Beihefte zum Göttinger Forum für Altertumswissenschaft Herausgegeben von Siegmar Döpp und Jan Radicke Band 9
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Beihefte zum Göttinger Forum für Altertumswissenschaft Herausgegeben von Siegmar Döpp und Jan Radicke Band 9
Jan-Wilhelm Beck Medeas Chor Euripides· politische Lösung Mit einer vergleichenden Betrachtung von 14 weiteren »Medea«-Dramen
Edition
rfJ
Ruprecht
Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e.K.
2. Auflage 2007 Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© Edition Ruprecht Inh. Dr. R. Ruprecht e.K. Postfach 1716, 37007 Göttingen
-
2007
www.edition-ruprecht.de ©Dührkohp & Radicke Wissenschaftliche Publikationen Göttingen
-
2002
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke nach § 52a UrhG. Layout und Satz: Jan-Wilhelm Beck Druck: Digital Print Group, Erlangen ISBN: 978-3-89744-181-1
Dem Herausgeber dieser neuen Reihe
Prof. Dr. Siegmar Döpp zum
60.
Geburtstag
bin ich Dr. Ken Eckstein, Wiss. Ass. am Lehrstuhl I'Or Strafrecht, mich dieses Mal Frau Maria Riska. I.ehrbeauftragle am Institut I'Or Germanistik der Universität Regens burg. Für Korrekturen danke ieh meinem Assistenten I>r. I'eter Csajkas sowie meinen Mitar beitern Rosmarie O"scr und Andrcas Hagmaier.
Filr
j uristische
Beratung
Universilät Regensburg. verpilichtel. Bei der schv.'edischen ':-.tedea' unterstützte
Die 'Medea' des Euripi de s ist ohne Zweifel eine der faszinierendsten,
vielleicht sogar die faszinlerendste der erhaltenen Tragödien aus der grie
chisch-rölllisehen Antike, Von der Forschung mit unermüdlichem Eifer
behandelt ist sie noch immer weit über die engen Grenzen der philologi ,
schen Fachwissenschaft hi naus ein S chauspie l von allgemeinem Interesse und selbst heute regelmäßig auf den Spielplänen der Theater zu finden,
Denn trotz der eigentlich unzeitgemäßen Einkleidung des Stoffes in einen
antiken Mythos hat E urip ides mit der Darstellung einer verlassenen Frau
und zugleich Mutter, die aus Rache
an
ihrem Mann ihre eigenen Kinder
tötet. ein zeitlos wirkendes Drama geschaffen. das selbst in der Gegenwart dieses Jahrhunderts von einer geradezu erschreckenden Aktualität ist. Wieder einmal,
zu l etzt
im AugLlstiSeptember 2000, hatten deutsche Zei
tungen von einem Familiendrama
zu
ber i cht en bei dem ein von seiner Frau ,
verlassener Ehemwlll alls Rache seine sech sj ährige Tochter umgebracht hat.
Nach Angaben eines Sprechers der ermittelnden Staatsanwaltschaft Frank
furt/Oder habe der krankhaft eifersüchtige MaWl, ein gelernter Koch, seine
Frau rur die Trennung bestrafen und an ihrer schwächsten Stelle treffen
wollen, Die Frau war kurz zuvor mit beider Tochter ausgezogen, ja
zu
ei
nem ßekannten regelrecht geflüchtet. Daf3 die Mutter die Tochter mitnahm
und nicht auf sie verzichtet hatte, war tUr die Motivation, für das Ge lin g en der real
vo l
l zogenen
Rache entscheidend
-
die Realität hat hier eine grau
same Bestätigung rur ein unlängst bereits an anderer Stelle untersuchtes
Problem mit der Logik der Euripideischen Racheversion geliefert,l
Methodisch z,T, an diese voraus gegangene Untersuchung anknüpfend,
sei nun ein weiteres Problem der Euripideischen 'Mcdca'-Fassung erörtert,
Es betrifft den Chor und damit einen Teil des Dramas, der gen ßetrachter ohnehin nur eine befremdliche Zutat
-
-
für den heuti
kaum im Zentrum des
Interesses steht.2 Doch da es sich bei der 'Medea' um eine Tragödie noch
aus der Zeit der Blüte des attischen Dramas handelt, Jahre e11tfernt etwa
vom Spätwerk eines Ar i st ophanes mit zu /;IJßt}lIJ.W verkümmerten Chor
partien. war der Chor für ihren Dichter ein unverziehtbarer Teil der InszeI
