Hendrik Weber Familienexterne Unternehmensnachfolge
GABLER RESEARCH
Hendrik Weber
Familienexterne Unternehmensnach...
73 downloads
1668 Views
5MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Hendrik Weber Familienexterne Unternehmensnachfolge
GABLER RESEARCH
Hendrik Weber
Familienexterne Unternehmensnachfolge Eine empirische Untersuchung über Akquisitionen von Familienunternehmen Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Michael Schefczyk
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität TU Dresden, 2009
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Claudia Jeske | Stefanie Loyal Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2045-4
V
Geleitwort Die Dissertation von Hendrik Weber beschäftigt sich mit der Unternehmensnachfolge bei Familienunternehmen, und zwar speziell mit der Variante, bei der der personelle Wechsel auf der Eigentums- und Führungsebene familienextern erfolgt. Diese Variante wird als Akquisition von Familienunternehmen bezeichnet. Sie wurde in der betriebswirtschaftlichen Forschung seltener betrachtet als eine Kontinuität innerhalb der Familie, die in Deutschland traditionell als Normalfall der Nachfolge gilt. Hendrik Weber stellt in diesem Zusammenhang die Frage, ob derartige Akquisitionen von größeren Familienunternehmen durch bestimmbare Erfolgsfaktoren oder andere systematische Besonderheiten gekennzeichnet sind. Damit diese Betrachtung nicht durch Kleinstunternehmen verzerrt wird, bei denen die Hauptleistung durch eine Person erzeugt wird, versteht er unter größeren Familienunternehmen solche, die als Größenmerkmale mindestens 1,5 Mio. € Umsatz und 5 Mitarbeiter erreichen. Im Zentrum der Arbeit steht die empirische Analyse, in der Hendrik Weber eine Stichprobe von 408 familienexternen Nachfolgefällen deutscher Familienunternehmen untersucht. Betrachtet werden dabei Merkmale auf Seiten des Übergebers, des Nachfolgers, der Beziehung zwischen beiden, der Unternehmerfamilie und des Unternehmens selbst. Die empirische Analyse wird sachgerecht fundiert und flankiert durch begriffliche, literaturanalytische und Hypothesen bildende Passagen. Hierzu wurden mehr als 600 Quellen ausgewertet und mehrere Vorstudien durchgeführt. Bei den Vorstudien handelt es sich um Tiefeninterviews, eine Delphi-Studie, Workshops und zwei Befragungen von M&A-Beratern. Im Rahmen der empirischen Analyse testet Hendrik Weber 15 Hypothesen zu mittelbaren oder unmittelbaren Einflussgrößen auf ein Maß des Nachfolgeerfolges, welches sich an der Perspektive des Nachfolgers orientiert. Um den so verstandenen Erfolg zu fördern, sollte der Übergeber die Beziehung zum Nachfolger konstruktiv positiv gestalten und gleichzeitig Verunsicherungsmöglichkeiten durch die Familie – die mit einem erhöhten Familieneinfluss steigen – abschirmen, da aus der Beziehung zwischen dem bisherigen und dem künftigen Unternehmer sowie aus der möglichst weitgehenden Abwesenheit potenziell störender Signale seitens der Familie ein positiver Beitrag zum Nachfolgeerfolg erwartet werden kann. Insgesamt leistet die Studie von Hendrik Weber einen beachtlichen Beitrag zur Klärung der Beziehung zwischen Übergeber und Nachfolger als Einflussgröße auf den Nachfolgeerfolg bei der familienexternen Nachfolge größerer deutscher Familienunternehmen, zumindest aus der Sicht des Nachfolgers. Ich wünsche ihr deshalb die verdiente Beachtung in Wissenschaft und Praxis! Prof. Dr. Michael Schefczyk
VII
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ..................................................................................XI Tabellenverzeichnis ................................................................................... XIII Abkürzungsverzeichnis............................................................................ XVII
1 Einleitung .................................................................................................... 1 1.1 Ausgangsüberlegungen ............................................................................................... 1 1.2 Zielsetzung und Neuigkeitsgehalt .............................................................................. 6 1.3 Wissenschaftstheoretische Einordnung und Gang der Untersuchung................... 8
2 Familienunternehmen und das Managementproblem Unternehmensnachfolge .......................................................................... 12 2.1 Begriffsbestimmung Familienunternehmen ........................................................... 12 2.1.1
Annäherung über die Mittelstandsdefinition......................................................... 13
2.1.2
Theoretische Entwicklungslinien von Familienunternehmen ............................... 16
2.1.2.1 2.1.2.2 2.1.2.3 2.1.2.4 2.1.2.5
2.1.3
Bestimmungsfaktor: Eigentum ............................................................................. 19 Bestimmungsfaktor: Kontrolle ............................................................................. 21 Bestimmungsfaktor: Führung............................................................................... 23 Bestimmungsfaktor: Hybridität............................................................................ 25 Bestimmungsfaktor: Mehrgenerationen-Ansatz................................................... 29
Abschließende Begriffsbestimmung ..................................................................... 29
2.2 Managementproblem Unternehmensnachfolge ..................................................... 32 2.2.1
Unternehmenskontinuität als strategisches Unternehmensziel ............................. 33
2.2.2
Unternehmenskontinuität durch eine familienexterne Unternehmensnachfolge?. 39
2.2.2.1 2.2.2.2
2.2.3
Zu den Phasen der familieninternen Nachfolgevariante...................................... 40 Zu den Grenzen der familieninternen Nachfolgevariante.................................... 43
Zwischenfazit ........................................................................................................ 48
VIII
3 Familienexterne Unternehmensnachfolge als Akquisitionsprozess .... 51 3.1 Terminologische Grundlagen einer familienexternen Unternehmensnachfolge. 52 3.1.1
Gegenstandspräzisierung, Ursachen und Problembereiche .................................. 52
3.1.2
Akteure, Motive und Phasen ................................................................................. 63
3.1.3
Nachfolgevarianten ............................................................................................... 67
3.1.3.1 3.1.3.2
Kauf durch interne Führungskräfte (MBO) oder Mitarbeiter (EBO) .................. 69 Kauf durch externe Führungskräfte (MBI) oder ein anderes Unternehmen (Verkauf)........................................................................................ 71
3.2 Erklärungsansätze und empirische Befundlage ..................................................... 72 3.2.1
Strategische Management-Perspektive ................................................................. 72
3.2.2
Institutionenökonomische Perspektive.................................................................. 79
3.2.3
Sonstige Perspektiven und empirische Befunde ................................................... 84
3.3 Zwischenfazit ............................................................................................................. 93
4 Explorative Herleitung von Einflussgrößen bei einem familienexternen Nachfolgeprozess ...................................................................................... 96 4.1 Methodische Vorüberlegungen ................................................................................ 96 4.2 Explorative Vorstudien........................................................................................... 101 4.2.1
Tiefeninterviews.................................................................................................. 102
4.2.2
Delphi-Studie ...................................................................................................... 103
4.2.3
M&A-Befragung ................................................................................................. 105
4.3 Erfolgsgrößen des Nachfolgeprozesses.................................................................. 107 4.3.1
Vorbemerkungen zur Erfolgsmessung ................................................................ 108
4.3.2
Bewertung der Messansätze ................................................................................ 110
4.3.3
Extraktion der Erfolgsgrößen für die Untersuchung ........................................... 116
4.4 Einflussgrößen auf den Nachfolgeerfolg ............................................................... 121 4.4.1
Übergeber ............................................................................................................ 121
4.4.2
Nachfolger........................................................................................................... 126
4.4.3 Beziehung Nachfolger – Übergeber.................................................................... 130 4.4.4
Familie................................................................................................................. 133
4.4.4.1 4.4.4.2
4.4.5
Familieneinfluss vor der Nachfolge ................................................................... 137 Familieneinfluss während der Nachfolge .......................................................... 141
Unternehmen ....................................................................................................... 144
IX 4.5 Prozessbegleitende Einflussgrößen........................................................................ 147 4.5.1
Konfliktmanagement........................................................................................... 147
4.5.2
Externer Sachverstand......................................................................................... 150
4.6 Vorstellung des Untersuchungsmodells ................................................................ 152
5 Vorgehensweise und Methodik der empirischen Untersuchung....... 155 5.1 Datengrundlage ....................................................................................................... 156 5.1.1
Stichprobenzusammenstellung für MBI/MBO/EBO .......................................... 157
5.1.2
Stichprobenzusammenstellung für den Verkauf an juristische Personen ........... 161
5.1.3
Zwischenfazit ...................................................................................................... 163
5.2 Datenerhebung ........................................................................................................ 164 5.3 Datenbeschreibung.................................................................................................. 167 5.4 Datengüte und -analyse........................................................................................... 172
6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung ......................................... 182 6.1 Spezifische Erschwernisse beim Kauf von Familienunternehmen ..................... 182 6.2 Charakteristika und Erfolgsgrößen der externen Nachfolgevarianten ............. 189 6.2.1
Charakteristika einer familienexternen Unternehmensnachfolge ....................... 190
6.2.2
Erfolgsgrößen familienexterner Unternehmensnachfolgen ................................ 204
6.2.3
Ergänzende Auswertungen.................................................................................. 211
6.3 Bisherige Befunde im Überblick – Teil 1 .............................................................. 215 6.4 Multivariate Analyse der Einflussgrößen bei einem familienexternen Nachfolgeprozess ..................................................................................................... 217 6.4.1
Vorbemerkungen zu Strukturgleichungsmodellen.............................................. 217
6.4.2
Operationalisierung der Konstrukte und Analyse der Erfolgswirkungen ........... 221
6.4.2.1 6.4.2.2 6.4.2.3 6.4.2.4 6.4.2.5
Übergeber .......................................................................................................... 221 Nachfolger.......................................................................................................... 226 Beziehung Nachfolger – Übergeber................................................................... 228 Familie ............................................................................................................... 233 Unternehmen...................................................................................................... 237
X 6.4.3
Bisherige Befunde im Überblick – Teil 2 ........................................................... 240
6.4.4
Überführung in das Gesamtmodell ..................................................................... 242
6.4.4.1 6.4.4.2
Kausalanalysen des Gesamtmodells .................................................................. 242 Ergänzende Auswertungen................................................................................. 247
7 Schlussbetrachtungen ............................................................................ 254 7.1 Zusammenfassung und kritische Würdigung....................................................... 254 7.2 Ansatzpunkte für die Unternehmenspraxis.......................................................... 259 7.3 Ansatzpunkte für die betriebswirtschaftliche Forschung ................................... 264
8 Anhang .................................................................................................... 269
9 Literatur.................................................................................................. 305
XI
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Gang der Untersuchung und Leitfragen der jeweiligen Kapitel ................. 11
Abbildung 2:
Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes ............................................ 16
Abbildung 3:
Dimensionen von Familienunternehmen und ihre Gradierungen ............... 18
Abbildung 4:
Bestimmungsfaktoren von Familienunternehmen ...................................... 19
Abbildung 5:
Erweiterte Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes........................... 31
Abbildung 6:
Vereinfachte Übersicht des familieninternen Nachfolgeprozesses ............. 42
Abbildung 7:
Systematisierung von Unternehmenszusammenschlüssen.......................... 53
Abbildung 8:
Relevanz der nachfolgespezifischen Problembereiche sowie Aufriss de Facette Emotionen nach Akteuren .............................................................. 58
Abbildung 9:
Systematisierung der Nachfolgevarianten................................................... 68
Abbildung 10: Strategisches Management und Familienunternehmensforschung ............. 76 Abbildung 11: Zusammenfassende Systematisierung des Arbeitsstandes.......................... 95 Abbildung 12: Zeitlicher Ablauf der explorativen Vorstudien ......................................... 101 Abbildung 13: Vorgehensweise und Inhalte der Delphi-Studie........................................ 104 Abbildung 14: Systematisierung der Problembereiche bei der Erfolgsmessung .............. 114 Abbildung 15: Dimensionen der adjustierten F-PEC-Skala.............................................. 138 Abbildung 16: Veranschaulichung des nachfolgespezifischen Akquisitionsprozessmodells…….............................................................. 152 Abbildung 17: Selektionsheuristik für die Stichprobenzusammenstellung....................... 158 Abbildung 18: Datenquellen für die Stichprobenzusammenstellung................................ 163 Abbildung 19: Anzahl der Rückläufe entlang der Zeitachse............................................. 167 Abbildung 20: Verteilung des Rücklaufs nach Umsatzklassen......................................... 171 Abbildung 21: Repräsentativität nach Umsatzklassen ...................................................... 175 Abbildung 22: Repräsentativität nach Wirtschaftszweigen .............................................. 176 Abbildung 23: Repräsentativität nach Bundesländern ...................................................... 178 Abbildung 24: Ablaufschritte des statistischen Analyseplans........................................... 181 Abbildung 25: Deskriptive Statistiken des Konstrukts F-PEC.......................................... 183
XII Abbildung 26: Ergebnisse des Messmodells Nachfolgebereitschaft des Übergebers....... 223 Abbildung 27: Ergebnisse des Messmodells Beziehungsgüte Nachfolger – Übergeber .. 230 Abbildung 28: Ergebnisse des Messmodells Verunsicherung durch die Familie ............. 235 Abbildung 29: Modellspezifikation des Gesamtmodells .................................................. 243 Abbildung 30: Kausalanalyse des Gesamtmodells............................................................ 245 Abbildung 31: Einflusswirkungen im Gesamtmodell nach Akteuren............................... 246 Abbildung 32: Kausalanalyse der Nachfolgevariante MBO ............................................. 250 Abbildung 33: Einflusswirkungen nach Akteuren und Nachfolgevarianten..................... 251 Abbildung 34: Exemplarischer Analyseschritt der Selektionsheurisitik........................... 283 Abbildung 35: Übersicht über M&A-Berater – Teil 1 ...................................................... 285 Abbildung 36: Übersicht über M&A-Berater – Teil 2 ...................................................... 286 Abbildung 37: Exemplarische Checkliste für eine „succession due diligence“................ 290 Abbildung 38: Anschreiben und Fragebogen.................................................................... 291 Abbildung 39: Fragebogen der Delphi-Befragung – 2. Befragungsrunde ........................ 300
XIII
Tabellenverzeichnis Tabelle 1-1: Überblick über die Bedeutung von Familienunternehmen............................... 2 Tabelle 2-1: KMU-Definitionen ......................................................................................... 14 Tabelle 2-2: Übersicht einiger Definitionen für Familienunternehmen – Teil 1 ................ 17 Tabelle 2-3: Überblick über Chancen und Risiken von Familienunternehmen.................. 26 Tabelle 2-4: Übersicht einiger Definitionen für Familienunternehmen – Teil 2 ................ 30 Tabelle 2-5: Ausgewählte Mittelstandsstudien – Teil 1...................................................... 36 Tabelle 2-6: Ausgewählte Mittelstandsstudien – Teil 2...................................................... 37 Tabelle 3-1: Ursachen einer Unternehmensnachfolge ........................................................ 56 Tabelle 3-2: Auswahl nachfolgebezogener Monographien – Teil 1................................... 60 Tabelle 3-3: Auswahl nachfolgebezogener Monographien – Teil 2................................... 61 Tabelle 3-4: Auswahl nachfolgebezogener Monographien – Teil 3................................... 62 Tabelle 3-5: Übersicht über einige zentrale Motive der Akteure........................................ 65 Tabelle 3-6: Ansatzpunkte aus der Strategischen Management-Perspektive ..................... 79 Tabelle 3-7: Ansatzpunkte aus der institutionsökonomischen Perspektive ........................ 84 Tabelle 3-8: Auswahl empirischer Monographien zu Unternehmensnachfolgen............... 88 Tabelle 3-9: Auswahl empirischer Beiträge zu Unternehmensnachfolgen – Teil 1 ........... 91 Tabelle 3-10: Auswahl empirischer Beiträge zu Unternehmensnachfolgen – Teil 2 ........... 92 Tabelle 4-1: Gegenüberstellung qualitative vs. quantitative Forschungsausrichtung......... 97 Tabelle 4-2: Relevanz der Lösungsansätze bei der Facette Emotionen............................ 105 Tabelle 4-3: Übersicht der Erfolgsgrößen......................................................................... 116 Tabelle 4-4: Konstrukt Nachfolgebereitschaft des Übergebers ........................................ 123 Tabelle 4-5: Konstrukt Nachfolgebereitschaft des Nachfolgers ....................................... 128 Tabelle 4-6: Konstrukt Beziehungsgüte Nachfolger – Übergeber.................................... 131 Tabelle 4-7: Berechnung der adjustierten F-PEC-Skala ................................................... 140 Tabelle 4-8: Konstrukt Verunsicherung durch die Familie .............................................. 142 Tabelle 4-9: Konstrukt Nachfolgebereitschaft des Unternehmens ................................... 145 Tabelle 4-10: Facetten des Konfliktmanagements.............................................................. 148
XIV Tabelle 4-11: Einbeziehung von externem Sachverstand ................................................... 151 Tabelle 5-1: Übersicht der Selektionskriterien der Sekundär-Analyse............................. 159 Tabelle 5-2: Berechnung der Netto-Stichprobe ................................................................ 165 Tabelle 5-3: Berechnung des Netto-Rücklaufs ................................................................. 169 Tabelle 5-4: Rücklauf nach Nachfolgevarianten .............................................................. 170 Tabelle 5-5: Auswahl einiger deskriptiver Merkmale des Rücklaufs............................... 171 Tabelle 6-1: Mittelwertvergleiche anhand des Familienunternehmensgrads ................... 184 Tabelle 6-2: F-PEC-Zusammenhangsanalyse – Teil 1 ..................................................... 185 Tabelle 6-3: F-PEC-Zusammenhangsanalyse – Teil 2 ..................................................... 187 Tabelle 6-4: F-PEC-Zusammenhangsanalyse – Teil 3 ..................................................... 188 Tabelle 6-5: Gruppenvergleiche – Ursachen .................................................................... 190 Tabelle 6-6: Gruppenvergleiche – Erstkontakt und Transaktionsstruktur ........................ 191 Tabelle 6-7: Gruppenvergleiche – Finanzierungs-Mix..................................................... 193 Tabelle 6-8: Gruppenvergleiche – Ziele und Zielerreichung............................................ 194 Tabelle 6-9: Gruppenvergleiche – Nachfolgebereitschaft Nachfolger und Unternehmen ......................................................................................... 196 Tabelle 6-10: Gruppenvergleiche – Verunsicherung durch die Familie und sonstige Aspekte ........................................................................................... 198 Tabelle 6-11: Einfaktorielle Varianzanalyse – Übersicht signifikanter Unterschiede........ 202 Tabelle 6-12: Gruppenvergleiche – Ressourcentransfer..................................................... 205 Tabelle 6-13: Ressourcentransfer – Normierter Zielerreichungsgrad................................. 206 Tabelle 6-14: Deskriptive Statistiken – Erfolgsgrößen....................................................... 207 Tabelle 6-15: Gruppenvergleiche – Erfolgsgrößen............................................................. 208 Tabelle 6-16: Korrelationen der Erfolgsgrößen .................................................................. 209 Tabelle 6-17: Zusammenhang zwischen Zielerreichung und Zufriedenheit ...................... 210 Tabelle 6-18: Mittelwertvergleiche – Konfliktmanagement............................................... 211 Tabelle 6-19: Deskriptive Statistiken – Konfliktmanagement und externer Sachverstand................................................................................................. 212 Tabelle 6-20: Gegenüberstellung von familieninterner und -externer Nachfolge .............. 214 Tabelle 6-21: Befunde zu den Untersuchungshypothesen – Teil 1 .................................... 216
XV Tabelle 6-22: Mindestanforderungen an die Gütemaße im Strukturgleichungsmodell...... 220 Tabelle 6-23: Explorative Faktorenanalyse – Nachfolgebereitschaft des Übergebers ....... 222 Tabelle 6-24: Erfolgswirkung – Nachfolgebereitschaft des Übergebers ............................ 224 Tabelle 6-25: Erfolgswirkung – Nachfolgebereitschaft des Nachfolgers........................... 227 Tabelle 6-26: Explorative Faktorenanalyse – Beziehung Nachfolger – Übergeber ........... 229 Tabelle 6-27: Erfolgswirkungen – Beziehungsgüte Nachfolger – Übergeber.................... 231 Tabelle 6-28: Explorative Faktorenanalyse – Beziehung Nachfolger – Übergeber ........... 234 Tabelle 6-29: Erfolgswirkungen – Verunsicherung durch die Familie............................... 236 Tabelle 6-30: Erfolgswirkung – Nachfolgebereitschaft des Unternehmens ....................... 238 Tabelle 6-31: Befunde zu den Untersuchungshypothesen – Teil 2 .................................... 241 Tabelle 6-32: Einflusswirkungen nach Akteuren und Erfolgsgrößen................................. 248 Tabelle 7-1: Untersuchungshypothesen und ihre empirischen Befunde – Zusammenfassung….. .................................................................................. 257 Tabelle 8-1: Auswahl empirischer Beiträge zu Unternehmensnachfolgen – Teil 3 ......... 269 Tabelle 8-2: Auswahl empirischer Beiträge zu Unternehmensnachfolgen – Teil 4 ......... 270 Tabelle 8-3: Auswahl anekdotischer Beiträge zu Unternehmensnachfolgen – Teil 1...... 271 Tabelle 8-4: Auswahl anekdotischer Beiträge zu Unternehmensnachfolgen – Teil 2...... 272 Tabelle 8-5: Auswahl nachfolgebezogener Monographien – Teil 4................................. 273 Tabelle 8-6: Auswahl nachfolgebezogener Monographien – Teil 5................................. 274 Tabelle 8-7: Auswahl nachfolgebezogener Monographien – Teil 6................................. 275 Tabelle 8-8: Auswahl Monographien über Familienunternehmen ................................... 276 Tabelle 8-9: Meta-Analyse – Cultural Due Diligence (CDD) .......................................... 277 Tabelle 8-10: Nachtrag der globalen Gütemaße – Erfolgsgrößen ...................................... 284 Tabelle 8-11: Nachtrag der globalen Gütemaße – Nachfolgevarianten.............................. 284 Tabelle 8-12: Ausgewählte Mittelstandsstudien – Teil 3.................................................... 287 Tabelle 8-13: Ausgewählte Mittelstandsstudien – Teil 4.................................................... 288 Tabelle 8-14: Übersicht der geführten Interviews .............................................................. 289
XVII
Abkürzungsverzeichnis AktG
Aktiengesetz
bspw.
beispielsweise
CDD
Cultural Due Diligence
EBO
Employee-Buyout
evtl.
eventuell
EU
Europäische Union
et al.
et alii (und andere)
IfM Bonn
Institut für Mittelstandsforschung Bonn
f., ff.
folgende, fortfolgende
FU
Familienunternehmen
i. e. S.
im engeren Sinne
Jg.
Jahrgang
ggf.
gegebenenfalls
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
k. A.
keine Angabe(n)
KMU
Kleine und mittlere Unternehmen
LISREL
Linear Structural Relationships
M&A
Mergers & Acquisitions
MBI
Management-Buyin
MBO
Management-Buyout
Mio.
Millionen
min.
Minuten
Nr.
Nummer
NFU
Nicht-Familienunternehmen
r
Korrelationskoeffizient
S.
Seite(n)
XVIII
TEUR
Tausend Euro
UN
Unternehmensnachfolge
vgl.
vergleiche
vs.
versus
1
1
Einleitung
1.1 Ausgangsüberlegungen Familienunternehmen haben in der deutschsprachigen Forschung in den letzten 15 Jahren eine immer größere Beachtung gefunden. Aufgrund der Jahrhunderte währenden Präsenz von Familienunternehmen erstaunt es doch, dass eine intensivere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Forschungsbereich erst seit so kurzer Zeit stattfindet. Für diese Fokussierung in den letzten Jahren lassen sich einige Erklärungen finden, von denen an dieser Stelle vier hervorgehoben werden sollen. Insbesondere der Wirtschaftsstandort Deutschland mit seiner mittelständischen Struktur ist von Familienunternehmen geprägt. Im Jahr 2007 wurde von der Stiftung Familienunternehmen eine Studie in Auftrag gegeben, die die volkswirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen untersucht.1 Es wurde berechnet, dass 95,1 % aller deutschen Unternehmen unter diese Kategorie fallen, die wiederum verantwortlich für 41,5 % (1,9 Billionen EUR) der Umsätze und 57,3 % (13,4 Millionen) der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sind.2 Der Blick über die deutschen Grenzen hinaus zeigt zudem, dass die bedeutende gesamtwirtschaftliche Rolle von Familienunternehmen kein typisch deutsches Phänomen ist (vgl. Tabelle 1-1).3
1
In der Studie wird auf die Mannigfaltigkeit der Definitionen und Operationalisierungen eingegangen. Den berechneten Zahlen liegt die Definition eines Familienunternehmens zugrunde, die der Erfüllung zweier Annahmen gerecht wird: Bis zu zwei Personen oder ihre Familienmitglieder halten die Mehrheit der Unternehmensanteile und diese Personen sind auch in die Geschäftsführung bestellt, vgl. Stiftung Familienunternehmen (2007), S. 8. Siehe zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Allgemeinen auch Mugler (1998), S. 32 ff., oder speziell für Familienunternehmen z. B. Watermann (1999), S. 11 f.
