Odo Marquard Skepsis in der Moderne Philosophische Studien Reclam
Universal-Bibliothek Odo Marquard untersucht in Text...
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Odo Marquard Skepsis in der Moderne Philosophische Studien Reclam
Universal-Bibliothek Odo Marquard untersucht in Texten, die zwischen 1993 und 2007 entstanden sind und hier in Auswahl in seinem sechsten Band in der UniversalBibliothek versammelt werden, Themen wie Theodizee, Freiheit, Optimismus oder Pluralismus, also Themen, die dem Autor besonders wichtig waren und sind. Weiterhin vertritt er dabei »eine endlichkeitsphilosophische Skepsis« - und zwar »ohne missionarischen Eifer«.
ISBN 978-3-15-018524-7
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9 783150 185247
€ [DJ
4,00
Marquard Skepsis in der Moderne
Odo Marquard
Skepsis in der Moderne Philosophische Studien
Philipp Reclam jun. Stuttgart
Franziska, Florian, Frederik, den Enkelkindern
RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 18524 Alle Rechte vorbehalten © 2007 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Sruttgart Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen. Printed in Germany 2007 RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart ISBN 978-3-15-018524-7 www.reclam.de
Inhalt
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . .
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Zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum Rede in Freiburg am 16. Juli 2004
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»Ich bin ein Weigerungsverweigerer« Ein Gespräch mit Odo Marquard. Die Fragen stellte Jens Hacke . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wie politisch muß ein Schriftsteller sein?
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Entpflichtete Repräsentation und entpolitisierte Revolution Philosophische Bemerkungen über Kunst und Politik
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Skepsis in der Moderne Überlegungen im Blick auf Heinrich Heine
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Die Philosophie der Geschichten und die Zukunft des Erzählens . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sprachmonismus und Sprachpluralismus der Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . .
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Innovationskultur als Kontinuitätskultur Überlegungen zur Renaissance . . . . . .
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Die Krise des Optimismus und die Geburt der Geschichtsphilosophie
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Freiheit und Pluralität
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Inhalt
Textnachweise
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Biographische Notiz
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Veröffentlichungen
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Vorbemerkung Die Texte des vorliegenden Bändchens sind zwischen 1993 und 2007 entstanden. Sie enthalten eine Erinnerungsrede, eine Art autobiographisches Interview, zwei Beiträge über Politik und Kunst, einen Beitrag über Heinrich Heine als Skeptiker, einen zur Phänomenologie der Geschichten, einen über den Sprachpluralismus der Philosophie, einen zum Neuzeitbeginn Renaissance, einen über die Geburt der Geschichtsphilosophie im 18. Jahrhundert, einen über Freiheit und Gewaltenteilung. So setzen sie fort, was den Verfasser philosophisch interessiert hat: das ist vor allem der Pluralismus und die Theodizeefrage. Sie vertreten weiterhin eine endlichkeitsphilosophische Skepsis. Das tun sie ohne missionarischen Eifer. Zu einem Hauptwerk - auch darin sind sie skeptisch - reicht es auch dieses Mal nicht: Ein Schelm, der mehr gibt, als er hat.
Zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum Rede in Freiburg am 16. Juli 2004
Verehrte offizielle Respektspersonen! Meine Damen und Herren! Es ist ein Zufall, daß gerade ich diese kurze Rede halte und nicht eine oder einer meiner goldenen Mitdoktorandinnen und Mitdoktoranden. Liebe Frau Cheaure, leugnen Sie's nicht: Ich bin Ihnen einfach zuerst vor die Flinte gelaufen. Irgendwer muß es ja machen. Ich danke der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, jener Gemeinsamen Kommission unaussprechlichen Namens, die aus ihrer Philosophischen Fakultät hervorgegangen ist, und ihrer Vorsitzenden, Frau Cheaure, daß nach fünfzig Jahren die Promotionsurkunde erneuert und uns jetzt überreicht wird. Ich weiß, daß Universitäten heute sparen müssen: wenn einige von uns, die dank der Macht des >demographischen Faktors< noch leben, zur Entgegennahme dieser goldenen Doktorurkunde heute hier sind, dann sicher auch deswegen, um der Albert-Ludwigs-Universität das Porto zu sparen, das die Zusendung sonst gekostet hätte. Es kam die Neugier hinzu, zu schauen, wie es in Freiburg heute aussieht, und der Wunsch, jenen jungen Leuten zu gratulieren, die heute ihre Abschlußurkunde erhalten. Im übrigen wird man daran erinnert, daß das, was uns mit der Promotion vor fünfzig Jahren widerfuhr, eigentlich noch gar nicht so lange her ist. Meine kurze Rede von knapp 10 Minuten umfaßt drei Punkte. Erstens: Die ganz persönliche Erinnerung an 1954. Mein eigentlicher philosophischer Lehrer Joachim Ritter aus Münster war für drei Jahre in die Türkei gegangen, und Max Müller hier in Freiburg, wo ich 1949/50 und 1950 schon zwei Semester studiert hatte, war auf Bitten Ritters generös bereit, meine Promotionsbetreuung zu
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übernehmen. Ich hatte schon sechs Jahre studiert: meine Verwandten betrachteten mich als gescheitert, und meine Eltern machten pflichtweise nur noch schüchterne Verteidigungsversuche. Dann aber kam das Sommersemester 1954: mein drittes Semester in Freiburg. Ich meldete mich üblichkeitsgemäß beim damaligen Vertrauensdozenten der Studienstiftung, dem Juristen Pringsheim. Sie melden sich zurück, fragte er mich. Ich: nein. Ach, Sie sind neu aufgenommen? Ich: nein. Pringsheim war ratlos. Die dritte Möglichkeit, die ich repräsentierte, gab es eigentlich gar nicht: ich war - das ist der Charme der Studienstiftung für ein Semester wiederaufgenommen worden: um meine Dissertation doch noch abzuschließen. Ich stand wirklich unter Druck. Ich bekam von der Studienstiftung monatlich 130 DM, mehr hatte ich nicht. Mein Zimmer bei Hodels in der Bauhöferstraße 103 - das mir meine Wirtsleute aus meinen ersten beiden Freiburger Semestern, die Familie Niceus aus der Bauhöferstraße 97 (die sich um die Freiburger Geisteswissenschaften wirklich verdient gemacht haben), besorgt hatten - kostete davon 35 DM: natürlich, wie damals üblich, winzig, keine Dusche, kein fließend Wasser, aber - darum erwähne ich das - im Zimmer befand sich ein Volksempfänger, das damalige Kleinstradio, das ich mit einer Ausnahme nie eingeschaltet habe. Am 4. Juli 1954 habe ich der Übertragung der ersten Halbzeit eines Fußballspiels, das durch einen Film inzwischen auch Sie kennen, widerstanden: die Dissertation mußte fertig werden. Aber die zweite Hälfte der zweiten Halbzeit habe ich dann gehört, denn ich war, wie viele Philosophen, überdurchschnittlich fußballbegeistert. Heidegger hat Ernst Tugendhat hat mir das gerade bestätigt - das (von Heidegger als Technik sonst mit Argwohn betrachtete) Fernsehgerät einer befreundeten Familie aufgesucht und dort geguckt. Mein Korreferent Wilhe1m Szilasi, der Ungar und Deutscher war, sagte: so oder so, wir gewinnen auf jeden Fall. Mein Doktorvater Max Müller hat - zu-
