft zugute. Bei einer Abkühlung um dT wird also außer cV dT noch diese Kondensationswärme verfügbar, um in Expansionsarbeit p dV angelegt zu werden. Indifferentes Gleichgewicht herrscht wieder, wenn das aufsteigende Luftvolumen dabei genau die Zustandsgrößen, speziell die Dichte seiner neuen Umgebung annimmt. Der Sättigungs-Dampfdruck ändert sich nach Clausius-Clapeyron bei einer Änderung dT um d p = dTλ W /T . Die Partialdichte des Wasserdampfs hängt mit seinem Dampfdruck so zusammen: W = pW µW /(RT ), in einem g Luft wird infolge der Kondensation von W die spezifische Energie du k = λ d W / L frei, also eingesetzt du k = λ2 µ2W pW dT/(RT 2 µL pL ). (Bei allen diesen Umformungen beachte man die Unterschiede zwischen Partial- und Gesamt-Drücken und -Dichten sowie Größen, die auf die Massen- oder Volumeneinheit bezogen sind.) Bei 0◦ , 10◦ und 20 ◦ C kommt zur spezifischen Wärme der Luft cV = 0,71 J/K g sozusagen die spezifische Kondensationswärme von 0,50, 1,00 bzw. 1,88 J/K g hinzu. Feuchte Luft kann also doppelt so viel Expansionsarbeit aufbringen wie trockene, d. h. ihre Temperatur nimmt bei gegebener Dichteänderung langsamer ab als für trockene Luft. Die Ableitung der Adiabatengleichung ändert sich, und es resultieren Gesetze, die zwischen dem üblichen adiabatischen und dem isothermen Fall liegen (polytrope Zustandsgleichung). 5.6.3 Verdampfungsgleichgewicht Die Molekülzahldichten in der Flüssigkeit bzw. im Dampf seien n Fl bzw. n D (Einheit: Teilchen/m3 ). In der Sekunde treffen auf den m2 der Oberfläche, aus dem Gasraum kommend, 13 n D v Teilchen auf und bleiben größtenteils daran hängen. In der gleichen Zeit lösen sich vom gleichen Stück Oberfläche 13 n Fl δv0 e−W/(kT ) Teilchen ab und verdunsten. Der Faktor e−W/(kT ) gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Teilchen, das hinreichend nahe an der Oberfläche sitzt und in der passenden Richtung schwingt, durch zufällige thermische Schwankungen so viel Energie auf sich versammelt, wie es braucht, um die Nahewirkungskräfte der Nachbarmoleküle zu überwinden und sich abzulösen, nämlich mindestens W, die Verdampfungswärme pro Molekül. Im Gleichgewicht müssen ebenso viele Teilchen abdampfen wie sich anlagern, also n D = n Fl δv0 /v · e−W/(kT ) , woraus sich wegen pD = n D kT sofort die Dampfdruckkurve ergibt. Zur Clausius-Clapeyron-Formel gelangt man durch Differentiation, wenn man die T -Abhängigkeit der e-Funktion als überwiegend ansieht. (Man beachte pD = RT/VD .) Unser Modell bestimmt aber auch annähernd den Faktor vor der e-Funktion zutreffend, wenn man δ ≈ 10−8 annimmt, was sich mit Schätzungen aus Oberflächenspannung, Zerreißfestigkeit usw.
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gut verträgt. Außerdem gibt das Modell die Verdunstungsgeschwindigkeit, was die Gleichgewichtsthermodynamik nicht kann: Würde man den ganzen Dampf sofort wegblasen, würden 13 n Fl δv0 e−W/(kT ) , oder, was sich leichter rechnet, 13 n D v Moleküle/m2 s verloren gehen (n D GleichgewichtsTeilchenzahldichte). Ein Molekül nimmt in der Flüssigkeit das Volumen n −1 Fl ein. Also würde die Oberfläche unter so extremen Bedingungen mit der Geschwindigkeit 13 n D v/n Fl , d. h. für Wasser je nach Temperatur einige mm/s oder gar cm/s absinken. Selbst in der Wüste beobachtet man viel weniger, d. h. das viel langsamere diffusive ,,Durchsickern“ durch eine Dampfschicht, die unten den Sättigungsdruck, oben den Umgebungsdruck hat, ist praktisch immer maßgebend. Der Wind reißt diese Schicht teilweise ab und fördert so die Verdunstung. Fasst man sie als Prandtl-Grenzschicht auf (vgl. Abschn. 3.3.3f) und berechnet das Diffusionsgleichgewicht, dann kommen vernünftige Werte für die Verdunstungsgeschwindigkeit heraus. 5.6.4 Ist das möglich? Der heiße Becher kühlt schneller ab, hauptsächlich durch Verdunsten (Verdunstungsgeschwindigkeit geht exponentiell mit T ). Wenn er 50◦ 1 erreicht hat, ist fast 10 der Flüssigkeit verschwunden (Verdampfungs6 wärme ≈ 2 · 10 J/l). Inzwischen hat der anfangs kühlere Becher keinen großen Abkühlungs-Vorsprung, enthält aber noch fast alles Wasser (volle Wärmekapazität). Daher kann es vorkommen, dass der andere ihn sogar überholt. 5.6.5 Heizwerte Beim Kondensieren des Verbrennungswassers wird zusätzlich Energie frei, also ist Ho größer. Die meisten Brennstoffe (im wesentlichen Kohlenwasserstoffe) produzieren nur CO2 und H2 O, und zwar nach der Pauschalformel (CH2 )n + 32 nO2 → nCO2 + nH2 O, also 18 kg Wasser auf 14 kg Brennstoff. Die Kondensation von 18/14 kg Wasser liefert 3 · 106 J. Das ist der typische Wert für Ho − Hu . Wenn die Abgase so heiß bleiben, dass trotz des hohen Wasserdampfgehaltes noch keine Kondensation eintritt, ist Hu zu benutzen. Nach der Reaktionsformel kann der H2 ODampfdruck bei vollständiger Verbrennung des O2 höchstens 23 des ursprünglichen O2 -Partialdrucks erreichen, also etwa 160 mbar. Oberhalb von etwa 50 ◦ C tritt also keine Kondensation ein. 5.6.6 Druckaufschmelzung Die spezifischen Volumina von Eis und Wasser sind 1,1 · 10−3 bzw. 10−3 m3 /kg, ihre Differenz ist ∆V = 10−4 m3 /kg. Die Clausius-Clapeyron-Gleichung liefert dT/d p = −T ∆V/λ = 273 K · 10−4 m3 kg−1 /3,4 · 105 J kg−1 = 8 · 10−8 K/(J/m3 ) = 8 · 10−3 K/bar. Beim Skifahren, wo der Druck der Bretter 1 bar kaum überschreitet, ist der Aufschmelzeffekt also völlig vernachlässigbar. Die scharfen Schlittschuhkanten üben dagegen einige 100 bar aus und schmelzen eine Rinne in nicht zu kaltes Eis. Bei Temperaturen um 0 ◦ C ist das auch deutlich zu beobachten. Bei CO2 -Schnee oder -Eis (Mars-Polkappen) fällt dieser Effekt weg, denn hier ist der Festkörper, wie bei den meisten Stoffen, dichter
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als die Flüssigkeit. Das Fehlen dieses Effekts allein wird die Leistungen skifahrender Mars-Polarforscher nicht beeinträchtigen. 5.6.7 CO2 -Flasche Damit CO2 bei 20 ◦ C flüssig bleibt, muss es unter mindestens 63 bar stehen. Sein Molvolumen ist dann etwa V = 75 cm3 /mol, seine Dichte = 44 g mol−1 /75 cm3 mol−1 = 0,6 g/cm3 . Eine 50 l-Flasche fasst etwa 30 kg CO2 . Bei der Entspannung verdampft das CO2 und dehnt sich dann weiter annähernd adiabatisch aus. Dabei entzieht es sich selbst eine Wärmemenge, die durch die Fläche zwischen der Isotherme in Abb. 5.68 und der 1 bar-Isobare (-Horizontale) gegeben wird. Diese Fläche ist kleiner, aber nicht sehr viel kleiner als für ein ideales Gas. Zur Abschätzung können wir also die Adiabatengleichung heranziehen: T ∼ p(γ −1)/γ = p1/4 (man beachte, dass CO2 sechs Freiheitsgrade hat), also ergibt sich bei Entspannung von 60 bar auf 1 bar eine Abkühlung fast bis 100 K. Dabei wird das CO2 natürlich vorübergehend zu Schnee, bis es unter Temperaturangleichung verdampft. Unterhalb des kritischen Punktes (72 ◦ C) lässt sich das CO2 durch einen Druck in der Größenordnung von 100 bar allein verflüssigen. Man muss allerdings so langsam komprimieren, dass man Erhitzung vermeidet. 5.6.8 Freon Die Kühlung im Kompressor-Kühlschrank entsteht, indem das Kühlmittel durch Druckminderung zum Verdampfen gebracht wird und dabei dem Kühlgut seine Verdampfungswärme entzieht. Außerhalb des Kühlschranks wird dann das Kühlmittel durch Druckerhöhung wieder verflüssigt. In der Spraydose steht das flüssige Treibmittel ebenfalls unter erhöhtem Druck, und zwar seinem eigenen Dampfdruck. Wenn man auf den Knopf drückt, erlaubt man dem Dampf den Austritt, wobei etwas von dem zerstäubten Spraygut mitgerissen wird. Hinterher stellt sich der Gleichgewichtsdampfdruck wieder ein, indem etwas flüssiges Treibmittel verdampft. Eine reine Gasfüllung wäre viel zu schnell verbraucht oder müsste einen zu hohen Anfangsdruck haben. Das flüssige Treibmittel dient als Vorrat. Wenn man die Dose ins Feuer wirft, steigt der Dampfdruck exponentiell an (Boltzmann-Kurve), und die Dose explodiert, falls noch Treibmittel darin ist. Jedenfalls müssen Kühlmittel und Treibmittel einen Siedepunkt haben, der unter Atmosphärendruck unterhalb, bei erhöhtem Druck oberhalb der Zimmertemperatur liegt. Dies ist bei den Freonen der Fall. Sie haben auch sonst technisch günstige Eigenschaften, sind z. B. sehr stabil, so stabil, dass sie aus weggeworfenen Kühlschränken und den viel zu viel angewandten Spraygasen bis in die Hochatmosphäre aufsteigen, wo sie dann allerdings durch das UV-Licht der Sonne aufgespalten werden. Die freiwerdenden Halogene zerstören katalytisch Ozonmoleküle O3 und bauen so die Ozonschicht ab, die uns vor dem hautkrebserzeugenden und netzhautzerstörenden kurzwelligen UV der Sonne schützt. 5.6.9 van der Waals-Konstanten Siehe Lösung 5.6.11.
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5.6.10 Kritische Daten Siehe Lösung 5.6.11. 5.6.11 van der Waals-Kurve Um den Zusammenhang zwischen den kritischen Daten und den van der Waals-Konstanten zu finden, kann man so argumentieren: Die van der Waals-Isotherme p = RT/(V − b) − a/V 2 hat dort Extrema, wo d p/dV = −RT/(V − b)2 + 2a/V 3 = 0 ist, oder mit x = V/b, wo (x − 1)2 /x 3 = RTb/(2a) ist. Die linke Seite dieser Gleichung, als Funktion von x aufgetragen, bildet einen flachen Buckel rechts von x = 1 (zeichnen!). Das Maximum dieses Buckels liegt dort, wo 2(x − 1)/x 3 = 3(x − 1)2 /x 4 oder x = 3 ist und hat die Höhe 4/27. Wenn die Horizontale RTb/(2a) höher liegt als 4/27, schneidet sie den Buckel nicht an: Es gibt kein Extrema; läuft sie tiefer, schneidet sie zweimal: Die Isotherme hat zwei Extrema. Der Übergangsfall RTb/(2a) = 4/27 oder T = Tk = 8a/(27bR) entspricht der kritischen Isotherme mit ihrer horizontalen Wendetangente. Tk ist die kritische Temperatur, Vk = 3b das kritische Volumen, also pk = RTk /(Vk − b) − a/Vk2 = a/(27b2 ) der kritische Druck. Umgekehrt: a = 27R2 Tk2 /(64 pk ) und b = RTk /(8 pk ). So errechnen sich die folgenden Werte: Tabelle L.1 CO2 N2 O2 H2 O
a/bar m6 mol−2
b/m3 mol−1
3,7 · 10−6 1,2 · 10−6 1,4 · 10−6 5,2 · 10−6
4,3 · 10−5 3,6 · 10−5 3,2 · 10−5 3,0 · 10−5
1/b ist gewöhnlich etwas kleiner als die Dichte des flüssigen Zustandes. Mit diesen Werten behandeln wir z. B. den Joule-Thomson-Effekt. 1 mol Gas werde um ∆ p entspannt. Da sich das Gas nahezu ideal verhält, ist dV/V ≈ −d p/ p, und aus (5.109) wird dT/d p = (2RTb − 4a)/[( f + 2)RVp] = −(2RTb − 4a)/[( f + 2)R2 T ]. Weit unter dem Inversionspunkt erhält man als maximale Temperatursenkung pro bar Drucksenkung dT/d p = +4a/[( f + 2)R2 T ], d. h. 0,3 K/bar für Luft, 0,9 K/bar für CO2 . Die Nähe des Inversionspunktes drückt diese Werte etwas herab. Weit oberhalb des Inversionspunktes (z. B. bei H2 ) ist die maximale Erwärmung dT/d p = −2b/[( f + 2)R] ≈ − 0,15 K/bar. Wenn man van der WaalsKurven wirklich konstruiert, ist man – wie fast immer, wenn man etwas selbst probiert, statt die notwendigerweise etwas schematisierten Lehrbuchbegriffe zu übernehmen – erstaunt, wie anders sie aussehen. Links liegt eine ungeheuer tiefe Schlucht, die weit in negative Drucke reicht (z. B. bei 20 ◦ C-Wasser bis etwa −1 000 bar), und der gegenüber in der üblichen Auftragung der flache Berg rechts bis zur Bedeutungslosigkeit herabsinkt. Man kann diesen negativen Druck als Zug deuten: Eine Wassersäule z. B., die man sorgfältig entgast und in der man Dampfkeime weitgehend vermeidet, kann theoretisch kilometerlang werden, bevor sie
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unter dem eigenen Gewicht zerreißt. In der Praxis haben Flüssigkeiten nur deshalb geringere Zerreißfestigkeiten als Festkörper, weil sich Gasblasen bilden. Man kann aber den flüssigen Zustand ein gutes Stück unterhalb E in Abb. 5.68 ,,unterspannen“. Das Gebiet zwischen D und B ist dagegen bestimmt nicht realisierbar, weil es völlig instabil ist: Jede zufällige Drucksteigerung hätte eine Expansion zur Folge, und das System würde explosionsartig mindestens bis B (bzw. D) schnellen. 5.6.12 Maxwell-Gerade Wir nehmen an, man könnte nach Belieben auf der S-förmigen van der Waals-Isotherme z. B. eine gewisse Gasmenge verflüssigen (mit großer Vorsicht gelingt das teilweise), und dann längs der üblichen Geraden p = const wieder verdampfen. Fasst man diesen Zyklus als Wärmekraftmaschine auf, dann muss ihr Wirkungsgrad 0 sein, weil man zwischen zwei Reservoiren gleicher Temperatur hin- und herfährt. Es darf also insgesamt keine Arbeit geleistet werden. Da sich die Arbeit im p, V -Diagramm durch die umlaufene Fläche darstellt, muss diese Gesamtfläche 0 sein, d. h. die übliche Übergangsgerade, die Maxwell-Gerade, muss so angebracht sein, dass sie vom oberen Bogen des S genauso viel Fläche (positiv gezählt) abschneidet wie vom unteren Bogen (negativ gezählt). 5.6.13 Das Büblein steht am Weiher . . . wer weiß? Wenn die Eisdecke auf der Fläche A um ein Stück dx dicker wird, setzt sie die Erstarrungsenergie dW = A dxγ frei (γ : spezifische Erstarrungsenergie). Diese Energie kann nur nach oben abgeführt werden. Die Eisdecke mit der gegenwärtigen Dicke x lässt eine Wärmestromdichte j = λ∆T/x durch. Die Abfuhr von dW dauert eine Zeit dt = dW/(A j) = γx dx/(λ∆T ). Integration bei konstantem ∆T , angefangen bei t = 0 mit x = 0, liefert t = 12 γx 2 /(λ∆T ). Mit ∆T = 20 K, √= 900 kg/m3 , λ = 0,47 W/m K, γ = 3,3 · 105 J/kg folgt x = 2,5 · 10−4 t (t in Sekunden, x in Meter). In der Natur wächst die Eisdecke meist langsamer, weil das Oberflächenwasser nicht schon vorher 0 ◦ C hat. Die Belastbarkeit ergibt sich ähnlich zur Theorie der Balkenbiegung aus den elastischen Momenten der leicht durchgebogenen Eisdecke. Dazu kommt der Auftrieb der Einsenkung, unter der ja das Wasser verdrängt werden muss. Die Punktlast F erzeugt im Abstand r ein Biegemoment Fr, das von der Fläche 2πrd (Schnittfläche einer gedachten Kreisscheibe, Radius r, Dicke d) kompensiert werden muss. Oben und unten in der Schicht ergibt sich eine Maximalspannung σm mit Fr ≈ 2πrdσm d/2, also F ≈ πd 2 σm . Bei frischem, noch elastischem Eis kann man mit σm ≈ 106 N/m2 rechnen, also könnte sich ein Mensch schon auf d ≈ 2 cm wagen, ein Auto auf 6 cm; ein Zug von 1 000 t braucht 2 m Eisdicke. Die arktische Eisdecke wird nicht sehr viel dicker (maximal 4 m), im Gegensatz zum grönländischen oder antarktischen Inlandund Schelfeis. Das arktische Eis lebt nur 2–4 Jahre, bevor es in wärmere Meeresteile driftet. – Die mittelatlantische Schwelle liegt etwas mehr als 2 000 m unter dem Meeresspiegel. Die Tiefenlinien, auf denen es 1 000, 2 000, 3 000, 4 000 m tiefer ist als die Schwelle, liegen in den Abstän-
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den 100, 350, 800, 2 000 km beiderseits der Schwelle. Die Kurve z(x) erinnert an die liegende Parabel, die wir für das Eis als x(t) gefunden haben. Dies entspricht der Tatsache, dass das Gestein des Ozeanbodens in der Mitte der Schwelle (Rift der Dorsalen) aus dem darunterliegenden Magmaherd austritt und sich mit ziemlich konstanter Geschwindigkeit nach beiden Seiten vorschiebt. Bei dieser Auswärtswanderung nimmt die Dicke der Erstarrungskruste zu, genau wie beim Eis. Die Kontraktion beim Erstarren zeichnet damit genau das beobachtete Tiefenprofil. Mit ∆T ≈ 1 500 K, λ ≈ 10 W/m K, ≈√2 700 kg/m3 , γ = 6 · 104 J/kg erhält man eine Krustendicke d ≈ 4 · 10−4 t. Nach 100 Mill. Jahren Auswärtswanderung mit 2–3 cm/Jahr, also 2 500 km Abstand, ist die Kruste mit etwa 25 km Dicke um etwa 2 500 m geschrumpft. Unsere Theorie erklärt also das Tiefenprofil recht gut. Die Kontinente in etwa 2 500 km Abstand beiderseits wandern natürlich auf dem ,,Fließband“ mit, und die 100–150 Mill. Jahre sind das Alter des Atlantik selbst seit der Zeit, wo der Urkontinent Pangäa in einer über 10 000 km langen Spalte aufriss. Eigentlich müsste man isostatisch rechnen, d. h. so, dass über einem bestimmten Tiefenniveau überall gleich viel Masse lagert. Mit der Wassertiefe z, der Krustendicke d und den Dichten W , K (Kruste) und M (Magma) folgt z = d( K − M )/( M − W ) ≈ 0,2d. Nehmen wir an, die Vorschubgeschwindigkeit des Ozeanbodens werde schneller. Dann ist die Krustendicke und damit die Meerestiefe geringer: Für das Wasser ist nicht mehr so viel Platz, es überschwemmt die Kontinente (Transgression) und bildet flache Randmeere. So war es besonders in der Kreidezeit, dagegen findet man in der Trias und im mittleren Tertiär nur wenig Meeresablagerungen auf den Kontinenten. Die Plattentektonik wird vielleicht diese Zyklen von Transgression und Regression erklären. Erdöl entsteht nach den meisten Theorien vorwiegend aus totem Plankton, das in sauerstoffarme (anoxische) Tiefenzonen rieselt und dort dem bakteriellen Abbau entgeht. Hierfür kommen besonders abgeschlossene Randmeere wie das Schwarze Meer in Frage. Solche Gebiete sind in Zeiten hohen Meeresniveaus, also hoher Dorsalaktivität häufiger. Die wichtigsten Öllagerstätten stammen aus Jura und Kreide. Kohle entsteht dagegen in flachen Sumpfgebieten, wo Pflanzenteile unter Wasser und Schlamm ebenfalls vor der Verwesung geschützt sind. Öl braucht viel Flachsee, Kohle viel Flachland. Zeiten großer Öl- bzw. Kohleentstehung sind daher einander ziemlich komplementär. Aus Carbon und Perm gibt es kaum Öl, aus Jura und Kreide kaum Kohle. Im Tertiär war, wohl im Zusammenhang mit dem Faltungsgeschehen, die Geschichte der Dorsalaktivität und der Trans- und Regressionen so wechselhaft, dass man Kohle und Öl findet, wenn auch selten im gleichen Unterabschnitt des Tertiärs. Die Plattentektonik wirft so nicht nur Licht auf die Lagerstättenverteilung, sondern auf die ganze Entwicklung des Lebens wie auch auf die Klimaentwicklung der Erde. 5.7.1 Entsalzung Meerwasser von 34 g/l Salzgehalt hat einen osmotischen Druck von p = 23,2 bar (Aufgabe 5.7.5). Dieser Druck reicht zum langsamen, reversiblen Durchpressen des Süßwassers durch die Membran. V = 1 m3
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Süßwasser kostet eine Energie pV = 2,3 · 106 J. Die Destillation ohne Rückgewinnung ist ziemlich genau 1 000-mal teurer: Spezifische Verdampfungsenergie 2,2 · 106 J/kg. Man muss die Rückgewinnungsanlage (Gegenstromprinzip) sehr sorgfältig anlegen, um diesen riesigen Faktor auszugleichen. Im Prinzip ist das möglich, aber die Arbeit gegen die osmotischen Kräfte ist auch bei der Destillation mindestens aufzubringen. 5.7.2 Maritimes Klima Im Süßwasser erfasst die vertikale Konvektion bei Erwärmung oder Abkühlung nur eine Schichtdicke von einigen Metern. In größerer Tiefe liegt immer Wasser von maximaler Dichte, also von 4 ◦ C. Meerwasser ist immer ganz kurz vor dem Gefrieren am dichtesten und kann daher im Prinzip in beliebige Tiefe absinken. Die Konvektion kann mehrere km Schichtdicke erfassen. Dies führt erstens dazu, dass selbst ruhiges Meer bei Lufttemperaturen unter seinem abgesenkten Gefrierpunkt viel zögernder zufriert als ein See. Noch viel wichtiger ist aber die erhöhte Wärmespeicherwirkung des Meeres. Der Erdboden nimmt nur bis in etwa 4 m Tiefe an der jährlichen Temperaturschwankung teil, das Meer mit mehreren 100 m Schichtdicke. Außerdem hat das Wasser natürlich eine viel höhere spezifische Wärmekapazität als der Boden. Das Dichtemaximum des Wassers wurde schon von W. C. Röntgen zutreffend dadurch erklärt, dass Wasser aus einer lockeren, eisähnlichen und einer dichteren Molekülstruktur zusammengesetzt ist. Beide dehnen sich wie üblich bei Erwärmung aus, aber die lockere Packung verschwindet immer mehr. Die Hydratisierung in Salzionen begünstigt die dichtere Packung und verschiebt damit das Dichtemaximum zu tieferen Temperaturen. 5.7.3 Meereis 35 g/l NaCl, die vollständig dissoziieren (mittleres Molekulargewicht 29,25) bedeuten eine Konzentration von 1,2 mol/l, d. h. eine Siedepunktserhöhung von 0,6◦ und eine Gefrierpunktssenkung von 2,2◦ . Im Meerwasser sind diese Verschiebungen etwas geringer (0,5◦ bzw. 1,9◦ ), weil der Anteil schwererer Ionen wie Mg, K, Ca, SO4 das mittlere Molekulargewicht etwas erhöht und damit die molare Konzentration senkt. Beim Gefrieren einer kleinen Meerwassermenge bildet sich salzärmeres Eis, beim Verdampfen praktisch salzfreier Dampf, wodurch der Gefrierpunkt des Restes noch mehr sinkt, der Siedepunkt steigt. Die Endphase der Vorgänge in der konzentrierten Lake wird durch die Kristallisationsgleichgewichte der einzelnen Salzarten und ihre Störungen (Kristallkeime) sehr kompliziert. 5.7.4 Widerspruch? Der Unterschied liegt im Wärmekontakt mit der Umgebung. Der Konditor verhindert ihn, und die Lösungswärme wird dem Kühlgut entzogen. Auf der Straße verteilt sich dieser Wärmeentzug sofort auf feste Umgebung und Atmosphäre. Wärme erzeugt das Salz hier natürlich nicht, das Auftauen beruht auf Gefrierpunktsenkung. Außerdem wird der SchneeSalz-Brei selbst bei Unterschreitung des gesenkten Gefrierpunktes nicht
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richtig hart. Die Gefrierpunktsenkung kommt dem Konditor auch zustatten, sonst würde sein Eiskübel festfrieren und der Kontakt mit dem Kühlgemisch verschlechtert. 5.7.5 Osmotisches Kraftwerk Wenn das Rohr weniger als 230 m tief eintaucht, bleibt es leer. Selbst wenn man Süßwasser hineingösse, würde der osmotische Druck (oder hier besser Sog) des Salzwassers, der 23 bar beträgt, es durch die Membran hinaussaugen. Dieser osmotische Druck kommt nach van’t Hoff als p = nkT zustande: Salzkonzentration 35 g/l, mittleres Ionengewicht um 30 (meist Na mit 23, Cl mit 35,5, einige schwerere Ionen), molare Konzentration etwa 1 mol/l, und 1 mol/22,4 l erzeugt 1 bar. Ragt das Rohr tiefer als 230 m, dann bliebe hineingegossenes Süßwasser darin, ja es sickerte sogar Süßwasser von außen ein, bis sein Spiegel 230 m unter dem Meeresspiegel steht. Mit einem Druck von mehr als 23 bar kann man auch auf dem Festland Süßwasser aus dem Meerwasser pressen. Das kostet übrigens pro Liter Süßwasser genau so viel Arbeit, wie das Süßwasser aus dem 230 m-Schacht heraufzupumpen. Robinson hat nichts davon. Alles weitere, also ob die Süßwasserquelle aus dem Rohr springen kann und ob das osmotische Kraftwerk funktioniert, hängt von der Schichtung des Ozeans ab. Wir betrachten zwei Fälle: Den Gleichgewichts-Ozean: Temperatur, Druck und Konzentration entsprechen dem thermischen Gleichgewicht; und den homogenen Ozean: Temperatur und Salzkonzentration sind über die ganze Tiefe konstant. Das ist nicht dasselbe. Zwar ist auch im Gleichgewichts-Ozean T konstant, aber nicht die Salzkonzentration. Die Salzionen verhalten sich nicht nur insofern wie Gasmoleküle, als sie den entsprechenden Druck erzeugen, obwohl sie in Wasser statt ins Vakuum eingebettet sind, sondern auch darin, dass sie im Schwerefeld eine Boltzmann-Verteilung annehmen: Ihre Teilchenzahl dichte ist n = n 0 e−m gh/(kT ) , wo m die Masse des Ions, abzüglich des ,,Auftriebs“, also der Masse des vom Ion verdrängten Wassers ist. Diese Korrektur ist klein: Löst man 36 g/l Salz, so nimmt das entstehende ,,Meerwasser“ die Dichte 1,028 an; also m = m · 2,8/3,6. Diese Verteilung hat eine Skalenhöhe H = kT/(m g) = m Luft HLuft /m Salz ≈ 10 km. Die gleiche Boltzmann-Verteilung, nur viel steiler, erzeugt der Biochemiker täglich als ,,Dichtegradient“ im starken künstlichen Schwerefeld seiner Ultrazentrifuge, meist mit schweren Salzen wie CsCl. In 7 km Tiefe ist also die Salzkonzentration im Gleichgewicht doppelt so groß wie an der Oberfläche, d. h. der osmotische Druck ist 46 bar. Diese Druckzunahme entspricht genau dem Gewichtsunterschied zwischen der Salzwasser- und Süßwassersäule. Allgemein rage das Rohr bis in die Tiefe h 0 ; wo steht der Spiegel im Rohr? In der Tiefe h, sodass (h 0 − h) sü g = ∆ posm = h 0 sa g. Wir wissen, dass ∆ posm = nkT = kT( sü − sa )/m . Mit n = n 0 em gh/(kT ) ≈ n 0 (1 + m gh/(kT )) heben sich die h 0 -Glieder genau weg, also ergibt sich immer h = 230 m, unabhängig von h 0 . Im Gleichgewichtsozean kann man also ebenso wenig Energie aus einer Tiefendifferenz gewinnen wie in der Gleichgewichtsatmosphäre aus der Druckdifferenz, die einer Höhendifferenz entspricht. Die Thermodynamik ist zufrieden. Anders im homogenen
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Ozean: Die 10 000 m-Salzwassersäule übt um 28 bar mehr Druck aus als die gleich hohe Süßwassersäule. Gleichgewicht an der Membran herrscht also erst, wenn die Süßwassersäule (28 − 23) · 10 = 50 m über den Meeresspiegel ragt. Das gibt ein ansehnliches Kraftwerk. Der wirkliche Ozean liegt nun näher an der homogenen als an der Gleichgewichtsverteilung: Eine Wasserprobe aus dem Guam-Graben hat auch nur wenig mehr also 3,6% Salz. Die Meeresströmungen, besonders die vertikale Konvektion, mischen also gründlich. Sie werden letzten Endes von der Sonnenenergie angetrieben, und die ist es, die das osmotische Kraftwerk anzapfen würde. Wahrscheinlich gibt es allerdings ökonomischere Wege dazu. 5.7.6 Kondensationskeime In der Kapillare vom Radius r steht eine nichtbenetzende Flüssigkeit um h = 2σ/(rg Fl ) tiefer als normalerweise und bildet eine halbkugelförmige Oberfläche ebenfalls vom Radius r. Der Druck des Dampfes ist in dieser Höhe nach der barometrischen Höhenformel um ∆ p = hg D = 2σ D /(r Fl ) größer als an der normalen Flüssigkeitsoberfläche. Das Verdampfungsgleichgewicht verlangt, dass der Dampfdruck über der konvexen Oberfläche um eben diesen Betrag größer ist als über einer ebenen. Den Molekülen, deren Kommen und Gehen an der Oberfläche das Gleichgewicht bestimmt, ist es gleichgültig, wie diese Oberflächenform zustandegekommen ist. Daher gilt die gleiche Dampfdrucksteigerung z. B. auch für ein Tröpfchen vom Radius r. Kleine Tröpfchen stehen also nicht mit dem üblichen Sättigungsdampfdruck im Gleichgewicht, sondern mit einem höheren, m. a. W.: Sie können sich erst bei Übersättigung der Luft bilden. Für Wasser erhält man, wenn man ∆ p in bar und r in µm ausdrückt, ziemlich genau p = 1/r. Müsste die Kondensation immer mit der Zusammenlagerung weniger Moleküle beginnen (r ≈ 10−9 m), dann könnte man gesättigten 100 ◦ C-Dampf auf 0 ◦ C abkühlen, ohne dass sich Tröpfchen bilden. Jedes Staubteilchen bietet aber eine viel schwächer konvexe Oberfläche an und hilft als Kondensationskeim das schwierige Anfangsstadium zu überwinden. Ionen haben einen ähnlichen Effekt, wenn auch aus anderen Gründen (vgl. Aufgabe 17.3.18). 5.7.7 Mischungsdiagramm Wir mischen x mol der Flüssigkeit B mit 1 − x mol der Flüssigkeit A. Die reinen Stoffe haben die Dampfdrücke p A1 bzw. p B1 . Für die ideale Lösung sind die Teildampfdrücke gegeben durch die Geraden p B = p B1 x bzw. p A = p A1 (1 − x) über einer x-Achse, der Gesamt-Dampfdruck ist p = p A1 + x( p B1 − p A1 ). Im Dampf dagegen liegt B mit dem Mengenanteil y = p B / p vor. Elimination von x liefert p(y) = p A1 p B1 /( p B1 − y( p B1 − p A1 )). Das ist ein nach unten durchhängender Hyperbelbogen über der y-Achse, der natürlich p A1 und p B1 verbindet (Abb. 5.77). All das gilt für konstante Temperatur im Gleichgewicht. Bei konstantem Außendruck trägt man besser den Siedepunkt T auf. Mit steigendem Dampfdruck sinkt der Siedepunkt nichtlinear: Aus einer steigenden p(x)-Geraden (B flüchtiger) wird ein fallender T(x)-Bogen, der mit dem T(y)-Bogen ein linsenförmiges Gebiet einschließt. Aus der Lösung mit x1 bildet sich ein Dampf mit
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dem höheren Anteil y1 (waagerechte Linie). Dieser kondensiert bei etwas tieferer Temperatur zu einer Lösung mit dem neuen x2 = y1 (senkrechte Linie), die z. T. zu y2 > x2 verdampft, usw. Im Idealfall erhält man nach vielen Stufen reines B im Kondensat. 5.7.8 Luft für Fische Bei 20 ◦ C enthält Wasser 0,0402 mol/l CO2 , ein mol pro 24,9 l, also fast so viel wie im Gasraum. Die Atmosphäre hat heute nur 330 ppm CO2 (1/3 000 g/g), Partialdruck 29/(44 · 3 000)bar = 2,2 · 10−4 bar, was auf 0,39 mg CO2 im l Wasser führt. O2 mit 0,2 bar in der Atmosphäre ist im Wasser mit 7,0 mg/l häufiger. Beide Gase sind in warmen Meeren viel rarer. Ein gut durchmischter Ozean ( 23 der Erdoberfläche, im Mittel 4 km tief) kann nur etwa 13 so viel CO2 lösen wie in der effektiv 8 km hohen Atmosphäre ist. Schnelle Pufferung erfolgt auch nur über eine durch Wellen und Diffusion durchmischte Schicht von knapp 100 m. Dazu kommen allerdings viel größere Mengen in Carbonaten gebundenes CO2 . Für deren Produktion sind die Tropen besser, weil sich Feststoffe wie Kalk im Warmen besser lösen. CO2 folgt gut einem Boltzmann-Gesetz mit W = 0,102 eV, O2 weniger gut mit 0,028 eV. Von üblichen Gasen lösen sich nur N2 O und NH3 ähnlich gut wie CO2 mit fast identischen W; N2 , H2 , NO, He, Ar lösen sich noch schlechter als O2 . 5.7.9 Absorber-Kühlschrank Auflösen von Gasen im Wasser kostet Energie (das ist die in Aufgabe 5.7.8 bestimmte Aktivierungsenergie), die der Umgebung entzogen wird. Bei NH3 sind das 0,114 eV/Molekül, 10,9 kJ/mol, für die 77 mol/l bei 0 ◦ C hätte Wasser also eine Kühlkapazität von 837 kJ/l. Heizt man das H2 ONH3 -Gemisch außerhalb des Kühlraums elektrisch oder mit Gasbrenner, so wird es durch Ausgasen noch wärmer, kann thermisch zum Umlauf gebracht werden und liefert im Kühlraum bei z. B. 0,1 l/min fast 1 kW Kühlleistung. 5.7.10 Kältemischung Über einer c-Achse (c: Salzkonzentration in g/l) mit T -Ordinate zeichne man eine Gerade von (0,0) nach (350, − 22,2), von dort eine Vertikale nach oben. Die schräge Gerade trennt die Bereiche von Salzlösung (oben) und Eis + gesättigter Lösung, die Vertikale trennt die Salzlösung von Salzkristallen + Lösung. Im Punkt (350, − 22,2), dem eutektischen Punkt, koexistieren Eis- und Salzkristalle. Der Kühlakku enthält eine Lösung eutektischer Zusammensetzung (mit anderem Salz). Im Tiefkühlfach erstarrt sie beim eutektischen Punkt und kann dann im Freien die zum Auftauen plus zur Erwärmung nötige Energie aufnehmen. Streut man Salz in ein Eis-Wasser-Gemisch, sinkt der Gefrierpunkt, etwas Eis taut auf, kühlt dabei das Gemisch, usw. bis zum Punkt auf der schrägen Koexistenzlinie, der der gewählten Salzkonzentration entspricht.
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5.7.11 Trockenfeldbau In einer engen benetzten Kapillare vom Radius r, eingetaucht in Wasser, würde dieses um h = 2σ/(rg W ) hochsteigen. Bringt man Dampf von der Wasseroberfläche dort oben hin, nimmt sein Druck um ∆ p = D gh = 2σ D /(r W ) ab. Er muss dort oben aber mit dem gleichen Druck ankommen wie der Dampf in der Kapillare, sonst gäbe es kein Gleichgewicht. Der Sättigungsdampfdruck in der Kapillare ist also gerade um ∆ p geringer. Das liegt an der konkaven Oberfläche, die den Eintritt von Dampfmolekülen ins Flüssige begünstigt. Bei r = 0,1 µm ist ∆ p = 15 mbar. Bei 20 ◦ C sind das 64% vom üblichen Dampfdruck (23,3 mbar), also kondensiert das Wasser in so engen Kapillaren schon bei 36% Luftfeuchte. 5.8.1 Radiometer Siehe Lösung 5.8.2. 5.8.2 Lichtmühle Bei einseitiger wie bei allseitiger Beleuchtung werden die berußten Flächen wärmer als die anderen, ebenso auch in der Wärmestrahlung der wärmeren Umgebung. Ein Luftmolekül, das von einer festen Oberfläche zurückprallt, hat eine Geschwindigkeit angenommen, die der Temperatur dieser Fläche entspricht. Bei normaler Gasdichte wirkt sich das so aus, dass das Gas über der warmen Fläche zwar wärmer, aber entsprechend der Zustandsgleichung auch weniger dicht ist: Der Druck gleicht sich aus, die Kräfte auf gleich große warme und kühle Flächen sind gleich. Im ,,Knudsen-Gas“, wo die mittlere freie Weglänge l größer ist als die Gefäßabmessungen d, tauschen die Moleküle miteinander praktisch nicht mehr Energie oder Impuls aus, sondern nur noch mit den Wänden. Dann tritt kein automatischer Druckausgleich ein. Die Gasdichte ist eine Frage der zufälligen Verteilung der Molekülbahnen, d. h. im Wesentlichen überall gleich. Wo das Gas um ∆T wärmer ist, überträgt es einen größeren Impuls pro Zeit- und Flächeneinheit: Sein Druck ist p = p0 (1 + ∆T/T ). Bei 10−3 mbar und ∆T = 30 K wirkt auf 1 cm2 immerhin eine resultierende Kraft von 10−6 N. Dieser Radiometereffekt kann erst einsetzen, wenn l ≈ d, d. h. um 10−2 bis 10−3 mbar. Bei weiterer Evakuierung nehmen die übertragenen Kräfte proportional zum Gesamtdruck ab. Dass der eigentliche Strahlungsdruck kaum eine Rolle spielt, zeigt sich schon daran, dass sich das Schäufelchen auch bei allseitiger Beleuchtung fast ebenso schnell dreht. Könnte man das Kollodiumhäutchen einseitig schwärzen, dann wäre es damit ähnlich. Der elektromagnetische Strahlungsdruck ist pStr = I/c (I: Intensität), also pStr = 1 kW m−2 /3 · 108 m s−1 = 3 · 10−6 N/m2 = 3 · 10−11 bar, d. h. etwa drei Größenordnungen kleiner als der Radiometer-Druck. 5.8.3 Sinkt Schweres immer abwärts? Offenbar ist die Mischungsentropie von O2 und N2 , multipliziert mit T , größer als die Energie, die man bei Trennung in Schichten gewinnen würde. Wir schätzen beide ab, zunächst für die fiktive homogene
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und isotherme Atmosphäre der Höhe H = 8 km. Der Zustand ,,Unten Sauerstoff, Dichte O = 1,43, h O = 2 km dick, oben Stickstoff, N = 1,25, h N = 6 km dick“ hat für eine Bodenfläche A die Energie W1 = gA[ 12 O h 2O + N (h O + 12 h N )h N ], der durchmischte Zustand hat W2 = 12 gAH( O h O + N h N ). Die Differenz ist ∆W = 12 gAh O h N ( O − N ). Die Entropiedifferenz ergibt sich am einfachsten direkt aus der Planck-Formel S = k ln P. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes O2 -Molekül in der Schicht h O ist (statt irgendwo in H) ist h O /H, dass alle NO O2 -Moleküle in h O sind, (h O /H ) NO . Entsprechend für N2 , also im Ganzen P1 = (h O /H ) NO (h N /H ) NN , S1 = k(NO ln(h O /H ) + NN ln(h N /H )). P2 ist praktisch 1, also ∆S = S1 . Über 1 m2 Erdoberfläche stehen 104 kg, d. h. 3,4 · 105 mol Luft. Damit ergibt sich ∆W/A ≈ 1,4 · 107 J/m2 , T ∆S/A ≈ 4 · 108 J/m2 . Der Entropieanteil ist viel größer. O2 und N2 würden sich erst bei T ≈ 10 K entmischen, wo beide längst flüssig sind. Für H2 und Luft ist ∆W etwa siebenmal größer ( L − H ≈ L ), ∆S bei gleichem molaren Mischungsverhältnis etwa ebenso groß. Selbst diese Gase entmischen sich also im Erdschwerefeld nicht. Die genauere Betrachtung muss die Boltzmann-Verteilungen des Gemisches bzw. beider Komponenten einzeln berücksichtigen. Sie führt qualitativ zum gleichen Ergebnis. 5.8.4 McLeod-Vakuummesser 1 des Gewöhnlich legt man die Kapillare in mehreren Stufen an. Jede hat 10 −1 −6 Querschnitts der vorigen. Für einen Messbereich von 10 bis 10 Torr z. B. nimmt man 4 Stufen, je 2 cm lang, mit den Durchmessern 1 000, 320, 100, 32 µm und ein Vorratsgefäß von 160 cm3 (6,8 cm Durchmesser). Um die Messung einzuleiten, erlaubt man dem äußeren Luftdruck, eine Hg-Säule in das Vorratsgefäß hineinzuschieben, wobei sie zuerst die Verbindung mit dem ausgepumpten Volumen unterbricht. Die Restluft wird dann bis zur Druckgleichheit in die Kapillare hineingedrückt. Nach der Messung muss das Hg wieder in die Normalstellung zurückgesaugt werden. Bei den meisten Systemen können alle diese Operationen durch die sukzessiven Stellungen eines einzigen Hahnes bewerkstelligt werden (Kipp-McLeod). Man beachte aber, dass das Hg bei den angegebenen Maßen über 2 kg hat.
= Kapitel 6: Lösungen . . . 6.1.1 Ist 1 C wenig oder viel? Durch einen 10 W-Rasierapparat fließen 0,05 A, also in 5 min 15 C. Für ein 600 W-Bügeleisen lauten die Werte 3 A und 900 C, falls es 5 min ständig heizt (alles bei 220 V). Zwei Kugeln, mit ±900 C geladen, würden einander in 1 m Abstand mit fast 1016 N anziehen! Alle statischen Aufladungen sind offensichtlich sehr viel kleiner. Wenn man sich im Dunkeln das Nylonhemd über den Kopf zieht, sieht man, besonders bei trockener Luft, mehrere cm lange Entladungen. Das setzt Spannungen um 100 kV voraus. Trotzdem bleiben die Ladungen sehr klein: Die Kapazität des Systems Körper–Hemd ist entsprechend der Abmessung von ca. 1 m von der Ordnung ε0 A/d ≈
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10−19 Farad, also erzeugen schon 10−5 C die Spannung von 100 kV. Man müsste gehörig reiben, um das kleinste Elektrogerät betreiben zu können. 6.1.2 Abschirmung Dass man elektrische Felder abschirmen kann, beruht auf der Existenz zweier Ladungsvorzeichen. Negative Ladungen schlucken die Feldlinien, die die positiven aussenden. Für die Gravitation gibt es trotz einiger spekulativer Ansätze keine negativen Massen. Feldlinien, die von positiven Massen ausgehen, laufen grundsätzlich bis ins Unendliche. Das von einem Schiff verdrängte Wasser kann man zwar als negative Masse auffassen, um die Kräfte zu diskutieren, die auf das Gesamtsystem wirken. Vom Standpunkt der Felderzeugung könnte dieser heuristische Trick aber in die Irre führen. Ein Gravitationsschirm böte auf den ersten Blick erstaunliche Möglichkeiten. Man könnte dahinter einen Körper kräftefrei heben und dann, nachdem man den Schirm entfernt hat, wieder sinken und Arbeit leisten lassen. Vergleich mit dem elektrischen Fall, wo das Entsprechende durchaus möglich ist, zeigt aber, dass sich der Energiesatz auch so nicht betrügen lässt. Zum Verschieben des Schirms braucht man nämlich auch Energie. Man muss ja entgegengesetzte Ladungen (felderzeugende und abschirmende) voneinander entfernen, oder anders ausgedrückt den felderfüllten Raum vergrößern. Beides kostet Energie, und zwar mindestens so viel, wie man gewinnt. 6.1.3 Coulomb-Kraft und Gravitation Die Coulomb-Kraft zwischen Elektron und Proton ist um den Faktor e2 /(4πε0 Gm P m) = 2,27 · 1039 größer als die Gravitation, unabhängig vom Abstand. Von etwa 1020 Atomen brauchte nur eines eine positive oder negative Überschuss-Elementarladung zu tragen, und die Gravitation zwischen Objekten wäre kompensiert oder ,,erklärt“, je nachdem ob diese Objekte gleichnamig oder ungleichnamig geladen wären. Eine so geringe Ionenkonzentration ließe sich direkt nie nachweisen, ebenso wenig wie sich ein evtl. Unterschied von 10−20 e zwischen den Ladungen von Proton und Elektron z. B. im e/m-Versuch nachweisen ließe. Der wesentliche Unterschied zwischen Gravitation und Coulomb-Kraft, nämlich dass es nur Massen eines Vorzeichens gibt, aber zwei Ladungsvorzeichen, entzieht einer solchen ,,Gravitationstheorie“ den Boden. Die Erde zieht den Mond und den Astronauten Armstrong an. Also müssten Mond und Armstrong gleichnamig geladen sein und einander abstoßen. Allerdings könnte sich Armstrong unterwegs umgeladen haben. Die Erde zieht aber auch das Meer an, der Mond müsste es also abstoßen, die Gezeiten hätten genau die entgegengesetzte Phase. – Hypothetische Aufladung der Erde etwa 1013 C, die etwa 1010 V erzeugen würden, der Sonne etwa 1018 C mit 1013 V. 6.1.4 Mit oder ohne Potential Ein Potential existiert genau dann, wenn die Verschiebungskraft zwischen zwei beliebigen Punkten wegunabhängig ist. Das kann nicht der Fall sein, wenn es geschlossene Feldlinien gibt, denn bei der Verschiebung auf diesen kann man beim richtigen Umlaufsinn immerzu Arbeit
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gewinnen. Dies ist aber nicht die einzige Feldlinienkonfiguration, die Existenz eines Potentials ausschließt. Man betrachte die parallelen Stromlinien eines in der Mitte schneller strömenden Flusses. Ein Boot wird sich abwärts in der Mitte, aufwärts am Rand halten und könnte so bei Reibungsfreiheit kreisend Energie gewinnen. Eine einfache Änderung des Bezugssystems stellt auch hier geschlossene Stromlinien her (Abb. 3.37). Allgemein lässt sich jedes Feld, das kein Potential hat, aus einem Potentialfeld (das im Fluss-Beispiel homogen ist) und einem Wirbelfeld (geschlossene Feldlinien) additiv zusammensetzen. Wenn alle Feldlinien in ,,Ladungen“ enden, können sie nicht geschlossen sein und sind auch durch keine Änderung des Bezugssystems in geschlossene überführbar. All dies gilt allerdings nur für zeitunabhängige Felder: Selbst wenn Land- und Seewind beide völlig homogene Strömungsfelder haben, kann man bei entsprechender zeitlicher Planung Arbeit auf der Rundreise sparen oder im Idealfall sogar gewinnen. Vektoranalytisch: Jedes Potentialfeld lässt sich als Gradient eines Skalarfeldes (nämlich des Potentials) darstellen: E = −grad ϕ. Ein solches Feld ist rotationsfrei, denn es gilt allgemein rot grad ϕ = (ϕ,z y − ϕ,yz , ϕ,xz − ϕ,zx , ϕ,yx − ϕ,xy ) = 0. Andererseits hat ein Feld, das sich als Rotation einer anderen Vektorgröße darstellen lässt (ein reines Wirbelfeld, A = rot B) keine Divergenz: div rot B = Bz,yx − B y,zx + Bx,z y − Bz,xy + B y,xz − Bx,yz = 0 (der erste Index kennzeichnet immer die Komponente, hinter dem Komma stehen die Koordinaten, nach denen abgeleitet werden soll; man beachte, dass die Reihenfolge der Ableitungen keine Rolle spielt). Jedes beliebige Feld lässt sich in eindeutiger Weise in ein Potentialfeld grad ϕ und ein Wirbelfeld rot B zerlegen: A = −grad ϕ + rot B. Zu div A trägt nur das Potentialfeld bei: div A = − div grad ϕ = −∆ϕ. Außerhalb von Feldquellen gilt die Laplace-Gleichung ∆ϕ = 0, in Bereichen mit der Quelldichte σ die Poisson-Gleichung ∆ϕ = −σ. Im elektrischen Fall ist σ = εε0 . 6.1.5 Newton hatte es schwerer Wir bestimmen Potential und Feld im Punkt P im Abstand a von der Kugelmitte M. Die leitende Kugel (Radius R) trägt ihre Ladung Q nur an der Oberfläche, und zwar gleichmäßig verteilt. Wir zerlegen diese Oberfläche in kreisringähnliche Streifen, zentriert um die Achse PM, mit dem Öffnungswinkel β und der Breite dβ. Ein 1 solcher Ring hat die Ladung d Q = 2 Q sin β dβ, alle seine Punkte sind von P um r = R2 + a2 − 2Ra cos β entfernt (Cosinussatz), sein Betrag zum ist dϕ = d Q/(4πε0r), das Gesamtpotential ϕ = π Potential Q/(8πε0 ) 0 sin β dβ/ R2 + a2 − 2Ra cos β. Oben steht die Ableitung (R+a)2 √ des Radikanden z, also ϕ = Q/(16πε0 Ra) (R−a)2 dz/ z = Q/(4πε0 a). Mit dem Feld, das Newton interessierte, ist es schwieriger. Es bleibt nur die Axialkomponente d E = d Q cos γ/(4πε0r 2 ) = Q sin β dβ/(8πε0r 2 ) · (a2 + r 2 − R2 )/(2ra)(γ : Winkel bei P, cos-Satz). Gesamtfeld (R+a)2 (R+a)2 E = Q/(32πε0 a2 R) · ( (R−a)2 dz/z 1/2 − (a2 − R2 ) (R−a)2 dz/z 3/2 ) = Q/(4πε0 a2 ).
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6.1.6 Thomson-Modell Die Kugel mit der homogenen Ladungsdichte und dem Radius R erzeugt im Abstand a von ihrem Zentrum ein Feld, das für a > R von der ganzen Kugel herrührt: E a = 43 π R3 /(4πε0 a) = R3 /(3ε0 a), dagegen für a < R nur von dem Teil der Kugel, der noch innerhalb ist: E i = 43 π a3 /(4πε0 a2 ) = a/(3ε0 ). Das Potential, auf ϕ = 0 bei a → ∞ normiert, ist außen ϕa = R3 /(3ε0 a), innen ϕi = R2 /(2ε0 ) − a2 /(6ε0 ) (stetiger Anschluss an ϕa bei a = R). Um die elektrostatische Gesamtenergie zu bestimmen, füllen wir die Kugel von innen her allmählich mit Ladung. Wenn sie bis zu einem Radius r aufgebaut ist, erfordert Auftragen einer neuen Kugelschale der Dicke dr mit der Ladung d Q = 4π r 2 dr die Energie dW = ϕ d Q = 43 π 2r 4 dr/ε0 . Die Gesamtenergie ist also R 2 4 2 5 4 3 2 4 W= 3 π r dr/ε0 = 15 π R /ε0 = 5 Q /(4πε0 R) . 0
Für eine Punktladung entgegengesetzten Vorzeichens im Innern ist das Potential proportional a2 , also elastisch. Die Ladung führt, einmal angestoßen, harmonische Schwingungen aus, d. h. eine Bewegung, die durch eine scharfe Frequenz gekennzeichnet ist. Herrscht außerdem eine geschwindigkeitsproportionale Reibung, dann ergibt sich die Bewegungsgleichung der gedämpften Schwingung (vgl. Abschn. 4.1.2). Ihr Frequenzspektrum ist nach Abschn. 12.3.2 eine Spektrallinie mit gaußschem Profil und der Halbwertsbreite ∆ω ≈ k (k: Dämpfungskonstante). dieser Linie ergibt sich nach Abschn. 1.4.3 zu Die Frequenz ω = e/(3mε0 ) = e2 /(4πε0 m R3 ) (e und m: Ladung und Masse des eingebetteten Punktteilchens). Ein Atom hat etwa 1 Å Radius, seine positive Ladungsdichte ist also von der Größenordnung 1011 C/m3 . Für ein Elektron in der entsprechenden positiven Ladungswolke ergibt sich eine Kreisfrequenz ω von der vernünftigen Ordnung 1016 s−1 . Erst Rutherfords Feststellung, dass die positive Ladung nicht gleichmäßig im Atom verschmiert ist, sondern sich auf einen sehr kleinen ,,Kern“ konzentriert, brachte dieses Atommodell von J. J. Thomson zu Fall. 6.1.7 Superposition Die vollständige Hohlkugel kann man sich zusammengesetzt denken aus der Hohlkugel mit Loch und dem ebenfalls geladenen Plättchen, das aus dem Loch herausgeschnitten worden ist. Das Feld einer Kombination zweier geladener Körper ist die Vektorsumme der Felder der Einzelkörper (Superpositionsprinzip). Also ist das Feld E der Hohlkugel mit Loch gleich dem Feld der vollständigen Hohlkugel (innen Null, außen radial Q/(4πε0r 2 )) minus dem Feld EP des mit der Flächendichte σ = Q/(4πR2 ) geladenen Plättchens. EP wäre ganz nahe am Plättchen identisch mit dem Feld einer geladenen Ebene: ±σ/(2ε0 ) = ±Q/(8πε0 R2 ). Überall in der Ebene des Loches ist also das Feld E = Q/(8πε0 R2 ), genau halb so groß wie an der Außenwand der Hohlkugel, unabhängig von der Form des Loches. Entfernt man sich aus der Lochebene nach innen oder außen, nimmt das Feld natürlich seinen Normalwert Null bzw. Q/(4πε0 R2 ) an. Es dürfte sehr schwer sein, durch Ausintegrieren der Feldbeiträge der
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einzelnen Ladungselemente, besonders bei unregelmäßiger Lochform, zu diesem Ergebnis zu kommen. 6.1.8 Feld des Drahtes Aus Symmetriegründen muss das Feld überall senkrecht zur Drahtachse stehen und zylindersymmetrisch sein, d. h. es kann nur von r, dem Abstand vom Draht abhängen. Der Fluss durch jede Trommel der Höhe h hat also den gleichen Wert, unabhängig vom Radius r: Φ = 2πrh E = hλ/ε0 (λ: Ladung pro Meter Drahtlänge), also E = λ/(2πε0r). Das Potential gegen die Drahtoberfläche (r = r0 ) ist U = −λ/(2πε0 ) · ln(r/r0 ). Im Unendlichen geht dieses Potential gegen ∞, allerdings so langsam, dass man selbst mit einem 1 000 km langen Draht von r0 = 10 µm in r = 1 000 km Abstand, wo die Näherung natürlich schon versagt, nur auf ln(r/r0 ) ≈ 28 kommt, also z. B. für Q = 1 C, d. h. λ = 10−6 C m−1 , auf U ≈ 500 kV. Nach dem Coulomb-Gesetz ist es viel schwieriger: Der Draht laufe in z-Richtung, der Punkt P, für den das Feld berechnet werden soll, liege bei z = 0 im Abstand r vom Draht. Ein Drahtelement dz, das bei z, also von P aus unter dem Blickwinkel α mit z = r tan α liegt, also im Abstand r/ cos α, erzeugt ein Feld λ dz cos2 α/(4πε0r 2 ). Die Komponenten parallel zum Draht heben sich weg. Es bleibt nur die um den Faktor cos α klei ∞die Radialkomponente, π/2 3 2 ner ist: E = 2 0 λ cos α dz/(4πε0r ) = 2 0 λ cos α dα/(4πε0r) = λ/(2πε0r) (man beachte z = r tan α, dz = r dα/ cos2 α). 6.1.9 Bahn im ln-Feld Der geringste Abstand Elektron–Draht sei d. Zur Zeit befinde sich das Elektron, vom Draht aus gesehen, unter einem Winkel α gegen diese Richtung geringsten Abstandes. Der gegenwärtige Abstand vom Draht ist r = d/ cos α, die Coulomb-Kraft eE = eλ/(2πε0r) = eλ cos α/(2πε0 d), ihre Komponente senkrecht zur Bahn eλ cos2 α/(2πε0 d), die Flugstrecke seit der größten Annäherung x = d tan α, die Longitudinalgeschwindigkeit v = x˙ = d α/ ˙ cos2 α, also die Änderung der Transversalgeschwindigkeit dv⊥ = eλ cos2 α dt/(2πε0 md) = eλ dα/(2πε0 mv). Auf der ganzen Bahn (−π/2 < α < π/2) ändert sich also v⊥ um eλ/(2ε0 mv), unabhängig vom Abstand d. Einfacher sieht man die Abstandsunabhängigkeit so ein: Man zeichne eine Elektronenbahn und vergrößere das Bild um den Faktor α. Dabei verringert sich die Krümmung um den Faktor 1/a. Die Krümmung ist aber proportional zur Coulomb-Kraft, und diese nimmt im Feld des Drahtes ebenfalls um den Faktor 1/a ab. Die vergrößerte Bahn ist also eine richtige Bahn, der Ablenkwinkel, der sich beim Vergrößern nicht ändert, ist für beide Bahnen derselbe. – In einem Bündel parallelfliegender Elektronen sind natürlich die Abstände d vom Draht verschieden. Trotzdem schwenken wie beim Biprisma die Teilbündel beiderseits des Drahtes um konstante Winkel um. Das Potential zwischen Draht und Rest der Apparatur hängt mit dem gewünschten Winkel über λ und Drahtradius r und Abstand R Draht–Rest der Apparatur zusammen wie U = λ/(2πε0 ) · ln(R/r).
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6.1.10 Potentialtal Eine stabile Gleichgewichtslage ist ein lokales Potentialminimum. Das Feld muss von allen Seiten auf diese Stelle hinzeigen (oder überall von ihr weg, falls man eine negative Ladung einfangen will), dies wohlgemerkt, ohne dass die einzufangende Ladung dort sitzt. Der Fluss durch eine Kugel, die diese Stelle umschließt, ist also bestimmt verschieden von Null, was im leeren Raum nicht möglich ist. Dagegen kann das Potential stellenweise konstant sein oder einen Sattelpunkt haben (indifferentes oder labiles Gleichgewicht). Beispiele: Geladene Platte und Abb. 6.12 Mitte. Stabil liegt eine positive Ladung nur in einer ,,Feldsingularität“, wo eine negative Ladung ist. Eigentlich müssten also alle Ladungen in der Welt einander schließlich neutralisieren. In einem zeitabhängigen Feld gilt diese Beschränkung nicht allgemein. Endgültig zieht uns aber erst die Quantenmechanik aus dieser Affäre. 6.1.11 Wie stark ist ein Blitz? Bei einer Wolkenhöhe von 1 km und einer Ausdehnung von 100 km2 erhält man die Kapazität C = ε0 A/d = 10−6 F. Die Spannung, bei der ein Überschlag über 1 km Luftzwischenraum möglich ist, liegt um U = 108 V. Eine solche Spannung erfordert eine Aufladung mit Q = CU ≈ 102 C. Vollständige Entladung durch einen einzigen Blitz in 1 ms würde einen Strom von 105 A bedeuten, eine Leistung von 1013 W. In Wirklichkeit mögen etwa 100 Blitze überschlagen. Jeder hat dann 1 C, 1 000 A, 1011 W, 30 kWh, das ganze Gewitter 3 · 103 kWh. 6.1.12 Gewittertheorie Wenn ein Wolkenteil der Abmessung d die Ladungsdichte hat, müssen nach der Poisson-Gleichung div E = /ε0 mindestens Felder von der Größenordnung E = d /ε0 auftreten (selbst wenn an einer Seite der Wolke kein Feld herrschte, hätte es an der anderen die angegebene Größe). Um 106 V/m zu erreichen (dies ist die Zündfeldstärke für eine Entladung, die, einmal eingeleitet, auch mit geringerem Feld weiterwächst), braucht man bei einer Ausdehnung d ≈ 1 km eine Ladungsdichte ≈ ε0 E/d ≈ 10−8 C/m3 . Trägt ein Tröpfchen eine Elementarladung e, dann erfordert diese Ladungsdichte eine Tröpfchenzahldichte n = /e ≈ 1011 m−3 . Bei 20 ◦ C ist der Dampfdruck des Wassers 23 mbar, d. h. 1 m3 Luft enthält bei Sättigung etwa 10 g Wasser. Wenn man daraus 1011 Tropfen machen will, muss jeder 10−10 g oder den Radius 3 µm haben. Ein Tröpfchen vom Radius r fällt nach Stokes so, dass 4 2 2 3 3 πr m g = 6πvηr oder v = 9 r m g/η ist. Ein Luftion (Beweglichkeit µ 2 ca. 2 cm /V s, vgl. Abschn. 8.3.1) müsste, damit es sich an der Rückseite des vorbeifallenden Tröpfchens anlagern kann, mindestens die gleiche Geschwindigkeit haben wie das Tröpfchen selbst. Das Ion erreicht im Feld des Tröpfchens (genauer: Im Dipolfeld des polarisierten Tröpfchens) eine Geschwindigkeit vIon ≈ µE ≈ µe/(4πε0r 2 ). Der kritische Tröpfchenradius, bei dem vIon gleich der Tröpfchenfallgeschwindigkeit ist, ergibt sich zu rkr ≈ 4 9ηeµ/(8πε0 g m ) ≈ 5 µm, also etwa ebenso wie die oben geschätzte Tröpfchengröße. Solche und größere Tropfen müssen sich also
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beim Fallen einsinnig aufladen und erzeugen so die Aufladung gegen die Erde und höhere Wolkenteile, die u. U. zur Bildung von Erd- bzw. Wolkenblitzen ausreicht. 6.1.13 Kondensator Man rollt zwei Metallstreifen zusammen mit zwei isolierenden Plastikfolien zu einem Zylinder. Alle Folien seien 10 µm dick. Für 1 µF braucht man dann gemäß C = ε0 A/d eine Fläche A = 1 m2 . Ein Streifen von 3 cm √ Breite, L = 30 m Länge ergibt einen Zylinderradius r = 2dL/π = 1 cm (die Rolle hat n = 12 r/d Wicklungen der Durchschnittslänge πr, also der Gesamtlänge L = rn = 12 πr 2 /d). Bei 220 V müsste die Isolierfolie ein Feld von 2 · 105 V/cm aushalten, was schwer zu erreichen ist. In der Praxis nimmt man daher Folien von etwa 100 µm Dicke, womit sich A verzehnfacht. Man erhält so etwa eine Rolle von 12 cm Länge und 7 cm Radius. Allgemein gilt für das Kondensatorvolumen V ≈ 2Cd 2 /ε0 . So kann man z. B. die verwendete Foliendicke abschätzen. 6.1.14 Versuch von Millikan Tröpfchen vom Radius r und der Dichte fallen nach Stokes so, dass 4 2 2 3 3 πr g = 6πηvr ist, d. h. v = 9 r g/η. Bei bekanntem η der Luft und des Öls kann man so aus dem gemessenen v den Radius r ermitteln, selbst wenn die Tröpfchen so fein sind, dass sie sich im Mikroskop nur als Streuzentren bemerkbar machen (Dunkelfeldbeleuchtung). Nun schaltet man ein Feld ein, das die Tröpfchen (oder einige davon) genau in der Schwebe hält. Diese Tröpfchen müssen die Ladung q haben, sodass qE = 43 πr 3 g ist. Hat man r aus dem feldfreien Fall bestimmt, dann stehen rechts nur gemessene Größen. Manchmal beginnt ein Tröpfchen, das gut schwebte, plötzlich nach oben oder unten wegzuschwimmen. Es hat offenbar ein weiteres positives oder negatives Ion angelagert. Seine Geschwindigkeit v wird dann nur durch diese eine Zusatzladung ∆q bestimmt. In dem Zahlenbeispiel v = 4 µm/s, E = 4,5 V/cm, v = 1,2 µm/s findet man r = 0,18 µm, F = 2 · 10−16 N, q = 5 · 10−19 C, ∆q = 1,5 · 10−19 C. 6.1.15 Staubfilter In einem leitenden Teilchen sammeln sich Ladungen so auf den Stirnflächen an, dass im Innern kein Feld mehr herrscht. An der Stirnfläche erfolgt dann ein Feldstärkesprung, der gleich dem äußeren Feld E ist. Dazu muss dort eine Flächenladungsdichte σ = ε0 E sitzen. Das Dipolmoment des Teilchens ergibt sich aus seiner Stirnfläche A und seiner Länge d zu p = Qd = σAd = σV = ε0 EV , für ein Kugelteilchen mit dem Radius a ist p ≈ 43 πε0 Ea3 . Im homogenen Feld sind die Kräfte auf die Ladungen an den Stirnflächen entgegengesetzt gleich: keine resultierende Kraft. Wenn das Feld inhomogen ist und sich in seiner eigenen Richtung (r-Richtung) ändert, und zwar mit der Ableitung E = d E/dr, ist die Kraft auf das eine Ende des Dipols um Q d E = pE größer als die Kraft auf das andere Ende. Allgemein wandert das Teilchen dorthin, wo das Feld größer ist. Ein Plattenkondensator enthält ein praktisch homogenes Feld, entstaubt also nicht. Ein kugelförmiges Feld ist noch in-
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homogener als ein zylindrisches, aber schwieriger in ausreichender Größe herzustellen. F = pE = 43 πa3 ε0 E E . Unter dem Einfluss dieser Kraft bewegt sich das Teilchen laminar umströmt durch die Luft. Es gilt also das Stokes-Gesetz F = 6πηav, d. h. v = F/(6πηa) = 29 ε0 a2 E E /η. Die Geschwindigkeit wächst quadratisch mit dem Teilchenradius. Luftmoleküle werden auch polarisiert und wandern, aber wegen ihres kleinen Radius unmerklich langsam. Die Abhängigkeit der Feldstärke E vom Abstand r vom Draht ergibt sich aus der Flussregel: E zeigt überall radial, sein Fluss durch jeden Zylindermantel (Fläche 2πrl) muss im ladungsfreien Raum für alle r denselben Wert haben, also E = k/r. Der Wert der Konstante k ergibt sich, wenn wir die Spannung berechnen: ϕ = −k ln r. Die Spannung zwischen Draht (r0 ) und Rohrwand (R) ist U = ϕ(r0 ) − ϕ(R) = k ln(R/r0 ). Damit ergibt sich E = U/(r ln(R/r0 )) = U ∗ /r mit der ,,effektiven Spannung“ U ∗ = U/ ln(R/r0 ). Da E = U ∗ /r, ist E = −U ∗ /r 2 und v = 29 ε0 a2 U ∗2 /(ηr 3 ). Laufzeit vom Ort r bis zum Draht: r0 dr/v = 98 η(r 4 − r04 )/(ε0 a2 U ∗2 ) . t= r
Hier ist r04 i. Allg. zu vernachlässigen: Ob der Draht fein oder stark ist, spielt kaum eine Rolle. In einem Raum von 100 m3 soll die Luft z. B. alle drei Stunden erneuert und gereinigt werden. Das bedeutet einen Volumenstrom V˙ = 10−2 m3 /s und eine Strömungsgeschwindigkeit durch N parallele Rohre w = V˙ /(πR2 N ) sowie eine Durchflusszeit t = l/w = πR2lN/V˙ . Innerhalb dieser Durchflusszeit muss der Staub wandern können: t < t , d. h. R2 /(a2 N ) < 89 πε0 U ∗2 l/(ηV˙ ). Mit U ≈ U ∗ = 10 kV (was r0 ≈ R/3 voraussetzt), l = 3 m, η = 2 · 10−5 N s/m kann man Teilchen bis herab zu a = 1 µm absaugen, wenn R2 /N ≈ 10−7 m2 , d. h. z. B. mit 1 000 Rohren mit R = 1 cm. 6.1.16 Influenz Das Feld des geladenen Körpers polarisiert den ungeladenen. Dieser nimmt ein Dipolmoment p = αE an, das der Ladung seine entgegengesetzt geladene Seite entgegenhält, sodass es immer zur Anziehung kommt, und zwar mit der Kraft F = pE = αE E . Im Feld der Punktladung wird diese Kraft proportional a−5 . Die Polarisierbarkeit α ist proportional dem Volumen des ungeladenen Körpers. Für die Kraft gilt dasselbe. Die Seifenblase kommt so angeflogen, dass die Anziehung gleich dem Luftwiderstand wird. Dieser ist proportional vr 2 , die Anziehung ∼ r 3 , also v ∼ r: Die große Blase nähert sich schneller. Mit Annäherung an das geladene Objekt werden beide Blasen sehr viel schneller, weil die Kraft wie a−5 zunimmt. 6.1.17 Feldemissions-Mikroskop Die Teilchen fliegen von der Drahtspitze längs der Feldlinien, also praktisch radial nach draußen und bilden die Drahtspitze im Maßstab Kugelradius/Drahtradius = R/r0 ab. Beim Feldelektronen-Mikroskop ist der Draht negativ, mit positiven Ionen als abbildenden Teilchen ist er positiv. Austritt durch Feldemission (s. u.). Durch jede Kugel (Radius r) tritt derselbe Feldfluss, also E = α/r 2 . Die Konstante α ergibt sich aus der
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Spannung: Potential ϕ = −α/r, Spannung U = α(1/r0 − 1/R) ≈ α/r0 also E = Ur0 /r 2 . Die Stufe wird zu einer Dreiecksschwelle mit der Neigung E. Im Drahtinnern wird die Kippung ausgeglichen durch eine Ansammlung von Elektronen am Rand, die das Potential auf gleicher Höhe hält. Die Dicke d der Schwelle ergibt sich als d = U0 /E. Für ein Elektron ist k ≈ 5 · 109 m−1 . Die Feldemission wird ziemlich wahrscheinlich, wenn der e-Faktor in ,,vernünftige“ Größenordnungen gerät, d. h. bei kd ≈ 10, d ≈ U0 /E ≈ 20 Å, d. h. E ≈ 109 V/m. Mit einem 1 µm-Draht sind solche Felder schon mit einer bescheidenen Röhrenspannung um 1 kV zu erreichen. Im Vakuum der Röhre ,,fallen“ die Elektronen frei im Feld, also gilt der Energiesatz 12 mv2 = e(ϕ(r0 ) − ϕ(r)) = eU(1 − r0 /r). Sehr bald (bei r r0 , wobei immer √ noch r R) haben die Elektronen ihre volle Geschwindigkeit v = 2eU/m erreicht und fliegen so weiter in der Zeit t = R/v bis zum Leuchtschirm. Jede Verunreinigung oder jeder sonstige Einfluss, der die Schwellenhöhe U0 verändert, beeinflusst noch viel stärker (wegen des exponentiellen Zusammenhanges e−kd ) das Emissionsvermögen und daher die Anzahl der Elektronen, die von dieser Seite auswärts fliegen, d. h. die Helligkeit des Schirmbildes an der entsprechenden Stelle. 6.1.18 Geiger-Müller-Zähler Eine Elementarladung bedeutet einen Stromstoß von 1,6 · 10−19 A s, der mit normalen Mitteln nicht direkt messbar ist. Im Zählrohr muss also eine erhebliche Vermehrung geladener Teilchen einsetzen. In der Umgebung des dünnen Drahtes ist das Feld stark erhöht. Ein schnelles Teilchen erzeugt auf seiner Bahn viele Ionenpaare (Elektron und positives Ion). Diese Teilchen fliegen im Feld radial auswärts bzw. einwärts. Wenn sie bis zum nächsten Stoß aus dem Feld hinreichend Energie ansammeln, um ein weiteres Teilchen ionisieren zu können, tun sie dies, und die Anzahl geladener Teilchen nimmt exponentiell zu. Auf der Laufstrecke l (mittlere freie Weglänge) nimmt ein geladenes Teilchen im Feld E die Energie eEl auf. Diese muss größer als die Ionisierungsenergie Wi = eUi sein, z. B. für Luft El > 30 V. In unmittelbarer Umgebung eines Drahtes vom Radius r0 herrscht die Feldstärke E ≈ U/r0 (U: Röhrenspannung). Die Auslösebedingung heißt also U > 30 V · r0 /l. Die freie Weglänge ist l = 1/(4nσ). Für Luft bei Normalbedingungen ist l ≈ 10−7 m. Damit folgt eine Zündspannung des Zählrohres von etwa 300 V, was recht vernünftig ist. Evakuierung des Zählrohrs würde l erhöhen und die Zündspannung senken, aber die Eintrittsfenster für β- und besonders α-Strahlung müssen so dünn sein, dass sie keinen Unterdruck vertragen würden. Man arbeitet also bei Normaldruck, setzt aber i. Allg. Dämpfe zu, die die Zähleigenschaften verbessern, z. B. die Entladung schneller löschen und damit die nichtaufnahmebereite Zeitspanne (Totzeit) des Zählrohrs verkürzen. 6.1.19 Hochspannungskabel Wenn das Kabel mit der Spannung U0 den Boden in einem annähernd kreisförmigen Bereich vom Radius r0 berührt, entsteht darum herum ein sphärisches Feld mit U ∼ r −1 , genauer U = U0 r0 /r und E = U0 r0 /r 2 . Wenn ein Mensch einen Schritt der Länge d auf das Kabel zu oder von
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ihm weg macht, überbrücken seine Beine eine ,,Schrittspannung“ Ed = U0 r0 d/r 2 . Damit die Schrittspannung z. B. bei einem 220 kV-Kabel kleiner als 100 V bleibt, muss man bei r0 = 10 cm nur etwa 15 m Abstand halten. Viel gefährlicher ist ein Kabel, das in der Länge l aufliegt. Es ist von einem Zylinderfeld umgeben, dessen Feldstärke mit r −1 , also viel langsamer abfällt: E = U0 /(r ln(l/r0 )). Die Schrittspannung ist noch in fast 1 km Abstand gefährlich, falls das Feld dort noch zylindrisch ist, d. h. falls das Kabel länger als 1 km am Boden aufliegt. Ähnlich ist das Feld um den Einschlagsort eines Blitzes beschaffen: Es fällt sphärisch, also schnell ab, wenn es nur einen Einschlagpunkt gibt, dagegen langsam, zylindrisch, wenn ein Einschlagkanal vorliegt. Das hängt von der Leitfähigkeit des Bodens ab. Kühe sind gefährdeter als Menschen, weil ihre Beinspannweite größer ist. Ein Kabel in Luft erzeugt auch ein Zylinderfeld um sich, aber jeder Körper, der wesentlich besser leitet als Luft, z. B. der menschliche, verzerrt das Feld, indem er sich kondensatorähnlich auflädt, sodass in seinem Innern gar kein Feld herrscht. Die Erdpotentialfläche passt sich der Körperoberfläche des Menschen an. Ganz anders, wenn das Kabel auf der Erde oder gar im Wasser liegt. 6.1.20 Fernleitung Auf einen Menschen entfällt ein Leistungsbedarf von etwa 1 kW, wenn man die Industrie mit einbezieht. Die kleine Großstadt braucht 108 W. Bei 220 V ergäbe das 5 · 105 A, bei 220 kV nur 500 A. Am Leiterwiderstand R ist der Spannungsabfall ∆U = RI, der Leistungsverlust ∆P = ∆U I = RI 2 . Wenn ein relativer Verlust ∆U/U nicht überschritten werden soll, darf R nicht größer sein als R = ∆U/I = U∆U/P, im Beispiel: R = 5 Ω bei 220 kV, aber 5 · 10−6 Ω bei 220 V. Wenn die Leitung zum Kraftwerk 100 km lang ist, muss ihr Querschnitt A = l/R bei 220 kV etwa 3 cm2 sein, bei 220 V dagegen 300 m2 ! Unbegrenzt lässt sich die Übertragungsspannung aber wegen der Durchschlagsgefahr nicht steigern. Das Zylinderfeld um das Kabel ist E ≈ U0 /(r ln(h/r0 )) (es erstreckt sich nur bis zum Boden, Abstand h, vgl. Aufgabe 6.1.19). Bis etwa 3 cm Radius ist dies Feld größer als die Durchschlagsspannung der Luft von 106 V/m. Dort gibt es Büschelentladungen, die man nachts bläulich glitzern sieht. In 20 m Abstand ist das Feld in Luft immer noch etwa 1 500 V/m. Das ist ungefährlich für Mensch und Tier, weil deren Körper das Erdpotential deformiert (Aufgabe 6.1.19). Ein solches Feld lädt den Kondensator ,,Mensch“ auf eine Ladung Q = AEεε0 auf. Bei Wechselspannung bedeutet die ständige Umladung einen Strom I = Qω = AEεε0 ω, schlimmstenfalls etwas über 10−4 A, was noch völlig harmlos ist. 6.2.1 Dissoziation Wenn man den Abstand a in Å ausdrückt, ergibt sich F = 2 · 10−8 /(εa2 ) N, Wpot = 2,4 · 10−18 /(εa) J = 14/(εa) eV. Die thermische Energie, gemes1 eV. Es wird sen durch kT , ist bei Zimmertemperatur 4 · 10−21 J = 40 Wpot = kT für a = 570 Å in Luft, für a = 7 Å in Wasser. Zwei Teilchen, deren Abstand kleiner ist als dieser kritische, können elektrisch
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gebunden bleiben, bei größerem Abstand trennt sie die thermische Bewegung. Ein mittlerer Abstand a = 7 Å entspricht einer Teilchenzahldichte n = a−3 ≈ 3 · 1021 cm−3 oder ≈ 5 mol/l. Starke Elektrolyte von geringerer Konzentration sind also im Wasser praktisch vollständig dissoziiert. Das molekulare (und auch das exakt thermodynamische) Bild ist komplizierter: Die hohe DK des Wassers beruht auf dem hohen Dipolmoment des H2 O-Moleküls. Anlagerung dieser Dipole an die Ionen (Hydratation) bringt für die meisten ionogenen Verbindungen mehr Energie ein, als die Auftrennung der Bindungen kostet. 6.2.2 Polarisierbarkeit Im Feld E wirkt auf das Elektron die Kraft eE. Sie erzeugt eine Auslenkung x so, dass die Rückstellkraft e2 x/(4πε0 R3 ) = eE wird. Das Dipolmoment ist dann p = ex = 4πε0 R3 E, die Polarisierbarkeit α = 4πε0 R3 . 6.2.3 Orientierungspolarisation Ein Dipolmolekül vom Moment p, das den Winkel ϑ mit dem Feld bildet, hat verglichen mit dem feldfreien Fall die Energie W = − pE cos ϑ. Für die drei Einstellungen parallel, senkrecht, entgegengesetzt zum Feld hat W die Werte − pE, 0, pE. Ohne Feld würden von den n Molekülen, die im m3 sind, 16 n, 23 n bzw. 16 n in diese Richtungen zeigen (von den 6 Grundrichtungen stehen 4 senkrecht zum Feld). Im Feld ergibt die Boltzmann-Verteilung in Feldrichtung 16 ne pE/(kT ) Moleküle/m3 , was bei pE kT in 16 n(1 + pE/(kT )) übergeht, analog für die Gegenrichtung 16 n(1 − pE/(kT )). Die Polarisation (Dipolmoment/Volumeneinheit) ist also P = 13 n p2 E/(kT ), die Suszeptibilität χ = 13 n p2 /(kTε0 ), die DK ε = 1 − 13 n p2 /(kTε0 ). Molekulare Dipolmomente sind von der Größenordnung 1 Elementarladung · 1 Å ≈ 10−29 C m. Erst in einem Feld von 108 V/m = 106 V/cm wäre pE ungefähr kT . Man kann also praktisch immer mit pE kT rechnen. Statt den Bruchteil 13 pE/(kT ) ganz in Feldrichtung zu drehen, kann man mit dem gleichen Polarisationserfolg auch alle Dipole um den kleinen Winkel γ ≈ 13 pE/(kT ) drehen. Eine solche Drehung dauert eine Zeit τrel ≈ γ/(µ pE), wo pE das wirkende Drehmoment und µ die Rotations-Beweglichkeit ist, die in Aufgabe 3.3.5 zu 1/(ηV ) abgeschätzt wurde (η Viskosität, V Molekülvolumen; das gilt für einigermaßen rundliche Teilchen); also τrel ≈ ηV/(kT ). Dies ist die dielektrische Relaxationszeit. Für Wechselfelder, deren Periode klein gegen τrel ist, erreichen die Dipole nicht ihre Gleichgewichtseinstellung zum Feldmaximum bzw. -minimum. Die DK macht bei ωrel = 1/τrel eine Relaxationsstufe. In dieser Stufe sind die dielektrischen Verluste maximal: Der Strom, der vom vergeblichen Zittern der Einstellrichtungen herrührt, ist hier in Phase mit dem Feld, und es wird joulesche Wärme erzeugt. 6.2.4 Mikrowelle Das E-Feld der Mikrowelle dreht die Wasserdipole hin und her. Damit es dabei Leistung P = Tω investiert, müssen Drehmoment T und Winkelgeschwindigkeit ω in Phase oder fast in Phase sein. Bei klei-
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nen Feldfrequenzen ω0 ist das nicht der Fall, da erreichen die Dipole ihre Gleichgewichtsverteilung über die Winkel ϕ, nach Boltzmann ∼ e− pE cos ϕ/(kT ) . Im Mittel müssen sie sich von der homogenen Verteilung aus um ∆ϕ = pE/(kT ) drehen. Ähnlich wie bei der erzwungenen Schwingung muss ω0 gleich der Dauer τ einer solchen Drehung sein. Nach Aufgabe 3.3.5 erzeugt das Drehmoment pE eine Rotation mit ω ≈ pE/(3ηV ) (V : Molekülvolumen). Für Wasser mit V = 3 · 10−29 m3 folgt τ ≈ 3 · 10−11 s, also ω0 ≈ 5 · 109 s−1 . 6.2.5 Mischungsregel Wenn die Mischung so intim ist (z. B. bei vielen Legierungen oder Elektrolytlösungen), dass ein gemeinsames Leitungselektronen- oder Ionengas existiert, zu dem jede Mischungskomponente ihren Anteil stellt, wird die Mischungsregel für die Leitfähigkeit additiv: Volumenkonzentrationen c1 , c2 = 1 − c1 , Ladungsträgerdichten n 1 , n 2 , die Mischung hat n = c1 n 1 + c2 n 2 = n 2 + c1 (n 1 − n 2 ). Wenn die Leitfähigkeit proportional n ist, hängt sie ebenfalls linear von c1 ab. Das muss nicht so sein: In der Mischung kann die Beweglichkeit herabgesetzt sein (Struktur stärker gestört), was die σ(c1 )-Kurve in der Mitte absenkt. Es wäre aber √ seltsam, wenn dabei für c1 = 12 gerade σ = σ1 σ2 herauskäme, wie man es oft findet. Es muss eine allgemeinere Erklärung geben. Wir nehmen also an, dass mikroskopische Bereiche jeder Komponente erhalten bleiben. Sie sind regellos verteilt, d. h. ihre Widerstände sind wahllos parallelund hintereinander geschaltet. Es scheint zunächst aussichtslos, den Gesamtwiderstand eines regellosen Netzes aus praktisch unendlich vielen Widerständen bestimmen zu wollen, aber folgende Überlegung hilft weiter. Lägen alle Widerstände hintereinander, dann addierten sie sich, und der spezifische Widerstand würde = c1 1 + c2 2 . Lägen sie alle parallel, dann addierten sich die Leitwerte, und die Leitfähigkeit würde σ = c1 σ1 + c2 σ2 . In Wirklichkeit treten beide Schaltungen gleichberechtigt auf. und σ müssen ebenfalls gleichberechtigt sein, d. h. als Funktionen von c1 von der gleichen Bauart sein: = f(c1 , 1 , 2 ), wobei = 1 für c1 = 1 und = 2 für c1 = 0, gleichzeitig aber auch, mit der gleichen Funk−1 tion f , σ = −1 = f(c1 , σ1 , σ2 ) = f(c1 , −1 1 , 2 ) = 1/ f(c1 ,c 1 ,c 2 ). Die einzige Funktion f , die diese Bedingungen erfüllt, ist f = σ1 1 σ2 2 . Diese Funktion wird erst linear, wenn man sie logarithmiert oder mit logarithmischer σ-Skala aufträgt; daher spricht man von einer logarithmischen Mischungsregel, wo man eigentlich von einer exponentiellen sprechen √ sollte. Bei der 1 : 1-Mischung folgt richtig σ = σ1 σ2 . Dieses Verhalten findet man besonders bei Gemischen organischer Flüssigkeiten und bei Pulvergemischen. Für die DK gilt bei den gleichen Stoffen meist Ähnliches mit ähnlicher Erklärung (parallel bzw. hintereinander geschaltete Kondensatoren, Kapazitäten bzw. reziproke Kapazitäten addieren sich). Materialkonstanten, die mit σ oder ε potenzmäßig verknüpft sind wie √ n = ε, folgen auch der exponentiellen Mischungsregel, ebenso manchmal der E-Modul, die Kompressibilität, die Viskosität usw., die ein Vektor- oder Tensorfeld (Spannung) mit einem anderen (Deformation, Geschwindigkeitsgradient) verknüpfen.
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6.3.1 Schmutziges Kabel Im inhomogenen elektrischen Feld um einen Draht, der auf einem gewissen Potential liegt, werden Staubteilchen zu Dipolen und wandern dorthin, wo das Feld stärker ist, also zum Draht, unabhängig von dessen Polarität. Der Mittelpunktsleiter liegt normalerweise ungefähr auf Erdpotential. Im Gleichstromnetz liegt ebenfalls ein Draht normalerweise auf Erdpotential und bleibt sauberer. Genauer wird diese Staubteilchenwanderung beim Problem des elektrostatischen Entstaubers behandelt (Aufgabe 6.1.15). 6.3.2 Kabelschaden Der Isolationsfehler liege im Abstand x km vom einen Ende und sei durch einen Übergangswiderstand R3 zwischen Innenleiter und Erde dargestellt (sonst ist dieser Widerstand überall ∞). Die ganze Innenleiterlänge hat den Widerstand R1 + R2 = Cu · 6 · 105 cm/10−2 cm2 = 102 Ω. Die Teilwiderstände R1 und R2 sind proportional den Längen x und 6 − x. Ein Ohmmeter zeigt am einen Ende R1 + R3 = 80 Ω, am anderen R2 + R3 = 90 Ω. Es folgt R3 = 34 Ω, R1 = 46 Ω, R2 = 56 Ω, also x = 6R1 /(R1 + R2 )km = 2,7 km. 6.3.3 Feldrelaxation Wenn der Strom nicht überall den gleichen Wert hätte, gäbe es Stellen, wo z. B. mehr Ladung zu- als abfließt. Dort würde sich Ladung anhäufen und nach = div D das Feld verbiegen, und zwar so, dass es jenseits der Ladungsanhäufung, wo der Strom nach Voraussetzung schwächer ist, größer ist als diesseits. Die Strominhomogenität löst also eine Feldverteilung aus, die bestrebt ist, diese Inhomogenität abzubauen. Das Gleichgewicht, gekennzeichnet durch konstanten Strom, ist stabil. Seine Einstellzeit ergibt sich so: Stromdichte j = σ E; PoissonGleichung = div D = εε0 div E; Kontinuitätsgleichung ˙ = − div j; also ˙ = − div j = −σ div E = − σ/(εε0 ); jede Ladungsanhäufung klingt also, wenn sie nicht ständig erneuert wird, ab wie = 0 e−t/τ mit τ = εε0 /σ. Im Sonderfall, wo der Kreis durch einen Kondensator unterbrochen ist, gilt im Zwischenraum natürlich I = 0. Es gibt ein Paar von Stellen, wo sich positive bzw. negative Ladung anhäuft. Die resultierende Spannung U = Q/C ist der aufgeprägten Spannung entgegengerichtet und muss ˙ den Gleichstrom schließlich zum Erliegen bringen: Q˙ = I = C U˙ = C R I, also I = I0 e−t/τ mit τ = RC. Das entspricht dem mikroskopischen τ = εε0 /σ. Ganz allgemein regelt sich die Feldverteilung auf konstanten Strom ein: An Stellen mit großem Leitwert ist das Feld klein und umgekehrt. 6.3.4 RC Hat der Kondensator die Ladung Q, die Spannung U, und wird er durch einen Draht vom Widerstand R überbrückt, dann fließt Strom I = U/R = Q/(RC). Dieser Strom vernichtet Ladung: Q˙ = −I = −Q/(RC). Diese Gleichung für Q hat die Lösung Q = Q 0 e−t/τ mit τ = RC: Ladung, Spannung und Strom klingen exponentiell ab. Wenn der Draht zu dünn ist, explodiert er in eindrucksvoller Weise. Ist es der Glühdraht einer Lampe, so ergibt sich ein Lichtblitz
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von der Dauer RC, meist aber ebenfalls eine Explosion. Jeder Schalter hat eine Kapazität, die sich nach dem Öffnen auflädt, bis ihre Spannung U = Q/C die Netzspannung kompensiert. Erst dann hört der Strom auf. Dies Nachklappen des Stroms dauert ebenfalls die Zeit RC. Meist ergibt allerdings die Selbstinduktion L des Kreises ein längeres Nachklappen (τ = L/R), denn die Kapazität eines guten Schalters ist klein (≈ 0,1 pF, also mit R = 100, d. h. P = U 2 /R = 0,5 kW: τ ≈ 10−8 s). 6.3.5 Vielfachmesser Man misst direkt immer Ströme. S1 regelt den Vorwiderstand R1 , S2 den Parallelwiderstand R2 . Um Ströme über 10 µA zu messen, ,,shunte“ man mittels R2 (Zehnerstufen bis 1 A, S1 ganz unten). Messung der Spannung einer Quelle (Batterie, Netzgerät o. ä.) mit dem Innenwiderstand R oder des Spannungsabfalls an einem Abschnitt mit dem Widerstand R setzt R1 R voraus. Man hat Messbereiche zwischen 10 mV und 1 kV. Der 10 mV-Bereich ist identisch mit dem 10 µA-Bereich. Widerstandsmessung: S3 schaltet die Batterie ein (gewöhnlich 1,5 V). Die Klemmen werden durch den zu messenden Widerstand R verbunden (ohne äußere Spannung!). Die Anzeige ist umgekehrt proportional dem zu messenden R. Messbereich bis 10 MΩ. Bei Strom- wie bei Spannungsmessung verhalten sich die Leistungen umgekehrt wie die Widerstände (R1 und R2 liegen parallel). Ob der Innenwiderstand richtig ist, erkennt man am einfachsten, indem man bei Spannungsmessung den Vorwiderstand verzehnfacht, bei Strommessung den Shunt zehntelt, in jedem Fall also auf den nächstunempfindlicheren Bereich schaltet und kontrolliert, ob der Ausschlag sich genau zehntelt, d. h. ob auf der veränderten Skala der gleiche Wert angezeigt wird. Das Amperemeter muss nach dem Weicheisen-, nicht nach dem Drehspulprinzip arbeiten oder einen Gleichrichter enthalten. 6.3.6 Kochplatte Bei R1 = R2 drei Stufen: Beide Widerstände hintereinander: nur R1 in Betrieb; beide parallel: Leistungen 1 : 2 : 4. R1 ist am häufigsten in Betrieb, nämlich in Stufe 2 alleine. In den anderen Stufen sind Strom und Leistung in beiden Widerständen gleich. R1 wird zuerst ausfallen. Dies geschieht wahrscheinlich dann, wenn seine Strombelastung am größten ist, also in Stufe 1 oder 2. Ich würde auf 1 tippen, denn da wird R1 noch teilweise durch die von R2 ausgehende Wärme mitbeheizt. – Mit zwei Widerständen kann man natürlich auch vier Schaltstufen bauen, falls die Widerstände verschiedene Werte haben, z. B. R1 > R2 . Wegen P = U 2 /R ist der Faktor (R1 + R2 )/R1 = R1 /R2 = R2 · (R1 + R2 )/(R1 R2 ). Die zweite Gleichung ist offenbar überflüssig, die erste lässt sich so lesen: Der Gesamtwiderstand R1 + R2 muss so in einen größeren (R1 ) und einen kleineren (R2 ) aufgeteilt werden, dass der größere zum kleineren sich verhält wie das Ganze zum größeren. Das ist die Bedingung der Teilung nach dem Goldenen√Schnitt. Mit R2 /R1 = x wird 1 + x = x −1 , also x 2 − x = 1, d. h., x = (1 ± 5)/2 = 0,618 (bzw. − 1,618). Die Leistungen verhalten sich wie 1 : 1,618 : 2,618 : 4,236. Manche kleinen Kochplatten sind so gebaut.
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6.3.7 Bügeleisen Bei 220 V muss durch eine 300 W-Heizwicklung ein Strom I = 1,36 A fließen. Die Wicklung muss also den Widerstand R = 161 Ω haben, realisiert durch ein Band von A = 5 · 10−8 m2 Querschnitt und l = 20 m. An 110 V angeschlossen, erhält das Bügeleisen nur den halben Strom, denn der Widerstand ist ja derselbe. Halber Strom und halbe Spannung ergeben nur 14 der Nennleistung, also nur 75 W. Das Eisen wird nicht heiß. Warum legt man es überhaupt auf 300 W? Die Bügelfläche (Sohle des Bügeleisens) ist etwa 20 cm lang und 12 cm breit, hat also etwa 0,02 m2 Fläche. Die Abstrahlung erfolgt nicht nur nach unten, also muss die Fläche etwa verdoppelt werden: A ≈ 0,04 m2 . Eine solche Fläche strahlt nach StefanBoltzmann die Leistung P = A σT 4 = 300 W ab, wenn ihre Temperatur T = 4 P/(A σ) ≈ 600 K ≈ 330 ◦ C ist. Solche Hitze verlangt man, wenn man√z. B. feuchtes Leinen bügelt. Mit 75 W erreicht man nur um den Faktor 4 1/4 = 0,7-mal weniger absolute Temperatur, also 420 K ≈ 150 ◦ C. Damit das Bügeleisen auch bei der halben Spannung die Nennleistung erzielt, müsste doppelt so viel Strom fließen wie üblich. Halbe Spannung und doppelter Strom bedeutet 14 des Widerstandes. Umschaltbare Heizgeräte benutzen bei 110 V also einfach 14 der Heizwicklungslänge. Da durch das auf 110 V umgeschaltete oder umgebaute Bügeleisen der doppelte Strom fließt und die vierfache Leistung pro Meter Wicklungslänge erzeugt wird, ist die Gefahr des Durchbrennens größer als bei 220 V-Betrieb. Die Kupferwicklung mit ihrem 24-mal geringeren spezifischen Widerstand müsste 24-mal länger oder dünner sein, was beides unbequem zu realisieren ist. Vor allem hängt der Widerstand von Manganin viel weniger von der Temperatur ab; er nimmt wie bei fast allen Metallen mit steigender Temperatur zu (Verstärkung der thermischen Gitterschwingungen hindert die Elektronen beim Wandern durch das Gitter). Wenn R zu stark zunähme, würde wegen P = U 2 /R die Leistung immer geringer werden, je heißer das Eisen würde. Um das zu vermeiden, könnte man eine Halbleiterheizung verwenden, deren Widerstand bei Hitze geringer ist (freie Elektronen werden hier erst durch thermische Anregung erzeugt, die Leitfähigkeit σ = 1/ steigt wie σ = σ0 e−W/(kT ) nach Boltzmann an). Dann besteht die entgegengesetzte Gefahr: Beim heißen Eisen wird R so klein, und P = U 2 /R so groß, dass die Wicklung durchbrennen könnte. 6.3.8 Ohm-Puzzle I Wir denken den Würfel ins Koordinatenkreuz gestellt und bezeichnen die Ecken durch ihre Koordinaten oder durch Buchstaben: A = (000), B = (001), C = (010), D = (011), E = (100), F = (101), G = (110), H = (111). Jede Kante hat den Widerstand R. (a) Spannung zwischen A und H: I AC = I AB = I AE = I FH = IG H = I DH = I/3 (Symmetrie). I BD = I BF = I AB /2 (Verzweigung in B). Spannungsabfall U AH = R(2I AB + I BD ) = 56 RI, also R AH = 56 R. (b) Spannung zwischen A und G: Punkte C, E, D, F alle auf gleichem Potential (Mittelebene). U = R · 2I AC = R(2I AB + I BD ), I BD = I AB /2, also I = 2I AC + I AB = 83 I AC , d. h. R AG = 34 R. (c) Spannung zwischen A und B: Etwas mühsamer. Am besten schreibt man ICG = 1 an die Zeichnung und fin-
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det aus Knoten- und Maschenregel IG H = 2, ICD = 4, I AC = 5, I AB = 14, 7 R. Tetraeder: Nur ein Fall benachbarter Punkte A, B. Die andeR AB = 12 ren liegen auf U/2, also ICD = 0. I = I AB + 2I AC , U = RI AB = 2RI AC , R AB = R/2. Oktaeder: Punkte können benachbart sein (1) oder gegenüberliegen (2). (2): Die übrigen vier Punkte haben gleiches Potential, also zerfällt die Schaltung in vier parallele Zweige mit je 2R: R AF = R/2. (1): 5 R. Ähnlich wie beim Würfel, Fall c, findet man R AB = 12 6.3.9 Ohm-Puzzle II Zwischen A und A messe man den Widerstand R für eine sehr lange Leiter. Aus der Tatsache, dass überhaupt etwas Endliches herauskommt, d. h. dass der Widerstand konvergiert, folgt, dass man oben ein weiteres Glied anlöten kann, ohne R zu ändern. Man hat dann ja aber ein R2 parallel zu R geschaltet und vor die Kombination noch ein R1 gelegt. Das ergibt Da der wieder gleich R ist, folgt den Widerstand R1 + RR2 /(R + R2 ). R2 − R1 R = R1 R2 , also R = 12 (R1 + R12 + 4R1 R2 ). Dieses R ist auch der Widerstand, mit dem man die kurze Leiter abschließen muss, damit sie sich verhält wie eine lange. Bei R2 = 2R1 wird R = 2R1 . An jeder Sprosse verzweigt sich der Strom durch den Holm im Verhältnis 1/R2 (Sprosse) zu 1/R (Rest der Leiter). Die entsprechenden Ströme und damit auch die Spannungen nehmen also von Sprosse zu Sprosse um den Faktor R2 /(R + R2 ) ab. Damit sich die Spannung jedes Mal halbiert, nehme man R2 = 2R1 . 6.3.10 Ohm-Puzzle III Da in sehr großem Abstand von den betrachteten Nachbarpunkten A und B die Spannungsunterschiede beliebig klein werden, ändert sich an den Spannungs- und Stromverhältnissen nichts, wenn wir rings um das Gitter sehr weit draußen einen widerstandslosen Draht löten. Wir klemmen unsere Spannungsquelle zunächst an diesen Draht und andererseits an Punkt A und regeln die Spannung so, dass bei A 1 Ampere in das Gitter hineinfließt. Von A gehen symmetrisch vier Drähte aus, also fließt von A direkt nach B genau 14 Ampere. Jetzt polen wir die Spannung um und legen sie zwischen Außendraht und B. Wieder fließt 14 A von A direkt nach B. Wenn wir nun sämtliche Spannungen und Ströme, die in diesen beiden Fällen bestanden haben, überlagern, kommt wieder eine vernünftige Situation heraus. In ihr fließt 1 A bei A hinein, bei B heraus. Der Außendraht liegt auf mittlerem Potential. Von A direkt nach B fließt 12 A. Da dort 1 Ω liegt, ist die Spannung zwischen A und B 12 V. Diese zieht im Ganzen 1 A, also ist der Widerstand des ganzen Gitters 12 Ω. Beim Dreiecksgitter kreuzen sich jeweils sechs Drähte, beim Sechseckgitter je drei. Der Gesamtwiderstand ergibt sich daher aus der entsprechenden Überlegung zu 1 2 3 Ω bzw. 3 Ω. Einen Fünfeckzaun gibt es nicht, denn mit Fünfecken kann man die Ebene nicht lückenlos ausfüllen. Ganz analog lässt sich ein kubisches Gitter behandeln: Wir umschließen es durch ein Blech in sehr großer Entfernung und schicken bei A einen Strom von 1 A hinein. Nach jeder
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Seite fließt 16 A weg. Überlagerung mit umgepolter Spannung, die bei B angelegt wird, liefert 13 A und 13 V zwischen A und B, also 13 Ω. 6.4.1 Elektronenschleuder In der rotierenden Scheibe stellt sich im Gleichgewicht ein Radialfeld E ein, sodass Feldkraft und Zentrifugalkraft auf die Leitungselektronen einander aufheben: eE = mω2r. Entsprechendes gilt für die Differenz der Potentiale zwischen Scheibenrand und -mitte: U = 12 ω2r 2 m/e = 12 mv2 /e. Bei v = 100 m/s erhält man U = 3 · 10−8 V. So kleine Spannungen werden natürlich leicht z. B. durch Thermospannungen an den Schleifkontakten verfälscht, selbst bei sorgfältiger Wahl identischer Materialien. Einige Hundertstel K genügen. 6.4.2 Tolman-Versuch Die Spule sei aus einem Draht (Gesamtlänge L, Querschnitt A, Leitfähigkeit σ) gewickelt und habe vor der Bremsung die Umfangsgeschwindigkeit v gehabt. Die Bremsung v˙ erzeugt im Draht ein Feld E = v˙ m/e. Die Gesamtspannung U = EL = v˙ Lm/e treibt den Strom I = U/R = m v˙ Aσ/e. Während der Bremsung auf v = 0 wird die Ladungsmenge Q = I dt = mvAσ/e transportiert. Sie wird ballistisch gemessen und sollte möglichst groß sein. Mit Kupfer (fast so zerreißfest wie Stahl, also mit fast v = 100 m/s drehbar, aber sechsmal besser leitend als Stahl) erreicht man bei A = 10 cm2 etwa Q = 10−3 C. Das lässt sich mit einem ballistischen Galvanometer leicht messen. Auf den Verlauf des Bremsvorganges kommt es nicht an, solange er kurz gegen die Schwingungsdauer des Galvanometers ist. 6.4.3 Wiedemann-Franz-Gesetz Wenn der Stab die Länge L und die elektrische Leitfähigkeit σ hat, fließt die Stromdichte j = σU/L, und es wird eine joulesche Leistungsdichte jE = σU 2 /L 2 als Wärmequelldichte frei. Die Wärmeleitungsgleichung heißt also c T˙ = λT + σU 2 /L 2 . Im stationären Fall, wenn T˙ = 0 geworden ist, ergibt sich das T -Profil aus T = −σU 2 /(λL 2 ) als T = Tm − 1 2 2 2 2 x σU /(λL ). Dabei ist Tm die Temperatur in der Mitte, wo aus Symmetriegründen T = 0 ist, x ist der Abstand von der Mitte. Aus der T -Differenz zwischen Mitte und Stabende ∆T = σU 2 /(8λ) lässt sich das Verhältnis von elektrischer und Wärmeleitfähigkeit leicht ablesen. Für die meisten Metalle ergibt sich bei U = 100 V eine T -Differenz von etwa 1 K. 6.4.4 Essigsäure Konzentrationen (in mol/l): Essigsäure insgesamt c0 , H-Ionen und Azetationen cH , undissoziierte Säure c0 − cH . Das Massenwirkungsgesetz liefert 2 cH = κ(c0 − cH ), also cH = 14 κ 2 + κc0 − 12 κ (die −-Wurzel hat keinen √ Sinn). Näherung für große und kleine√ c0 : cH ≈ κc0 für c0 κ, cH ≈ c0 für c0 κ. Dissoziationsgrad cH /c0 : κ/c0 für c0 κ, 1 für c0 κ. Mit σ = eµn, also der Äquivalentleitfähigkeit Λ = eµNA /1 000 erhält man −1/2 für c0 → 0Λ = 0,33. Der Knick zwischen Λ = const und Λ ∼ c0 liegt
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um c0 = 10−5 mol/l. Für c0 = 10−2 mol/l z. B. folgt Λ = 0,0166, wie gemessen. 6.4.5 Debye-Hückel-Länge Die Debye-Hückel-Länge nimmt mit wachsender Konzentration ab wie d ∼ c−1/2 . Wenn n die Teilchenzahldichte der Ionen eines Vorzeichens ist, gilt d = εε0 kT/(e2 n). Für c = 1 mol/l, d. h. pH = 0, ist n = 6 · 1020 cm−3 und d = 4,4 Å, für pH = 7 ist d = 1,4 µm, für pH = 14 ergäbe sich, wenn keine anderen Ionen als H+ da wären, d = 4,4 mm. Diese Werte bestimmen z. B., ob zwei Ladungen auf einer molekularen Struktur einander beeinflussen. Wenn ihr Abstand größer ist als d, tun sie es nicht, denn sie sind durch die Gegenionenwolken abgeschirmt. – Auf den ersten Blick scheinen die Gegenionenwolken aus dem gleichen Grund zu verhindern, dass ein äußeres Feld überhaupt auf die Ionen einwirkt, sie z. B. zum elektrolytischen Wandern bringt. Aber die Gegenionenhülle wird teilweise abgestreift, umso stärker, je schneller sich das Zentralion bewegt. 6.4.6 Elektrischer Unfall 9 g/l von Ionen mit den relativen Molmassen 23 bzw. 35,5 bedeuten 0,15 mol/l, also Teilchenzahldichten von je 1020 cm−3 für Na+ und Cl− . Mit den Beweglichkeiten aus Tabelle 6.4 folgt eine Leitfähigkeit σ = en(µ+ + µ− ) = 1,8 · 10−2 Ω−1 cm−1 . Knochen leiten sehr viel weniger. Am gefährlichsten ist der Hand-Hand-Schlag, weil der Strom direkt durch den Brustkorb geht und zum Herztod (Herzflimmern, falsche Schrittmachersignale) führen kann, besonders bei muskel- oder fettbepackten Handgelenken (großer Widerstand hinter kleinem bestimmt den Gesamtwiderstand). Schätzung: Fleischquerschnitt der Engstellen 10 cm2 , Länge 150 cm, also R ≈ 1 kΩ. Bei nassen Händen können schon 110 V gefährlich sein. Vorbeugung: Eine Hand in die Tasche. Der Schlag von der Hand zu den geerdeten Füßen ist trotz etwas kleineren Körperwiderstands harmloser, außer natürlich barfuß auf nassem Boden. Taucher sind bei Kabelarbeiten unter Süßwasser besonders gefährdet: Ihr Körper schwimmt als mittelguter Leiter in einem relativ schlechten, der aber in sehr dünner Schicht den Übergangswiderstand praktisch zu Null macht. 6.4.7 Dissoziationsgleichgewicht Das allgemeine Reaktionsschema heißt AH A + H. Hierbei ist der Ladungszustand nicht angegeben. A kann im Fall einer Base auch den Komplex BOH bedeuten. Wir benutzen die gleichen Buchstaben auch für die Konzentrationen, lassen also die eckigen Klammern weg. Massenwirkungsgesetz: A · H/AH = K . Die Gesamtkonzentration von A mit oder ohne Proton ist konstant: A + AH = C = A + A · H/K , also ergibt sich A = CK/(H + K ). Dissoziationsgrad α = A/(AH + A) = K(H + K ). Über K aufgetragen bildet α den rechten Teil einer Hyperbel, deren Pol bei H = −K läge. Über pH = −10 log H ist sie symmetrisch um den Halbwertspunkt pH = pK(α = 12 ). Das Massenwirkungsgesetz drückt aus, dass der Zerfall von AH monomolekular verläuft (Zerfallsrate ∼ AH), die Rekombination von A und
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Tabelle L.2 H
pH
K 0,1 K K 10 K
K
>pK pK + 1 pK pK − 1 < pK
Ladungszustand Säure Base 1 10/11 1/2 1/11 K/H 1
– –
0 0
0 0
+ +
H bimolekular (Rekombinationsrate ∼ A · H). Im Gleichgewicht müssen beide Raten gleich sein. 6.4.8 i oder nicht-i Zur Lösung der allgemeinen Wellengleichung ∆u = c−2 u¨ für eine Funktion u(r, t) kann man Orts- und Zeitabhängigkeit im ,,Separationsansatz“ trennen: u(r, t) = v(r)w(t). Die Wellengleichung wird dann w∆v = c−2 vw Damit das für alle r und t gelten ¨ oder ∆v/v = c−2 w/w. ¨ kann, müssen beide Seiten dieser Gleichung gleich einer Konstanten sein: √ ∆v/v = a = c−2 w/w oder ∆v = av und w ¨ ¨ = wac2 , d. h. w = w0 e±c at , womit a identifiziert ist: Wenn a < 0, ist a = ω2 /c2 = λ−−2 , wenn a > 0, folgt exponentielles Ab- oder Anklingen. Die Gleichung für den Ortsanteil v, nämlich ∆v = av, ist bei a < 0 identisch mit der Gleichung für die Ortsabhängigkeit der Wellenamplitude. Bei a > 0 ist es die PoissonBoltzmann-Gleichung für Potential oder Teilchenzahldichte; dann ist a als n 0 e2 /(εε0 kT ) zu deuten. Die Lösungen √ der beiden Gleichungen unterscheiden sich√also√nur um den Faktor √ −1 = i. Im ebenen Fall v = av Bei folgt v = v0 e ax , a = ik für die Welle, a = rD−1 für Debye-Hückel. √ Kugelsymmetrie wird ∆v = vrr + 2vr /r = av gelöst durch v = v0 e ar /r (Verifikation durch Einsetzen). Die Amplitude der Kugelwelle geht wie eikr /r, √ die Gegenionenkonzentration um ein Ion des anderen Vorzeichens wie e− ar /r. Im zylindrischen Fall ∆v = vrr + vr /r gibt es keine so einfache Lösung, auch hier unterscheiden sich aber die beiden Fälle nur durch ein i im Exponenten. 6.4.9 Elektrophorese Wenn man in der Schicht ein Feld E erzeugt, sodass eine Stromdichte j = σE fließt, wird in der Schicht eine Leistungsdichte q = jE = σE 2 als Wärme freigesetzt. Diese konstante Quelldichte bedingt nach der Wärmeleitungsgleichung in der Schicht ein Temperaturprofil, sodass q = λT . Wenn nur an der Grenze mit dem Kühlblock ein Wärmestrom abgeführt wird, also ein Temperaturgradient besteht, dagegen nicht an der anderen Seite der Schicht, wo sie an Luft grenzt, ergibt sich ein Profil in Form einer Halbparabel T = T0 + 12 T x 2 = T0 + 12 qx 2 /λ (x: Abstand von der an Luft grenzenden Geloberfläche). Wenn der Kühlblock alle Joule-Wärme abführen kann, ist das Gel, wo es an Luft grenzt, um ∆T = 12 qd 2 /λ wärmer als der Kühlblock. Wegen dieser d 2 -Abhängigkeit macht man das Gel so dünn wie möglich. Typische Werte sind E ≈ 5 000 V/m, σ ≈ 1 Ω−1 m−1 ,
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λ ≈ 0,3 W m−1 K−1 , also q ≈ 2 · 107 W m−3 , ∆T ≈ 3 · 107 d 2 (d in Meter). Kühlt man beiderseits, erhält man eine um die Gelmitte symmetrische Parabel als T-Profil. Die Differenz zwischen maximaler (hier in der Mitte) und minimaler Temperatur ist dann nur 14 so groß wie bei einseitiger Kühlung. Abgesehen von der Gefahr des ,,Schmorens“ haben dicke Gelschichten den Nachteil, dass die Banden, in denen eine bestimmte Substanz konzentriert ist, in den verschiedenen Tiefen der Gelschicht verschiedene Beweglichkeit haben. Es ist also eine umso schärfere Auflösung und Trennung möglich, je dünner die Schicht ist. Die Beweglichkeit eines Moleküls ist aus mehreren Gründen temperaturabhängig: (1) Der Ladungszustand des Moleküls folgt einer Boltzmann-Verteilung mit der Abtrennarbeit der Ladung (hier meist Protonen) im Exponenten. Für viele ionisierbare Molekülteile wie COOH- oder NH2 -Gruppen ist diese Abtrenn- bzw. Anlagerungsarbeit so groß, dass diese Gruppen bei mittlerem pH praktisch alle entweder geladen oder neutral sind. Interessant für die Trennung ist aber oft gerade der pH-Bereich, wo das nicht der Fall ist, bzw. sind solche Gruppen, deren Ladungszustand in der Schwebe ist. Ihr Ionisierungsgrad kann sich bei einigen Grad Temperaturunterschied leicht um einen Faktor 2 ändern. Dazu muss die Abtrennarbeit in der durchaus üblichen Größenordnung von knapp 1 eV liegen. (2) Außer vom Ladungszustand des Moleküls hängt die Beweglichkeit von der Ausdehnung der Gegenionenwolke ab, die sich um die geladenen Gruppen versammelt, also von der Debye-HückelLänge. Diese ist ebenfalls T -abhängig, wenn auch viel schwächer, nämlich r ∼ T 1/2 . Im einzelnen sind die T -Abhängigkeiten der Beweglichkeiten oft sehr kompliziert. 6.5.1 Kondensationskeime Wassermoleküle mit ihrem hohen Dipolmoment lagern sich um die Ionen und wenden ihnen, so weit wie möglich, ihre entgegengesetzt geladenen Seiten zu. So entsteht ein Aggregat, das von außen mit der gleichen Polarität geladen erscheint wie das Ion und das daher weitere Dipolmoleküle binden kann. Quantitativ führt die Kontinuumsbetrachtung weiter. Man schreibe die Energieanteile eines Tröpfchens vom Radius r auf: Volumenenergie WV = − 43 πr 3 λ (λ spezifische Kondensationsenergie in J/g, negativ verglichen mit der Energie im Dampfzustand); Oberflächenenergie WOb = 4πr 2 σ (σ Oberflächenspannung); Coulomb-Energie Wel = Q 2 /(4πε0r) (Aufladung Q; W positiv als Abstoßungsenergie). Um zu entscheiden, ob und wie sich mehr Wassermoleküle an das Tröpfchen anlagern, muss man versuchsweise die Masse δm anlagern, die den Tropfenradius um δr wachsen lässt (δm = 4π r 2 δr) und den spezifischen Energiezuwachs dabei ausrechnen: δW/δm = δW/δr · 1/(4π r 2 ) = −λ + 2σ/( r) − Q 2 /(16π 2 ε0 r 4 ) . Ohne Ladung erhält man eine Hyperbel, die bei kleinem r sehr hoch geht: Das Wachsen sehr kleiner Tropfen bringt einen sehr viel geringeren Energiegewinn als normalerweise, ist also nur bei riesiger Übersättigung möglich. Schon bei Q = e dagegen erhält man eine Kurve mit einem
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Maximum bei r = 3 e2 /(8π 2 ε0 σ) ≈ 8 Å und einer Höhe von 170 J/g, d. h. einer Reduktion der Kondensationswärme um höchstens etwa 10%. Diese Hürde wird schon bei geringfügiger Übersättigung überwunden. In der Wilson-Kammer erzeugt man solche Übersättigungen durch adiabatische Entspannung. Die Niederschlagsbildung wird durch künstliche Ionenbildung angeregt: Einstreuen leicht photochemisch ionisierbarer Salze wie Silberjodid, direkte Luftionisierung durch Strahlung, besonders γ -Strahlung und sehr schnelle Elektronen. 6.5.2 Akku-Gewicht Idealerweise wird ein Molekül PbO2 oder Pb durch Übergang einer Elementarladung in PbSO4 verwandelt (entladen). In Wirklichkeit ist nur etwa 1 3 davon ausnutzbar. 1 kg Bleiplatte (Mittel zwischen Pb und PbO2 ) hat 4,3 mol, d. h. 2,6 · 1024 Moleküle, erlaubt also idealerweise den Übergang von 4,1 · 105 C ≈ 110 A h, realerweise nur von 35 A h. Mit der Zellenspannung von 2,02 V und fast dem gleichen Gewicht an Säure kommt man auf 30–40 Wh/kg. 6.5.3 Anlasser Bei einem 30 kW (40 PS)-Motor muss der Anlasser etwa 3 kW aufbringen. Der 12 V-Batterie werden dabei 250 A entnommen (Verlustfreiheit vorausgesetzt). Damit im Kabel höchstens RI = 0,5 V Spannungsabfall erfolgen, darf sein Widerstand R höchstens 4 · 10−3 Ω sein. Dies erfordert bei 2 m Länge einen Kupferquerschnitt A = l/R 16 mm2 . In einem Kabel von 1 mm2 Leiterquerschnitt und 2 m Länge würden bei 250 A nicht weniger als 8,5 V abfallen. Auch eine gesunde Batterie zeigt diesen Effekt. Sie hat nämlich einen Innenwiderstand (s. u.), der bewirkt, dass bei kräftiger Belastung die Klemmenspannung absinkt. Die Lampen, die parallel zum Anlasser liegen, erhalten dann weniger Leistung. U nimmt mit I offenbar linear ab: U = U0 − 0,01I. Bei I = 1 200 A würde die Spannung auf Null absinken. Dies ist der größte Strom, den man entnehmen kann. U nimmt ab, weil am Innenwiderstand Ri der Batterie ein Spannungsabfall Ri I erfolgt, der von der Leerlaufspannung U0 abzuziehen ist: U = U0 − Ri I. Die Neigung der U(I )-Geraden ist dieser Innenwiderstand Ri = 0,01 Ω. I = U0 /(R + Ri ), U = U0 − Ri I, Verbraucherleistung P = IU = U02 R/(R + Ri )2 . Differenzieren nach R zeigt, dass maximale Leistung bei R = Ri entnommen wird, und zwar Pmax = U02 /(4Ri ). 25 Gew.-% H2 SO4 oder 250 g/l bedeuten 2,5 mol/l, d. h. eine Teilchenzahldichte n = 1,5 · 1027 m−3 an SO4 -Ionen, 3 · 1027 m−3 an H-Ionen. Die Leitfähigkeit der Lösung ist σ = enµ ≈ 200 Ω−1 m−1 . Bei 3 · 10−2 m2 Plattenquerschnitt und 1 cm Plattenabstand ergibt sich ein Elektrolytwiderstand Re = d/(σA) ≈ 2 · 10−3 Ω. Im 12 V-Akku sind sechs solcher Zellen hintereinander, Widerstände addieren sich, Säurewiderstand = Innenwiderstand. Bei der Taschenlampenbatterie mit ihrem ,,trockenen“ Elektrolyten ist die Leitfähigkeit etwa zehnmal kleiner als beim Akku, die Fläche der Elektroden (zylindrischer Becher) ebenfalls mindestens zehnmal kleiner. Man erwartet einen Innenwiderstand um 1 Ω
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für jede 1,5 V-Zelle, also nur etwa 1 A Maximalstrom, nicht mehr als 1 W Maximalleistung für jede Zelle.
= Kapitel 7: Lösungen . . . 7.1.1 Draht im Feld Bei Gleichstrom tritt keine Kraft auf, wenn der Draht parallel zum Magnetfeld liegt. Bei Wechselstrom ist dies natürlich auch richtig. Bei beliebiger Drahtrichtung kommt im konstanten Feld nur eine Zitterbewegung des Drahtes zustande, ebenso im Wechselfeld, wenn der Strom eine Phasenverschiebung π/2 gegen das mit der gleichen Frequenz wechselnde Magnetfeld hat. Dann ist nämlich die Kraft F = IBL ebenso oft nach der einen wie nach der anderen Seite gerichtet. 7.1.2 Schleife im Feld Wenn B parallel zur Schleifenebene, aber senkrecht zur Drehachse steht, entsteht für Gleichstrom und Gleichfeld das maximale Drehmoment T = I AB (A: Schleifenfläche). Wenn B parallel zur Achse ist, erfahren die achsparallelen Drahtstücke gar keine Kraft, die dazu senkrechten Drahtstücke heben einander in ihren Beiträgen auf. Wenn B senkrecht zur Schleifenebene steht, suchen die Kräfte die Schleife nur zu weiten oder zusammenzuziehen; ein Moment kommt nicht zustande. Gleichstrom im Wechselfeld oder Wechselstrom im Gleichfeld ergibt höchstens ein periodisch wechselndes Drehmoment, also eine Zitterbewegung. Wechselstrom im Wechselfeld ergibt auch bei günstigster Feldrichtung nur bei Phasengleichheit zwischen Strom und Feld maximales Drehmoment; das Magnetfeld müsste sich also immer mit der Schleife mitdrehen. Bei einer Phasenverschiebung π/2 kommt ebenfalls nur ein periodisch wechselndes Drehmoment zustande. 7.1.3 Drehspul-Messwerk Ein Wechselstrom erzeugt im Gleichfeld des Permanentmagneten ein schnell wechselndes Drehmoment, das höchstens eine Zitterbewegung der Drehspule hervorruft. Wechselstrom kann nur nach Gleichrichtung gemessen werden. Die Skala ist gleichmäßig eingeteilt, wenn man dafür sorgt, dass das Magnetfeld den Spulenkörper praktisch radial durchsetzt. Dann ist das Drehmoment auf den Spulenrahmen proportional zum Strom, der Ausschlag gegen die elastische Spiralfeder ebenfalls. Die radiale Feldanordnung erreicht man durch einen zylindrischen Eisenkern im entsprechend geformten Polzwischenraum; dieser Kern kann sich entweder mit dem Spulenrahmen mitdrehen oder nicht. 7.1.4 Wattmeter Das Feld B ist proportional zum Strom, also sind Drehmoment T = AIB und Zeigerausschlag proportional zu I 2 . Das Gerät misst Gleichstrom und den Effektivwert eines Wechselstromes (Wurzel aus Mittelwert von I 2 ), allerdings mit quadratisch eingeteilter Skala. Die Spannung U am Verbrau-
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cher treibt durch die Drehspule im ,,Spannungspfad“ einen Strom ID ∼ U. Der Strom IF im ,,Strompfad“, der auch durch den Verbraucher RV fließt, erzeugt ein Magnetfeld B ∼ IF . Beide zusammen erzeugen bei Phasengleichheit ein Drehmoment T ∼ IF U. Bei Gleichstrom zeigt das Gerät die Leistung direkt an, bei Wechselstrom zählt nur die Komponente IF cos ϕ des Stromes, also der Wirkstrom (ϕ ist der Phasenwinkel zwischen U und IF ). Das Gerät zeigt direkt die Wirkleistung an, und zwar mit linearer Skala. Phasengleichheit zwischen ID und U ist allerdings nur garantiert, wenn R1 ωL D . Ersetzt man R1 durch eine Spule, dann ist ID um π/2 gegen U phasenverschoben. Ein Zeigerausschlag erfolgt nur, wenn der Verbraucherstrom IF eine mit ID phasengleiche Blindkomponente hat. Man misst direkt die Blindleistung. Das Gerät zeigt das Produkt der beiden Ströme an und lässt sich z. B. als Multiplikator in einem Analogrechner verwenden. Bei zwei phasenverschiedenen Wechselströmen zählt hierbei nur die Komponente des einen, die mit dem anderen in Phase ist. 7.1.5 Vektoranalysis I Der Ortsvektor sei r = (x1 , x2 , x3 ). Ableitung nach der Koordinate xi kennzeichnen wir durch einen Index i, von den übrigen Indizes getrennt durch ein Komma. In div(a × b) müssen die Komponenten von a × b = (a2 b3 − a3 b2 , a3 b1 − a1 b3 , a1 b2 − a2 b1 ) nach 1, 2, 3 differenziert und summiert werden. Man erhält als Faktor von a1 ein Glied b2,3 − b3,2 , das man als negative erste Komponente von rot b erkennt. Zusammengefasst: div(a × b) = −a · rot b + b · rot a. Speziell bei konstantem a ist div(a × b) = −a · rot b. rot(a × b) ist noch etwas mühsamer auszurechnen. Man findet rot(a × b) = a div b − b div a − a · grad b + b · grad a. Hierbei ist grad a eine Matrix, deren i-ter Zeilenvektor der gewöhnliche Gradient von ai ist. Wenn a konstant ist, bleiben davon offensichtlich nur die Glieder a div b − a · grad b. 7.1.6 Vektoranalysis II Nach Aufgabe 7.1.5 bleibt bei konstantem v = (v, 0,0) nur v grad E = vk E i,k = v∂ E/∂x übrig. Der Zeit dt entspricht ein Vorrücken um dx = v dt, also eine Feldänderung d E = dx∂ E/∂x. Daher ist v div E + rot(E × v) die Änderungsgeschwindigkeit von E infolge dieses Vorrückens. Das gilt auch bei allgemeiner Richtung von v. In der Hydrodynamik ergibt sich die Beschleunigung, die ein Flüssigkeitsteilchen erfährt, aus der ,,ortsfesten“ Beschleunigung ∂v/∂t plus der Änderung infolge Strömens in ein Gebiet mit anderem v-Wert: v grad v = v div v + rot(v × v). Das ist der Beschleunigungsanteil, der in Abschn. 3.3.4 als a2 bezeichnet wurde. Für eine inkompressible Strömung ist div v = 0, sonst würde sich die Dichte ändern. In diesem Fall ist a2 = rot(v × v). 7.1.7 Relativität der Felder Gestrichene Größen beziehen sich auf das Bezugssystem des Raumschiffes, ungestrichene auf das ,,ruhende“. Die zeitliche B -Änderung im Raumschiff setzt sich zusammen aus der ungestrichenen und einem Anteil infolge der Bewegung in ein Gebiet mit anderem B (vgl. Auf-
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˙ v div B + rot(B × v). Entsprechend für D: D ˙=D ˙+ gabe 7.1.6): B˙ = B+ v div D + rot(D × v). div B ist überall 0, div D = . Im Raumschiff gelten die Maxwell-Gleichungen: ˙+ j = D ˙ + v + rot(D × v) + j rot H = D rot E = − B˙ = − B˙ − rot(B × v) . Soweit wie möglich in ungestrichenen Größen ausgedrückt, heißt das ˙ + j + v rot(H + v × D) = D
rot(E − v × B) = − B˙ .
Vergleich mit den Maxwell-Gleichungen des Ruhesystems zeigt: (1) Zur Stromdichte j des Leitungsstroms, den beide Beobachter messen, kommt für den ruhenden noch der Konvektionsstrom v. Wenn Teile des Raumschiffs geladen sind, repräsentieren sie natürlich für das Ruhesystem eine Stromdichte v. (2) E = E − v × B, H = H + v × D. Statt E ist also E = E + v × B das im Raumschiff wirksame Feld. Die Ladungen im Raumschiff unterliegen nicht nur der Coulomb-Kraft eE, sondern einer Zusatzkraft ev × B. Diese Lorentz-Kraft ist kein neues Postulat, sondern wächst automatisch aus der Coulomb-Kraft heraus. Bei v ≈c sind noch relativistische Korrekturen anzubringen (Division durch 1 − v2 /c2 ). Überhaupt ergeben sich diese Transformationen in der Relativitätstheorie ganz zwangsläufig (vgl. Abschnitt 18.3). 7.1.8 Space talk Die Rakete fliege mit v relativ zu uns. Der Funkspruch des Astronauten könnte so lauten: ,,Da fliegt ein geladenes Teilchen mit der Geschwindigkeit −v. Es herrscht ein Magnetfeld B. Trotz der Lorentz-Kraft −ev × B fliegt das Teilchen genau geradlinig. Also muss außer dem B-Feld noch ein E-Feld senkrecht dazu und zur Flugrichtung des Teilchens herrschen, sodass die Coulomb-Kraft eE die Lorentz-Kraft −ev × B genau kompensiert. Dieses Feld muss also E = v × B sein. Tatsächlich: In meiner Rakete werden geladene Teilchen von diesem E-Feld alle beschleunigt.“ Für uns ist die Beschleunigung der Teilchen in der Rakete relativ zu dieser auch beobachtbar. Wir erklären sie nicht durch ein E-Feld, sondern durch die Lorentz-Kraft ev × B, die diese mitfliegenden Teilchen ja erfahren müssen. Auch so ergibt sich wieder, dass für den Raumfahrer aus dem B-Feld ein E-Feld E = v × B herauswächst. 7.2.1 Kreisstrom Für den Mittelpunkt der Kreisschleife vom Radius a ist im BiotSavart-Gesetz für alle Leiterelemente α = 90◦ und r = a, also H = 2πIa/(4πa2 ) = I/(2a). Das Feld zeigt in Achsenrichtung, und zwar nach der Definition des Vektorprodukts so, dass der Strom, in Feldrichtung gesehen, im Uhrzeigersinn umläuft. In einem Achsenpunkt im √ Abstand r von der Kreismitte ist immer noch α = 90◦ , aber r = r 2 + a2 also H = 12 Ia/(r 2 + a2 ); bei r a ist H = 12 Ia/r 2 . Die übrigen Fragen werden in der Lösung zu Aufgabe 7.4.1 mitbeantwortet.