2
Vgl. Stiftung Familienunternehmen (2007), S. 24. Es ist jedoch hervorzuheben, dass die 500 größten (Familien-)Unternehmen etwa ein Viertel der Umsätze und ein Sechstel der Beschäftigten ausmachen, vgl. Stiftung Familienunternehmen (2007), S. 40.
3
Vgl. Sharma (2004), S. 22. Allein in den letzten Jahrgängen des Family Business Review befinden sich zahlreiche internationale Darstellungen (u. a. Südafrika, Singapur, Puerto Rico, Australien, Japan, Libanon); vgl. auch Tomaselli/Melin (2004), S. 7 ff., oder Welsh/Raven (2006), S. 30.
2 Tabelle 1-1: Überblick über die Bedeutung von Familienunternehmen4
Land
Anteil
Quelle
Schweiz
ca. 88 %
Frey et al. (2004), S. 19
Spanien
ca. 75 %
Gallo et al. (1995), S. 3 ff.
Italien
ca. 68 %
Corbetta/Montemerlo (1999), S. 362
USA
ca. 60 %
Astrachan/Shanker (2003), S. 214
Deutschland
ca. 67 % bzw. 84 %
Klein (2004), S. 41 ff. bzw. Klein (2000), S. 159
Deutschland
ca. 84 %
Kayser/Wallau (2002), S. 113
Deutschland
ca. 95 %
Stiftung Familienunternehmen, S. 23
Ein zweiter Grund für die zunehmende Beachtung von Familienunternehmen in der Forschung liegt in ihrer vermeintlichen Vorbildfunktion. Augenscheinlich behaupten sich Familienunternehmen in der globalen und dynamischen Wirtschaftswelt sehr gut, so dass sie vielfach als Gegenmodell zu einer im Streubesitz befindlichen Publikumsgesellschaft dargestellt werden.5 Die Vergleichsstudien, die die Performance von Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen gegenüberstellen, ergeben jedoch bisher eine heterogene Befundlage. Von den 63 untersuchten Studien in der ausführlichen Meta-Analyse von JASKIEWICZ ergibt sich beispielsweise durch den Tatbestand Familienunternehmen bei 9 eine negative und bei 27 eine positive Performance-Wirkung.6 Zudem wird die Interpretationsfähigkeit dieser Performance-Studien durch die Vielzahl unterschiedlicher Definitionsansätze beeinträchtigt. Es lässt sich jedoch auf jeden Fall konstatieren, dass ein großer Teil der Forschungsbestrebungen auf den Versuch des Nachweises und der Erklärung der superioren Leistungsfähigkeit von Familienunternehmen zurückzuführen ist.
4
Für die teilweise stark divergierenden Zahlen ist neben den nationalen Besonderheiten das große Spektrum an Definitionen für den Untersuchungsgegenstand Familienunternehmen in der Literatur verantwortlich. Der Autor hat versucht, aus den Quellen möglichst vergleichbare Angaben zu extrahieren.
5
Vgl. Hennerkes (1998), S. 453.
6
Die weiteren Studien ergeben entweder eine neutrale oder von anderen Variablen abhängige PerformanceWirkung, vgl. Jaskiewicz (2006), S. 49 ff. Siehe dazu auch die Übersicht bei Dyer (2006), S. 255 f., bzw. die Arbeit von Anderson/Reeb (2003), S. 1307. Neuere Studien, die auch oder speziell inhabergeführte Unternehmen untersuchen, ermöglichen ebenfalls keine eindeutige Aussage, vgl. u. a. Gallo/Vilaseca (1998), S. 35 ff.; Westhead/Cowling (1997), S. 30 ff.; Müller/Spitz (2001), S. 1 ff.
3 Ein dritter Impuls für die deutschsprachige Familienunternehmensforschung geht sicherlich auch mit der stark wachsenden angloamerikanischen Forschung einher.7 Seit den 1980er Jahren forschen zahlreiche amerikanische Universitäten speziell in diesem Themenbereich und sind für die steigende Anzahl von Publikationen verantwortlich.8 KLEIN sieht die Familienunternehmensforschung in Deutschland ca. zehn Jahre im Hintertreffen und führt dies auf die unterschiedlichen Strukturen der Hochschullandschaft zurück.9 Die deutschen Forschungsbeiträge erscheinen aber inzwischen verstärkt in internationalen TopZeitschriften10 sowie Sonderheften11 und werden von Stiftungen12 monetär unterstützt. Zunehmend entstehen internationale Forschungsprojekte und europäische Wissenschaftler tauschen sich mit Kollegen aus den USA aus.13 Abschließend ist der Forschungsstrang Familienunternehmen auch als weiterer Fragmentierungsschritt innerhalb der betriebswirtschaftlichen Forschung zu interpretieren, nicht in Form einer vertiefenden Diskussion eines Detailaspektes, sondern vielmehr im Sinne eines Querschnittsthemas. Die fokussierte Auseinandersetzung mit Familienunternehmen ist gerade deswegen so schwierig, weil viele Teildisziplinen (u. a. Organisationstheorie, Management-Forschung, Psychologie, Rechtswissenschaften, Steuerlehre)14 aufeinander
7
Im deutschsprachigen Raum sind vor allem das European Family Business Center an der European Business School, das Wittener Institut für Familienunternehmen an der Universität Witten-Herdecke sowie das Center for Family Business an der Universität St. Gallen hervorzuheben. Demgegenüber stehen über 70 Institute oder Lehrstühle im anglo-amerikanischen Raum, vgl. Sharma (2004), S. 1 f.
8
ASTRACHAN sieht im Erscheinen des Sonderhefts der Zeitschrift Organization Dynamics 1983 den Ursprung der Familienunternehmensforschung, vgl. Astrachan (2003), S. 567. Siehe auch die bibliometrische Studie in Casillas/Acedo (2007), S. 141 ff.
9
In den USA sind Familienunternehmen eine attraktive Finanzierungsquelle für private Hochschulen, Klein (2003), S. 10.
10
Vgl. z. B. Schulze et al. (2001), S. 99 ff.; Gomez-Mejia et al. (2001), S. 81 ff.; Burkart et al. (2003), S. 2167 ff.
11
Als Beispiele dienen die Zeitschriften Entrepreneurship Theory & Practice (Jg. 27, Heft 4; Jg. 28, Heft 4 und Jg. 29, Heft 3), Journal of Business Research (Jg. 60, Heft 10) sowie Journal of Business Venturing (Jg. 18, Heft 4).
12
Als exemplarische Stiftungen mit nachgewiesenen Aktivitäten in der Familienunternehmensforschung lassen sich u. a. die Bertelsmann-Stiftung, die EQUA-Stiftung, die Stiftung für Familienunternehmen sowie die INTES-Stiftung nennen.
13
Die bekannteste Organisation auf europäischem Boden ist die „International Family Enterprise Research Academy (IFERA); weitere international relevante Institutionen sind das „Family Business Network“ (FBN International) sowie das „Family Firm Institute“ (FFI).
14
In der späteren Literaturanalyse werden auch zu den einzelnen Teildisziplinen entsprechende Quellen angegeben.
4 treffen und interagieren müssen.15 Jede betriebswirtschaftliche Arbeit sieht sich daher mit der Herausforderung konfrontiert, „den Blick über den Tellerrand“ zu wagen, dabei aber nicht die ökonomische Argumentationsbasis zu verlassen.16 Insgesamt ist also festzuhalten, dass die Familienunternehmensforschung in den letzten Jahren immens an Bedeutung gewonnen und ihren eigenen Platz in der betriebswirtschaftlichen Forschungslandschaft gefunden hat. Innerhalb der Familienunternehmensforschung nimmt das Thema Unternehmensnachfolge den größten Raum ein.17 Die Übertragung der Führung sowie des Eigentums eines Unternehmens in neue Hände stellt eine komplexe Managementaufgabe im Familienunternehmen dar, die seit Beginn der Familienunternehmensforschung einen äußerst hohen Stellenwert besitzt. Zur Rechtfertigung dieser Bemühungen lassen sich die Argumente prinzipiell in gesamt- und einzelwirtschaftliche Problemstellungen differenzieren. Nicht optimal gestaltete Nachfolgen führen zu Stilllegungen von Unternehmen mit entsprechenden Arbeitsplatzverlusten bzw. zur Stagnation von Innovation und Wachstum im Mittelstand. Diese gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise veranlasst unter anderem die Politik, Forschungsbestrebungen zu unterstützen, die wirtschaftspolitische Lösungsansätze erarbeiten.18 Auf der anderen Seite stellt die Unternehmensnachfolge ein klassisches betriebswirtschaftliches Managementproblem dar, das weniger die Frage nach dem Ob, sondern mehr nach dem Wie stellt: Wie ist eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge zu planen und durchzuführen? Bei den bisherigen Versuchen, auf diese Frage eine Antwort zu finden, wurde der Schwerpunkt deutlich auf den familieninternen Nachfolgeprozess gelegt. Der Anteil der internen Nachfolgen bei Familienunternehmen nahm jedoch in den letzten Jahren stetig ab, so dass aktuell von einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen der familieninternen und -externen Nachfolgevariante auszugehen ist. Die Zunahme externer Nachfolgen wird sich laut
15
Vgl. u. a. Casillas/Acedo (2007), S.150, und Klughardt (1994), S. 102.
16
Siehe dazu Chua et al. 2003b, S. 336: „Borrowing for the social sciences can accelerate theoretical developments in the field because many of the concepts needed have already been examined in depth by scholars in disciplines, such as anthropology, finance, history, organizational theory, political sciences, sociology, and strategy.“
17
Siehe dazu unter anderem Aronoff (1998), Bird et al. (2002), Dyer/Sánchez (1998); Chrisman et al. (2003a); Zahra/Sharma (2004); Klein (2003).
18
In diesem Kontext sind z. B. die steuerpolitischen Bestrebungen der deutschen Bundesregierung zu nennen, die im „Gesetz zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge“ (Gesetzentwurf 778/06) münden sollen.
5 neuerer Studien sogar weiter fortsetzen.19 Diese Arbeit befasst sich daher detailliert mit dem familienexternen Nachfolgeprozess, der in der bisherigen Forschung weitgehend unbeleuchtet geblieben ist.20 Eine familienexterne Unternehmensnachfolge geht schlussendlich mit dem Verkauf des Unternehmens einher. Forschungsbestrebungen, die dem M&A-Bereich zuzuordnen sind, unterliegen sehr häufig der Grundannahme, dass Unternehmen durch den Kauf dritter Unternehmen neues Wachstums- oder Synergiepotential generieren können. Mittelständische Unternehmen spielen in dieser Forschungsliteratur generell eine eher untergeordnete Rolle, obwohl dort Akquisitionen ebenso üblich sind wie bei Großunternehmen. Da jedoch nicht zwingend davon auszugehen ist, dass die Erkenntnisse aus den Transaktionsprozessen der Großunternehmen auf mittelständische Familienunternehmen übertragbar sind, helfen die Erkenntnisse aus der M&A-Literatur für die vorliegenden Untersuchungsfragen nur begrenzt. Es ist zudem zu konstatieren, dass der Anteil empirischer Forschung im Bereich Unternehmensnachfolge vergleichsweise gering ist.21 Es dominieren qualitative Ansätze mit Fallstudien oder Expertengesprächen sowie quantitative Befragungen, die deskriptiv den Status quo erfassen. Aus der empirischen wie auch aus der theoretischen Sicht ist daher zu festzustellen, dass über den Kauf bzw. Verkauf von Familienunternehmen trotz der unbestrittenen Tatsache, dass die Familie bzw. die spezifische Unternehmenskultur eines Familienunternehmens die Unternehmensentscheidungen und damit den Unternehmenserfolg wesentlich beeinflusst, sehr wenig bekannt ist. Diese Arbeit versucht daher, sowohl mit einer intensiven theoretischen Auseinandersetzung als auch mit einem zweistufigen empirischen Vorgehen die skizzierte Forschungslücke zu schließen.
19
Vgl. u. a. Europäische Kommission (2006), S. 11; Schlömer/Kay (2008), S. 1. Siehe ebenso die Ausführungen in Abschnitt 2.2.3.
20
Vgl. u. a. Chittoor/Das (2007); S. 73; Kaye (1996), S. 347; Gomez-Mejia et al. (2001), S. 81; Steen/Welch (2006), S. 289 ff.; Mickelson/Worley (2003), S. 252; Gisser/Gonazalez (1993), S. 39 ff.; Gilbert (1989), S. 42; Aldrich/Cliff (2003), S. 576 f., sowie ausführlicher in Abschnitt 2.2.2.
21
Vgl. Klein (2003), S. 9. Ca. 80 % der inhaltlich verwandten Dissertationen sind nicht empirisch, vgl. Weber (2005b), S. 5.
6
1.2 Zielsetzung und Neuigkeitsgehalt Im Zentrum des Erkenntnisinteresses stehen die Managementaufgabe familienexterne Unternehmensnachfolge bzw. der Erwerb eines Familienunternehmens. Vor diesem Hintergrund geht die vorliegende Arbeit der zentralen Forschungsfrage nach: Forschungsleitfrage: Gibt es bei der Akquisition von Familienunternehmen Besonderheiten und welche erfolgskritischen Einflussgrößen lassen sich gegebenenfalls identifizieren?
Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es zunächst einer terminologischen Annäherung an den Untersuchungsgegenstand Unternehmensnachfolge. Da dieser Entscheidungstatbestand in der Literatur bis dato nicht systematisch aufgearbeitet wurde, entwickelt die vorliegende Arbeit ein neues Begriffsverständnis, bei dem eine familienexterne Unternehmensnachfolge spiegelbildlich als Verkauf bzw. Kauf eines Familienunternehmens angesehen werden kann. Durch die theoretische sowie empirische Behandlung können dabei zentrale Charakteristika einer familienexternen Unternehmensnachfolge zusammengetragen werden. Auf dieser Basis können die relevanten Einflussgrößen identifiziert und konzeptualisiert werden. Mit Unterstützung der explorativen Vorstudien wird die Herleitung eines prozessualen Bezugsrahmens ermöglicht, der die Basis für die empirische Analyse bildet. Aufgrund des erschwerten Zugangs zu mittelständischen Familienunternehmen stellt diese Arbeit den erstmaligen Versuch einer umfangreichen empirischen Behandlung in Deutschland dar. Nachfolgend werden die Facetten des Neuigkeitsgehaltes dieser Arbeit verdichtet dargestellt:22 x Umfassende wissenschaftliche Systematisierung der Herausforderung familienexterne Unternehmensnachfolge, insbesondere unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Familienunternehmensforschung.23 x Empirische Behandlung auf der Basis mehrerer explorativer Vorstudien, die in diesem Umfang im deutschsprachigen Raum einmalig ist.24
22
Siehe hierzu auch insbesondere die Ausführungen in 2.2.
23
Vgl. u. a. Cliff/Jennings, 2005, S. 344; Chua et al, 2003, S. 103; Gilbert (1989), S. 42; PricewaterhouseCoopers Schweiz (2005), S. 35; Howorth et al. (2004), S. 533.
24
Zur Vorgehensweise und Methodik siehe Abschnitt 4.2.
7 x Ganzheitliche Umsetzung durch eine Ex-post-Erfolgsbetrachtung, d. h., durch die Identifizierung bereits erfolgter Unternehmensnachfolgen können diejenigen befragt werden, die tatsächlich als Protagonisten einer Transaktion ihre Erfahrungen gesammelt haben.25
Die damit korrespondierenden Ziele lassen sich in wiederum in drei Gruppen unterteilen.26 Zunächst besteht die Herausforderung darin, die bisherigen Erkenntnisse in den jeweils relevanten Forschungsfeldern aufzubereiten und zu systematisieren: x Was sind die Bestimmungsfaktoren von Familienunternehmen bzw. inhabergeführten Unternehmen? x Wie sieht idealtypisch der Akquisitionsprozess eines Familienunternehmens aus? Was ist eine familienexterne Unternehmensnachfolge?
Darauf aufbauend liegt die besondere Herausforderung in der Identifizierung der Besonderheiten eines Nachfolgeprozesses sowie der Einflussgrößen auf den Nachfolgeerfolg, die an dieser Stelle zunächst auf der Akteursebene systematisiert werden sollen:27 x Welche Merkmale auf Seiten des Übergebers haben welchen Einfluss auf den Akquisitionsausgang? x Welche Merkmale auf Seiten des Nachfolgers haben welchen Einfluss auf den Akquisitionsausgang? x Welche Merkmale der Beziehung zwischen Übergeber und Nachfolger haben welchen Einfluss auf den Akquisitionsausgang? x Welche Merkmale auf Seiten der Unternehmerfamilie haben welchen Einfluss auf den Akquisitionsausgang?
25
Bisher dominieren bei Weitem die Ex-ante-Betrachtungen, vgl. u. a. Harvey/Evans (1995), S. 4, oder Viehl (2004), S. 182.
26
Siehe dazu auch Abbildung 1.
27
Die Verwendung des Maskulinums für Begriffe wie Übergeber und Nachfolger dienen ausschließlich der besseren Lesbarkeit und intendieren keine inhaltliche Differenzierung zwischen den Geschlechtern.
8 x Welche Merkmale auf Seiten des Unternehmens haben welchen Einfluss auf den Akquisitionsausgang? x Wie lässt sich der Akquisitionsausgang messen?
In der empirischen Untersuchung werden die zentralen Charakteristika einer familienexternen Unternehmensnachfolge erfasst und die vorher postulierten Hypothesen untersucht. Abschließend ist das Ziel der Arbeit, die gewonnenen Erkenntnisse aus der empirischen Untersuchung für die beteiligten Akteure sowie für den Forschenden zusammenzufassen: x Welche Charakteristika und Besonderheiten treten beim Erwerb eines Familienunternehmens auf? x Welche Einflussgrößen besitzen eine Erfolgswirkung? x Welche Unterschiede gibt es zwischen einem MBI, MBO oder dem Verkauf an eine juristische Person? x Welche Ansatzpunkte für die Unternehmenspraxis sowie der betriebswirtschaftlichen Forschung lassen sich ableiten?
1.3 Wissenschaftstheoretische Einordnung und Gang der Untersuchung Im Rahmen der wissenschaftstheoretischen Vorüberlegungen soll ein methodologisches Orientierungssystem gegeben werden, in das sich der hier zugrundeliegende Forschungsansatz sowie das grundsätzliche Forschungsdesign der Arbeit einordnen lassen.28 Betriebswirtschaftliche Forschung wird in der vorliegenden Arbeit als Beitrag zur angewandten Wissenschaft angesehen, die für realwirtschaftliche Problemstellungen Lösungs- sowie Handlungsempfehlungen ableitet.29 Der wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt besteht in der Definition der Problemfelder sowie der Herleitung von
28
Zu den Grundlagen sowie den wissenschaftstheoretischen Diskussionen soll weiterführend u. a. auf Schnell et al. (2005), S. 17 ff. und 49 ff., und die bei BORTZ/DÖRING angeführte Literatur verwiesen werden, vgl. Bortz/Döring (2006), S. 2.
29
Vgl. Wöhe (2005), S. 10 ff.
9 Erklärungszusammenhängen und Gestaltungsoptionen. Dabei wird auf eine Kombination von Struktur entdeckenden und Struktur überprüfenden Verfahren zurückgegriffen.30 Die Forschungsfelder Familienunternehmen bzw. Unternehmensnachfolge zeichnen sich in der bisherigen Forschung durch eher induktiv-qualitative Ansätze aus, die den spezifischen Besonderheiten und den komplexen Zusammenhängen bei Familienunternehmen gerecht zu werden versuchen, sowie durch einen Mangel an deduktiv-empirischen Herangehensweisen. Diese in der Literatur oft als diametral dargestellten Ansätze werden in dieser Arbeit sequentiell berücksichtigt,31 indem zunächst (Kapitel 3 und 4) durch eine theoriegeleitete Dokumentenanalyse sowie qualitative Erhebungsmethoden, wie z. B. Tiefeninterviews, Erklärungszusammenhänge aufgedeckt und danach im Rahmen einer großzahligen schriftlichen Befragung (Kapitel 5 und 6) empirisch überprüft werden.32 Der vielfach geäußerten Kritik an dem rein deduktiven Vorgehen wird insofern Rechnung getragen, dass in den vorgeschalteten Schritten die notwendige Vorarbeit durch die Systematisierung und das Aufhellen der bisherigen Erkenntnisse geleistet wird.33 Da ein rein konfirmatorisches Instrumentarium auf eine unzureichende Basis von Erkenntnissen im vorliegenden Forschungsgegenstand stoßen würde, muss der Aufbau dieses Fundamentes vorangestellt werden. Im darauf aufbauenden empirischen Teil dieser Arbeit erfolgt jedoch die Präzisierung des beabsichtigten Erkenntniszieles nach den wissenschaftstheoretischen Leitlinien des kritischen Rationalismus,34 dessen Ursprünge zum einem im klassischen Rationalismus und zum anderen im klassischen Empirismus zu verorten sind.35 Der kritische Rationalismus ist eng mit der Person POPPERs verbunden,36 der dem Verifikationsprinzip des so genannten logischen Positivismus das Falsifikationsprinzip gegenüberstellt.37 Wissenschaftlicher
30
Auf die Begriffe und die konkreten hier verwandten Methoden wird detailliert im Rahmen der Gegenüberstellung qualitativer und quantitativer Verfahren in Abschnitt 4.1 eingegangen.
31
Zu der Prinzipiendiskussion zwischen Induktion und Deduktion siehe u. a. Bortz/Döring (2006), S. 300 f.
32
Der Gang der Arbeit sowie die aufeinander aufbauenden Leitfragen werden im nächsten Abschnitt näher veranschaulicht.
33
Vgl. u. a. Atteslander et al. (2006), S. 70, und Bortz/Döring (2006), S. 30 f.
34
Vgl. hierzu u. a. Schanz (1988), S. 56 ff.; Abel (1981), S. 107 ff.
35
Vgl. hierzu u. a. Albert (1987), S. 74 ff., und Kern (1979), S. 12; Schnell et al. (2005), S. 72 ff.
36
Einige bedeutende Werke sind Popper (1969), Popper (1970), Popper (1973).
37
Vgl. u. a. Popper (1969), S. 103 ff., und die Stellungnahmen anderer Autoren, wie z. B. Ritsert (2003), S. 102 ff.
10 Erkenntnisfortschritt entsteht in einem sich schrittweise annähernden Prozess durch die Formulierung überprüfbarer Hypothesen und wiederholte empirische Falsifikationsversuche. Im Prinzip werden demnach theoretisch entwickelte Sachverhalte logisch abgeleitet und empirisch untersucht.38 Da jedoch in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in der Regel keine deterministischen Gesetzmäßigkeiten vorherrschen, kann das so genannte Propensitätskonzept helfen, das eine objektive, probabilistische Verwirklichungstendenz ausdrücken kann.39 In anderen Worten lassen sich dadurch wahrscheinliche oder eben wenig wahrscheinliche von deterministisch sicheren Erklärungszusammenhängen differenzieren. In den Wirtschaftswissenschaften weisen Vertreter des situativen Ansatzes neben der Berücksichtigung des Propensitätskonzeptes auch auf die vielfach auftretenden multikausalen Zusammenhänge hin.40 Der Allgemeingültigkeitsanspruch bestimmter formulierter Handlungsempfehlungen wird dahingehend angezweifelt, dass unternehmerische Ereignisse und Entscheidungen aufgrund ihrer Situationsabhängigkeit nicht im suggerierten Maße erfolgversprechend sind. Daher versucht diese Arbeit stets, theoriegeleitet mögliche Kontextfaktoren einzubeziehen, die als Einflussfaktoren auf den Nachfolgeprozess in Frage kommen.41 Der skizzierten Struktur der Arbeit in diesen wissenschaftstheoretischen Vorüberlegungen, die im methodischen Teil eine weitere Verfeinerung erhalten, folgt eine anschaulichere Darstellung der Vorgehensweise. In Abbildung 1 ist die Abfolge der einzelnen Kapitel mit den jeweiligen zentralen Leitfragen graphisch illustriert, um den in dieser Arbeit eingeschlagenen Problemlösungsweg zur Erreichung des Untersuchungszieles nachvollziehbar zu machen.