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Zum JünJzigjährigen Doktorjubiläum
sammen mit seinem älteren und verehrten Freund Romano Guardini aus Tübingen - damals im Berner WankdorfStadion leibhaftig gesessen und das Spektakel unmittelbar angeschaut: ich weiß nicht, ob die heutigen filmischen Bemühungen das wiedergeben. Ich habe meine Arbeit fast unmittelbar nach dem 4.Juli abgegeben, die Prüfung war am 30. Juli, und ich danke meinen Gutachtern noch heute, daß sie die Gutachten extrem schnell geschrieben haben. Meine Nebenfachprüfer waren Walther Rehm und Bernhard Welte. Dekanatssekretär war Herr Hohl. Dekan war der Philosoph Eugen Fink, der extrem schüchtern war: fast so schüchtern wie damals ich. Aus all diesem folgt: für mich war der Juli 1954 nicht das Wunder von Bern, sondern das Wunder meiner Promotion. Danach habe ich mich dann lebenslang als Philosoph durchgeschlagen. Zweitens: Ich glaube, praktisch alle, die ihr fünfzigstes Doktorjubiläum heute begehen, haben damals die Doktorprüfung als erste Studienabschlußprüfung abgelegt. Heute muß man Bachelors und Masters und Magister machen und sich dann - postgraduiert - möglichst in dreijährigen Doktorandenkolloquien zusammenfinden. Manchmal frage ich mich, wie die jungen Leute vor lauter Betreuung noch dazu kommen, ihre Magisterarbeit oder Dissertation wirklich und ungestört niederzuschreiben. Das dauert natürlich alles viel länger und kostet auch Geld; und je länger es dauert, desto besorgter ist die Verwaltung, möglichst viele Studienabschlüsse schon vorher unter Dach und Fach zu bringen: das Studium ist immer mehr zum administrativen Dauerkampf gegen den Studienabbruch geworden. Ich meine darum: Studienzeitverlängerungen entstehen vor allem durch administrative Maßnahmen zur Studienzeitverkürzung. So kommt es zur Konjunktur des Studienstufenmodells: zur consecutivitis perniciosa, jetzt neuerdings durch den Bologna-Prozeß, durch den sich die Universität von der Universität zu verabschieden scheint. Unser Promotionsalter lag damals bei
Zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum
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25/26 Jahren, das heutige bei über 30 Jahren: so wird die Universität gezielt ins 'Spätere verlegt. Mir gefällt dieser ganze Trend nicht; aber vermutlich liegt das daran, daß ich - über 11 Jahre inzwischen als Emeritus - ganz und gar reaktionär und überaltert bin: einen Schlaganfall habe ich auch schon hinter mir, und was ist von so jemandem noch zu erwarten (außer der Wahrheit)? Drittens und abschließend: Es erhalten hier - wenn ich das richtig sehe - junge Wissenschaftler ihre Studien abschlusszeugnisse, die vor allem aus dem Bereich stammen, den man früher Geisteswissenschaften nannte. Zunächst noch einmal herzlichen Glückwunsch! Ich weiß selber, auf welches Abenteuer man sich da einläßt: mein erster bezahlter Job war die Verwaltung einer wissenschaftlichen AssistentensteIle mit knapp 27 Jahren (dafür hatte ich mit 17 Jahren schon 3 Monate Kriegsgefangenschaft hinter mir). Mit 34 wurde ich Privatdozent, mit 37 ordentlicher Professor. Der Bedarf an Geisteswissenschaftlern ist auch wenn wir ständig unter Beschuß liegen - gleichwohl groß und müßte eigentlich steigend sein; und man kann sagen, woran das liegt. 1985 habe ich in Bamberg vor der Westdeutschen Rektorenkonferenz den Hauptvortrag gehalten »Über die Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften« mit der These: »Je moderner die moderne Welt wird, desto unvermeidlicher werden die Geisteswissenschaften.« Wir leben in der versachlichten Modernisierungswelt mit ihren Veränderungsbeschleunigungen, die durch Fortschritte die lebensweltliche Kultur und ihre Geschichten und Traditionsgeschichten auszuklammern scheint. Wer kümmert sich um dieses Ausgeklammerte, das lebensnotwendig ist? Das sind die Geisteswissenschaften, die ja historisch nach den Laborwissenschaften entstehen und die modernen Innovationsüberlastungen nicht nur durch Gegeninnovationen, sondern auch durch Kontinuitätskultur zunehmend ausgleichen müssen. (Ich irritiere Sie lieber nicht durch den Gebrauch des Wortes
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Zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum
>KompensationPflicht< zur nationalen >GläubigkeitInspekteur< der Adolf-Hitler-Schulen, Kurt Petter, in der Gegend von Teupitz-Groß Köris einige seiner Schäfchen, die dort gerade zu einem VolkssturmEinsatz-Bataillon eingerückt waren, zusammen und erklärte uns (ich fasse sein etwas ausführlicheres Votum mit meinen Worten zusammen): Der Krieg ist verloren, und jetzt spielt nicht die Helden. Ich habe das als desillusionierende Klärung mit einer gewissen Befreiungswirkung akzeptiert, aber dann anschließend immer noch ab und zu an die >Wunderwaffen< geglaubt: diese Ambivalenzerfahrung hat mich später interessiert. Also: nationale Großmannssucht plus Enderfahrungsdepression. FRAGE In Ihrer Sicht der Bundesrepublik spielen Emotionen und Psychologisierungen eine besondere Rolle. Nicht nur erklären Sie die Achtundsechziger-Bewegung in Anlehnung an Freud als >nachträglichen Ungehorsam< (nämlich als Reaktion auf das elterliche Ja zum National-
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»Ich bin ein Weigerungsverweigerer«