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7.2.2 Kurze Spule Beim Rohr der Wandstärke d, umflossen von der Stromdichte j, ist jd der ,,Amperewindungszahl/m“ n I gleichzusetzen. Auf dem Rohrabschnitt dr fließt der Strom I = d j dr. Dieser Abschnitt liefert nach Biot-Savart einen Beitrag 1 d H = d ja2 dr/(a2 + r 2 )3/2 . 2 Man muss nämlich nur die axiale Komponente √ nehmen, also die Feldstärke von (7.38) noch mit dem Richtungssinus a/ a2 + r 2 multiplizieren (Abb. 7.23). Der Ausdruck d H muss über r von −L/2 bis L/2 integriert werden. Da (a2 + r 2 )−3/2 dr = ra−2 (a2 + r 2 )−1/2 √ ist, ergibt sich√schließlich für das Feld in der Spulenmitte H = jdL/ L 2 + 4a2 = NI/ L 2 + 4a2 , wo N = nL die Gesamtwindungszahl ist. Für L a (lange Spule) ist H = nl, für L a und N = 1 (Kreisring) ist H = I/(2a). Denkt man sich die kurze Spule in zwei √ Hälften zerschnitten, dann leistet jede davon den Beitrag H = NI/(2 L 2 + 4a2 ) zum Feld in der Mitte. Mit ihrer Länge L =√L/2 erzeugt also jede Spule in ihrer Endflächenmitte ein Feld H = NI/ L 2 + 16a2 . 7.2.3 Bohr-Magneton Nach Aufgabe 7.2.1 herrscht im Mittelpunkt einer Kreisschleife vom Radius r, durch die der Strom I fließt, das Magnetfeld H = I/(2r). Wenn das Feld in der Kreisebene diesen Wert bis zum Draht behält (was ungefähr zutrifft), ergibt sich ein Magnetfluss durch die Schleife von Φ = µ0 HA ≈ µ0 I 12 πr. Auf der Achse kann man sich etwa um r entfernen, bis sich dieses Feldlinienbündel wesentlich auflockert. Also ist das magnetische Moment etwa das einer Spule der Länge 2r, d. h. pm ≈ Φ2r/µ0 ≈ Iπr 2 = I A. Wenn ein Elektron im Atom die Umlaufsfrequenz ν hat, stellt es im Mittel den Strom I = eν dar. Das magnetische Moment dieses Kreisstroms ist pm = πeνr 2 . Aus der Drehimpulsbedingung mvr = nh im bohrschen Modell folgt ν = v/(2πr) = nh/(2πmr 2 ), also pm = neh/(2m) = n · 1,2 · 10−29 V s m. Das ist die Definition des bohrschen Magnetons: Eine Elektronenbahn mit der Hauptquantenzahl n hat ein Moment von n bohrschen Magnetonen. Allgemein überträgt sich so die Drehimpulsquantelung in eine entsprechende Quantelung der magnetischen Momente. 7.2.4 Erdfeldmessung Die Nadel vom magnetischen Moment p steht im Feld H unter dem Drehmoment T = p × H. Bei kleiner Auslenkung (sin α ≈ α) bedeutet das ein elastisches Rückstellmoment, das zu Schwingungen mit der Kreisfrequenz √ ω = pH/J führt. Um H, genauer seine Horizontalkomponente, absolut zu messen, muss man p und J kennen. J lässt sich berechnen oder aus der Schwingungsdauer ohne Feld bei Aufhängung an einer Feder bekannter Torsionssteifigkeit bestimmen. p wird meist gemessen, indem man das Feld der untersuchten Nadel in seiner Wirkung auf eine andere Magnetnadel mit dem Erdfeld vergleicht. Die zweite Nadel (N2 ) wird frei aufgehängt,
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die erste (N1 ) in entsprechender Orientierung so weit an N2 herangeschoben, bis N2 umschlägt. In diesem Abstand r ist H = 2 p/(4πµ0r 3 ). Man hat also H/ p, der Schwingungsversuch lieferte Hp, sodass jetzt H und p einzeln bekannt sind. Einfacher ist die Vergleichsmessung z. B. mit dem Feld im Innern einer Spule, das leicht direkt als A/m anzugeben ist: Die Schwingungsdauern der Nadel verhalten sich wie die Werte H −1/2 . 7.2.5 Elektromagnet Da im Fall des Permanentmagneten kein ,,echter“, d. h. makroskopisch sichtbarer Strom fließt, muss rot H verschwinden. Da die H-Linien außen alle von N nach S laufen, müssen sie das im Eisen auch tun, und zwar so, dass das Umlaufintegral Null wird, ganz im Gegensatz zur Luftspule und auch der Kernspule, wo die H-Linien die Drähte einsinnig umkreisen. Dieses ,,falsch herum“ laufende H im Permanentmagneten nennt man manchmal demagnetisierendes Feld Hd . B dagegen ist immer divergenzfrei, das bei S eintretende Bündel von B-Linien läuft also bei allen drei Magnettypen auch im ,,richtigen“ Sinn durchs Innere, bis es bei N wieder austritt. Im Permanentmagneten ist B = µµ0 H nicht anwendbar, µ müsste sogar negativ sein. Wir sind auf dem ,,nordwestlichen“ Bogen der Hysteresisschleife, wo H negativ, B positiv ist. Wenn A und L Querschnitt und Dicke des Luftspalts sind, A und L Querschnitt und Länge des Eisens, gilt H L = −HL (rot H = 0) und B A = BA (div B = 0), B = µ0 H, also das Eisenvolumen V = L A = VB 2 /(µ0 H B ). Für die Tragkraft des Magneten kommt es auf das Feld im Luftspaltvolumen V an, genauer auf das ,,Energieprodukt“ VB 2 /µ0 . Damit dies bei gegebenem Eisenvolumen möglichst groß wird, muss das Produkt H B im Eisen maximal sein. Die entsprechende optimale Magnetisierung findet man aus der Hysteresiskurve aus der Bedingung, dass das einbeschriebene Rechteck maximale Fläche H B haben muss. 7.3.1 Weidezaun 6 V sind völlig harmlos. Man merkt sie nur an der feuchten Zunge zwischen nahestehenden Polen einer Batterie. Also müssen am Weidezaun höhere Spannungen liegen. Wer mal einen angefasst hat, weiß, dass solche Spannungen nur kurzzeitig periodisch dranliegen. Vor allem bitte nie draufpinkeln! Transformieren kann man nur Wechselstrom. Man muss also den Gleichstrom aus dem Akku periodisch unterbrechen. Das tut der Unterbrecher im Kasten, ein Schalter, der periodisch auf- und zugeht. Bei jedem Öffnen und Schließen erfolgt eine plötzliche Stromänderung, die in einer Spule oder einem Trafo eine Spannung induziert. Genauso macht der Unterbrecher im Auto aus dem Gleichstrom des Akkus die hohe Zündspannung, die einen ebenfalls fast umschmeißen kann. Das periodische Öffnen und Schließen könnte ein Motor besorgen wie im Auto. Es geht aber auch so: Ein Bimetallstreifen wird heiß, biegt sich also, wenn er von Strom durchflossen wird. Ohne Strom kühlt er ab und wird wieder gerade. So funktionieren die meisten Blinker in unseren Autos.
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7.3.2 Zebrastreifen im Meer In der Nähe eines ausgedehnten Körpers mit der Suszeptibilität χ (Erzlager, Schiff o. Ä.) ist die Normalkomponente des B-Feldes der Erde um den Faktor 1 + χ größer als anderswo. B⊥ tritt nämlich wegen div B = 0 stetig durch die Grenzfläche Erz-Luft, und im Erz ist B um den Faktor 1 + χ größer als im nichteisenhaltigen Gestein; an der Grenzfläche zwischen diesem und dem Erz herrscht rot B proportional zur Dichte der gebundenen Oberflächenströme, also ist B im Erz größer als draußen. In größerem Abstand wirkt das Objekt wie ein magnetischer Dipol. Der B-Unterschied gegen das unverzerrte Feld nimmt mit d 2 /r 2 ab, wo d eine charakteristische Abmessung des Objekts ist: ∆B ≈ χB0 d 2 /r 2 . Ein U-Boot mit Eisenrumpf (χ ≈ 103 , d ≈ 10 m) ergibt noch in mehr als 10 km Abstand ein merkliches ∆B ≈ 10−9 T, ein Erzlager mit χ ≈ 1, d ≈ 100 m fast ebenso weit, ein mächtiger Basalteinschluss (χ ≈ 10−2 ) etwas weniger. Die fossile Magnetisierung entspricht ähnlichen Größenordnungen. Die Entdeckung, dass die Streifen wechselnder Magnetisierungsrichtung ganz regelmäßige ,,Zebrastreifen“ auf dem Ozeanboden parallel zu den mittelozeanischen Rücken bilden, hat zur Wiederbelebung der Kontinentalverschiebungstheorie in der Plattentektonik beigetragen. 7.3.3 Trafo-Bleche Die Bleche müssen in B-Richtung liegen, damit die Ströme, die senkrecht dazu fließen, unterdrückt werden. Ein Blechquerschnitt der Dicke d und ˙ ˙ = Bad, der Länge a umfasst eine Flussänderung Φ die eine ebenso große Randspannung U induziert. Die Feldstärke, die im Wesentlichen längs ˙ ˙ 2a abfällt, ist also E ≈ Bd/2 und treibt eine Stromdichte j ≈ σ Bd/2. 2 2 2 Die Joule-Leistungsdichte p = jE ≈ σω B d /4 wird im Eisen frei. Sie nimmt wie d 2 ab, wenn man die gegeneinander natürlich durch Lackoder Papierschichten isolierten Bleche dünner macht. Bei Stäben vom Radius r ist die Fläche ad durch πr 2 , die Weglänge 2a durch 2πr zu ersetzen, an der Leistungsdichte ändert sich so gut wie nichts. Vergleich dieser Verlustleistung mit der Übertragungsleistung des Trafos: Wir vergleichen mit der Blindleistung UI = U 2 /(ωL) = Φ 2 ω/L des unbelasteten Trafos. Die übertragbare Wirkleistung ist sehr viel größer als diese Blindleistung, die nur den Magnetisierungsstrom I enthält. Drückt man die Induktivität der Primärspule als L = µµ0 N 2 A/l aus, erhält man ein Verhältnis PW /P ≈ σωµµ0 d 2 N 2 . Mit σ ≈ 3 · 106 Ω−1 m−1 (Spezialeisen mit geringer Leitfähigkeit), d = 0,1 mm und Netzfrequenz erreicht dieses Verhältnis schon bei nicht zu großen Windungszahlen N die Größenordnung 1. Im Verhältnis zur viel größeren übertragbaren Leistung (Primär- und Sekundärstrom kompensieren einander größtenteils in ihrer magnetischen Wirkung) machen die Wirbelstromverluste unter diesen Umständen nur einige Prozent aus. Bei Hochfrequenz werden die Verluste entsprechend ω sehr viel größer. Dort muss man Trafokerne aus Ferriten mit sehr geringer Leitfähigkeit oder gepresste Pulver mit sehr kleinem d verwenden.
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7.3.4 Seltsame Heizung Der Rahmen mit der Seitenlänge a umfasst, wenn er eine Strecke x ins Feld hineinragt, den Fluss Φ = ax B. Bei der Verschiebung mit x˙ = v wird ˙ = avB. Das ist gleichzeitig die induzierte Spannung. Sie springt auf Φ diesen Wert, wenn der Rahmen ins Feld eintritt, und fällt wieder auf 0, wenn er ganz drin ist. Die Spannung U = avB treibt einen Strom I = U/R = avBA/(4 a) = 2 000 A. Bei a = 1 m wird U = 40 V, die Leistung UI = 8 · 104 W erhitzt den 0,6 kg schweren Rahmen (Wärmekapazität 260 J/K) um ca. 300 K/s, also während des 0,05 s dauernden Hineinstoßens von 20◦ auf 35 ◦ C. Beim Herausreißen fließt der Strom in anderer Richtung, aber die Erwärmung ist wieder 15 K. Der Energiesatz wird befriedigt durch die Kraft, die man für beide Bewegungen braucht: F = Leistung/Geschw. = IU/v = aBI = 1,6 · 105 N = 16 t. 7.4.1 Analogie Im elektrischen Feld wird aus jedem atomaren Teilchen ein Dipol, der dem Feld gleichgerichtet ist. Dazu kommt natürlich die Orientierung bereits vorher vorhandener Dipole. Im magnetischen Feld ist der Orientierungseffekt für bereits vorhandene Dipole (Paramagnetismus) ganz ähnlich wie im elektrischen, aber die Erzeugung von Dipolen verläuft anders: Ladungen werden, klassisch betrachtet, zum Kreisen um die Feldlinien veranlasst. Die entstehenden magnetischen Dipole sind nach der Lenz-Regel dem Feld entgegengerichtet. Letzten Endes beruht der Unterschied wieder darauf, dass es keine magnetischen Ladungen gibt. 7.4.2 Larmor-Rotation Die Ladungen, die ein atomares Teilchen zusammensetzen, sind offenbar normalerweise kräftemäßig im Gleichgewicht, d. h., anziehende Kräfte, die z. B. zwei Ladungen zusammenreißen würden, sind durch die Zentrifugalkräfte entsprechender Umlaufsbewegungen kompensiert usw. Schaltet man nun ein Magnetfeld B ein, dann wird dieses Kräftegleichgewicht gestört. Jede Bahnbewegung einer Ladung e mit der Geschwindigkeit v führt zu einer Zusatzkraft ev × B. Das System hat aber ein ganz einfaches Mittel, um alle diese Zusatzkräfte auf einen Schlag zu kompensieren: Es braucht nur als Ganzes mit der Winkelgeschwindigkeit w zu rotieren, denn dabei treten Coriolis-Kräfte mv × w auf, die, wenn w = −eB/m ist, das Gleichgewicht genau wiederherstellen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass alle bewegten Teilchen geladen sind und die gleiche spezifische Ladung e/m haben, z. B. alle Elektronen sind. Ein Atom, in dem N Elektronen im mittleren Abstand r vom Kern sitzen, wird so zu einem Kreisstrom I = Ne2πω = B2πNe2 /m mit der Fläche πr 2 , also dem magnetischen Moment pm = −B2π 2r 2 Ne2 /m. Streng genommen ist r 2 hierbei durch den Mittelwert der Abstandsquadrate der Elektronen von einer Achse zu ersetzen, die parallel zu B ist und durch den Kern geht. Bei einer Teilchenzahldichte n hat das Medium die Magnetisierung J = −n B · 2π 2r 2 Ne2 /m, also die diamagnetische Suszeptibilität χ = −2π 2 nr 2 Ne2 /m .
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Für n = 1023 cm−3 , N = 5, r = 0,5 Å ergibt sich χ = − 5 · 10−6 , d. h. etwa der Wert für Wismut (praktisch braucht man nur die Außenelektronen zu zählen, da die inneren ein sehr viel kleineres r 2 haben). N2 -Gas hat nur n = 2 · 1019 cm−3 , also ergibt die Theorie ebenfalls einen vernünftigen Wert (vgl. Tabelle 7.1). 7.4.3 Dia oder Para? Alle Atome und Moleküle sind diamagnetisch, denn die Ursache dafür ist völlig allgemein für jedes Ladungssystem (vgl. Aufgabe 7.4.2). Bei einigen wird der Diamagnetismus durch den sehr viel stärkeren Paramagnetismus überdeckt. Das ist der Fall, wenn das Teilchen ein Permanentmoment hat. Im klassischen Bild der umlaufenden Elektronen tritt kein Paramagnetismus auf, wenn für jedes Elektron ein anderes vorhanden ist, das mit der gleichen Bahnform und -orientierung, aber im entgegengesetzten Sinn umläuft (gepaarte Elektronen). Ein ungepaartes Elektron hat ein Moment die Kreisbahnbedinpm = I A = eν · πr 2 . Dabei ist ν bestimmt durch √ gung mω2r = e2 /(4πε0r 2 ), also pm = 2π 2 e2 r/(4πε0 m). Ausrichtung dieser Momente ergibt entsprechend Aufgaben 6.2.3 und 7.4.5 die paramagnetische Suszeptibilität χ = Nn p2m /(3kT ) = π 3 e4rn N/(3ε0 mkT ) (N ungepaarte Elektronen im Teilchen, Teilchenzahldichte n). Vergleich mit Aufgabe 7.4.2 ergibt ein Verhältnis zwischen para- und diamagnetischer Suszeptibilität χp /χd = πe2 /(3ε0rkT ), also etwas größer als das Verhältnis der Bindungsenergie zur thermischen: 10 eV/0,025 eV ≈ 400. Atome oder Moleküle mit ungepaarten Elektronen sind also paramagnetisch. Dabei handelt es sich i. A. um die gleiche Elektronenpaarung, die auch die chemische Bindung bewirkt. Daher sind Moleküle mit abgesättigten Bindungen meist diamagnetisch. Sauerstoff zeigt durch seinen Paramagnetismus, dass er eigentlich aus ,,Radikalen“ besteht. Atome mit abgeschlossenen Elektronenschalen und -unterschalen sind ebenfalls diamagnetisch. 7.4.4 Metall-Paramagnetismus Im Magnetfeld zerfällt der vorher einheitliche Potentialtopf der Leitungselektronen in zwei Teiltöpfe, einer für die Elektronen mit parallel zum Feld eingestellten Spins, der andere für die mit der anderen Spinrichtung. Beide Töpfe haben identische Form, nur sind sie um die doppelte Dipolenergie 2 pm B B gegeneinander verschoben, wobei pm B das magnetische Moment des Elektronenspins (ein Bohr-Magneton) ist. Da in einem Metall das Leitungsband nicht vollbesetzt ist, werden Elektronen aus dem höheren in den niederen Topf übergehen, und zwar durch Umklappen ihrer Spins in die Feldrichtung. Dies geschieht so lange, bis die beiden Töpfe bis zur gleichen Höhe gefüllt sind. Dann sitzen so viel mehr Spins im feldparallelen Topf, wie Elektronen in der Energiezone der Breite 2 pm B B Platz haben. Wenn W0 die Gesamtbreite des Leitungsbandes ist, entfallen auf die Breite 2 pm B B im m3 ungefähr n2 pm B B/W0 Elektronen. Die Magnetisierung ist also J = n p2m B B/W0 . Die Suszeptibilität χ = µ0 n p2m B /W0 ist, obwohl sie nicht von der Temperatur abhängt, als paramagnetisch anzusprechen.
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Mit n ≈ 1023 cm−3 und W0 ≈ 2 eV = 3 · 10−19 J erhält man χ = 3 · 10−5 (vgl. Platin in Tabelle 7.1). 7.4.5 Langevin-Funktion Ein Teilchen mit dem Permanentmoment pm hat im Feld B die Energie W = pm × B = pm B cos α. Wir betrachten vereinfachend nur die parallele und die antiparallele Einstellung. Wie in Aufgabe 6.2.3 erhalten wir nach der Boltzmann-Verteilung die Anzahldichten nex /(ex + e−x ) und ne−x /(ex + e−x ) mit x = pm B/(kT ) in diesen beiden Richtungen. Im Gegensatz zum elektrischen Fall haben wir hier nicht ohne weiteres x 1, d. h. pm B kT angenommen und die Exponentialfunktion entsprechend entwickelt, denn, wie Aufgabe 7.4.6 zeigt, ist diese Näherung zumindest für Ferromagnetika nicht gerechtfertigt. Die Magnetisierung wird also J = n pm (ex − e−x )/(ex + e−x ) = n pm tanh( pm B/(kT )) (LangevinFunktion), ist also bei hohen Feldern nicht mehr proportional zu B, sodass sich keine Suszeptibilität mehr definieren lässt. Bei kleinen Feldern ist χ = µ0 n p2m /(kT ). 7.4.6 Warum nur Eisen? Ferromagnetismus setzt eine spontane Sättigungs-Magnetisierung in kleinen Bereichen voraus, die sich dann im Feld mehr oder weniger einheitlich ausrichten. Diese Sättigungsmagnetisierung kommt so zustande, dass sich die Permanentmomente von Nachbarteilchen gegenseitig ausrichten. Die Energie eines Dipols im Feld seiner Nachbarn muss dazu mindestens kT sein, sonst verhindert die thermische Bewegung die Ausrichtung. Die Energie eines Dipols pm im Feld eines anderen im Abstand a ist W ∼ p2m /a3 (vgl. Abschn. 6.1.6). Man braucht also möglichst große Momente in möglichst kleinem Abstand. Nach der Hund-Regel (vgl. Abschn. 15.1.4) bauen sich die Elektronen in eine Unterschale so ein, dass sie zunächst möglichst verschiedene Orbitals besetzen, d. h. dass Paarung möglichst vermieden wird (je verschiedener die Orbitals, desto kleiner die CoulombAbstoßungsenergie). Beim Aufbau der d-Schale, die im ganzen zehn Elektronen fasst, liegen in der Mitte der Reihe der ,,Übergangsmetalle“ Zustände mit vier oder fünf ungepaarten Elektronen. Demnach wären, wenn es allein auf pm ankäme, Cr, Mn, Fe die aussichtsreichsten Kandidaten für Ferromagnetismus. Der Abstand a geht aber noch stärker ein als pm . Er ist bestimmt durch den Radius der äußersten Schale, der nach Bohr wiederum durch Hauptquantenzahl n und effektive Kernladung Z eff gegeben wird: r ∼ n 2 /Z eff . n ist für die interessierende Reihe von Metallen immer 4, aber Z eff nimmt zu, denn die Innenelektronen können nicht den ganzen Zuwachs an Kernladung abschirmen. Daher schrumpft r, wie an der wachsenden Dichte der Übergangsmetalle ersichtlich, und p2m /a3 erreicht sein Maximum erst bei Fe, Co, Ni. Für Fe (vier ungepaarte Elektronen) braucht man, um zu erklären, dass die Spontanmagnetisierung erst bei 774 ◦ C (Curie-Punkt) zusammenbricht, den vernünftigen Wert a ≈ 1 Å (etwas weniger als den Atomabstand, der 2 Å beträgt). In den höheren Perioden ist der Atomradius schon zu groß (er geht zwar nicht mit n 2 , wie
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wenn Z eff konstant wäre, sondern ungefähr wie n). Erst in der Mitte der Seltenen Erden (Gd, Dy) gibt es, viel schwächer, etwas Ähnliches. 7.5.1 MHD-Generator Wenn ein Plasmastrahl mit v = 2 000 m/s auf d = 1 m Breite durch ein Magnetfeld B = 1 T tritt, erhält man ein E-Feld E = vB und eine Spannung U = Ed = vBd ≈ 2 kV. Die Leistung des Generators stammt aus der mechanischen Leistung, mit der man den Plasmastrahl durch das B-Feld pumpen muss, wobei man gegen eine Lorentz-Kraft IBd anzukämpfen hat, sobald ein Strom I fließt: Pmech = Fv = IBdv. In der elektrischen Leistung muss man den Spannungsabfall ∆U = IR im Plasmaraum beachten, der mit jedem Strom I verbunden ist. Der Widerstand R ist hier durch die begrenzte Leitfähigkeit des Plasmas bedingt: R = d/σA. Die Klemmenspannung des Generators sinkt also auf U = U0 − IR = vBd − Id/σA, die elektrische Leistung ist Pel = UI = IvBd − I 2 d/σA, der Wirkungsgrad η = 1 − I/σvBA, der Maximalstrom Im = vBσA. Da das Plasma direkt gegen magnetische Kräfte ankämpft, ist die Energieumwandlung direkter, als wenn man noch ein rein mechanisches Element wie einen Rotor mit Turbinenschaufel und Läuferwicklung dazwischenschaltet. – Beim HallEffekt werden die Ladungsträger durch das elektrische Feld angetrieben, Träger verschiedener Vorzeichen laufen also einander entgegen und werden im B-Feld auf die gleiche Seite gedrückt; die Hall-Spannung misst die Differenz der Einflüsse beider Trägersorten. Im MHD-Generator fliegen beide Trägersorten in gleicher Richtung und werden nach verschiedenen Seiten abgelenkt, die Spannung ergibt sich aus der Summe der Einflüsse beider Trägersorten. Existenz und Größe des Querfeldes hängen nicht von Leitfähigkeit und Ionisationsgrad des Plasmas ab, wohl aber hängt dessen Innenwiderstand davon ab, also Maximalstrom und entnehmbare Leistung. Selbst in gewöhnlicher Luft entsteht ein Querfeld, das aber beim geringsten Versuch zur Stromentnahme sofort zusammenbricht. Oberhalb eines gewissen Wertes bringt eine Steigerung der Ionisation übrigens keinen Gewinn an Leitfähigkeit mehr: Es ist σ = enµ, aber die Beweglichkeit µ hängt von der Anzahl der Stoßpartner ab wie µ ∼ 1/n, wenn so viele geladene Teilchen vorhanden sind, dass sie als Stoßpartner überwiegen. Dies ist bei ziemlich geringer Ionisation bereits der Fall, denn geladene Teilchen sind wegen ihres weit ausgedehnten Coulomb-Feldes viel effizientere Stoßpartner als neutrale. 7.5.2 Fernleitung Die Kraftwerksleistung ist 200 m · 5 000 kg/s · 10 m/s2 = 107 W. Gesamtwiderstand der Freileitung: R = 20 Ω. Wenn der Strom I fließt, geht in der Leitung eine Leistung RI 2 verloren. Diese soll höchstens 4 · 104 W betragen, also darf I höchstens 45 A sein. Um damit 107 W zu übertragen, braucht man eine Spannung U = 2,2 · 104 V = 22 kV. 7.5.3 Hochspannung Um eine Minimierung des Leistungsverlustes oder gleichbedeutend des Spannungsabfalls handelt es sich hier nicht. Praktisch ist man zufrieden,
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wenn beide 1–2% betragen (ein Kraftwerk, das 220 kV am Leitungsende abliefern soll, stellt seine Generatoren dann gleich auf 225 kV ein). Wenn Länge l und Verlust-Bruchteil β gegeben sind, geht das Kupfervolumen wie l 4 /U 2 (Leistung ∼ belieferte Fläche ∼ l 2 , notwendiger Querschnitt A ∼ l/U 2 , Aufgabe 7.5.2), der Isolieraufwand geht√wie Ul. Als Funktion von U hat al 4 /U 2 + blU ein Minimum bei U = 2a/bl. Realistische Kostenfaktoren ergeben 1 V/m. 7.5.4 R = 0 Kondensator und Spule, hintereinander geschaltet, haben den komplexen Widerstand R = 1/(iωC) + iωL = i(ωL − 1/(ωC)). Er wird 0, wenn √ ω = 1/(LC). Bei dieser Frequenz ist der Spannungsabfall an der Spule L I˙ = ωL I ebenso groß wie der am Kondensator Q/C = I/(ωC), aber um π phasenverschoben. Zwischen den Endklemmen der Schaltung liegt also keine Spannung, obwohl ein Strom fließt: Sie hat keinen Widerstand. Liegen L und C parallel, dann ist der Widerstand R = (iωC + √ 1/(iωL))−1 = i(1/(ωL) − ωC)−1 . Das wird ∞ bei ω 1/(LC). Jetzt sind die Ströme in den beiden Zweigen entgegengesetzt gleich, überlagern sich also in den Zuleitungen zum Strom 0, obwohl an C wie an L ein Spannungsabfall erfolgt. Wenn aber eine Spannung anliegt, ohne dass ein Strom fließt, ist der Widerstand ∞. 7.5.5 Reine Blindleistung Die Spulenspannung ist um π/2 phasenverschoben gegen den Spulenstrom (z. B. Strom ∼ sin ωt, Spannung ∼ cos ωt). Die Joule-Leistung IU ∼ sin ωt cos ωt wechselt also jede Viertelperiode ihr Vorzeichen: Was in einer Viertelperiode verausgabt wird, um das Magnetfeld aufzubauen, wird der Spule in der nächsten Viertelperiode quantitativ zurückerstattet, wenn das Feld wieder in die Spule zurückkriecht. Im Zeitmittel ist die Leistung 0. Entsprechendes gilt für den Kondensator, nur mit anderem Vorzeichen der Phasenverschiebung: Das elektrische Feld wird abwechselnd aufgebaut und kriecht wieder zurück. 7.5.6 Filterglieder Legt man links in Abb. 7.80a eine Spannung U1 mit der Kreisfrequenz ω an, dann fließt durch L und C der Strom I1 = U1 /R = U1 /(iωL + 1/(iωC)). Am Kondensator fällt die Spannung U2 = I1 /(iωC) = U1 /(1 − ω2 LC)
√ ab. Das ist die Spannung, die man links misst. Für ω ω0 = 1/(LC) ist RC RL , also U2 ≈ U1 : Die Schaltung lässt Niederfrequenz voll durch. Für ω ω0 ist U2 = −U1 /(ω2 LC): Hochfrequenz-Spannungen kommen kaum durch, übrigens mit umgekehrter Phase. Der Hochpass (Abb. 7.80b) zeigt das umgekehrte Verhalten. In c und d haben die Brückenglieder mit parallelen bzw. hintereinander liegenden L und C einen sehr hohen bzw. sehr kleinen Widerstand in der Gegend von ω0 (vgl. Aufgabe 7.5.4). Also fällt von der Eingangsspannung U1 im Fall c sehr viel, im Fall d sehr wenig als Ausgangsspannung an diesem Brückenglied ab, wenn ω ≈ ω0
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ist. Je mehr man sich von ω0 entfernt, desto schwächer wird diese Bevorzugung bzw. Benachteiligung. Wenn man rechts einen Verbraucher R einschaltet, ist der ohmsche Spannungsabfall an ihm, der durch den Ausgangsstrom bedingt wird, mitzuberücksichtigen. Die Vierpoltheorie hat elegante Methoden entwickelt, die alle Umrechnungen zwischen Eingangsspannung und -strom und Ausgangsspannung und -strom, verbunden durch die Matrix des Vierpols, sehr übersichtlich machen. 7.5.7 C- und L-Brücke Ganz entsprechend zum Fall ohmscher Widerstände lege man in einen der vier Zweige von Abb. 6.62 das zu messende Element (z. B. einen Kondensator), in die übrigen drei Zweige drei Elemente gleicher Art mit bekannter Größe, von denen mindestens eines regelbar ist. Man dreht daran wieder, bis das Instrument stromlos ist. Natürlich muss eine Wechselspannung angelegt werden. Stromlosigkeit erfordert wieder: Verhältnis der (Wechselstrom-)Widerstände oben = Verhältnis der (Wechselstrom-)Widerstände unten. Hier sind komplexe Widerstände gemeint, nicht ihre Beträge. In Aufgabe 7.5.13 wird eine solche Messbrücke zur Frequenzmessung angewandt und genauer diskutiert. 7.5.8 Additiver Zweipol Ein einzelnes R, L oder C verhält sich bestimmt additiv. Wenn eine bestimmte Schaltung sich additiv verhält, d. h. wenn sie durch einen stromunabhängigen komplexen Widerstand Z charakterisierbar ist, kann man sie erweitern durch Dahinter- oder Parallelschalten eines weiteren Elements mit dem Widerstand z. Bei Reihenschaltung ergibt sich für die erweiterte Schaltung Z = Z + z, bei Parallelschaltung Z = 1/(Z−1 + z −1 ). Jede Schaltung lässt sich schrittweise so aufbauen und erhält damit ihren Wert Z, der den linearen Zusammenhang zwischen I und U stiftet. 7.5.9 Ortskurve Beweis durch vollständige Induktion: Für das variable Element allein ist die Behauptung richtig, denn seine Z- und Y -Ortskurve sind Stücke der reellen oder imaginären Achse, also Kreisbögen mit unendlichen Radien. Wenn man ein weiteres Element hinzufügt, muss man das bei Reihenschaltung im Z-Bild und bei Parallelschaltung im Y -Bild machen, nämlich die bisherige Ortskurve um den Z- bzw. Y -Wert des neuen Elements verschieben und außerdem zur Umrechnung von Z auf Y oder umgekehrt eine komplexe Inversion durchführen. Alle diese Transformationen verwandeln aber Kreise (oder Geraden) immer wieder in Kreise (oder Geraden). Wenn man die ganze, beliebig komplizierte Schaltung aufgebaut hat, durchläuft ihr Z oder Y beim Verstellen des veränderlichen Bauteils immer noch einen Kreisbogen, dessen Lage und Radius man allerdings erst angeben kann, wenn man diesen Aufbau der Schaltung im Einzelnen verfolgt. 7.5.10 Lorentz-Karussell Eine Lorentz-Kraft, die überwiegend in eine Richtung zeigt, kommt trotz Strom und Magnetfeld nicht zustande, wenn Strom und Magnet-
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feld um π/2 gegeneinander phasenverschoben sind. Wenn der Strom wie sin ωt geht und das Feld wie cos ωt, folgt die Kraft F ∼ IB einem sin ωt cos ωt ∼ 12 sin 2ωt, und dies ist ebenso oft positiv wie negativ. Eine solche Phasenverschiebung π/2 liegt vor, wenn in und vor der Magnetspule kein ohmscher Widerstand liegt. Dann sind Magnetstrom und Feld um π/2 gegen die Spannung verschoben, während der Elektrolytstrom der Spannung direkt folgt. Ein zu großer ohmscher Widerstand vor der Magnetspule macht deren Strom und das Feld zu klein, obwohl das Feld dann fast die richtige Phase hat. Das Optimum liegt dazwischen, aber wo? Der komplexe Widerstand der Spule plus Vorwiderstand ist Z = R + iωL. Wir brauchen den Magnetstrom I1 = U/Z = YU mit dem Leitwert Y = Z −1 = 1/(R + iωL) = (R − iωL)/(R2 + ω2 L 2 ). Der Elektrolytstrom I2 ist phasengleich mit der Spannung, die Lorentz-Kraft F ∼ I1 I2 ∼ Y . Physikalisch interessiert der Realteil der Kraft; er ist proportional zum Realteil von Y , nämlich R/(R2 + ω2 L 2 ). Diese Funktion von R hat ein Maximum der Höhe 1/(2ωL) bei R = ωL. Versuchen Sie es zur Abschreckung auch ohne komplexe Rechnung mit Sinus und Cosinus. Noch eleganter als die komplexe Rechnung ist die Ortskurvenmethode. 7.5.11 Spiegelgalvanometer Die Spule des Galvanometers bewegt sich bei Stromfluss so, dass die ˙ den ohmschen Spannungsabfall bei der Drehung induzierte Spannung Φ ausgleicht. Das gilt, bis der mechanische Widerstand des Spiegelsystems gegen Verdrehung wesentlich wird. Die stationäre Auslenkung ϕ ist durch Gleichheit von Feldenergie und mechanischer Energie L I 2 = Dϕ2 festgelegt. Man kann auch sagen: Die innerhalb der Zeitkonstanten L/R erzeugte Joule-Energie RI 2 · L/R = L I 2 ist gleich der mechanischen Energie Dϕ2 . Diese hat aber, selbst ohne eingeprägten Strom, infolge der thermischen Schwankungen des als Riesenmolekül aufgefassten Spiegelsystems den Mittelwert 12 kT ; ebenso groß ist die mittlere kinetische Energie der Schwingung. Man kann das so deuten: Die Zitterschwingungen, die dem kinetischen Anteil entsprechen, induzieren in der Spule, die ja immer im Permanentfeld hängt, einen Strom, dessen Zeitmittel durch 2 ≈ kT gegeben ist. Ursache und Wirkung sind hier aber nicht zu trenL Ith nen, und man kann sagen: Die Elektronen im Spulendraht erzeugen durch ihre thermische Zitterei einen Strom, der durch Wechselwirkung mit dem Permanentmagnetfeld die Spule zu den mechanischen Zitterschwingungen zwingt. Besonders verallgemeinerungsfähig ist das Ergebnis in der 2 = kT/(Rτ) = ∆ωkT/R, wo τ die Zeitkonstante des Systems und Form Ith ∆ω die Breite des Frequenzbereichs ist, den die Schaltung mit merklicher Intensität durchlässt. Beim Spiegelgalvanometer ist τ = L/R und ∆ω = R/L. 7.5.12 Rauschen Wir betrachten einen einfachen Kreis, in dem eine Kapazität C und ein Widerstand R hintereinander liegen. Auch ohne Spannungsquelle muss der Kondensator, als Riesenmolekül aufgefasst, die mittlere Energie kT haben. Sie kommt so zustande, dass sich durch thermische Schwankungen bald
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in der einen, bald in der anderen Platte in regellosem Wechsel winzige Überschussladungen ansammeln, sodass Q 2 /C = CU 2 = kT wird. Der entsprechende ,,Ladestrom“ fließt durch den Draht und den Widerstand 2 = U 2 /R2 = kT/(RRC) = kT/(Rτ) = kT ∆ω/R. und ist gegeben durch Ith Wieder wie in Aufgabe 7.5.11 ist das Quadratmittel des Rauschstroms gegeben durch kT/R-mal dem Frequenzbereich der Schaltung, deren Widerstand ja ab ω = 1/(RC) rein ohmsch wird. Der Strom ist völlig unperiodisch, d. h. alle Frequenzen sind in seiner Zeitabhängigkeit gleich stark vertreten: Er hat ein horizontales, ,,weißes“ Fourier-Spektrum. Nur Frequenzen unterhalb 1/(RC) kommen für die Kondensator-Aufladung in Betracht. Allgemein fällt in den Frequenzbereich ∆ω eine Leistung 2 = kT ∆ω des Widerstandsrauschens (Nyquist-Formel). RIth 7.5.13 Messbrücke Das Voltmeter ist abgeglichen, d. h. spannungsfrei, wenn für die Spannungsabfälle in den einzelnen Zweigen gilt U1 = U4 und U2 = U3 . Dabei verhalten sich U1 und U2 wie die Widerstände in diesen Zweigen, entsprechend für die Zweige 4 und 3. Natürlich muss man hierbei komplexe Widerstände betrachten: R3 /R4 = Z 2 /Z 1 = (R2 + 1/(iωC2 ))(R1−1 + iωC1 ) = R2 /R1 + C1 /C2 + i(ωC1 R2 − 1/(ωC2 R1 )) . √ Es folgt ω = 1/(C1 C2 R1 R2 ) = 1/(C R) und R3 /R4 = R2 /R1 + C1 /C2 = 2. Mit C = 1 µF müsste R zwischen 8 Ω und 3 kΩ verstellbar sein. Mit zwei gleichartigen Gliedern kann man zwar C messen, aber nicht ω, denn ω fällt dann aus der Abgleichbedingung heraus. 7.5.14 Schwingkreis Die homogene Gleichung wird gelöst durch Q = Q 0 eλt , wobei durch Einsetzen folgt C −1 + Rλ + Lλ2 = 0, also λ1,2 = −R/(2L) ± √ 2 R /(4L 2 ) − 1/(LC). Bei R < 2 L/C (schwache Dämpfung, Schwing−δt −iω0 t , wobei δ = R/(2L) 0t fall) ist λ komplex: Q = Q 1 e−δt eiω + Q2e e die Dämpfungskonstante,√ ω0 = 1/(LC) − R2 /(4L 2 ) die gegenüber der Thomson-Frequenz 1/(LC) √ (dämpfungsfreier Fall) verstimmte Grenzfall) folgt Kreisfrequenz ist. Bei R = 2 L/C (aperiodischer √ λ1 = λ2 = −R/(2L), also Q = Q 1 e−δt . Bei R > 2 L/C (Kriechfall) sind beide λ reell: Q = Q 1 e−(δ+δ1 )t + Q 2 e−(δ−δ1 )t , wobei δ1 = R2 /(4L 2 ) − 1/(LC). Der Strom ergibt sich amplituden- und phasenmäßig durch Multiplikation mit iω, die Spannung am Kondensator durch Division durch C, am ohmschen Widerstand durch Multiplikation mit iωR, an der Spule durch Multiplikation mit −ω2 L. Bei der inhomogenen Gleichung überlagert sich der i. Allg. schnell abklingenden freien Schwingung die angeregte mit der Anregungsfrequenz und einer Amplitude und Phase, die durch die Resonanzkurven Abb. 4.18 und 4.19 dargestellt sind. Das Amplitudenmaximum liegt = 1/(LC) − R2 /(4L 2 ), die Amplitude ist im Schwingfall bei ω m 2 2 dort Q 0 = U√ 0 /(R 1/(LC) − R /(4L )), die Breite des Berges ist −1 ∆ω ≈ ω0 R L/C (Abstimmschärfe des Schwingkreises).
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7.5.15 Transformator mit Schmelzrinne Man investiert primär 220 V · 1,5 A = 0,33 kW, in 15 s also 5 kJ. Die Wärmekapazität des Kupferringes ist 8 J/K (Volumen π(25 − 9)/20 = 2,5 cm3 , Masse 22 g). Zinn schmilzt bei 231 ◦ C Sekundär hat man also etwa 1 700 J ausgenutzt. Wirkungsgrad 35%. Die Verluste sind wohl hauptsächlich Wärmestrahlungs- und Konvektionsverluste aus dem heißen Ring, denn in der Sekundärwicklung misst man annähernd 750 A und 0,44 V. 7.5.16 Trafo-Gewicht B darf höchstens am Anfang des Sättigungsbereichs liegen, sonst werden der Magnetisierungsstrom und die Eisenverluste zu hoch. Damit ist B auf weniger als 1 T festgelegt, ebenso die Spannung/Windung U/N = ωAB und N ∼ 1/A, wenn U = 220 V. Der Kupferverlust RP 2 /U 2 darf nur einen kleinen festen Bruchteil von P betragen: R ∼ U 2 /P. Zum Wickeln haben wir auch etwa ∼ A/N ∼ A2 , Draht√ A zur √ Verfügung: Drahtquerschnitt −5/2 länge ∼ N A ∼ 1/ A, also R ∼ A ∼ 1/P, Eisen- und Kupfermasse ∼ A3/2 ∼ P 3/5 . Ob der Trafo zu heiß wird, ist damit noch nicht gefragt. Reine Strahlungskühlung verlangt A ∼ P, also m ∼ P 3/2 . 7.5.17 Trafo-Brummen Man könnte das Brummen auf ein Scheppern der Bleche des Trafo-Kerns zurückführen, die ständig mit 50 Hz ummagnetisiert werden, also sich mit 100 Hz abwechselnd abstoßen oder nicht (gleichsinnige Magnetisierung). Das mag sein, aber dieser Anteil des Brummens ändert sich kaum mit der Belastung, denn in erster Näherung sind Φ und B im Eisen unabhängig von der Belastung, nämlich so groß, dass sie die Primärspannung U1 ˙ = N1 A B˙ = U1 . Unter Berücksichtigung der Kupferverinduzieren: N1 Φ luste, also des ohmschen Widerstandes R1 der Primärspule z. B., verteilt sich allerdings diese Spannung U1 je nach Belastung verschieden auf den ohmschen und den induktiven Teil: Bei Belastung, also i. Allg. größerem Primärstrom I1 , entfällt mehr Spannung auf R1 , also müsste danach ein belasteter Trafo leiser brummen. Er brummt aber i. Allg. lauter. Das kann nicht am Eisen liegen, sondern an den Wicklungen. Das B-Feld, das z. B. die Primärspule außerhalb des Eisens durchsetzt, hängt von dem eigenen Strom I1 ab und ist bei Belastung größer (wenn auch nicht so groß wie im Eisen mit seinem hohen µ). Nicht ganz fest vergossene Wicklungen, von parallelen Strömen durchflossen, scheppern infolge der gegenseitigen wechselnden Anziehung. 7.5.18 Gleichstrommotor: Wirkungsgrad Reihenschluss: η = ωL /(ωL + R) steigt mit wachsendem ω, kein Maximum. Nebenschluss: η = L x(1 − √x)/[L(1 + z − x)] mit x = ω/ωm , z = Rr /Rs . Extrema bei x = 1 + z ± z(1 + z). Die +-Lösung zählt nicht, denn sie liegt bei x > 1. Die −-Lösung ergibt ein Maximum, denn η(x) steigt für kleine x. Das Maximum liegt umso näher an x = 1, je kleiner z ist. Bei z → ∞ wandert es nach x = 12 , wo auch die Leistung maximal ist. Bei
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großem z ist allerdings η auch bestenfalls sehr klein: ηmax = L /(4zL). Die Leistung wird fast ganz in Rr verzehrt. Bei z 1 ist dagegen ηmax ≈ L /L. 7.5.19 Gleichstrommotor: Regelung Nebenschluss: Vergrößerung von Rr senkt Tm , während ωm bleibt; die Kennlinie wird flacher, ,,weicher“, der Wirkungsgrad sinkt (vgl. Aufgabe 7.5.18), I sinkt auch; kurzzeitig beim Anlassen verwendet. Vergrößerung von Rs steigert ωm und senkt Tm . Der unbelastete Motor dreht sich immer so schnell, dass die induzierte Gegenspannung gleich der angelegten Spannung ist (Ir = 0, weil T = 0); bei kleinerem Is , also kleinem Φ ist dazu eine höhere Drehfrequenz erforderlich. Wenn Us und Ur unabhängig sind, folgt T = L Us2 (Ur /Us − ωL/Rs )/(Rr Rs ). Die Kennlinie verschiebt sich nach unten, wenn man Ur senkt, ohne dass sich bei unverändertem Us die Steigung ändert. Der Drehsinn kehrt sich um, wenn man entweder Ur oder Us umpolt. 7.5.20 Dynamo Die feststehende Spule wird von einem wechselnden B-Feld durchsetzt, wenn sich der Hohlzylinder dreht. Wenn nämlich die Eisenstäbe dicht vor den Polschuhen des Magneten stehen, bilden sie praktisch einen Teil der Polschuhe, d. h. der Luftspalt mit der Spule darin, den das Feld zu durchsetzen hat, ist schmäler, als wenn die Spalte vor den Polschuhen stehen. Dreht sich dann die Eisentrommel um 90◦ , so wird das B-Feld durch die seitlich stehenden Eisenstege kurzgeschlossen, und durch die Spule treten kaum noch Feldlinien. Diese B-Änderung induziert in der Spule eine Spannung, deren Frequenz doppelt so groß ist wie die Drehfrequenz der Trommel: Jeder Schlitz entspricht einem Minimum des Magnetflusses. Die Amplitude der Spannung ist etwa N ABω (N, A Windungszahl und Windungsfläche der Spule, B Maximalfeld, B/2 Feldamplitude). 7.5.21 Spaltpolmotor Der Wechselfluss in K erzeugt in O1 und O2 Wirbelströme, deren Magnetfeld sich dem Feld aus K überlagert und dieses gegenüber dem ungestörten Feld phasenverschiebt. Dadurch entstehen effektiv zwei Paare von Magnetpolen, die insgesamt ein magnetisches Drehfeld erzeugen. Dieses nimmt den Rotor mit wie beim Asynchronmotor. 7.5.22 Asynchronmotor Die Leerlaufdrehfrequenz 730 U/min lässt auf vier Polpaare schließen; das Drehfeld rotiert dann mit 750 U/min, Lagerreibung und Luftwiderstand bedingen einen Schlupf von knapp 3%. Bei 1 500 Nm liegt das Kippmoment Φ 2 /L, die Kippdrehzahl ist ω1 = ω0 − R/L = 570 U/min, woraus folgt R/L = 18,85 s−1 . Daraus kann man das Anlaufmoment erschließen: T0 = Φ 2 /L · ω0 /(R/L + ω20 L/R) = 340 Nm. Ein Zusatzwiderstand R , über die Schleifringe in Reihe zum Kurzschlussläuferwiderstand gelegt, senkt die Kippfrequenz und steigert zunächst das Anlaufmoment, solange noch (R + R )/L < ω20 ist. R und L lassen sich aus den Angaben nicht getrennt bestimmen.
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7.6.1 Skineffekt Je kleiner der spezifische Widerstand, desto dünner ist die leitende Schicht beim Skineffekt. Silber und Kupfer haben bei Zimmertemperatur und Netzfrequenz (ω = 300 s−1 ) etwa d = 6 mm: Nur fingerdicke Leiter zeigen merkliche Stromverdrängung. Bei sehr tiefen Temperaturen nimmt der Widerstand von sehr reinem Kupfer um fast drei Zehnerpotenzen ab, d. h. d wird dann etwa 0,2 mm. Bei Supraleitern kann d sogar bis auf einige Å abnehmen. Ein Draht vom Radius r leitet bei der Frequenz ω nur noch mit seiner Mantelfläche 2πrd, falls d r. Sein Widerstand nimmt also um den Faktor πr 2 /(2πrd) = r/(2d) zu. Beim Tesla-Trafo mit ν = 4,5 · 106 Hz, ω = 3 · 107 s−1 , r = 1 mm wird dieser Faktor etwa 30. 7.6.2 Bewegt sie sich doch? Aus dem ganzen System (Hohlkugel + eingeschlossene Ladung Q) muss der elektrische Feldfluss Φ = Q/ε0 treten. Ist dieses Feld kugelsymmetrisch, und wenn ja, wo liegt sein Mittelpunkt? Die Messfläche verlaufe ganz im Metall der Hohlkugel. Dort, wie in jedem Metallkörper, herrscht kein elektrisches Feld, sonst träte sofort eine Ladungsverschiebung ein, die das Feld vernichtete. Der Fluss durch die Messfläche ist also Null: Auf der Innenseite der Kugel ist die Ladung −Q influenziert und verschiebt sich bei Bewegung der eingeschlossenen Ladung so, dass sie das Feld im Metall zum Erliegen bringt. Da die Hohlkugel nach wie vor im Ganzen neutral ist, sitzt außen eine Gegenladung Q. Wie ist sie verteilt? Von innen, vom Metall der Hohlkugel, spürt sie kein Feld, also verteilt sie sich wie jede Ladung auf einer Metallkugel: gleichmäßig. Von außen sieht man eine mit Q gleichmäßig geladene Kugel, dort herrscht ein kugelsymmetrisches Feld mit dem Mittelpunkt im Kugelzentrum, unabhängig von Lage oder Bewegung der eingeschlossenen Ladung. Da E zeitlich konstant ist, gibt es bestimmt kein ,,induziertes“ B-Feld. Aber die bewegte eingeschlossene Ladung Q bedeutet doch ein Stromelement. Wird dessen Wirkung nach außen ,,zufällig“ durch die entsprechende Verschiebung der influenzierten Ladungen auf der Kugelinnenseite ausgeglichen? Dass dies ˙ + j. Autatsächlich eintritt, zeigen die Maxwell-Gleichungen: rot H = D ˙ ßen sind ja j und D sicher Null, also ist H wirbelfrei. Quellenfrei ist jedes Magnetfeld sowieso, und ein quellen- und wirbelfreies Feld ist entweder homogen (unmöglich, da es in unendlicher Entfernung verschwindet), oder Null. Kann die influenzierte Ladung auch sehr schnellen Bewegungen der eingeschlossenen Ladung perfekt folgen? Das wäre nur bei wesentlicher Verschiebung innerhalb der Relaxationszeit τ = ε0 /σ nicht mehr der Fall. Bei jedem Metall ist aber τ höchstens von der Größenordnung 10−16 s, und in dieser Zeit sind selbst mit Lichtgeschwindigkeit Verschiebungen nur um atomare Entfernungen möglich. 7.6.3 Vektorpotential Man braucht nur folgende rein mathematische Tatsachen: Jedes Vektorfeld ist (quellenfreies) Wirbelfeld + (wirbelfreies) Quellenfeld; ein grad -Feld ist wirbelfrei, ein rot-Feld quellenfrei: div rot a ≡ 0, rot grad b ≡ 0. Demnach sind die Wirbelfreiheit von E und die Quellenfreiheit von B,
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d. h. div B = 0 automatisch gesichert durch E = −grad ϕ und B = rot A (A: Vektorpotential). Wenn B sich ändert, ist E nicht mehr wirbelfrei ˙ also nicht mehr allein als grad ϕ darstellbar. Die Erweite(rot E = − B), ˙ ϕ und A rung E = −grad ϕ − A˙ erfüllt automatisch rot E = − rot A˙ = − B. haben im Ganzen vier Komponenten, sind also einfacher als die sechs Komponenten von E und B. ϕ ist nur bis auf eine additive Konstante, A nur bis auf grad ψ festgelegt, denn rot grad ψ = 0, d. h. Zufügung von grad ψ mit beliebigem zeitunabhängigen ψ beeinflusst weder E noch B. Mit anderen Worten: A = Wirbelfeld + Quellenfeld, wobei B nur durch das Wirbelfeld bestimmt ist, das Quellenfeld und seine Quellendichte div A beliebig festgelegt werden können. Es wird µ0 rot H = µ0 rot rot A = −µ0 ∆A + ¨ d. h. mit µ0 ε0 = 1/c2 und µ0 grad div A = µ0 j − µ0 ε0 gradϕ˙ − µ0 ε0 A, 2 ¨ 2 = −µ0 j. Andererseits (Lorentz-Konvention): ∆A− A/c div A = −ϕ/c ˙ ˙ div D = ε0 div E = −ε0 (div A + ∆ϕ) = , mit der Lorentz-Konvention ∆ϕ − ϕ/c ¨ 2 = − /ε0 . Ohne Ladungen und Ströme folgen A und ϕ der Wellengleichung, im statischen Fall folgt die Poisson-Gleichung. 7.6.4 Poynting-Vektor Der Draht vom Radius r verbinde etwa zwei Kondensatorplatten. Er sei so dünn oder bestehe aus einem so schlechten Leiter, dass trotz seines Vorhandenseins eine Spannung U und ein Feld E = U/d am Kondensator aufrechterhalten bleiben. Der Strom I = U/R erzeugt im Abstand a ein Magnetfeld H = I/(2πa) senkrecht zur Drahtrichtung, also senkrecht zu E. Der Poynting-Vektor S zeigt also überall nach innen, und zwar hat er den Betrag S = E H = U 2 /(d2πaR). Über den ganzen Mantel des Zylinders vom Radius a bedeutet das einen Energiefluss Sd2πa = U 2 /R nach innen, unabhängig von a. Das ist genau die joulesche Leistung, die im Draht als Wärmeproduktion auftritt. Statt zu sagen, diese Leistung stamme aus der Spannungsquelle, kann man also auch den freilich zunächst eigenartig anmutenden Standpunkt vertreten, diese Leistung ströme aus dem Außenraum von allen Seiten in den Draht ein. 7.6.5 Antenne Die Länge einer Rundfunk-Stabantenne hat mit der zu empfangenden Wellenlänge nichts zu tun (sonst müsste man sie ja beim Senderwechsel mit verstellen). Von einer Abstimmung der Antenne kann man also nicht reden. Antenne und Erde bilden einen Kondensator, der sich kapazitiv an das Wellenfeld ankoppelt und umso mehr Spannung einfängt, je länger die Antenne ist. Sendetürme, besonders für UKW- und Meterwellen, die nicht an der Ionosphäre reflektiert werden, sondern nur bis zum optischen Horizont gehen, sind möglichst hoch angebracht, damit dieser Horizont möglichst weit wird. Die Abstrahlung ist am besten, wenn die Antennenlänge λ/2 ist (Abschn. 7.7.8). 7.6.6 Ionosphäre Bei einem Abstand 2a zwischen Sender und Empfänger und einer Höhe √ h der reflektierenden Schicht hat der reflektierte Strahl eine Strecke 2 a2 + h 2 − 2a weiter zu laufen als der direkte. Wenn auf diesen
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Gangunterschied eine ganze Anzahl √ √ von Wellenlängen fällt, also wenn 2 a2 + h 2 − 2a = nλ, ν = cn/(2 a2 + h 2 − 2a), verstärken direkte und reflektierte Welle einander. Der Abstand von 3 kHz ist also gleich √ c/(2 a2 + h 2 − 2a), d. h. h = 150 km. 7.6.7 Fading √ Die Laufstrecke s = 2 a2 + h 2 eines reflektierten Strahls ändert sich bei √ einer Höhenänderung dh um ds = 2h dh/ a2 + h 2 . Damit man zwischen Interferenz-Maximum und -Minimum schwankt, muss√sich ds um eine halbe Wellenlänge ändern, also die Höhe um dh = 14 λ a2 + H 2 /h. Bei a h bedeutet das dh = 14 λa/h. Für einen Sender mit 500 Hz (600 m) und h = 100 km bedeutet das dh = 1,5 · 10−3 a, bei a = 1 000 km also dh = 1,5 km. Für nähere Sender genügen noch kleinere Schwankungen der Ionosphärenhöhe. Ultrakurzwellen werden nicht an der Ionosphäre reflektiert, sondern dringen durch sie durch. 7.6.8 UHF-Wellen Am Draht der Länge l liege die Spannung U, es fließe der Strom I. Das elektrische und das magnetische Feld des Drahtes erfüllen ein Volumen von der Größenordnung l 3 . Dort ist E ≈ U/l, also die elektrische Feldenergie Wel ≈ ε0l 3 U 2 /l 2 = ε0 U 2 l, woraus die Kapazität C ≈ ε0l folgt. Das Magnetfeld ist H ≈ I/(2πl) (näher am Draht ist es stärker, aber dieser Bereich trägt mit seinem kleinen Volumen nur wenig zur Gesamtenergie bei); die magnetische Energie ist Wm ≈ µ0 H 2l 3 ≈ µ0lI 2 /(2π), also die IndukC ≈ 10−13 F, L ≈ 10−7 H, also tivität L ≈ µ0l/(2π). Bei √ l ≈ 1 cm wird 10 die Eigenfrequenz ω0 = 1/(CL) ≈ 10 s−1 , die Wellenlänge λ ≈ 0,2 m. Für solche Frequenzen wirkt also jeder noch so kurze Zuleitungsdraht als Schwingkreis, dessen Widerstand im Wesentlichen induktiv oder kapazitiv, also stark frequenzabhängig ist. Das Prinzip: ,,Alle HF-Zuleitungen so kurz wie möglich“ genügt also im Meterwellengebiet nicht mehr. In den Hohlleitern macht man von diesem frequenzabhängigen Verhalten gerade Gebrauch. Ihre Kapazitäten, Induktivität und Eigenfrequenzen lassen sich ganz genauso abschätzen. 7.6.9 TV-Signal Das Signal ist eine periodische Folge von Rechteckimpulsen. Seine Fourier-Zerlegung lautet (abgesehen vom konstanten Glied, dem Mittelwert) Aπ −1 (sin ωt + 13 sin 3ωt + 15 sin 5ωt + . . . ), wenn man t = 0 in die aufsteigende Flanke legt: Ungerade Funktion, nur sin; T/2 sin kωt dt = A/(πk) . ak = 2AT −1 0
Die Punktfrequenz bei 25 Bildern/s, 625 Zeilen/Bild, 625 Punkten/Zeile ist 10 MHz. Wenn der Streifen n Punkte breit sein soll, bricht seine FourierReihe nach dem n/2-ten Glied ab. Die aufsteigenden Flanken (t ≈ 0) lauten also Ant/(2π) (Entwicklung der Sinus), d. h. erstrecken sich über mindestens zwei Bildpunkte. Beiderseits der Flanke schießt die SinusReihe etwas über das Ziel (den Hell- bzw. Dunkelwert im Streifen) hinaus.
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Der sinnesphysiologische Kontrasteffekt wirkt im gleichen Sinn: Hell, das an Dunkel grenzt, wirkt noch heller und umgekehrt. 7.6.10 Lecher-Bleche q sei die Ladung/Längeneinheit des Doppelblechs. Sie erzeugt ein Feld E, sodass Eb dx = q dx/(εε0 ), also die Spannung U = Ed = qd/(εε0 b) zwischen den beiden Blechen. Die Kapazität/Längeneinheit ist C ∗ = q/U = εε0 b/d. Durchs Doppelblech fließe der Strom I. Die Stromdichte ist j = I/(bδ) (δ: Blechstärke). Zwischen den Blechen herrscht dann das Magnetfeld B = µµ0 jδ = µµ0 I/b (vgl. (7.35)). Bei einer Stromänderung I˙ ändert sich der Magnetfluss quer durch ˙ dx = µµ0 d I˙ dx/b ˙ = Bd einen Abschnitt dx des Doppelblechs wie d Φ ˙ und induziert eine Spannung dU vom gleichen Betrag wie d Φ. Aus dU/dx = L ∗ I˙ folgt durch Vergleich die Induktivität/Längeneinheit L ∗ = µµ0 d/b. – Im Abstand r von der Achse des Koaxialkabels erzeugt die Ladung/Längeneinheit q ein Feld E, sodass 2πrE = q/(εε0 ),
l
b d I
⫹⫹⫹⫹⫹⫹⫹⫹ E
δ
⫹⫹⫹⫹⫹⫹
B d
⫺⫺⫺⫺⫺⫺⫺⫺
I
⫺⫺⫺⫺⫺⫺
dx
Abb. L.6. LecherLeitung aus parallelen Blechen mit Ladungsverteilung, elektrischem Feld (↓↓↓) und Magnetfeld (× × ×)
B
I
r2 r1
Abb. L.7. Verteilung des Magnetfeldes in einem Koaxialkabel
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L*
C*
Z
(a) R* L* C*
1 G*
(b)
Z
Abb. L.8. Ein ideales Kabel als Strickleiter aus Spulen und Querkapazitäten (a) und ein reales Kabel (b)
also eine Spannung U = q ln(r2 /r1 )/(2πεε0 ) zwischen Innen- und Außenleiter. Es folgt C ∗ = q/U = 2πεε0 / ln(r2 /r1 ). Das Magnetfeld um den Innenleiterstrom I ist so, dass 2πrB = µµ0 I. Mit I˙ ist eine Flussänderung durch die Innen und Außenleiter eines Kabelstücks ˙ = dx r2 B˙ dr = µµ0 I˙ ln(r2 /r1 )/(2π) verbundx begrenzte Fläche d Φ r1 den, also ein Spannungsabfall dU/dx = L ∗ I˙ = µµ0 I˙ ln(r2 /r1 )/(2π), d. h. L ∗ = µµ0 ln(r2 /r1 )/(2π). Für das Doppelblech wie das Koaxialkabel ist C ∗ L ∗ = εε0 µµ0 = c−2 εµ. 7.6.11 Wellenleiter Wir schalten eine Reihe von Spulen hintereinander und ebenso viele Kondensatoren quer dazu. Induktivität bzw. Kapazität pro Längeneinheit seien L ∗ bzw. C ∗ . Längs des Leiterstücks dx fällt die Spannung um dU = L ∗ dx I˙, wenn sich der Strom zeitlich wie I˙ ändert, speziell bei einem Sinussignal dU = iωL ∗ I dx. Dies ist die Maschenregel für diesen Fall. Die Knotenregel liefert längs derselben Strecke einen Stromabfall, der gleich dem Querstrom über die Kapazität ist: d I = q˙ dx = C ∗ U˙ dx, für ein Sinussignal d I = iωC ∗ U dx. Beide Gleichungen U = iωL ∗ I, I = iωC ∗ U 2 ∗ ∗ (Strich: Ableitung nach x) liefern zusammen U = −ω √ L C U und dieselbe Gleichung für I. Die Lösung ist U = U0 sin(ω L ∗ C ∗ x). Zu einer festen Zeit hat die Spannungsund auch die Stromverteilung eine √ √ Wellenlänge λ = 2π/(ω L ∗ C ∗ ). Die Welle läuft mit ωλ/(2π)√ = 1/ L ∗ C ∗ über die Leitung. Nach Aufgabe 7.6.10 ist das gleich c/ ε: Die Geschwindigkeit einer Welle im Isolationsmedium hängt nicht davon ab, ob Leiter darin sind, nur ihre Amplitude hängt davon ab. Wenn die Leitung den ohmschen Widerstand R∗ und den Querleitwert G ∗ pro Längeneinheit hat, wird der Spannungsabfall U = (iωL ∗ + R∗ )I, der Stromabfall I = (iωC ∗ + G ∗ )U, es folgt U = (iωL ∗ + R∗ )(iωC ∗ + G ∗ )U, also eine abklingende Welle U = U0 e−δx eiω(t−x/c) . Die Größen δ und k = ω/c ergeben komplizierter Weise als Real- und √ sich∗ in ziemlich ∗ )(iωC ∗ + G ∗ ). Nur für hohe Frequenzen (iωL + R Imaginärteil von √ ω R∗ G ∗ /(L ∗ C ∗ ) kann√die Welle mehrere Perioden machen, bevor sie (iωL ∗ + R∗ )(iωC ∗ + G ∗ )U = (iωL ∗ + R∗ )I ganz abklingt. Aus √ U = ∗ folgt U/I = Z = (iωL + R∗ )/(iωC ∗ + G ∗ ). Das ist der Wellenwiderstand der Leitung.
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7.6.12 TV-Kabel Nach Aufgabe 7.6.11 ist der Wellenwiderstand Z tatsächlich unabhängig von der Kabellänge. Wenn er auch frequenzunabhängig sein soll, muss √ R∗ ωL ∗ und G ∗ ωC ∗ sein,√also Z = L ∗ /C ∗ . Beim Koaxialkabel ist nach Aufgabe 7.6.10 Z = L ∗ /C√∗ = µ0 (ln r2 /r1 )2 /(4π 2 εε0 ) = 60 Ω. Für das Vakuum gilt Z = µ0 /ε0 = 326,7 Ω, also folgt 4π 2 ε/(ln r2 /r1 )2 = 29,6. Da r2 ≈ 2 mm, r1 ≈ 0,3 mm, muss die Isolation ε ≈ 2,7 haben. Für die 240 √ Ω-Doppelleitung, aufgefasst als Doppelblech mit d ≈ b, folgt aus Z ≈ µ0 /(εε0 ) = 240 Ω ein ε von ähnlicher Größe. Wenn Sie die Doppelleitung wählen sollten, malen Sie sie nicht etwa an und legen Sie sie nicht unter Putz: Es ist eben kein Doppelblech, die Felder dringen teilweise aus dem Kabel heraus, und wenn dort keine Luft ist, stimmt der Wellenwiderstand nicht mehr. 7.6.13 Kabelabschluss Hin- und rücklaufende Welle überlagern sich zu einer stehenden Welle, in der Energie nur stellenweise hin- und herschwappt, aber nicht kontinuierlich fließen kann. Schließt man die Kabelenden über einen Widerstand zusammen, der gleich dem Wellenwiderstand des ganzen Kabels ist, dann ,,denkt“ die Welle, das Kabel gehe immer so weiter, und wird nicht reflektiert. Die Betrachtung der Widerstandsleiter (Aufgabe 6.3.9) liefert mit allgemeinen komplexen Widerständen Z 1 im Holm und Z 2 quer dazu in jeder Sprosse einen Gesamtwiderstand Z = Z 1 /2 ± Z 12 /4 + Z 1 Z 2 , der gleichzeitig der Abschlusswiderstand ist, bei dem vorn niemand merken kann, ob die Leiter hinten unendlich weitergeht oder nicht. Wenn ein KaC ∗ dx hat, belstück dx die Längsinduktivität L ∗ dx und die Querkapazität 1 ∗ 2 ∗ ist der Abschlusswiderstand Z = 2 iωL dx(1 ± 1 − 4/(ω L C ∗ dx 2 )). Hier muss man sinngemäß dx gegen 0 gehen lassen. √ Dadurch wird das zweite Glied in der Wurzel beliebig groß, und Z = L ∗ /C ∗ wird ein ohmscher Widerstand, der genauso groß ist wie der Wellenwiderstand des Kabels. Dies stimmt auch, wenn das Kabel einen Längswiderstand und eine Querleitfähigkeit hat (Aufgabe 7.6.11), nur ist der Abschlusswiderstand dann i. Allg. nicht rein ohmsch und wird frequenzabhängig. Der richtig angepasste Empfänger hat ebenfalls den Eingangswiderstand Z, z. B. 60 Ω oder 240 Ω. 7.6.14 Wellenwiderstand Für die Doppelleitung ist E = U/d und H = I/b, also stimmen beide Definitionen des Wellenwiderstandes nur für d = b überein (wo aber unsere Betrachtungsweise nicht mehr stimmt, denn sie setzt d b voraus). Das Koaxialkabel hat E = U/(r ln(r2 /r1 )), H = I/(2πr); nur bei ln(r2 /r1 ) = 2π, d. h. r2 = 535r1 ist U/I = E/H. Da man so extreme Geometrien im Hausgebrauch kaum wählen kann, hätte die Fernsehoder Ultrakurzwelle, sogar abgesehen vom Einfluss des Isoliermaterials, beim Übergang aus der Luft ins Antennenkabel ähnliche Schwierigkeiten wie eine Schallwelle beim Übergang von der Luft ins Wasser (Aufgabe 4.2.7) oder Licht beim Übergang von Luft in Glas. Die ,,Anpassung“
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zwischen den beiden Medien besorgen im Mittelohr die Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss, Steigbügel), in der Antenne tut es ein Übertrager, d. h. ein 1 : 1-Trafo. – Innerhalb der Doppelleitung ist der Poynting-Vektor S = E H = UI/(db), er zeigt in Richtung der Leitung, denn E und H stehen quer dazu und senkrecht aufeinander. Insgesamt fließt durch den Leiterquerschnitt db die Leistung Sdb = UI: Man kann diese Leistung ebenso gut durch Strom und Spannung in den Blechen wie aus der reinen Feldvorstellung ausdrücken. Beim Koaxialkabel ist E = U/(r ln(r2 /r1 )), H = I/(2πr), S = UI/(2πr 2 ln(r2 /r1 )). Die Leistung ergibt sich durch Integration über den Querschnitt: r r P = r12 2πrSdr = UI/ ln(r2 /r1 ) · r12 dr/r = UI, auch hier. 7.6.15 Widerspruch? Wir haben für Doppelblech und Koaxialkabel nur Wellenmodes betrachtet, die sich um die Existenz der leitenden Wände eigentlich gar nicht kümmern, weil ihr E-Feld überall senkrecht auf den Wänden steht. Für solche Modes sieht zwischen den Wänden das Feld genauso aus wie im Vakuum und breitet sich auch ebenso schnell aus. Anders z. B. im rechteckigen Hohlleiter: Wenn E z. B. senkrecht zu einem Wandpaar steht, ist es parallel zum anderen und würde darin gewaltige Ströme auslösen, es sei denn, es nimmt an diesen Wänden auf 0 ab. Das Feld hat also nicht mehr die Vakuum-Konfiguration, der Einklemmeffekt lässt die Welle schneller fortschreiten. Dasselbe passiert auch im runden Koaxialkabel mit allen Wellenmodes, deren E-Feld nicht überall radial gerichtet ist. 7.6.16 Tscherenkow-Strahlung In dem Feldimpuls, der das geladene Teilchen begleitet, herrschen die Felder E = e/(4πε0r 2 ), B = vE/c2 = ev/(4πε0 c2r) = evµ0 /(4πr 2 ), H = ev/(4πr 2 ). E und H stehen senkrecht aufeinander, also hat der Poynting-Vektor den Betrag S = E H = e2 v/(16π 2 ε0r 4 ), seine Richtung ist parallel zur Teilchenbahn. Betrachten wir ihn trotzdem als radial, so erhalten wir eine Abstrahlungsleistung P = 4πr 2 S = e2 v/(4πε0r 2 ). Diese Leistung ist, vom Abstand r aus betrachtet, in einem Impuls der Dauer t ≈ r/v konzentriert, hat also die beherrschende FourierKomponente ω ≈ t −1 ≈ v/r. Wir ersetzen also r durch v/ω und erhalten P = e2 ω2 /(4πε0 v). Diese Leistung wird in Form von Photonen hω abgestrahlt. Ihre Anzahl/s ist P/(hω) ≈ e2 ω/(4πεhv), ihre Anzahl/m Bahnlänge ist d N/dx = P/(hωv) ≈ e2 ω/(4πε0 hv2 ). Da der Tscherenkow-Effekt nur bei v ≈ c auftritt, gilt auch d N/dx ≈ αω/c, wo 1 die Feinstrukturkonstante ist. ω gibt hier die Maα = e2 /(4πε0 hc) = 137 ximalfrequenz an, mit der Photonen noch ausgesandt werden können. Dies ist nur der Fall, wenn die Brechzahl n > 1 ist (Aufgabe 18.3.8), d. h. nur bis zur höchsten Resonanzfrequenz des Atoms (Abschn. 10.3.3). Für ein H-Atom entspricht dieses ω/c = λ−−1 der höchsten Lyman-Frequenz, d. h. der Rydberg-Konstante: ω/c ≈ 107 m−1 . Im Feld eines Kerns mit der Ordnungszahl Z werden Maximalenergie und Maximalfrequenz um den Faktor Z 2 größer. Wir erhalten d N/dx ≈ αZ 2 107 ≈ 105 Z 2 (Weglänge in Meter). Dies weicht nur um den Faktor 2 von der beobachteten und
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streng berechneten Photonenzahl ab. Diese Emission bremst natürlich das Teilchen so schnell ab, dass es selten meterweit kommt. Die Anzahl der Photonen ist proportional Z 2 , ihre Maximalenergie ebenfalls, und zwar etwa Wmax = Z 2 · 10 eV. Damit wird die Wellenlänge x ≈ W/Z 4 (W in MeV, x in Meter). 7.6.17 Pulsar Abschätzungen für Radius R des 1,5 ms-Pulsars: (1) R < c/ω = 72 km; (2) ω2 R√< G M/R2 ⇒ R < 3 G M/ω2 ≈ 20 km; (3) L ∼ R2 ω = const ⇒ R ∼ 1/ ω, R ≈ 10 km; (4) Radius des Neutrons 1,2 · 10−15 m, Sonne enthält etwa 1057 Nukleonen, also R ≈ 20 km. Strahlung: Hier ändert sich ein magnetischer Dipol und strahlt ähnlich wie ein sich ändernder elektrischer hauptsächlich mit seiner Änderungsfrequenz. Den Anschluss an den Hertz-Strahler findet man am besten, wenn man an den Strom denkt, der das Magnetfeld B erzeugt. Angenommen, er fließt durch den ganzen Sternquerschnitt, dann ist außen B ≈ µ0 I/(2πR). Den Strom kann man darstellen I = πR2 j = πR2 env. Insgesamt fließt im Ganzen Stern die Ladung Q = 43 πR3 ne, also B = 38 µ0 Qv/(πR2 ), B˙ = 38 µ0 Q v˙ /(πR2 ). Nach (7.130) strahlt eine beschleunigte Ladung mit der Leistung P = 16 Q 2 v˙ 2 /(πε0 c3 ), hier P ≈ π B˙ 2 R4 /(µ20 ε0 c3 ) = πB 2 ω2 R4 /(µ20 ε0 c3 ). Allein durch sein kreiselndes Magnetfeld strahlt ein Pulsar also etwa Millionen Mal stärker als die Sonne, wenn auch hauptsächlich im kHz-Bereich. Sonst könnte man solche Objekte auch nicht in den 104 –105 Lichtjahre entfernten Kugelsternhaufen entdecken. Diese Strahlungsleistung kann nur entnommen werden aus der Rotationsenergie W = 12 Jω2 = 15 MR2 ω2 . Die Lebensdauer der Rotation ist also τ = W/P ≈ Mµ20 ε0 c3 /(5πR2 B 2 ). Daraus ergibt sich B ≈ 3 · 106 T für den 30 ms-Pulsar, 104 T für den 1,5 ms-Pulsar. Hier ist natürlich nur die zur Drehachse senkrechte Feldkomponente gemeint. Das Gesamtfeld kann etwa hundertmal größer sein. Wenn bei der Kontraktion der Magnetfluss erhalten bleibt, kommt man von den 0,001 T der Sonne tatsächlich auf ähnliche Werte. Die Periodizität kommt natürlich daher, dass ein Dipol nicht in alle Richtungen gleichzeitig strahlt (Leuchtturmeffekt). 7.6.18 Röntgenquelle Ein Pulsar als Neutronenstern enthält keine getrennten Kerne mehr, geschweige denn solche mit Elektronenschalen. Auch die Materie, die um ihn kreist oder die er einfängt, ist einschließlich der innersten Schale ionisiert. Ein Atom um Z = 65 könnte eine K -Linie in dieser Gegend haben, aber warum sollte ausgerechnet eine seltene Erde so überwiegen? Für eine Kreisbahn im B-Feld muss neben mv2 /r = evB die Quantenbedingung mvr = nh gelten. Damit folgen die Bahnenergien zu Wn = 12 mv2 = neBh/(2m) (äquidistante Terme). Die 58 keV verlangen B ≈ 109 T. Die Sonne mit ihren 10−3 T könnte auch bei Kontraktion auf 10 km höchstens ein normaler Pulsar mit 107 T werden, aber es gibt Hauptreihensterne mit dem 100- bis 1 000fachen Magnetfeld.
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= Kapitel 8: Lösungen . . . 8.1.1 Austrittsarbeit Die Feldlinien strahlen zunächst radial vom Elektron aus, biegen dann aber bald auf die Metallplatte zu und münden überall senkrecht in sie ein. Täten sie es nicht, verschöbe die zur Oberfläche parallele Feldkomponente die Ladungen im Metall so lange, bis die senkrechte Stellung erreicht ist. Genauso sieht eine Hälfte eines Dipolfeldes aus: Auch hier stehen die Feldlinien senkrecht auf der Mittelebene. Metall und Elektron (Abstand d) ziehen sich also an wie zwei Ladungen +e und −e im Abstand 2d, nämlich mit der Kraft e2 /(16πε0 d 2 ), genannt Bildkraft oder Spiegelkraft; die positive Ladung ist ja das Spiegelbild des Elektrons am Spiegel der Metalloberfläche. Das gilt aber nur bis zu Abständen, die etwa gleich dem Atomabstand im Metall sind, denn für noch kleinere Abstände ist das Metall sicher nicht mehr glatt. Das Elektron aus diesem Abstand d0 bis ins Unendliche zu entfernen, kostet die Energie W = e2 /(8πε0 d0 ). Cs und Ba haben große d0 , also kleine W. Aus der Dichte 2 000 kg/m3 des Cs folgt d0 = 5 · 10−10 m, also W = 1,4 eV, was hervorragend stimmt. 8.1.2 Glühemission Ein Elektron hat die Wahrscheinlichkeit e−W/(kT ) , beim Anrennen gegen die Metalloberfläche ins Freie zu kommen. Die n Elektronen/m3 laufen √ mit v = 3kT/m, also rennen 16 nv Elektronen m−2 s−1 an, genau wie bei der kinetischen Herleitung des Gasdrucks. Die Emissionsstromdichte sollte also sein je = 16 env e−W/(kT ) = 16 en 3kT/m e−W/(kT ) . Die√ Integration der Maxwell-Verteilung liefert etwas√ genauer je = en kT/(2πm)e−W/(kT ) . Hier steht vor dem Exponenten T statt T 2 wie in (8.1). Das wäre noch nicht so schlimm, aber der eben berechnete Zahlenwert stimmt ganz und gar nicht: n ≈ 1029 m−3 , v ≈ 2 · 105 m/s bei 1 000 K, also sollte der Faktor 16 env ≈ 5 · 1014 A/m2 sein. Gleichung (8.1) mit C = 6 · 105 A m−2 K−2 und die Messung liefern nur 6 · 1011 A/m2 , also 800-mal weniger. Außerdem sollte die Dichte n der freien Elektronen in den einzelnen Metallen ziemlich verschieden sein, während experimentell für alle fast der gleiche Faktor herauskommt. Hier zeigt sich deutlich, dass die Metallelektronen nicht der Maxwell-Boltzmann-, sondern der Fermi-Dirac-Statistik gehorchen (vgl. Aufgabe 19.3.1). 8.1.3 Arrhenius-Auftragung Die Arrhenius-Auftragung einer Größe x, die als Funktion der Temperatur T gemessen wurde, also die Auftragung ln x über 1/T zeigt sofort anschaulich, ob es sich um ein Gesetz der Form x = x0 e−W/(kT ) handelt. Wenn das der Fall ist, stellt ln x = ln x0 − W/(kT ) eine Gerade mit der Neigung W/k und dem Ordinatenschnittpunkt bei ln x0 dar. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Ordinatenachse T = ∞ entspricht. Genauere Analyse der ,,Geradheit“ der gemessenen Punkteschar in dieser Auftragung (lineare Regression mit den Variablen ln x und 1/T ) liefert Bestwerte für
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diese Größen, dazu ihre wahrscheinlichsten Fehler, den Korrelationskoeffizienten usw. In der Praxis nimmt man einfach-logarithmisches Papier, rechnet auf 1/T um, zeichnet die Messpunkte ein und zieht die Gerade, wenn dies angebracht erscheint, ,,nach Gefühl“. Bei der Ausmessung der Steigung beachte man den Faktor 2,3 zwischen 10 log und ln. 8.1.4 Kompensationseffekt Im Experiment Nummer i misst man die Beziehung z = Ai e−Wi /(kT ) und zeichnet die Arrhenius-Gerade ln z = ln Ai − Wi /(kT ). Alle diese Geraden sollen sich in einem Punkt schneiden. Zwei Gerade y = a1 − b1 x und y = a2 − b2 x schneiden sich in x = −(a1 − a2 )/(b1 − b2 ). Wenn diese Schnittkoordinate für alle Geradenpaare dieselbe sein soll, müssen a und b linear zusammenhängen: ai = x0 bi + c, oder in unserem Beispiel ln Ai = Wi /(kT0 ) + C, womit die Arrhenius-Geraden lauten ln z = Wi /(kT0 ) − Wi /(kT ) + C. Hieraus sieht man direkt, dass alle diese Geraden den gemeinsamen Punkt mit den Koordinaten 1/T0 , C haben. Wie kommt es zu einem solchen Zusammenhang zwischen Ai und Wi , der manchmal über 90 Zehnerpotenzen (!) von Ai zu beobachten ist? Es gibt über ein Dutzend Erklärungen, von denen manche auf spezielle Modelle beschränkt sind (anorganische und organische Halbleiter, chemische Katalyse, biochemische Reaktionen), manche den Effekt überhaupt als Artefakt erklären. Die allgemeinste ist wohl diese. In Ai versteckt sich eigentlich eine Aktivierungsentropie: Ai ∼ e Si /R . Der Kompensationseffekt tritt auf, wenn Si und Wi linear zusammenhängen. Das ist, wenigstens in einem beschränkten Bereich, unter sehr allgemeinen Bedingungen der Fall (vgl. z. B. Aufgabe 5.5.5). 8.1.5 Aktivierungsenergie Wir betrachten ein System, das u. A. zwei Zustände mit den Energien W1 und W2 und den Entropien S1 und S2 annehmen kann. Si = k ln Pi , wo Pi die Wahrscheinlichkeit der Konfiguration ist, die den Zustand i ausmacht, und zwar bevor von einem evtl. Energieunterschied überhaupt die Rede ist, also P1 /P2 = e(S1 −S2 )/k . Der Energieunterschied bedingt nach Boltzmann einen weiteren Faktor e−(W1 −W2 )/(kT ) . Das Verhältnis der Zustandswahrscheinlichkeit ist also e(TS1 −W1 )/(kT )−(TS2 −W2 )/(kT ) = e−(F1 −F2 )/(kT ) .
(L.1)
Liegt das System in sehr vielen Ausgaben vor, so gibt (L.1) im Gleichgewichtsfall das Verhältnis der Anzahlen, in denen die beiden betrachteten Zustände vorliegen. Man kann dies auf jedes Teilchenensemble anwenden, nur darf man z. B. in kondensierter Materie die Teilchen nicht als isoliert von ihrer Umgebung betrachten. W und S beziehen sich auf das Teilchen mit der von seinem Zustand beeinflussten Umgebung. Wird diese z. B. beim Übergang von Zustand 1 in den Zustand 2 deformiert, so sind Deformationsenergie und -entropie zu ∆W und ∆S hinzuzurechnen. Für die Häufigkeit der Übergänge zwischen zwei Zuständen ist wichtig, dass diese Übergänge durch Zwischenzustände führen können, die höhere Werte von F = W − TS haben als die beiden Endzustände. Dies ist sogar die Regel:
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Wären die Zustände 1 und 2 nicht wenigstens lokale Minima von F, würde sich niemand für sie interessieren, denn das System hielte sich praktisch nie in ihnen auf. Die ,,F-Töpfe“ 1 und 2 sind also i. Allg. durch einen Wall getrennt, dessen Passhöhe als Aktivierungsenergie FA = WA − TSA (eigentlich freie Aktivierungsenergie) bezeichnet wird. Die Übergangsrate zwischen 1 und 2 ist proportional der Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen zufällig mindestens das F auf sich versammelt, das es zum Übersteigen des Passes braucht, also z. B. gegenüber seiner Normallage im Topf 1 die F-Differenz FA − F1 . Diese Wahrscheinlichkeit ist bestimmt durch den Faktor e−(FA −F1 )/(kT ) . Da FA − F1 um viele kT größer sein kann als F2 − F1 , kann dieser Faktor eine völlig andere Größenordnung haben als das Verhältnis der Gleichgewichtskonzentrationen. Deswegen misst man oft für die Gleichgewichtsverteilung (,,statisch“) eine ganz andere Aktivierungsenergie als für die Stärke des Übergangs (,,dynamisch“). Bei der Glühemission ist das nur deshalb nicht der Fall, weil die beiden Zustände nicht durch eine Passhöhe, sondern nur durch eine Stufe getrennt sind. 8.1.6 h-Messung Kennt man die Austrittsarbeit W des Kathodenmaterials, so ergibt sich h sofort aus der Frequenz νGr , bei der der Photostrom einsetzt: h = W/νGr . Sowohl h als auch W findet man, wenn man die eingestrahlte Frequenz ν allmählich steigert (monochromatisches Licht!) und gleichzeitig die Photoelektronen durch eine regelbare Gegenspannung von der Anode fernhält. Die Gegenspannung UG , bei der dies gerade nicht mehr gelingt, gibt die Austrittsenergie W = eUG der Elektronen. UG als Funktion von ν sollte eine Gerade liefern, die die ν-Achse bei W/e schneidet und die Steigung h/e hat. Eine solche h-Messung ist also streng genommen immer eine h/e-Messung. 8.1.7 Lichtschranke Für eine Einbruchsicherung (außer z. B. in einem nachts beleuchteten Juwelierschaufenster) ist offenbar nur UV- oder UR-Licht geeignet. Jede UV-Lampe emittiert auch stark im Sichtbaren; ein Filter würde für einen aufmerksamen Einbrecher immer noch zu viel Sichtbares durchlassen. Arbeiten wir also im UR. Hier kommen nur Oxidkathoden in Frage (vgl. Tabelle 8.1). Ohne besondere Verstärkung (die heute allerdings kein Problem mehr ist) brauchte man, um z. B. ein Relais zu schließen, das den Alarmstrom steuert, etwa 1 mA Photostrom, d. h. ca. 1016 Elektronen/s, ausgelöst durch mindestens ebenso viele Photonen. Hat die emittierende Lampenfläche ca. 0,1 cm2 Querschnitt, und konzentriert die Kondensorlinse ca. 1% der Gesamtemission auf die Photokathode, so entspricht das einer Emissionsdichte von ca. 1019 hν cm−2 s−1 , was bei λ = 1 µm, also hν ≈ 2 · 10−19 J, etwa 2 · 10−3 J cm−2 s−1 bedeutet. Nach StefanBoltzmann ist dies die Gesamtemissionsdichte eines Temperaturstrahlers von ca. 5 000 K. Ohne Verstärkung kommt man also nicht aus. Verstärkt man z. B. 1 000-mal, dann kann man mit 1017 hν cm−2 s−1 arbeiten, was der Gesamtemission einer Temperaturstrahlung von knapp 2 000 K entspricht.
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Ihr Maximum liegt bei 1,5 µm, und in den benutzten Spektralbereich fällt genug Energie. Die Breite der Planck-Kurve ist ≈ kT , d. h. 3 · 10−19 J, das Frequenzintervall 0,9–1,2 µm enthält die erforderliche Energie. 8.1.8 Feldemission Das Plateau der Höhe W, auf das die Metallelektronen gehoben werden müssen, um ins Freie zu kommen, wird durch ein richtig gepoltes Feld E, d. h. ein Potential U = W/e − Ex (x: Abstand von der Metalloberfläche) in eine Schwelle mit dreieckigem Querschnitt verwandelt. Im Abstand x0 = W/(eE) wird U = 0, d. h. das übliche Energieniveau der Metallelektronen ist wieder erreicht. Bei E = 104 V/cm und W = 1 eV ist x0 = 10−4 cm, bei 106 V/cm (Vakuum, um Durchschlag zu vermeiden) nur noch 10−6 cm. Wie die Quantenmechanik zeigt (Abschn. 12.7.2), kann ein Elektron durch eine √ solche Schwelle in3/2der1/2Zeit dt mit der Wahrscheinlichkeit ν0 dt e−αx0 2mW/h = ν0 dt e−αW m /(heE) tunneln, n Elektronen/cm3 liefern also die Emissionsstromdichte 3/2 1/2 j ≈ env e−αW m /(heE) . Sie steigt außerordentlich steil mit dem Feld E an: Bei E = 106 V/cm erhält man etwa 10−8 A/m2 , bei 107 V/cm 108 A/cm2 . 8.1.9 Feldemissionsmikroskop In eine evakuierte Kugel (Radius R) mit Leuchtstoff-Belegung ragt ein sehr dünner Draht (Radius r0 ), an dem ein positives Potential U liegt. Das praktisch radiale Feld E ≈ U/r um die Spitze, nahe daran sehr groß, treibt die feldemittierten Elektronen auf den Leuchtstoff und bildet dort die Spitze um R/r0 vergrößert ab. Jedes Fremdatom an der Spitze ändert das Emissionsvermögen und wird so sichtbar. 8.1.10 Multiplier Wenn man mit acht Multiplierstufen 108 -mal verstärken will, muss jede Stufe 10-mal verstärken, d. h. ein auftreffendes Elektron muss 10 Sekundärelektronen auslösen. Bei einer Austrittsarbeit von 2 eV muss daher das Primärelektron mit mindestens 20 eV ankommen. Bei so geringem Energieüberschuss ist aber die Ausbeute der Sekundäremission äußerst gering. Praktisch überhöht man mindestens um den Faktor 3–5, was 60–100 V zwischen je zwei Dynoden entspricht, also 600–1 000 V zwischen letzter Dynode und Kathode. Hat man z. B. ein 1 000 V − 5 mA-Netzgerät, so wird man die Spannungsteilung durch zehn hintereinander geschaltete Widerstände von je mindestens ca. 50 kΩ bewerkstelligen, damit bei je 100 V etwa 2 mA fließen. Der Anodenstrom beim Auftreffen von 100 Elektronen/s oder 100 Photonen/s auf die Kathode wird ca. 10−9 A, was sogar mit einem Lichtmarkengalvanometer messbar ist. 8.1.11 Eggert-Saha-Gleichung Siehe Lösung 8.1.12.
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8.1.12 Thermische Ionisation Sei N0 die Teilchenzahldichte der Moleküle oder Atome, n die der einfach positiven Ionen (andere Ionisierungsstufen mögen nicht zählen), also N = N0 − n die der neutralen Teilchen. Das Massenwirkungsgesetz sagt dann, dass im Gleichgewicht n 2 /(N0 − n) = Ae−Wi /(kT ) . A ist das Verhältnis der statistischen Gewichte der Zustände ,,Ion + Elektron“ und ,,neutrales Teilchen“. Das statistische Gewicht für ,,Ion + Elektron“ ist das Produkt der statistischen Gewichte zweier freier Teilchen, also ist A gleich dem statistischen Gewicht eines freien Teilchens: A = (2πmkT )3/2 /h 3 . Das ist der gleiche Faktor, der auch in der Fermi-Verteilung auftritt. Also (2πmkT )3/2 −Wi /(kT ) n2 e =B. = N0 − n h3 Wenn n N0 (geringer Ionisierungsgrad) folgt sofort die Eggert-SahaGleichung in der Form (8.4). Wie man sieht, rührt der Faktor Wi /2 im Exponenten daher, dass die rekombinierenden Teilchen statistisch gleichberechtigt sind. Auf jedes entfällt sozusagen nur die Hälfte der Überschussenergie Wi über den neutralen Zustand. Eigentlich erhält man eine quadratische Gleichung mit der Lösung n = −B/2 ± B 2 /4 + BN0 . Das gibt (8.4), wenn B 4N0 , also n N, aber n ≈ N bei B 4N0 . Die Grenze B = 4N0 ist ziemlich scharf und lässt sich auch darstellen (2πmkT )3/2 M −Wi /(kT ) e oder 4h 3 Wi ln = a + 32 ln T − . kT Das ist die in Abb. 8.9 angegebene Grenzkurve im , T -Diagramm. Sie liegt bei gegebenem T bei umso höherem , je größer M und je kleiner Wi ist. Dabei überwiegt der Einfluss von Wi i. Allg. bei tieferen Temperaturen; bei sehr hohem T (kT Wi ) ist nur noch die Massenabhängigkeit da. Deswegen überschneiden sich die H- und die He-Kurve. =
8.1.13 Ionisation in der Sonne Photosphäre: = 2 · 10−7 g/cm3 , neutral; 10 000 km: = 3 · 10−2 g/cm3 , ionisiert. Dazwischen starke Konvektion (Abschn. 11.3.3). 8.2.1 Wettkampf der Felder E = 104 V/m übt auf Proton F ≈ 10−15 N aus, ebenso wie ein Schwerefeld von 1011 g: Erst ganz nahe (10 km) an einem Schwarzen Loch von Sonnenmasse wird das erreicht. 8.2.2 E-Ablenkung In der Formel (8.10) für die Ablenkung im Kondensatorfeld kann man alles konstant lassen, wenn man von Elektronen zu Protonen übergeht, außer Ue : Die Beschleunigungsspannung muss umgepolt werden, denn
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sonst laufen die Protonen nach hinten weg. Damit kehrt natürlich auch die Ablenkung s ihr Vorzeichen um. 8.2.3 α-, β-, γ-Strahlung Die elektrische Ablenkung allein liefert e/W, die magnetische allein e/ p (e, W, p Ladung, Energie, Impuls). Beide zusammen liefern v und e/m. Erst z. B. eine direkte Ladungsmessung trennt e und m. Für β-Teilchen ist e/m fast 4 000-mal größer als für α-Teilchen, also kann B bei gleichem elektrischen Feld 20-mal kleiner sein. Bei γ -Strahlung lässt die Nichtablenkbarkeit selbst in den größten Feldern auf sehr kleines e oder sehr großes W und p schließen. Nimmt man an, die Elementarladung sei unteilbar, dann ergeben sich z. B. aus dem mit 0,1◦ Genauigkeit festgestellten Ausbleiben der Ablenkung in einem 10 cm langen 10 kV/cm-Feld Energien von mindestens 30 MeV. Da alle übrigen Zerfallsenergien bei der natürlichen Radioaktivität viel kleiner sind, schloss man bald, dass die γ -Strahlung keine Ladung hat. 8.2.4 Oszillograph Legt man an die x-Platten die Spannung Ux = U1 sin ωt, an die yPlatten U y = U2 sin(ωt + δ), dann erhält man bei verschiedenen Werten von U1 /U2 und δ Kreise, Ellipsen und Gerade mit den verschiedensten Halbachsen, Orientierungen und Exzentrizitäten: Kreis bei U1 = U2 und δ = π/2, Gerade mit tan α = U2 /U1 bei δ = 0, sonst Ellipsen mit dem gleichen Kippwinkel. Diese Amplituden- und Phasenverhältnisse lassen sich am einfachsten herstellen, wenn man Spulen, Kondensatoren, Widerstände in verschiedener Kombination in die Zuleitungen legt. Ist die Frequenz an x doppelt so groß wie die an y, ergibt sich eine 8, im umgekehrten Fall ein ∞ (Phasenverschiebung π/2). Inkommensurable Frequenzverhältnisse lassen Lissajous-Figuren entstehen, d. h. Schleifen, die nach und nach das ganze Reckteck U1 , U2 abtasten. 8.2.5 Fernsehröhre Der Elektronenstrahl muss 625 Zeilen mit je 833 Bildpunkten in 1/25 s zeichnen, also 1,3 · 107 Bildpunkte/s. Wenn man zulässt, dass die Punkte immer abwechselnd hell und dunkel sein können, brauchte man eine Frequenz der Helligkeitssteuerung von 6,5 MHz (praktisch genügen 5 MHz). Die Bildinformation muss auf Trägerwellen von wesentlich höherer Frequenz aufmoduliert sein (40–800 MHz, entsprechend Wellenlängen von 5 m bis 25 cm). Bei Frequenz- wie bei Amplitudenmodulation bedingt nämlich die Signalfrequenz eine entsprechende Verbreiterung des Trägerbandes. Die Zeilen- und die Zeilensprung-Ablenkung könnten durch Kondensatoren mit der Kipp- bzw. Sprungfrequenz 25 · 625 = 15,5 kHz erfolgen (in Wirklichkeit durch Magnetspulen). Hunde und manche Kinder hören diese Frequenz. Die Ablenkung um 50◦ in Flachröhren würde bei 1 kV Röhrenspannung 2,4 kV am Zeilenkondensator erfordern (tan α = UK /(2Ue )). Solche Elektronen laufen mit 1,6 · 104 km/s, brauchen also bis zum Bildschirm nur 20 ns, was noch zehnmal kleiner ist als die minimale Helligkeitsperiode. Die Raumladungen aufeinander fol-
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gender Elektronenimpulse beeinflussen einander also nicht. In der Praxis ist die Anodenspannung noch 20-mal größer. Da die entsprechende Ablenkspannung kaum noch zu handhaben wäre, benutzt man zum Ablenken Spulen. 8.2.6 Thomson-Parabel Bei einheitlicher Energie wird die Thomson-Parabel zu einem Punkt bei x = eBla/(mv), y = eEla/(mv2 ). Ein Reinnuklid sendet β-Teilchen mit einem kontinuierlichen Energiespektrum aus, das von 0 bis zur Maximalenergie Wm reicht. Wm ist i. Allg. eine relativistische Energie (größer als 500 keV). Daher erhält man einen Ast der zugespitzten ,,Parabel“ Abb. 8.23, der nicht ganz bis zum Scheitel ausgezeichnet ist. 8.2.7 Triode A sei ein charakteristischer Querschnitt des√felderfüllten Raumes. Dann ist 3/2 2 der Strom durch die Diode √ I ≈ A2 j ≈ Aε0 1/22e/mU /d . Differenzieren liefert Ri = dU/d I ≈ m/(2e)d /(Aε0 U ). Mit d ≈ 1 mm, A ≈ 1 cm2 , U ≈ 100 V erhält man Ri ≈ 103 Ω. 8.2.8 Durchgriff D = CAK /CGK , Gitter ist näher an Kathode, und C ∼ 1/d. Maximale Spannungsverstärkung ist 1/D. Ein Eingangssignal soll ja nur seine Höhe, nicht seine Form ändern. Anderenfalls erhält z. B. ein Sinus Oberschwingungen (Klirrfaktor). 8.2.9 Anoden-Basisschaltung In dieser Schaltung lädt ein winziger Strom das Gitter stark auf und ändert damit den Anodenstrom gewaltig: Hohe Stromverstärkung. 8.2.10 Logarithmische Kennlinie Anlaufstrom der Röhre und Strom durch Halbleiterdiode folgen der Boltzmann-Kurve I = I0 exp(−eU/(kT )), also U = (kT/e) ln(I0 /I ). 8.2.11 Phasenschieberoszillator Da praktisch kein Gitterstrom fließt, ergeben sich aus der Knoten- und der Maschenregel folgende Beziehungen (x = ωC R): I1 = U1 /R, I2 = U2 /R, I3 = U R /R, U A = U1 + (U1 + U2 + U R )/(ix), U1 = U2 + (U2 + U R )/(ix), U2 = U R (1 + 1/(ix)). Elimination von U1 und U2 liefert U A = (1 + 6/(ix) − 5/x 2 − 1/(ix 3 ))U R . Damit K , der reziproke Klammerausdruck, die verlangte Phasenverschiebung π liefert, muss √ d. h. √ er negativ reell sein, die i-Glieder müssen einander wegheben: x = 1/6, also ω = 1/( 6RC). 1 . Der Verstärker muss also den merkwürdigen Wert Es folgt K = − 29 V = −29 haben. Ein RC-Glied dreht die Phase um weniger als π/2, daher braucht man mindestens drei. Mit zwei RC-Gliedern ergibt sich 1/K = 1 + 3/(ix) − 1/x 2 , woraus das i-Glied nicht wegzubringen ist.
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8.2.12 Meißner-Dreipunktschaltung C A bedingt keinen Spannungsabfall, weil das Gitter stromlos arbeitet. Der Schwingkreis aus C und L = L 1 + L 2 ist leicht zu Schwingungen mit √ ω = 1/ LC zu erregen. Von der Spulenspannung greift U R dann einen Teil ab, nämlich U R = iωL 2 I. Da andererseits U A = I(1/(iωC) + iωL 2 ), folgt K√= U R /U A = ω2 L 2 C/(ω2 L 2 C − 1). Dies ist negativ reell für alle ω < 1/ L 2 C. Mit dem ω des Schwingkreises folgt K = −L 2 /L 1 . Mit diesem Verhältnis kann man sich dem V des Verstärkers anpassen. 8.2.13 Brückenschaltung Aus U A = I(R1 + 1/(iωC1 ) + 1/(1/R2 + iωC2 )) und U R = I/(1/R2 + 1/(iωC√ 2 )) folgt 1/K = 1 + R1 /R2 + C 2 /C 1 + iωC 2 R1 − i/(ωC 1 R2 ). Bei ω = 1/ R1 R2 C1 C2 ist K reell, aber positiv (deswegen ein zweistufiger Verstärker, der zweimal die Phase umdreht, also positives V hat). V = 1/K = 1 + R1 /R2 + C2 /C1 kann jeden Wert größer als 1 haben. 8.2.14 Quarzuhr Quarz ist einer der besten Isolatoren, aber wenn er piezoelektrisch schwingt, d. h. wenn sich die positiven gegen die negativen Ionen verschieben, bedeutet dies einen Wechselstrom (Verschiebungsstrom, Influenz auf den anliegenden Elektroden). Dies gilt für jedes Dielektrikum. Aber beim Quarz als polarem Kristall sind diese Verschiebung und ihre Phase nach einer Resonanzkurve abhängig von der Frequenz des erzwingenden Feldes. Wenn x die Dickenänderung des Quarzes ist, geht der Strom mit x. ˙ Bei kleinen Frequenzen ist x ∼ U, der angelegten Spannung, der Quarz verhält sich wie ein Kondensator bzw. dessen Dielektrikum. Bei der Eigenfrequenz des Quarzplättchens, die sich berechnet wie bei der geschlossenen Pfeife, ist x˙ ∼ I in Phase mit U, der Quarz wirkt als ohmscher Widerstand. Bei hohen Frequenzen ist x¨ ∼ I ∼ U, der Quarz wird zur Spule. Wegen der geringen Dämpfung ist die Resonanz der Quarzschwingung sehr scharf; man kann auch sagen: Das quasistatische Anfangsplateau I = iωCU liegt wegen des winzigen C eines Quarzkondensators (≈ 1 pF) sehr tief, also ist die Güte 1/(ωC R) dieses Elements sehr hoch. So scharf könnte die Resonanz eines rein elektrischen Schwingkreises nie sein. Im Kreis Abb. 8.31 sperrt also der Quarz bei ω ω0 , weil sein Cq so klein ist, bei ω ω0 auch, weil I wie 1/ω abgefallen ist. Nur ganz nahe der Quarzresonanz kann der Kreis schwingen. Dann ist der Quarz so ,,weit offen“, dass es auf evtl. kleine Änderungen von L und C z. B. infolge Temperaturschwankungen nicht ankommt. Diese Resonanzschwingung, über einen Transistor rückgekoppelt, hält sich selbst aufrecht, falls man für Gegenphasigkeit der Spannungen an 34 bzw. 12 sorgt. Exakt in der Resonanz sind die Spannungen um π/2 auseinander (Quarz ≈ R). Schon ganz wenig oberhalb von ω0 aber wirkt der Quarz als Spule (die ϕ(ω)-Kurve macht ja bei hoher Güte eine steile Stufe bei ω0 ). Dann haben wir die Situation der Dreipunktschaltung mit der richtigen Phase der rückgekoppelten Spannung.
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8.3.1 Rekombinationskoeffizient Rekombination findet statt, wenn ein negatives Ion einem positiven näher als bis auf einen kritischen Abstand r0 kommt, d. h. wenn das eine Ion in eine Scheibe vom Stoßquerschnitt A = πr02 um das andere trifft. Im m3 sind n positive Ionen, also n solche Scheiben mit der Gesamtfläche n A. Die Wahrscheinlichkeit, dass das negative Ion auf einem Weg dx eine davon trifft, ist n A dx, oder dass es in der Flugzeit dt eine trifft, n Av dt. Da im m3 auch n negative Ionen sind, finden in diesem Volumen in jeder Sekunde n 2 Av Rekombinationsakte statt. Der Rekombinationskoeffizient lässt sich also darstellen als β = Av. Wie groß ist aber A, d. h. welches ist der kritische Abstand r0 ? Die Ionen können einander bestimmt nicht einfangen, wenn ihre kinetische Energie größer ist als die potentielle in dem Moment, wo beide einander am nächsten sind. Andernfalls ist Einfang möglich, falls ein dritter Partner in der Nähe ist, der den überschüssigen Impuls abführt. Sieht man dies zunächst als garantiert an, ergibt sich r0 aus Wkin = 32 kT = Wpot = e2 /(4πε0r0 ), also r0 = e2 /(6πε0 kT ), A = e4 /(36πε20 k2 T 2 ), β = e4 v/(36πε20 k2 T 2 ) = √ 1 3e4 /(36πε20 m 1/2 (kT )3/2 ). Bei 300 K, wo kT = 40 eV, wird r0 = 500 Å (Vergleich mit dem H-Atom, wo Wpot = 2 · 13,6 eV für r = 0,5 Å), also A ≈ 10−10 cm2 , v = 5 · 104 cm/s, d. h. β = 5 · 10−6 cm3 /s, was der Erfahrung ganz gut entspricht. Falls die Bedingung über den dritten Partner, der den Impuls abführt, immer erfüllt ist, hängt β nicht vom Druck ab. Freie Elektronen brauchen kaum berücksichtigt zu werden, da sie sehr schnell unter Bildung negativer Ionen weggefangen werden. In der kinetischen Betrachtung sind natürlich die Worte ,,negativ“ und ,,positiv“ vertauschbar. 8.3.2 Glimmentladung Der Strom der unselbständigen Entladung bei ständiger Auslösung von N0 Elektronen/s an der Kathode ist nach Townsend I = eN0 eαd /(1 − γ(eαd − 1)). Solange γ(eαd − 1) sich der 1 nähert, biegt I nach oben ab und schnellt bei αd = ln(1 + 1/γ) ins Unendliche (Durchschlag). Bei γ 1 bedeutet die Durchschlagsbedingung αd ≈ 1/γ ; dann kommt die eαd -Abhängigkeit gar nicht zum Tragen, sondern der Durchschlag erfolgt praktisch vom Anfangsstrom I0 = eN0 aus. Bei γ 1 liegt der Durchschlag bei αd ≈ ln(1/γ), was nie viel größer als 1 wird. Als Funktion der Spannung dargestellt, verläuft I noch viel steiler, denn αd = pd f(E/ p) ist nach Abb. 8.40 eine sehr steile Funktion von E. Die Summation der geometrischen Reihe, die zu dieser Kennlinie führt, ist nur gültig bei γ(eαd − 1) 1. Schon deshalb hätte es keinen Sinn, die Kurve hinter dem Durchschlag weiterzeichnen zu wollen. 8.3.3 Zündspannung Im Feld U/d gewinnen die Elektronen längs einer freien Weglänge l die Energie elU/d. Wenn das Elektron beim nächsten Stoß seinen ganzen Energiegewinn wieder hergeben muss, lautet die Zündbedingung, dass dieser Gewinn gleich der Ionisierungsenergie sein muss: elU/d = Wion . Da l = 1/(n A) und p = nkT , kann man auch schreiben U = A pdWion /(ekT ).
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Bei p = 1 bar = 105 N/m2 und Wion ≈ 1 eV folgt U/d ≈ 104 V/cm, bei 0,1 Torr nur etwa 1 V/cm. Die Townsend-Theorie enthält nicht die Annahme vollständigen Verlusts nach einer freien Weglänge. Ihre Zündbedingung lautet ad = pd f(U/( pd)) = ln(1 + 1/γ). Da f(U/( pd)) eine sehr steile Funktion ist, kommt man praktisch auch wieder auf eine Bedingung der Form U = const pd, wobei ebenfalls const ≈ 104 V cm−1 bar−1 . 8.3.4 Durchschlag E = a/r, U = a ln(r1 /r0 ), E = U/(r ln(r1 /r0 )) ≈ 107 V/m; Bereich hat r ≈ 100 µm. 8.3.5 Funken Im Feuer oder Feuerzeug spielen Felder und Ströme keine direkte Rolle, also handelt es sich nicht um Entladungserscheinungen. Die ,,Funken“ sind einfach glühende makroskopische Teilchen, die zwar auch nicht heißer sind als die umgebenden Flammengase, aber ein höheres Emissionsvermögen haben und sich deshalb vom schwach leuchtenden Gashintergrund abheben. Beim Feuerzeug oder Feuerstein sind es mechanisch oder chemisch erhitzte Mineralsplitterchen. Die eigentlichen Entladungen kann man so klassifizieren: Glimmentladung stromschwach, weil wenig Spannung oder wenig Ladung, ohne konzentrierte Stromfäden. Funken stromstark, aber kurzlebig, weil geringe, rasch verpuffende Ladung, die aber in konzentrierter Stromröhre entladen wird. Bogen stromstark trotz meist geringer Spannung, Selbsterzeugung von Ladungsträgern. Die Zündspannung steigt mit dem Druck. Entladungen in Normalluft sind daher meist stromstark (Funken oder Bogen), außer bei sehr kleiner, weit verteilter Ladung (Nylonhemd). Erst für schwache Vakua sind Glimmentladungen typisch. Bei Konzentration durch gut geerdete Gasleitungen schlägt auch KleiderReibungselektrizität in Funken über. Die Spannungen gehen offenbar bis über 10 kV. Trotzdem sind die Ladungen so gering, dass außer einem Schreckeffekt nichts passiert. Dass die Aufladung während der Autofahrt etwas mit der Übelkeit zu tun haben soll, haben sich wohl die Schleifriemenfabrikanten ausgedacht. Der Blitz steht zwischen Funken und Bogen (beschränkte Ladungsmenge). 8.3.6 Blitz Aus einer Wolkenfläche 10 km2 , Höhe 500 m, mögen 30 Blitze kommen. Durchschlagsspannung 500 MV, Ladung des Kondensators Wolke–Erde Q = ε0 AE = 90 A s, Blitzdauer 1 ms, Strom 3 kA, Leistung 1,5 TW(!), Energie 1,5 GJ = 420 kWh. 3 A s fließen durch die 100 W-Lampe in 7 s, durch den 20 W-Rasierer in 35 s. 8.3.7 Leuchtstoffröhre Schließt man den Schalter, dann zündet die Glimmentladung und heizt den Bimetallstreifen, sodass er nach kurzer Zeit schließt. Dann bricht die Spannung am Glimmzünder zusammen (die 220 V fallen jetzt voll an der Drosselspule ab), die Glimmentladung erlischt. Daher kühlt sich der Bimetallstreifen wieder ab und öffnet. Diese plötzliche Stromänderung in-
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duziert in der Drosselspule einen hohen Spannungsabfall (höher als beim Schließen des Schalters und des Glimmzünders, weil die Stromänderung plötzlicher ist). Diese erhöhte Spannung zündet endlich die Leuchtstoffröhre. Sollte das nicht der Fall sein, wiederholt sich der Zyklus so oft, bis die Lampe schließlich doch brennt, wie man gelegentlich beobachtet. 8.3.8 Elektronenmühle Der Impuls der aufprallenden Elektronen treibt das Rad direkt. Bei 1 kV Anodenspannung und einem Strom von 1 mA ist die Leistung (Energie/Zeit) P = 1 W, die Kraft (Impuls/Zeit) F = P/v, wo v die Elektronengeschwindigkeit ist. Elektronen mit 1 keV fliegen mit 2 · 107 m/s, also F = 10−7 N. Der Strahlungsdruck würde solche Kräfte, z. B. auf A = 1 cm2 Schaufelfläche, erst bei einer Intensität I = cF/A ≈ 105 W m−2 aufbringen, d. h. bei hundertfachem vollen Sonnenlicht. Das Rädchen dreht sich bei viel weniger Licht, aber nicht infolge des Strahlungsdruckes, sondern infolge der Erwärmung des Restgases vor den Schaufeln (Radiometereffekt, Aufgabe 5.8.2). 8.3.9 e/m In ein gegebenes Kathodenstrahlrohr kann man i. Allg. nicht hinein. Zur Ablenkung muss man also ziemlich weiträumige Felder verwenden, z. B. einen Kondensator mit U = 5 kV, d = 5 cm, Breite 10 cm. Wenn die Anodenspannung UA bekannt ist (z. B. 10 kV), erhält man aus dem Ablenkwinkel (hier 2 · 5 kV/(2 · 10 kV) ≈ 30◦ ) die Ladung e, aber keine Aussage über die Masse. Schon das erdmagnetische Feld (B ≈ 0,2G = 2 · 10−5 Vs/m2 ) krümmt einen sehr ◦ feinen Strahl merklich ( 14 auf 1 m Länge), woraus man schließt e/m = 2αUA /(l 2 B 2 ) ≈ 2 · 1011 C/kg. Der höchste e/m-Wert für Ionen (Protonen) wäre 108 C/kg. 8.3.10 Elektronenschatten Wenn die Elektronen, die am Rand des Hindernisses vorbeigehen, alle genau gleiche Geschwindigkeit und Flugrichtung hätten, würde die Lorentz-Kraft im Magnetfeld (das streng homogen sei) das Elektronenbündel als Ganzes verschieben, der Schatten bliebe scharf. Die v-Werte sind aber nicht alle gleich, denn in der Ebene des Hindernisses herrscht nicht überall exakt das gleiche Potential. Das wäre zwischen unendlich großen, parallelen Elektroden der Fall. Man will ja aber den Schatten auf der Glaswand sehen, das Hindernis muss also die Anode überragen. Dazu kommt der Richtungsunterschied, der bei punktförmiger Kathode an den verschiedenen Stellen des Hindernisses gilt, bei ausgedehnter Kathode sogar an der gleichen Stelle. Für die Lorentz-Kraft zählt nur die Komponente senkrecht zum B-Feld. Die einzelnen Teile des Bündels werden also verschieden stark abgelenkt, der Schatten wird unscharf. 8.3.11 Fallende Kennlinie Je größer der Strom im Bogen ist, desto heißer werden das Plasma und die Kohlen, desto leichter wird die Erzeugung von Ladungsträgern, desto
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weniger Spannung ist also nötig, um den Bogen aufrechtzuerhalten. Hält man die Kohlenspannung trotz wachsenden Stroms konstant, dann wächst der Strom weiter unbegrenzt: Die Entladung ,,geht durch“. Man kann sie stabilisieren, indem man den Strom selbst an einem Vorwiderstand einen Spannungsabfall erzeugen lässt, der sich von der Kohlenspannung subtrahiert. Der Bogen brennt sich dann auf einen Punkt seiner I(U )Kennlinie ein, wo deren (negative) Steigung gerade so groß ist wie der Vorwiderstand. Es soll vorkommen, dass einer sich ,,verstöpselt“ und den Widerstand parallel zum Bogen legt. Dann bringt er nur den Moment näher, wo die Zuleitungsdrähte durchschmelzen. 8.3.12 Mikrowellenherd Die freien Elektronen in einem Metall absorbieren die Welle auf sehr kurzer Strecke (nach (7.142) auf einigen µm; die Bedingung ω µ0 σc2 ist für alle Metalle erfüllt, für biologisches Material mit knapp 1 mol/l Ionen, also σ ≈ 1 Ω−1 m−1 auch, aber hier kommt die auf der Leitung beruhende Eindringtiefe in den cm-dm-Bereich, bei Niederfrequenz ist sie viel kleiner). Die mitschwingenden Metallelektronen emittieren selbst: Das Metall reflektiert noch mehr als es absorbiert (sonst könnte uns die Polizei mit dem Radar nicht erwischen). Für die erwünschte Absorption sind überwiegend die Wasserdipole verantwortlich. Absorption ist Leistungsaufnahme, Leistung ist Kraft mal Geschwindigkeit bzw. Drehmoment mal Winkelgeschwindigkeit. Es genügt also nicht, dass die Dipole sich dem Wechselfeld E folgend einstellen, was sie bei kleinen Frequenzen am besten tun, denn dann folgt der Einstellwinkel β dem Feld in Phase, und somit ist β˙ um π/2 gegen E verschoben: Reine Blindleistung, wie beim idealen Kondensator. Das Feld muss so schnell wechseln, dass die Dipole fast nicht mehr mitkommen. Dann herrscht Gleichgewicht zwischen Feldkraft ˙ Aus der Geomeund Reibung, also Phasengleichheit zwischen E und β. trie des H2 O-Moleküls folgt diese Relaxationsfrequenz zu einigen GHz (Aufgabe 3.3.5). Bei noch höheren Frequenzen wird β˙ dann zu klein. 8.3.13 Brathendl Jeder Dipol vom Moment er, auf den das Feld das Drehmoment M ausübt und der sich mit der Winkelgeschwindigkeit w dreht, nimmt die Leistung Mw auf. Im Mittel dreht sich jeder Dipol im Feld E um den Winkel β = erE/(kT ) (Verhältnis der Einstell- zur thermischen Energie). Im Sinus-Wechselfeld ist also w = β˙ = ωβ = ωerE/(kT ), das Drehmoment ist etwa M = erE, d. h. Leistung Mw ≈ e2 E 2r 2 ω/(kT ). Alle n Dipole im m2 schlucken P/V = ne2 E 2r 2 ω/(kT ). Wie viel Leistung die Welle pro m2 heranbringt, ihre Intensität I, lässt sich auch durch E ausdrücken: Energiedichte εε0 E 2 , also I = cεε0 E 2 . Auf jedem m verliert die Welle die Energie P/V pro m2 und s, sie kommt also etwa bis d = I/P = εε0 ckT/(ne2r 2 ω). Aber ε hängt selbst von e und r ab: ε = e2r 2 /(ε0 kT ) (vgl. (6.53)). Also einfach d ≈ c/ω. Das ist knapp die Wellenlänge, 12 cm für 2,5 GHz.
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8.3.14 Mikrowellenheizung Gase mit einfach gebauten Molekülen haben im cm- und dm-Bereich kaum Resonanzfrequenzen und absorbieren wenig (sonst gäbe es weder Radar noch Radioastronomie). Im Mikrowellenfeld könnte man sich angenehm warm fühlen, selbst wenn Luft und Wände fast Außentemperaturen hätten. Die konventionelle Heizung erwärmt dagegen zuerst die Luft, und diese dann uns. Auch bei der Mikrowellenheizung würde die Luft auf die Dauer 18 oder 20 ◦ C annehmen, aber schon die CO2 -Produktion der Bewohner erfordert etwa einen vollständigen Luftaustausch pro Stunde. Bewohner und andere wasserhaltige Dinge (Pflanzen, Erde), die direkt erwärmt werden, geben einige 100 W an die Luft ab. Dies wäre bei 100%ig wellendichten Wänden der einzige Verlust, verglichen mit einigen kW Leitungsverlust von 20 ◦ C-Luft aus. Im Grenzfall braucht die Mikrowellenheizung nur diese 100 W/Bewohner zu liefern. 8.4.1 Plasmafrequenz Bei 10−2 mbar ist die Molekülzahldichte 2 · 1014 cm−3 . Die Elektronenkonzentration n = 1010 cm−3 bedeutet also einen Ionisierungsgrad n/n 0 = 5 · 10−5 . In der Photosphäre ist n ≈ n 0 = /m = 6 · 1021 cm−3 , die Langmuir-Frequenz f p = 7 · 1014 Hz liegt im violetten Teil des sichtbaren Spektrums. Für Halbleiter liegt f p zwischen 10 GHz und 1014 Hz (UR), für Metalle zwischen 3 · 1014 Hz (Rot) und 3 · 1015 Hz (UV). Genau wie die Ionosphäre Radiowellen mittlerer Länge, so reflektiert ein Metall alle Wellen mit Frequenzen unterhalb f p , also i. Allg. das ganze sichtbare Spektrum, dazu das UR und das nahe UV. Daher stammen Glanz und Undurchsichtigkeit der Metalle. 8.4.2 Nordlicht In 100 km Höhe ist der Luftdruck noch etwa 4 · 10−4 mbar (Abnahme mit einer Skalenhöhe von durchschnittlich 7 km). Unter diesen Bedingungen reichen schon Felder von einigen V/cm zur Zündung von Glimmentladungen, doch sind diese so lichtschwach, dass man sie am Boden nicht sieht. Die Polarlichter werden durch Einschuss von Teilchen, besonders Protonen und Elektronen von der Sonne her angeregt, die im Erdmagnetfeld zu höheren Breiten abgelenkt werden. Bei ihren Energien um 100 keV haben diese Teilchen nach Abb. 17.26 eine Reichweite um 10−3 g/cm2 . Das ist etwa die Gesamt-Flächendichte der Atmosphäre über 100 km: Dichte bei 4 · 10−4 mbar noch 10−9 g/cm3 , Skalenhöhe H ≈ 7 km, H ≈ 10−3 g/cm2 . Der ,,Sonnenwind“ bleibt also um 100 km Höhe stecken (vorher wird er nur unwesentlich gebremst) und regt dort das Gas intensiv an. 8.4.3 Durchschlag Bei normaler Luftdichte ist die Durchschlagsspannung nach Paschen (vgl. Aufgabe 8.3.3) so groß, dass die Durchschlagsströme i. Allg. zur Bogenbildung ausreichen. Daher beobachtet man Glimmentladungen in Normalluft nur bei sehr zerstreuter schwacher Aufladung, meist aber in teilweise evakuierten Gefäßen. Die Betrachtung von Aufgabe 8.3.3 liefert
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als Durchschlagsfeld U/d ≈ σ pWion /(ekT ) = nσWion /e. Wenn Wion einige eV beträgt, erhält man in Normalluft etwa 104 V/cm. Gegen 220 V isolieren schon 0,2 mm Luft. Ein Isolator verträgt höhere Felder (105 , maximal 106 V/cm), darf also dünner sein. Bei einem kräftigen Kurzschluss (dicke Leitung, starker Strom) wird die Entladung durch direkte Berührung eingeleitet. Wenn dann Teile der berührenden Drähte verpuffen, zieht sich ein Lichtbogen dazwischen, der sich seine Träger selbst schafft und der Zündbedingung nicht mehr unterworfen ist, weshalb er gut cm-lang ausgezogen werden kann. 8.4.4 Ionenrakete
√ Die Spannung U liefert eine √ Ionengeschwindigkeit v = 2ZeU/m, also den Rückstoßimpuls p = 2ZeUm für jedes Ion. Ein Ausstoß von ν Ionen/s stellt den Strom I = Zeν und die Leistung UI = ZeνU dar. Ebenso viel Leistung, aber praktisch kein Schub entfällt auf den Elektronenstrom. Würde man die Elektronen nicht mit ausstoßen, dann würde sich die Rakete sehr bald so stark negativ aufladen, dass man die positiven Ionen nicht mehr abgeben √ könnte. Der Schub ist F = ν p. Das Verhältnis Schub/Leistung, also 2m/(ZeU ) ist am besten für Cs-Ionen. 1 g/s Cs-Dampf, an heißer Platte ionisiert und mit 10 kV beschleunigt, liefert F = 4 · 103 N = 0,4 t Schub und erfordert 7 MV. Die Auffangfläche für Sonnenstrahlung in Erdbahnnähe müsste bei vollständiger Energieumwandlung 5 000 m2 sein, was bei Montage auf der Startkreisbahn mit einer Konstruktionsmasse unterhalb 1 t realisierbar scheint. Die Beschleunigung wäre dann nicht viel kleiner als g. Fahrten im Sonnensystem mit Start von möglichst erdferner Kreisbahn sind in vernünftigen Flugzeiten möglich. 8.4.5 Photonenrakete Ein Plasma von der Temperatur T und dem Radius r strahlt nach StefanBoltzmann (Abschn. 11.2.5) eine Leistung P = 4πr 2 σT 4 nach allen Seiten. Zum Schutz der übrigen Teile der Rakete müssen dazwischen Absorber oder besser Spiegel aufgestellt sein. Im Fall von Absorbern verlöre man den Faktor 3 im Schub (nur eine Komponente wird ausgenutzt). Dieser Schub kommt so zustande, dass jedes Photon mit der Energie hν einen Impuls h/λ = hν/c fortträgt bzw. als Gegenimpuls auf die Brennkammer überträgt. Also ist der Schub F = P/c = 4πr 2 σT 4 /c. Rechnen wir mit r = 1 m und verlangen F = 100 t = 106 N, dann müsste T = 5 · 105 K sein. Solche Plasmen macht man schon, allerdings nur kurzzeitig und mit einem ganzen Kraftwerk als Energiequelle. Die Dauerleistung wäre P = 3 · 1014 W = 3 · 108 MW, mehr als alle Kraftwerke der ganzen Erde zurzeit erzeugen. Die emittierten Photonen liegen nach dem wienschen Verschiebungsgesetz im weichen Röntgengebiet (um 1 kV) und werden von praktisch jeder Metallwand absorbiert. Die erforderliche Leistung ist nur durch Fusion oder Materie-Antimaterie-Vernichtung zu erreichen. Im Fall der Fusion, wo knapp 1% der Ruhmasse in Strahlung umgesetzt wird, gilt P = 10−2 µc2 und F = 10−2 µc (µ: sekundlicher Brennstoffumsatz). In unserem Beispiel wäre µ ≈ 0,3 kg/s. 100 t Brennstoff würden nur knapp eine Woche und für Endgeschwindigkeiten um 100 km/s reichen.
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Brenndauer und Endgeschwindigkeit verhundertfachen sich bei vollständiger Vernichtung von Materie und Antimaterie (in magnetischen Flaschen mitgeführt unter peinlichster Vermeidung von Wandberührung?). Bei hinreichender Treibstoffmenge kommt man beliebig nahe an c und kann in menschlichen Lebzeiten beliebig weit reisen (vgl. Abschn. 18.2.8).
= Kapitel 9: Lösungen . . . 9.1.1 Sonnenkringel Die Sonne hat einen scheinbaren Durchmesser von 0,5◦ . Ein Loch vom Durchmesser d erzeugt auf einem Schirm im Abstand a einen Lichtfleck, der die Form des Loches wiedergibt, falls das Loch selbst unter einem wesentlich größeren Sehwinkel als 0,5◦ erscheint, also falls d/a > 0,5◦ ≈ 1/120. Eine Blattlücke von d = 1 cm dürfte dazu höchstens 1 m über dem Boden sein. Bei a > 120d, also im dichten Laubwald fast immer, entsteht ein Bild der Sonne: Eine Ellipse vom Querdurchmesser D = a/120. 9.1.2 Log K. May hier auch? Aus 2 000 Fuß ≈ 700 m Abstand erscheint selbst der gewaltigste Krieger höchstens 0,06◦ breit und 0,18◦ hoch, dazu bei der Steilheit der Wand noch auf mehr als die Hälfte verkürzt, d. h. viel kleiner als die Sonnenscheibe, die 0,5◦ Durchmesser hat. Es kommt daher kein Kernschatten zustande, sondern nur eine über ca. 30 m2 verteilte Abdunkelung (Halbschatten) um etwa 1%, die selbst einem Winnetou kaum auffallen dürfte, da sie ebenso gut von einem Fels oder Busch herrühren könnte. Der Schall braucht etwa 2 s, der fallende Körper 12 s. Selbst bei mehrere km hohen Wänden käme der Schall nie später an als der Körper, weil dieser infolge des Luftwiderstandes nur maximal 70–90 m/s erreicht. 9.1.3 Finsternisse Sind A und a die Abstände Sonne–Erde bzw. Mond–Erdoberfläche, D und d die Durchmesser von Sonne und Mond (Tabelle s. Aufgabe), ist δ der Durchmesser des Kernschattens (Totalitätszone), dann liest man aus den ähnlichen Dreiecken der Kernschattenkonstruktion ab δ = (Ad − aD)/(A − a) ≈ d − Da/A. Das maximale δ (bei minimalem a, maximalem A) ist 230 km. Bei mittlerem a und A ist δ = −40 km: Ringförmige Sonnenfinsternis, ein ganz schmaler Rand der Sonne, etwa 1 150 Sonnendurchmesser, bleibt unbedeckt. Bei maximalem a, minima1 Sonnendurchmesser. Eine Verschiebung lem A steigt die Ringbreite auf 20 um x auf der Erdoberfläche lässt den Mond sich scheinbar um den Winkel x/a verschieben, bei x = 1 000 km um etwa 13 Sonnendurchmesser. In 1 000 km Abstand von der Totalitätszone ist die Verfinsterung nur noch etwa 60%. In x = 3 000 km Abstand gibt es auch keine partielle Finsternis mehr. Der Mond verschiebt sich am Fixsternhimmel um 360◦ /Monat ≈ 0,5◦ /h. Die gesamte Sonnenfinsternis (von der ersten bis zur letzten Berührung von Mond und Sonnenscheibe) dauert also maximal 1 h (zwei Mondbreiten). Die Erde hat vierfachen Monddurchmesser,
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ihr Kernschatten reicht viermal weiter als der des Mondes, ist also im Mondabstand noch 34 Erddurchmesser = 3 Monddurchmesser breit. Der Halbschatten erweitert sich um ebenso viel wie sich der Kernschatten verjüngt, ist also beiderseits 1 Monddurchmesser breit. Die Totalität einer Mondfinsternis dauert also 3 h, von der ersten bis zur letzten Berührung mit dem Halbschatten dauert es maximal 6 h. Aristarch vollzog diese Schlusskette rückwärts und folgerte als erster, dass der Mond 14 Erddurchmesser hat und 30 Erddurchmesser entfernt ist. Mit Hilfe dieser Daten schätzte er Entfernungen und Größen von Sonne und Fixsternen und stellte das heliozentrische Weltbild auf. 9.1.4 Finsternisse auf dem Mars Phobos und Deimos erscheinen vom Mars aus nur 0,1 bzw. 0,02◦ breit, die Sonne 0,33◦ (vgl. Tabelle 1.2). Sie können also höchstens partielle Sonnenfinsternisse mit 10% bzw. 0,4% Verfinsterung erzeugen, die kein Marsmensch ohne Hilfsmittel wahrnimmt. Dagegen ist der Marsschatten im Abstand seiner Monde noch so breit, dass bei jedem Vollphobos bzw. -deimos Verfinsterung eintritt. 9.1.5 Was vertauscht der Spiegel Das Herz meines Spiegelbildes ist, absolut betrachtet, auf der gleichen Seite wie meines, sein Kopf ist auch auf der gleichen Seite wie meiner. Nur für Bauch und Rücken trifft das Gegenteil zu. Absolut betrachtet, vertauscht der Spiegel also nur vorn und hinten, oder allgemeiner, er kehrt die Richtung senkrecht zu seiner Ebene um. Relativ, d. h. in Bezug auf den Kerl, der mir da gegenübersteht, sage ich nicht, vorn und hinten seien vertauscht, muss dann aber in Kauf nehmen, dass sich eine andere Richtung umkehrt. Welche? Das ist reine Definitionssache. Ob ich sage: Seitenrichtig, aber auf dem Kopf stehend, oder: Aufrecht, aber seitenverkehrt, kommt im Effekt auf dasselbe heraus. Da ich gewohnt bin, die Mittelachse des Körpers als etwas Grundlegenderes zu betrachten, wälze ich die Vertauschung auf die Rechts-Links-Richtung ab. Diese Betrachtung setzt voraus, dass ich in Normalstellung vor dem senkrechten Spiegel stehe. Zur Nachprüfung denke man sich auf einem Spiegelfußboden. 9.1.6 Brennspiegel Im Rasierspiegel will man sich aufrecht und vergrößert sehen. Dazu muss man den Kopf zwischen Spiegel und Brennpunkt bringen. Solche Spiegel haben daher Brennweiten um 1 m. Das Bild der Sonne 1 (g ≈ ∞, Winkelgröße G/g = 0,5◦ ≈ 120 ) wird dann zu einem Brennfleck mit dem Durchmesser B = fG/g = f/120 ≈ 1 cm. Alles Licht, das auf die Spiegelfläche (Durchmesser D ≈ 15 cm) fällt, sammelt sich idealerweise im Brennfleck, dessen Intensität also um den Faktor D2 /B 2 = D2 g2 /( f 2 G 2 ) ≈ 152 größer ist als im normalen Sonnenlicht. Nach Stefan-Boltzmann (I ∼ T 4 ) bedeutet das eine Gleichgewichtstem√ peratur eines schwarzen Körpers im Brennfleck von T = Dg/( fg)T0 (T0 : Gleichgewichtstemperatur im normalen Sonnenlicht, ≈ 300 K). Das setzt allseitige Bestrahlung und Verlustfreiheit voraus. Bei einseitiger
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√ Bestrahlung und allseitiger Abstrahlung verliert man den Faktor 2 in T . Ohne Konvektionsverluste im Vakuum würde man also etwa 700 K ≈ 400 ◦ C erreichen. In Luft wird das Papier nicht einmal braun. Lupen leisten mehr, wenn ihre Öffnung D/ f größer ist als 0,15. 9.1.7 Wunderwaffe Die Wunderwaffe hat nur Sinn, wenn die Brennweite f einem Schiffsabstand entspricht, über den man keine Brandfackel mehr werfen kann, also f 50 m. Um dann auch nur Papier anzuzünden, das völlig still gehalten wird, müsste man nach Aufgabe 9.1.6 einen Spiegel von weit mehr als 20 m Durchmesser haben. Da Leinwand und sogar geteertes Holz viel schwerer brennen und nicht still halten, wird alles noch viel ungünstiger. Man braucht allerdings keinen Kugelspiegel: Sehr viele sauber ausgerichtete Planspiegel tun es auch. Ein griechischer Ingenieur hat so im Hafen von Piräus tatsächlich ein Modellschiffchen in Brand gesetzt. 9.1.8 Brennlinie Die ,,Herzlinie“ macht die optische Nichtidealität von Kugel- und Zylinderflächen augenfällig. Sie ist der geometrische Ort der Schnittpunkte von Strahlen, die an benachbarten Punkten der kreisförmigen Querschnittslinie aus einem Parallelbündel reflektiert werden. Der eigentliche Brennpunkt ist die Spitze, in der die beiden Bögen des ,,Herzens“ zusammenlaufen. Sie halbiert also den Ringradius. Eigentlich sollten sich alle Strahlen dort schneiden. Bei einem parabolisch gebogenen Blech tun sie das auch. Der Ring berührt dieses Parabolblech von innen, lenkt weiter außen auftreffende Strahlen zu stark ab; sie schneiden die Achse zwischen Scheitel und Brennpunkt, umso näher am Scheitel, je achsenferner sie sind. Zwei solche Strahlen schneiden sich also, schon bevor sie die Achse erreichen, auf der herzförmigen Brennlinie. Wir zeigen: (1) Wenn das Rad das Glas in A berührt, geht der in A reflektierte Strahl durch den entsprechenden Epizykloidenpunkt P auf seiner Felge. (2) Wenn das Rad vom Berührpunkt A aus ein bisschen weiterrollt, wandert der Punkt P auf seiner Felge zunächst längs des in A reflektierten Strahls. Beweis für (1): M sei die Nabe des Rades. Seit dieses auf der Mittelachse lag, ist es auf dem Leitkreis um α abgerollt, hat sich also selbst um 2α gedreht: BMP = 2α. M A P ist halb so groß, also genau wie der Winkel des reflektierten Strahls. Beweis für (2): Wir drehen das Bild so, dass das Rad ganz oben ist. Wenn es nur ganz wenig weiterrollt, ist es egal, ob dies auf einem Leitkreis oder einer Leitgeraden erfolgt. Die Kurve, die P beschreibt, steigt wie bei der normalen Zykloide um 90◦ − β/2 an (β sei der Winkel, um den das Rad von der tiefsten Lage des Punktes P aus abgerollt ist). Hier ist aber β = 2α, also die Steigung gegenüber dem Leitkreis 90◦ − α, dieser selbst steigt um 90◦ − α, die Brennlinie steigt also insgesamt um 180◦ − 2α, und das ist genau die Richtung des in A reflektierten Strahls. Laut (1) kommen wir so aber auch zu dem an einem zu A benachbarten Punkt reflektierten Strahl, bleiben also auf der Brennlinie.