38
Vgl. Hempel/Oppenheim (1948), S. 136 ff., und Popper (1982), S. 31 ff.
39
Dieser Propensitätsgedanke ermöglicht demnach indeterministische Erklärungen, die im Sinne von Erklärungshypothesen zusätzlich auch auf unvollständigen Ursachen basieren können, vgl. u. a. Raffée (1974), S. 42 f., und Popper (1982), S. 251 f. Siehe hierzu auch die Aussage von WITTE: „Bezüglich der Forderung nach deterministischen Aussagen ist ebenfalls und naturgemäß eine Nichterfüllung durch die betriebswirtschaftliche Forschung festzustellen. Es ist geradezu ein Wesenszug wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Zusammenhänge, dass sie stochastischer Natur sind“, vgl. Witte (1981), S. 19.
40
Siehe grundlegend zu dem situativen Ansatz bzw. der Kontingenz-Theorie Kieser (1995), S. 155 ff., oder Welge (1987) S. 76 f.
41
Beispiele für die Anwendung des Kontingenzansatzes im Rahmen der Nachfolgeforschung sind Royer et al. (2008), S. 15 ff., oder Rubenson/Gupta (1996), S. 21 ff.
11 Abbildung 1: Gang der Untersuchung und Leitfragen der jeweiligen Kapitel
Kapitel 1
Theorie
• Welche Ausgangssituation liegt der Arbeit zugrunde? • Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit? • Wie ist die Arbeit in der Wissenschaftstheorie eingebettet?
Kapitel 2 • Was charakterisiert den Untersuchungsgegenstand Familienunternehmen? • Was bedeutet eine Unternehmensnachfolge für die Unternehmensführung? • Wieso fokussiert die Arbeit auf familienexterne Unternehmensnachfolgen?
Kapitel 3 • Wie sieht der Status quo der theoretischen und empirischen Befunde aus? • Welche Varianten und Charakteristika einer familienexternen Nachfolge gibt es? • Welcher Bezugsrahmen lässt sich für die empirische Behandlung konzeptualisieren?
Kapitel 4 • Welche Erfolgsgrößen für den Nachfolgeerfolg lassen sich identifizieren? • Welche Einflussgrößen auf den Nachfolgeerfolg lassen sich identifizieren? • Wie sieht das Untersuchungsmodell für die empirische Untersuchung aus?
Empirie
Kapitel 5 • Wie erfolgen die Stichprobenzusammenstellung und die Datenerhebung? • Wie lässt sich das Sample charakterisieren und wie ist die Datengüte? • Welche Analyseverfahren werden verwendet?
Kapitel 6
Ausblick
• Welche Zusammenhänge und Erfolgswirkungen lassen sich beobachten? • Inwiefern lässt sich das Untersuchungsmodell kausalanalytisch abbilden? • Wie unterscheiden sich die Nachfolgevarianten?
Kapitel 7 • Was sind die Kernergebnisse und welchen Limitationen ist die Arbeit unterworfen? • Welche Ansatzpunkte für die Unternehmenspraxis lassen sich ableiten? • Welche Ansatzpunkte für die betriebswirtschaftliche Forschung lassen sich ableiten?
12
2
Familienunternehmen und das Managementproblem Unternehmensnachfolge
Der Begriff Familienunternehmen wird oft und in vielen unterschiedlichen Kontexten verwendet – sei es in der Politik, in der Wissenschaft, bei wirtschaftlichen Interessengruppen oder in den Medien. Dabei besitzt der Begriff jedoch eine jeweils andere Konnotation. Wie in der betriebswirtschaftlichen Forschung gibt es auch innerhalb der Teildisziplinen keine einheitliche Begriffsbestimmung. Dies beeinträchtigt die Vergleichbarkeit empirischer Studien und führt auch in der theoretischen Literatur zu Verwirrungen.42 Ziel dieses Kapitels ist es daher, ein Verständnis für den Untersuchungsgegenstand Familienunternehmen sowie die besondere Herausforderung der Unternehmensnachfolge zu entwickeln. Beginnend mit einer vertiefenden Analyse der Bestimmungsfaktoren von Familienunternehmen wird der Grundstein für die in dieser Arbeit verwendeten Definitionen gelegt. Darüber hinaus dient diese detaillierte Analyse auch als Fundament für die spätere Herleitung einzelner Einflussgrößen auf den Nachfolgeprozess. Die zugleich extrahierten Bestimmungsfaktoren von Familienunternehmen werden außerdem als nachfolgespezifische Merkmale im Rahmen des Transaktionsprozesses berücksichtigt.
2.1 Begriffsbestimmung Familienunternehmen Die intuitive Annäherung an den Untersuchungsgegenstand Familienunternehmen erfolgt über die Entflechtung in die Begriffe Familie43 und Unternehmen.44 Eine mögliche Visualisierung dieser Vereinigung von Familie und Unternehmen in Familienunternehmen beschreibt das so genannte 2-Kreis-Modell mit zwei überlappenden Mengenkreisen.45 Diese erste Annäherung symbolisiert eingängig, dass es sich bei Familienunternehmen um ein
42
Vgl. Miller et al. (2007), S. 857. Eine umfangreiche Panel-Studie mit (börsennotierten) Familienunternehmen in den USA kam zu dem Ergebnis, dass je nach der definitorischen Berücksichtigung der Höhe des Familieneigentums, des Ausmaßes der Familienführung sowie der Familienkontrolle Familienunternehmen höher bzw. niedriger als Nicht-Familienunternehmen bewertet waren, vgl. Villalonga/Amit (2006), S. 414.
43
Unter dem Begriff Familie soll im Folgenden nicht nur das soziale Netzwerk aufgrund der genetischen Elternschaft verstanden werden, vgl. Holy (1996), S. 40 f., sondern im erweiterten Sinne eine Gruppe von Menschen, die untereinander ein (entferntes) verwandtschaftliches Verhältnis besitzen, vgl. Klein (2004), S. 10 f. So können alle von der Gründerfamilie abstammenden Generationen erfasst werden.
44
Diese Verbindung prägt die wissenschaftliche Auseinandersetzung seit Beginn, siehe dazu auch Bertsch (1964), S. 1 ff., oder Kepner (1983), S. 57 ff., als Beispiele für die frühen Annäherungen an diesen besonderen Untersuchungsgegenstand.
45
Vgl. Lansberg (1983), S. 44.
13 komplexes Mischgebilde handelt, das zwei unterschiedliche Systeme vereinigt. Auf der einen Seite ist das Leben im Familienverbund u. a. von personenorientierter Fürsorge, Erziehung der Kinder, Reproduktion oder emotionaler Intimität sowie Vertrauen untereinander geprägt.46 Aus der betriebswirtschaftlich geprägten Literatur lässt sich hierbei als wesentliches Merkmal und Oberziel der Familienzusammenhalt hervorheben.47 Auf der anderen Seite korrespondiert das Familiensystem mit dem Unternehmen, das in der Regel nach der Maxime der Gewinnmaximierung geführt wird. Diese Darstellung greift jedoch für die Zwecke dieser Arbeit deutlich zu kurz und soll daher im Folgenden in zwei Schritten erweitert werden. Eine erste Annäherung erfolgt durch die Berücksichtigung der Mittelstandsdefinition, die den Untersuchungsgegenstand insbesondere in Bezug auf die Unternehmensgröße eingrenzt.48 Daran knüpft im darauf folgenden Abschnitt die Herleitung der zentralen Bestimmungsfaktoren von Familienunternehmen an.
2.1.1 Annäherung über die Mittelstandsdefinition Die Bezeichnung „mittelständische Unternehmen“ wird irrtümlich in unzähligen Reden sowie schriftlichen Ausführungen als ein Synonym für Familienunternehmen verwendet. Das „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ bzw. der „Mittelstand“ wird beständig in zahlreichen Kontexten als Antagonist von Publikumsgesellschaften gezeichnet. Die Struktur der unter „Mittelstand“ subsumierten Unternehmen kann allerdings sehr variieren.49 Der Grund für die Verwirrungen liegt darin, dass es keine gesetzliche oder allgemeingültige Definition gibt. Zum besseren Verständnis und für eine Annäherung an die Mittelstandsdefinition sollen die quantitativen sowie die qualitativen Dimensionen der Begriffsbestimmung betrachtet werden.50
46
An dieser Stelle soll auf Literatur verwiesen werden, die tiefer auf diese soziologischen Aspekte eingeht. Siehe dazu u. a. Gilding (2005), S. 29 ff.; Erdmann (1999), S. 7 ff.; Eidemüller-Jucknat (1998), S. 14 ff.; Klein (2004), S. 56 ff.; Goode (1967), S. 31 ff.
47
Vgl. z. B. Flören (2002), S. 28 f., oder vor allem Pieper (2007), S. 39 ff. PIEPER arbeitet in seiner Dissertation den hohen Stellenwert dieses Aspekts (im Englischen „cohesion“) ausführlich heraus.
48
In dieser Arbeit liegt daher der Fokus auf mittelständischen Familienunternehmen.
49
Vgl. Mugler (1998), S. 30, und Gruber (2000), S. 16 f., sowie die dort genannten weiterführenden Quellen. GRUBER weist auf die außerordentlich hohe Anzahl von Definitionen hin und schildert ausführlich in einer epochenspezifischen Analyse, inwiefern sich der Mittelstand und seine spezifischen Rahmenbedingungen im letzten Jahrhundert gewandelt haben.
50
Vgl. Wolter/Hauser (2001), S. 27 ff., und Mugler (1998), S. 18 ff.
14 Die weit verbreitete quantitative Dimension orientiert sich an ökonomischen Kennzahlen, die Großunternehmen von mittelständischen Unternehmen unterscheiden.51 In diesem Fall wird z. B. bis zu einer gewissen Umsatzschwelle (in der Regel 50 Millionen EUR) oder einer festgelegten Bilanzsumme vom so genannten „Mittelstand“ gesprochen. Im Laufe der Zeit setzten sich vor allem die Definitionen des IfM Bonn sowie der EU-Kommission durch. Tabelle 2-1: KMU-Definitionen
IFM Bonn
Unternehmensklasse
Umsatz (Mio. €)
Mitarbeiter
Bilanzsumme (Mio. €)
%-Anteil des Umsatzes
%-Anteil der Mitarbeiter
%-Anteil der Unternehmen
Kleine Unternehmen
bis 1
bis 9
nicht definiert
10,49
35,14
91,38
Mittlere Unternehmen
1 bis 50
10 bis 499
nicht definiert
31,66
37,20
8,37
GroßUnternehmen
50 und mehr
500 und mehr
nicht definiert
57,85
27,66
0,25
Kleinstunternehmen
bis 2
bis 9
bis 2
k. A.
k. A.
95,26
Kleine Unternehmen
2 bis 10
10 bis 49
bis 10
k. A.
k. A.
3,59
Mittlere Unternehmen
10 bis 50
50 bis 249
bis 43
k. A.
k. A.
0,9
GroßUnternehmen
mehr als 50
250 und mehr
mehr als 43
k. A.
k. A.
0,25
EU
Erläuterung:
Beide Statistiken gehen von derselben Unternehmenszahl aus (3.426.612 Unternehmen mit steuerbarem Umsatz); Spalte 2: Umsatz als Primärkriterium für die spätere Klassifizierung; Spalte 3: Sozialversicherungspflichtige Vollzeitäquivalente
Quelle:
Eigene Berechnungen, basierend auf Statistisches Bundesamt, Unternehmensregister 2004; IfM Bonn52
51
Da diese Abgrenzung nachvollziehbar sowie praktikabel ist, wird sie mehrheitlich in wissenschaftlichen Studien über den Mittelstand angewandt. Bezeichnenderweise stößt die rein quantitativ orientierte Definition bei solchen Studien an Grenzen, die nachfolgerelevante Themenstellungen behandeln. Eine Übersicht der jüngsten deutschsprachigen Mittelstandsstudien befindet sich in Abschnitt 2.2.3.
52
Siehe dazu auch die Internet-Links im Anhang. Sehr ähnliche Ergebnisse auch bei Günterberg/Kayser (2004), S. 5.
15 Es ist evident, dass außerhalb der quantitativen Grenzen zahlreiche deutsche Familienunternehmen existieren.53 Aufgrund ihrer Größe und Bedeutung sind es oft gerade diese Unternehmen, auf die sich die Protagonisten in den wirtschaftspolitischen oder auch betriebswirtschaftlichen Diskussionen originär berufen. Infolgedessen besteht die Notwendigkeit, eine qualitative Dimension in die Begriffsbestimmung einzubeziehen. Da diese jedoch um ein Vielfaches komplexer ist,54 bedient sich die Standardliteratur eines Hilfskriteriums. Es wird angenommen, dass Unternehmen, die von ihren Eigentümern auch geleitet und durch ihre Unternehmensentscheidungen essentiell beeinflusst werden, dem „typischen“ Mittelstand zugerechnet werden können. Von einem inhabergeführten Unternehmen spricht man, wenn zumindest ein Geschäftsführer auch wesentliche Anteile am Unternehmen besitzt, wobei die Höhe des notwendigen Eigentumsanteils in der Literatur variiert.55 Aufgrund der Existenz sehr großer inhabergeführter Unternehmen bzw. kleinerer Publikumsgesellschaften führt daher erst die Kopplung der quantitativen mit der qualitativen Dimension zu einer homogeneren Mittelstandsdefinition. In dieser Arbeit werden bei der quantitativen Dimension alle Unternehmen zum Mittelstand gezählt, die weniger als 250 Millionen EUR Jahresumsatz aufweisen.56 Mit dem Ziel einer höheren Homogenität werden damit bewusst große Familienunternehmen wie z. B. Robert Bosch GmbH, Franz Haniel Cie KG oder Heraeus Holding GmbH ausgeschlossen. Hinsichtlich der Gesamtzahl der Familienunternehmen ist dieser Anteil jedoch gering. Des Weiteren liegt die Begrenzung auf inhabergeführte Unternehmen darin begründet, dass hinsichtlich der im weiteren Verlauf der Arbeit thematisierten Spezifika einer Unternehmensnachfolge die Funktionseinheit von Eigentum und Führung zwingend erfüllt sein muss.
53
Das gilt ebenso trotz nationaler Unterschiede weltweit, siehe z. B. für die USA McConaughy et al. (1996), S. 130.
54
Siehe dazu detailliert Abschnitt 2.1.2. Ein sehr umfangreicher qualitativer Merkmalskatalog ist z. B. bei Pfohl 1997, S. 19, nachzuschlagen.
55
Siehe auch Wöhe (2005), S. 71: „Eigentümergeführte Unternehmen sind solche Unternehmen, bei denen Eigentümer alle zentralen Führungsfunktionen selbst ausüben.“
56
Durch die Einbeziehung der limitierenden Bedingung, dass nur inhabergeführte Unternehmen berücksichtigt werden, ist aus der Sicht des Autors eine Verschiebung der Umsatzschwelle nach oben berechtigt.
16 Abbildung 2: Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
Im Ergebnis wird durch die Berücksichtigung der erweiterten Mittelstandsdefinition die Gruppe der in dieser Arbeit untersuchten Unternehmen eingeschränkt. Im Folgenden werden demnach nur Unternehmen betrachtet, die mittelständisch und inhabergeführt sind. Diese erste Annäherung reicht jedoch für die Bearbeitung der Forschungsziele nicht aus, so dass sie noch weiter präzisiert werden soll.
2.1.2 Theoretische Entwicklungslinien von Familienunternehmen Die über Jahrhunderte feststellbare Existenz von Familienunternehmen beinhaltet beeindruckende wirtschaftsgeschichtliche Zusammenhänge.57 Berufsstände vernetzten Gewerbetreibende und entwickelten sich fort von der hauswirtschaftlichen Urproduktion hin zu gewinnorientierten und unternehmerischen Organisationen. In der neueren betriebswirtschaftlichen Forschung der letzten drei Jahrzehnte werden in regelmäßigen Abständen Meta-Analysen und Status-quo-Einschätzungen des Forschungsfeldes veröffentlicht,58 was dennoch bisher nicht zu einer einheitlichen Definition führte. Dieser
57
Vgl. Klein (2004), S. 20 ff. Die Autorin beschreibt die Entwicklung und die Charakteristika von Familienunternehmen im historischen Kontext bzw. über die Zeitepochen der Feudalherrschaft, der Gründerzeit, der Industrialisierung sowie nach dem Kaiserreich. Sie resümiert u. a. mit der Aussage „Unternehmerfamilien haben dort einen Vorteil, wo sie diese ‚antiquierten’ Werte noch tradieren und nutzen“. Auf diese Werte und Charakteristika geht Abschnitt 2.1.2.4 ausführlicher ein.
58
Vgl. u. a. Sharma (2004), S. 1 ff.; Zahra/Sharma (2004), S. 331 ff.; Klein (2003), S. 1 ff.; Chrisman et al. (2003a), S. 1 ff.; Bird et al. (2002), S. 337 ff.; Westhead/Cowling (1998), S. 31 ff.; Aronoff (1998), S. 181 ff.; Dyer/Sánchez (1998), S. 287 ff.; Litz (2008), S. 218.
17 Tatbestand wird weiter deutlich, wenn die in Tabelle 2-2 zusammengetragene Auswahl älterer, häufig zitierter, deutschsprachiger Definitionen mit der Tabelle 2-4 auf S. 30 verglichen wird. Tabelle 2-2: Übersicht einiger Definitionen für Familienunternehmen – Teil 1
Quelle
Definition
Bertsch (1964), S. 9
„Die Familienunternehmung ist eine Unternehmung, deren Eigenkapital ganz oder zum größten Teil in den Händen einer Familie (…) liegt, und die von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Familie geführt wird, mit dem Willen, die Unternehmung in der Familie zu erhalten.“
Löwe (1980), S. 29
„Das Kapital der Familienunternehmung wird in der maßgeblichen Mehrheit durch die Familie aufgebracht. Ein oder mehrere Familienvertreter üben entscheidenden Einfluss auf die Leitung der Unternehmung aus oder stehen selbst in der Unternehmerfunktion. Die Kapitalgeber haben den Willen, die Unternehmung der Familie zu erhalten.“
Bechtle (1983), S. 33
„Die Mitglieder einer Familie oder mehrerer miteinander verwandten Familien sind maßgeblich am Kapital der Unternehmung beteiligt; die Familie bzw. Familien verfügen über die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Willensbildung und -durchsetzung der betreffenden Unternehmung. Dies kann entweder durch die Wahrnehmung einer Führungstätigkeit im Familienunternehmen oder durch die Ausübung gewisser Kontroll- und Entscheidungsrechte geschehen. Die Anteilseigner beabsichtigen, der Familie die Einflussmöglichkeiten auf das Unternehmensgeschehen zu erhalten.“
Ausgangspunkt früherer Annäherungen bei der Begriffsbestimmung war die grundlegende Unterscheidung zwischen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen.59 Anhand einer Vielzahl verschiedener Kriterien wurde in diesen Fällen eine Entweder-oderEntscheidung erzwungen. Deutlich zeichnet sich jedoch neuerdings die Abkehr von dieser dichotomen Aufteilung ab. Die erkannte Komplexität und Heterogenität des Untersuchungsgegenstandes führte zur Entwicklung von Schemata, die graduelle Abstufungen innerhalb dieser zwei Pole zuließen. Ein erster Versuch in diese Richtung war das sehr verbreitete 3Kreis-Modell.60 Die ineinander verflochtenen Bereiche Eigentum, Familie und Führung und die daraus entstehenden Teilmengen können als Unternehmens-Typologien61 interpretiert
59
Vgl. Pieper/Klein (2007), S. 303.
60
Das auch als Erweiterung des oben genannten 2-Kreis-Modells zu interpretieren ist. Vgl. Lansberg (1988), S. 122 ff., und Gersick et al. (1997), S. 6.
61
Zu weiteren typologisierenden Ansätzen siehe u. a. Löhr (2001), S. 13 ff.; Dyer (2006), S. 266; Birley (2002), S. 11 ff.; Spielmann (1994), S. 376 ff., oder Rapp (1996), S. 94 ff.
18 werden, die von anderen Forschern zunehmend diskutiert und weiterentwickelt wurden.62 Das folgende Schaubild stellt eine synoptische Übersicht über die Vielfalt der Möglichkeiten dar. Abbildung 3: Dimensionen von Familienunternehmen und ihre Gradierungen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gersick et al. (1997), S. 17, und Mühlebach (2004), S. 5.
Die Auffächerung in mehrere Klassifikationen wird in der jüngsten Forschung in dem Erklärungsansatz fortgesetzt, dass Familienunternehmen über den Grad des so genannten Familieneinflusses beschrieben werden. Je mehr Kriterien erfüllt werden, desto mehr bewegt sich das spezifische Unternehmen auf dem bipolaren Spektrum in Richtung eines Familienunternehmens. Diese Herangehensweise ermöglicht eine stufenlose Kennzeichnung des Unternehmens und weist durch die angenommene Linearität methodische Vorteile auf.
62
Mit Hilfe der Schnittmengen werden z. B. so genannte „bivalent attributes“ hergeleitet, die die charakteristischen Vor- und Nachteile eines Familienunternehmens ausmachen, vgl. Tagiuri/Davis (1996), S. 200. Ferner wurden die drei Dimensionen zeitlich aufgefächert, vgl. Gersick et al. (1997), S. 29 ff.
19 Dennoch offenbaren sich zeitgleich zwei große Herausforderungen bei diesem Ansatz. Zum einen müssen zunächst die relevanten Kriterien festgelegt und zum anderen messbar gemacht werden.63 Die umfangreiche Forschung hat eine Fülle von Kriterien für die Bestimmung von Familienunternehmen hervorgebracht, die sich aus der Sicht des Autors prinzipiell in die Aspekte Eigentum, Kontrolle, Führung, Hybridität und Mehrgenerationen-Ansatz gruppieren lassen.64 Alle gängigen Definitionsversuche bestehen aus mindestens einem, in der Regel jedoch aus einer Kombination dieser sequentiell vorgestellten Bestimmungsfaktoren.
Abbildung 4: Bestimmungsfaktoren von Familienunternehmen
2.1.2.1 Bestimmungsfaktor: Eigentum Eigentum lässt sich allgemein als Verfügungsgewalt über eine Sache auf rechtlicher Grundlage umschreiben. Eigentümer von Unternehmen sind die Eigenkapitalgeber, die die
63
Weitere Erläuterungen zur Messbarkeit von Familieneinfluss folgen im Abschnitt 4.4.4.
64
Wie im Vergleich zu älteren Arbeiten zu erkennen, kristallisierten sich diese Bestimmungsfaktoren erst in den letzten Jahren heraus, vgl. Goehler (1993), S. 49. Die dortige tabellarische Auflistung der Bestimmungsfaktoren weist jedoch mehrheitlich Lücken auf. FLÖREN destilliert hingegen aus der Vielzahl der Definitionen sechs primäre Bestimmungsfaktoren. Empfehlenswerte Übersichten über die zahlreichen Definitionsansätze sind u. a. enthalten in Chua et al. (1999), S. 21, Flören (2002), S. 17 ff., und Pfannenschwarz (2006), S. 334 ff.