sozialismus), auch Sie sind offenbar durch die sogenannte Kulturrevolution nachhaltig emotionalisiert und politisiert worden. Dabei hat das Ganze institutionell doch vergleichsweise wenig Folgen gehabt. Wie erklären Sie dieses Phänomen Nachgeborenen? MARQUARD Emotionen und Psychologisierungen spielten - sowohl bei den Achtundsechzigern wie auch beim eigenen zunehmenden Widerstand dagegen - nicht mehr und nicht weniger eine Rolle als in jeder Realität. Natürlich bin ich dort politisiert worden. Daß ich - ich hatte mich 1963 mit einem Buch über den deutschen Idealismus und Sigmund Freud habilitiert und viel Freud gelesen den >nachträglichen Ungehorsam< als Gegenbegriff zu Freuds >nachträglichem Gehorsam< entwickelt habe, lag da doch nahe. Als Intellektueller und ab 1965 als >Jungordinarius< habe ich die Lage schließlich anders beurteilt: daß »das Ganze institutionell doch vergleichsweise wenig Folgen gehabt hat«, schien mir nicht so, falls man dagegen nichts täte. Entscheidend war, daß die möglichen Folgen abgewendet worden sind. Es war wichtig, daß die Bevölkerung der Bundesrepublik sehr vernünftig reagiert hat und daß auch einige Philosophen diese Bürgerlichkeitsverweigerung verweigerten, wozu ein ganz klein wenig auch meine Philosophie beigetragen hat. Es wurde klar, daß die Bundesrepublik keine mißlungene Revolution, sondern eine gelungene Demokratie ist. FRAGE In Ihrem Werk haben Sie immer wieder auf Kontingenz und Schicksal, die >Unvermeidbarkeit des Unverfügbarengroßen Plan< zu machen? MARQUARD Die >Unvermeidlichkeit des Unverfügbaren< ist für mich - langsam - wichtig geworden, weil die Geschichte selber nicht die Aktion nach einem großen Plan ist, sondern ein Gewimmel von Handlungs-Widerfahrnis-Gemischen. Sie besteht aus Aktionen und Kontingenzen. An den großen geschichtsphilosophischen Plan
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glaube ich in der Tat nicht: er bringt mehr Unglück als Glück. Partielle Pläne sind hingegen wichtig und um so besser, je mehr Individualität dabei zum Zuge kommt. FRAGE Was war für Sie der Auslöser, sich mit Geschichtsphilosophie zu beschäftigen? MARQUARD Zunächst war die Geschichtsphilosophie nicht mein zentrales Problem. Lieblingsbücher waren zwar von Anfang an Burckhardts Weltgeschichtliche Betrachtungen und Max Webers Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (so müssen wissenschaftliche Werke aussehen!). Auch habe ich im dritten und vierten Semester als Nebenfach Geschichte studiert. Aber der zentrale Zugang gerade zur Philosophie war die Kunst (Architektur, Malerei: ich habe zunächst während des Studiums fast mehr gemalt als .geschrieben). Die entscheidende Philosophie war die Asthetik, dann auch beflügelt durch Joachim Ritters großartige Ästhetik-Vorlesung. Mein philosophisches Spezialgebiet wurde schnell der deutsche Idealismus: Kant, Schiller, Schelling. Auf die Geschichtsphilosophie kam ich dabei, um die Stellung der Ästhetik zur Realität zu begreifen: das ging gerade dort nur über die Geschichtsphilosophie. Eine wichtige Rolle hat ab 1950 Georg Lukacs gespielt, der Marx ins Blickfeld rückte. Nach 1954 hatte ich eine Zeitlang die Vorstellung, eine Philosophie der Geschichte der Resignation der Philosophie der Geschichte sei ratsam. Das führte zu immer stärkeren Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie. Ungefähr ab 1960 war der entscheidende Einfall dieser: der Rechtshandel (Prozeß) Geschichtsphilosophie kommt aus dem Rechtshandel (Prozeß) der Theodizee, und die autonomistische Geschichtsphilosophie - die ein entscheidendes Motiv seit dem deutschen Idealismus bildete - ist eine säkularisierte Theodizee, eine Theodizee durch das Ende Gottes (sozusagen: Theodizee gelungen, Gott tot). Von daher habe ich dann die Geschichtsphilosophie - mit immer stärkerer Betonung der menschlichen Endlichkeit -
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zunehmend kritisiert: schließlich durch Absage an die Utopie einer gleichschaltenden Alleingeschichte der Weltverbesserung und Diesseitserlösung, und zwar zugunsten eines philosophischen - auch geschichtsphilosophischen Pluralismus. Diese Absage an die Geschichtsphilosophie hat mich - das konkretisierte sich nach 1968 - dann auch dazu gebracht, eine politisch liberal konservative Position zu beziehen. Es hat mich - was zu Anfang nicht in meiner Absicht lag - auf die Idee gebracht, bei mir >Konservatives< zu finden mit der (von Martin Kriele und Hermann Lübbe dankbar übernommenen) Regel: die Beweislast hat der Veränderer. FRAGE Sie haben in der Diskussion um Francis Fukuyama geschrieben, das »Ende der unheilvoll finalisierenden Geschichtsphilosophie« sei nicht das Ende der Geschichte, sondern »die Rückkehr in die Geschichte«. Wohin kehren wir zurück? MARQuARD In die Geschichte: in die Buntheit der belastenden und beglückenden Kontingenzerfahrungen, mit der Pflicht zur Politik, und im günstigen Falle in die bürgerliche Welt. FRAGE Sie sind als jemand charakterisiert worden, der den Konservatismus in Deutschland fit für die Postmoderne gemacht hat - negativ ausgedrückt: Sie gelten als >Experte für postmoderne BeliebigkeitAbschied vom Prinzipiellen< stark macht und das Loblied der Vielfalt, des Polytheismus singt. Gleichzeitig lautet einer Ihrer Leitsätze »Zukunft braucht Herkunft«. Welche Herkunft brauchen wir, und vor allem: wie erkennen wir das, was wir brauchen? MARQuARD Diesen Schuh ziehe ich mir nicht an. 1986 habe ich einen Beitrag Nach der Postmoderne - der in die Anfangspassagen von Aesthetica und Anaesthetica eingegangen ist - geschrieben mit der These: nach der Postmoderne kommt die Moderne. Die Postmoderne ist keine Epoche. Man muß die >pluralistische Lösung< als altes mo-
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dernistisches Motiv erkennen, zu dem die skeptische Tradition der Moralistik mit ihrem Sinn für Gewaltenteilung wesentlich beigetragen hat. Die absolute Nullagen-Spekulation, zu der prinzipielle Philosophien neigen, ist eine weltfremde Abstraktion. Wir suchen nicht aus einer absoluten Nullage heraus Lebensformen aus, sondern wir stecken immer schon in Lebensformen drin. Wir haben - in unserem >Leben vor dem Tode< - immer schon Lebensformen, Üblichkeiten, Tradilionen: das ist eine völlig unbeliebige Lage, deren Unbeliebigkeit mit der Kürze unseres Lebens zusammenhängt. Die zuweilen dann entstehende Frage, ob wir einen Teil einer Üblichkeit verlassen sollten (die Frage der Kritik), setzt immer schon Üblichkeiten voraus, die wir haben, und Üblichkeiten, die in Konkurrenz dazu treten. Wir >suchen< nicht aus einer absoluten Position unsere Lebensformen, sondern allenfalls entsteht - untotal- die Frage, ob wir einen Teil unserer Lebensformen zugunsten anderer >verlassen< sollten: diese Frage die immer schon an Geschichtliches anknüpft - ist partialkritisch, nicht totalkritisch. Ich gehe dabei von einem begrenzten Gewimmel von Herkünften aus. Ich räume ein, daß darin ein partielles >MultikultiSchule< waren> sind dankbar für die extreme Lebendigkeit und Jürgen Seifert [2000] hat das präzis beschrieben - die außerordentliche Liberalität seines Kreises: Ritter verpflichtete seine Schüler nicht auf seine eigenen Thesen. Er balancierte das durch Forderungen: Leistungsbereitschaft, Erfüllung institutioneller Pflichten, und daß die Schüler einander auch in ihren eigenen Positionen wechselseitig ernst nahmen. Merken ist wichtiger als Ableiten: das konnte man bei ihm lernen. Das führte dazu, daß später als die Schüler über eigene Lebenserfahrung verfügten viele Thesen von Ritter plausibel wurden: seine - gegen die Absolutheitsansprüche von Fortschritt (>ZukunftHerkunftpositivierten Entzweiunghermeneutische< Philosophie - unter den Ritter-Schülern eine Schulkonvergenz als langfristige Spätwirkung, die sie teilweise