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9.1.9 Weltraumspiegel Ein stationärer Satellit steht a = 36 000 km über dem Erdboden (Aufgabe 1.7.2). Dies muss seine Bildweite und gleichzeitig seine Brennweite sein, denn die Gegenstandsweite g ist viel größer. Der Krümmungsradius ist 68 000 km. Das Sonnenbild hat den Durchmesser B = fG/g ≈ 300 km. Auf diese Fläche verteilt sich das Sonnenlicht, das auf die um den Faktor 5002 kleinere Spiegelfläche als direktes Sonnenlicht auftraf. Es ist dort also nur 2501000 so hell wie bei Tage, dagegen viermal heller als bei Vollmond (vgl. Aufgabe 11.2.7). Die Beugungsringe haben einen Abstand aλ/d ≈ 3 cm, vergrößern also, da ihre Intensität nach außen rasch abnimmt, das beleuchtete Gebiet nicht merklich. Infolge Spiegelunebenheiten und atmosphärischer Streuung werden sie in der Unschärfe des Bildrandes untergehen. Da der Spiegel über dem Äquator stehen muss (sonst wäre er nicht stationär), taucht er auf einem Stück seiner Bahn, das den Winkel 2R/a ≈ 0,36 ≈ 60◦ einschließt, also in 4 h durchlaufen wird, in den Erdschatten ein. Dann ist Ruhe. Für einen Astronauten, der dicht vor dem Spiegel schwebt, ist er völlig eben. Eine vergrößernde Wirkung hat er also nicht. 9.1.10 Echo-Satellit Im Satelliten (Konvexspiegel vom Radius r) erscheint ein virtuelles Bild der Sonne vom Durchmesser B = fG/g, z. B. bei r = 15 m von B = 6 cm. Dieses Bild hat die gleiche Leuchtdichte wie die Sonnenscheibe (die Kugel fängt den Bruchteil πr 2 /(4πg2 ) der Gesamtstrahlung der Sonne auf und konzentriert sie auf die um den Faktor B 2 /G 2 = f 2 /g2 = 14 r 2 /g2 kleinere Fläche des Bildes; allgemein bleibt die Leuchtdichte konstant bei jeder Abbildung, bei der nur Reflexion und Brechung, nicht aber Absorption beteiligt sind). Aus einem Abstand a erscheint also der Satellit, genauer das Sonnenbild in ihm, um den Faktor B 2 g2 /(G 2 a2 ) = f 2 /a2 = 14 r 2 /a2 weniger hell als die Sonne. Bei der Höhe h = 1 000 km über dem Erdboden und r = 15 m ergibt sich bei Zenitstand (a = h) ein Faktor 2 · 10−10 , d. h. knapp 27 Größenklassen: Der Satellit ist heller als Wega, die 0,05 Größenklassen hat. Bis zum Horizont (a = 3 600 km) nimmt er um den Faktor 13, also um drei Größenklassen ab. 9.1.11 Parabolspiegel Achsenparallele Strahlen werden im Parabolspiegel exakt im Brennpunkt vereinigt. Dafür werden aber die Abbildungseigenschaften für nichtachsenparallele Strahlen schon bei ziemlich kleinen Winkeln noch schlechter als beim Kugelspiegel, der wenigstens für alle Richtungen gleich schlecht ist. Bei der Kugel gehen z. B. wenigstens die achsennahen Strahlen alle durch den (jeweiligen) Brennpunkt, beim Paraboloid nicht. Wo sollte auch die Achse der Parabel für ein schiefes Bündel sein, vielleicht durch den Brennpunkt F gehen? Aber der Strahl durch F wird doch bestimmt zum Parallelstrahl (Abb. 9.13b).
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9.1.12 Riesenfernrohr Der Schacht wäre natürlich nur für Sterne brauchbar, die genau darüberstehen. Sowie der Strahl nicht mehr ganz achsenparallel ist, geht die Überlegenheit über den Kugelspiegel bald verloren. Die Brennweite f (Halbparameter der Parabel) ergibt sich nach Abschn. 3.1.2 als f = g/(2ω2 ). Damit das Zwischenbild immer an der gleichen Stelle bleibt, muss die Drehzahl (ω) hochgradig konstant sein. Damit die vergrößerte Auflösung ausgenutzt werden kann, darf das Zwischenbild höchstens um 0,5 µm zittern. Bei f = 50 m bedeutet das einen Fehler in ω um höchstens 10−8 (∆ f/ f = −∆ω/(2ω)), was schwer zu erreichen ist. Das Projekt hat noch mehrere ähnliche ,,Würmer“. 9.1.13 Schärfentiefe Die Schärfentiefe eines optischen Gerätes kann so definiert werden: Wenn bei gegebener Brennweite f und Bildweite b die Gegenstandsweite von dem durch 1/b = 1/ f − 1/g gegebenen Wert abweicht, wird ein Punkt nicht mehr als Punkt, sondern als Scheibchen dargestellt. Ist dieses Scheibchen kleiner als das ,,Korn“ des Registrierorgans (Photoemulsion, Netzhaut), so ist diese Abweichung unschädlich. Wir verlangen z. B. von der Kleinbildkamera, dass ein Kontaktabzug, mit bloßem Auge betrachtet, gestochen scharf aussehen soll. Das ergibt eine Korngröße des Films von höchstens δK = 20 µm (die Netzhaut hat ein 5 µmKorn, entsprechend dem Auflösungsvermögen des Auges; Bild- und Gegenstandsgröße im Nahpunkt des Auges verhalten sich wie Augapfellänge zur Nahpunktweite, also etwa wie 1 : 4). Für die Photographie interessieren Gegenstände mit g f , die nahe der Brennebene abgebildet werden. Der bildseitige Öffnungswinkel des Lichtbündels, das von einem Gegenstandspunkt kommt, ist dann 12 d/ f (d/2: Blendenradius), also sein Durchmesser, wenn die Bildweite um ∆b ,,falsch“ ist: δ = 12 d∆b/ f . Nach der Abbildungsgleichung hängt der Bildweitenfehler ∆b mit dem Fehler der Gegenstandsweite ∆g bei g f so zusammen: b = fg/(g − f ) ≈ f(1 + f/g), also ∆b ≈ −∆g f 2 /g2 . Es folgt für die Schärfentiefe, d. h. das ∆g, das einem δ gleich der Korngröße entspricht: |∆g| ≈ ∆bg2 / f 2 = 2δK g2 /( fd). Für eine f = 50 mm-Optik ergibt sich bei Blende 2,8, d. h. d = 50/2,8: ∆g ≈ 0,04g2 . Wenn ∆g ≈ g wird (d. h. hier bei g = 25 cm), muss man natürlich die Näherung ∆b ≈ −∆g f 2 /g2 aufgeben und mit b = f(1 − f/g) rechnen. Sie erhalten so die Begrenzung des Schärfebereichs, die meist gegenüber den Blendenzahlen auf dem drehbaren Ring der Entfernungseinstellung Ihrer Kamera aufgedruckt sind. Rechnen Sie nach! Diese Unschärfe hat weder mit Beugung noch mit Linsenfehlern zu tun. 9.1.14 Refraktometer Die Flüssigkeitsschicht mit der Brechzahl n zwischen den beiden Glasprismen erlaubt Durchtritt des Lichtes aus dem unteren Prisma nur bei genügend steilem Einfall. Das schwenkbare, schwach divergente Bündel der Lichtquelle wird genau zur Hälfte durchgelassen, zur Hälfte nicht,
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wenn seine Achsenrichtung dem Totalreflexionswinkel entspricht. Dann halbiert im Okular die Hell-Dunkel-Grenze genau das Blickfeld. 9.1.15 Asymmetrischer Durchgang Das Lichtbündel tritt unabgelenkt durch die eine Fläche und fällt auf die andere unter dem Winkel γ auf, tritt also unter α mit sin α = n sin γ wieder aus. Die Ablenkung ist δ = α − γ , also sin γ = n −1 sin(γ + δ ). Bei symmetrischem Durchgang gilt nach (9.10) sin(γ/2) = n −1 sin((γ + δ)/2). Welche Ablenkung ist größer, δ oder δ ? Wir schreiben δ = 2 arcsin(n sin(γ/2)) − γ , δ = arcsin(n sin γ) − γ . Ein Blick auf das Bild der arcsin-Funktion zeigt, dass sie im interessierenden Winkelbereich stärker als linear ansteigt (ihr Spiegelbild, die sin-Funktion, steigt schwächer als linear), dass also für jedes interessierende x gilt 2 arcsin(x/2) < arcsin x. Es folgt δ < δ : Bei symmetrischem Durchgang ist die Ablenkung schwächer als bei senkrechtem Einfall. 9.1.16 Minimale Ablenkung Wir zeichnen nur die Symmetrieebene des brechenden Winkels γ . α sei der Winkel, unter dem ein Strahl gegen diese Ebene einfällt, β der Ausfallwinkel, definiert wie in Abb. L.9. Der Strahl wird dann um δ = 180◦ − α − β abgelenkt. Wir tragen β als Funktion von α auf. Da der Strahlengang umkehrbar ist, muss die Beziehung zwischen α und β symmetrisch sein. Wenn z. B. der Ausfallwinkel β = 53◦ zum Einfallswinkel α = 48◦ gehört, muss beim Einfall unter 53◦ der Ausfall unter 48◦ erfolgen. Man kann also α und β in der Beziehung β = f(α) vertauschen, d. h. die Funktion f muss gleich ihrer eigenen Umkehrfunktion sein, d. h. das Bild von β = f(α) muss, an der 45◦ -Geraden α = β gespiegelt, in sich selbst übergehen. Unter den steigenden Funktionen β = f(α) gibt es nur eine, die das tut, nämlich α = β selbst. Das würde bedeuten, dass der Durchgang immer symmetrisch ist, bei α = 90◦ z. B. müsste auch β = 90◦ sein, als ob gar kein Prisma da wäre. Die Lösung α = β trifft also nicht zu. Die einzige andere Möglichkeit ist eine fallende β(α)-Kurve. Sie muss irgendwo die 45◦ -Gerade α = β schneiden: Der Schnittpunkt entspricht dem symmetrischen Durchgang. Die Kurve β(α) kann durch diesen Punkt konvex, konkav oder gerade laufen (a, c, b in Abb. L.9). Der Fall b würde bedeuten, dass die Ablenkung δ = 180◦ − α − β immer gleich ist. Im Fall a ist α + β bei symmetrischem Durchgang maximal, δ also minimal; im Fall c ist es umgekehrt. Welcher der drei Fälle zutrifft, lässt sich jetzt durch Vergleich der symmetrischen Ablenkung mit einem anderen Fall feststellen, z. B.
β b
c
a
α
β α
Abb. L.9. In symmetrischer Lage lenkt ein Prisma minimal ab
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mit dem senkrechten Einfall (Aufgabe 9.1.15). Dort war die Ablenkung stärker, also ist sie allgemein bei symmetrischem Durchgang minimal. 9.1.17 Dreikantprisma Ein Prisma mit rechteckigem Querschnitt wird entweder so vom Lichtbündel durchsetzt, dass dieses einfach an zwei Grenzflächen gebrochen wird (dann benutzt man effektiv wieder ein Dreikantprisma mit rechtwinkligdreieckigem Querschnitt), oder dass es an zwei oder mehr Grenzflächen gebrochen und an einer oder mehreren reflektiert wird. Bei zwei Brechungen und einer Reflexion heben sich aber die beiden Dispersionseffekte ganz oder teilweise auf, ganz z. B. bei symmetrischem Durchgang: Das rote und das blaue Bündel fallen zwar leicht gegeneinander versetzt, aber parallel zueinander wieder aus. 9.1.18 Rückstrahler Schwenkt man einen Spiegel um den Winkel ϕ in einer Ebene, die das Lot zum Spiegel und den einfallenden Strahl enthält, dann wird der ausfallende Strahl um 2ϕ geschwenkt. Das nutzt man in allen Lichtzeigerinstrumenten aus (Spiegelgalvanometer, Drehwaage). Bei zweimaliger Reflexion im Winkelspiegel dagegen kommt es auf eine Schwenkung des Spiegels nicht mehr an: Der reflektierte Strahl läuft gegen den einfallenden immer unter dem Winkel 2α, falls er in der Ebene der beiden Spiegellote einfällt. Bei α = 90◦ z. B. kommt er immer genau in umgekehrter Richtung zurück. Die Beschränkung auf die Lotebene fällt auch noch weg, wenn man einen dritten Spiegel senkrecht zu den beiden anderen setzt. Der Rückstrahler am Fahrrad, bestehend aus vielen solchen rechtwinkligen Eckspiegeln, strahlt also unabhängig von seiner Stellung im Idealfall alles Licht auf dessen Erzeuger zurück. Die Totalreflexion in einem Prisma vermeidet noch die Spiegelverluste. Mein zweimaliges Spiegelbild im Winkelspiegel sieht so aus, als stünde mir einer gegenüber, der das Herz wieder links hat. Im Prismenfeldstecher erfolgt zweimalige 180◦ -Ablenkung durch Totalreflexion in zwei 90◦ -Prismen (Verlängerung des Lichtweges, um die Brennweite von Linsen großer Öffnung ausnutzen zu können). Alle Durchtritte durch Luft-Glas-Grenzflächen erfolgen dabei entweder überhaupt senkrecht, oder so, dass sich die aufeinander folgenden Dispersionen gegenseitig aufheben (vgl. Aufgabe 9.1.17). Die verschiedenfarbigen Bündel laufen also evtl. etwas gegeneinander versetzt, aber parallel, was dem Auge nichts ausmacht: Es vereinigt sie trotzdem auf einen Punkt, man sieht keine farbigen Ränder. 9.1.19 Camera obscura Im Bild sind oben und unten vertauscht, rechts und links auch, also ist es nach Umdrehen seitenrichtig. Ein ferner Gegenstandspunkt erzeugt einen Lichtfleck vom Lochdurchmesser d, wozu aber bei kleinem d das Beugungsscheibchen vom Durchmesser = λa/d kommt √ zur √ (a: Abstand Gegenwand, vgl. (4.74)). d + λa/d hat ein Minimum 2 λa bei d = λa, d. h. nur 1 mm für a = 2 m. Die Helligkeit ist dann natürlich sehr gering; sie geht wie d 2 .
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(a)
dγ ε δ
L
P⬘
γ h
dβ
cosβ ⫽ ε ⫽δ
d
β P
cosγ dβ sinγ ⫽ n dγ nsinβ
sinγ sinβ
δ⫽
d dβ sinβ
ε dsinγ dβ ⫽ dγ sin2 β dγ d sin2 γ β⫽ n sin3 β L⫽
(b)
(c)
j Abb. L.10. So sieht (b) ein Bootfahrer 50 cm, (c) ein Schwimmer 10 cm über dem glatten Wasserspiegel den Boden eines 1 m tiefen Sees (Konstruktion in (a))
9.1.20 Kommen wir da durch? Aus der Konstruktion eines Büschels, das von P ausgeht, aber von P herzukommen scheint, ergibt sich nach Abb. L.10 die Parameterdarstellung x = −l cos γ − h/ tan γ , y = −l sin γ mit l = d sin2 γ/(n sin3 β). Nach y(x) lässt sich das nicht auflösen. 9.2.1 Gärtnerlatein? Wasser hat die Brechzahl n = 1,33. Ein kugeliger Tropfen, als dünne Linse betrachtet, hätte die Brennweite f = 12 r/(n − 12 ) = 1,5r. Für die dicke Linse ist die Brennweite nicht vom Mittelpunkt, sondern von der Hauptebene an zu rechnen, die nach (9.19) um 2r/(2n) = 0,75r vom rückwärtigen Scheitel der Kugel entfernt ist. Der Brennpunkt (der, wie jedes Experiment zeigt, herzlich schlecht ausgeprägt ist) liegt also um 0,75r hinter dem rückwärtigen Scheitel. Steht das Blatt mit dem Tropfen darauf etwa senkrecht zur Sonneneinstrahlung, dann würde das Licht erst im Innern des Blattes gesammelt, wo es längst absorbiert ist. Wenn bei schrägem Einfall der ,,Brennpunkt“ einmal auf die Blattoberfläche fällt, ist er so
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wenig konzentriert, dass Verbrennungen ausgeschlossen sind. Die Gefahr des Gießens bei Sonnenhitze liegt vielmehr darin, dass sich auch Pflanzen erkälten können. 9.2.2 Astigmatismus Alle geometrischen Betrachtungen für die Brechung am kreissegmentförmigen Querschnitt der Kugellinse gelten auch für den ebenso geformten Querschnitt des Zylinders senkrecht zu seiner Achse. Der rechteckige Querschnitt in Achsenrichtung hat keine Sammelwirkung. Die Zylinderlinse hat also keinen Brennpunkt, sondern eine Brennlinie. Jeder andere Querschnitt, schräg zu diesen Hauptlagen, ergibt kein Kreis-, sondern ein Ellipsensegment. Eine solche Ellipsenfläche bildet paralleles Licht auch nicht annähernd in einen Punkt ab. Eine zweite Zylinderlinse, mit der Achse senkrecht zur ersten dicht dahintergestellt, bringt also für die beiden Hauptschnitte punktförmige Sammlung, aber nicht für alle anderen Schnitte. Ein Auge ist astigmatisch, wenn Linse oder Augapfel in den verschiedenen Richtungen verschieden gekrümmt sind, wie das ganz extrem beim Zylinder der Fall ist. 9.2.3 Aphakie Das Bild des unendlich fernen Gegenstandes läge 8 mm hinter der Netzhaut, wenn dort noch Wasser wäre, ist also vollkommen unscharf. Die Hornhautkrümmung sorgt also allein schon für 34 der Brechkraft des normalen Auges, die Linse nur für 14 (Hornhaut 30 Dioptrien, Linse ca. 10 Dioptrien). Das Bild eines näheren Gegenstandes liegt noch weiter hinter der Netzhaut und ist noch unschärfer. Das aphake Auge braucht eigentlich eine ,,Zoom-Linse“, deren Brechkraft umso größer ist, je näher der betrachtete Gegenstand liegt. Eine Fern- und eine Nahbrille helfen einigermaßen. Die Fernbrille ersetzt die unangespannte Linse mit etwa 13 Dioptrien, die Lesebrille muss bei 25 cm Leseabstand etwa 17 Dioptrien haben. Wenn jemand z. B. nur zwischen 10 und 50 cm scharf sieht, ist der Brechkraftbereich 42–50 Dioptrien. Zur Fernsichtkorrektur braucht dieser Mensch eine Zerstreuungslinse mit −2 Dioptrien. Anspannung der Ringmuskeln verstärkt Wölbung und Brechkraft der Linse und macht dadurch die Bildweite gleich der Augapfellänge. Beim üblichen Fotoapparat bleibt die Brechkraft konstant, man ändert die Bildweite (Abstand Objektiv–Film). 9.2.4 Taucherbrille Unter Wasser steht vor dem Auge ein Medium mit n = 1,33 statt n = 1. Damit fällt die Brechung an der Hornhautwölbung, die nach Aufgabe 9.2.3 für 30 dp aufkommt, praktisch weg. Um diese 30 dp ist man unter Wasser ,,weitsichtig“. Etwa 10 dp davon kann die Linse durch Anspannung ausgleichen. Selbst für die Ferne fehlen dann für den Normalsichtigen noch 20 dp. Beim stark Kurzsichtigen (−10 dp) kann sich dieses Defizit auf 10 dp verringern: Er sieht unter Wasser die Ferne ähnlich unscharf wie über Wasser, beide Male ohne Brille. Beim mäßig Kurzsichtigen machen
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die paar Dioptrien der Brille so wenig aus, dass er meist gar nicht sagen kann, ob es besser ist, beim Tauchen die Brille aufzubehalten oder nicht. 9.2.5 Wenigstens ein Vorteil Der Kurzsichtige hat entweder eine zu hohe Linsenbrechkraft oder einen zu langen Augapfel. Jedenfalls liegt sein Schärfebereich näher beim Auge und reicht nicht bis Unendlich. Hat er z. B. eine −10-Brille, dann sollte diese seine Brechkraft in den üblichen Bereich 42–52 Dioptrien bringen (vgl. Aufgabe 9.2.3; jugendliches Auge). Ohne Brille hat er also 52–62 Dioptrien, d. h. er sieht scharf von 4,6 bis 11 cm (g = 2,4 f/(2,4 − 1,3 f )). Er kann also halb so weit vom Auge und damit doppelt so groß noch scharf sehen wie der Normalsichtige. Im Alter verstärkt sich dieser Unterschied: Selbst bei völlig erstarrter Linse sieht der −10-Kurzsichtige noch bei 11 cm scharf (allerdings leider nur dort), der Normal-Alterssichtige nur im Unendlichen. 9.2.6 Dicke Linse Die Brechung ist anzusetzen an einer Ebene, die vom linken Scheitel an gerechnet die folgenden Bruchteile der Linsendicke abschneidet: 13 für Parallelstrahlen von rechts, 13 für Brennstrahlen von links, 23 für Brennstrahlen von rechts, zwischen 13 und 23 für Richtungen, die zwischen Parallelund Brennstrahl liegen. All dies ergibt sich einfach aus Abb. 9.35 durch Umkehrung des Lichtweges oder auf Grund der Symmetrie der Linse. 9.2.7 Sphärische Aberration Für achsenferne Strahlen gelten die Näherungen in Abschn. 9.2.1 (Ersetzung von sin und tan durch den Winkel) nicht mehr. Für ein Parallelbündel erhält man in der nächstbesseren Näherung nach ziemlich mühseliger Algebra das unverhofft einfache Ergebnis b = rn 2 (1 − n 21 y2 /(2n 22r 2 ))/(n 2 − n 1 ) für den Abstand des Schnittpunkts mit der Achse vom Linsenscheitel. Für Luft–Glas wird b = 3r(1 − 0,22y2 /r 2 ). Bei y r gilt also richtig der ,,achsennahe“ Wert b = 3r, mit wachsendem Achsabstand rückt der Schnittpunkt immer näher an die Linse. Für y = 0,5r liefert die exakte Rechnung besonders einfache Zahlenwerte (γ = 30◦ , β = 20◦ , ϕ2 = 10◦ , b = 2,84r), und man sieht, dass auch die obige Näherung dort nicht mehr sehr gut ist. Dies galt für eine brechende Konvex-Kugelfläche. Umkehrung des Strahlenganges zeigt, dass bei der Konkavfläche Strahlen, die nach der Brechung achsenfern parallel werden sollen, nicht vom Brennpunkt kommen dürfen, sondern von einem Punkt, der umso näher an der Linse liegt, je steiler die Strahlen gegen die Achse weggehen. 9.2.8 Trikolore Die Wölbung der Augenlinse oder eigentlich die Anstrengung des Akkommodationsmuskels wird als Entfernungsmaß registriert, das durchaus mit den Signalen des zweiäugigen Sehens konkurrieren kann. Selbst wenn verschiedenfarbige Flächen nahe beieinander stehen, machen wir doch unmerkliche Drehbewegungen des Auges, um das jeweils fixierte Element
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in die Fovea centralis zu bringen, wo die Zäpfchen am dichtesten sitzen, begleitet von entsprechenden Akkommodationsänderungen, falls die Elemente verschiedenfarbig sind. Daher können sich Farbflächen, besonders wenn sie wie in Kirchenfenstern deutlich voneinander abgesetzt sind, scheinbar in verschieden entfernte Ebenen trennen: Rot – nahe, Blau – fern, mit Zwischenstufen längs des Spektrums. Ein roter Streifen gleicher Breite, also gleichen Sehwinkels wie ein blauer würde, weil näher, schmaler erscheinen. 9.2.9 Lupe Eine Lupe soll nicht viel weniger als 1 cm Durchmesser haben, damit man ein angemessenes Bildfeld erhält. Beim Öffnungsverhältnis d/ f ≈ 0,5 ist die sphärische Aberration schon erheblich (vgl. Aufgabe 9.2.7). Die Brennweite f darf also kaum unter 1 cm gehen. Dem entspricht nach (9.20) oder (9.21) eine Vergrößerung nicht wesentlich oberhalb 25. Die Linse ist dann schon fast kugelig. Bei der Bikonvexlinse ist f = r (vgl. (9.14)), und ein erheblicher Teil davon fällt ins Innere der dicken Linse. Das Objekt muss also um wenige mm hinter den Linsenscheitel gehalten werden. 9.2.10 Mikroskop Die Vergrößerungen gehen von 125 bis 2 450. Das Objekt muss praktisch in die Brennebene des Objektivs gebracht werden, d. h. weniger als die Brennweite vom Scheitel der äußersten Objektivlinse entfernt (das Objektiv ist keine dünne Linse). Praktisch wird man die Objektive etwa durch den Aufdruck 25×, 50×, 83×, 167×, die Okulare durch 5×, 10×, 15× kennzeichnen. 9.2.11 Immersionsobjektiv Man kann das Auflösungsvermögen A kennzeichnen durch den reziproken kleinsten Sehwinkel a/λ = an/λ0 und sagen, das Immersionsöl setze die Wellenlänge gegenüber der im Vakuum λ0 auf 23 herab; oder man kann A beschreiben durch 1/g = n sin α/λ0 , den reziproken Abstand noch auflösbarer Gegenstandspunkte, und sagen, das Öl erhöhe die numerische Apertur. Beide Darstellungen sind äquivalent. 9.2.12 Auflösungsvermögen Auch die Elektronenausbreitung wird durch eine Welle, die de BroglieWelle, geregelt, deren Wellenlänge mit dem Impuls p der Elektronen wie λ = h/ p zusammenhängt. Objekte, die kleiner sind als λ, erzeugen Beugungsscheibchen, die i. Allg. nicht ganz in die Objektivöffnung fallen. Die abbesche Theorie ist anwendbar. Senkung der Wellenlänge steigert das Auflösungsvermögen. Violettlicht zeigt etwa halb so große Einzelheiten wie Rotlicht. Gelegentlich benutzt man UV-Licht mit photoelektrischen Bildwandlern. Im Elektronenmikroskop sind der Senkung von λ theoretisch kaum Grenzen gesetzt: Man braucht nur die Beschleunigungsspannung zu steigern. Unterhalb von 500 kV (im nichtrelativistischen √ Bereich) ist p = 2meU, oberhalb p = eU/c. Leider lassen es die Linsenfehler nicht zu, die entsprechenden hohen Auflösungen auszunutzen.
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Man muss die numerische Apertur sehr klein halten, im Gegensatz zum Lichtmikroskop. Immerhin hat man mit Elektronenenergien von einigen MeV erstmals echte optische Abbildungen atomarer Objekte herstellen können (Bilder von Metallatomen u. ä. waren bisher nur mit dem Feldemissionsmikroskop erzeugt worden, ohne Einschaltung einer optischen Abbildung). 9.2.13 Wie misst man Vergrößerung? Wie Abb. 9.48 zeigt (unter erheblicher Übertreibung des Winkels zwischen Bündelrichtungen und optischer Achse), verhalten sich die Durchmesser des ins Objektiv eintretenden und des aus dem Okular austretenden Bündels wie f 1 / f 2 = v. Man braucht z. B. beim Feldstecher nur den Durchmesser des hellen Scheibchens auszumessen, das man im Okular sieht, und es mit dem Objektivdurchmesser zu vergleichen. Das Verhältnis gibt direkt die Vergrößerung. Wenn Vergrößerung und Öffnung des Fernrohrs so ausgelegt sind, dass das Auflösungsvermögen des Auges gerade voll ausgenutzt wird, ist dieses Scheibchen so groß wie die menschliche Pupille. 9.2.14 Entfernungseinstellung Das Gewinde am Kamera-Objektiv übersetzt Drehung proportional in Verschiebung, d. h. Änderung des Abstandes Objektiv-Film, der Bildweite. Nach der Abbildungsgleichung ist b = f/(1 − f/g). Diese b(g)Abhängigkeit ist ausgesprochen nichtlinear, sie ist eine Hyperbel mit den Asymptoten b = f und g = f . Da üblicherweise g f ist, kann man schreiben b ≈ f + f 2 /g. Die b-Änderung zwischen g = 50 und 55 cm ist ebenso groß wie zwischen 5 m und ∞, unabhängig von der Brennweite, denn beide Mal ist der Unterschied in 1/g derselbe, nämlich 0,2 m−1 . 9.2.15 Hohlwelt Wir beschränken uns hier auf das rein Geometrisch-OptischAstronomische. Spiegelung an der Erdkugel bringt alles nach innen. Ein Objekt, das für uns den Abstand a vom Erdmittelpunkt hat, wandert nach b = R2 /a, z. B. der Mond auf eine Bahn von b = 100 km Radius, die Sonne auf b = 250 m. Der Mond hat etwa 1 km Durchmesser, die Sonne nur etwa 2 m. Alle Lichtstrahlen, die die Erdoberfläche tangieren, werden Kreise vom Radius R/2, die durch den Erdmittelpunkt gehen. Strahlen anderer Richtung werden Kreisbögen mit größerem Radius. Wer Funktionentheorie kann, weiß das sofort: z = R2 /z ist konform, daher kreisund winkeltreu. Dieses Verhalten des Lichtes erklärt Horizont, Tages- und Jahreszeiten, Finsternisse usw. Licht würde so laufen, wenn die Brechzahl n = r 2 /R2 wäre (Herleitung: Für einen zum Zenit gerichteten Lichtstrahl sagen wir c = dr/dt, die Hohlweltler c = dr /dt = −R2r −2 dr/dt, also n = r 2 /R2 ). Nahe am Mittelpunkt läuft das Licht langsamer: So kommen sogar die vielen Lichtjahre der Astronomen heraus, die von dieser Verlangsamung ja nichts ahnen. Satellitenaufnahmen, auf denen man sieht, dass die Erde konvex ist, beweisen entgegen allgemeiner Überzeugung nichts, denn nach der Hohlwelttheorie würde genau dasselbe herauskommen. In
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Widersprüche gerät man erst, wenn man Strahlungsenergie- und Gravitationsprobleme behandelt. Wenn die winzige Sonne, wie ihr Spektrum anzudeuten scheint, etwa 6 000 K heiß ist, könnte sie uns nicht so erwärmen, wie sie es tut, denn ihre Strahlung verdünnt sich fast 109 -mal mehr als nach dem üblichen Weltbild. Tröstlich, wenn auch nur auf den ersten Blick, ist Folgendes: Der T -Gradient im Erdkörper ist ja empirisch gesichert. Den Hohlweltlern müsste er einen ununterbrochenen Wärmestrom nach innen führen, der ihren Hohlraum längst unerträglich aufgeheizt hätte. 9.2.16 Halo Paralleles Sonnenlicht fällt auf eine Eisnadelwolke. Durch ein Eisprisma gebrochenes Licht erreicht uns aus einer Richtung, deren Winkel ϕ zur Sonnenrichtung gleich dem Ablenkwinkel des Prismas ist. Für die Eisnadeln sind i. Allg. alle Orientierungen gleichmäßig vertreten. Der Ablenkwinkel ϕ als Funktion der Orientierung hat aber ein Minimum, und eben deswegen tritt dieser ϕ-Wert am häufigsten auf (vgl. z. B. Abb. 4.73, wo allerdings die Abszisse λ heißt). Nach Abschn. 9.1.5 folgt diese Minimalablenkung ϕ aus sin((γ + ϕ)/2) = n sin(γ/2) mit γ = 60◦ und n = 1,31 zu ϕ = 22◦ . Eis hat normale, aber schwache Dispersion, daher ist ϕ für Rot kleiner: Rot liegt innen. Die übrigen Farben sind durch nichtminimal abgelenktes Licht weitgehend verdeckt. Da ϕ minimal ist, sieht das Innere des Halos deutlich dunkler aus als außerhalb. 9.3.1 Rømer oder Doppler Ein periodischer Vorgang wie die Verfinsterung der Jupitermonde erscheint einem Beobachter ,,ins Violette verschoben“, d. h. mit vergrößerter Frequenz, wenn er sich mit der Erde auf die Quelle (Jupiter) zubewegt, und umgekehrt. Ist ν0 die Umlauffrequenz eines Mondes und hat die Erde eine Geschwindigkeitskomponente v sin(ωt) auf Jupiter zu, dann beobachtet man eine Verfinsterungsfrequenz ν0 (1 + v sin(ωt)/c). In einem halben Jahr eine Anzahl von Pe T/2sieht der Erdbeobachter π rioden, die gleich 0 ν dt = ν0 /ω 0 (1 + v sin(ωt)/c) dt = ν0 (T/2 + 2R/c) = ν0 (T/2 + 2R/c) ist, also genau umso viele Perioden mehr als bei ruhender Erde, wie auf die Laufzeit 2R/c entfallen, die das Licht für einen Erdbahndurchmesser braucht. 9.3.2 Fizeau-Versuch Damit Zahn bzw. Zahnlücke das sehr gut fokussierte Lichtbündel ganz unterbricht bzw. passieren lässt, muss jedes etwa 1 mm breit sein. Bei einer Umfangsgeschwindigkeit von 100 m/s, die schon sehr beängstigend ist, dauert es dann 10−5 s, bis die nächste Lücke den Platz eines Zahnes einnimmt. In dieser Zeit legt das Licht 3 km zurück. Das ,,Minimalexperiment“ erfordert also eine Messstrecke von 1,5 km. In der Orginalanordnung war sie 5,7-mal so lang. Fizeau konnte also die Frequenz ν seines Rades von 0 an allmählich steigern und jedes Mal die ν-Werte registrieren, bei denen maximale bzw. minimale Helligkeit auftrat. Die Abstände zwischen Hell und Dunkel ergeben mehrere unabhängige Messungen von c, die man mitteln kann, um die Messgenauigkeit
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zu steigern und ein quantitatives Maß für die Fehlergrenze zu gewinnen. Die Genauigkeit der Methode hängt dann im Wesentlichen von der Drehzahlmessung ab. Schon eine stroboskopische Messung mittels der Netzfrequenz liefert (heute) etwa 99% Genauigkeit. Elektronische Methoden führen viel weiter. 9.3.3 Foucault-Versuch Die rotierenden Teile von Elektromotoren haben Abmessungen von mindestens 1 cm. Damit Umfangsgeschwindigkeiten von 100 m/s nicht überschritten werden, darf die Frequenz nicht viel größer sein als 1 kHz. In einem großen Saal erreicht man durch Mehrfachspiegelung leicht 100 m Lichtweg, d. h. eine Laufzeit des Lichtes von 0,3 µs. In dieser Zeit dreht sich der Spiegel um den Winkel ωt = 2 · 10−3 ≈ 7 . Auf einem 20 m entfernten Schirm ist die Ablenkung zwischen einfallendem und zurückkehrendem Bündel 4 cm. Bei sehr guter Fokussierung (1 mm Bündeldurchmesser) bedeutet das eine Messgenauigkeit von etwa 1%. Direktmessung der Brechzahl von Luft aus der Lichtgeschwindigkeit würde eine Vergleichsmessung im Vakuum voraussetzen, die so nicht durchführbar ist. Ganz abgesehen davon reicht die Messgenauigkeit längst nicht aus (n Luft = 1,000 27). Man brauchte dazu bei gleicher Fokussierung einen Lichtweg von etwa 10 km. 9.3.4 Ändert sich λ oder ν? Würde sich die Frequenz beim Eintritt ins Wasser ändern, wäre kein gemeinsamer Schwingungsvorgang außer- und innerhalb des Wassers mehr möglich: Beide würden sofort außer Takt fallen. λ muss mit 1/n gehen. Die Frage nach der Farbe ist so nicht entscheidbar: Auch im Auge des Tauchers kommen sowohl λ als auch ν mit denselben Werten an wie über Wasser. Beim Eintritt in den See nimmt λ ab und ändert sich dann beim Übergang in den Augapfel kaum noch. Über Wasser erfolgt die gleiche Gesamtänderung an der Hornhaut. 9.3.5 Widerspruch? Zeichnen Sie analog zu Abb. 4.34b diese Elementarwellen in der Luft. Ist der Grenzwinkel der Totalreflexion überschritten, gibt es keine Tangentialebenen an die Kreis-Wellenfronten mehr. Diese Ebenen kennzeichnen ja nur einige der Stellen, wo alle Elementarwellen konstruktiv interferieren, nämlich alle einen Berg haben. Auf allen dazu parallelen Ebenen interferieren andere Phasen ebenfalls konstruktiv. Die Elementarwellen in Luft bei Totalreflexion haben an jeder Stelle alle verschiedene Phasen, interferieren einander also weg, wie u. A. ein Zeigerdiagramm beweist. In einem mit λ vergleichbaren Abstand ist diese Destruktion noch nicht komplett, dazu wären sehr viele Phasenpfeile nötig: Die Erregung nimmt mit dem Abstand ab, bis sie bei wenigen λ unmerklich klein geworden ist (Goos-Hänchen-Effekt, Abb. 9.17, analog zum quantenmechanischen Tunneleffekt).
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9.3.6 c-Messung Auf dem Schirm entsteht eine Lissajous-Ellipse aus dem LED-Signal x = x0 sin(ωt) und dem phasenverschobenen PD-Signal y = y0 sin(ωt + ϕ). Eine schräge Linie zeigt ϕ = 0 an. Ändert man die Laufzeit des Lichts um ∆t, entsteht eine Phasenverschiebung ϕ = ω∆t. Auf dem Schirm ergibt sich y0 als Höhe einer waagerechten Tangente an die Ellipse, y0 sin ϕ als Höhe des y-Schnittpunktes der Ellipse, wo ja x = 0, also z. B. t = 0 ist, d. h. y = y0 sin ϕ. Die Ellipse (a) liefert sin ϕ = 0,30 ± 0,02, also ϕ = 0,305 ± 0,02 rad, woraus sich ∆t = (9,7 ± 0,6) · 10−10 s ergibt. Das entspricht einer Wegänderung von 0,3 m, also einer Lichtgeschwindigkeit von (3,09 ± 0,18) · 108 m s−1 . Ein Medium der Länge x mit der Brechzahl n erhöht die Laufzeit um ∆t = x(n − 1)/c, wir erhalten n = c∆t/x + 1, also n = 1,32 ± 0,02 für Wasser, n = 1,49 ± 0,03 für Glas. 9.4.1 Glasfenster Die Strahlen eines konvergenten Lichtbündels werden durch die Glasplatte von der Achse weg gebrochen – der Brennfleck wird also weiter von der Linse entfernt. Mit der Matrizenoptik (Abb. 9.61) kann man die Matrix der Glasplatte (Dicke d und Brechzahl n ∼ 1,5) berechnen und erhält 1 d 1 0 1 d/n 1 0 = . 0 n 0 1 0 1/n 0 1 Die Glasplatte wirkt verringernd auf die Streckenlänge d → d/n, der Brennfleck wird um die Länge d(1 − 1/n) verschoben. 9.5.1 Hätte Newton sich gefreut? Licht läuft in einem Medium mit hoher Brechzahl √ n langsamer (c = c0 /n), Elektronen laufen dort schneller (n 1 /n 2 = U2 /U1 = v2 /v1 ). Newton erklärte die Brechung von Licht genau so wie wir jetzt die von Elektronenstrahlen erklären, nämlich durch die beschleunigende Wirkung eines Feldes, das in der Grenzschicht zwischen dünnerem und dichterem Medium lokalisiert ist. Er erhielt so direkt das Snellius-Gesetz. Um die Dispersion einzubeziehen, musste er annehmen, die Lichtkorpuskeln verschiedener Farben hätten verschiedene Anfangsenergien. Da violettes Licht am stärksten abgelenkt wird, mussten, entgegen unserer Ansicht, seine Korpuskeln am energieärmsten sein. Erst zur Deutung von Beugung und Interferenz (newtonsche Ringe!) musste Newton unplausiblere Annahmen machen. 9.5.2 Lichtkrümmung Der Strahl laufe unter dem Winkel ϕ gegen den Brechzahlgradienten. Man kann die stetige Brechzahländerung dn/dx in sehr kleine Schritte ∆n auf der Strecke ∆x zerlegt denken. An jeder solchen Grenzschicht ändert sich die Richtung gemäß n sin ϕ = (n + ∆n) sin(ϕ + ∆ϕ) ≈ n sin ϕ + ∆n sin ϕ + n cos ϕ∆ϕ, d. h. um ∆ϕ = −∆n tan ϕ, oder auf die Laufstrecke ∆s = ∆x/ cos ϕ bezogen: ∆ϕ/∆s = − sin ϕ∆n/∆x. Dies ist genau das, was man als Krümmung des Lichtstrahls definiert: 1/R = − sin ϕ · dn/dx. Die Beziehung ∆ϕ/∆x = − tan ϕ · ∆n/∆x gäbe für ϕ = 90◦ keinen Sinn.
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Erst die Reduktion auf ∆s, d. h. die Multiplikation mit cos ϕ = 0 stellt den Sinn wieder her. Der strenge Mathematiker würde natürlich die Regel von de l’ Hôpital auf den ,,unbestimmten Ausdruck“ 0 · ∞ anwenden, um zu sehen, ob der Grenzübergang gerechtfertigt ist. 9.5.3 Bahnkrümmung Der Potentialgradient, d. h. das Feld sei E = −grad U. Ein Elektron, das senkrecht dazu fliegt, kompensiert die Kraft e grad U senkrecht zu seiner Bahn durch ein Einschwenken auf einen Kreis, sodass die Zentrifugalkraft die elektrische kompensiert: mv2 /r = egrad U. Wenn v und E unter dem Winkel ϕ = 90◦ stehen, reagiert der Krümmungsradius nur auf die Normalkomponente −eE sin ϕ, d. h. mv2 /r = eE sin ϕ. Die Tangentialkomponente beschleunigt das Elektron: m v˙ = −eE cos ϕ. In der Form sin ϕ · egradU/Wkin = const ist die Kreisbahnbedingung praktisch das Snellius-Gesetz sin ϕ · n = const mit n = eU/Wkin . 9.5.4 Fata Morgana Über der besonnten Straße bildet sich eine ziemlich dünne Schicht erhitzter, d. h. verdünnter Luft. Man kann von einer Totalreflexion an diesem optisch dünneren Medium sprechen, wenn es genügend scharf begrenzt ist, oder sonst die Lichtkrümmung im n-Gradienten behandeln. Das Ergebnis ist das gleiche. Die normale Lufttemperatur sei T0 (in K), dicht über der Straße sei es um ∆T wärmer, d. h. die Dichte ist dort um ∆ = 0 ∆T/T0 geringer. Die Abweichung der Brechzahl von 1 ist nach Clausius-Mosotti (Abschn. 6.2.3) proportional der Dichte, also ist n über der Straße um ∆n = (n 0 − 1)∆ / 0 = (n 0 − 1)∆T/T0 kleiner. Totalreflexion tritt ein, wenn ein Lichtstrahl von schräg oben unter einem sehr kleinen Winkel α gegen die Horizontale auf die heiße Schicht auffällt, wobei n cos α = n + ∆n oder n(1 − α2 /2) = n + ∆n oder √ im Grenzfall √ α = 2∆n = 2(n 0 − 1)∆T/T0 ist. Mit n 0 = 1,000 272, ∆T = 30 K, T0 = 300 K folgt α = 7 · 10−3 . Hat der Beobachter seine Augen in der Höhe h über der völlig ebenen Straße, dann setzt die Totalreflexion √ in einer Entfernung a = h/α = h/ 2(n 0 − 1)T/T0 ein, im Beispiel mit h = 1,4 m (Autofahrer) bei a = 200 m. Jenseits von a spiegelt sich der Himmel an der Straße, genau als ob diese nass wäre. Der Kamelreiter in der Sahara hat ein größeres h, sieht also den ,,See“ in größerem Abstand. Die Entfernung a gibt direkt die Temperaturdifferenz ∆T . Eigentlich handelt es sich in beiden Fällen nicht um eine Totalreflexion, sondern um Lichtkrümmung innerhalb der wärmeren Schicht. Sie habe die Dicke d, also den Brechzahlgradienten ∆n/d = (n 0 − 1)∆T/(dT ). Der dazu praktisch senkrechte Lichtstrahl erfährt die Krümmung 1/R = ∆n/d, wird also, √ falls er die√Straße gerade streift, abgelenkt um den Winkel 2β = 2 2d/R = 2 2(n 0 − 1)∆T/T0 . β ist genau wieder das oben berechnete α. 9.5.5 Atmosphärische Refraktion Das zur Erde tangentiale Licht der untergehenden Sonne hat nach Abschn. 9.5.1 in der Atmosphäre mit ihrer höhenabhängigen Brechzahl die
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Krümmung 1/r = n −1 dn/dh = d ln n/dh. Die Abweichung der Brechzahl von 1 ist annähernd proportional der Dichte, diese nimmt etwa nach der e-Formel ab: n = 1 + a = 1 + be−h/H . Damit wird ln n ≈ be−h/H und der Krümmungsradius r ≈ Hb−1 eh/H , in Bodennähe r ≈ H/b. Für die Erdatmosphäre ist H = 8 km und b = 0,0003, also r ≈ 25 000 km. √ Der tangentiale Strahl läuft eine Strecke x = 2RH ≈ 300 km (Pythagoras! R Erdradius) durch die Schichtdicke H. Auf dieser Strecke wird er abgelenkt um x/r ≈ 0,6◦ . Die Sonnenscheibe erscheint unter 0,5◦ und legt die 0,6◦ in 0,6◦ · 24 h/360◦ ≈ 2,4 min zurück, Tagesverlängerung 5 min. Bei viermal so dichter Atmosphäre wäre der Krümmungsradius gleich dem Erdradius: Das Licht liefe rings um den Planeten, es gäbe keine Nacht und keinen Horizont. Allerdings sähe ,,ganz hinten“ auf dem Planeten die Sonne aus wie ein horizontaler Strich von recht geringer Leuchtkraft. Auf dem planetenumspannenden Meer sähe man, entsprechende ,,Sicht“ vorausgesetzt, z. B. sich selbst von hinten. Ein hoher Berg bei den Antipoden zöge sich als Wand rings um den ,,Horizont“, man sähe alle seine Flanken. Auf der Venus ist sogar r ≈ R/20 ≈ 320 km. Die Umgebung scheint sich wie eine flache Schüssel um den Beobachter hochzuwölben. Die Wolkenschicht (zweite parallele Schüssel) deckt allerdings alles ab, was weiter als etwa 1 000 km entfernt ist. Das Tageslicht läuft, mehrfach ,,reflektiert“, um den ganzen Planeten. Am Sonnenrand (R =√6 · 105 km, H = kT/(m H aSonne ) ≈ 20 · 8 km · 29/20 ≈ 160 km), ist x = 2RH ≈ 104 km, Ablenkung um 2 bei r ≈ 109 km; r = H/b liefert b ≈ 10−7 , was weniger als 1 mbar Wasserstoff entspricht. So genau muss die Gasdichte über der Chromosphäre bekannt sein, damit man den relativistischen Effekt aus der gemessenen Ablenkung ,,herausfischen“ kann. 9.5.6 Elektronenspiegel Man könnte meinen, die optischen Eigenschaften würden durch die Form der ,,Rückwand“ in Abb. 9.72 bestimmt, und eine ebene Rückwand z. B. erzeuge einen ebenen Spiegel. Das Wesentliche ist aber das Hervorquellen der Niveauflächen aus der Lochblende, das nur noch stärker wird, wenn man die Rückwand eben oder gar konvex macht. Einen ebenen Spiegel, für den bei allen Elektronenenergien und -richtungen Einfallswinkel α = Ausfallswinkel β wird, erhält man nur, wenn man das Feld auch vorn ganz ,,platt drückt“, z. B. zwischen einer ebenen Rückwand und einem ebenen Drahtnetz von genügender Maschenfeinheit ein homogenes Feld herstellt. Darin beschreiben die Elektronen Wurfparabeln, und α = β ist immer erfüllt. Die Eigenschaften eines beliebigen anderen Feldes E kann man dann ableiten, indem man die konforme Abbildung sucht, die das homogene Feld in das Feld E überführt. Die gleiche Abbildung führt auch die leicht anzugebenden Elektronenbahnen im homogenen Feld in die im Feld E über. Bahnen, die von einem Punkt in verschiedenen Richtungen ausgehen, schneiden sich bei Ablenkung durch das homogene Feld i. Allg. nicht alle wieder in einem Punkt. Damit sie es im Feld E doch tun, muss der Schnittpunkt eine ,,Singularität“ der konformen Abbildung sein. Näheres über diese begrifflich sehr eleganten Methoden lehrt die Funktionentheorie.
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9.5.7 Lange Linse Wir rechnen natürlich in Zylinderkoordinaten z, r, ϕ. Das rotationssymmetrische Feld hat Bϕ = 0 und keine ϕ-Abhängigkeit. Es ist überall divergenzfrei, also div B = Bz,z + 2Br,r = 0 (r zählt doppelt, weil es zwei zueinander senkrechte r-Richtungen gibt), d. h. Br,r = − 12 Bz,z . Näherung der geometrischen Optik: Ablenkwinkel klein, also vz = v praktisch konstant. Bewegungsgleichungen: v˙ ϕ = evBr /m, v˙ r = −evϕ Bz /m. Wir eliminieren vϕ , indem wir nochmal nach t ableiten: v¨ r = −e˙vϕ Bz /m = −e2 vBr Bz . Existenz eines Brennpunktes bedeutet vr /v = r/ f , also vr,r = v/ f . Wir leiten die Bewegungsgleichung nochmal nach r ab: v˙ r,r = −e2 v(Bz Br,r + Br Bz,r )/m 2 . Das Glied mit Bz,r ist klein, weil das Feld annähernd achsparallel ist. Mit Br,r = − 12 Bz,z bleibt v˙ r,r = 12 e2 vBz Bz,z /m 2 . Wir integrieren dieseGleichung nach dem Schema x˙ = f(z) ⇒ dx = f dt = f dz/v ⇒ x = v−1 f dz, alsov˙ r,r = 14 e2 Bz2 /m 2 (denn Bz Bz,z ist die Ableitung von 12 Bz2 ), also vr,r = 14 e2 Bz2 dz/m 2 v, und wegen eU = 12 mv2 folgt (9.31).
= Kapitel 10: Lösungen . . . 10.1.1 Fresnel-Spiegel Bei kleinen Winkeln beträgt der Abstand von der realen zu den virtuellen Lichtquellen ungefähr 2l. Die Verbindungslinien formen den Winkel α, sodass ihr Abstand 2lα beträgt. 10.1.2 Glasplatte I Nehmen wir ein 0,1 mm-Mikroskopdeckgläschen und monochromatisches Licht von 500 nm. Einer Änderung des Gangunterschiedes um λ/2 entspricht nach (10.20) eine Schwenkung des Bündels um ca. 3◦ , wenn α klein ist, und von ca. 5◦ , wenn α ≈ 60◦ ist. Schwenkt man also Lichtquelle und Linse von α = 0 an, dann sieht man auf einem Schirm den Reflex im angegebenen Winkelabstand sich aufhellen und wieder abdunkeln. Ganz dunkel wird er nie, weil die Intensitäten des direkt reflektierten und des einmal durch die Platte hin- und zurückgegangenen Lichtes etwas verschieden sind: 4% gegen 4 · 0,962 % = 3,7%. In Dunkelstellung hat man also etwa 8% der Hell-Intensität. Ein Streifen von der Breite 2d tan α, entsprechend dem Abstand BA in Abb. 10.46, bleibt immer hell, weil von dort nur direkt reflektiertes Licht ausgeht. Er bleibt für d = 0,1 mm selbst bei großen Winkeln sehr schmal. 10.1.3 Glasplatte II Bei parallelem monochromatischen Licht erfolgt nach Aufgabe 10.1.2 annähernde Auslöschung des Reflexes bei bestimmten Einfallsrichtungen. Aus parallelem weißen Licht wird bei jeder Einfallsrichtung eine bestimmte Wellenlänge weginterferiert (nie zwei, weil das sichtbare Spektrum nur knapp einem Wellenlängenfaktor 2 entspricht). Der Reflex erscheint in der dazu komplementären Farbe. Das divergierende Licht einer Punktquelle macht die Richtungen der Strahlen 1 und 2 in Abb. 10.46
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i. Allg. so verschieden, dass es nicht zur Interferenz kommt; noch weniger bei diffuser Beleuchtung aus allen Richtungen. 10.1.4 Schillernde Ölhaut Es ist gar nicht so leicht, die zusammenhängende, das ganze Wasser bedeckende Ölhaut herzustellen, von der die Physikbücher immer reden. Versuchen Sie es, und Sie werden einige lehrreiche Minuten haben. Das Ergebnis hängt stark von der Art des Öls und der Härte des Wassers ab. Je höhermolekular das Öl, desto größer ist i. Allg. seine Oberflächenspannung (Tröpfchengröße!). Motoren-, Fahrrad-, Speise-, Heiz-, Dieselöl erfüllen daher i. Allg. die ,,Fettaugenbedingung“ σWL < σLÖ + σWÖ (W: Wasser, L: Luft, Ö: Öl), Zweitaktgemisch dagegen nicht: Es breitet sich aus, wenn auch meist nicht sofort und nicht über die ganze verfügbare Fläche; die Schicht durchsetzt sich oft mit kreisrunden Löchern, die sie erst einfach dreckig erscheinen lassen, später aber oft sehr schöne Muster bilden. Das kleinste Stäubchen Waschmittel hat darauf einen Effekt wie die Nacht von Fasching zu Aschermittwoch. – Im Idealfall bildet ein 10 mm3 -Tropfen auf 1 m2 Fläche eine 10 nm dicke Haut. Das ist noch viel dicker als die monomolekulare Schicht (etwa 2 nm), aber viel kleiner als die Wellenlänge. Der Gangunterschied zwischen vorn und hinten reflektiertem Licht ist also immer 0, wenn das Öl optisch dünner ist als das Wasser, immer λ/2, wenn es dichter ist. Meist ist das Öl optisch dichter, wie man am höheren Reflexionsvermögen (∼ (n − 1)2 ) der Ölhaut erkennt. An der Öl-Wasser-Grenzschicht ist die Reflexion so schwach, dass trotz des λ/2-Phasensprunges keine erhebliche Reflexminderung eintritt. Bei Schichtdicken um 1 µm, d. h. bei kleinerer Oberfläche oder unvollständiger Ausbreitung erhält man an gewissen Stellen in gewissen Richtungen Auslöschung eines kleinen Intensitätsanteils gewisser Farben, sieht also (besonders vor dunklem Wannengrund) stark mit Weiß versetzte Komplementärfarben. 10.1.5 Seifenblase Die beiden Reflexionen an einer Seifenhaut erzeugen immer einen Gangunterschied λ/2 zusätzlich zu dem auf der Dicke beruhenden (eine Reflexion am dichteren, eine am dünneren Medium, beide praktisch von gleicher Intensität, weil gleichem ∆n). Die Farben sind deshalb i. Allg. sehr kräftig, besonders vor dunklem Hintergrund. Es handelt sich überwiegend um Interferenzen gleicher Dicke; man sieht das gut an Stellen, wo Dickenänderung infolge von Konvektionen in der dünnen Schicht zu lebhaftem Farbwechsel führt. Besonders kräftig erscheint eine Farbe dort, wo für ihre Gegenfarbe λ = 2,6d ist (fast senkrechter Einfall vorausgesetzt). Satt gelb schillernde Stellen haben Violett weginterferiert, sind also etwa 0,15 µm dick. Bei mäßig guter Seifenlösung ist Gelb daher Gefahrensignal für dünne Stellen und baldiges Zerreißen. Sehr gute Blasen werden vor dem Zerreißen stellenweise ganz dunkel. Dort sind sie dünner als etwa 50 nm, sodass allein der reflexmindernde λ/2-Gangunterschied vorliegt.
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10.1.6 Newton-Ringe in Dias Wenn man, wie es früher allgemein üblich war, das Dia mit zwei Glasplatten einfasst, ist es kaum zu vermeiden, dass der Film stellenweise das Glas in flacher Krümmung berührt. Um eine solche Stelle sieht man bei der Projektion Newton-Ringe. Während Film und Glas sich im Projektor erwärmen, ändern sich Krümmungs- und Berührungsverhältnisse, und die Ringe kriechen. Das benutzte Licht ist nie ganz parallel. Je dicker die Luftschicht ist, ein desto engerer Winkelbereich kann die Auslöschungsbedingung erfüllen, desto mehr ist die Komplementärfarbe mit Weiß gemischt, desto blasser sieht sie aus. 10.1.7 Babinet-Prinzip Wenn durch Übereinanderlegen der Schirme S1 und S2 ein Schirm S3 entsteht, ist die Lichterregung hinter S3 die Summe der Erregungen, die S1 und S2 allein jeweils in ihrem Schattenraum auslösen würden. Bei dieser Addition sind die Phasenbeziehungen zu beachten. Ein Positiv S1 und sein Negativ S2 überlagert, ergeben einen völlig schwarzen Schirm, hinter dem es überall dunkel ist. Diese ,,allgemeine Ruhe“ kann als Summe zweier genau gegenphasiger, aber überall intensitätsgleicher Erregungen, die von S1 und S2 herrühren würden, entstanden gedacht werden. 10.1.8 Viererstern Der vierzackige Stern, der bei Spiegelfernrohren auftritt, ist das Beugungsbild der Befestigungsstreben des Hilfsspiegels, der im Hauptstrahlengang sitzt und das Bild seitlich hinaus (zum Newton-Fokus), durch ein Loch im Hauptspiegel zurück (Cassegrain-Fokus) oder in eine Bohrung in der ,,Stundenachse“ wirft (Coudé-Fokus). Damit Fixsterne als Scheibchen erscheinen, die die Sternoberfläche und nicht das Beugungsbild der Aperturblende darstellen, müsste die Auflösungsbedingung λ/d < 2r/a erfüllt sein (a Abstand, r Radius des Sterns, d Apertur). Für den 5 m-Spiegel von Mt. Palomar sogar würde dies einen Sehwinkel 2r/a ≈ 10−7 erfordern. Die Sonne (a = 8,5 Lichtminuten) erscheint 0,5◦ ≈ 10−2 breit, α Centauri (a = 4 Lichtjahre, also 3 · 105 -mal so weit entfernt) ist also dreimal zu klein. Ein 15–20 m-Spiegel könnte ihn theoretisch auflösen. Rote Riesen haben bis 1 000-mal größere Durchmesser, sind aber sehr selten und daher auch alle zu weit entfernt, um auflösbar zu sein. Man sieht also keinen einzigen Fixstern, wie er wirklich ist. 10.1.9 Auflösungsvermögen Der kleinste Winkelabstand zwischen zwei hell leuchtenden Punkten auf schwarzem Hintergrund, den ein Gerät mit dem Durchmesser D der Eintrittspupille auflösen kann, ist λ/D, also bei D = 5 mm (dunkeladaptiertes Auge), 5 cm (Feldstecher), 50 cm (ziemlich großes Fernrohr), 5 m (Mt. Palomar): 10−4 , 10−5 , 10−6 , 10−7 . In den Abständen 5 km (Horizont am Meer), 300 km (Sicht vom Mt. Everest), 6 000 km (Sicht vom Satelliten), 4 · 105 km (Mond), 1,5 · 108 km (Mars in Opposition), 1014 km (Sirius), 2 · 1019 km (Andromedanebel), 1023 km (Weltradius) löst also das Auge unter günstigsten Kontrastbedingungen auf: 0,5 m, 30 m, 0,6 km, 40 km
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(großer Krater), 104 km (etwas größer als Mars), 1010 km (Durchmesser der Pluto-Bahn), 2 · 1015 km (200 Lichtjahre), 1019 km (Abstand naher Spiralnebel). Der Mt. Palomar-Spiegel löst theoretisch in diesen Abständen auf: Eine Ameise, eine Maus, einen Menschen, ein Haus, eine große Stadt, einen Riesenstern, sehr enge Sternabstände, einen Spiralnebel. 10.1.10 Sind wir allein? Direkt sehen kann man einen Planeten nur, wenn er nicht im Beugungshof seines Zentralsterns untergeht. Ein sehr großer Planet wie Jupiter (der etwa den größten Durchmesser hat, den ein kalter Körper überhaupt haben kann, 1 selbst wenn er noch so massereich ist; vgl. Abschn. 19.3.3) hat etwa 100 der Sonnenoberfläche und ist 1 100 Sonnenradien von der Sonne entfernt, hat also knapp 10−6 ihrer Leuchtdichte und, von fern her betrachtet, etwa 10−8 ihrer Gesamthelligkeit. Aus α Centauri-Abstand (4 Lichtjahre) hat Jupiter einen Winkelabstand 2 · 10−5 (2 500 Lichtsekunden/4 Lichtjahre) von der Sonne. In diesen Abstand fällt etwa der fünfzigste Beugungsring des Mt. Palomar-Spiegels (vgl. Aufgabe 10.1.9). Die Intensität der Ringe (Ordnung n) fällt nach außen etwa wie n −3 ab (beim langen Spalt wie n −2 ; bei der Kreisblende zusätzliche Verschmierung über die Ringfläche, die ∼ n ist). Der fünfzigste Ring hat noch 10−6 der Intensität des Zentralscheibchens (Zusatzfaktor 10 beim Übergang von n = 0 auf n = 1, vgl. Abb. 10.20b). Vom zweihundertsten Ring würde Jupiter sich gerade schwach abheben. Aus 1 Lichtjahr Abstand wäre er also gerade sichtbar, aus 4 Lichtjahren nur, wenn er 10-mal weiter vom Zentralstern entfernt wäre als er ist (Beugungsintensität ∼ n −3 , Planetenhelligkeit ∼ r −2 ). Damit scheidet auch die Beobachtung doppler-verschobener Linien des Planeten praktisch aus. Der Zentralstern hat viel kleinere Umlaufgeschwindigkeit um den Schwerpunkt, z. B. die Sonne nur etwa 10 m/s. Auch die schwereren strahlenden Atome fliegen mit fast 1 km/s. Man sollte meinen, der Bahn-Dopplereffekt verschwinde im Thermischen. Trotzdem hat man seit 1996 mehrere sternnahe, etwa jupitergroße Planeten nachgewiesen, den ersten nur 0,05 Erdbahnradien entfernt vom sonnenähnlichen Stern 51 Pegasi, 40 Lichtjahre von uns. Unsicherer ist die Methode der Positionsänderungen. Vom α Centauri aus gesehen, schwingt Jupiter die Sonne um 2 · 10−8 , d. h. 0,005 hin und her ( 15 des Radius des Beugungsscheibchens 0. Ordnung). Das liegt an der Grenze der heutigen Messmöglichkeiten. 10.1.11 Farbverteilung Im Gitterspektrum ist sin ϕ ∼ λ. Rot ist darin so breit, weil es auch in dem über λ aufgetragenen Spektrum breiter ist als die anderen Farben. Beim Prisma ist es umgekehrt, weil Glas wie praktisch alle durchsichtigen Stoffe eine zum UV hin steil ansteigende Dispersionskurve hat. Dort liegt nämlich nicht weit entfernt eine Absorptionsbande (Elektronen-Absorption, Abb. 9.20). Die IR-Absorption, beruhend auf der Grundschwingung des Ionengitters, ist sehr viel weiter vom Sichtbaren entfernt (Abschn. 16.2.3). Läge sie näher, würde die Brechzahl am roten Ende ebenfalls steil abfallen, und auch Rot wäre im Prismenspektrum ähnlich verbreitert wie Violett. Abgesehen von diesen physikalischen Effekten zeigt das Farb-
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dreieck, dass unsere Farbunterscheidung dort am feinsten ist, wo auch Sonnen-Spektraldichte und Augenempfindlichkeit maximal sind, nämlich bei 500–550 nm. Das trägt dazu bei, dass dort die Farbtöne dichter liegen. 10.1.12 Fourier-Spektrometer Wenn der Spiegel A B mit der Geschwindigkeit v verschoben wird, ändert sich der Gangunterschied mit der doppelten Geschwindigkeit. Monochromatisches Licht der Wellenlänge λ ergibt in Zeitabständen ∆t = λ/(2v) Helligkeit, dazwischen Dunkelheit, allgemein den Intensitätsverlauf I(t) = I0 cos2 (4πvt/λ). Die Amplitudenaufzeichnung ist also die Fourier-Transformierte des üblichen Spektrallinienbildes (eine scharfe Linie ist eine δ-Funktion, deren Transformierte ist ein sin oder cos; vgl. Abschn. 4.1.1d). Das Spektrum ist aber seinerseits die FourierTransformierte des Amplitudenverlaufs in der Lichtwelle, also gibt das Fourier-Interferometer diese direkt wieder, während alle anderen Spektralapparate Fourier-Transformationen ausführen. Bei zwei monochromatischen Linien erhält man die Überlagerung zweier inkohärenter cos-Kurven (Intensitäts-, nicht Amplitudenaddition). Bei gleicher Intensität beider Linien sieht das genau aus wie ein Schwebungsbild (z. B. Abb. 4.8), bei dem die t-Achse die tiefsten Minima tangiert. An der Erzeugung des ,,Spektrums“ wirkt nicht nur ein kleiner, von der Spaltbreite bestimmter Ausschnitt der Gesamtintensität mit, sondern jeweils die ganze aufs Gerät auffallende Intensität. Das ist besonders für intensitätsschwache UR-Strahlung ein großer Vorteil. 10.1.13 Intensitätsfragen Eine Verbreiterung des Spektrographenspalts hat zwei Effekte: (1) Der durchgelassene Wellenlängenbereich verbreitert sich. (2) Von jeder durchgelassenen Wellenlänge kommt mehr Intensität durch (man bedenke, dass die Abbildung nicht auf dem Spalt, sondern erst auf dem Beobachtungsschirm oder dem Film erfolgt). Bei einem kontinuierlichen Spektrum vervierfacht sich also i. Allg. der Lichtstrom, wenn man die Spaltbreite verdoppelt. Wenn sich der Lichtstrom nur verdoppelt, heißt das, dass der verdoppelte Spektralbereich nicht mehr Linien enthält als der einfache. 10.1.14 Farbenlehre Offensichtlich ist Goethe in keiner schlechten Position. In Wirklichkeit hat er übrigens von der Munition, die Young und Fresnel ihm lieferten, wenig Notiz genommen und sie jedenfalls in seiner ,,Farbenlehre“ nicht ausgenutzt. Feine Beugungsgitter konnte man damals noch nicht herstellen. – Es ist oft nicht leicht zu entscheiden, ob wir etwas, z. B. die Farben, machen oder nur finden. Sind die harmonischen Teilwellen wirklich in einem zusammengesetzten Wellenvorgang drin, oder konstruiert sie die Fourier-Methode erst daraus? Dass wir diese Teilwellen direkt hören, ist ein Argument für Newton, aber das Ohr ist ja selbst ein Fourier-Analysator. Das Auge arbeitet anders und kann z. B. nicht entscheiden, ob ein Weiß aus allen Farben oder nur aus zwei engen, komplementären Spektralbereichen zusammengesetzt ist. Dass ein Gitter ein Fourier-Analysator ist, sieht
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man leicht ein, beim Prisma weniger leicht. Aber auch Absorption und Dispersion beruhen auf dem Mitschwingen atomarer Oszillatoren. Was ist das Primäre, Reale: Der zusammengesetzte Wellenzug oder die Teilwellen, die Spektrallinien? Was heißt überhaupt Realität oder Existenz? Existierte das Thema aus dem Andante des Klavierkonzerts d-moll schon, bevor es Mozart einfiel? Als Michelangelo einen riesigen Block CarraraMarmor erblickte, rief er: ,,Da ist der David drin“. Jemand wandte ein, im Marmor steckten bestenfalls Ammoniten, aber keine nackten Jünglinge. Michelangelo führte den experimentellen Beweis: Er stoppte seinen Meißel haarscharf dort, wo die Haut des David begann. Machte er ihn oder fand er ihn? 10.1.15 Höfe Jedes feine Wassertröpfchen erzeugt als Schirm im parallelen Sonnenoder Mondlicht Beugungsringe. Der innerste helle Ring hat den Öffnungswinkel δ = 1,22λ/(2r) (vgl. Abschn. 10.1.4). Deutliche Kränze setzen sehr homogenen Tropfenradius r voraus. Bei r > 80 µm wird δ < 0,25◦ , also verschwindet der Hof in der Sonnen- oder Mondscheibe. Am günstigsten ist der r-Bereich zwischen 4 und 20 µm (δ = 5◦ bzw. 1◦ ). Rot ist außen, Violett innen; beim Halo, einem Brechungsphänomen, ist es umgekehrt. Kranz und Glorie unterscheiden sich nur durch die Blickrichtung des Beobachters und die Tatsache, dass ein Tröpfchen beim Kranz aus dem direkten, bei der Glorie aus dem an der übrigen Nebelwand reflektierten Licht herausbeugt. 10.1.16 Facettenauge Wenn der Sehnerv eines Ommatidiums gereizt wird, muss das Licht nicht unbedingt genau aus der Achsenrichtung kommen, sondern kann auch etwas schräg dazu einfallen. Wir unterscheiden die geometrische Unschärfe γ der Einfallsrichtung und die Beugungsunschärfe β. Die Achse des Ommatidiums habe die Länge l, sein Durchmesser dort, wo das Licht einfällt, sei d. Dann ist γ ≈ d/l. Die Zellwand ist nämlich mit einer absorbierenden Substanz austapeziert, damit (im Gegensatz zum Lichtleiter) nur das direkte, nicht das wandreflektierte Licht unten ankommt. Ein exakt achsparalleles Bündel würde an der Eintrittsöffnung zu einem Scheibchen vom Öffnungswinkel β ≈ λ/d gebeugt. Das schadet nichts, denn nur der zentrale Teil davon fällt auf den Sehnerv. Aber umgekehrt erzeugt jedes um β oder weniger gegen die Achse geneigte Bündel ein Scheibchen, das den Nerv mit seinem äußeren Teil erregt. Ein zu kleines d nützt also nichts, denn β wird √ zu groß. Die Gesamtunschärfe √γ + β = d/l + λ/d wird minimal bei d = λl. Die Unschärfe ist dann 2 λ/l. Das fast halbkugelige Riesenauge einer großen Libelle hat l ≈ 3 mm. Mit λ = 0,5 µm liegt das Optimum von d bei 0,04 mm. Dann passen 104 Ommatidien auf die Halbkugel. Mit 6 000 kommt die Libelle diesem Wert ziemlich nahe. Das Bild, das sie sieht, hat knapp 100 × 100 Rasterpunkte, erreicht also längst nicht ein Fernsehbild, höchstens ein schlechtes Zeitungsfoto. Ein kleineres Auge muss sich mit weniger Rasterpunkten bescheiden. Deren Anzahl
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nimmt ab wie l. Die UV-Augen der Bienen gewinnen wieder einen Faktor 2–3 an Punktzahl bei gegebenem l. 10.1.17 Doppelspalt Natürlich ergibt sich im Versuch A das Beugungsbild des Doppelspalts, im Versuch B eine Überlagerung der Intensitäten der Beugungsbilder zweier Einzelspalte. Wenn man die Bedingungen aber nicht geschickt wählt, sind die beiden gar nicht so krass verschieden, wie man das meist schematisch hinstellt. Vor allem darf man sich nicht durch die üblichen durch Platzmangel bedingten Zeichnungen täuschen lassen und den Schirm zu nahe an die Blende setzen: Man muss wirklich unter Fraunhofer-Bedingungen arbeiten. – Der Unterschied liegt darin, dass im Fall B sich die Intensitäten, also die Quadrate der Amplituden des Lichts aus den beiden Spalten, im Fall A die Amplituden selbst addieren. Die Bestrahlung eines bestimmten Ortes des Schirms im Fall B ist wB ∼ A21 + A22 , im Fall A wA ∼ (A1 + A2 )2 = A21 + A22 + 2A1 A2 . Die Differenz 2A1 A2 enthält den Phasenfaktor cos(2πδ/λ) = cos(2πϕd/λ) = cos(2πyd/(λD)) (d: Spaltabstand, D: Abstand Blende–Schirm, y: Ort auf Schirm, δ: Gangunterschied), also wA = w1 + w2 + 2w1 w2 cos(2πyd/(λD)), dagegen wB = w1 + w2 . Ai2 enthält auch einen Phasenfaktor, aber er ist rein zeitlich und spielt in w, das über sehr viele Schwingungen mittelt, keine Rolle. Sehr schmale Spalte (Breite b d) erzeugen für sich allein sehr breite Beugungsstreifen (Breite y = Dλ/b). Innerhalb dieser Breite sind w1 und w2 sehr ähnlich, sofern d Dλ/b, also geht wA jedes Mal auf 0, wenn der Cosinus −1 wird. So zerfällt der breite Streifen in viele schmale von der Breite Dλ/d. Wenn man d zu groß macht ( Dλ/b), verschwindet diese Strukturierung, und die Beugungsbilder der beiden Spalte trennen sich. Auch bei b ≈ d bleibt kaum noch ein Unterschied zwischen den Bildern A und B. 10.2.1 Unsichtbarer Strahl Das Streulicht besteht aus der Emission von Sekundärdipolen, die im Feld der Primärwelle angeregt werden. Die Sekundärdipole schwingen wie das E der Welle, also in Polarisationsrichtung. Ein Hertz-Dipol emittiert maximal senkrecht zu seiner Schwingungsrichtung, gar nicht in dieser, d. h. in Polarisationsrichtung. Die Streuung von unpolarisiertem Licht ist natürlich nach allen Seiten gleich stark. 10.2.2 Komponentenzerlegung Man kann eine elliptische Schwingung auf viele Arten in Komponenten zerlegen, z. B. in zwei Linearkomponenten verschiedener Amplitude und Phase oder zwei Zirkularkomponenten mit entsprechenden Bestimmungsstücken. Folgt man den Hauptachsenrichtungen der schrägliegenden Ellipse, dann kommt man immer mit einer Phasendifferenz π/2 aus und braucht nur die Amplituden der Linearschwingungen proportional zu den Hauptachsen zu machen. Im Polarisationsapparat sind aber Schwingungsrichtungen der interessierenden Linearschwingungen apparativ vorgegeben, und daher ist die Darstellung durch wechselnde Amplituden- und Phasenverhältnisse angemessener.
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10.2.3 Doppelbild Die Ellipsen von Abb. 10.61 mit dem Achsenverhältnis 1,116 und der Achsenschiefe von 44◦ 36,5 hängen am weitesten nach unten an einer Stelle A2 , sodass A A2 gegen die Senkrechte um 6,5◦ geneigt ist. Man liest das am schnellsten von einer gezeichneten Ellipse ab. Die Rechnung liefert mit ϕ = 44◦ 36,5 und γ = 1,116 als Mittelpunktsgleichung der gedrehten Ellipse x 2 (cos2 ϕ + γ 2 sin2 ϕ) + y2 (sin2 ϕ + γ 2 cos2 ϕ) + 2xy(1 − γ 2 ) sin ϕ cos ϕ = 1, d. h. durch Bildung des vollständigen Differentials und Nullsetzen von d y/dx folgt y/x = tan α = (γ 2 − 1) sin ϕ cos ϕ/(cos2 ϕ + γ 2 sin2 ϕ). Im Fall des Kalkspats ergibt sich α ≈ 6,6◦ . 10.2.4 Wollaston-Prisma Man kann dieses Prisma auf zwei Arten benutzen: (1) Das Lichtbündel fällt senkrecht zur optischen Achse der beiden Teilprismen ein. (2) Drehung des Prismas um 90◦ gegen die Stellung (1): Das Bündel hat die Richtung der optischen Achse eines der Teilprismen. In der Stellung 1 vertauschen das ,,ordentliche“ und das ,,außerordentliche“ Bündel, wie sie aus dem ersten Teilprisma austreten, ihre Rollen, wenn sie in das zweite Teilprisma mit seiner anders liegenden optischen Achse eintreten. Keines der Bündel kommt unabgelenkt davon: Beide sind um entgegengesetzt gleiche Winkel gegen die ursprüngliche Richtung abgelenkt und zueinander senkrecht polarisiert, nämlich in den Richtungen der beiden optischen Achsen. Beide Bündel zeigen eine Dispersion, d. h. sind nicht achromatisiert. In der Stellung (2) erfolgt in einem der Teilprismen keine Aufspaltung (Einfall in Richtung der optischen Achse). Das eine Teilbündel läuft auch durch das andere Teilprisma unabgelenkt und zeigt keine Farbzerstreuung, das andere wird abgelenkt. Der Winkel zwischen den beiden Bündeln ist nur halb so groß wie im Fall (1), also bei Kalkspat 6,6◦ statt 13,2◦ . 10.2.5 Brewster-Fenster Bei senkrechtem Durchgang 4% Reflexionsverlust an jeder Grenzfläche, d. h. bei 100-maligem Durchtritt durch ein Fenster nur noch 2 · 10−4 der Anfangsintensität. Neigt man das Fenster unter dem Brewster-Winkel (56,5◦ ), dann wird eine Polarisationsrichtung nicht reflektiert. Man verliert nur die Intensität der anderen Komponente (50%). 10.2.6 Buntes Zuckerrohr Das Rohr stehe senkrecht, das polarisierte Licht falle z. B. von oben hinein. Geht man herum, dann sieht man abwechselnd Streulicht oder nicht, je nachdem, ob man senkrecht zur Polarisationsrichtung oder in ihr steht. Zucker dreht die Polarisationsebene. Wäre die spezifische Drehung für alle Wellenlängen gleich, dann sähe man aus jeder Richtung helle Bänder, deren Abstand mit wachsender Zuckerkonzentration (z. B. bei der allmählichen Auflösung) kleiner wird. Da die Drehung wellenlängenabhängig ist, werden die Bänder bunt, besonders stark die oberen, die am oberen Rand blau, am unteren rot sind (normale Rotationsdispersion).
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10.2.7 Sechs Effekte Doppelbrechung. Phasengeschwindigkeit linear polarisierter Wellen hängt von Polarisationsrichtung ab
Optische Aktivität. Phasengeschwindigkeit zirkular polarisierter Wellen hängt von Polarisationsrichtung ab
Natürliche Doppelbrechung. Kalkspat, ein- und zweiachsige Kristalle
Natürliche optische Aktivität. Kristalle (Quarz), Lösungen organischer Verbindungen mit asymm. C-Atom
Kerr-Effekt. Substanz wird im elektrischen Feld doppelbrechend
Faraday-Effekt. Substanz wird im Magnetfeld optisch aktiv
Die molekularen Mechanismen sind sehr verschieden: Voraussetzung: Nichtreguläres Kristallsystem. Hohes Dipolmoment, im E-Feld ausgerichtet; fast alle Stoffe werden einachsig-positiv: c kleiner, wenn Polarisationsrichtung = Feldrichtung; Brechzahldifferenz ∼ E2.
Voraussetzung: Molekül oder Kristallgitter haben keine Symmetrieebene. Alle Stoffe zeigen Faraday-Effekt: Diamagnetika drehen rechts, die meisten Paramagnetika links; Drehung ∼ H.
10.3.1 Dunkle Fenster Vorder- und Rückfläche einer Glasplatte reflektieren je etwa 4%, bei Doppelfenstern verdoppelt sich auch die reflektierte Intensität. Falls es also draußen mehr als zehnmal heller ist als drinnen (wie jeder Fotograf weiß, ist der Unterschied bei Tage viel größer), sieht man von draußen überwiegend reflektiertes Außenlicht. Die Albedo der Scheiben ist 8% bzw. 16%, was so schwarz ist wie sehr dunkles Gestein. Der Zeichner macht die Scheiben schwarz. Entsprechend lautet die Bedingung für ein gutes Spiegelbild: Wo man selbst ist, muss es mehr als 10-mal heller sein als hinter der Scheibe. 10.3.2 Schichtspiegel Eine Luft-Glas-Grenzfläche lässt bei senkrechtem Einfall den Bruchteil 0,96 durch, N Platten also 0,962N = (1 − 0,04)2N ≈ e−0,08N , also bei N = 10 noch 0,45, bei N = 100 nur 2 · 10−4 . Das Spiegelbild besteht aus vielen schwächer werdenden, hintereinander schwebenden Bildern. Die Plattenqualität beeinflusst hauptsächlich zusätzliche Absorptionsverluste. Die Reflexion am Luftspalt wird nur dann teilweise unterdrückt, wenn dieser dünner als eine Wellenlänge ist. Befeuchtung dagegen setzt die Reflexion an den inneren Grenzflächen für sehr saubere Platten auf 0,22 /2,82 ≈ 0,5% herab. Dann ist die Durchlässigkeit e−0,01N , also bei N = 100 z. B. 0,3. Soviel Licht kommt direkt durch, ohne jemals reflektiert zu werden.
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10.3.3 Verteilungsfehler Eine Probe (Dicke d) habe auf der ganzen Fläche A die Konzentration c, eine andere auf A/2 die Konzentration 2c, in der anderen Hälfte gar nichts. Die durchgelassenen Lichtströme sind Φ = Φ0 e−εcd bzw. Φ = Φ0 ( 12 + 12 e−2εcd ), also Φ /Φ0 = cosh(εcd). Die ungleichmäßige Probe lässt mehr durch. Besonders krass ist der Fehler bei εcd 1. Die Betrachtung lässt sich verallgemeinern: Von einer gleichmäßigen Probe ausgehend nehme man an einer Stelle etwas Substanz weg und bringe die Konzentration auf c − ∆c; anderswo auf einer gleich großen Fläche lade man die gleiche Menge dazu (c + ∆c). Ausgehend von dem Licht, das die beiden Teilflächen mit der Konzentration c durchlassen würden, erhält man wieder den oben diskutierten Fall. Die gleichmäßige Verteilung lässt ganz allgemein am wenigsten durch. Wenn man sie voraussetzt, unterschätzt man die Substanzmenge immer. Die molekulare Inhomogenität schadet nichts, denn in jeder Probe überdecken sich selbst bei kleinem d und c die Absorptionsquerschnitte der Moleküle in den verschiedenen Schichten noch immer. Die freie Weglänge des Lichtes ist kleiner als die Schichtdicke. Für d = 1 µm gilt das erst bei Verdünnungen von 10−10 mol/l nicht mehr, bei denen längst keine Absorption mehr messbar ist (Absorptionsquerschnitt σ geometrischer Molekülquerschnitt ≈ 10−15 cm2 , l = 1/(nσ), n = 6 · 1020 cm−3 bei 1 mol/l). 10.3.4 Widerspruch zu Einstein? Tatsächlich ist in einem Medium mit n < 1 die Phasengeschwindigkeit c des Lichts größer als die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c0 . Für harte Röntgenstrahlung jenseits der letzten Absorptionskante ist n < 1 sogar die Regel; für längere Wellen gibt es nur ganz schmale Bereiche mit n < 1 gleich oberhalb jeder Absorption. Eine Phasengeschwindigkeit beschreibt einen rein kinematischen Vorgang, mit dem kein physikalischer Transport von Energie, Impuls oder Masse verbunden ist. Sie darf c0 überschreiten, ohne dass die Relativitätstheorie etwas dagegen hat. De Broglie-Wellen z. B. haben sogar immer c > c0 . Schlimm wäre es erst, wenn eine aus solchen Wellen konstruierte Gruppe schneller liefe als c0 , denn sie führt Energie und Impuls mit. Wir weisen nach, dass dies jedenfalls nach der in Abschn. 10.3.3 entwickelten Dispersionstheorie nicht vorkommen kann. Am kritischsten ist die Lage offenbar im harten Röntgengebiet, wo keine nachfolgende Absorptionslinie das n < 1-Verhalten 2 mildert. Dort gilt n = 1 + A/(ω0 − ω2 ). Die Gruppengeschwindigkeit ist dν c0 dω dω = ω = ωn = . 1 dn d d d n + ω c c0 λ dω Wir berechnen den Nenner: n 2 − 1 ω2 1 Aω2 dn = , = ω 2 dω n (ω0 − ω2 )2 n ω20 − ω2 vG =
d. h. n + ω
ω2 − n 2 ω20 dn = . dω (ω2 − ω20 )n
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Da n < 1 und ω > ω0 , ist das größer als 1, also vG < c0 . Dies war der Fall einer dämpfungsfreien Schwingung. Wenn Dämpfung vorliegt, gibt es rein mathematisch einen Abschnitt mit n < 1 und anomaler Dispersion. Hier ergäbe sich tatsächlich vG > c0 . Er liegt aber mitten in der Absorptionslinie und hat daher keine physikalische Realität. 10.3.5 Blaue Augen Farben in der Natur beruhen auf absorbierenden Pigmenten (die meisten Blumenfarben), Interferenz (Schmetterlingsflügel) oder Streuung (Himmel, Meeresblau). Wenn die Biochemiker ein blaues Pigment ausschließen und die Anatomen in der Iris des Auges keine regelmäßige Feinstruktur finden, die Interferenzfarben erzeugt, muss es sich um Streuung handeln. Blauäugige sind oft auch blond und sonnenbrandanfällig, d. h. haben allgemein wenig und feinverteilte Pigmente. Der Braunäugige hat ein dichtes schwarzbraunes Pigment in der Iris, der Blauäugige so wenig und so fein verteilt, dass die Streuung die Absorption überwiegt. 10.3.6 Dunkles Bier Im flüssigen Bier verliert ein Lichtbündel viel mehr Intensität durch Absorption als durch Streuung. Die Absorption ist selektiv und erzeugt die Farbe des Bieres. Im Schaum überwiegt die Streuung, und zwar an so großen Teilchen (Bier-Luft-Grenzflächen), dass man in jedem Fall weißes Streulicht sieht. Nur ausgehend von sehr heiß gedörrter Gerste erhält man auch dunklen Schaum, wie beim Kulmbacher. Kristalline Stoffe mit sehr vielen, aber relativ großen Kriställchen streuen weiß, ebenso Emulsionen wie Milch und der griech. Ouzo, der frz. Pernod oder Pastis (Butter- bzw. Öltröpfchen in Wasser) und Feinkonglomerate wie Papier sowie Feinpulver wie Schnee oder Gips. 10.3.7 Weiße Milch Ein feindisperser Stoff mit einer Korngröße, die unterhalb der Lichtwellenlänge liegt, streut überwiegend kurzwelliges Licht. Nach Rayleigh geht die Streuintensität wie λ−4 , ist also für Purpurrot 16-mal kleiner als für Violett. Weißes Streulicht entsteht, wenn die streuenden Teilchen größer sind als λ, oder wenn sie so dicht sitzen, dass die langen Wellen zwar aus etwas tieferen Schichten zurückgestreut werden, aber noch nicht aus so großer Tiefe, dass die Absorption erheblich wird. 10.3.8 Heller oder dunkler Rauch Ein frisches Feuer erzeugt relativ große Kohlepartikel, die als Kondensationskeime für das aus dem feuchten Holz ausgedampfte Wasser und auch für das Verbrennungswasser dienen und sich dadurch vergrößern, Holzkohlenglut gibt feinere, trockene Teilchen ab. Rauch von frischem Feuer streut daher alle Wellenlängen und sieht vor dem dunklen Wald weiß, vor dem hellen Himmel schwarz aus. Die feine Rauchsäule der Kohlenglut streut überwiegend blau, wenn auch nicht so überwiegend wie die viel kleineren Streuzentren der Luft selbst. Daher erscheint das durchfallende Himmelslicht nicht kräftig rot, sondern nur schmutzig rotbraun.
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10.3.9 Blaue Schatten Auf dem Mond sind die Schatten wirklich tiefschwarz. Bei uns sind sie durch das Streulicht der Atmosphäre aufgehellt, das einen starken Blauanteil hat. Diese Farbigkeit des Schattens sieht man allerdings nur auf sehr weißer Oberfläche, z. B. frischem Schnee. Er ist besonders weiß, wenn er frisch, kalt und nicht sehr dicht ist, weil dann die ganz feinen Kristalldendrite weitgehend erhalten bleiben, die man an frischen Flocken unter dem Mikroskop sieht und die optimale Streueigenschaften garantieren. 10.3.10 Bunter Hauch Man sieht aus etwas schräger Richtung bunte Farben. Es sind keine Streuungs-, sondern Interferenzfarben. Wenn auf der Glasplatte eine Menge sehr feiner Tröpfchen ungefähr einheitlicher Größe sitzen, erzeugt jedes Beugungsringe um das durchgehende Bündel nullter Ordnung. Diese Ringe sind bunt (innen rot, außen blau) wie alle Beugungsringe aus weißem Licht. Auf einem weit entfernten Schirm entwerfen alle Tröpfchen ihre Ringe praktisch an der gleichen Stelle, falls der Bündeldurchmesser klein gegen den Schirmabstand ist. Man sieht einen bunten Hof, besonders wenn man das blendende Bündel nullter Ordnung nicht auf den Schirm, sondern durch ein Loch durch ihn fallen lässt. Saubere Ringe setzen sehr einheitliche Tröpfchengröße voraus. Wachsen die Tröpfchen im Laufe der Zeit, dann laufen die Ringe nach innen zusammen. 10.3.11 Gelbfilter Ein Gelbfilter sieht gelb aus, weil es Violett absorbiert. Da jeder SchwarzWeiß-Film (auch ein isochromatischer) für Blau empfindlicher ist als für Rot, während das Auge sein Empfindlichkeitsmaximum im Grünen hat, sieht ohne Gelbfilter fotografiert der Himmel fast so hell aus wie die Wolken mit ihrem weißen Streulicht. Erst ein Gelbfilter von entsprechender Dichte stellt etwa den vom Auge empfundenen Kontrast her, indem es das violette und blaue Streulicht des Himmels schwächt.
= Kapitel 11: Lösungen . . . 11.1.1 Ausrede für Verkehrssünder? Wenn die grüne Lampe nur im Grünen (sagen wir, zwischen 500 und 550 nm), die rote nur im Roten (650–700 nm) emittierte, sähe allerdings bei gleicher Gesamtstrahlungsleistung die grüne ca. 20-mal heller aus. Bei allen Glühlampen wird aber die Farbe subtraktiv aus Weiß erzeugt: Durch ein Filterglas, das selektiv im Grünen absorbiert, erscheint eine weiße Lampe in der Komplementärfarbe, also rot. Das Auge empfängt daher von beiden Lampen etwa die gleiche Strahlungsleistung (minus dem schmalen absorbierten Band) und bemisst die Stärke seines Farbeindrucks danach. Neon-Lampen (nicht Leuchtstoffröhren!) dagegen strahlen wirklich nur in bestimmten Spektralbereichen. Für sie trifft zu, dass eine rote Lampe mehr Leistung aufbringen muss.
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11.1.2 Abstandsabhängigkeit Vom Abstand hängt weder der Lichtstrom noch seine Richtungsverteilung, also die Lichtstärke ab, wohl aber die Beleuchtungsstärke (wie r −2 ); die Leuchtdichte bleibt konstant, denn die scheinbare Fläche des Strahlers (Glühfaden usw.) nimmt ebenfalls wie r −2 ab. Der Spiegel ändert, wenn er verlustfrei reflektiert, nicht den Lichtstrom, aber ganz erheblich die Lichtstärke. Das Filter beschneidet auch den Lichtstrom. 11.1.3 Kerzen Die Lichtstärke (Lichtstrom/Raumwinkelelement) hängt von der Geometrie der Lampe und des Reflektors, Kondensors usw. entscheidend ab. Konstant ist der Lichtstrom, den die Lampe insgesamt hergibt. Da der Raumwinkel dimensionslos ist, liegt die Verwechslung zwischen lm = cd sterad und cd nahe. Eine ,,Neukerze“ gibt einen Lichtstrom von 4πcd = 12,6 lm her. Er kann z. B. durch einen Parabolspiegel leicht in ein Bündel konzentriert werden, das nur um 2◦ divergiert, also einen Raumwinkel von 0,001 sterad aufspannt. Die Lichtstärke im Bündel ist dann über 104 cd. 11.1.4 Hefner-Kerze Einfachste Eichung eines Thermometers für auffallende Strahlungsleistung: Man montiert es in eine berußte, elektrisch heizbare Platte und setzt diese bis zum Temperaturgleichgewicht der zu messenden Strahlung aus. Dann stellt man die gleiche Thermometeranzeige ohne Strahlung durch elektrische Heizung her. Heizstrom und -spannung (oder Widerstand) ergeben die Strahlungsleistung. Die Hefner-Lampe strahlt 9,5 · 10−5 W auf jeden cm2 der Kugelfläche von 4π1002 = 1,25 · 105 cm2 (abgesehen von einer leichten Richtungsabhängigkeit der Emission). Ihre Strahlungsleistung ist also P ≈ 12 W, ihre Strahlungsstärke P/(4π) ≈ 0,95 W/sterad. Die Flammenhöhe der Normallampe muss 40 mm sein, der Dochtdurchmesser 8 mm, die Oberfläche der annähernd kegelförmigen Flamme etwa 3 cm2 , also die Emissionsdichte 4 W/cm2 . Nach Stefan-Boltzmann entspricht das für einen schwarzen Körper einer Temperatur von ziemlich genau 1 000 K. Amylacetat (Pentanol-Essigsäureester, charakteristischer Geruch bekannt von vielen Allesklebern) erzeugt infolge seines mittelgroßen C-Gehalts gerade so viele Rußteilchen, dass die Flamme gut leuchtet, aber kaum überschüssigen Ruß abscheidet. Die Flamme ist also annähernd ,,schwarz“ und nicht wesentlich heißer als die ,,schwarze“ Schätzung von 1 000 K. Bei dieser Temperatur ist die Ausbeute an sichtbarem Licht noch sehr schwach (nach Aufgabe 11.2.6 etwa 5 · 10−3 lm/W). Lichtstrom, Lichtstärke, Beleuchtungsstärke in 1 m Abstand, Leuchtdichte ergeben sich so zu 0,06 lm, 0,005 cd, 0,005 lx, 0,002 sb. 11.1.5 Leselampe Der Glühfaden einer Lampe erreicht maximal 2 800 K. Die Lichtausbeute ist dann nach Aufgabe 11.2.6 60 lm/W. Eine 100 W-Lampe ohne Reflektor, 1 m über der Arbeitsfläche angebracht, beleuchtet diese also mit 500 lx. Ein Reflektor bringt das auf den zum technischen Zeichnen optimalen Wert.
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Wie anpassungsfähig das Auge ist, sieht man daraus, dass man auch pralle Sonne auf dem Buch verträgt (allerdings nicht lange); nach Aufgabe 11.2.6 bedeutet das fast 5 · 105 lx. Die ,,zum Lesen klare“ Vollmondnacht erzeugt bestenfalls 1 lx (vgl. Aufgabe 11.2.7). Eine 4,5 V-0,2 A-Taschenlampe hat 0,7 W, also maximal 40 lm. 11.1.6 Belichtungszeit Die Sonne strahlt uns 1 400 W/m2 mit der Farbtemperatur 5 700 K, also nach Aufgabe 11.2.7 etwa 4 · 105 lx maximal zu. Objekte wie Personen, Bäume, Berge, Mauerwerk liegen in ihrer Albedo zwischen 0,15 und 0,4, Seesand, Schnee und Wolken haben mehr. Die üblichen Fotoobjekte geben also am klaren Mittag um 105 lm/m2 diffus ab, d. h. etwa 104 cd/m2 = 1 sb. Wie muss man belichten, um eine Zeichnung zu reproduzieren, die im Zimmer mit 100 W aus 1 m Abstand beleuchtet ist? Beleuchtungsstärke 1 000 lx, 400-mal weniger als draußen bei Mittagssonne, wo man für das 1 Papier mit seiner Albedo 0,6 etwa Blende 16 und 250 s nehmen würde 1 (Vergleich mit dem typischen 16- 60 -Motiv, Albedo 0,15); Öffnung der 1 s. Blende auf 2,8 bringt den Faktor 32; man belichte also mit 30 11.1.7 Leuchtstoffröhre Ein Wandstück, das von der Röhrenachse aus den Winkel ϑ gegen Ihre Blickrichtung bildet, erscheint um den Faktor cos ϑ verkürzt. Wenn es trotzdem ebensohell erscheint wie der Rest der Wand, muss es um denselben Faktor weniger Licht in die ϑ-Richtung senden als in die Richtung ϑ = 0. Die Wand strahlt nach Lambert: d I = d I0 cos ϑ. Erst B = d I/(d A cos ϑ) ist konstant. Das kleine Wandstück hat als Charakteristik eine Kugel, die die Röhre tangiert, der Wandstreifen parallel zur Röhrenachse unter ϑ hat einen Zylinder, der auch die Röhre tangiert; alle diese Zylinder überlagern sich für die ganze Röhre zu einem konzentrischen Zylinder. 11.1.8 Ulbricht-Kugel Ein Wandstück dA unter dem Winkel ϑ gegen den Radius Q F empfängt Licht, das proportional zur Lichtstärke I(ϑ) ist, und sendet als LambertStrahler in Richtung Fenster Licht ∼ I cos ϑ/2. Dies Licht fällt unter dem gleichen Winkel ϑ/2 gegen die Normale der Fensterfläche, sein Beitrag zur Beleuchtungsstärke ist also dE ∼ Ir −2 cos2 ϑ/2, wo r der Abstand von dA bis F ist. Da cos ϑ/2 = r/(2R) (R: Kugelradius), kürzen sich cos ϑ/2 und r weg: Der Gesamtwert von E hängt nur vom Integral über I, also vom Strahlungsfluss der Quelle ab (und natürlich vom Kugelradius; von diesem sogar wie R−4 ). 11.1.9 Vollmond Zwar hätte die Mondscheibe, wenn ihre Struktur überall die gleiche wäre, auch überall die gleiche Flächenhelligkeit. Daraus folgt aber nicht, dass diese Flächenhelligkeit bei der Halbmondscheibe ebenso groß ist wie bei der Vollmondscheibe. Wir nehmen zu-
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nächst an, die Mondoberfläche reflektiere nach Lambert. Die Richtung Sonne–Mond machen wir zur Polachse unserer Polarkoordinaten. Ein Flächenelement der Größe R2 sin ϑ dϕ dϑ empfängt aus der Sonnenstrahlung (Intensität I) die Leistung IR2 sin ϑ cos ϑ dϕ dϑ und gibt unter dem Winkel α gegen seine Normalenrichtung die Strahlungsstärke d J = π1 aIR2 sin ϑ cos ϑ dϑ dϕ cos α ab. Hier ist a die Albedo (der Reflexionsgrad) der Fläche, π stammt von der Integration über den Halbraum, cos α aus dem Lambert-Gesetz. Die Richtungen Mond–Erde und Sonne– Mond schließen einen Winkel γ ein; von der Richtung Mond–Erde aus messen wir auch den Azimutwinkel ϕ. Nach dem Seitencosinussatz der sphärischen Trigonometrie ist dann cos α = cos γ cos ϑ + sin γsin ϑ cos ϕ. Die Strahlstärke vom ganzen Mond in Richtung Erde ist J = d J. Vollmond: γ = 0, α = ϑ (was ohnehin klar ist). π/2 2π 1 2 J = aIR sin ϑ cos2 ϑ dϑ dϕ π 0 0 1 2 cos2 ϑ d cos ϑ = aIR2 . = 2aIR2 3 0 Halbmond: γ = π2 , cos α = sin ϑ cos ϕ. π/2 π/2 1 sin2 ϑ cos ϑ dϑ cos ϕ dϕ J = aIR2 π 0 −π/2 1 2 1 2 aIR2 . z 2 dz = = aIR 2 π 3π 0 Hiernach strahlt der Vollmond π-mal stärker als der Halbmond, ist also mehr als eine Größenklasse heller (eine Größenklasse entspricht einem Faktor 1001/5 = 2,512). In Wirklichkeit strahlt der Mondboden zur Seite noch weniger als ein Lambert-Strahler. Er ist zu rau. Daher ist der Halbmond noch etwa 3-mal weniger hell als oben berechnet. 11.1.10 Echo-Satellit Der Satellit sieht von allen Seiten gleichhell aus, sogar von hinten (außer natürlich, wenn er die Sonne direkt verdeckt). Die Strahlungsstärke der blanken Kugel ist unabhängig vom Winkel. Man könnte das schon aus der geometrischen Optik schließen: Der Kugelspiegel werde ersetzt durch das Bild der Sonne in diesem Spiegel, das in der Mitte seines Radius entsteht. Ein solches Bild sollte nach allen Seiten gleich stark strahlen. Die geometrische Optik liefert aber nur in beschränktem Maße Aussagen über Strahlungsstärken. Das Sonnenlicht falle aus der Richtung ϑ = 0 ein. Das ringförmige Stück Kugelfläche, das zwischen den Winkeln ϑ und ϑ + dϑ liegt, hat die Größe 2πR2 sin ϑ dϑ, fängt die Strahlungsleistung d P = 2πIR2 sin ϑ cos ϑ dϑ auf und spiegelt sie in den Hohlkegel zwischen 2ϑ und 2ϑ + 2 dϑ hinein. Dieser Kegel umfasst einen Raumwinkel dΩ = 2π sin(2ϑ) d(2ϑ) = 8π sin ϑ cos ϑ dϑ. Die Strahlstärke J = d P/dΩ = 14 IR2 ist also in allen Richtungen gleich, sogar bei 2ϑ = π, d. h. bei streifendem Einfall (ϑ = π/2). Die Gesamtleistung
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πR2 I, die die ganze Kugel effektiv mit ihrem Querschnitt einfängt, verteilt sich gleichmäßig über den vollen Raumwinkel 4π. 11.2.1 Leslie-Würfel Die berußte Platte strahlt mehr und absorbiert auch mehr, proportional dazu. In Abb. 11.33a verstärken sich die beiden Einflüsse, in Abb. 11.33b kompensieren sie sich, wenn man davon absieht, dass die ε-Unterschiede auch von der Temperatur abhängen. 11.2.2 Weinpanscher Egal wie man verfährt: Die Mengen an ,,Fremdsubstanz“ sind in beiden Gläsern immer gleich. Da nämlich vor wie nach der Operation beide Gläser gleich voll sind, muss der Rotwein, der aus dem Rotweinglas verschwunden und im Weißwein gelandet ist, durch genauso viel Weißwein ersetzt worden sein. Hoffentlich haben Sie sich nicht halbtot gerechnet. 11.2.3 Kirchhoff-Gesetz Man kann die Sache auf drei Arten behandeln (mindestens). Man kann geschickt bilanzieren, analog zum Fall des Rot- und Weißweins (s. oben). Oder man kann sagen: Im Hohlraum herrscht die spektrale Energiedichte , egal von welcher Wand sie ursprünglich emittiert wurde. Sie trifft mit der Intensität c auf jede Wand, und die eine absorbiert ε1 c heraus, die andere ε2 c. Diese Energiestromdichten müssen jeweils gleich der spezifischen Ausstrahlung Ri sein, woraus Pi ∼ εi folgt. Drittens und am kompliziertesten: Wand 1 sendet P1 aus und muss ebenso viel empfangen, nämlich ε1 P2 direkt von drüben, ε1 P1 (1 − ε2 ) aus der Strahlung, die Wand 2 nicht geschluckt hat, ε1 P2 (1 − ε1 )(1 − ε2 ) aus der 1,5-mal hin- und herreflektierten Strahlung usw. Man erhält zwei geometrische Reihen mit dem Faktor (1 − ε1 )(1 − ε2 ) und der Summe S = 1/(ε1 + ε2 − ε1 ε2 ). Emission und Gesamtabsorption müssen gleich sein: P1 = ε1 P2 S + ε1 (1 − ε2 )P1 S. Einsetzen von S liefert wieder ε1 P2 = ε2 P1 . 11.2.4 Strahlungsmaximum Spektrale Intensität I und spektrale Photonenstromdichte j hängen zusammen wie j ∼ I/ν. Umrechnung von I(ν) auf I(λ) bzw. von j(ν) auf j(λ) geschieht durch Multiplikation mit dλ/dν = −c/λ2 . Aus I(ν) ∼ x 3 /(ex − 1) mit x = hν/(kT ) folgt also I(λ) ∼ x 5 /(ex − 1) mit x = hc/(λkT ), aus j(ν) ∼ x 2 /(ex − 1) folgt j(λ) ∼ x 4 /(ex − 1). Wir suchen ganz allgemein das Maximum von x n /(ex − 1). Nullsetzen der Ableitung liefert die transzendente Gleichung x = n(1 − e−x ). Bei sehr großem n ist x = n eine ganz gute Näherung, denn e−x ≈ e−n ist dann sehr klein. In Wirklichkeit ist x etwas kleiner als n, sagen wir x ≈ n − ε mit ε 1. Einsetzen liefert ε ≈ n/(en − n). Genaue Werte erhält man iterativ auf dem Taschenrechner: n eingeben, Schleife +/ − ex + / − +1 = × n =. Die Maxima von j(ν), I(ν), j(λ), I(λ) liegen also in dieser Reihenfolge deutlich gestaffelt, für die Sonne mit T = 5 780 K bei 1 585, 894, 643, 507 nm. Die Absorption in den äußeren Sonnenschichten und in unserer Atmosphäre verschiebt alle diese Werte noch (Abb. 11.32).
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11.2.5 Stefan-Boltzmann-Konstante ∞ −kx . Un1/(ex − 1) ist die Summe der geometrischen Reihe k=1 e ser Integral zerfällt so in eine Summe von Integralen der Form ∞ In = 0 x n e−kx /dx. In geht durch eine Kette partieller Integrationen über in eine Summe, in der die meisten Glieder außer e−kx auch x enthalten, also an den Grenzen 0 und ∞ verschwinden, bis auf das ∞ letzte, n!/kn+1 . Somit wird Jn = 0 x dx/(ex − 1) = n! ζn+1 . Für die Planck-Formel interessiert J3 = 6ζ4 . Nun der Fourier-Trick (man muss bloß draufkommen): Es sei f(x) = x n , speziell x 2 bzw. x 4 im Intervall (−π, π π), außerhalb f(x) periodisch fortgesetzt. Fourier-Koeffizienten ank = −π x n cos(kx) dx (gerade Funktionen), am besten wie oben als Realteile von x n eikx dx bestimmt: a2k = −4π/k2 für k > 0, a20 = 2π 3 /3; für 2 3 2 4 x = 0 muss ∞ k=0 a2k = 0 sein, also ζ2 = π /6. a4k = −4π /k + 24π/k , 5 5 3 4 a40 = 2π /5; also 2π /5 − 4π ζ2 + 24πζ4 = 0, also ζ4 = π /90. 11.2.6 Lampenausbeute Dies ist die Grundlage für die Umrechnung von Strahlung in Licht. Leider gibt es keinen allgemeinen einfachen Ausdruck für den Anteil der Planck-Kurve, der als Licht wahrgenommen wird. Die Leuchtdichte des c schwarzen Körpers in Stilb ergibt sich als L = 0,068 4π (ν, T )σ(ν) dγ aus der Energiedichte (ν, T ) der schwarzen Strahlung und der spektralen Empfindlichkeitskurve σ(ν) des Auges. Der Faktor c vermittelt den Übergang von Energiedichte zu Intensität, der Faktor 0,068 von W/cm2 auf lm/cm2 , der Faktor 1/(4π) von lm/cm2 auf sb = cd/cm2 . Man kann die beteiligten Kurven annähern: Die Planck-Kurve durch die Wien-Kurve, falls kT hν; die Empfindlichkeitskurve σ(ν) als Rechteck der Höhe 1 zwischen ν1 = 4,5 · 1014 s−1 und ν2 = 6,0 · 1014 s−1 entsprechend 660 und 500 nm (vgl. Abb. 11.7). Dann vereinfacht sich L x zu L ≈ 0,136k4 T 4 c−2 h −3 x12 x 3 e−x dx ≈ 0,136kTc−2 ν13 e−hν1 /(kT ) mit x = hν/(kT ). Die übrigen Glieder, die bei der partiellen Integration entstehen, sind bis 2 000 K mehr als viermal kleiner. Bei T = 2 040 K (Schmelzpunkt des Platins) liefert diese Näherung L = 50 sb, was mit den gemessenen 60 sb (Definition des sb) nicht so schlecht übereinstimmt. Die Lichtausbeute in lm/W ergibt sich durch Multiplikation mit 2π (Halbraum) und Division durch die Stefan-Boltzmannsche Gesamtleistung η ≈ 103x13 e−x1 lm/W. Die graphische Integration mit dem exakten (ν)σ(ν) ergibt die Werte von Abb. 11.16. 11.2.7 Sternhelligkeit Wir müssen selbstleuchtende Himmelskörper (Sonne, Fixsterne, Galaxien) und solche unterscheiden, die nur dank reflektierten Sonnenlichts zu sehen sind (Planeten, Kometen, natürliche und künstliche Satelliten). Die Helligkeit eines Sterns ergibt sich aus der der Sonne, die von uns den Abstand RE hat, im Abstand R durch Multiplikation mit dem Verdünnungsfaktor RE2 /R2 ; außerdem können aber auch die absoluten Leuchtkräfte verschieden sein: HSt /HS = L St RE2 /(L S R2 ). Ein Planet vom Radius r im Abstand R von der Sonne fängt einen Bruchteil πr 2 /(4πR2 ) des Gesamtlichts der Sonne auf. Hat er die Albedo α und sehen wir einen Bruchteil γ
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seiner beleuchteten Hälfte (z. B. Halbmond γ = 0,5), so strahlt er in den Halbraum, wo wir sind, im ganzen αγr 2 /(4πR2 ) ab. Das Doppelte davon ist das Verhältnis seiner absoluten Leuchtkraft zu der der Sonne (diese muss ja in den ganzen 4π-Raum strahlen). Hat er einen Abstand a von der Erde, so ergibt sich HP /HS = αγr 2 RE2 /(2R2 a2 ). Für den Mond ist R = RE , für die ferneren Planeten a ≈ R, für Mars, Venus, Merkur schwankt a stark mit der Stellung zur Sonne (Opposition, Konjunktion usw.); bei Venus und Merkur wird der Einfluss dieser Schwankung durch die Phasen (γ) teilweise kompensiert. Man erhält für Planeten und Satelliten Übereinstimmung mit der beobachteten Helligkeit, wenn man die Albedo entsprechend anpasst. Beim Mond kann man noch einfacher argumentieren: Er erscheint ◦ 1 ebenso groß wie die Sonne ( 12 = 120 ); er empfängt eine um den Fak2 −2 tor (rS /RE ) = (2 · 120) verdünnte Sonnenstrahlung, von der er nur den Bruchteil α = 0,07 zurückstrahlt, allerdings nur in einen Halbraum, was ihm den Faktor 2 einbringt. Also erscheint er 12 · 14 · 5 · 104 = 3 · 105 -mal weniger hell als die Sonne. Sirius z. B. hat − 1,5 mag, die Sonne −27, ist also 1,6 · 1010 -mal heller. Sirius ist 10 Lichtjahre entfernt, die Sonne 500 Lichtsekunden (s. Ole Rømer); das Verhältnis der Abstandsquadrate ist 3 · 1011 , also ist Sirius absolut zwanzigmal heller. Der Andromedanebel hat +4,5 mag, die Sonne erscheint also 100.4·(4,5+27) = 4 · 1012 -mal heller. Der Andromedanebel ist 3 · 106 Lichtjahre entfernt, das Verhältnis der Abstandsquadrate ist 3 · 1022 , also hat der Andromedanebel ca. 1010 -mal mehr Leuchtkraft als die Sonne. Man schätzt seine Masse heute sogar auf über 1010 Sonnenmassen. 11.2.8 Wie viel Sternlein? Das Auge nimmt bei maximaler Adaptation ca. 50 ,,grüne“ Photonen/s wahr. Die Sonne strahlt an ihrer Oberfläche mit 6 · 103 W/cm2 , bei uns mit 0,13 W/cm2 . Ein Photon im Grünen hat hν = 4 · 10−19 J. Auf 1 cm2 Erdoberfläche fallen also 3 · 1017 Photonen/s, davon ca. 13 , also 1017 im optimal Sichtbaren. Die adaptierte Pupille von 0,2 cm2 würde 2 · 1016 Photonen/s auffangen. Ein Stern auf absolut dunklem Hintergrund dürfte also 4 · 1014 -mal weniger hell sein als die Sonne, d. h. 36,5 Größenklassen. Ohne Nachthimmelleuchten sähe man also noch Sterne von 9,5 mag, in Wirklichkeit nur von 5 mag. 11.2.9 Nachthimmelleuchten Für ein optisches Instrument mit der Apertur d (Durchmesser der Eintrittspupille) erscheint ein Stern als Beugungsscheibchen über einen Raumwinkel verschmiert, dessen Radius etwa α = λ/d ist. Für das dunkeladaptierte Auge mit d ≈ 0,5 cm ist α ≈ 10−4 . Der Stern hebt sich vom Hintergrund nur dann ab, wenn er mehr Licht hergibt als die Hintergrundfläche von der Größe dieses Scheibchens, also dem Raumwinkel 10−8 . Die unsichtbaren Sterne und Galaxien strahlen nach Aufgabe 11.2.19 mit einer Gesamtintensität, die ca. 6 K entspricht und etwa die Frequenzverteilung des Sonnenlichts hat, also mit einer Leuchtdichte, die (5 700/6)4 = 1012 -mal schwächer ist als die der Sonnenscheibe. Au-
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ßerdem ist das Beugungsscheibchen etwa 1 000-mal kleiner als die ◦ scheinbare Sonnenscheibe mit ihrem Radius von 14 ≈ 4 · 10−3 und ist da15 her ca. 10 -mal weniger hell als diese, erscheint also wie ein Stern, der um 7,5 · 5 = 37,5 Größenklassen dunkler ist als die Sonne mit ihren −27, d. h. wie ein Stern 10,5-ter Größe. Das Olbers-Licht beschneidet unsere Wahrnehmung also nicht mehr als die Optik des Auges selbst (Aufgabe 11.2.8). Anders das Streulicht vom Zodiakalgürtel und das Rekombinationsleuchten der Hochatmosphäre, das 100-mal stärker ist als das Olbers-Leuchten. So kommt das Auge nur bis zur 5. Größe. Ein Fernrohr mit einem größeren d kann entsprechend auch schwächere Sterne sehen. Ein Faktor 10 in d bringt ein 100-mal kleineres Beugungsscheibchen, also 5 Größenklassen ein. Der 5 m-Reflektor von Mt. Palomar sieht daher noch Sterne 20-ter Größe. 11.2.10 Augenempfindlichkeit 50 Photonen/s, die durch die erweiterte Pupille (bis 5 mm Durchmesser) treten, entsprechen einer Bestrahlungsstärke von 7 · 10−16 W/cm2 (ein Photon von 500 nm hat hν = 4 · 10−19 J). Es handelt sich aber hier nicht um monochromatisches Grünlicht, sondern um thermische Strahlung, die nur einen winzigen Ausläufer ins Sichtbare und noch viel weniger in den Bereich optimaler Empfindlichkeit streckt. Im Grünen entspräche den 7 · 10−16 W/cm2 eine Beleuchtungsstärke von 4 · 10−13 lm/cm2 oder 4 · 10−9 lx. Im Vergleich mit 6 000 K, wo fast die Hälfte der Strahlungsenergie in den optimal sichtbaren Bereich fällt, kann man aus Aufgabe 11.2.6 schätzen, dass z. B. bei 600 K etwa 10−10 sichtbar ist. Ein Strahler dieser Temperatur emittiert nach Stefan-Boltzmann nur 0,7 W/cm2 , leuchtet also in großer Fläche mit 4 · 10−8 lm/cm2 , d. h. sendet dem Auge, das so nahe herangebracht wird, wie es das aushält, mehr als tausendmal mehr sichtbare Photonen zu, als der Sehschwelle entspricht. Man sieht also im Dunkeln deutliche Grauglut (grau wegen der Farbunempfindlichkeit der Stäbchen). Theoretisch sollte man schon zwischen 450 und 500 K einen leichten grauen Hauch wahrnehmen (schwach geheiztes Bügeleisen). Das scheitert wohl hauptsächlich daran, dass man die Hitze nicht so lange aushält, wie die sichere Beobachtung so schwachen Lichts erfordert. 11.2.11 UR-Kamera Auch geringe Temperaturunterschiede machen sich durch Änderung der IR-Emission bemerkbar, selbst wenn die optische Emission viel zu gering ist. Ein im fernen IR aufgenommenes Bild zeigt z. B. noch fast eine Stunde später, wo ein Auto gestanden hat. Erst recht ist fast jede industrielle Aktivität auch bei sorgfältigster Tarnung deutlich durch hellere Flecken zu erkennen, und sei es nur in den Flüssen oder Seen, die Kühl- oder Abwässer aufnehmen. Außerdem wird IR in der Luft fast gar nicht gestreut und erlaubt daher eine erstaunlich klare Fernsicht.
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11.2.12 Wien-Gesetz Ohne erzwungene Emission wäre die einsteinsche Photonenbilanz anzusetzen: Absorbierte Photonen/(cm3 s) = α (ν, T )n 0 dν = spontan emittierte Photonen/(cm3 s) = βn ∗ , also (ν, T ) dν = βn ∗ /(αn 0 ) = 4πhν3 c−3 e−hν/(kT ) . Das ist das wiensche Strahlungsgesetz. Es liefert maximale Strahlungsdichte für die Frequenz νm mit hνm = 3kT . Das ist noch kein sehr augenfälliger Unterschied gegen das richtige Planck-Gesetz mit seinem Maximum bei hνm = 2,82kT (zwar würde das Wien-Gesetz eine fast um 400◦ höhere Sonnentemperatur ergeben, aber wir wissen ja nicht a priori, wie heiß die Sonne ist). Schlimmer wird es bei kleineren Frequenzen oder höheren Temperaturen: Bei hν kT ergibt Wien ∼ ν3 , Planck ∼ ν2 . Ein 20 000 K-Strahler z. B. würde nach Wien im Sichtbaren kaum 1 3 der Helligkeit haben wie in Wirklichkeit. 11.2.13 Erzwungene Emission Nennt man die Anzahlen der Prozesse/(cm3 s)) spontaner Emission, erzwungener Emission und Absorption S, E bzw. A, dann fordert das Strahlungsgleichgewicht A = S + E, die Boltzmann-Verteilung angeregter und unangeregter Teilchen E/A = e−hν/(kT ) , woraus (außer dem PlanckGesetz) folgt E/S = 1/(ehν/(kT ) − 1). Die maximale Emission liegt bei hν = 2,82kT . Der niederfrequente Schwanz der Planck-Kurve wird also überwiegend erzwungen, der Hauptteil spontan emittiert. (Deswegen erschien bei den damaligen Strahlertemperaturen und Messmöglichkeiten das Wien-Gesetz so lange ausreichend, bis Lummer und Pringsheim ,,bis zur nächsten Dezimale vorstießen“. Das Wien-Gesetz entspricht ja rein spontaner Emission.) Nach Aufgabe 11.2.6 kann man überschlägig sagen, dass ein Temperaturstrahler nur etwa 1% erzwungen emittiert (vgl. die Werte für 2 000 und 6 000 K). Die Grenze zwischen überwiegend spontaner und überwiegend erzwungener Emission liegt bei hνg = kT , also λg ≈ 1 800/T µm, also bei der Sonne um 3 µm, bei der Glühlampe um 6 µm, bei der Flamme um 15 µm. 11.2.14 Erdschein Vom Mond aus gesehen ist die Vollerde ca. 100-mal heller als für uns der Vollmond (sie hat eine 16-mal größere Fläche, ihre Albedo ist sechsmal höher). Zwischen Tag und Vollerdennacht auf dem Mond besteht also nicht der 106 fache Helligkeitsunterschied wie bei uns zwischen Tag und Vollmondnacht, sondern nur ein 104 facher. Diesen Kontrast zwischen dunklem und hellem Teil der Mondscheibe kann das Auge noch überbrücken, besonders wenn die Mondsichel noch sehr schmal ist und nicht so stark überstrahlt. Der Halbmond ist insgesamt schon zu hell – außerdem strahlt dann die Halberde weniger als halb so viel – sodass dann das Phänomen kaum noch zu beobachten ist. 11.2.15 Zinklicht Nach Kirchhoff ist das Emissionsvermögen umso größer, je größer das Absorptionsvermögen ist, und zwar auch in Abhängigkeit von der Wellenlänge. Kräftig selektiv absorbierende Stoffe leuchten daher, wenn sie
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erhitzt sind, oft in der Komplementärfarbe zu der, die man an ihnen wahrnimmt, wenn sie kalt sind. Das extremste Beispiel ist die Umkehrung der Spektrallinien: Heißer Na-Dampf leuchtet gelb, kalter absorbiert genau dieselben Wellenlängen, sodass das durchkommende Licht bläulich aussieht. ZnO-Kristalle sehen orange aus. Tatsächlich schneiden sie alle Wellenlängen ab, die kürzer als grünblau sind. Entsprechend strahlt ZnO auch grünblau, wenn man es erhitzt. Eigentlich ist die Absorption im Violetten ebenso stark, aber Planck-Kurve und Empfindlichkeitskurve des Auges lassen den langwelligsten, also grünblauen Teil am stärksten hervortreten. 11.2.16 Planetentemperatur Die Sonne (Radius R, Oberflächentemperatur TS ) erzeugt in ihrer unmittelbaren Nähe eine Strahlungsintensität σTS4 . Im Abstand a ist diese Intensität nur noch σTS4 R2 /a2 . Ein Planet vom Radius r fängt davon die Leistung πr 2 σTS4 R2 /a2 ab, reflektiert aber den Bruchteil α. Die Albedo α ist eigentlich nur auf physiologisch bewertetes Licht bezogen, kann aber auch als Reflexionsvermögen für die (überwiegend ins Sichtbare fallende) Sonnenstrahlung betrachtet werden, falls stark selektiv absorbierende Stoffe wie CO2 keine zu große Rolle spielen. Der Planet nimmt eine Temperatur an, die dadurch bestimmt ist, dass er ebenso viel abstrahlt wie er aufnimmt. Bei gleichmäßig warmer Oberfläche (schnelle Rotation, ausgleichende Atmosphäre und Hydrosphäre) strahlt der Planet 4πr 2 σT 4 ab, bei langsamer Rotation und dünner Atmosphäre nur etwa die Hälfte. √ Im ersten Fall erhält man aus der Strahlungsbilanz T1 = TS (1 − α)1/4 R/(2a), im zweiten √ etwa um den Faktor 4 2 ≈ 1,2 mehr für die Tagseite (T2 ). Merkur, Mond, Mars entsprechen eher dem zweiten Fall. Bei Sonnenhöchststand wird es noch viel wärmer. Die Erdtemperatur wird etwas angehoben durch den Treibhauseffekt: CO2 lässt einfallendes sichtbares Licht durch, hält aber die UR-Rückstrahlung zurück. Viel stärker ist dies auf der Venus mit ihren 70 bar CO2 : Die Oberflächentemperatur liegt um 600 K. Tabelle L.3 α T1 T2 α T1 T2
Merkur
Venus
Erde
Mond
Mars
0,06 445 530
0,61 260 310
0,34 253 300
0,07 275 330
0,15 217 258
Jupiter
Saturn
Uranus
Neptun
Pluto
0,41 108 129
0,42 79 93
0,45 55 65
0,54 42 50
0,16 42 50
11.2.17 Mondscheinfoto Auf die Mitte der Vollmondscheibe fällt ebenso viel Licht wie an einem Tropenmittag auf den Erdboden. Entsprechend seiner Albedo von 0,07 wirft das Mondgestein aber drei- bis viermal weniger Licht zurück
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als das durchschnittliche Photoobjekt auf der Erde. Die Flächenhelligkeit 1 dürfeines Objekts hängt nicht von der Entfernung ab. Blende 8 und 60 ten also ein richtig belichtetes Mondbild ergeben, obwohl es selbst mit dem Teleobjektiv erstaunlich klein bleibt. Die mondbeschienene Landschaft ist 12 αEr 2 /R2 -mal dunkler als die Mondscheibe (αE : Albedo der 1 ), d. h. 3 · 105 -mal (oder, wie Erde, r/R: Mondradius/Mondabstand = 240 6 schon in Aufgabe 11.2.7 geschätzt, 10 -mal) dunkler als die sonnenbeschienene Landschaft. Vergrößerung der Blende von 8 auf 2,8 ergibt nur einen Faktor 8, also müsste man ca. 500 s belichten, um ein tagähnlich belichtetes Bild zu erhalten. Das würde absolut nicht wie ein Mondnachtbild aussehen, denn die Physiologie des Dunkelsehens (Stäbchensehens) ist ganz anders als die des Tagsehens und führt zu den harten Kontrasten des Mondlichts, die man photographisch mit viel schwächerer Belichtung des Schwarzweißfilms und entsprechender Entwicklung herausholen kann. Die nur sternbeschienene Landschaft ist nach Aufgabe 11.2.7 noch 103 -mal dunkler. 11.2.18 Schmelzofen Ein grauer Strahler, d. h. einer mit frequenzunabhängigem Absorptionsgrad α < 1, absorbiert den Anteil α der Strahlung, die ihm im Ofen zugeht, und wirft 1 − α zurück. Seine spezifische Ausstrahlung ist nach Kirchhoff entsprechend kleiner als die des schwarzen Körpers: R = αRs . Im ganzen gibt also der graue Körper, direkt oder indirekt, ebenso viel Strahlung ab wie der schwarze. Dies gilt für die Gesamtstrahlung, aber auch für jede Wellenlänge. Es spielt auch keine Rolle, ob das Objekt selektiv absorbiert, also nicht grau ist: Wo die Absorption gering ist, also viel reflektiert wird, ist die Emission in genauem Ausgleich kleiner. Daher sieht alles gleichhell aus, alle Einzelheiten verlieren sich. Der Vorteil eines Selektivstrahlers, der wie Ceroxid (Auer-Strumpf) z. B. im Sichtbaren stark, aber kaum im UR absorbiert, zeigt sich erst außerhalb des Strahlungsgleichgewichts: Bei Zufuhr einer bestimmten Heizleistung gibt er fast alles im Sichtbaren wieder ab, nicht wie der schwarze Strahler hauptsächlich im UR. 11.2.19 Weltraumkälte Die Sterne in unserer Galaxis sind im Mittel etwa sieben Lichtjahre voneinander entfernt. Da sie regellos verteilt sind, ist dies auch der Abstand des nächsten Sterns von einem beliebig gewählten Punkt P in der Galaxis. Die Sonne ist 500 Lichtsekunden ≈ 1,5 · 10−5 Lichtjahre von uns entfernt, d. h. 5 · 105 -mal weniger weit, als P seinen nächsten Stern hat. Dieser nächste Stern erzeugt also in P eine 2 · 1011 -mal geringere Strahlungsintensität als die Sonne bei uns. Die Kugelschale von sieben Lichtjahren Innen- und vierzehn Lichtjahren Außenradius enthält im Durchschnitt vier Sterne, die alle zusammen infolge ihres doppelt so großen Abstandes von P ebenso stark dorthin strahlen wie der nächste Stern. Entsprechendes gilt für jede weitere Kugelschale von sieben Lichtjahren Dicke. Bis zum Rand der Galaxis, die einen Radius von 40 000 Lichtjahren hat, gibt es ca. 6 000 solche Schalen. Alle zusammen erzeugen in P eine Intensität, die 107 -mal schwächer ist als die der Sonne auf der Erdoberfläche und
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die nach Stefan-Boltzmann √ einem schwarzen Körper in P eine Gleichgewichtstemperatur von 300/ 4 107 ≈ 6 K erteilt. Dazu kommt die Strahlung der übrigen Galaxien. Zwischen ihnen herrscht ein mittlerer Abstand von 5 · 106 Lichtjahren, jede enthält ca. 1011 Sterne, die aus diesem Abstand so strahlen wie ein Stern aus 5 · 106 /(3 · 105 ) ≈ 15 Lichtjahren, d. h. ca. 4-mal schwächer als der Nachbarstern in derselben Galaxis. Bis zum Rand des Weltalls (ca. 1010 Lichtjahre) gibt es ca. 2 000 Galaxienschichten. Also ist die Gesamtstrahlung aller übrigen Galaxien etwa 10-mal schwächer als die der Sterne derselben Galaxis und erhöht die Strahlungstemperatur dementsprechend nicht nennenswert. Diese isotrope Strahlung hat 6 K, aber ihr Emissionsmaximum ist immer noch nach Wien durch die Sternoberflächentemperatur bestimmt. Ihr Radiofrequenzanteil ist also verschwindend klein. Dies unterscheidet sie von der berühmten ,,isotropen 3 K-Strahlung“, die nicht nur in der Gesamtintensität, sondern auch in der Lage des Maximums 3 K entspricht und die vielfach als das verdünnte Echo des ,,Urknalls“ angesehen wird (Aufgabe 18.4.17). 11.2.20 Sherlock Holmes Holmes wird gesagt haben: ,, . . . Mein Arm ist etwa 25 Zoll lang, mein Daumen 1 Zoll breit. Er bedeckt die Sonne etwa viermal oder fünfmal, wenn ich den Arm ausstrecke. Die Sonne ist also 100–120-mal so weit entfernt wie ihr Durchmesser lang ist. Ihre Strahlung hat sich, bei uns angekommen, auf weniger als ein Zehntausendstel verdünnt. Erde und Sonne sind schon lange genug da, dass sich ein Gleichgewicht eingestellt hat, in dem die Erde ebenso viel Strahlung empfängt wie sie abgibt. Ihr T 4 Gesetz besagt, dass sich die Temperaturen dann verhalten wie die vierten Wurzeln aus den Intensitäten, also die Quadratwurzeln aus den Radien, d. h. wie 15 : 1. Damit wären wir bei etwa 4 000◦ absolut. Wenn man bedenkt, dass die Erde nur mit ihrem Querschnitt auffängt, aber mit der ganzen Oberfläche, die viermal groß ist wie der Querschnitt, abstrahlt, √ so √ erhält man noch den Faktor 4 4 = 2, d. h. etwa 6 000◦ absolut.“ 11.2.21 Glühlampe Aufgabe 11.2.6 zeigt den dramatischen Einfluss der Glühfadentemperatur auf die Lichtausbeute (in lm/W) und, noch etwas stärker, auf die Lichtstärke. Eine 100 W-220 V-Lampe zieht 0,45 A, hat also 500 Ω. Hieraus allein kann man nur das Verhältnis Länge/Querschnitt angeben: L/A = R/ ≈ 107 cm−1 (in der Hitze ist der spezifische Widerstand etwa zehnmal höher als der angegebene Wert, also L/A ≈ 106 cm−1 ). Die Fadentemperatur T wird durch die Schmelztemperatur begrenzt. Zu nahe darf man dieser nicht kommen, sonst verdampft der Draht zu schnell. Die strahlende Oberfläche muss so groß sein, dass sich ein angemessenes T im Gleichgewicht von Heiz- und Emissionsleistung einstellt. Bei T = 2 800 K erhält man 2πrLσT 4 = 100 W oder rL = 0,05 cm2 . Andererseits hatten wir L/r 2 ≈ 3 · 106 cm−1 , also r ≈ 25 µm, L ≈ 20 cm (Doppelwendel!). Bei 2 800 K ist die Lichtausbeute etwa 60 lm/W. Im Vergleich mit monochromatisch grünem Licht, das mit 680 lm/W wahrgenommen wird, bedeutet das einen ,,optischen Wirkungsgrad“ von 9%.