20 Führungsentscheidungen als ihre Träger entweder an Fremdmanager delegieren oder für sich beanspruchen können.65 Die Einschränkung des Untersuchungsgegenstandes auf eigentümerbzw. inhabergeführte Unternehmen ist bereits im vorangegangenen Abschnitt vorgenommen worden. Mit der Berücksichtigung der Eigentumsverhältnisse des Unternehmens erhalten viele Autoren ein relativ trennscharfes Abgrenzungskriterium. Der Anteil einer oder mehrerer Familien am Eigenkapital des Unternehmens dient als Gradmesser für die Einteilung in Familienunternehmen oder Nicht-Familienunternehmen. Wie viele Prozentpunkte an Eigenkapital innerhalb der Familie vereint sein müssen, um als Familienunternehmen deklariert zu werden, ist hingegen umstritten. Als gebräuchlichste Grenzziehungen gelten „über 50 %“ oder „mindestens 25 %“.66 Die Eigentumsverteilung im Unternehmen spielt darüber hinaus auch in vielen anderen Bereichen eine zentrale Rolle. Es werden z. B. ausführlich Erklärungsansätze diskutiert, welche Performance-Wirkung im Zusammenhang mit dem Bestimmungsfaktor Eigentum zu erwarten ist.67 Der Unternehmenserfolg wird dann als Funktion der variierenden Beteiligungsverhältnisse der Akteure dargestellt. Aus der häufigen Annahme in der Literatur, dass sich Familienunternehmen auch im Besitz mehrerer Familienstämme befinden können, resultiert ein Dilemma, das insbesondere in der Empirie zum Tragen kommt. Die verschiedenen Verwandtschaftsgrade mehrerer Gesellschafter mit unterschiedlichen Familiennamen lassen sich mit vertretbaren Kosten nur bedingt recherchieren.68 Die unzureichende Datenverfügbarkeit durch u. a. eingeschränkte Publizitätspflicht bzw. individuelle Geheimhaltung seitens der Entscheidungsträger führt dazu, dass eine detaillierte Berücksichtigung der Beteiligungsverhältnisse nur bedingt möglich ist. Dennoch lässt sich konstatieren, dass die Orientierung an den Besitzverhältnissen eine objektive und nachvollziehbare Herangehensweise darstellt, die sich letztlich in den meisten
65
Vgl. Wöhe (2005), S. 70 f.
66
Im deutschen Aktienrecht ist bei der vorliegenden Sperrminorität davon auszugehen, dass maßgeblicher Gesellschaftereinfluss ausgeübt werden kann, z. B. bei der Liquidation des Unternehmens oder bei Satzungsänderungen, siehe § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG und § 179 Abs. 2 AktG. Der überwiegende Teil der Unternehmen liegt meist vollständig in Familienhand. Laut KLEIN sind es drei von vier Familienunternehmen, vgl. Klein (2004), S. 108.
67
Vgl. Jaskiewicz 2006, S. 105 ff., sowie die weiteren theoretischen Ausführungen in Abschnitt 3.2.
68
Über die Zeit können sich Familienunternehmen von „Gründerunternehmen“ zu „Vettern-Konsortien“ oder „Geschwisterpartnerschaften“ evolutorisch entwickeln, so dass der Familienname nur noch bedingt als Indikator angeführt werden kann, vgl. Gersick et al. (1999), S. 289.
21 Definitionsansätzen durchgesetzt hat.69 Die angesprochenen Unzulänglichkeiten sollen durch die Beimischung weiterer Bestimmungsfaktoren kompensiert werden, die in den anschließenden Abschnitten vorgestellt werden.
2.1.2.2 Bestimmungsfaktor: Kontrolle Der schwierigen Festlegung eines bestimmten Eigentumsanteils begegnet insbesondere in der qualitativen Forschung der Begriff der Unternehmenskontrolle. Das Verständnis über die Begrifflichkeit lässt sich sowohl formell als auch informell interpretieren.70 Auf der einen Seite ist Kontrolle als ein Gestaltungsfeld der Corporate Governance zu verstehen, also beispielsweise im Sinne einer institutionalisierten Kontrolle durch Jahresabschlussprüfer oder Aufsichtsrat.71 Der Begriff Corporate Governance stammt aus dem angloamerikanischen Sprachraum und wird hierzulande mit dem Zusammenhang zwischen Unternehmenskontrolle, Unternehmensleitung und Unternehmenserfolg aus der Sicht der Anteilseigner gleichgesetzt.72 Auf der anderen Seite sehen einige Autoren die Familie als Machtinstanz im Unternehmen, von der die wichtigen Entscheidungen ausgehen und bei der sich die informelle Kontrollmacht befindet. Abweichend vom Bestimmungsfaktor Eigentum berücksichtigt der Faktor Kontrolle – im Sinne der formellen Interpretation – in der Regel den Stimmrechtsanteil der Anteilseigner.73 Grundgedanke dieser Betrachtung ist es, dass der Grad der möglichen Einflussnahme der Familie auf das Unternehmen davon stärker abhängt als von der Höhe der Kapitalbeteiligung. Die Beteiligung einzelner Personen bzw. Familienmitglieder an strategischen Unternehmensentscheidungen, z. B. im Rahmen von Gesellschafterversammlungen, bestimmt, inwieweit ein Unternehmen intern sowie extern als Familienunternehmen wahrgenommen wird. Diese Kontrollfunktion kann disparitätisch von den Kapitalanteils-
69
Vgl. u. a. Goehler 1993, S. 43 ff.; Kellermanns 2005, S. 316; Trefelik (1998), S. 37; Spielmann (1994), S. 22.
70
Siehe dazu auch Brun de Pontet et al. (2007), S. 346.
71
Vgl. Wöhe (2005), S. 83.
72
Vgl. Kirchdörfer/Kögel (2000), S. 223; Hennerkes (1998), S. 165. Die definitorische Varietät hängt in diesem Kontext auch mit den unterschiedlichen nationalen Corporate-Governance-Strukturen zusammen, die z. B. durch das einstufige Managementsystem in Spanien bzw. das zweistufige System in Deutschland gekennzeichnet sein können, vgl. Jaskiewicz (2006), S. 39 oder Suáre/Santana-Martín (2004), S. 143 ff. WÖHE verwendet stellvertretend für den deutschsprachigen Raum folgende Definition: „Der Problemkomplex Corporate Governance befasst sich mit der bestmöglichen Verteilung von Verfügungsrechten für eine erfolgreiche Unternehmensführung und -kontrolle“, vgl. Wöhe (2005), S. 83.
73
Siehe dazu u. a. Goehler (1993), S. 45 f.; Jaskiewicz (2006), S. 24 ff.
22 verhältnissen festgelegt sein.74 Gerade in älteren Unternehmen mit einer starken Fragmentierung der Gesellschafterstruktur können dadurch überhaupt erst unterstützende Kontroll- und Steuerungsfunktionen ausgeübt werden. Neben der Gesellschafterversammlung bzw. dem Aufsichtsrat ist der so genannte Familien-Beirat ein beliebtes Kontrollgremium. Aufgrund der höheren Gestaltungsfreiheit und Passgenauigkeit stellt er ein bevorzugtes Instrument dar, das auch beratende und schlichtende Funktionen ausüben kann.75 Wenn in den Definitionen von Familienunternehmen die Rede von einer kontrollierenden Familie ist, muss damit jedoch nicht immer eine formelle oder verbriefte Einflussnahme gemeint sein. Teilweise wird dies auch auf die Wahrnehmung bzw. gefühlte Kontrolle projiziert. In diesen Fällen erfolgt die Operationalisierung des Bestimmungsfaktors Kontrolle in Studien meist über eine Selbstklassifikation, die die Interpretation und Vergleichbarkeit der Ergebnisse erschwert.76 Der Bestimmungsfaktor Kontrolle ist demnach eine weitere Facette des Gesamtbilds Familienunternehmen, jedoch auch nicht frei von Problemen. So sinnvoll die theoretische Feinjustierung auch ist, so schwierig ist die praktische Operationalisierbarkeit. Vertragliche Regelungen und gelebte Realität sind Aspekte, die nur durch Insider-Wissen identifiziert und eingeordnet werden können. Die kodifizierten rechtlichen Vereinbarungen sind unter gewissen Bedingungen möglicherweise einsehbar, jedoch erzeugt die Kluft zwischen legitimierter Kontrollfunktion und gefühltem Machtanspruch einzelner Individuen ein dauerhaftes internes Spannungsfeld sowie einen ungenauen Graubereich für externe Betrachter – respektive Forschende. In einer erweiterten Sicht vertreten einige Autoren auch die Auffassung, dass das vollständige System, wie Familienunternehmen mit den Kontroll- und Leitungsstrukturen verfahren, ein familienspezifisches sowie erfolgskritisches Kriterium ist.77 In diesem Kontext erschließt sich ein kompletter Literaturstrang, der sich vor allem mit den Corporate-Governance-Strukturen
74
Bei der Mehrheit (über 75 %) der deutschen Familienunternehmen handelt es sich um Kapitalgesellschaften, vgl. Klein (2004), S. 114.
75
Diese Doppelfunktion ist jedoch auch angreifbar. Ein Beirat, der in der beratenden Funktion hierarchisch übergeordnet sein sollte, wird in der Durchschlagskraft als kontrollierendes Element möglicherweise gebremst sein.
76
Vgl. Brun de Pontet et al. (2007), S. 346.
77
Vgl. Carney (2005), S. 251 f. Der Autor differenziert „family governance“ von „managerial governance“ und spricht Familienunternehmen nach Etablierung entsprechender Strukturen ein hohes Wertschöpfungspotential zu.
23 von Familienunternehmen befasst.78 Die in der Regel konzentrierten Machtverhältnisse bewirken eine starke Abhängigkeit unter den Gesellschaftergruppen, die im Konfliktfall, z. B. aufgrund unterschiedlicher Meinungen über die Nachfolgeplanung, negative Folgen für das gesamte Familienunternehmen haben können.79 Im deutschen Mittelstand sind die Überwachungs- bzw. Disziplinierungsmaßnahmen weniger vom Kapitalmarkt, sondern vielmehr durch Beiräte, Banken, Wirtschaftsprüfer oder Netzwerke bestimmt.80 Insgesamt ist aber auf jeden Fall zu konstatieren, dass der Aspekt Kontrolle eine charakterisierende Eigenschaft von Familienunternehmen ist.
2.1.2.3 Bestimmungsfaktor: Führung Laut WÖHE hat die Unternehmensführung „die Aufgabe, den Prozess der betrieblichen Leistungserstellung und -verwertung so zu gestalten, dass die Unternehmensziele auf höchstmöglichen Niveau erreicht werden“.81 Einige Autoren verweisen darauf, dass die Art und Weise der Führung in Familienunternehmen von derjenigen in NichtFamilienunternehmen abzugrenzen ist.82 Dies lässt sich bei inhabergeführten Unternehmen nachvollziehen.83 Jedoch wird in der Literatur in der Regel davon ausgegangen, dass Familienunternehmen und Fremdmanagement einander nicht ausschließen.84 Neben der Funktionseinheit von Eigentum und Führung bestehen offensichtlich weitere Besonderheiten gegenüber Publikumsgesellschaften. Viele
78
Vgl. z. B. Hausch (2004), S. 312 ff.; Burkart et al. (2003), S. 2167 ff.; Martin (2001), S. 91 ff., und die späteren Ausführungen in Abschnitt 3.2.1. Auf der Website www.kodex-fuer-familienunternehmen.de kann z. B. ein Governance-Kodex heruntergeladen werden, der von einigen Familienunternehmern und der INTES Akademie 2004 erstellt wurde (http://www.intes-online.de/UserFiles/File/GovernanceKodex Deutsch.pdf; Internetabfrage: 22.04.2008).
79
Vgl. Kellermanns/Eddleston (2004), S. 216 f.
80
Vgl. Paetzmann (2006), S. 351.
81
Vgl. Wöhe (2005), S. 62.
82
Vgl. u. a. Kellermanns (2005), S. 316; Goehler (1993), S. 47.
83
SCHACHNER et al. betonen, „dass das Verhalten kleiner und mittlerer Unternehmen ohne die Berücksichtigung der Eigentums- und Führungsstruktur nur unzureichend erklärt werden kann.“ Sie weisen nach, dass inhabergeführte Unternehmen sich in zentralen Aspekten des Steuerungssystems des Unternehmens unterscheiden, vgl. Schachner et al. (2006), S. 614.
84
Siehe dazu z. B. die Auflistungen der Stiftung Familienunternehmen (2007). Der Anteil der inhabergeführten Unternehmen und die Unternehmensgröße verhalten sich reziprok, d. h., je größer das im Familienbesitz befindliche Unternehmen ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es von familienexternen Managern – dem so genannten Fremdmanagement – geleitet wird.
24 dieser Aspekte lassen sich vom Bestimmungsfaktor Führung abkoppeln und vielmehr zum später diskutierten Aspekt Hybridität subsumieren. Dennoch werden diese spezifischen Facetten meist von der strategischen Unternehmensführung, z. B. in Form der Unternehmensvision oder kodifizierter Werte und Normen, getragen. Da bei Familienunternehmen die Systeme Familie und Unternehmen oft sehr verzahnt sind, resultieren emotionale Konflikte sowie irrationale Entscheidungen. Nicht nur in der angloamerikanischen Welt ist es zunehmend üblich, die Unternehmensführung mit Hilfe externer Gremien bei der Lösung dieser Probleme zu unterstützen.85 Im Verlauf der Arbeit kommt insbesondere dem Bestimmungsfaktor Führung noch eine bedeutende Rolle zu, da das Ereignis der Unternehmensnachfolge am deutlichsten an einer Veränderung auf der Führungsebene festzumachen ist.86 Die deutsche sowie die angloamerikanische Führungswechselforschung besitzt zwar eine lange, über 30-jährige Tradition, hat jedoch nur äußerst punktuell Eingang in die einschlägige Literatur der Familienunternehmensforschung gefunden.87 Exemplarische Anknüpfungspunkte lassen sich in den Untersuchungen über Unternehmensgründer finden, die ihr Unternehmen schlussendlich übergeben.88 Die besondere Rolle des Übergebers und die individuellen Führungsqualitäten finden darin ebenso besondere Beachtung wie der Zusammenhang dieser Führungswechsel mit dem Unternehmenserfolg. Zentrale Forschungsfragen nach den Ursachen, Akteuren und Wirkungen von Nachfolgeprozessen sind thematisch eng an die besonderen Herausforderungen bei Familienunternehmen angelehnt, so dass es doch sinnvoll erscheint, Erkenntnisse und Anregungen aus diesem Bereich zu integrieren.89 Aus Gründen der höheren Konsistenz soll an dieser Stelle auf die weiteren Ausführungen in Abschnitt 3.2.3 verwiesen werden, die umfassender den Literaturstrang zu Führungswechseln beleuchtet.90
85
Siehe ebenso die Ausführungen zum Bestimmungsfaktor Kontrolle. Der Aufbau und die Gestaltung so genannter „councils“ bzw. „family offices“ werden seit geraumer Zeit diskutiert, vgl. Jonovic (1989), S. 125 ff.; Gumpert/Boyd (1984), S. 24; Harris (1989), S. 150. Etwas aktueller Blumentritt (2006), S. 65 ff.
86
Vgl. Pfannenschwarz (2006), S. 51.
87
Vgl. grundlegend z. B. Grusky (1963), S. 21 ff.; Helmich/Brown (1972), S. 371 ff.; Dalton/Kesner (1983), S. 736 ff.; Kesner/Sebora (1994), S. 337 ff.
88
Vgl. u. a. Rubenson/Gupta (1996), S. 21 ff., und verstärkt aus der soziologischen Sicht Haveman/Khaire (2004), S. 437 ff.
89
Zum Kern des Forschungsgebiets siehe z. B. Pitcher et al. (2000), S. 626 f., oder Oesterle (1999), S. 23 f. Zum Appell des gegenseitigen Austauschs siehe u. a. Bagby (2004), S. 332.
90
Wie in Kapitel 3 beschrieben, sollen in der vorliegenden Arbeit Familienunternehmen mit Fremdmanagement ausgeblendet werden. Zur Beschreibung der Vor- und Nachteile soll auf die Habilitation von LÖHR und die dortigen Ausführungen verwiesen werden, vgl. Löhr (2001), S. 93 ff.
25
2.1.2.4 Bestimmungsfaktor: Hybridität Die bisherigen Bestimmungsfaktoren waren dadurch gekennzeichnet, dass ihre Ausprägungen relativ gut manifestierbar sind. Mittels mehrheitlich objektiver Messgrößen können Intensitätsgrade bzw. Abgrenzungskriterien gebildet werden, die die Existenz eines Familienunternehmens verhältnismäßig klar bestimmbar machen. Der Bestimmungsfaktor Hybridität umfasst die schwerer greifbaren Aspekte eines Familienunternehmens, die im Begriffsbereich der Unternehmenskultur zu verorten sind.91 Wenngleich die Vielzahl unterschiedlicher Veröffentlichungen in der betriebswirtschaftlichen Forschung ein einheitliches Begriffsverständnis erschwert, sollen angelehnt an SCHEIN unter dem Begriff der Unternehmenskultur in dieser Arbeit unternehmensspezifische Verhaltensmuster verstanden werden, die die Beteiligten erlernt und weiterentwickelt haben, um im Sinne des Unternehmens auf externe sowie interne Herausforderungen reagieren bzw. agieren zu können.92 Demnach beinhalten die kulturellen Aspekte des Unternehmens jegliches symbolisch oder sprachlich auftretende Humankapital und damit sämtliche Denkmuster, Wertvorstellungen und Verhaltensnormen.93 WINKLER umschreibt darauf aufbauend den Begriff Familienkultur als „die Gesamtheit der tradierten, wandelbaren, zeitspezifischen Wertvorstellungen und Verhaltensnormen sowie Denkmuster und Handlungsweisen, welche von der Familie erlernt und akzeptiert wurden.“94 Die Charakterisierung der Unternehmenskultur bei Familienunternehmen muss gerade die kulturellen Besonderheiten berücksichtigen, die auf den familiären Einfluss zurückzuführen sind. Das System Familie stellt daher ein gestaltendes Element für die Unternehmenskultur dar, die in ihrer Bestimmungsart und -intensität sehr heterogen ist, sich aber dennoch durch wiederkehrende Merkmale auszeichnet. In Tabelle 2-3 sollen einige dieser Determinanten
91
CHUA et al. gehören zu den Ersten, die ein erweitertes Verständnis von „Familieneinfluss“ fordern. Sie stellen in ihrer Untersuchung fest, dass die Indikatoren Führung, Eigentum, Kontrolle und Generationenwechsel nicht ausreichen, um Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen auseinanderzuhalten, und schlagen vor, dass die Vision und die Verhaltensmuster im Unternehmen eine größere Rolle spielen sollten, vgl. Chua et al. (1999), S. 34 f.
92
„Organizational culture is the pattern of basic assumptions that a given group has invented, discovered, or developed in learning to cope with its problems of external adaption and internal integration, and that have worked well enough to be considered valid, and, therefore, to be taught to new members as the correct way to perceive think, and feel in relation to those problems”, vgl. Schein (1984), S. 3. Siehe eine Auflistung weiterer Begriffsverständnisse bei Strähle (2003), S. 84.
93
Oft wird auch von einer Wertegemeinschaft mit einem informellen Verhaltenskodex gesprochen, vgl. Fabis (2007), S. 47 ff. Siehe dazu auch die weiterführenden Ausführungen in Abschnitt 2.2.
94
Vgl. Winkler (1997), S. 197.
26 vorgestellt werden, um ein grundlegendes Verständnis für die weitere Untersuchung zu schaffen.
Tabelle 2-3: Überblick über Chancen und Risiken von Familienunternehmen
Merkmale
Besonderheiten
Chancen
Risiken
Organisation
Familienrollen führen zu hierarchischen Strukturen von geringer Komplexität
x Organisatorische Kontinuität x Geringer Formalismus x Strategische Flexibilität x Schnelle Anpassungsfähigkeit
x Zentralismus x Rivalitäten zwischen Generationen oder Geschwistern x Unprofessionelle Führungsstrukturen
Historie
Die Familienhistorie prägt Gegenwart und Zukunft
x Personelle und strategische Kontinuität x Komplexitätsreduzierendes Vertrauen
x Nachfolgeproblematik x Überalterung x „Patriarchat“
Kommunikation
Die Kommunikation zeichnet sich durch spezielle Rituale oder Sprachregelungen aus
x Verbindendes Element x Effizienz in der Kommunikation
x Wahrnehmungsfilter x Eindimensionale Ausrichtung
Reputation
Enge Kopplung der Familienangehörigen an das Unternehmen
x Steigerung des Prestiges durch entsprechendes Marketing x Unterstützung aller Anspruchsgruppen
x Im Konfliktfall sehr negative externe Wahrnehmung x Abhängigkeit gegenüber den Anspruchsgruppen
Motivation
Familiäre Struktur und Tradition definieren das Leistungsverhalten
x Identitätsstiftend und motivierend bei den Mitarbeitern x Familienmitglieder werden schon früh „herangeführt“
x Isolierte Perspektive x „Vetternwirtschaft“ x Höhere Gefahr der Abhängigkeit
Finanzierung
Langfristige Unternehmenskontinuität als Grundmotiv
x Strategische Weitsicht x Finanzielle Kontinuität
x Irrationalität x Risikoaversion
Quelle:
Eigene Darstellung in Anlehnung an Dyer (2006), S. 259; Vallejo (2008), S. 261 ff.; Rosenbauer (1994), S. 45; Kets de Vries (1996), S. 23; Simon (2002), S. 17 ff.; Rutherford et al. (2006), S. 329; Hammer/Hinterhuber (1993), S. 254; Miller/Le Breton-Miller (2005), S. 519.
Diese unternehmenskulturellen Charakteristika basieren grundlegend auf dem Aufeinandertreffen der beiden Systeme Familie und Unternehmen. In diversen Definitionsansätzen – wie auch zu Beginn des Kapitels – wird daher unter einem Familienunternehmen
27 sehr oft diese kennzeichnende Hybridität thematisiert.95 Das Familienunternehmen stellt in jedem Fall ein komplexes System dar, das in seiner Symbiose überaus erfolgreich arbeiten kann; jedoch kann bei Dysbalancen dasselbe Misch-System auch eine äußerst destruktive Kraft ausüben.96 In einer aktuellen Untersuchung ist die Indikation herausgearbeitet worden, dass insbesondere Familienunternehmen in der ersten Generation erfolgreich sind.97 Durch den Wegfall des Gründers relativiert sich jedoch zunehmend die superiore Stellung und es entscheidet sich, ob die Erfolgspotentiale eines Familienunternehmens nachhaltig gesichert werden können oder ob diese sogar in ihrer Wirkung umgekehrt werden. Familienunternehmen sind demnach Hybrid-Systeme, deren wechselseitige konfligierende Teilbereiche harmonisiert werden müssen, um einen langfristigen Unternehmenserfolg gewährleisten zu können.98 Exemplarisch kann die Möglichkeit dieses hybriden Verhaltens am Finanzgebaren von Familienunternehmen veranschaulicht werden.99 Auf der einen Seite können aufgrund der in der Regel langfristig angelegten Renditeziele der Gesellschafter eine strategische Planung und eine Finanzierungsstrategie verfolgt werden, die nicht von dem kurzfristigen Shareholder-Value-Gedanken beeinträchtigt ist. Auf der anderen Seite können vergleichsweise kurze Entscheidungswege dazu führen, dass Investitionsobjekte mit geringer Vorlaufzeit realisiert werden können. In der Praxis lassen sich konservative Familienunternehmen mit hohen Eigenkapitalquoten ebenso beobachten wie Unternehmen mit einem deutlich schlechteren Bonitäts-Ranking aufgrund schwelender Gesellschafterkonflikte oder
95
Siehe dazu SHARMA: „The intertwinement and reciprocal relationships between the family and business systems is being recognized as the key feature distinguishing this field of study from others“, vgl. Sharma (2004), S. 9.
96
Auch auf der Ebene des Individuums können Arbeits- und Familienleben einander (positiv wie negativ) bedingen, vgl. Frone et al. (1992), S. 65 ff.
97
Vgl. Cucculelli/Micucci (2008), S. 17 ff.