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gerade auch gegen die Frankfurter Kritische Theorie, ihre Vergröberung zu den Positionen der Achtundsechziger und ihre Wacht am Nein in Opposition brachte. Ich selber habe das als Verweigerung der Bürgerlichkeitsverweigerung beschrieben; aber ich bin nicht der Schulsprecher der Ritter-Schule: es gibt nämlich keinen. Daraus folgt: Wenn Ritters Schüler eine Art von Schule bilden, ist das - bei allem Sinn für institutionelle Pflichten - eine sehr lockere Angelegenheit. Niemandem wird durch Schuldisziplin der Mund verboten: vermutlich erkennt man sie am meisten daran. FRAGE Anders als Ihre liberalkonservativen Weggefährten gelten Sie als Skeptiker. Trotzdem: Kann Skepsis langweilig werden, wenn der Gegner abhanden gekommen ist, wenn es keine Großentwürfe mehr gibt, gegen die man Einspruch erheben kann, wenn nur noch Zustimmung, Affirmation und Apologie der bürgerlichen Welt bleiben? Oder anders gewendet: Wo bleibt das Normative, Herr Marquard? MARQuARD Meine Selbst bezeichnung als >Skeptiker< (zunächst hieß das >interimistischer SkeptizismusGroßentwürfenskeptische Methode< nur ein philosophisches Thema, dann wurde sie - immer stärker im Rahmen der skeptischen Tradition der Moralistik - zum philosophischen Vollzug. Natürlich ist der Hintergrund meiner Skepsis das Trauma des Nationalsozialismus: in gewisser Hinsicht habe ich mein Erschrecken, meine Ernüchterung und meine Irritierung zur philosophischen Position gemacht, auch als Angehöriger der >Skeptischen Generation< (Schelsky). Als Lehrer und als Autor hüte ich mich, als Missionar aufzutreten: Ich bin auch kein Missionar der Skepsis. Im übrigen erhebt sich gegen meine Form der Skepsis der (auch Ihr) Einwand, daß sie zu >affirmativ< und zu >apologetisch< sei. Ich meine, es gehört zumindest auch zur Skepsis, Positivitätsver-
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drän gun gen zu bezweifeln und Affirmationsverbote zu übertreten. Wir Menschen sind viel zu zerbrechlich, um irgend eine Positivität der Wirklichkeit zu mißachten und »die Rose im Kreuz der Gegenwart« (HegeI) übersehen zu dürfen. Darum bin ich - auch und gerade in bezug auf die bürgerliche Welt - dagegen, den eigenen Negativitätsbedarf zu übertreiben. Meine Weltabwehr absolviere ich nicht durch Philosophie, sondern durch Schlafen: ich bin ein >WeigerungsverweigererFortschrittskonservativ< bzw. ein >Modernisierungstraditionalist< zu sein, das scheint seit den fünfziger! sechziger Jahren möglich. Die von Ihnen popularisierte Figur der Kompensation/Kompensationstüchtigkeit setzt einen Entwicklungsgedanken voraus. Ist das implizit nicht auch Teleologie, also mit Geschichtsphilosophie verwandt? MARQuARD Auf liberale Weise konservativ zu werden wurde möglich, als die Bundesrepublik - die keine versäumte Revolution, sondern eine stabile Demokratie ist gegen den durch das Jahr 1968 symbolisierten Versuch, sie revolutionär abzuschaffen, verteidigt werden mußte: das also der Modernitätstraditionalismus zugunsten der liberalen Demokratie - wurde eine der wichtigsten Aufgaben meiner Generation. Dazu gehörte es, im Namen dieser Herkunft den utopisch-emphatischen Fortschrittsgedanken der Geschichtsphilosophie zu mildern durch den Gedanken einer - endlichkeitsfähigen, nicht größenwahnsinnigen - Pluralität von Fortschritten. Das führte zum Gedanken der Kompensation, den ich von Joachim Ritter aufnahm. Seine Begriffsgeschichte habe ich teilweise im Kompensationsaufsatz von Aesthetica und Anaesthetica versucht. Nicht der Entwicklungs gedanke, sondern der Gleichgewichtsgedanke ist dabei entscheidend. Zum Beispiel die moderne Versachlichungs-, Beschleunigungs-
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und Veraltungswelt wird nicht negiert, wohl aber kompensiert durch Kontinuitätskultur: das habe ich wohl am wirksamsten in Uber die Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften darzulegen versucht. Natürlich steckt auch eine Halbwegs-Teleologie darin: eine verendlichte und pluralisierte Teleologie, also das, was geschichtsphilosophisch weiterhin vertretbar ist, etwa im Blick auf partiale Geschichtsvorgänge. FRAGE Sie sind in den Achtzigern rückhaltlos für die Kernenergie eingetreten und haben die Übersteigerungen der Ökologiebewegung kritisiert, die damals die kollektive Angst vor nuklearer Gefahr, Atomtod, Ozonloch usw. artikulierte. Heute nimmt die Globalisierungskritik eine ähnliche Rolle ein. Können Sie zivilisatorische Ängste verstehen? Wovor haben Sie Angst? MARQuARD Ich habe die Tendenz, Überdramatisierungen der gegenwärtigen Geschichtssituation zu ernüchtern und zu mildern. Darum sage ich häufiger, der Weltlauf sei - trotz allem - mehr Nichtkrise als Krise. Die Vorstellung, jetzt ist der absolute Augenblick, in dem die Menschheit gerettet werden muß, und die Zuspitzung der Gegenwart zur großen Entscheidungsgrenzsituation zwischen Allem und Nichts: das geht mir viel zu weit. Ich bin gegen den großen Außerordentlichkeitsbedarf, auch im Negativen. Die Menschen haben schon genug Probleme, auch diesseits des absoluten Ausnahmezustands: diesen unendlichen Krisenstolz können wir uns gar nicht leisten. Darum wehre ich mich gegen ökologisches Krisengeschrei und habe auch wenig übrig für die Globalisierungsgegner. Die Angstübertreibung ist eine Luxusreaktion: man sollte sie zumindest dosieren. Natürlich habe ich Angst: zum Beispiel vor zu schwerem Sterben. Aber die >zivilisatorischen Ängste< gehorchen der Freudschen Theorie des Angsttraums: die Angst, die man bei ihm hat, ist nicht die Angst vor dem Schrecklichen, das man träumt, sondern die Angst vor dem eigenen Wunsch nach dem Schrecklichen,
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das man träumt. Der Ang~ttraum - und so mag es auch bei den >zivilisatorischen Angsten< sein - konserviert, getarnt als seine Abwehr, einen schrecklichen Wunsch: Man sollte auch diese Wunschpflege bleibenlassen.!