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11.2.22 Superlampe Bei 20 000 K liegt das Emissionsmaximum nach Wien bei 145 nm, also tief im UV. Die Planck-Kurve liegt zwar hoch, aber größtenteils links von der Empfindlichkeitskurve des Auges (λ-Auftragung). Die Lichtausbeute ist daher viel schlechter als bei 6 000 K, nämlich 90 lm/W statt 330 lm/W, fast ebenso schlecht wie bei 3 000 K. Vom Roten zum Violetten steigt die Planck-Kurve um mehr als den Faktor 10 000 an. Trotz der geringeren Violettempfindlichkeit des Auges würde man eine rein violette Emission sehen. Für die Projektion besonders von Farbdias ist diese Lampe völlig unbrauchbar. 11.2.23 Halogenlampe Der Jod- oder Bromdampf in der Halogenlampe bindet die vom Glühfaden abdampfenden W-Atome zu WJ6 oder WBr6 . Wenn diese Moleküle zufällig ganz in die Nähe des Glühfadens kommen, werden sie aufgespalten und liefern ihr W brav wieder ab. Diese Regenerierung des verdampften Wolframs erlaubt, die Fadentemperatur wesentlich näher an die Schmelztemperatur zu schieben. Zwischen 2 800 und 3 500 K steigt die Lichtausbeute auf mehr als das Doppelte. 11.2.24 Beste aller Welten Ein Stoff beeinflusst (reflektiert, bricht, beugt) das Licht wesentlich, wenn seine Teilchen zu Schwingungen angeregt werden, die eine etwa ebenso starke Sekundärwelle emittieren wie die Primärwelle ist. Die Welle mit der Feldstärke E erzeugt Dipole mit dem Moment p = αE. Die Polarisation P = αE/d 3 entspricht einem Sekundärfeld E = P/ε0 , also E /E = α/(ε0 d 3 ). Nun ist α = ε0rB3 . Materie, in der die Atome dicht gepackt sind, sollte völlig undurchsichtig sein, ein Gas mit d rB nicht. Der tiefere Grund dafür ist natürlich, dass die Zusammenhaltskräfte der Teilchen in kondensierter Materie die gleichen sind wie die Kräfte in der Lichtwelle. Die obigen Aussagen sind sehr global. Man muss die Phasenverhältnisse zwischen Sekundär- und Primärwelle beachten: Bei Phasengleichheit bleibt der Stoff durchsichtig. Phasenverschiebung infolge der Nähe einer Resonanzfrequenz bedingt Absorption auch im Gas, allerdings mit einer Eindringtiefe λ. Die spektrale Empfindlichkeit der Netzhaut ist rein biologische Anpassung an Sonnenspektrum und Durchlässigkeitsbereich der Atmosphäre. Bei 25 000 K-Strahlung (Intensitätsmaximum bei 100 nm) sind viele Metalle schon durchsichtig, weil ihre Plasmafrequenz überschritten ist. 11.2.25 Sternatmosphäre Der Virialsatz liefert E kin = − 12 E pot , d. h. kT ≈ G Mm/R. Der thermische Gasdruck pT = nkT muss dem Gravitationsdruck pG ≈ G M 2 /R4 die Waage halten. Wegen M ≈ R3 nm kommt das auf das gleiche heraus. Wenn ein Teilchen sich während eines tangentialen freien Fluges weder vom Zentrum entfernen noch ihm nähern soll, muss mv2 /R ≈ G M/R2 sein, was wieder dasselbe ergibt. Wenn der Stern um δR schrumpft, also seine Schwereenergie um etwa δW = G M 2 δR/R2 abnimmt, kommt diese
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volle Energie der thermischen zugute: Der Stern wird heißer. Wenn Wkin nur um 12 δW zunähme, bliebe der Virialsatz gewahrt. In Wirklichkeit wird der Stern zu heiß und muss sich wieder ausdehnen. Das Gleichgewicht ist stabil. kT ≈ G Mm/R ≈ G Nm 2 /dN 1/3 = G N 2/3 m 2 /d mit m als Protonenmasse ist der gesuchte Zusammenhang. 11.2.26 Sternentwicklung Die Antwort ergibt sich aus Lösung 11.2.25. Wenn der Stern Energie abstrahlt, wird er kleiner und heißer. Beim gebremsten Satelliten und beim Bohr-Atom gilt Entsprechendes, wenn man thermische durch kinetische Energie ersetzt. Die Ableitung der Gleichgewichtsbedingung aus der Kreisbahnbedingung zeigt direkt den Grund. Etwas eleganter kann man dasselbe mit dem Virialsatz ausdrücken. 11.2.27 Sonnenalter Wenn die Sonne ganz aus Kohle und der stöchiometrisch entsprechenden Menge Sauerstoff wäre (5,5 · 1029 kg C, 1,45 · 1030 kg O2 ), würde vollständige Verbrennung 2 · 1037 J liefern. Die Sonne strahlt auf 1 m2 der Kugelschale vom Radius 1,5 · 108 km in der Sekunde 1 400 J, auf die ganze Kugelschale 3,9 · 1026 W. Nach 1 700 Jahren wäre die Herrlichkeit vorbei. Knallgas würde uns knapp bis zu Echnaton, H + H → H2 etwa bis zur Grotte von Altamira bringen. Die Gravitationskontraktion ist ausgiebiger. Bei homogener Dichte hätte die Sonne E pot = − 35 G M 2 /R = 2,8 · 1041 J, d. h. genug für 2 · 107 Jahre, wenn sie mit einem wesentlich größeren Radius angefangen hätte. Durch die Massenkonzentration im Innern erhöht sich diese Schätzung auf knapp 108 Jahre. Das erfordert, dass praktisch die ganze Sonnenmasse innerhalb R/5, d. h. mit einer Dichte von 250 g cm−3 konzentriert ist. Da mit dem Axiom der Unveränderlichkeit der Atome intensivere Energiequellen damals undenkbar schienen, polemisierten Lord Kelvin u. A. erfolgreich gegen die Jahrmilliarden ungestörter Entwicklung, die Biologen und Geologen für nötig hielten. 11.3.1 Veilchenfarbige Ägäis Der Mechanismus des Farbsehens ist wesentlich anders als der des Tonhörens. Für das Ohr als Fourier-Analysator ähnelt ein 200 Hz-Ton einem 400 Hz-Ton, der als erster Oberton in jedem musikalischen 200 Hz-Ton enthalten ist. Daher bringen die höheren Oktaven nichts wesentlich Neues, und unsere Musik kommt mit 12 Tönen (und einigen Unterscheidungszeichen) aus. Anders beim Auge: Dass sich eine Periodizität durch die Hinwendung des Violett zum Rot anzudeuten scheint, liegt an der Existenz des Nebenbuckels in der Rotrezeptor-Empfindlichkeit (Aufgabe 11.3.2) und darf nicht so extrapoliert werden, dass danach wieder Rot-Orange, Gelb usw. kämen. Wenn man ökonomischerweise bei drei Rezeptoren bleibt, könnte man UV sichtbar machen, indem man die Empfindlichkeit des Blaurezeptors im λ-Bild weiter nach links ausladen lässt. Zieht man auch den Nebenbuckel der Rotkurve entsprechend weit aus, liegen die UV-Farbeindrücke sehr zusammengedrängt unten links im Farbdreieck: UV sähe violett aus. Lässt man die Rotkurve wie sie ist, rutscht das UV
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praktisch auf der r-Achse nach links in die bisher unbewohnte Ecke hinein, und niemand könnte sagen, wie es aussähe. Beim UR ist die Lage einfacher: Man würde das Verhältnis r : g mit b = 0 mehr zugunsten von r verschieben, also längs der Diagonale nach rechts unten vorrücken, wieder mit schwer vorhersagbarem Ergebnis. – Um Homers veilchen- oder weinfarbenes Meer zu sehen, braucht man die Rezeptoren nicht zu ändern, sondern nur bei gewisser Beleuchtung (auch bei hochstehender Sonne) von den Küstenbergen auf die Ägäis zu schauen. 11.3.2 Farbdreieck Wenn die drei Empfindlichkeitskurven nicht überlappten, gäbe es in den Zwischenräumen Spektralfrequenzen, die gar nicht bunt aussähen, sondern grau. Innerhalb jeder Empfindlichkeitskurve gäbe es keine Farbunterschiede: Alles was in den Rotbuckel fiele, wäre knallrot, ohne jede Nuancierung. Es gäbe überhaupt nur drei brutale Farben. Mischung mit wachsender Dosierung würde zuerst nichts ändern, dann Grau liefern, schließlich Umschlag in die benachbarte Grundfarbe. Wenn der RotNebenbuckel fehlte, wäre das Farbdreieck bis in die r = g = 0-Ecke mit sichtbaren Farbtönen gefüllt. Dort läge zweifellos das reinste Blau, nicht mit einem Stich ins Rote, wie links unten in unserem Farbdreieck. Auch im Spektrum gäbe es kein Violett, es endete mit reinem Blau. Violett entstünde erst auf der Purpurgeraden, die in r = g = 0 anfinge und flacher verliefe als bei uns.
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11.3.3 Crab-Nebel Bei gleichförmiger Expansion hat der Crab-Nebel sich in 920 Jahren um 0,21 /Jahr ausgedehnt. Die Doppler-Verschiebung entspricht v = 1 300 km/s, das macht 4 · 1013 km seit der Explosion. Die parabolische Fluchtgeschwindigkeit von der Sonnenoberfläche ist 500 km/s, also kommt gravitative Bremsung höchstens ganz zu Anfang in Betracht. Der wahre Durchmesser von 8 · 1013 km sieht wie 6,5 aus im Abstand 4 · 1016 km ≈ 4 000 Lichtjahre. Trotz dieses 1 000-mal größeren Abstandes war die Supernova fast 10 000-mal heller als α Centauri, also absolut fast 1010 -mal heller als dieser oder die Sonne, m. a. W. fast so hell wie eine ganze Galaxis! Eine Supernova in 4 Lichtjahren Abstand wäre 106 -mal heller als die von 1054, d. h. fast so hell wie die Sonne, die Lichtintensität auf √ der Erde würde sich verdoppeln, die Temperatur stiege um den Faktor 4 2, d. h. um fast 60◦ . Die Gesamtemission der Sonne ist 3 · 1026 W, die der Supernova 3 · 1036 W, sie strahlt in 100 Tagen etwa 3 · 1043 J aus. Da die Sonne von ihrem Wasserstoff einige 1010 Jahre leben kann (Aufgabe 18.2.12), verbraucht der Supernovaausbruch einen erheblichen Teil dieser Reserve. Der größte Teil dieser Energie stammt aber aus der Kontraktion, denn der Ausbruch erfolgt, weil der Kernbrennstoff verbraucht ist. Bei Kontraktion auf 2,9 km Radius würde die Sonne ein schwarzes Loch, d. h. ihre Gravitationsenergie wäre gleich Mc2 (Abschn. 19.3.3). Die Fusionsenergie ist etwa 1/100 davon, entspricht also dem hundertfachen Radius, d. h. einigen hundert km. Die Supernova bricht in einen Neutronenstern zusammen (s. auch Aufgabe 19.3.2).
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11.3.4 Fixstern-Parallaxe Absolutverschiebungen am Himmel zwischen Sommer und Winter kann man mit bloßem Auge, wie Aristarch und Copernicus es mussten, kaum ◦ viel genauer als auf 12 messen. Also müssten parallaktische Verschiebungen der Sterne gegeneinander auftreten. Bei Sternen, die nahe beieinander zu stehen scheinen, kann man solche Verschiebungen mit einer Genauigkeit feststellen, die praktisch durch das Auflösungsvermögen des Auges gegeben ist (einige Bogenminuten, d. h. 10−3 im Bogenmaß). Wenn man nichts dergleichen sieht, müssen die Sterne mindestens 103 -mal ferner sein als die Sonne. Aristarch und Copernicus wagten beide diesen Schluss, der damals noch viel grausiger schien als die postulierte riesige Entfernung der Sonne. Newton wusste, dass Saturn etwa 10 Erdbahnradien entfernt ist und dass sein Radius etwa 10 Erdradien beträgt. Er fängt also etwa den gleichen Bruchteil der Gesamtstrahlung der Sonne auf wie die Erde, nämlich 1/(4 · 20 0002 ) ≈ 5 · 10−10 (Radienverhältnis Sonne– Erde 100 : 1, Sonnenabstand : Sonnenradius 200 : 1, dazu ein Faktor 4 von πr 2 statt 4πR2 ). Wenn Saturn im reflektierten Licht ebensohell aussieht wie ein Stern, der ebenso stark wie die Sonne strahlen dürfte, muss der Stern 4 · 104 -mal so weit entfernt sein wie Saturn, nämlich etwa 5 Lichtjahre (Sonne–Erde 500 Lichtsekunden). Seine Parallaxe ist dann 1/(4 · 105 ) ≈ 1/2 . Diese Schätzungen bestätigten sich glänzend, als man seit 1842 die ersten Parallaxen bestimmte. 11.3.5 Sonneneinstrahlung Einfach zu rechnende Fälle: Äquator am Äquinoktium Sonnenhöhe h = πt/12 (t in Stunden seit 600 ; Mittel über sin-Bogen 2/π = 0,64, Tagesmittel 0,32. N-Pol am 21.6.: sin 23,4◦ = 0,39, dies 24 h lang, also mehr als am Äquator! Die atmosphärische Absorption gleicht dies aber mehr als aus: Weglänge durch Atmosphäre 1/sinh, bei h = π/2 kommen bei klarster Luft 75% am Boden an, l ∼ sin h · 0,751/sinh . So kommt der Äquator auf 0,21 (fast das ganze Jahr), der Pol am 21.6. auf 0,18. Der Faktor 0,751/sinh rundet die Füße des Sinus so ab, dass fast (1 − cos)/2 mit dem Mittel 1/2 entsteht. Das Jahr über hat der √ Pol also nur 0,05 und müsste ohne Luftaustausch im Mittel etwa 305 K/ 4 4 = 214 K kalt sein. 11.3.6 Sonneninneres Bei T = 6 000 K liegt nach Wien λmax um 500 nm, also bei 107 K um 0,3 nm. Die entsprechenden Photonenenergien sind 3 eV und 5 keV. In der Sonne scheint noch kein γ -, aber Röntgenlicht. Die Strahlungsintensität ist an der Sonnenoberfläche etwa 108 W m−2 , im Innern 1021 W m−2 . Strahlungsdruck 10−5 bzw. 108 bar. 1 cm3 Sonnenkernmaterie würde in 1 km Abstand noch 10−2 bar ausüben, also auf einen Menschen eine Kraft von 1 000 N. Er würde umgeblasen. Im Sterninnern ist der thermische Druck sogar noch größer. Beiden hält der Schweredruck der darüberliegenden Schichten die Waage.
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11.3.7 Treibhauseffekt Glas lässt Sonnenlicht praktisch ungeschwächt durch, hält dagegen einen großen Teil der infraroten Rückstrahlung des Erdbodens zurück. Im Freien besteht Strahlungsgleichgewicht zwischen der Sonneneinstrahlung und der vollen Rückstrahlung, und dies bestimmt die Lufttemperatur. Im Glashaus ist das Gleichgewicht zugunsten der Einstrahlung verschoben, also ist es dort wärmer. Ganz ähnlich wirken das CO2 und das H2 O in der Erdatmosphäre und in ganz extremer Weise in der Venusatmosphäre, wo der Treibhauseffekt Temperaturen um 400 ◦ C erzeugt. Das Sonnenspektrum reicht praktisch nicht in den Absorptionsbereich des Glases hinein. Dagegen liegt etwa 1/3 des Rückstrahlungsspektrums darin: Das Glas hält 1/3 der Bodenstrahlung zurück. Wir kennzeichnen die Sonnenintensität durch 6 Pfeile wegen der guten Teilbarkeit der 6. Im Freiland strahlt der Boden dann auch 6 Pfeile zurück. Das tut er auch noch kurz nach dem Schließen des Daches, denn die Bodentemperatur hat noch keine Zeit gehabt, sich zu ändern. Dann lässt das Glas aber nur 4 Pfeile nach draußen durch. Es besteht kein thermisches Gleichgewicht: Der Boden erhält mehr Energie als er abgibt, erwärmt sich also. Diese Erwärmung hört erst auf, wenn wieder 6 Pfeile nach draußen durch das Glas treten. Dann muss der Boden aber 9 Pfeile abstrahlen, also 1,5-mal mehr als vorher. Wenn der Boden im geschlossenen Treibhaus 1,5-mal mehr abstrahlt als im Freiland, heißt das nach Stefan-Boltzmann (I ∼ T 4 ): Im Treibhaus ist T um den Faktor 1,51/4 = 1,1 größer. Wenn draußen 0 ◦ C = 273 K herrschen, kann man drinnen mit 300 K = 27 ◦ C rechnen. Beim Sonnenkollektor ist die Rückstrahlung im Gleichgewicht nicht um den Faktor 1,5, sondern um den Faktor 10 höher, die Temperatur kann 101/4 = 1,7-mal höher werden, also über 200 ◦ C steigen. Ein Körper absorbiert Frequenzen, die in der Nähe von Eigenfrequenzen seiner geladenen Bausteine liegen. Diese Oszillatoren werden im elektrischen Feld der Lichtwelle zu erzwungenen Schwingungen erregt. Leistungsaufnahme erfolgt aber nur bei Phasenverschiebungen, die deutlich verschieden von 0 oder π sind, also nur nahe der Resonanzfrequenz, d. h. der√ Eigenfrequenz der Oszillatoren. Diese Eigenfrequenz hängt gemäß ω = k/m stark von der Masse des Oszillators
0
0
1
1
2
2
3
4
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5
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ν Erde/Hz 5 · 10 13
9 10 · 10 14 ν Sonne/Hz
Abb. 11.1. PlanckKurven für Sonne und Erde
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ab, unterscheidet sich also für Elektronen und Ionen mindestens um den √ Faktor 1 840 ≈ 43. Die Federkonstante k ergibt sich als Coulomb-Kraft im Abstand eines Atomradius r geteilt durch einen solchen Abstand, also k ≈ e2 /(4πε0r 3 ) ≈ 100 N/m. Damit erhalten wir für die Elektronen Absorptionsfrequenzen um 1015 Hz, d. h. im UV, für die Ionen solche unter 1014 Hz, d. h. im IR. Dazwischen liegt für viele Stoffe ein durchsichtiges Gebiet. Eine Ausnahme machen hauptsächlich die Metalle. Sie enthalten nämlich reichlich freie Elektronen, und diese können praktisch alle Frequenzen bis hinauf zu einer ziemlich hohen Grenzfrequenz absorbieren, ebenso wie die freien Elektronen in der Ionosphäre, bei denen diese Grenzfrequenz entsprechend ihrer viel geringeren Teilchenzahldichte aber viel tiefer liegt. 11.3.8 Siafu Hier handelt es sich um Wärmestrahlung, nicht um Leitung wie beim Tallegalla-Nest (hier Luft, dort Humus). Im stationären Zustand, der sich ziemlich schnell einstellt, ist die Stoffwechsel-Wärmeleistung der Ameisen gleich der Differenz der Abstrahlung der Kugel nach außen und der Rückstrahlung der Umgebung: P = Aσ(T 4 − T04 ) ≈ 4AσT03 (T − T0 ), also T = T0 + P/(4σT03 A) (nach innen strahlen die Ameisen ebenso viel wie sie empfangen, denn die Innentemperatur ist überall konstant: Biologisches Beispiel für den strahlungserfüllten Hohlraum). Wenn die Larven z. B. ◦ ◦ 30 ◦ C brauchen, und draußen sind √ es nicht mehr 20 C, sondern 10 C, muss sich der Kugelradius auf 1/ 2 ≈ 71% zusammenziehen. Ps ⫽ Pa
Ps ⬎ Pa
Ps ⫽ Pr
Ps ⫽ Pr
frisch zugedecktes Freiland offenes Treibhaus Treibhaus
Ps ⫽ Pa
Ps ⬍ Pr ⫽ 1,5Ps längere Zeit zugedecktes Treibhaus
Abb. 11.2. Strahlungsbilanz für Freiland und Treibhaus
= Kapitel 12: Lösungen . . . 12.1.1 Konstante Proportionen Nehmen wir an, der Wesir sieht in der Ferne wirklich nur farbige Flächen. Er kann zunächst nichtstöchiometrische und stöchiometrische Vorgänge unterscheiden, je nachdem, ob Weißes oder Braunes übrigbleibt oder nicht. Bei Stöchiometrie stellt er dann fest, dass Weißes und Braunes zueinander proportional sein müssen. Das setzt allerdings ein Mengenmaß voraus. Er könnte das Quadrat des wahren Durchmessers nehmen, unter der Voraussetzung etwa kreisförmiger oder quadratischer Anordnung: als wahren Durchmesser könnte er den scheinbaren, dividiert durch die scheinbare Höhe nehmen, unter der Voraussetzung ,,monomolekularer“ Schichtung.
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Man sieht: Ohne Hypothesen kommt man nicht aus; man kann sich leicht systematische Ursachen für ihre Verletzung vorstellen; diese Hypothesen gründen sich meist auf Modellvorstellungen, die sie – je nach dem Geschmack des Beurteilers – begründen oder suspekt machen. Der Erfolg dieser Mengendefinition zeigt sich aber, in sehr indirekter Weise, im Gesetz der konstanten Verbindungsproportionen. Sicher gibt es auch andere Erklärungen dieses Gesetzes als durch die Existenz unteilbarer Einheiten von jeweils bestimmter Einheitsmenge, die sich individuell miteinander verbinden, aber sicher ist dies die einfachste und am wenigsten an den Haaren herbeigezogene. Trotzdem müsste der Wesir nach direkteren Beweisen suchen, zumal er allein so keinen Anhaltspunkt hat zu sagen, ob seine ,,Atome“ so groß sind wie Staubkörnchen oder wie Elefanten. Wenn er viele alte griechische Bücher gelesen hat, legt ihm das die Denkmöglichkeit seiner Hypothese nahe, hilft ihm aber sonst auch nicht weiter. Jedenfalls konnten Positivisten wie Ostwald und Mach eine Atomlehre, die sich praktisch allein auf die Gesetze der konstanten und multiplen Verbindungsproportionen stützte, mit einem gewissen Recht als unzureichend direkt fundiert ansehen. 12.1.2 Panspermie Die Intensität (Energiestromdichte) des Sonnenlichts in Erdnähe wird durch die Solarkonstante gegeben: I = 1 400 W/m2 . Daraus ergibt sich der Strahlungsdruck durch Division durch c, d. h. pStr ≈ 5 · 10−6 N/m2 . Nahe der Sonne ist pStr um den Faktor R2 /a2 ≈ 5 · 104 größer (R: Sonnenradius, a Abstand Erde–Sonne). Allgemein gilt im Abstand a von einem Stern mit dem Radius R und der Oberflächentemperatur T : pStr = c−1 σT 4 R2 /a2 . Die Kraft auf ein Teilchen vom Radius r ist FStr ≈ πr 2 pStr , die Gravitation FG ≈ 43 πG M r 3 /a2 . Das Verhältnis der beiden Kräfte hängt also nicht vom Abstand, sondern nur von der Teilchengröße ab. Im Feld der Sonne werden beide gleich bei r ≈ 1 µm. Für kleinere Teilchen (Sporen kleiner Bakterien, Phagen, Viren) überwiegt der Strahlungsdruck, z. B. ist er für r = 0,1 µm zehnmal größer als die Gravitation. Unter deren Einfluss allein würde der Sturz von der Erdbahn zur Sonne etwa zwei Monate dauern (Ellipse mit halber großer Halbachse wie die Erdbahn, drittes Kepler-Gesetz). Umgekehrt wird das 0,1 µm-Teilchen in nur sechs Tagen von der Sonne zur Erde geblasen, in einem halben Jahr zum Pluto.√Die Endgeschwindigkeit, mit der es das Sonnensystem verlässt, ist 10-mal größer als die Endgeschwindigkeit, mit der ein Körper aus dem Unendlichen in die Sonne stürzt, also etwa 130 km/s. Die Reise bis zu den nächsten Fixsternen dauert so einige zehntausend Jahre. Die Landung auf einem Planeten erfordert allerdings offenbar, dass sich das Teilchen an ein größeres (Meteorit) anlagert oder immer im Planetenschatten bleibt, was kaum möglich ist. Die UV- und Teilchenstrahlungen sind die größte Schwierigkeit für die Panspermie-Theorie. 12.1.3 Strahlungs- und Gasdruck Man schätzt die Temperatur im Sonneninnern aus der Bilanz von Gravitations- und gaskinetischem Druck und aus der Ausbeute der
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Fusionsreaktion auf etwa 107 K (vgl. Aufgaben 5.2.6, 5.2.7). Ein Fingerhut voll Sonnenkernmaterie übt nahebei einen Strahlungsdruck c−1 σT 4 ≈ 1012 N/m2 = 107 bar aus, würde also noch in etwa 1 km Abstand jeden Menschen umblasen (wenn beide nicht sofort verdampften). Trotzdem ist der gaskinetische Druck noch höher: Man schätzt die Dichte auf etwa 100 g/cm3 , also pkin = nkT ≈ 1016 N/m2 . Erst bei etwa 108 K holt der Strahlungsdruck den gaskinetischen ein. Bei der Kernspaltung macht jedes gespaltene Teilchen etwa 200 MeV frei, die sich zunächst auf die beiden Fragmente und einige Spaltneutronen verteilen. Ohne weitere Dissipation entspräche diese kinetische Energie einer Temperatur zwischen 1012 und 1013 K. In Wirklichkeit kommt es längst nicht zu so hohen Temperaturen, aber da eine U-Bombe die Fusion einer H-Bombe zünden kann, was mehr als 108 K voraussetzt, wird der Strahlungsdruck hier wesentlich. 12.1.4 Compton-Effekt Die K α -Linie von Blei entspricht dem Übergang von der zweitinnersten auf die innerste Bahn um einen Kern mit der Effektivladung 81, hat also die Frequenz ν = 34 R∞ 812 = 1,5 · 1019 Hz und die Wellenlänge 0,2 Å. Die maximale λ-Änderung (Rückstreuung) ist also 5%. Halbquantitativ lässt sie sich schon durch Absorption nachweisen. Man nehme einen Stoff, dessen K -Absorptionskante ν = R∞ (Z − 1)2 im interessierenden Bereich liegt, d. h. Tm, Yb oder Lu. Er absorbiert das direkte Röntgenlicht viel weniger als das Streulicht. Quantitative Messung gelingt z. B. mit einem Vakuum-Drehkristall-Spektrographen nach Bragg. Ein Kristallgitter mit der Gitterkonstante d ≈ 1 Å streut die um 5% veränderte Wellenlänge erst, wenn man auch den Einfallswinkel ϑ um etwa 5% ändert (sin ϑ = λ/(2d)). 12.1.5 Seldowitsch-Sunjajew-Effekt Der Energiesatz lautet h(ν − ν ) = 12 m(v2 − v2 ) = 12 m(v + v)(v − v). Angenommen, das Photon fliege weiter. Dann sagt der Impulssatz h(ν − ν )/c = m(v − v). Division liefert das absurde Ergebnis v + v = 2c. Also prallt immer das Photon zurück, und der Impulssatz sagt h(ν + ν )/c = m(v − v). Jetzt folgt (ν − ν )/(ν + ν ) = 12 (v + v )/c. Da v c, ist ∆ν ν, also ∆ν/ν = (v + v )/c. Bei v = 0 findet man (12.6) wieder (∆λ = −c∆ν/ν2 ), bei ∆v v folgt ∆ν/ν ≈ 2v/c; dies gilt für E γ2 m e c2 E e , also bestimmt für 3 K-Photonen. 106 K-Elektronen haben v ≈ 107 m/s, also wird ∆ν/ν ≈ 0,1. 12.1.6 Mößbauer-Effekt Die Breite ∆ω einer Spektrallinie ist etwa gleich der Dämpfungskonstante der entsprechenden Schwingung (klassisch gesprochen) bzw. der Übergangswahrscheinlichkeit zwischen den entsprechenden Zuständen (quantenmechanisch gesprochen), jedenfalls gleich der reziproken Lebensdauer des angeregten Zustandes. Für eine schwingende Ladung liefert die Hertz-Theorie (Abschn. 7.7.6) eine Energieverlustrate −3 P ≈ e2 ω4 a2 ε−1 0 c . Die Energie des schwingenden Zustandes kann, etwas inkonsequenterweise, E = hω angesetzt werden (mit dem rein
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klassischen Ansatz E = 12 mω2 a2 käme eine ganz falsche Abhängigkeit heraus; probieren Sie es aus!). Die Lebensdauer des angeregten Zustandes ist τ = E/P ≈ hε0 c3 e−2 ω−3 a−2 , die relative Breite der Linie ∆ω/ω = 1/(τω) ≈ ω2 e2 a2 /(hc3 ε0 ) = E 2 e2 a2 /(h 3 c3 ε0 ). Für die Amplitude (bzw. den für das Dipolmoment maßgebenden Abstand) a kann man in der Atomhülle etwa 1 Å setzen, im Kern dessen Radius von 10−13 –10−12 cm. Für sehr energiereiche γ -Übergänge folgt E der nach dem Coulomb-Gesetz zu erwartenden Abhängigkeit E ∼ 1/a. Solche Linien sind ungefähr ebensobreit wie optische Linien. Die Überschärfe der Mößbauer-Linien kommt erst bei kleineren γ -Energien, etwa bei 1–10 keV, zur Geltung. Sie sind nach unserer Theorie etwa 105 -mal schärfer. All dies gilt für Dipol-Übergänge. Wenn sie durch Auswahlregeln verboten sind, erlaubt das komplizierte Kraftfeld des Kerns viel reichere Möglichkeiten an Quadrupol-, Oktopol- usw. -Übergängen als das Coulomb-Feld der Atomhülle. Sie haben i. Allg. kleinere Übergangswahrscheinlichkeiten, sind also noch schärfer. Im Kern sind die Teilchen gegen die übliche Druckverbreiterung geschützt. Die Doppler-Verbreiterung kann beim Mößbauer-Effekt durch besondere Tricks vermieden werden. 12.2.1 De Broglie-Wellenlängen Die de Broglie-Wellenlänge √ wird nach λ = h/ p berechnet, und der Impuls wird aus m = mv oder p = 2m E berechnet. Bei Raumtemperatur wird die Energie E = kB (T = 300 K) eingesetzt. Bei Raumtemperatur sind alle Wellenpakete kleiner als die Objekte selbst. 12.2.2 Düker-Möllenstedt-Versuch Entscheidend ist das Ergebnis von Aufgabe 6.1.9, wonach der Ablenkwinkel eines Elektrons nicht von dem Abstand abhängt, in dem es den geladenen Draht passiert. Der Draht wirkt wie ein Biprisma. Eine Elektronenquelle von 50 nm Durchmesser, wie Düker und Möllenstedt sie verwendeten, kann gegenüber allen übrigen Abmessungen als Punktquelle betrachtet werden, von der die Elektronen nach allen Richtungen ausgehen. Wären in Abb. 10.81 die Abstände Quelle–Draht (Q D) und Draht–Film gleich, d. h. s = 2b, dann entstünde, wie man leicht überlegt, überhaupt kein Gangunterschied: Zwei Elektronenstrahlen, die sich wieder auf dem Film vereinigen, umschlössen immer einen Rhombus. Erst dank des Unterschiedes s − 2b kommt ein Gangunterschied zustande. Er folgt aus elementarer, aber ziemlich umständlicher Geometrie zu ∆ = αx(s − 2b)/s, wobei x der Abstand von der Geraden Q D, auf dem Film gemessen, und α der Ablenkwinkel ist. Der Abstand x heller Streifen entspricht ∆ = λ, also x = λs/(α(s − 2b)). 1 eV-Elektronen haben λ = 1,2 nm. Für s = 3b folgt dann α = 3,6 · 10−3 . Nach Aufgabe 6.1.9 ist α = e /(4ε0 W ) ( : Ladung/m Drahtlänge, W: Elektronenenergie), also = 1,3 · 10−13 C/m. Die Spannung zwischen Draht und Rest der Apparatur braucht nur 26 mV zu sein. Bei gegebenem Streifenabstand ist λ ∼ W −1/2 . Da α ∼ /W, müssen und U wie W 1/2 zunehmen. Für 10 keV-Elektronen braucht man nur U = 2,6 V oder noch weniger, wenn man α kleiner, also den Streifenabstand größer machen will.
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12.2.3 Neutronenbeugung Für Kristallbeugungsbilder braucht man Wellenlängen, die ähnlich sind wie die Gitterkonstante oder kleiner, d. h. zwischen 0,1 und 1 Å. Neutronen haben solche Wellenlängen bei W = h 2 /(2mλ2 ) ≈ 10−20 bis 10−18 J, d. h. 0,06 bis 6 eV oder 2 bis 200 kT (überthermische Neutronen). Neutronen kann man nicht bündeln, nur durch Ausblenden parallel machen, was ungeheure Verluste bringt. Daher braucht man die hohen Flussdichten, die aus einem Reaktor kommen. Als Blendenmaterial ist Cd mit seinem hohen Neutronen-Absorptionsquerschnitt günstig. Bei der Laue-Methode braucht man keine streng monochromatischen Neutronen, ebenso wenig wie mit Röntgenlicht. Um nach Debye-Scherrer mit mikrokristallinen Proben arbeiten zu können, monochromatisiert man mechanisch, z. B. durch zwei Zahnräder (Abb. 5.23). 12.2.4 Wellenpaket Eine fortschreitende harmonische Welle hat im Zeitmittel überall die gleiche Amplitude, das entsprechende Teilchen kann also überall mit gleicher Wahrscheinlichkeit sein. Zwei Wellen mit λ1 und λ2 und gleichen Phasengeschwindigkeiten bilden eine Folge von Schwebungsmaxima im Abstand −1 ∆x = λ−1 1 − λ2 . Fügt man Wellen mit dazwischenliegendem λ ein, dann bilden sie Schwebungsmaxima, die an anderen Stellen liegen, bis auf das eine Maximum, wo sich alle Teilwellen verstärken. Zum Schluss bleibt da−1 her nur dieses eine Maximum erhalten. Nur im Bereich ∆x ≈ λ−1 1 − λ2 ist eine merkliche Amplitude vorhanden, nur dort kann das Teilchen sein. Der Wellenlängenbereich λ1 , λ2 entspricht nach de Broglie einem Impulsbereich p1 = h/λ1 , p2 = h/λ2 , also ergibt sich die Unbestimmtheitsrelation ∆ p∆x ≈ h zwischen ∆ p und ∆x. 12.2.5 Makroskopische Unbestimmtheit Die Orte von Stein (1 cm, 1 g), Sandkorn (0,1 mm, 10−6 g) und Bakterium (1 µm, 10−12 g) seien anfangs auf 1 µm genau festgelegt und die Objekte, so gut es geht, zur Ruhe gebracht. Dann ist die Geschwindigkeitsunschärfe ∆v ≈ h/(m∆x) ≈ 6 · 10−28 m/s für den Stein, 6 · 10−22 m/s für das Sandkorn, 6 · 10−16 m/s für das Bakterium. Nach einem Tag sind die entsprechenden Verschiebungen alle unmessbar, nach 30 Jahren nähert sich die des Bakteriums dem mikroskopisch Sichtbaren (0,6 µm), in einem Weltalter sind sie 0,2 nm, 0,2 mm, 20 m, also sogar für das Sandkorn deutlich. 12.2.6 Unbestimmtheitsrelation Ein Teilchen, dessen Ort mit einem Höchstfehler d festgelegt ist, hat einen Mindestimpuls p ≈ h/d, eine Mindestenergie p2 /(2m) ≈ h 2 /(2md 2 ). Das ist die Nullpunktsenergie des quantenmechanischen Teilchens, die nicht unterschritten werden kann und die für viele klassisch unverständliche Effekte, vom Einfrieren thermischer Freiheitsgrade bis zum Planck-Gesetz, verantwortlich ist. Die Absenkung der Nullpunktsenergie bei Erweiterung des Kastens (Vergrößerung von d) ermöglicht die chemische Bindung. – In der Winkelangabe eines drehbaren Objekts kann man höchstens einen
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Fehler 2π machen. Daher sind Drehimpulse um h/(2π) = h unscharf, anders ausgedrückt: Jeder Drehimpulszustand beansprucht einen Bereich h, zwei solche Zustände müssen sich im Drehimpuls um h unterscheiden. Das ist das bohrsche Postulat, aus dem die Theorie des H-Atoms folgt. – Die Energie eines Systems mit der Lebensdauer ∆t ist nur auf ∆W ≈ h/∆t genau festgelegt. Genauso hängt die Lebensdauer eines Atoms oder Kerns mit der Breite seiner optischen oder γ -Spektrallinien zusammen. Im Fall der Atomhülle wird diese Lebensdauer nur selten durch den Dämpfungsprozess bestimmt, der der Strahlung inhärent ist, sondern meist durch Stöße mit anderen Teilchen (Stoßverbreiterung). Kerne sind davor weitgehend geschützt, und daher haben Mößbauer-Linien ihre außerordentliche Schärfe. Im Festkörper verbreitern sich die scharfen Energiezustände der Atome zu Energiebändern, weil die Elektronen von Atom zu Atom tunneln können. Der Tunneleffekt selbst ist auch eine Folge der Unbestimmtheitsrelation: Wenn ein Teilchen sich genügend beeilt, darf es sogar ein Gebiet durchqueren, wo die potentielle Energie höher ist als die Teilchenenergie. Der Austausch virtueller Teilchen, der die Wechselwirkungen vermittelt, funktioniert ähnlich. Kein Gebiet der modernen Physik bleibt unberührt von der Unbestimmtheitsrelation. 12.3.1 Strahlungsdämpfung Die klassische Elektrodynamik zeigt, dass eine schwingende Ladung eine −3 abstrahlt (Abschn. 7.7.6). Diese Verlustrate Leistung P ≈ e2 ω4 a2 ε−1 0 c ist immer proportional zur jeweils vorhandenen Energie E = 12 mω2 a2 . Demnach klingt die Energie des Schwingers exponentiell mit der Zeitkonstante τ = E/P ≈ mε0 c3 e−2 ω−2 ab, die Amplitude ebenfalls, nur mit einer doppelt so großen Zeitkonstante (E ∼ a2 ). Die Schwingung folgt also der üblichen Darstellung der gedämpften Schwingung (Abschn. 4.1.2). 12.3.2 Doppler-Breite Wenn ein Atom beim Strahlen mit der Geschwindigkeit v auf den Beobachter zu- oder von ihm wegfliegt, ist seine Frequenz relativ um v/c verschoben. Im heißen Gas kommen alle Werte der Radialgeschwindig√ keit vor; die Breite der Glockenkurve umv = 0 ist v = 3kT/m. So ergibt sich die Doppler-Linienbreite ∆ν/ν ≈ 3kT/(mc2 ) (Wurzel aus thermischer Energie/Massenenergie des Atoms). Mit mc2 = einige GeV und 104 K erhält man sofort z. B. für die Doppler-Breite der Sonnen1 eV≈ linien ∆ν/ν ≈ 10−4 –10−5 . Schon bei 1 K ist die Doppler-Breite i. Allg. größer als die natürliche Breite. Die Druckverbreiterung rührt her vom Abschneiden der kohärenten Emissions-Wellenzüge durch Stoß mit einem anderen √ Teilchen. Die Linienbreite ∆ω ist gleich der Stoßfrequenz v/l = vn A ≈ 3kT/mn A. Sie verhält sich zur Doppler-Breite wie cn A/ω oder wie die Lichtwellenlänge zur mittleren freien Weglänge. Unterhalb von 1 bar Gasdruck überwiegt daher i. Allg. die Doppler-Breite, oberhalb die Druckbreite.
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12.3.3 Leuchtdauer Man verwendet ein sehr enges Loch in der Kathode und pumpt dahinter stark ab, damit dort keine Neuanregung erfolgt. H-Ionen, die nahe der Anode entstanden sind und dann stoßfrei fast bis zur Kathode kommen, wo sie ein Elektron einfangen, haben die volle der √ Anodenspannung entsprechende 30 keV-Energie. Sie fliegen mit v = 2eU/m = 2,5106 m/s. Die Abklingzeit entspricht 1 cm Flugweg, ist also 4 · 10−9 s. In Wirklichkeit haben die meisten H-Atome nicht die vollen 30 keV, und die Lebensdauer ist etwas größer. 12.3.4 Anregungsfrequenz Wir betrachten z. B. einen ,,grünen“ Übergang (500 nm), der einer Energie von E = 2,5 eV entspricht. Das sind 30kT bei 1 000 K, 15kT bei 2 000 K, 5kT bei 6 000 K. Der Bruchteil angeregter Atome ist n ∗ /n 0 = e−E/(kT ) , also 10−13 , 3 · 10−7 bzw. 7 · 10−3 . Bei der Lebensdauer des angeregten Zustandes von 10−8 s muss jedes Atom dann alle 105 , 3 · 10−2 , 10−6 Sekunden angeregt werden und wieder emittieren. Ein Elektronenumlauf im Rutherford-Bohr-Modell dauert etwa 10−15 s. Es ist also, als würde z. B. die Erde alle 1020 , 3 · 1013 bzw. 109 Jahre in die Marsbahn geschleudert und käme nach etwa 107 Jahren wieder herunter. Wir können nur sagen, dass so etwas die letzten 5 · 109 Jahre mit Sicherheit nicht passiert ist, dass aber, wenn man die Entstehung der Erde als noch größeres Ereignis ansieht, selbst im Hochofen noch wesentlich weniger los ist als im Sonnensystem. Man beachte: Diese Betrachtung beweist nicht etwa, dass die Strahlungsleistung eines makroskopischen Körpers entgegen dem StefanBoltzmann-Gesetz wie e−E/(kT ) mit T anstiege. Das Wechselspiel von Emission und Reabsorption für die vielen Frequenzen, deren ein schwarzer Körper fähig ist, führt nach der einsteinschen Ableitung auch im atomaren Bild zur Planck-Kurve und damit zu Stefan-Boltzmann. 12.3.5 Linienbreite Außer dem Energiesatz müsste auch der Impulssatz erfüllt sein. Das Photon hat die Energie E = hν und den Impuls p = h/λ = E/c, wie jedes hochrelativistische Teilchen. Es kann also keinen Photon-Atom-Stoß geben, bei dem die ganze Photonenenergie in kinetische Energie des Atoms überginge (keinen elastischen Stoß), denn dazu müsste das Atom ebenfalls genau mit c davonfliegen, wozu die Photonenenergie natürlich nicht reicht. Nun möge eine Anregungsenergie E etwas tiefer als E liegen. Die Differenz E − E soll in kinetische Energie übergehen: E − E = 12 mv2 . Gleichzeitig lautet der Impulssatz E/c = mv. Es folgt E − E = 12 E 2 /(mc2 ). Da mc2 , die Ruhenergie des Atoms, einige GeV beträgt, erlaubt dies bei optischen Übergängen (einige eV) nur relative Abweichungen von etwa 10−9 von der scharfen Übergangsenergie. Übrigens entspricht dies genau der DopplerVerstimmung: E − E = h(ν − ν ) = hν v/c = Ev/c = E 2 /(mc2 ). Es ist hier wie oft schwer, Ursache und Wirkung zu trennen: Kann das Atom unscharf absorbieren, weil es sich bewegt, oder bewegt es sich, weil es absorbiert hat? Wohl aber kann das Atom dem Photon einen Teil von des-
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sen Energie entziehen, der gerade einem bestimmten Übergang entspricht. Das Photon fliegt dann mit veränderter Frequenz weiter: Raman-Effekt. 12.3.6 Spontane Elektronenemission? Spontane Emission eines Elektrons aus einem Atom wäre energetisch u. U. möglich, indem z. B. zwei gleichzeitig bestehende Anregungszustände ihre Energien auf ein Elektron vereinigen, oder indem ein energiereicher Übergang in einer inneren Schale unter Vermittlung durch ein Röntgen-Photon eines oder mehrere Außenelektronen abreißt (innere Konversion von Röntgenstrahlung, Auger-Effekt). Mehrfachanregung ist aber selbst bei Sonnentemperatur äußerst unwahrscheinlich (vgl. Aufgabe 12.3.4), und die Energieübertragung von einer oder mehreren Anregungsenergien wird üblicherweise durch Emission und Reabsorption eines Photons beschrieben, nicht aber als völlig ,,spontane“ Elektronenemission. Man bedenke, dass die moderne Theorie überhaupt jede Coulomb-Wechselwirkung durch Photonenaustausch beschreibt. 12.5.1 Fusionsbedingung Man kann so tun (vgl. Aufgabe 17.3.3), als wirke die maximale CoulombKraft e2 /(4πε0 a2 ) voll auf der Flugstrecke 2a, also während der Zeit 2a/v. Impulsübertragung ∆ p = e2 /(2πε0 av). Dieser Wert ∆ p hat nur dann einen Sinn, wenn ∆ p größer ist als die Impulsunschärfe, die aus der Festlegung des Teilchenorts mit einer Genauigkeit ∆x ≈ a resultiert, denn sonst weiß niemand, in welchem Abstand das Teilchen wirklich vorbeifliegt, d. h. wie groß ∆ p ist. Es muss also sein ∆ p h/a, d. h. e4 /(4π 2 ε20 mv2 )
h 2 /m, oder E m p e4 /(8π 2 ε20 h 2 ) = E 0 . Nur für solche Energien bleibt der Stoß rein klassisch. Für höhere Energien ist mit dem Einfang in einen quantenmechanisch gebundenen Zustand zu rechnen. E 0 ist ja im Fall des Elektrons auch praktisch die Energie des H-Grundzustandes. Für zwei Protonen wird E 0 ≈ 1 keV, d. h. E 0 = kTfus mit Tfus ≈ 107 K. 12.5.2 Fusionstemperatur Hier ist wieder W0 aus Aufgabe 12.5.1 maßgebend. Für E E 0 können die Protonen auch bei zentralem Stoß einander nicht so nahe kommen, dass Quanteneffekte, speziell Tunneln durch den Coulomb-Wall möglich 2 werden. Sie kommen √ nämlich auf a = e /(4πε0 E) aneinander heran mit − p= einem √ Impuls p = 2m E, d. h. einer de Broglie-Wellenlänge4λ = h/ − h/ 2m E. Tunneln ist möglich bei a λ, d. h. wieder E me /(2ε20 h 2 ). 12.6.1 Funktionen als Vektoren Für die Funktionenmenge f n = einx mit ganzzahligem n folgt sofort f n∗ · 2π f m = 0 ei(m−n)x dx = 2πδmn (Kronecker-Symbol δmn = 1 für m = n, sonst 0). Die f n bilden ein Orthogonalsystem, die Funktionen (2π)−1/2 f n sind sogar orthonormal. Nun betrachten wir gn = cos nx = 12 ( f n + f n∗ ), h n = sin nx = 12 ( f n − f n∗ )/i. Also gn∗ · gm = 14 ( f n∗ · f m + f n · f m∗ + f n · f m + f n∗ · f m∗ ) .
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Da f n · f m = 0, außer bei n = m = 0, wo es 1 ist, folgt gn∗ · gm = 0 für n = m, π für n = m = 0, 2π für n = m = 0. Analog h ∗n · h m = 0 für n = m, π für n = m = 0, 0 für n = m = 0. h ∗n · gm immer 0, auch bei n = m. All dies kann man natürlich auch durch direktes Ausintegrieren finden, am 1 cos besten mittels der Beziehungen cos sin nx sin mx = ± 2 (cos(m + n)x ± cos(m − 1 n)x), sin mx cos nx = 2 (sin(m + n)x + sin(m − n)x), die ein vernünftiger Mensch nicht auswendig weiß, sondern wieder aus der e-Darstellung entnimmt. Erweiterung des Definitionsbereichs auf (0, 4π) bewirkt, dass man auch halbzahlige n und m ins Orthogonalsystem aufnehmen kann. Bei Extrapolation auf (−∞, ∞) sind alle eikx mit beliebig reellem k orthogonal. 12.6.2 Orthogonalität I Die Fourier-Entwicklung einer Funktion ϕ(x) mit der Periode 2π schreibt c f , wobei cn = f n∗ · ϕ(x). Üblicherweise entwickelt sich ϕ(x) = +∞ −∞ n n cos man nach f n = sin nx, oder einfacher f n = (2π)−1/2 einx . Für jedes andere orthonormale Funktionensystem f n hat aber die Entwicklung genau dieselbe Form, denn ihre Gültigkeit hängt nur von f n∗ · f m = δmn ab. Setzt man nämlich den Ausdruck für cn in die Entwicklung ein, fallen dank dieser Tatsache alle Glieder außer m = n weg. Die Entwicklung nach einem nichtorthogonalen System ist auch möglich, aber viel komplizierter, denn die Produkte f n∗ · f m = pnm bilden dann keine Einheitsmatrix δnm mehr. Wenn das System f n vollständig ist, kann man die Reihenentwicklung von ϕ(x) noch schreiben, aber die cn ergeben sich erst durch Auflösen des unendlichen linearen Gleichungssystems f n∗ · ϕ = +∞ m=−∞ cm pnm . Beim Fourier-Integral liegen die Verhältnisse analog. 12.6.3 Lineare Unabhängigkeit Vektoren ai sind linear abhängig, wenn es Zahlen ci gibt, sodass ci ai = 0, ohne dass die ci alle 0 sind. Die ai seien Eigenvektoren von A, also Aai = λi ai . Wären sie linear abhängig, n−1 könnte man einen, z. B. an , ci ai . Wir wenden A hierauf aus den anderen kombinieren: an = i=1 n−1 an: Aan = λn an = λn n−1 c a = c λ i i i i ai . Die Differenz der beiden 1 1 c (λ − λ )a = 0 zeigt, dass schon die übrigen letzten Ausdrücke n−1 i n i i 1 n − 1 Eigenvektoren linear abhängig sein müssten. So kann man einen Vektor nach dem anderen herausnehmen, und die übrigen müssten linear abhängig sein, sogar der allerletzte ganz allein, was absurd ist: Das ganze System der ai ist linear unabhängig, es spannt den ganzen n-dimensionalen Raum auf: Man kann jeden beliebigen Vektor aus ihnen kombinieren. 12.6.4 Orthogonalität II Einesymmetrische Matrix hataik =aki . Die Skalarprodukte Ax · y = i k aik xk yi und x · Ay = i xi k aik yk sind dann beide gleich. Nun seien x und y Eigenvektoren von A zu verschiedenen Eigenwerten: Ax = λx und Ay = µy. Auch hier ist Ax · y = x · Ay, also λx · y = µx · y. Da λ = µ, ist das nur möglich, wenn x · y = 0: Die Eigenvektoren stehen senkrecht aufeinander.
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12.6.5 Hermitesche Operatoren Wir betrachten fünf Operatoren: A1 f = f + a, A2 f = a f , A3 f = x f , A4 f = ∂ f/∂x, A5 f = K(x, y) f(x) dx. Sinngemäß ist unter A∗ die Addition oder Multiplikation mit dem konjugiert Komplexen zu verstehen. Ein Operator ist linear, wenn A( f + g) = A f + Ag. Für A1 trifft das nicht zu, denn rechts würde sich die Konstante a zweimal addieren, links nur einmal. Die anderen Operatoren sind linear. A1 ist auch nicht hermitesch, denn A∗ f ∗ · g = f ∗ · g + a∗ g, aber f ∗ · Ag = f ∗ g + af ∗ . A2 ist hermitesch, wenn a reell. Für A4 betrachten wir den Ausdruck f ∗ g dx. Das ist ein bestimmtes Integral und hat einen festen Wert, seine Ableitung nach x ist also 0: ( f ∗ ∂g/∂x + g∂ f ∗ /∂x) dx = 0. Das sieht fast aus wie die Definitionsgleichung eines hermiteschen Operators, wenn nur das Vorzeichen in der Mitte anders wäre. Das Vorzeichen ändert sich beim ,,Überwälzen“ des Operators, d. h. beim Übergang zum konjugiert Komplexen, wenn ein i davorsteht: A = i∂/∂x ist hermitesch. Der Integraloperator A5 ist hermitesch, wenn der ,,Kern“ K(x, y) reell und symmetrisch ist, d. h. K(x, y) = K(y, x) oder wenn K komplex ist und K(x, y) = K ∗ (y, x). Das ergibt sich, wenn man die Bedingung für hermiteschen Charakter hinschreibt und die Beziehung der Variablen beachtet. Eigenfunktionen von A1 sind alle konstanten Funktionen, von A2 alle Funktionen, von A3 die δ-Funktionen, von A4 die e-Funktionen; für A5 sind keine allgemeinen Aussagen möglich, denn jeder Operator lässt sich als Integraloperator darstellen. 12.6.6 Entwicklung nach Eigenfunktionen A sei hermitesch, habe also orthogonale Eigenfunktionen f k , die außerdem vollständig sein sollen. Dann lässt sich jede Funktion ϕ entwickeln wie ϕ = ck f k mit ck = f k∗ · ϕ. Durch Angabe der ck ist ϕ vollständig gekennzeichnet. Diese Darstellung ist dieselbe wie für einen Vektor x (z. B.im dreidimensionalen Raum) mittels der Basisvektoren a1 , a2 , a3 : x = ck ak mit ck = ak · x. Auch diese Darstellung wird nur so einfach bei orthonormaler Basis; andernfalls wäre sie genau analog zu Aufgabe 12.6.2. Auch in Komponentendarstellung sind die Skalarprodukte vonFunk ∗ ·ϕ = c f · d f = ck dk , tionen und Vektoren völlig analog: ψ k k l l xk yk . Wenn die f k oder ak schiefwinklig sind, x · y = xk ak · y l al = f k · fl alle Produkte stehen, nicht nur die diableiben in ψ ∗ · ϕ = k,l ck dl gonalen. Aϕ = A ck f k = ck ak f k , wo ak der Eigenwert zu f k ist. Die Funktion Aϕ hat die Entwicklungskoeffizienten ck ak . Multiplikation mit A anderes Orthogoheißt Skalarmultiplikation mit dem Vektor der ak . Für ein ∗ nalsystem gk gilt die Entwicklung ϕ = dk g k , dk = gk · ϕ. Wir entwickeln speziell die Eigenfunktionen f k von A: f k = l bkl gl . Die Matrix bkl charakterisiert den Übergang von den f k zu den gk : Wenn die Funktion ϕ in den Vektor ck hat, ergibt sich in der gk -Darstellung der der f k -Darstellung Vektor di = bik ck . 12.6.7 Eigenwertbestimmung (1) Die Eigenwertgleichung Ax = λx lässt sich auch schreiben Ax − λx = (A − λU)x = 0. Eine solche linear homogene Gleichung für x hat nur dann eine Lösung x = 0, wenn ihre Determinante verschwindet:
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A− λU = 0. Für eine n × n-Matrix A ist das eine Gleichung n-ten Grades in λ. Sie hat nach dem Fundamentalsatz der Algebra genau n Lösungen, von denen allerdings einige komplex sein können. Diese Lösungen sind die Eigenwerte. A − λU unterscheidet sich von A dadurch, dass von allen Diagonalgliedern λ abgezogen ist. Die übliche Form der Gleichung n-ten Grades lautet so: Sn − Sn−1 λ + · · · + (−1)n−1 S1 λn−1 + (−1)n S0 λn = 0. Dabei ist Sν die ,,Spur ν-ter Ordnung“ von A, d. h. die Summe aller zur Hauptdiagonale symmetrisch liegenden Unterdeterminanten ν-ter Ordnung. Speziell S0 = 1, S1 = aii , Sn = A. Praktisch ist die Aufstellung der Gleichung n-ten Grades n nicht so schwierig wie ihre Lösung. Für Spezialfälle gibt es Abkürzungsverfahren. , der Betrag |x | = λ (2) Es sei Axi = xi+1 i+1 , also xi+1 = λi+1 xi+1 , i+1 wo xi+1 normiert ist. Wenn sich xi und damit λi bei der erneuten Anwendung von A nicht mehr wesentlich ändern, kann man näherungsweise den Index weglassen und erhält die Eigenwertgleichung Ax = λx. Hat man einen Eigenwert, kann man die Ordnung der Matrix um 1 reduzieren und die anderen Eigenwerte nach dem gleichen Verfahren bestimmen. Auf dem Papier ist die Multiplikation Ax von tödlicher Kompliziertheit, Computer machen sich nichts daraus und finden Methode 2 viel einfacher als 1. 12.6.8 Hilbert-Raum Die betrachtete Funktionenmenge muss quadratisch integrierbar sein, d. h. das Skalarprodukt f ∗ · g = f ∗ g dx muss für jede Kombination f, g einen vernünftigen Wert haben. Der Nachweis, dass eine solche Funktionenmenge existiert und sich angeben lässt, ist allerdings ein erhebliches mathematisches Problem. Dann aber sind die angegebenen Axiome des Vektorraums alle erfüllt, wie man durch Hinschreiben sieht. Dabei ist gleichgültig, ob man die Menge aller Funktionen mit der Periode 2π oder die Menge aller ,,vernünftigen“ Funktionen überhaupt betrachtet; das beeinflusst nur den Integrationsbereich. Im ersten Fall zeigt die FourierEntwicklung, dass dieser Raum unendlich viele, aber abzählbar viele Dimensionen hat, denn so viele Basisfunktionen braucht man, um jede beliebige Funktion darstellen zu können. 12.6.9 Operator der Standard-Abweichung Wir betrachten den Operator A2 . Seine Eigenwerte sind die Quadrate der Eigenwerte von A, denn A2 f = AA f = Aa f = a2 f , sein Mittelwert in einem Zustand ϕ ist der Mittelwert der Größe a2 . Für jeden Zustand, der kein Eigenzustand von A ist, ist a2 verschieden von a2 . Der Unterschied ist gerade das mittlere Schwankungsquadrat, die Wurzel aus diesem ist die Streuung. Der Operator des Schwankungsquadrats heißt (A − a)2 , denn Ausmultiplizieren liefert den Operator A2 − 2a A+ a2 , der den Mittelwert a2 − a2 hat. (Allerdings bezieht sich dieser Operator eigentlich nur auf Zustände, die den gleichen Mittelwert a haben.) Der Operator der Streuung ist aber nicht etwa A − a, denn dessen Mittelwert wäre immer 0. Das Wurzelziehen aus Operatoren ist nicht ohne weiteres erlaubt.
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12.6.10 Unbestimmtheitsrelation F(α) ist als Betragsquadrat einer Funktion Dψ immer positiv. Wir multiplizieren aus: F(α) = (A∗ − iαB)ψ ∗ · (A + iαB)ψ = A∗ ψ ∗ · Aψ − iαB∗ ψ ∗ · Aψ + iα A∗ ψ ∗ · Bψ + α2 B∗ ψ ∗· Bψ = ψ ∗ · A2 ψ − iα(ψ ∗ · BAψ − ψ ∗ · ABψ) + α2 ψ ∗· Bψ = A2 + iα(AB − BA) + α2 B 2 = A2 + αC + α2 B 2 = 0 . A2 und B 2 sind ebenfalls immer positiv. Die Funktion F(α) hat ein Minimum bei ∂F/∂α = C + 2αB 2 = 0, also α = −C/(2B 2 ). Dort hat F(α) den 2 Wert A2 − C /(4B 2 ), der also auch noch positiv sein muss. Daraus folgt 2 die gesuchte Beziehung C 4A2 B 2 . Dass das Extremum bei ∂F/∂α = 0 ein Minimum ist, ergibt sich aus ∂ 2 F/∂α2 = 2B 2 0. – Physikalische Nutzanwendung: A und B seien Operatoren für die Größen a und b, die für den betrachteten Zustand ψ die Mittelwerte 0 haben (das ist keine Beschränkung der Allgemeinheit, denn andernfalls brauchte man nur den Nullpunkt der betreffenden Größe zu verschieben). Dann sind A2 = (∆a)2 und B 2 = (∆b)2 die Schwankungsquadrate von a und b. Ihr Produkt ist immer größer als der Mittelwert des Minuskommutators C. Wenn A und B vertauschbar sind, ist C = 0, und die Schwankungen von a und b können gleichzeitig verschwinden. Wenn aber, wie im Fall von Koordinate x und Impuls px , oder Zeit t und Energie W, der Minuskommutator alle Zustände zu Eigenzuständen hat, und zwar immer mit dem Eigenwert h, ergibt sich die Unbestimmtheitsrelation ∆a∆b h/2. 12.6.11 Teilchen = Welle Typisch für Wellen sind ihre Überlagerungseigenschaften. Teilwellen addieren sich zu einem Gesamtvorgang, umgekehrt lässt sich jeder Vorgang in Teilwellen zerlegen. Dabei hat man ziemliche Freiheit (Fourier-Analyse und -Synthese, Aufgabe 10.1.14). Typisch ist auch, dass diese Addition vielfach auf eine Subtraktion hinausläuft, weil die Amplitude beide Vorzeichen haben kann. Eine Größe, die sich so verhält, kann offenbar keine Teilchendichte oder keine Wahrscheinlichkeit darstellen, denn beide sind positiv definit. Wellen- und Teilcheninterferenz werden erst dadurch möglich, dass sich die Teilamplituden bzw. Teil-ψ überlagern und dann erst zur Intensität quadrieren. Würden sich immer die Dichten, Auftreffwahrscheinlichkeiten usw. überlagern, käme z. B. beim Doppelspaltversuch (Aufgabe 10.1.17) einfach die Summe der beiden Teilbilder heraus, und auch im Bild des Einzelspalts gäbe es keine Interferenzstreifen. Ob die Wellen harmonisch sind wie die Impuls-Eigenfunktionen, ist nicht ausschlaggebend. Dass die ψ-Funktion komplex ist, würde ihre direkte physikalische Deutung noch nicht beeinträchtigen, denn aus rechnerischen Gründen setzt man ja Wechselstromgrößen und Amplituden auch komplex an. Der weitere Ausbau der Quantenmechanik zeigt allerdings, dass der
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komplexe Charakter hier keine reine Rechenhilfe, sondern ein wesentlicher Zug ist. 12.6.12 Vertauschbarkeit Ein scharfer Wert für a existiert nur in einem Eigenzustand von A, entsprechend für b. Wir setzen also voraus, alle Eigenfunktionen von A seien auch Eigenfunktionen von B und umgekehrt, und müssen zeigen, dass für jede Funktion ψ, auch wenn sie nicht Eigenfunktion ist, ABψ = BAψ gilt. ψ lässt sich nach gemeinsamen Eigenfunktionen ent wickeln: ψ = ck f k . Dann ist Aψ = ck ak f k , Bψ = ck bk f k , also BAψ = ck ak bk f k = ABψ. – Die Umkehrung gilt auch: A und B seien vertauschbar; wir wollen zeigen, dass sie dann auch gemeinsame Eigenfunktionen haben. Wenn f Eigenfunktion von A ist, also A f = a f , gilt auch BA f = aB f . Wegen der Vertauschbarkeit kann man auch sagen A(B f ) = a(B f ). Die Funktion g = B f ist also ebenfalls Eigenfunktion von A zum Eigenwert a. Wenn a nicht entartet ist, gehört zu ihm nur eine einzige Eigenfunktion. g und f können sich höchstens um einen Zahlenfaktor unterscheiden: g = c f . Da g = B f , bedeutet das aber, dass f auch Eigenfunktion von B ist, und zwar mit dem Eigenwert c. Im Fall eines entarteten Eigenwerts kommt man etwas umständlicher zum entsprechenden Ergebnis. 12.6.13 Impulsoperator Die Operatoren verschiedener Impulskomponenten, z. B. px = −ih∂/∂x und p y = −ih∂/∂y sind vertauschbar, denn bei einer vernünftigen Funktion ψ(x, y, z) kommt es auf die Reihenfolge der Ableitungen nicht an. Nach Aufgabe 12.6.2 gibt es also Zustände, in denen alle Komponenten scharfe Werte haben. Sonst könnte ja auch der Gesamtimpuls nicht scharf sein, ebenso wenig sein Betrag. p = −ih grad ist mit px vertauschbar (jeder Operator ist mit sich selbst vertauschbar). Das Quadrieren ändert nichts an der Vertauschbarkeit: Wenn AB = BA, folgt A2 B = ABA = BA2 . Also sind Impulskomponente und Impulsbetrag auch vertauschbar. 12.6.14 Drehimpuls I Siehe Lösung 12.6.15. 12.6.15 Drehimpuls II Der Operator der Impulskomponente px = −ih∂/∂x beschreibt, wie sich der Zustand bei einer x-Verschiebung verhält. Ändert er sich dabei nicht (bis auf die Phase), dann ist er Eigenzustand von px und hat scharfes festes px . Räumliche Homogenität bedeutet Impulserhaltung (Satz von Noether). Der Operator der Drehimpulskomponente L x beschreibt das Verhalten bei Drehung um die x-Achse. Ändert sich dabei nur die Phase, ist l x fest und scharf. Räumliche Isotropie bedeutet Drehimpulserhaltung. Wir setzen an L x = −ih∂/∂ϕ und drücken das in kartesischen Koordinaten aus. Wenn man um die x-Achse um dϕ dreht (in positivem Sinn, d. h. von der positiven y- zur positiven z-Achse hin mit ϕ = 0 auf der positiven y-Achse), nimmt z um dz = r dϕ cos ϕ = y dϕ zu, y nimmt
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um d y = −r dϕ sin ϕ = −z dϕ ab. Also gilt ∂/∂ϕ = y∂/∂z − z∂/∂y, d. h. L x = −ih(y∂/∂z − z∂/∂y). Das entspricht genau L = r × p. Für eine Eigenfunktion f von L x muss gelten −ih∂ f/∂ϕ = l x f , also f = f 0 eilx ϕ/h . Das sieht ganz analog zu einer px -Eigenfunktion aus, aber mit dem wesentlichen Unterschied, dass sich f hier in den Schwanz beißen muss: f(2π) = f(0), also l x = nh. Die einzigen scharfen Werte der x-Komponente des Drehimpulses sind Vielfache von h. Das ist das bohrsche Postulat, das zur Aufklärung des Wasserstoffspektrums und vieler Eigenschaften der Molekülspektren führte. Die zugehörigen Eigenfunktionen haben (n + 1)-zählige Symmetrie um die x-Achse; sie haben n + 1 identische ,,Blütenblätter“. Genau diese Struktur der Wellenfunktionen findet man im H-Atom (Abb. 13.4). Von den beiden übrigen Richtungen (r und x) kann f dabei noch beliebig abhängen. L x ist hermitesch wie jeder Operator der Form −ih∂/∂ (der Faktor i ist wesentlich). L x und L y sind nicht vertauschbar, weil sie nicht nur die Ableitungen, sondern auch die Koordinaten selbst enthalten. Der Minuskommutator ist L x L y − L y L x . Man multipliziere das aus, wobei man streng auf Vertauschbarkeit achtet, und erhält ih(x p y − y px ) = ih L z . Dies ist die z-Komponente von L × L = ih L. L2 = L2x + L2y + L2z ist mit L x vertauschbar. In L2 L x − L x L2 fällt L3x gleich weg. In L2y L x ziehe man L x schrittweise mittels L y L x = L x L y − ih L z nach vorn, entsprechend in L2z L x . Zum Schluss hebt sich alles weg. Ein Zustand mit scharfem l x hat also auch einen scharfen Gesamtdrehimpulsbetrag L. Bei l x = nh kann aber bestimmt nicht auch L = nh sein, denn das würde heißen, dass auch l y und l z scharfe Werte hätten, nämlich 0, was nicht möglich ist, weil die Operatoren der Komponenten nicht vertauschbar sind. Wie viel muss für l y und l z übrig bleiben? Eine Überlegung ähnlich Aufgabe 12.6.10, angewandt auf den Operator L y + iL z zeigt, dass (L y − iL z )(L y + iL z ) = L2y + L2z + i(L y L z − L z L y ) = L2y + L2z − h L x immer den Eigenwert 0 hat. Demnach hat L2 = L2x + L2y + L2z denselben Eigenwert wie L2x + h L x , nämlich n 2 h 2 + nh 2 = n(n + 1)h 2 . Der Operator der Rotationsenergie heißt nach klassischem Vorbild Wrot = L2 /(2J ) (J: Trägheitsmoment), seine Eigenwerte sind n(n + 1)h/(2J ). Das ist die Grundlage der Theorie der Bandenspektren. Zu dem gleichen Ergebnis kommt man auch rein analytisch mittels der Kugelfunktionen, aber diese Rechnungen sind noch unangenehmer als die Operatoralgebra. Ein Kreisel mit raumfester Achse, bei dem Wrot = n 2 h 2 /(2J ) wäre, ist quantenmechanisch unmöglich, da bei ihm l y und l z gleichzeitig verschwänden. Bei freier Achse muss man n 2 ersetzen durch n(n + 1). Das Zusatzglied ist die Nullpunktsenergie der beiden anderen Drehungskomponenten. 12.6.16 Standard-Abweichung Für eine Größe a mit dem Mittelwert 0 (notfalls durch Achsenverschiebung zu erreichen) hat das mittlere Schwankungsquadrat den Operator A2 (Aufgabe 12.6.9). Allgemein gilt (A− a)2 . Ein Zustand mit scharfem Wert für a hat das Schwankungsquadrat 0, ist also Eigenfunktion von (A − a)2 mit dem Eigenwert 0: (A − a)2 ψ = 0. Das ist nur möglich, wenn ψ Eigenfunktion von A mit dem Eigenwert a ist (vgl. den Gedankengang von Aufgabe 12.6.12: (A − a)2 ist mit A vertauschbar).
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12.6.17 Hamilton-Operator Wenn A zur Größe a gehört, bezeichnen wir den Operator, der zu a˙ gehört, ˙ Wir behaupten A˙ = ih −1 (HA − AH). Für H kann man wahlweise als A. −ih∂/∂t oder p2 /(2m) + U setzen. Anwendung von −ih∂/∂t auf eine konkrete Funktion ψ ergibt formal genau das Richtige: ih −1 (HAψ − ˙ + Aψ˙ − Aψ˙ = Aψ. ˙ AHψ) = Aψ Wenn A mit H vertauschbar ist, ist ˙ A = 0 und hat nur den Eigenwert 0, also ist a konstant in allen Eigenzuständen, die nach Aufgabe 12.6.12 auch Eigenzustände von A sind. Der Impulsoperator ist mit H genau dann vertauschbar, wenn U = const, (H = p2 /(2m) + U ). Bei Kräftefreiheit haben stationäre Zustände außer konstantem W auch konstantes p. Andernfalls muss man schreiben p˙ = ih −1 (Hp − pH). Der Anteil p2 /(2m) ist mit p vertauschbar, also bleibt in Anwendung auf eine Funktion ψ nur pψ ˙ = ih −1 (U pψ − pUψ) = Ugrad ψ − grad (Uψ) = −ψgrad U. Der Operator p˙ ist gleich dem Operator −grad U. Das ist Newtons Aktionsprinzip in Operatorsprache. Die Änderung der Koordinate x hat den Operator x˙ = ih −1 (Hx − xH). Hier fällt der U-Anteil infolge Vertauschbarkeit weg, ebenso wie p2y und p2z . Es bleibt x˙ = ih −1 ( p2x x˙ − xp2x )/(2m). Schafft man in xp2x mittels xpx − px x = ih das x in zwei Schritten nach hinten, bleibt jedes Mal ih px stehen, also x˙ = px /m. In Zuständen mit scharfem px gilt also der übliche Zusammenhang px = m x. ˙ 12.6.18 Teilchen im Magnetfeld Die Lorentz-Kraft ist von ganz anderer Art als etwa die Coulomb-Kraft: Wenn ein Teilchen sich nicht bewegt, kann auch das stärkste B-Feld seinem Impuls nichts anhaben. Ein Magnetfeld wird daher auch in den HOperator anders eingehen als einfach durch Addition seines Potentials. Wir betrachten ein homogenes Feld B = (0, B, 0). Es leitet sich aus einem Vektorpotential A = (Bz, 0, 0) ab (Aufgabe 7.6.3). Die Lorentz-Kraft auf ein Teilchen mit v = (v1 , v2 , v3 ) ist F = e(−v3 B, 0, v1 B), die x-Komponente seines Impulses ändert sich wie p˙1 = −ev3 B = −ez˙ B = −e A˙ (A ändert sich für das Teilchen, eben weil es in z-Richtung fliegt). Integration zeigt, dass man im Magnetfeld zu dem üblichen Ausdruck für den Impuls noch das Glied −eA hinzufügen muss, damit eine Konstante der Bewegung herauskommt. Für den H-Operator setzen wir also nicht p2 /(2m) + U, sondern ( p − eA)2 /(2m) + U. Stationäre Zustände bei konstantem U sind Eigenfunktionen nicht von p, sondern von p − eA und natürlich auch von seinem Quadrat. Für unser homogenes B-Feld folgt h∂ψ/∂x = i(eBz + p1 )ψ, d. h. ψ = ψ0 ei(kx+eBzx/h) . Die Phase ändert sich in z-Richtung, die Wellenflächen sind schräg, und zwar hyperbolisch gekrümmt. Ihre Orthogonaltrajektorien sind Kreise mit dem Radius hk/(eB) = mv/(eB). Hier erkennt man die Larmor-Kreise wieder. – Wenn −eA die Rolle eines Impulses spielt, muss sich im Magnetfeld die ψ-Welle räumlich modulieren (ebenso wie ein E-Feld sie zeitlich moduliert): Wenn zwei Stellen eine A-Differenz ∆A haben, bedeutet das einen Unterschied ∆k = e∆A/h im k-Vektor (eine Differenz ∆V des üblichen Potentials bedeutet eine ωDifferenz um ∆ω = eV/h). Dass dies stimmt, zeigt der Josephson-Effekt (Abschn. 16.7). Auch die Existenz des Suprastroms überhaupt lässt sich
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durch den Zusatzimpuls −eA ausdrücken (Aufgabe 16.7.2). Ein noch direkterer, wenn auch experimentell sehr schwieriger Beweis ist der Versuch von Aharanov und Bohm: Das Elektronen-Interferenzmuster beim Doppelspaltversuch (Abschn. 12.2.3) verschiebt sich, wenn man ein B-Feld quer (in y-Richtung) zur Ebene der Elektronenbündel legt, die in x-Richtung laufen. Dabei nimmt nämlich A in z-Richtung zu, d. h. die beiden Bündel laufen durch verschiedenes A und haben daher verschiedene λ, selbst wenn sie vorher streng monochromatisch waren. Im Prinzip tritt diese Verschiebung auch ein, wenn das B-Feld zwar zwischen den Bündeln, nicht aber in ihrem Weg selbst besteht, d. h. ohne dass auf die Elektronen eine Lorentz-Kraft wirkt. 12.6.19 Unbestimmtheit I Wir reden nicht von der praktisch auch nicht vorhersagbaren Ablenkung bei den Stößen, besonders solchen, die zur Ionisation des getroffenen Atoms führen, sondern von der rein quantenmechanischen Unbestimmtheit. Die Nebelspur legt die Teilchenbahn auf einige µm fest. Daraus ergibt sich für ein Elektron eine Unbestimmtheit des Impulses (genauer seiner Komponente quer zur Bahn) von h/(1 µm), eine v-Unbestimmtheit von etwa 100 m/s. Bei schweren Teilchen ist ∆v viel kleiner. Ein Elektron kann nur dann mehrfach ionisieren, wenn es einige keV hat (mittlere Ionisierungsenergie in Luft 30 eV). Bei 1 keV ist v ≈ 2 · 107 m/s, die Durchquerung der Kammer dauert etwa 10−8 s. In dieser Zeit kann die Unbestimmtheit der Quergeschwindigkeit eine gerade merkliche Verschiebung von einigen µm bedingen. Für schnellere Elektronen oder schwere Teilchen ist die Verschiebung unmerklich. 12.6.20 Unbestimmtheit II Dieses Problem gehört zu den lehrreichsten, denn es zeigt u. A., wann Großzügigkeit mit dem Faktor 2 in Abschätzungen zu üblen Fehlschlüssen führen kann. Der Zustand des Zahnstochers sei beschrieben durch einen Kippwinkel ϕ gegen die Senkrechte und dessen Änderungsgeschwindigkeit ϕ, ˙ bzw. den Drehimpuls J ϕ˙ um den Unterstützungspunkt. Könnte man den Anfangswert ϕ0 exakt gleich Null machen, würde die Unbestimmtheitsrelation den Drehimpuls beliebig unsicher machen, und der Zahnstocher fiele eben deswegen mit ϕ = ϕ˙ 0 t um. Umgekehrt: Bei ϕ˙ 0 = 0 wird ϕ beliebig unsicher. Das Kippmoment ist für kleine Winkel 1 1 ϕ¨ = 12 lmgϕ/J = 3gϕ/(2l) 2 lmg sin ϕ ≈ 2 lmgϕ, die Bewegungsgleichung √ 1 mit J ≈ 3 ml 2 , also ϕ = ϕ0 et/τ mit τ = l/1,5g, falls ϕ˙ 0 = 0. Offenbar ist eine Kompromisslösung angebracht. Bei beliebigem ϕ0 und ϕ˙ 0 ist ϕ = ϕ˙ 0 t + ϕ0 et/τ . Die prinzipiell nicht unterschreitbaren ϕ0 und ϕ˙ 0 hängen zusammen wie ϕ0 J ϕ˙ 0 ≈ h, also kippt der Zahnstocher günstigstenfalls mit ϕ = ht/(Jϕ0 ) + ϕ0 et/τ . Wir wollen ϕ bei gegebenem√t möglichst klein machen. Nullsetzen der Ableitung ϕ0 liefert ϕ0 = ht/Je−t/(2τ) , also als √ nach t/(2τ) . Bei √ l = 4 cm und einer Dicke von minimale Kippung ϕ = 2 ht/τe 2 mm wird J ≈ 1 g cm2 , also ϕ ≈ 2 · 10−13 tet/(2τ) . Für ϕ ≈ 1◦ begrenzt die Unbestimmtheitsrelation die Kippzeit auf 2,5 s. Da dies scheinbar nicht hoffnungslos über dem liegt, was ein geschickter Mensch erreichen kann,
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könnte man meinen, die Unbestimmtheitsrelation bilde hier die praktische Begrenzung. Dass das nicht stimmt, sieht man sofort, wenn man das unbestimmtheitsmäßig zulässige ϕ0 bestimmt: ϕ0 ≈ 10−24 , also 10−10 Nukleonenradien Abweichung für die Spitze des Zahnstochers. Ein Faktor 2 in der Kippzeit ist hier nämlich keinesfalls zu unterschlagen, denn wegen ϕ ∼ et/τ bedeutet er, dass das entsprechende ϕ0 ins Quadrat erhoben wird. Bei großem Geschick erreicht man vielleicht ϕ0 ≈ 1 ≈ 3 · 10−4 , also t = τ ln ϕ/ϕ0 ≈ 0,2 s für ϕ = 1◦ , 0,4 s für ϕ ≈ 1 (vollständiges Umkippen). Wenn man t verzehnfachen will, muss man ϕ0 mit 10 potenzieren, wodurch es utopisch klein wird. 12.7.1 Harmonischer Oszillator Dieses Problem und die folgenden sind leider typisch dafür, wie abschreckend mühsam die konkrete Durchrechnung einfachster Eigenwertprobleme oft ist. Eben weil sie so typisch sind, muss man aber einige gängige Vereinfachungsmittel kennen lernen. Wir suchen die Funktionen ψ, die die ebene Schrödinger-Gleichung mit harmonischem Potential − 12 h 2 m −1 ∆ψ + 12 Dx 2 ψ = Eψ erfüllen und vernünftig sind, d. h. im Unendlichen verschwinden (auf die Umgebung von x = 0 beschränkt sind). Dies sind Eigenfunktionen, die zugehörigen E-Werte sind Eigenwerte √ des Problems. Maßstabsänderung ε = 2E/(hω0 ), ξ = x/x0 mit ω0 = D/m, x0 = h 1/2 (Dm)−1/4 vereinfacht zu −ψ + ξ 2 ψ = εψ. Für 2 sehr große ξ bleibt nur ψ = ξ 2 ψ. Die Gauß-Funktion ψ = Ae−aξ er1 gibt ψ = −2aξψ, ψ = (4a2 ξ 2 − 2aξ)ψ, löst also mit a = 2 asymptotisch (für ξ 1) das Problem und verhält sich auch physikalisch vernünftig: Groß um x = 0, draußen schnell abnehmend. Für ε = 1 löst sie es sogar exakt, aber nur für diesen ε-Wert. Höhere Energiezustände er∞ 2 ci ξ i , also hält man als H(ξ)e−ξ /2 mit einem Polynom H(ξ) = i=0 2 2 /2 −ξ /2 2 −ξ , ψ = (H − H − 2ξH + ξ H )e . Einsetzen ψ = (H − ξH )e in die Schrödinger-Gleichung liefert H = 2ξH + (ε − 1)H = 0. Mit der Potenzreihe ist ∞ ∞ ξH = ici ξ i , H = i(i − 1)ci ξ i−2 i=0
i=2 ∞ = (i + 2)(i + 1)ci+2 ξ i ,
∞
i=0
also i=0 [(i + 2)(i + 1)ci+2 − 2ici + (ε − 1)]ξ = 0, d. h. ci+2 = ci (2i + 1 − ε)/[(i + 2)(i + 1)]. Nur wenn ε = 2n + 1, bricht das Polynom H mit cn ab; sonst könnte es als unendliche Potenzreihe selbst das Abklingen der Gauß-Funktion aufheben. Abbrechen ist genau dann garantiert, wenn bei c0 = 0, c1 = 0. Bei n = 0 geradem n: c0 = 0, c1 = 0, bei ungeradem n: +∞ wird ε = 1, H = 1 (nach Normierung durch −∞ ψ 2 dx = 1). n = 1: ε = 3, H = ξ, n = 2: ε = 5, H = 2ξ 2 − 1; n = 3: ε = 7, H = ξ 3 − 32 ξ. Die stationären Energiewerte sind also E = 12 hω0 (2n + 1) mit n = 0, 1 . . . . Die Eigenfunktionen sind Gauß-Funktionen, moduliert durch das Polynom H, das im Zustand n entsprechend dem Knotensatz n Nulldurchgänge hat (Abb. 12.46 stellt nicht ψ, sondern die Aufenthaltswahrscheinlichkeit ψ 2
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dar). Bei E = U, wo klassisch die maximale Amplitude des Teilchens liegt, ist quantenmechanisch der äußerste Wendepunkt der ψ-Funktion; das Teilchen dringt etwas in den ,,verbotenen“ Bereich ein. Bei kleinem n ist klassisch das Teilchen am wahrscheinlichsten an den Umkehrpunkten, quantenmechanisch in der Mitte zu finden. Bei großem n werden die beiden Bilder entsprechend dem Korrespondenzprinzip ähnlicher. 12.7.2 Theorie des α-Zerfalls Der Krater hat außen Coulomb-Form U = 2Ze2 /(4πε0r), innen, wo die Kernkraft einsetzt, lassen wir ihn bei r = r1 steil abbrechen (r1 = A1/3r0 , r0 = 1,3 fm). α-Teilchen, die Kandidaten für den Austritt sein sollen, müssen W > 0 haben. Nach Aufgabe 17.1.7 ist das ab A ≈ 140 der Fall, aber bei kleinem E ist die Austrittswahrscheinlichkeit sehr klein. Der Tunnelausgang liegt bei E = U, d. h. r2 = 2Ze2 /(4πε0 W ). Das Potential sieht nur bei grober Zeichnung dreiecksähnlich aus: Sein Gipfel liegt bei 120 bis 200 MeV, es hängt also bis zum Austrittspunkt, der den wenigen MeV des α-Teilchens entspricht, erheblich durch. Im kugelsymmetrischen Potential ist ψ eine Kugelwelle ar −1 e−ikr , wo E > U ist, dagegen ψ = ar −1 e−κr im Tunnel, wo E < U ist. Einsetzen in die SchrödingerGleichung − 12 h 2 m −1 ∆ψ = − 12 h 2 m −1 (ψrr + 2ψr /r) = (E − U )ψ liefert κ = (2m/h 2 )(2Ze2 /(4πε0r) − E). Die Austrittswahrscheinlichkeit folgt als Verhältnis der ψ 2 -Werte am Ausgang und am Eingang des Tunnels: r D = exp(−2 r12 κ dr). Mit x = r/r2 vereinfacht sich das Integral zu 1 2m 2Ze2 x −1 − 1 dx . h 2 4πε0 W 1/2 x1 die 1 verDa x1 = r1 /r2 1, kann man bei x √x1 unter der Wurzel x 1 nachlässigen, und das Integral wird 0 x −1 − 1 dx − 0 1 x −1/2 dx. Mit π/2 x = sin2 α verwandelt sich das erste Integral in 0 2 cos2 α dα = π/2 √ 1/2 (der Mittelwert von cos2 ist 12 ). Das zweite Integral gibt 2x1 = 2 r1 /r2 , was auch mit dem davorstehenden Faktor immer klein gegen Eins ist, also im Exponenten keine √ Rolle spielt. Zahlenmäßig mit E in MeV erhält λ = ν0 D, wobei man D = exp( − 0,9Z/ E) und für die Zerfallskonstante √ 21 s−1 ist: ln λ = 48 − 0,9Z/ E. Mit der Whiddingtonν0 = v/(2r1 ) ≈ 10 √ √ Reichweite R ∼ E hätte man lieber E im Zähler gehabt, aber trotzdem kommt die Geiger-Nuttal-Beziehung gut heraus: 10 log λ = −3 für 218 Po, 11 Jahre Halbwertszeit, was etwas −15 für 238 U; für 144 60 Nd erhält man 3 · 10 zu wenig ist. 12.7.3 Feldemission Das Potential geht außerhalb des Metalls wie U = −eEx, innen ist es horizontal (wäre es das nicht, würden Elektronen sich verschieben, bis es horizontal ist). Dazwischen liegt eine Stufe, deren Höhe annähernd gleich der aus Photo- oder Richardson-Effekt gemessenen Austrittsarbeit U0 ist (da diese Schwelle nicht ganz scharf ist, sondern sich über einige Å erstreckt, bauen große Felder auch ihre Höhe etwas ab, wie man beim Zeichnen sofort sieht). Durch diese Dreiecksschwelle der Dicke
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d = U0 /(eE) tunneln Elektronen mit der Wahrscheinlichkeit √
D = e−4
2mU0 d/(3h)
−7·109 U03 /E
=e
(U0 in eV, E in V/m). Bei U = 1 eV ist der Tunnelstrom j = nevD ≈ 1 A/m2 für E = 2 · 106 V/cm, bei 106 V/cm erst 10−30 A/m2 , bei 3 · 106 V/cm schon 1010 A/m2 . Durchschlag erfolgt spätestens um 2,5 · 106 V/cm. Bei Halbleiterdioden kann es vorkommen, dass besetzte Zustände der p-leitenden Schicht ebenso hoch liegen wie leere im nleitenden Teil, besonders bei angelegtem Feld in Flussrichtung. Dann können Elektronen durch die Übergangsschicht tunneln, falls diese nicht dicker als 50 Å ist. 12.7.4 Potentialgraben Im Graben sei das Potential 0, außerhalb U. Der Graben reiche von x = 0 bis x = d. Wir untersuchen zuerst Teilchenenergien E < U. Die Schrödinger-Gleichung lautet im Graben: − 12 h 2 m −1 ψ = Eψ, allge√ ikx −ikx , k = 2m E/h; außerhalb vom Graben: meine Lösung ψ = Ae + Be − 12 h 2 m −1 ψ = (E − U )ψ, Lösung ψ = Cek x (links), ψ = De−k x √ (rechts), k = 2m(U − E)/h. Der Vollständigkeit halber könnte man außerhalb noch ein Glied mit dem anderen Vorzeichen des Exponenten hinschreiben, aber sein Koeffizient muss Null sein, weil es im Unendlichen divergiert. An den Grenzflächen x = 0 und x = d müssen ψ und ψ stetig sein, also mit den Abkürzungen α = eikd , β = e−k d A+ B = C , ik(A − B) = k C ,
Aα + B/α = Dβ , ik(Aα − B/α) = −k Dβ .
(L.1)
Hier kann man C und D sofort eliminieren und erhält zwei Gleichungen in A und B: 1 (ik − k )A = (ik + k )B , α(ik + k )A = (ik − k )B . α Damit nicht verschwindende Lösungen A und B existieren, muss für A/B beide Male das gleiche herauskommen: α2 =
(ik − k )2 k2 − k2 − 2ikk = = e2ikd . (ik + k )2 k2 − k2 + 2ikk
Der Bruch ist von der Form z/z ∗ (∗: konjugiert komplex). Komplexe Zahlen dividiert man, indem man ihre Winkel subtrahiert und ihre Beträge dividiert, z/z ∗ hat den Betrag 1 und den doppelten Winkel von z. Der gleiche Winkel erscheint im Exponenten (z = |z|eiϕ ). Es folgt die Eigenwertgleichung tan kd =
2kk . k2 − k2
Nur für solche k und k , d. h. für solche E existiert eine stationäre ψ-Funktion. Dasselbe erhält man auch durch Nullsetzen der Determinante von (L.1). – Man zeichne die Folge der tan-Funktionen. Sie schneiden die Kurve 2kk /(k2 − k2 ), ebenfalls als Funktion von kd aufgetragen, an
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unendlich vielen Stellen, im erlaubten Bereich E < U, d. h. k 2mU/h 2 nur an endlich vielen. Wenn k k, liegen die Schnittpunkte bei kd = nπ (n = 1,2, . . . ). k k bedeutet E U, d. h. tiefe Zustände in einem tiefen Graben. Wenn das nicht mehr zutrifft, verschieben sich die Schnittpunkte nach unten bzw. oben auf den tan-Kurven, nähern sich also kd = (n + 12 )π. Diese Verschiebung ist zusammen mit dem gedämpften Eindringen in den Außenraum der Haupteffekt der endlichen Grabentiefe. Bei endlichem U liegen immer nur endlich viele Zustände im Rechteckgraben, es erfolgt keine Häufung an der oberen Begrenzung wie beim ausladenden CoulombTopf. – Bei E > U muss man auch draußen beide Teillösungen beibehalten, die jetzt richtige Wellen e±ik x darstellen. Die vier Anschlussbedingungen können die sechs Koeffizienten nicht festlegen, es ergibt sich auch keine Lösbarkeitsbedingung mehr: Alle Energien oberhalb des Grabenrandes sind zugelassen. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit ist aber im Graben größer als draußen. 12.7.5 Zwei Potentialgräben Wir betrachten der Einfachheit halber ein symmetrisches Potential: U für |x| < a, 0 für a < |x| < d, ∞ für |x| > d. In den beiden Gräben spart man dann je eine Konstante: ψI = C sin k(d − x) bzw. ψIII = D sin k(d + x). In der Schwelle ist ψII = Aek x + Be−k x für E < U, ψII = Aeik x + Be−ik x für W > U. Aus den Anschlussbedingungen kann man die Determinante aufstellen und Null setzen, aber abenteuerlicher ist der direkte Weg. Elimination von C und D (Division je zweier Gleichungen) führt auf A2 = B 2 , d. h. A = ±B. In der Schwelle gilt also entweder eine cosh- oder eine sinh-Funktion, entsprechend bei E > U eine sin- oder cos-Funktion (symmetrischer oder antimetrischer Zustand). Damit folgt auch C = ±D. Als Lösbarkeitsbedingung erhält man für diese vier Fälle, dass k tan k(d − a) gleich k tanh k a, k coth k a, k cot k a bzw. −k tan k a sein muss. Die vollständige Diskussion ist langwierig. Wir betrachten nur einige Grenzfälle: Bei U h 2 /(2ma), d. h. k2 + k2 1 schneiden coth und tanh im Bereich E < U die tan-Kurve nicht, es gibt keinen in einem der Töpfe gebundenen Zustand. Der gesamte Topf (einschließlich Schwelle) wird von den bekannten, in E und ψ nur wenig modifizierten Zuständen eingenommen (2k(a + d) = nπ). Bei U h 2 /(2ma) liegen in jedem Teiltopf zunächst tiefe, schwach miteinander gekoppelte Zustände. Sie entsprechen dem Bereich, wo coth und tanh schon beide 1 sind. Oberhalb der Schwelle liegen Zustände, deren Energie und Amplitude durch die Schwelle erheblich beeinflusst werden. Man beachte immer, dass alle Zweige der tan- bzw. cot-Kurve zu berücksichtigen sind. 12.7.6 Kugelwelle Dass ψ ∼ r −1 eikr die stationäre Schrödinger-Gleichung im kugelsymmetrischen Fall löst, haben wir z. B. in Aufgabe 12.7.2 benutzt. Dazu kommt der zeitabhängige Faktor e±iωt wie für jeden stationären Zustand und macht eine Kugelwelle daraus. Für U > E ergibt sich analog zum Debye-Hückel Potential ψ ∼ r −1 e−k r . Jetzt betrachten wir einen kugelsymmetrischen Potentialtopf statt eines ebenen Grabens: Potential 0 für r < r0 , U für
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r > r0 . Allgemein ist im Topf ψ = Ar −1 eikr + Br −1 e−ikr . Damit ψ bei r = 0 endlich bleibt, muss A = −B sein, also ψ = Ar −1 sin kr. Dann bleiben nur die Anschlussbedingungen für r0 A C sin kr0 = e−k r0 , r0 r0 Ck −k r0 sin kr0 A k cos kr0 − = e . r0 r0 r0 Endliche A und C gibt es nur, wenn cot kr0 = (kr0 + 1)/(kr0 ). Die Folge der cot-Funktionen wird geschnitten bei kr0 = nπ, wenn k k, näher bei kr0 = (n + 12 )π, wenn das nicht der Fall ist. Wie tief muss ein Topf vom Radius r0 sein, damit wenigstens ein stationärer Zustand darinliegt? E = U bedeutet k = 0, also lautet die Eigenwertbedingung tan kr0 = kr0 , d. h. kr0 = 4,4943, U = 10h 2 /(r02 m). Kernkraft-Potentialtöpfe haben fast die angenommene steile Form mit r0 ≈ 2,6 fm für das Deuteron. Damit ein gebundener Zustand möglich ist, muss U > 50 MeV sein. Der gemessene Massendefekt des Deuterons ist 0,002 39 AME, die Bindungsenergie 2,23 MeV. Die Nullpunktsenergie (ungenutzte Topftiefe) beträgt also mehr als 50 MeV. 12.7.7 Tunneleffekt Die ψ-Funktion in Abb. 12.42 erfüllt zwar die stationäre SchrödingerGleichung und die Randbedingungen (ψ und ψ überall stetig), aber sie ist nicht normiert. Rechts liegt ja der ganze unendliche Außenraum, in dem nur ψ ∗ ψ dV = 1 sein kann, wenn ψ = 0 ist. Entweder ist drinnen auch ψ = 0 (Teilchen hat sich ganz zerstreut), oder man erhält Sprünge in ψ oder ψ . Man kann sich drehen wie man will: Erzwingt man die Normierung, indem man den Raum rechts auch durch eine unendlich hohe Wand abschließt, müsste dort ψ = 0 sein, und mit einer auslaufenden Welle wie in Abb. 12.42, die ja noch den eiωt -Faktor hat, geht das nicht; man brauchte eine stehende Welle, womit man wieder bei Aufgabe 12.7.5 anlangt. – Wir retten die Normierungsbedingung, wo das am unschädlichsten ist, nämlich rechts. Dort dämpfen wir die ψ-Welle durch einen e−δx -Faktor: Statt Dei(kx−ωt) setzen wir Dei(kx−ωt)−δx . Dies drückt aus, dass sich die aus dem Topf aussickernden Teilchen nicht gleich zerstreuen, sondern zunächst vor der Schwelle ansammeln. Auf den Wert von δ kommt es nicht an, wie wir gleich sehen werden. Jedenfalls wird δ k sein, d. h. die Dämpfung erstreckt sich über viele Wellenlängen. Die modifizierte ψ-Funktion kann natürlich die stationäre Schrödinger-Gleichung nicht mehr erfüllen. Einsetzen zeigt, dass nicht mehr Hψ = Wψ, sondern Hψ = Wψ + iδk 12 h 2 m −1 ψ˙ (hier ist δ2 gegen ikδ vernachlässigt). Die nichtstationäre Schrödinger-Gleichung liefert also (h/i)ψ = Wψ + 12 h 2 m −1 iδkψ, d. h. ψ = Dϕ(x)eiWt/h e−hkδt/(2m) . ψ klingt ab mit der Zeitkonstanten τ = 2m/(hkδ). Damit unsere Lösung trotzdem erhalten bleibt, muss aus dem Topf ψ ∗ ψ nachströmen. Im Topf sitzt ein Bruchteil A2 a des Teilchens, draußen D2 /(2δ) (Schichtdicke 1/(2δ)). Die Abnahme im Topf braucht also nicht mit der Zeitkonstanten τ zu erfolgen,
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sondern nur mit τ = A2 aτ2δ/D2 = maA2 /(hkD2 ) = ma/(hk)e2
k dx
.
hk ist der Impuls, ma/(hk) die Durchquerungszeit des Topfes, also folgt (unabhängig von δ) das bekannte Ergebnis. 12.7.8 Resonanzenergie Unser Potential bestehe aus zwei getrennten Töpfen. Wäre nur der linke Topf da, hieße der stationäre Zustand f 1 , entsprechend f 2 allein für den rechten Topf. Weder f 1 noch f 2 kann Eigenfunktion des vollständigen H-Operators sein, auch eine Linearkombination ψ = c1 f 1 + c2 f 2 kann es nicht sein, außer wenn c1 und c2 zeitabhängig sind. Wie muss diese Zeitabhängigkeit aussehen? Die nichtstationäre Schrödinger-Gleichung sagt h ψ˙ = h(˙c1 f 1 + c˙ 2 f 2 ) = iHψ = i(c1 H f 1 + c2 H f 2 ). Linksmultiplikation mit f 1∗ bzw. f 2∗ liefert h c˙ 1 = i(c1 H11 + c2 H12 ) bzw. h c˙ 2 = i(c1 H21 + c2 H22 ), wo Hik = f i∗ · H f k die Matrixelemente von H in der Basis f 1 , f 2 sind. Wären H12 = H21 = 0, d. h. H diagonal, zerfielen diese Gleichungen in zwei einfache mit den Lösungen ci = ci0 eiωii t (ωii = Hii /h). Wenn außerdem noch H11 = H22 , ist ψ doch Eigenfunktion von H mit dem Eigenwert H11 . Bei H11 = H22 schwingen beide Anteile mit verschiedener Frequenz. Die Überlagerung ergibt wegen E = hω die Schwebungsfrequenz ω11 − ω22 , mit der das System zwischen den beiden Grenzzuständen oszilliert. Bei nicht verschwindenden H12 und H21 lässt sich das System durch Hauptachsentransformation lösen. Wir untersuchen zwei gleiche Potentialtöpfe, für die H11 = H22 = hω0 und H12 = H21 = hω1 angenommen werden kann. Dann ergibt sich durch Addition bzw. Subtraktion der beiden Gleichungen c1 + c2 = Aei(ω0 +ω1 )t , c1 − c2 = Bei(ω0 −ω1 )t . Wenn bei t = 0 das System im Zustand f 1 war, folgt A = B = 1 und c1 = eiω0 t sin ω1 t, c2 = eiω0 t cos ω1 t. Das System schwingt mit der Frequenz ω1 zwischen den Basiszuständen hin und her, nach dem gleichen Zeitgesetz wie die Energie zwischen zwei gekoppelten Pendeln. ω1 beschreibt die Stärke der Kopplung. Im konkreten Modell ist ω1 der Tunnel-Durchlässigkeit der Potentialschwelle gleichzusetzen. Die beiden Fundamentalschwingungen der gekoppelten Pendel entsprechen c1 ± c2 und den Energien h(ω0 ± ω1 ): Symmetrischer und antimetrischer Zustand, Gleich- bzw. Gegentakt.
= Kapitel 13: Lösungen . . . 13.1.1 Bohr-Modell anders Bei der Ortsangabe kann man sich um nicht mehr als d irren. Die minimale Impulsunschärfe ist also ∆ p ≈ h/d. Diesem Minimalimpuls ∆ p ist die minimale kinetische Energie W0 ≈ ∆ p2 /(2m) ≈ h 2 /(2md 2 ) zugeordnet. Je enger man das Teilchen einsperrt und je schwerer es ist, desto ,,wilder“ wird es. Wählt ein Elektron eine enge Bahn um den Kern, dann senkt es seine potentielle, steigert aber seine kinetische Energie (d = 2r). Die
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Gesamtenergie E = −e2 /(4πε0r) + h 2 /(8mr 2 ) ist minimal bei dW/dr = 0, d. h. r = πh 2 ε0 /(me2 ). Das ist ungefähr der erste Bohr-Radius, die Minimalenergie W = −me4 /(8π 2 ε20 h 2 ) ist die Energie des H-Grundzustandes. 13.1.2 Bohr-Geschwindigkeit Vorausgesetzt ist das Bohr-Rutherford-Modell, in dem der Umlauf des Elektrons die Coulomb-Anziehung des Kerns ausgleicht. Für die n-te Wasserstoffbahn folgt mvr = nh und mv2 /r = e2 /(4πε0r 2 ), also v = e2 /(4πε0 nh) (unabhängig von der Masse des umlaufenden Teilchens; also in Myon- und Kaon-Atomen ebenso groß), und ω = me4 /(16π 2 ε20 n 3 h 2 ). Für n = 1 wird v1 = c/137 (das Verhältnis e2 /(4πε0 hc) = 1/137 heißt Feinstrukturkonstante) und ω1 = 4 · 1016 s−1 , was in der Größenordnung der Atomfrequenzen liegt, aber nicht mit einer von ihnen identisch ist. Im komplizierten Feld höherer Atome sind diese Betrachtungen nur bedingt gültig, selbst wenn man mit der effektiven Kernladungszahl rechnet. 13.1.3 Ionisierung Ionisierung ist Hebung eines Elektrons aus seinem Grundzustand (oder in Ausnahmefällen aus einem angeregten Zustand) ins Unendliche, also in den Zustand n = ∞ oder einen Zustand des ,,Grenzkontinuums“ mit überschüssiger kinetischer Energie. Die Ionisierungsspannung ist also einfach die durch e dividierte Energie des Grundzustandes, z. B. in einem wasserstoffähnlichen System mit der Kernladungszahl Z und dem Grundzustand n: UIon = Z 2 me3 /(8ε20 h 2 n 2 ). Für Wasserstoff erhält man die beobachteten 13,6 V. Für höhere Atome ist für n die Nummer der äußersten Elektronenschale, für Z die effektive Kernladung einzusetzen (vgl. Abschn. 15.1.5). 13.1.4 Energie-Größenordnungen Für das Atomelektron liefert Bohr oder Aufgabe 13.1.1 eine Energie e4 m/(ε20 h 2 ) ≈ 10 eV. Chemische Energien sind etwas kleiner: H2 liefert 4 eV. Die Kohäsionsenergie des Wassers (2 300 J/g) ist nur 0,4 eV. Oberflächen- und elastische Spannungen müssen auf die Fläche von etwa 10−15 cm2 bezogen werden, die ein Teilchen einnimmt. Aus 7 · 10−2 J/m2 für Wasser folgen etwa 0,05 eV; 7 · 108 N/m2 für Stahl, die bis zur Bruchdehnung von 0,4 angelegt werden können, liefern etwa 0,02 eV/Atom. Überall handelt es sich letzten Endes um Nullpunktsenergie von Elektronen, wie für Atomelektronen und elastische Energie direkt nachgewiesen wurde. 13.2.1 Rydberg-Atome Die hohe Temperatur des Funkens begünstigt die höheren Anregungszustände: Hδ und Hγ sind stärker als Hβ und Hα . Die Linie Hζ entspricht einem Übergang von m = 8 auf n = 2. Der Bahnradius des Elektrons bei m = 8 ist m 2rH = 34 Å, bei m = 9 schon 43 Å. Dies entspricht dem Mole-
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külabstand in einem Gas von etwas weniger als 1 bar (n = 2,7 · 1019 cm−3 , a = n −1/3 = 30 Å bei 1 bar). In dieser Gegend wird der Gasdruck liegen. Höhere Zustände kommen einfach deswegen nicht vor, weil sich ihre Bahnen wegen der Wechselwirkung mit den anderen Teilchen nicht ausbilden können. Bei Verdünnung auf 10 mbar z. B. könnten sich Zustände mit dem vierfachen Bahnradius bilden, d. h. etwa bis m = 15. Bei gleicher Funkentemperatur, die allerdings in so dünnem Gas schwer zu erreichen ist, wären die Linien um m = 10 am intensivsten. 13.2.2 Balmer-Absorption Eine Balmer-Absorptionslinie entspricht einem Übergang eines Elektrons von n = 2 in einen höheren Zustand. Das setzt voraus, dass es genügend viele Atome gibt, die bereits im Zustand n = 2 angeregt sind, wenn ein weiteres Photon sie überrascht. Die Gleichgewichtsbesetzung des Zustandes n = 2 ist n ∗ = n 0 e−E/(kT ) , wobei E = 10 eV der ersten Lyman-Linie 1 entspricht. Bei Zimmertemperatur ist kT = 40 eV, es ist also bestimmt kein einziges Atom im Gleichgewicht Balmer-absorptionsfähig. Selbst in der Sonnenphotosphäre ist die relative Besetzung nur e−20 ≈ 10−9 . Je heißer der Stern ist, desto stärker werden i. Allg. die Balmer-Absorptionslinien. Auch ein Laserstrahl kann genügend Atome in den Zustand n = 2 schaffen, um Balmer-Absorption zu ermöglichen. 13.3.1 Quantenbedingung In der Messung eines Drehwinkels kann man beim besten Willen keinen größeren Fehler machen als 2π. Dieser maximalen Winkelunschärfe entspricht eine minimale Drehimpulsunschärfe h/(2π) = h. Ebenso wie für Impuls und Energie kann man diesen Minimalfehler einem nichtunterschreitbaren Abstand gleichsetzen. Die exaktere Begründung liefern für alle drei Größen die Fourier-Analyse bzw. die damit äquivalenten quantenmechanischen Techniken. Für Ort und Zeit sind die Maximalunschärfen von Fall zu Fall verschieden oder gar nicht vorhanden, und das gleiche gilt für die Stufen von Impuls und Energie. 13.3.2 Bohr-Magneton Das gyromagnetische Verhältnis γ = magn.Moment/Drehimpuls ist für ein klassisches kreisendes Punktteilchen gleich 12 µ0 eωr 2 /(mωr 2 ) = 1 2 µ0 e/m, also bis auf den Faktor µ0 gleich der halben spezifischen Ladung. Dem entspricht genau die Definition des Bohr-Magnetons: Ein Bahndrehimpuls nh ist mit einem magnetischen Moment von n pmB verbunden. Das ,,spinnende“ Elektron hat aber fast genau 1 pmB und 12 h, d. h. γ ≈ µ0 e/m: Das Elektron ist doppelt so magnetisch, wie es als klassisch rotierendes Teilchen sein dürfte. Proton und Neutron sind in noch höherem Maße ,,übermagnetisch“. 13.3.3 Stern-Gerlach-Versuch Ionen würden durch die Lorentz-Kraft so stark abgelenkt werden, dass die winzige Zusatzablenkung, die im Stern-Gerlach-Versuch interessiert, unterginge. Die Lorentz-Kraft ist evB, die Kraft des inhomogenen
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Magnetfeldes auf das magnetische Moment µ ist µ · grad H ≈ µH/R (R Abmessung des Feldes). Da nun µ ≈ evelr (r und vel Bahnradius und -geschwindigkeit eines Atomelektrons), ist das Verhältnis der beiden Kräfte vR/(velr), was auch bei sehr ,,kühlem“ Teilchenstrahl und sehr feiner Polschuh-Schneide mindestens 104 ist. Man kann also die Teilchen nicht elektrisch beschleunigen (höchstens mit Umladung eines vorbeschleunigten Ionenstrahls zum Atomstrahl). Die Atome bringen dann die Energieverteilung der Quelle mit, aus der sie verdampft wurden. Ihr Ablenkwinkel ergibt sich analog zu Abschn. 8.2.1 als Fd/(mv2 ) (F Ablenkkraft, d Länge des Feldes). Der Niederschlagsfleck gibt also eine reziproke Maxwell-Energieverteilung wieder (schnelle Teilchen sind am steifsten). Die Verteilung von 12 mv2 hat etwa die Breite kT . Daraus ergibt sich die Bedingung für saubere Trennung als F = µgrad H > kT/d. Mit µ = 1µB für Silber und einer sehr langen und sehr scharfen Schneide, sodass d ≈ 500R, müsste sein H > kTR/(µd) ≈ 7 · 105 A/m. 13.3.4 Zeeman-Effekt I Die Gleichung lautet jetzt r¨ + γ r˙ + ω20r = (q/m){E + i r˙ Bz }e−iωt . Mit der Larmorfrequenz ωL = qBz /2m erhält man die nahresonante Gleichgewichtslösung r(t) = rmax γ/2/[(ω0 − ω L − ω) − iγ ]. Ein Feld in der Bahnebene führt zur Drehung der Bahnebene. 13.3.5 Zeeman-Effekt II Die Zeeman-Aufspaltung ist energetisch ∆E = µH, frequenzmäßig ∆νZ = µH/h, oder, wenn man das magnetische Moment, das die Aufspaltung bewirkt, als Bahnmoment µ = µ0 evelr darstellt: ∆νZ ≈ evelrB/h. In verdünnten Gasen wie z. B. Sternphotosphären überwiegt die DopplerBreite (vgl. Aufgabe 12.3.2). Sie ist ∆νD = νvat /c (vat thermische Atomgeschwindigkeit). Die Zeeman-Aufspaltung hebt sich aus der Linienbreite heraus, wenn B > hνvat /(evel cr), also für optische Übergänge mit hν ≈ 3 eV bei Feldern, die größer als 1 Vs/m2 sind. In dieser Größenordnung liegt das Magnetfeld in den Sonnenflecken und auf der ganzen Oberfläche einiger schnellrotierender Sterne. Die Sonne als Ganzes hat ein viel schwächeres Feld. Das noch viel schwächere Magnetfeld der interstellaren Materie (etwa 10−10 T) kann nicht aus dem ZeemanEffekt, sondern muss anders geschätzt werden (Polarisation des Lichts ferner Sterne, zurückgeführt auf magnetische Ausrichtung der interstellaren Teilchen). 13.3.6 Larmor-Präzession Wenn das B-Feld sich zeitlich mit B˙ ändert, wirkt am Umfang der ˙ Sie beschleuElektronenbahnfläche A die Induktionsspannung U = −A B. nigt oder bremst das Elektron, je nach dessen Umlaufrichtung, mit ˙ ˙ = er B/2. Wenn das Feld der Kraft F = eE = eU/(2πr) = eπr 2 B/(2πr) den Wert B erreicht hat, ist der Impuls des Elektrons insgesamt um ∆ p = F dt = 12 er B˙ dt = 12 erB geändert worden. Stellt man das als ∆ p = m∆ωr dar, hat man sofort ∆ω = eB/(2m).
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13.4.1 Feinstruktur Ein klassisches Elektron, das mit v auf einer Kreisbahn mit r umläuft, erzeugt ein Magnetmoment µ = µ0 I A = µ0 νeπr 2 = 12 µ0 erv, was einem Bohr-Magneton µB = µ0 he/(2m) entspricht oder einem ganzzahligen Vielfachen davon, denn der Drehimpuls ist L = mvr = nh. Das B-Feld eines solchen Moments nimmt mit dem Abstand r ab wie B ≈ µ/r 3 , dies allerdings erst für Entfernungen, die groß gegen den Bahnradius sind. Ein anderes Elektronenmoment hat in diesem Feld eine Einstellenergie E = µH = µ2 /(µ0r 3 ) = µ0 e2 v2 /(4r). Erweitert man dies mit 4πε0 m und beachtet, dass für die Kreisbahn mv2 = e2 /(4πε0r) ist, ferner ε0 µ0 = 1/c2 , so folgt E/E B ≈ E B /(mc2 ) ≈ α2 mit der Feinstruktur1 konstante α = e2 /(4πε0 hc) = 137 : Die Feinstrukturaufspaltung ist etwa 4 10 -mal kleiner als die Bahnenergie, diese ist 104 -mal kleiner als die Ruhenergie des Elektrons. Kernmoment und Hyperfein-Aufspaltung sind nochmals etwa tausendmal kleiner. Im mitbewegten Bezugssystem des Elektrons herrscht kein Strom, also auch kein Magnetfeld. Wenn das Elektron zusätzlich noch um seine Achse rotiert, kann diese Bewegung also auch nicht durch das Bahnmagnetfeld beeinflusst werden. In Wirklichkeit beeinflussen Bahn- und Spinmoment einander, was bereits zeigt, dass das klassische, an einem Bahnpunkt lokalisierbare Elektron die Situation nicht richtig beschreibt. 13.5.1 Pickering-Serie He-Ionen, die ein Elektron verloren haben, sind wasserstoffähnliche Systeme: Das verbliebene Elektron umkreist einen Kern mit Z = 2. Seine Spektrallinien haben die Frequenzen νnm = 4R∞ (n −2 − m −2 ). Übereinstimmung mit den Balmer-Linien νnm = R∞ (2−2 − m −2 ) ergibt sich, wenn n = 4 und m = 2m ist. Alle geradzahligen Pickering-Linien fallen also mit Balmer-Linien zusammen, die ungeradzahligen liegen dazwischen. Im hochauflösenden Spektrographen sieht man, dass die Balmer-Linien alle um etwa 0,04% langwelliger sind als die entsprechenden Pickering-Linien. Das kommt daher, dass der He-Kern sich viermal weniger mitbewegt als der H-Kern (vgl. Aufgabe 13.9.1). 13.5.2 Spektralklassen In der Reihe O, B, A, F, G, K , M, R, N nimmt offenbar die Temperatur ab. Dem entspricht nach Wien ein immer längerwelliges Emissionsmaximum des ,,schwarzen“ Grundkontinuums, über das sich Emissions- und Absorptionslinien lagern. Dieses Kontinuum kommt aus dichteren, tieferen Teilen des Sterns, und die kühleren Außenschichten absorbieren i. Allg. mehr oder weniger scharfe Linien heraus. Starke H-Absorptionslinien im Sichtbaren, also Balmer-Linien, setzen nach Aufgabe 13.2.2 sehr hohe Temperaturen voraus. Noch mehr gilt das für die He-Absorptionslinien, die von einem noch höheren Anregungszustand ausgehen. 13.5.3 Zwei Elektronen Die Gesamtenergie E des Systems besteht aus den drei potentiellen Wechselwirkungsenergien der drei Teilchen und der kinetischen Ener-
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gie der Elektronen, die gleich der von der Unschärferelation geforderten Nullpunktsenergie infolge der Einsperrung auf einen Bereich vom Radius r ist. Aus ∆ p · 2r ≈ h und E kin = ∆ p2 /(2m) erhält man annähernd E kin ≈ h 2 /(8mr 2 ). Wir setzen allgemeiner an E kin = ah 2 /(mr 2 ) und bestimmen a aus dem Fall des H-Atoms. Es hat E = −e2 /(4πε0r) + ah/(mr 2 ), was minimal wird für ∂E/∂r = 0, d. h. r0 = 8πaε0 h 2 /(me2 ). Die Minimalenergie ist E 0 = − 12 e2 /(4πε0r0 ) = −me4 /(64π 2 ε20 ah 2 ) und muss gleich der Rydberg-Energie R∞ = −me4 /(8ε20 h 2 ) sein, also a = 1/(8π 2 ). Damit ist die Energie des Zweielektronensystems mit einem Kern der Ladung Ze Z h2 Z 1 1 1 e2 + 2 + − + . E= 4πε0 r1 r2 r1 + r2 8π mr r12 r22 Der Ansatz für die Wechselwirkungsenergie der beiden Elektronen, der einen mittleren Abstand r1 + r2 voraussetzt, ist allerdings geometrisch etwas anfechtbar. Jetzt muss man nach r1 und r2 ableiten, um das Minimum von E zu finden. Wie zu erwarten, liegt es bei r1 = r2 , und zwar r1 = r2 = r0 = ε0 h 2 /(πme2 (Z − 14 )), sodass E 0 = −e4 m(Z − 14 )2 /(4ε20 h 2 ) = 2(Z − 1 2 1 2 4 ) R∞ wird. Die Übereinstimmung der Werte 2(Z − 4 ) von 1,1; 6,1; 15,1; 28,1; 45,1; 64,1 mit der Beobachtung ist geradezu unheimlich. 13.6.1 21 cm-Linie Magnetisches Moment des Elektronenspins pe = 12 µ0 he/m e , des Protons pp = 2,79 · 12 µ0 he/m p , Bohr-Radius r0 = 4πε0 h 2 /(m e e2 ), klassische Wechselwirkungsenergie Wkl = pe pp /(4πµ0r03 ) = 14 2,79m e c2 α4 m e /m p , √ 1 die Feinstrukturkonstante und c = 1/ ε0 µ0 wo α = e2 /(4πε0 hc) = 137 ist, also 2E kl = 1,77 · 10−25 J, ν = 2,68 · 108 Hz, λ = 112 cm. Quantenmechanisch muss man die Wechselwirkungsenergie über den ganzen Raum mitteln, also r0−3 ersetzen durch ∞ −2r/r −3 2 −3 ∗ 0r r dr ψr ψ dV 0 e −3 r = = ∞ −2r/r 2 0 ψψ ∗ dV r dr 0 e ∞ 8 0 e−x x −1 dx = 3∞ . r0 0 e−x x 2 dx Für das untere Integral erhält man durch zweimalige partielle Integration den Wert 2, das obere verwandelt sich durch y = e−x in den Integrallogarithmus d y/ ln y, dessen Wert mit den Grenzen 0 und ∞ die Euler-Mascheroni-Konstante 0,577 22 ist. So ergibt sich die Wellenlänge 20,9 cm für die wichtigste Linie der Radioastronomie. 13.9.1 Kernmitbewegung Das Elektron, Masse m, und der Kern, Masse M, laufen um den gemeinsamen Schwerpunkt, der den Abstand r zwischen beiden im Verhältnis m/M teilt. Das Elektron läuft also auf einem Kreis vom Radius rM/(M + m) um den Schwerpunkt, der Kern auf einem Kreis vom Radius rm/(M + m). Der Gesamtdrehimpuls ist Mωr 2 m 2 /(M + m)2 +
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mωr 2 M 2 /(M + m)2 = m Mωr 2 /(M + m). Das muss nach der Quantenbedingung nh sein, also ω = nh(M + m)/(m Mr 2 ). Andererseits lautet die Kreisbahnbedingung für das Elektron (und ebenso auch für den Kern) mω2rM/(M + m) = e2 /(4πε0r 2 ) (für die Coulomb-Kraft gilt nach wie vor der volle Abstand r). Einsetzen von ω liefert r = n 2 h 2 4πε0 (1 + m/M)/(e2 m), d. h. die Bahn ist um den Faktor 1 + m/M erweitert. Um den gleichen Faktor nimmt die potentielle Energie ab, ebenso aber auch die kinetische Gesamtenergie 12 mω2r 2 M 2 /(M + m)2 + 12 Mω2r 2 m 2 /(M + m)2 = 12 m Mω2r 2 /(M + m), denn ωr ändert sich nicht. Die für den unbewegten Kern berechneten Werte für Termenergien, Frequenzen und Rydberg-Konstante sind also alle durch 1 + m/M zu dividieren, was bei H gerade die beobachteten 0,055%, bei He+ 0,014% Abnahme bedeutet (vgl. Aufgabe 13.5.1). Für sehr schwere Kerne würde die übliche, unkorrigierte Rydberg-Konstante R∞ gelten. Das ∞ bedeutet also unendliche Kernmasse. 13.9.2 Kernspin Proton und Neutron addieren ihre Spins und magnetischen Momente im Deuteron (parallele Einstellung), zwei Deuteronen subtrahieren die ihren im α-Teilchen (paarweise antiparallele Einstellung). Bei 73 Li verlangt der Spin z. B. 5 Nukleonen mit ,,Spin oben“, zwei mit ,,Spin unten“. Die möglichen Kombinationen von Protonen und Neutronen, die dem entsprechen, liefern magnetische Momente − 10,43, − 1,03 und 8,37, was alles weit danebenliegt. Es müssen Bahndrehimpulse dazukommen. 13.9.3 Protonen im Eis Das 30 MHz-Signal im 0,7 T-Feld von Abb. 13.51 muss von Protonen mit µ = 2,79µK stammen. Die Aufspaltung von 40 kHz entspricht einem 375-mal kleineren Störfeld B ≈ 2 · 10−3 T (parallele und antiparallele Einstellung differieren energetisch um ∆E = 2µH ). Ein solches Feld wird vom Protonenmoment µ = 2 · 10−32 V s m gemäß B = µ/r 3 im Abstand r ≈ 2 · 10−10 m = 2 Å erzeugt. Dies ist der tatsächliche Abstand zweier Protonen im H2 O-Molekül. Jede O–O-Bindung hat in den beiden Nachbartetraedern des Eisgitters je drei Nachbarbindungen. Säßen die Protonen in der Mitte dieser O–O-Bindungen, dann gäbe es je nach der Einstellung der sechs Nachbarprotonen nicht nur zwei, sondern sieben verschiedene Werte des Störfeldes (man beachte die Gleichwertigkeit aller Nachbarn). Die Protonen sitzen also wenigstens zeitweise bei einem bestimmten H2 OMolekül, springen aber zwischen den beiden Gleichgewichtslagen auf der O–O-Bindung mit einer Frequenz hin und her, die sich aus der Energieunschärfe, also der Verbreiterung der beiden Peaks zu ebenfalls etwa 40 kHz ablesen lässt. Das Proton bleibt also im Mittel nur etwa 10−5 s in einem der beiden Potentialtöpfe. Die Höhe des Potentialwalls dazwischen ergibt sich aus dem Boltzmann-Ausdruck für die Sprungfrequenz ν = ν0 e−E/(kT ) zu etwa 0,4 eV.
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13.9.4 Spinecho Das HF-Feld soll in 10 µs die Kernmomente um π/2 drehen. Dazu ist ein Drehmoment T = µB/µ0 ≈ ∆L/t ≈ h/t nötig. Mit einem magnetischen Moment pm = µ0 eh/m H ergibt sich B ≈ m H /(et) ≈ 10−3 T. Die Abklingzeit des Echos bedeutet entweder die Zeit, in der die magnetische Feldenergie 12 L I 2 der Spule durch die Joule-Leistung RI 2 verzehrt wird, also L/R ≈ 10−2 s, was z. B. L ≈ 1 mH, R ≈ 0,1 entspräche, oder eine thermische Stoßzeit entsprechender Länge, die allerdings einem sehr stark verdünnten Gas entspräche, das niemals ein kräftiges Signal ergeben könnte. 13.9.5 Chemische Verschiebung Die chemische Verschiebung entspricht der Differenz zwischen verschiedenen Konfigurationen der Elektronenhülle, also einem kleinen Bruchteil der Abschirmwirkung des diamagnetischen Gegenmoments der Elektronenhülle auf ein äußeres B-Feld. Klassisch präzediert ein Hüllenelektron mit der Larmor-Frequenz ωL = eB/m und erzeugt ein Gegenmoment µ0 eωLr 2 , das das Feld in Kernumgebung um ∆B ≈ µ/r 3 ≈ µ0 eωL /r ≈ µ0 e2 B/(mr) schwächt. Setzt man hier den Bohr-Radius ein und beachtet wieder ε0 µ0 = 1/c2 , dann entpuppt sich der Bruchteil der Feldschwächung als Quadrat der Feinstrukturkon1 stante α = e2 /(4πε0 hc) = 137 . Die chemische Verschiebung macht wieder nur einen Bruchteil von α2 ≈ 10−4 aus. Dies gilt für diamagnetische Elektronenhüllen. 13.9.6 Rabi-Versuch Im Magnetfeld BB = 0,3453 T führt das Teilchen eine Präzessionsbewegung mit 14,693 MHz aus (Minimum der Strahlintensität). Die entsprechende Larmor-Kreisfrequenz ω = µB/(hµ0 ) lässt auf ein magnetisches Moment µ = 1,771 · 10−32 V s m = 2,7903µK schließen, also auf ein Proton. Wenn in der Elektronenhülle ein Gesamtmoment übrigbliebe, wäre dieses viel größer als das winzige Kernmoment und würde dessen Einfluss überdecken, die Wurfparabeln würden sich viel stärker krümmen, die Resonanzfrequenz wäre etwa tausendmal höher. Elektronenhüllen müssen aber vorhanden sein, denn unkompensierte Kernladungen würden im Magnetfeld Lorentz-Kräfte erfahren, die ebenfalls viel zu stark ablenkten. Man muss also mit Molekülen arbeiten, deren Hüllen diamagnetisch sind. Bei dem winzigen Moment des Kerns muss die Inhomogenität des Feldes sehr groß sein, damit die Ablenkung wesentlich wird. Die Breite des Maximums ist die reziproke Lebensdauer τ des Einstellzustandes. Man liest ab τ = 10−5 s. Klassisch betrachtet, zerstört das Feld im Abschnitt C die Einstellung durch eine Präzessionsbewegung, deren Kreisfrequenz ∆ω ≈ 105 s−1 ≈ µBC /(hµ0 ) ist. Aus ∆ω/ω = 1,4 · 10−3 erhält man BC ≈ 5 · 10−4 T, was nur etwa zehnmal größer ist als das erdmagnetische Feld.
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13.11.1 Fermionen und Bosonen P(x1 , x2 ) dx1 dx2 = ψ(x1 , x2 )ψ ∗ (x1 , x2 ). Vertauschung kann P nicht ändern, da Teilchen gleicher Art nicht unterscheidbar sind. Entweder ändert sich ψ auch nicht, oder es ändert sein Vorzeichen, was auf P keinen Einfluss hat. Teilchen mit Wellenfunktionen der ersten Art sind Bosonen, mit solchen der zweiten Fermionen. Zwei Fermionen können nie am gleichen Ort x1 sein, allgemein keine identischen Wellenfunktionen haben, sonst müsste ja ψ(x1 , x1 ) = −ψ(x1 , x1 ) sein; Bosonen können dies. Im zweidimensionalen Raum wären Anyonen mit beliebiger Änderung des Phasenfaktors bei Vertauschung denkbar. Möglicherweise spielen sie z. B. in der Hochtemperatur-Supraleitung eine Rolle. 13.11.2 Fermi-Druck Abgesehen von der Verdopplung dank der beiden Spinrichtungen hat jedes Elektron ein Volumen n −1 mit dem Durchmesser a ≈ n −1/3 zur Verfügung. Nach Aufgabe 13.1.1 hat es also die Nullpunktsenergie E 0 ≈ h 2 /(ma2 ). Verengt man ihm den Lebensraum um da, dann steigt seine Energie um d E 0 ≈ h 2 da/(ma3 ). Dieser Energiezuwachs muss als Kraft · da oder als Druck · Oberfläche · da zugeführt worden sein. Es folgt pF ≈ h 2 /(ma5 ) (Zahlenfaktoren s. Abschn. 19.3.3; Druck ist, bis auf Zahlenfaktoren, immer gleich Energiedichte). Damit der gaskinetische Druck pT = nkT = kT/a3 so groß wird wie pF , muss kT ≈ h 2 /(ma2 ) sein. Für kondensierte Materie (a ≈ 3 Å) bedeutet das T ≈ 106 K. pF hat dann die Größenordnung 1011 bis 1012 N m−2 , d. h. entspricht dem Elastizitätsmodul sehr fester Stoffe (vgl. Tabelle 3.3). Das ist kein Zufall, denn Kompression eines Metalls z. B. bedeutet im Wesentlichen Kompression seines Elektronengases. Warum sich dieses Elektronengas nicht explosiv ausdehnt, wird in Kap. 16 klarer werden. 13.11.3 Bergeshöhe und Fermionen Jedes Material gibt nach, wenn auf ihm ein Druck lastet, der etwa gleich dem Fermi-Druck pF ≈ h 2 /(8md 5 ) ist. Mit d ≈ 3 Å folgt pF ≈ 1010 N m−2 . Das heißt nicht, dass unbeschränkte Kompression eintritt, denn die tieferen Elektronenschalen sind ja auch noch da. Bei etwa 0,1 pF wird das Material plastisch, entsprechend der Tatsache, dass che1 der Atomelektronenenergien betragen. mische Bindungsenergien etwa 10 Eine Steinsäule von 30 bis 40 km Höhe übt diesen Druck gh ≈ 0,1 pF auf die Unterlage aus. In dieser Tiefe wird Gestein plastisch. Die Kontinentalschollen sind auch etwa so dick. Kein Berg kann höher werden, denn sonst gäbe die Unterlage oder sein Fuß nach. Auf einem anderen Planeten ist g durch G M/R2 = 4π RG/3 zu ersetzen. Die maximale Bergeshöhe wird h ≈ pF /(4 2 G R) (wenn man will, kann man nach Aufgabe 13.11.6 auch durch atomistische Konstanten ausdrücken). Je kleiner der Planet, desto höher können die Berge sein: Auf dem Mond 4-mal so hoch (wegen der geringeren Dichte sogar 6-mal), auf dem Mars mehr als doppelt. Sie sind dort auch höher (Olympus Mons 25 km), wenn sie auch wohl nirgends die theoretische Grenze erreichen. Der größte unregelmäßige Körper, für den h ≈ R ist, hat R ≈ pF /(4 2 G) ≈ 100 km; Phobos mit
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R ≈ 10 km liegt weit unter dieser Grenze. Eine andere Frage ist natürlich, ob die tektonische Aktivität auf einem Planeten so stark ist, dass die maximale Bergeshöhe ausgenutzt wird, bzw. ob einmal entstandene Bergriesen inzwischen abgebaut worden sind. 13.11.4 Kräuselwellen Schwerewellen haben normale, Kapillarwellen anomale Dispersion. Die langsamsten Wellen liegen also im Übergangsbereich. Solche Wellen werden durch einen leichten Wind von ähnlicher Geschwindigkeit vorzugsweise angeregt. Ein noch langsamerer Lufthauch erzeugt gar keine Wellen. Diese langsamsten Wellen haben λ− = σ/( g) = 3 mm. Die Oberflächenspannung ist wieder knapp von der Größenordnung Fermi-Druck multipliziert mit Atomabstand, also kann man setzen λ− ≈ pF d/( g). An√ dererseits ist die maximale Bergeshöhe h ≈ pF /( g), also λ− ≈ hd. Auf jedem Planeten liegt das λ− der ,,Zephirwellen“ in der geometrischen Mitte zwischen Atom und Bergriesen. 13.11.5 Der größte Planet Der Schweredruck des kalten ,,Sterns“ wird entweder durch die normale Festigkeit der Materie (Metalle, Gestein o. ä.) aufgefangen oder durch den Fermi-Druck des Elektronengases (vgl. Abschn. 19.3.3) pF ≈ h 2 /(md 5 ) (Nullpunktsenergie h 2 /(md 2 ) dividiert durch mittleres Volumen pro Teilchen d 3 ). Im ersten Fall ergibt sich, wie üblich, M = 43 π R3 mit festem , im zweiten Fall pF ≈ h 2 /(md 5 ) ≈ pG ≈ G M 2 /R4 ≈ Gm 2 N 2/3 /d 4 , also M = h 6 /(m 3 m 5p G 3 R3 ). Ein solcher Planet wird kleiner, wenn man außen Masse drauftut, denn sie erhöht den Druck im Innern. 13.11.6 Jupiter ist aus Fermi-Gas In kondensierter Materie sind die Atome dicht gepackt, also d ≈ rB ≈ 4πε0 h/(me2 ) und demnach ≈ m p /rB3 = 10 g cm−3 . Kleine Himmelskörper haben M = 43 π R3 . Der Übergang zu M ≈ h 6 /(m 5p m 3 G 3 R3 ) erfolgt √ bei R ≈ h 2 ε0 /G/(mm p e) ≈ 105 km, d. h. bei etwa Jupiter-Größe. Im Innern eines so großen Planeten werden die regulären bohrschen Elektronenschalen zerquetscht, und alle Elektronen gehen in ein Fermi-Gas über. 13.11.7 Der leichteste Stern Wenn der Fermi-Druck pF der Elektronen den Gravitationsdruck pG kompensiert, besteht kein Anlass zu mehr als kurzzeitiger Erhitzung, denn beide Drücke sind T -unabhängig. Es entsteht ein Riesenplanet (Aufgabe 13.11.5). Interessant wird die Sache erst, wenn der thermische Druck 2 mitspielt, d. h. von pT ≈ pF ≈ pG ab. pT ≈ pF bedeutet kT ≈ h 2 /(md √ ), pT ≈ pG bedeutet kT ≈ G N 2/3 m 2p /d, beides zusammen d ≈ h/ mkT √ √ und N 2/3 ≈ dkT/(Gm 2p ) ≈ h kT /( mGm 2p ). Damit Fusion beginnt und ein Stern daraus wird, der über vernünftige Zeiträume strahlen kann, muss kT > kTfus ≈ km p e4 /(8π 2 ε0 h 2 ) sein. Die Mindestanzahl der Protonen, die einen Stern ergibt, ist also Nmin ≈ e3 /(8π 2 ε20 G 2 m 1/2 m 3p )3/2 ,
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d. h. die Eddington-Zahl hoch 32 (vgl. Aufgabe 17.4.4). Nmin ≈ 1056 , Mmin ≈ 1029 kg. Die Sonne ist etwa zehnmal schwerer. 13.11.8 Chandrasekhar-Grenze Die Ableitung von Abschn. 1.5.9i bleibt richtig, was die Auswertung von r ˙ i betrifft. Da aber im relativistischen Grenzfall E kin ≈ E ≈ pc wird, ip ist pi r˙i = E kin (und nicht 2E kin ). Die Gesamtenergie wird demnach E = E kin (1 − 1/(n − 1)). Im r −2 -Kraftfeld wird E = 0, d. h. es ist kein stabiles Gebilde mehr möglich. Stabilität gäbe es nur für 1 < n < 2. Das zeigt sich bei kalter und zu heißer Materie: Wenn das Fermi-Gas relativistisch wird, bricht der weiße Zwerg entweder zum Neutronenstern zusammen oder explodiert als Supernova oder beides (vgl. Aufgabe 11.3.3). Den heißen Grenzfall diskutiert Aufgabe 13.11.9. 13.11.9 Der schwerste Stern Der Strahlungsdruck ergibt sich aus der Stefan-Boltzmann-Energiedichte e zu pS = w/c ≈ 40k4 T 4 /(c3 h 3 ). Man kommt zum gleichen Ergebnis, wenn man sagt: Ein Photon hat im Mittel die Energie kT und nimmt einen Raum λ3 = (c/ν)3 = (hc/(kT ))3 ein (das entspricht der Rayleigh-Debye-Abzählung der Schwingungsmodes im k-Raum, vgl. Abschn. 16.2.1). pS ≈ pT ≈ kT/d 3 bedeutet kT ≈ hc/d. Im Strahlungsfeld steckt mehr Energie als in den Teilchen, wenn pS pT ist. Da Photonen extrem relativistisch sind, kann nach Aufgabe 13.11.8 das System nicht stabil sein. Der Grenzfall pS = pT ≈ pG ergibt Nmax ≈ (hc/(Gm p ))3/2 ≈ 1059 (Mmax ≈ 1032 kg). Die Spanne zwischen größten und kleinsten Sternmassen ist enger als für andere Zustandsgrößen 1/2 Mmax /Mmin ≈ (hc4πε0 m 1/2 /(e2 m p ))3/2 ≈ 100. Mmax /Mmin liegt demnach zwischen 100 und 1 000 und enthält bis auf den Faktor m/m p nur die reziproke Feinstrukturkonstante.