98
In der Sozio-Ökonomik ist sukzessive die Erkenntnis gereift, dass Unternehmen und Privathaushalte nicht nur als gesonderte Wirtschaftseinheiten, sondern auch als Hybrid-Geflechte dargestellt werden können. Familienhaushalte dienen der Versorgung der Familienmitglieder inklusive der Erzeugung sowie Erziehung von Nachwuchs und basieren auf Solidarität, Harmonie und Rücksichtnahme. Beim Gründen und Führen eines Unternehmens dienen finanzökonomische Erfolgsmaßstäbe als Orientierung, vgl. Piorkowsky (2002), S. 5 f.
99
„There is truth in the notion that FBs [Familienunternehmen] have a special ‚financial logic’ of their own“, vgl. Gallo et al. (2004), S. 314. In der einschlägigen Finanzierungsliteratur werden auch zunehmend die Besonderheiten bei Familienunternehmen herausgearbeitet, siehe dazu u. a. Almeida/Wolfenzon (2006), S. 2637 ff.; Ehrhardt/Nowak (2003), S. 363 ff.; Shleifer/Vishny (1997), S. 737 ff.; Romano et al. (2000), S. 285 ff.
28 unzureichender Nachfolgeregelungen.100 Die besonderen Aspekte können zu einem gänzlich anderen Finanzierungsverhalten als bei Nicht-Familienunternehmen führen, wobei je nach Ausgestaltung der langfristige Unternehmenserfolg positiv oder negativ ausfallen kann.101 Unumstritten ist der dominierende Einfluss der Unternehmerpersönlichkeit in Familienunternehmen, der die bestimmenden Werte und Normen des Unternehmens entscheidend prägt.102 Damit eng verknüpft ist die hohe Identifikationsfähigkeit der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Diese recht unmittelbare Verbindung ist in der Regel sowohl von überdurchschnittlichem Verantwortungsgefühl gegenüber den Mitarbeitern als auch durch die überdurchschnittliche Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter gegenüber dem Unternehmen geprägt.103 „Auf diesem gegenseitigen Vertrauen basieren sowohl die innerfamiliären als auch die interpersonellen Verhaltensnormen in familiengeführten Betrieben“104 und WATERMANN folgert daraus ein für Familien-unternehmen spezifisches Zusammengehörigkeitsgefühl, das als kulturelle Prägung durch alle Hierarchiestufen reicht. Als Zwischenresümee kann festgestellt werden, dass die Hybridität als extrahierter Bestimmungsfaktor ebenso bedeutend wie vielschichtig sowie im Vergleich zu den anderen am schwierigsten zu greifen ist.105 Im Rahmen der späteren Operationalisierungen wird insbesondere auf die Facetten dieses Bestimmungsfaktors erneut zurückgegrifffen.
100
Vgl. Gallo et al. (2004), S. 315 f. Siehe zu diesem Themenkomplex auch die aktuelleren Studien von z. B. Ernst & Young (2005b), Ernst & Young (2005a), FAZ Institut (2004).
101
Vgl. u. a. McConaughy et al. (2001), S. 31 ff.; Gallo/Vilaseca (1996), S. 387 ff. Die unterschiedlichen Vorgehensweisen sind zum großen Teil auf die individuellen Zielsetzungen und Präferenzen der Familienmitglieder zurückzuführen, vgl. Gallo et al. (2004), S. 317.
102
„Die Identifizierung einzelner bzw. sämtlicher Mitarbeiter mit der Gründerfamilie oder dem nicht selten noch herrschenden Unternehmensgründer ist zweifelsohne ein zentrales kulturelles Charakteristikum von Familienunternehmen. Kennzeichnend für das Familienunternehmen ist, dass es dem Gründer gelingt, der Unternehmung und ihren Mitgliedern sein eigenes bzw. das familiäre Werte- und Normengefüge zu oktroyieren“, vgl. Watermann (1999), S. 53.
103
Vgl. u. a. Vallejo (2008), S. 273; McConaughy et al. (1998), S. 18.
104
Vgl. Watermann (1999), S. 55.
105
Die Familienunternehmensforschung ist noch auf dem Weg, hier einen konsistenten Begriffs- und Bezugsrahmen zu schaffen, vgl. Sharma 2004, S. 5 f., siehe auch den Hinweis von Steen/Welch (2006), S. 298: „[It] demonstrates how extensive, convoluted, and intertwined family business networks may become, to the point where it is difficult to disentangle business, family, and personal elements. There is clearly a need for further research that explores the nature and operation of this mixed ´network world´”.
29
2.1.2.5 Bestimmungsfaktor: Mehrgenerationen-Ansatz Abschließend ist der Bestimmungsfaktor Mehrgenerationen-Ansatz zu identifizieren, der im Kern besagt, dass die Klassifizierung zu einem Familienunternehmen durch die grundsätzliche Intention einer familieninternen Unternehmensnachfolge vollzogen wird. Die Intention eines Generationswechsels bestimmt insofern – zumindest implizit – die Unternehmensstrategie und führt zu einer Abgrenzung zu Nicht-Familienunternehmen.106 Die Kopplung der Begriffsbestimmung von Familienunternehmen mit dem Phänomen des Nachfolgeprozesses unterstreicht erneut, wie zentral das Forschungsgebiet Unternehmensnachfolge innerhalb dieses Forschungsstrangs ist. Da im Zuge dieser Arbeit konsequenterweise dieser letzte Bestimmungsfaktor sehr vertieft betrachtet wird, soll er an dieser Stelle nicht weiter elaboriert werden. In Abschnitt 4.4.4 wird er zudem im Rahmen der Operationalisierung des Familieneinflusses im Unternehmen auf die jeweiligen Generationenlevels herangezogen.107
2.1.3 Abschließende Begriffsbestimmung Die mannigfaltigen Beiträge zur terminologischen Bestimmung von Familienunternehmen konnten mit Hilfe der fünf identifizierten Faktoren in eine Struktur gebracht werden. Diese Systematisierung ermöglicht eine konsistente Betrachtungsweise von Familienunternehmen und erweitert das Verständnis der dichotomen Abgrenzung zu Nicht-Familienunternehmen. In Tabelle 2-4 werden einige zentrale Definitionsansätze repräsentativ den einzelnen Bestimmungsfaktoren zugewiesen.108 Es ist evident, dass die Definitionen nicht ausschließlich einem spezifischen Faktor zuzuordnen sind, sondern einen Aspekt mehr oder weniger akzentuieren.
106
„Distinctions between family and nonfamily firms are made on the basis of family ownership, family management, and transgenerational sustainability“, vgl. Kellermanns (2005), S. 316. Deutschsprachige Quellen sind u. a. Bertsch 1964, S. 5, und Trefelik 1998, S. 36, die auch explizit den Wunsch nach Erhalt innerhalb der Familie als Definitionskriterium verwenden.
107
LÖHR unterscheidet z. B. zwischen Gründerunternehmer (1. Generation), Nachfolgeunternehmer (2. Generation) und Folgeunternehmer (3. und höhere Generation), vgl. Löhr (2001), S. 16 ff.
108
Vgl. eine ähnliche multi-dimensionale Zuordnung bei Litz (2008), S. 218.
30 Tabelle 2-4: Übersicht einiger Definitionen für Familienunternehmen – Teil 2
Merkmal
Quelle
Definition
Eigentum
Lansberg et al. (1988), S. 2
„A business in which members of a family have legal control over ownership.“
Donckels/Fröhlich (1991), S. 149
„Family members in one family own 60 % or more of the equity in the business.“
Barry (1975), S. 42
„An enterprise which, in practice, is controlled by the members of a single family.“
Smyrnios et al. (1998), S. 50
„A single family group is effectively controlling the business.“
Handler (1989), S. 262
„A family business is an organization whose major operating decisions and plans for leadership succession are influenced by family members serving in management or on the board.“
Löhr (2001), S. 15
„[Wir wollen] (…) unter Familienunternehmen inhabergeführte Unternehmen verstehen.“
Habbershon et al. (2003), S. 462
„The systemic vision of the familial coalition that leads them to pursue distinctive familiness for the purpose of transgenerational wealth creation.“
Chua et al. (1999), S. 25
„The family business is a business governed and/or managed with the intention to shape and pursue the vision of the business held by a dominant coalition controlled by members of the same family or a small number of families in a manner that is potentially sustainable across generations of the family of families.“
Ward (1987), S. 252
„[A business] that will be passed on for the family´s next generation to manage and control.“
Sharma et al. (1997), S. 2
„We define family business as a business governed and/or managed on a sustainable, potentially cross-generational, basis to shape and perhaps pursue the formal or implicit vision of the business held by members of the same family or a small number of families.“
Kontrolle
Führung
Hybridität
MehrGenerationeAnsatz
Unter der Voraussetzung der familiären Eigentumsmehrheit gelten bei allen Bestimmungsfaktoren: Je treffender die Aspekte in einem Unternehmen sind, desto mehr verschiebt sich der Regler auf dem Spektrum zwischen Familienunternehmen und NichtFamilienunternehmen in Richtung Familienunternehmen. Mit anderen Worten ergibt sich aus den bisherigen Ausführungen zum einen eine „Mindest-Definition“, dass ein Unternehmen, dessen Familie die Mehrheit der Anteile auf sich vereint, als Familienunternehmen deklariert werden kann. Zum anderen kann sich der „Familienunternehmensgrad“ – als eine Art
31 gemessene Intensität, wie sehr es sich von Nicht-Familienunternehmen abgrenzen lässt – mit jedem der fünf Bestimmungsfaktoren erhöhen (siehe auch Abbildung 5).109
Umsatzgröße
Abbildung 5: Erweiterte Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
inhabergeführt
Dieses Verständnis knüpft an den innerhalb der Familienunternehmensforschung verstärkt geäußerten Ruf nach offenen Ansätzen an.110 Solche systemischen Betrachtungsweisen begegnen offensichtlich am besten der Komplexität der zu erforschenden Materie. Auf diesem Wege werden einerseits die vielen, teilweise sehr unterschiedlichen Theorien integrierbar gemacht und andererseits wird die Möglichkeit einer in sich schlüssigen allgemeingültigen Theorie der Familienunternehmen eröffnet. Neben der Ankopplung an den Status quo der Familienunternehmensforschung erleichtert diese abschließende Begriffsbestimmung auch die spätere empirische Untersuchung. Insbesondere beim Thema Familienunternehmen gibt es stets methodische Restriktionen, die
109
Dieser Grundgedanke wird in der späteren Operationalisierung aufgegriffen und mit dem so genannten F-PEC spezifiziert, siehe auch Abschnitt 4.4.4.1.
110
Eine aktuelle Übersicht ist bei Pieper/Klein (2007), S. 310 ff., einzusehen. Als Schlüsselkomponenten bzw. Sub-Systeme werden hier Familie, Unternehmen, Eigentum, Führung, Individuum, Umfeld und System unterschieden.
32 mit dem hier vorgenommenen Definitionsansatz abgeschwächt werden können. Wie bereits angeklungen, sind gerade die unterschiedlichen Anforderungen und Möglichkeiten bei theoretischen bzw. empirischen Ansätzen für die Vielzahl der Definitionen verantwortlich.111 Die theoretisch fein abgestimmte Formulierung muss im Rahmen einer empirischen Untersuchung aus pragmatischen Gründen häufig aufgeweicht werden. So werden fälschlicherweise manche empirischen Ergebnisse basierend auf einem adjustierten Begriffsverständnis von Familienunternehmen auf die Grundgesamtheit aller Familienunternehmen projiziert.112 Werden solche Interpretationen für weitere Forschungsbestrebungen unbeachtet übernommen, können signifikante Verzerrungen auftreten. Die vorliegende Arbeit befindet sich ebenfalls im Dilemma zwischen theoretischer Präzision und empirischer Machbarkeit. Für den weiteren Verlauf erfolgt eine Einschränkung des Untersuchungsgegenstandes, indem nur eine Teilmenge der oben definierten Familienunternehmen berücksichtigt wird.113 Es werden ausschließlich deutsche, mittelständische sowie inhabergeführte Familienunternehmen betrachtet, d. h. Unternehmen x
mit Hauptsitz in Deutschland,
x
mit bis zu 250 Mio. EUR Jahresumsatz
x
und mit einer mehrheitlichen Vereinigung der Besitzanteile bei der Familie, die mindestens einen Vertreter auf der Führungsebene vorzuweisen hat.
2.2 Managementproblem Unternehmensnachfolge Durch die vorangegangenen Ausführungen konnte ein ausreichendes Verständnis für den Untersuchungsgegenstand Familienunternehmen geschaffen werden. Die fünf Bestimmungsfaktoren werden in der weiteren Arbeit eine wichtige Rolle spielen, da diese familienspezifischen Merkmale stetig Einfluss auf den Nachfolgeprozess haben. In den nächsten Abschnitten liegt nun der Fokus auf dem Managementproblem Unternehmensnachfolge. Es
111
Vgl. Chua et al. (1999), S. 23. Denselben Aspekt thematisieren auch Westhead/Cowling (1998), S. 31ff. und Carsrud (2006), S. 857 f.
112
Methodische Limitierungen führen oft dazu, dass z. B. Performance-Studien in der Regel ausschließlich börsennotierte Unternehmen betrachten, vgl. Murphy (2005), S. 123 f.; Miller et al. (2007), S. 830 f.
113
Diese Einschränkung hängt konsequenterweise mit der Fokussierung auf das Problem der Unternehmensnachfolge zusammen.
33 wird zunächst auf den Begriff der Unternehmenskontinuität eingegangen, um nachfolgend die Gestaltungsvarianten der internen bzw. externen Nachfolge vorzustellen.
2.2.1 Unternehmenskontinuität als strategisches Unternehmensziel Im Gegensatz zu einer angestellten Geschäftsführung durchleben Familienunternehmer in der Regel den gesamten Unternehmenslebenszyklus von der Gründung über das Wachstum bis hin zur persönlichen Trennung vom Unternehmen.114 Entweder hat die Unternehmensführung das Familienunternehmen originär gegründet und aufgebaut oder sie hat eine Unternehmensnachfolge bereits als Nachfolger erlebt. Alle diese Umstände und individuellen Erfahrungen könnten zu der Annahme führen, dass die Unternehmensnachfolge als natürlicher Bestandteil und strategisches Ziel der Unternehmensführung wahrgenommen wird.115 In der Praxis ist jedoch festzustellen, dass die Vorbereitung, Planung und Durchführung einer gelungenen Unternehmensnachfolge eine der schwierigsten Managementherausforderungen darstellt, die oft mit mannigfaltigen Problemen einhergeht.116 Demzufolge legt die Familienunternehmensforschung hier einen besonderen thematischen Schwerpunkt. Extrahiert man die Schlüsselthemen innerhalb der Familienunternehmensforschung aus den jüngsten Meta-Analysen, dann wird deutlich, dass Unternehmensnachfolge ein, wenn nicht das zentrale, Forschungsfeld darstellt: x DYER/SANCHEZ: Unternehmensnachfolge, interpersonelle Verflechtung zwischen Unternehmen und Familie, Unternehmenserfolg, Beratung für Familienunternehmen und Rolle der Frau/Zugehörigkeit der Familienmitglieder.117 x ARONOFF: Unternehmensnachfolge, strategische Unternehmensführung, Professionalisierung der Unternehmensführung und Rolle der Frau.118
114
Siehe dazu die Darstellung eines typischen Lebenszyklus von Familienunternehmen bei Watermann (1999), S. 43; Hoy (2006), S. 832; Weber (2005a), S. 10 f., Rosenbauer (1994), S. 70 ff., oder auch bei Löhr (2001), S. 18 ff.
115
LAMBRECHT konstatiert in diesem Zusammenhang: „Even today, the impression remains that family business and succession are like a pair of Siamese twins“, vgl. Lambrecht (2005), S. 267.
116
Vgl. Hammer/Hinterhuber (1993), S. 14 ff.
117
Vgl. Dyer/Sánchez (1998), S. 287 ff.
118
Diese Felder werden hier als „Mega-Trends“ bzw. zukünftige relevante Forschungsbereiche bezeichnet, vgl. Aronoff (1998), S. 181 ff.
34 x BIRD/WELSCH/ASTRACHAN/PISTRUI: Unternehmensnachfolge, management, strategische Unternehmensführung, Beratung von unternehmen und Rolle der Frau.119
KonfliktFamilien-
x CHRISMAN/CHUA/SHARMA: Unternehmensnachfolge, Unternehmenserfolg, Corporate Governance, strategische Unternehmensführung, Internationalisierung und Professionalisierung.120 x ZHARA/SHARMA: Unternehmensnachfolge, Unternehmenserfolg und Corporate Governance.121 x KLEIN: Unternehmensnachfolge, übergreifende Theorie, Eigentum/Führung und Recht/Steuern.122 x GOFFEE: Unternehmensnachfolge, Corporate Governance, Unternehmenskultur/ Familienlebenszyklen und internationale Kulturunterschiede.123
Bei dieser Aufzählung lassen sich grundlegend zwei unterschiedliche Forschungsimpulse unterscheiden. Zum einen arbeiten die Vertreter aus der Forschung an der Struktur und Robustheit des Theoriegebäudes, indem das Feld definiert, abgegrenzt, aber auch durch die Anknüpfung an bestehende Theorien verankert wird. Die An- und Einbindung ressourcenorientierter Ansätze aus der strategischen Theorielehre oder die Berücksichtigung der bekannten Corporate-Governance-Mechanismen sind examplarische Belege für den eher theoriegestützten Forschungsbereich.124 Zum anderen ist das Feld deutlich dadurch gekennzeichnet, dass Erfahrungswerte aus dem praktischen Umgang mit Familienunternehmen in die Forschung Eingang finden.125 Innerfamiliäre Konflikte oder die Rolle als weibliche Führungs-
119
Vgl. Bird et al. (2002), S. 341.
120
Vgl. Chrisman et al. (2003a), S. 3 ff.
121
Vgl. Zahra/Sharma (2004), S. 335.
122
Vgl. Klein (2003), S. 8.
123
Vgl. Goffee (1996), S. 36 ff.
124
CHUA ET AL. formulieren wie folgt: „Recently, two approaches to building a theory of the family firm have adopted paradigms dominant in the mainstream business literature. Those that emphasize the benefits of family involvement tend to apply the resource-based view (RBV) (…), while those that focus on the negative side of family involvement take the agency cost approach”, vgl. Chua et al. 2003, S. 332. Siehe weiterführend Abschnitt 3.2.
125
Zuerst sind hier Unternehmensberatungen, Mediatoren sowie Steuer- und Rechtsanwaltskanzleien zu nennen. Beispiel für den Austausch zwischen Theorie und praktischer Nachfolgeberatung ist die so genannte
35 kraft bei Unternehmensnachfolgen sind Themenkreise, die in der Praxis als Problemstellungen identifiziert wurden und ihren Platz in der theoretischen und empirischen Forschung gefunden haben. Der hohe Stellenwert der Unternehmensnachfolge in der Familienunternehmensforschung spiegelt sich auch in der Praxis wider. Die Bedeutung der Unternehmensnachfolgeproblematik wurde bereits in zahlreichen Studien und Mittelstandsuntersuchungen herausgearbeitet, so dass aufbauend auf den Ausgangsüberlegungen dieser Arbeit lediglich auf die quantitativen Zahlen des IfM Bonn hingewiesen werden soll (siehe zudem die Übersicht der wichtigsten deutschsprachigen Studien zum Thema Unternehmensnachfolge in Tabelle 2-5 sowie Tabelle 2-6).126 Demnach stehen in Deutschland in nächster Zeit jährlich ca. 70.000 Unternehmen vor der Übergabe.127 Wie hoch der Anteil an reibungslosen, idealtypischen Nachfolgeprozessen ist, lässt sich vor allem auch aufgrund methodischer Gründe seriös kaum feststellen. Dennoch gibt es ausreichende Hinweise dafür, dass eine Vielzahl von Nachfolgen zu Arbeitsplatzverlusten und Geschäftsaufgaben führt.
FIRO-Theorie. Es handelt sich hier um einen verhaltenswissenschaftlichen Ansatz, der in drei Ablaufschritten einen Bezugsrahmen bildet mit dem Ziel, bei Wandlungsprozessen, wie z. B. einer Unternehmensnachfolge, eine erfolgreiche Integration bzw. eine gemeinsame Zielerreichung zu schaffen. Ursprünglich von Schutz 1958 entwickelt und in den letzten Jahren im Kontext von Unternehmensnachfolgen angewandt, vgl. u. a. Haberman/Danes (2007), S. 163 ff.; Doherty/Colangelo (1984), S. 19 ff., oder Danes et al. (2002), S. 31 ff. 126
In der Übersicht sind neben einigen Kurzergebnissen auch das jeweilige Forschungsdesign sowie das prognostizierte Verhältnis zwischen internen und externen Nachfolgen abgetragen.
127
Vgl. Freund (2004), S. 57 ff.
Inhalt
Forschungsdesign/ -ort
Freund, W.
Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg
IfM Bonn
L-Bank
FAZ Institut
HWK Flensburg/ HWK Lübeck
MIND - Mittelstand in Deutscher Sparkassen- und Deutschland Giroverband (wissenschaftliche Leitung IfM Bonn)
2000
2000
2001
2002
2002
2003
2004
Betriebsnachfolge im Handwerk
MBO als Nachfolgelösung
Generationenwechsel in Baden-Württemberg
Frauen in der Unternehmensnachfolge
Vorschau Unternehmensnachfolgen/ Betriebsübernahmen
Familieninterne Unternehmensnachfolge: Erfolgs- und Risikofaktoren
Deutschland
empirisch/ anekdotisch
1.350 (13,5 %)
empirisch Baden Württemberg
Deutschland
Relevante Aspekte für den empirisch deutschen Mittelstand Deutschland
(Telefoninterviews mit strukturierten Fragebogen)
ca. 1.000
(9,8 %)
740
59
(10,1 %)
empirisch
907
Deutschland
(9,9 %)
empirisch
1.936
Brandenburg
(12,4 %)
224
Schätzung aus der Umsatzsteuerstatistik sowie 35 ausgefüllte Fragebogen von Unternehmensberatern
(22,4 %)
ca. 61 % intern
vorher
vorher
66 % intern (55,3 % intern in der MIND 2000 Studie)
50,4 % intern
vorher/ 51 % nachher intern (vorher) 73 % intern nachher k. A.
vorher/ 62 % nachher intern
vorher/ 50,6 % nachher intern
vorher
vorher/ 45,7% nachher intern
int/ext ca. 50 %
Zeit
422 vorher davon 295 Familienunternehmen
Antwortende (Rücklaufquote)
empirisch
Problematik der empirisch Unternehmensnachfolge im Handwerk HWK Bezirke Flensburg/Lübeck
MBO als Nachfolgelösung
Beschreibung der Nachfolge in BadenWürttemberg
Besonderheiten bei weiblichen Nachfolgern
Dimension/Struktur/ Unterstützungsbedarf bei Unternehmensnachfolge
Identifizierung von Erfolgs- empirisch und Risikofaktoren Rheinland-Pfalz
Neue Entwicklungen auf dem Anzahl und Struktur von Unternehmensnachfolgen Markt für die Übertragung in Deutschland mittelständischer Unternehmen
IfM Bonn
1999
empirisch Auswirkungen des Generationswechsel und Generationenwechsels auf Unternehmenskontinuität: Deutschland, Chance, Risiken, Maßnahmen die Unternehmenskontinuität produzierendes Gewerbe, mittelgroß (100-5.000 MA)
Titel
Albach H./ Freund W.
Autor/ Auftraggeber
1989
Jahr
Kurzergebnisse
In Deutschland gibt es ca. 1,3 Mio. Unternehmen mit mehr als 0,1 Mio. EUR Umsatz und weniger als 500 Mitarbeitern, die wiederum fast ausschließlich sogenannte inhabergeführte Unternehmen sind. Bei ca. einem Drittel gibt es noch keine Nachfolgeregelung. Problematisch ist auch, dass sich damit zurückhaltendes Investitionsverhalten in Verbindung bringen lässt.
MBO als Nachfolgevariante ist wenig bekannt. Es werden aber oft hohe Umsatzsteigerungen nach MBOs festgestellt. Banken gelten als wichtigste Finanzierer. Darüberhinaus werden weitere Gefahren sowie Erfolgsfaktoren behandelt. Unternehmensnachfolge häufig noch nicht geregelt, Beratungsangebot muss verbessert werden.
Tendenz zur externen Unternehmensnachfolge wächst; Eigenkapital und Darlehen wichtigste Finanzquelle, die Hälfte der Unternehmen weisen weniger als 0,5 Mio. EUR Umsatz auf.