Euripidcs' 'Medea': Dramatisches Vorbild oder mißlungene Konzeption?, l\A WG 1998,1. Etwa in den ncuen 'Medea'-Sammclbänden \'on ClausslJohnston (1997), Uglione (1997), Gentili/Perusino (2()OO) i�[ der Chor ohne echte Beriicks;ch�iguTig geblieben. Vgl. in er stel'ern lediglich den Beitrag von D. Boedeker ('Becoming Medca'), dort S.136 zu den ,.multiple reactions" des Chores (,.syrn"athy, frustration, horror"),
8
Jan-Wilhelm Beck
nierung und stimmig in d as Ganze einzubinden. Was von Euripides sonst
an Tragö di en erhalten ist, zeigt zur Genüge, daß auch er dazu zumeist be reit und sehr wohl in der Lage war.3 Ganz im Gegensatz zu einer erst später einsel:lenden Mißachtung der Rolle des Chores scheint dieser seit Sopho
kies vereinzelt sogar eine viel engere Anbindung an di e Tragödienhandlung errahren zu haben, da es z.R. gelang, seine Fun ktion auszuweiten und ihn
g lei chsam wie einen vierten Scha u sp i eler auszunutzen:1 Auch in der 'Me dea' des Euripidcs hat der Chor eine ü b er ein bloßes Kommentieren des
hinausgehende Funktion erhalten, w i e die For natürlich längst erkannt hatS und wie es üb erdies ganz offensichtlich ist. Es ist kein ternstchendcr, ausgeschlossener, philo sophierender Chor ohne Handlungsbezug. In dieser Tragödie ist der Chor zum Vertrauten der Protagonistin, also Medeas, geworden. Und eben das ist das Problem, über das die heutige Forschung zu bereitwillig hinweg
Bühnengeschehens weit
schung
in
ihren Analysen
geht. Denn der Chor steht so auf der falschen Seite.
Für die
h�utige
torschung gilt
die Beuneilung allerdings vielfach als schwierig;
vgI.
z.B.
Hose (1990) S.12t". ..im Gcg�nsat... :lU SOllhokles I . .. J mit Ausnahme einiger wichtiger Spc,.ialfragen - nllr wenig Beacbtung gefunden [. . . J Euripides stellt einen Interpreten vor große I'roblenlc·'.
Entsprechend die antike Dramcntheorie, so Aristote!. PoeL. 14S6a [I81I"u; ,(li, X(!I"). IJ, i/,'" IJF.II;;ro;'uppd'·EI. TWV VlrOKpmÖV Kut I";I'WV F.Tml TOll iiJ.OI! Hor. ars I 93IT. acto partis chorus ujJic:iumque uirilei delendat . . . Im Vergleich zu Sopholdcs wird Euripi des jedoch ausdrücklich kriLisiert, so die Forl�etzung bei Aristoteles . . . KU; aV"a,wl'i'w1'01 Jlil lüo;rcp E,lplJrü'y d ... ;' . wo;rrp l,·uIjIOl,).ri. Vgl. z.B. die große Studie VOll Hose (1990191), dort Bd.2 S.SS zusammcnfassend: ,,[ ... ) durchgängiger Handlungsbezllg ( ... ) die Chorlieder keineswegs IlUr lyrische 'Reprisen' [ ... ), [)urch sic erßhrt vielmehr die Handhmg eine thematische Entlastung. [ ...J damit Medeas Situation sowie uic Ii�dcutulig i1U'es HandeIns deutlich erkennbar ist, benötigt sie ein Gegenuber, das 1. wohlgesonnen [ . .. ) ..lurch seine :\-lilleidsbekundungen �lcdeas Ein samkeit betont, 2. [ . . . ) ihre Tatkraft lind ihren 'Heroismus' unterstreicht [ ... ) 3. I . . . J durch seine Mabnredcn ulld Wanlwlgen die Tragik [ . . . J tUr Medea [ ... ) ankündigt. [ . .. J Zugleich ( ... ) Instrument des Dichters, hesLimmte Stillllllllllgen sowohl im Einklang mit der Hand lung als auch im Gegensatz zu ihr zu erzeugen [. . . ) bedeutsame Aspekte der Handlung Iy. risch zu vertiefen [ .. ,] durch Verstllrkwig I ... J durch BreChung," I\ahc;l:u Lcitgleich eilt· standen ist der Aufsatz von van Hrp Taalman Kip (1989) speziell :Ioum Chor in der 'Medca'; vgl. dort z.B. S.281f. ,,Ilet aantal koorlicdcrcn in deze tragedie is uit zonder l ijk hoog. [ ... ) Het kuor verwuh een essenti ele rol in het drama. HeL vormL hel onombeerlijke gehor voor Medea's planen." Noch Mastronarde (1998) S.59 und Schmidt (1999) R252ff. sprechen dagegen \'on ..I'identificazione dei pubblico con iI coro" bzw. vom Chor als .. fiktiveJII Zuschauer". ris
.•.•
11 Der
aus
korinthischen F rauen bestehende Chor kommt nach dem in die
als er Medea hin terszenisch verletzt, verzweifelt u n d dem Wahnsinn nahe klagen hört Situation einfUhrenden Prolog der Amme auf die Bühne,
(V.13 1 ff.l!KÄIIOV IPwvuv. c,,)./xw bt
ßodl'1 Ta:; bvaTllvo/l
KoJ./Jbo.;
...).