= Kapitel 14: Lösungen . . . 14.1.1 Spontane Emission Man kann die Zahlenwerte für d = ea0 usw. einfach in (14.2) einsetzen. Man kann aber mit ein wenig Geschick auch die Rydberg-Energie E Ryd = 2e2 /4πε0 a0 = 13,6 eV, die Ruhenergie mc2 = 511 keV und die dimensionslose Feinstrukturkonstante α = e2 /4πε0 hc = 1/137 verwenden, um den Zusammenhang A = (4/3) · (E Ryd /mc2 )αω0 ∼ 2,6 · 10−7 ω0 auszunutzen. Zu λ = 600 nm gehört ω0 = 2π · 5 · 1014 s−1 und man erhält dann den Wert A ∼ 8 · 108 s−1 , der eine gute Schätzung für niedrig liegende atomare Resonanzlinien ist. Die Rabi-Frequenz Ω muss größer werden als der A-Koeffizient, Ω = ea0 E/h > A. Daraus kann man die Feldstärke und die erforderliche Intensität I = cε0 E 2 /2 bestimmen: Man erhält für den obigen Wert von A die so genannte ,,Sättigungsleistung“ I = 130 mW/mm2 . Solche Leistungen werden mit Lasern im sichtbaren Spektralbereich problemlos erzielt. Die meisten atomaren Übergänge sind aber schwächer und
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daher sogar noch leichter zu sättigen. Allerdings ist dann auch mehr Zeit erforderlich. 14.1.2 Laser und gefiltertes Licht Der Zusammenhang wird nach dem planckschen Strahlungsgesetz festgelegt, (11.11). Die schwarze Fläche F strahlt in einen Halbraum ab, Ωtot = 2π, der Laser mit der Leistung PHeNe füllt aber nur den Anteil ∆Ω = (1 mrad)2 . Aus dem weißen Spektrum des schwarzen Strahlers wird ein Frequenzband mit der Breite ∆ν F = νHeNe · 1 Å/6 328 Å ausgeschnitten. Dann muss man die Temperatur aus PHeNe =
1 8πhν3 ∆Ω · ∆ν F · c · F · Ωtot c3 exp(hν/kT )
bestimmen. Das Ergebnis lautet T ≈ 106 K für F = 1 cm2 und T ≈ 1,9 · 104 K für F = 100 cm2 . Obwohl wir ein im Vergleich zum Laserspektrum sehr breites Filter verwendet haben, müsste ein schwarzer Körper also eine irdisch nicht herstellbare Temperatur besitzen – ein Indiz für die erstaunlichen Eigenschaften der Laserstrahlung. Übrigens weist das gefilterte Licht noch weitere Unterschiede zum Laser auf: Seine Intensität ist nämlich sehr viel größeren Schwankungen unterworfen. 14.1.3 Dynamik der Laserintensität Die Laserratengleichungen (14.9) lassen sich am einfachsten mit Hilfe der Computer-Algebra (Mathematica, Maple oder andere) numerisch lösen. Interessante Lösungen entstehen erst, wenn die Pumprate oberhalb der Schwelle liegt, R > R0 = AΓ/β. Wir führen als Parameter die dimensionslosen Größen = R/R0 ≥ 1 ein und finden, dass der Laser für Γ/A ≥ 1 zu gedämpften Schwingungen der Ausgangsintensität neigt. Diese so genannten Relaxationsoszillationen treten häufig im Neodym- und Diodenlaser auf. 14.1.4 UV-Laser Beim Laser müssen die erzwungenen Emissionen überwiegen. Ihre Häufigkeit ist gegeben durch α (ν, T )n ∗ , die der spontanen Emissionen durch βn ∗ . Im thermischen Gleichgewicht ist das Verhältnis beider 1/(e−hν/(kT ) − 1), (vgl. Aufgabe 11.2.13), d. h. umso ungünstiger für die erzwungene Emission, je größer ν bei gegebenem T ist. Der Laser arbeitet zwar nicht im Gleichgewicht mit T = Umgebungstemperatur, aber die Abweichung von diesem Gleichgewicht muss umso krasser sein, je höher die gewünschte Frequenz ist. 14.2.1 Gauß-Näherung Man findet durch explizite Integration über die (r, z)-Koordinaten heraus, dass die Gesamtleistung unabhängig von z den Wert P = (cε0 /2) · πw20 E 02 annimmt.
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5 4 3 2 1 0
Strahl-Durchmesser Krümmungsradius –3
–2
–1
0
1
2 z/z 0 3
Abb. L.13.
14.2.2 Krümmung der Wellenfronten Das Maximum der Krümmung tritt nach Definition beim minimalen Radius der Wellenfront auf (Abb. L.13). Die Krümmung lässt sich interferometrisch beobachten durch Überlagerung mit einer ebenen Welle. Dabei entstehen Hell- und Dunkelzonen wie bei der fresnelschen Zonenplatte (s. Abb. 10.28). 14.2.3 Gouy-Phase Zusätzlich zur Phase exp(ikz) tritt die so genannte Gouy-Phase exp(−i arctan(z/z 0 )) auf. Der größte Teil dieser Extraphase, nämlich π/2, wird in der so genannten Rayleigh-Zone, von −z 0 bis z 0 aufgesammelt, der Rest außerhalb. Man kann die Gouy-Phase sichtbar machen, indem man mit einem Strahlteiler einen parallelen, ebenen Laserstrahl (also mit sehr großer Rayleighlänge z 0 ) mit einem fokussierten Lichtstrahl axial überlagert. Wenn vor dem Fokus auf der Achse konstruktive Interferenz auftritt, muss hinter dem Fokus destruktive Interferenz zu beobachten sein, weil die Gouy-Phase des fokussierten Strahls schon fast den ganzen Faktor π aufgesammelt hat. 14.3.1 Verstärkungskoeffizient Die Transmission von Licht führt bei jedem Umlauf (Laufzeit τ = 2 l/c) des Laserlichtfeldes im Resonator zu einem Verlust von 8%. Wir ,,verteilen“ die Verluste auf die Resonatorlänge l = 0,3 m und berechnen exp(−Γ · 2 l/c) = 0,08 bzw. Γ = −(c/2 l) · ln(0,08) ∼ 1,3 · 109 s−1 . Die Gesamtverstärkung G muss diese Verluste gerade ausgleichen, G = Γ . Das Lichtfeld läuft in dem dünnen Helium-Neon-Gas ungefähr mit Lichtgeschwindigkeit um, daher beträgt der Verstärkungskoeffizient g = G/c = 0,04 cm−1 oder 4%/cm. 14.3.2 Strahlungsdruck Die Kraft eines Lichtstrahls mit der Leistung P lässt sich im Photonenbild leicht bestimmen: Auf den Spiegel treffen Photonen mit der Rate R = P/hν ein. Jedes Photon verursacht einen Impulsübertrag und Rückstoß ∆ p = 2h/λ, sodass die mittlere Gesamtkraft F = R∆ p = 2P/c beträgt und gar
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nicht von der Wellenlänge abhängt. Das ist nicht sehr überraschend, denn der Strahlungsdruck ist schon aus der klassischen Physik bekannt, nur ist er mit Laserstrahlen viel leichter zu beobachten. Der 10 g-Spiegel wird um ca. 2 µm aus der Ruhelage ausgelenkt. 14.3.3 Laserbremsung Cäsiumatome sind schwere Atome, aber viel leichter als der Spiegel aus Aufgabe 14.3.4. Die mittlere Beschleunigung beträgt < a >= (h/λ)/60 ns/mCs = 5,8 · 104 m/s2 . Ein 300 m/s schnelles Cäsiumatom kann mit dieser Beschleunigung nach ca. 77 cm gestoppt werden. 14.3.4 Dotierung mit Laserionen In dichtester Kugelpackung gibt es zu jedem Ion zwölf gleichwertige Nachbar-Ionen und damit auch 12-mal die Chance, ein Fremdion zu finden. Die Wahrscheinlichkeit, ein benachbartes Neodym-Ionenpaar zu finden, beträgt also schon mehr als 10%. Die maximale Dotierung, die zu wünschenswerter höherer Inversions- und Verstärkungsdichte führt, ist z. B. durch unerwünschte nichtstrahlende Wechselwirkung von Ionenpaaren begrenzt. 14.3.5 Laserdioden und Facetten Die Leistungsdichte an den Facetten der Laserdioden kann sehr hoch werden, z. B. 10 kW/cm2 bzw. 10 MW/cm2 in obigem Beispiel, und führt leicht zu Schäden. Die Verwendung von Ausgangsfacetten mit viel größeren Flächen lässt den Bau leistungsstarker Hochleistungs-Laserdioden zu, wird aber auf Kosten der Strahlqualität erkauft. 14.4.1 Laser-Spitzenleistungen In Luft beträgt die Durchschlagfeldstärke bei Atmosphärendruck 106 V/m, ein Elektron im innersten Bohr-Orbit ao des Wasserstoffatoms ist der Feldstärke E = e/4πε0 a02 = 5 · 1011 V/m ausgesetzt. Die notwendige Leistung P in der Fläche A beträgt dann P = Acε0 E 2 /2. Für unsere Beispiele findet man 105 W bzw. 5 · 1010 W. Selbst diese hohe Leistung kann man mit Pulslasern heute kurzzeitig sehr gut bereitstellen. Ein Laserpuls mit 1 J Gesamtenergie erreicht in 100 fs Pulslänge eine Spitzenleistung von 1013 W! 14.4.2 Femtosekunden-Pulsverformung Kurze Pulse entstehen durch kohärente Überlagerung eines breiten Spektrums von verschiedenen Wellenlängen. Die Brechzahlen von gewöhnlichem Glas liegen bei n ∼ 1,526 (400 nm) und 1,512 (700 nm). Der Laufzeitunterschied bei der Passage durch ein 1 mm dickes Glas beträgt ca. 50 fs, mehr als die Gesamtlänge eines extrem kurzen optischen Pulses, dessen Weltrekord derzeit bei einigen wenigen Femtosekunden liegt. Bei der Ausbreitung extrem kurzer Pulse muss man also besondere Sorgfalt auf die dispersiven Eigenschaften verwendeter Materialien legen.
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14.4.3 Nichtlineare Optik I
√ Im Sonnenlicht (I = S = 12 E H = 12 εε0 /(µµ0 )E 2 = 1 400 W/m2 ) ist E = 1 000 V/m, H = 2,6 A/m, im 1010 -mal stärkeren Laserlicht E ≈ 108 V/m, H ≈ 105 A/m. Dies kommt den Feldern von der Größenordnung e2 /(4πε0r 2 ) ≈ 109 V/m schon nahe, mit denen die Elektronen an das Atom gebunden sind. Das Mitschwingen eines Elektrons in einem so starken Wellenfeld ist keine kleine harmonische Zitterbewegung um den Grund des Potentialtopfes mehr, m. a. W., das Profil des Topfes, in dem das Elektron sitzt, kann nicht mehr als Parabel angenähert werden, sondern es sind mindestens Glieder mit x 3 und x 4 zu berücksichtigen (asymmetrische bzw. symmetrische Anharmonizität). Im Allgemeinen wird die Bindung bei hoher Amplitude weicher (symmetrisch), ebenso ist sie bei Entfernung vom Kern weicher als bei Annäherung an ihn (asymmetrisch). Man bedenke dabei, dass zwar ,,außen“ und ,,innen“ für ein punktförmig aufgefasstes Elektron einen Sinn haben, sich aber im Gesamtkristall diese Asymmetrie i. Allg. wieder aufhebt, außer bei Kristallen ohne Symmetriezentrum, die auch Piezoelektrizität und andere Asymmetrieeffekte zeigen. Bei einer solchen Anharmonizität erregt das einfallende Sinusfeld eine nichtharmonische Polarisationswelle im Kristall, deren Gipfel und Talsohlen flacher sind als beim Sinus (symmetrisch) bzw. deren eine Halbwelle höher ist als die andere (asymmetrisch). Eine solche asymmetrische Welle lässt sich durch Überlagerung des Grundsinus mit einer Oberwelle doppelter Frequenz herstellen, deren Berge mit denen der Grundwelle koinzidieren, aber in einer Grund-Halbwelle im gleichen, in der nächsten im Gegensinn schwingen. Die symmetrische anharmonische Welle verlangt ungerade Oberwellen, besonders eine mit dreifacher Frequenz. Grund- und Oberwellen der Polarisation emittieren Sekundärlicht entsprechender Frequenz. Die Oberwellen haben in einem Medium mit normaler Dispersion größeres n, also kleineres c als die Grundwelle, laufen also langsamer als die Polarisationswelle, die sie anregt und die natürlich mit der Grundwelle mitläuft. Dieses Außer-Tritt-Fallen führt i. Allg. zur Selbstauslöschung der Oberwellen durch Interferenz. Man kann dies vermeiden, indem man die Oberwelle zum außerordentlichen Licht in einem negativ doppelbrechenden Kristall macht und die Polarisationsrichtung so wählt, dass der Unterschied zwischen cao und co die Dispersion gerade ausgleicht. 14.4.4 Nichtlineare Optik II In Aufgabe 14.4.3 haben wir das Wellen- und Resonatorbild der klassischen Elektrodynamik benutzt. Jetzt versuchen wir es im Photonenbild. Die Frequenzverdopplung in einer sehr intensiven Lichtwelle ist dann so darzustellen: Üblicherweise absorbiert ein Atom des Mediums ein Photon und emittiert es sehr bald wieder, wobei entsprechend Energie- und Impulssatz die Frequenz (ω = E/h) und die Ausbreitungsrichtung (k = p/h, |k| = 2π/λ) erhalten bleiben. Licht geht also durch ein durchsichtiges Medium geradlinig und frequenzgleich, nur mit i. Allg. verminderter Geschwindigkeit. Im sehr starken Wellenfeld kommt es vor, dass ein Teilchen fast gleichzeitig zwei Photonen absorbiert und dafür nur eines mit der doppelten Frequenz emittiert. Die Bedingung dafür lautet (vgl. Auf-
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gabe 12.3.4): Die Lichtintensität muss einer Temperatur entsprechen, bei der die Atome einen erheblichen Teil der Zeit angeregt sind, also kT hν, d. h. T = einige 104 K. Mit I ∼ T 4 folgt, dass I mindestens 108 -mal so groß sein muss wie im Sonnenlicht (300 K). In diesem Bild kann es aber auch vorkommen, dass zwei Photonen verschiedener Richtungen k1 , k2 und Frequenzen ω1 , ω2 gleichzeitig absorbiert werden und dafür nur eines mit k = k1 + k2 und ω = ω1 + ω2 emittiert wird, oder aber, falls ω2 < ω1 , dass zwei mit ω2 und eines mit ω = ω1 − ω2 , k = k1 − k2 emittiert werden. Dieser Kombinierbarkeit verdankt man es z. T., dass man heute praktisch in jedem Spektralbereich ,,lasern“ kann. Im Wellenbild klingt die Sache etwas komplizierter: Bei kleinen Intensitäten schwingt jedes Elektron im Feld der Primärwelle harmonisch mit. Dabei sendet es eine Sekundärwelle aus, die für jedes Elektron die gleiche Phasendifferenz gegen die Primärwelle hat. Die Elementarwellenkonstruktion von Huygens zeigt, dass sich in diesem Fall die Kugelwellen der verschiedenen Sekundärstrahler in allen Richtungen weginterferieren, außer in der ursprünglichen Einfallsrichtung. Bei zwei Wellen verschiedener Richtung gilt bei kleiner Intensität dasselbe: Sie durchsetzen einander ungestört. Eine Welle sehr hoher Intensität aber verändert die Eigenschaften des Mediums, z. B. seine Brechzahl n. Sie erzeugt sozusagen einen Satz sehr dünner Platten (Dicke = λ/2), die sich mit Phasengeschwindigkeit bewegen. Die zweite, schräg dazu einfallende Welle wird an diesen Platten teilweise reflektiert, und der Doppler-Effekt bei der Reflexion am bewegten Spiegel ergibt gerade die beobachteten Frequenzänderungen. Man sieht: Es führen mehrere Wege nach Rom.
= Kapitel 15: Lösungen . . . 15.1.3 Ionisierungsspannung Siehe Lösung 15.1.4. 15.1.4 Verspätete Auffüllung Die entscheidende atomphysikalische Größe ist hier die Ionisierungsenergie E i , d. h. die Abtrennarbeit des losest gebundenen Elektrons. Je kleiner sie ist, desto ausgeprägter wird der Metallcharakter: Mit Erleichterung der Elektronenabgabe steigt die Tendenz zur Kationenbildung und zur Abgabe eines Elektrons an andere Atome oder Radikale, die damit ihre fast abgeschlossene Außenschale auffüllen, besonders an Cl und F sowie OH, das in seiner Elektronenkonfiguration mit F gleichwertig ist. Metalle sind Basenbildner. Auch ohne Elektronen-Akzeptor erfolgt im kondensierten Zustand Elektronenabgabe an das allen Atomen gemeinsame Elektronengas, das die Atome zusammenhält. Diese Bindung ist nicht winkelmäßig starr wie bei der gerichteten Valenzbildung: Metalle sind duktil, und umso spröder, je weniger ausgeprägt der Metallcharakter ist. Das Elektronengas bedingt auch elektrische und Wärmeleitung sowie die Absorption in fast allen Wellenlängen. Für Nichtmetalle gilt genau das Gegenteil: Tendenz zur Elektronenaufnahme (hohe Elektronenaffinität, Elektronegativität), Anionen- und Säurerestbildner, spröde Kristalle, Nichtleiter,
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durchsichtig oder scharfbegrenzte Absorptionsbereiche. Typische Metalle haben E ion < 8 eV, typische Nichtmetalle E ion > 10 eV, Elemente mit E ion zwischen 8 und 10 eV nehmen eine Zwischenstellung ein (Be, B, Si, Zn, As, Se, Cd, Sb, Te). Im Periodensystem stehen die Metalle links, die Nichtmetalle rechts. Die Metallzone wird dabei nach unten zu immer breiter: Die zweite Periode hat nur ein typisches Metall (Li), die sechste nur noch ein typisches Nichtmetall (Rn). In jeder Spalte werden daher die Elemente i. Allg. nach unten zu immer metallischer. Gäbe es keine abschirmenden Innenelektronen, dann wäre die Ionisierungsenergie eines Elektrons der n. Schale nach Bohr (und auch nach der strengeren Quantenmechanik) E ion = R∞ Z 2 /n 2 mit R∞ = 13,6 eV. Da n viel langsamer wächst als Z, müsste Wion mit wachsendem Z ständig größer werden. Nur beim Übergang zu einer neuen Schale (Edelgas-Alkali) erfolgt ein Sprung abwärts. In jeder Spalte jedenfalls stiege E ion an und nähme der Metallcharakter ab. In Wirklichkeit reduzieren die Innenelektronen Z zu einer effektiven Kernladung Z eff . Jedes Innenelektron I schirmt für ein Außenelektron A umso mehr Kernladung ab, je enger sich I und je weniger eng sich A um den Kern schnürt. Die Bohr-Sommerfeld-Bahnen Abb. 13.1 und die quantenmechanischen Drehimpulsverteilungen Abb. 13.3 geben einen ungefähren Begriff von diesen Elektronenkonfigurationen. d- und p-Elektronen haben in Kernnähe nur geringe Dichte, jedes tieferliegende Elektron, besonders wenn es ein s-Elektron ist, schirmt für sie also fast eine volle Kernladung ab (vgl. die Abschirmzahlen, die zwischen 0,65 und 1,00 liegen). Man addiert nun einfach die Abschirmzahlen der Innenelektronen auf das losest gebundene Außenelektron und zieht die Summe von Z ab. So ergibt sich 2 /n 2 . Es zeigt sich, dass Z Z eff . Damit wird E ion = R∞ Z eff eff nur knapp so schnell zunimmt wie n, sodass E ion langsam abnimmt. Während der Auffüllung einer d-Schale nimmt Z eff nur so langsam zu, dass alle entsprechenden Elemente Metalle bleiben (d-Elektronen sind besonders lockere Gebilde). Dies gilt noch mehr für die f -Schale (Seltene Erden, Aktiniden). Besonders klein ist E ion , wenn gerade eine neue Schale angelegt wird (Alkalien: Geringer Durchgriff des Kernfeldes durch die kompakten Innenschalen), besonders groß ist es beim Abschluss einer Schale oder kurz vorher (Abschluss einer Schale oder Unterschale bedeutet Elektronenpaarung, d. h. Einbau eines Elektrons zu einem bereits vorhandenen mit gleicher Ladungskonfiguration, das daher das neue besonders stark abschirmt). Mit dem Schalenabschluss verbunden ist eine Abschwächung der Wechselwirkung mit anderen Atomen und daher Absinken der Kondensationstendenz, d. h. des Schmelz- und Siedepunktes: Edelgase, aber auch Hg haben hohe E ion und tiefe Tschm und Ts . Weniger anschaulich-einfach ist die Lage bei den Atomradien. Man bestimmt sie am einfachsten aus der Dichte: rat ≈ 3 3m/(4π ). Bei Kristallen und Flüssigkeiten ist der Packungsfaktor zu berücksichtigen: Es bleibt etwas ,,Luft“ zwischen den Atomen. Im Kristallgitter kann man Atomabstände (Gitterkonstanten) sehr genau aus der Röntgenbeugung bestimmen. Für isolierte Atome gibt das van der Waals-Kovolumen das vierfache Atomvolumen. Transportphänomene, besonders die innere Reibung, liefern über die mittlere freie Weglänge den Teilchenquerschnitt. Alle diese Methoden liefern etwas verschiedene Werte, teils weil es sich um
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verschiedene Arten von Wechselwirkung handelt, teils weil überhaupt die Elektronenkonfiguration im isolierten (Gas) und gebundenen (kondensierten) Zustand verschieden ist. Der Bohr-Radius eines Elektrons der n-ten Schale im Feld der effektiven Kernladung Z eff , nämlich rB = rH n 2 /Z eff , mit rH = 0,53 Å, gibt keine besonders gute Abschätzung: Für die Edelgase ist er zu klein, für alle anderen Atome zu groß. Das ist qualitativ leicht zu verstehen: Die abgeschlossene Edelgasschale erlaubt i. Allg. keine Bindung, im flüssigen Edelgas liegen die Atome einfach nebeneinander. Da die quantenmechanischen Elektronenwolken wesentlich über den BohrRadius, der ungefähr dem Gebiet größter Ladungsanhäufung entspricht, hinausreichen, findet man einen vergrößerten Atomradius. Alle Atome, die Bindungen miteinander eingehen, kommen einander eben deswegen näher, und zwar aus zwei Gründen: Die quantenmechanischen Elektronenwolken sind etwas enger als der Bohr-Radius angibt, und die Bindung bringt eine Neuverteilung der Elektronendichte zwischen den beiden Kernen mit sich. Der Gang der rat ist also grob gesprochen komplementär zu dem von E ion , nur dass die Edelgase längst nicht das dem E ion -Maximum entsprechende rat -Minimum bilden, sondern ein viel höheres √ rat haben. Andere, kleinere Abweichungen von der Regel rat ∼ n/ E ion ergeben sich bei jedem Unterschalenabschluss: Großes Wion , aber auch großes rat infolge verminderter Bindungstendenz. Andererseits sind die Übergangsmetalle in der Mitte oder etwas hinter der Mitte der d-Schalenauffüllung ausgezeichnet durch besonders hohe Kopplung zwischen den Elektronen von Nachbaratomen. Das führt bei den kleinen Atomen (Fe, Ni, Co) zur spontanen Ausrichtung und zum Ferromagnetismus, bei den großen (W, Ta, Re, Hf) zu extrem hohen Schmelz- und Siedepunkten und bei den ganz großen (Os, Ir, Pt) zu besonders kleinen rat und damit zu extremen Dichten. Jeder Streifzug durch das Periodensystem, bewaffnet mit atomphysikalischen Prinzipien, wird Ihnen interessante Beobachtungen und Entdeckungen erschließen. 15.1.5 Vakuum-Polarisation Nach der Unschärferelation darf der Energiesatz innerhalb einer Zeit ∆t und ∆E ,,überzogen“ werden, falls ∆E · ∆t h. Erzeugung eines Elektronenpaares kostet mindestens ∆E = 2m 0 c2 . Das Paar kann also höchstens eine Zeit ∆t ≈ h/(2m 0 c2 ) existieren. Selbst mit Lichtgeschwindigkeit kämen die Teilchen in dieser Zeit bestenfalls bis r ≈ c∆t ≈ h/(2m 0 c), d. h. um eine Compton-Wellenlänge des Elektrons λ−e = re = h/(m 0 c) weit. 15.1.6 Maximale Reichweite Die Energie ∆E = 2mc2 = 2m 0 c2 / 1 − v2 /c2 ergibt eine ExistenzHöchstdauer ∆t = h/∆E und eine Höchstflugstrecke r = v∆t√= 1 −1 1 − v2 /c2 . Diese Funktion von v hat ihr Maximum bei v = c/ 2, 2 re vc und zwar r = re /4.
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15.1.7 Legale Überziehung Kreisbahnbedingung mv2 /r = Ze2 /(4πε0r 2 ) und Drehimpulsquantelung mvr = nh liefern, ausgedrückt durch Compton-Wellenlänge re = h/(m 0 c) = 3,86 · 10−13 m, Ruhenergie E 0 = m 0 c2 = 0,51 MeV und 1 Feinstrukturkonstante α = e2 /(4πε0 hc) = 137 1 Z 2 α2 n2 , E = − E0 2 . Zα 2 n Hieraus sieht man, dass die Paarerzeugungsenergie 2E 0 durch die Bindungsenergie −E gedeckt werden kann, sobald Z = 2n/α wird, d. h. erstmals (für die innerste Bahn mit n = 1) für Z = 2/α = 274. Der Bahnradius wäre dann r = 12 re ≈ 10−13 m, die Bahngeschwindigkeit v = nh/(mr) = 2h/(mre ) = 2c. Dies zeigt, dass die nichtrelativistische Näherung für so große Kerne längst nicht mehr stimmt. Die relativistische Rechnung gibt eine Grenze Z ≈ 170. r = re
15.1.8 Relativistisches Bohr-Modell Auf der Kreisbahn wird das Elektron immer transversal beschleunigt. Die hierfür maßgebende Masse m = m 0 / 1 − v2 /c2 bestimmt auch den Impuls und den Drehimpuls. Kreisbahn- und Drehimpulsbedingung lauten also genau wie im nichtrelativistischen Fall mv2 = Ze2 /(4πε0r) und mvr = nh, nursteckt in m noch v. Es folgt v/ 1 − v2 /c2 = nh/(rm 0 ), also v = cnre / n 2re2 + r 2 . Das mv2 in der Kreisbahnbedingung spalten wir am besten auf in mv = nh/r und v. Dann erhalten wir n 2 h 2re c/(r n 2re + r 2 ) = Ze2 /(4πε0r) , also
r = re c n 4 /(Z 2 α2 ) − 1 .
Natürlich ergibt sich der übliche Bohr-Radius r = re n 2 /(Zα) für Z n 2 /α. Bei Z = n 2 /α schrumpft der Radius auf Null zusammen: Oberhalb dieser Grenze hat ein punktförmiger Kern nur noch Bahnen mit höherer Quantenzahl. So verschwindet die 1 s-Bahn bei Z = 1/α = 137. Im relativistischen Fall hat E kin = (m − m 0 )c2 nichts mehr mit E pot = −mv2 zu tun. Die Ausrechnung liefert mit der Abkürzung Z 2 α2 = x die Gesamtenergie √ 1 2 x − n2 + n n2 − x E = −E 0 = −E 0 1 − n −x . √ n n n2 − x √ Speziell für n = 1 wird E = −E 0 (1 − 1 − x). Dies erreicht erst bei x = 1(Z = 137) den Wert −E 0 und wird für größere Z sinnlos. 15.1.9 Kern-Tauchbahnen Ein Kern mit Z ≈ 137, also A ≈ 400 hat einen Radius rk ≈ r0 A1/3 ≈ 9 · 10−15 m, ist also etwa 40-mal kleiner als re . Damit die innerste Bahn in den Kern eintaucht, müsste also n 4 /(Z 2 α2 ) − 1 ≈ 1/402 sein, d. h. für n = 1 müsste Z ganz wenig unter 137 liegen (nur etwa 0,3‰). Von da
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ab werden aber die Bahnenergien ganz anders, nämlich sie staffeln sich äquidistant, weil im Innern des Kerns das Potential parabolisch verläuft. 15.1.10 Tauchbahnen nach Bohr Im Abstand r < rK vom Zentrum wird das Elektron nur durch die Ladung der noch innerhalb gelegenen Kugel, nämlich die Ladung Zer 3 /rK3 angezogen. Die Kreisbahnbedingung heißt demnach mv2 /r = Ze2r 3 /(4πε0rK3 r 2 ). Aus der Drehimpulsbedingung folgt wieder v = nh/(mr), also n 2 h 2 /(mr 2 ) = Ze2r 2 /(4πε0rK3 r 2 ) , woraus sich ergibt r = (n 2 h 2 · 4πε0rK3 /(Zc2 m))1/4 = (rBrK3 )1/4 , wobei rB der Bohr-Radius für einen Punktkern ist. Um die Bahnenergie zu bestimmen, brauchen wir das vollständige Potential. Aus der Kraft F = Ze2r/(4πε0rK3 ) folgt eine potentielle Energie E pot = 12 Ze2r 2 /(4πε0rK3 ) + a. Bei r = rK verlangt der Anschluss an das äußere Coulomb-Potential einen Wert a = − 32 Ze2 /(4πε0rK ), also E pot = −Ze2 ( 32 − 12 r 2 /rK2 )/(4πε0rK ) . Dazu kommt die kinetische Energie, die wegen 12 mv2 = 12 Fr genauso groß ist wie das r 2 -Glied in Wpot . Die Bahnenergie ist Zαhc 3 r 2 Ze2 3 r2 − − =− . E=− 4πε0rK 2 rK2 rK 2 rK2 Einsetzen des Bahnradius liefert Zαhc 3 4πε0 En = − − nh . rK 2 Ze2 m erK Wir wissen, dass der Nukleonenradius durch den Yukawa-Radius, also den Compton-Radius des Pions gegeben ist: rK = A1/3rπ = A1/3 h/(m π c) . Damit folgt Z E n = −E π 1/3 A
3 −n 2
mπ Zαm e A1/3
.
Wegen A ≈ 3Z bei so schweren Kernen und E = 140 MeV kann man E n direkt in MeV ausdrücken: E n = − 1,06Z 2/3 + 159n. Die Energiestufen sind äquidistant, wie im parabolischen Potential (Oszillatorpotential) üblich. Ihr Abstand ist unabhängig von Z. Das liegt daran, dass ein Elektron von einem wachsenden Z energetisch nicht profitiert, denn es sieht immer nur die Protonen innerhalb seiner Bahn. Jedenfalls ist E n viel größer als E 0 für Werte von Z, die hier interessieren. Demnach kann die nichtrelativistische Rechnung nicht stimmen.
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15.1.11 Relativistische Tauchbahnen Nach wie vor gilt v = cnre / n 2re2 + r 2 und E kin = E e ( n 2re2 + r 2 /r − 1), denn dies folgt allein aus der Drehimpulsbedingung. Jetzt lautet aber die Kreisbahnbedingung mv2 = nhv/r = Fr = Zαhcr 2 /rk2 . Daraus folgt n 2re /(r n 2re2 + r 2 ) = Zαr 2 /rk3 . Da hier ganz bestimmt r nre ist, vereinfacht sich das zu r = rk (n/(Zα))1/3 . Einsetzen in den Energieausdruck liefert 3α n 2/3 2/3 E π Z − 2/3 En = − 2 · 31/3 α 2/3 n = −1,06 Z 2/3 − 2/3 MeV . α Das von n unabhängige Glied ist natürlich identisch mit dem nichtrelativistischen, denn es gibt einfach das Potentialminimum an. Nur die n-Abhängigkeit ist wesentlich anders. Bei Z = n/α würde diese Näherung E n = 0 liefern. In Wirklichkeit müsste zum Anschluss an den Coulomb-Fall E n = −E e = − 0,5 MeV herauskommen. 15.1.12 Spontane Paarbildung 2/3
Eine Bahnenergie E = −2m e c2 = − 1,02 MeV ergibt sich für Z n = (n/α)2/3 + 1, also von den kritischen Werten Z 1 = 145, Z 2 = 283, Z 3 = 422 usw. an. Genauere Rechnung nach der relativistischen Wellengleichung des Elektrons (Dirac-Gleichung) liefert Z 1 = 173, genau den Wert, der Dominiks A = 500 entspräche, Z 2 = 235 usw. Hierbei ist die Abschirmung durch die bereits eingefangenen Elektronen berücksichtigt. 15.1.13 Elektron im Kern? Der übliche Beweis für die Nichtexistenz von Elektronen im Kern gründet sich auf deren Nullpunktsenergie bei so enger Einsperrung. Man zeigt, dass diese Nullpunktsenergie größer ist als die Ruhenergie des Elektrons. Genau diese Nullpunktsenergie stellt aber im Bohr-Modell die kinetische Energie des Elektrons dar, und die Grenze für den Eintritt in den Kern liegt gerade dort, wo die kinetische Energie ungefähr gleich der Ruhenergie wird. Elektronen üben keine starke Wechselwirkung aus, werden also von den Nukleonen nur elektrostatisch beeinflusst und können ungehindert auch innerhalb der Protonen-Ladungswolke kreisen. Deswegen eignen sie sich auch so gut als Geschosse zur Sondierung des Kern- und sogar Nukleoneninnern (Experimente von Hofstadter u. A.). 15.1.14 Zwei Elektronen Die Gesamtenergie E des Systems besteht aus den drei potentiellen Wechselwirkungsenergien der drei Teilchen und der kinetischen Energie der Elektronen, die gleich der von der Unschärferelation geforderten Nullpunktsenergie infolge der Einsperrung auf einen Bereich vom Radius r ist. Aus ∆ p · 2r ≈ h und E kin = ∆ p2 /(2m) erhält man annähernd
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E kin ≈ h 2 /(8mr 2 ). Wir setzen allgemeiner an E kin = ah 2 /(mr 2 ) und bestimmen a aus dem Fall des H-Atoms. Es hat E = −e2 /(4πε0r) + ah/(mr 2 ), was minimal wird für ∂E/∂r = 0, d. h. r0 = 8πaε0 h 2 /(me2 ). Die Minimalenergie ist E 0 = − 12 e2 /(4πε0r0 ) = −me4 /(64π 2 ε20 ah 2 ) und muss gleich der Rydberg-Energie R∞ = −me4 /(8ε20 h 2 ) sein, also a = 1/(8π 2 ). Damit ist die Energie des Zweielektronensystems mit einem Kern der Ladung Ze h2 e2 Z 1 1 1 Z + 2 E= + − + . 4πε0 r1 r2 r1 + r2 8π mr r12 r22 Der Ansatz für die Wechselwirkungsenergie der beiden Elektronen, der einen mittleren Abstand r1 + r2 voraussetzt, ist allerdings geometrisch etwas anfechtbar. Jetzt muss man nach r1 und r2 ableiten, um das Minimum von E zu finden. Wie zu erwarten, liegt es bei r1 = r2 , und zwar r1 = r2 = r0 = ε0 h 2 /(πme2 (Z − 14 )), sodass E 0 = −e4 m(Z − 14 )2 /(4ε20 h 2 ) = 2(Z − 1 2 1 2 4 ) R∞ wird. Die Übereinstimmung der Werte 2(Z − 4 ) von 1,1; 6,1; 15,1; 28,1; 45,1; 64,1 mit der Beobachtung ist geradezu unheimlich. 15.1.15 Elektronegativität Homonukleare Moleküle wie A A werden nur durch die Delokalisation eines Elektronenpaares zusammengehalten, für das heteronukleare AB kommt ein elektrostatischer Anteil hinzu: Das Elektronenpaar verschiebt sich zum elektronegativeren Partner hin, der im Periodensystem weiter rechts steht. Beide Partner nehmen entgegengesetzte Partialladungen δe an, was eine Stabilisierungsenergie ∆ AB = δ2 e2 /(4πε0r) = 14,3 eVδ2 /r ergibt (r in Å). Für OH mit r ≈ 1 Å folgt aus den χ-Werten ∆ = 2,65 eV, δ = 0,43, für NaCl mit r = 2,75 Å (aus der Dichte zu bestimmen): ∆ = 5,96 eV, δ ≈ 1,0 (voll ionogene Bindung). 15.2.1 Röntgens Apparatur Röntgen macht in seinen Originalveröffentlichungen keine Angabe über die Kathodenspannung. Vermutlich benutzte er aber, wie damals für Kathodenstrahlexperimente allgemein üblich, ein Induktorium (Rühmkorff-Spule), bei dem eine galvanische Niederspannung mittels eines hohen Windungszahlverhältnisses (1 000 : 1 oder mehr) und eines Unterbrechers hochtransformiert wurde. Als Kathodenspannung war natürlich nur eine Spannungsrichtung brauchbar, meist die dem Öffnen des Kreises entsprechende. Große Anlagen dieser Art mit sorgfältiger Isolierung erzeugten mehrere 100 000 V. So hohe Spannung hatte Röntgen sicher nicht und legte wohl auch keinen besonderen Wert auf sie, denn alle Leuchterscheinungen, besonders die Fluoreszenz der Glaswand gegenüber der Kathode, sind schon bei einigen kV gut ausgebildet. Er maß visuell und photographisch die Absorption durch ein 3,5 mm-Al-Blech und fand sie annähernd entsprechend der Absorption durch das Fleisch seiner Hand und der durch eine 0,1 mm-Zn-Folie. Hätte er 120 kV Röhrenspannung gehabt (0,1 Å), dann wären nach Tabelle 15.3 die Kontraste infolge starker Mitwirkung der Streuung viel schwächer gewesen. Bei 12 kV (1 Å) wären durch seine Schichten nur weniger als 10−5 der Anfangsintensität durch-
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gekommen, d. h. er hätte nichts mehr vergleichen können. Wahrscheinlich hat er mit 25–40 kV gearbeitet (0,5–0,3 Å). Hier kommen etwa 15–30% der Intensität durch. 15.2.2 Röntgen-Totalreflexion Alle Stoffe haben jenseits ihrer letzten Absorption (der Röntgen-K -Kante) eine Brechzahl n < 1, d. h. sind optisch dünner als Luft. Totalreflexion beim Auftreffen von Luft auf Glas ist daher möglich. Allerdings ist die Abweichung der Brechzahl von 1 noch kleiner als für sichtbares Licht in Luft. Nach der klassischen Dispersionstheorie ist angenähert n 2 − 1 = Ne2 /[ε0 m(ω20 − ω2 )]. Man erhält größenordnungsmäßig n − 1 ≈ 10−6 , bei Annäherung an die Absorptionskante ω0 , z. B. bei ω = 1,01ω0 , etwa 100-mal mehr. Das entspricht etwa dem Winkel streifender Inzidenz, den man braucht, damit ein sehr feines Strichgitter die Röntgenwellen etwa so beugt wie die 104 -mal längeren sichtbaren Wellen. Unter diesen Umständen verhindert die Totalreflexion den Intensitätsverlust, der sonst durch überwiegendes Eindringen in das Glas einträte. Das Reflexionsvermögen bei steilem Einfall ist nämlich etwa (n − 1)2 , also äußerst gering. 15.2.3 Charakteristische Strahlung Aus den Moseley-Barkla-Formeln (15.7) und (15.8) erhält man für die K α und L α -Linien von Mo (Z = 42) 4,1 · 1018 bzw. 5,5 · 1017 Hz, oder 17 bzw. 2,2 kV, für W (Z = 74) entsprechend 1,3 · 1019 bzw. 2,0 · 1018 Hz und 54 bzw. 8,2 kV. Uran hat eine K α -Linie bei 2,1 · 1019 Hz, d. h. 83 kV, Hahnium (Z = 105) hätte sie bei 2,7 · 1019 Hz oder 110 kV. Die Wellenlänge ist im letzten Fall nur noch 0,11 Å, was etwa zehn Durchmessern der bohrschen K -Bahn entspricht. Die schwersten Bestandteile normaler Gläser, K und Ca, haben K -Linien um 4 kV, sind also mit 25 kV gut anregbar. 15.2.4 Auger-Effekt Die heutige Theorie deutet den Auger-Effekt strahlungslos: Im Allgemeinen rutscht zunächst ein L-Elektron auf den freigewordenen Platz in der K -Schale nach und gibt die Übergangsenergie an ein anderes Elektron, vorzugsweise wegen dessen großer Nähe oder besser Überlappung ebenfalls an ein L-Elektron ab, das dadurch aus dem Atom geschleudert wird (die L-K -Termdifferenz ist ja etwa dreimal so groß wie die L-Ionisierungsenergie). In den freien L-Platz kann wieder ein M-Elektron nachrutschen und dabei ein anderes M-Elektron freimachen usw. Das Atom kann in einem ziemlich hochionisierten Zustand zurückbleiben. Man muss noch beachten, dass die Termenergien gegenüber den normalen durch das Fehlen eines oder mehrerer abschirmender Innenelektronen verschoben sind. Die Auswahlregeln für solche strahlungslosen Auger-Übergänge sind völlig anders als die für strahlende Übergänge, die voraussetzen, dass die resultierende Elektronenkonfiguration ein Dipolmoment hat. Die Ausbeute strahlender Übergänge steigt mit der Ordnungszahl etwa wie Z 4 , die Auger-Ausbeute hängt längst nicht so stark von Z ab, sodass die Grenze
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zwischen überwiegend strahlungslos und überwiegend strahlend in den tiefsten Zustand zurückkehrenden Atomen etwa bei Z = 30 liegt. 15.2.5 X-Ray panic Textilien haben praktisch die gleiche Zusammensetzung wie lebendes Gewebe, abgesehen von den Knochen (C, H, O, N), und daher auch praktisch das gleiche Absorptionsvermögen für Röntgenstrahlung. Auf Röntgenaufnahmen sehen die Kleider also genau so aus wie das, was darunter ist. 15.2.6 Tomographie Eine Röntgenröhre, die ein breites Büschel abstrahlt, und der Film werden in entgegengesetzten Richtungen am Körper vorbei verschoben (lineare Tomographie). Bei gleichen Geschwindigkeiten stehen nur die Organe in der Ebene halbwegs zwischen Röhre und Film immer vor der gleichen Stelle des Films, von der Röhre aus gesehen, und zeichnen sich scharf ab, alles andere ist zum Grauschleier verwischt. Bewegt sich der Film langsamer, liegt diese ,,Pivotalebene“ ihm näher. Schärfer wird das Bild bei kreisförmiger oder elliptischer Bewegung. Bei der Computer-Tomographie werden viele solche Läufe eines engen Bündels elektronisch gesteuert und ausgewertet. Beim Bestrahlen kann man ähnlich vorgehen. 15.2.7 Paarvernichtung Im Positronium-,,Atom“ kreisen, dem bohrschen Bild nach, Elektron und Positron in gleichem Abstand vom gemeinsamen Schwerpunkt. Die Korrektur der Rydberg-Konstante gegenüber dem Wert R∞ (ruhender Kern) ist daher erheblich: Entsprechend Aufgabe 13.9.1 ist R = 12 R∞ . Die kurzwelligste Lyman-Linie hat also 38 · 13,6 eV = 5,1 eV, der Grundzustand liegt bei − 6,8 eV. Für die Paarvernichtung eines ruhenden Elektronenpaares würde gelten 2hν = 2mc2 , für die Vernichtung aus dem PositroniumGrundzustand 2hν = 2mc2 − 12 h R∞ . Da der erste Summand 1 MeV, der zweite 6,8 eV ausmacht, ist die Verschiebung sehr schwer nachzuweisen. Paarbildung setzt voraus, dass die Primärwellenlänge λ0 12 λC ist. Die größte Compton-Streuwellenlänge (Rückwärtsstreuung, ϑ = 180◦ ) ist dann λmax = λ0 + 2λC . Die Paarvernichtungslinie liegt also immer zwischen unverschobener und maximal verschobener Linie. Je höher die Primärenergie, desto besser hebt sie sich ab, weil die Paarbildung immer intensiver wird, die Paarvernichtungslinie immer mehr von der Primärlinie abrückt und Compton-Streuung unter großem Winkel relativ und absolut immer seltener wird (der Gesamt-Compton-Querschnitt nimmt etwas langsamer als E −1 ab, der Paarbildungsquerschnitt dagegen steil mit E zu, vgl. Abb. 15.29). 15.2.8 Bremsstrahlung Mit einem linearen Näherungsansatz Iν (ν) = A(νgr − ν) folgt wegen Iν = d I/dν = −(d I/dλ) · λ2 /c = Iλ λ2 /c sofort Iλ = Ac2 (1/(λgr λ2 ) − 1/λ3 ). Das Maximum dieser Kurve liegt bei λm = 0,75λgr in der Höhe
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Iλ m = 0,14Ac2 /λ3gr ∼ U 3 . Das entspricht gut dem Verhalten der Kurven in Abb. 15.20b. Es besteht eine gewisse Ähnlichkeit mit der Planck-Kurve: λm ist proportional der Energie E der auslösenden Teilchen (hier eU, dort kT ), die Höhe des Maximums ist ∼ E 3 , also die Fläche unter der Kurve ∼ E 4 . Das Bremsspektrum ist aber echt abgeschnitten (bei λgr ), das PlanckSpektrum nicht. Dementsprechend sieht das Planck-Spektrum auch über ν qualitativ ähnlich aus wie über λ, was beim Bremsspektrum absolut nicht zutrifft. 15.2.9 Protonen-Therapie Röntgen- und γ -Quanten, Neutronen und Elektronen, wenn nicht zu schnell, laden ihre Energie nach einem exponentiellen Absorptionsgesetz ab. Ionisierungsdichte und biologische Wirkung nehmen also mit der Gewebetiefe ebenfalls exponentiell ab. Das gesunde Gewebe wird mehr geschädigt als der tiefliegende Tumor. Auch mit mehreren konvergenten Strahlenbündeln ist das nur teilweise zu beheben. Geladene schwere Teilchen geben ihre Energie in vielen Schritten ab, am wahrscheinlichsten, wenn sie langsam, also nahe dem Bahnende sind (Aufgabe 17.3.8: Bragg-Kurve). Die Tiefe dieser Zone maximaler Wirkung wächst stark mit der Energie (Abb. 17.26), der Bragg-Peak wird immer schärfer. Man kann also gezielt auf den Tumor schießen. 200 MeV-Protonen durchdringen etwa 25 g/cm2 , in organischem Gewebe also 25 cm. Ihr LET (linear energy transfer), also ihre Ionisierungsdichte ist dort mehr als 10-mal höher als an der Oberfläche. Wegen dW/dx ∼ M/W haben schwere Ionen ein höheres LET, brauchen aber auch noch mehr Energie, um so tief einzudringen. 15.3.1 Rotationsspektrum Das Trägheitsmoment um die Kernverbindungslinie stammt allein von den Elektronen, denn der Kern ist zwar 2 000–5 000-mal schwerer, aber 104 –105 -mal weniger ausgedehnt, sein Trägheitsmoment mr 2 ist daher viel kleiner als das der Elektronen. Aus ähnlichen Gründen zählen auch fast nur die Außenelektronen. Es sind meistens acht (Schalenabschluss bei der Bindungsabsättigung). Man erhält J ≈ 13 8mr 2 ≈ 3 · 10−50 kg m2 (r ≈ 1 Å), also mindestens 1 000-mal weniger als um eine dazu senkrechte Achse. Der entsprechende Linienabstand ∆ν ≈ h/(4π 2 J ) liegt mit etwa 1015 Hz schon fast im Sichtbaren, der Termabstand liegt um 1 eV oder darüber. Selbst bei 3 000 K, wo die meisten Moleküle schon dissoziiert sind, wäre die Besetzung des zweiten Rotationszustandes e−h∆ν/(kT ) nur größenordnungsmäßig 1%. Ein Beitrag zur spezifischen Wärme (6. Freiheitsgrad) wäre also erst bei Temperaturen zu erwarten, wo es gar keine Moleküle mehr gibt. 15.3.2 Schwingungsspektrum Normalerweise steigt das Potential steiler an, wenn man die Atome aneinander drückt, als wenn man sie auseinander zieht, wie auch in Abb. 15.35b angedeutet. Daher entspricht die mittlere Lage einem umso größeren Kernabstand, je höher angeregt die Kernschwingung ist. Das Trägheits-
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moment der höheren Schwingungsterme ist größer. Gleichzeitig liegen die Schwingungsterme nach oben hin immer dichter: In einem Parabelpotential (harmonischer Oszillator) wären sie äquidistant; weiteres Ausladen der Potentialkurve entspricht engeren Termabständen. Ein höherer Elektronenzustand entspricht sehr häufig auch einer lockeren Bindung, größerem Kernabstand und flacherem Potentialtopf, in dem die Schwingungsterme enger liegen. Dann trifft wie in Abb. 15.33 der Fall zu, wo die Bandenkante im R-Zweig liegt und die Bande nach längeren Wellen zu abgeschattet ist. 15.3.3 Franck-Condon-Prinzip Da die Kerne ihren Abstand während eines Elektronenüberganges praktisch nicht ändern können, sind solche Übergänge immer durch senkrechte Linien darzustellen, die zwei Potentialkurven verbinden, die zu den beiden Elektronenzuständen gehören. Jeder der beiden Potentialtöpfe enthält viele Schwingungsterme. Da ein Schwinger sich immer am längsten an seinen Umkehrpunkten aufhält (quantenmechanisch ausgedrückt: weil die Wellenfunktion des harmonischen Oszillators außen am größten ist), ist es sehr wahrscheinlich, dass der Elektronenübergang die Atome an Extrempunkten ihrer Schwingung antrifft. Diejenigen Linien werden also besonders intensiv, die Schwingungstermen entsprechen, deren Umkehrpunkte im Potentialkurvenschema direkt untereinander liegen. Je nach der gegenseitigen Lage der Potentialminima (bindender oder lockernder Elektronenübergang) kann das für sehr verschiedene Termkombinationen zutreffen. 15.3.4 Dissoziation Kernschwingungszustände werden durch horizontale Linien im Potentialtopf dargestellt. Diese Linien konvergieren wegen der nichtparabolischen Topfform gegen eine Seriengrenze, die Dissoziationsenergie, gegeben durch die Asymptote des rechten Astes der Potentialkurve. Ein dissoziierter Zustand liegt bei oder über dieser Grenze. Nach Franck-Condon erfolgen optische Übergänge ohne wesentliche Änderung der Kernlagen und -geschwindigkeiten. Ein Übergang vom Grundzustand (fast am Topfboden) unter Erhaltung des Kernortes, also senkrecht nach oben, führt in ein Gebiet, das heftiger Kernbewegung mit einer Geschwindigkeit entspricht, die viel größer als die im Grundzustand ist. (Die kinetische Energie wird gegeben durch den Abstand zwischen der Term-Horizontalen und der Potentialkurve.) Daher führt eine Absorption im Bereich des Schwingungsspektrums nicht zur Dissoziation. Thermische Stöße können dagegen dissoziieren, indem sie nach und nach immer höhere Schwingungszustände anregen. Optische Dissoziation ist nur unter Beteiligung eines Elektronenüberganges möglich. Die Potentialkurve eines hochangeregten Zustandes liegt entsprechend der Zunahme des Kernabstandes oft mit ihrer Seriengrenze oder ihrem Dissoziationsgebiet über dem Potentialminimum des Grundzustandes. Bei einer solchen Dissoziation bleibt meist einer der Bestandteile zunächst im angeregten Zustand. Die Energie des dissoziierenden Photons ist demnach gleich der Anregungsenergie plus
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der Dissoziationsenergie des Grundzustandes, die durch die Frequenz der Bandenkonvergenz gegeben wird. 15.3.5 Chemische Bindung Wenn der H-Operator bekannt ist, kennt man im Prinzip auch seine Eigenfunktionen, d. h. die möglichen stationären Zustände, und die Eigenwerte. Jeder nichtstationäre Zustand ist eine Linearkombination der Eigenzu stände: ψ = ck f k . Welchen Zustand das System zurzeit einnimmt, ist eine Frage der Vorgeschichte und gehört nicht zur allgemeinen Kennzeichnung. Wie sich ein gegebener Ausgangszustand zeitlich weiterentwickelt, ist wieder vollständig durch H in der Form ψ˙ = ih −1 Hψ bestimmt, oder in −1 nach den f k entwickelter Form c˙ i = ih Hik ck . Die Quantenmechanik behauptet also auch nicht mehr zu wissen als die klassische Mechanik, die die wesentlichen Eigenschaften eines Systems z. B. durch die Abhängigkeit seiner Energie von den Koordinaten und Impulsen der Einzelteilchen ausdrückt, die Anfangswerte dieser Koordinaten und Impulse aber auch als zufällig ansieht. – Der Grundzustand eines Systems, also der energieärmste Zustand, entspricht natürlich dem tiefsten Eigenwert. Wenn das Eigenwertproblem aber nicht direkt lösbar ist, wie meist, nutzt diese Tatsache nur indirekt. Der exakte H-Operator sei H = H0 + H , die Eigenfunktionen von H0 seien f k , wir entwickeln die exakte Eigenfunktion ψ = ck f k . Statt die übliche Störungsrechnung zu treiben, fragen wir: Bei welchen Werten der ck wird die Energie des Zustandes minimal? Diese Energie ist W = ψ ∗ · Hψ (diese Formulierung ist sogar allgemeiner, denn sie trifft nicht nur für Eigenwerte, sondern auch für Erwartungswerte von W zu). Entwickelt: W = i,k ci∗ f i∗ · ck H f k = i,k ci∗ ck Hik . Das soll minimal 2 ci = 0 sein, also δW = i (∂W/∂ci )δci = 0 mit der Nebenbedingung (Normierung). Bei der Bildung von ∂W/∂ci stören zunächst die ci∗ . Wir betrachten das Glied c∗k ci Hki . Seine Ableitung nach ci ist c∗k Hki . Unter den ck ∗ kommt ci aber auch vor. Die Ableitung ergibt sich mittels ∂/∂ci∗ = i) (∂/∂c ∗ ∗ ∗ als ck Hik . H ist hermitesch, d. h. Hik = Hki . Es folgt ∂W/∂ci = k ck Hki . Wären die ci unabhängig, könnte man alle diese Ausdrücke Null setzen und hätte das Minimum. Es soll aber ci2 = 1 bleiben. Diese Bedingung wird nach Lagrange (Abschn. 19.1.5) berücksichtigt, indem man die Va riation von ci2 mit dem noch unbestimmten Faktor α multipliziert und zu δW addiert: c∗k Hki + 2αci∗ = 0 δW + αδ ci2 = 2 oder Hki c∗k = −αci∗ . Hier ist der Vektor c∗k mit der Matrix Hki multipliziert, und herauskommen soll wieder c∗k -mal einem Zahlenfaktor −α. Das ist nichts weiter als die Eigenwertgleichung. Die Suche nach einer Eigenfunktion des Systems und die Suche nach dem Zustand minimaler Energie sind völlig äquivalent. Verfahren wie das von Ritz, bei denen die Eigenfunktionen aus geeigneten einfachen Funktionen mit Koeffizienten zusammengesetzt und die Koeffizienten dann so bestimmt werden, dass die Gesamtenergie minimal wird, sind im Wesentlichen identisch mit der Störungsrechnung oder dem Fall zweier schwach gekoppelter Teilsysteme (Aufgabe 12.7.8). Wir können die Ergebnisse übernehmen: Annäherung
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zweier identischer Teilsysteme bringt Überlagerung der Teilzustände zu einem symmetrischen und einem antimetrischen Zustand mit Energien, die gegenüber der Gesamtenergie der getrennten Systeme um die ,,Resonanzenergie“ abgesenkt bzw. angehoben sind. Das ist die Grundlage der Theorie der homöopolaren Bindung (Heitler und London), ist aber viel allgemeiner gültig. 15.3.6 Wasserstoffbrücke Die Partialladungen von O bzw. N in OH bzw. NH ergeben sich aus den Elektronegativitäten zu 0,43 bzw. 0,26. Für die N–H–O-Brücke 0,82 eV für die H–O-Anziehung, 0,54 eV für die O–N-Abstoßung, d. h. 0,28 eV oder 27 kJ/mol, was gut stimmt. Wasser hat etwas mehr (H–O-Abstand 1,76 Å): 1,47 eV für H–O, 0,94 eV für O–O, d. h. 0,54 eV. Jedes H2 O ist im Eis und fast auch so im Wasser an vier H-Brücken zur Hälfte beteiligt. 0,27 eV sind etwas zu wenig (Verdampfungsenergie 0,42 eV). In jedem Fall kommt eine Delokalisierungsenergie hinzu: Das Proton hat zwei Potentialminima bei O bzw. bei N, zwischen denen es springen kann (vgl. Abschn. 16.1.6).
= Kapitel 16: Lösungen . . . 16.1.1 Eisen-Kristall Die Raumerfüllungen durch kugelförmige Ionenrümpfe sind 0,7405 im kubisch-flächenzentrierten (kfz), 0,6802 im kubisch-raumzentrierten (krz) Gitter. Im kfz Gitter passen nämlich vier√Ionenradien auf die Flächendiagonale des Elementarwürfels: d = 2 2r; im √ krz Gitter passen vier Ionenradien auf die Raumdiagonale: d = 4r/ 3; Raumerfüllung ν4πr 3 /(3d 3 ) mit ν = 4 (kfz) bzw. ν = 2 (krz). An Zwischengitterplätzen stehen zur Verfügung: Im kfz Gitter eine Oktaederlücke pro Gitterteilchen, maximaler Radius einer einzubauenden Kugel rz = 0,414r (Würfelzentrum und Flächenmitten des Elementarwürfels), zwei Tetraederlücken pro Gitterteilchen mit rz = 0,225r (eine in jedem Achtelwürfel). Im krz Gitter gibt es drei Oktaederlücken pro Gitterteilchen mit rz = 0,155r (in den Flächenmitten und gleichwertig in den Kantenmitten). Obwohl also das krz Gitter im Ganzen mehr ,,Luft“ enthält, passen nur kleinere Zwischengitterteilchen hinein, weil dieser Platz schlechter verteilt ist. Die Lücken sind in einer Richtung sehr breit (0,633r in der Würfelfläche), können aber trotzdem nur sehr kleine Kugeln aufnehmen (0,155r senkrecht zur Würfelfläche). Kohlenstoff mit rC = 0,77 Å (vgl. Abb. 13.51) passt annähernd in die Oktaederlücken des kfz Gitters des Eisens (r = 1,24 Å, rz = 0,51 Å) und baut sich daher leicht in die Schmelze ein. Beim Übergang zum krz α-Gitter bei Abkühlung bleiben dem C zwei Wege: Er kann das Gitter zum tetragonalen Martensit-Gitter deformieren (der Elementarwürfel streckt sich dann in einer Richtung in die Länge), oder er kann sich ausscheiden, und zwar i. Allg. als Eisenkarbid Fe3 C. Diese intermetallische Verbindung ist viel härter als Eisen. Ihre Einschlüsse verhindern das Übereinandergleiten der Fe-Gitterebenen und härten das Eisen zum Stahl.
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16.1.2 Diamant-Schleiferei Diamant ist zwar härter als Stahl – d. h. bei gegenseitiger Langzeitbeanspruchung würde der Stahl nachgeben –, aber als Valenzkristall spröder als das Metall, das keine gerichteten Bindungen hat und bei hinreichend kurzzeitiger Beanspruchung überlegen ist. Oktaederflächen sind 111-Flächen. Sie sind dichter mit Atommittelpunkten besetzt als alle anderen Flächen. Eben deswegen aber ist der Abstand zweier benachbarter 111-Flächen größer als für alle anderen Flächen (Flächendichte ∼ Netzebenenabstand, denn die Gesamtzahl der Atome muss immer gleich sein). Dodekaederflächen (110) und Würfelflächen (100) sind um die Faktoren 0,612 bzw. 0,866 lockerer besetzt und einander näher. Nur jedes zweite Atom einer Oktaederfläche hat eine Bindung zur Nachbarnetzebene (dritte Bindung in der Netzebene verbraucht; abwechselnd eine Bindung zur oberen, eine zur unteren Netzebene). Jedes Atom in einer Würfelfläche reckt zwei Bindungen schräg der Nachbarfläche entgegen, die sich in sie verzahnt. – Dodekaederfläche: Auch zwei Bindungen/Atom zur Nachbarfläche; nicht so stark verzahnt wie die Würfelflächen. Die verschiedenen Schleifrichtungen einer Fläche unterscheiden sich ähnlich wie die Streichelrichtungen eines Hundefells mit dem Strich bzw. gegen ihn. Die Haare sind hier natürlich die schräg wegstehenden Bindungen. In einer 111-Oktaederfläche hat jedes Atom sechs nächste Nachbarn in sechszähliger Symmetrie um sich, in der 100-Würfelfläche vier nächste Nachbarn in vierzähliger Symmetrie, in der 110-Dodekaederfläche nur zwei nächste Nachbarn in zweizähliger Symmetrie (die anderen beiden Nachbarn sind weiter entfernt). Das erklärt die Form der Schlagnarben. 16.1.3 Madelung-Konstante e2 (2 − 22 + 23 − 24 + − . . . ) . 4πε0r0 Die Reihe konvergiert zum Verzweifeln langsam. Vergleich mit der lnReihe entpuppt die Madelung-Konstante, d. h. den Klammerausdruck als 2 ln 2 = 1,39. Für NaCl ist r0 = ( 12 (23 + 35,5)m p / )1/3 = 2,81 Å, also W = 5,1 eV · 1,39 = −7,0 eV. Beim dreidimensionalen NaCl-Kristall kommen − 8,8 eV heraus. W =−
16.1.4 Gitterpotential Bei großem Abstand überwiegt im Ionenkristall die CoulombAnziehung (n = 1), bei kleinem die r − p -Abstoßung. Das Minimum bei r0 = (m A/B)1/( p−1) hat die Tiefe E 0 = −(1 − 1/ p)B/r0 . Dort herrscht die Krümmung E 0 = ( p − 1)B/r03 . Die Dichte oder die Röntgenstreuung liefern r0 = 2,8 Å, der Born-Haber-Kreisprozess E 0 = 6,2 · 10−19 J pro Gitterion. Nach Abb. 11.23 haben die Gitterschwingungen die bemit der herrschende Wellenlänge 60 µm, ω = 3 · 1013 s−1 . Im Topf Krümmung E 0 schwingt ein Teilchen der Masse m mit ω = E 0 /m. Es folgt p = 4, B = 2,3 · 10−28 J m (genau der Coulomb-Wert e2 /(4πε0 )) und A = 1,3 · 10−57 J m4 .
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16.1.5 Thermische Ausdehnung Die Ionen schwingen im Potential E = E 0 + 12 E 0 x 2 + 16 E 0 x 3 = E 0 (1 + 3 3 2x 2 /r02 − 16 3 x /r0 ) (Aufgabe 16.1.4, Taylor-Entwicklung um Minimum) mit der Energie kT/2 = 2 · 10−12 J bei 300 K. Die Auswärts3 3 bzw. Einwärts-Amplituden folgen aus 2x 2 /r02 − 16 3 x /r0 = kT/(2W0 ) zu x = 0,062r0 bzw. − 0,053r0 . Das Mittel x/r0 = 0,0045 bedeutet einen Ausdehnungskoeffizienten 3 · 10−5 K−1 (die W-Kurve ist genähert parabolisch, daher ein Faktor 2; gemessen 4 · 10−5 K−1 , Tabelle 5.2). 16.1.6 E-Modul Unter der Zugspannung σ gilt ein Potential E = E 0 + 12 E 0 x 2 − σr 2 x mit seinem um x = σr 2 E 0 verschobenen Minimum. Der E-Modul E = E 0 /r0 hängt mit der beherrschenden Gitterfrequenz ω und der Gitterenergie E 0 zusammen: E = mω2 /r0 = mnE 0 /r03 . Die Bruchdehnung entspricht dem Wendepunkt von E(r). Wenn die Kraft pro Teilchen σr02 größer wird als die Wendepunktsteigung des ungestörten E(r), gibt es weder Minimum noch Maximum, der Kristall zerreißt spätestens dann, bei den Werten von Aufgabe 16.1.4 bei 4 · 1010 N/m2 . Das ist zu hoch: Ein Festkörper zerreißt nicht, indem jedes Einzelteilchen aus der Bindung an die Nachbarn herausschnappt, sondern indem ganze Reihen von Gitterteilchen in Versetzungen (Dislokationen) aneinander vorbeigleiten. 16.1.7 Gitterenergie Ionenkristall, z. B. NaCl: Jedes Na+ als Würfelmitte ist im einfachAbstand a = 2,8 Å kubischen Gitter umgeben von sechs Cl− im √ + im Abstand a 2 (Kantenmitten), (Flächenmitten), ferner von 12 Na √ 8 Cl− im Abstand a 3 (Ecken) usw. Die bis dahin aufgezählten Teilchen üben auf jedes Na+ ein Potential 12 2,1e2 8 e2 −6+ √ − √ = − ≈ 11 eV , 4πε0 a 4πε0 2,8 Å 3 2 d. h. 1 040 kJ/mol aus. Für den nächstgrößeren Würfel folgen 510 kJ/mol, was den beobachteten 370 kJ/mol schon viel näher kommt. Valenzkristalle sind nicht so einfach zu behandeln, da es keine einfache Theorie der homöopolaren Bindung gibt. Die Bindung ist eine absättigbare Nahewirkungskraft; z. B. für Diamant: Gitterenergie = 42 Bindungsenergien C–C. Diese Bindungsenergie ist teilweise weggefallene Nullpunktsenergie der bindenden Elektronen, weggefallen infolge Erweiterung des Potentialtopfes. Bei Erweiterung von 1 Å auf 1,5 Å in einer Richtung ergibt sich eine Senkung der Nullpunktsenergie h 2 /(8md 2 ) um 4 eV oder 370 kJ/mol, also 740 kJ/mol für das vierseitig gebundene Atom, was einigermaßen stimmt. Im Metall bietet das gesamte Gitter den Leitungselektronen einen gemeinsamen Potentialtopf von makroskopischen Abmessungen an. Verglichen mit den isolierten Atomen fällt also die Nullpunktsenergie der Leitungselektronen vollkommen weg. Na hat eine effektive Kernladung Z eff ≈ 1,8, sein Außenelektron sitzt in der Schale mit n = 3, die also nach Bohr den Radius n 2 · 0,5 Å/Z eff ≈ 2,4 Å hat. Die Nullpunktsenergie in einem Topf mit diesen Abmessungen ist 3,8 eV, d. h.
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370 kJ/mol. Dies ist auch die Gitterenergie pro Atom (ein Elektron pro Atom). Dipol-Bindung (Eis): Das Dipolmoment des H2 O-Moleküls lässt sich schätzen als p ≈ 0,6e · 1 Å · cos 52,5◦ (vgl. Abschn. 15.3.6), also p ≈ 6 · 10−30 C m. Zwei solche Dipole, antiparallel im Abstand a = 3,1 Å gelegen, der aus der Dichte des Eises √ folgt, üben aufeinander die potentielle Energie q 2 /(4πε0 ) · (2/a − 2/ a2 + l 2 ) ≈ q 2l 2 /(4πε0 a3 ) = p2 /(4πε0 a3 ) = 0,07 eV aus. Die Umgebung jedes Moleküls in der hexagonal-dichtesten Struktur hat vier nächste Nachbarn. Die entfernteren spielen kaum eine Rolle, da die Dipolkraft schneller als die CoulombKraft abfällt (mit r −3 statt r −2 ). Auf jedes Molekül entfallen wieder 4 2 Paarenergien, also 0,14 eV oder 12 kJ/mol, d. h. 240 J/g, was weit hinter der Verdampfungswärme (2 400 J/g) bleibt. Der Rest stammt aus der H-Brückenbindung. 16.1.8 Diamant und Eis Im Eis sind nur zwei der vier von einem O ausgehenden Bindungen mit Protonen besetzt, die zu diesem O gehören; die anderen beiden sind weiter entfernt. Im Diamant sitzt mitten auf jeder der vier Bindungen ein Elektronenpaar. Wir zeichnen zwei Nachbarteilchen und legen die Zeichenebene senkrecht zu ihrer Verbindungslinie. Abgesehen von dieser gemeinsamen Bindung streckt jedes Teilchen noch drei Bindungen seitwärts aus. Im Diamant ist es energetisch am günstigsten, wenn die Bindungen des einen C sich in dieser Ansicht zwischen die des anderen lagern, denn so wird der Abstand zwischen den Elektronenpaaren maximal. Es ergibt sich die Grundeinheit des kubisch-flächenzentrierten Zinkblendegitters. Im Eis sitzt von den vier Protonen, die zu den beiden betrachteten O gehören, eines auf der Verbindungslinie. Sagen wir, das untere O habe es gestiftet. Die beiden Protonen auf den Seitenbindungen des oberen O können sich maximal von dem verbleibenden Proton des unteren O entfernen, wenn die Bindungen nicht abwechselnd liegen wie im Zinkblendegitter, sondern übereinander fallen wie im Wurtzitgitter. Wenn Sie die vier wesentlich verschiedenen Anordnungen für das Eis (zwei für Zinkblende, zwei für Wurtzit) zeichnen, sehen Sie das sofort. 16.1.9 Reziprokes Gitter Der Abstand Auge–Modell gibt den k-Vektor der Primärstrahlung wieder. Jeder Punkt des reziproken Gitters ergibt einen möglichen Reflex, d. h. eine mögliche k -Richtung k = k + g. Der k -Vektor fängt da an, wo der Kristall war, also wo das Auge jetzt ist. Die Vektoren des reziproken Gitters haben eine Länge, die sich in reziproken Längeneinheiten ausdrückt. Hier sind natürlich die Einheiten Å bzw. Å−1 vorausgesetzt. Das Modell muss ziemlich ausgedehnt sein, um alle möglichen Reflexe darzustellen. Der Ursprung liege etwa in der Mitte des Modells, damit die praktisch wichtigen g-Richtungen alle vertreten sind. Wenn λ des Primärbündels wächst, muss man das Modell näherholen: Das Beugungsbild erweitert sich.
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16.1.10 Bucky Ball Eulers Satz über einfach zusammenhängende Polyeder: Die Anzahl der Ecken plus der der Flächen ist immer um 2 größer als die Anzahl der Kanten, E + F = K + 2. Beweis: Man baut das ,,Netz“ des Polyeders auf, ausgehend von einem Dreieck, für das natürlich E + F = K + 1 gilt. Bis das Netz fertig ist, fügt man Dreiecke an, wobei sich E + F − K nicht ändert (zum Aufbau eines Fünfecks z. B. muss man an das ursprüngliche zwei neue Dreiecke anfügen und die beiden entstehenden Diagonalen auslöschen; soll eine neue Fläche entstehen, lässt man die Grenzlinie stehen). Zum Schluss braucht man das Netz nur ins Räumliche zu ziehen und durch einen Deckel als letzte Fläche zu schließen: E + F − K = 2. Nun setzen wir x Fünfecke und y Sechsecke zusammen. Sie haben, einzeln betrachtet, zusammen 5x + 6y Ecken und ebenso viele Seiten, aber erst zwei solche Seiten bilden eine räumliche Kante, drei solche Ecken eine räumliche Ecke (vier oder mehr solche Polygone können nicht in einer Ecke zuammenstoßen, denn ihre Winkel geben zusammen mehr als 360◦ ). Der Polyedersatz heißt hier also (5x + 6y)/3 + x + y = (5x + 6y)/2 + 2. Beim Umordnen bleibt x = 12, und y fällt ganz weg: Die Anzahl der Sechsecke ist hierdurch nicht bestimmt. Schon mit y = 0 entsteht das Dodekaeder. Verlangt man noch Semiregularität (das Polyeder soll aus lauter regulären Fünf- und Sechsecken bestehen und in eine Kugel einbeschrieben werden können), bleibt außerdem nur noch y = 20, der Fulleren-Fußball. 16.2.1 Abtasttheorem Am einfachsten ist wieder die komplexe Darstellung. Die augenblickliche Auslenkung des Gitterpunktes Nr. n in einer Welle mit dem Wellenvektor k ist gegeben durch den Imaginärteil von eiknd . Dabei kann n alle ganzen Zahlen von −∞ bis +∞ durchlaufen. Die Punkte eiknd verteilen sich auf dem Einheitskreis als Vielfache des Grundwinkels kd. Genau die gleichen Punkte kommen auch heraus, wenn man 2π − kd als Grundwinkel benutzt, allerdings mit anderer Zählung der Vielfachen, nämlich rückwärts statt vorwärts. Die Wellenzahl k mit k d = 2π − kd oder k + k = 2π/d beschreibt die Auslenkungen der Teilchen also genauso gut. In Wellenlängen ergibt sich 1/λ + 1/λ = 1/d: Die Gitterkonstante ist das harmonische Mittel der beiden in Frage kommenden Wellenlängen. Wenn die eine größer als 2d ist, bleibt die andere kleiner. Man erfasst also alle Möglichkeiten allein mit λ 2d (ebenso gut könnte man auch alle λ 2d nehmen). Für fortschreitende Wellen dreht sich das Bild, und zwar das k-Bild links herum, das k -Bild rechts herum. Die beiden möglichen Wellen sind gegenläufig. Da ihre ω gleich sind, verhalten sich ihre Phasengeschwindigkeiten wie c−1 + c−1 = 2π/(ωd). 16.2.2 Einsteins spezifische Wärme Im klassischen Fall muss die Fläche unter der N(ε)-Kurve T -unabhängig sein, bei Einstein die Summe der N j , denn beide stellen die Gesamtzahl der Oszillatoren dar. Beide aber umso steiler mit ε ab, Verteilungen klingen je kleiner T ist. Daher ist εN(ε) dε bzw. jN j sehr viel kleiner, wenn T
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klein ist. Die meisten Oszillatoren haben immer die Energie 0, aber der größte Beitrag zur Energie stammt von denen mit ε = kT (Ableitung von εe−ε/(kT ) verschwindet bei ε = kT ). Solche Oszillatoren sind e-mal seltener als die mit ε = 0. Die Breite der N(ε)-Verteilung, nämlich N(ε)/N (ε) an der Stelle ε = kT , ist kT . Gesamtenergie ≈ Breite · Höhe ≈ NkT . Bei hω kT ist die Einstein-Verteilung nicht von der klassischen zu unterscheiden. Im anderen Grenzfall muss W bei Einstein viel kleiner bleiben, weil selbst der erste Term praktisch noch außer Reichweite ist. 16.2.3 Debyes spezifische Wärme Nach Debye steht ein parabolisches, bei k = π/d abbrechendes ω(k)Spektrum von Oszillatormodes zur Verfügung. Jeder dieser Modes kann nach Einstein j-fach angeregt sein. Der Beitrag zur Gesamtenergie steigt mit T , bleibt aber von ω ≈ kT/h ab hinter der Parabel zurück (ω3 /(ehω/(kT ) − 1)). Für T Θ wird die ganze Parabel ausgenutzt (klassischer Grenzfall). T muss andererseits sehr klein gegen Θ sein, damit der Energiebeitrag nur von ω kT/h stammt, d. h. damit die T 3 -Näherung gilt. T = Θ/3 liegt noch deutlich im komplizierten Übergangsbereich (Abb. 16.29). Bei kleinen T läuft die spezifische Wärme nach Debye flacher als nach Einstein, weil Debye auch energieärmere Schwingungen zulässt, deren erste Terme immer in Reichweite liegen. Die Anzahl solcher Modes nimmt allerdings mit abnehmendem T parabolisch ab. 16.2.4 Wie zählt man Wellen? In den würfelförmigen Hohlraum vom Volumen a3 passen stehende Wellen nur bei λ = 2a/n. Im Intervall (ν, ν + dν) liegen 4πa3 c−3 ν2 dν solche Wellen. Beim Licht zählt jede doppelt (2 Polarisationsrichtungen), beim Schall dreifach (1 longitudinale, 2 transversale Richtungen). RayleighJeans setzen für die Energie jeder Elementarwelle kT , Wien We−W/(kT ) mit der Boltzmann-Wahrscheinlichkeit und W = hν in heutiger Schreibweise, Planck und Debye setzen hν/(ehν/(kT ) − 1). Debye muss bei der Maximalfrequenz πc/a abschneiden, beim Licht braucht man das nicht, weil der Hohlraum keine Körnung hat. 16.2.5 Dispersion Bei m 1 = m 2 wird µ = m/2, also ω2 = 2Dm −1 1 ± 1 − sin2 (kd/2) = 2Dm −1 (1 ± cos(kd/2)) . Unterschied: d/2 statt d (Teilchenabstand halb so groß wie die Gitterkonstante); Auftreten des optischen Zweiges 1 + cos(kd/2). Verschiedenheit von Massen oder Ladungen ist nicht maßgebend für das Auftreten des optischen Zweiges (wohl aber für seine Absorptionseigenschaften), sondern nur die Tatsache, dass die Elementarzelle zwei Teilchen hat. In der kurzwelligen Grenze sind optische und akustische Frequenz beide 2D/m; der verbotene ω-Bereich ist für m 1 = m 2 nicht vorhanden. cs und vg verhalten sich im akustischen Zweig wie in Abb. 16.36 beschrieben. Im optischen
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verschwindet vg für lange und für kurze Wellen, cs = ω/k wird unendlich für k = 0 und hat den ,,akustischen“ Wert für kurze Wellen. Das Unendlichwerden von cs für ωopt = 0 zeigt, dass hierbei die größten Deformationen auftreten (Grundschwingung: ganzes Kationengitter schwingt gegen ganzes Anionengitter). 16.2.6 Phononenstoß Das neue Phonon hat k ≈ 2π/d. Dieser Wellenvektor fällt ins ,,verbotene Gebiet“, d. h. der entsprechende Schwingungszustand lässt sich realistischer durch eine Welle mit einem kleinen k darstellen, das nach Aufgabe 16.2.1 der Differenz 2π/d − k entspricht. Die Ausbreitungsrichtung ist ebenfalls nach Aufgabe 16.2.1 entgegengesetzt zu der der einfallenden Phononen: Es scheint, als sei das Phonon am Gitter reflektiert worden. Der Impulssatz ist befriedigt, wenn das Gitter einen Impuls hk ≈ h2π/d aufgenommen hat. 2π/d ist ein Vektor des reziproken Gitters. Auch jeder andere reziproke Gittervektor g käme in Frage: Wenn k1 + k2 zu groß wird, kann man es mit k1 + k2 = k + g in den erlaubten Bereich zurückholen. Die Energie wird durch diese Umdeutung nicht berührt: Das neue Phonon hat ω ≈ 2ω. Man kann auch sagen, das Gitter nehme keine Energie auf, weil es so schwer ist. 16.2.7 Steinsalzoptik Jeder Stoff reflektiert dort, wo er absorbiert. Das folgt aus dem kirchhoffschen Strahlungsgesetz (außer für den ideal schwarzen Körper), aber auch aus der Elektrodynamik: Absorption und Reflexion beruhen auf mitschwingenden Ladungen. Absorption drückt sich im einfachsten Fall durch √ ein negatives ε, d. h. eine imaginäre Brechzahl n = ε aus. In IonenkrisGrenzfrequenz tallen trifft das zu zwischen ω0 und ω1 , der langwelligen √ des optischen Zweiges und einer um den Faktor ε(0)/ε(∞) höheren Frequenz. ε(∞) beruht auf Hüllenpolarisation, ε(0) − ε(∞) auf statischer Gitterpolarisation. Für NaCl liest man aus Abb. 11.23 und 16.38 ab ω0 ≈ 5 · 1013 s−1 , also D = 12 µω20 ≈ 3 · 104 g s−2 ≈ 2 eV/Å2 . ω1 ist offenbar etwa doppelt so groß, also ε(0) etwa viermal so groß wie ε(∞). 16.2.8 Leitet Diamant? Das Wiedemann-Franz-Gesetz gilt nur, wenn beide Arten von Leitung durch Elektronen besorgt werden, d. h. für Metalle und trägerreiche Halbleiter. Wenn Phononen für die Wärmeleitung verantwortlich sind, kann die Lage sich umkehren: Je fester die Bindung und je reiner der Kristall, desto weniger freie Elektronen, also desto weniger elektrische Leitung gibt es, desto schneller und desto ungestörter laufen aber die Phononen. Beim Diamant, speziell beim synthetischen, ist das besonders deutlich. 16.2.9 Leitet Germanium? Im gewöhnlichen (isotopengemischten) Ge sind die Kerne mit den Massenzahlen 74, 72 und 70 (dazu etwas 76 und 73) regellos über die Gitterpunkte verteilt. Wegen seiner vom Durchschnitt abweichenden Masse wirkt jeder Kern als Streuzentrum für Phononen, denn das Gitter ist nicht mehr streng
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periodisch. Daher leitet angereichertes Ge besser. Die thermische Energie steckt ganz in den Phononen. Wenn T und damit W von Ort zu Ort verschieden sind, heißt dies, dass die Phononen verschiedene Anzahldichte haben und diffundieren. Ihre Diffusionsstromdichte D grad n gibt den Wärmestrom q = εD grad n = D grad εn = D grad W = D(dW/dT )grad T = Dcv grad T . D ergibt sich aus Geschwindigkeit cs und freier Weglänge l, die Wärmeleitfähigkeit auch: λ = 13 cslcv . Bei tiefen Temperaturen ergibt die doppeltlogarithmische Auftragung eine Steigung 3, d. h. ∼ T 3 . So verhält sich die Debyesche spezifische Wärme, d. h. die gesamte Phononenenergie. l muss also konstant und z. B. durch Kristallitgrößen bestimmt sein. Man findet l ≈ 0,1–1 mm. Bei höherem T werden Phonon-PhononStöße unter Gitterbeteiligung (Peierls-Umklappen) häufiger, und zwar ∼ n 2 . Daher biegt die Kurve in eine ungefähre T −3 -Abhängigkeit ein. 16.3.1 Fermi-Grenze Typische Elektronenkonzentrationen sind n ≈ 1022 –1023 cm−3 für Metalle, 1016 –1021 cm−3 für Halbleiter, 105 –1016 cm−3 für Plasmen. Jedes Elektron braucht das Volumen h 3 /2 im sechsdimensionalen Phasenraum. Im Ortsvolumen V sitzen nV Elektronen. Sie brauchen das Impulsraumvolumen nVh 3 /(2V ) = nh 3 /2. Dieses Volumen bildet eine Kugel vom Radius pF , da die Auffüllung von kleinen Energien an erfolgt: 43 π p3F = nh 3 /2. Die Maximalenergie (Fermi-Grenze) ist also WF = p2F /(2m) = 18 n 2/3 h 2 32/3 /(mπ 2/3 ) (vgl. (16.54)). Tabelle L.4. n WF TE
cm−3
105
1010
1016
1021
1022
1023
eV K
10−11 10−7
10−8 10−4
10−4 1
0,3 3 · 103
1,3 104
6 5 · 104
Im Metall ist das Elektronengas immer entartet und nach der Fermi-Statistik zu behandeln, im Halbleiter nur bei sehr hoher Leitungselektronenkonzentration (um 1020 cm−3 und höher). Für die Valenzelektronen und meist auch für die Störterme muss man dagegen mit der Fermi-Verteilung rechnen. Plasmen sind i. Allg. nichtentartet, d. h. durch die Boltzmann-Statistik beschreibbar. Nur im Innern der Sterne kommt es vor, dass die Zunahme von WF mit der Dichte die Zunahme von kT überholt und Entartung eintritt. 16.3.2 Brillouin-Zonen Wir betrachten eine bestimmte Netzebene in einem Kristall und Elektronen, die senkrecht zu dieser Netzebene fliegen, d. h. deren ψ-Wellen sich senkrecht zu ihr ausbreiten. Der Abstand solcher Netzebenen sei d. Wenn die Bragg-Bedingung 2d = nλ erfüllt ist, werden die Elektronen an jeder Netzebene reflektiert, und zwar so, dass alle reflektierten Wellen in Phase sind und einander verstärken. Die primäre und die reflektierte Welle setzen sich daher zu einer stehenden Welle zusammen. Eine fortschreitende Welle dieser Richtung und Wellenlänge kann sich im Kristall nicht ausbreiten.
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Durch den Elektronenimpuls p = h/λ ausgedrückt, lautet diese Bedingung p = nh/(2d). Die Ausbreitungsrichtung ist mitberücksichtigt, wenn man schreibt p = hk. Die stehende Welle hat zwei Hauptschwingungsformen: In den Gitterpunkten, d. h. dort, wo die positiven Ionen sitzen, können Knoten oder Bäuche der Elektronendichte sein. Der zweite Fall ist energetisch um die Coulomb-Energie der größeren Wechselwirkung günstiger. Jeder Zustand, der zu einem solchen Impulswert gehört, spaltet also in zwei Zustände auf, die sich energetisch um eine beträchtliche Energie, die Breite der verbotenen Zone, unterscheiden. Je nachdem ob man sich dem kritischen Impulswert von unten oder von oben her nähert, mündet die fortschreitende Welle in den unteren oder den oberen Zustand mit stehender Welle ein. Die ,,stehenden“ Zustände entsprechen also den Bandrändern, die ,,fortschreitenden“ dem Innern des Bandes. Das freie Elektron hätte die übliche Energie-Impuls-Abhängigkeit W = p2 /(2m), eine Parabel. Diese Parabel wird an den kritischen p-Werten aufgeschnitten, und die losen Enden werden aufwärts bzw. abwärts gebogen, um die verbotenen Zonen zu erzeugen (Abb. 16.50). Jedes Band, außer dem ersten, erhält so eine S-förmige W( p)-Abhängigkeit mit einem Wendepunkt, der nicht notwendig in die Mitte fällt. 16.3.3 Effektive Masse Wenn die ψ-Welle eines Teilchens gegeben ist, kann man Energie und Impuls sofort als W = hν, p = h/λ ablesen. Der Impuls ist dabei noch nicht notwendig mit einer Geschwindigkeit verbunden: Die Phasengeschwindigkeit der Welle hat nichts damit zu tun. Wenn man eine Wellengruppe aus mehreren monochromatischen Einzelwellen zusammenbaut, hat man die Gruppengeschwindigkeit v = dν/dλ−1 (vgl. Abschn. 4.2.4b), d. h. v = dW/d p. Dies ist für ein freies Teilchen mit W = p2 /(2m) selbstverständlich, gilt aber auch, wenn dieser einfache Zusammenhang W( p) nicht mehr zutrifft, z. B. im Kristall. Die Beschleunigung ergibt sich daraus als v˙ = ∂/∂t( dW/d p) = p∂ ˙ 2 W/∂ p2 . Beachtet man, dass die Impulsänderung eine Kraft ist, dann verhält sich das Elektron so, als habe es die ,,effektive Masse“ (∂ 2 W/∂ p2 )−1 . Für das freie Teilchen mit W = p2 /(2m) ergibt sich so der übliche, konstante Wert. Im Energieband eines Kristalls mit seinem S-förmigen W( p) (vgl. Aufgabe 16.3.2) entspricht der Wendepunkt von W( p) seltsamerweise einer unendlichen effektiven Masse. Am Wendepunkt wechselt diese das Vorzeichen: im unteren Teil des Bandes ist sie positiv, im oberen negativ. Teilchen mit negativer Masse laufen langsamer, wenn man sie zu beschleunigen versucht. So radikal und eigenartig wirkt sich die Bindung ans Kristallgitter auf die Elektronen aus, die offenbar nur mit großem Vorbehalt als ,,quasifrei“ anzusehen sind. Für die meisten Betrachtungen kommt man allerdings mit dem üblichen Teilchenbild aus, wenn man diese seltsamen Werte der Masse und ihre Veränderlichkeit beim Aufsteigen und Absinken im Band berücksichtigt. 16.3.4 Elektron und Loch Ein Loch im Valenzband ist ein fehlendes Elektron, genau wie in der Dirac-Theorie ein Positron ein fehlendes Elektron in einer sonst vollbesetz-
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ten ,,energetischen Unterwelt“ ist. Die energetische Trennung von Unterund Oberwelt ist allerdings im Festkörper viel kleiner: Einige eV gegen 1 MeV im Vakuum. Man kann also das Loch als Antielektron, die Absorption eines Photons mit Hebung eines Valenzelektrons ins Leitungsband als Paarbildung und die Rekombination zwischen Elektron und Loch als Paarvernichtung auffassen. Legt man ein elektrisches Feld an einen Kristall, der Löcher im Valenzband hat, dann nutzen die Valenzelektronen die Möglichkeit aus, durch reihenweises Hineinspringen in den unbesetzten Zustand sich vom Feld ziehen zu lassen. Das Loch wandert in entgegengesetzter Richtung. Wenn eine Blase aufsteigt, kann man ja auch gleichberechtigt sagen ,,die Blase steigt“ oder ,,ein Wasservolumen von der Größe der Blase fällt in diese hinein, usw.“. Das Loch transportiert dann positive Ladung in Gegenrichtung zum Elektronenfluss, leistet also einen Strombeitrag gleichen Vorzeichens wie die Leitungselektronen, nur i. Allg. mit anderer Beweglichkeit. Die Leitfähigkeit ist σ = e(nµn + pµp ). 16.3.5 Quanten-Hall-Effekt Ein Elektron führt im Hall-Element außer der Driftbewegung längs E, die im Magnetfeld zum Querabtrieb und zum Hall-Feld führt, auch die viel schnellere thermische Bewegung aus, die für ein freies Elektron zum Kreis bzw. zur Spirale aufgerollt wird. Bezeichnungen wie in Abb. 7.6. Querspannung U = E d = vBd = µUdB/l, I = bdµen E = bdµenU/l, also RH = U /I = B/(enb). Ein Elektron nimmt, in Richtung des BFeldes, also der Dicke b betrachtet, die Fläche 1/(nb) ein (hinter der Fläche ld liegen ja alle ldbn Elektronen). Auf diese Fläche entfällt ein Flussquant h/(2e) (Aufgabe 16.7.2) bei RH = h/(2e2 ) = 12 906 Ω. Ein freies Elektron würde auf seiner Kreisbahn um das Feld B genau die Bohr-Bedingung erfüllen, wenn diese Bahn ein Flussquant umschlingt: mv2 /r = evB = hv/(2πr 2 ), also L = mvr = h/(2π). Eine solche Bahn kommt im Kristall nur zustande, wenn ihr Radius r = mv/(eB) wenige Atomabstände ausmacht, also bei kleinem v (kleinem T ) und großem B. Bei B = 20 T, T = 2 K wird nach der klassischen Statistik r ≈ 10−9 m. Genauer versteht man den Klitzing-Effekt aus der Struktur der Fermi-Flächen im Zusammenwirken mit dem Landau-Paramagnetismus (Aufgabe 7.4.4). 16.4.1 Reiner Halbleiter Man kann das Problem auf mehrere scheinbar verschiedene Arten behandeln: Als chemisches Gleichgewicht zwischen Elektronen und Löchern (Massenwirkungsgesetz), analog zur thermischen Ionisation (Saha-Eggert-Gleichung), mittels der Boltzmann-Verteilung und, was am angemessensten erscheint, mittels der Fermi-Verteilung. Das Ergebnis ist jedes Mal dasselbe, weil allen speziellen Betrachtungsweisen die Boltzmann-Verteilung zugrunde liegt, die bei den großen energetischen Abständen, um die es sich hier handelt, von der Fermi-Verteilung nicht zu unterscheiden ist. Nehmen wir also gleich die Fermi-Verteilung. Für jedes Elektron, das ins Leitungsband gehoben wird, muss im störstellenfreien Kristall ein Loch im Valenzband entstehen. Wenn beide Bänder ungefähr die gleiche Gestalt (das gleiche statistische Gewicht) haben,
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liegt daher die Fermi-Grenze in der Mitte der verbotenen Zone. Die Breite ∆W der verbotenen Zone ist kT , also sieht der Schwanz der Fermi-Verteilung, der in die Bänder ragt, genau wie eine BoltzmannVerteilung aus: f(W ) = f 0 e−∆W/(2kT ) , f 0 ist die Elektronendichte pro Energieintervall im Valenzband, f(W ) diejenige in der Höhe W über dem Leitungsbandrand. Praktisch liegen alle Leitungselektronen in einem Streifen der Breite kT am unteren Bandrand, also n = N0 e−∆W/(2kT ) mit N0 = f 0 kT . Vom Rekombinationskoeffizienten ist hier noch nicht die Rede. Andererseits muss aber die gefundene Gleichgewichtsbesetzung auch aus der Gleichheit zwischen thermischer √ Anregung und Rekombination folgen: n˙ = αN0 − βn 2 = 0, also n = αN0 /β. Es muss also sein α = βN0 e−∆W/(kT ) . Die Werte von α und β einzeln spielen nur im Nichtgleichgewicht eine Rolle. Bei langsamer T -Änderung bleibt man immer im Gleichgewicht, und die Leitfähigkeit ändert sich proportional n. Die Neigung der Arrhenius-Geraden ln σ = const − ∆W/(kT ) gibt dann direkt ∆W. 16.4.2 Isolator Nach Aufgabe 16.3.2 entsteht die verbotene Zone durch Aufspaltung der Energie einer stehenden ψ-Welle in einen Zustand, wo die Elektronen alle nahe bei den Ionenrümpfen sind, und einen anderen, wo sie dazwischenliegen. Es handelt sich also im zweiten Zustand sozusagen um eine halbe Ionisation. Da die typischen Ionisierungsenergien von Halbleiter- und Isolatorbausteinen zwischen 4 und 9 eV liegen, kann man Bandbreiten von maximal 2–5 eV erwarten. Für einen fast störstellenfreien Kristall mit ∆W = 2 eV erhält man nach Aufgabe 16.4.1 etwa n = N0 e−∆W/(2kT ) ≈ 1020 e−40 ≈ 103 cm−3 . Für eine Konzentration ionisierter Störstellen von 10−6 Atomen/Grundgitteratom, d. h. N ≈ 1017 cm−3 , erhält man nach Abschn. 16.3.1 eine Beweglichkeit der Leitungselektronen von µ ≈ 102 cm2 /Vs; bei sehr viel unreinerem Kristall (N ≈ 1022 )µ ≈ 10−3 cm2 /Vs. Damit ergeben sich Leitfähigkeiten um 10−14 bzw. 10−20 Ω−1 cm−1 . Der kleinere dieser Werte wird deshalb nur in Ausnahmefällen erreicht, weil eine erhebliche Verunreinigung auch die effektive Breite der verbotenen Zone reduziert, womit n meist schneller steigt als µ abnimmt. 16.4.3 Dotierung Ein As-Atom im Si- oder Ge-Gitter sucht sich so gut wie möglich seiner kubisch-flächenzentrierten Umgebung einzufügen. Seine vier Nachbaratome reichen ihm je ein Elektron entgegen. Das As steuert seinerseits je ein Elektron zur Bindung bei, behält aber noch ein Außenelektron übrig. Dieses ist infolge der verstärkten Abschirmung durch die anderen Elektronen nur noch sehr lose gebunden und macht sich sehr leicht als Leitungselektron selbständig. Das As bildet also einen Donator. Der positive As-Rumpf und das Überschusselektron verhalten sich wie ein wasserstoffähnliches System, eingebettet in ein Medium hoher DK. Nach Bohr wird die Ionisierungsenergie eines solchen Systems um den Faktor ε2 gesenkt, der Bahnradius um den Faktor ε erhöht: Wion = 13,6 eV/ε2 , d. h. 0,014 eV für
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Ge, 0,045 eV für Si: r = ε · 0,52 Å, d. h. 16 Å für Ge, 9,0 Å für Si. Damit ist gesichert, dass das Elektron eine weite Bahn beschreibt, die sehr viele Gitterpunkte umfasst, sodass man tatsächlich mit der makroskopischen DK rechnen kann. Die Ionisierungsenergie entspricht etwa 3kT , d. h. thermische Ionisierung ist sogar bei Zimmertemperatur leicht. Beim Einbau eines Ga-Atoms fehlt ein Bindungselektron. Verglichen mit der kompletten Vierelektronenpaar-Umgebung kann man das System als Loch im Feld eines negativen Ions auffassen. Die Ionisierungsenergie ist die gleiche wie oben. Ähnliche Betrachtungen gelten allgemein für den Einbau von Teilchen aus ,,falschen“ Spalten des Periodensystems in ein Gitter. 16.4.4 Beweglichkeit Der Hall-Effekt liefert direkt ne, d. h. Ladungsvorzeichen und Trägerkonzentration (vgl. Abschn. 7.1.4). Handelt es sich um Elektronen und Löcher, dann findet man e( p − n). Man kann also folgern, welche Trägersorte überwiegt (die Bilanz n = p gilt ja nur, wenn es keine Störstellen gibt, die einen erheblichen Teil der Träger eines Vorzeichens abfangen können). Im Allgemeinen überwiegt eine Trägerart so stark, dass man nur −en bzw. e p braucht. Eine direkte Leitfähigkeitsmessung liefert σ = e(nµn + pµp ), also zusammen mit RH die Beweglichkeit der überwiegenden Trägersorte. Man kontaktiere z. B. ein Kristallplättchen von 1 × 1 cm2 Fläche und 1 mm Dicke an den Längsseiten und lege 1 V an. Dann möge 10 mA fließen, und senkrecht dazu und zum Magnetfeld B = 1 Vs/m2 mögen sich die Querspannung von 10 mV aufbauen. Man findet σ = 10−3 Ω−1 cm−1 und n = 6 · 1015 cm−3 und µ = 100 cm2 /Vs. Die Träger sind positiv, wenn Querfeld, Längsfeld und Magnetfeld die rechte-Hand-Regel erfüllen. 16.4.5 Randschicht Wenn der Kristall absolut nicht leitete, würde sich eine ganze Bandstruktur im homogenen Feld durch Addition des Potentials Ex einfach etwas schrägstellen. In Wirklichkeit gilt diese Situation nur eine sehr kurze Zeit nach Einschalten des Feldes; dann häuft der Strom schließlich so viele Elektronen an der einen und Löcher an der anderen Stirnfläche an, dass das Feld im Innern gerade kompensiert wird. Diese Ladungsanhäufung frisst also das angelegte Feld auf und muss, als Flächenladung aufgefasst, die Flächenladungsdichte = εε0 E haben (vgl. Abschn. 6.1.4). Tatsächlich gibt es keine flächenhafte Aufladung, sondern eine Wolke mit der Debye Hückel-Dicke d = εε0 kT/(e2 n ∞ ), die sich aus dem Gleichgewicht von Feldstrom und Diffusionsstrom ergibt (vgl. Abschn. 6.4.6). Die ,,Flächenladungsdichte“ ist dann = en ∞ d = εε0 E, d. h. man erhält d = kT/(eE) und n ∞ = εε0 E 2 /(kT ). Für Felder von 104 bzw. 106 V/cm ergeben sich Randschichtdicken d von 200 Å bzw. 2 Å und Ladungsträgeraufgebote n ∞ von 2 · 1015 bzw. 2 · 1019 cm−3 . Im Kristallinnern laufen die Bandränder horizontal. Wenn man korrekterweise mit der vertikalen Koordinate die Elektronenenergie meint, muss man in den Randschichten die Bandränder und die Störstellenniveaus auf- bzw. abwärts biegen. Ganz am Rand, wo das äußere Feld noch eindringt, folgen die Niveaus der Richtung des äußeren Potentials. Die Fermi-Grenze, die angibt, wie hoch die Zustände
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besetzt sind, verläuft dagegen horizontal. Täte sie das nicht, d. h. wären die Elektronen irgendwo energetisch höher getürmt als anderswo, dann würden Diffusionsströme einsetzen, die diese Unebenheit der Fermi-Grenze ausglichen. Bei so auf- bzw. abgewölbten Niveaus wird klar, warum auf der einen Seite mehr, auf der anderen weniger Elektronen sitzen als ohne Feld. Ganz allgemein läuft also die Fermi-Grenze (auch elektrochemisches Potential genannt) im Gleichgewicht immer horizontal. Längs jeder Neigung der Fermi-Grenze müssen sofort Elektronen fließen. 16.4.6 Kontaktierung In einem Halbleiter mit Donatoren verläuft die Fermi-Grenze oberhalb von diesen, denn sonst wären sie leer, also keine Donatoren. Beim Kontaktieren setzt sofort ein Diffusionsstrom ein, der wasserfallartig Elektronen über die Stufe der Fermi-Grenze stürzen lässt, bis die Randschicht so an Elektronen verarmt ist, dass die Fermi-Grenzen sich einander angeglichen haben. Bandränder und Donatorniveau haben sich dann so hochgebogen, dass die entleerten Donatoren oberhalb der Fermi-Grenze zu liegen kommen. Wenn D die ,,Dotierung“, d. h. die Konzentration der Donatoren pro m3 ist, kann man ohne Anzapfung des Valenzbandes maximal das Elektronendefi3 zit n ∞ = D pro m der Randschicht erzeugen. Die Randschichtdicke wird D) und entspricht nach Aufgabe 16.4.5 einer Felddann d = εε0 kT/(e2 √ stärke E = kT/(ed) = kTD/(εε0 ) oder einer Spannung U = Ed = kT/e, die an der Randschicht liegt. Bei Zimmertemperatur ist diese Spannung 1 V. Die Randschicht als der elektronenärmste, also schlechtestleinur 40 tende Teil wirkt wie ein großer Widerstand, der hinter einem kleineren liegt. Infolgedessen fällt i. Allg. die volle am Kontakt liegende Spannung an der Randschicht ab. Hat diese Spannung in der richtigen Polung, d. h. so, dass sie Elektronen aus dem Halbleiter in die Randschicht treibt, den Wert kT/e oder mehr, dann ,,weht die Randschicht zu“, die Bandkrümmung gleicht sich aus und der Leitwert des ganzen Kontakts entspricht dem des ungestörten Halbleiters. Bei der entgegengesetzten Polung werden noch mehr Elektronen aus der Randschicht abgezogen, diese wird breiter, und der Widerstand des Kontakts nimmt zu. So ergibt sich eine Gleichrichter-Charakteristik I(U ), auf der einen Seite steil, auf der anderen flach. Auf diesem Prinzip beruhten die Detektoren der alten Radiotechnik (Metallspitzen auf Halbleiterkristallen), die durch Elektronenröhren ersetzt wurden, aber in den Kristalldioden wieder zu Ehren gekommen sind und immer noch das stilisierte elektrotechnische Symbol eines Gleichrichters hergeben. 16.4.7 Diodenkennlinie Es kommt darauf an, was die vertikale Koordinate darstellen soll. Wenn sie die Elektronenenergie unter Einbeziehung der eigenen Felder angeben soll, muss die Fermi-Grenze im Gleichgewicht waagerecht laufen, und zwar im Fall von Abb. 16.63b links zwischen Donatoren und Leitungsband, rechts zwischen Akzeptoren und Valenzband. Die Niveaus sind also schon ohne äußeres Feld S-förmig verbogen. Die Versetzung der Fermi-Grenzen entspricht einer Kontaktspannung von der Größenord-
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nung 1 V. Links von der Grenzfläche bildet sich eine Elektronen-, rechts eine Löcher-Verarmungsrandschicht, in denen die Donatoren (links) bzw. die Akzeptoren (rechts) praktisch unbesetzt sind. Links ist die n-Leitung, rechts die p-Leitung stark herabgesetzt. Wenn die Spannung in Durchlassrichtung größer ist als die Kontaktspannung, sind die Randschichten zugeweht: Die Diode leitet entsprechend den ,,bulk“-Eigenschaften der kompakten Halbleiter. Für die Sperrrichtung ergibt sich der Feldverlauf in der Randschicht so: Die Potentialkrümmung U ist nach Poisson U = /(εε0 ) = eD/(εε0 ), wo D die Dotierung (Donatoren bzw. Akzeptoren pro cm3 ) ist. Integration ergibt für die Spannung an den Randschichten U = eDd 2 /(4εε0 ). Je mehr Spannung U man anlegt, desto dicker wird die Randschicht, d. h. die von Elektronen entblößte Schicht. Der Widerstand der ganzen Diode ist proportional d, also ∼ U 1/2 , d. h. es ergibt sich eine I ∼ U 1/2 -Kennlinie in Sperrrichtung. Wird die Spannung für die gegebene Dotierung zu hoch, dann reichen die Störterme nicht aus, um die nötige Potentialdifferenz zu erzeugen. Man braucht zusätzlich Leitungselektronen links, Valenzlöcher rechts. Sie können u. U. erzeugt werden, indem die Randschicht durchtunnelt wird. Der für den Tunneleffekt typische eU/U0 -Faktor taucht dann auch in der Kennlinie der Tunnel-Diode auf. 16.4.8 Thermolumineszenz Das Gleichgewicht zwischen Leitungs- und Trapelektronen lässt sich nur selten nach dem gleichen Schema behandeln wie das zwischen Leitungselektronen und Valenzlöchern, nämlich dann, wenn die Valenzlöcher sich an der Trägerbilanz nicht merklich beteiligen, d. h. wenn die FermiGrenze zwischen Traps und Leitungsband liegt. Im Allgemeinen liegt sie tiefer, d. h. im Valenzband sind ebenso viele Löcher ( p im cm3 ), wie Traps und Leitungsband zusammen Elektronen enthalten (h bzw. n im cm3 ). Der Ausläufer der Fermi-Verteilung, der die relative Besetzung von Traps und Leitungsband beschreibt, kann als Boltzmann-Verteilung angenähert werden, d. h. es ist n/N0 = (h/H )e−W/(kT ) (W: Traptiefe vom Leitungsband aus). N0 ist das statistische Gewicht des Leitungsbandes, in dem die Elektronen ein quasifreies Fermi-Gas bilden, also analog zur Eggert-Saha-Gleichung (Abschn. 8.1.5, Herleitung entsprechend Abschn. 19.3.3): N0 = (2πmkT/h 2 )3/2 = 1,2 · 1019 cm−3 . H ist die Anzahl/cm3 der Traps, also die Dotierung. Dieses Verhältnis zwischen n und h muss auch aus dem Gleichgewicht zwischen thermischer Befreiung aus den Traps (γh solche Prozesse/cm3 s) und Wiedereinfang in leere Traps (αn(H − h) solche Prozesse/cm3 s) folgen. Bei h H, was der Boltzmann-Näherung entspricht, ergibt sich γh = αHn, d. h. n = γh/(αH ), und durch Vergleich γ = αN0 e−W/(kT ) . Die Wahrscheinlichkeit für thermische Befreiung (Ausheizen) steigt also erwartungsgemäß steil mit T an. Die Einfangswahrscheinlichkeit kann man so abschätzen: α = Av, wobei A: Einfangquerschnitt der Traps, v thermische Elektronengeschwindigkeit im Band. Wenn die leeren Traps positiv geladen sind, ergibt sich nach Abschn. 16.3.1 A ≈ 10−10 –10−12 cm−2 , also α = 10−3 –10−5 cm3 /s. Ungeladene leere Traps fangen nur mit ihrem
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geometrischen Querschnitt A ≈ 10−15 cm3 ein, also α ≈ 10−8 cm3 /s. Bei Temperatursteigerung wächst γ sehr steil an. Trapelektronen werden mit zunehmender Rate befreit, fallen z. T. in die Traps zurück, rekombinieren aber auch mit Valenzlöchern. Effektiv nimmt also h zuerst langsam, bei höheren Temperaturen sehr schnell ab. In den meisten Fällen steht n immer mit dem jeweiligen h im Gleichgewicht: n = N0 (h/H )e−W/(kT ) . Der mit T steil ansteigende e-Faktor, multipliziert mit der fallenden Funktion h, ergibt das ,,Glowmaximum“ für die Leitfähigkeit (n) bzw. für die Lumineszenz, die mit der Rekombination verbunden ist. Temperaturlage und Form des Glowbuckels geben Aufschluss über Traptiefe und andere kinetische Parameter. 16.4.9 Kristallphosphor Ein reiner Kristall hat eine wohldefinierte maximale Rekombinationsenergie und daher ein Spektrum, das an einer ziemlich scharfen langwelligen Kante abbricht; sie entspricht der Breite der verbotenen Zone oder, bei wesentlicher Beteiligung von Störtermen, deren Abstand vom Bandrand. Die daraus resultierende Farbigkeit des Spektrums lässt sich für Farb-Bildschirme ausnutzen, muss aber bei Schwarz-Weiß-Schirmen unterdrückt werden (Mischung von Phosphoren mit verschiedener Kantenlage). Der anregende Elektronenstrahl (um 1 keV) wirft Valenzelektronen so hoch ins Leitungsband, dass sie auch aus größerer Höhe rekombinieren. Diese Rekombination muss so schnell erfolgen, dass das Nachleuchten kurz genug ist, um keine ,,Leuchtspuren“ hinter rasch bewegten Objekten zu ergeben. Ein Bildpunkt, der bei einem Durchgang des Elektronenstrahls angeregt wurde, muss also bis zum nächsten Durchgang (0,04 s später) so weit abgeklungen sein, dass er den nächsten, evtl. viel kleineren Helligkeitswert aufnehmen kann. Die n Leitungselektronen/cm3 rekombinieren mit den ebenso zahlreichen Valenzlöchern gemäß n˙ = −βn 2 , integriert n = n 0 /(1 + βn 0 t). Die Zeitkonstante τ = 1/(βn 0 ) muss etwa 10 ms sein, damit Helligkeitsschwankungen um den Faktor 5 von Bild zu Bild wiedergegeben werden können. Wenn jeder Rekombinationsakt ein sichtbares Photon erzeugt, kommen aus der Phosphorschicht der Dicke d während der Bildperiode n 0 d Photonen/cm2 ; das Auge integriert sie über die Bildperiode. Das Bild soll maximal nicht so hell sein wie sonnenbeschienene Gegenstände. Die Sonnenoberfläche emittiert σT 4 ≈ 104 W/cm2 , Verdünnung auf 1/2202 bis zur Erde bringt 0,2 W/cm2 für eine schneeweiße Fläche im Sonnenlicht, d. h. 4 · 1017 Photonen/cm2 s. Das Fernsehbild emittiere 1015 –1016 Photonen/cm2 s, d. h. bei d = 0,1 mm muss n 0 zwischen 1014 und 1015 cm−3 liegen. Mit τ = 1/(βn 0 ) ≈ 10 ms erhält man β ≈ 10−10 –10−11 cm3 /s, was einem Rekombinationsquerschnitt A = β/v ≈ 10−17 cm2 entspricht, also knapp einem Atomquerschnitt. 16.4.10 Trägerkonzentration Der Hall-Effekt gibt direkt n(T ), die Leitfähigkeit liefert nµ. Hohes √ T : Alle As-Zusatzelektronen im Leitungsband, n = D, tieferes T : n = ND e−W/(kT ) (16.75). Die Neigung der Arrhenius-Geraden gibt eine Donatortiefe W = 0,09 eV, die fast waagerechten Abschnitte entsprechen
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As-Konzentrationen etwas über 1015 , 1016 bzw. 1017 m−3 . Der Übergang sollte bei W/(kT ) = ln(N/D) erfolgen, d. h. bei 100 K für die unterste, etwas höher für die anderen Kurven, was hervorragend stimmt. 16.4.11 Minimale Leitfähigkeit Nach dem Drude-Lorentz-Modell ist σ = neµ = ne2l/(mv). Setzt man für mv = hk den Maximalwert hπ/d, so folgt für l ≈ d und n ≈ d −3 : σ ≈ e2 /(πhd) ≈ 1 000 Ω−1 cm−1 . Halbmetalle wie Bi leiten nur wenig besser, in diesem Fall allerdings infolge eines sehr viel geringeren n. Amorphe Halbleiter, deren Fermi-Grenze nur wenig höher liegt als die Beweglichkeitskante, scheinen das beste Beispiel für diese Werte zu sein. 16.4.12 Excitonen 2,16 eV entsprechen λ = 5 730 nm (Zitronengelb). Der Kristall sieht also im durchscheinenden Licht orange-rot aus (man beachte die spektrale Empfindlichkeitskurve des Auges). Da die Absorptionskante nicht ganz steil ist, verschiebt sich beim dünnen Kristall die Farbe mehr ins Gelbliche. Die Peakenergien lassen sich gut in eine Balmer-Serie Wn = W1 /n 2 einordnen, wenn man die Ionisierungsenergie (Bandkante) mit 2,166 eV ansetzt und den linken Peak mit n = 2 bezeichnet. Dann wird W1 = 0,10 eV. Wenn es sich um Excitonen-Terme handelt (Elektron und Loch in wasserstoffähnlichem System), der Faktor 2 infolge ,,Kernmitbewegung“ beachtet (Aufgabe 13.9.1) und m eff = m gesetzt wird, erhält man Übereinstimmung mit dem Bohr-Modell für ε ≈ 8. Die Breite der Peaks entspricht einfach kT (0,006 eV). Bei Zimmertemperatur sind die Peaks fast viermal so breit und verschmelzen zu einer geneigten Absorptionskante. 16.4.13 Solarzelle Im Dunkeln sind Leerlaufspannung und Kurzschlussstrom einer Diode beide 0. Licht erzeugt Trägerpaare, speziell in der p-n-Grenzschicht, wo einige von ihnen durch das interne Feld getrennt werden. Ein Kurzschlussstrom IK kann fließen, und um IK verschiebt sich die I(U )-Kennlinie nach unten. Sie schneidet also die U-Achse erst bei UL , das wegen der steilen eeU/(kT ) -Form nur wenige kT/e beträgt. Maximale Leistung entspricht der Fläche des größten in diesen Unten-Rechts-Quadranten der Kennlinie einbeschriebenen Rechtecks, also P = IK Um , wobei Um < UL . Jedes Trägerpaar liefert also wenige kT , kostet aber mindestens ein solares Photon, also einige kTSonne . Tatsächlich ist das doppelte T -Verhältnis (zwei Träger!), also 10% heute typisch. 16.4.14 Goethes Leuchtsteine Schwerspat = Bleiglanz = Galenit = PbS (Dichte 7 600 kg/m3 ). Das ist der erste historisch nachweisbare Beleg für die Tatsache, dass selbst schwaches blaues Licht irgendwie mehr Energie enthält als starkes rotes (falls nicht schon babylonische Maurer wussten, dass Bier in grünen Flaschen in der Sonne eher verdirbt als in braunen). Goethes zweiter Effekt heißt heute ,,Ausleuchten“: Auch niederfrequente Photonen können Elek-
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tronen aus ,,Traps“ befreien, wenn auch nicht über die ganze verbotene Zone heben (vgl. Abschn. 16.4). 16.6.1 Diffusion Die Annahmen, die man bei der Behandlung von Kettenmolekülen mit frei drehbaren Gliedern macht, sind genau dieselben, die der Diffusionstheorie zugrunde liegen (vgl. z. B. Aufgabe 5.2.22). Man ersetze einfach ,,Länge des Kettengliedes a“ durch ,,freie Weglänge l“ und ,,Anzahl der Glieder n“ durch ,,Anzahl der freien Weglängen vt/l“. Die Funktion P(r) dV wird dann zur Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen von r = 0 aus in der Zeit t im Volumen dV um r landet, oder P(r) ist als Teilchenzahldichte aufzufassen, die sich entwickelt, wenn viele Teilchen alle von r = 0 wegdiffundieren. Durch Umdeutung von a 2 und n schreibt sich P als P(r) dV = Bt −3/2 e−Ar /t mit A = 3/(2vl) und B = π −2/3 27/(8v3l 3 ). Dass dies eine Lösung der Diffusionsgleichung P˙ = D∆P ist, sieht man sofort durch Ausführung der Differentia2 tionen: P˙ = (Ar 2 /t − 32 )Bt −5/2 e−Ar /t , ∆P = Prr + 2Pr /r = (4Ar 2 /t − 2 6)ABt −5/2 e−Ar /t . Es muss also D = 1/(4A) = vl/3 sein, wie wir schon wissen (Abschn. 5.4.6). Bei t = 0 wird b = ∞, also zieht sich die GaußKurve auf einen unendlich hohen δ-Berg bei r = 0 zusammen. Der Faktor b3 ∼ t −3/2 beschreibt die Abnahme der Höhe des Berges, der dadurch bei seinem Auseinanderlaufen stets das gleiche Volumen behält. 16.6.2 Escargots gratinés Die ,,mittlere freie Weglänge“ der Schnecke sei l, ihre Marschgeschwindigkeit auf einer solchen Strecke v. Es bestehe keinerlei Zusammenhang zwischen den Richtungen der einzelnen Wegstrecken l. Dann ergibt sich für das mittlere Verschiebungsquadrat nach der Zeit t, also nach N = tv/l freien Weglängen, der Wert ∆x 2 = Nl 2 = lvt.Die Schnecken haben sich über die ganze Fläche verbreitet, wenn ∆x 2 größer geworden ist als der mittlere Abstand a zwischen den Ausbreitungszentren. Mit a = 50 km, l = 20 m, v = 2 mm/s folgt für diese Zeitspanne t = a2 /(lv) ≈ 6 · 1010 s ≈ 2 000 Jahre. Damit sollte es, abgesehen von ökologischen Gesichtspunkten, überall in Deutschland Weinbergschnecken geben, aber immer noch mit merklicher Konzentration um die Klöster ( ∆x 2 ≈ 35 km). 16.6.3 Random walk Wenn zwischen Wirtshaus und Wohnhaus freies Feld liegt, handelt es sich um ein zweidimensionales Diffusionsproblem. Bei der Schrittlänge l = 0,8 m und der Schrittfrequenz ν = 1 s−1 ist das mittlere Verschiebungsquadrat in der Zeit t wieder ∆x 2 = νtl 2 . Es geht aber nicht nur darum, die Strecke a zurückzulegen, was im Mittel die Zeit t = a2 /(νl 2 ) erfordert, sondern dabei das Haus zu treffen, d. h. in einen Winkelbereich b/a zu kommen, wofür die Wahrscheinlichkeit b/(2πa) ist. Also dauert der Heimweg im Mittel t = 2πa/b · a2 /(νl 2 ) = 2πa3 /(bνl 2 ), bei a = 150 m, b = 25 m also t ≈ 14 d, was schon vorgekommen sein soll.
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16.7.1 Perfekter Leiter Wenn in einem normalen Leiter σ unendlich würde, müsste jedes E-Feld zusammenbrechen. Das folgt z. B. aus Poisson- und Kontinuitätsgleichung: div σ E = − , ˙ εε0 div E = , also ˙ = −εε0 /σ, = 0 e−t/τ mit τ = εε0 /σ. Für E gilt dieselbe Abhängigkeit. Bei σ = ∞ brechen jede Raumladung und jedes E-Feld sofort zusammen. Mit E verschwindet auch rot E, also gilt im perfekten Leiter B˙ = 0. Jedes B-Feld, das vor dem Übergang bestand, bliebe eingefroren, selbst wenn man es außerhalb des Leiters abschaltet. Man kann sich vorstellen, dass der leiseste Versuch einer B-Änderung innen sofort ein E induzierte, das infolge rot H = σ E das B-Feld wiederherstellte. Beim Supraleiter wird umgekehrt drinnen B = 0, selbst wenn man draußen ein Feld aufrechterhält oder einschaltet. Dies zeigt, dass die Maxwell-Gleichungen in ihrer üblichen Form im Supraleiter nicht gelten. 16.7.2 Meißner-Ochsenfeld-Effekt (a) Während des Überganges zur Supraleitung induziert das zusammen˙ das die Elektronen gemäß brechende B-Feld ein E-Ringfeld (rot E = − B), m v˙ = −eE beschleunigt. Die Stromdichte ändert sich also wie j˙ = ne˙v = ˙ Da −ne2 m −1 E, d. h. rot j˙ = −ne2 m −1 rot E = ne2 m −1 B˙ = ne2 m −1 µ0 H. andererseits rot H = j, rot H˙ = j˙, folgt rot rot j˙ = −∆ j˙ =
ne2 µ0 j˙ . m
(L.1)
Im ebenen Fall (x von der Wand eines hinreichend dicken Drahtes nach innen gerechnet) heißt das j˙ = −ne2 m −1 µ0 j˙, also j˙ = j˙0 e−x/d mit d = m/(ne2 µ0 ). Dieselbe Ortsabhängigkeit gilt auch für j selbst. Mit n = 1023 cm−3 folgt d = 700 Å. (b) Um zu zeigen, dass mv − eA = 0, multipliziere man dies mit ne/m und bilde zweimal die Rotation. Man erhält genau (L.1). Streng genommen muss man, um diesen Schluss auch umkehren zu können, zeigen, dass j divergenzfrei ist (jedes Vektorfeld ist Summe einer rot und eines grad, und div grad = 0). div j = 0 folgt aber daraus, dass sich nirgends Ladung anhäufen darf. Während jeder Änderung von A ist, wenn kein übliches ˙ also werden die Elektronen elektrisches Feld −grad ϕ vorliegt, E = − A, ˙ beschleunigt wie m v˙ = −eE = e A. Der Wert mv − eA ändert sich also nicht, wenn keine anderen Kräfte im Spiel sind. Der Normalleiter im statischen B-Feld hat j = 0 (kein Strom) und A = 0, auch der perfekte Leiter würde also mv − eA = 0 behalten. Beim Übergang zum Supraleiter sind offenbar andere Kräfte im Spiel, eben die Cooper-Bindungskräfte. (c) Ein Teilchen mit dem Impuls p und der Energie W hat die Wellenfunktion ψ = ψ0 ei(k·r−ωt) , wo p = hk, W = hω. In einem Ring muss die Phase auf dem gleichenWert ankommen, wenn man einmal im Kreis herumgeht: ei k·d r = 1, d. h. k· dr = n2π. Wegen k = mv/h heißt das mv · dr = nh und wegen mv = eA auch eA · dr = nh. Nach dem Satz von Stokes e A · dr = e rot A · d f = e B · d f = eΦ ,
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also Φ = nh/e. Die Ladungsträger sind Cooper-Paare mit der Ladung 2e, also richtiger Φ = nh/(2e). Das Flussquant h/(2e) ist winzig: 2 · 10−15 Vs. Der schon 1934 von Fritz London vorausgesagte Effekt wurde erst 1961 von Doll und Näbauer in München und von Deaver und Fairbank in den USA gefunden. 16.7.3 Magnetaufhängung Eine völlig reibungsfreie Bahn würde beim Anrollen von h = 350 m auf v = 84 m/s kommen, also die 260 km Berlin–Hamburg in 52 Minuten zurücklegen. Dabei ist nicht nur reibungsfreie, offenbar magnetische Aufhängung, sondern auch fehlender Luftwiderstand, z. B. im Vakuum-Tunnel vorauszusetzen. Wenn man den angegebenen Fahrplan ernst nimmt, bedeutet das 10% Zeitverlust, also Verlust an mittlerer Geschwindigkeit, 20% an Endgeschwindigkeit, 40% an kinetischer Energie. Beschleunigung an den Endstationen (z. B. elektromagnetisch) ist unumgänglich. Für eine 100 t-Bahn mit 10 m2 effektivem hydrodynamischen Querschnitt A entspricht dieser Verlust einer Bremsleistung P = 4 · 104 W, einer Bremskraft F = 500 N. Die Wälzlagerreibung wäre bestenfalls 1/100 des Gewichts, also 20-mal zu groß. Der normale Luftwiderstand (1 bar) wäre F ≈ 12 a v2 ≈ 5 · 104 N, im Tunnel dürften also nur knapp 10 mbar herrschen. Magnetaufhängung eines schnellen Fahrzeuges kann nicht so realisiert werden, dass ein am Fahrzeug befestigter Magnet an einer normalerweise unmagnetischen Eisenschiene langgleitet, denn die B-Änderung in der Schiene würde starke Ströme induzieren, deren Energie das Fahrzeug liefern müsste. Selbst bei lamelliertem oder feinkörnigem Material wäre die Wirbelstrombremsung bestimmt viel größer als angegeben. Die Schiene müsste also magnetisiert sein. Damit erhält die Bahn nach dem Prinzip des Unipolargenerators (Aufgabe 18.3.6) als Bonus noch eine kleine Spannung für ihre Beleuchtung. Die Techniker müssen herausfinden, ob magnetische oder Luftkissenlagerung günstiger ist. 16.7.4 Cooper-Paar Wir setzen uns ins Bezugssystem des Elektronengases. Das Kristallgitter fliegt mit v an uns vorbei. Um es ein wenig zu bremsen (der kristallfeste Beobachter würde sagen: Um die Elektronen zu bremsen), sagen wir auf v , muss zum Energie- und Impulsausgleich ein Elektron in einen Zustand mit W, p gehoben werden, sodass Mv2 − Mv2 = 2W, Mv − Mv = p (M: Masse des Kristalls; wir setzen voraus, dass pv; dann ist die Bremsung am wirksamsten). Der Energiesatz lässt sich auch schreiben M(v + v )(v − v ) = 2W oder p(v + v ) = 2W. Die Bremsung durch einen einzigen Stoß kann nur winzig sein, also v ≈ v, d. h. v p = W. Für eine ,,freie“ Energieparabel W = p2 /(2m), die auf der p-Achse aufsitzt, wäre das immer zu erfüllen, für die um die W-Lücke ∆W angehobene Parabel √ nur oberhalb einer Geschwindigkeit vc = 2∆W/m, die der Steigung der Tangente von 0 an die Parabel entspricht (zeichnen!). vc entspricht natürlich 12 mvc2 = ∆W. Mit ∆W = 3,5kTc und Tc = 10 K folgt vc ≈ 104 m/s. Die Suprastromdichte könnte also 1010 A/cm2 werden, ehe Bremsung durch das Gitter einsetzt. Praktisch erreicht man zurzeit etwa 107 A/cm2 .
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16.7.5 Josephson-Wechselstrom In einer Potentialschwelle von U − W = 3 eV klingt die ψ-Welle ab wie √ e−k x mit k = 2m(U − W )/h = 1 Å−1 . Die Durchlässigkeit der Schicht mit d = 10 Å ist also D ≈ e−2k d = 2 · 10−9 . Die Stromdichte j = envD ist von der Größenordnung 0,1 A m−2 . Bei 1 mV Spannung an der junction ist die Energie der Cooper-Paare beiderseits um 3,2 · 10−22 J verstimmt. Der Strom oszilliert mit ω = ∆W/h = 3,2 · 1012 s−1 oder ν = 500 GHz. Ein B-Feld, das in der Ebene der junction liegt, bedeutet ein Vektorpotential A senkrecht dazu, aber ebenfalls in dieser Ebene, das sich senkrecht zur Ebene ändert, und zwar so, dass sein Unterschied zwischen den beiden Grenzflächen ∆A = Bd ist. Diese Differenz erzeugt eine räumliche Modulation der ψ-Funktion mit der Wellenlänge λ = h/(2e∆A) = h/(2eBd). Bei λ = l, also B1 = h/(2eld), verschwindet der Josephson-Strom; er wechselt das Vorzeichen, wenn B durch diesen Wert geht. Im Beispiel ist B1 = 3 · 10−5 Tesla. Eigentlich muss man überall mit der effektiven Masse von Elektronen bzw. Paaren rechnen, was die Zahlenwerte, besonders den exponentiellen Tunnelstrom, merklich ändern kann. 16.7.6 Energielücke Bei T = T0 sind s- und n-Zustand und speziell ihre H- und S-Werte identisch, im Gegensatz zum Übergang im Magnetfeld, wo die Energielücke noch existiert, H und S verschieden sind und sich erst die Unterschiede in H und TS kompensieren. Der Übergang im Magnetfeld ist thermodynamisch identisch mit dem Sieden: Sprung von H und S; ∆H = ,,latente“ Übergangswärme; Überhitzung und Unterkühlung möglich; Keimbildung der thermodynamisch stabileren Phase nötig: Übergang 1. Ordnung. Anders beim Übergang s ↔ n bei B = 0, d. h. T = T0 : Die Phasen gehen stetig ineinander über, keine Übergangswärme, keine Überhitzung oder Unterkühlung, keine Keimbildung: Übergang 2. Ordnung. Analog ist die Lage am kritischen Punkt, dem oberen Ende der Grenzkurve Flüssigkeit– Dampf. c p = ∂H/∂T = ∞ beim Übergang 1. Ordnung, c p springt beim Übergang 2. Ordnung. S verhält sich analog zu H, nur komplementär, denn G = H − TS ist am Übergang immer stetig. 16.7.7 Sprungpunkt Die Fermi-Funktion f(W ) kümmert sich nicht darum, ob Zustände mit diesem W vorhanden sind oder nicht. Da die Energielücke immer um die Fermi-Grenze WF zentriert ist und f(W ) um diesen Punkt symmetrisch ist, erhält man das W-Spektrum der Elektronen im Supraleiter einfach aus der Fermi-Verteilung im Normalleiter, indem man die W-Lücke herausschneidet (da Wg WF , verliert man dabei praktisch keine Elektronen). Die spezifische Wärme stammt aus zwei Vorgängen: 1. dem Abschmelzen des Fermi-Blocks c = γT = π 2 Nk2 T/(4WF ); 2. dem Schrumpfen der W-Lücke (im Supraleiter). Bei T ≈ 0 schneidet die Lücke die ganze Schmelzzone ab, also ist cs cn . Bei T ≈ T0 nimmt Wg sehr schnell ab, also ist cs > cn . Um cs = αT 3 zu erhalten, braucht man den ganzen Verlauf von Wg (T ). Aus der Definition S = d Q/T und c = d Q/dT folgt sofort S = c dT/T . Integration über c/T liefert Sn = γT , Ss = 13 αT 3 . Bei
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T = T0 muss Sn = Ss sein, also α = 3γT02 , d. h. Ss = γT 3 /T02 . Natürlich ist die Übereinstimmung mit der T 3 -Gitterwärme nur scheinbar, denn im s- wie im n-Zustand ist die Gitterwärme bei T ≤ T0 i. Allg. schon viel kleiner als die Sommerfeldsche Elektronenwärme. 16.7.8 Grenzkurve 2 Die Grenzkurve ist gegeben 0 ) = Un − durch G n = G s , d. h. 1B /(2µ Us − T(Sn − Ss ). U = U0 + c dT , also Un = U0 n + 2 γT 2 , Us = U0 s + 3 2 4 4 γT /T0 . Mit ∆U = U0 n − U0 s , der Stabilisierungsenergie bei T = 0, folgt B 2 = 2µ0 (∆U − 12 γT 2 + 14 γT 4 /T02 ). Bei T = 0 ist also B maximal 2 = 2µ ∆U. Ableitung nach T liefert BB = µ (−γT + γT 3 /T 2 ). mit Bm 0 0 0 Bei T = 0 ist B = Bm = 0, also muss B = 0 sein: Horizontale Einmündung in die B-Achse. Bei T = T0 ist B = 0, also lässt sich aus BB = 0 nichts schließen. Man leite nochmal ab: B 2 + BB = µ0 (−γ + 3γT 2 /T02 ), √ also bei T = T0 folgt √ B = 2µ0 γ . Wenn ∆U = γ/4, erhält man eine exakte Parabel B = 2µ0 ∆U(1 − T 2 /T02 ). Eine Messung, am einfachsten von B (T0 ), liefert dann alle Daten. Im allgemeinen Fall braucht man zwei Messungen, z. B. B (T0 ) für γ und Bm für ∆U.