Unternehmensnachfolge von Frauen kommt fast ausschließlich familienintern vor; krisenbehaftete Unternehmensnachfolgen werden wesentlich seltener an eine Frau übertragen.
Es werden 14 Befunde (u. a. Qualifikation interner Nachfolger, Einsatz externen Sachverstandes) und 13 Handlungsempfehlungen zusammengefasst (auch als Dissertation veröffentlicht). Handlungsbedarf in der Wirtschaftsförderung nötig, pro Jahr ca. 1.860 Unternehmensnachfolgen. Sensibilisierung für das Thema und entsprechende Behandlung des Beratungsbedarfs sind geboten.
Die meist zitierte Quelle für Anzahl und Struktur der Unternehmensnachfolgen. Diese werden vom IfM Bonn in regelmäßigen Abständen aktualisiert (s. u.). Mittelgroße Unternehmen besitzen oft schon Kontakte zu Beratern und nutzen diese auch für die Unternehmensnachfolge. Bei kleineren Unternehmen unter ca. 2 Mio. EUR herrscht Nachholbedarf.
Familienunternehmen haben insgesamt größere Kontinuitätsprobleme als Nicht-Familienunternehmen. Zentrale Anforderungen liegen in der langfristigen Planung und der steten Überprüfung dieser Gesamtkonzeption. Im Wettbewerb um erfahrene Führungskräfte haben Familienunternehmen oft das Nachsehen. Zudem werden die wirtschaftspolitischen Konsequenzen dargestellt.
36
Tabelle 2-5: Ausgewählte Mittelstandsstudien – Teil 1
Autor/ Auftraggeber
PWC-Schweiz
F.A.Z.-Institut
PWCDeutschland
ifo Dresden Studie
IfM Bonn
IfM Bonn
Mittelstandsmonitor
IfM Bonn
Jahr
2005
2005
2006
2006
2007
2007
2008
2008
Mittelstand trotzt nachlassender Konjunkturdynamik in robuster Verfassung Familienexterne Nachfolge: Das Zusammenfinden von Übergebern und Übernehmern
Unternehmensnachfolge in Bayern
Aktualisierung der Abschätzungen aus der Umsatzsteuerstatistik
Unternehmensnachfolge im sächsischen Mittelstand
Familienunternehmen: Deutschland 2006
Interne und externe Nachfolgelösungen im Mittelstand
Nachfolger gesucht!
Titel
Deutschland
empirisch
Deutschland
anekdotisch
Schweiz
empirisch
Forschungsdesign/ -ort
Matchingprozess bei einer familienexternen Unternehmensnachfolge
Auftragsgutachten für den Freistaat Bayern zum Thema Unternehmensnachfolge Unternehmensübergabe aus Sicht des Nachfolgers
Zeit
119 (Online-Befragung)
empirisch Bayern
Deutschand (13,7 %)
447 (Übergeber) 281 (Nachfolger) 106 (Experten)
(9,3 %)
56 % intern
47,8 % intern
57,3 % intern
vorher
Es werden einzelne Fallstudien vorgestellt (6 interne und 5 externe Nachfolgen). Aus diesen werden Erfolgsfakoren bzw. Stolpersteine für die jeweilige Nachfolgevariante abgeleitet.
Aus Sicht des Nachfolgers werden erfolgte Nachfolgen untersucht. Vor der Nachfolge entsteht häufig ein Investitionsstau, der sukzessive aufgeholt wird.
Anzahl von übergabefähigen bayrischen Unternehmen bis 2010 (ca. 63.000). Weiterhin werden für die Politik Handlungsempfehlungen (in acht Bereichen) abgeleitet.
Der Anteil familienexterner Unternehmensnachfolgen steigt tendenziell. Gründe sind v. a. mangelndes Interesse oder Eignung der Kinder.
Anzahl übergabefähiger sächsischer Unternehmen bis 2020 (ca. 25.000). Es besteht Mangel an qualifizierten Nachfolgern (demographischer Wandel). Unternehmensnachfolge ist eine mehrdimensionale Herausforderung.
siehe IfM Gegenüberstellung der Sichtweisen der beteiligten Akteure Bonn 2007 hinsichtlich des Problembereiches Suche/Auswahl. Die Matchingphase selbst lässt sich in 3 Schritte untergliedern, deren jeweilige Probleme thematisiert werden. Anschließend werden einige Handlungsempfehlungen formuliert.
nachher 69 % intern
vorher
934
Bayern
Kurzergebnisse Der Markt für externe Unternehmensnachfolgen ist wenig entwickelt, in der Regel werden familieninterne Nachfolgelösungen zwar angestrebt, aber zunehmend müssen externe Varianten gesucht werden. Insgesamt wird es eine wachsende Zahl von Unternehmensnachfolgen geben.
41% intern Zwei Drittel der Unternehmen ziehen die familienexterne Variante in Betracht (mit steigender Tendenz). Auch ein Fremdmanagement wird immer beliebter.
vorher/ 65,1 % nachher intern
vorher
nachher k. A.
empirisch
empirisch
int/ext
vorher/ 57,9 % nachher intern
vorher
95 (nach der Nachfolge)
(20,9 %)
2.093 (vor der Nachfolge)
107 (große FU sind deutlich überrepräsentiert)
12 (Tiefeninterviews)
(9,3 %)
930 Mantelbögen 263 (vorher) 171 (nachher)
Antwortende (Rücklaufquote)
Schätzung aus der Umsatzsteuerstatistik
Aktualisierungen auf Basis empirisch von Freund (2004) Deutschland
Unternehmensnachfolge im empirisch sächsischen Mittelstand Sachsen
Situation der deutschen Familienunternehmen
Erfahrungen nach der Unternehmensnachfolge (Best-Practice-Leitfaden)
Überblick, statistische Erhebung
Inhalt
37
Tabelle 2-6: Ausgewählte Mittelstandsstudien – Teil 2
38 Auch wenn die hohe Relevanz der Nachfolgeproblematik unstrittig ist, sollen an dieser Stelle zwei einschränkende Kommentierungen in Bezug auf die veröffentlichten und vielfach zitierten Angaben des IfM Bonn gemacht werden. Zunächst sind gescheiterte Unternehmensnachfolgen gesamtwirtschaftlich nur dann problematisch, wenn es sich um wirtschaftlich gesunde Unternehmen handelt. In wettbewerblich organisierten Marktwirtschaften können gescheiterte Unternehmensnachfolgen heilende Marktbereinigungen darstellen, aus denen keine betriebswirtschaftliche Problemstellung abzuleiten ist.128 Eine aktuelle Studie für den sächsischen Mittelstand, bei der ausschließlich Unternehmen ab einer gewissen Bonitätsgrenze berücksichtigt wurden, berechnete eine vergleichsweise geringere Anzahl von Unternehmensnachfolgen.129 Zum anderen werden in der Berechnung des IfM Bonn alle Unternehmen ab 50.000 EUR Umsatz berücksichtigt,130 so dass prozentual – aufgrund der sehr hohen Anzahl kleiner und Kleinst-Unternehmen in Deutschland – auch hier höhere Nachfolgezahlen resultieren.131 Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass auf der einen Seite die kursierende Zahl von ca. 70.000 Unternehmen vermutlich zu hoch gegriffen ist, auf der anderen Seite dennoch die Unternehmensnachfolgeproblematik eine immense Herausforderung für die deutsche Wirtschaft darstellt.132 Die Unternehmensnachfolge stellt demnach ein bedeutsames Managementproblem in der Praxis dar, dem grundsätzlich unter Berücksichtigung des strategischen Ziels der Unternehmenskontinuität mit zwei unterschiedlichen Lösungswegen begegnet werden kann – der familieninternen oder -externen Unternehmensnachfolge. In den nächsten Abschnitten erfolgt nun eine schrittweise Annäherung an die Herausforderung Unternehmensnachfolge, indem insbesondere die unternehmerischen Entscheidungstatbestände dieser beiden Gestaltungsformen diskutiert werden. Für das bessere
128
Vgl. Deutsche Bank Research (2007), S. 20. Dass dahinter dennoch tragische persönliche Schicksale liegen können, soll jedoch nicht in Abrede gestellt werden.
129
Vgl. Berlemann et al. (2007b), S. 27. Aus den o. g. Angaben des IfM Bonn lassen sich zum Vergleich auch auf Bundesländer heruntergebrochene Kalkulierungen berücksichtigen.
130
Inwiefern Unternehmen mit z. B. 60.000 EUR Umsatz ein faktisches Nachfolgeproblem besitzen, kann aus der Sicht des Autors angezweifelt werden.
131
Insgesamt lassen sich solche Potentialanalysen aufgrund der Komplexität und Heterogenität der Ansätze schwer unterscheiden. So stellt das Inhaberkriterium eine weitere wichtige Stellschraube dar, die je nach Anwendung zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, vgl. Wolter/Hauser (2001), S. 27 ff.
132
Ebenso ist international von einen hohen Relevanz auszugehen, vgl. u. a. Santiago (2000), S. 15 ff. (Philippinen); Mandl (2005), S. 110 ff. (Österreich), PricewaterhouseCoopers Schweiz (2005), S. 1 ff. (Schweiz); Bachkaniwala et al. (2001), S. 15 ff. (Großbritannien); wobei aufgrund soziokultureller Unterschiede eine wissenschaftliche Vergleichbarkeit oft erschwert ist, vgl. Butler et al. 2001, S. 433.
39 Verständnis der weiteren Ausführungen soll jedoch eine provisorische Arbeitsdefinition einer Unternehmensnachfolge vorausgeschickt werden:133 Arbeitsdefinition Unternehmensnachfolge: Sowohl auf der Eigentums- als auch auf der Führungsebene des Unternehmens erfolgt ein personeller Wechsel, der zeitlich sowie inhaltlich jeweils zusammenhängt.
2.2.2 Unternehmenskontinuität durch eine familienexterne Unternehmensnachfolge? Vielerorts wird die die Entwicklungsgeschichte des Begriffs Unternehmenskontinuität in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur diskutiert.134 Zu Beginn der Ausführungen über den Tatbestand der Perpetuierung des Unternehmens spielten Überlegungen über gesellschaftsund privatrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten eine große Rolle.135 Im Zuge der weiteren Fundierung der betriebswirtschaftlichen Forschung rückten neben den formalen Aspekten zunehmend strategische und soziale Phänomene in den Mittelpunkt. Sehr lange legte das Schrifttum der Familienunternehmensforschung den Fokus auf den Nachfolgeprozess und behandelte Aspekte wie Nachfolgeplanung, Nachfolgezeitpunkt sowie Auswahl und Motive der familieninternen Nachfolger.136 Die wissenschaftliche Auseinandersetzung kreiste dabei sehr stark um den Nachfolgeprozess und legte den (internen) Nachfolger als exogene Größe fest.137 Inwieweit eine erfolgreiche Nachfolge jedoch abhängig vom eigentlichen Prozess ist oder eben auch von der richtigen Wahl der Nachfolgevariante, lässt sich aus den bisherigen Ergebnissen nicht ableiten.138 Aus der Sicht der strategischen Unternehmensführung lässt sich schlussfolgern, dass abhängig von den Prioritäten der beteiligten Akteure unterschiedliche Ziele und damit eine unterschiedliche Perspektive der Erfolgsbeurteilung resultieren.139 Besteht das oberste Ziel in der Erhaltung der Familienharmonie und ist diese zwingend mit
133
Für ein aktuelles Beispiel, dass Unternehmensnachfolge oft nur über die Führungsdimension definiert wird, siehe z. B. de Massis et al. (2008), S. 184.
134
Vgl. Albach/Freund (1989), S. 261 ff.
135
Vgl. u. a. Reuter (1973) und Michalski (1979).
136
Vgl. u. a. Sharma et al. (1997), S. 9, oder Ward (2004), S. 8.
137
Siehe dazu exemplarisch frühe deutschsprachige Dissertationen wie Bertsch (1964) oder Bechtle (1983).
138
„No one appears to have investigated how much of the subsequent performance of a family business is determined by the succession process and how much by the successor“, vgl. Sharma et al. (1997), S. 11.
139
Zu den Verkaufsmotiven im Nachfolgeprozess siehe auch ausführlich Bergamin (1995), S. 77 ff.
40 einer internen Nachfolge verbunden, ist die Ausgangsposition anders, als wenn der kompetenteste Nachfolger gesucht wird, der die anstehende Restrukturierungsphase im Unternehmen verantworten soll. Die Schwerpunktsetzung auf den externen Nachfolgeprozess erfordert es auf der einen Seite, die bestehende Literatur zum Forschungsbereich Unternehmensnachfolge in jeder Beziehung zu erfassen, und auf der anderen Seite, den Spezifika zum internen Nachfolgeprozess nicht zu viel Platz einzuräumen. Wie die gesamte Arbeit sind auch die nächsten beiden Abschnitte, die sich auf den Ablauf und mögliche Hinderungsgründe der familieninternen Nachfolgevariante konzentrieren, durch diesen Spagat geprägt. Zwar baut die Arbeit auf der Annahme auf, dass die Entscheidung für eine externe Variante bereits gefällt ist. Aufgrund der hohen Interdependenz und möglicher Wechselwirkungen ist es dennoch für die weitere Analyse wichtig, ein ausreichendes Verständnis für den Themenkomplex Unternehmensnachfolge insgesamt zu erlangen. Die Motive in Verbindung mit dem zeitlichen Ablauf sind für die weitere Untersuchung vor allem relevant, da zum einen Enttäuschung oder nicht erreichte Ziele Auswirkungen auf die externe Nachfolge haben und zum anderen Erkenntnisse aus dem Prozessablauf übertragen werden können.
2.2.2.1 Zu den Phasen der familieninternen Nachfolgevariante Nach WARD sind die wichtigsten drei Motive des Übergebers im Rahmen einer familieninternen Nachfolge die Chancenermöglichung für die Kinder (u. a. Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung), der Erhalt und die Weiterentwicklung der Familientradition sowie die Unterstützung des Familienzusammenhalts.140 Diese prinzipiell positiv intendierten Beweggründe fallen jedoch – wie später dargestellt wird – nicht immer auf fruchtbaren Boden. Zahlreiche Untersuchungen betrachten daher insbesondere die Eigenschaften des Nachfolgers in einer Art Soll-Ist-Abgleich. Die jeweiligen Einstellungen und Charakteristika der Generationen werden – in der Regel mit dem Ziel einer reibungsarmen internen Nachfolgerealisierung – gespiegelt. Im Speziellen werden Erklärungsansätze und Bestimmungsfaktoren für das Streben des Nachfolgers, das Unternehmen zu übernehmen, gesucht.141 Es ist unstrittig, dass die zentrale Stellung des Übergebers sowie das gegenseitige
140
Vgl. Ward (1987), S. 16, oder analog auch Freund 2000, S. 21.
141
Vgl. u. a. Chrisman et al. (1998), S. 19 ff.; Birley (1986), S. 42 f.; Goldberg/Wooldridge (1993), S. 68 ff.; Stavrou (1999), S. 44; Sharma/Irving (2005), S. 20.
41 Rollenverständnis einen hohen Einfluss auf die Nachfolgebereitschaft des Juniors ausüben.142 Insgesamt sind die Ergebnisse jedoch aufgrund der Unterschiedlichkeit der Persönlichkeitsmerkmale von Nachfolger und Übergeber sehr vielfältig und lassen noch kein abschließendes Bild erkennen.143 Dennoch werden einer langfristig angelegten Planung und einem parallel dazu eingesetzten Nachfolgerentwicklungsprogramm die höchsten Chancen eingeräumt, die interne Nachfolge erfolgreich umzusetzen.144 In den letzten 15 Jahren häuften sich die Modelle, wie ein Nachfolgeprozess idealtypisch strukturiert und ausgestaltet ist bzw. sein sollte.145 Auch wenn die Ansätze einander inhaltlich ähneln, lassen sich doch unterschiedliche Akzentuierungen identifizieren. FOX et al. führen eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge auf das stimmige Beziehungsgeflecht der beteiligten Akteure zurück146 und arbeiten sechs Beziehungskategorien (z. B. zwischen Nachfolge und externen Stakeholdern) mit entsprechenden Aufgabenbereichen (z. B. Übertragung der Kundenkontakte auf den Nachfolger) heraus, an denen für eine erfolgreiche Umsetzung gearbeitet werden muss. DYCK et al. präsentieren einen theoretischen Bezugsrahmen, der die in der Nachfolgeliteratur stark strapazierte Analogie eines Staffellaufs verwendet.147 Ein erfolgreicher Nachfolgeprozess bzw. die Übergabe des Staffelstabs hängt von vier Faktoren ab: Reihenfolge, zeitliche Abstimmung, Übergabetechnik sowie Kommunikation. Die Autoren elaborieren entlang dieser Bereiche mögliche Fehlerquellen und leiten daraus die Erkenntnisse für einen reibungsarmen Nachfolgeprozess ab. SHARMA et al. hingegen fokussieren auf die zeitliche Durchführung einer Nachfolge.148 In einem fünfstufigen Ablaufschema soll der Nachfolger auf seine neuen Aufgaben vorbereitet werden,
142
Vgl. u. a. Seymour 1993, S. 267 ; Matthews et al. (1999), S. 166; Handler 1990, S. 43; Shepherd/Zacharakis (2000), S. 25 ff., und Rothbard (2005), S. 243 ff. Letzterer basiert auf der „Boundary Theory“, die adäquat auf die Abgrenzung und Verbindung der Rolle im Unternehmen vs. in der Familie angewendet werden kann, vgl. grundlegend Ashforth et al. (2000), S. 472 ff., und Nippert-Eng (1995).
143
Vgl. Mazzola et al. (2008), S. 241.
144
Vgl. u. a. Griffeth et al. (2006), S. 504 f.; Lansberg/Astrachan (1994), S. 40; Ibrahim et al. (2001), S. 256; Wang et al. (2004), S. 59 ff.
145
Einige zentrale Entwicklungsschritte entlang der Zeitachse sind Handler 1990, Gersick et al. 1999, Le Breton-Miller et al. 2004, Brun de Pontet et al. 2007 und de Massis et al. (2008). Siehe ebenso eine kommentierte chronologische Entwicklung der Nachfolgemodelle bei Pfannenschwarz (2006), S. 87 ff.
146
Vgl. Fox et al. (1996), S. 15 ff.
147
Vgl. Dyck et al. (2002), S. 143 ff. Siehe auch hinsichtlich des Ansatzes ein ähnliches Modell bei Stavrou (1998), S. 136.
148
Vgl. Sharma et al. (2000), S. 235 ff. Die Relevanz der zeitlichen Strukturierung ist ein viel diskutierter Aspekt in der Nachfolgeregelung, vgl. dazu u. a. auch Davis/Tagiuri 1989, S. 47 ff., oder Kimhi 1997, S. 309 ff.
42 wobei einige relevante moderierende Effekte betont werden (z. B. Übergabewille des Übergebers). Abschließend sollen an dieser Stelle LE BRETON-MILLER et al. angeführt werden, die in einer sehr umfassenden Meta-Analyse analog zum vorangegangenen Modell ein zeitliches Vier-Stufen-Konzept entwickelt haben, das im Grund den Status quo der aktuellen Forschung darstellt (siehe Abbildung 6).149 Die Ausgangssituation beschreibt den Prozess der strategischen Ausrichtung des Unternehmens mit der grundlegenden Unternehmensnachfolgeplanung. Darauf setzt die Nachfolgerentwicklung auf, die den potentiellen Kandidaten ausreichende Erziehung, Bildung und Erfahrungswerte an die Hand geben soll.150 Über den Auswahlprozess führt der letzte Schritt des gesamten Nachfolgeprozesses zur Übergabe an sich. Hier erfolgt schlussendlich die Führungs- sowie die Eigentumsübertragung, die in der Praxis nicht kongruent verlaufen müssen. Klassischerweise erfolgt in geplanten Nachfolgen die Führungsübertragung deutlich vor der Eigentumsübertragung; beim plötzlichen Ableben des Seniors kann es jedoch auch umgekehrt sein.
Abbildung 6: Vereinfachte Übersicht des familieninternen Nachfolgeprozesses
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Le Breton-Miller et al. (2004), S. 318.
149
Vgl. Le Breton-Miller et al. (2004), S. 318.
150
Siehe auch bei Cabrera-Suárez et al. (2001), S. 40 ff.
43 In Abbildung 6 wird auch der Einfluss der spezifischen Merkmale eines Familienunternehmens sowie der Familie selbst illustriert, der in der einschlägigen Literatur die zentrale Konstante darstellt.151 Die Unternehmensnachfolge kann nicht als singuläres Ereignis betrachtet werden, sondern immer nur im Kontext des sozialen und familiären Umfelds.152 Insbesondere die Einflussnahme der Familienangehörigen sowie der oben dargestellten weiteren Bestimmungsfaktoren (insbesondere der Hybridität) steht fortwährend im Vordergrund und soll im weiteren Verlauf der Arbeit auf den familienexternen Nachfolgeprozess transferiert werden.
2.2.2.2 Zu den Grenzen der familieninternen Nachfolgevariante Die vermeintliche Weisheit „Der Vater erstellt’s, der Sohn erhält’s, beim Enkel zerfällt’s“ ist sowohl ein vielverwendetes Einstiegszitat für zahlreiche Praxisleitfäden als auch ein oft zitiertes Bonmot der wissenschaftlichen Literatur.153 Auch wenn diese Tradierung eine theoretische Rechtfertigung vermuten lässt, muss vom empirischen Standpunkt aus festgestellt werden, dass es hierzu kein statistisch belastbares Material gibt. Eine Vielzahl von Beobachtungen dokumentiert jedoch die Grenzen bzw. Probleme der familieninternen Nachfolgevariante, die sich grundsätzlich in vier Unterbereiche systematisieren lassen.154 Die ersten beiden etwas umfassenderen Aspekte können mit den Begriffen Nachfolgermangel und Nachfolgeplanung umschrieben werden. Bei den anderen Problembereichen handelt es sich um familiäre bzw. unternehmerische Konfliktsituationen. In dieser Reihenfolge werden im Weiteren die vier Aspekte näher vorgestellt.
151
Vgl. u. a. Zahra/Sharma (2004), S. 332 ff.; Simon (2002), S. 187 ff.; Le Breton-Miller et al. (2004), S. 317 f.
152
Siehe dazu eine der ersten wissenschaftlichen Ausführungen bei MacGivern 1978, S. 37. Die dort vorgestellten Einflussgrößen auf den familieninternen Nachfolgeprozess sind „organizational climate“, „business environment“, „firm’s stages of development“, „owner manager motivation“, „family influence“.
153
Die erste Nennung dieser Voksweisheit in der betriebswirtschaftlichen Forschung erfolgte vermutlich bei Beckhard/Dyer (1983). BIELER spricht in diesem Zusammenhang vom Gesetz des abnehmenden Generationenertrages, Bieler (2005), S. 370.
154
Eine sehr ähnliche Systematisierung nehmen DE MASSIS et al. vor, die zwischen individuellen (Nachfolgermangel), prozessualen (Nachfolgeplanung), relationalen (familiäre Konflikte) sowie kontextbezogenen und finanziellen (unternehmerische Konflikte) unterscheiden, vgl. de Massis et al. (2008), S. 186. Auch diese Autoren definieren eine erfolgte Nachfolge nur über die interne Variante. Zu weiteren Erläuterungen für eine familienexterne Nachfolge siehe auch Bergamin (1995), S. 79, oder Mertens (2004), S. 83 ff.