Voll
Sympathie und be s onders Sorge ruhlt der Chor mit ihr, will sie trösten und
bittet die Amme, sie
hai /Wi
zu
holen6
(piÄIJV Kt'K/}(LI'TW).
(
• • •
OlMt all vI/boWlt
.
..
1
li).yc:m bev/w.w;;,!
Die Medea, die daraufhin das Haus verläßt, hat
sich absolut in Gewalt. Sie ist ruhig, ge faßt und von Anfang an in der Lage
zu lo gischem Argumentieren (vgl.
V.2l4f. luj /iof . . . orba
drückt all ihren Schmerz, um sieh denen nicht
zu
)'o.p). Sie unter
verschließen, die eigens
ihretwegen hergekommen sind. Es ist eine Medea, die geschickt ihren
Vorteil erkennt, di e sich die Gelegenheit zur Rechtfertigung nicht entgehen
llisscn will (V 2 1 4 t: /ifi /io{ rI Jlf-/ill��m'}' ...) und di e die Sympathie der Frauen, entstanden aus spontanem Mitleid, durch ihre Rede zu vertiefen .
sucht.
Der Zuschauer, der wie der Chor um Medeas wahre Verfassung weiß
(V.36fI arvycl aVTl7v PI, Ti ... OrI/ia!J1(» Ti VI v/ /i� . .. belvi! 'i'UP .. , V.91ft: ... w� TI bpaaeiO/lC1UI! .... V.98tf.), müßte vors i cht ig geworden sein. Von einer solchen Medea i st Verstellung und I ntrige zu befiirchten. Was dann geschieht, ist jedoch gänzlich unerwarte t : Statt den Frauen des feindlichen Landes gegenüber listig, verschlagen zu sein, öffnet sich ihnen un d der zudem die ängstlichen Worte der Amme gehört hat
oe :JraTba; . . ./ bebol1w b'
.
Medea mit völliger Aufrichtigkeit und spricht nach einer langen. logisch aufgebauten Rede schließlich von ihrem Rachewunsch. end dies bleibt nicht die einzige Überraschung: Der Chor, die Ö tlEmtlic hke i t des Landes,
dessen kün ft ige r Herrscher Jason durch die Ilochzcit mit der Tochter Kre
ons werden wird, stimmt der betrogenen , verlassenen Me de a
Amme ist
es
zu.
Nicht ihre
folglich, der Medea ihre Pläne offenbart. In di eser Tragödie
hat vom ersten Epeisodion an der ihr do c h
eigentlich
fremde Chor die Rolle
der Amme, der engs ten Vertrauten Medeas ü b e rnommen. Es ist der Chor und nicht die Anune, der als Medeas ständiger ßegleiter auftritt, der Jason tadelt und schließlich sogar an der Verkündigung des Racheplanes teil
nimmt:
6
Vgl. Hose (1990) S.296 mit der wiChtigen Beobachtung, daU es der Chor ist, der in die sem StUck mit seiner Bitte "den ersten Schritt aus der Situation der vern'/eilelten Untä tigkdl heraus" ma cht und so den Impuls rar den Begiml der Handlung gibt. So ist der Chor von vornherein auch aktiv einbezogen.