= Kapitel 17: Lösungen . . . 17.1.1 Austauschkraft Gegeben seien zwei Teilchen A und B. Die Energie dieses Systems (wie jedes anderen auch) lässt sich innerhalb der Zeit ∆t nicht mit größerer Genauigkeit bestimmen als ∆W ≈ h/∆t. Ein Teilchen C der Ruhmasse µ hat die Ruhenergie µc2 . Innerhalb der Zeit ∆t0 ≈ h/(µc2 ) kann man also z. B. nicht einmal feststellen, ob wie bisher nur die Teilchen A und B da sind oder ob noch ein zusätzliches Teilchen C entstanden ist. Allerdings muss dieses virtuelle Teilchen C spätestens nach der Zeit ∆t0 verschwunden sein, sonst schlägt der Energiesatz Alarm. In dieser Zeit kann das Teilchen höchstens die Strecke c∆t0 = h/(µc) = r0 fliegen. Dies ist die maximale Reichweite einer durch das virtuelle Teilchen vermittelten Wechselwirkung. Wenn die Kernkraft eine solche Austauschkraft ist, ergibt sich aus ihrer Reichweite von ca. 10−14 m eine Masse der virtuellen Teilchen von µ = h/(r0 c) ≈ 2 · 10−28 kg ≈ 200 Elektronenmassen. Man kann so, ähnlich wie Yukawa das tat, die Existenz des Pions voraussagen. Die Kernkraft hat einen scharf begrenzten Wirkungsbereich, die elektromagnetischen Kräfte nicht; sie werden nur immer schwächer. Das entspricht dem Umstand, dass die ruhmasselosen Photonen über jede beliebige Entfernung ausgetauscht werden können, allerdings unter immer schärferer Begrenzung ihrer Energie. 17.1.2 Oberflächenenergie Da die dichteste Kugelpackung nur wenig ,,Luft“ lässt (ca. 15%), hat die Kugel, die aus A Kügelchen besteht, nur wenig mehr Volumen als A · 43 πr 3 ≈ 4πR3 , also den Radius R ≈ r A1/3 , was für Kerne nach (12.26) gut zutrifft. Auf die Oberfläche 4πR2 dieser großen Kugel entfallen
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4πR2 /(πr 2 ) ≈ 4A2/3 Querschnitte kleiner Kugeln; so viele von den A Kugeln sitzen an der Oberfläche. Das gilt für große A; für kleine A sitzen relativ mehr Kugeln außen, und es gibt keine so einfachen Formeln mehr. Im Innern wird jede Kugel von 12 anderen berührt, an der Oberfläche nur von 9 (6 Kugeln sitzen rings um die betrachtete in einer Ebene, 3 in der Ebene darunter, 3 darüber). Es gibt also 6A − 6A2/3 Bindungen zwischen nächsten Nachbarn. 17.1.3 Coulomb-Energie Eine Kugel vom Radius R und der Gesamtladung Ze hat, wenn sie homogen geladen ist, die Ladungsdichte = Ze/( 43 πR3 ). Wir betrachten eine Teilkugel vom Radius r < R. Sie hat die Ladung Zer 3 /R3 . Setzen wir an sie außen eine weitere dünne geladene Kugelschale von der Dicke dr an, so wächst die Energie des Systems um die Wechselwirkungsenergie der Teilkugel mit der neuen Schale, d. h. um d E = 4π r 2 drZer 3 /(R3 4πε0r) = Zer 4 dr/(ε0 R3 ). Führen Sie diesen Aufbau R von r = 0 bis r = R durch; Sie erhalten als Gesamtenergie E = 0 d E = ZeR2 /(5ε0 ). Einsetzen von liefert E = 35 Z 2 e2 /(4πε0 R). Das ist das 5. Glied in (17.4). 17.1.4 Warum hat der Kern nicht mehr Neutronen? In einem Potentialtopf mit parabolischem Profil (Oszillatorpotential) sind die Energiezustände äquidistant angeordnet. Ihr Abstand sei W0 . In jedem Zustand der Protonenleiter haben zwei Protonen entgegengesetzten Spins Platz, entsprechend für die Neutronenleiter. Ein Kern mit Z Protonen und N Neutronen (beide Zahlen seien z. B. gerade) füllt die Protonenleiter bis zum Z/2-Zustand von unten auf, die Neutronenleiter bis zum N/2-Zustand. Der i-te Zustand hat die Energie i E 0 , also haben Z/2 die Protonen insgesamt E p = 2E 0 1 i = 2E 0 (Z/2 + 1)Z/4 ≈ E 0 Z 2 /4. Entsprechend ergibt sich für die Neutronen E n ≈ E 0 N 2 /4. Die Gesamtenergie lässt sich darstellen E = E p + E n ≈ 14 E 0 (N 2 + Z 2 ) = 18 E 0 (N + Z )2 + 18 E 0 (N − Z )2 = 18 E 0 A2 + 18 E 0 (N − Z )2 . Bei N = Z = A/2 wäre E = 18 E 0 A2 ; jeder Überschuss von Protonen oder Neutronen führt zu einer um 18 E 0 (N − Z )2 höheren Energie. So kommt das sechste Glied in (17.4) zustande. Der Vergleich zeigt, dass E 0 = 8η/A; der Potentialtopf ist umso enger und damit ist E 0 umso größer, je leichter der Kern ist. 17.1.5 Im Tal der Stabilität Ohne die Coulomb-Abstoßung der Protonen wäre nach Aufgabe 17.1.4 ein Kern mit Z = N = A/2 energetisch am besten dran. In Wirklichkeit liegt das Optimum bei etwas kleinerer Protonenzahl, nämlich da, wo die Energie (17.4) minimal ist, also ihre Ableitung nach Z bei gegebenem A verschwindet: Wir benutzen die Abkürzungen α = (m n − m p )c2 = 0,78 MeV (Massendifferenz zwischen Neutron und Proton 0,000 84 AME) und β = 3e2 /(20πε0r0 ) = 0,639 MeV (nach (12.26) ist r0 = 1,2 · 10−15 m).
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Dann wird für gu- oder ug-Kerne E = m n c2 A − αZ − 6εA + 6εA2/3 + βZ 2 /A1/3 + η(A − 2Z )2 /A . Die Ableitung nach Z bei konstantem A, also die Steigung längs einer −45◦ -Linie im Z, N-Schema ist ∂E = −α + 2βZ/A1/3 − 4η + 8ηZ/A . ∂Z Sie verschwindet bei A 1 + α/(4η) . Z = Z Tal = 2 1 + A2/3 β/(4η) Allein aus der Tatsache, dass ermitteln: 1 + α/(4η) , 92 = 119 1 + A2/3 β/(4η)
238 92
U stabil ist, lässt sich η sehr genau
also η = 32,75β + 1,1α = 21,7 MeV . Für eine Abschätzung von ε genügt die Tatsache, dass dank der Definition der atomaren Masseneinheit (AME) praktisch alle Nuklide die ganzzahlige Masse haben, die ihrer Nukleonenzahl entspricht, obwohl doch ein Nukleon 1,008 AME hat; etwa 120 Nukleonen verbrauchen also eine volle AME als Bindungsenergie. Die Bindungsenergie pro Nukleon ist also etwa 8 MeV. Genauer: 238 92 U hat die Masse 238,05 AME, 238 Neutronenmassen wären 240,06 AME; Differenz 2,01 AME oder 1 870 MeV. Setzt man den obigen Wert Z = Z Tal in (17.4) ein, dann ergibt sich die Tiefe des Energietals nach einigen Umformungen E Tal = m n c2 A − 6ε(A − A2/3 ) + 12 βA2/3 Z . Die negativen Glieder müssen für A = 238 den Wert 1 870 MeV haben. Es folgt ε = 2,6 MeV. 17.1.6 β-Zerfall Nach Aufgabe 17.1.5 lässt sich die Gesamtenergie des Kerns darstellen als E = f(A) − (α + 4η)Z + (βA−1/3 +4ηA−1 )Z 2 , wobei f(A) nicht von Z, nur von A abhängt. Das Profil des Energietals, geschnitten längs einer −45◦ -Linie mit A = const, verläuft also wie E = E Tal + (4ηA−1 + βA−1/3 )(Z − Z Tal )2 , d. h. wie eine Parabel, die umso enger ist, je kleiner A ist. Die Krümmung 2βA−1/3 + 8ηA−1 = 1,28A−1/3 + 160A−1 dieser Parabel wird unterhalb von A = 1 400, also für alle Kerne, vom 160A−1 -Glied beherrscht. Auf dieser Parabel liegen alle Kerne, die unter Änderung von Z bei konstantem A, d. h. durch β − - oder β + -Zerfall auseinander hervorgehen können. Wenn A ungerade ist, können durch Z-Änderung nur immer gu- oder ug-Kerne entstehen. Von diesen Kernen liegt einer am nächsten der Talsohle, also am tiefsten auf der Parabel.
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Alle anderen Kerne können unter Gewinn von Energie, die dem β − - oder β + -Teilchen mitgegeben wird, in diesen einzigen stabilen Kern übergehen: Bei ungerader Massenzahl gibt es nur ein stabiles Isobar (Isobare = Kerne gleicher Massenzahl). Wenn A aber gerade ist, liegt immer ein gg-Kern neben einem uu-Kern. Infolge des Paarabsättigungsgliedes ±δ/A spaltet daher die Parabel in zwei Parabeln mit einer Höhendifferenz 2δ/A auf. δ ist so groß (etwa 60 MeV), dass i. Allg. auch der tiefstgelegene Kern der oberen Parabel höher liegt als die tiefsten Kerne der unteren, selbst wenn die Talsohle praktisch durch diesen oberen Kern läuft. In diesem Fall sind die beiden gg-Kerne stabil, denn keiner kann, ohne den höhergelegenen uu-Kern zu passieren, in den anderen übergehen. Die β − und β + -Zerfallsenergien müssen danach in der Größenordnung 100/A MeV liegen (z. B. etwa 0,5 MeV bei den natürlich radioaktiven Kernen), oder wesentlich höher, wenn der Kern höher am Seitenhang liegt. 17.1.7 α-Zerfall Bei Reaktionen ohne Änderung der Gesamtmassenzahl spielt das Glied m n c2 A im Ausdruck für die Energie des Talbodens keine Rolle. Es bleibt = −6εA + 6εA2/3 + 1 βA2/3 Z = −14A +14A2/3 + 0,32A2/3 Z. Der E Tal 2 lineare Abfall −14A wird für größere A durch die beiden anderen Glieder gemildert, und zwar überwiegt bei A 50 das A2/3 -Glied, bei A 50 das Glied A2/3 Z ∼ A5/3 . Wie jede Potenz An mit n < 1, fängt A2/3 steil an und wird dann flacher, umgekehrt verhält sich A5/3 . So kommt die leichte S-Biegung zustande, die in Abb. 17.7 übertrieben, in Abb. 17.8 ungefähr richtig dargestellt ist. Deutlicher sieht man diese Biegung in der /A-Darstellung (vgl. Aufgabe 17.1.8, Abb. 17.7). WTal Ausstoß eines Teilchens B aus dem Kern K ist energetisch möglich, wenn B und der Restkern zusammen mehr Bindungsenergie (also -Summe) haben als der ursprüngliche Kern K. eine stärker negative WTal Das α-Teilchen mit seiner hohen Bindungsenergie von 28,3 MeV oder 7,1 MeV/Nukleon (Massendifferenz 2m p + 2m n − m α = 0,0302 AME) ist ein besonders aussichtsreicher Kandidat dafür. α-Zerfall ist möglich, wenn bei Zunahme von A um 1 die Talsohle weniger als 7,1 MeV abfällt. , dann sieht man, dass dies ab A = 142 der Fall ist. Zeichnet man E Tal 144 Tatsächlich ist 60 Nd der leichteste α-aktive Kern mit der kleinen Zerfallsenergie 1,5 MeV und entsprechend langer Halbwertszeit von 1015 a. In der Gegend des Urans ist die Talneigung nur noch 5,6 MeV/AME, also bekommt das α-Teilchen eine kinetische Energie von 4(7,1 − 5,6) ≈ 6 MeV mit und tritt sehr schnell aus. In Abb. 17.8 kann es zunächst überraschen, dass die α-Stabilitätsgrenze höher liegt also die Spaltungsgrenze. Dass man die Spaltung als so viel revolutionärer empfindet als den α-Zerfall, hat historische und technische Gründe: Man hat 50 Jahre Zeit gehabt, sich an den α-Zerfall zu gewöhnen; andererseits bietet der α-Zerfall keine Möglichkeit zur Kettenreaktion. Rein energetisch ist der α-Zerfall als extrem asymmetrische Spaltung einschneidender: Zwar ist die Bindungsenergie pro Nukleon des α sehr hoch, aber doch kleiner als für ein großes Fragment.
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17.1.8 Weizsäckers Chance Für die günstigste Kombination von Z und N, d. h. an der Sohle des Energietals, ist die Bindungsenergie pro Nukleon µ = 6ε − 6εA−1/3 − 1 1/3 = 14 − 11A−1/3 − 0,32Z/A1/3 . Für Z 50 überwiegt das 2 βZ/A −1/3 A -Glied und ergibt den steilen Anstieg links in Abb. 17.3. Für Z 50 liefert A−1/3 Z ∼ A2/3 den flachen Abfall rechts. Das Maximum liegt bei A = 54 und hat die Höhe 8,6 MeV. Man kommt zum gleichen Ergebnis, wenn man von E = A = 0 aus an die Sohle des Energietals eine Tangentialebene legt. Unsymmetrisch beiderseits dieses Maximums liegen Kerne mit gleicher Bindungsenergie pro Nukleon. Speziell liegt ein Kern mit A = 90 ebenso hoch wie einer mit A = 45. Schwerere Kerne liegen tiefer als der halb so massive Kern, können also im Prinzip unter Energiegewinn symmetrisch spalten. Dieser Energiegewinn lässt sich direkt aus der Form des Energietals ablesen oder berechnen. Ferner liest man sofort ab, dass die hypothetischen symmetrischen Spaltfragmente ein viel zu kleines Z haben, d. h. weit oben am Seitenhang des Energietals hängen. Beim U, wo die Spaltungstendenz und -energie maximal sein müssen, kämen zwei 119 46 Pd heraus, die eigentlich nur 60 statt 73 Neutronen haben dürften oder 50 statt 46 Protonen haben müssten. Bei dieser Abweichung vom Talboden ∆Z ≈ 4 ergibt sich nach Aufgabe 17.1.6 eine Höhe über dem Boden von 21 MeV. Es lohnt also, unter Opferung der 9 MeV Bindungsenergie ein Neutron auszustoßen, um sich dem Talboden zu nähern. Gleichzeitig kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch der weniger radikale Weg eines β − -Zerfalls begangen werden. Zwischen ∆Z-Werten von 3 und 2 liegt die 9 MeV-Grenze, unterhalb der kein Neutronenausstoß mehr möglich ist. So erhält man zwischen 1 und 1,5 Spaltungsneutronen pro Fragment, d. h. die berühmten 2–3 Neutronen pro Spaltung, die, wenn sie innerhalb der kritischen Masse wieder spaltend eingefangen werden, das Anschwellen der Kettenreaktion garantieren. 17.1.9 Spaltungsmodell Wir betrachten zunächst nur den Endzustand der Spaltung (Abb. 17.9): Eine große Kugel ist in zwei kleine vom halben Volumen zerfallen. Für große A und Z überwiegt das erste Glied. Dann ist Spaltung energetisch vorteilhaft, denn der Gewinn an Coulomb-Energie überwiegt den Aufwand an Oberflächen-Energie. Die Differenz gibt die Gesamtenergie der Spaltung. Sie ist 0 bei A = 90, Z = 39. Zirkonium ist eigentlich schon instabil gegen symmetrische Spaltung. Bei A = 235 gewinnt man 323 MeV Coulomb-Energie und braucht 138 MeV Oberflächenenergie. Die Spaltungsenergie errechnet sich so zu 185 MeV. Schwieriger ist die Frage, was zwischen den beiden Endzuständen passiert. Jede Abweichung von der Kugelgestalt vergrößert die Oberflächen-Energie, verringert aber die Coulomb-Energie (die Protonen rücken weiter auseinander). Es gibt also eine Massenzahl, bei der der zweite Einfluss sofort überwiegt, sodass die Kugelgestalt ein labiler Gleichgewichtszustand wird. Sie liegt offenbar noch etwas jenseits der Transurane (A ≈ 400). Von A = 90 bis dorthin muss eine Potentialschwelle überwunden werden, um zum energetisch günstigeren gespaltenen Zustand
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Tabelle L.5
Diff.
Coulomb-Energie
Oberflächen-Energie
3 2 2 1/3 ) 5 e Z /(4πε0 r0 A 3 2 2 2 5 e Z /(16πε0 r0 A1/3 2−1/3 ) 0,37 β Z 2 /A1/3
6εA2/3 2 · 6εA2/3 2−2/3 1,55 ε A2/3
zu gelangen. Diese Schwelle entspricht etwa dem Zustand, wo die beiden Fragmente noch durch einen Hals verbunden sind. Zu der oben abgeschätzten Energiedifferenz kommt dann die Wechselwirkungsenergie der beiden Fragmente e2 Z 2 /(16πε0 2r0 A1/3 2−1/3 ) = 0,26βZ 2 /A1/3 = 0,17Z 2 /A1/3 hinzu. Die Schwellenenergie wird also etwa 3,75A2/3 − 0,1Z 2 /A1/3 . Für A ≈ 100 liegt das um 50 MeV, für A = 235 ist es nur noch etwa 8 MeV, d. h. schon die Anlagerungsenergie eines Neutrons kann Kernschwingungen auslösen, die die Schwelle überwinden. 17.1.10 Moderation Da Neutronen den Coulomb-Kräften nicht unterliegen, werden sie nur von Kernen abgelenkt und gebremst, nicht wie die geladenen Teilchen auch von Elektronen. Bei einem Stoß mit einem Kern der Masse M kann das Neutron mit der Masse m nur maximal (bei zentralem Stoß) einen Bruchteil 4m M/(m + M)2 seiner Energie abgeben (vergleiche Abschn. 1.5.9g). Bei Wasserstoff ist dieser Bruchteil 1, bei Blei nur etwa 0,02. Die zur Bremsung notwendige Anzahl von Stößen ist also in Blei 50-mal größer. Auch der größere Stoßquerschnitt des Bleikerns kann das nicht ausgleichen: Selbst bei gleicher Schichtdicke schirmt Wasser Neutronen besser ab als Blei, erst recht bei gleicher Massendicke (g/cm2 ). 17.1.11 Schweres Wasser Seiner Masse nach ist normaler Wasserstoff zur Bremsung von Neutronen besser geeignet als schwerer, wenn auch nicht erheblich (beim zentralen Stoß mit einem Deuteron gibt das Neutron 89 seiner Energie ab, mit einem Proton die ganze Energie). Aber das Proton hat einen weit größeren Einfangquerschnitt für Neutronen als das Deuteron, würde also sehr bald alle Neutronen unter Deuteriumbildung einfangen, statt sie zu bremsen. Dass 16 O und 2 H einen so kleinen Einfangquerschnitt haben, versteht man am besten daraus, dass sie die für leichte Kerne energetisch optimale Zusammensetzung Z = N haben. Sie haben also keinen Anlass, noch ein Neutron einzufangen. Dies würde zu Isotopen führen, die ihre ungünstige Zusammensetzung durch Instabilität (3 H) bzw. große Seltenheit (17 O) dokumentieren. Diese einfache Betrachtung trifft zwar hinsichtlich der Neutronen-Einfangquerschnitte nicht immer das Richtige, aber oft. Da schweres Wasser so teuer ist (Isotopentrennung), moderiert man heute immer häufiger mit normalem Wasser. Man kann dann nicht mehr mit Natururan als Brennstoff arbeiten, sondern muss das 235 U anreichern.
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17.1.12 Günstigste Fusion Alle Kerne bis zur Spaltungsgrenze A ≈ 90 haben mehr Bindungsenergie/Nukleon als die halb so großen Kerne. Da aber die Kurve der Bindungsenergie/Nukleon nach oben konvex ist, wächst der entsprechende Unterschied, die Fusionsenergie/Nukleon, wenn man A verringert. Die Rechnung führt zum gleichen Ergebnis: Für die interessierenden leichten Kerne kann man Z = A/2 setzen, also µ = 14 − 14A−1/3 − 0,16A2/3 . Ein Kern mit dem halben A hat 14 − 14A−1/3 21/3 − 0,16A2/3 2−2/3 , die Differenz 3,63A−1/3 − 0,059A2/3 beschreibt die Fusionsenergie/Nukleon (und würde auch die Spaltungsenergie/Nukleon beschreiben, nämlich dort, wo das negative Glied überwiegt, wenn die Näherung Z = A/2 dort noch gerechtfertigt wäre). Die Differenz ist bei kleinem A am größten; z. B. für 2 H + 2 H → 4 He erhält man 2,2 MeV/Nukleon. Wenn das Energietal (das natürlich besonders kleine Kerne schlecht beschreibt) diesen glatten Boden hätte, müsste man 2 1 H → 2 H, 2 2 H → 4 He als beste Fusionskandidaten betrachten. Das Tal ist aber durch das Paarabsättigungsglied δ/A2 zugunsten der gg-Kerne aufgeraut, und zwar umso stärker, je kleiner A ist. Dadurch verliert 2 H, und 4 He gewinnt. Das Tröpfchenmodell sagt sogar eine noch höhere Fusionsenergie als die gemessenen 6,0 MeV/Nukleon voraus. Für 6 Li + 2 H → 2 4 He misst man nur 2,80 MeV/Nukleon. 63 Li ist ein uu-Kern und daher energieärmer und seltener als das ug-Isotop 73 Li. Leider gerät bei der Fusion zweier Deuteronen der entstehende 4 He-Kern in einen zu hohen Anregungszustand und stößt entweder ein Proton oder ein Neutron aus. Man nutzt dabei also nur die viel kleinere Bindungsenergie der gu- bzw. ug-Kerne 3 He bzw. 3 H aus und erhält noch nicht einmal die vom Tröpfchenmodell vorausgesagten 2,2 MeV/Nukleon, sondern nur 0,8 MeV/Nukleon. Die Lithiumdeuterid-Reaktion wird nur übertroffen von der Reaktion 3 He + 2 H → 4 He + 1 H, die 3,7 MeV/Nukleon liefert. Eben wegen seiner Energiearmut ist aber 3 He äußerst selten. 17.1.13 Magnetische Flasche In einem Plasma mit der Teilchenzahldichte n ist der mittlere Abstand zwischen Nachbarteilchen a = n −1/3 . Wenn es mit der Geschwindigkeit v vorbeifliegt, übt ein Teilchen auf seinen Nachbarn nach Biot-Savart maximal ein Magnetfeld der Größenordnung H = ev/(4πa2 ) aus (vgl. Abschn. 7.3.1; die bewegte Ladung kann als Stromelement I dl = ev = dle/dt aufgefasst werden). Beim Gasdruck p entfällt auf ein Teilchen, das die Fläche a2 beherrscht, der Kraftanteil pa2 . Die Lorentz-Kraft im Feld B ist evB. Gleichsetzen dieser Kräfte liefert p = evB/a2 , und Benutzung von v aus der ersten Beziehung ergibt p ∼ 4πHB. Bis auf einen Zahlenfaktor ist der magnetische Druck gleich der magnetischen Energiedichte (J/m3 = N/m2 ). Mit H = 107 A/m, d. h. B ≈ 10 Vs/m2 erhält man p ≈ 109 N/m2 = 104 bar. Man könnte so ein vollionisiertes Deuteriumplasma von 108 K magnetisch einsperren, ohne dass es zu katastrophaler Wandberührung kommt, falls seine Dichte kleiner als 10−6 g/cm3 ist (technisch experimentiert man zurzeit mit sehr viel geringeren Dichten n ≈ 1016 cm−3 , weil jede magnetische Flasche undicht ist). Bei dieser Dichte, d. h. n ≈ 1018 Teilchen/cm3 , wäre die freie Weg-
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länge für Stöße mit dem geometrischen Kernquerschnitt von 10−25 cm2 etwa l = 1/(nσ) ≈ 107 cm. Bei 108 K fliegen die Deuteronen mit etwa 108 cm/s, treffen also nur zehnmal in der Sekunde einen anderen Kern. Bei dieser Geschwindigkeit ist die de Broglie-Wellenlänge des Deuterons λ = h/(mv) ≈ 2 · 10−11 cm. Das Deuteron prallt also nicht, wie es klassisch müsste, dort vom Potentialwall des anderen Deuterons ab, wo dessen Höhe kT ≈ 10 keV beträgt, also bei etwa 10−11 cm, sondern dringt mit etwa 10% Wahrscheinlichkeit ein. Es erfolgen also etwa 1018 Fusionsakte/(cm3 s), die etwa 3 · 1018 MeV/(cm3 s) ≈ 3 · 105 W/cm3 erzeugen. Bei den tatsächlich benutzten Dichten von n ≈ 1016 cm−3 ergeben sich nur 30 W/cm3 (auch die Stoßzahl wird hundertmal kleiner!), und ein 1 MW-Reaktor müsste so groß sein wie ein Fässchen. Um das nötige Magnetfeld in diesem Volumen aufrechtzuerhalten, braucht man einige Millionen Ampere. 17.1.14 Nukleonen-Mikroskop Will man das Innere des Nukleons, also Einzelheiten von 10−15 m und weniger sehen, dann muss die de Broglie-Wellenlänge des abbildenden Teilchens kleiner sein als diese Länge, also sein Impuls p = h/λ > 6 · 10−19 kg m/s. Für Elektronen mit diesem Impuls gilt der relativistische Energiesatz: E = pc > 2 · 10−10 J ≈ 1,2 GeV. Für Nukleonen liegt diese Energie gerade am Übergang zum relativistischen Bereich, m. a. W.: Um in ein Teilchen einzudringen, muss man mehr Energie haben als seine eigene Ruhenergie. Bei wesentlich höherer Energie hängen p und λ und damit das Auflösungsvermögen nur noch von der Energie, nicht mehr von der Teilchenart ab. Elektronen, die der starken Wechselwirkung nicht unterliegen, haben ein einfacher durchschaubares Verhalten in den Feldern des Kern- und Nukleoneninnern. 17.1.15 Die größte Kraft Ein unendlich hartes, aber nicht punktförmiges Teilchen verstieße gegen die Relativitätstheorie: Unendliche Härte, d. h. unendlich großer Elastizitätsmodul bei endlicher Dichte würde unendlich große Schallgeschwindigkeit bedeuten. Der größtmögliche Elastizitätsmodul ergibt sich √ daraus, dass die Schallgeschwindigkeit c ist: c = E/ , also E = c2 . Dies ergibt, auf den Querschnitt des Nukleons πr02 ≈ 5 · 10−30 m2 bezogen, eine Kraft F ≈ πr02 c2 ≈ mc2 /r0 ≈ 105 N, d. h. man brauchte 10 t, umso ein winziges Ding zu zerquetschen. Der E-Modul wird 1034 N/m2 , denn ≈ 1017 kg/m3 . Ein entsprechender Druck würde im Innern eines Sterns von etwas mehr als Sonnenmasse herrschen (M ≈ 1031 kg), wenn sein Radius nur einige km betrüge: p ≈ G M 2 /R4 ≈ c2 . Wenn der Stern alle Möglichkeiten der Kernenergiegewinnung ausgeschöpft hat, also keinen thermischen oder Strahlungs-Gegendruck mehr ausüben kann, lässt ihn die Gravitation tatsächlich so zusammenschrumpfen. Er hat dann die Dichte des Nukleons (Riesenkern aus dichtgepackten Nukleonen). Schreibt man p ≈ G M/R3 · M/R ≈ G M/R, dann entpuppt sich die Bedingung für den Schweredruck, dem die Nukleonen gerade noch standhalten, nämlich p ≈ G M/R ≈ c2 , als äquivalent zu der Bedingung für die Bildung
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eines Schwarzen Loches (vgl. Abschn. 18.4.4), von dem nicht einmal das Licht wegkann: G M/R = c2 . Im Schwarzen Loch werden also sogar die Nukleonen zu Brei zerquetscht. 17.1.16 Nochmal Sherlock Holmes Holmes setzt offenbar einen Reaktor voraus, der annähernd die gleiche Energie liefert, wie sie der Erde von der Sonne zugestrahlt wird. Da die ◦ Sonne 12 breit erscheint (der Daumen deckt sie viermal), ist ihr Radius 1 2 240 des Erdbahnradius. 1 km Erdoberfläche bezieht also seine Energie aus einer Pyramide von etwa 4 m Basis-Seitenlänge und annähernd dem 100fachen Erdradius als Höhe. Der Reaktor, der den km2 versorgen sollte, müsste also, selbst wenn er den ganzen km2 bedeckt, 100/2402 Erdradien oder 10 km hoch sein. Einziger Ausweg für den Fusionsreaktor ist erhebliche Steigerung der Reaktionstemperatur über die im Sonneninnern. 17.1.17 Neutronendiffusion Im Reaktor-Core sind Quell- und Senkendichte der Neutronen proportional zur Anzahldichte n der Neutronen. Je mehr Neutronen vorhanden sind, desto mehr werden eingefangen: Senkendichte −kn; desto häufiger sind aber auch Spaltungsakte, die neue Neutronen erzeugen: Quelldichte k n. Die Gesamtquelldichte ist k∗ n = (k − k)n. Bei k > k wäre der Reaktor bei unendlicher Ausdehnung überkritisch (explosiv), bei k = k kritisch, bei k < k unterkritisch. In Wirklichkeit ist er räumlich begrenzt, die Neutronen diffundieren nach draußen mit einer Teilchenstromdichte j = −Dgrad n, was eine Teilchenverlustdichte n˙ = div j = −D∆n bedingt, die im stationären Zustand durch die Quelldichte ausgeglichen wird: D∆n = −k∗ n (∆ ist hier der Laplace-Operator). Genau dieselbe Differentialgleichung ergibt sich aus der Wellengleichung, wenn man nur die Ortsabhängigkeit der Amplitude a betrachtet und die Zeitabhängigkeit wegsepariert: ∆u = −c−2 u, ¨ Ansatz u(r, t) = a(r)b(t), also b¨ = −λb, d. h. b = b0 eiωt und ∆a = −ω2 c−2 a. Lösung beider Gleichungen bei gegebenen Randbedingungen ist ein Eigenwertproblem. Wenn z. B. am Rand die Amplitude a verschwinden soll, liefert die Wellengleichung die Eigenschwingungen eines ,,fest eingespannten“ Hohlraums. Für ein Quadervolumen lässt sich die Lösung für Wellengleichung und Neutronendiffusion aus Sinusfunktionen zusammensetzen, für einen langen Zylinder aus Bessel-Funktionen. Für die Kugel findet man eine Lösung durch Überlagerung eines Coulomb-Potentials n ∼ r −1 , für das ∆n = 0 wäre, mit , nämlich n = n 0r −1 e−αr , was die Diffusionseinem Abschirmglied e−αr√ gleichung löst, wenn α = k∗ /D ist. Diese Lösung ist offenbar nur für k∗ > 0, d. h. im ideal überkritischen Fall sinnvoll. Im entgegengesetzten Fall geht sie rein mathematisch über in eine ,,Kugelwelle“ n = n 0r −1 e−iα r . Genau das gleiche abgeschirmte Potential ergibt sich für eine Ladung, um die sich Gegenladungen entsprechend einer Boltzmann-Energieverteilung ansammeln und ihr Feld abschirmen. Debye und Hückel haben genau dieselbe Differentialgleichung lösen müssen. Wir betrachten die überkritische sphärische Lösung genauer. Wenn der Core-Radius R 1/α ist, folgt eine Coulomb-Verteilung n ∼ 1/r mit im Zentrum theoretisch unendli-
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cher Neutronendichte. Bei R 1/α herrscht nur innerhalb von r ≈ 1/α ein merkliches n, außerhalb ist es fast ganz abgeschirmt, wodurch allerdings auch die Verluste nach außen verschwinden, die bei kleinerem Core ungefähr unabhängig vom Radius sind, ebenso wie der Fluss eines Coulomb-Feldes. 17.1.18 Katalysierte Fusion Ein Deuteron mit einem negativen gebundenen Teilchen im Abstand a verhält sich in Abständen a neutral. Für ein Elektron ist a = 0,5 Å, für das 200-mal schwerere Myon a ≈ 2,5 · 10−13 m (BohrRadius r ∼ m −1 ). Die Tunnelwahrscheinlichkeit durch einen Wall der Höhe E ≈ e2 /(4πε0r0 ) ≈ 1 MeV (r√0 ≈ 1,3 · 10−15 m) und der Dicke a ist gegeben durch e−k a mit k = 2m E/h ≈ 1014 m−1 , wird also ab a ≈ 10−13 m erträglich. ,,Kalte“ pµd-Moleküle werden also mit annehmbarer Wahrscheinlichkeit zu 3 He fusionieren. Die aus dem Massendefekt folgende Fusionsenergie von 5,4 MeV schleudert i. Allg. das Myon ab, das für weitere Reaktionen verfügbar ist, falls es noch lebt. Die Bindungsenergie des pµ folgt zu 2,9 keV (E ∼ m), mit Berücksichtigung der Kernmitbewegung (Aufgaben 13.5.1, 13.9.1) senkt sie sich auf 2,7 keV für pµ, 2,8 keV für dµ. Jedenfalls erhält man aus kT ≈ E eine Dissoziationstemperatur um 107 K (knapp 105 K für gewöhnliches H). Im Sterninnern könnte Myowasserstoff noch existieren, wenn auch nicht bei den angestrebten noch höheren technischen Fusionstemperaturen. Ein 100 eV-Deuteron fliegt mit 105 m/s, braucht also für 1 mm 10−8 s. Mit dem Einfangquerschnitt 10−25 m2 entsprechend dem Myonbahnquerschnitt folgt im flüssigen Wasserstoff (Teilchenzahldichte n ≈ 1029 m−3 ) eine freie Weglänge l = 1/(σn) ≈ 10−4 m und eine Bildungszeit des pµdMoleküls von 10−7 s. Ein Myon könnte etwa 10 Fusionen katalysieren, nach Alvarez sogar 100, liefert also etwa 1 GeV. Seine Erzeugung aus einem Pion kostet im Prinzip nur dessen Bildungsenergie von etwa 200 MeV, de facto heute aber noch 1010 -mal so viel. Das Myon käme in 10−6 s 10 m weit. Also wird es gestoppt. Aus Abb. 17.26 schätzt man 1 cm Reichweite. 17.2.1 Wieso wird’s mehr? Wie Abb. 17.13 und 17.19 zeigen, sind unter den Folgeprodukten des Ra (Halbwertszeit τ = 1 580 a) am langlebigsten Po, dessen Zerfall zu Pb führt (τ = 136 d) und Rn, das direkt aus Ra entsteht (τ = 3,8 d). Die sechs Zwischenprodukte zerfallen viel schneller (τ höchstens einige Minuten). Schon nach etwa einer Stunde haben sich also diese sechs und das Po mit der jeweils vorhandenen Rn-Menge ins Gleichgewicht gesetzt, d. h. jedes von ihnen führt ebenso viele Zerfälle/s aus wie das Rn, wodurch sich dessen Aktivität verachtfacht. Das Rn selbst entsteht aus der für Laborzwecke unerschöpflichen Ra-Menge gemäß n˙ Rn = λRa n Ra − λRn n Rn , also n Rn = n Ra λRa /λRn (1 − e−λRn t ) und erreicht nach etwa einer Woche den Gleichgewichtswert n Rn = n Ra λRa /λRn = n Ra τRn /τRa ≈ 6 · 10−6 n Ra , d. h. etwa 6 · 10−7 g. Die Po-Atome sind 136/3,8-mal häufiger (ca. 2 · 10−5 g), die Zwischenprodukte mindestens hundertmal seltener. Alle neun Glieder der Zerfallsreihe haben dann die gleiche Aktivität, die demnach auf
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0,9 Ci angestiegen ist. 0,5 Ci davon entsprechen α-Strahlung (der Massenunterschied zwischen 226 Ra und 206 Pb kann nur durch α-Zerfall abgebaut werden). 17.2.2 Pierres Nachtlicht Das Szintillationsfeld von 0,1 mm2 in 30 cm Entfernung von der Probe deckt einen Bruchteil von 0,1/(4π3002 ) ≈ 10−7 des vollen Raumwinkels. 0,03 Szintillationen/s entsprechen also einer Aktivität der 10−6 g-Probe von 3 · 105 Zerfällen/s oder für 0,1 g von 3 · 1010 Zerfällen/s. Wenn die Curies den Aktivitätsanstieg ihrer Probe von Anfang an, d. h. schon wenige Stunden nach seiner Isolierung verfolgt haben, konnten sie die Schlüsse von Aufgabe 17.2.1 ziehen und somit 3 · 109 Zerfälle/s aufs Konto der 0,1 g Ra allein buchen, obwohl sie die einzelnen Glieder der Zerfallsreihe noch nicht kannten (Abb. 17.13). 0,1 g Ra enthalten 0,1/(200 · 1,6 · 10−24 ) ≈ 3 · 1020 Atome (wir nehmen an, man habe das Atomgewicht aus der chemischen Analogie mit dem Ba und dem periodischen System zu etwa 200 geschätzt; auch die Wasserstoffmasse war damals noch nicht so genau bekannt). Die Halbwertszeit lässt sich daraus zu 3 · 1020 /(3 · 109 ) ≈ 1011 s ≈ 3 000 a schätzen. Die Kalorimetermessung ordnet 3 · 109 Zerfällen/s eine Energieproduktion von 4 J/h = 1,2 · 10−3 W zu, also einem Zerfallsakt 4 · 10−13 J, was nach heutiger Terminologie etwa 3 MeV entspricht. 17.2.3 Maries Waschküche Seit der Bildung des Uranerzes hat das radioaktive Gleichgewicht bestimmt für alle Folgeprodukte des U Zeit gehabt, sich einzustellen, selbst für Ra. Also verhalten sich die Atomanzahlen von Ra und U wie ihre Halbwertzeiten: 1 580/(4,5 · 109 ) ≈ 3 · 10−7 . Selbst wenn bei der Reinigung gar nichts verloren ginge, müsste man also für 0,1 g Ra schon 300 kg U aufbereiten. Die Erzmenge ist natürlich noch viel größer. Aus der gleichen U-Menge gewinnt man höchstens 0,1 · 128/(1 580 · 365) ≈ 2 · 10−5 g Po. Man sieht also, dass die kleine Marie Curie auch physisch mindestens so geschuftet hat wie die Waschfrauen ihrer Zeit. Die ersten Phasen der Aufbereitung erfolgten übrigens in ihrem Waschkessel. 17.2.4 Stabilität In einer Zerfallsreihe A → B → . . . → F → G → H → . . . füge man z. B. zu den im Gleichgewicht befindlichen Nukliden zur Zeit t = 0 eine gewisse Menge ∆g des Nuklids G hinzu. Die Gesamtmenge g dieses Nuklids ändert sich gemäß g˙ = λF f − λG g. Die allgemeine Lösung dieser Differentialgleichung bei langsam veränderlichem f ist g = (g0 − g∞ )e−λG t + g∞ (1 − e−λF t ), wobei g0 die Menge von G bei t = 0 ist, g∞ = fλF /λG die G-Menge im Gleichgewicht, also g0 − g∞ gerade die Zusatzmenge ∆g. Sie klingt offensichtlich einfach mit der Zeitkonstante 1/λG exponentiell ab, ohne dass sich die früheren Glieder der Zerfallsreihe darum kümmern. Wenn unter diesen früheren Gliedern ein hinreichend langlebiges ist, verschwindet also die Störung nach einigen Zeitkonstanten 1/λG : Das Gleichgewicht ist stabil.
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17.2.5 α-, β-, γ-Analyse Zur α- und β-Messung reichen ziemlich einfache Mittel, z. B. ein Kondensator mit 10 cm Plattenbreite, an dem 104 V/cm liegen (im Vakuum, um Überschläge zu vermeiden), eine Spule z. B. aus 1 mm-Draht, in 100 Lagen gewickelt, mit 3 A belastbar, d. h. 3 · 105 A/m oder 0,4 Vs/m2 , 20 cm lang und ohne Kern, sodass die Teilchen durchs Spuleninnere fliegen können. Für β-Teilchen braucht man nur etwa 30 mA. e/m folgt durch Vergleich der beiden Ablenkungen: e/m = ϕmgn Ea/(ϕel B 2 b2 ). Schätzung der Aktivität (Zerfallsakte/s) mit dem Szintillationsmikroskop und Auffangen der Teilchen im Faraday-Becher liefere z. B. 10−8 C auf 3 · 1010 Zerfälle (Becher mit 100 pF Kapazität, d. h. etwa 10 cm Durchmesser, auf 100 V aufgeladen; bei einem 1 mCi-Präparat würde das etwa 15 Min. dauern, wenn man alle Teilchen einfängt). Man trennt so e und m, nämlich eα ≈ 3 · 10−19 C, m α ≈ 5 · 10−27 kg. Dann kann man aus der magnetischen Ablenkung ϕmgn = eBb/(mv) direkt den Impuls, aus der elektrischen ϕel = eEa/(mv2 ) direkt die Energie ablesen. Bei γ -Strahlung beobachtet man keine Ablenkung, d. h. innerhalb der Messfehlergrenzen ϕ < 3 · 10−3 . Trügen die γ -,,Teilchen“ eine Elementarladung, dann müsste demnach ihre Energie größer als 30 MeV, ihr Impuls größer als 5 · 10−18 kg m/s sein (Tabelle L.6). Tabelle L.6
α β
ϕel
ϕmgn
e/m (C kg−1 )
e C
m kg
p kg m s−1
W MeV
2◦ 6◦
6◦ (3 A) 6◦ (30 mA)
0,6 · 108 1,5 · 1011
1,3 · 10−19 1,5 · 10−19
5 · 10−27 10−30
2 · 10−19 10−21
3 1
17.2.6 Zufallsereignisse Wir betrachten zunächst einen sehr kleinen Zeitabschnitt τ, so klein, dass es praktisch ausgeschlossen ist, dass zwei oder mehr Ereignisse hineinfallen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis darin stattfindet, ist ντ, wenn man τ in Jahren ausdrückt, die Wahrscheinlichkeit, dass keines stattfindet, 1 − ντ. Den betrachteten Zeitraum von τ Jahren zerlegen wir gedanklich in lauter kleine Abschnitte der gleichen Größe τ, also in k = t/τ solche Abschnitte (k sehr groß). Dass kein Ereignis in den t Jahren stattfindet, heißt, dass in keines der k Intervalle eines fällt. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist P0 = (1 − ντ)k . Jetzt kommt der Haupttrick: Die Analogie mit der Definition von e oder der e-Funktion, d. h. mit e = limk→∞ (1 − 1/k)k bzw. ex = limk→∞ (1 − x/k)k wird vollkommen, wenn man x = kντ = νt setzt (die Konvergenz dieser Folge für ex ist so gut, dass die k Glieder den Limes nur unmerklich verfehlen). Also P0 = e−νt . Dass ein Ereignis in den t Jahren stattfindet, heißt, dass genau ein Intervall τ unter den k ein Ereignis enthält, die anderen aber keines. Dass ein bestimmtes Intervall ein Ereignis hat, die anderen keines, kommt mit der Wahrscheinlichkeit ντ(1 − ντ)k−1 vor; es gibt aber k = t/τ Kandidaten für das ,,glückliche“ Intervall, also P1 = νt(1 − ντ)k−1 . Das Klammerglied unterscheidet sich nur um den Faktor 1 − ντ von (1 − ντ)k = e−νt ; da ντ 1, kann man diesen Unterschied vernachlässigen: P1 = νte−νt . Die Wahrscheinlichkeit Pn
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für genau n Ereignisse in t ergibt sich analog als Wahrscheinlichkeit, dass genau n Intervalle je ein Ereignis enthalten, die anderen keines, also (ντ)n (1 − ντ)k−n ≈ (ντ)n e−νt , multipliziert mit der Anzahl der Möglichkeiten, diese n Intervalle unter den k vorhandenen auszusuchen, also
mit nk . Da n k, kann man den Binomialkoeffizienten nk = k(k−1)... 1·2... annähern als kn /n!, also (νt)n −νt e , n! worin natürlich die bereits abgeleiteten Ausdrücke eingeschlossen sind. ∞ Dass 0 Pn = 1, wie es sich gehört, folgt am einfachsten daraus, dass (νt)n /n! gerade die Reihenentwicklung von eνt darstellt: ∞ νt e−νt = 1. Der Mittelwert dieser Poisson-Verteilung ergibt P = e n 0 sich aus ∞ ∞ (νt)n−1 −νt e n= n Pn = νt (n − 1)! Pn =
1
= νt
∞ (νt)µ
µ!
0
1
e−νt = νt ,
das Quadratmittel aus n2 =
∞
n 2 Pn =
1
∞
n(n − 1)Pn +
2
∞
n Pn
1
= (νt)2 + νt , die Standardabweichung ist √ √ σ = n 2 − n 2 = νt = n .
17.2.7 Strenge Sitten Die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls in der kurzen Zeit τ (in Jahren) sei ντ. Nach t Jahren ist der Bruchteil der Fahrer, die genau n Unfälle gehabt haben, Pn = (νt)n e−νt /n!. Der Bruchteil der Fahrer, die bis dahin N oder weniger Unfälle hatten, also noch fahren dürfen, ist f(t) =
N
Pn = e−νt
0
N (νt)n 0
n!
.
Das ist ein analytisch äußerst unhandlicher Ausdruck. Die Ableitung nach t ist dagegen sehr einfach: N N (νt)n (νt)n−1 −νt n − f (t) = −νe n! n! 0 1 N (νt)n N−1 (νt)n (νt) N −νt − = −νe−νt . = −νe n! n! N! 0
0
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Die zweite Ableitung (νt) N − N(νt) N−1 N! zeigt, dass bei t = N/ν ein Wendepunkt liegt, und zwar der einzige. Die Kurve fällt dort mit der √ maximalen Neigung e−N N N /N! √ ab. Nach N = ν/ 2πN. Die 2πN/e N ergibt sich f wp der Stirling-Formel N! ≈ N Wendepunktstangente schneidet also die Asymptoten f = 1 und f = 0 in zwei Punkten, deren Abstand geteilt durch die Abszisse des Wende√ punktes 2π/N ist. Je größer N ist, desto besser lässt sich die ganze Kurve durch ein Plateau mit f = 1 bis fast zum Wendepunkt, einen Abfall der angegebenen Breite und Steilheit und einen Schwanz mit f ≈ 0 beschreiben. Dies Verhalten ist völlig anders als das der einfachen e−νt Funktion. Die Nutzanwendung auf die Teilchenbremsung ist klar: Teilchen, die ihre ganze Energie in einem Unfall verlieren, folgen dem üblichen e−αx Absorptionsgesetz; sind dazu viele Unfälle nötig, so haben alle Teilchen etwa die gleiche Reichweite. f (t) = ν2 e−νt
17.2.8 Positronenzerfall Natürlicher β-Zerfall ist immer eine Folge eines Neutronenüberschusses, der beim α-Zerfall entsteht. Ein Kern ist auch relativ umso neutronenreicher, je schwerer er ist: Das Stabilitätstal verläuft flacher als 45◦ im Z, N-Diagramm. Demnach führt ein α-Zerfall (45◦ -Schritt) zu einem Tochterkern, dessen Neutronenüberschuss meist für seine Stabilität zu groß ist. Der Ausgleich erfolgt durch β − -Zerfall. 17.2.9 14 C-Uhr Zwischen Erzeugung und Zerfall von 14 C herrscht Gleichgewicht. Da Lebewesen bis auf ganz wenige Ausnahmen Umschlagzeiten ihres C haben, die viel kleiner als 5 600 Jahre sind, ist ihr Isotopenverhältnis 14 C/12 C zu ihren Lebzeiten gleich dem der Atmosphäre (Störungen dieser Gleichgewichte s. unten). Daraus ergibt sich ohne jede Rechnung die Aktivität ,,lebenden“-Kohlenstoffs als 2,4/9 Zerfälle pro s und g = 16 Zerfälle/(min g). Das ist eine winzige Aktivität. Selbst wenn man sehr viel mehr als 1 g C verfügbar hat, ergäbe die kosmische, atmosphärische und Bodenaktivität (≈ 10 Zählakte/min) einen erheblichen Fehler. Sie muss durch Abschirmung und Koinzidenzschaltung von äußeren und inneren Zählrohren weitgehend ausgeschaltet werden. Für das Alter t von Sneferus Holz folgt 2−t/5 600 = 8,5/16,1, also t = 5 160 Jahre mit 200 Jahren Fehler. Sneferu oder Snofru, III. Dynastie, Eroberer der Sinai-Halbinsel, wird von den Historikern um −3000 bis −2750 angesetzt. – Die Industrie verbrennt fossile Kohle und Kohlenwasserstoffe, deren 14 C-Gehalt auf 0 abgefallen ist, und entlässt erhebliche Mengen nichtmarkiertes CO2 in die Luft. Moderne Proben, besonders in Industrie- oder Straßennähe, sehen daher zu alt aus, denn ihr 14 C-Gehalt ist von vornherein herabgesetzt. In umgekehrter Richtung wirken Kernwaffenexperimente.
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17.2.10 40 K-Uhr Wenn das Mineral bei der Bildung kein Argon enthielt (was speziell untersucht werden muss, denn einige Mineralien binden Edelgase, teils als ,,clathrates“ in Löchern im Gitter, teils als eine richtige Verbindung), ist der 40 Ar-Bruchteil von 8,8 · 10−7 aus dem 40 K entstanden. Gleichzeitig müssen in dem im Verhältnis 0,585/4,75 verzweigten Zerfall auch 7,15 · 10−6 Anteile 40 Ca entstanden sein (die nicht mehr nachweisbar sind), d. h. im Ganzen sind 8,03 Anteile 40 K zerfallen, anfangs waren es 13,04 Anteile. Das Alter t folgt aus 5,01/13,04 = e−(λ1 −λ2 )t zu t = 1,79 · 109 Jahre. 17.2.11 Ist die Erde heiß oder kalt entstanden? 3 · 10−4 % Uran oder 10−6 g/cm3 im Gestein stellen eine Aktivität von 14 · 10−6 · 1 580/(4,5 · 109 ) ≈ 0,5 · 10−11 Ci/cm3 dar (14 Glieder der Zerfallsreihe im Gleichgewicht mit U, Umrechnung von 4,5 · 109 Jahren des U auf 1 580 Jahre des Ra, von dem das Ci abgeleitet ist). Das bedeutet eine Wärmequelldichte von 0,5 · 10−11 · 3,7 · 1010 · 5 · 10−13 ≈ 10−13 J/cm3 . Schon 100 km Gesteinsdicke decken also die Leitungsverluste von 5 · 10−6 W/(cm2 s). Entweder gibt es in größerer Tiefe viel weniger Uran, oder die Erde heizt sich mit einer Zeitkonstante von etwa 106 Jahren auf, was geologisch unwahrscheinlich ist. Gesamtmenge Uran ungefähr 2 · 1017 kg, Gesamtmenge 235 U ≈ 1,4 · 1015 kg, Gesamtenergie bei Spaltung 1029 J. Bei 1 kW pro Kopf und 1010 Menschen, also 3 · 1020 J/Jahr, würde das 3 · 108 Jahre reichen. 17.2.12 Kann man Radioaktivität beeinflussen? Die Ionisierungsenergie der meisten Atome hat eine bemerkenswert konstante Höhe um E i ≈ 5 eV. Das Potential, das der Kern auf das äußerste Elektron durch die Abschirmung der inneren Elektronen hindurch ausübt, hat also ziemlich unabhängig von der Kernladungszahl Z den Wert ϕi ≈ 5 V. Ein zusätzliches Elektron muss mit seinem Feld ebenfalls durch die inneren Elektronen durchgreifen bzw. die inneren Schalen polarisieren und wird daher am Ort des Kerns nur ein Zusatzpotential ϕi /Z ausüben (der Kern hat ja Z Ladungen, das Elektron nur eine). Die potentielle Energie eines α-Teilchens am Rand des Kerns wird dadurch um ∆E = 2eϕi /Z verschoben. Jetzt betrachten wir das Tunnelmodell von Gamow für einen Kern mit der Massenzahl A ≈ 2,5Z und dem Radius R = A1/3r0 (r0 : Radius des Nukleons = Yukawa-Radius = 1,25 · 10−15 m). Außerhalb von R gilt die Coulomb-Energie E = 2Ze2 /(4πε0r) für das α-Teilchen. Da das α-Teilchen im Krater eine Energie W0 > 0 hat, kann es den Coulomb2 /(4πε E ) wieder Wall durchtunneln und taucht im Abstand r1 = 2Ze√ 0 0 −1 2m(E − E 0 )], wo auf. Die Tunnelwahrscheinlichkeit ist exp[−βr1 h E = 2Ze2 /(4πε0 R) die Höhe des Kraterrandes ist; β beschreibt die Form des Potentialwalls: β = 2 für ein ebenes Rechteckpotential; β = 43 für ein ebenes Dreieckpotential; β = π für ein sphärisches CoulombPotential, wobei noch ein Faktor (R/r1 )2 vor den e-Ausdruck tritt. Einsetzen von r1 liefert für E E 0 : P ≈ exp(−BZ 3/2 /(E 0 A1/6 )) mit 3/2 1/2 B = βe3 m 1/2 /(2π 3/2 ε0 r0 h). Hier kann man noch r0 als Yukawa-
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√ Radius h/(mc) ausdrücken und erhält B = 4α3/2 mm π c2 = 2 · 104 eV mit 1 der Feinstrukturkonstante α = e2 /(4πε0 hc) = 137 . Die Zerfallskonstante ergibt sich durch Multiplikation einer Frequenz von der Größenordnung ν0 ≈ 1022 s−1 mit der obigen Zerfallswahrscheinlichkeit, also ln λ = ln ν0 − B
Z 4/3 . E0
(L.1)
Wenn eine Änderung in der äußeren Elektronenhülle das Kernpotential um ∆E verschiebt, betrifft dies sowohl die Kraterhöhe E 0 als auch die Lage E 0 des α-Teilchens. Da aber E E 0 , ist die relative Änderung von E 0 viel größer und allein ausschlaggebend. Die entsprechende relative Verschiebung der Zerfallskonstanten ergibt sich aus ∆ ln λ/ ln λ = ∆λ/(λ ln λ) = −∆E/E zu ∆λ/λ ≈ −∆E ln λ/E 0 = −2E i ln λ/(Z E 0 ). Hier können wir noch E 0 mittels (L.1) durch λ ausdrücken und erhalten ∆λ/λ ≈ −2E i (ln ν0 − ln λ) ln λ/(BZ 7/3 β). Einsetzen der Zahlenwerte und von τ = λ−1 ergibt ∆τ/τ ≈ 10−3 Z −7/3 ln τ(50 + ln τ). Die größte Verschiebung entsteht bei kleinem Z und großem τ. Zum Beispiel wird die 15 Jahre, E ≈ 1,5 MeV) etwa relative Verschiebung für 144 0 60 Nd (T1/2 ≈ 10 238 viermal größer als für 92 U. 17.2.13 Totzeitfehler I Wenn die Impulsrate wie I˙ = I˙0 e−λt abklingt, ist die mittlere Anzahl unterschlagener Impulse innerhalb einer Zeit dt gegeben durch d∆I = I˙2 t0 dt (s. Aufgabe 17.2.14), also der Gesamtverlust t t e−2λt dt = I˙02 t(1 − e−2λt )/(2λ) . I˙2 t0 dt = I˙02 t0 ∆I = 0
0
Die gesamte gemessene Impulszahl ist I = Damit wird der relative Fehler von I: I˙0 t0 1 − e−2λt ∆I I˙0 t0 = (1 + e−λt ) = −λt I 2 e 2 Iλt0 Iλt0 1 + e−λt λt coth . = = 2 1 − e−λt 2 2
t 0
I˙ dt = I˙0 (1 − e−λt )/λ.
Für λt 1 ergibt sich wie in Aufgabe 17.2.12 ∆I/I = It0 /t. Für λt 1 zerfallen praktisch alle Kerne während der Messzeit, und es wird ∆I/I = 1 2 Iλt0 . 17.2.14 Totzeitfehler II Das Präparat enthalte N Kerne (zu bestimmen aus Masse m des Präparats und relativer Nuklidmasse A als N = m/(Am H )). In der Sekunde ˙ = λN Kerne. In der Messzeit t beobachtet zerfallen im Mittel | N| ˙ = λNt Zerfallsakte und erhält daraus die Zerfallskonstante man I = | N|t λ = I/(Nt). Wenn man t als exakt gemessen ansieht, ist der relative Fehler ∆λ/λ = ∆I/I + ∆N/N. In Wirklichkeit kann kein Zähler alle Impulse erfassen, sondern nur die in einen Raumwinkel Ω fallenden Teilchen. Dann muss man die gemessene Impulszahl auf den vollen 4π-Winkel umrechnen: λ = 4πI/(ΩNt). Es kommt dann noch der relative Fehler von Ω
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hinzu, der oft größer ist als die übrigen. Wir beschäftigen uns nun mit dem Fehler der Impulszahl I. Wenn die Impulsrate I˙ √ klein ist, wird √ der relative statistische Fehler (Poisson-Fehler) ∆ISt /I = I/I = 1/ I˙t zu groß. Wenn I˙ groß ist, kommt es zu oft vor, dass ein zweiter Impuls in die Totzeit des Zählers fällt, d. h. in das Zeitintervall, in dem die Entladung, die ein anderer Impuls ausgelöst hat, noch nicht abgeklungen ist. Ein solcher zweiter Impuls wird dann nicht registriert. Am kleinsten wird der relative Fehler also bei mittlerer Impulsrate. Wie groß ist der Totzeitfehler? In ein beliebiges Zeitintervall der Länge t0 fällt mit der Wahrscheinlichkeit t0 I˙ mindestens ein weiterer Impuls. Wenn t0 I˙ 1 ist, kommt es kaum vor, dass mehr als ein Impuls in dieses Intervall fällt. Während der ganzen Messzeit gibt es I solche Intervalle, in denen der Zähler nicht anspricht, und in diese gesamte Totzeit fallen insgesamt It0 I˙ Impulse, die nicht registriert werden. Der relative Totzeitfehler ist demnach ∆Itot /I = t0 I˙. ˙ −1/2 + It ˙ 0 nimmt ein Der Gesamtfehler ∆I/I = ∆ISt /I + ∆Itot /I = ( It) ˙ für Minimum hinsichtlich I˙ an (Nullsetzen der Ableitung nach I) ˙I = 1/(22/3 t 1/3 t 2/3 ). Einsetzen dieses Wertes ergibt den Minimalfehler 0 IMin /I = 1,9(t0 /t)1/3 . Für t0 = 10 µs, t = 4 Monate ≈ 107 s erhält man I˙Opt = 6,3 s−1 und ∆IMin /I = 1,9 · 10−4 . 17.3.1 Nebelkammerspuren Geladene Teilchen werden vorwiegend durch Wechselwirkung mit Atomelektronen gebremst. Das schwere α-Teilchen kann einem Elektron selbst beim zentralen Stoß nur einen Bruchteil 4m/M ≈ 5 · 10−4 seiner Energie übergeben, meist viel weniger. Das β-Teilchen wird viel stärker abgelenkt, beim zentralen Stoß z. B. verliert es alle seine Energie. Das erklärt Geradheit bzw. Zittrigkeit der Bahnen. Der Energieverlust auf der gleichen Bahnlänge ist dagegen für das α-Teilchen fast M/m = 7 600-mal größer als für ein β-Teilchen gleicher Energie (vgl. Aufgaben 17.3.3–17.3.6). Daher ist die α-Bahn viel dicker und kürzer. Ein γ -Quant löst nur hin und wieder, meist durch Compton-Stoß, Elektronen aus Atomen aus, die vielfach so viel Energie mitbekommen, dass sie ähnliche Spuren wie β-Teilchen hinterlassen (δ-Elektronen). 17.3.2 Lange Spur Wenn die Spur eines α-Teilchens in Abb. 17.23 um ca. 15% länger ist als die übrigen, lässt das nach der Reichweiteformel (17.18) auf eine um ca. 7% größere Energie schließen. Das Präparat besteht aus RaC , das nach Abb. 17.13 die kürzeste Halbwertzeit der ganzen U-Reihe und damit nach Geiger-Nuttall die größte Energie und Reichweite hat. Eine Verunreinigung des Präparats durch eines der übrigen Glieder der U-Reihe könnte also höchstens einige α-Spuren niederer Energie beitragen, die in dem dicken Pinsel kaum zu sehen wären. (Eine solche Verunreinigung durch spätere Glieder der Zerfallsreihe ist natürlich bei einem so kurzlebigen Nuklid unvermeidlich; alle Glieder nach RaC sind aber β-aktiv, außer dem Po, dessen Halbwertzeit 107 -mal größer ist, sodass auf 107 RaC -αTeilchen nur ein energieärmeres Po-α-Teilchen kommt.) Das macht sehr wahrscheinlich (andere Messungen bestätigen dies), dass das schnelle α-
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Teilchen aus einem angeregten Zustand des RaC -Kerns stammen muss, der wegen der Kurzlebigkeit des RaC keine Zeit hat, sich wie üblich durch γ -Emission abzubauen, sondern seine Energie dem α-Teilchen mitgibt. Aus dem Häufigkeitsverhältnis langer und normaler Spuren in Abb. 17.23 kann man also sogar das Verhältnis von γ - und α-Lebensdauer schätzen. 17.3.3 Impulsübertragung Das schnelle Teilchen habe die Masse M und die Ladung Ze. Auf ein Elektron in einem Atom, von dem es um r entfernt ist, übt es die Kraft F = Ze2 /(4πε0r 2 ) aus. Wir setzen zunächst voraus, die Bahn des Teilchens bleibe trotz dieser Wechselwirkung gerade und werde gleichförmig durchlaufen. Der Minimalabstand vom Atom sei a (Stoßparameter), die Maximalkraft ist dann Fm = Ze2 /(4πe0 a2 ). Ein so kleiner Abstand herrscht nicht immer, sondern annähernd nur während einer Zeit ∆t ≈ 2a/v (Abb. 17.55). In dieser Zeit wird auf das Atomelektron der Impuls ∆ p ≈ F ∆t ≈ Ze2 /(2πε0 av) übertragen, also die kinetische Energie ∆E = ∆ p2 /(2m) ≈ Z 2 e4 /(8π 2 ε20 a2 mv2 ). Man kann auch sagen: (Coulomb-Energie im Abstand a)2 Energie W des schnellen Teilchens Teilchenmasse M × . Elektronenmasse m Man kommt zu dem gleichen Ergebnis für ∆ p, wenn man die Impulsbeiträge der einzelnen Positionen des Teilchens aufintegriert. Bei t = 0√sei es im Minimalabstand a. Zur Zeit t ist es dann im Abstand r = a2 + v2 t 2 . ϕ sei der Winkel zwischen der Bahnrichtung und der Verbindungslinie Kern–Elektron. Momentaner Abstand: r = a/ sin ϕ, Weg seit t = 0: x = a cot ϕ, Gesamtkraft F = A/r 2 mit A = Ze2 /(4πε0 ), 2 3 2 senkrechte +∞F⊥ = A sin ϕ/r = A sin ϕ/a 2. Der Querimpuls +∞Komponente ∆ p = −∞ F⊥ dt = π −∞ F⊥ dx/v. Mit dx = a dϕ/ sin ϕ geht das über in ∆ p = Aa−1 v−1 0 sin ϕ dϕ = 2Aa−1 v−1 = Ze2 /(2πε0 av). Die größte Energie, die ein Teilchen der Masse M einem Elektron der Masse m übertragen kann, ist ∆E max = 4m ME/(M + m)2 ≈ 4m E/M 2 . Dieser Energieübertragung entspricht ein Stoßparameter amin = Ze2 M/(8πε0 Em). Selbst wenn a kleiner wird als dieser Wert, kann doch nicht mehr Energie abgegeben werden. Wenn die Energieübertragung größer ist als die Ionisierungsenergie E i , reißt das Elektron vom Atom ab. Bei E E i geschieht dagegen i. Allg. nichts Bleibendes: Im Feld des sich nähernden Teilchens erleiden die Elektronenzustände des Atoms Stark-Verschiebungen, die sich ,,adiabatisch“ zurückbilden, wenn es sich wieder entfernt, unter Rückerstattung der investierten√Energie. Stöße √ mit dem entsprechenden Stoßparameter a amax = Ze2 M/(4πε0 E E i m) führen also nicht zur Bremsung. Anregung kommt ziemlich selten vor, denn dazu müssten ganz bestimmte diskrete Energiewerte übertragen werden. ∆E ≈
17.3.4 Energieübertragung Ein schnelles Teilchen der Energie E fliege durch ein Material mit der Atomzahldichte n, also der Elektronenzahldichte Z n (Z : Ordnungszahl
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der Bremssubstanz). In einem Hohlzylinder vom Innenradius a und vom Außenradius a + da um ein Bahnstück dx des Teilchens sitzen im Mittel 2πa da dx Z n Elektronen. Jedes dieser Elektronen entzieht dem Teilchen nach Aufgabe 17.3.3 eine Energie ∆E = Z 2 e4 M/(8π 2 ε20 a2 Em), falls a zwischen den angegebenen Grenzen amin und amax liegt. Insgesamt, an alle Zylinderschalen, verliert also das Teilchen auf der Strecke dx die Energie amax Z 2 e4 M da d E = −2πZ n dx 2 2 amin 8π ε0 Wm a =
Z 2 Z ne4 M amax Z 2 Z ne4 M 4m E dx = dx . ln ln amin ME i 4πε20 Em 8πε20 Em
Bis auf das E unter dem ln, das nur eine sehr schwache Abhängigkeit bedingt, ist der Energieverlust pro Wegeinheit umgekehrt proportional zu E: Schnelle Teilchen verlieren, auch absolut betrachtet, ihre Energie viel langsamer. Wie Aufgabe 17.3.3 gezeigt hat, liegt das einfach daran, dass sich das schnelle Teilchen nicht so lange im Einflussbereich des Atomelektrons aufhält, und zweitens daran, dass bei gleicher Zeit die Impulsverluste zwar gleich, aber die Energieverluste ∼ 1/v sind. Bedenkt man, dass für nicht zu schwere Atome 2m H Z n die Dichte der Bremssubstanz ist, und drückt man d E/dx in MeV/cm (statt wie oben in J/m), E in MeV (statt in J), in g/cm3 (statt in kg/m3 ) und M in atomaren Masseneinheiten (statt in kg) aus, dann wird dW Z 2 M 4m E . = −36 ln dx E ME i 17.3.5 Ionisierungsdichte Praktisch der ganze Energieverlust d E/dx des schnellen geladenen Teilchens wird nach Aufgaben 17.3.3–17.3.4 in Ionisierung angelegt. Für E i ist offensichtlich die mittlere Ionisierungsenergie aller Elektronen der Bremssubstanz einzusetzen, einschließlich derer in den tieferen Elektronenschalen. Für H ist sie natürlich 13,5 eV; für leichtere Atome wie C, N, O liegt sie um 30 eV und steigt nur langsam mit der Ordnungszahl an. Nach dem bohrschen Modell kann man das ziemlich quantitativ verstehen: Ein Elektron in einer Schale mit der Hauptquantenzahl n, auf das eine effektive Kernladung Z eff e wirkt, hat die Ionisierungsenergie E = 13,5Z eff /n 2 eV. Gäbe es keine Abschirmung durch die übrigen Elektronen und erfolgte der Schalenaufbau ganz regulär (3d vor 4s usw.), dann besäße ein schweres Atom 2n 2 Elektronen in der n-Schale, und die mittlere Ionisierungsenergie wäre E i = Z −1 1L 2n 2 Z 2 n −2 E H = 2L Z E H (L: Anzahl der vollen Schalen). In Wirklichkeit frisst jedes Elektron fast eine volle Kernladung durch Abschirmung weg, besonders für die zahlreicheren Außenelektronen. Daher wird die Z-Abhängigkeit viel schwächer. Die Ionisierungsdichte, wie man inkonsequenterweise die Anzahl erzeugter Ionen pro Längeneinheit der Bahn nennt, ist also I ≈ 106 Z 2 ME −1 ln(4m E/(ME i )). Eine wirkliche Ionisierungsdichte,
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d. h. eine Anzahl erzeugter Ionen pro Volumen- und Zeiteinheit, wird daraus, wenn man I mit der Stromdichte einfallender Teilchen, also mit der Anzahl schneller Teilchen pro Flächen- und Zeiteinheit multipliziert: jI = nvI = 106 nvZ 2 ME −1 ln(4m E/(ME i )). 17.3.6 Röntgen Ein Präparat von der Aktivität A (in Bq) sendet in der Sekunde A Teilchen aus. Bei einer Zerfallsenergie E (in MeV) erzeugt jedes Teilchen in Luft, Wasser oder organischer Substanz N = 3 · 104 E Ionenpaare, denn zur Erzeugung eines Paares verbraucht es 32 eV. Das ganze Präparat erzeugt also 3 · 104 WA Ionenpaare/s. Wenn die Strahlung die Reichweite r hat, erfüllt diese Ionisierung eine Kugel vom Volumen 43 πr 3 , wobei allerdings Teilchenstrahlung dicht am Rand dieser Kugel, kurz bevor sie sich totgelaufen hat, trotz der Verdünnung mit zunehmendem Abstand von der Quelle u. U. stärker ionisiert als in der Mitte. Die mittlere Ionendosisleistung in dieser Kugel ist also 104 E A/r 3 . In Luft entspricht 1 R (1 Röntgen) 2,08 · 109 Ionenpaaren/cm3 , also ist die Dosisleistung 5 · 10−6 E A/r 3 R s−1 . Aus Abb. 17.25 bzw. der Geiger- oder Whiddington-Formel, ferner für γ -Strahlung aus Tabelle 15.3 liest man folgende Reichweiten ab, die zu Dosisleistungen D für ein Präparat von 3 · 1010 Bq führen: Für das Abschirmproblem ist das unterschiedliche Absorptionsverhalten von Teilchen und Photonen entscheidend: Teilchenstrahlung wird vollkommen abgeschirmt, wenn die Dicke etwas größer ist als die Reichweite; γ -Strahlung wird durch eine Dicke, die gleich dem reziproken Absorptionskoeffizienten ist, nur um den Faktor e geschwächt. Um z. B. ein 60 Co-Präparat (γ mit 1,17 MeV) von 3 · 1012 Bq so abzuschirmen, dass die Umwelt nicht mehr als 1 mR/h erhält, muss man 2 · 109 -mal schwächen, braucht also mindestens 22 cm Blei. Der Mensch, der sich der unabgeschirmten Quelle näherte, hätte schon nach wenigen Sekunden die tödliche Dosis. Weichere γ - oder Röntgenstrahlung erzeugt viel höhere Dosisleistungen, ist aber viel leichter abzuschirmen. Entsprechendes gilt für β- und α-Strahlung. Ein α-Präparat ist sogar relativ ungefährlich, weil seine Strahlung schon in den obersten Hautschichten absorbiert wird, die sowieso tot sind. Man darf nur nichts davon verschlucken. Tabelle L.7
Luft r/mm D/Rs−1 Wasser r/mm D/Rs−1 Blei r/mm D/Rs−1
6 MeV − α
3 MeV − β
1 MeV − γ
25 keV − γ
60 700
8 · 103 3 · 10−4
1,2 · 105 8 · 10−8
1,2 · 104 8 · 10−5
0,045 1012
10 1,5 · 105
140 50
14 5 · 104
0,02 1013
1 1,5 · 108
13 7 · 104
0,2 1010
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17.3.7 Reichweite I In Abb. 17.15 erkennt man deutlich mindestens zwei Gruppen von αTeilchen verschiedener Reichweite, die einen etwa 23 so lang wie die anderen (das Präparat ist außerhalb des Bildes). Das Präparat kann also kein reines Po sein, denn das zerfällt direkt ins stabile Blei, hat also kein Tochterprodukt bei sich und emittiert α-Teilchen einheitlicher Energie und Reichweite. Vermutlich handelt es sich auch, wie oft bei Rutherford, um den aktiven Niederschlag von Rn. Rn ist ein Edelgas, sein Folgeprodukt RaA ein Chalkogen, also fest. Die Wände eines Gefäßes, das Rn enthielt (etwa aufgefangen über Ra) bedecken sich daher nach einigen Stunden oder Tagen mit einem Niederschlag aus RaA und dessen Folgeprodukten. Er strahlt eigentlich drei α-Gruppen (Abb. 17.13), aber die Reichweiten der RaA- und der RaC-Strahlung sind nicht so sehr verschieden. Jedenfalls ist es kein α-Teilchen aus dem häufigsten Po-Isotop 210 (T1/2 = 138 d, E = 5,3 MeV), sondern aus 214 Po = RaC (T1/2 = 1,6 · 10−4 s, E = 7,7 MeV). Wir betrachten den Reaktionsakt. Die α-Spur gabelt sich in eine kurze dicke und eine lange dünne Spur. Die dünne ist viel länger als die Restlänge, die der α-Spur ohne Stoß noch zustünde, mindestens 4-mal so lang. Da das ,,dünne“ Teilchen kaum mehr Energie haben kann als das α mitbrachte, muss seine Masse nach Whiddington oder Geiger mindestens 4-mal kleiner sein. Für ein β ist die Bahn viel zu gerade, also kann es nur ein Proton sein. Die dicke Bahn bildet fast die Verlängerung der α-Spur, d. h. das unbekannte Teilchen (Masse M AME) hat fast den ganzen αImpuls übernommen (Ausmessung der Winkel liefert p X = pα · 1,07; das ist mehr als pα , weil das dünne Teilchen nach ,,hinten“ läuft). Sagen wir also p X = pα . Für das Ende der Bahn besonders stimmt die Geiger-Formel besser: Reichweite R ∼ E 1,5 /M ∼ p3 /M 2,5 . Schätzt man die dicke Bahn als etwa 14 so lang wie die α-Restspur, dann folgt M ≈ 3,2m α ≈ 13 AME; der Stoßpartner ist also eher ein N- als ein O-Kern, was schon wegen des Mischungsverhältnisses wahrscheinlich ist. 17.3.8 Reichweite II Betrachtet man den Logarithmus in der Bethe-Formel als praktisch konstant, dann kann man sofort integrieren Z 2 M 4m E dE = −36 ln dx E ME i 4m E ⇒ E d E = −36Z 2 M ln dx ME i 4m E . ⇒ E 2 = E 02 − 72Z 2 Mx ln ME i E(x) ist dann eine liegende Parabel, nach links offen, die die x-Achse bei x = R = E 02 /(72Z 2 M) ln(4m E/(ME i )) schneidet. Das ist die Reichweite nach Whiddington. Die Steilheit von E(x), d. h. Energieverlust und Ionisierungsdichte werden also längs der Bahn immer größer und bei x = R hiernach sogar unendlich. Dies zeigt an, dass die Näherung ln(4m E/(ME i )) = const hier nicht mehr stimmt: Eben weil der Energie-
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verlust absolut und besonders relativ so groß ist, beginnt jetzt sogar der träge Logarithmus sich merklich zu ändern. Damit rundet sich der steile Zahn der Ionisierungskurve kurz vor dem Ende der Bahn ab. 17.3.9 Maximale Energieübertragung Die allgemeine Ableitung steht in Abschn. 1.5.9. Abgekürzte Betrachtung: Es ist anschaulich klar, dass maximale Energie beim zentralen Stoß übertragen wird. Im Schwerpunktsystem sieht die Sache so aus, dass die Teilchen mit den Massen m und M mit −vM/(M + m) bzw. vm/(M + m) aufeinander zufliegen (v: Geschwindigkeit des stoßenden Teilchens im Laborsystem, wo das andere ruht). Impuls- und Energiesatz fordern bei elastischem Stoß, dass die Teilchen mit genau umgekehrt gleichen Geschwindigkeiten zurückprallen. Im Laborsystem hat das Teilchen m daher nach dem Stoß die Geschwindigkeit 2vM/(M + m) und die Energie ∆E = 12 4v2 m M 2 /(M + m)2 = E · 4m M/(M + m)2 . 17.3.10 Geiger-Nuttall Aus der Abb. 17.13 liest man die Halbwertzeiten für den α-Zerfall von 238 U, 226 Ra, 210 Po, 214 Po (RaC ) ab als 4,5 · 109 a, 1 580 a, 136 d, 1,5 · 10−4 s. Die Zerfallskonstanten λ sind 5 · 10−18 , 1,4 · 10−11 , 6 · 10−8 , 4 · 103 s−1 (es gilt λ = ln 2/T ). Nach der Geiger-Nuttall-Regel sind die Reichweiten in Normalluft 2,7, 3,5, 4,2 bzw. 6,2 cm (vgl. Abb. 17.19). Die Whiddington-Formel liefert die Energie E = Z 2 n Z e4 Mr/(4πε20 m) also, mit E in MeV und r in cm, E = 2,5r. Damit ergeben sich die Energien 4,1, 4,7, 5,1, 6,2 MeV. Die Geiger-Formel E = 2,1r 2/3 liefert 4,1, 4,8, 5,5, 7,1 MeV, was noch besser mit den direkt gemessenen 4,18, 4,78, 5,30, 7,68 MeV übereinstimmt. Whiddington- und Geiger-Formel wurden einschließlich ihrer Proportionalitätskonstanten empirisch aufgestellt und erst später entsprechend Aufgaben 17.3.3–17.3.5 theoretisch bestätigt. 17.3.11 Reichweite III Die Bremskurven (17.16) für verschiedene Teilchen und Bremssubstanzen lassen sich durch Maßstabsänderung von W und x alle zur Deckung bringen. Man messe z. B. die Energie in der Einheit η = MI/(4m), den Abstand in der Einheit ξ = 8πε20 MI 2 /(e4 Z 2 Z nm) und erhält dη/dξ = ln η/η. Die daraus folgende einheitliche Energieabhängigkeit der Reichweite läuft bei mittleren Energien wie r ∼ E 2 : Whiddington-Gesetz (17.17); bei kleineren Energien flacher als E 2 : Einfluss des ln-Gliedes, annähernd dargestellt durch die Geiger-Formel (E 1,5 ). Die Grenze zwischen beiden Bereichen liegt da, wo der ln etwa den Wert 7 hat, also bei E ≈ 1 000IM/(4m). Bei sehr hohen (relativistischen) Energien wird r ∼ E. Hier ist in (17.16) der Faktor ln(4m E/(MI )) zu ersetzen durch ln(4m E/(MI )) − ln(1 − v2 /c2 ) − v2 /c2 ; diese Korrektur beschreibt u. A. die Lorentz-Kontraktion der Abstände längs der Bahn des fast mit c fliegenden Teilchens, von diesem aus gesehen. Man kann also die Kurven in Abb. 17.26 sofort zeichnen, wenn man zuerst die Koordinaten des Knicks zwischen E 1,5 und E 2 festlegt, die Kurvenabschnitte mit den Steigungen 1,5 bzw. 2 auszieht und am Knick abgerundet zusammenführt, und
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analog beim Knick zwischen E 2 und E 1 verfährt (er liegt bei E ≈ mc2 ). Bei Zunahme der Ordnungszahl der Bremssubstanz steigt I, also wandert der E 1,5 − E 2 -Knick nach rechts. Dasselbe tut er, wenn das ionisierende Teilchen schwerer wird. 17.3.12 Relativistische Bremsung Bei der Herleitung von (17.16) stand im Nenner des Ausdrucks für die Energieübertragung ∆E zunächst v2 . Wir haben das durch 2E/M ersetzt. Aber das v war wirklich ein rein kinematisches v, seiner Herleitung nach. Also lassen wir v2 stehen oder ersetzen es durch c2 (für relativistische Teilchen). Unter dem ln dagegen steht wirklich die kinetische Teilchenenergie E. Die relativistische kinetische Energie heißt E = m 0 c2 / 1 − v2 /c2 − m 0 c2 . Für relativistische Teilchen geht also der 1/E-Abfall der Bethe-Kurve in ein ganz schwach ansteigendes Plateau d E/dx = −0,3Z 2 (ln(E/(M0 c2 )) + 10) über, und zwar erfolgt der Übergang bei E ≈ Mc2 . In Abb. 17.25 ist das für Elektronen berücksichtigt. Für die anderen Teilchen läge das Plateau etwa ebenso hoch, beginnt aber erst rechts außerhalb der Zeichnung. Wenn Energieverlust und Ionisierungsdichte E-unabhängig werden, ist natürlich die Reichweite einfach proportional zur Energie. In Abb. 17.26 ist dieser Übergang von R ∼ E 2 zu R ∼ E für Elektronen ebenfalls zu erkennen. 17.3.13 Bremsformeln Der Charakter des Stoßes hängt von zwei Umständen ab: (1) Führt ein einziger Stoß zu praktisch vollständiger Bremsung, oder sind dazu sehr viele Stöße nötig? (2) Handelt es sich um eine Coulomb-Wechselwirkung, oder sind die Stoßpartner ungeladen? Langsame ungeladene Teilchen geben ihre Energie größtenteils ab, wenn sie ein anderes Teilchen innerhalb seines geometrischen Querschnitts treffen. Dieser ist unabhängig von der Energie. So entsteht das übliche e−αx -Absorptionsgesetz. Geladene langsame Teilchen laufen sich ebenfalls in einem Stoß praktisch tot. Ein Stoß erfolgt dann, wenn sich die Partner so nahe kommen, dass E pot E kin wird, d. h. e2 /(4πε0r) E. Der Stoßquerschnitt ist σ ∼ E −2 . Die Stoßfrequenz ist ν = nσv, und mit v ∼ E 1/2 entsteht die Abhängigkeit τ = 1/ν = E 3/2 . Sehr schnelle Teilchen ändern ihr v bei der Wechselwirkung nur wenig. Die Dauer des Stoßaktes und damit die Impulsübertragung ist proportional v−1 ∼ E −1/2 , unabhängig vom Stoßmechanismus (nichtrelativistische Teilchen). Damit ergibt sich nach Aufgabe 17.3.5 die Zeit zwischen zwei Ionisierungsakten τ ∼ E, was mit τ = 1/(nσv), also σ ∼ E −1/2 zu deuten ist. 17.3.14 Bremsen Kerne auch? Auf ein schweres geladenes Teilchen wird zwar der gleiche Impuls ∆ p = Ze2 /(2πε0 av) übertragen wie auf ein Elektron, aber die Energieübertragung ∆E = ∆ p2 /(2m) ist bei Protonen um den Faktor 1 840 kleiner, bei schwereren Kernen sogar etwa um den Faktor 4 000. Der Energieverlust durch Stöße mit Kernen ist also zu ver-
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nachlässigen. Dies gilt unter Vernachlässigung der direkten Kernstöße (Stoßquerschnitt ≈ geometrischer Kernquerschnitt), die erst bei hochrelativistischen Energien wesentlich werden, wo der Bethe-Bohr-Querschnitt bis in diese Größenordnung abgefallen ist. 17.3.15 Materialabhängigkeit Für ein gegebenes ionisierendes Teilchen steckt der Einfluss der Bremssubstanz auf die Reichweite nach (17.18) in dem Faktor n Z , die Ionisierungsdichte, die gleich I −1 d E/dx ist, hängt außerdem noch von der mittleren Ionisierungsenergie I ab. Da n Z etwa proportional der Dichte ist (es kommen ja immer etwa zwei Nukleonen auf ein Elektron), sollte die Reichweite, in g/cm2 ausgedrückt, sogar unabhängig von der Bremssubstanz sein. Dass sie das nicht ganz ist, liegt am ln-Glied von (17.16), das in (17.18) vernachlässigt wurde. Bei höherer Energie macht dies Glied weniger aus, und die Regel, dass jede Substanz entsprechend ihrer Dichte abschirmt, gilt ganz gut. Für α-Teilchen liegt der Bereich, wo das ln-Glied wesentlich ist, gerade in der interessanten Gegend von einigen MeV. Die Ionisierungsdichte geht bei gegebenem ionisierenden Teilchen etwa wie n Z /(E I ). Für kleinere Energien, wo der ln wesentlich wird, erfolgt ein Maximum, dann ein steiler ,,Haken“ (Abb. 17.25). Das Maximum liegt bei E = eMI/(4m), seine Höhe ist proportional n Z Z /I 2 . Bei gegebener Bremssubstanz liegen also die Maxima für p, e, µ etwa gleich hoch, das für α doppelt so hoch. Im relativistischen Bereich nimmt die Ionisierungsdichte einen praktisch E-unabhängigen Minimalwert an, der sich aus (17.16) ergibt, wenn man E ≈ Mc2 setzt. Das Verhältnis zwischen Maximal- und Minimalionisierung ist ungefähr 4mc2 /I ln(2mc2 /I ), d. h. für Luft, Wasser usw. etwa 5 000, für schwere Elemente größer. Kenntnis der Dichte und der mittleren Ionisierungsenergie (die sich aus dem BohrModell schätzen lässt) genügen, um diese und viele andere Folgerungen aus (17.16) zu ziehen. 17.3.17 Dosisleistung Siehe Lösung 17.3.6. 17.3.18 Theorie der Nebelkammer Die Bedingungen für Tröpfchenbildung in übersättigtem Dampf und Blasenbildung in überhitzter Flüssigkeit sind ungefähr dieselben: Da jedes Tröpfchen oder Bläschen ganz klein anfangen muss, wenn keine mechanischen Ansatzpunkte da sind, ist als Energiedifferenz zwischen den beiden konkurrierenden Phasen nicht die volle Kondensationsenergie einzusetzen, sondern sie muss um eine erhebliche Oberflächenenergie reduziert werden (thermodynamisch richtiger müsste man statt Energie immer Enthalpie sagen). Phasengleichgewicht herrscht, wenn die freien Enthalpien (Gibbs-Potentiale) gleich sind, d. h. wenn T = (Hfl − Hg )/ (Sfl − Sg ). In der H-Differenz ist dabei für die Tröpfchen- oder Bläschen-Nukleation die Oberflächenenergie/Volumen 4πr 2 σ/( 43 πr 3 ) = 3σ/r und, wenn Ionen vorhanden sind, auch eine evtl. Coulomb-Energie mitzuberücksichtigen. Die Verschiebung ∆T der effektiven Kondensationstemperatur gegen-
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über dem Normalwert T ergibt sich dann, wenn man annimmt, dass die spezifische Entropie nicht von der Tröpfchengröße abhängt, einfach zu ∆T/T = ∆H/(Hfl − Hg ). Im Nenner steht die übliche spezifische Kondensationsenthalpie, im Zähler die spezifischen Oberflächen- und Coulomb-Energien. Die Rechnung wurde in Aufgabe 6.5.1 durchgeführt. Bei einer Elementarladung im Tröpfchen ist ∆H maximal etwa 160 J/cm3 , man muss also um mindestens etwa 25◦ unterkühlen, damit sich aus gesättigtem Dampf Nebelspuren um die Bahn des ionisierenden Teilchens bilden. Nach der Adiabatengleichung TV −1 = const erfordert das eine schnelle Expansion um etwa 20%. 17.3.19 E, E-Detektor-Teleskop Protonen und α-Teilchen mit den für Kernreaktionen typischen Energien von etwa 10 MeV bleiben nach Abb. 17.26 in einigen mm Halbleiterschicht stecken, werden aber von einigen µm nur schwach gebremst. Für Elektronen gelten viel höhere Dicken. Da die Energieabhängigkeit der Reichweite sehr steil läuft, gelten diese Werte nur in einem ziemlich engen E-Bereich. Die hyperbelähnliche ∆E(E)-Kurve ist nichts weiter als ein Bild der Bethe-Kurve, nach der der Energieverlust im Wesentlichen proportional E −1 ist. Die einzelnen Teilchensorten unterscheiden sich durch den Faktor Z 2 M vor dem E −1 , liefern also umso enger an die E-Achse geschmiegte Hyperbeln, je kleiner Z und M sind. Zusätzlich liefert das Detektor-Teleskop noch Aufschluss über die Einfallsrichtung des Teilchens. 17.3.20 Zyklotron-Modell Das B-Feld wird repräsentiert durch die Rillen, die die Teilchen in die Kreisbahn zwingen, das beschleunigende E-Feld durch die schiefe Ebene zwischen den D’s. Wenn diese Ebene ihren Neigungssinn mit der Periode T ändert, müssen Rillenradius und Kugelgeschwindigkeit so eingerichtet sein, dass ein halber Umlauf T/2 dauert: für die n-te Halbrille muss gelten rn = Tvn /2. Dann wird die Kugel, wenn sie in der richtigen Phase eingesetzt wird, bei jedem Halbumlauf beschleunigt, und zwar gewinnt sie dabei jedes Mal die Energie mgh, wenn h die maximale Höhendifferenz der D’s ist. Bis zum n-ten Rillenhalbumgang ist die Kugel n-mal beschleunigt worden und hat die Energie nmgh √ = 2ngh. Der n-te Halbkreis muss also und die Geschwindigkeit v n √ den Radius rn = T 2ngh/(2π) haben. Die Rillen folgen nach außen zu immer enger aufeinander. Für Konstrukteure: Gesamtbrettradius z. B. 60 cm, Kugeldurchmesser 0,8 cm, Rillenbreite 0,6 cm, 8 Halbrillen von 20,8 bis 58,7 cm Radius, Übergangsbrett 5 cm breit, maximal 45◦ schief, T = 8 s. Nachrechnen, ausprobieren! Ohne Rille, mit Spiralfeder: Elastische Bindung ans Zentrum, Zentripetalkraft k(r − r0 ), wobei r0 Ruhelänge der Feder. Kreisbahn bei mv2 /r = k(r − r0 ), also für kleine r ebenfalls wegen mv2 /r = evB für den n-ten rn ∼ n 1/2 . Beim √ echten Zyklotron ist√ Umlauf eB = m2E 0 n/r, d. h. rn = n2m E 0 /(eB), die Bahnhalbkreise sind also ebenso abgestuft wie beim Modell, nicht äquidistant, wie man sie gewöhnlich zeichnet.
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17.3.21 Linearbeschleuniger Das n-te Rohr habe die Länge ln und werde in der Zeit tn = ln /vn durchflogen. Diese Zeit muss immer gleich der Wechselspannungsperiode T sein. In jedem Rohrzwischenraum gewinnen die Teilchen die Energie E 0 = eU, haben also im n-ten Rohr E n = n E 0 ,√falls sie schon mit E√ 0 ins erste eingeschossen wurden. Es folgt vn = 2n E 0 /m und ln = T 2n E 0 /m: Die Rohrlängen müssen wie die Wurzel aus n zunehmen. Bei großer N ist die Länge des ganzen Beschleunigers N Gesamtrohrzahl L = 1N ln ≈ 0 ln dn = 23 N 3/2l1 . Bei bekannten L und E N ergeben sich natürlich aus den beiden Beziehungen E N = NE 0 , L = 23 l1 N 3/2 die drei Unbekannten l1 , N, E 0 nicht eindeutig, aber es ist plausibel, dass l1 nicht kleiner als 1 cm ist. Dann muss in Stanford E 0 ≥ 7 MeV, N ≥ 6 · 103 sein, das letzte Rohr wäre knapp 1 m lang. Der ,,kleine“ CERN-ProtonenLinearbeschleuniger hat E N = 50 MeV, L = 30 m, N = 111. Man erhält E 0 = 450 keV, l1 = 3,85 cm, l N = 40,6 cm. 17.3.22 Teures Synchrotron Uns interessiert der relativistische Bereich, wo E ≈ pc ist. Dann geht die Kreisbahnbedingung mv2 /r = evB oder p/r = eB über in E = ecrB. So großräumige Magnetfelder sind nicht viel größer als 1 T, also r/m ≈ 3W/GeV. Tatsächlich haben Berkeley und Genf 30 GeV-Anlagen mit r = 100 m, Serpuchow hat 76 GeV mit r = 250 m. 1 TeV erfordert r = 3 km. Der Äquatorring würde E ≈ 2 · 1015 eV liefern. 17.3.23 Synchrozyklotron Bei 750 MeV hat das Proton die 1,7fache Ruhmasse. Die UmlaufKreisfrequenz, die bei kleiner Energie ω = eB/m 0 = 1,7 · 108 s−1 beträgt, muss bei Maximalenergie auf 108 s−1 absinken. Man braucht 250 000 Schritte von 5 keV, also 125 000 volle Umläufe bis dahin. Sie dauern etwa 5 ms (Mittelwert der beiden Frequenzen). Der Magnet muss mindestens r = E/(ecB) ≈ 1,5 m Radius haben (in Wirklichkeit etwa doppelt so groß). Die Teilchen laufen annähernd 1 000 km. 17.4.1 Vorspiel auf dem Theater Der Inhalt der Diskussion ist ungefähr identisch mit Abschn. 17.4. Auftretende Ähnlichkeiten sind nicht ganz zufällig: Monopetros = Einstein, Orothermos = Heisenberg, Okoun-Andros = Gell-Mann (okoun ist eines der Flickwörter, die Prof. Unrat mit ,,traun fürwahr“ zu übersetzen pflegte; Süddeutsche dürften ,,gell“ sagen); Trochites = Wheeler; Polyhistor = ungewöhnlich belesener Reporter; Demokrit, Aristoteles, Aristophanes spielen sich selbst (echtes Demokrit-Zitat); Alexander, Achill, Nymphen Füllfiguren. 17.4.2 Vorspiel im Himmel Mephistopheles kommt mit der feinsten Höllenbratenzange. Alle beugen sich über eine Luke im Himmelsfußboden. Meph. (reißt blitzschnell die Zange hoch und steckt sich etwas in die
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Schwanzquaste): Voil`a! You see! Wot! Ecco! Heureka! (Die anderen starren immer noch nach unten.) Mich.: Das Feld! Meph.: Was fällt? Erzählt das euren Ammen! Max.: Die Ladung. Depp! Denn die ist nicht mehr da, und weil sie weg ist, bricht ihr Feld zusammen . . . Her.: Ja, doch nicht überall zur gleichen Zeit! Ganz innen ist’s schon weg, drumrum noch nicht, die Grenze zwischen Nichts und Feld, so weit wie sie halt laufen kann, schnell wie das Licht . . . ˙ darum schlingt sich ein H, Max.: . . . ja, da, wo sie vorbeisaust, gibt’s E, et cetera. Her.: Seht Ihr’s, Herr Junker? Wer was klaut, der funkt der Untat Kunde in den Äther. Da! Die Kunde ist ein Photon, oder zwei. Und des gestohl’nen Teilchens Energie, die steckt in den Photonen. Der Herr: Ja, vorbei ist’s mit der blinden, wütenden Manie des NurVernichtens. Alles ist Verwandlung. Nichts ist verloren, nichts umsonst getan. Was dich betrifft, so weiß ich ’ne Behandlung: Geh heim ins Bett und sauf dir einen an. Meph.: Ja, Ihr habt recht. Est veritas in vino. Das nächste Mal klau ich bloß ein Neutrino. 17.4.3 Eddingtons Spekulation Wenn man N Teilchen regellos über einen Raum der Abmessung R verstreut, ist die √ Standardabweichung der Lage ihres Schwerpunkts nach Poisson R/ N (vgl. Abschn. 1.1.7, Aufgabe 17.2.6, auch Aufgabe 16.6.2). Im Einstein-Weltall (Dichte 10−29 g/cm3 ) ist R ≈ G M/c2√≈ 10 · 1010 Lichtjahre ≈ 10 · 1026 m. Die gesuchte Masse ist m = p/c = Nh/(cR) ≈ 2 · 10−28 kg, d. h. etwa die Pion√ oder MyonMasse. Diese Übereinstimmung kommt daher, dass R/ N sich als etwa gleich dem Yukawa-Radius ergibt. Damit reduziert sich das Wunder auf das in Aufgabe 17.4.4 diskutierte. 17.4.4 Eddington-Diracs Wunderzahl Dass T/τ0 = R/l0 , folgt daraus, dass sich das Hubble- (eigentlich de Sitter-)Weltall mit c ausdehnt. Die Übereinstimmung zwischen dem Einstein-de Sitter’schen R und T , gewonnen aus der Theorie lediglich mit Hilfe der mittleren Dichte, und der reziproken Hubble-Konstante, gewonnen aus der Rotverschiebung in Spiralnebel-Spektren, ist allerdings verblüffend, jedoch nicht der Elementarlänge gutzuschreiben. Die mittlere Dichte kann man so schätzen: Eine Galaxis mit etwa 1011 Sonnenmassen, d. h. 1044 g, hat von der nächsten einige Millionen Lichtjahre Abstand, beansprucht also etwa 1019 Lichtjahre3 ≈ 1073 cm3 ; also ≈ 10−29 g cm−3 . Das Verhältnis zwischen Coulomb-Kraft und Gravitation zwischen zwei Elektronen ist (unabhängig vom Abstand) γ = e2 /(4πε0 Gm 2 ) ≈ 4 · 1042 , also wirklich von ähnlicher Größenordnung wie R/l0 ≈ 1041 . l0 ist ja aber z. B. definiert als klassischer Elektronenradius (vgl. Aufgabe 17.4.5): l0 = e2 /(4πε0 mc2 ), andererseits (mit M = Nm p = Masse des Weltalls) R als R = G M/c2 = Gm p N/c2 , also R/l0 = Nm p /(γm e ). Wenn demnach
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N ≈ (R/l0 )2 , muss γ ≈ R/l0 sein, bis auf den Unterschied zwischen m p und m e . Es bleibt also nur die eine, allerdings geheimnisvolle Beziehung N = (R/l0 )2 . Zufall oder tiefere Bedeutung? R/l0 hätte ja in den 80 Zehnerpotenzen von N sehr viel Platz. Warum setzt es sich gerade in die Mitte? 17.4.5 Hat das Elektron eine richtige Masse? Das Elektron braucht dieZeit r/v, um seine Ladung e durch die Ebene ganz durchzuschieben, repräsentiert also den Strom I = ev/r. Die ,,Spule“ der Länge l ≈ 2r mit n = 1 Windung der Fläche A ≈ πr 2 hat die Induktivität L ≈ µ0r. Beschleunigung a = v˙ , d. h. Stromänderung I˙ = e˙v/r kostet eine Spannung U = L I˙ ≈ µ0 e˙v, ein Feld E = U/r ≈ µ0 e˙v/r, eine Kraft F = Ee ≈ µ0 e2 v˙ /r. Der Faktor zwischen v˙ und F ist die Masse, also m ≈ µ0 e2 /r, und wegen µ0 ε0 = c−2 gilt m ≈ e2 /(ε0rc2 ). Damit m = m e = 9 · 10−31 kg wird, muss r ≈ e2 /(ε0 m e c2 ) ≈ 10−14 m sein. Die genauere Rechnung liefert r = e2 /(8πε0 m e c2 ) = 1,4 · 10−15 m, den klassischen Elektronenradius. So klein muss das Elektron sein, damit seine Induktivität seine beobachtete Trägheit erklärt, ohne dass ,,richtige Masse“ dahintersteckt. 17.4.6 Planck-Länge Damit ein Teilchen eine Ortsunschärfe kleiner als d hat, muss seine Impulsunschärfe, also auch sein Impuls selbst, größer sein als p = h/d, seine Energie im relativistischen Fall größer als E = pc = hc/d, seine Masse größer als m = E/c2 = h/(cd). Das Gravitationspotential eines solchen Teilchens erreicht den Grenzwert c2 , bei dem Abkapselung erfolgt, für Gm/r = c2 oder rG = Gm/c2 . Das ist sein Gravitationsradius. Wenn er kleiner sein soll als die auszumessende Länge d, folgt rG = Gm/c2 = Gh/(c3 d) < d oder d > Gh/c3 = lP . Rechts steht die kleinste messbare Länge, die Planck-Länge. Man kann sie auch auffassen als geometrisches Mittel aus der de Broglie-Wellenlänge und dem Gravitationsradius eines relativistischen Teilchens beliebiger Art. Wenn es überhaupt einen Sinn hat, von Raumbereichen < lP zu sprechen, dann sind sie jedenfalls von vornherein gegen den Rest des Universums abgekapselt. Diese ,,Körnung“ der Welt ist die Grundlage moderner Ansätze zur ,,Quantengeometrodynamik“, die hofft, endlich Teilchen- und Feldbild, Relativität und Quanten unter einen Hut zu bringen. 17.4.7 Pion-Umwandlung Es handelt sich um drei Ereignisse: π + + n → π 0 + p, π 0 → 2γ (unsichtbar), γ → e+ + e− . Dass die Richtung des Photons, das die e+ e− -Gabel erzeugt hat (Winkelhalbierende dieser Gabel) so genau auf den Knick zeigt (mit knapp 2◦ Abweichung), muss folgenden Grund haben: Das π 0 ist sehr bald nach seiner Entstehung zerfallen. Ein ruhendes π 0 zerfällt in τ = 2,3 · 10−16 s. Bei relativistischer Energie verlängert sich diese Lebensdauer (um den Faktor E/(m π c2 ), Aufgabe 18.2.4), aber selbst bei einigen GeV kommt das π 0 nur wenige µm weit. – Die Richtungen der beiden Zerfallsphotonen divergieren dann um etwa 4◦ . Daraus kann man die Energie
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schätzen. Wir setzen uns ins Bezugssystem, in dem das π 0 ruhte, wo also die γ in entgegengesetzte Richtungen emittiert werden. In diesem System ist die γ -Energie E = 12 m π c2 , der Impuls p = E /c = 12 m π c. Im Laborsystem gilt ungefähr der gleiche Querimpuls (die Emission braucht nicht senkrecht zur Flugrichtung des π 0 zu erfolgen, aber größenordnungsmäßig stimmen die Impulse doch überein). Es kommt ein sehr viel größerer Längsimpuls dazu (kleiner Winkel!), der damit die Energie E γ in diesem System bestimmt: E γ = px c. Der Winkel zwischen γ - und π 0 -Richtung ist α ≈ p / px ≈ m π c2 /(2E γ ) = mc2 /E π . Dies gilt ganz allgemein: Hochrelativistische Teilchen (E m 0 c2 ) strahlen nur in einen engen Vorwärtskegel mit der Öffnung m 0 c2 /E (Abschn. 15.2.4). Es folgt E π ≈ 30m π c2 ≈ 4 GeV. Das Primärpion hatte auch nicht viel mehr Energie, denn an das schwere Nukleon konnte es nicht viel abgeben. Ein scheinbarer Widerspruch ergibt sich aus der e+ e− -Gabel selbst: Müsste sie nicht viel enger sein, wenn die ,,Zerstrahlung“ des γ auch nur in einen m e c2 /E γ -Kegel erfolgt, da doch m e m π ist? Der Mechanismus der Paarbildung ist aber ganz anders. Ein weiterer Stoßpartner ist erforderlich, der einen Teildes γ -Impulses aufnimmt. Sonst hätten Energiesatz E γ = pγ c = 2E e = 2 p2e c2 + m 20 c4 und Impulssatz p = pex gar keine Lösung: Es fehlte der Betrag m 0 c2 , selbst bei pex = pe . Wir ziehen also einen Kern der Masse M hinzu, der den Impuls p0 aufnimmt, aber dabei nichtrelativistisch bleibt. In der Energiebilanz ist p20 /(2M) wegen des großen M dann zu vernachlässigen: E γ = pγ c = 2E e , pγ = 2 pex + p0 . Die Elektronen sollen hochrelativistisch sein: E e = pe c + m 20 c3 /(2 pe ). Dann folgt pγ = 2 pe + m 20 c2 / pe = 2 pex + p0 . Bei kleinem Winkel α ist pey = α pex , pe = pex (1 + α2 /2), also p0 = pe α2 + m 20 c2 / pe . Zwar ist p0 minimal bei α = m 0 c/ pe = m 0 c2 /E γ , aber auch andere p0 sind möglich, bei denen α größer wird. Dass die Gabel auch etwa 4◦ Öffnung hat, ist hiernach nur ein Zufall. 17.4.8 Myonzerfall Wenn man weiß, dass der Zerfall in drei Teilchen erfolgt, argumentiert man so: e, νe , νµ teilen sich praktisch die volle Ruhenergie des Myons (106 MeV), denn die Ruhenergie des e ist klein dagegen. Aus demselben Grund sind alle drei Teilchen ultrarelativistisch: E = pc, p1 + p2 + p3 = E µ /c, p1 + p2 + p3 = 0. Die beiden Neutrinoimpulse und der umgekehrte Elektronenimpuls schließen sich also zu einem Dreieck (Impulssatz), dessen Umfang fest gegeben ist (Energiesatz). Die eine Seite ( pe ) hat maximale Länge, wenn das Dreieck zur Linie entartet, d. h. wenn die beiden Neutrinos in entgegengesetzte Richtung zum Elektron emittiert werden. Dann erhält das Elektron den halben Dreiecksumfang, also die halbe Zerfallsenergie. Beim üblichen β-Zerfall ist die Lage anders, weil der Tochterkern selbst bei höchsten Zerfallsenergien nichtrelativistisch ist. Wegen seiner großen Masse nimmt er nach den nichtrelativistischen Stoßgesetzen kaum Energie auf, aber Impuls. Das Elektron kann sich, um möglichst günstig wegzukommen, vom Tochterkern abstoßen, um seinen Impuls zu kompensieren (nicht vom Neutrino) und verliert dabei kaum Energie.
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Umgekehrte Argumentation: Man weiß von vornherein, dass das Elektron keine Energie ohne Impuls haben kann, und der muss durch mindestens ein unsichtbares Teilchen kompensiert werden. Wenn das Elektron maximal nur die halbe Zerfallsenergie hat, müsste im nichtrelativistischen Fall das andere Teilchen genau gleich schwer sein. Das Elektron ist aber bestimmt ultrarelativistisch, das unsichtbare Teilchen auch (s. oben: βZerfall, vgl. auch Aufgabe 18.2.14). Das unsichtbare Teilchen ist also viel leichter als das Myon, d. h. bestimmt ein Lepton (ein Photon würde man ja ,,sehen“). Ob es mehr als ein unsichtbares Teilchen gibt, kann man so nicht sagen. Die Erhaltung der Leptonzahl fordert zwei Teilchen, genauer: ein Teilchen, ein Antiteilchen (noch genauer: eine gerade Anzahl von Teilchen). Dass das eine ein νe , das andere ein νµ ist, entspricht der Erhaltung der µ-Leptonzahl. 17.4.9 Myon-Atom Die Abschätzung kann man aus Abschn. 13.1.2 für Bohrradius a0 (13.1) und Rydbergenergie E Ryd (13.2) gewinnen, r=
n 2 h 2 4πε0 , m Ze2
v=
Ze2 , n 2 h 2 4πε0
E=−
m Z 2 e4 . 32π 2 ε20 n 2 h 2
Die Bahnradien sind also beim Myon-Atom 217-mal, beim Kaon-Atom fast 1 000-mal kleiner als beim entsprechenden normalen Atom, die Energien und Frequenzen um den gleichen Faktor größer. Der Grundzustand von Kaon-Uran ist um den Faktor m K Z 2 /m e = 8 · 106 -mal energiereicher als der von normalem H, liegt also bei 8 · 106 · 13,5 eV = 110 MeV. Die K α Röntgen-Energie ist 34 so groß. Die entsprechende Frequenz ist 4 · 1021 s−1 . Der Bahnradius ist m K Z/m e = 9 · 104 -mal kleiner als beim H, liegt also um 1 fm: Das Kaon läuft mitten im Kern um, wo das Kraftfeld längst nicht mehr coulombsch ist. Schon bei leichteren Myon- und Kaon-Atomen geben daher die Abweichungen von den bohrschen Frequenzwerten Aufschlüsse über die Struktur des Kernfeldes. 17.4.10 Cowan-Reines-Versuch Bei der Kernspaltung entstehen infolge der Krümmung des Tals der stabilen Kerne (Z, N-Diagramm, Abb. 17.6) Fragmente mit einem Neutronenüberschuss, der sich teilweise durch Direktemission von Neutronen, teilweise durch β − -Zerfall abbaut (vgl. Aufgaben 17.1.6–17.1.8). Die Neutrinoart, die beim β − -Zerfall die Leptonenbilanz in Ordnung bringt, bezeichnet man als Antineutrino. Das Neutrino dagegen entsteht beim Positronenoder Antielektronenzerfall. Aus diesem mehr terminologischen Grund ist das Antineutrino das auf der Erde weitaus am häufigsten hergestellte Antiteilchen. Ein 100 MW-Reaktor spaltet bei einer mittleren Spaltungsenergie von 200 MeV ≈ 3 · 10−11 J in der Sekunde 3 · 1010 Kerne. Das führt zu mehr als 1019 β − -Prozessen/s, also auch zur Emission von mehr als 1019 Antineutrinos/s. Sie treten aus der Oberfläche des Reaktors (größenordnungsmäßig 100 m2 ) mit einer Flussdichte von mehr als 1017 m−2 s−1 aus. Cowan und Reines haben in ihrer Flüssigwasserstoff-Blasenkammer nur wenige Wechselwirkungsakte mit Protonen gefunden. Bei einem Kam-
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mervolumen V von etwa 1 m3 , der Dichte = 0,07 g/cm3 und einer effektiven Beobachtungszeit t von einigen Stunden ergibt sich ein Wechselwirkungsquerschnitt zwischen Antineutrino und Proton σ ≈ 1/(nV jt) von größenordnungsmäßig 10−49 cm2 oder weniger. Begründung: Durch den Kammerquerschnitt A treten in der Zeit t jeweils jAt Antineutrinos, die bei einer freien Weglänge l = 1/(nσ) auf dem Weg d jAtd/l = jVtnσ Wechselwirkungen ausführen. Dabei ist n = /m H . Die Kernfusion dagegen wird, ebenfalls infolge der Krümmung des Tals der stabilen Kerne, vorwiegend von β + -Akten begleitet. Sonne und Fixsterne erzeugen also ungeheure Mengen von Neutrinos, die im Gegensatz zu den gleichzeitig emittierten γ -Quanten wegen dieses winzigen Wirkungsquerschnitts praktisch ungehindert die Erde erreichen und durchdringen. Im BetheWeizsäcker-Zyklus z. B. werden zwei Positronen und auch zwei Neutrinos für jeden aufgebauten He-Kern, d. h. für 25 MeV Fusionsenergie emittiert. Mit jeweils etwa 10 MeV ≈ 10−13 J Sonnenenergie reist also ein Neutrino; auf der Erde ist ihre Flussdichte demnach etwa 1011 cm−2 s−1 . 17.4.11 Graphit-Moderator Im Graphit sind die C-Sechseck-Waben, innerhalb deren ein C-C-Abstand von ca. 1 Å herrscht, in c-Richtung mit viel größerem Abstand, nämlich 3,4 Å aufeinander gestapelt. Neutronen mit 1,8 · 10−3 eV haben den √ Impuls p = 2m E = 9,6 · 10−25 kg m/s und die de Broglie-Wellenlänge λ = h/ p = 7 Å. Fallen sie genau in c-Richtung ein, erfolgt an jeder Netzebene Bragg-Reflexion mit einem Phasenunterschied von d = λ/2 zwischen den Sekundärwellen, die von zwei aufeinander folgenden Netzebenen herkommen; Primär- und Sekundärwellen interferieren einander weg. Bei höheren Energien ist λ kleiner. Unter den regellos orientierten Mikrokristallen gibt es aber immer welche, deren c-Achse in einem Winkel α zum Neutronenstrahl steht, der die Bragg-Bedingung sin α = λ/(2d) erfüllt, m. a. W. es gibt Netzebenen, die so steil zum Strahl stehen, dass sie in dessen Richtung einen Abstand λ/2 voneinander haben. Dann tritt wieder Auslöschung ein. Nur bei E < 1,8 · 10−3 eV ist das nicht der Fall. Diese Energie entspräche gaskinetisch einer Temperatur von < 22 K. 17.4.12 Einfangquerschnitt Kernkräfte sind Nahewirkungskräfte, d. h. Wechselwirkung findet praktisch nur innerhalb eines Bereichs vom Radius r0 statt. Man kann aber nicht einfach sagen, es komme zum Einfang, wenn sich ein Teilchen dem anderen bis auf r0 oder weniger nähert, was einen E-unabhängigen Einfangquerschnitt σ = πr02 mit sich brächte. Voraussetzung zum Einfang ist nämlich, dass der Impuls des stoßenden Teilchens aufgezehrt wird. Ein einfangendes Punktteilchen kann das nicht tun, denn Energie- und Impulssatz lassen sich nicht gleichzeitig befriedigen, indem die beiden Teilchen hinterher einfach zusammenkleben. Also muss ein drittes Teilchen oder in unserem Fall das komplexe System des Kerns die Energie-Impuls-Bilanz so gestalten, dass ein völlig inelastischer Stoß möglich wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies gelingt, ist proportional zur Dauer der Wechselwirkung, also zu r0 /v. Das ergibt für nichtrelativistische stoßende Teilchen die all-
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gemeine Abhängigkeit σ < E −1/2 . Wenn die Energie des Neutrons aber gerade dem Abstand zu einem angeregten Zustand des Kerns entspricht, wird die Energiebilanz einfach durch Übergang in diesen angeregten Zustand gerettet. Die dadurch erhöhte Einfangwahrscheinlichkeit drückt sich als Resonanzpeak in der Energieabhängigkeit des Einfangquerschnitts aus. 17.4.13 Sonnen-Neutrinos Da die stabilen Kerne bis auf die leichtesten mehr Neutronen als Protonen haben, ist ihr Aufbau durch Fusion aus Wasserstoff und sogar aus Deuterium überwiegend mit β + -Zerfall verbunden, der Protonen in Neutronen verwandelt. Innerhalb eines Zyklus der CN-Reaktion z. B., der effektiv vier H in He verwandelt, muss es zwei β + -Akte geben. Beim Positronenzerfall werden Neutrinos frei, während die Kernspaltung, die mit β − -Akten verbunden ist, überwiegend Antineutrinos erzeugt (vgl. Aufgabe 17.4.10). Fusion von vier H zu He bringt 4 · 1,008 − 4,003 = 0,029 AME oder 27 MeV = 5 · 10−12 J ein. Die Erde empfängt 0,14 W/cm2 von der Sonne als Strahlung, die aus der vielfach umgewandelten Fusionsenergie stammt. Die damit verbundenen 0,14/(5 · 10−12 ) ≈ 3 · 1011 Neutrinos/(cm2 s) sind dagegen noch dieselben, die im Sonneninnern erzeugt wurden: Nach Aufgabe 17.4.10 durchdringen Neutrinos praktisch ungehindert die ganze Erde und sogar die Sonne. Auf der Erde gibt es also viel mehr Neutrinos als Antineutrinos, bis auf die unmittelbare Nähe von Hochleistungsreaktoren. 17.4.14 Protonenzerfall Wir betrachten z. B. die Vernichtung von p und e− ,,aus der Ruhe“, z. B. aus dem Grundzustand des H-Atoms. Es ist ein Singulett-Zustand (Bahndrehimpuls = 0). Für Ortho-Wasserstoff sind Elektronen- und Kernspin antiparallel, also ist der Drehimpulssatz für p + e− → 2γ erfüllt, wenn beide γ antiparallelen Spin haben. Der Impulssatz verlangt Emission der beiden γ in entgegengesetzte Richtungen, der Energiesatz hν = 12 m p c2 = 480 MeV (wogegen Ruh- und Bindungsenergie des Elektrons kaum eine Rolle spielen). Um zu ,,erklären“ warum so etwas trotzdem nicht passiert, warum es also überhaupt normale Materie gibt, braucht man noch mindestens einen weiteren Erhaltungssatz. Dieses Beispiel und ähnliche erweisen sogar zwei neue Erhaltungsgrößen als nötig: Baryonenzahl A und Leptonenzahl L. 17.4.15 Hyperonzerfall Der zweite Teil der zweiten Aussage ist unter mehr als 1014 Fällen, d. h. 1014 ,,Beobachtungsperioden“ von je 10−23 s, nur etwa einmal falsch. 1014 Tage sind etwa die vermutliche Lebensdauer der Sonne bis zu ihrem praktischen Verlöschen (wir sehen von allem ab, was der Erde zustoßen könnte). Beide Aussagen haben die gleiche Sicherheit. Das Hyperon ist tatsächlich fast stabil. Man darf sich eben nicht dadurch täuschen lassen, dass 10−10 s schon so kurz erscheint.
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17.4.16 Speicherring Wie jeder weiß, ist der Frontalzusammenstoß zweier Autos mit je 50 km/h viel effektvoller als der Stoß eines Autos mit der doppelten kinetischen Energie, d. h. mit 70 km/h, auf ein stehendes, ungebremstes Auto. Im zweiten Fall rollen beide idealerweise mit 35 km/h weiter (total anelastischer Stoß). Im Schwerpunktsystem fuhren beide also anfangs nur mit 35 km/h aufeinander zu, der Energieumsatz ist nur halb so groß wie beim 50–50-Unfall. Wir übersetzen: Auto = Teilchen, anelastische Zerstörungsenergie η = in Teilchenerzeugung investierte Energie, Auffahrunfall = Stoß mit ruhendem Target, Frontalunfall = Speicherring-Experiment. Wir betrachten immer maximal anelastische Stöße, bei denen maximal viele neue Teilchen erzeugt werden können. Dabei bleiben die ursprünglichen Stoßpartner ,,aneinander kleben“. Bei relativistischen Teilchen wird die Bevorzugung des Speicherring-Stoßes noch viel größer, denn das stoßende Teilchen hat viel größere Masse (im L-System). Ein 6 GeV-Elektron hat m = 12 000m 0 und gibt nur ganz wenig Energie η an ein ruhendes ab, ähnlich wie ein Auto beim Stoß mit einem 70 g-Vogel. Quantitativ stimmt der Vergleich nicht ganz, denn beim Stoß ändert sich die Masse des stoßenden Teilchens auch (sonst würde man immer η = m 0 c2 erhalten, also bestenfalls ein neuerzeugtes Elektron). Anders ausgedrückt: Relativistisch kann man leider nicht mehr sagen, die Stoßpartner teilten sich den verfügbaren Impuls im Verhältnis ihrer Massen. Impuls und Energie bilden den Vierervektor pi = ( p1 , p2 , p3 , iE/c), der sich beim Übergang zu einem anderen Bezugssystem durch Drehung, also unter Konstanz des Betrages (L.2) pi2 = p2 − E 2 /c2 = −m 20 c4 transformiert (relativistischer Energiesatz, Abschn. 18.2.7). Bei ruhendem Target und gleichen Teilchen ist im L-System E 1 = E, p1 = p, E 2 = m 0 c2 , p2 = 0. Das S-System ist dadurch gegeben, dass beide pi -Vektoren symmetrisch zur E-Achse liegen: p1 = − p2 = p , E 1 = E 2 = E . Man liest ab tan α =
2 tan(α/2) 2 p c/E pc . = = 2 E 1 − tan (α/2) 1 + p2 c2 /E 2
p und p werden nach (L.2) durch E und E ausgedrückt. Man er1 hält schließlich E = 2 m 0 c2 (E + m 0 c2 ). Im S-System steht also sehr viel weniger Energie (2E ) zur Verfügung als im L-System aufge2 wandt worden ist (E), nämlich im ultrarelativistischen Fall (E m 0 c ) 2 nur 2E = 2Em 0 c (Abschn. 17.3.3 und 19.3.4, Aufgabe 18.2.15). Bei E = 6 GeV ist für Elektronen nur 2E = 110m 0 c2 . Im Speicherring geben zwei 3 GeV-Elektronen ihre vollen 12 000m 0 c2 her.
17.4.17 /J-Zerfall Beim Ablesen der Peakbreite beachte man die logarithmische σ-Skala. Schon bei Abweichung um etwa 1 MeV vom Peakmaximum fällt die Kurve auf 13 . Damit ergibt sich die Lebensdauer zu τ ≈ h/∆E ≈ 4 · 10−21 s. Das scheint noch sehr kurz. Man bedenke aber, dass eine für Resonen
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übliche Lebensdauer von einigen 10−24 s ein ∆E von einigen GeV ergäbe, d. h. einen Buckel, der etwa bis zur doppelten Peakenergie reichte. Die verschiedene und unsymmetrische Länge der Fehlerbalken beruht hauptsächlich auf der logarithmischen Auftragung. Der absolute Fehler ist überall 8–15 Einheiten der σ-Skala, nur an der rechten Peak-Flanke etwas größer. 17.4.18 Ein Zerfall oder zwei? Wir transformieren zunächst auf das Schwerpunktsystem, d. h. auf das System, in dem die Granate ruht. Im Fall B erhalten die Teilstücke a und bc bei der ersten Explosion entgegengesetzte Impulse. Ihre Energien verhalten sich also wie E a /E bc = m bc /m a , d. h. das Stück a erhält den Anteil m bc E/(m a + m bc ) der Detonationsenergie E. Im S-System hat also E a einen scharfen Wert. Die aufs Laborsystem zurücktransformierte Energie E a kann nur variieren, weil der Detonationsimpuls verschiedene Winkel mit der Raketenbahn bildete. Man könnte den Zusammenhang zwischen E a und dem Flugwinkel α von a ausrechnen. Wesentlich ist hier aber nur, dass zu jedem α nur ein bestimmter Wert von E a gehört. Im Fall A ist das anders, denn Impuls und Energie können sich schon im S-System ganz verschieden auf a, b und c verteilen. Dementsprechend erhält man bei Abmessung vieler Ereignisse für jede Richtung α ein ganzes kontinuierliches E a -Spektrum. 17.4.19 Negative Ruhmasse Der 4 He-Kern (m = 4,003 AME) ist leichter als seine Bestandteile (2m p + 2m n = 4,032 AME). Der Massendefekt ist bis auf den Faktor c2 die (maximale) Fusionsenergie. Er ist kleiner als die Nukleonenmasse. Nichts Prinzipielles hindert aber eine Bindung, z. B. zwischen zwei Teilchen A und B, so stark zu sein, dass der Massendefekt die Ruhenergie jedes der Bestandteile übertrifft. Der Komplex AB wäre dann leichter als A oder B einzeln. Bei der Bindung von Quarks, z. B. im Pion, scheint das zuzutreffen. Nehmen wir willkürlich die Ruhenergie des Quarks zu 10 GeV an. Die des Pions ist 0,1 GeV, also die Bindungsenergie des Quarkpaars 19,9 GeV. Es kostet nur um die kleine Pionenruhenergie mehr, ein Quarkpaar aus dem Nichts zu machen, als ein Pion zu zerschlagen. Kann eine Bindung noch etwas stärker sein, sodass die Masse des Komplexes negativ wird? Wir hätten dann ein ,,Eselsteilchen“ (vgl. Aufgabe 17.4.20). Ein Tachyon mit seiner imaginären Ruhmasse kommt allerdings selbst so nicht heraus (vgl. Aufgabe 17.4.21). 17.4.20 Asinon Nach Newtons Bewegungsgleichung a = F/m würde ein Teilchen negativer Masse sich in Gegenrichtung zur Kraft beschleunigen (,,Eselsteilchen“). Nach dem Gravitationsgesetz würden ein normales und ein Eselsteilchen einander abstoßen wie zwei gleichnamige Ladungen: F = −Gm 1 m 2 r/r 3 , zwei Eselsteilchen würden sich wieder anziehen. Dies betrifft die Richtung der Kräfte zwischen ihnen. Auf diese Kräfte würden aber die beiden Eselsteilchen reagieren, indem sie voneinander weg liefen.
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Noch bizarrer würden sich das Teilchen und das Eselsteilchen verhalten: Das normale Teilchen würde durch die Abstoßung vom Eselsteilchen weggetrieben, dieses aber gerade zum normalen Teilchen hin, würde dieses also unter ständiger Beschleunigung verfolgen, bis beide praktisch Lichtgeschwindigkeit erreicht haben, wobei beider Massen gegen Unendlich gingen, ohne dass der Energiesatz im Geringsten verletzt wäre: Beide Energien haben ja entgegengesetztes Vorzeichen! Zwei Teilchen gleicher Absolutmasse hielten bei dieser Jagd immer den gleichen Abstand, ein absolut leichteres Eselsteilchen rückte dem anderen beschleunigt näher auf den Pelz, ein absolut schwereres hinkte hoffnungslos hinterher. Kein bekannter Erhaltungssatz schützt uns vor solchen Verrücktheiten. Man könnte zunächst denken: Montieren wir doch Teilchen und Eselsteilchen auf zwei Schaufeln einer Turbine. Sie rennen einander nach, die Turbine dreht sich als perpetuum mobile – also gibt es keine Eselsteilchen oder, noch besser, wir sind alle Energiesorgen los. Aber wie will man das Eselsteilchen an die Schaufel binden? Durch eine anziehende Kraft. Aber dann läuft es gerade weg! Binden kann man es nur durch eine Abstoßung. Deren Reaktionskraft treibt aber die Schaufel gerade im falschen Sinn, was den angeblichen Antrieb genau aufhebt. Herstellung von Eselsteilchen: vgl. Aufgabe 17.4.19. 17.4.21 Tachyon
Wenn trotz imaginären m 0 die Energie E = m 0 c2 / 1 − v2 /c2 reell sein soll, muss die Wurzel auch imaginär, d. h. die Klammer negativ, d. h. v > c sein. Ein Tachyon hat immer Überlichtgeschwindigkeit. Je mehr es sich c von oben her nähert, desto größer wird seine Energie, und zwar unbegrenzt. Deswegen kann es c auch, von oben her, nie überschreiten. Es hat auch keinerlei Neigung dazu, besonders wenn es geladen ist. Als Ladung mit v > c sendet es nämlich immer, sogar im Vakuum, TscherenkowStrahlung aus, wie ein normales geladenes Teilchen in einem Medium, in dem die Phasengeschwindigkeit des Lichts kleiner ist als seine eigene. Tscherenkow-Strahlung verzehrt aber Energie; das E des Tachyons nimmt ständig ab, sein v nimmt zu – und zwar beschleunigt, denn je höher die Überlichtgeschwindigkeit, desto stärker die Tscherenkow-Strahlung – d. h. das Tachyon wird im Umsehen unendlich schnell! Feynman hat geargwöhnt, es könne Tachyons geben, und in mehreren BeschleunigerLabors sucht man allen Ernstes nach ihren Spuren. Trotz ihrer imaginären Ruhmasse können übrigens die Tachyonen durchaus eine positiv-reelle Masse m = m 0 / 1 − v2 /c2 haben, brauchen sich also nicht ,,eselhaft“ zu verhalten (vgl. Aufgabe 17.4.20). 17.4.22 Back in time In ein x, t-Diagramm, wie üblich mit vertikaler t-Achse, zeichne man ein ,,N“, das die Jetzt-Achse mit allen drei ,,Beinen“ schneidet. Nach Wheeler-Feynman gelesen, stellt das zwei e− und ein e+ (oder umgekehrt), eine Paarbildung in der Vergangenheit, eine Paarvernichtung in der Zukunft dar. Die Knicke mit ihren abrupten Beschleunigungen erfordern natürlich Beteiligung von Photonen. Durch Verlängerung der Zickzacklinie kann
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man beliebig viele Elektronen und Positronen ,,machen“, allerdings immer in gleicher Anzahl (evtl. bis auf eines). Die Positronen, die man nicht sieht, sind dann vielleicht in den Protonen versteckt. Ein in der Zeit rückwärts laufendes Elektron sieht z. B. eine positive Ladung. ,,Da muss ich hin“, sagt es sich, und tut das auch. Für uns aber, die den Film seines Verhaltens in umgekehrter Richtung sehen, entfernt es sich von der +-Ladung, als ob es selbst positiv wäre, und zwar mit genau der Beschleunigung, die der Elektronenmasse entspricht: Es verhält sich wie ein Positron. 17.4.23 Quark confinement Mindestimpuls nach der Unschärferelation p ≈ h/r, Mindestenergie für relativistische Teilchen E = pc ≈ hc/r. Eine Kraft, die auf dem Abstand r diese Energie vernichtet, ergibt sich aus F0r = E zu F0 ≈ hc/r 2 . Da nach (17.2) r ≈ h/(mc), kann man auch schreiben F0 ≈ m 2 c3 /h. Dies ist die einzige Kombination von h, c, m mit der Dimension einer Kraft. Wollte man die Teilchen durch einen ,,Gummibeutel“ vom Radius r zusammenhalten, müsste dieser einen Wanddruck F0 /r 2 ≈ m 2 c3 /(hr 2 ) ≈ m 4 c5 /h 3 aushalten. Auch dies ist die einzige Kombination von der Dimension eines Druckes. Die Schallgeschwindigkeit als Wurzel aus Druck/Dichte mit der Dichte m/r 3 wird gleich der Lichtgeschwindigkeit. 17.4.24 Bohr-Modell für Quarks Gleichgewichtsbedingung: Zentrifugalkraft mω2r = F0 . Drehimpulse müssen ganzzahlige Vielfache von h sein: mωr 2 = nh. Dardie Gleichgewichtsbedingung eingesetzt aus folgt ω = nh/(mr 2 ), in F0 = n 2 h 2 /(mr 3 ), also r = 3 n 2 h 2 /(m F0 ). Die potentielle Energie ist E pot = F0r = 3 n 2 h 2 F02 /m. Vergleich mit (17.2) liefert sofort v = ωr = nh/(mr) ≈ c, also bewegen sich die Teilchen relativistisch. Sie können so leicht sein wie sie wollen, ihre Masse und die des Mesons sind überwiegend kinetisch und potentiell: m = E/c2 (man beachte: E pot ist hier vom Zustand r = 0 aus positiv zu rechnen, nicht negativ wie im Coulomb-Feld von r = ∞ aus). Setzt man einfach E pot = mc2 (die kinetische Energie ist von gleicher Größenordnung, wie im Coulomb-Feld), so folgt mc2 √ = (nh F0 )2/3 m −1/3 , also m n = nh F0 c3 . Zahlenmäßig: m n ≈ 7 · 10−28 kg n, was die richtige Größenordnung hat. √ Die n-Abhängigkeit ist ganz gut erfüllt. Man sieht das, wenn man den Dreiergruppen in der Tabelle die n-Werte 1, 2, 3 oder 0, 1, 2 zuordnet und entweder die Massen betrachtet, gegen die die drei Massenfolgen offenbar konvergieren (≈ 1, ≈ 1,5, 1,8), oder die Masse des ersten Gliedes abzieht. 17.4.25 Dipolkräfte I Im Atom hat i. Allg. der Zustand die geringste Energie, in dem die Elektronen gleiche Spins haben, sofern das Pauli-Prinzip das zulässt (Hund-Regel). Als parallele Kreisströme aufgefasst, müssen ja Elektronen mit parallelen Drehachsen einander anziehen. Bei den Quarks im Meson ist es umgekehrt, denn Quark und Antiquark haben komplementäre Farben, ebenso wie ein Quark und die beiden anderen im Baryon. Alle
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Hadronen sind ja ,,weiß“. Es ist so, als enthielte ein Atom ein Elektron und ein Positron. Dieses System hat bei antiparallelen Spins die kleinste Energie, denn dann rotiert die Ladung in beiden Kreisströmen entgegengesetzt wie die Antiladung im anderen, d. h. beide Ströme sind wieder parallel. Dieser Spinimpuls ist natürlich zu unterscheiden von dem in der vorigen Aufgabe behandelten Bahnimpuls der Quarks. Die Massenaufspaltung zwischen 2. und 4. Spalte der Tabelle 17.11 entspricht der FeinstrukturAufspaltung der Elektronenzustände. Mit wachsendem n (nach unten in jeder Dreiergruppe) wird sie immer kleiner, weil der Abstand rn zwischen den Quarks größer wird, also die ,,farbmagnetische Dipolenergie“ abnimmt. Eine Dipol-Dipol-Energie ist um einen Faktor ∼ r −2 kleiner als die entsprechende Pol-Pol-Energie, falls die Dipollänge d r ist (Dipolfeld ist Differenz zweier Polfelder, Differentiation nach dem Ort gibt ein r im Nenner; Kraft auf Dipol ist Gezeitenkraft, stammt aus Inhomogenität des Feldes, weitere Differentiation ergibt weiteren Faktor r im √ Nenner). Wegen rn ∼ n bedeutet das hier eine Abnahme ∼ 1/n. Offenbar ist aber bei der starken Wechselwirkung die Dipolenergie von gleicher Größenordnung wie die Polenergie, im elektrischen Fall ist sie um den Fak1 tor α2 kleiner (α = e2 /(4πε0 hc) = 137 Feinstrukturkonstante). Die starke Wechselwirkung hat eine Feinstrukturkonstante von der Größenordnung 1. √ Zahlenmäßig stimmt die n −1 -Abhängigkeit nicht so gut wie n in der vorigen Aufgabe. Die Lage ist also in Wirklichkeit komplizierter. 17.4.26 Dipolkräfte II Die Wechselwirkungsenergie zweier magnetischer Dipole mit den Momenten p und p im Abstand r voneinander ist E = ±µ0 p p /(4πr 3 ) (+ für parallele, − für antiparallele Einstellung), analog zum elektrischen Fall, wo es E = p p /(4πε0r 3 ) heißt. Das Elektron hat das magnetische Moment pe = eh/(2m e ) = 9,27 · 10−24 J/T, das Proton hat 2,79-mal mehr als man entsprechend seiner Masse erwarten sollte, nämlich pp = 1,41 · 10−26 J/T, beim Neutron ist dieser Faktor −1,91, also pn = −0,97 · 10−26 J/T, bei den Quarks kann man aus Ladung und Masse eine ähnliche Größenordnung vermuten, wobei der p-Betrag bei u größer sein sollte als bei d und s. Für Elektron und Proton im H-Atom folgt als Energiedifferenz zwischen den beiden Einstellungen 1,7 · 10−25 J (genauer: Aufgabe 13.6.1). Bei zwei Elektronen im Atom kommt fast das Tausendfache heraus, also einige Hundertstel eV, der typische Abstand der Feinstrukturterme. Für zwei Nukleonen kommt knapp 1 MeV heraus, für die Quarks im Baryon etwas mehr als 1 MeV. Tatsächlich jedoch ist jedes Baryon um einige MeV leichter als das benachbarte, um eine Stufe negativere. Das positivere Teilchen enthält ja ein u statt eines d mehr, und das u mit seinem größeren Moment bringt einen höheren Energiegewinn bei der Momentenabsättigung. Leider ist dies keine vollständige Theorie, denn wenn es nur auf die Ladungen der Quarks ankäme, müssten neutrale und negative Baryonen gleiche Massen haben. Auch die magnetischen Gesamtmomente der Baryonen kommen nicht so richtig heraus.