44 Trotz der grundsätzlichen Existenz potentieller Nachfolger treten oft Hinderungsgründe für die Verwirklichung einer internen Nachfolge auf.155 Als wesentliches Kriterium beklagt eine Fülle von Literaturquellen die nicht ausreichende Eignung bzw. Befähigung der internen Kandidaten.156 Von Kindesbeinen an die Unternehmensabläufe kennenzulernen, ersetzt offenbar keine entsprechende fachliche Ausbildung und berufliche Qualifikation.157 Unter Umständen – jedoch nicht zwingend – damit verbunden ist der unzureichende Nachfolgewille beim möglichen Personenkreis,158 von der grundsätzlich divergierenden Lebensplanung bis hin zum Zweifel, ob die gewünschten Rahmenbedingungen gegeben sind.159 So kann beispielsweise das oft vorherrschende Anliegen, eigene Ideen schnell umzusetzen, am Übergeber oder dem Umfeld fundamental scheitern. Ein letztes Problembündel lässt sich auf die persönlichen Umstände der potentiellen Nachfolger zurückführen. Aufgrund der Verzahnung von Familie und Unternehmen wirken sich auch familiäre Probleme oder Ungereimtheiten beim Nachfolger (z. B. eine nicht akzeptierte Ehefrau) unmittelbar negativ auf den Nachfolgeprozess aus. Der zweite übergeordnete Aspekt, der eine Umsetzungsbarriere für interne Nachfolgen darstellen kann, hängt mit der Planung der Unternehmensnachfolge zusammen. Mit dem Wunsch einer familieninternen Nachfolge und der grundsätzlichen Bereitschaft und Eignung potentieller Nachfolger sind notwendige, aber keine hinreichenden Bedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung gegeben. Die mangelnde Befähigung eines internen Kandidaten ließe sich durch eine länger angelegte Vorbereitung verhindern, daher erstaunt es nicht, dass eine Vielzahl von Forschungsaktivitäten insbesondere auf die Nachfolgerentwicklung abzielt.160 Relevante Themenstellungen in diesem Kontext sind beispielsweise die Notwendigkeit und das Ausmaß
155
Für den Nachfolgermangel werden primär demographische Gründe wie z. B. sinkende Geburtenzahlen und spätere Familiengründung herangezogen, vgl. Schlömer/Kay (2008), S. 1.
156
Vgl. u. a. Barach et al. (1988), S. 49 ff.; Harvey/Evans (1994b), S. 222; Venter et al. (2005), S. 288 f.; Miller et al. (2003), S. 513 ff.; DeNoble et al. (2007), S. 127 ff.
157
In einer Studie des IfM Bonn schätzten die befragten Unternehmensberater, dass nur bei 14 % der familienexternen Unternehmensnachfolgen keine internen Nachfolger vorhanden waren und mehrheitlich die Ursachen beim unzureichenden Willen und der schlechten Eignung lagen, vgl. Schröer/Kayser (2006), S. 26.
158
Vgl. u. a. Matthews et al. (1999), S. 159 ff.; Goldberg/Wooldridge (1993), S. 55 ff.; Barach/Gantisky (1995), S. 133 ff.; Sharma et al. (2001), S. 22; Bruce/Picard (2006), S. 306 ff.
159
Vgl. Dumas et al. (1995), S. 108;
160
Vgl. Lansberg/Astrachan (1994), S. 47; exemplarisch für den deutschsprachigen Raum siehe Piepenstock (1998), S. 230 ff.
45 unternehmensexterner Berufserfahrung, branchenspezifischer individuelle Persönlichkeitsentwicklungsprogramme.161
Auslandserfahrung
oder
Einen wichtigen, aber noch verhältnismäßig unerforschten Bereich stellt der Selektions- und Auswahlprozess dar.162 Diese Lücke ist ein Ausdruck dafür, dass die Forschenden stets von der quasi naturgegebenen familieninternen Nachfolge ausgehen, die im extremsten Falle durch mehrere Geschwister erschwert wird.163 Es wird seit Beginn der Untersuchungen im Bereich der Unternehmensnachfolge berichtet, dass (erstgeborene) Söhne als potentielle Nachfolger den anderen Kindern vorgezogen werden.164 In Ermangelung dieser Nachfolger in der letzten Zeit lässt sich beobachten, dass immer wieder auf die besonderen Herausforderungen für weibliche Nachfolger hingewiesen wird.165 Potentielle Geschwisterkonflikte finden in der Literatur Eingang, führen aber nicht zu der fundierten Analyse, welcher Nachfolger tatsächlich für alle Beteiligten der beste ist. Dass der Kreis der Kandidaten auch auf familienexterne Akteure ausgeweitet werden kann, wird kaum – partiell in Form von Interims-Management – berücksichtigt. Hier werden verstärkt das Bilden eines institutionalisierten Auswahlgremiums sowie die Professionalisierung des Auswahlprozesses in der Literatur angeführt, um u. a. intuitive Einzelentscheidungen des Unternehmers zu umgehen.166 Insgesamt münden diese Überlegungen oft in den Appell, die Nachfolgeplanung nicht als Tabu-Thema, sondern vielmehr als Aufgabe aller beteiligten Akteure zu verstehen. Unnötige Konflikte können durch eine klare Rollenaufteilung und eine eindeutige Kommunikation verhindert werden, so dass im Sinne eines professionellen Projektmanagements für alle zugängliche, klare Maßnahmen und Verantwortlichkeiten gebildet werden sollten. Hierzu zählt auch das Erstellen eines Nachfolgenotfallplans, der bei plötzlichem Tod oder akuter Krankheit des Unternehmers die Fortführung des Unternehmens sowie des Nachfolgeprozesses gewährleistet.
161
Vgl. u. a. Morris et al. (1997), S. 390 f.;
162
Vgl. Le Breton-Miller et al. (2004), S. 321.
163
Dem Vorwurf der so genannten Vetternwirtschaft begegnen LEE et al. durch eine spieltheoretische Herleitung auf der Basis des Transaktionskostenansatzes, dass die Entscheidung für eine interne Nachfolge durchaus auch rein rationale Beweggründe haben kann, vgl. Lee et al. (2003), S. 657 ff.
164
Vgl. u. a. Dumas (1990), S. 178; Dumas (1989), S. 169 ff., oder Risse (1997), S. 38, bzw. aktueller Haubl/Daser (2006), S. 14 f.
165
Vgl. u. a. Isfan (2002), S. 57 ff.; Harveston et al. (1997), S. 373 ff.; Vera/Dean (2005), S. 321 ff., und Haberman/Danes (2007), S. 163 ff.
166
Vgl. u. a. Birley et al. (1999), S. 598 ff.; Flören (2002), S. 61. Zu frühen Ausführungen über objektivierbare Kriterien im Auswahlprozess siehe Levinson (1971), S. 98.
46 Neben diesen ersten beiden übergeordneten Aspekten können trotz professionalisierter Nachfolgeplanung durch spezifische familiäre Konfliktherde weitere Probleme auftreten.167 Hier lassen sich zwei Problembereiche hervorheben, deren erster wiederum in vier Konstellationen differenziert werden kann. Zwischen der Übergeber- und der Nachfolgergeneration können, initialisiert durch die Einzigartigkeit des Übergabeereignisses, emotionale Spannungen an die Oberfläche kommen (z. B. eine problembelastete Vater-SohnBeziehung).168 Die psychologischen Wirkungszusammenhänge von Nähe und Distanz der jungen Generation zum Elternhaus bzw. zum Unternehmen sowie der große Altersunterschied zwischen den Generationen und der daraus resultierende immense Zeitdruck der Nachfolgeumsetzung sowie die persönliche und fachliche Reifung der Nachfolger sind nicht zu unterschätzen.169 Die Besonderheit, dass sich aufgrund einer Nachfolgesituation immense Spannungen entladen, dokumentiert sich auch in plötzlich auftretenden Rivalitäten innerhalb der Nachfolger- bzw. der Übergebergeneration.170 Viele Fallstudien berichten von Geschwisterkonflikten oder Familienfehden, die durch die Nachfolgeplanung ausgelöst und ausgetragen werden. Die möglicherweise steigende Fragmentierung beim Gesellschafterkreis ruft manchmal Feindseligkeiten innerhalb der Familienstämme hervor, die jeweils ihren eigenen Nachfolger installieren möchten bzw. das mögliche Dilemma zwischen Tradition und Rendite unterschiedlich bewerten. Die Spannungsfelder unter den Familienangehörigen sind höchst komplex und erhalten gerade durch die Vermischung rationaler und emotionaler Beweggründe ihre besondere Brisanz, die bei einer Eskalation kaum mehr aufzulösen ist. Nicht zuletzt können auch zwischen Familienangehörigen und Nicht-Familienangehörigen nachfolgespezifische Spannungen auftreten, die den geplanten Nachfolgeprozess (be-) hindern.171 Abneigungen eines langjährigen Fremdgeschäftsführers gegenüber dem internen Anwärter oder grundlegende Ressentiments bei der Belegschaft können hier als Gründe für eine gescheiterte Nachfolge beispielhaft genannt werden. Ein zweiter großer Konfliktbereich, der die Wahrscheinlichkeit einer familieninternen Nachfolgevariante verringert, kann in unternehmensspezifischen Aspekten begründet liegen. Insbesondere die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und die mit der Nachfolge
167
Frühe Überblicksartikel stellen Lansberg (1988) und Levinson (1971) dar.
168
Vgl. u. a. Dumas (1989), S. 31 ff.; Longenecker/Schoen (1978), S. 4.
169
Vgl. Albach/Freund 1989, S. 43; Handler (1992), S. 288, und Freund (2000), S. 22.
170
Vgl. u. a. Grote (2003), S. 113 ff.; Spielmann (1994), S. 29 f.
171
Vgl. u. a. Johanisson/Huse (2000), S. 353 ff.;
47 zusammenhängenden Steuer- und Finanzierungstatbestände können die interne Nachfolgeplanung beeinträchtigen. Aufgrund diverser Zahlungsverpflichtungen, u. a. gegenüber dem Fiskus, weichenden Erben oder anderen Pflichtteilsberechtigten aus dem Privat- bzw. Betriebsvermögen können kritische Liquiditätsengpässe entstehen. Folgen daraus innerfamiliäre Spannungen oder müssen partiell Desinvestitionen durchgeführt werden, dann lässt sich durch die Option der familienexternen Nachfolge der Kreis der Alternativen vergrößern.172 Es liegt auf der Hand, dass auch eine schleichende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens die familieninterne Nachfolge erschwert. Neben der in dieser Situation unwahrscheinlichen Option des Verkaufs bedeutet das in der Regel die Liquidation des Unternehmens.173 Aber auch Nachfolgen in gesunden Unternehmen können einen hohen Finanzierungsbedarf mit sich bringen. Studien haben ergeben, dass fast die Hälfte aller internen Nachfolgen entgeltlich strukturiert wird.174 Entsprechend sind die zunehmenden Bemühungen zu interpretieren, einen nachfolgespezifischen Finanzierungs-Mix zu erleichtern.175 Das betrifft zum einem die Weiterentwicklung und Akzeptanz des Beteiligungskapitals und zum anderen die Etablierung eines Marktes für mezzanine Finanzierungsformen.176 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass alle genannten Aspekte deutlich die Grenzen einer familieninternen Nachfolge erahnen lassen. Es überrascht daher, dass viele Vertreter der generationenübergreifenden Perpetuierung von Familienunternehmen die externe Variante in
172
Zu den steuerlichen Wirkungen einer Unternehmensnachfolge wurden zahlreiche Artikel und Bücher publiziert. Aufgrund des sich stetig verändernden Steuerrechts – mit dem jüngsten Gesetzentwurf zur Erleichterung von Unternehmensnachfolgen von 2006/2007 – erneuert sich dieser Bedarf fortwährend. Hier soll stellvertretend auf eine kleine Auswahl wissenschaftlicher Publikationen der letzten Jahre verwiesen werden: Erhardt (2001), Rautenstrauch (2002), Lutterbach (2003), Guldan (2004), Bjuggren/Sund (2005) oder Lennert (2006).
173
In einer schwierigen wirtschaftlichen Lage können jedoch auch die Kinder quasi zur Nachfolge gezwungen werden, da es der womöglich einzige Weg ist, für die Altersvorsorge der Eltern zu sichern.
174
Vgl. z. B. die Studie in ifo Dresden (2006), S. 36.
175
Die in dieser Arbeit zitierten Studien aus Bayern (IfM Bonn) und Sachsen (ifo Dresden) basieren z. B. auf Gutachten, die für die Landesregierungen erstellt wurden, um entsprechenden Handlungsbedarf zu identifizieren, siehe u. a. auch Plankensteiner/Rehbock (2005), S. 792 f.
176
Schmeisser et al. (2007), S. 28 ff. Diese hybride Finanzierungsform erlangt ihre Zwitterstellung dadurch, dass die Finanzierung sowohl Fremdkapital- als auch Eigenkapitalkomponenten beinhaltet. Auf die weiteren finanzierungstechnischen Einzelheiten kann in der vorliegenden Arbeit nicht eingegangen werden; für weitere Literatur zu finanziellen Themenstellungen im Kontext von Unternehmensnachfolgen siehe z. B. Achleitner et al. (2005), S. 13 ff.; Dross (1996), S. 117 ff.; KfW Bankengruppe (2003), S. 55 ff.; Irsch (2003), S. 339 f.
48 der Regel in ihren Betrachtungen ausblenden.177 Kommt ein Unternehmen nach der Nachfolge in wirtschaftliche Schwierigkeiten, werten dies die Protagonisten als weiteren Optimierungsbedarf für eine bessere (interne) Nachfolgeplanung. Sie entwickeln Strategien und Handlungsmuster, die eine optimale Nachfolge gewährleisten sollen. Unter Berücksichtigung, dass erfolgreiche Unternehmen sich stetig neu entwickeln müssen und frische Impulse benötigen, könnte man – etwas provokativ – entgegnen, dass gerade diese unerfolgreichen oder womöglich insolventen Unternehmen deshalb in Schwierigkeiten gekommen sind, weil sie stets die interne Nachfolge anstrebten und nicht andere Optionen mit ins Kalkül gezogen haben.178
2.2.3 Zwischenfazit BECKARD/DYER haben mit als Erste auf die Tatsache hingewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit einer familieninternen Nachfolge mit jeder Generation abnimmt.179 Andere Autoren haben in der Folge diesen Sachverhalt aufgegriffen und eine betriebswirtschaftliche Problemstellung formuliert. Daraus hat sich eine Fülle von Literatur mit zahlreichen Handlungsempfehlungen und unter der Maßgabe der Familienkontinuität erfolgreichen Strategien einer familieninternen Nachfolgeplanung entwickelt. Dass diese Forschungsbestrebungen die familienexterne Nachfolge fast aus den Augen verloren haben, ist unter Berücksichtigung der konsistenten Ergebnisse zahlreicher empirischer Studien jedoch überraschend:
177
„This is perhaps not surprising given that acceptance of an acquisition would seem to be almost the antithesis of survival“, vgl. Steen/Welch (2006), S. 290.
178
Das Scheitern einiger Nachfolgen ist sicherlich auch auf klassische Umwälzungsprozesse zurückzuführen, die mit einem marktwirtschaftlichen System zwangsläufig einhergehen. Es lässt sich kein stichhaltiges Argument finden, warum Familienunternehmen in aussterbenden Branchen oder strukturschwachen Gegenden immun gegen die externen Bedrohungen sind.
179
In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass etwa 30 % die 2. und entsprechend noch weniger Unternehmen die 3. Generation überdauern, vgl. Beckhard/Dyer (1983), S. 5.
49 x Der Anteil der tatsächlich vollzogenen familieninternen Nachfolgen ist deutlich geringer als von den Übergebern originär beabsichtigt. Dieser Tatbestand wird insbesondere damit begründet, dass zum einen der Übergeber in Befragungen seine Wunschvorstellung äußert, die jedoch nicht immer mit den Ambitionen des Nachwuchses übereinstimmt, und zum anderen unerwartete Störfaktoren die interne Planung zunichte machen.180 x Das Verhältnis zwischen internen und externen Nachfolgen ist de facto ausgeglichen, so dass unter allen Übergabeoptionen (Vererbung, Schenkung, Verkauf) die externe entgeltliche Nachfolge die am häufigsten anzutreffende Variante ist.181 x Der Trend deutet darauf hin, dass in der Zukunft externe Nachfolgen weiter zunehmen werden.182 x Es mehren sich die Studien, die unter bestimmten Voraussetzungen eine höhere Erfolgswirkung indizieren, wenn statt familieninternen, qualifizierte -externe Nachfolger die Unternehmensnachfolge antreten.183
Das Managementproblem Unternehmensnachfolge ist eng mit dem Begriff Unternehmenskontinuität verbunden.184 Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen auf der einen Seite die derzeitige Dominanz der Forschung hinsichtlich familieninterner Nachfolgen und zeigen auf der anderen Seite auf, dass die Kontinuität eines Familienunternehmens nicht nur in der Dimension Familie, sondern auch in der Dimension Unternehmen verankert sein
180
Vgl. stellvertretend Pfannenschwarz (2006), S. 50 ff.
181
Vgl. Olbrich (2005), S. 7. Siehe dazu auch die Übersichten der Tabelle 2-5, der Tabelle 2-6 sowie im Anhang, die alle dem Autor bekannten Studien zusammengetragen haben. Die größte Verbreitung und Akzeptanz in diesem Zusammenhang genießen die Statistiken des IfM Bonn. Aus den aktuellsten Hochrechnungen von 2007 geht hervor, dass 43,8 % der Nachfolgelösungen intern vollzogen werden (Internetabfrage: 27.02.2008). Subtrahiert man die Liquidationen, die strenggenommen auch familienexterne Verkäufe darstellen, ist es immer noch weniger als die Hälfte der Fälle, die die Nachfolge im Sinne eines Generationenwechsels durchführt.
182
Vgl. u. a. Europäische Kommission (2006), S. 11; Schlömer/Kay (2008), S. 1, oder auch Pfannenschwarz (2006), S. 53.
183
Vgl. u. a. Cucculelli/Micucci (2008), S. 17 ff., sowie die Ausführungen im Abschnitt 3.2.3.
184
„The underlying notion is that family and business must remain together for continuity to occur. (…) despite our protests that such an idea is fantasy in the face of the reality of our work. In practice, what we may see is that to preserve the business, the family must be sacrificed, or vice versa.“, vgl. Drozdow (1998), S. 337.
50 kann bzw. sollte.185 Als Zwischenresümee lässt sich daher festhalten, dass selbst bei der Wunschvorstellung einer internen Nachfolge der Übergeber nur zu der optimalen Gestaltung gelangt, wenn er alle Optionen betrachtet hat.186 DROZDOW formuliert es wie folgt: „Keeping or selling the business can both be viable options for perpetuating that which is essential“.187 Wie bereits angedeutet liegt dieser Arbeit die Annahme zugrunde, dass die Entscheidung für eine familienexterne Nachfolge bereits gefällt ist. Die Analyse befasst sich daher weniger mit dem Entscheidungstatbestand, ob die Nachfolge intern oder extern durchgeführt werden sollte, sondern detailliert mit dem daran anschließenden familienexternen Nachfolgeprozess.188 Auf diese kaum erforschte Möglichkeit konzentrieren sich nun die weiteren theoretischen Ausführungen. Zudem begibt sich die vorliegende Arbeit mit der anschließenden empirischen Untersuchung auf völliges Neuland.189 Dabei wird zum einen die Sicht des Übernehmenden eingenommen und zum anderen werden ausschließlich Nachfolger befragt, die ihre Nachfolge bereits vollzogen haben und daher in der Ex-post-Betrachtung ihre Einschätzungen einfließen lassen können.
185
Der unbedingte Wille, das Unternehmen von Generation zu Generation zu übertragen, kann in manchen Fällen sogar zu krankhaften Symptomen führen und dem Unternehmen großen Schaden zufügen, vgl. Kaye (1996), S. 354. Der Autor verweist auch auf den – in der Familienunternehmensforschung weit verbreiteten – Irrglauben, dass nur eine geglückte familieninterne Nachfolge eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge ist. Zitat aus einem Expertengespräch: „Manchmal muss man etwas aufgeben, um etwas zu erhalten“, siehe Informationen zu den Experteninterviews in Abschnitt 4.2.1 bzw. im Anhang.
186
Vgl. den in der deutschsprachigen Forschung häufig zitierten Spielmann (1994), S. 31. Siehe u. a. auch Stephan (2002), S. 246; Gilbert 1989, S. 40, oder die Formulierung von HENNERKES: „Die alleinige Fokussierung auf eine lebzeitige oder letztwillige Übertragung des Unternehmens auf einen aus der Familie stammenden Nachfolger (…) minimiert die Chancen einer erfolgreichen Gestaltung der Unternehmensnachfolge bereits beim Start“, vgl. Hennerkes (1998), S. 375.
187
Vgl. Drozdow (1998), S. 347. Stellvertretend für die deutschsprachige Forschung ist LÖHR zu erwähnen, der die Fixierung auf interne Nachfolgen als „Kontinuitätsparadigma“ bezeichnet und eine Öffnung für Alternativen (bzw. eine „flexibilitätsbezogene Nachfolgestrategie“) befürwortet, vgl. Löhr 2001, S. 87 ff.
188
Die einzige Studie, die sich bisher ausschließlich auf familienexterne Unternehmensnachfolgen konzentriert, behandelt explizit diesen Matching-Prozess, vgl. Schlömer/Kay (2008).
189
Insbesondere zum Mangel an empirischen Ansätzen siehe exemplarisch Brockhaus (2004), S. 167 ff., sowie Abschnitt 3.2.3.
51
3
Familienexterne Unternehmensnachfolge als Akquisitionsprozess
Eine familienexterne Unternehmensnachfolge stellt aus der Sicht des Nachfolgers den „einfachen“ Tatbestand dar, dass er ein inhabergeführtes Unternehmen erwirbt. Die vorliegende Arbeit ist von der Hauptthese geleitet, dass dieser Akquisitionsprozess durch viele Besonderheiten geprägt ist – auf der Seite des Übergebers wie des Nachfolgers. Zum einen geht die bisherige Dominanz der familieninternen Nachfolgen in der Familienunternehmensforschung mit der mehrheitlich vorherrschenden Perspektive des Übergebers einher.190 Entweder orientiert sich die Literatur explizit an der Ausgangssituation des Übergebers oder es werden im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung beide Parteien im Sinne einer Familiennachfolge behandelt. Zum anderen nimmt die so genannte Akquisitionsliteratur mehrheitlich den Betrachtungswinkel des Nachfolgers ein, der das Akquisitionsobjekt vornehmlich aus strategischer und finanzieller Sicht bewertet.191 KING et al. arbeiten in ihrer Meta-Analyse aber beispielsweise heraus, dass die empirische Befundlage auf unentdeckte Einflussgrößen hindeutet.192 Die Besonderheiten inhabergeführter Unternehmen bzw. von Familienunternehmen werden jedenfalls in diesem Literaturstrang stark vernachlässigt.193 Daher soll durch die Zusammenführung der jeweils eingeschränkten Sichtweisen zu einem einheitlichen Gesamtbild in diesem Kapitel ein theoretischer Erkenntnisgewinn generiert werden.194 Dem liegt auch der Gedanke zugrunde, dass der bereits ausführlich dargelegte
190
Vgl. u. a. Mittelstandsmonitor (2008), S. 174; Olbrich (2005), S. 175 ff.; Bergamin (1995), S. 5.
191
Den weitaus größten Raum innerhalb der Akquisitionsliteratur nimmt die Kombination „Unternehmen kauft Unternehmen“ ein. Da jedoch in der Realität deutlich mehr familienexterne Unternehmensnachfolgen durch natürliche Personen durchgeführt werden, wonach auch das spätere empirische Forschungsdesign ausgerichtet ist, wird dieser im Vergleich zu der gesamten Akquisitionsliteratur kleinere Teil in dieser Arbeit speziell berücksichtigt.
192
Vgl. King et al. (2004), S. 187 ff.
193
Vgl. Steen/Welch (2006), S. 290: „Despite their importance in the international business context, mergers and acquisitions have received little attention in the family business literature.” Siehe ebenso Capron/Shen (2007), S. 891 f., oder Furtner (2006), S. 31 f.
194
Im angloamerikanischen Schrifttum findet sich zudem auch die Untergliederung in „managerial/leadership succession“ vs. „ownership succession“, die im Grunde spiegelbildlich mit der Trennung bzw. Einheit von Unternehmensführung und Eigentum zu setzen ist. Die Ausführungen zu „ownership succession“ sind prinzipiell in der Akquisitionsliteratur enthalten, wohingegen „leadership succession“ deutlich der Familienunternehmensforschung zuzuordnen ist. Da bei einer familienexternen Nachfolge mit
52 dominierende Standpunkt in der Familienunternehmensforschung, dass eine familienexterne Nachfolge eine gescheiterte Nachfolge sei, mit den positiven Aspekten der Akquisitionsforschung assoziiert wird, die tendenziell mehr auf die belebenden Impulse dieses Prozesses eingehen. Zu einem holistischen Verständnis dieses betriebswirtschaftlichen Sachverhalts konstatieren HERING/OLBRICH: „Nichtsdestoweniger sind Akquisitionen und Fusionen einerseits sowie die Nachfolge durch Verkauf andererseits folglich spiegelbildliche Erscheinungen ein und desselben Vorgangs und damit quasi `zwei Seiten einer Medaille´“.