Anmerkung
1 Literatur: Odo Marquard, Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie. Aufsätze, Frankfurt a. M. 1973. - Odo Marquard, Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien, Stuttgart 1981 Cu. ö.] (Universal-Bibliothek, Nr.7724) - Odo Marquard, Aesthetica und Anaesthetica. Philosophische Überlegungen, Paderborn 1989. - Odo Marquard, Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays, Stuttgart 2003. - Jürgen Seifert, »Joachim Ritters >Collegium philosophicumwenig ist gut, aber alles wird schließlich gut seinzu kleinzu klein< zu stellen - es zunächst einmal als Gegengift >zu groß< zu stellen: durch einen >zu großen< Freiheitsversuch mit extrem >zu ausgeweiteter< Versuchsanordnung, eine, die die ganze Welt betrifft, wie man sie in der metaphysischen Tradition findet. Auch dieser Versuch - meine ich - scheitert: nun nicht mehr aus Unterforderungsgründen, sondern nun aus Überforderungsgründen. Von ihm soll - mit Blick auf das Freiheitsproblem in einer Philosophie des Übels seit der Antike - jetzt die Rede sein im folgenden Abschnitt:
2. Überforderung: Freiheit zum Bösen als Alibi Gottes Das Freiheitsproblem ist metaphysisch traditionell eine Grundfrage der Theodizee: Freiheit - auch wenn die Vokabel »Theodizee« erst seit Leibniz gebräuchlich wird ist als Freiheit des Menschen zum Bösen angesichts der Macht Gottes zum Guten und als deren Einschränkung das Alibi Gottes. Es ist also jetzt angebracht, dieses Freiheitsproblem - im Kontext einer »Philosophie des Übels« bzw. des »Bösen«8 - in vier Schritten darzulegen. a) Antike Philosophie: Es ist auffällig, daß der Begriff der Freiheit - obwohl die Wörter »eleuteria« und »autonomon« vorkommen - in der antiken Ethik keinen wesentlichen Platz hat. Auch in der hellenistischen Ethik ist »ataraxia« wohl kein Freiheitsbegriff. Jacob Burckhardt hat - nach der »Nachtseitenforschung« der klassischen Philologie vor allem im 19. Jahrhundert9 - die durch Friedrich Nietzsche popularisierte (der Untertitel der Geburt der Tragödie lautet »Griechentum und Pessimismus«) und von Hans Blumenberg in seiner Genesis der kopernikanischen Welt lO erneut erinnerte These vom griechischen Untergrundpessimismus vertreten. Angesichts
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der Übel und des Leidens in der Welt haben die Griechen gleichzeitig erfunden: die » Tragödie«, durch die sie das Lebensleiden in die Distanz des Schauspiels rückten, und die »Philosophie«, durch die sie die Lebensübel vergessen konnten, weil sie sie durch Schauen - durch »Theorie« besiegten. Sie blickten auf das Wesentliche der Welt - das Unvergängliche, das Immerseiende, das Eine, das Wahre, das Gute und ihren Glanz - und relativierten die Welt der Übel als das Unwahre und Unwesentliche. Wie kommt es, wenn doch das Wesentliche der Welt die Nicht-Übel sind, zur unwesentlichen und nichtigen Welt der Übel? Im ganz frühen Spruch des Anaximander ist das Üble ungerecht und wird durch die Zeit mit Vergehen bestraft. In der ganz späten Emanationslehre von Plotin kommt das pothen ta kaka durch die hyle, das einheitsferne me on, den extremen Seinsmangel: der steresis, privatio, »Beraubung«. Das ist auch schon die Position der mittleren griechischen Philosophie, die man vor allem in Platons Timaios findet. »Gott ist schuldlos«,ll denn der »Demiurg« will aufrichtig das Gute schaffen, aber er kann nicht: widerspenstig ist die »Materie«, die - wenn der »Demiurg« sie nicht ordnet - noch viel schlimmer ist als nur schlimmY Das bedeutet: In der griechischen Philosophie wird das Übel und Leiden >veruneigentlicht< zu einer Welt, in der es unwesentlich nichtig - wird. Es kommt zu den Übeln, weil es eine Grenze der Macht des Guten und Wesentlichen gibt, nämlich die Materie: sie wird zum Alibi des Wesentlichen und Guten. b) Christliche Metaphysik: Hier sind die Übel und das Leiden nicht unwesentlich, sondern wesentlich, denn selbst Gott leidet. Es wird die Allmacht Gottes verkündet, und gerade das führt zum Freiheitsproblem. Mit der Allmacht Gottes entfällt jenes Alibi des »Demiurgen«, das antik die Materie bildete. Denn der allmächtige Gott hat nach dem aus der Bibel herkommenden christlichen Verständnis die Welt nicht aus der Materie, sondern aus dem
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Nichts - durch creatio ex nihilo - geschaffen. "Si Deus, unde malum?« Gott ist schuldlos. Wenn das weiterhin nunmehr angesichts seiner Allmacht - gelten soll, bedeutet dies: Das Alibi der wesentlich guten Allmacht Gottes ist nicht mehr die Materie, sondern dieses Alibi Gottes muß jetzt ersetzt werden; und dieses neue Alibi Gottes ist nunmehr: die menschliche Freiheit zum Bösen. Die entscheidende Philosophie ist hier die Philosophie des Augustinus: Man vergleiche die Auseinandersetzung mit den Manichäern in den Confessiones und die hiedür entscheidende Schrift De libero arbitrio, die darlegt: es liegt an der menschlichen Freiheit zur Sünde, zum Bösen, das Ursprung der Übel und des Leides und dadurch zur Entlastung Gottes wird. Durch die menschliche Freiheit zum Bösen (die zugleich zur Strafe wird) bleibt der allmächtige Gott der gute Gott. So wird - durch Augustinus, durch die Patristik und die Scholastik - die Freiheit zum Bösen die eminente Form des Freiheitsproblems: indem sie sozusagen zur Entlastungsformel für den Weltschöpfer und seine Weltschöpfung wird (mit allen Schwierigkeiten, zu denen auch die Erbsündenlehre gehört). So ist das Freiheitsproblem gar nicht >kleinganz und gar großen< weltverbindlichen Problem des Alibis Gottes. Darum wird im metaphysischen Rahmen des Theodizeeproblems in der Folge - auch schon in der Gnaden- und Prädestinationslehre des späteren Augustinus zur entscheidenden Frage: Kann der Mensch dem allmächtigen Gott gegenüber frei genug sein, um als Alibi Gottes für das Übel, die Leiden, das Böse verantwortlich zu sein? Das ist - in Grundzügen - das Freiheitsproblem der christlichen Metaphysik. c) Gnosis und Nominalismus: Augustinus und das weitere christlich-metaphysische Freiheitsproblem hat gegen eine Versuchung Stellung bezogen, die für das frühe Christentum nahelag: die Lehre vom bösen Schöpfergott. Gott, der Schöpfer, braucht kein Alibi, schon gar nicht die