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17.4.27 Hyperonzerfall In allen Fällen kann man sich vorstellen, dass zuerst der elektroschwache, also langsame Zerfall s → d + u + u oder s → d + d + d erfolgt. Das sind die einzigen Zerfälle, die Ladungs- und Energieerhaltung respektieren. Nun kommt es darauf an, ob die Endprodukte sich zu neuen Teilchen, Baryon + Meson, mit geringerer Gesamtmasse umordnen lassen. Von Σ − = dds aus geht das nur bei dds → udd + ud, denn ddd = ∆− wäre sogar schwerer als Σ − . Von Σ + = uus aus sind beide Kanäle gangbar: uus → uud + dd und uus → udd + ud. Je mehr gleichberechtigte Kanäle da sind, desto kürzer ist die Lebensdauer. Bei den Ξ-Hyperonen bleibt eines der s übrig und muss ins Baryon eingebaut werden, denn ein Kaon wäre zu schwer. Auch jede mögliche Kombination Σ + π wäre zu schwer, sodass nur jeweils ein Kanal Ξ → Λ + π bleibt. Nach der Anzahl der Kanäle müsste Ξ − langsamer zerfallen (ssd → dddsd liefert keine erlaubte Kombination), aber der Einfluss der verfügbaren Zerfallsenergie (τ ∼ E −6 ) scheint dies überzukompensieren: Ξ − ist ja schwerer als Ξ 0 . 17.4.28 Wie viele Quarks gibt es? Der Wirkungsquerschnitt für die Erzeugung eines Teilchenpaares der Ladung ±Q in einem elektromagnetischen Prozess ist σ ≈ e2 Q 2 /(4πε0 E)2 , wo E die Energie im Schwerpunktsystem ist. Myonen haben Q = e, die Quarks u, d, s haben Q u = 2e/3, Q d = −e/3, Q s = −e/3, jedes von ihnen kommt in drei Farben vor. Wenn die Energie ausreicht, um alle diese drei Quarks zu erzeugen, ist das Verhältnis zwischen
Quark- und Myonerzeugungsrate 3 · (2/3)2 + 2 · (1/3)2 = 2. Wenn das c- und das b-Quark mit 2e/3 bzw. −e/3 dazukommen, ergibt sich 3 · 2 · (2/3)2 + 3 · (1/3)2 = 3,67. Diese Verhältnisse findet man auch im Experiment. 17.4.29 Monopol-Kräfte Die Ladung e erzeugt ein Radialfeld E = e/(4πε0r 2 ), der Monopol p analog ein Radialfeld B = µ0 p/(4πr 2 ). Wir setzen e und p in den Abstand 2d voneinander. Auf der Verbindungslinie ist der Poynting-Vektor S = 0, weil E H, sonst ist er überall = 0 und zeigt überall senkrecht zur Verbindungslinie, und zwar so, dass er überall den gleichen Drehsinn um diese ergibt: In der Zeichenebene mit e links, p rechts zeigt S oben auf uns zu, unten von uns weg. In der Mittelebene im Abstand d von der Achse ist S = e p/(64π 2 ε0 d 4 ). Die Impulsdichte des Feldes muss S/c2 sein, denn S ist Energiestromdichte, d. h. Energiedichte · c, und Energie = Impuls · c. Die Drehimpulsdichte ergibt sich also durch Multiplikation von S/c2 mit dem Abstand von der Achse, der gesamte Drehimpuls durch Integration über den ganzen Raum. Werte ähnlich dem oben angegebenen hat S überall in einem Zylinder der Höhe 4d und des Radius 2d, außerhalb davon ist S schon viel kleiner. Damit folgt der Drehimpuls des Feldes zu L = e pµ0 /(4π), wenn man beachtet, dass c−2 = ε0 µ0 . Die (mühsame) Ausrechnung des Integrals bestätigt das. Es klingt zunächst überraschend, dass L nicht von d abhängen soll. Bei großem d wird S zwar kleiner (wie d −4 , die Drehimpulsdichte wie d −3 ), aber dafür ausgedehnter (wie d 3 ).
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Wenn man z. B. d verdoppelt, gilt das alte Feldlinienbild und damit der Winkel zwischen E und H noch. S ist überall durch 16 zu teilen, die Drehimpulsdichte durch 8. Dafür haben sich aber alle Volumina verachtfacht. – Der Drehimpuls L muss, wie immer, ein Vielfaches von h sein, mindestens h. Damit folgt e p = 2h/µ0 (im CGS-System e p = hc). Die Beziehung (17.29) schreibt sich im SI genauso mit α = e2 /(4πε0 hc). – Diesen Drehimpuls würde man auch direkt spüren, wenn man die Achse zu schwenken versuchte. Man tue dies mit der Winkelgeschwindigkeit ω, sodass die Ladung e sich mit v = ωd bewegt, z. B. nach unten. Sie erfährt dann im B-Feld des Monopols eine Lorentz-Kraft F = evB = ωe pµ0 /(4πd) und zwar vom Beschauer weg. Die Drehung erfordert also ein Drehmoment Fd = e pµ0 ω/(4π), genau wie bei einem Kreisel mit L = e pµ0 /(4π). 17.4.30 War es ein Monopol? Da keine Tscherenkow-Strahlung auftrat, war das beobachtete Teilchen langsamer als c/n ≈ 0,67c und hatte ein Verhältnis E/M = c2 (1/ 1 − v2 /c2 − 1) < 0,4c2 . Die nichtrelativistische Bethe-Formel (17.16) fordert dann Z 100 (aus der gemessenen Ionisierungsdichte). Andererseits ist die praktisch fehlende Bremsung nur mit einer Masse M > 100m p zu vereinbaren. Strenggenommen folgt aus (17.16) und (17.29) Z 4 m > 4 · 1010 . So schwere Kerne sind in der kosmischen Strahlung fast ausgeschlossen. Ein Monopol mit p = 137e (s. (17.29)) und v ≈ c würde ähnlich ionisieren wie eine elektrische Ladung Ze mit Z = 137. Man versteht das am besten im Bezugssystem des Monopols. Atomelektronen, die mit v am Monopol vorbeisausen, erfahren eine Lorentz-Kraft F = evB in dessen Magnetfeld B = µ0 c p/(4πr 2 ). Mit v ≈ c wird F ≈ e p/(4πε0r 2 ). Dass diese Kraft nicht radial, sondern quer zum Monopol gerichtet ist, ändert nichts an der Argumentation (Aufgaben 17.3.3–17.3.5), die zur Bethe-Formel führt (nur die v-Abhängigkeit ändert sich). Man hat inzwischen eine andere Deutung für die Spur von Sioux City gefunden. 17.4.31 Neutrino-Oszillation Die Unschärfe des Impulses ist ∆ p h/x. Beim Elektron z. B. kann sich dies nur als Unschärfe von v äußern, bei Neutrinos entsprechend E = m 20 c4 + p2 c2 auch als Änderung ∆m 0 der Ruhmasse: ∆(m 20 ) ≈ ∆( p2 )/c2 . Wegen ∆ p p und m 0 c p (falls vorhanden, beträgt die Ruhenergie höchstens einige eV), also E ≈ pc, folgt für die Strecke, nach der eine solche Verwandlung möglich wäre, x ≈ 2Eh/(∆(m 20 )c3 ). Bei m 0 = 0 wird das unendlich (keine Oszillation möglich), bei plausiblen endlichen Ruhenergien (einige eV) sollte es schon einige Meter oder weniger von der Quelle entfernt nur noch ein Gemisch von e-, µ- und τ-Neutrinos geben. Dieser offenbar empfindlichste Test auf die Existenz einer Neutrino-Ruhmasse hat aber noch kein klares Ergebnis geliefert. Sonst hätte man hier die einfachste Erklärung für die Tatsache, dass Davis in der Homestake Mine mit seinen 550 Tonnen Cl nur 1/3 der erwarteten Solar-Neutrinos findet.
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17.5.1 K. o. durch ein Proton? 4 · 1021 eV = 640 J. Ein Vorschlaghammer, auf 2 m Schwungweite ständig mit 300 N bescheunigt, hat ebenso viel. Trotzdem täte uns solch ein Teilchen selbst im Weltraum nichts, eben wegen seiner großen ,,Härte“: Seine Reichweite wäre etwa 1012 g/cm2 , d. h. von den 640 J werden in unserem Körper, der ca. 100 g/cm2 bietet, schlimmstenfalls nur ca. 10−7 J frei. Die Ionisierungsdichte ist kaum höher als die eines 100 keV-Elektrons (vgl. Abschn. 17.3.1). 17.5.2 Solarer Beschleuniger Kräftige Sonnenflecken recken ihr Magnetfeld weit in die Corona hinaus, wie man schon daran erkennt, dass über dem Fleck die Corona als Strahl weiter in den Raum hinausragt als anderswo. Dort ist aber die Gasdichte so gering, dass geladene Teilchen fast ungestört dem ringförmigen elektrischen Induktionsfeld folgen, das den Sonnenfleck mit seinem anwachsenden oder abnehmenden Magnetfeld umspannt. Die Magnetfeldänderung ist im Beispiel B˙ = 0,3 T/(100 d) ≈ 3 · 10−8 T/s ≈ 3 · 10−8 V/m2 . Sie er˙ zeugt nach der Maxwell-Gleichung ein Ringfeld E gemäß 2πrE = πr 2 B, 1 also E ≈ 2 rB ≈ 1 V/m. Im Gegensatz zum technischen Betatron sind die Strahlungsverluste, die dort die erreichbare Energie begrenzen, vernachlässigbar, weil die Bahnradien so groß und die Beschleunigungen so klein sind. Das Teilchen wird daher so lange beschleunigt, bis der Energieverlust an die Restgasteilchen, beschrieben durch die Bethe-Formel (17.16) bzw. einen Ausdruck, der die Kernstöße berücksichtigt (vgl. Aufgabe 17.5.3), gleich der Energieaufnahme im Feld E wird. Für so hohe Energien gilt der relativistische Grenzfall der Bethe-Formel, der dem fast energieunabhängigen Plateau rechts in Abb. 17.25 entspricht: d E/dx ≈ −0,8Z 2 (E in MeV, x in cm). Die Energieaufnahme im Feld ist d E/dx = eE ≈ 10−4 MeV/cm. Die Dichte des Corona-Plasmas in einem Abstand von einem Sonnenradius über der Sonnenoberfläche ist etwa 10−17 g/cm3 . Damit ergibt sich, dass dort praktisch überhaupt keine Bremsung vorliegt: Das Teilchen wird während der ganzen Lebensdauer des Flecks beschleunigt und kommt so, falls es immer auf der günstigsten Kreisbahn bleibt, auf größenordnungsmäßig 1012 MeV. Realistischere Schätzungen führen auf etwa 109 MeV. Manche Sterne scheinen insgesamt so hohe Magnetfelder zu haben, wie sich bei der Sonne im Fleck konzentrieren. Interstellare Magnetfelder kompensieren ihre Schwäche durch ihre ungeheure Ausdehnung. 17.5.3 Tiefsee-Myonen Bei relativistischen Energien läuft die Bethe-Bremskurve, die die Ionisierungsverluste beschreibt, in ein Plateau aus, das für alle geladenen Teilchen ungefähr gleich hoch liegt und mit wachsender Teilchenenergie E nur sehr schwach ansteigt: d E/dx ≈ −0,8 Z 2 (1 + 0,1 · ln(1 − v2 /c2 )−1 ). Dabei ist E in MeV, x in cm, in g/cm3 ausgedrückt. Die Reichweite eines Teilchens gegenüber solchen Verlusten ist also etwa proportional der Energie: R ≈ E/(0,8 Z 2 ) oder als Flächendichte ausgedrückt: R ≈ E/(0,8Z 2 ). Für ein einfach geladenes Teilchen ist die Reichweite in g/cm2 ungefähr gleich seiner Anfangsenergie in MeV. In 4 km Meerestiefe, d. h. hinter
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4 · 105 g/cm2 Abschirmung kann man daher nur Teilchen mit einer Primärenergie oberhalb 300 GeV antreffen. Von 10–100 MeV an treten Verluste durch Kernstöße neben die Ionisationsverluste (10 MeV etwa sind nötig, um ein Nukleon aus dem Kern zu schlagen, 100 MeV, um ein Pion zu erzeugen). Wenn der Stoßquerschnitt für solche Stöße gleich dem geometrischen Querschnitt des Nukleons (5 · 10−26 cm2 ) wird, verzehren beide Arten von Stößen ungefähr gleich viel Energie: Die freie Weglänge für Kernstöße ist l = 1/(nσ); dabei ist n, die Nukleonenzahldichte, gleich /m H , also die Flächendichte, die einem Stoß entspricht, l = m H /σ ≈ 20 g/cm2 . 17.5.4 Maximalenergie Das energiereichste bisher beobachtete Teilchen mit 4 · 1021 eV, wahrscheinlich ein Proton mit 4 · 1012 Ruhmassen, ,,wog“ fast 10−11 g, also so viel wie ein kräftiges Bakterium. Nach Aufgabe 17.5.1 reichte die Energie, wenn sie sich auf eine entsprechend kurze Laufstrecke konzentrierte, zum k. o. leicht aus. Der Faktor der Lorentz-Abflachung und der Zeitdilatation ist ebenfalls 4 · 1012 , v weicht um etwa 10−25 von c ab. Wenn so ein Teilchen also von der Erde aus gesehen 50 000 Jahre oder über 1012 s zum Durchqueren der Galaxis braucht, vergeht in seinem Eigensystem nur knapp 1 s. 17.5.5 Raumanzug Bei gleicher Energie haben Protonen entsprechend dem Massenverhältnis eine viel kleinere Reichweite als Elektronen. Da die Reichweite aber andererseits annähernd wie E 2 steigt (Whiddington), sind 150 MeV-Protonen doch etwa 100-mal durchdringender als 0,78 MeV-Elektronen. Die BetheFormel bzw. Abb. 17.26 liefern 0,2 g/cm2 für die Elektronen, 20 g/cm2 für die Protonen. Gegen die Elektronen schützt also schon die Kleidung, die Protonen werden erst durch fast 2 cm Blei abgeschirmt. 17.5.6 Strahlungsgürtel Jedes 100 MeV-Proton setzt auf den 20 cm, die es in organischem Gewebe zurücklegt, 108 /30 ≈ 3 · 106 Ionenpaare frei. Der Protonenfluss von 108 m−2 s−1 entspricht also 1,5 · 109 Paaren/cm3 s, d. h. 10−3 Röntgen/s. Beim Durchstoßen der Zone maximaler Intensität, die etwa 15 000 km dick ist, mit 10 km/s würde ein ungeschützter Astronaut etwa 15 rem aufnehmen (Qualitätsfaktor 10 wie für γ -Strahlung). Das entspricht zwar noch keiner ernstlichen akuten Strahlenkrankheit, würde aber die maximale Toleranzdosis für mehrere Jahre aufbrauchen. Protonen mit 100 MeV, also mit 10% der Ruhenergie fliegen mit knapp c/2. Der Fluss von 108 m−2 s−1 ergibt sich also aus einer Teilchenzahldichte von etwa 10−6 cm−3 ( j = nv). Die Atmosphärendichte in 1 000 km Höhe ist etwa 10−18 g/cm3 (Skalenhöhe ca. 20 km bei der mittleren Temperatur von annähernd 1 000 K). In einem Gas dieser Dichte ergibt sich nach Abb. 17.26 eine Reichweite von 1019 cm, also eine Lebensdauer von mehreren Jahren. Diese Lebensdauer wird aber um Größenordnungen verkürzt durch die Undichtigkeiten der magnetischen Flasche, die einigen Teilchen tiefer in die Exosphäre einzudringen gestatten.
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17.5.7 Kosmische Schauer Für nichtrelativistische Teilchen nimmt der Energieverlust pro cm Bahn stark mit der Teilchenenergie E ab (wie 1/E), für relativistische ist er praktisch unabhängig von E. In der Gegend von E = mc2 ≈ 1 GeV liegt auch die Grenze zwischen überwiegender Wechselwirkung mit Atomelektronen bzw. mit Kernteilchen. Die Sekundärteilchen, auf die sich die Energie eines hochrelativistischen Teilchens verteilt, haben daher kaum weniger Reichweite, als das Primärteilchen gehabt hätte. Die Sekundärteilchen eines langsameren Teilchens dagegen laufen sich sehr schnell tot oder fallen überhaupt unter die Grenze, bei der noch Ionisierung möglich ist. 17.5.8 Unser Strahlungsschirm Ein geladenes Teilchen schraubt sich um Magnetfeldlinien mit dem Larmor-Radius r = mc/(eB) = E/(eBc) (v ∼ c, E kin ≈ mc2 ). Wenn dieser etwa gleich dem Erdradius wird, ist von einem Einfang nicht mehr die Rede. Das geschieht um E ≈ 100 GeV. Teilchen wesentlich unterhalb dieser Energie werden von den Feldlinien in die Polarzonen geleitet, schnellere fallen überall ein. Der größte Radius der Galaxis ist 3 · 104 Lichtjahre ≈ 3 · 1020 m. Das entspricht bei B ≈ 5 · 10−10 Tesla einer Maximalenergie von etwa 1020 eV, die günstigstenfalls noch gespeichert werden kann. Teilchen mit 1021 eV (vgl. Aufgabe 17.5.1) kommen also direkt aus außer- oder evtl. innergalaktischen Quellen zu uns. 17.5.9 Energien im Weltall Kosmische Strahlung: Ein Proton/cm2 s, mittlere Energie 1010 eV, repräsentiert eine Intensität I ≈ 10−5 W m−2 , eine Energiedichte I/c ≈ 10−13 J m−3 . Die thermische Strahlung der Sterne entspricht an einem typischen Ort der Galaxis 6 K (Aufgabe 11.2.19); damit wird I ≈ σT 4 ≈ 10−4 W m−2 , nur wenig mehr als in den kosmischen Teilchen steckt. Thermische Energie der Sternmaterie (größtenteils H von T ≈ 107 K): 32 kT/m ≈ 108 J/g, aber nur ≈ 10−24 g/cm3 , wenn Sterne über Volumen der Galaxis verschmiert, also 10−10 J m−3 . Die kinetische Energie der Translation der Sterne mit v ≈ 100 km/s entspricht nur der thermischen Energie bei knapp 106 K (bei 300 K fliegen Protonen mit 2,5 km/s), ist also 10-mal kleiner als die wirkliche thermische Energiedichte. Die Gravitationsenergie der Sterne muss nach dem Virialsatz (oder der Kreisbahnbedingung) etwa gleich der thermischen, die Gravitationsenergie der Galaxis aus demselben Grund gleich der Translationsenergie der Sterne sein. Die kosmische Strahlung enthält also einen merklichen Teil der Gesamtenergie des Weltalls. 17.5.10 Aufladung Wenn die kosmischen Teilchen die einzige Ursache einer Ladungsänderung wären, würde die Flächenladungsdichte σ der Erde ansteigen wie σ˙ ≈ 10−15 C m−2 s−1 , die Feldstärke E = σ/ε0 wie E˙ ≈ 10−4 V m−1 s−1 . Das Potential gegen r = ∞ ist U = E R, stiege also wie U˙ ≈ 600 V s−1 . Schon nach 50 Jahren könnten keine Protonen unter 1012 eV mehr auf der Erde landen. In Wirklichkeit wird jede erhebliche Aufladung der Erde
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durch vermehrten Einfang von Elektronen aus dem ,,Sonnenwind“ (der relativ langsamen Plasmastrahlung der Sonne) ausgeglichen oder noch einfacher durch Abgabe von Ionen in den Raum (ein Proton hat nur 1 eV potentielle Energie im Schwerefeld der Erde). 17.5.11 Space tennis Der Magnet fliege mit w, das Teilchen mit v, also relativ zum Magneten mit v + w. Senkrecht auf das Feld und seine Begrenzung auftreffend, wird das Teilchen nach einem Halbkreis mit dem Radius r = m(v + w)/(ZeB) wieder austreten. Im Bezugssystem des Magneten ändert sich die Geschwindigkeit nicht, im Laborsystem kommt das Teilchen also mit v + 2w zurück (analog zum tangentialen Katapultieren einer Raumsonde durch einen Planeten, Aufgabe 1.8.14) und hat die Energie 2mw(v + w) gewonnen. Dies scheint zwei Thesen zu widersprechen, nämlich dass ein statisches Magnetfeld kein Teilchen beschleunigen könne (wenn es sich bewegt, kann es das doch), und dass Feldlinien keine beweglichen Borsten seien, wie es manche populären Deutungen des Induktionsgesetzes suggerieren. Wir gehen jetzt ins Laborsystem. Der bewegte Magnet enthält dort nicht nur ein B-Feld, sondern auch ein E-Feld E = wB senkrecht dazu und zu w. Während das Teilchen auf seinem Halbkreis seitwärts fliegt (im ganzen um 2r = 2m(v + w)/(ZeB)), wird es in dem E-Feld beschleunigt und gewinnt die Energie ZeE2r = 2mw(v + w), genau wie oben. Wenn v und w gleichsinnig sind, tritt das Teilchen im Laborsystem mit v − 2w aus und hat die Energie 2mw(v − w) verloren. 17.5.12 Fermi-Beschleuniger Dass interstellare Gaswolken magnetisiert sind, weiß man aus der Polarisation des Sternlichts, das durch solche Wolken gelaufen ist. Sie bewegen sich typischerweise mit etwa 100 km/s. Geladene Teilchen treffen auf ihrem Weg ebenso oft auf Wolken, die in der gleichen, wie auf solche, die in Gegenrichtung fliegen. Im ersten Fall verlieren sie 2mw(v − w) an Energie, im zweiten gewinnen sie 2mw(v + w). Im Mittel bleibt für jeden Stoß ein Gewinn von 2mw2 . Ein Teilchen, das fast mit c fliegt, trifft alle paar Jahre auf eine Wolke von einigen Lichtjahren Durchmesser. Ein Proton gewinnt jedes Mal etwa 100 eV; in 1010 Jahren, während deren das galaktische Magnetfeld es in dichtbesiedelte Gebiete fesseln könnte, kann es auf einige 100 GeV kommen, vielleicht noch höher, wenn zwei einander entgegenfliegende Wolken damit Tennis spielen.
= Kapitel 18: Lösungen . . . 18.1.1 Die seltsamen Eigenschaften des Äthers Die drei angegebenen Abschätzungen liefern relative Änderungsgeschwindigkeiten der Jahreslänge um 10−16 , 10−18 bzw. 10−17 . Von der gleichen Größenordnung sind auch die möglichen relativen Änderungen von Erdbahnradius und kinetischer Energie der Erde. Diese Energie ist 3 · 1033 J. Die obere Grenze der Leistung der Ätherreibung ist also etwa 1015 W.
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Setzt man sie als Av3 an mit A ≈ 1014 m2 , so folgt für die Ätherdichte < 10−13 kg/m3 , entsprechend einem Vakuum von höchstens 10−10 Torr. Die Sonneneinstrahlung ist 1 400 W/m2 , also fallen auf die ganze Erde 1017 W. Allein hieraus folgt, dass der Äther nicht dichter sein kann als 10−8 kg/m3 , denn sonst würde seine Reibung den Wärmezufluss zur Erde mehr als verdoppeln, was nach Stefan-Boltzmann eine Erwärmung von mindestens 60◦ über die wirkliche, durch die Sonnenstrahlung gerade erklärte Oberflächentemperatur der Erde zur Folge hätte. Wenn ein Stoff 8 m/s sein mit = 10−13 kg/m3 Träger √ elastischer Wellen mit c = 3 · 10 4 soll, ergibt sich nach c = E/ sein Elastizitätsmodul zu 10 N/m2 , was für einen so dünnen Stoff recht erstaunlich wäre: Wasserstoff von dieser Dichte müsste etwa 1013 K heiß sein, um solche Elastizität zu haben. 18.1.2 Michelson-Versuch Zwischen P und A B bringt man gewöhnlich eine Kompensatorplatte an, die einschließlich ihrer Stellung identisch zur Platte P ist und daher den gleichen Gangunterschied und Intensitätsverlust erzeugt wie P. Wenn beide Arme genau gleich lang sind, entsteht dann ein heller Fleck beim Zusammentreffen der Teilstrahlen; beim Unterschied λ/2 interferieren sich beide weg. Wenn das Labor sich in Richtung eines Armes mit v = 30 km/s gegen einen das Licht tragenden Äther bewegte, brauchte das Licht eine Zeit ∆t = lv2 /c3 mehr für den Hin- und Rückweg auf diesem Weg als auf dem anderen. Damit das einer halben Schwingungsdauer von Violettlicht entspricht, braucht die Armlänge l nur 20 m zu sein. Eine Präzision von 0,2 µm auf 20 m Armlänge ist natürlich mechanisch nicht erreichbar, aber jedenfalls müsste bei der 90◦ -Schwenkung genau Hell in Dunkel übergehen, d. h. das ganze Interferenzbild müsste sich um eine halbe Periode verschieben. Sollte das Fehlen des Effekts darauf beruhen, dass die Erde im Moment der Messung gerade relativ zum Äther ruhte, dann müsste nach 6 Monaten der doppelte Effekt eintreten. Die ,,Lorentz-Kontraktion“ des Armes, der in Geschwindigkeitsrichtung steht, müsste ebenfalls dem Faktor 1 − v2 /c2 ≈ 1 − 0,5 · 10−8 entsprechen und wäre direkt weder nachzuweisen noch zu widerlegen. 18.1.3 Weltlinien Der graphische Fahrplan für die Bahn hat zwei, der für das Meer drei, der für die Luft vier Dimensionen. Ein ruhendes Objekt hat eine ,,Weltlinie“ parallel zur Zeitachse, ein gleichförmig-geradlinig bewegtes eine gerade Weltlinie, die mit der Zeitachse einen Winkel mit dem Tangens v bildet (v in m/s, falls man die Sekunden auf der Zeitachse so groß macht wie die Meter auf den Ortsachsen). Die Beschleunigung entspricht einer Krümmung der Weltlinie. Ein Zusammenstoß ist der Schnitt zweier (nicht notwendig gerader) Weltlinien. Zum Beispiel würde in Mercatorprojektion die Weltlinie eines mit konstanter Maschinenleistung fahrenden Schiffes immer flacher aussehen, je weiter es sich dem Nord- oder Südpol nähert.
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18.1.4 Lösungsvorschläge Wenn das Licht relativ zu seiner Quelle immer die gleiche Geschwindigkeit hätte, wäre natürlich für eine Labor-Lichtquelle kein Einfluss der Bewegung der Erde zu erwarten. Nun betrachten wir ein Doppelsternsystem, dessen Schwerpunkt relativ zur Sonne im Abstand a0 ruht und dessen Sterne in einer Kreisbahn, deren Ebene die Sonne enthält, mit dem Bahnradius r und der Winkelgeschwindigkeit ω um diesen Schwerpunkt laufen. Wenn der eine Partner sich gerade von uns wegbewegt, soll sein Licht nach Ritz mit c − v reisen (v = ωr), also bis zu uns die Zeit a/(c − v) brauchen. Licht, das ausgesandt wird, wenn der Stern auf uns zukommt, also eine Zeit πr/v später, brauchte nur a0 /(c + v). Wenn a0 /(c − v) − a0 /(c + v) ≈ 2a0 v/c2 = πr/v, sähen wir das später ausgesandte, violett-verschobene Licht gleichzeitig mit dem früher ausgesandten, rotverschobenen, d. h. jeder Stern lieferte mehrere Spektrallinien. Das ginge noch an, denn man weiß ja a priori nicht, wie viele Komponenten das System hat. Aber eine einfache Zeichnung zeigt, dass bei etwas größerem v drei, fünf oder mehr Linien auftreten würden, die plötzlich verschwinden, verschmelzen usw. Es gibt viele Systeme, die die Bedingung 2a0 v/c2 > πr/v oder a0 > rc2 /v2 erfüllen. Bei Sonnenmasse hätten die Sterne etwa r = rE (T/TE )2/3 (rE : Erdbahnradius, TE = 1 Jahr). Fast die Hälfte aller genau studierten Doppelsterne haben Perioden T < 10 d. Für jedes derartige System, das weiter von uns ist als 13 Lichtjahre, also für praktisch alle, wäre die Bedingung für das spektroskopische Geisterkonzert erfüllt. Da man nie so etwas beobachtet hat, ist die Ritz-Hypothese falsch. 18.1.5 Wer hat sich bewegt? Eddington sagte ungefähr: ,,Meine Müdigkeit rührt daher, dass ich den ganzen Tag in einem Kasten eingeschlossen war, der furchtbar rüttelte. Sie geben zu, dass dieser Effekt genau der gleiche gewesen wäre, wenn Edinburgh zu mir gekommen und London nach der anderen Seite weggefahren wäre, sodass mein Zug ganz schön dampfen müsste, um hier zu bleiben. Sie sehen, wenn man Koordinatensysteme transformiert, muss man das auch konsequent tun, unter Berücksichtigung aller unbezweifelbaren Beobachtungstatsachen . . . “, und damit war er wieder in seinem Vortrag. 18.1.6 Strahlungsbremsung Die Frage ist in vorrelativistischen Zeiten ernsthaft diskutiert worden. Wenn es einen Äther gäbe, wären vor dem mit v bewegten Stern Dichte und Druck der Strahlung um den Faktor v/c erhöht. Normalerweise sind sie von der Größenordnung σT 4 /c ≈ 0,2 N m−2 . Hinter jedem m2 Sonnenquerschnitt steckt eine Massen-Flächendichte µ ≈ R ≈ 1012 kg m−2 , die schiebt. Aus der Bewegungsgleichung µ˙v = −vσT 4 /c2 folgt eine Zeitkonstante der Bremsung τ = v/˙v = µc2 /(σT 4 ) ≈ 1021 s ≈ 1013 Jahre. Sie ist viel kürzer als die Relaxationszeit für ,,Sternstöße“ (Aufgabe 5.2.28). Relativistisch existiert kein Problem. Da es keinen Sinn hat, dem Stern ein v ohne Angabe eines Bezugspunkts zuzuschreiben, kann sich die Strahlung
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nicht stauen. Das Experiment zeigt auch direkt, dass sich das Licht isotrop ausbreitet. Dagegen wird z. B. ein Planet im Strahlungsfeld der Sonne wirklich etwas gebremst (Poynting-Robertson-Effekt). Wenn er mit v umläuft, fällt diese Strahlung um den Winkel v/c von vorn ein (Aberration), die Strahlungsdruckkraft hat eine Rückwärts-Komponente AIv/c2 . Für die Erde konnten diese 105 N das Jahr seit ihrer Entstehung nur um 1 s verlängern. Beim Merkur macht dies fast 100 s aus. 18.1.7 Lorentz-Kontraktion Eine mit v bewegte Ladung erzeugt um sich ein Magnetfeld H = ev × r/(4πr 3 ) (am einfachsten nach Biot-Savart; die Ladung ist ein Stromelement ev; r Abstand von der Ladung). Im Abstand d senkrecht zu v hat dieses Feld den Betrag H = ev/(4πd 2 ) und steht senkrecht auf v und dem Abstand. Eine Ladung −e dort, die ebenfalls mit v fliegt, erfährt in diesem Feld die Lorentz-Kraft FLor = −ev × B vom Betrag µ0 e2 v2 /(4πd 2 ) nach außen. Das Verhältnis von Lorentz- und CoulombKraft ist ε0 µ0 v2 = v2 /c2 . Der Gleichgewichtsabstand verschiebt sich also dorthin, wo die Abstoßungskraft etwa um FLor kleiner ist (da die Abstoßung so viel steiler ist, macht die Änderung der Anziehung nicht viel aus). Geht die Abstoßung wie r −n , dann ist das der Fall bei einem neuen AbFür n = 2 entspricht das in der Näherung v c stand d(1 + v2 /(nc2 )). dem Lorentz-Faktor 1/ 1 − v2 /c2 . 18.2.1 Schnelle Uhren gehen nach Wir betrachten vier Uhren: A ruht in dem Nahezu-Inertialsystem, das mit dem Erdmittelpunkt verbunden ist; B ruht am Erdboden, ist also gegen A mit v0 = 0,45 km/s bewegt: C fliegt mit dem Jet in ostwestlicher Richtung, also gegen die Erdrotation, und bewegt sich mit v gegen B, mit v − v0 gegen A; D fliegt ebenso west-östlich, also mit v gegen B, mit v + v 0 gegen A. Während für A eine Sekunde ver geht, rückt B um 1 − v02 /c2 vor, C um 1 − (v − v0 )2 /c2 , D um 1 − (v + v0 )2 /c2 . Alle diese Angaben sind direkt vergleichbar, da die bewegten Uhren immer wieder zum Ort der Uhr A zurückkommen. In einer Flugzeit T entwickelt sich dahereine Zeitdifferenz zwischen C 2 2 2 2 und B: ∆TOW = T 1 − (v0 − v) /c − 1 − v0 /c ≈ T(2vv0 − v2 )/c2 , zwischen D und B: ∆TWO = T 1 − (v0 + v)2 /c2 − 1 − v02 /c2 ≈ T(2vv0 + v2 )/c2 . Die zweite dieser Differenzen soll nach dem Bericht dreimal so groß sein wie die erste. Das ist der Fall, wenn v = v0 = 0,45 km/s = 1 640 km/h. Da der Rundflug auf einem Großkreis somit genau einen Tag dauert, ergibt sich eine Gesamtverzögerung D gegen B um ca. 10−7 s. Die Reporter haben einfach die relative Verzögerung in s/s, nämlich 10−12 , als absolute angegeben. Ihre 10−12 s/Tag, d. h. relativ 10−19 s/s, wären auch mit der raffiniertesten Technik nicht messbar, während 10−12 s/s es gerade noch sind. Warum die Ost-West-Uhr schneller geht als die Erduhr, ist ganz einfach zu begreifen: Sie realisiert praktisch die Inertialuhr A, der gegenüber die Erduhr B natürlich nach-
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geht. Dazu kommt ein allgemein-relativistischer Effekt: Die Uhren B, C, D befinden sich im kombinierten Schwere- und Zentrifugalfeld auf verschiedenem Potential ϕ = −G M/r − 12 ω2r 2 . Der Unterschied in r (etwas mehr als 10 km) ist zwar vernachlässigbar, aber nicht der in ω. Nach der obigen Rechnung ist C raumfest, hat also ω = 0, B hat ω, D hat 2ω. Damit ist ϕC − ϕ B = 12 ω2 R2 = 12 v2 , ϕ D − ϕ B = − 32 v2 . Die relative Uhrenverzögerung ist ∆T/T = ∆ϕ/c2 . Bei der angegebenen Fluggeschwindigkeit würde also die allgemeine Relativität einen ebenso großen Effekt liefern wie die √ spezielle. Daher darf v um den Faktor 2 kleiner sein, um die angegebenen Werte zu liefern. 18.2.2 Zeitdilatation Argumentation und Zeichnung (Abb. 18.24) sind richtig (das einzige, worauf zu achten wäre, ist, dass keine Längen aus dem bewegten System, sofern sie in Bewegungsrichtung liegen, ohne Lorentz-Kontraktion übernommen werden: wenn sonst nur von Punktereignissen die Rede ist, kann eigentlich nichts schiefgehen). Der Satzdes Pythagoras liefert sofort die Formel für die Zeitdilatation: ∆t = ∆t 1 − v2 /c2 . Dies ist wohl die einfachste denkbare Ableitung. Natürlich sind die Richtungen des Sterns für uns und den Astronauten um α = arc sin(v/c) verschieden. Auf der Erde tritt dieser als Aberration bekannte Effekt auch auf: Im Winter z. B. bewegen wir uns mit 60 km/s gegen das Inertialsystem, das im Sommer gilt, also sehen wir senkrecht dazu die Sterne um 60/300 000 = 2 · 10−4 oder ca. 40 gegen ihre Sommerposition verschoben. In welcher Richtung ein Stern ,,wirklich“ steht, gehört ebenso wenig zu den absoluten Eigenschaften der Welt wie die Frequenz seines Lichts (noch weniger, denn für diese könnte man noch das System als maßgebend ansehen, in dem der Stern ruht). Bei der Umzeichnung für den Fall, dass wir den Stern in senkrechter Richtung sehen, scheint zunächst ∆t = ∆t(1 + v2 /c2 )1/2 herauszukommen. Aber das Argument, dass die schräge Strecke c∆t sei, stützt sich ja auf einen stillschweigenden Übergang in das System des Astronauten, wo diese Strecke jetzt teilweise in Bewegungsrichtung liegt, also Lorentzverkürzt ist. Auch ohne die entsprechende Korrektur auszuführen (man könnte so die Lorentz-Kontraktion selbst ableiten!), sieht man leicht, dass auch diesmal das Richtige herauskommt, indem man die Rollen der beiden Beobachter vertauscht. 18.2.3 Zwillingsparadoxon Wenn ein Mann A im System S den Mann B im System S beobachtet, der sich mit 0,99c relativ zu ihm bewegt, stellt er nach Voraussetzung fest, dass die ,,Physik“ in S siebenmal langsamer abläuft als in S. Man beachte nun, dass Koinzidenzen innerhalb eines Systems absoluten Sinn haben. Daher wird auch B selbst feststellen, dass seine Physik siebenmal langsamer ist als seine Biologie. Misst er seine Stunden usw. nach physikalischen Uhren identischer Konstruktion wie wir sie haben, wird er z. B. etwa alle drei Stunden schlafen müssen, allerdings nur ca. eine Stunde lang. Wenn B nun A beobachtet, findet er, dass dessen Physik noch siebenmal langsamer läuft als seine eigene (diese Folgerung Einsteins soll ja
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für die Physik anerkannt werden). Da B’s Physik aber schon siebenmal langsamer ist als seine eigene Biologie, ist A’s Physik für B sogar 49-mal langsamer als seine eigene Biologie. Dass A’s Biologie mit A’s Physik im Takt ist, wurde eingangs postuliert und gilt absolut. Also sieht B auch A’s Leben 49-mal langsamer ablaufen als sein eigenes. Die Reziprozität zwischen S und S ist demnach in krassester Weise verletzt. Keinesfalls ist es logisch haltbar, die ,,vitalistische Hypothese“ so zu interpretieren, wie sie bestimmt gemeint war, nämlich dass man für S jedes Inertialsystem setzen kann. Die Hypothese könnte bestenfalls für ein Inertialsystem stimmen, und dieses dann mit Recht als ,,absolut ruhend“ ausgezeichnet werden; die merkwürdigen Eindrücke dazu bewegter Beobachter wären als Folgen ihrer absoluten Bewegung aufzufassen. Übrigens wird kein Vitalist leugnen, dass gewisse biologische Vorgänge, speziell mechanische, von der Physik beherrscht werden. B würde für seine eigenen Organe die gleichen physikalischen Größen (Massen, Dichten usw.) messen wie üblich. Dass seine Muskeln nun seine Beine, seine Kiefer, seine Zunge plötzlich siebenmal so schnell zu bewegen imstande sind als die Physik dies eigentlich gestattet, wäre sehr verwunderlich. Wenn aber diese Vorgänge dem physikalischen (siebenmal langsameren) Tempo folgen, wird sein eigenes Laufen, Essen, Sprechen dem armen B so unerträglich langsam vorkommen, dass er froh sein wird, aus dieser absurden Welt in die einsteinsche zurückzukehren, wo innerhalb seines Systems alles völlig in Ordnung und im Takt ist. 18.2.4 Myonen der kosmischen Strahlung Ein Teilchen mit 207 Elektronenmassen oder etwa 100 MeV Ruhmasse, dessen kinetische Energie um 1 GeV liegt, hat praktisch Lichtgeschwindigkeit. Mit der Lebensdauer von τ0 = 2 · 10−6 s kommt es damit nur etwa 600 m weit, genauer gesagt: Von einem gebündelten Myonenstrahl wären nach 600 m schon 63% zerfallen (wir beachten die Zeitdilatation vorläufig noch nicht!). Von den in h = 13 km Höhe erzeugten Myonen dürfte daher nur der Bruchteil e−h/(cτ0 ) ≈ e−13 000/600 ≈ 10−9 an der Erdoberfläche ankommen, selbst wenn sie alle direkt nach unten flögen; da sie das bestimmt nicht tun, ist ein weiterer Faktor von der Größenordnung 10 anzubringen. Die eigentliche Absorption ist dabei ebenfalls vernachlässigt (s. u.). Den 5 Myonen/cm2 s, die tatsächlich ankommen, müssten also mehr als 1010 Myonen/cm2 s entsprechen, die oben erzeugt werden. Da jedes etwa 1 GeV hat (abgesehen von den überdies noch erzeugten Teilchen) wäre der kosmische Energiefluss mindestens 10 kJ m−2 s−1 , also fast zehnmal mehr als für die Sonnenstrahlung. Fast die gesamte kosmische Energie wird offensichtlich in der Atmosphäre absorbiert, und zwar sogar oberhalb der Troposphäre, die Sonnenenergie dagegen heizt die Atmosphäre nur indirekt (über eine Erwärmung des Erdbodens). Letzteres ist der Grund für die eigentümliche Schichtung der Troposphäre, besonders für die Temperaturabnahme mit der Höhe (ob adiabatisch indifferent, labil oder stabil). Eine kosmische Wärmequelle von diesem Ausmaß würde all das völlig umwerfen: die Troposphäre würde hochgradig stabil, es gäbe keine Aufwinde, keine Gewitter, keinen Segelflug usw.
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Die Zeitdilatation löst das Paradoxon: Ein 1,5 GeV-Myon z. B. hat m/m 0 = (1 − v2 /c2 )−1/2 = τ/τ0 − 1 = 15, seine Reichweite innerhalb der Lebensdauer τ steigt also auf etwa 10 km. Damit sind in der Höhe nur etwa 109 -mal weniger Erzeugungsakte notwendig, um die beobachtete Myonenintensität am Erdboden zu erklären, als nach der obigen Betrachtung. Der kosmische Beitrag zum Energiehaushalt der Erde wird damit vernachlässigbar. Offensichtlich fällt die Flussdichte der Myonen umso steiler mit der Höhe ab, je geringer ihre Energie ist (bis zum oben diskutierten nichtrelativistischen Extremfall). Die quantitative Übereinstimmung mit den Messdaten ist befriedigend, besonders wenn man die atmosphärische Absorption berücksichtigt. Die ,,Absorptionslänge“ (durch die die Flussdichte auf 1/e geschwächt wird) wäre in Luft von 1 bar L abs = 10 km; dies ist größer als die Skalenhöhe H, längs der die Luftdichte selbst auf 1/e abfällt. Unter diesen Umständen ist die Schwächung der Flussdichte auf der Höhendifferenz h H n = exp − (1 − e−h/H ) . n0 L abs 18.2.5 Transversaler Doppler-Effekt Die Wellenlängen in der ersten (und jeder anderen) Zeile entsprechen genau der Balmer-Formel, wie man am besten aus den Frequenzen sieht: ν = R (1/n 2 − 1/m 2 ). Das ist klar, denn He+ mit seinem einen Elektron ist ein wasserstoffähnliches System. Da die Kernladung 2 ist, multiplizieren sich Termenergien und Frequenzen, verglichen mit dem Wasserstoff, mit dem Faktor 4 (eine 2 kommt von der Verengung der bohrschen Bahnen, die andere direkt aus der Coulomb-Energie). So erklärt es sich, dass jede zweite Linie der Pickering-Serie fast genau mit einer Balmer-Linie des H zusammenfällt. Die kleine Abweichung kommt durch die größere Masse des He-Kerns zustande, der sich daher weniger stark mitbewegt als der H-Kern. Der Endzustand aller Übergänge der Pickering-Serie ist aber der He+ -Term n = 4, während die Balmer-Übergänge im H-Term n = 2 enden. Die Verschiebung mit der Beschleunigungsspannung, also der Ionengeschwindigkeit ist eine Folge der Zeitdilatation: Das Ion richtet sich beim Strahlen natürlich nach seiner Eigenzeit, und die Periode (und ebenso die Wellenlänge) des Lichtes vergrößert sich also, vom Laborsystem aus gesehen, um den Faktor (1 − v2 /c2 )−1/2 . Rechnet man Beschleunigungsspannung U in Geschwindigkeit v um, so kann man diesen Zusammenhang aus der Tabelle gut bestätigen, besonders wenn man über die Zeilen mittelt (unter Ausschluss des schon nach dem Seriengesetz als falsch zu erkennenden Wertes in der vierten Zeile und zweiten Spalte). Bei longitudinaler Beobachtung würde man einfach den normalen Doppler-Effekt finden. Da er als ,,Effekt 1. Ordnung“ um den Faktor v/c, also 10 bis 60-mal größer ist als der relativistische Effekt (der von 2. Ordnung ist), würde man diesen, obwohl er zweifellos da ist, bei der aus der Tabelle zu ersehenden Messgenauigkeit nur schwer direkt herausfischen können. Das zeigt auch, wie kritisch die Güte der Transversalität ist: Bei 1 MeV z. B. müsste der Sehwinkel, unter dem der Abschnitt des Ionenstrahls, dessen Emission in
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den Kollimator gelangt, von diesem aus gesehen wesentlich kleiner als 1◦ 1 ( 60 ) sein, damit nicht der longitudinale Doppler-Effekt den transversalen überdeckt. Das ergibt natürlich beachtliche Intensitätsprobleme! 18.2.6 v-Stapelei Die Geschwindigkeit der i-ten Raketenstufe relativ zur Erde sei vi . Nach dem Additionstheorem (18.5) ist dann vi =
vi−1 + c/2 2vi−1 + c ·c . = 2 1 + cvi−1 /(2c ) 2c + vi−1
(L.1)
Wenn vi−1 ≤ c, ist danach 2vi−1 + c ≤ 2c + vi−1 , also auch vi ≤ c: die Lichtgeschwindigkeit kann, von kleineren Geschwindigkeiten herkommend, nicht überschritten werden. Die Folge der vi konvergiert aber gegen c, und zwar ziemlich schnell: 0,5c, 0,8c, 0,93c, 0,975c . . . . Man kann vi auch direkt ausdrücken ohne die Rekursion (L.1): vi = c(3i+1 − 1)/(3i+1 + 1). Das ist leicht zu bestätigen (am einfachsten durch vollständige Induktion nach i, aber auch aus der Rekursionsformel (L.1)). 18.2.7 Fizeau-Versuch Die Phasengeschwindigkeiten in den beiden Armen der Länge l (Abb. 18.25) seien c1 = c/n + ∆c und c2 = c/n − ∆c (c/n: Phasengeschwindigkeit in der ruhenden Flüssigkeit). Da die Frequenz ν längs des ganzen Lichtweges konstant ist, entfallen auf die Längen der beiden Arme lν/c1 bzw. lν/c2 Wellenlängen. Der Gangunterschied beträgt −1 also lν(c−1 1 − c2 ) Wellenlängen. Soll gerade eine halbe Wellenlänge −1 2 2 herauskommen, so muss sein lν(c−1 1 − c2 ) ≈ 2lν(n /c )∆c ≈ 1/2, d. h. 2 2 2 ∆c ≈ c /(4lνn ), in unserem Beispiel ∆c = 12,5/n m/s. Der Zusammenhang zwischen diesem Wert und der Strömungsgeschwindigkeit v1 kann nur durch die Brechzahl n bestimmt sein. Durch graphische oder rechnerische Anpassung der fünf Punkte, die wir haben (die vier angegebenen und n = 0, v1 = ∞ für das Vakuum), findet man (z. B. aus der Auftragung von ∆c/v1 als Funktion von n) als beste (wenn auch nicht ganz willkürfreie) Anpassung ∆c = v1 /(1 − n 2 ). Eine Formel wie c = v(a + bn) könnte wohl die vier Messpunkte ebenso gut beschreiben, aber der Vakuum-Punkt fiele erheblich heraus. Ätherstandpunkt: Vollständige Mitführung würde bedeuten ∆c = v, keine Mitführung ∆c = 0. Die Wahrheit liegt dazwischen, und zwar umso näher an der Mitführung, je größer n ist. Eine befriedigende nichtrelativistische Deutung ist nie gefunden worden. (Fresnel nahm ad hoc an, die Dichte des Äthers in den verschiedenen Stoffen sei verschieden, nämlich proportional n 2 ; er kam damit aber auf anderen Gebieten der Optik in Schwierigkeiten.) Relativistischer Standpunkt: Wenn sich das Licht auch im strömenden Wasser (relativ zum Medium) mit der Phasengeschwindigkeit c/n ausbreitet, ist ganz klar, dass der ruhende Beobachter nach dem Additionstheorem (18.5) eine Phasengeschwindigkeit c =
c/n ± v c/n ± v = 1 ± v/(nc) 1 ± (c/n) vc−2
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misst. Das ist aber für praktische Größenordnungen von v völlig identisch mit dem experimentellen Ergebnis. 18.2.8 Transversale Beschleunigung B habe die Geschwindigkeit v relativ zu mir. B beschleunigt einen Körper K, der in B’s System zunächst ruht, sodass B um seine Zeit ∆t später für K die Geschwindigkeit ∆w misst, also eine mittlere Beschleunigung a = ∆w/∆t . Da w⊥v, messe ich den gleichen zurückgelegten Weg ∆s, aber meine Zeitdifferenz ist anders: ∆t = ∆t (1 − v2 /c2 )−1/2 . Also messe ich die Beschleunigung a = 2∆s/∆t 2 = a (1 − v2 /c2 ). 18.2.9 Zyklotron Wenn man einem Teilchen im Zyklotron Energie zuführt, wächst seine Masse und damit auch seine Umlaufsperiode im konstanten Magnetfeld. Die Teilchen fallen dann immer mehr außer Takt mit dem auf ihre Ruhmasse m 0 abgestimmten elektrischen Wechselfeld. Bei einer Masse von 2m 0 wäre die Periode verdoppelt, und das Teilchen würde, wenn es auf der einen Seite das Feld in der zur Beschleunigung richtigen Phase vorfindet, auf der anderen Seite um ebenso viel gebremst werden. m = 2m 0 bedeutet E = mc2 = 2m 0 c2 , also Wkin = m 0 c2 . Bei Protonen tritt das ein für Wkin = 930 MeV. Natürlich wird aber die Beschleunigung schon erheblich früher praktisch unmöglich. Weiter kommt man, wenn man die Frequenz des elektrischen (oder die Stärke des magnetischen) Feldes genau der Massenänderung eines einmal eingeschossenen engbegrenzten Teilchenbündels folgen lässt (Synchro-Zyklotron). – Elektronen lassen sich nach dem einfachen Zyklotronprinzip nur auf wenig über 100 keV bringen. 18.2.10 Elektronengeschwindigkeit Die kinetische Energie der Elektronen mit der Beschleunigungsspannung U ist eU und kommt zur Ruhenergie m 0 c2 hinzu. Beide zusammen 2 2 2 2 2 ergeben E = mc = m 0 c / 1 − v /c = m 0 c + eU. Auflösung nach v/c 2 2 ergibt 1 − 1/(1 + eU/(m 0 c )) . Man könnte dies direkt√ausrechnen, aber einfacher ist der trigonometrische Pythagoras sin α = 1 − cos2 α. Man fasst also den Bruch unter der großen Wurzel als Quadrat eines Cosinus auf und braucht nur noch den zugehörigen Winkel und hiervon den Sinus, der v/c ergibt. 18.2.11 Kernenergie 1 mol = 235,1 g spaltbaren Materials zerfällt in 137,95 + 93,93 + 3 · 1,008 = 234,9 g Spaltprodukte. Der Rest, d. h. 0,2 g oder ca. 1/1 000 der Ausgangsmasse, sind in Energie verwandelt worden. Pro kg spaltbaren Materials sind das 9 · 1013 J. Ein Ozeandampfer mit 40 000 PS normaler Maschinenleistung (,,United States“) könnte damit mehr als einen Monat fahren, ein Großkraftwerk von 1 000 MW könnte einen Tag betrieben werden. Verglichen mit der gleichen Menge besten chemischen Brennstoffs liefert das Uran über 106 -mal mehr Energie. Fusion: 6,5 g Massenverlust pro kg, also fast um eine Zehnerpotenz mehr Energie als bei der Spaltung.
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Vollständige Vernichtung liefert den 1 000fachen Energieinhalt, verglichen mit der Spaltung. 18.2.12 Wie lange lebt die Sonne? Die gesamte Energieabstrahlung ist (1,4 kW/m2 ) · 4π · (1,5 · 1011 m)2 = 4 · 1026 W. Dem entspricht ein Massenverlust 5 · 109 kg/s. Die gesamte Sonne hat 2 · 1030 kg. Bei vollständiger Vernichtung würde das für 1013 a vorhalten. In Wirklichkeit handelt es sich aber um Fusionsreaktionen, die nur knapp 1% der Masse zerstrahlen (vgl. Aufgabe 18.2.11). Die Sonne kann demnach höchstens 1011 Jahre auf so großem Fuße leben wie jetzt (nach den heutigen astrophysikalischen Theorien wird sie ihre Ausgaben sogar ,,bald“ wesentlich steigern). Von dieser Lebensdauer hat sie schon einen merklichen Teil hinter sich, denn schon die feste Erdkruste ist mindestens 4 · 109 Jahre alt. Entsprechend muss die Sonne, selbst wenn sie anfangs aus reinem Wasserstoff bestanden hätte, schon mindestens 10% davon in Helium verwandelt haben. 18.2.13 Energiesatz Aus (18.11) und (18.13) eliminiere man v (es sollen ja, außer m 0 und c, nur E und p übrig bleiben). Man erhält sofort (18.14). Oder, rechnerisch einfacher: Man verifiziert (18.14), indem man es quadriert und mit (18.11) und (18.13) vergleicht. Die Näherung für p2 m 20 c2 , d. h. v c, lautet W ≈ m 0 c2 + 12 p2 /m 0 . (1. Glied der Binomialreihe mit n = 12 ); für p2 m 20 c2 , oder v2 /c2 1 − v2 /c2 , ergibt sich E = c p, wie z. B. für die Photonen. 18.2.14 Pion-Zerfall Wenn die Pion-Ruhmasse von 273m e = 139,6 MeV in die MyonRuhmasse von 207m e = 105,7 MeV übergeht (das Neutrino hat keine Ruhmasse), wird der Rest von 33,9 MeV als kinetische Energie frei. Der Impulssatz fordert entgegengesetzt gleiche Impulse von µ und ν (das Pion ruhte ja!): | pµ | = | pν |. Der Energiesatz lautet E π = m π c2 = E µ + E ν = m 2µ c4 + c2 p2µ + c pν = m 2µ c4 + c2 p2µ + c pµ oder, nach pµ aufgelöst: pµ = 12 (m 2π − m 2µ )c/m π . Also Eν = Eµ =
m 2π − m 2µ 2m π 2 m π + m 2µ 2m π
c2 = 26,7 MeV , c2 = 109,8 MeV .
E ν ist reine kinetische Energie. Beim Myon ist E kin = E µ − m µ c2 = 4,1 MeV. Auf Grund der auffälligen Myonenenergie von 4,1 MeV wurde das Pion überhaupt erst entdeckt und seine Masse bestimmt (Powell, Occhialini, 1947).
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Nichtrelativistisch: Wenn man die angegebenen Massenwerte anerkennt, müsste man folgern, dass das Zerfallsmyon ruht, da eine Masse 0 wie das Neutrino weder Energie noch Impuls aufnehmen kann. Eigentlich müsste man aber aus den bekannten Massen von π und µ schließen, dass 2 + der Fehlbetrag in ν steckt. Dann müsste sein m µ vµ = m ν vν , 12 m µ vµ 1 2 2 m ν vν = 0, was nur mit vµ = vν = 0 lösbar wäre: beide Produktteilchen müssten ebenfalls ruhen. 18.2.15 Antiproton-Erzeugung Da zwei Protonenmassen neu zu erzeugen sind, sollte man zunächst glauben, dass für das stoßende Proton eine Energie von 2m H c2 = 1,88 GeV genüge. Dann wären alle Teilchen nach der Reaktion in Ruhe (nur Ruhmassen!). Das ist aber nicht möglich, denn der Impuls des stoßenden Teilchens kann nicht einfach verschwinden. Allerdings kommt man am billigsten weg, wenn die vier Teilchen nach der Reaktion alle relativ zueinander ruhen (aber nicht relativ zum Labor!). Gesamtenergie und Impuls der beiden Protonen vor der Reaktion seien E und p, jedes der vier Protonen nach dem Stoß habe E und p . Impulssatz: Energiesatz:
p = 4 p ,
m 20 c4 + c2 p2 + m 0 c2 E = 4E oder = 4 m 20 c4 + c2 p2 /16 ,
woraus mit leichter Rechnung folgt p2 = 48m 0 c2 , also E = 8m 0 c2 , und für die kinetische Energie des stoßenden Protons E kin = E − 2m 0 c2 = 6m 0 c2 = 5,63 GeV . 18.2.16 Masse-Energie-Äquivalenz Der Strahlungsdruck bei Emission oder Absorption einer Intensität I ist p = I/c (Abschn. 12.1.2). Auf die Fläche A wirkt die Kraft F = pA = I A/c. In der Zeit ∆t werden die Energie E = I A∆t und der Impuls P = F∆t = I A∆t/c = E/c übertragen. Die Raketenmasse M kommt dadurch auf die Geschwindigkeit v = P/M = E/(Mc). In der Laufzeit l/c verschiebt sich so die Rakete um x = vl/c = El/(Mc2 ) nach ,,vorn“. Austausch der Laser muss den gleichen Ruck nach ,,hinten“ bringen, sonst ist der Schwerpunktsatz verletzt. Das ist der Fall, wenn der angeregte Laser um µ massereicher ist als der unangeregte. Dann bedeutet der Austausch praktisch Verschiebung der Masse µ um l nach ,,vorn“, worauf die Rakete mit einer Verschiebung um µl/M nach ,,hinten“ reagiert. Beide Rucke müssen gleich groß sein: µl/M = El/(Mc2 ), also µ = E/c2 . 18.2.17 Photon-Ruhmasse? Wir nennen die Grenzgeschwindigkeit der Relativitätstheorie c0 und untersuchen, ob und wie weit die Photonengeschwindigkeit kleiner sein kann als c0 . Das Photon hat die Energie E = hc/λ = p2 c20 + m 20 c40 = h 2 c20 /λ2 + m 20 c40 und die Phasengeschwindigkeit
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c = c0 1 + m 20 c20 λ2 /h 2 . m 0 ist die angebliche Ruhmasse des Photons, p = h/λ sein Impuls. c ist größer als c0 , aber die beobachtbare Photonengeschwindigkeit, die Gruppengeschwindigkeit v, ist kleiner: v = c − λ dc/dλ = c0 / 1 + m 20 c20 λ2 /h 2 ≈ c0 (1 − 12 m 20 c20 λ2 /h 2 ) ≈ c0 (1 − 12 m 20 /m 2 ) , wo m = E/c20 ≈ h/(λc0 ) die kinetische Masse des Photons ist. 18.2.18 Wird Andy es überleben? Bob hält, von seinem Bezugssystem aus betrachtet, das Schiff immer parallel zu Andy, der mit v angeflogen kommt. Das Schiff hebt sich mit u senkrecht zu Andys Flugrichtung diesem entgegen. Da Andy Lorentzverkürzt ist, geht bei exaktem Manövrieren alles gut. Für Andy müssen wir sauber unterscheiden zwischen dem, was er sieht, und dem, was er nach entsprechender Rückdatierung in seinem Bezugssystem als gleichzeitige Ereignisse betrachtet. Was er sieht, ist niederschmetternd: Er sieht das Schiff zunächst vor und etwas unter sich, mit dem Bug höher als dem Heck, d. h. für den geplanten Einfang gerade falschherum gekippt. Licht, das ihn vom Heck erreicht, ist nämlich früher emittiert worden als Licht, das ihn gleichzeitig vom Bug erreicht, und zwar um die Zeit L/c (L: Schiffslänge). Dementsprechend sieht Andy das Heck um ul/c weiter unten als den Bug, d. h. das Schiff scheint um den Winkel u/c ,,falschherum“ gekippt. Etwas später, wenn er genau über der Schiffswand ist, scheint diese sich ihm aus dem gleichen Grund entgegenzuwölben. Diese Effekte verschwinden durch richtige Rückdatierung, sind also nur ,,optische Täuschungen“. Es bleibt aber die Relativität der Gleichzeitigkeit. Wenn Andy nach rechts fliegt, ist seine Jetzt-Achse gegenüber Bob’s um α mit tan α = v/c nach links gekippt. Im gleichen Moment (für Andy), wo der Bug noch um y unter ihm ist (senkrecht zur Flugrichtung gemessen), ist das Heck nicht, wie Bob meint, ebenfalls um y unter ihm, sondern nur um y − uvl/c2 . Denn für Andy ist ein um l entfernt stattfindendes Ereignis um vl/c2 später als für Bob. Für Andy sind Bordwand und Luke also um den Winkel uv/c2 gekippt, diesmal im ,,richtigen“ Sinn. So kann er in flachem Kopfsprung auch in die verkürzte Luke tauchen. Wenn er z. B. dabei mit dem Kopf haarscharf am hinteren Lukenrand entlangstreicht, bleibt
l 1⫺ υ2 c
2
β⫽ u arctan υ
2 2 2 3 2 sin(α ⫹ β) l ≈l 1⫺ υ2 uυ ⫹ uυ /c ⫽ l 1⫺ υ2 1⫹ υ2 ≈ c c c uυ 1⫺ υ2/c2 sin β
)
Andy
Luke α ⫽ arctan uυ/c2
)
l 1⫺ υ2 c
2
Abb. L.14. Das Raumschiff nähert sich dem Astronauten Andy in dessen Längsrichtung v = c/2, quer dazu mit u = c/4. Obwohl Andy im System des Raumschiffs parallel zur Schiffswand steht, ist diese für Andy gekippt. Daher passt Andy auch durch die für ihn Lorentz-verkürzte Luke. l ist Andy’s Länge
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ihm nach Abb. L.14 an den Füßen noch so viel Freiheit, dass er sogar durchkäme, wenn er um den Faktor (1 − v2 /c2 )−1/2 länger wäre, genau wie Bob das auch behauptet. 18.2.19 Tachyonen Wenn E = m 20 c4 + p2 c2 und p = m 0 v 1 − v2 /c2 reell sein sollen trotz v > c, muss m 0 imaginär sein. Bei Energieverlust, z. B. durch Tscherenkow-Strahlung, wird v größer. Das Tachyon ,,kommt erst zur Ruhe“, wenn E = 0, also v = ∞ geworden ist. Die de Broglie-Welle eines Tachyons breitet sich mit Unterlichtgeschwindigkeit aus: vPhase = c2 /v. 18.3.1 Vierervektoren Alle Vierervektoren transformieren sich wie der Vierer-Ortsvektor, d. h. nach (18.27) durch Anwendung der Matrix 1 0 0 iv/c √ 1 1−v2 /c2 0 0 0 L= √ √ . 1−v2 /c2 0 1−v2 /c2 0 0 −iv/c 0 0 1 Betrag des ersten Zeilenvektors: (1 − v2 /c2 )/(1 − v2 /c2 ) = 1, ebenso für die anderen. Skalarprodukt zweier verschiedener Zeilen gleich Null, ebenso für die Spalten. L ist reine Viererdrehung und lässt |a| unverändert. L−1 = L∗ . Wenn in b = Ta sowohl a als auch b sich mit L transformieren, muss T sich transformieren wie T = LTL∗ , denn dann gilt b = T a = LTL∗ La = LTa = Lb (L∗ L = U, und U kann im Produkt weggelassen werden). 18.3.2 Vierer-Maxwell A und ϕ verschmelzen zum Viererpotential Aν = (A1 , A2 , A3 , iϕ/c). Dimension von A: Vs m−1 , von ϕ: V, also c im Nenner. Der Feldtensor ist definitionsgemäß antimetrisch: Tµν = −Tνµ . Er hat also sechs unabhängige Komponenten, seine Diagonale enthält Nullen. Im Dreidimensionalen gibt es drei unabhängige Komponenten, die man als Vektor auffassen kann. Wenn weder µ noch ν den Wert 4 hat, wird z. B. T12 = −A2,1 + A1,2 , d. h. gleich der negativen 3. Komponente von rot A, die B3 ist (B = rot A). Andererseits z. B. T14 = −A4,1 + A1,4 = −iϕ,1 /c + A˙ 1 /(ic). Das ist nach E = −grad ϕ − A˙ identisch mit iE 1 /c. Der Feldtensor wird also B2 iE 1 /c 0 −B3 0 −B1 iE 2 /c B3 Tµν = . −B2 B1 0 iE 3 /c −iE 1 /c −iE 2 /c −iE 3 /c 0 Bei dieser Definition von Tµν ist automatisch Tλµ,ν + Tµν,λ + Tνλ,µ = 0 ,
(L.2)
unabhängig von den Werten λ, µ, ν. Man sieht das sofort, wenn man auf die Definition durch Aν zurückgeht und beachtet, dass z. B. Aλ,µν = Aλ,νµ .
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Wenn λ, µ, ν = 1, 2, 3, deutet sich (L.2) als div B = 0. Wenn eine 4 dabei ist, folgen die drei Komponenten einer Vektorgleichung, nämlich ˙ – Der Induktionstensor Wµν ergibt sich aus Tµν , indem man H rot E = − B. statt B und cD statt E/c schreibt. Wir definieren div Wµν = Wµν,µ und können die anderen beiden Maxwell-Gleichungen schreiben div Wµν = jν . ˙ = j. ν = 4 ergibt div D = , ν = 1, 2, 3 die Komponenten von rot H − D Im Vakuum ist Wµν = Tµν /µ0 (µ0 : Induktionskonstante). Dann kann man auch sagen Aµ,νµ − Aν,µµ = µ0 jν . Die Lorentz-Konvention div A + ϕ/c ˙ 2 = 0 oder Aµ,µ = 0 sorgt dafür, dass Aµ,νµ = Aµ,µν = 0. Es bleibt Aν,µµ = Aν = µ0 jν oder, wenn keine Ströme fließen, Aν = 0, die vierdimensionale Wellengleichung. Die Kontinuitätsgleichung div j = − ˙ schreibt sich ebenfalls automatisch Lorentz-invariant jµ,µ = 0. 18.3.3 Lorentz-Kraft Man lege die x-Achse in v-Richtung, die y-Achse so, dass B in der x, yEbene liegt. Dann lautet der Feldtensor im Laborsystem 0 0 B2 0 0 0 −B1 0 T = . −B2 B1 0 0 0 0 0 0 Transformation liefert für das System des Elektrons T = LTL∗ , d. h. 0 0 γB2 0 0 −B1 0 0 T = −γB2 B1 0 δB2 0 0 −δB2 0 mit γ = 1/ 1 − v2 /c2 , δ = ivγ/c. Das longitudinale Magnetfeld ändert sich also nicht: B1 = B1 , das transversale wird größer: B2 = B2 / 1 − v2 /c2 . Es entsteht ein E-Feld senkrecht zu v und B: E 3 = vB2 / 1 − v2 /c2 . Kein Wunder, dass das Elektron in diesem E-Feld, das es selbst sieht, die Kraft eE 3 erfährt, die genau gleich der durch den Wurzelfaktor korrigierten Lorentz-Kraft ist (größen- und richtungsmäßig). 18.3.4 Trouton-Noble-Versuch Zwischen zwei Punktladungen Q + und Q − im Abstand d herrscht die Spannung U = Q/(4πε0 d). Wenn die Ladung Q + mit v fliegt, repräsentiert sie ein Stromelement Qv, das im Abstand d senkrecht zu v ein Feld B = µ0 Qv/d 2 senkrecht zu v und der Verbindungslinie erzeugt (BiotSavart). Bei einem Winkel ϕ zwischen v und der Verbindungslinie wirkt auf Q − die Lorentz-Kraft F = QvB sin ϕ, im Ganzen wirkt ein Drehmoment T = QvBd sin ϕ cos ϕ = 12 µ0 Q 2 v2 d −1 sin(2ϕ) = 8π 2 ε0 v2 c−2 U 2 d .
Bei U = 106 V, d = 0,1 m würde T ≈ 10−8 Nm, was gut messbar wäre. Ganz allgemein würde folgen T = Wv2 /c2 , wo W die Feldenergie im
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Kondensator ist. In Wirklichkeit tritt natürlich im Laborsystem keinerlei Drehmoment auf, denn hier gelten die Maxwell-Gleichungen ebenso gut wie in jedem anderen Inertialsystem, und hier tritt kein Strom auf. Ein Beobachter, der sich relativ zur Erde bewegt, sollte zunächst annehmen, dass sich der Kondensator dreht, aber eine genauere Betrachtung unter Einbeziehung der mechanischen Spannungen (relativistischer EnergieImpuls-Tensor) zeigt, dass eine solche Spannung die Lorentz-Kräfte genau kompensiert. Der negative Ausgang des Trouton-Noble-Versuchs war neben dem des Michelson-Versuchs eine der wichtigsten Bestätigungen der speziellen Relativitätstheorie. 18.3.5 Bewegte Kugel Die Transformation des E-Feldes liefert für die Komponenten parallel = E / 1 − v2 /c2 . E ist größer bzw. senkrecht zu v: E = E , aber E ⊥ ⊥ ⊥ geworden. Die Niveauflächen des Feldes sind keine Kugeln mehr, sondern in Fahrtrichtung um den Faktor 1 − v2 /c2 abgeplattete Ellipsoide. Da die Kugel um eben diesen Faktor Lorentz-kontrahiert erscheint, steht das Feld nach wie vor senkrecht auf ihrer Oberfläche. Das muss auch so sein, denn an der Homogenität der Raumladungändert sich nichts, allerdings ist die Ladungsdichte jetzt größer: = / 1 − v2 /c2 . 18.3.6 Relativistisches Kraftwerk Über der Schiene herrsche das Feld B. Elektronen im Draht, der die Schleifkontakte verbindet, erfahren eine Lorentz-Kraft evB, die einem Feld E = vB, einer Spannung U = vBd äquivalent ist (d: Dicke der Schiene). Bei v = 100 m/s, B = 1 Tesla, d = 10 cm würde U = 10 V, im Erdfeld allerdings nur etwa 1 mV. Bei bewegter Schiene ist wegen B˙ = 0 allerdings zunächst kein E-Feld zu erwarten, wenn man nicht bedenkt, dass die Schiene eine Querpolarisation annehmen muss: Die bewegten Leitungselektronen in ihr werden durch F = evB seitwärts gedrückt, bis sich ein Querfeld E = vB aufgebaut hat, das zum gleichen Ergebnis führt wie oben. Der Rotor der Unipolarmaschine entspricht etwa den obigen Zahlenwerten. Der Strom, den er erzeugt, hängt im Wesentlichen vom Leitungswiderstand ab. Man kann sagen, Hunderte von Ampere werden hier rein relativistisch erzeugt. 18.3.7 Bewegte Leiter laden sich auf Der Strom beruht darauf, dass Elektronen der Anzahldichte n mit einer mittleren Driftgeschwindigkeit u durch den Draht wandern: j = −nue. Die entsprechenden Ionen sind im Draht fixiert. Ein Beobachter B fliege mit v in Richtung des Elektronenstromes. Für ihn ist die Ionendichte um den Faktor 1/ 1 − v2 /c2 höher, weil die Gitterkonstante des Drahtes Lorentzkontrahiert ist: n = n/ 1 − v2 /c2 . Für die Elektronen,die nur mit v − u relativ zu B fliegen, ist dieser Faktor kleiner: n el = n/ 1 − (v − u)2 /c2 . B sieht demnach den Draht positiv aufgeladen. Dies wird auch rein geometrisch sehr anschaulich, wenn man die Weltlinien der Ionen (vertikal) und der Elektronen (leicht nach rechts gekippt) ins Bezugssystem des Drahtes einzeichnet. Die Elektronenlinien schneiden B’s nach links gekippte Jetzt-
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Achse in größeren Abständen als die Ionenlinien. Bei u v, was praktisch immer zutrifft, ist n el = n (1 − uv/c2 ) (Entwicklung der Wurzel). Also sieht B eine Ladungsdichte = en uv/c2 = jv/(c2 1 − v2 /c2 ). Formal transformiert sich die Stromdichte als Vierervektor ji = ( jx , j y , jz , ic ) so, dass aus ji = ( jx , 0, 0, 0) beim Übergang zu B’s System ji = ( jx / 1 − v2 /c2 , 0, 0, iv jx /(c 1 − v2 /c2 )) wird, d. h. dass aus der 2 Stromdichte jx eine Ladungsdichte = v jx /(c 1 − v2 /c2 ) herauswächst. 18.3.8 Tscherenkow-Strahlung Wir zeigen, dass ein geladenes Teilchen aus Energie-Impulsgründen nur dann Photonen emittieren kann, wenn es schneller ist als die Phasengeschwindigkeit des Lichts, was offenbar eine Brechzahl n > 1 voraussetzt. Außerdem zeigen wir, dass Photonen gegebener Wellenlänge nur unter einem ganz bestimmten Winkel ϑ gegen die Bahnrichtung des Teilchens emittiert werden können. Dazu schreiben wir den relativistischen Energieund Impulssatz vor und nach der Emission eines Photons mit ω und k: pc2 Energie: E = c m 20 c2 + p2 = = E + hω v = c m 20 c2 + p2 + hω Impuls:
p = p + hk vor der Emission nach der Emission .
Wir bilden E 2 = (E − hω)2 = p2 c4 /v2 + h 2 ω2 − 2 pc2 hω/v = c2 (m 20 c2 + p2 ) und setzen ein p2 = p · p = p2 + h 2 k2 − 2 phk cos ϑ (hier ist ϑ der Emissionswinkel, der Winkel zwischen k und p). Wir erhalten E 2 = p2 c4 /v2 + h 2 ω2 − 2 pc2 hω/v = m 20 c4 + p2 c2 + h 2 k2 c2 − 2 phkc2 cos ϑ . Das erste Glied in der linken Summe und die beiden ersten in der rechten stellen E 2 dar, heben sich also weg. Es bleibt h 2 ω2 − 2 pc2 hω/v = h 2 k2 c2 − 2 phkc2 cos ϑ . Die Phasengeschwindigkeit des Lichtes ist ω/k = c/n. Auflösung nach cos ϑ führt also auf cos ϑ = c/(nv) + h · k(1 − n −2 )/(2 p). Nur bei n > 1 hat diese Gleichung überhaupt eine Lösung ϑ, außerdem bei n = 1 und einem Teilchen, das exakt mit v = c flöge. Langwellige Photonen (k p/h) werden unter cos ϑ = c/(nv), also senkrecht zum klassischen Mach-Kegel emittiert; für kurzwellige wird cos ϑ etwas größer, also die
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Emissionsrichtung leicht nach vorn gedreht. Dieser relativistische Effekt rührt daher, dass kurzwellige Photonen bei der Emission die Flugbahn des Teilchens etwas knicken. Aus rein kinematischen Gründen kann eine Welle, die sich mit c/n ausbreitet, das Gebiet außerhalb des Mach-Kegels, der das Teilchen begleitet, nicht erreichen. Es ist kein Wunder, dass die Photonen nicht dorthin gelangen, aber sich senkrecht zum Mantel dieses Kegels bewegen, ebenso wie die Schallwellen auf dem Mantel des MachKegels eines Überschallflugzeuges. Aufgabe 7.6.16 behandelt den Effekt angenähert elektrodynamisch und liefert auch die Lichtintensität und die entsprechende Bremsung des schnellen Teilchens. 18.4.1 Äquivalenzprinzip Diese Beobachtungen werden in den Abschn. 1.8 und 18.1.1 und besonders in Abschn. 18.4.1 sowie den Aufgaben 1.8.5 und 1.8.6 diskutiert. Denken Sie sie aber bitte nochmals selbständig durch. 18.4.2 Zwillingsparadoxon Der Rahmen der speziellen Relativitätstheorie, die sich nur mit Inertialsystemen befasst, ist hier durchbrochen, denn um zur Erde zurückzukommen, muss Moritz’ Schiff beschleunigt werden, ganz abgesehen von Start und Landung. Wenn Moritz seinen Standpunkt, er sei immer in Ruhe gewesen, konsequent verfechten will, muss er die bei dieser Beschleunigung auftretenden Kräfte auf ein Schwerefeld zurückführen. Dieses Feld ist allem Anschein nach homogen, da alle antriebslosen Körper einschließlich der Erde sich während dieser Zeit auf Moritz zu beschleunigen. Max ist also, in Anbetracht des riesigen Abstandes, auf einem sehr viel höheren Schwerepotential als Moritz, seine Uhren einschließlich seiner Lebensuhr laufen schneller ab, und zwar so viel schneller, dass Max genau das Doppelte der Jahre, die er während seiner Reise infolge Zeitdilatation gewonnen hatte, wieder verliert. Auch Moritz findet also, dass Max am Schluss älter ist als er selbst. Quantitativ: Moritz fliege eine Zeit t mit v, dann erfolge Bremsung und Gegenbeschleunigung a während der Zeit τ = 2v/a, wobei zur Erleichterung der Rechnung τ t sei. Nach der Rückkehr ist Moritz um 2t( 1 − v2 /c2 − 1) ≈ tv2 /c2 jünger. Soweit Max’ Darstellung. Moritz sagt: Max hätte ebenso viele Jahre gewonnen wie eben berechnet, aber dann hätte er während τ = 2v/a in einem Schwerefeld a gesessen, das in dem Abstand vt, wo Max ist, ein um ϕ = avt höheres Potential hatte. Daher sind seine Uhren um den Faktor 1 + ϕ/c2 = 1 + avt/c2 schneller gegangen, was Max wieder (avt/c2 )2v/a = 2tv2 /c2 Jahre gekostet hat, doppelt so viele wie er vorher gewonnen hatte. 18.4.3 Drehscheibe Die Scheibendrehung sei so schnell, dass Coriolis-Kräfte immer klein gegen Fliehkräfte sind. Das gilt für Geschwindigkeiten relativ zur Scheibe, die klein gegen ωr sind. Der Hubschrauberpilot (H) wird geltend machen, die zum Achsabstand proportionale Beschleunigung a stamme von der Drehung, und wird sie als a = ω2r deuten. Der Scheibenbewohner (S) sagt, es handele sich um eine der Abwechslung halber abstoßende Schwer-
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kraft a = kr. S stellt eine Uhr U im Abstand r vom Zentrum Z auf und beobachtet, dass sie um den Faktor 1 − ω2r 2 /c2 langsamer geht als eine identische Uhr U, die in Z steht. Das folgt z. B. durch Zwischenschalten der Beobachtungen von H, der auch im Abstand r von der Achse fliegt, aber seiner (H’s) Meinung nach ruht, also für S mit v = ωr fliegt. H’s Uhr U geht daher für S um den Faktor 1 − ω2r 2 /c2 gegen U nach. Andererseits stellt H fest, dass die Uhr U , weil sie sich mit v = ωr gegen ihn bewegt, langsamer geht als seine eigene Uhr U , und zwar um den gleichen Faktor. S, der diese Tatsachen direkt beobachten kann, erhält insgesamt eine Verzögerung um 1 − ω2r 2 /c2 von U gegen U. Er kann das nicht durch eine Relativbewegung zwischen U und U erklären, sondern wird sagen: ,,Der Schwerebeschleunigung a = kr (= ω2r), die ich beobachte, entspricht ein Potential ϕ = − 12 ω2r 2 , innen höher als außen. Wenn eine Uhr in einem Potential ist, das um ϕ höher liegt als am Beobachtungsort, geht sie um den Faktor 1 + 2ϕ/c2 schneller (für U ist ϕ < 0, also geht U langsamer)“. Ein Atom bei r, dessen Emissionsfrequenz als U benutzt wird, verhält sich, von Z aus betrachtet, auch so: S und H sind sich einig, dass die Photonen um ∆ϕ = 12 ω2r 2 ,,bergauf“ müssen, also nur mit ν = ν(1 − 12 ω2r 2 /c2 ) ankommen (Rotverschiebung). – S hat die Peripherie des r-Kreises durch Striche mit 1 m Abstand eingeteilt (Anlegen eines mitgebrachten Meterstabes). Jetzt ist S wieder in Z. H schwebt über dem Kreis und stellt Lorentz-Verkürzung des Strichabstandes um den Faktor 1 − ω2r 2 /c2 fest. S, der den Vergleich von der Seite aus, also ohne zusätzliche Rückdatierung beobachtet, muss ihm recht geben. Da H für S mit v = ωr fliegt, erscheint H’s Maßstab für S bereits verkürzt. Von Z aus sind also die Strichabstände sogar um 1 − ω2r 2 /c2 verkürzt, was S wieder als Folge des Potentials betrachet, also 1 + 2ϕ/c2 schreibt. – Lichtstrahlen krümmen sich, von der Scheibe aus gesehen, von Z weg. H sagt: Das scheint nur so, weil sich die Scheibe darunter wegdreht. S sagt: Das Schwerefeld drückt auch das Licht nach draußen. Der Krümmungsradius der Lichtstrahlen ist R ≈ c/ω, denn in der Zeit dt, in der das Licht ds = c dt zurücklegt, dreht sich die Scheibe (oder die Lichtrichtung relativ zur Scheibe) um dα = ω dt = ω ds/c, und ds/dα ist der Krümmungsradius. – Der Umfang des Kreises mit dem Radius r, der nach Ausweis der auf ihm eingetragenen Meterstriche die Länge 2πr hat, ist von Z aus gesehen nur 2πr(1 − ω2r 2 /c2 ) lang. Von Z aus erscheint die Scheibe gewölbt, und zwar wieder mit dem Krümmungsradius R ≈ c/ω. Auf einer Kugel mit dem Radius R hat ein Kreis mit dem längs der Oberfläche gemessenen Radius r nur den Umfang 2πR sin(r/R) ≈ 2πr(1 − r 2 /(6R2 )). Größere Abstände als R dürften für S auf der Scheibe nicht existieren. Dem Abstand R entspricht ein Potential ϕ ≈ ω2 k2 ≈ c2 . In der üblichen Ausdrucksweise (ϕ = G M/R) ist dies die Schließungsbedingung des Schwarzen Loches. 18.4.4 Lichtablenkung Im Beschleunigungs- oder homogenen Schwerefeld muss n unten größer sein; wegen k = dn/(n d y) folgt n = 1 − gy/c2 = 1 − ϕ/c2 . Auf der Drehscheibe muss n außen größer sein, denn das Licht krümmt sich nach außen weg (oder die Scheibe dreht sich unter ihm weg). Es
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folgt n = 1 + ω2 r 2 /c2 = 1 − ϕ/c2 . Im Schwerefeld der Kugelmasse ist n innen größer, denn das Licht krümmt sich auf die Masse zu. Aus dn/(n dr) = 2g/c2 = 2G M/(r 2 c2 ) folgt angenähert n ≈ 1 − 2ϕ/c2 . Ein solches Feld konzentriert Licht- oder Gravitationswellen, ohne sie allerdings auf einen Punkt zu fokussieren, wie jede Zeichnung der Bahnen (≈ Hyperbeln) für verschiedene ,,Stoßparameter“ zeigt. 18.4.5 Die fernsten Objekte? Das Gravitationspotential müsste nahezu c2 sein. Bei M ≈ 10M folgt R ≈ 30 km. Der Stern wäre also fast 109 -mal, d. h. 22 Größenklassen weniger hell als die Sonne. Er müsste uns wesentlich näher sein als α Centauri. Verzehnfachen der Masse verzehnfacht auch Radius und geschätzten Abstand. Die Quasars würden dann aber immer noch eine größere mittlere Dichte der Galaxis liefern als die bekannten Sterne, deren Dichte gerade mit der beobachteten Rotation der Galaxis zusammenpasst. 18.4.6 Laplaces Schwarzes Loch Mit Huygens’ Wellenvorstellung wusste man nicht viel anzufangen, bis Young und Fresnel sie um 1810 wiederbelebten. Ausgehend von Newtons Bild der mit c fliegenden Lichtteilchen war es für Laplace ganz natürlich, die von Newton selbst eingeleiteten Überlegungen über das Entweichen aus dem Schwerefeld von Himmelskörpern bis zu einer Fluchtgeschwindigkeit c zu extrapolieren. Es folgt zwangsläufig die Bedingung 12 c2 = G M/R = 43 πG R2 , also für = 5 g/cm3 : R = 1,8 · 108 km ≈ 250 Sonnenradien. Welchen Einfluss die Gravitation auf die Ausbreitung einer Welle haben sollte, wäre mangels genauerer Kenntnis über diesen Wellenvorgang nicht zu entscheiden gewesen. Bei ≈ 1015 g/cm3 (Kerndichte) folgt R ≈ 10 km, also etwas mehr als Sonnenmasse. Ein Schwarzes Loch mit R ≈ 10−13 cm hätte M ≈ 1012 kg, ≈ 1030 g/cm3 (Aufgabe 18.4.10). Bei R ≈ 1010 Lichtjahre ≈ 1026 m müsste M ≈ 1053 kg, ≈ 10−30 g/cm3 sein (Einstein-Weltall). Dies kommt der direkt beobachteten mittleren Dichte im Weltall ziemlich nahe. 18.4.7 Olbers-Paradoxon Wenn das Weltall unendlich groß und im Mittel in konstanter Dichte mit Sternen besetzt wäre, müsste jeder von uns gezogene Sehstrahl schließlich auf eine Lichtscheibe treffen. Die Flächenhelligkeit eines Strahlers hängt aber nicht vom Abstand ab (scheinbare Fläche ∼ a−2 ∼ Gesamthelligkeit). Wenn alle Sterne im Mittel sonnenähnlich sind, müsste also der Himmel bei Tag und Nacht die Flächenhelligkeit der Sonnenscheibe haben. Dieser ganze ,,Hohlraum“ einschließlich der Erde müsste etwa 6 000 K haben. Eine andere Überlegung führt zum gleichen Ergebnis: Die Sonne nimmt ≈ 10−5 der Gesamthimmelsfläche ein (π(0,5◦ )2 /(4π) ≈ 2 · 10−5 ). Im Olbers-Modell erhielte die Erde 105 -mal so viel Strahlung, hätte also nach Stefan-Boltzmann etwa 5 000 K. Hierbei ist berücksichtigt, dass sich die Sterne teilweise überdecken. Sie strahlen aber trotzdem. Wir betrachten eine sehr große Kugelschale zwischen r und r + dr (auch dr groß gegen den mittleren Sternabstand). Eine solche Kugelschale enthält eine
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Sternanzahl proportional r 2 . Ihr Beitrag zur Gesamtstrahlung oder zur Gravitation am Ort der Erde ist also unabhängig von r. Da es unendlich viele Schalen gibt, sind Strahlungsdichte, Temperatur, Gravitationspotential unendlich. Ausweg: Die Materie ist auf ein enges Teilgebiet beschränkt; die Materiedichte nimmt mit wachsender Entfernung von uns immer mehr ab. Beides widerspricht der Beobachtung und ist philosophisch unbefriedigend (Inhomogenität, Anthropozentrismus). Die Materie hat begrenztes Alter, speziell die strahlende; aus sehr entfernten Bereichen geht uns keine Strahlung zu, weil dort zu der Zeit, als das Licht hätte aufbrechen müssen, noch keine Materie oder wenigstens noch keine Sterne existierten (gleiche Einwände wie oben). Andere Auswege vgl. Aufgaben 18.4.8 und 18.4.9. 18.4.8 Olbers-Lösung? Nein. Streut man kalte absorbierende Materie zwischen die Sterne, dann reduziert sie zunächst den Bereich, aus dem wir Strahlung erhalten, auf r ≈ 1/κ (κ: Absorptionskoeffizient der interstellaren Materie). Sehr bald aber setzt sich diese Materie ins Strahlungsgleichgewicht mit den Sternen und strahlt uns, wenn auch indirekt, ebenso viel zu wie diese. 18.4.9 Charlier-Modell Mn , rn , n seien Masse, Radius und Dichte des Systems n. Ordnung, Rn der Abstand zwischen zwei nächstbenachbarten Systemen dieser Art. 3 , also Dann ist offenbar n = 3Mn /(4πrn3 ), aber auch n = Mn−1 /Rn−1 3 n+1 = Mn /Rn . Das Olbers-Paradoxon verschwindet, wenn die mittlere Dichte gegen Null geht, sofern die Systemordnung n gegen Unendlich geht. Das ist bestimmt der Fall, wenn n+1 / n a, wobei a beliebig, aber < 1. Wir verlangen also n+1 / n = 4πrn3 /(3Rn3 ) a < 1, d. h. rn /Rn (3a/(4π))1/3 . Dann konvergiert n mindestens so gut wie an . Die Welt hätte eine verschwindende mittlere Dichte, wenn man über einen hinreichend großen Bereich mittelt. Trotzdem wäre sie homogen in dem Sinn, dass keins der Systeme eine Vorzugsrolle hat. In der wirklichen Welt gibt es zwar ,,Clusters“ von Galaxien, aber über Systeme höherer Ordnung ist nicht viel bekannt. 18.4.10 Sind Schwarze Löcher wirklich schwarz? Nur Teilchen ohne Ruhmasse können auf so hinterlistige Weise aus dem Schwarzen Loch ausbrechen, denn selbst ein virtuelles Elektron käme nur 10−10 cm weit, bis die Unschärferelation ihren schützenden Mantel wegzieht und der Energiesatz einschreitet. Ein Photon mit p < h/R dagegen lässt sich nicht in ein Gebilde mit der Abmessung R = G M/c2 einsperren. Anders ausgedrückt: Bei E < hc/R erlaubt ihm die Unschärfe, weiter als R zu fliegen. Photonen mit E = hν = hc/R = hc3 /(G M) würden vorzugsweise von einem schwarzen Körper mit kT ≈ hc3 /(G M) emittiert. Wenn das Spektrum, wie es scheint, auch sonst schwarz ist, strahlt das Schwarze Loch im Ganzen P ≈ R2 k4 T 4 /(h 3 c2 ) ab. Sein Massenverlust ist M˙ = −P/c2 ≈ −hc4 /(G 2 M 2 ), integriert M = M0 (1 − t/τ)1/3 , was bei t = τ = G 2 M03 /(hc4 ) brüsk zu Ende ist. Für M0 = 1016 g folgt τ = 1010 Jahre. In der letzten Millisekunde wer-
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den noch M0 (1 ms/τ)1/3 = 1011 g, d. h. 1025 J umgesetzt, so viel wie von 108 Megatonnen TNT. M0 = 1016 g entspricht R ≈ 10−13 cm, d. h. der Elementarlänge. Ist es Zufall oder nicht, dass gerade in unserem Weltalter Schwarze Löcher von diesem typischen Radius zum Verpuffen dran sind? Handelt es sich um eine neue Verletzung (außer dem Urknall, wenn es ihn gab) des kosmologischen Postulats, nach dem unsere Zeit nichts Besonderes an sich haben dürfte? Wenn Sie nachrechnen, finden Sie hier eine neue Ausdrucksform der Eddington-Dirac-,,Wunderzahl“ (Aufgabe 17.4.4). 18.4.11 Einstein kontra Bohr Bohr sagte ungefähr: Die Strahlungsmenge E wird nicht momentan aus dem Verschluss austreten, denn dazu müsste entweder die Strahlungsdichte oder ihre Geschwindigkeit unendlich groß sein. Der Austritt erfolgt auch nicht ganz gleichmäßig, denn es gibt ja Photonen. Es geht also darum, den ganzen Verlauf des Austritts zeitlich exakt zu verfolgen. Ist das mit der Waage möglich? Sowie das erste Licht austritt, wird der Kasten leichter, die Waage setzt sich in Bewegung. Zwischen ihrer alten und neuen Ruhestellung liege eine Höhendifferenz y, der Einstellvorgang dauere eine Zeit t. Waagschale und Kasten haben eine mittlere Geschwindigkeit y/t, einen Impuls m y/t. Da wir nicht wissen, wann während dieser Zeit die Strahlung E austritt (das wollen wir ja gerade erst feststellen), besteht in der Masse eine Unsicherheit ∆m = E/c2 , im Impuls eine Unsicherheit ∆ p = ∆m y/t = E y/(c2 t). Diese Unschärfe im Vertikalimpuls zieht nach einem Prinzip, das Einstein vorläufig nicht direkt angreift, eine Unschärfe in der Höhenlage des Kastens von ∆y = h/∆ p = hc2 t/(E y) nach sich. Man weiß also nicht immer haargenau, unter welchem Gravitationspotential ϕ er sich befindet. Die Unschärfe ist ∆ϕ = g∆y = ghc2 t/(E y). Die Ganggeschwindigkeit einer Uhr im Kasten – auf diese Uhr kommt es hier an, bzw. auf ihre korrekte Umrechnung in die Zeit des Laborsystems – hängt aber von ϕ ab: Von der im Laborsystem weicht diese Ganggeschwindigkeit um den Faktor 1 − ϕ/c2 ab. Dieser Faktor ist um ∆ϕ/c2 = gth/(E y) unsicher. Innerhalb der Gesamtzeit t kann er eine Unsicherheit in der Beziehung zwischen Kastenzeit und Laborzeit von ∆t = t∆ϕ/c2 = gt 2 h/(E y) bringen. Nun ist aber y gt 2 , denn selbst wenn die andere Waagschale, die nach Entlastung des Kastens Übergewicht hat, frei fiele, würde sie in der Zeit t sich nur um y = 12 gt 2 verschieben. Damit haben wir die Unschärferelation ∆t h/E. Wenn ein Vorgang den Energieumsatz W hat, lässt sich sein Eintreten auch in diesem Gedankenexperiment nur bis auf den Fehler ∆t h/E festlegen. – Einstein musste zugeben, dass man die E, t-Relation nicht zu Fall bringen kann, ohne auch die p, x-Relation zu widerlegen, sondern dass beide zusammenhängen, was vom relativistischen Standpunkt auch selbstverständlich ist. 18.4.12 Doppelstern Ein Punkt auf der Drehachse im Abstand z d von der Drehebene hat ein Potential ϕ = 2G M/ z 2 + d 2 ≈ 2G Mz −1 (1 − d 2 /(2z 2 ))
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(wir nennen der Bequemlichkeit halber den Abstand der Sterne 2d). Vergleich mit (18.40) liefert ein Quadrupolmoment Q = 2Md 2 . Kräftegleichgewicht auf der Bahn verlangt ω2 d = G M/(4d 2 ), also ω2 = G M/(4d 3 ) (3. Kepler-Gesetz). Die Strahlungsleistung P ≈ G Q 2 ω6 /c5 = G 4 M 5 /(16c5 d 5 ) steigt also sehr schnell, wenn d abnimmt. Zwei Pulsars oder Schwarze Löcher, die sich in wenigen Dutzend km Abstand umkreisen, könnten 1040 W oder mehr abstrahlen. Ihre ganze Masse wäre dann allerdings in 1 Jahr oder weniger gravitativ zerstrahlt. Ein normaler Doppelstern mit d ≈ Erdbahnradius strahlt dagegen nur etwa 1010 W und wäre zurzeit in keinem Fall als Quelle von Gravitationswellen nachweisbar. 18.4.13 Gravitationswellen-Antenne Da ein Doppel-Pulsar mit 10–100 km Sternabstand nur sehr kurzlebig wäre, kann man kaum erwarten, näher als 1 000–10 000 Lichtjahre einen zu finden. Seine Strahlungsleistung von 1040 W ergäbe dann 0,1–10 W/m2 Intensität bei uns. Die Periode der Strahlung, d. h. die Periode der Rotation des Doppelsterns, wäre mindestens einige ms, die Wellenlänge λ = cT mindestens einige tausend km. Webers Zylinder (l ≈ 1 m) kann also höchstens l 2 /λ2 ≈ 10−12 der Leistung einfangen, d. h. 10−13 –10−11 W (die Länge l fängt höchstens einen Bruchteil l/λ der Amplitude ein, die Intensität geht wie das Quadrat der Amplitude). Die Schallgeschwindigkeit in Aluminium ist 5 100 m/s, die Grundschwingung (λ = 2l) hat ω ≈ 104 s−1 . Annähernd so breit ist der durchgelassene Frequenzbereich, also ist die Nyquist-Rauschleistung kT ∆ω annähernd 10−16 W. Das Signal-RauschVerhältnis wird besser, wenn man kühlt und einen Empfänger mit engerer Resonanz, also schwächerer Dämpfung benutzt. 18.4.14 Doppelpulsar Die Schwankung der Pulsperiode beruht auf einem Doppler-Effekt: Umlaufgeschwindigkeit v ≈ 5 · 10−4 c = 1,5 · 105 m/s, Umlaufperiode 28 000 s, Bahnradius r ≈ 7 · 108 m (in Wirklichkeit stark exzentrische Bahnen). Das 3. Kepler-Gesetz und E = −G M/(2r), logarithmisch ˙ differenziert, geben 2T˙ /T = −3˙r /r = 3 E/E ≈ 10−16 s−1 , also mit 30 M = 3 · 10 kg (Grenzmasse zwischen weißem Zwerg und Pulsar, aus Rotverschiebung u. A. gemessen): E ≈ −4 · 1041 J, E˙ ≈ 2 · 1025 W (fast 1/10 der gesamten Sonnenstrahlung). Nach P ≈ G 4 M 5 /(c5r 5 ) (Abschn. 18.4.3) führen die Gravitationswellen etwa 2 · 1025 W ab. Mit den wirklichen Werten wird die Übereinstimmung perfekt und schließt alle Alternativen zu Einsteins Gravitationstheorie ziemlich sicher aus. 18.4.15 Tunguska-Meteorit Am 30.6.1908 steht in Kansk auf 56◦ N die Sonne um 7h 17 Ortszeit schon ziemlich hoch und zwar fast im Osten. Der Helligkeitsvergleich durch die Augenzeugen ist also direkt genug, um glaubhaft zu sein. Wenn ein 600 km entferntes Objekt so hell aussieht wie die 2,5 · 105 -mal fernere Sonne, ist seine Strahlungsleistung bei ähnlicher Spektralverteilung um den Faktor 1011 kleiner, also 3 · 1015 W. Der leuchtende Körper müsste einige km
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Durchmesser gehabt haben. Tatsächlich wird die Strahlung als bläulich geschildert, was den Durchmesser etwas reduziert, aber die Leistung erhöht. Die Dauer des Ereignisses wird als mehrere Sekunden angegeben, aber besonders bei hellen Lichterscheinungen überschätzt man die Dauer gewöhnlich. Ein Objekt mit kosmischer Geschwindigkeit von 10–100 km/s durchquert den dichten Teil der Atmosphäre auch bei schrägem Flug in 1 s oder wenig mehr. Die Gesamtenergie ergibt sich dann zu 1016 –1017 J, entsprechend einigen Megatonnen TNT (1,2 · 107 J/kg). Schätzungen aus der weltweit registrierten Erdbebenwelle führen auf ähnliche Werte. Eine U-Bombe dieser Sprengkraft hätte etwa 1 t, eine H-Bombe 100 kg (bei vollständiger Reaktion). Ein Stück Antimaterie brauchte nur 1 kg zu haben. 1 Bei der Dichte eines Steins brauchte ein solcher Anti-Meteorit nur 10 oder 1 100 der Atmosphärenmasse zu durchschlagen, um in seinem Flugkanal genügend Luftmoleküle zu seiner vollständigen Vernichtung einzufangen. In 20–40 km Höhe wäre er verpufft. Aus 600 km Abstand sieht man nur Dinge, die sich mindestens 30 km über dem Boden abspielen. Es ist also nicht auszuschließen, dass die Bahn dort endete. Wesentliche Mengen Sprengstücke wie bei einem normalen Meteoritenfall hat man auch nicht gefunden. Ein Schwarzes Loch der Masse m und der Geschwindigkeit v schluckt umgebende Materie so ein, dass diese zum Schluss c erreicht. Welchen Radius r hat der ausgelutschte Kanal? Während der Fallzeit, die wie beim üblichen Kepler-Problem r 3/2 (G/M)−1/2 ist, darf das Schwarze Loch nicht mehr als r weitergeflogen sein, also r ≈ G M/v2 . Bei r ≈ 1 cm wird in der ganzen Atmosphäre 1 kg aufgefressen, was die Lichterscheinung erklärt. Bei v ≈ 100 km/s ergibt das M ≈ 1018 g, knapp oberhalb der Zerstrahlungsgrenze (Aufgabe 18.4.10). Auf dem Weg durch den Erdkörper würden dagegen 107 kg verschluckt und 1024 J erzeugt, das Äquivalent von 1010 Megatonnen TNT oder dem Aufprall eines normalen Meteoriten von mehr als Ceres-Größe oder dem Mehrfachen der Bildungsenergie sämtlicher Gebirge. Am wahrscheinlichsten ist immer noch ein Kometenkopf von einigen 100 m Durchmesser, der seine kinetische Energie in Reibungshitze und Strahlung umsetzt und von dem nach dem ,,dirty snowball“-Modell nicht viel übrigbleibt. 18.4.16 n-Kugel Eine n-Kugel vom Radius R lässt sich aus Scheibchen aufbauen, deren Fläche das Volumen einer n − 1-Kugel vom Radius R sin β und deren Dicke −R d cos β = R sin β dβ ist(β = arc cos(x/R), x: Abstand der Scheibe π/2 vom Zentrum). Vn (R) = 2 0 Vn−1 (R sin β)R sin β dβ. Wir brauchen π/2 n In = 0 sin β dβ. Partielle Integration führt auf In = ((n − 1)/n)In−2 . n So wird, ausgehend von V1 = 2R, das Volumen Vn = 2n Rn Iν , die Oberfläche On = nVn /R, speziell V4 = 12 π 2 R4 , O4 = 2π 2 R3 .
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18.4.17 Urstrahlung Das isotrope Strahlungsfeld hat die Zustandsgleichung u = 3 p (vgl. Aufgabe 5.3.7). Die Gesamtenergie E = uV ändert sich adiabatisch
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gemäß d E = u dV + V du = − p dV . Einsetzen von p = u/3 liefert du/u = −4dV/(3V ) oder, integriert, u ∼ V −4/3 . Die Expansionsarbeit lässt u schneller abnehmen als einfach mit V −1 . Für die schwarze Strahlung ist u ∼ T 4 , also nimmt T bei der Expansion ab wie V −1/3 , d. h. wie der Radius−1 . Dass eine schwarze, also Gleichgewichtsstrahlung im Gleichgewicht bleibt, kann man daraus vermuten, dass die adiabatische Expansion keine Entropieänderung bringt. Viel anschaulicher: Der Doppler-Effekt verschiebt alle Frequenzen um den gleichen Faktor, ändert also die Form des Spektrums nicht. Eine 2,7 K-Strahlung hat u ≈ 4 · 10−6 J/m3 , also etwa die Gesamtintensität der Sonnenstrahlung in 104 Erdradien ≈ 0,02 Lichtjahren Abstand (r ∼ T −2 ). Ihr Emissionsmaximum liegt bei 1 mm. Das Planck-Spektrum der Sonne ist dort nach der Rayleigh-Jeans-Näherung ν12 /ν22 ≈ 4 · 106 -mal schwächer als im Emissionsmaximum der Sonne, unter Berücksichtigung der geometrischen Verdünnung um 2402 also 2 · 1011 -mal schwächer; das 2,7 K-Maximum ist T13 /T23 ≈ 1010 -mal schwächer. Wenn wir auf dem Merkur wohnten, hätten wir die 2,7 K-Strahlung wohl kaum gefunden. Die Abkühlung der Strahlung im expandierenden Weltall folgte verschiedenen Gesetzen, je nachdem, ob die Strahlung noch mit der Materie im Gleichgewicht stand (Photonenära), oder nicht mehr (Stellarära). Nur für die Stellarära mit ihrer konstanten Photonenzahl gilt die obige Betrachtung. In Aufgabe 18.4.19 wird diese Entwicklung genauer durchgerechnet. Ergebnis: Anfang der Photonenära nach t ≈ 10 s mit T ≈ 1010 K, während der Photonenära T ∼ R−3/4 ∼ t −1/2 , also 108 K nach etwa 1 Tag; Anfang der Stellarära nach t ≈ 104 Jahren mit T ≈ 5 · 104 K, danach T ∼ R−1 ∼ t −2/3 , wie oben abgeleitet, also heute t ≈ 2 · 1010 Jahre mit T ≈ 3 K. 18.4.18 Steady state Einer Lebensdauer T entspricht eine nichtunterschreitbare Energieunschärfe ∆E ≈ h/T oder eine Unschärfe in der Anzahl der Teilchen der Ruhmasse m vom Betrag ∆N ≈ h/(Tmc2 ). Für jedes Nukleonvolumen 43 πl03 könnte der Energiesatz also aus Unschärfegründen nicht ausschließen, dass darin innerhalb der Zeit T ein Nukleon neu entstanden ist. Wenn hier wie in der Theorie der Wechselwirkungen alles erlaubt ist, was nicht verboten ist, wäre eine Neuentstehungsrate n˙ Nukleonen s−1 m−3 möglich, die sich als n˙ = ∆N/(Tl03 ) = 3h/(mc2 T 2 l03 4π) ergibt. Bei gleichmäßiger Expansion wächst jeder Abstand gemäß r˙ /r = 1/T , jedes Volumen wie V˙ /V = 3˙r /r = 3/T , die Dichte würde ohne Teilchenerzeugung abnehmen wie n/n ˙ = −3/T oder n˙ = −3n/T . Mit Teilchenerzeugung folgt n˙ = a − 3n/T . Die Lösung n = n 0 e−3t/T + n st (1 − e−3t/T ) strebt mit der Zeitkonstante T/3 exponentiell der stationären Dichte n st = aT/3 = h/(4πl03 Tmc2 ) zu. Mit dem Weltradius R = cT folgt eine Gesamtteilchenzahl N ≈ 2π 2 n R3 ≈ πh R2 /(mcl03 ) (der geschlossene sphärische Raum, also die Oberfläche der vierdimensionalen ,,Kugel“, hat das Volumen 2π 2 R3 , Aufgabe 18.4.16). Da der Radius des Nukleons fast gleich seiner Compton-Wellenlänge ist: l0 ≈ h/(mc), ergibt sich einfach N ≈ R2 /(8πl02 ). Das ist die geheimnisvolle Eddington-DiracBeziehung, die Eddington selbst auf ganz andere, nicht sehr überzeugende
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Weise abzuleiten versucht hat, obwohl er immer betonte, wie fundamental die Raumexpansion sei, die bei uns als direkte Ursache der Teilchenerzeugung und des stationären N-Werts erscheint. Deuten wir den Weltradius anders, als Radius des ,,schwarzen Loches“ Universum, dann folgt R = G Nm/c2 . Vergleich mit der obigen Beziehung für N liefert dann Werte für N, R und T (die reziproke Hubble-Konstante), ausgedrückt durch die Naturkonstanten, nämlich R ≈ 8πh 2 /(Gm 3 ) ≈ 1025 m, N ≈ 8πh 2 c2 /(G 2 m 4 ) ≈ 1079 , T ≈ 109 Jahre, und eine mittlere Dichte ≈ 10−25 kg/m3 , die mit den Beobachtungen ganz gut übereinstimmen. Unser Modell rettet also das erweiterte kosmologische Prinzip, nach dem die Welt überall und immer im Wesentlichen gleich beschaffen ist und war, vermeidet den Urknall, deutet den Hubble-Effekt, leitet Größe und Masse des Weltalls aus den Naturkonstanten ab, erklärt die Eddington-DiracBeziehung – alles aus der einen Annahme, dass der Raum expandiert, was de Sitter, Lemaître und Friedmann allein aus den einsteinschen Gravitationsgleichungen ableiten. Dazu brauchen wir nur eine eigenwillige Lesart der Unschärferelation. 18.4.19 Geschichte des Universums Die Friedmann-Gleichung 12 R˙ 2 − √ G M/R = η liefert mit einer Energiedichte η ≈ 0 die Lösung R3/2 = 3 G M/2 t. Das entspricht einer Näherung der Zykloidenlösung (Abschn. 18.4.5 und 1.5.9e) für kleine Zeiten. Von dem Zeitpunkt an, wo die Masse M überwiegend als Materie vorlag und diese nicht mehr neu erzeugt wurde, nahm ihre Dichte also ab wie = M/(2π 2 R3 ) = (9π 2 Gt 2 )−1 . Während der Photonenära stand die Strahlung mit der Materie in ständiger Wechselwirkung. Beide hatten ungefähr die gleiche Energiedichte. Nach Stefan-Boltzmann ist die Energiedichte der Strahlung ∼ T 4 . Es folgt T ∼ R−3/4 ∼ t −1/2 . Das Ende der Hadronenära ist charakterisiert durch Kerndichte K ≈ 1017 kg m−3 und TK ≈ 1013 K mit kTK ≈ 1 GeV. Die Photonenära begann demnach bei T0 ≈ 1010 K (kT0 ≈ 1 MeV), t0 ≈ 10 s mit 0 ≈ 105 kg m−3 , R0 ≈ 1011 m. Sie endete, als die freie Weglänge l = 1/(σn) des Photons gleich dem Weltradius R wurde. Hierbei ist n die Teilchenzahldichte der Nukleonen, als Absorptionsquerschnitt σ setzen wir den Thomson-Querschnitt, der ungefähr gleich dem geometrischen Querschnitt des Nukleons ist. Unsere Bedingung wird l = R ≈ R3 /10−32 m2 · 1080 , also Rs ≈ 1024 m, was zutraf bei ts ≈ 104 Jahre und Ts ≈ 5 · 104 K, s ≈ 10−15 kg m−3 . Seitdem ist die Anzahl der Photonen im Weltall konstant, denn sie treffen praktisch niemals mehr auf Materie (hier ist natürlich nicht die Rede von den durch Sterne emittierten Photonen, sondern von den ,,primordialen“ kosmischen Photonen). Sie werden nur immer röter, d. h. langwelliger, was man als Doppler-Effekt infolge der Expansion auffassen kann. Man kann aber auch thermodynamisch rechnen (Aufgabe 18.4.17): T nimmt ab wie R−1 und t −3/2 (schneller als während der Photonenära, wo T ∼ t −1/2 war; damals wurde die Expansionsarbeit sofort wieder durch Wechselwirkung mit der Materie ersetzt). Das jetzige Weltalter ist etwas mehr als 106 -mal später als das Ende der Photonenära. So erhält man für die jetzige Strahlungstemperatur den richtigen Wert von einigen K. Deswegen fasst man die
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Penzias-Wilson-Strahlung als verdünnte Urstrahlung und als beste Bestätigung der Urknalltheorie auf. Alpher, Bethe und Gamow hatten sie am 1. April 1948 vorausgesagt (die Zusammenstellung der Autoren und das Erscheinungsdatum stammen natürlich vom Witzbold George Gamow). 18.4.20 Primordiales Helium Der Massenunterschied von 0,78 MeV/c2 entspricht kT mit T ≈ 1010 K, was laut Aufgabe 18.4.19 nach etwa 1 s erreicht war. Von da ab nahm die Häufigkeit der Neutronenvernichtungen entsprechend der Neutrinodichte mit t −2 ab: n˙ n = −Acn ν n n = −Acn n /(9π 2 mGt 2 ), also ln n n /n n 0 = −Ac/(9π 2 mGt0 ); die Endzeit spielt keine Rolle. Mit A ≈ 10−44 m2 folgt etwa das Richtige (für hohe Energie). Wäre A nur wenig größer, gäbe es keine Neutronen, also nur Wasserstoff, bestimmt kein Leben, wäre A kleiner, gäbe es fast nur Helium, keine normale Fusion in Sternen, vermutlich auch kein Leben. Sind die Naturkonstanten so fein abgestimmt, damit es uns gibt, oder gibt es viele Universen, und wir bewohnen nur das bewohnbare (anthropisches Prinzip)? 18.4.21 Periheldrehung I Statt r schreiben wir überall r − R (in der verlangten Näherung stimmt das, wenn auch nicht völlig allgemein). Der Flächensatz liefert ϕ˙ = L/(m(r − R)2 ), der Energiesatz 2E 2G M L2 . + − 2 m r − R m (r − R)2 Wir eliminieren dt durch Division beider Gleichungen und vernachlässigen höhere Potenzen des kleinen Abstandes R: 2m E 2G Mm 2 2 (r − R)3 − (r − R)2 r = 2 (r − R)4 + L L2 2G Mm 2 8mW 2m E 6G Mm 2 R 2 3 = 2 r4 + − R r − 1 − r . L L2 L2 L2 Mit z = 1/r wird 6G Mm 2 R 2m E 2G Mm 2 2 1 − . − z z 2 = 2 + z L L2 L2 Die Ellipsengleichung muss durch einen Faktor ν unter dem cos modifiziert werden: z = (1 + ε cos(νϕ))/ p, also r˙ 2 =
ε2 ν2 (ε2 − 1) 2 2ν2 2 (1 − cos (νϕ)) = ν + z − ν2 z 2 . p p2 p2 Der Vergleich liefert z 2 =
6G Mm 2 R ≈1, L2 2 G Mm 2 G Mm 2 2 ⇒ L = = , p p L2 1 (1 − ε2 )G M GM ε2 − 1 2m E = ⇒ E = − =− 2 p 2a p2 L2 ν2 = 1 −
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wie bei Newton, für ν folgt ν ≈ 1−
3G Mm 2 R 3R = 1− . p L2
r erreicht nicht nach der Periode 2π, sondern erst nach 2π/ν = 2π + 6πG M/( pc2 ) wieder den gleichen Wert. Das Perihel verschiebt sich bei jedem Umlauf um 6πG M/( pc2 ) = 6πv2 /c2 . Leverrier, der gleichzeitig mit Adams den Neptun mit dem Rechenstift entdeckte, führte die Merkurpräzession auf einen noch sonnennäheren Planeten, den Vulkan zurück. So unrecht hatte er nicht: Es gibt Masse außer der Sonne innerhalb der Merkurbahn und auch außerhalb davon. Gemeint ist nicht die interplanetare Materie (sie ist viel dünner), sondern die Tatsache, dass im Schwerefeld wie in jedem Feld eine Energiedichte, also auch eine Massendichte steckt. 18.4.22 Feldmasse Die Grundgleichung der Feldwirkung heißt im elektrischen Feld F = Q E, im Schwerefeld F = mg (hier ist g allgemein als Schwerebeschleunigung verstanden, nicht beschränkt Die Felderzeugung auf die Erdoberfläche). wird beschrieben durch ◦ E · d A = Q/ε0 bzw. ◦ g · d A = 4πG M. Wie man sieht, spielt g die Rolle der Feldstärke E, und 1/(4πG) entspricht ε0 . Die Energiedichte des E-Feldes ist 12 ε0 E 2 (Abschn. 6.2.4), die des Schwerefeldes ist wg = g2 /(8πG). Dem entspricht die Massendichte g = w/c2 = g2 /(8πGc2 ). In Erdnähe ist g = 6,4 · 10−7 kg m−3 . Schon in etwa 150 km Höhe ist die Atmosphäre weniger dicht als das Schwerefeld. Am Sonnenrand ist g 30-mal höher als bei uns, das Schwerefeld der Sonne ist mit g = 6 · 10−4 kg m−3 viel dichter als Corona und interplanetares Gas (Coronadichte am Sonnenrand 10−12 kg m−3 ). Ein Stern der Masse M hat im Abstand r die Feldstärke g = G M/r 2 , also die Feldmassendichte g = G M 2 /(8πr 4 c2 ). Zwischen dem Sternradius R und r dem Abstand r sitzt die Feldmasse R g 4πr 2 dr = 12 G M 2 c−2 (1/R − 1/r), im Ganzen (bis r = ∞) m g = 12 G M 2 /(c2 R). Dies ist gleich der ganzen Sternmasse, wenn G M/R = 2c2 . Bis auf den Faktor 2 ist dies die Schwarzschild-Bedingung: Ein schwarzes Loch besteht eigentlich nur aus Feldmasse. 18.4.23 Periheldrehung II Nach Aufgabe 18.4.22 erzeugt die Sonne kein reines r −1 -Potential, denn einschließlich der im Feld steckenden Masse sitzt innerhalb des Radius r die Masse M − 12 G M 2 c−2 /r (den konstanten Anteil 12 G M 2 c−2 /R haben wir zu M mit dazugeschlagen; die Feldmasse außerhalb r erzeugt wegen ihrer Kugelsymmetrie in ihrem Innern keine Feldstärke). Diese Masse, die wir mit dem Schwarzschild-Radius Rs auch schreiben können M(1 − 1 1 2 Rs /r), erzeugt ein Potential G M(1 − 2 Rs /r)/r. Wegen r Rs stimmt es bis auf den Faktor −2 mit dem in Aufgabe 18.4.22 überein, ergibt also im Wesentlichen dieselbe Präzession der Ellipsenbahn, die sich wegen der Abweichung vom r −1 -Potential nicht mehr ganz schließt.
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18.4.24 Überlichtgeschwindigkeit I Der Mond ist etwas mehr als eine Lichtsekunde entfernt. Man braucht den Laser also nur etwa einmal in 6 s zu drehen, und schon huscht der Lichtfleck schneller als c über den Mond hin. Einstein hat davon nichts zu befürchten, denn dies ist eine rein geometrische Geschwindigkeit. Nichts Materielles und auch kein Signal bewegt sich mit dem Ende des Bündels. Es wäre z. B. unmöglich, so Information von einem Punkt des Mondes zu einem anderen zu übertragen: Man müsste immer erst zur Erde zurück und könnte daraufhin den Strahl entsprechend modulieren, aber dieser Hinund Rückweg wird natürlich mit c zurückgelegt. 18.4.25 Überlichtgeschwindigkeit II Wenn die Schneiden der Schere einen Winkel α bilden, und wenn ihr augenblicklicher Schnittpunkt γ -mal weiter vom Drehpunkt entfernt ist als die Griffe für die Finger, und wenn man die Finger mit v aufeinander zubewegt, dann bewegt sich der Schnittpunkt mit vγ/α auswärts. Mit einigem Aufwand (zwei Raketen mit je 15 km/s in 100 m Abstand, die an zwei 100 km langen Hebelarmen ziehen, wenn die anderen Scherenarme 1 000 km lang sind) könnte man den ,,Schnitt“ mit c oder mehr vortreiben. Auch dies wäre aber eine rein geometrische Bewegung, die weder Materie noch Energie noch Information von einem Ort zum anderen beförderte. 18.4.26 Überlicht-Jets Wenn der Blob mit der Geschwindigkeit v unter einem Winkel α gegen die Sichtlinie austritt, kommt er mit der Komponente v cos α auf uns zu und fliegt mit v sin α seitlich weg. Um die Zeit t nach seinem Austritt ist der Blob nicht mehr um a von uns entfernt wie seine Galaxie, sondern nur a − vt cos α. Das Licht vom Blob braucht dann eine Zeit (a − vt cos α)/c bis zu uns, kommt also um t(1 − v cos α/c) später bei uns an als das Licht, das die Galaxie beim Austritt des Blobs ausgesandt hat, und das eine Zeit a/c braucht. Zu dieser letztgenannten Zeit sehen wir den Blob gerade austreten, um t/(1 − v cos α/c) später sehen wir ihn bereits in einem seitlichen Abstand vt sin α von seiner Galaxie. Daraus errechnen wir eine scheinbare Seitwärtsgeschwindigkeit v = vt sin α/(t(1 − v cos α/c)) = cv sin α/(c − v cos α) . √ Dies kann größer als c werden, sobald v/c √ > 1/ 2 ist, und zwar 2 2 für √ Winkel α, deren Sinus zwischen (c − 2v − c )/(2v) und (c + 2 2 2v − c )/(2v) liegen. Bei gegebenem v wird v maximal, wenn cos α = v/c ist, und nimmt dann den Wert vmax = v/ 1 − v2 /c2 an. Für v/c = 1 − ε mit ε 1 kann √ man nähern: ,,Überlicht“-Winkelbereich √ = c/ 2ε. zwischen ε und π/2 − ε, αmax ≈ 2ε, vmax 18.4.27 Gravitationslinse Ein Objekt A, Masse M, Radius R, liege im Abstand a von uns. Genau dahinter, und zwar um b weiter weg, liegt ein anderes B. Strahlen, die von B ausgehend einen Kegel der Öffnung 2α ≈ 2R/b bilden, werden im Schwerefeld G M/R des Objekts A etwa um den Winkel
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γ ≈ G M/Rc2 abgelenkt (γ ≈ p⊥ / p = FR/(mc2 ) = G M/(Rc2 ), vgl. Aufgabe 17.3.3). Die Öffnung des Lichtkegels verengt sich also von 2α auf 2β = 2α − 2γ ≈ 2R/b − 2G M/(Rc2 ). Dadurch steigt die scheinbare Helligkeit von B um den Faktor α2 /β 2 . Damit B ebenso hell aussieht wie ein Objekt A gleicher Leuchtkraft, muss dieser Faktor gleich (a + b)2 /a2 sein, also (a + b)/a = α/β = R/(R − G Mb/(Rc2 )), woraus M = R2 c2 a/(Gb(a + b)) folgt. Unsere Beispiele liefern mit dem HubbleGesetz v = Ha beide M ≈ 1043 kg, fast 100-mal mehr als die Masse der 1011 Sterne in einer normalen Galaxie. Ein ähnliches Überwiegen unsichtbarer, noch nicht identifizierter Masse folgt auch aus anderen Beobachtungen z. B. schon der Tatsache, dass der Andromedanebel auf uns zukommt. Umgekehrt erhält man mit diesen M als typischen Abstand solcher ,,anomalen“ Gruppen einige 100 Mpc mit Fluchtgeschwindigkeiten von einigen 104 km/s, wie beobachtet. Nähere Quintette wie das von Stephan gleichen das kleine a durch ein großes b/a aus. Auch eine Gravitationslinse kann die Flächenhelligkeit nicht beeinflussen, gleicht also zusammen mit der scheinbaren Helligkeit auch die scheinbare Fläche aus, was man auch durch eine einfache Zeichnung direkt nachweisen kann.
= Kapitel 19: Lösungen . . . 19.1.1 Abstrakt–Konkret Wenn kein Anhaltspunkt für die gesuchte Zahl vorliegt, wenn also jede der Zahlen 0 bis 999 mit gleicher Wahrscheinlichkeit vorliegen kann, teilt man den Bereich in zwei Hälften: ,,Kleiner als 500?“, den durch die Antwort bestimmten Bereich wieder in zwei Hälften usw. Mit höchstens zehn Fragen ist man am Ziel, denn 210 = 1 024, d. h. der zehnfach halbierte Bereich umfasst höchstens noch eine Zahl. Jede andere Strategie kann u. U. die Antwort schneller bringen, im Durchschnitt aber erst später. Haben die Zahlen ungleiche Wahrscheinlichkeiten (Geschichtszahlen: 19. und 20. Jh. wahrscheinlicher), teile man so in zwei Bereiche, dass die Summe der Wahrscheinlichkeiten gleich ist. Eine kluge Frage ist eine, auf die ebenso wahrscheinlich ein Ja erfolgt wie ein Nein. Wenn ein kompliziertes Objekt zu seiner Festlegung 60 kluge Fragen braucht, folgt daraus, dass es ungefähr 260 ≈ 1018 Objekte von dieser Komplexität in der Welt (der realen und der gedachten) gibt. Das ist noch nicht einmal die Anzahl der Luftmoleküle in einem Fingerhut. 19.1.2 Autonummern Es gibt 509 Kreise (Stand von 1994), davon hat etwa die Hälfte dreibuchstabige Symbole: 1 235 Buchstaben im Ganzen. Davon nur 72 E (5,8% statt 18,5% wie sonst im Deutschen), 81 B (6,5% statt sonst 1,7%). Als mnemonisches Prinzip muss der Anfangsbuchstabe vorn stehen bleiben (außer bei den Hansestädten, denen dieser Titel wichtiger ist als das Privileg der Einbuchstabigkeit). Sonst käme man mit zwei Buchstaben gut aus (könnte sogar 702 Kreise codieren, wobei alle Buchstaben gleich-
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häufig wären). Mit der Erstbuchstaben-Klausel geht das nicht mehr: Zu viele Kreise fangen mit B, H, M, S, W an. E und überhaupt die Vokale sind unterdrückt, weil sie so häufig sind, also wenig Information vermitteln (darum hört man wohl auch, wenn man ein Wort abkürzt, immer mit einem Konsonanten auf). Außerdem ist es klar, dass z. B. nach H oder M ein Vokal kommen muss. Der dritte Buchstabe (über 20 Möglichkeiten) sagt also viel mehr aus als der zweite (nur 8 Möglichkeiten hinter H oder M). Der Kennzeichen-Code versucht also sowohl die Redundanz (den Informationsverlust) durch ungleiche Zeichenhäufigkeit als auch die durch Häufigkeitskopplung (ungleiche Markow-Wahrscheinlichkeiten) abzubauen, und zwar mit gutem Erfolg, denn ein Buchstabe überträgt 4,12 bit statt 4,70 (Redundanz nur 0,12). 19.1.3 Information Die Folge der Antworten auf eine Anzahl n kluger Fragen engt den Bereich der Möglichkeiten um den Faktor P = 2−n ein. Sie liefert definitionsgemäß eine Information I0 von n bit. Offenbar gilt hier I0 = − ld P. Wenn die Wahrscheinlichkeiten ungleich sind, z. B. p für Ja, 1 − p für Nein, ist Pseq = pν (1 − p)n−ν für ν Ja und n − ν Nein, gleichgültig in welcher Reihenfolge. Eine Antwort liefert im Durchschnitt I0 = − p ld p − (1 − p) ld(1 − p) bit. Allgemein: Für k verschiedene Antworten (Symbole) mit den Häufigkeiten pi bringt eine Antwort I0 = − pi ld pi . Dieser Wert ist am größten, wenn alle pi gleich sind, nämlich pi = 1/k. Dann wird I0 = − k−1 ld k = − ld k. Für k = 26 ist I0 = 4,70. Eigentlich besteht ein Text aus mindestens 27 Symbolen (Buchstaben und Spatium). I0 = ld 27 = 4,75. Dass pi = 1/k maximales I0 ergibt,sieht man z. B. nach der Lagrange-Methode (Abschn. 19.1.5): δI0 + αδ pi = δ pi (ln pi + 1 + α) = 0, d. h. ln pi = −1 − α. Alle pi müssen gleich sein, nämlich 1/k. Beispiele für I0 -Werte bei ungleichen pi in den folgenden Aufgaben. 19.1.4 Gold bug Man braucht Textlängen von gut 1 000 Buchstaben, bis sich die Verteilung nicht mehr sehr ändert. Buchstabenhäufigkeiten in % in sechs Sprachen (Tabelle L.8). Sie ist von der Sprache und der Art des Textes abhängig und sogar als Stilkennzeichen benutzt worden. Im Deutschen, Englischen und besonders im Französischen überwiegt das E so sehr, dass man Texte in einem Substitutionscode (jeder Buchstabe durch ein bestimmtes Zeichen ersetzt), schnell mit einigen zusätzlichen Plausibilitätsschlüssen entziffern kann. Manchmal hilft sich der Codierer, indem er E, N, A wahlweise durch mehrere Zeichen ausdrückt. ,,To be or not to be“ hat Pseq = 1,1 · 10−20 und 66 bit. Dieser kurze Text hat aber eine sehr extreme Komposition (z. B. zu viele O). Der ganze Hamlet hat etwa die in der Tabelle angegebene Verteilung und 2 800 Verse mit 105 Symbolen. Ein Symbol bringt 4,3 bit (Aufgabe 19.1.9), also hat der Hamlet etwa 4 · 105 bit. Wenn er aus lauter so unwahrscheinlichen Sätzen wie ,,To be or not to be“ bestünde, erhielte man etwa 50% mehr Information.
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Tabelle L.8 Deutsch A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
7,2 2,4 3,3 4,5 16,2 2,1 3,0 5,3 7,1 0,1 0,9 3,5 3,0 10,6 1,9 0,3 0,0 7,1 6,8 5,1 5,2 0,4 1,6 0,0 0,0 0,9
Engl. 9,1 1,6 1,8 4,7 12,8 2,3 2,4 7,1 5,3 0,4 0,7 4,2 2,7 6,3 7,1 1,2 0,0 6,2 6,3 8,8 2,2 0,8 2,7 0,1 1,4 0,0
Franz. 8,8 1,7 2,6 4,0 16,0 1,2 0,8 0,6 7,9 1,4 0,0 5,3 4,0 6,6 5,3 2,6 0,9 6,9 6,4 6,9 7,0 1,4 0,0 0,2 0,3 0,0
Russ. 10,2 2,1 0,6 3,0 6,1 0,0 1,2 0,6 6,5 5,6 3,8 6,1 3,3 6,1 10,4 2,4 0,0 3,1 8,1 6,6 3,8 0,0 4,0 0,0 2,5 2,2
Span. 13,5 1,3 3,5 4,8 14,1 0,5 1,0 0,6 5,3 0,3 0,0 5,4 3,0 7,1 8,3 2,4 1,2 7,3 6,9 4,1 4,8 1,2 0,0 0,0 1,2 0,3
Ital. 9,6 0,5 4,4 3,6 13,2 1,2 1,5 1,4 10,0 0,0 0,0 5,0 4,2 6,6 10,4 2,9 0,6 6,1 5,4 6,4 2,9 2,3 0,0 0,0 0,0 0,7
19.1.5 Morse-Alphabet Wenn die Übertragung von · oder − eine Zeit τ dauert, braucht man für einen Buchstaben im Durchschnitt t = pi n i τ ( pi : Häufigkeit des i-ten Buchstaben, der aus n i Zeichen besteht). Nach Aufgabe 19.1.3 wird t minimal, wenn n i ∼ ld pi , d. h. pi ∼ 2n i . Der Morse-Code übertrüge also maximale Information pro Zeichen (· oder −), wenn E und T je doppelt so häufig wären wie A, M, N, I (zwei Zeichen), diese wieder doppelt so häufig wie D, G, K, R, S, O, U, W (drei Zeichen). Morse hätte besser so einteilen sollen: E, A; O, T, S, I; N, R, L, H, C, F, U, M; restliche zwölf Buchstaben. Der Unterschied in t für diese Zuordnung, die von Morse und die ideale (die nur möglich wäre, wenn das Englische die am Anfang der Lösung angegebene Häufigkeitsverteilung hätte), ist aber gering: 2,47τ, 2,48τ bzw. 2,44τ. 19.1.6 Redundanz Um 105 Wörter durch ein Alphabet von 26 Symbolen optimal zu codieren, braucht man eigentlich nur 3,53 Buchstaben/Wort, denen 263,53 = 105 .