3.1 Terminologische Grundlagen einer familienexternen Unternehmensnachfolge Zunächst wird in dem folgenden Abschnitt eine grundlegende Einordnung und Charakterisierung familienexterner Unternehmensnachfolgen vorgenommen. Nach der Definition werden die Ursachen und Problembereiche näher beleuchtet und dann der Nachfolgeprozess mit seinen Akteuren und den jeweiligen Motiven beschrieben.
3.1.1 Gegenstandspräzisierung, Ursachen und Problembereiche Der Erwerb eines Unternehmens erfährt in der einschlägigen Literatur eine vielfältige begriffliche Behandlung.195 So sind in der deutschsprachigen Forschung neben dem Begriff Unternehmensakquisition weitere Termini wie Unternehmenszusammenschluss, -kauf, kooperation, -fusion oder -beteiligung zu finden.196 Im angloamerikanischen Schrifttum werden in diesem Kontext Begriffe wie z. B. „takeover“197 oder „organizational
inhabergeführten Unternehmen auf beiden Ebenen gleichzeitig Übertragungen stattfinden, ist diese Unterteilung hier nicht zielführend. 195
Vgl. u. a. die Sammelbände Wirtz (2006) und Picot et al. (2000) Auch wenn die Akquisitionsliteratur eine längere Entwicklungsgeschichte als die der Familienunternehmensforschung besitzt, ist eher von Erkenntnisinseln als von einem integrativen Theoriefundament auszugehen, siehe dazu das häufig erwähnte Zitat von Haspeslagh/Jemison (1987), S. 53: „Nothing can be said or learned about acquisitions in general.“
196
Partiell werden dies Begriffe auch synonym verwendet, vgl. dazu in einer aktuelleren Dissertation Lorenz (2006), S. 8.
197
Zumeist wird dieser Begriff im Zusammenhang mit feindlichen Übernahmen gebraucht, vgl. z. B. Chatterjee et al. (2003), S. 87 ff., oder Schneider/Dunbar (1992), S. 537 ff.
53 transformation“198 verwendet. Sehr oft orientiert sich die Begriffsdefinition des Autors an dem jeweiligen Untersuchungsgegenstand, so dass weder von einer nachvollziehbaren Zuordnung noch von einer Übereinstimmung in der Begriffsverwendung gesprochen werden kann. Abbildung 7 systematisiert die verschiedenen Begriffskategorien und veranschaulicht, wo sich der vorliegende Untersuchungsgegenstand thematisch einordnen lässt.
Abbildung 7: Systematisierung von Unternehmenszusammenschlüssen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gerpott (1993), S. 39.
Bei familienexternen Unternehmensnachfolgen koPmmt der besondere Tatbestand hinzu, dass die Akquisition i. e. S. sowohl von einer juristischen als auch von einer natürlichen Person
198
In der klassischen Begriffsverwendung setzen die hier untersuchten Veränderungsprozesse nicht zwingend einen Eigentumswechsel voraus, vgl. Romanelli/Tushman (1994), S. 1193 f.
54 durchgeführt werden kann.199 Wenn insbesondere bei mittelständischen Unternehmen der Erwerber von einer Person oder einem Personenkreis gestellt wird, handelt es sich vielmehr um eine Unternehmensbeteiligung bzw. Unternehmensgründung. Eine Unternehmensnachfolge ist jedoch gegenüber einer klassischen Existenzgründung hinsichtlich der Strukturexistenz abzugrenzen, d. h., eine Nachfolge als so genannte derivative Gründungsform erfolgt nicht auf der „grünen Wiese“, sondern durch die Übernahme einer bestehenden Struktur.200 Unter einer (Unternehmens-)Akquisition wird daher in dieser Arbeit x der Erwerb von Eigentumsrechten201 x durch eine juristische oder natürliche Person bzw. einem Personenkreis202 x an ein anderes Unternehmen, das vorher und nachher rechtlich selbstständig ist,203 x mittels einer mehrheitlichen Übertragung der Gesellschaftsanteile („share deal“) oder der wesentlichen Teile des Vermögens („asset deal“)204 verstanden.205 Auf der Basis der Ausführungen sowie der diskutierten Literatur in Kapitel 2206 lässt sich die entsprechende Definition einer Akquisition im Rahmen einer familienexternen Unternehmensnachfolge präzisieren.207
199
Die alternativen Varianten Umwandlung, Börsengang und Joint Venture werden hier nicht betrachtet. Sie erfüllen nicht den Tatbestand der Unternehmensnachfolge bzw. stellen für mittelständische Unternehmen keine überaus relevante Gestaltungsform dar, vgl. Picot/Classen (2008), S. 176 f.
200
Vgl. u. a. Szyperski/Nathusius (1999), S. 27 f.; Meis (1999), S. 22, oder auch Pinkwart 2005, S. 12.
201
Hierdurch werden Zwischenformen wie z. B. die Unternehmenspacht ausgeschlossen.
202
Investorengruppen, die die Beteiligung an einem Unternehmen in der Regel als eine Finanzanlage ansehen, sollen in der hier angeführten Definition ebenso ausgeschlossen werden.
203
Die rechtliche Selbstständigkeit vor dem Kauf wird bereits durch den in dieser Arbeit gewählten Untersuchungsgegenstand „inhabergeführte Unternehmen“ gewährleistet. Indem die rechtliche Selbstständigkeit auch nach der Nachfolge gefordert wird, soll dem Nachfolgetatbestand Rechnung getragen werden, dass das Unternehmen in ähnlicher Weise fortgeführt wird und nicht im Rahmen einer Fusion z. B. in einem Großunternehmen diffundiert.
204
In der Literatur hat sich die 50 %-Grenze als Anteilsschwellenwert durchgesetzt, weil dadurch ein beherrschender Einfluss auf die Unternehmenspolitik gerechtfertigt werden kann (weiterführend zu den Begrifflichkeiten „asset deal“ als Erwerb einzelner Wirtschaftsgüter im Gegensatz zu „share deal“ als Erwerb von Geschäftsanteilen siehe auch Berlemann et al. (2007b), S. 106 f.).
205
Die Begriffsbestimmung lehnt sich u. a. an Gerpott (1993), S. 22 ff. und Wirtz (2006), S. 123 ff., an.
206
Vgl. insbesondere Wiedmann (2002), S. 135 f.; Handler (1994), S. 133 ff.; Brockhaus (2004), S. 165 ff., sowie Le Breton-Miller et al. (2004), S. 305 ff.
207
Die bisherige Arbeitsdefinition lautete: „Sowohl auf der Eigentums- als auch auf der Führungsebene des Unternehmens erfolgt ein personeller Wechsel, der zeitlich sowie inhaltlich jeweils zusammenhängt“, siehe auch Abschnitt 2.2.1.
55 x Der Verkäufer prägte vorher die Unternehmensführung und gibt sie im Rahmen der Transaktion an den Erwerber ab. Mit Verkäufer bzw. Übergeber kann in dieser Arbeit ebenso ein Personenkreis gemeint sein, wie es z. B. beim Ausscheiden von zwei Geschwistern der Fall ist. x Der Erwerber steht in keinem Verwandtschaftsverhältnis zu den bisherigen Gesellschaftern sowie der Unternehmensführung. x Der Erwerber hat vor dem Kauf maximal eine Minderheitsbeteiligung (unter 25 %), die beim Erwerb auf mindestens 50 % aufgestockt wird.
Die Ursachen für eine familienexterne Unternehmensnachfolge lassen sich, wie in Tabelle 3-1 dargestellt, in drei Bereiche unterteilen.208 Die häufigste Ursache, die konsistent in mehreren Studien mit etwa zwei Dritteln quantifiziert wird, lässt sich auf das biologische Alter des Übergebers zurückführen. Der Zeitpunkt einer altersbedingten Nachfolge lässt sich nicht präzise datieren, denn er hängt von der sehr individuellen Vorstellung des Übergebers ab, dass ein erlebbarer Zeitabschnitt zwischen der Aufgabe der Unternehmensleitung und dem Ableben verbleibt. Im Gegensatz zu diesem erwarteten Ausstieg des Übergebers steht die zweite Ursache direkt in Verbindung mit dem unerwarteten Ausscheiden des Übergebers (d. h. durch Tod, Unfall oder Krankheit). Auch wenn mündliche oder schriftliche Vereinbarungen getroffen wurden (u. a. durch Testament, gesellschaftsrechtliche Übereinkommen), hat das plötzliche Ausscheiden des Übergebers aus dem operativen Geschäft in den meisten Fällen starke negative Auswirkungen auf das Unternehmen.209 Der dritte und letzte Ursachenbereich umfasst alle sonstigen Gründe, die das Ausscheiden des Übergebers bedingen. Beispielsweise können ein persönlicher Interessenwechsel oder eskalierte Gesellschafterstreitigkeiten die Veräußerung des Unternehmens zur Folge haben.210 In Tabelle 3-1 sind die Ergebnisse der prozentualen Verteilung der jeweiligen Ursachen aus zwei relevanten Studien zusammengefasst.
208
Vgl. u. a. Berlemann et al. (2007b), S. 47 f.; Schmitz-Valckenberg (2003), S. 15 ff.
209
Vgl. Albach/Freund (1989), S. 55. Diese Ursache geht oft mit einer fehlenden Nachfolgeregelung einher.
210
Vgl. KfW Bankengruppe (2003), S. 59 f.; PricewaterhouseCoopers Schweiz (2005), S. 14; Albach/Freund (1989), S. 54 ff.
56 Tabelle 3-1: Ursachen einer Unternehmensnachfolge
Ursachen
IfM Bonn
ifo Institut
Alter
65,6 %
65,5 %
Unerwartetes Ausscheiden
8,1 %
18,7 %
Sonstige Aspekte
26,3 %
15,6 %
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Freund (2004), S. 85, sowie Berlemann et al. (2007a), S. 47 f.
Unabhängig von der originären Ursache ergeben sich bei der Gestaltung der familienexternen Unternehmensnachfolge einige praktische Problemstellungen, die sich vereinfacht in fünf Facetten untergliedern lassen: Suche/Auswahl, Steuern, Finanzen, Recht und Emotionen.211 Diese Multidisziplinarität trägt maßgeblich dazu bei, dass die Nachfolgeplanung und -umsetzung eine so herausfordernde Managementaufgabe darstellt. In der Praxis bereitet es dem Übergeber wie dem Nachfolger häufig beträchtliche Schwierigkeiten, einen geeigneten Nachfolgekandidaten bzw. ein passendes Nachfolgeunternehmen zu finden. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der Intransparenz des Marktes.212 Der Übergeber verfolgt entweder die externe Option nicht oder signalisiert seinen Verkaufswunsch nicht ausreichend, so dass es nicht zu einer Kontaktaufnahme durch den Nachfolger kommen kann. Zudem ist die aktive Ansprache von Nachfolgern oft beschwerlich. Eine breit angelegte Suche führt ggf. zu Unruhe im Unternehmen und im Umfeld, wohingegen die Instrumente für eine fokussierte Ansprache mit hohem Aufwand verbunden sind.213 In dieser Arbeit wird vereinfachend festgelegt, dass die grundsätzliche Kontaktanbahnung zwischen Übergeber und Nachfolger bereits erfolgt ist. Im Zuge jeder Nachfolgegestaltung sind zudem rechtliche und steuerliche Fragestellungen – oft unter Einbezug externen Sachverstands – zu klären. In der Regel handelt es sich vor allem um erbschaftssteuerliche und ertragssteuerliche Themen oder im juristischen Kontext um die
211
Es existiert eine Reihe ähnlicher Systematisierungen in der Literatur, vgl. u. a. Lutterbach (2003), S. 3; Wiedmann (2002), S. 141; Rüter 1997, S. 12. Dieser Systematisierungsvorschlag ist jedoch das Ergebnis der eigenen Delphi-Studie, auf die sich auch Abbildung 8 bezieht und die hinsichtlich der Methodik und einiger anderer Ergebnisse in Abschnitt 4.2.2 näher vorgestellt wird.
212
Vgl. u. a. Wolter (2008), S. 2 ff.
213
Beispielsweise könnten die Übergeber an einer regionalen Nachfolge-Konferenz teilnehmen; zur bundesweiten Unterstützung bieten öffentliche oder private Anbieter so genannte Nachfolge-Datenbanken an, siehe dazu insbesondere die Nexxt-Change-Unternehmensbörse.
57 Ausgestaltung des Übernahmevertrages, die arbeitsrechtlichen oder anderen (bereits bestehenden) vertraglichen Regelungen.214 Der vierte Problembereich ergibt sich aus der finanziellen Dimension, die im Rahmen einer externen Nachfolgevariante vordergründig aus der Frage der Kaufpreisermittlung sowie der Finanzierung aus der Sicht des Nachfolgers besteht. Auch in diesem Bereich existiert eine Fülle von Literatur, die beispielsweise Themen wie den Zugang zu Fremdkapital bzw. Förderungsmöglichkeiten oder Methoden der Unternehmensbewertung bei mittelständischen Unternehmen abdecken.215 Insbesondere der letzte Aspekt kommt in einer Nachfolgesituation zum Tragen, wenn neben dem klassischen Interessenkonflikt und den besonderen Bewertungsmerkmalen bei mittelständischen Unternehmen der Übergeber den Unternehmenswert überschätzt und zudem womöglich eine unzureichende Altersvorsorge besitzt.216 Der letzte Problembereich kann mit dem Begriff Emotionen umschrieben werden und umfasst jegliche Herausforderungen im Rahmen einer Nachfolge, die aufgrund persönlicher Gefühle oder zwischenmenschlicher Spannungen auftreten können.217 Die absolute Mehrheit sowohl der praxisorientierten als auch der wissenschaftlichen Beiträge stellt schlussendlich fest, dass insbesondere diese emotionalen Facetten ausschlaggebend für den Nachfolgeerfolg sind.
214
Es existiert eine unüberschaubare Fülle (populär-)wissenschaftlicher Veröffentlichungen, auf deren Zitierungen an dieser Stelle verzichtet werden soll, siehe stellvertretend für den rechtlichen Problembereich Pöllath (2006) sowie Sudhoff (2005) und für den steuerlichen Problembereich Lennert (2006), Nüsser/Nacken (2005), Guldan (2004), Watrin (1997).
215
Vgl. u. a. die Studien der L-Bank (2002) und der KfW Bankengruppe (2003) oder Schmeisser et al. (2003), S. 339. Zu den Methoden der Unternehmensbewertung siehe insbesondere Behringer (2002) sowie Hatzig (1995), S. 56 ff.
216
Vgl. u. a. Flören (2002), S. 66 f.; Felden/Klaus (2003), S. 254; Spelsberg/Vente (2002), S. 25 bzw. 44.
217
Da dieser Problembereich im Fokus dieser Untersuchung steht, wird für weitere praktische Beispiele und Erläuterungen auf Kapitel 4 verwiesen.
58 Abbildung 8: Relevanz der nachfolgespezifischen Problembereiche sowie Aufriss der Facette Emotionen nach Akteuren
Mittelwerte der Relevanzeinschätzungen
Relevanz der Problembereiche 6
5 4,3 4
4,5 4,0
4,3
5,0
4,8
4,5
4,6
3,9 3,2
3
2
1
0
Steuern
Recht
Suche/Auswahl
Emotionen
Finanzen
Problembereiche
Experten (Delphi-Befragung) Unternehmer (Befragung vor Übergabe)
Akteursebenen Emotionen Übergeber Emotionen innerhalb des Gesellschafterkreises Emotionen Nachfolger Emotionen Übergeberfamilie Verunsicherung Umfeld Verunsicherung Mitarbeiter Erläuterungen:
MW
MIN
MAX
5,3 5,3 4,7 4,5 4,1 4,0
4 3 2 2 2 2
6 6 6 6 6 6
MW = arithmetisches Mittel; MIN = kleinster Wert; MAX = größter Wert
Von den in Abbildung 8 dargestellten Teilergebnissen der bereits erwähnten Delphi-Studie sollen drei Kernaspekte hervorgehoben werden.218 Zum einen haben sowohl die Experten als auch die Unternehmer die Relevanz der jeweiligen Problembereiche eingeschätzt, woraus sich eine Rangfolge bilden lässt. Es wird deutlich, dass die oft in der Praxis dominierenden steuerlichen Themenstellungen als weniger wichtig eingeschätzt, die Bereiche Finanzen und
218
Siehe dazu den Abschnitt 4.2.2 bzw. die veröffentlichten Ergebnisse in Berlemann et al. (2007b), S. 82 ff.
59 Emotionen dagegen von den Experten als besonders relevant eingestuft werden.219 Zum Zweiten ist die Kluft zwischen der Experten- und der Unternehmereinschätzung hinsichtlich des Problembereichs Emotionen so zu interpretieren, dass gerade Übergeber, die sich noch vor der Nachfolge befinden, diesen Problembereich offensichtlich unterschätzen. Experten hingegen, die Beratungserfahrung aus vielen Nachfolgen mitbringen, heben die emotionalen Facetten besonders heraus. Zum Dritten können die emotionalen Probleme den entsprechenden Akteuren zugeordnet und in ihrer Relevanz auch von den Experten bewertet werden. Hierbei werden dem Übergeber und dem weiteren Gesellschafterkreis die höchste Bedeutung zugemessen (siehe hierzu detaillierter die Ausführungen in Abschnitt 3.1.2 sowie insbesondere in Kapitel 4). Die nachfolgend tabellarisch zusammengetragenen Monographien (siehe Tabelle 3-2 bis Tabelle 3-4) geben die Vielfalt der Problemstellungen wieder, obwohl bei der Auswahl bewusst zivil- und steuerrechtliche Dissertationen ausgeblendet werden. Monographien mit Fokus auf dem Generationenwechsel sind hingegen aufgeführt, da die fünf Problembereiche sowie die skizzierten Ursachen hier auch grundsätzlich zutreffen und sich einige Erkenntnisse auf den hiesigen Untersuchungsgegenstand übertragen lassen.220 Die in diesem Abschnitt sowie im Anhang aufgeführten Zusammenstellungen (siehe ebenso Tabelle 8-5 bis Tabelle 8-7) offenbaren daher die eindeutige Schwerpunktsetzung auf den familieninternen Nachfolgeprozess und geben die unterschiedlichen Ansätze hinsichtlich des Forschungsdesigns sehr gut wieder.
219
Vgl. u. a. Klein (2004), S. 198; Hennerkes (1998), S. 374 f.; Löhr (2001), S. 335. Siehe auch exemplarisch das Zitat von Cartwright/Cooper (1996), S. 5: „Human factors are increasingly being held responsible for merger and acquisition failure“.
220
Siehe hierzu Abschnitt 3.2 und insbesondere das Kapitel 4.
Titel
Bieler 1996
anekdotisch
deskriptiv Die Unternehmernachfolge Finanzwirtschaftliche Perspektive: als finanzwirtschaftliches Problem Analyse anhand der Kriterien Rentabilität, Liquidität, Mittelständische Sicherheit, Unabhängigkeit; erweitert um Familienunternehmen personenbezogene Aspekte der Unternehmernachfolge sowie Kontinuitätssicherung
12 Experteninterviews mit semistandardisierten Fragebögen über 31 Transaktionen (25 Verkaufsfälle; davon 19 abgeschlossene Verkäufe)
anekdotisch
Fallstudien aus mündlichen Ausgehend von der empirischen Untersuchung sollen Interviews die mit dem Generationswechsel verbundenen (n=36 Unternehmen) Probleme aufgezeigt werden. Vergleich zwischen Gründer- und Nachfolgeunternehmen Mittelgroße Unternehmen in der Schweiz; keine Dienstleistungsunternehmen
Betriebswirtschaftliche Perspektive (auch rechtliche Aspekte):
Organisatorisch-strategische Perspektive: Famillienunternehmung im Nachfolgeprozess Erarbeitung von Eigentümer-UnternehmenKonstellationen und der jeweiligen Motive, die zum Fremdverkauf führen. Suche nach Handlungsanweisungen für den Unternehmer zur Vorbereitung des Unternehmens auf den Verkauf mit besonderer Berücksichtigung möglichen externen Sachverstands.
Generationenwechsel in mittelständischen Unternehmungen: Ablösung von Firmen- und Nichtgründern
Fokus auf mittelgroße AGs im produzierenden Gewerbe in der Schweiz
17 Interviews
deskriptiv
Schweiz/Deutschland
Persönliche Interviews (38 Unternehmer-Eigentümer; 21 Fremdmanager)
Aufzeigen der Einflussgrößen und Zusammenhänge für die Lösung der Nachfolge in Familienunternehmen. Identifizierung geeigneter personalpolitischer und rechtlicher Massnahmen bzw. Instrumente.
Forschungsdesign/-ort anekdotisch
Inhalt
Strategische Perspektive:
Betriebswirtschaftliche Perspektive mit Finanzfokus: Management Buyout als strategische Option zur Regelung der Nachfolge in Analyse der beteiligten Parteien, des Prozesses und der ökonomischen Umwelt bei einem MBO mittelgrossen Familienunternehmen: Erfolgsfaktoren und Gestaltungsvarianten
Die Sicherung der Führungsnachfolge in Familienunternehmen
Bergamin 1995 Der Fremdverkauf einer
Spielmann 1994
Huydts 1992
Autor Bechtle 1983
Kurzergebnisse
Entwicklung eines finanzwirtschaftlichen Zielsystems; Betrachtung der Nachfolgealternativen: Kapitaleigner und Betriebsführung als Einheit, Trennung von Unternehmensleitung und Eigentum, Fortführung als Stiftung. Rangbildung der Nachfolgeregelungen (1. Rang = Nachfolge im Familienbetrieb und Einheit von Eigentum und Geschäftsführung, letzter Rang: Liquidation). Weitere Ergebnisse werden in zehn sehr allgemeinen Thesen zusammengefasst.
Entwicklung eines Vorgehenskonzepts zur Vorbereitung und Abwicklung des Unternehmensverkaufs (3-Phasen-Konzept). Insgesamt hoher Vorbereitungsbedarf und Unterstützungsbedarf beim Unternehmer durch Einsatz von externem Sachverstand. Oftmals noch unzureichender Vorbereitungsgrad bzw. „Nachfolgefähigkeit" des Unternehmens, die weit mehr ist als eine reine „Verkaufsfähigkeit".
Herleitung einiger Empfehlungen, u. a.: - Familienfremde Personen im Verwaltungsrat zulassen - Ausbildungsstand des Nachfolgers ist relevant, da er den Wechsel mitbestimmt; wenn möglich, auch Eigentumsübertragung angehen Insgesamt wird eine Typologisierung unternommen zwischen 1. auf 2. Generation vs. 2 ff. auf die nächste Generation (die signifikanten Unterschiede sind v. a. auf die verschiedenen Übergeberpersönlichkeiten zurückzuführen).
Herleitung von Erfolgsfaktoren, u. a.: - Qualifikation, Erwerbsmotiv und Riskobereitschaft der Führungskräfte - Preis- und Kompromissbereitschaft beim Unternehmer - Wertsteigerungspotential und Prognostizierbarkeit des Unternehmens - Zeitpunkt, Tragfähigkeit, Vertragsgestaltung
Grundsätze zum Führungswechsel: - Sicherung der Unternehmensnachfolge muss als Daueraufgabe verstanden werden - Qualifikation und Ausbildung des Nachfolgers ist entscheidend (Befähigung vor Verwandtschaftsgrad) - erfahrene zweite Führungsebene sowie umfassendes Planungssystem im Unternehmen sind vorteilhaft
60
Tabelle 3-2: Auswahl nachfolgebezogener Monographien – Teil 1
Inhalt
Psychologische Perspektive
Forschungsdesign/-ort
Unternehmensnachfolge in einem krisenbedrohten Familienunternehmen mit Berücksichtigung persönlicher Ansprüche der Unternehmer
anekdotisch (Fallstudien) Kleine Familienunternehmen (