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Freiheit zum Bösen. Denn Gott, der Schöpfer, ist böse: er hat eine böse Welt ges'chaffen, und nur ein souveräner fremder - ganz anderer - Erlösergott kann gegen die böse Welt und ihren bösen Schöpfergott an, indem er die vorhandene Welt und ihren bösen Schöpfer negiert. Mit der alten Welt muß Schluß gemacht werden: eine neue Welt muß geschaffen werden, und ihr neuer Schöpfer muß als Erlösergott auftreten und »alles neu« machen. Adolf von Harnack hat in seinem Buch Marcion (1921, 2. Auflage 1924) auf diese These und ihren Verfechter - nämlich Markion, der um 160 starb, und sein schließlich als Häresie tabuisiertes theologisches Hauptwerk Antitheseis, von dem die Unterscheidung zwischen »Altem Testament« und »Neuem Testament« sich erhalten hat - hingewiesen, und Hans Blumenberg hat inzwischen an seine These erinnertY Der gute Erlösergott erlöst von der bösen Welt und ihrem bösen Schöpfer: das ist die Lehre, die eine Art Weltrevolution befürwortet, eine eschatologische Weltnegation. Es bedarf keiner Freiheit, sondern nur - alibifrei der Allmacht des kommenden Erlösergottes, die das Böse - die alte Welt und den alten Gott - zunichte macht. Diese Lehre liegt historisch vor Augustinus: gegen sie ist - nach Harnack - die katholische Kirche entstanden, und gleichermaßen die christliche Metaphysik. So sehr steckte diese Tradition im Christentum, daß sie - schon beginnend mit der Gnadenlehre des späteren Augustinus - als christliche Häresie und schließlich als christliche Reformation überdauert hat bis hin ins Spätmittelalter zur »nominalistischen« Position, die schließlich Wilhelm von Ockham vertrat. Die Welt ist - tendenziell - so böse, daß ihre Strukturen - also die Universalien - negiert werden müssen, um die Souveränität - die potentia absofuta - des Erlösergottes geltend zu machen, die - nicht kraft menschlicher Freiheit - durch die Freiheit des erlösenden Gottes sofa gratia, durch das Geschenk seines Glaubens gewährt wird. Das führt - ich lasse Calvin und Zwingli beiseite -
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zur Rechtfertigungslehre von Martin Luther, der - als junger Erfurter Student - der nominalismusnahen Philosophie von Gabriel Biel nicht entgehen konnte. So bestimmte Luther - gegen die konziliante Freiheitslehre protestierend, die Erasmus von Rotterdam in De libero arbitrio (1524) anbot - in seiner hinreißenden Schrift De servo arbitrio von 1525 eine Negation der menschlichen Freiheit, die nicht nur die Fachphilosophen, sondern in der Regel auch die reformatorischen Theologen weitgehend zu ignorieren pflegen. So läuft von der frühen christlichen Häresie der Gnosis bis zur späten reformatorischen Theologie ein Traditionsstrang, der die Welt - trotz allem - als so böse erfährt, daß er nur noch dem »ganz anderen« Erlösergott mit seiner potentia absoluta die Erlösung zutraut. d) Philosophie der Neuzeit: Gegen diese »gnostische« Tradition wehrt sich die Philosophie der Neuzeit, die weltbewahrender - konservativer - Natur ist. Sie verlangt gegen die gnostische Weltnegation (die Pierre Bayle wiederholt) - nach Weltbewahrung und muß das durch Positivierung der Welt und ihres Schöpfers zeigen: das zwingt philosophisch zum »Optimismus«. Dadurch wird erneut das Freiheitsproblem entscheidend: die Entlastung des Schöpfergottes durch das Alibi Gottes in Gestalt der menschlichen Freiheit zum Bösen. Dieses Freiheitsproblem wird erneut das zentrale Theodizeeproblem. Leibniz - in seiner Theodizee von 171014 - vertritt der Sache nach ein »System des Optimismus« mit dem Argument: diese Welt ist die »bestmögliche Welt«, bei der Gott durch eine Optimierungskalkulation jene Übel- metaphysische, moralische, physische Übel- in Kauf nehmen und »zulassen« muß als conditiones sine quibus non nicht der schattenfrei guten, sondern eben nur der »bestmöglichen Welt«. So wird erneut die entscheidende Frage - Kann der Mensch dem allmächtigen Gott gegenüber frei genug sein, um für die Übel verantwortlich zu sein? - die Frage nach einem Alibi Gottes. Mit diesem »System des Optimismus« gera-
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ten Leibniz und seine Anhänger - sinnfällig werdend durch die Erdbeben-Katastrophe von Lissabon im Jahre 1755 - in eine philosophische Krise: die Krise des Optimismus, die - in der von Reinhart Koselleck so getauften »Sattelzeit« - zur Geburt der modernen Geschichtsphilosophie führt. Diese moderne Geschichtsphilosophie - die viele Varianten hat: Voltaire, Rousseau, Kant: ich betone hier Johann Gottlieb Fichtes Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre von 179415 - führt zu einem Über-Optimismus. Die Schöpfung Gottes ist gerade nicht gut, sondern schlecht: so springt der Mensch als Schöpfer und Erlöser ein, der - statt Gottes - durch das Menschenwerk Geschichte und ihren Fortschritt alles endgültig gut macht. Aus dem modernen Optimismus wird der absolute Über-Optimismus; und aus der Freiheit zum Bösen - dem Alibi Gottes - wird die utopische Freiheit des Menschen zum Guten und Heil, die nun Gott ersetzt. Das aber macht den Menschen - solange es noch schlecht steht mit der Geschichte - zum Nachfolger Gottes als Angeklagten der Theodizee. Jetzt gerät der Mensch unter Anklagedruck, der zu folgender Verfeindungsfigur führt: daß zwar die Menschen angesichts einer immer noch unguten geschichtlichen Schöpfung angeklagt werden, aber immer nur »die anderen Menschen«. Kritisiert werden die nicht fortschrittlichen durch die fortschrittlichen Menschen. Aus der Theodizee wird absolute Zeitkritik, aus der Moderne wird antimodernistische Utopie, insbesondere bei Fichte und Marx (während Hegel die Geschichte offenließ).16 Die Avantgardisten richten die Reaktionäre und bestrafen sie durch Verachtung und Vernichtung. Die Theodizee - mit der Freiheit zum Bösen als Alibi Gottes endet im Verfeindungszwang der Menschen, und was als Philosophie der Freiheit begann, endet in einer Philosophie der Unterdrückung. Das ist - scheint mir - die antimoderne Utopisierung des Freiheitsgedankens, die schließlich nicht zur Neuzeit, sondern nur zur Negation
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Gottes wird, die schließlich zur Negation auch des Menschen führt. Auch dabei also scheitert das Freiheitsproblem. Ich ziehe daraus die Konsequenz im letzten, dem Abschnitt:
3. Gewaltenteilung: Freiheit als Determinationsplus Einerseits: Im fundamentalistischen Naturalismus, dem wildgewordenen Reduktionismus - im Freiheitsproblem der dritten kantischen Antinomie - wird die >kleinstmögliehe< Versuchsanordnung zum Entscheidungsfall für oder gegen die Freiheit: hier - im Determinismus-Indeterminismus-Streit - entscheidet die >kleinstmögliche< Situation über das Vorliegen oder das Nichtvorliegen der Freiheit (der Nulldetermination): die Tendenz geht dahin, daß alles dem Determinismus unterliegt. - Andererseits: Im Freiheitsproblem der Theodizee - dem traditionellen Freiheitsproblem der Metaphysik - wird die >größtmögliche< Versuchsanordnung zum Entscheidungsfall für oder gegen die Freiheit: hier - im Versuch der Theodizee, die Freiheit zum Bösen zum Alibi Gottes zu machen - entscheidet die >größtmögliche< Situation über das ..vorliegen oder das Nichtvorliegen der Freiheit (die alle Ubel der Verantwortung des Menschen überläßt). Das ist - scheint mir - eine Absolutsetzung des Freiheitsgedankens im Namen der ganzen Welt: auch sie führt zum Scheitern der Freiheitstheorie. Darum muß es einen neuen und noch anderen Ansatz geben, der die Freiheit geltend macht. Es kommt darauf an, die Situation, in der man Freiheit finden kann, nicht zu klein und nicht zu groß zu machen: nicht als Fingerübung und nicht als Entlastung Gottes. Ich versuche, hier einen Ansatz wiederzubeleben, den man in der Philosophie vergessen hat, nämlich einen Freiheitsnachweis, der aus der Schichtenlehre kommt und dort am stringentesten durch-