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In einem solchen Wörterbuch, das 26, 676, 17 576, 81 722 ein-, zwei-, drei- bzw. vierbuchstabige Wörter enthielte, überträgt jeder Buchstabe ld 26 = 4,70 bit, jedes Wort 16,61 bit, entsprechend der Tatsache, dass der Wörter-Zeichenvorrat 216,61 = 105 Zeichen enthält. ,,Wörter“ wie xqpz wären eventuell merkbar, falls man eine durchgehende Klassifizierung der Begriffe ähnlich der Dezimalklassifikation der Bibliotheken aufstellen könnte. Um sie aussprechbar zu machen, könnte man vereinbaren, dass Vokale und Konsonanten abwechseln müssen. Das kostet Information, denn die Übergangswahrscheinlichkeiten in Markow-Ketten (Aufgabe 19.1.7) werden damit sehr ungleichförmig. Zählt man Y und Ö als Vokale, hat man 7 · 19 = 133 zweibuchstabige Wörter usw. Jeder Buchstabe überträgt nur 12 (ld 7 + ld 19) = 3,53 bit, was eine mittlere Wortlänge im Wörterbuch von 4,75 Buchstaben ergibt. Merkbarkeit könnte man so erzeugen: Alle Substantive fangen mit Vokalen an, alle Tiere mit A, alle Säugetiere mit AS usw. Asapo = Pferd, Asapi = Esel. Möglichkeiten und Schwierigkeiten sind leicht auszumalen. Die Redundanz gegenüber dem ,,idealen“ System ist 0,25 (bedingt durch die Kopplung zwischen Nachbarbuchstaben). Im realen deutschen Wörterbuch überträgt ein Buchstabe nur 1,66 bit, die Redundanz des Deutschen ist demnach 0,65. 19.1.7 Markow-Kette I Aus den pi der Tabelle in Lösung 19.1.4 berechnet man die ,,Information 1. Ordnung“ I1 = pi ln pi im Deutschen zu 4,27 bit. Verglichen mit der optimalen Quelle ( pi = 1/27, I0 = 4,75) ist die Redundanz 1. Ordnung nur 0,10. Der Rest bis zur in Aufgabe 19.1.6 geschätzten wirklichen Redundanz von 0,65 muss auf der Kopplung zwischen Buchstaben beruhen. Das Gedächtnis von Texten, als Markow-Ketten aufgefasst, ist viel größer als 1. Ähnlich ist es mit den Wetterlagen an aufeinander folgenden Tagen. Hier sind die Diagonal-q-Werte größer: Wenn es heute regnet, regnet es morgen wahrscheinlich auch noch. Die Gedächtnislänge entspricht dabei etwa der Dauer einer Großwetterlage. 19.1.8 Markow-Kette II Für die Zeichenhäufigkeit pi in einer unendlich langen Markow-Kette kommt es auf das Anfangssymbol nicht mehr an, denn die Erinnerung daran ist nach einem endlich langen Stück praktisch ausgelöscht, und dieses Stück kann man getrost abschneiden, ohne die pi zu beeinflussen. Strenger formuliert: Die Wahrscheinlichkeit, dass auf der Position n ein Symbol i steht, sei pin . Für die nächste Position folgt mit pin qik ein Symbol k. Ein solches Symbol k kann aber auch auf andere Symbole als i folgen. Im ganzen ist seine Wahrscheinlichkeit pk,n+1 = i pin qik . Das heißt: Man multipliziere den Vektor pin mit der Matrix qik und erhält den Vektor pk,n+1 . Aus Aufgabe 12.6.7 wissen wir, dass pin , so behandelt, gegen einen Eigenvektor von qik konvergiert, und zwar gegen den mit dem größten Eigenwert. Dieser Eigenwert heißt hier offenbar 1. Dass ein solcher Eigenwert 1 immer existiert, folgt daraus, dass qik die Zeilensumme 1 hat. k qik = 1, irgendein Symbol muss ja auf i folgen. Wir beweisen: Eine Matrix qik mit k qik = 1 hat immer einen Eigen-
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wert 1. Alle anderen Eigenwerte haben Eigenvektoren pi mit pi = 0, q p = λ p . Dann ist auch die hier nicht in Frage kommen. Es sei k i ik i q p = λ p = p q , was nach Voraussetzung pi i k i ik i i k ik k k ist. Also λ pi = pi , d. h. λ = 1 oder pi = 0. Erst wenn Sie das Eigenwertproblem auch nur für den vergleichsweise kindlich einfachen Fall zweier Symbole für ein Zahlenbeispiel gelöst haben, wissen Sie, was die allgemeinen Überlegungen wert sind. 19.1.9 Markow-Kette III Die Sequenz ikl . . . hat die Wahrscheinlichkeit Pseq = pi qik qkl . Die Verallgemeinerung ist offensichtlich. Die relative Häufigkeit des Paares ik ist pi qik . Der Faktor qik kommt also in Pseq für eine Kette aus N Symbolen pq N N pi qik -mal vor: Pseq = i,k qiki ik , Information −N i,k pi qik ld qik , Information 2. Ordnung pro Buchstabe I2 = − i,k pi qik ld qik . Auszählung der Paarhäufigkeiten für einen deutschen Text (Text der Aufgaben 19.1.1– 19.1.13) ergibt eine Information 2. Ordnung pro Buchstaben von 3,62 bit, also eine Redundanz 2. Ordnung von 0,14 infolge von Paarkopplung. Der größte Teil der wirklichen Redundanz (Aufgabe 19.1.6) beruht also auf größerer Gedächtnislänge als 1. 19.1.10 Übertragungskapazität Das Zeichen 1 soll durch einen annähernd rechteckigen Stromimpuls der Dauer τ gegeben sein. Um ihn aus harmonischen Wellen zu bilden, braucht man nach Fourier ein Frequenzband der Breite ∆ν ≈ τ −1 (z. B. Abschn. 12.3.2). Einem Kanal mit der Bandbreite ∆ν kann man also höchstens τ −1 ≈ ∆ν Zeichen/s aufprägen. Man beachte: Man muss jede beliebige Folge von 0 und 1 übertragen können. Wenn die Nachricht aus regelmäßig abwechselnden 0 und 1 bestünde, würde eine reine Sinuswelle der Frequenz τ −1 ausreichen, aber eine solche Nachricht enthielte keine Information, denn man weiß schon, was kommt. Beim Morsen (bis zu vier Binärzeichen/Buchstabe) kommen noch die Überlegungen von Aufgabe 19.1.5 dazu. Wenn mehrere, z. B. k Symbole durch ihre Amplitudenniveaus unterschieden werden sollen, ist das gleichbedeutend damit, dass jedes Symbol aus ld k Binärzeichen besteht. Pro Sekunde können also ∆ν/ ld k solche Symbole übertragen werden. 19.1.11 Gehirnkapazität Sinnlose Buchstabenketten kann man unter günstigsten Bedingungen, d. h. optisch, mit etwa sechs Buchstaben/s fehlerfrei aufnehmen. Mit 4,7 bit/Buchstabe bedeutet das etwa 28 bit/s. Einen sinnvollen Text liest man sehr viel schneller. Offenbar errät man das meiste, übersieht aber auch z. B. Druckfehler. Ein Schwarz-Weiß-Fernsehbild (625 × 833 ≈ 5 · 105 Bildpunkte mit etwa 30 ≈ 25 unterscheidbaren Helligkeitswerten) enthält 25 · 105 bit – viel mehr als der ganze Hamlet. Der Kasten flimmert uns fast 108 bits/s vor. Um die Information eines Bildes vollständig aufzunehmen, würde unser Sinnesapparat etwa 24 Std brauchen. Zum Glück ist das Bild meist einigermaßen sinnvoll, und vor allem scheinen die meisten Einzelheiten unwesentlich. Wenn jemand alles aufnähme, was er
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im Leben sieht, käme er größenordnungsmäßig auf 1017 bit. Sein Sinnesapparat kann aber höchstens 1011 bit aufnehmen. Das Gehirn verarbeitet viel weniger, sonst wüsste man ja so viel, wie in 104 dicken Büchern steht. 1 000 Seiten zu 2 000 Buchstaben: 107 bit. In Wirklichkeit enthält ein Buch viel weniger Information, sonst würde jedes Wort, jeder Buchstabe uns als unerwartet überraschen, und das Buch wäre ungenießbar. 19.1.12 Das letzte Bit Da die Zauberin vier Karten sieht, kommen nur noch 48 Zielkarten in Frage. Die vier Karten im Umschlag können auf 4! = 24 Arten angeordnet sein. Man kann diese Permutationen nummerieren und den ebenfalls nummerierten Zielkarten zuordnen. Es fehlt aber immer noch 1 bit Information, um die 24 ,,Code-Wörter“ auf 48 zu erweitern. Zauberers bewohnen zwei anstoßende Hotelzimmer. Dadurch, dass der Zauberer dem Zuschauer die Nummer eines davon nennt und dieser dann an die entsprechende Tür klopft, erhält die Zauberin das fehlende bit. 19.1.13 Protein-Information Es kann 20020 ≈ 1046 verschiedene Proteinmoleküle der Länge 200 geben. Ob man die der Länge 199 mitzählt, macht kaum etwas aus, denn es sind 20-mal weniger. Wenn die organische, besonders bakterielle und pflanzliche Substanz dicht gepackt die Erdoberfläche überall 10 cm dick bedeckt (Mittel von Wald, Wüste, Meer usw.), gibt es bei 3% Proteingehalt etwa 1018 g Protein auf der Erde. Eine Aminosäure wiegt im Mittel etwa 10−22 g, also gibt es zurzeit knapp 1038 Proteinmoleküle, in 3 · 109 Jahren hat es maximal 1055 Moleküle gegeben. Zwar wäre jede Möglichkeit nach dem Zufallsspiel schon oft dagewesen. Aber die Kombination von mehr als drei bestimmten Proteinen wäre unmöglich zufällig zu erzeugen. Ein höherer Organismus enthält aber an 1024 Proteinmoleküle, die einigen 10 000 Klassen mit genau bestimmter Sequenz angehören. Die moderne Molekularbiologie beginnt gerade das Wechselspiel von Regelung, Vererbung, Selektion zu enthüllen, das diese Hürde an Unwahrscheinlichkeit überwunden hat. 19.2.1 Mikro- und Makrozustände Der Mikrozustand ist gekennzeichnet durch Angabe ,,rechts“ oder ,,links“ für jedes Molekül,
der Makrozustand durch ,,n rechts, N − n links“. Wahrscheinlichkeit Nn 2−N und Entropie S = N ln N − N ln 2 − n ln n − (N − n) ln(N − n) sind maximal für n = N/2. Obwohl die Übergangswahrscheinlichkeiten hin und zurück zwischen zwei Mikrozuständen völlig gleich sind, besteht ein ausgeglichener Makrozustand aus so viel mehr Mikrozuständen als ein extremer, dass es viel sicherer ist, dass der extreme Zustand in irgendeinen der vielen ausgeglichenen Mikrozustände übergeht als umgekehrt, besonders bei großem N. Die Entropie bei n = N/2 ist S ≈ 0, nach Abschn. 19.2.8 ist sie S = (W − F)/T = kN(ln V + const). Der scheinbare Widerspruch verschwindet, wenn man nicht die Halbkästen als Grundlage der Fallabzählung nimmt, sondern Volumenelemente von konstanter Einheitsgröße.
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19.2.2 Arbeit und Wärme Wenn der Zustand i eines Teilchens seine Energie bi ändert, kann das nur daher kommen, dass das Teilchen durch eine Kraft Fi um ein Stück dxi verschoben worden ist (z. B. durch die Kraft eE): dbi = F dxi . Voraussetzung ist, dass das Teilchen in diesem Zustand bleibt, d. h. dass dn i = 0. auf die Teilchen Damit ist n i Fi dxi die Summe aller Arbeiten, die man leistet. Wenn man den 1. Hauptsatz voraussetzt, muss bi dn i der andere Teil der Energieänderung, also die Wärmezufuhr d Q sein. Man kann aber auch von der Definition der Entropieänderung dS = d Q/T ausgehen. Aus (19.9) folgt dS = −k ln n i dn i . Die Boltzmann-Verteilung liefert ln der Summe weg, denn erste Glied fällt in n i = const − bi /(kT ). Das dn i = 0. Also dS = T −1 bi dn i , d. h. d Q = bi dn i . 19.2.3 Boltzmann-Verteilung Der einfachste Vorgang, der W konstant lässt, ist: ,,Ein Teilchen springt aus i nach i + k, gleichzeitig springt ein Teilchen von j nach j − k.“ Beim ersten Sprung ändert sich die Zustandswahrscheinlichkeit um den Faktor n i /n i+k , beim zweiten um den Faktor n j /n j−k . Die wahrscheinlichste Verteilung ist die, bei der sich durch den Doppelsprung die Gesamtwahrscheinlichkeit nicht ändert, also n i /n i+k = n j−k /n j . Für beliebige i, j, k ist das genau dann richtig, wenn die n i eine geometrische Reihe bilden: n i = n 0 q i = n 0 eβbi . Das ist bereits die Boltzmann-Verteilung. 19.2.6 Onsager-Relation In dem n + 1-dimensionalen Phasenraum mit den Koordinaten a1 , . . . , an , S beschreibt die Funktion S = S(a1 , . . . , an ) eine Fläche. Wo diese Fläche in S-Richtung am höchsten ist, liegt das Gleichgewicht, der wahrscheinlichste Zustand. Das sei bei ai = ai0 . Der Abstand in i-Richtung des Gipfels sieht der von diesem Gipfel ist αi = ai − ai0 . In der Umgebung Berg immer aus wie ein Paraboloid: S = S0 − i,k lik αi αk . Die Krümmungen in verschiedenen Richtungen sind verschieden, weil die Parameter ai ,,naiv“ gewählt sind und nicht so normiert, dass sie auf S alle den gleichen Einfluss haben. Es liegt keine Hauptachsendarstellung vor, d. h. die gemischten Glieder haben lik = 0, weil die verschiedenen Parameter nicht nur unabhängige, sondern auch ,,gemischte“ Effekte auf S haben, wie z. B. bei thermoelektrischen, mechanokalorischen Effekten usw. Wir setzen jetzt voraus, dass diese Entwicklung von S für praktisch interessierende Systeme immer gilt. Die Rechtfertigung ist, dass ein System mit größerer Abweichung von S0 , d. h. mit zu geringer Wahrscheinlichkeit P, überhaupt keine Chance hat zu existieren. Für kompliziertere, besonders auch biologische Systeme gilt diese Annahme oft nicht mehr. – Das System sei nun an einer Stelle αi unterhalb des Gipfels. Was macht es? Nach allen Seiten sieht es mögliche Mikrozustände, in die es übergehen könnte, und zwar besonders viele in einer bestimmten Richtung. Das ist die Richtung des Gradienten von S, denn S = k ln P, und P = Anzahl der Mikrozustände. In dieser Richtung liegen auch wesentlich mehr Zustände als dort, wo das System zurzeit ist. Alle diese P-Unterschiede sind riesig, worüber ihr logarithmisch abgeschwächtes S-Bild nicht hinwegtäuschen darf.
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Das System wird sich also sehr wahrscheinlich in Richtung von grad S verschieben. Wenn von Ihrem Standort 100 Straßen ins Stadtinnere führen und nur zehn hinaus, werden Sie ohne besondere Maßregeln sicher im Zentrum landen. Die Geschwindigkeit des Systempunktes wird also α˙ i ∼ ∂S/∂αi = − k L ik αk (beim Ableiten bedenke man, dass jedes αi zweimal auftritt, als vorderer und als hinterer Faktor; L ik = lik + lki ). Mit solcher endlichen Geschwindigkeit verlaufen alle Prozesse, deren Richtung eindeutig festgelegt ist, alle irreversiblen Prozesse. Reversibel sind nur Verschiebungen längs eines Grates konstanter Höhe im S-Gebirge, wenn es solche Grate gibt oder sie vom Experimentator bewusst erzeugt werden. Das System verschiebt sich im S-Gebirge wie eine Kugel im UGebirge in einer viskosen Flüssigkeit, wobei v ∼ F = −grad U ist. Wie dabei Leistung −U˙ = v · F erzeugt wird, so entsteht hier ein Entropiezuwachs S˙ = − α˙ i ∂S/∂αi = i,k L ik αk α˙ i . Im U-Gebirge hat man sich daran gewöhnt, die Möglichkeit zur U-Abnahme, d. h. die Kraft, als Ursache der Bewegung anzusehen. Im S-Gebirge betrachtet man gewöhnlich S˙ als Folge des irreversiblen Vorgangs, aber auch die umgekehrte Ansicht ist sehr fruchtbar. Die Aussagen von Aufgabe 19.2.5 unterscheiden sich nur in der Schreibweise vom Bisherigen. Die Symmetrie der L ik , die OnsagerRelation L ik = L ki hat sich aus diesem vereinfachten Modell automatisch ergeben. – Im Gleichgewicht angekommen, bleibt das System nicht auf dem Gipfel, denn dicht dabei liegen Zustände, die auch nicht viel unwahrscheinlicher sind. Entscheidend dafür, wie weit das System vom Gipfel abweicht, ist der Unterschied in P, d. h. in S. Das System schwankt innerhalb einer bestimmten ,,Höhenlinie“, die ein Ellipsoid im a1, . . . , an -Raum darstellt. Der S-Berg ist ein logarithmierter Gauß-Berg. Die Standardabweichung der Gauß-Verteilung (Abschn. 19.1.4) zeigt, dass das System im Durchschnitt um eine S-Einheit, also um k unter dem Gipfel ist (Faktor e−1 in P). In dem diskutierten einfachen S-Profil zeigt grad S, also auch der α˙ i -Vektor, immer auf den Gipfel zu. Während des irreversiblen Prozessesändert sich also αi /αk nicht, es gilt αk α˙ i = αi α˙ k . Setzt man hier α˙ i = k L ik αk ein, sieht man, dass das nur möglich ist, wenn L ik = L ki . Dieser Nachweis ist hier überflüssig, denn wir haben ihn schon geführt. Mit einer ähnlichen Betrachtung gewinnt aber auch Onsager seine Relation, ohne sich auf ein so einfaches Profil festlegen zu müssen wie wir. 19.2.7 Thermoelektrizität Das System wird beschrieben durch die Spannung U und Ladung q am Kondensator und die Temperatur der Lötstellen, besonders ihre Differenz ∆T , die klein sei. Wenn die Wärmemenge Q von 2 nach 1 fließt, nimmt der Draht bei 2 die Entropie dS2 = d Q/T2 auf, bei 1 verliert er Entropie: dS1 = −d Q/T1 . Da T1 < T2 , ist dS2 > |dS1 |, d. h. Wärmeleitung erzeugt immer Entropie: dS = d Q∆T/T 2 . Wenn die Ladungsmenge dq auf den Kondensator gebracht wird, entsteht im Draht die Joule-Wärme U dq, d. h. es wird die Entropie dS3 = U dq/T erzeugt. Insgesamt ist 2 ˙ = IQ ∆T/T 2 + Ie U/T . Diedie Entropieänderung S˙ = Q∆T/T ˙ + qU/T ˙ ser Ausdruck hat die Form S = Ji X i mit den Flüssen J1 = IQ , J2 = Ie . Als ,,Kräfte“ sind anzusetzen X 1 = ∆T/T 2 und X 2 = U/T . Zwischen
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Flüssen und Kräften gilt nach Aufgabe 19.2.5 IQ = L 11 ∆T/T 2 + L 12 U/T , Ie = L 21 ∆T/T 2 + L 22 U/T . L 11 und L 22 sind im Wesentlichen Wärmeund elektrischer Leitwert: L 22 = T/R, L 11 = T 2 /RQ . L 12 und L 21 beschreiben die thermoelektrischen Effekte. Nach Onsager ist L 21 = L 12 , was jetzt absolut nicht mehr trivial aussieht. Bei Ie = 0 und festem ∆T , d. h. stromloser Messung mit dem Thermoelement folgt U/∆T = −L 12 /L 22 T . Diese Größe nennt man Thermokraft η (die scheinbare T −1 -Abhängigkeit besagt nicht viel, bevor man die T -Abhängigkeiten der L ik festlegt). Bei festem U und ∆T = 0 folgt IQ /Ie = L 12 /L 22 . Dieses Verhältnis zwischen Wärme- und elektrischem Strom heißt Peltier-Koeffizient Π (Abschn. 6.6.2). Aus L 12 = L 21 ergibt sich sofort die Thomson-Gleichung (6.105): Π = ηT , die auf andere Weise nur sehr schwierig abzuleiten ist. 19.2.8 Thermo-mechanische Effekte Offensichtlich haben ∆T und ∆ p zwischen den beiden Gefäßen etwas mit den ,,Kräften“ zu tun, die irreversible Vorgänge wie Strömung, Wärmeleitung, Diffusion antreiben. Der vernünftige Ansatz für die Kräfte ergibt sich aber wieder erst aus der Entropieerzeugung. Wenn ein Wärmestrom IQ von 2 nach 1 fließt, bedeutet das nach Aufgabe 19.2.7 eine Entropieerzeugung IQ ∆T/T 2 . Wenn eine Masse von d M mol von 2 nach 1 fließt, verliert sie in 2 die Entropie s2 d M, in 1 gewinnt sie s1 d M. si ist die molare Entropie. Nach (19.54) hat ein ideales Gas bis auf eine unwesentliche Konstante s = −R(ln V + 32 ln T ). Also ist die Entropieerzeugung beim Übergang eines mol von 2 nach 1: ds = R∆V/V + 32 R∆T/T = −R∆ p/ p + 32 R∆T/T . Die Entropieänderung durch Wärmestrom IQ und Massenstrom IM ist S˙ = IQ ∆T/T 2 + IM ( 32 R∆T/T − R∆ p/ p). Zwischen Strömen und Kräften bestehen die phänomenologischen Beziehungen IQ = L 11 ∆T/T 2 + L 12 R( 32 ∆T/T − ∆ p/ p) , IM = L 21 ∆T/T 2 + L 22 R( 32 ∆T/T − ∆ p/ p) . Bei ∆T = 0 ergibt sich IQ /IM = L 12 /L 22 , d. h. mit jedem Massenstrom IM ist eine ,,Überführungsenergie“ IQ verbunden: Mechanokalorischer Effekt. Wenn keine Masse mehr strömt (IM = 0), stellt sich zwischen ∆ p und ∆T der Zusammenhang ∆ p/∆T = L 21 p/(L 22 RT 2 ) + p/T ein. Dieses Verhältnis heißt inkonsequenterweise thermomolekulare Druckdifferenz. Aus L 12 = L 21 folgt ∆ p/∆T = IQ /(IM VT ) + p/T oder wegen dU = d Q − p dV mit Q ∗ als reinem Wärmeeffekt des Massenstroms in J/mol: ∆ p/∆T = Q ∗ /(VT ). Wenn das Loch zwischen den beiden Gefäßen groß ist (groß gegen die freie Weglänge), tritt keine Überführungswärme Q auf (Versuch von Gay-Lussac). Dementsprechend erwartet man auch im stationären Fall (IM = 0), dass ∆ p = 0 ist, selbst für ∆T = 0. Bei sehr kleinem Loch oder feiner Membran ergibt sich eine Überführungswärme Q ∗ = 12 RT , weil vorwiegend die schnellen Mole√ küle durchtreten. Damit folgt ∆ p/∆T = 12 p/T oder p1 / p2 = T1 /T2 (Knudsen-Beziehung).
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19.2.9 Stationarität Der Stab hatte zunächst eine beliebige T -Verteilung. Sein Einschub erzeugt ein T -Profil mit einem oder mehreren Sprüngen zwischen den Reservoiren, das sich in einer durch die Wärmekapazität des Stabes bestimmten kurzen Zeit in ein lineares T -Profil verwandelt. Dann fließt durch jeden Querschnitt gleich viel Wärme. Dieser Zustand ist stabil, denn jeder Buckel im T -Profil würde sich schnell abbauen. In einen Buckel nach oben z. B. fließt ,,vorn“ infolge des abgeschwächten T -Gefälles weniger Wärme hinein, ,,hinten“ fließt mehr heraus. Die Lebensdauer des stationären Zustandes selbst, bestimmt durch die Wärmekapazität der Reservoire, kann sehr viel größer sein. Im stationären Zustand ändert der Stab seinen Zustand nicht, also auch nicht seine Entropie. Da Wärme aber notgedrungen bei höherer Temperatur in ihn einströmt als sie ausströmt, fließt ihm weniger Entropie zu als er verliert. Um das auszugleichen, muss in seinem Innern ständig Entropie erzeugt werden. Wenn ein Wärmestrom I Q fließt, ergibt sich eine Entropieerzeugung S˙ = IQ ∆T/T 2 (Aufgabe 19.2.7). Auf die Volumeneinheit bezogen, ist die Erzeugungsrate (Quelldichte) σ = jq T /T 2 = λ(T /T )2 = λ(d ln T/dx)2 . Als Quadrat ist diese Rate nichtnegativ, wie sie es sein muss. Im stationären Zustand ist die Gesamterzeugung S˙ = σ dx kleiner als für jede andere mit den Randbedingungen vereinbare T -Verteilung. Das folgt aus der Euler-Lagrange-Gleichung der Variationsrechnung: F(x, y, y ) dx ist extremal, wenn d Fy /dx = Fy . Hier ist y = ln T , F = y2 , also Fy = 0 und demnach y = 0. Bei kleiner T -Differenz läuft diese eigentlich exponentielle T -Abhängigkeit auf eine lineare hinaus. 19.2.10 Satz von Prigogine Wenn man z. B. im Thermoelement von Aufgabe 19.2.7 ∆T festhält, fließt zwar immer Wärme durch den Draht, aber der elektrische Strom wird bald Null werden, nämlich wenn der Kondensator bis zur Thermospannung U = η∆T aufgeladen ist. Dann verschwindet die zusätzliche Entropieerzeugung infolge Joule-Wärme. Allgemein: X 1 , . . . , X k seien festgehalten. Die Entropieerzeugung ist S˙ = Ji X i = i, j L ij X i X j . Ihr ˙ L ij X j Minimum ergibt sich aus ∂ S/∂X i =0= j (L ij + L ji )X j = 2 für i = k + 1, . . . , n. Dies besagt Ji = 0 für diese i-Werte. Der beschriebene Zustand heißt Stationarität k-ter Ordnung. 19.2.11 Minimale Entropieerzeugung Ein Fluss wird immer durch eine Abweichung von der Stationarität ausgelöst und versucht, diese Abweichung zu verringern. Dieses Prinzip von Le Chatelier-Braun lässt sich aus Überlegungen ähnlich Aufgabe 19.2.10 ableiten und verallgemeinern. Stationarität bedeutet Verschwinden der entsprechenden Flüsse, wie aus dem Prinzip der minimalen Entropieerzeugung folgt. Ein System muss daher von einem beliebigen Ausgangszustand aus Stationaritäten immer niederer Ordnung durchlaufen, bis zur nullten Ordnung, dem echten thermischen Gleichgewicht. Wie lange es sich in den einzelnen Zuständen aufhält, hängt von den Umständen ab. Das Prinzip der minimalen Entropieerzeugung spielt für die Theorie der stationären
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Zustände eine ähnliche Rolle wie das Prinzip der maximalen Entropie für die Gleichgewichtstheorie. Während sich aber im Gleichgewicht nichts ändert, erfassen stationäre Zustände höherer Ordnung Prozesse von immer größerer Kompliziertheit. 19.2.12 Isotopieeffekt Die Unschärferelation erlaubt einem Teilchen nie, am Boden eines begrenzten Potentialtopfs zu sitzen, sondern mindestens um die Nullpunktsenergie darüber. Diese hat für einen Rechtecktopf der Breite d den Wert E 0 = p2 /(2m) = h 2 /(8md 2 ), für einen Paraboltopf 1 1 √ E 0 = 2 hω = 2 h D/m (Aufgabe 12.7.1). Beides kommt etwa auf dasselbe hinaus, da man die Breite des Paraboltopfes durch D = 2E 0 /d 2 definieren kann. Der Paraboltopf ist aber dem Problem angemessener, denn z. B. auf Proton und Deuteron wirken gleich große Rückstellkräfte, die etwa proportional zur Auslenkung aus der Ruhelage sind. Mit d ≈ 10−10 m folgt E 0 ≈ 0,03/µ eV, wo µ die relative Molekülmasse ist. Im Exponenten der Boltzmann-Funktion, die die Reaktionsrate bestimmt, steht E/(kT ), also ist dieser Exponent betragsmäßig bei Zimmertemperatur für H um 0,2 größer als bei D, bei 16 O um 0,02 größer als bei 18 O. Wenn sich nicht nur ein Teilchen bewegt, sondern auch der Rest des Moleküls, an den es gebunden ist, ersetze man m durch die reduzierte Masse (Abschn. 15.3.4), die bei großem Massenunterschied nur durch den leichteren Partner gegeben ist. Das Proton sollte danach um den Faktor 1,2 schneller reagieren als das Deuteron, das 16 O um den Faktor 1,02 schneller als das 18 O. Das ist die ,,normale“ Richtung des kinetischen Isotopieeffekts. Manchmal ist der Potentialtopf des aktivierten Komplexes enger, also das entsprechende E 0 größer. Dann reagiert umgekehrt das schwere Teilchen schneller. Das Konzentrationsverhältnis im Gleichgewicht hängt nur von der Differenz der Anfangs- und Endwerte G und G ab. Ist der Endtopf tiefer und enger, also sein W0 größer, dann ist n H /n H < n D /n D . Bei der Verdunstung hat das Wassermolekül nur im Anfangszustand (flüssig) einen Topf und ein W0 , der Dampfzustand entspricht einer Hochebene. Also verdampft H2 O leichter als HDO (D2 0 ist noch viel seltener). 19.3.1 Glühemission Für den Austritt aus dem Metall kommen nur die Elektronen im Ausläufer der Fermi-Verteilung in Betracht, denn die Fermi-Kante liegt tief unter dem Potential, das die Elektronen draußen haben. Dieser Ausläufer fällt wie die Maxwell-Verteilung mit e−E/(kT ) ab, aber von einem ganz anderen Anfangsniveau aus. Wir vergleichen die Dichten im Geschwindigkeitsoder Impulsraum bei den beiden Verteilungen. Bei Maxwell verteilen sich √ N = nV Teilchen über eine Kugel mit dem Impuls p = 3mkT als Radius, d. h. über das Phasenvolumen V 43 π(3mkT )3/2 . Die Phasenraumdichte ist einfach 2/h 3 . 3n/(4π(3mkT )3/2 ). Bei Fermi ist die Phasenraumdichte 1 √ Das Maxwell-Ergebnis (Aufgabe 8.1.2) jM = 6 en 3kT/m e−E/(kT ) für die Emissionsstromdichte ist mit dem Verhältnis der beiden Phasenraumdichten zu multiplizieren und wird somit jF = 4πemh −3 k2 T 2 e−E/(kT ) . Der Zahlenfaktor 4πemk2 /h 3 ist 1,2 · 106 A/m2 K2 , und zwar unabhän-
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gig von der Elektronendichte n, weil nur durch die Phasenraumdichte der Fermi-Verteilung bestimmt. Mit einer Reflexionswahrscheinlichkeit 12 an der Potentialstufe der Metalloberfläche ergibt sich genau der beobachtete Wert. 19.3.2 Supernova Wenn ein Stern der Masse M ≈ 1030 kg mit ω ≈ 200 s−1 rotiert, bleibt er nur dann heil, wenn die Schwerebeschleunigung G M/R2 an seiner Oberfläche größer ist als die Fliehbeschleunigung ω2 R, d. h. R < 3 G M/ω2 ≈ 100 km. Die Dichte muss mindestens 1015 kg m−3 sein. Das ist von der Kerndichte ≈ 1017 kg m−3 nicht mehr allzuweit entfernt. Der Drehimpuls L ≈ MωR2 ist ähnlich wie bei der Sonne, denn deren Rotationsperiode ist fast 108 -mal größer, ihr Radius 104 -mal. 19.3.3 Pulsar Aus Laufzeitdifferenz und -strecke ergibt sich c1 m = c1 cm (1 − 4 · 10−12 ). In einem Plasma der Elektronen- und Ionenzahldichte n erzeugt ein Feld E eine Beschleunigung x¨ der geladenen Teilchen gemäß m x¨ = eE, d. h. eine Polarisation P = nex, die mit E zusammenhängt wie P¨ = ω2 P = nex¨ = ne2 E/m. Mit P = ε0 (ε − 1)E folgt ε = 1 + ne2 /(ε0 mω2 ), und nach der Maxwell-Relation c = c0 (1 − ne2 /(2ε0 mω2 )). Ionen haben wegen ihres großen m keinen Einfluss, nur Elektronen. Aus c1 m folgt n ≈ 10 cm−3 , was mit anderen Messungen gut übereinstimmt. 19.3.4 Pulsarfeld Wenn bei der Schrumpfung eines normalen Sterns zum Pulsar die B-Linien mit der Materie kontrahieren, nimmt B proportional R−2 zu, d. h. auf 105 Tesla. Elektronen kreisen mit der Larmor-Frequenz ωL ≈ eB/m auf einem Radius rL = mv/(eB), d. h. mit ω ≈ 1015 s−1 wie im Atom und auf ähnlichem Radius. Solche Elektronen senden sichtbares Licht aus. Teilchen werden magnetisch gespeichert, wenn ihr rL nicht größer ist als der Radius des Pulsars, d. h. des Magnetfeldes. Das ist der Fall bis zu (überwiegend kinetischen) Massen von 10−19 kg ≈ 108 m p , d. h. bis zu Energien von 108 GeV. Nur harte kosmische Teilchen werden nicht von einem Pulsar eingefangen. 19.3.5 Kernverdampfung Nach der nichtrelativistischen Bethe-Formel würde das Primärteilchen, eben weil es so viel energiereicher ist, viel seltener ionisieren. Im hochrelativistischen Fall geht allerdings dieser Abfall mit E −1 in einen sehr schwachen Anstieg über. Dann bleibt im Wesentlichen der Masseneinfluss: Leichte Teilchen ionisieren häufiger. Die dickeren Sekundärspuren stammen also von leichteren Teilchen, nämlich meist Pionen, wie die genauere Analyse zeigt. Nach dem N = 2E 1/4 -Gesetz lassen die 40 Sekundärteil4 chen auf E √≈ 10 GeV schließen. Im Schwerpunktsystem stehen dagegen nur W ≈ 2E E 0 ≈ 100 GeV zur Verfügung. Jedes Sekundärteilchen bekommt also im S-System etwa 2 GeV mit. Die Ionisierungsdichte liegt für diese Pionen nach Abb. 17.25 um 10 Paare/cm oder 300 eV/cm in Luft
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und etwa 1 000-mal mehr in der Emulsion. Die Pionen und erst recht das Primärproton würden also immer noch mehrere km Wasser durchdringen. 19.3.6 Fermis Theorie des β-Spektrums Die Energiedifferenz zwischen Ausgangs- und Endkern E m (minus der Rückstoßenergie des Endkerns, die aber sehr klein ist) verteilt sich auf Elektron und Neutrino: E m = E e + E ν . Für ein relativistisches Elektron haben die Energien beider Teilchen den gleichen Zusammenhang mit ihren Impulsen, in den die Ruhmasse nicht mehr eingeht: E = pc. Das Energiespektrum muss also symmetrisch sein, denn es spielt keine Rolle, ob man es über E e oder über E ν = E m − E e aufträgt. Wenn es ein Maximum gibt, muss dieses in der Mitte liegen. Es gibt tatsächlich eines, denn bei E e = 0 und bei E e = E m verschwindet die Zerfallswahrscheinlichkeit: Im Elektronenimpulsraum entspricht E e = E m einer maximal großen Kugelfläche, aber im Neutrino-Impulsraum einer Kugel vom Radius Null. Die Gesamtwahrscheinlichkeit (Produkt beider Impulsraumvolumina) verschwindet. Da die Kugelfläche ∼ p2 ∼ E 2 ist, erfolgt diese Einmündung in die E-Achse an beiden Enden des Spektrums mit horizontaler Tangente. Das Spektrum ist eine Parabel 4. Ordnung p2e p2ν d pe ∼ E e2 (E m − E e )2 d E e . Für ein nichtrelativistisches Elektron (E e 500 keV) ist p2e ∼ E e , also p2e p2ν d pe ∼ E e (E m − E e )2 d E e / E e . √ Dieses Spektrum steigt bei kleinen E e sehr steil an wie E e . Differenzieren zeigt, dass das Maximum bei E e = 0,2E m liegt (Abb. 17.18). Nur bei sehr großem E m lässt sich das Spektrum praktisch ganz relativistisch darstellen, und das Maximum rückt in die Mitte. Auch dann hat die linke Flanke einen wenn auch kurzen steilen Anfangsteil. Man sucht nach einem viel kürzeren steilen Anfangsteil rechts, der auf eine nicht verschwindende Ruhmasse des Neutrinos hindeuten würde. 19.3.7 Weiße Zwerge Ein Stern bricht zum Weißen Zwerg (oder, wenn er zu schwer ist, sogar zum Neutronenstern oder Schwarzen Loch) zusammen, wenn sein fusionierbares Material im Wesentlichen aufgebraucht ist. Über den Kern des ausgebrannten Sterns schichtet sich eine Hülle aus normalem Gas, deren Masse ausreicht, um den Fermi-Druck von einigen Mbar zu erzeugen. Im riesigen Schwerefeld des kontrahierten Sterns (100-mal kleinerer Radius, also 10 000-mal höheres g als für die Sonne, 300 000-mal höheres g als auf der Erde) reicht dazu eine erstaunlich dünne Hülle: 1 kg/cm2 liefert auf der Erde 1 bar und auf einem solchen Stern fast 1 Mbar. Die Gasatmosphäre des Weißen Zwerges ist also auch nur wenige km dick. Darunter liegt das Fermi-Gas aus quasifreien Elektronen, durchsetzt natürlich von den Restionen. Es hat enorme elektrische und Wärmeleitfähigkeit, sodass sich darin kaum T -Unterschiede ausbilden können. Die Temperatur, die vom Fusionsbrennen her noch mehrere Mill. K beträgt, beherrscht also den ganzen Stern bis an den Grund der dünnen Hülle, die natürlich nicht so undurchlässig ist wie die sehr viel dickere Hülle des jüngeren Sterns. Daher leuchtet der Weiße Zwerg mit extrem hoher Strahlungstemperatur
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(meist weit über 20 000 K), bis die Wärmeenergie, die überwiegend in den Ionen steckt, verbraucht ist (Beitrag der Elektronen wie im Metall sehr klein). Durch Kontraktion kann der Weiße Zwerg nur geringe Energiemengen freisetzen, denn der Druck des Fermi-Gases hängt kaum von T ab, nur von der Dichte, und daher ist seine Struktur stabil, egal wie hoch T ist. Allein die thermische Energie (um 1040 J), die wegen der winzigen Oberfläche nur langsam abgestrahlt wird (etwa 1022 W), hält aber für etwa 109 Jahre vor. Sobald beim Abkühlen die thermische Energie etwa gleich der Coulomb-Energie wird, ,,kondensiert“ das Fermi-Gas: Die Teilchen ordnen sich zum regelmäßigen Gitter. Die Teilchenabstände liegen zwischen 10−11 und 10−10 m, die Coulomb-Energie zwischen 10 und 100 eV, die ,,Gefriertemperaturen“ zwischen 105 und 106 K. 19.3.8 Suprafluidität Bosonen, d. h. Teilchen mit ganzzahligem Spin wie 4 He mit je zwei Protonen, Neutronen und Elektronen gehorchen der Bose-Einstein-Statistik und können jeden Energiezustand in beliebiger Anzahl besetzen. Wenn nicht die interatomaren Bindungskräfte das durch Kristallisation verhindern, kondensieren bei Abkühlung also immer mehr Teilchen im Zustand ohne thermische Energie. Damit sinkt die spezifische Wärmekapazität. Viskosität beruht auf dem Impulsaustausch zwischen verschieden schnell strömenden Schichten infolge thermischer Querbewegung. Ohne diese gibt es keine innere Reibung, die das Fließen in hauchdünnen Schichten oder Kapillaren hemmte. Die Wärmeleitung beruht immer weniger auf Stößen zwischen schnelleren und langsameren Teilchen: Wenn normale Flüssigkeit an die kalte Stelle kommt, wandelt sie sich teilweise in suprafluide um und umgekehrt. Normales He führt aber thermische Energie mit, suprafluides nicht. Der 3 He-Kern ist ein Fermion. Alle anderen Elemente, selbst Edelgase, haben zu hohe Bindungskräfte, daher wird 4 He wohl die einzige Supraflüssigkeit bleiben.
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= Kapitel 20: Lösungen . . . 20.1.1 Lineare Vielfalt I a
b
c
d
T
D
−4 −2 −2 4 −2 1 2 2 −3 −4 2 −2 1
3 3 3 1 4 1 4 3 2 2 3 1 2
−1 1 −4 −1 −3 −3 3 −3 6 5 1 3 3
−2 −4 2 2 3 5 6 −4 −4 −2 −4 2 2
−6 −6 0 6 1 6 8 −2 −7 −6 −2 0 3
11 −5 8 9 6 8 0 1 0 −2 −11 −7 −4
λ1
(λ1 −a) b
λ2
komplex −1 komplex 3 komplex 4 8 −1 −7 0,317 2,464 2,646 4
5 3 2 0 −1 0 −6,316 −4,464 −2,646 −1
0,333
(λ2 −a) b
−1
−1
−1
3 1,5 −1 −2 2,159 0,155 4,646 1,5
1 −0,5 −1 −1,5 −1,159 −2,155 −0,646 −1
20.1.2 Lineare Vielfalt II Durch die Translation, die die Inhomogenität b beseitigt, haben wir den einzigen Fixpunkt nach 0 geschoben (das homogene Gleichungssystem Ax = 0 hat nur die Lösung x = 0, falls A die Determinante D = 0 hat; den Fall D = 0 erledigen wir in den Aufgaben 20.1.4 und 20.1.7). A habe die Spur T (Summe der Diagonalelemente).√Die Eigenwertgleichung λ2 − Tλ + D = 0 hat die Lösungen λ = T/2 ± 12 T 2 − 4D. Bei D < T 2 /4 gibt es zwei reelle, bei D = T 2 /4 einen reellen, bei D > T 2 /4 zwei konjugiert komplexe Eigenwerte. Im komplexen Fall bestimmt das Vorzeichen von T , ob der Realteil positiv ist (Orbits sind Auswärtsspiralen) oder negativ (Einwärtsspiralen) oder Null (geschlossene Zyklen). Eigengeraden, an die sich die Orbits anschmiegen, gibt es nicht: Die Eigenvektoren sind auch komplex. Anders im reellen Fall D < T 2 /4: Hier teilen die Eigengeraden die Ebene in vier Sektoren. Jede Trajektorie bleibt immer in ihrem Sektor. Bei T 2 /4 > D > 0 ist die Wurzel kleiner als T/2, also haben beide λ das gleiche Vorzeichen, nämlich das von T . Bei T > 0 laufen alle Orbits auswärts (Gipfel), bei T < 0 einwärts (Senke). Bei D < 0 haben die λ verschiedene Vorzeichen: Es gibt eine Einwärts-, eine Auswärts-Eigengerade, zwischen ihnen laufen alle Orbits am Sattelpunkt 0 vorbei. Es bleibt der Fall D = T 2 /4. Die Freude über den einzigen Eigenwert λ ist verfrüht: Man braucht auch hier zwei unabhängige Eigenlösungen. Die erste heißt wieder eλt , die zweite teλt . Die Orbits schmiegen sich der einzigen Eigengeraden an, einwärts oder auswärts, je nach dem Vorzeichen von λ = T/2. Für das diskrete System x ← Ax lautet das Eigenwertproblem x = Ax oder (A− E)x = 0. Statt A muss man dann die Matrix A− E analysieren.
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20.1.3 Chemische Kinetik In der Chemie wird die Produktions- oder Zerfallsrate x˙i einer Teilchensorte direkt geregelt durch die vorhandene Konzentration xi dieser Teilchen und evtl. durch die Konzentrationen xk , k = i anderer Teilchen, mit denen i wechselwirkt. Elementare chemische Wechselwirkungen sind monomolekular (z. B.: ein Teilchen i zerfällt in ein Teilchen k) oder bimolekular (k und l reagieren und erzeugen i). Monomolekulare Reaktionsraten haben die Form aik xk , bimolekulare aikl xk xl . Das System x˙i = k aik xk beschreibt also monomolekulare Übergänge. Normalerweise ist aik > 0 und ai i < 0 (außer bei autokatalytischen Reaktionen), denn je mehr k da sind, desto öfter entsteht ein i daraus, aber i zerfällt umso schneller, je mehr davon da ist. Auch allgemeinere Reaktionssysteme (mit bimolekularen Übergängen) lassen sich linearisieren auf die angegebene Form, wenn man als xi nur die kleinen Abweichungen von den Gleichgewichtskonzentrationen bezeichnet. – Das System x˙ = Ax lässt sich lösen, indem man das Koordinatensystem dreht, was für x die Multiplikation mit einer orthonormalen Matrix S bedeutet: Der Vektor heißt in den neuen Koordinaten x = Sx. Für das Gleichungssystem bedeutet das x˙ = S x˙ = SAx = SAS−1 Sx = A x , d. h. die neue Matrix ist A = SAS−1 . Nun wähle man S so, dass seine Spaltenvektoren alle Eigenvektoren von A sind. Dann ist nämlich A eine Diagonalmatrix: In der Diagonale stehen die Eigenwerte von A, außerhalb der Diagonalen nur Nullen. Das folgt aus der Definition der Matrizenmultiplikation. Das System zerfällt dann in eai t . Rücktranslauter ganz einfache Gleichungen: x˙i = ai xi , also xi = xi0 −1 formation mit S liefert xi . Die Konzentrationen sind als Summen von Exponential- oder gedämpften Sinusfunktionen darstellbar (je nachdem, ob der betreffende Eigenwert ai reell oder komplex ist). Wenn alle Eigenwerte negativen Realteil haben, klingen alle diese Funktionen ab. Dann herrscht stabiles Gleichgewicht. Andernfalls klingen die Abweichungen vom Gleichgewicht ins Unendliche an. 20.1.4 Homogenisierung Wir suchen einen Verschiebungsvektor v, sodass in den neuen Koordinaten y = x + v das konstante Glied wegfällt. Dazu muss Av = b sein. Eine solche Lösung v dieses inhomogenen Systems existiert nicht, wenn A die Determinante 0 hat. Dann sind die Zeilenvektoren von A linear abhängig (die Spaltenvektoren auch), d. h.: Eines der x˙i lässt sich linear aus den anderen kombinieren, und dasselbe gilt für dieses xi . Man braucht sich also nur mit den übrigen zu beschäftigen. Wenn deren Systemdeterminante nicht 0 ist, hat man die Ordnung reduziert; sonst kann man noch weiter vereinfachen. 20.1.5 Eigenvektoren a b hat die Eigenwerte λ1,2 = (a + d)/2 ± Die Matrix c d 1 2 2 (a − d) + 4bc. Eigenvektor ist jeder Vektor der Geraden y = (λ − a)x/b. Ein Systempunkt auf einer solchen Geraden wandert gemäß
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x = x0 eλt . Jede andere Trajektorie lässt sich aus beiden Eigenvektoren kombinieren wie x = c1 x10 eλ1 t + c2 x20 eλ2 t . Bei großen t gewinnt das größere λ: Die Trajektorien werden dann parallel zum entsprechenden Eigenvektor. 20.1.6 Spiralen x˙ = ax + by löse man nach y auf und setze dies in die y-Gleichung ein. Man ˙ erhält x¨ − (a + d)x˙ + (ad − bc)x = 0, was sich wie im Fall der gedämpften Schwingung löst: x = eµt (x1 cos(ωt) + x2 sin(ωt)) mit µ = (a + d)/2, 1 ω = 2 −(a − d)2 − 4bc. y(t) sieht entsprechend aus mit den Konstanten y1 = ((µ − a)x1 + ωx2 )/b, y2 = ((µ − a)x2 − ωx1 )/b. Überall auf dem Radius y = mx (m = tan ϕ) gilt x˙ = (a + mb)x, y˙ = (c + md)x, d y/dx = tan β = (c − md)/(a + mb). Für den Winkel γ = β − ϕ zum Radius gilt tan(β − ϕ) = (c + md − ma − m 2 b)/(a + mb + mc + m 2 d). Die x-Achse (m = 0) wird unter tan γ = c/a, die y-Achse (m = ∞) unter −b/d geschnitten. Orbits laufen parallel zum Radius bei m = (d − a ± (d − a)2 + 4bc)/(2b). Das sind die Steigungen der Eigengeraden, die bei 4D > T 2 im Reellen nicht existieren. In diesem Fall echter Spiralen schneiden alle Orbits einen Radius unter dem gleichen Winkel, der aber für jeden Radius anders ist, im Gegensatz zur logarithmischen Spirale r = r0 eaϕ , wo tan γ = 1/a für alle Radien gleich ist, oder zur archimedischen r = aϕ, wo tan γ = r/a ist (je weiter außen, desto steiler; die beiden letzten Beziehungen folgen aus tan γ = r dϕ/r, was man leicht aus der Zeichnung abliest). Den Abstand zwischen Spiralarmen finden wir z. B. auf der x-Achse: x = 0 ⇒ tan(ωt) = −x1 /x2 . Zeitlicher Abstand ∆t ≈ π/ω, räumlicher folgt aus rn+1 /rn ≈ πµ/ω. Die log-Spirale hat hier exakt e2πa , die archimedische hat konstanten Abstand 2πa. 20.1.7 D = 0 Wenn die Determinante D = 0 ist und damit ein Eigenwert 0, der andere T = a + d, sind die beiden Gleichungen x˙ und y˙ linear abhängig: y˙ = cx/a, ˙ d. h. eine ist eigentlich überflüssig. Es bleibt z. B. x˙ = ax + by. Das wird 0, und y ebenso, auf der ganzen Geraden y = ax/b. Auf diese Gerade streben alle Orbits zu oder von ihr weg, und zwar bilden sie ihrerseits Geraden y = cx/a. Speziell bei b = c stehen sie senkrecht auf der ,,Fixgeraden“. 20.1.8 Feldlinien In einem Potentialfeld kann man die Feldstärke, hier x, ˙ als Gradient einer Potentialfunktion ϕ(x, y) darstellen: x˙ = (x, ˙ y) ˙ = ( f(x, y), g(x, y)) = −(ϕx , ϕ y ). (Index: Partielle Ableitung.) Wenn eine solche Funktion existiert, spielt die Reihenfolge der Ableitungen nach x und y keine Rolle: Es muss ϕxy = ϕ yx sein (Cauchy-Riemann-Dgl.), was hier bedeutet f y= gx und im linearen System zweiter Ordnung mit der Matrix a b einfach b = c. Die Matrix muss symmetrisch sein. Nach Aufc d gabe 12.6.4 sind die Eigenvektoren dann orthogonal, die Eigenwerte 1 1 2 2 (a + d) ± 2 2 (a − d) + 4b immer reell. Das Potential ϕ ist leicht zu
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finden: ϕ = −( 12 ax 2 + bxy + 12 dy2 ). Die Koordinatendrehung, die A diagonalisiert, bringt ϕ auf die Form ϕ = − 12 (λ1 x 2 + λ2 y2 ). Niveaulinien sind Ellipsen- bzw. Hyperbelscharen, je nachdem, ob die Eigenwerte gleiche oder verschiedene Vorzeichen haben. Damit ein System dritter Ordnung ein Potential hat, muss rot x = 0 sein (vgl. Aufgabe 6.1.4). Mit x = (u, v, w) bedeutet das w y = vz , u z = wx , vx = u y . Auch die 3 · 3-Matrix muss symmetrisch sein, die Eigenwerte sind reell, die Eigenvektoren orthogonal. 20.1.9 Grenzzyklus Natürlich ist dies nur eine hinterlistige Verkleidung von r˙ = r − (b − c cos ϕ)r 2 , ϕ˙ = a/r 2 , wie man mühsam feststellt. Einen Fixpunkt gibt es nicht, denn ϕ˙ wird nie 0. r˙ = 0 liefert den Grenzzyklus r = 1/(b − c cos ϕ), der mit der Winkelgeschwindigkeit ϕ˙ = a/r 2 durchlaufen wird. Das sieht aus wie der Flächensatz, das zweite Kepler-Gesetz, und tatsächlich gibt r(ϕ) mit b = 1/ p, c = ε/ p die Polarform der Kepler-Ellipse. Bezeichnen wir das Grenzzyklus-r(ϕ) als r0 (ϕ) und nehmen eine kleine Abweichung (ϕ) davon an, dann gilt r˙ = r˙0 + ˙ = r0 + − (r02 + 2r0 )(b − c cos ϕ), also ˙ = − : Die Abweichung klingt mit = 0 e−t ab, die Bahn ist stabil. Natürlich ist damit nichts über die Stabilität des Sonnensystems gesagt, denn der Grenzzyklus wurde auf ganz mechanik-widrige Weise erzwungen, wie schon die unsinnigen Einheiten zeigen. 20.1.10 Linearer Grenzzyklus Wir schreiben die n Systemgleichungen für die n Komponenten vektoriell: x˙ = Ax + b. Es soll x˙ = 0, also Ax = −b sein. Bei b = 0 und einer Determinante |A| = 0 gibt es genau eine Lösung, d. h. genau einen Fixpunkt (Berechnung nach der Kramer-Regel). b = 0 und |A| = 0 lässt nur die ,,triviale“ Lösung x = 0 zu; dort ist der einzige Fixpunkt. Den Fall |A| = 0 studieren wir für n = 2: ax + by = −c, dax + dby = −e führt zum Widerspruch, außer bei e = dc. In diesem Fall ist jeder Punkt der Geraden y = −(ax + c)/b eine Lösung von x˙ = 0. Aber es gilt ja y˙ = d x, ˙ also y = dx + f ( f = y0 − dx0 ). In die erste Gleichung eingesetzt: x˙ = (a + bd)x + c + b f = Ax + B mit der Lösung x = (x0 + B/A)e At − B/A. Bei A > 0 geht das gegen Unendlich, bei A < 0 gegen −B/A. Die Anfangsbedingungen selektieren also nur höchstens einen Punkt der Geraden als Fixpunkt. Grenzzyklen gibt es in linearen Systemen nicht. 20.1.11 Pendel Bewegungsgleichung ml α¨ + mg sin α = 0. Der Phasenraum hat die Koordinaten α und α. ˙ Der Energiesatz liefert Wkin = 12 ml 2 α˙ 2 = = mgl(cos Wpot√ √ α − cos α0 ), vom Vollausschlag α0 an gerechnet, also α˙ = √2g/l √cos α − cos α√ 0 . Beim Kopf stehenden Pendel α0 = π folgt α˙ = 2g/l 1 + cos α = 2g/l cos(α/2). Diese cos-Linie trennt die geschlossenen Trajektorien ohne Überschlag von den offenen mit Überschlag. Nur ganz innen (für kleine α0 ) liegen die Ellipsen des linearen Schwingers.
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20.1.12 Elektronenstoß √ √ Der Energiesatz liefert die geschlossene Lösung v = e/ 2πε0 m 1/r − 1/r0 . Bei r = r0 , v0 = 0 beginnt eine zunächst geringe Beschleunigung; nahe dem Proton kommt es auf die Anfangswerte kaum noch an; dazwischen liegt ein Wendepunkt bei r = √3r0 /4 (Nullsetzen der zweiten Ableitung). Über die Grenzkurve v = e/ 2πmε0r für r0 = ∞ kommt keiner hinaus, der mit v0 = 0 beginnt. 20.1.13 Absturz Dies ist nicht mehr geschlossen, sondern nur noch durch Iteration lösbar: m v˙ = mg − 12 A 0 e−h/ H v2 . Wir wissen aber: Nach kurzer Zeit mündet v(h) in die stationäre Kurve vst ∼ e−h/(2 H ) ein, die sich aus der Gleichheit von Schwerkraft und Luftwiderstand ergibt. Diese Einstellzeit folgt annähernd aus gt = vst , ist also in der Höhe länger. 20.1.14 Meteorit Oberhalb von etwa 80 km ist die Luft so dünn, dass abgesehen von der leichten g-Änderung die liegende Parabel des freien Falles herauskommt. Um 80 km geht sie in die e-Kurve der stationären Geschwindigkeit über. Diese Höhe sinkt, die Endgeschwindigkeit steigt mit zunehmender flächenbezogener Masse des Körpers. 20.1.15 Stabilitätsbedingung Graphisch: Ein Fixpunkt von x ← f(x) ist ein Schnittpunkt der Kurve y = f(x) mit der Geraden y = x. Die Spinne, die von x zur Kurve steigt und dann waagerecht zur Geraden geht, um das neue x zu finden usw., landet schließlich im Fixpunkt, falls die Kurve die Gerade dort von oben kommend schneidet, aber nicht steiler als 45◦ (vgl. Aufgabe 3.3.27). Analytisch: In der Nähe des Punktes xs mit xs = f(xs ) schreiben wir x = xs + u und linearisieren xs + u t+1 = f(xs + u t ) = f(xs ) + f (xs )u t , also u t+1 = λu t mit λ = f (xs ). Danach ist u t = λt u 0 . Dies geht gegen 0 oder gegen ∞, die Abweichung von xs verschwindet also oder wächst unbegrenzt, je nachdem, ob | f (xs )| ≶ 1. 20.2.1 Ein Integral Es sei In = sin2n x dx. Der Integrand sin2n−1 x sin x ergibt, partiell integriert, − sin2n−1 x cos x − (2n − 1) sin2n−2 x cos2 x dx. Mit den Grenzen 0, π/2 verschwindet der erste Term. Im zweiten setzt man cos2 x = 1 − sin2 x, womit man hinten wieder In erhält, das man natürlich mit dem vorderen zusammenfasst: In = 12 (2n − 1)In−1 /n. So π/2 arbeitet man sich hinunter bis I0 = 0 sin2 x dx = π/4 (die sin2 -Kurve 1 schwingt symmetrisch um y = 12 ). Also z. B. I3 = − 4 π5 · 3 · 1/(6 · 4 · 2) = − 14 π
−1/2 −1/2 , allgemein In = (−1)n 14 π . 3 n
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20.2.2 Noch ein Integral Eine Entwicklung nach cos α würde sehr schlecht oder gar nicht konvergieren, weil dies sogar größer ist als cos α0 . Etwas besser sähe es aus, wenn man cos α = cos2 (α/2) − sin2 (α/2) = 1 − 2 sin2 (α/2) benutzt, also sin2 (α0 /2) − sin2 (α/2) betrachtet, denn hier ist das zweite Glied meist kleiner als das erste, obgleich immer noch zu groß für eine vernünftige Entwicklung. Außerdem haben die Integrale über die einzelnen Glieder der Reihe, d. h. über sin2n (α/2), nur dann einigermaßen handliche Form, wenn die Integration sich von 0 bis π/2 oder π erstreckt. Dies erreicht man, wenn man sin(α/2)/ sin(α0 /2) = sin v setzt und somit den α-Bereich (0, α0 ) in den v-Bereich (0, π/2) transformiert. Wegen cos v dv = 2 cos(α/2) dα/ sin(α0 /2) geht dann das Integral in ein sog. elliptisches Integral zweiter Gattung über, und seine Binomialentwicklung lautet mit k = sin(α0 /2) π/2 ∞ π/2 dv −1/2 (−k2 sin2 v)n . = √ n 1 − k2 sin2 v n=0 0 0 enthält merkwürdigerweise Das Integral über sin2n v dv π/2
genau den gleichen Faktor (Aufgabe 20.2.1): 0 sin2n v dv = π4 (−1)n −1/2 n . So erhält man 2 α0 ∞ √ π dα α0 −1/2 . = 2 sin2n √ 4 2 cos α − cos α0 n 0 n=0
20.2.3 Smolletts Uhr Nach John Silvers Mord am armen Tom rannte Jim Hawkins in seiner Angst, bis er Ben Gunn traf, den halben Spyglass-Berg hinauf. Dieser mag also 800 m hoch und damit aus 100 km Entfernung sichtbar gewesen sein, was knapp 1◦ und 4 Zeitminuten entspricht. Wenn Treasure Island in der Karibik liegt, könnte die Reise 14 Tage gedauert haben. Der relative Fehler der Uhr dürfte nicht mehr als 1/2 000 betragen haben. Wenn die Amplitude α0 ihres Pendels um ihren Sollwert α1 schwankte wie α1 + α2 sin(ωt), weicht der Mittelwert der Periode vom Sollwert T1 = T0 (1 + 1 2 1 2 ◦ 16 α1 ) relativ ab um 32 α2 , also dürfte die Schwankung α2 höchstens 0,3 betragen haben. Hoffentlich hatte Captain Smolletts Uhr eine HuygensAufhängung. 20.2.4 Duffing-Rüssel Im Fall E > 0 interessieren uns große√ω. Bei mω2 D, mω2 F/x folgt aus (20.16) die Amplitude x1 ≈ 4m/(3E) ω. Die nächste Nähe√ rung schreiben wir x1 = 4m/(3E) ω + ε und setzen dies in (20.16) ein, wobei wir natürlich nur bis zum in ε linearen √ Glied gehen. Es folgt unter Beachtung der Näherung ε = −D/(2ω) 4/(3m E). Der ,,Rüssel“ (von dessen beiden Ästen eigentlich der eine im Positiven, der andere im Negativen liegt: Wurzelvorzeichen! Phasensprung um π beim Übergang vom einen zum anderen)√wird nach rechts zu immer schmäler, seine Achse bildet die Gerade x = 4m/(3E) ω. Im Fall E < 0 gibt es dann und nur dann
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drei Lösungen, also einen ,,Rüssel“, wenn D > 3(F 2 E)1/3 ist. Hier interessieren kleine ω, speziell ω = 0. Wie das ω2 in (20.16) zeigt, ist das ganze x1 (ω)-Bild symmetrisch zur x1 -Achse, die Kurven schneiden also diese Achse alle rechtwinklig (auch bei E > 0). Wie dick ist der Rüssel dort? Es geht um den Abstand zwischen der größeren positiven und dem Betrag der negativen Lösung von x 3 − 4Dx/(3|E|) + 4F/(3|E|) = 0. Da x1 + x2 + x3 = 0 (kein quadratisches Glied vorhanden), ist dieser Abstand gleich der dritten Lösung. Wenn diese klein ist, ist die gleiche Näherung wie oben erlaubt und liefert eine halbe Breite ε = −F/(2D). 20.2.5 Van der Pol Vom Fourier-Ansatz x = ∞ n=0 an cos(nωt) + bn sin(nωt) brauchen wir im kleinen Störglied −ε(xk2 − x 2 )x˙ nur die cos-Grundschwingung: −ε(xk2 − 2 a12 cos2 (ωt))a1 ω sin(ωt) = −εa1 ω(xk2 − a12 /4) sin(ωt) −2(a1 /4) sin(3ωt) 2 (vgl. Beispiel Seite n (an cos(nωt) + 1072). Dies muss gleich −mω bn sin(nωt)) + D (an cos(nωt) + bn sin(nωt)) sein. Der Koeffizientenvergleich gibt Tabelle L.10 aus den cos-Gliedern = 1 mω2
k k=2 k=3
=D a2 = 0 a3 = 0
aus den sin-Gliedern a1 = 2xk b2 = 0 b3 = −εa13 ω/(32D) = −εωxk3 /(4D)
20.2.6 Nichtlinearer Schwingkreis I˙ = (U0 cos(ωt) − RI − U )/L, U = I/(C(U/U1 + 1)), mit x = U/U0 , y = RI/U0 , z = ωt wird daraus x = By(Dx + 1), y = A(cos z − x − y). Bei A = 0,06, B = 10, D = 3 Dreierperiode, die schon bei D = 3,1 in eine Neunerperiode aufspaltet. Die beste Annäherung ans Realexperiment ergibt sich bei AB ≈ 10. Sinusform gilt nur, wenn beide Gln. effektiv linear sind, also bei x 1/D, d. h. U U1 . Dann ist x = x1 ei z , y = y1 ei z mit komplexen x1 und y1 . Einsetzen liefert y1 = A/(A + i − i AB), x1 = AB/(AB − 1 + i). Die Differentialgleichungen sind nichtautonom, formal kommt eine dritte dazu, nämlich z˙ = ω oder z = 1, womit PoincaréBendixson zufrieden sind. Bei der normalen Diode sind U und I direkt gekoppelt: I = I0 (eeU /(kT ) − 1), nicht U und Q wie beim Varaktor. Dann haben wir nur eine Gleichung L I˙ + RI + (kT/e) ln(I/I0 + 1) = U0 cos(ωt) bzw. zwei formal autonome einschließlich z˙ = ω. 20.2.7 Schaukel Das Kind verschiebt seinen Schwerpunkt mit der doppelten Frequenz der Schaukel um l1 sin(2ωt) gegenüber der mittleren Länge l0 der Aufhängung. x = x0 sin(ωt), y = l = l0 + l1 sin(2ωt) ergibt die verlangte 2 ,,liegende Acht“. Nun ist sin(2ωt) = 2 sin(ωt) cos(ωt) = 2x x/(ωx ˙ 0 ), also 2 l = l0 + 2l1 x x/(ωx ˙ 0 ). In der Pendelgleichung m x¨ + k x˙ + mgx/l würde
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dann die Summe im Nenner mehr stören als im Zähler. Da l1 l0 , können wir schreiben l = l0 + l1 sin(2ωt) ≈ l0 /(1 − (l1 /l0 ) sin(2ωt)) und erhalten m x¨ + mgx/l0 + x(k ˙ − 2mgl1 x 2 /(l02 ωx02 )). Das ist eine van der PolGleichung, allerdings mit umgekehrtem Störglied-Vorzeichen: Dämpfung bei k > 2mgl1 /(ωl02 ) (bei zu kleinem l1 kommt die Schaukel nicht in Gang), andernfalls wird die Schwingung angefacht, in dieser Näherung unbegrenzt. 20.2.8 Beta-Funktion 1 Aus I(a, b) = 0 x a (1 − x)b dx erhalten wir durch Raufintegrieren von x a und Runterdifferenzieren des anderen Gliedes b/(a + 1)I(a + 1, b − 1) (der Term ohne Integral ist 0 wegen der Grenzen). Dies treiben wir, falls b eine natürliche Zahl ist, weiter bis I(a + b − 1, 0) = 1/(a + b). Inzwischen sind b Faktoren davorgerutscht: I(a, b) = b(b − 1) . . . 1/((a + 1)(a + 2) . . . (a + b)) = b! a!/(a + b)!, allgemein I(a, b) = Γ(a + 1)Γ(b + 1)/Γ(a + b + 1) auch unganze a, b. Mit x = sin2 β, dx = 2 sin β cos β π/2 für2a+1 β cos2b+1 β dβ. folgt I(a, b) = 2 0 sin 20.2.9 Superellipsen Die Super- und Subellipsen (c = d) vermitteln den Übergang von der normalen Ellipse (c = 12 ) zum liegenden Rechteck (c = 0), nach der anderen Seite über den Rhombus (c = 1) zum Linienkreuz (c = ∞). c = 32 gibt die 1 a Astroide, unser Karo der Spielkarten. Die Fläche 4 0 y dx = 4ab 0 (1 − 1 u 1/c )d du (u = x/a, v = y/b) geht mit s = 1 − u 1/c über in 4abc 0 sd (1 − s)c−1 ds = 4abcB(d + 1, c) = 4abcd/(c + d)Γ(c)Γ(d)/Γ(c + d). Für die √ normale Ellipse folgt abΓ( 12 )2 , also Γ( 12 ) = π. Bei c > 2 sind die Pole oben und unten glatt, bei 1 < c < 2 haben sie einen Knick, bei c < 1 eine scharfe Spitze. d bestimmt entsprechend die Form der Pole rechts und links. Man sieht das aus der Stetigkeit von d y/dx ∼ x c−1 /yd−1 . Ein kleines d und großes c erzeugen Münder von beliebiger Sinnlichkeit, besonders wenn man die Exponenten für oben und unten verschieden macht. Im Dreidimensionalen ist das Super-Ei mit Exponenten > 2,5 interessant: Es steht auf jedem seiner sechs Pole stabil. Gäbe es in Spanien Superhühner, hätte Columbus es leichter oder schwerer gehabt? 20.2.10 Minimaler Flugplatz Einen Kreis vom Durchmesser L zu betonieren, ist teuer und landschaftsfressend. Die Dreispitz-Hypozykloide (Rad mit r = R/3 rollt im Kreis mit R) hat in jeder Richtung den Durchmesser L = 4R/3. Man sieht das am einfachsten, wenn man zwei Räder mit r = R/3 durch eine Pleuelstange der Länge L verbindet und im R-Kreis rollen lässt. Die Stange bleibt immer ganz in dem Dreispitz und bildet dessen Innentangente. Die Gleichung einer Hypo- oder auch Epizykloide (wo das Rad außen am Kreis abrollt) erhalten wir am besten komplex: Die Radfelge läuft auf einem R +r-Kreis, sie rotiert (R −r)/r-mal schneller als sie umläuft (Epi: r > 0, Hypo: r < 0): = (R + r)ei ϕ + rei (R−r)ϕ/r . Spaltet man das nach x und y, bildet dx und z π/2 y dx, hat man Terme mit sin2 ϕ, die π ergeben (vgl. Effektivwert!), 0
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mit sin ϕ sin(nϕ), die 0 ergeben (Fourier!), und mit sin2 (nϕ), die nπ ergeben: Im Ganzen: Fläche π(R + r)(R + 2r). Der Dreispitz (r = −R/3) hat 2πr 2 , also genau halb so viel wie der Kreis mit dem verlangten Durchmesser 4r. Wenn der Wind nur aus zwei Quadranten kommen kann, genügt ein Viertel der Astroide (Aufgabe 20.2.9). Diese entsteht auch als Hypozykloide: Rad mit r = R/4 rollt im Kreis mit R. Man sieht das aus der Parameterdarstellung x(ϕ), y(ϕ), wenn man hier cos(3ϕ) usw. in Potenzen von cos ϕ verwandelt. Es bleibt nur x = 4r cos3 ϕ, y = 4r sin3 ϕ, und der Pythagoras heißt hier x 2/3 + y2/3 = R2/3 . Die Fläche der Viertel-Astroide ergibt sich also auf zwei Arten als 3πL 2 /32, also nur 37,5% der Kreisfläche πL 2 /4. Hätten wir nicht gewusst, was Γ( 12 ) ist, hätten wir es durch den Vergleich hier erfahren. 20.2.11 Gamma-Funktion Man integriert e−t und differenziert t x−1 . Der Term ohne Integral verschwindet an den Grenzen, es bleibt (x − 1)Γ(x − 1). Für ein natürliches x ∞ kann man das bis x = 1 treiben, wo 0 e−1 dt = 1 bleibt. Die inzwi√ schen rausgeholten Faktoren bilden Γ(x) = (x − 1)!. Γ( 12 ) geht mit u = t, ∞ √ √ 2 du = dt/ t über in 2 0 e−u du, was nach Aufgabe 1.1.8 π ist. 20.2.12 Pendel-Periode I α √ α0 = π/2, cos α0 = 0 gibt T = 4 1/(2g) 0 0 dα/ cos α. Das bestimmte Integral hat den Wert Γ( 12 ) · Γ( 14 )/Γ( 34 ) = 2,622 07 (Aufgaben 20.2.8, 20.2.9), also T = 1,180 34 T0 . Die beiden ersten Glieder von (20.13) geben 1,125 T0 , die drei ersten 1,1602 T0 . 20.2.13 Pendel-Periode II √ α0 = π, cos α0 = −1 gibt t = 2 l/g dα/ cos(α/2). Wie man leicht durch Umkehrung prüft, ist dx/ cos x = ln(1/ cos x + tan x). Für die ganze Schwingung liefert der tan natürlich Unendlich (labiles Gleich√ √ gewicht); von π/2 bis 0 dauert es l/g · ln( 2 + 1) = 0,1403 T0 . Die linearisierte Gleichung würde für diese ,,Achtelschwingung“ (α0 /2 bis 0) T0 /12 liefern. 20.2.14 Van der Pol-Fixpunkt Wir schreiben die Systemgleichungen normiert: u = v, v = −u + ev(1 − u 2 ) (Ableitungen nach z = ωt). Es gibt nur einen Fixpunkt (0, 0). Die 0 1 Jacobi-Matrix lautet allgemein bzw. am Fixpunkt −1 + 2evu e(1 − u 2 ) 0 1 bzw. . Ihre Eigenwerte folgen aus λ2 − eλ + 1 = 0 und heißen λ = −1 e √ 1 2 2 (e ± e − 4). Bei e > 0 ist einer positiv: Die Orbits laufen vom Fixpunkt weg. Ob sie bis ins Unendliche laufen oder nur zu einem Grenzzyklus, kann man hieraus nicht sehen. Bei e < 0 ist (0, 0) ein Attraktor.
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20.2.15 Van der Pol-Schwänze In u + u − eu (1 − u 2 ) = 0 konkurrieren drei Glieder. Wenn z. B. u schwach wird, bleibt die Quasistationarität (QSt) u = eu (1 − u 2 ), also u = v = u/(e(1 − u 2 )). Genau dies ist der ,,Schwanz“ (für u 1 eine Hyperbel v = 1/(eu)). Warum stellt sich die QSt bei u 1 so schnell ein? Die Einstellzeit τ = 1/(eu 2 ) ist bei u 1 bestimmt viel kürzer als die Periode des Zyklus, die 2π beträgt. Warum aber bleibt die QSt nicht erhalten, sondern mündet die Trajektorie in den Grenzzyklus? Da v = v(1 + u 2 )/(1 − u 2 )2 , wird v sehr groß, wenn u sich der 1 nähert, und bricht das bisherige Gleichgewicht der beiden anderen Glieder. 20.3.1 Descartes’ Regel Beweis durch vollständige Induktion: Die Regel gilt sicher für n = 1: P1 = a0 + x hat eine positive oder eine negative Lösung, je nachdem, ob a0 negativ oder positiv ist. Wir nehmen an, die Regel gelte auch für jedes Polynom n − 1-ten Grades Pn−1 . Jedes Polynom n-ten Grades Pn lässt sich aus einem Pn−1 erzeugen durch Multiplikation mit x, Umtaufen der Koeffizienten und Addition eines neuen a0 . Nun hat Pn − a0 = x Pn−1 ebenso viele Zeichenwechsel und Nullstellen wie Pn−1 und dazu eine Nullstelle bei x = 0. Geht man zum vollständigen Pn über, verschiebt also die Kurve Pn − a0 um a0 , dann rutscht diese zusätzliche Nullstelle ins Positive oder Negative, je nachdem, ob a0 ein anderes oder dasselbe Vorzeichen hat wie die Ableitung von Pn − a0 bei x = 0, die ja einfach a1 heißt. Ein durch a0 erzeugter zusätzlicher Zeichenwechsel schafft also eine neue positive Nullstelle, ein zusätzlicher Zeichenwechsel in der abwechselnd vorzeichengeänderten ai -Folge eine neue negative Nullstelle. Beim Verschieben um a0 kann aber eine gerade Anzahl Nullstellen verloren gehen, wenn dies einen oder einige ,,Busen“ der Kurve über die x-Achse hebt oder unter sie senkt. Solche Paare verlorener reeller Nullstellen werden zu konjugiert komplexen Paaren. Hat Ihnen dies Mühe gemacht? Dann können Sie werten, wie genial manche Leute schon vor fast 400 Jahren waren. 20.3.2 Bevölkerungsexplosion I Es gibt zurzeit 5 · 109 Menschen. Sie haben, einschließlich der Entwicklungsländer, vielleicht eine mittlere Lebensdauer von 50 Jahren. Bei Stationarität müssten pro Jahr 108 , pro Sekunde 3 Leute sterben, ebenso viele geboren werden. In Wirklichkeit schätzt man eine Verdopplungszeit von etwa 25 Jahren: N = N0 exp(t/(25 ln 2)), N˙ = N/36: Es erfolgen in der Sekunde 4,6 mehr Geburten als Todesfälle. 20.3.3 Bevölkerungsexplosion II Mit 2k Kindern/Paar, die ihr fruchtbares Alter erreichen und nützen, und einer Generationsdauer T wächst die Menschheit wie N0 kt/T . Tippen wir erst auf 2k = 4 und T = 30 (mittlerer Altersunterschied zwischen Eltern und Kind). Es würde folgen N = N0 2t/30 . Wenn die wirkliche Verdopplungszeit 25 Jahre ist, müssen wir 2k auf 2 · 26/5 = 4,6 Kinder/Paar heraufsetzen. A.D. 2365 wohnte auf jedem m2 ein Mensch, wenn es so weiterginge.
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20.3.4 Sterbemodell I Modell (1) liefert in Analogie zum radioaktiven Zerfall oder zur Absorptionskurve eine exponentielle Pyramide. Modell (2) ist analog zur Absorption von α-Teilchen (Aufgabe 17.2.7) mit glockenförmiger Verteilung der erreichten Lebensalter, umso schmaler, je größer die fatale Anzahl der Defekte ist. 20.3.5 Sterbemodell II N = Anzahl der Defekte, die zum Tod führen; ν dt = mittlere Wahrscheinlichkeit für Auftreten eines Defekts in der Zeit√dt (t in Jahren). Mittleres Sterbealter N/ν = 74 a. Viertelwerts-Breite πN/8/ν = 9,5 a, also N = 23,8: ν = 0,23 a−1 . (Vgl. Aufgabe 17.2.7.) 20.3.6 Tierwachstum Das Modell sagt m˙ = am 2/3 − bm, oder durch den ,,Radius“ r des Körpers ausgedrückt (m˙ ∼ r 2 r˙ ): r˙ = A − Br, also r = A/B + (r0 − A/B) e−Bt . Für m ergibt sich eine S-Kurve, die das Wachstum vieler Tierarten ganz gut wiedergibt. Für n-dimensionale Tiere sieht r(t) genauso aus, m ∼ r n . Die S-Kurve nähert sich asymptotisch m ∞ = (A/B)n , der Wendepunkt liegt bei m w = (1 − 1/n)n m ∞ , für sehr große n also m ∞ /e, und tw = ln(n − n Br0 /A)/B. 20.3.7 Talent-Rückkopplung Sei L der Überschuss meiner ,,Leistung“ über einen gewissen ,,Normalwert“. Dieser Erfolg beflügelt mich zu weiterer Steigerung, nur begrenzt durch eine ebenfalls L-abhängige Ermüdung (heute vielfach auch durch die Furcht, aus der Reihe zu tanzen): L˙ = aL(1 − L/K ). Das ist wieder die Verhulst-Gleichung (20.27). Entscheiden Sie selbst, ob das für Sie annähernd zutrifft und wo die Parameter Ihrer Kurve liegen. 20.3.8 Bifurkation Die x-Werte der Zweierperiode sind die stabilen Lösungen von x = f( f(x)) = f 2 (x), d. h. von 1 1 1 x− + 3 . x 3 − 2x 2 + 1 + a a a
(L.1)
Eine weitere Lösung dieser Gleichung ist leicht zu finden: x = f(x) ⇒ x = f( f(x)) usw.: Alle Kurven f n (x) schneiden sich und die x-Gerade bei x = 1 − 1/a, aber dieser Punkt ist bei den meisten instabil (Betrag der Steigung > 1). Er hilft uns aber beim Lösen von (L.1): Division 2 3 dieses Polynoms durch x − 1 + 1/a √ liefert x − (1 + 1/a)x + 1/a + 1/a 2 mit den Wurzeln x2,3 = (a + 1 ± a − 2 a − 3)/(2a). Diese stationären Punkte werden instabil, wenn f 2 (x) dort steiler als −1 fällt, also ab x 3 − 3x 2 /2 + (1 + 1/a)x/2 − 1/(4a) − 1/(4a3 ) = 0. Wir subtrahieren dies von (L.1) und Gleichung mit der Lösung erhalten eine quadratische x = a + 1 ± a2 − 4a + 1 − 10/a /(2a). Dies muss gleich x2,3 sein,
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√ woraus a = 1 + 6 folgt. Einsetzen dieses a in x2,3 liefert die übrigen angegebenen Werte. 20.3.9 Anti-Wojtila Hier ist xt+1 für jedes xt > 0 sinnvoll, nämlich positiv. Stationarität bei x = 0 und xs = 1 + (1/b) ln a. Eigenwerte: f (0) = aeb , f (1 + (1/b) ln a) = 1 − b − ln a = λ = 1 − ln( f (0)). Für aeb < 1 ist x = 0 stabil, der andere Fixpunkt nicht: Die Bevölkerung stirbt aus. Bei 0 < b + ln a < 2 ist xs stabil und wird monoton angestrebt, bei 1 < b + ln a < 2 abwechselnd von beiden Seiten, oberhalb davon Bifurkation zu Periodizität mit FeigenbaumSzenario der Periodenverdopplung bis zum Chaos. 20.3.10 Lösbares Chaos Mit 1 − x = cos2 ϕ folgt xn+1 = 4 sin2 ϕn cos2 ϕn = sin2 (2ϕn ). ϕn verdoppelt sich bei jedem Schritt, aber der sin2 stutzt es immer wieder auf den Bereich (0, 2π) oder eigentlich (0, π/2) zusammen. ϕ verhält sich also in diesem Bereich genauso wie x bei der Iteration x ← 2x mod 1 im Bereich (0, 1) (Abschn. 20.4.1). Ebenso wie dort ergibt sich eine echt chaotische Folge. Die ϕ sind gleichmäßig verteilt, die x nicht: Wo sin2 ϕ flach verläuft, liegen die x dichter. Ihre reziproke √ Dichte ist proportional zu d sin2 ϕ/dϕ = 2 sin ϕ cos ϕ = sin(2ϕ) = 2 x(1 − x): An den Rändern des Intervalls steigt die Dichte steil gegen Unendlich, in der Mitte verläuft sie sehr flach. 20.3.11 Feigenbaum verallgemeinert Das Maximum von f(x) liege bei xm , f m . Wenn f m < xm , hat f 2 (x) ein Maximum ebenfalls bei xm , wenn f m > xm , hat f 2 (x) zwei Maxima dort, wo f(x) = xm , und ein Minimum bei xm . Dies folgt aus f 2 (x) = ( f( f(x))) = f ( f(x)) f (x) = 0. Die Gerade y = x kann eine solche Kurve nur an höchstens einer Stelle berühren. Beim Fixpunkt x f von f(x) ist das der Fall, bei dem Parameterwert, wo er seine Stabilität verliert, wo also f (x f ) = −1 ist: Dort ist auch f 2 (x f ) = f( f(x f )) = f(x f ) = x f , und f 2 (x f ) = f ( f(x)) f (x) = f (x f )2 = 1. Bei der zweiten Ableitung muss man noch mehr darauf achten, nach was abgeleitet wird: f 2 (x f ) = ( f( f(x))) = ( f ( f(x)) f (x)) = f (x)( f (x))2 + f ( f(x)) f (x), also bei x = x f : f 2 = f (x f )( f (x f )2 + f (x f )) = f (1 − 1) = 0. Die Tangente ist immer eine Wendetangente. Wenn mit steigendem Parameter die Buckel von f und f 2 sich stärker vorwölben, entstehen aus x f drei Schnitte der Geraden mit f 2 (x): Ein instabiler Fixpunkt ( f 2 > 1), flankiert von zwei stabilen ( f 2 < 1). Die Periode hat sich verdoppelt. Von f 2 (x) ausgehend, folgert man das Analoge für f 4 (x) usw., nur in immer engeren Parameterbereichen. Anders mit f n (x), wenn n andere Primfaktoren als 2 enthält. Dann ist auch Intermittenz möglich. 20.3.12 Intermittenz Intermittenter Übergang ins Chaos bedeutet, dass sich eine Kurve x = f(x) soeben von der Geraden y = x gelöst hat. Die Kurve y = f(x) − x hängt
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dann ähnlich einer Parabel dicht über y = 0. Wir nähern sie als y = a + bx 2 . Die Spinne zieht √ jetzt unter 45◦ und kommt, wenn sie bei x war, nur ein 2 Stück (a + bx )/ 2 weiter. Wie viele Schritte braucht sie bis x1 , wo die Engstelle überwunden, also bx1 a ist? Wenn ein √ Schritt eine Zeiteinheit 2 )/ 2, mit der Lösung x = dauert, können wir sagen dx/dt = (a + bx √ √ 1/( ab arctan( b/ax)). Den Kanal, bei x1 , √ beginnend bei −x1 , endend √ zu passieren, braucht also t = 2π/ ab Schritte (man beachte x1 > a/b). Nun springt die Spinne, wenn sie in den Kanal gerät, nicht immer an sein Ende, sondern an irgendeine Stelle des Kanals; daher braucht sie im Mittel die Hälfte dieser Passagedauer. 20.3.13 Stetig und diskret Laut (20.30) ist der Zuwachs von N in einer Generation aN(1 − N/K ), in der Zeit dt laut (20.27) A dtN(1 − N/Nst ). Dem a in (20.30) entspricht also 1 + A dt in (20.27), und dies ist nur infinitesimal größer als 1 und kann nie in den periodischen oder gar chaotischen Bereich gelangen. 20.3.14 Die Sünden der Opas Dies ist das diskrete Modell: xt+1 = xt + axt (1 − xt−1 ) nach evtl. Normierung. Stationarität: xs = 1, Linearisierung in deren Umgebung: x =xs + u, u t+1 = u t − au t−1 , Lösung u t = λt u 0 mit λ2 = λ − a, also λ = 12 ± 14 − a. Bei a < 0,25 sind beide λ reell und liegen zwischen 0 und 1: Stabilität mit monotonem An- oder Abklingen gegen x = 1. Bei 0,25 < a < 1 sind die λ konjugiert komplex mit |λ| < 1: Stabilität mit gedämpfter Schwingung um x = 1. Bei a = 1 erfolgt Bifurkation zur Instabili√ 1 tät. λ = 2 ± i a − 14 = Aeiβ mit β = arctan 4a − 1, allgemeine Lösung xt = B(eiβt + e−iβt ) = 2B cos(βt). Bei a = 1 wird β = 60◦ : Übergang zu einer ungedämpften Sechserperiode, für größere a Chaos, unterbrochen durch andere Perioden, z. B. Siebenerperiode um a = 1, 2. 20.3.15 Symbiose Einsetzen der x- und y-Werte für den vierten Fixpunkt verwandelt die Systemmatrix in 1 ac(e − d) −ae(d − e) . cd − e f −b f(c − f ) bd( f − c) Ihre Determinante D = ab(cd − e f )(e − d)( f − c)/(cd − e f )2 ist bei schwacher Symbiose (cd > e f ) immer positiv, die Spur T = (ac(e − d) + bd( f − c))/(cd − e f ) ist dann immer negativ, beide Wurzeln von λ2 − Tλ + D = 0 haben negative Realteile: Der Fixpunkt ist stabil. Dasselbe gilt in den übrigen Fällen der Öko-Tabelle, falls 0 < e < d und 0 < f < c. 20.3.16 Konkurrenz y = Ax n müsste auch die Systemgleichungen erfüllen. Wir bilden die logarithmischen Ableitungen beider Seiten: y/y ˙ = n x/x ˙ = b(1 − dy −
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fx) = na(1 − cx − ey). Es ergibt sich also ein linearer Zusammenhang zwischen y und x, was der Forderung widerspricht, außer für n = 1. Für diesen Fall müsste a = b sein, dann erfüllt y = (e − d)x/( f − c) die Forderung: Die Separatrix ist eine Gerade. Den anderen Fall, d = e und c = f (identische Ressourcen), der y ∼ x b/a ergibt, kennen wir schon aus dem Text. 20.3.17 Ökologie Mit u = cx, v = dy, z = at wird u = u(1 − u − Bv), v = Av(1 − v − Cu), wobei A = b/a, B = e/d, C = f/c. Die Vorzeichen von A, B, C sind für Räuber–Beute − + +, für Symbiose + − −, für Konkurrenz + + +. Die Jacobi-Matrix mit den Elementen 1 − 2u − Bv, −Bu, −ACv, A(1 − 2v − Cu) hat an den vier Fixpunkten (0, 0), (0, 1), (1, 0), ((1 − B)/(1 − BC), (1 − C)/(1 − BC)) die Eigenwerte 1, A (instabiler Knoten bei A > 0, Sattel bei A < 0); 1 − B, −A (stabiler Knoten bei A > 0, B > 1, sonst Sattel); −1, A(1 − C) (stabiler Knoten bei A > 0, C > 1 oder A < 0, C < 1, sonst Sattel). Der vierte Fixpunkt liegt im Positiven, wenn B > 1, C > 1 (P4 Sattel, weil Spur T4 > 0; P2 und P3 stabile Knoten, zwischen ihnen Separatrix durch P4 : Schwacher Wettbewerb), oder wenn B < 0, C < 0 und BC < 1 (T4 < 0, D4 > 0, P4 einziger stabiler Fixpunkt: Koexistenz). Bei negativen B und C sowie BC > 1 gibt es keinen stabilen Fixpunkt (starke Symbiose). Dies galt für A > 0. Bei A < 0 ist P3 fast überall stabil (für C < 1). Das Gebiet B > 1, C > 1 wird durch die Gerade C = 1 + (B − 1)/A nochmal in zwei Sektoren mit T4 < 0 (P4 stabil) bzw. T4 > 0 zerlegt. 20.3.18 Parasitismus Vorzeichen der A, B, C + −+ oder + + −: v nützt dem u, aber u schadet dem v; u parasitiert an v oder umgekehrt. Wenn der Parasit, z. B. u, es übertreibt, (C > 1 bei B < 0), tötet er seinen Wirt und könnte als Vollparasit auch selbst nicht überleben. Wegen des u-Gliedes ist er aber nicht ganz auf den Wirt v angewiesen (P3 stabil). Bei A < 0 kehren sich die Vorzeichen des v- und des v2 -Gliedes um. Das v-Glied wäre als Tod, das v2 -Glied als Solidarität zu deuten (man überlebt besser dank gegenseitiger Hilfe) oder durch eine sehr geringe Bevölkerungsdichte, bei der sich Paare nur zufällig finden (,,bimolekulare“ Zeugung). Dann könnten − + −, − − +, − − − wieder Konkurrenz, Symbiose bzw. Parasitismus von u an v bedeuten. P1 und P2 sind dann immer instabil, P3 ist stabil bei C < 1, P4 wurde in Aufgabe 20.3.17 diskutiert. 20.3.19 pH Die Säure heiße HR mit dem Säurerest R. Die Konzentrationen der Teilchen H+ , OH− , H2 O, HR, R− seien h, o, v, s, r. Dann gelten die Erhaltungssätze o + v = w, r + s = c, die Massenwirkungsgleichungen ho/v = K W , hr/s = K S und die Neutralität h = o + r. Durch Elimination von o, r, s, v aus den ersten vier Gleichungen liefert die letzte h = K S h/(K S + h) + K W w/(K W + h). Wasser ist sehr schwache Säure: K W K S und h > K W (selbst ohne Säure). So ergeben sich drei Abschnitte: (1) c K W w = 10−7 ⇒ h = K W w (Säure zu dünn); (2)
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√ K W w c K S ⇒ h = c (volle Dissoziation); (3) K S c ⇒ h = K S c (Teildissoziation). Bei der Base gilt für o Entsprechendes, h = K W w/o ist gegenläufig. 20.3.20 Auch nicht so einfach! Mit den Konstanten a + c = d, b + c = e (einige Teilchen A und B stecken ja in C) haben wir c˙ = k(d − c)(e − c) − lc, was sich von (20.27) durch das konstante Glied α = kde unterscheidet. Mit den Abkürzungen β = l + kd + ke und ε = β 2 − 4αk folgt 1 ε 2kx0 − β β + tanh − εt + artanh . c= 2k 2k 2 ε 20.3.21 Enzymkinetik Wir behalten nicht vier, sondern nur zwei unabhängige Gleichungen, z. B. für s und c: s˙ = −kse + lc = −kse0 + ksc + lc , c˙ = −˙s − mc . Solange c noch sehr klein ist, genauer c ke0 s/(ks + l + m), gilt s˙ = −ke0 s ⇒ s = s0 e−ke0 t , c = s0 (1 − e−ke0 t ) . Dieser Zustand endet spätestens, wenn eines der Glieder mit c das Glied ke0 s eingeholt hat. Dies gelingt zuerst dem Glied c(l + m + ks), das größer ist als lc. Von da ab gilt ein Quasigleichgewicht ke0 s ≈ (l + m + ks)c und bleibt auch erhalten bis zum Schluss. Trotz dieses Quasigleichgewichts ändern sich s und c, und zwar durch Erzeugung von P: ke0 s p˙ = −˙s = mc = m . l + m + ks Die Übergangszeit t1 ergibt sich aus der Übergangsbedingung ke0 s0 u mit u = e−ke0 t . c ≈ s0 (1 − u) ≈ l + m + ks0 u Da e0 s0 (wenig Enzym verarbeitet viel Substrat), ist die rechte Seite s0 , d. h. u ≈ 1, u = 1 − ε, ε ≈ ke0 /(ks0 + l + m) ,
t1 = 1/(ks0 + l + m) .
Das Quasigleichgewicht ist stabil: Sei c = cq + δ, dann ist δ˙ = cq − (ks + l + m)δ: Die Abweichung δ baut sich in einer Zeit t1 exponentiell ab, die viel kürzer ist als die Zeit t2 = s/˙s = (l + m + ks)/(mke0 ), die die Änderung innerhalb des Quasigleichgewichts kennzeichnet. 20.3.22 Inhibition Im Reaktionssystem k1
k2
E+S C→E+P k−1 m1
l1
l2
E+T D→ E+Q l−1
m2
C+T F → E+ P+Q m −1 n1
D+S
n −1
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3 2 1
3 2 1
1, 2, 3 3
1 2 3
2 1
1 2
ln L/M
3 ln k2 /m2 1
3 2 1
2 3
3 2 1
1, 2, 3 1
2
1 2 3
3
Abb. L.15. Abhängigkeiten der Produktionsrate p˙ von der Substratkonzentration s für ein Enzym mit Aktivator- bzw. Inhibitor-Stellen, aufgetragen als p(s) (Kurven) und als Line-weaver-Burk-Plot p˙−1 (s−1 ) (Geradenbüschel). Steigende Aktivatorbzw. Inhibitor-Konzentration als Parameter der Kurven ist durch die Zahlenfolge 1, 2, 3 gekennzeichnet. Die Pfeile ordnen die Diagramme den Bereichen der Koeffizienten L/M und k2 /m 2 zu (Mitte)
stellen sich sehr bald die Quasistationaritäten c k1 c = K −1 ⇒ e = K = e · s k−1 + k2 s d Kt l1 −1 =L ⇒d= = c e · t l−1 + l2 Ls f =
m 1 ct + n 1 ds m 1 t + n 1 tK/L = c = Mtc m −1 + n −1 + m 2 m −1 + n −1 + m 2
ein. Die Produktionsrate von P folgt wieder einem Michaelis-MentenGesetz, nur mit komplizierteren Parametern: p˙−1 = a(t) + b(t)s−1 , KM L +t 1 M +t , b(t) = . a(t) = c k2 M + m 2 t Lc k2 M + m 2 t Die Lineweaver-Burk-Gerade geht jetzt nicht mehr durch den Ursprung. Ordinatenabschnitt und Steigung hängen von t ab: Es entsteht ein Geradenbüschel mit dem Schnittpunkt k2 − m 2 L M−L , p˙−1 s0−1 = − 0 = c(k M − m L) . k2 M − m 2 L K 2 2 Man erhält die in Abb. L.15 dargestellten Fälle von Aktivierung oder Inhibition der P-Produktion durch T bzw. Wechsel zwischen beiden je nach Konzentration von S.
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20.3.23 Hämoglobin h i sei die Konzentration von Hb-Molekülen, in denen i Stellen besetzt sind, p der O2 -Druck. Die Hin- und Rückreaktionen zur nächsten Stufe haben die Raten (4 − i)ki−1 ph i bzw. (i + 1)li+1 h i+1 . Im Gleichgewicht gilt also h i+1 = (4 − i)ki+1 ph i /((i+ 1)li+1 ). Auf h 0 zurückbezogen: h i = 4i Pi pi h 0 mit Pi = iν=1 kν /lν = iν=1 κν . Gesamtkonzentration der 4 4 4 h i = i=0 P pi h . Gesamtkonzentration Hb in allen Stufen: h = i=0 4 i3 3i 0 i der gebundenen O2 : o = 1 ih i = 4 p 0 i Pi+1 p h 0 , Sättigungsgrad ν = o/h = 4 p 30 3i Pi+1 pi / 40 4i Pi pi . Wenn die κi mit wachsendem i schnell größer werden, liegen praktisch nur leere oder voll oxygenierte Moleküle vor: Bei p (P1 /P4 )1/3 dominiert h 0 , bei (P1 /P4 )1/3 p (1/P4 )1/4 steigt ν wie 4P4 p4 , bei p (1/P4 )1/4 ist alles voll besetzt: ν ≈ 4/(1 + z) mit z = 1/(P4 p4 ). Der Partialdruck in der Lunge sei p, im Gewebe p/β, also ∆ = νl − ν g = 4(1/(1 + z) − 1/(1 + β 4 z 2 )). Die günstigste Lage der ν( p)-Kurve folgt aus d∆/dz = 0, d. h. z = 1/β 2 , νl = 4β 2 /(1 + β 2 ), ν g = 4/(1 + β 2 ), Ausnutzungsgrad (β 2 − 1)/(β 2 + 1), z. B. 60% für β = 2. 20.3.24 Trapmodell Aus d˙ =αn(D − d) − γd, p˙ = I − β p( p − d) ergeben sich die Vorzeichen−+ matrix und das Möglichkeitsschema. Wenn p und d beide stiegen +− (beide fielen), tun sie es monoton weiter bis zum Fixpunkt. Für n, d bleibt dann beim Anklingen nur die obere Hälfte des Schemas (Abb. 20.29). Im ersten Fall steigt n ebenfalls monoton, im zweiten kann es nach einem Maximum monoton weiterfallen. Die Simulation bestätigt, dass diese Möglichkeiten auch tatsächlich eintreten. 20.3.25 Was ist besser? Die klassische Stabilitätsanalyse durch Linearisierung in der Umgebung von Fixpunkten kann nicht sagen, was weiter außerhalb passiert, z. B. ob bei Instabilität die Orbits in einen anderen Attraktor, z. B. einen Grenzzyklus, münden oder ins Unendliche. Das Möglichkeitsschema beschreibt, wenn auch nur qualitativ, den ganzen Verlauf. Wenn es nichtzyklisch ist, schließt es solche periodischen oder mehrfach-periodischen Orbits aus. Falls es zyklisch ist, kann es aber nicht sagen, wie viele Zyklen die Orbits durchlaufen oder ob sie nicht doch monoton bleiben. Allgemein erhält man nur einen Überblick über die möglichen, nicht über die bei den gegebenen Anfangsbedingungen realisierten Verläufe. Beide Überlegungen (und zusätzliche wie in Aufgabe 20.3.26) ergänzen einander. 20.3.26 Brauerei Konzentration des Substrats n im Kessel vom Volumen V , zugeführt mit der Konzentration n 1 im Volumenstrom J. Konzentration der
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Mikroorganismen m. Einfachster Ansatz bei gründlichem Rühren: n˙ = n 1 J/V − n J/V − anm = c(n 1 − n) − anm Zufuhr
m ˙ = bnm Wachstum
Abfuhr
Verbrauch zur Produkterzeugung
− m J/V = bnm − cm . Abfuhr
Normierung mittels x = bn/c, y = am/c, z = ct, d = bn 1 /c, ergibt x = d − x − xy, y = xy − y, u = x + y, d. h. u = d − u führt zur BernoulliGleichung y = −y2 + y(d − 1 − (d − u 0 )e−z ), die mit v = 1/y linear wird: v = 1 − f(z)v. Aber die Lösung (Variation der Konstanten) ist wegen der unlösbaren Integrale sehr unübersichtlich. Auch das Möglichkeitsschema allein gibt keine klare Auskunft: Beide Schemata (für d > 1 und d < 1) sind zyklisch, erlauben also beliebig viele Umläufe mit abwechselnden Extrema von n und m, also auch periodische Schwingungen. Wir machen es lieber anders: An den Fixpunkten P1 = (1, d − 1), P2 = (d, 0) hat die JacobiMatrix die Eigenwerte −1, 1 − d bzw. d − 1, −1. Bei d > 1 ist also P1 stabil, P2 ein Sattel, bei d < 1 umgekehrt. Wie münden die Trajektorien in den jeweiligen Fixpunkt? Man beachte: y = d − x ist selbst eine Trajektorie (einsetzen!), kann daher von keiner anderen Trajektorie überschritten werden und schneidet die hyperbelförmige Nullkline y = d/x − 1 genau in den beiden Fixpunkten. Bei d > 1 zerlegen die Nullklinen x = 1 und y = d/x − 1 den positiven Quadranten in vier Teile mit verschiedener Richtung der Tangentenpfeile (Abb. 20.7). Folgt man diesen Richtungen, dann sieht man: Bei y0 < d − x0 steigt x bis zur Hyperbel und muss auf dieser in den engen Zwickel 3 zwischen ihr und y = d − x einbiegen (Maximum von x), in dem sie bis P1 läuft. Entsprechend läuft sie bei y0 > d − x0 von oben in den Zwickel 1 . Bei d < 1 gibt es nur den Fixpunkt P2 : Die Bakterien verhungern infolge Unterversorgung. 20.4.1 Dreiecksdynamik x1 = 2a/(1 + 2a) ist ein Fixpunkt für a > 12 (rechter Ast des Dreiecks). Wegen f (x1 ) = −2a > 1 ist er instabil: Abweichungen von x1 werden immer größer. Eine Zweierperiode ist nur so möglich, dass x zwischen den beiden Ästen hin- und herspringt: Es muss 2a(1 − 2ax) = x sein, also x = x2 = 2a/(1 + 4a2 ). Wenn a wenig größer als 12 ist, ist der Bereich zwischen Dreiecksspitze und der x-Geraden, in dem auch x2 liegt, so eng, dass man irgendwann immer eine scheinbare Zweierperiode erreicht. Auch diese ist aber instabil: Jede Abweichung wächst schnell an. x = x3 = 2a/(1 + 8a3 ) liefert eine Dreierperiode, x = x4 = 2a/(1 + 16a4 ) mit a > 0,919 616 eine Viererperiode usw., alle instabil. Der Ljapunow-Exponent ist nämlich in jedem Fall positiv, denn | f (x)| ist auf beiden Ästen größer als 1. 20.4.2 Irrationale Überraschung Von Rationalzahlen reden wir nicht: In ihnen wiederholt sich nur eine bestimmte Ziffernfolge, aber sie bilden eine verschwindende Minderheit; die Menge der Irrationalzahlen ist im Gegensatz zu ihnen nicht abzählbar. Wir greifen irgendeine Irrationalzahl heraus. Gibt es in ihr z. B. eine
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Ziffer 7? Wenn nicht, kommen nur die neun anderen Ziffern vor. Wenn man z. B. die ersten 100 Ziffern betrachtet, gibt es nur 9100 Zahlen ohne 7 unter 10100 Zahlen überhaupt. Nur jede 38 000-ste Zahl ist dort ohne 7. Für unendlich viele Ziffern geht dieses Verhältnis gegen Null. Es ist aber egal, ob man mit der Zählung vorn anfängt oder erst nach der ersten 7, also kommen in fast allen Zahlen noch unendlich viele Ziffern 7. Dass wir aber dezimal schreiben, ist nur ein anatomischer Zufall. Ein Tausendfüßler rechnet wahrscheinlich im Tausendersystem und hat z. B. eine eigene Ziffer für 777. Für diese gilt dasselbe wie für unsere 7: Auch diese wie jede Ziffernfolge wiederholt sich fast immer unendlich oft. 20.4.3 Mal anders Die schulmäßige Lösung wird für a > 14 komplex, Parabel y = x 2 + a und Gerade y = x schneiden sich nicht mehr. Das Spinnweb-Verfahren muss gegen ∞führen. Auch für a < 14 ist das der Fall, wenn man mit x0 > x2 = 12 +
− a beginnt. Wenn überhaupt Konvergenz erfolgt, näm lich bei − 14 < a < 34 , dann gegen die kleinere Lösung x1 = 12 − 14 − a. Für − 54 < a < − 34 oszilliert x zwischen zwei Werten, deren Summe und x2 der Abimmer −1 ist. Warum all dies? Die Fixpunkte x1 √ bildung x ← x 2 + a = f(x) haben f (x) = 2x = 1 ± 1 − 4a. Für x2 ist das immer > 1: Instabilität. x1 ist nur für − 34 < a < 14 stabil. Bei a = − 34 schließt sich die Zweierperiode an: x ← f(, f(x)) = x 4 + 2ax 2 + a2 + a hat dieselben Fixpunkte wie x ← f(x), aber zwei mehr, − x2 ) lässt x3 und x4 . Division des Polynoms f( f(x)) durch (x − x1 )(x 1 eine quadratische Gleichung mit den Lösungen x3,4 = − 2 ± 14 − a − 1 übrig. Da f(x3 ) = x4 und f(x4 ) = x3 , ist z. B. an der Stelle x3 : d f( f(x))/dx = f ( f(x3 )) f (x3 ) = f (x4 ) f (x3 ) = 4x4 x3 = 4(a + 1). Dies ist −1 bei a = − 34 , +1 bei a = − 54 (Anfang bzw. Ende der Zweierperiode). Mit noch kleinerem a folgt eine Kaskade von Periodenverdopplungen (nicht ganz im Feigenbaum-Rhythmus) bis zum Chaos, das ab a = − 1,401 16 ausbricht. 1 4
20.4.4 Ljapunow-Exponent Ein Fixpunkt von x ← f(x) hat f (x) < 1, und da sich die Trajektorie überwiegend in seiner nächsten Umgebung aufhält, ist L als Mittelwert der | ln f | negativ. Bifurkation bedeutet Verlust der Stabilität (marginale Stabilität), angezeigt durch f (x) = −1, und damit L = 0. Im Bereich der Zweieroszillation zwischen x2 und x3 ist f( f(x2 )) = x2 ; x2 ist Fixpunkt nicht von f , aber von f( f ), dessen Ableitung heißt f (x2 ) f (x3 ) und ist, absolut genommen, < 1, die Trajektorie ist meistens abwechselnd dicht bei x2 und x3 , woraus wieder L < 1 folgt. Entsprechendes gilt für höhere Perioden und Bifurkationen. Nur im Chaos ist L > 1. Leider kann man diese wichtige Signatur des Chaos nicht gleich der Iterationsgleichung ansehen, sondern erst durch ihre Ausführung prüfen.
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20.4.5 Koch-Garten Bei jedem Schritt werden aus den drei Stücken einer Seite vier, also multipliziert sich die Länge mit 43 und geht demnach gegen Unendlich. Bei der Fläche wird der Zuwachs dagegen immer kleiner: Beim n-ten Schritt wächst aus jeder der 3 · 4n−1 Seiten ein neues Dreieck hervor, das 9n -mal kleiner ist als das bei Stufe 0, das als Einheit gelte: Fläche 1 + 13 (1 + 49 + 42 /92 + . . . ) = 85 . Die Koch-Kurve hat nirgends eine Tangente. Herr X. ist nirgends und geht in keine Richtung. Wenn Sie es nicht glauben, zeigen Sie, wo er ist und wie er geht! Verdreifachung des Maßstabs bringt eine neue Zackengeneration zum Vorschein, womit die gemessene Länge sich vervierfacht (nicht nur um den Faktor 3 wie der Maßstab, sondern um 43 mehr). Die Hausdorff-Dimension ist ln 4/ ln 3 = 1,2619. 20.4.6 Cantor-Staub Maßstabsvergrößerung um den Faktor 3 enthüllt neue Löcher, ändert die gemessene Länge um den Faktor 2. Dimension ln 2/ ln 3 = 0,631. Der Sierpinski-Teppich ändert bei jedem Schritt seine Fläche um den Faktor 89 , der Schwamm um 26 27 , zum Schluss bleiben Gespinste von der Fläche bzw. vom Volumen Null. Verdreifachung des Maßstabs bringt Faktoren 8 bzw. 26 in Fläche und Volumen: Dimension 1,893 bzw. 2,966. 20.4.7 Affine Transformation I Es genügt zu beweisen, dass A(x + y) = Ax + Ay und speziell A(mx) = m Ax ist (reelles m; distributives Gesetz). Natürlich: Die i-te Komponente von Ax ist das Skalarprodukt des i-ten Zeilenvektors von A mit x, und die skalare Multiplikation ist distributiv. Die Gerade x = a + mb (Gerade in Richtung b, zu der der Vektor a vom Ursprung aus hinführt) geht also über in x = a + mb mit a = Aa, b = Ab. Parallele Gerade lassen sich durch das gleiche b, nur mit verschiedenen a darstellen, also auch nach der Transformation durch das gleiche b . Die durch m gegebenen Längenverhältnisse ändern sich nicht. 20.4.8 Affine Transformation II Hier handelt es sich offenbar um Abbildungen der Ebene, vermittelt a b durch die Matrix A = . Das Quadrat aus den Punkten (0, 0), c d (1, 0), (0, 1), (1, 1) z. B. wird zum Parallelogramm mit den Ecken (0, 0), (a, c), (b, d), (a + b, c + d). Die Verhältnisse paralleler Strecken bleiben ja erhalten. Der ins Quadrat einbeschriebene Kreis wird zur Ellipse zusammengedrückt. Eine nicht verzerrende Matrix muss die Form cos ϕ sin ϕ A=a haben. Ihre Eigenwerte sind λ1,2 = e±iϕ . All− sin ϕ cos ϕ gemein tritt Dehnung oder Stauchung ein in den Hauptrichtungen, die sich durch die Drehmatrix der Hauptachsentransformation ergeben. Die Verzerrungsfaktoren sind die Beträge der (meist komplexen) Eigenwerte λ1,2 = 12 (a + d ± (a − d)2 + 4cb), der Elemente der Diagonalmatrix.
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20.4.9 Farn T2 verkleinert unverzerrt um den Faktor 0,85 und dreht um 1,75◦ , erzeugt also aus dem ganzen Wedel den Rest, der bleibt, wenn man unten zwei Seitenäste weglässt. Wendet man T2 sehr oft an, gelangt man von der n Länge 1 ausgehend bis ∞ n=0 0,85 = 6,67. T1 zieht das Bild in x-Richtung auf die Breite 0 zusammen, in y-Richtung um den Faktor 0,17: Das ergibt die Stängel, auch die der Seitenzweige. T3 und T4 bilden die Seitenzweige, die bei 1,2 bzw. 3 ansetzen und schmäler sind als der ganze Wedel. 20.4.10 Julia und Mandelbrot Bei c = 0 konvergiert die Folge z, z 2 , z 4 , . . . genau für |z| < 1: Die JuliaMenge ist der Einheitskreis. z = x + iy geht mit c = a + ib über in z = x + iy = x 2 − y2 + a + i(2xy + b). Bei reellem c ändert der Übergang zu z = x − iy nur das Vorzeichen von z , was keinen Einfluss auf die Konvergenz hat. z ∗ geht über in z ∗ (der Stern bedeutet: konjugiert komplex). Die Julia-Menge ist symmetrisch zur x- und zur y-Achse. Allgemein: Ist ein Imaginärteil b vorhanden, muss man mit dem Vorzeichen von y auch das von x ändern, damit sich an z nichts ändert. Die Julia-Menge ist jetzt nicht mehr axial-, sondern nur noch punktsymmetrisch um z = 0. 20.4.11 Brennlinie Sollte es sich um eine Epi- oder Hypozykloide handeln, müsste sie so zustande kommen: Ein Rad vom Radius R/4 rollt auf einer Kreisscheibe vom Radius R/2 außen ab (R: Radius des Glases). Wir beweisen: (1) Wenn das Rad das Glas in A berührt, geht der in A reflektierte Strahl durch den entsprechenden Hypozykloidenpunkt P auf seiner Felge. (2) Wenn das Rad ein bisschen weiterrollt, bleibt der Punkt auf seiner Felge auf dem reflektierten Strahl. Beweis für (1): M = Radmittelpunkt, α Winkel von AM gegen Horizontale. Winkel PM A = 180◦ − 2α. Genau um so viel hat sich das Rad seit der Mittellage gedreht, da sein Radius halb so groß ist wie der der Scheibe, auf der es abrollt. P ist also der Hypozykloidenpunkt. Beweis für (2): Wir drehen das Bild so, dass das Rad momentan horizontal rollt. Wenn es nur ganz wenig weiterrollt, ist es egal, ob es auf einem Leitkreis oder einer Leitgeraden abrollt. Die Kurve, die P beschreibt, steigt also wie bei der normalen Zykloide um 90◦ − β/2. Hier ist aber β = 2α. Steigung gegenüber Leitkreis 90◦ − α. Dieser selbst steigt um 90◦ − α, also Steigungswinkel insgesamt 180◦ − 2α, und das ist auch die Richtung des reflektierten Strahls. Dieser bildet also tatsächlich die Tangente an die Hypozykloide, was auch für die Brennlinie gilt. 20.4.12 z 3 = 1 Die Funktion y = z 3 − 1 hat bei z = 0 eine horizontale Tangente, der Newton-Algorithmus divergiert also sofort: Bei z 0 = 0 liegt das schlimmste schwarze Loch. Das nächste (z 1 ) liegt da, wo man beim ersten Schritt nach z 0 = 0 gelangt, das zweite (z 2 ), wo man erst nach z 1 , dann nach z 0 gelangt usw. Die Tangente im Punkt (z n , f(z n )) hat die Steigung 3z 2n . Soll sie auch durch (z n−1 , 0) gehen, muss gelten (z 3n − 1)/(z n − z n−1 ) = 3z 2n oder z 3n − 32 z n−1 z 2n + 12 = 0. Man erhält die reellen Werte − 0,7937; − 1,434;
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− 2,251; . . . Die ,,Trilobiten“ zwischen diesen Werten alternieren also in ihrer Größe. Auf demselben Kreis um 0, um 120◦ versetzt, gibt es je zwei komplexe Lösungen derselben Gleichungen. Aber im Komplexen liegen unendlich viel mehr schwarze Punkte, zwischen je zwei ,,Trilobiten“, auch den winzigsten. Die Gleichung z 3 − 32 z 2 z n−1 + 12 = 0 gilt auch im Komplexen und erzeugt aus jedem schwarzen Loch der Ordnung n − 1 bei z n−1 nach dem Fundamentalsatz der Algebra drei Lösungen z n . Aus z 0 entstehen so drei Löcher z 1 , daraus neun Löcher z 2 , daraus 27 . . . In Abb. 20.36 ist die Genealogie der Löcher so bezeichnet: Vom Loch 21 stammen ab die Löcher 211, 212 und 213 usw. 20.4.13 Iteration Die erste Aussage folgt aus der Kettenregel der Differentiation: Der Strich bedeutet ja immer Ableitung nach dem dahinterstehenden Argument, also f 2 (x) = f ( f(x)) f (x) = f (x1 ) f (x0 ). Für einen Fixpunkt sind alle xi identisch, was die beiden nächsten Aussagen bestätigt. Ein stabiler Fix punkt x hat f (x) < 1, also ist dort f n (x) erst recht < 1: Die Stabilität überträgt sich auf die geschachtelten Iterationen, ebenso die Instabilität. 20.4.14 Percolation Die leitenden Teilchen bedeuten Wasser, die nichtleitenden Land. Bei kleinem p bilden sich isolierte Inseln im Meer, bei großem eine Seenlandschaft. Der Stoff leitet, wenn man mit dem Boot von der Ost- zur Westküste kommen kann. Das ist genau dann der Fall, wenn man nicht trockenen Fußes von Nord nach Süd gehen kann. Wasser und Land sind also völlig gleichberechtigt: Der Übergang zwischen beiden Fällen liegt bei p = 12 . Beim Drei- oder Viereck ist das anders: Es gibt zwei Sorten Nachbarn; die einen berühren sich mit der Seite, die anderen mit der Spitze, was nicht als echter Kontakt zählt. Hier gibt es einen Bereich um p = 12 , wo weder das Boot noch der Wanderer durchkommt. 20.4.15 Wurzel √ Für a wähle man den Schätzwert x0 . Was am exakten Ergebnis fehlt, nenne man y0 , d. h. (x0 + y0 )2 = a ≈ x02 + 2x0 y0 , daraus y0 = 12 (a/x0 − x0 ) und die nächste Näherung x1 = 12 (x0 + √a/x0 ). Die Rechnergenauigkeit ist nach wenigen Schritten erschöpft. n a erhält man analog durch die Iteration xi+1 = (a/xin−1 + xi (n − 1))/n. Diese Art Iteration setzt offenbar voraus, dass man die Umkehrfunktion, hier die Potenz, beherrscht. Mit ex oder sin x muss man anders vorgehen. Entweder man erinnert sich an die Taylor-Reihen (echte Iteration) oder an die Definition von ex als lim(1 + x/n)n . Mit n = 232 (viermal Quadrieren) gibt der einfachste Taschenrechner e √ ≈ 2,718 239 964, also fünfstellige Genauigkeit. Umgekehrt ist ln x ≈ n( n x − 1); mit n = 220 folgt ln 10 ≈ 2,3025 (fünf Stellen stimmen). 20.4.16 Trick 17 Die fallende Funktion ae−x schneidet die Gerade y = x genau einmal. Die Ableitung −ae−x ist am Fixpunkt gleich −x. Dies muss zwischen
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−1 und 1 liegen, damit dieser Fixpunkt stabil ist. x = 1 bedeutet ae−1 = 1, d. h. a = e; x = −1 bedeutet a = 1/e. Außerhalb des Bereichs 1/e < a < e kehre man die Funktion um: x ← − ln(x/a). Ihre Ableitung hat dann als Kehrwert der Ableitung von ae−x bestimmt einen Betrag < 1. 20.4.17 Charlier-Modell Die Hausdorff-Dimension ist geometrisch definiert, also müssen wir zuerst Massen in Volumina verwandeln, z. B. durch die Annahme, dass Sterne im Mittel ungefähr die gleiche Dichte haben. Wenn nun ein System n + 1-ter Ordnung aus N Systemen n-ter Ordnung besteht, deren Durchmesser dn und deren Abstand Rn = brn ist, hat es selbst die Masse Mn+1 = NMn und den Durchmesser dn+1 = N 1/3 brn . Bei jedem Schritt wächst die Masse um den Faktor N, der Durchmesser um den größeren Faktor bN 1/3 , sodass die Dichte gegen 0 geht: Die Hausdorff-Dimension ist D = log N/ log(bN 1/3 ) = 3/(1 + 3 log b/ log N ). Für Galaxiencluster gilt etwa b = 10, N = 10 000; wenn das sich so weiterstaffelt, hat das Weltall D = 1,71. Moderne Beobachtungen deuten allerdings eher auf eine Schaumstruktur mit ,,großen Mauern“ u. Ä. hin, aber auch auf ,,große Attraktoren“, die vielleicht solche Super-Superclusters sind. 20.4.18 Hele-Shaw-Muster Beim Auseinanderziehen dringt die Luft nicht allseitig ein, sondern in Form einiger langer Zungen, die sich bald immer mehr verzweigen. Nach der Trennung hat man auf beiden Platten ein sehr fein verästeltes System von scharfen Rücken mit einem flachen Hof, der jeden Ast beiderseits begleitet. Im Positiv wie im Negativ ähnelt dies einem Flusssystem oder einem Strauch oder stark verzweigten Kraut. Der Ingenieur, der ein Gebiet durch Wasser- oder Stromleitungen versorgen oder dem Straßenverkehr erschließen soll, erzeugt ganz ähnliche Muster, ebenso wie ein Embryo, der seine Blutgefäße anlegt. Da man Fett, das einmal im Fließen ist, leichter weiterschieben kann, versteht man, warum eine zufällige Einbuchtung sich zum langen Fjord vertieft. Aber warum verzweigt dieser sich nach ziemlich wohldefinierter Länge? Es handelt sich ja um ein negatives fraktales Wachstum, und auch dabei zeigt die Laplace-Gleichung oder anschaulicher die Gummimembran, dass an stark gekrümmten Stellen der größte Vortrieb wirkt (vgl. Abschn. 20.4.3). 20.4.19 Ein unmögliches Ergebnis Man warte besonders lange in dem Zustand, wo einige Kugeln noch gerade über die Trennwand hüpfen können. Dabei wird man beobachten, dass sie auf einer Seite höher springen, nämlich da, wo zufällig weniger Kugeln sind. Die meisten Kugeln in jeder Hälfte bilden ja ein schwebendes Kissen, das das Hochspringen der Vorwitzigen behindert. So verstärkt sich eine anfängliche Überzahl einer Seite von selbst dauernd, bis im Extremfall alle N Kugeln in einer Hälfte sind, entgegen der angeblich winzigen Wahrscheinlichkeit von 2−N . Selbstverstärkung, auch als positive Rückkopplung oder Autokatalyse zu bezeichnen, führt hier wie in allen diesen Experimenten zu einem Keim der Strukturbildung.
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20.4.20 Stromsystem Das hohe Feld an der Drahtspitze polarisiert zunächst die nahe gelegenen Kugeln und zieht die entstandenen Dipole infolge seiner Inhomogenität an. Zwischen sich berührenden Kugeln brechen Ladungstrennung und Feld zusammen, und nur am Ende einer solchen Kette oder an scharfen Knicken herrscht noch ein Feld, das weitere Kugeln angliedert. Bei einseitiger Erdung entsteht manchmal ein Bäumchen, das an das Amazonasbecken erinnert. 20.4.21 Versorgungsnetz Die Natur löst viele solche Optimierungsprobleme durch Analogcomputer; speziell meint die Bionik, die Lebewesen hätten durch Millionen Jahre Versuch und Irrtum optimale Lösungen gefunden. Bäume verästeln sich so, dass überall die gleiche, als erträglich betrachtete mechanische Spannung herrscht, dass also der Gesamtquerschnitt ober- und unterhalb der Verzweigung gleich ist. Sogar die exakte Form des Astwuchses mit seinen Abrundungen, der Wundheilstellen und der Wurzelanordnung folgt diesem Prinzip, wobei nicht nur Gewichte, sondern vor allem winderzeugte Drehmomente eingehen. Vieles lässt sich auf Wasser- und Stromleitungen übertragen. Der Blutkreislauf sollte laminar sein; wegen V˙ ∼ r 4 gelten hier andere Radienverhältnisse. Welches ist das kürzeste Straßennetz, das n Städte verbindet? Rechnerisch nicht einfach. Stellen Sie die Städte durch Nägel in einem Brett dar, legen Sie eine Glasplatte darauf und tauchen alles in Seifenlösung: Die Seifenhäute zwischen den Nägeln lösen das Problem, allerdings ohne Unterschiede im Verkehrsaufkommen zu berücksichtigen. Meist bilden sich Knoten außerhalb der Städte, die sich dorthin verschieben, wo die Oberflächenkräfte im Gleichgewicht sind (120◦ -Winkel!). Löst die Potentialtheorie, die ja hinter dem Prinzip der Minimalflächen steckt, auch das allgemeinere Problem, indem sie verschiedene zu übertragende Leistungen, Volumen- oder Verkehrsströme, also Straßenbreiten, Querschnitte usw. durch Kräfte verschiedenen Betrages darstellt? Hier liegt ein unermessliches Feld für Fragen und Antwortversuche. 20.4.22 Konvektionszellen Der von Wärmeleitung getragene Wärmestrom wächst proportional zum Temperaturgradienten: Für den Auftrieb eines Flüssigkeitspaketes, das zufällig etwas aufsteigt, gilt auch F ∼ grad T (Aufgabe 5.4.9), aber der durch dieses F angetriebene Flüssigkeitsstrom transportiert bei gleichem V˙ umso mehr Wärme, je höher grad T ist. Der konvektive Transport steigt also mit höherer Potenz (ungefähr der zweiten) von grad T als die Leitung und muss diese irgendwann überholen. Quantitativ: Leitung bewirkt jL = −λgrad T , Konvektion jK ≈ vc∆T ≈ c∆Tr 3 g 2 βgrad T/η (vgl. Aufgabe 5.4.9). Gleichheit beider liefert bis auf einen Zahlenfaktor dasselbe Kriterium wie die kausale Betrachtung in Aufgabe 5.4.9. 20.4.23 Video-Rückkopplung Ein gutes Video-Kabel soll die Signale der Kamera oder des Recorders linear auf den Bildschirm übertragen, um Verzerrungen der Grau- oder
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Farbwerte zu vermeiden. Die Folge Schirmbild, von Kamera gesehen – Bild, auf Schirm übertragen – . . . ist dann eine lineare Iteration mit linearer Abbildungsfunktion. Man sieht nur einen je nach Blendenöffnung bis ins blendend helle oder stockfinstere Unendlich laufenden Gang, bei Kippung eine Wendeltreppe aus immer kleiner oder größer werdenden Bildschirmen (Attraktor oder Repulsor). Chaotische, ständig unvorhersagbar wechselnde Bilder von oft abenteuerlicher Schönheit entstehen erst mit einem nichtlinearen Übertragungsglied. Dies kann ein nichtlinearer Verstärker sein oder einfach ein RC-Glied, aber ein nichtabgeschirmtes Kabel mit seinem effektiven RC genügt bei diesen Signalfrequenzen (um 10 MHz) auch: Es schneidet ja die Signale um ω = 1/(RC) ab. 20.4.24 Hamiltons Prinzip Das System sei beschrieben durch die Koordinaten xi und ihre Ableitungen vi = x˙i . Die Lagrange-Funktion hängt dann ab von xi (t), x˙i (t) und vielleicht auch t direkt. Nehmen wir an, wir hätten die Trajektorie xi (t), x˙i (t) gefunden, für die das Integral ein Extremum hat (hoffentlich ein Minimum). Dieser Verlauf ist dadurch gekennzeichnet, dass sich das Integral W = L dt kaum ändert (nur in höherer Ordnung), wenn wir statt xi (t) die nahe benachbarte Trajektorie xi (t) + εu i (t) mit sehr kleinem ε setzen. Nullsetzen der Ableitung von W nach ε ergibt also den gesuchten Verlauf. Da ε klein ist, können wir nach Taylor entwickeln: L(xi + εu i , x˙i + εu˙ i , t) ≈ L(xi , x˙i , t) + ε(u i ∂L/∂xi + u i ∂L/∂ x˙i ) . Unter dem Integralzeichen kann man nach ε differenzieren und er hält für jedes i als Extremumsbedingung dW/dε = (u i ∂L/∂xi + u˙ i ∂L/∂xi ) dt = 0. Der zweite Term ergibt, partiell integriert, u i ∂L/∂ x˙i − u i d/dt(∂L/∂ x˙i ) dt. Weil u i an beiden Grenzen Null ist, bleibt nur das zweite Integral, und insgesamt muss sein u i (∂L/∂xi − d/dt(∂L/∂ x˙i )) dt = 0. Da aber die Verschiebung u i (t) ganz willkürlich war, lässt sich das nur allgemein erreichen, wenn d/dt(∂L/∂ x˙i ) − ∂L/∂xi = 0 ist. Dies ist die Euler-Gleichung des allgemeinen Variationsproblems. Im Beispiel der Mechanik bilden diese Gleichungen für alle i die Lagrange-Gleichungen zweiter Art, die in cartesischen Koordinaten in Newtons Bewegungsgleichungen übergehen. 20.4.25 Fermats Prinzip Kompass und Bordcomputer stecken natürlich in der Welle. Sie schnüffelt sozusagen auch Wege ab, die dem optimalen benachbart sind, und erkennt dann durch Versuch und Irrtum, dass diese Wege nichts taugen. Man kann nämlich alle diese denkbaren benachbarten Wellen überlagern, und sie werden nur auf dem optimalen Weg konstruktiv interferieren. Nebenbei löschen sie sich so weitgehend aus, dass nur die Beugungserscheinungen übrig bleiben.
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20.4.26 Lorenz-Bifurkationen Der Fixpunkt (0, 0, 0) verliert bei β = 1 seine Stabilität, wie √ im Text γ(β − 1), diskutiert, und gleichzeitig werden die beiden anderen (± √ ± γ(β − 1), β − 1) reell. Für sie heißt die charakteristische Gleichung für die Eigenwerte f(λ) = λ3 + (1 + α + γ)λ2 + γ(α + β)λ + 2αγ(β − 1) = 0. Sie hat keinen Zeichenwechsel, also nach Descartes keine positiv reelle Lösung, demnach entweder drei negative oder eine negative und ein komplex konjugiertes Paar. Am Übergang zwischen beiden Fällen fallen zwei reelle Lösungen zusammen, die Kurve f(λ) berührt dort mit ihrem Minimum die λ-Achse. Hier verwandeln sich die bisher stabilen Knoten in einlaufende Spiralen. Das komplexe Paar hat ja zunächst noch negative Realteile, die Stabilität bleibt vorläufig erhalten. Wo die Doppelwurzel liegt, ist mühsam zu berechnen. Man schreibe die charakteristische Gleichung x 3 + bx 2 + cx + d = 0, substituiere y = x − b/3, was auf f(y) = y3 + 3 py + 2q = 0 mit p = c/3 − b2 /9, q = b3 /27 − bc/6 + d/2 führt. Bedingung für die Doppelwurzel: f = 0 und f = 0, woraus folgt y = −q/ p, und dies in f = 0 eingesetzt gibt p3 + q 2 = 0. Bei α = 10, γ = 3 z. B. ergibt das β = 1,385. Das zweite wichtige Ereignis findet statt, wenn das komplexe Paar die imaginäre Achse überschreitet, also die Wirbel instabil werden. Dann müssen die Eigenwerte lauten δ, iε, −iε, und f(λ) heißt (λ − δ) · (λ − iε) · (λ + iε) = λ3 + δλ2 + ε2 λ + δε2 = 0. Vergleich mit der Originalgestalt ergibt δ = 1 + α + γ = 2α(β − 1)/(α + β) oder β = (3 + α + γ)/(α − 1 − γ). Bei α = 10, γ = 3 haben wir für 1,385 < β < 26,67 stabile Spiralen, darüber den chaotischen Lorenz-Attraktor. 20.4.27 Das Apfelmännchen auf dem Feigenbaum Mandelbrot geht einfacher, weil er kein lineares Glied enthält. √ Das Komplexe stört dabei gar nicht. Mit x = 1/2 − z/a, a = 1 + 1 − 4c können wir die Ergebnisse auf die logistische Iteration übertragen. Der einfache Fixpunkt ist definiert durch z = z 2 + c. Das Produkt der beiden Lösungen ist c(Vieta: z 2 − z + c = (z − z 1 )(z − z 2 )). Stabilitätsgrenze: | f (z i )| = 2|z i | = 1. So erhält man die Epizykloide, die den großen ,,Apfel“ begrenzt. Die Zweierperiode verlangt z 3 = f(z 2 ) = f( f(z 1 )) = z 41 + 2cz 21 + c(1 + c) = z 1 . Das Polynom z 4 + 2cz 2 − z + c(1 + c) = 0 hat vier Wurzeln, deren Produkt c(c + 1) ist. Zwei davon kennen wir schon: Die einfachen Fixpunkte erfüllen die Periodizitätsbedingung auch. Ihr Produkt ist c. Für die beiden anderen bleibt das Produkt 1 + c. Stabilitätsgrenze: | f 2 (z 1 )| = | f (z 2 ) f (z 1 )| = 4|z 2 z 1 | = 4|1 + c| = 1: Kreis um −1 mit Radius 14 . Bei der Dreierperiode ergibt sich ein Polynom achten Grades mit dem Produkt c(c3 + 2c2 + c + 1) der acht Wurzeln. Zwei davon für die Einerperiode sind für das c verantwortlich, die sechs anderen bilden drei konjugiert komplexe Paare. Je drei von ihnen ergeben die Stabilitätsgrenze | f 3 | = | f (z 3 ) f (z 2 ) f (z 1 )| = 8|z 3 z 2 z 1 | = 1, alle sechs 6 also 64 1 z i = 64(c3 + 2c2 + c + 1) = ±1. Man findet leicht die Lösung c = − 74 = − 1,75 für +1 und numerisch √ c = − 1,759 708 für −1, sowie dann die beiden anderen c = − 18 ± i 35/8. Die reelle entspricht dem winzigen scheinbar isolierten Apfelmännchen ganz links, das komplexe Paar den beiden großen Buchten oben und unten auf dem großen Apfel.
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Vergleich der Mandelbrot- und der Feigenbaum-Grenzen im Reellen: Ei3 zwischen − 34 nerperiode zwischen 14 und √ − 4 bzw. 1 und 3, Zweierperiode 5 7 und − 4 bzw. √ 3 und 1 + 6. Dreierperiode zwischen − 4 und − 1,759 708 bzw. 1 + 8 = 3,828 427 und 3,835 285.
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