Jan-Wilhelm Reck
10
Als Medea am Ende ihrer ersten Rede den Chor um Sti llsch\\'eigen bittet, taUs sie einen Weg 7.ur Rache an JaSDn findet (V.2S9f. ... 1]0/1 TVJlxam,' /IOII).';oo/Jal/ 11" JIOI :ropa;;; TI; wau,,'; r' N;cllpdJ;;! _TIlOl" 0(1''11' Tu)"/)' dl'r/TE((J(lO!�al /o.·/l/C/i)v,I [ ]1 01),,/1 ') - ein scheinbar harmloses Zugeständnis (rwoi'rov Ol�'" ) -, �timmen die Frauen rüekhalllos zu (V.26; 6pdc1(v ni/)' .. . ) und bestätigen Medea sogar selbst in der Rechtmäßigkeit ihres Rachewunsches ( ... h'oilwX; "/ap iKTf{/lY X'XI/I'; eine weitere DestätigWlg folgt mit dem \. Stasimon). Als Medea nach der Begegnung mit Kreon verbannt ist, hat der Chor mit ihr Milleid und macht sic h Ge ; vgl. auch V.43ltl, 642tl: im 1. danken, wo sie nun eine Zutlucht tindet (V.357tl tpEiJ /(Icfo lind 2. Stasimon). t:nd als Medea gezielt ü ber ihre Kaehe nachdenkt und mit Kämpfen. Qualen. . •.
•••
•••
Leichen
und dem Tod durch
drüeklich
Feuer,
Schwert und Gift droht, iSI es der Chor, den sie dabei
alls
(V.365 ... /J;' MKtirl :rm. 377 ... 'IIii.a/) Wld dem sie ihre Motive filr ihr V L'Thahen Kreon gelll..'tIUber erl äut er t (V .368 Ilo/o.·flt; flip ... ) . Im 2. Epeisodion, in der Begegnung Medeas mil Jason be7.ieht der Chor explizit ein weite res Mal gegen den untreuen Ehemann SleUung, ohne freilich bei den Ak teuren BeachlUng zu linden (V.576ff.. . . /)oA'�io; :rp"IItIl'; "'iv ä').'ly'O'· 0.) IJitW/Q ;'päv). Echte Dedeutung als Deistand hai er ersl ",ied�r um linde des 3. El'ei�odions. als Meden nach dem üesl'räeh mit dem Ki;nig von Arhen endgültig ihre Rache planen k ann. Kaum ist Aigeus von der Bühne abgegangen. als �ic frohlockend wieder mit dem Chor spricht (V.764f. '" I·V,· "a;.aVlA·OI .. ., tp;/.at . .. .). In im merhin 47 Versen sel7.t sie ihm detailliert ihre Pläne auseinander (V.772f. iili'l br :ral'ra rtl/J/' ,7m POt.j.EtlJiaTal Aieco' Mxot! bt 11;' :rjJOoch "aß der Chor hier au.drUcklich zu Wort komm I, läßt den Zuschauer nicht vergessen, daß er Medeas V e rslellun g sehr wohl d urc hschaut. Mag Jason auch von Medeas Tränen gerührt sein, die ebenfalls weinenden Korintherinnen wissen es .
besser (V.90M. .. . /Cu; 111; .'rP
Ircachcry
children's b�h,III'·.
12
Jan-Wilhelm Beck
gegen
ihre IIerrscberfamilie bätten od er daß die fre undscha ft :tu Mcd�a i h n�n mehr be· als deren J.eben. Sie nehmen es bin und UDternelunen nichts dagegen. daß Kre on und seine Tochler grausam und hcimtilckisch ermordcl werdCII:' (PaulsclI (1998) S.83)
deutete
Auch im Detail, speziell über das 3., das 5. und das sp äter noch näher zu
betrachtende letzte Chorlied gibt es Kritik, die in der Tat berechtigt ist.