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geführt worden ist von Nicolai Hartmann. Ich gebe zu, daß ich ursprünglich - in Überheblichkeit solide ausgebildet durch die Freiburger Heideggerschule - Nicolai Hartmann (der als Lehrer viel an die Tafel schrieb) statt für einen Philosophen für einen begabten Tafelmaler gehalten habe. Inzwischen aber habe ich aus der Ethik und aus dem Aufbau der realen Welt immerhin Folgendes entnommen: Die Freiheit muß nicht als Minus an Determination, sondern als Plus an Determination gesehen werden; nicht weniger Determination gibt Freiheit, sondern ein Mehr an Determination. Dabei halte ich es - im Unterschied zu Hartmanns Schichtenlehre - für angebracht, nicht nur Determinanten übergeordneter Schichten, sondern überhaupt >andere< Determinanten für jenes Plus an Determination anzusetzen, das als Freiheit wirksam wird: nicht die Determinante einer "höheren« Schicht, sondern jedes Mehr an Determination ist freiheitswirksam. Daraus folgt übrigens: Wer zusätzliche Determinanten abschneidet, bringt sozusagen von vornherein - indem er ein Determinationsplus negiert - die Möglichkeit der Freiheit beiseite. Nicht nur ein »höherschichtiges« Plus an Determination, sondern jedes zusätzliche Mehr an Determination ist freiheitswichtig. Das läßt mich in der Frage der Freiheit an die politische Gewaltenteilungslehre denken. Die Gewaltenteilungslehre favorisiert einen Freiheitsbegriff, der den einzelnen Menschen als den begreift, der anders ist als alle anderen: d. h., der ein Individuum ist. Diese Freiheit des Menschen, ein Individuum zu sein, lebt von der Gewaltenteilung. Montesquieu - im berühmten Abschnitt über die englische Verfassung im Buch De l'esprit des lais von 174817 - hat die Gewaltenteilung - als Teilung der drei politischen Gewalten Legislative, Exekutive und Judikative - zwar nur als Garantie der politischen Freiheit geltend gemacht: doch sollte man daran denken, daß Montesquieu auch sonst die Buntheit der Bedingungen des menschlichen Le-
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bens bis hin zum Klima ins Spiel gebracht hat. Er steht in der Tradition der Moralistik und Skepsis. Skepsis ist der Sinn für Gewaltenteilung. Der Zweifel der Skepsis ist - wie das Wort Zweifel es sagt, das ja mit der »zwei« die Vielheit enthält - justament jenes (in der Tradition der Skepsis »isosthenes .~iaphonia« genannte) Verfahren, das zwei gegensätzliche Uberzeugungen in solcher Art aufeinanderprallen läßt, daß beide dadurch so viel an Kraft einbüßen, daß der Einzelne - als lachender oder weinender Dritter - von ihnen freikommt. Und was dieserart durch zwei Kräfte bewirkt wird, gilt erst recht von mehreren Kräften: jede distanziert den Einzelnen von der jeweils anderen: er kommt frei von ihnen. Es ist - für die skeptisch geltend gemachte, d. h. endliche Freiheit wesentlich, daß nicht nur eine, sondern - pluralistisch konkurrierend, einander durchkreuzend und dadurch wechselseitig einander balancierend - eine Mehrzahl solcher Potenzen wirkt. Jede sichert dem Menschen, indem sie ihn mitdeterminiert, einen Spielraum (Distanz) gegenüber den jeweils anderen und rettet ihn - als Mitdeterminante - vor dem determinatorischen Alleinzugriff einer einzigen Potenz, gegenüber der er aus Eigenem machtlos wäre. Denn die Menschen sind nicht dadurch frei, daß sie Gott - den Anfänger aller Determination - kopieren, sondern sie sind frei durch Freiheiten im Plural, indem die Determinanten, die determinierend auf sie einstürmen, durch Determinantengedrängel einander wechselseitig beim Determinieren behindern: einzig dadurch, daß jede weitere Determinante den Determinationsdruck jeder anderen einschränkt, haben sie ihre individuelle Freiheit gegenüber dem Alleinzugriff einer jeden. Nicht die Nulldetermination - das Fehlen aller Determinanten - macht die Menschen frei, sondern die Überfülle an Determinanten macht es. Ich behaupte hier also - als skeptisch-moralistisch generalisierte Gewaltenteilungsthese - die Freiheitswirkung der Überdetermination.
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Das impliziert jenen Freiheitsgedanken, den die Schichtentheorie vor allem Nicolai Hartmanns geltend gemacht hat und den ich - subtrahiert um die Schichtentheorie hier fortsetze. Hartmann hat - in seiner Ethik von 1925 die Freiheitsthese beleuchtet durch Überlegungen zum »Kausalnexus und das Plus an Determination«,18 die mir einleuchten: nicht durch ein Minus an Determination, sondern durch eine zusätzliche, durch ein Plus an Determination lebt die menschliche Freiheit. Nicolai Hartmanns Schichtenlehre interpretiert dieses Determinationsplus als Beitrag der jeweils höheren Schicht und sagt im 1939 zuerst erschienenen Buch Der Aufbau der realen Welt: »Eine Welt, in der es Freiheit gibt, muß mindestens zweischichtig sein. In einer vielschichtigen Welt tritt kategoriale Freiheit von Schicht zu Schicht als Begleiterscheinung des Novums am höheren Determinationstypus auf: da gibt es dann so vielerlei Freiheit, als es Schichtendistanzen gibt. In einer einschichtigen Welt mit einem einzigen Determinationstypus ist sie ein Ding der Unmöglichkeit.«19 Aber warum macht nur ein schichtenspezifisches Determinationsplus Freiheit, warum nicht jedes Determinationsplus? Mir scheint dieser Schritt plausibel: Jedes Determinationsplus bringt Freiheit, unabhängig davon, ob man nun einer Schichtenlehre anhängt oder nicht. Je mehr Determinationsplus in einer Situation herrscht, um so mehr Freiheit gibt es. Die schichtentheoretische Freiheitslehre bleibt hierarchisch, die gewaltenteilungstheoretische Freiheitslehre ist gerade nichthierarchisch. Die hier versuchte Kreuzung beider hat zur Folge: die Enthierarchisierung der schichtentheoretischen Lösung und die ontologische Ausweitung der gewaltenteilungstheoretischen Lösung. Heraus kommt - hoffe ich: durch die These >Jedes Determinationsplus bringt Freiheit< - eine determinationspluralistische Freiheitsthese. Je mehr man sich einem Determinationsplus - gewaltenteilig - auszusetzen vermag, um so mehr Freiheit.
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Ich resümiere: Der heutige - naturalistische oder antinaturalistische - Freiheitsstreit um den Indeterminismus reduziert das Determinationsplus, also die gewaltenteilige Weise, Freiheit zu denken, und ist darum vom Ansatz her freiheitsirrelevant. Der metaphysisch traditionelle Freiheitsstreit um eine Theodizeeformel des Freiheitsproblems überlastet das Freiheitsproblem: Freiheit, als Alibi Gottes gedacht, zerstört den Gottesgedanken und die Menschlichkeit der Freiheit. Die determinationspluralistische Freiheitsthese vermeidet - scheint es - beide Irrgänge und führt - vielleicht - zu einem endlichkeitsbedachtskeptischen Freiheitsgedanken. Ich sage: vielleicht, und womöglich nimmt auch das die Freiheitsthese zu wenig ernst. Ich allerdings meine: Die Philosophie ist eine viel zu ernste Sache, um sie allein dem Ernst zu überlassen.
Anmerkungen 1 Immanuel Kam, Kritik der reinen Vernunft, B (1787), S.472H. 2 Immanuel Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können (1783); Gesammelte Schriften, hrsg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 4, Berlin 1911, S. 344, Anm. 3 Ebd., S. 339. 4 Vgl. Odo Marquard, Skeptische Methode im Blick auf Kant, Freiburg i. Br. / München 1958, S.92-103. 5 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B, S. 564. 6 V gl. Odo Marquard, » Wirklichkeitshunger und Alibibedarf. Psychologisierung zwischen Psychologie und Psychologismus«, in: Psychologie, Psychologisierung, Psychologismus, hrsg. von Heinz Gumin und Armin Mohler, München 1985, S.1-16. 7 Benjamin Libet, Mind Time. Wie das Gehirn Bewusstsein produziert, übers. von Jürgen Schröder, Frankfurt a. M. 2005. 8 Ich habe im Sommersemester 1980 und im Sommersemester 1988 eine Vorlesung »Philosophie des Übels« gehalten, die diese Zusammenhänge berührt. Vgl. auch Joachim Ritter / Karlfried Gründer (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 5,
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BasellStuttgart 1980, in dem ich »Einleitung und Überblick« des Artikels» Malum« (Spalte 652-656) geschrieben habe. VgL Karlfried Gründer, »Einleitung«, in: Jacob Bernays, Grundzüge der verlorenen Abhandlung des Aristoteles über Wirkung der Tragödie, hrsg. von Karlfried Gründer, Hildesheim 1970, S. VIIff. VgL Hans Blumenberg, Die Genesis der kopernikanischen Welt, Frankfurt a. M. 1975, bes. S.16ff. Platon, Politeia 617 E. Platon, Timaios, bes. 28 C, 29 E H. VgL Hans Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, Frankfurt a. M. 1966, bes. S. 75 ff. Gottfried Wilhelm Leibniz, Essais de Theodicee sur la bonte de Dieu, la liberte de l'homme et l'origine du ma~ Amsterdam 1710. Zum folgenden Gedankengang vgL Odo Marquard, »Die Krise des Optimismus und die Geburt der Geschichtsphilosophie« im vorliegenden Band S. 93-108. Johann Gottlieb Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794); Fichtes Werke, hrsg. von Immanuel Hermann Fichte, Nachdr. Berlin 1971, Bd.l, S. 83-328. VgL hierzu auch Odo Marquard, »Theodizeemotive in Fichtes früher Wissenschaftslehre«, in: O. M., Individuum und Gewaltenteilung. Philosophische Studien, Stuttgart 2004, S. 145-158. VgL für die Neuzeit vor allem das schöne Buch von Susan Neiman, Evil in Modern Thought. An Alternative History of Philosophy, Princeton, N.]. 2002; dt.: Das Böse denken. Eine andere Geschichte der Philosophie, übers. von Christiana Goldmann, Frankfurt a. M. 2004: Es gibt eine vorzügliche Analyse des Theodizeeproblems in der modernen Welt. Einzig ihre Hegel-Interpretation scheint mir problematisch: sie interpretiert Hegel primär satirisch als Steigerung einer Art von» Pangloss« im Sinne des Voltaireschen Candide. VgL Fritz Schalk (Hrsg.), Die französischen Moralisten, Bd. 1, München 1973, S. 203-257, bes. S.232-237. Nicolai Hartmann, Ethik, Berlin 1926, hier zit. nach 31949, S. 621-821, bes. S.649f. Nicolai Hartmann, Der Aufbau der realen Welt. Grundril! der allgemeinen Kategorienlehre, Berlin 1940, hier zit. nach 1964, S.493H. und S.510H., bes. S.519.
Textnachweise Zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum. Rede in Freiburg am 16.Juli 2004. - In: Ästhetik und Kommunikation. Jg.36 (2005). ff. 129/130. S.17-19. »Ich bin ein Weigerungsverweigerer«. Ein Gespräch mit Odo Marquard. Die Fragen stellte Jens ffacke. - In: Ästhetik und Kommunikation. Jg. 34 (2003). ff. 122/123. S. 77-81. Wie politisch muß ein Schriftsteller sein? (Sendung des Politischen Feuilletons im Deutschlandradio am 2. und 4.7.2000.) - In: Die politische Meinung. Jg. 45. Nr. 370 (September 2000). S. 81 f. Entpflichtete Repräsentation und entpolitisierte Revolution. Philosophische Bemerkungen über Kunst und Politik. (Vortrag der ffessischen Landeszentrale für politische Bildung im ffessischen Landtag 1993.) - In: Kunst und Politik. Eine Vortragsreihe. ffrsg. von Bernd ffeidenreich. Wiesbaden: ffessische Landeszentrale für politische Bildung, 1994. S.79-91. Skepsis in der Moderne. Überlegungen im Blick auf ffeinrich ffeineo (Öffentlicher Vortrag des Internationalen ffeine- Kongresses 1997 im Düsseldorfer Malkasten.) - In: Aufklärung und Skepsis. Internationaler ffeine- Kongreß 1997 zum 200. Geburtstag. ffrsg. von Joseph A. Kruse, Bernd Witte und Karin Füllner. StuttgartlWeimar: Metzler, 1999. S.909-918. Die Philosophie der Geschichten und die Zukunft des Erzählens. (Öffentlicher Vortrag in der Ostfriesischen Landschaft in Aurich 2003.) - In: Geschichte und Geschichten. Studien zur Geschichtenphänomenologie Wilhelm Schapps. ffrsg. von Karlffeinz Lembeck. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2004. S.45-56. Sprachmonismus und Sprachpluralismus der Philosophie. (Vortrag beim Kolloquium »ganz Anders« zum 100. Geburtstag von Günther Anders im Einstein-Forum Potsdam im November 2002 U. d. T. »Zur Sprache der Philosophie: Skepsis und Stik) In: ganz Anders? Philosophie zwischen akademischem Jargon und Alltagssprache. ffrsg. von Rüdiger ZilI. Berlin: Parerga, 2007. S. 195-203. Innovationskultur als Kontinuitätskultur. Überlegungen zur Renaissance. (Vortrag im Studio Franken, Nürnberg, des Bayerischen Rundfunks und in Neuburg/Donau 1995 u.d. T. »ffer-
Textnachweise
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kunft braucht Zukunft - Zukunft braucht Herkunft«.) - In: Von der Moderne der Renaissance. Was uns im 21.Jahrhundert erwartet. Hrsg. von Rainer Lindemann und Hermann Glaser. Cadoizburg: ars vivendi, 1996. S.22-29. Die Krise des Optimismus und die Geburt der Geschichtsphilosophie. (Öffentlicher Vortrag der Deutschen Gesellschaft für die Edorschung des 18. Jahrhunderts am 6. 10. 2005 in der PaulinerKirche in Göttingen.) - Erstveröffentlichung. Freiheit und Pluralität. (Oktober 2006 / Januar 2007.) - Erstveröffentlichung.
Biographische Notiz Odo Marquard, geboren am 26. Februar 1928 in Stolp (Pommern) 1934-45
1945 1946 1947-54
1954 1955-63 1963
Ab 1965 1982/83 1985-87 1993 1994 Seit 1995
Schulbesuch in Kolberg (Pommern), Sonthofen (Allgäu), Falkenburg (Pommern) und als Luftwaffenhelfer bei Bremen Volkssturm, Kriegsgefangenschaft, dann in Norderney Abitur in Treysa (Hessen) Studium der Philosophie, Germanistik, evangelischen Theologie und katholischen Fundamentaltheologie sowie kunstgeschichtliche und historische Studien in Münster (Westf.) und Freiburg i. Br. Promotion zum Dr. phi!. in Freiburg i. Br. (bei Max Müller) Wissenschaftlicher Assistent am Philosophischen Seminar der Universität Münster (bei Joachim Ritter) Habilitation und Privatdozent für Philosophie in Münster Ordentlicher Professor für Philosophie an der J ustusLiebig-Universität Gießen Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin Präsident der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie in Deutschland Emeritierung Dr. phi!. h. c. der Universität Jena Ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa (1984); ErwinStein-Preis (1992); Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik (1996); Hessischer Kulturpreis für Wissenschaft (1997); Cicero Rednerpreis für Wissenschaft (1998). - Hessischer Verdienstorden (1990); Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (1995).
Veröffentlichungen Bücher Skeptische Methode im Blick auf Kant. Freiburg i. Br. / München: Alber, 1958. '1982. Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1973. 4 1997. (stw 394.) - Franz. Ausg. 2002. Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien. Stuttgart: Reclam, 1981 [u. ö.]. (Universal-Bibliothek. 7724.) - Eng!. Ausg. 1990. Poln. Ausg. 1994. Span. Ausg. 2000. Apologie des Zufälligen. Philosophische Studien. Stuttgart: Reclam, 1986 [u. ö.]. (Universal-Bibliothek. 8352.) - EngI. Ausg. 1991. ItaI. Ausg. 1991. Poln. Ausg. 1994. Span. Ausg. 2000. Transzendentaler Idealismus, romantische Naturphilosophie, Psychoanalyse. Köln: Dinter, 1987. 21988. Aesthetica und Anaesthetica. Philosophische Überlegungen. Paderborn: Schöningh, 1989. 21994. München: Fink, 2003. - ItaI. Ausg. 1994.
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