Wiederum exemplarisch zitiert sei eine Stimme der Forschung
V.I081ft::8
zum
5. Lied
..This
chorus is a little surprising 1 ... 1. If we havc in mind Lhc tremcndous �rrccts thai Suphoklcs (lrod\lced wilh his chorus al momems like these. il is a l it t l c c h i ll ing to lind Euripides goin g otT into his stu dy . as h werc. and "·Thing. in anapaests too. on tbe cd
indifferences in the orehestra l(l what was happ�l1il1g p o werfll l weapon in Euripides' armollry; here il is 01 Iiule pllzzling. Thc subject is genuanc to tbc conlcxt. bUI the treatment is nOI; su ch generali zed retl ec ti on break Ihe emotional rhYlhm or Ihc play. WhclI such desperate deeds are afoot. why does Euripides insert Ihis pleasantliUle essay'!" (Kino (31961) 5.192; vgl. auch das Zitat u. Allm.38) von tages 01' being childless. Sueh
on the stage
later became a
Rechtfertigungsversuche, wie sie
die Forschung hierftir bislang vorbringt
(das Lied als klimaktischer Höhepunkt, Kontrast, bewußte Distanzierung,
Relativierung, I ronie oder Vorwegnahme von Medeas künftiger Kinderlo sigkeit),9 wirken ebensowenig iibcr7..cugend wie etwa die Erklärung für die Reaktion des Chores auf Medeas Planung mit dem 3. Slasimon (der Preis Athens als "note of horrifled disbelief" oder im Gegenteil Ausdruck von ..Zuversicht"
und Versuch, Medea mit positiven Gedanken abzulenken).lo
Amim (21886) p.XXlll "das einzigc injedcr HC7.i c h ung schwache StUck". Dongie (1977) S.52 Anm.SO: "The main pari of Ihis Ode [ .. . 1 sccms ralher banal und more Ihan a bit cranky, cOlllribuling lillle 10 dramalic development other than Ihe necessary paus�';, Mc))crmoll (1989) S.62f. "dislinctly affccting [ ...1, but its relevallee to the simation 3t hand is obscur� [ ... ) misplaced ponderings". für Dihle (1976) S.181. (1977) S.15 isl das Lied im Anschluß an Mcdcas i1bcrlicfertcn ElIIschcidulIgslllonolog 9 "ganz und gar unverständlich;' und Zeichen dafür. daß sie ihren Plan aufgegebcn habe. Golden (1971) S.14 ..dim8ctic slatement of the deeply rooted and nearly omnipresent theme or childrcn in Lhc play", Grcdley (1987) S.36f. "i15 applicaliott to Ibc specilics 01" the dramatic action is oblique and its langenlial qualily has Ihe effcel of creating a sense of distance from stage events". MeDermolI (1989) S.63 "poi nted contrast with Medea's unnalural proposal [ .. .1 8y highlighling Ihc contrasl [.. . J quite delibcratcly plucking at lh e audiencc's heartslrings". Für v. Fril:t (1959) S.63 ist es "wunderbar ausgewog.. H. 1'llio[\ (1969)
S.SS
,.Any group of real women woul
to stop
M.
killing her childrcn: but the Chorus protests onl)' ver)' brielly and ineffecri"ely", van Erp Taalman Kip (1989) S.274 "Natuurlijk verwachtten de toeschouwers dat het koor zou
rengeren
11
U
�
I
1
5
dc dreigendc dood
h.bb.n."
van
dc
kindrrcn [ .. . ]
maar
de
inzct
van het
lied moct hen
Ebentalls ßongie (1977) S.53; Musurillo (1966) S.65 �"'t la st , tor one moment does the
Chorus
lose
sympathy for :vIcde. [ ... ] and they now abandon theil' promise to remain co heroine", Harder (1993) S.394 "der hilfl ose Versuch einer Grup pe. dieses tlllsagbare Geschehen von sich zu schieben, die Verantwortnng auf die höhere Ebene der Götter abzuschieben". Vgl. dagegen jedoch z.H. Knox (1977) 8.217f.. ,Wherc Ihc)' coul Phasidis horridis); ein erster, indirekter Angri ff au f Mcdea, der in einer allgemein geh a l tenen Verwünschung endet (V. 1 J 4f lucilÜ eCincr Ehe sei - und haben offenbar nichts von Medeas Motiven begriffen. A n l aß tUr den Chor, der j ctzl i mm e r enger auf Mcdea l ugeht, warnend, verhindernd eim:ugrei fen, gibt c� freilich nicht. Anders als bei Euripides folgt nämlich bereits hier ein Entscheidungsmonolog Medea.�, der sie in i h ren Plänen immerhin noch schwankend zeigt. Und wieder anders als bei l::! u ripides kommt es z u eincr zwei te n . nun ganz pri ,alen "egegnung mil J ason, die schei nbar zur V ersöhmmg ruhrt: Auf ein Zeichen Medeas entternen sich die Frauen. Jason verspricht eine IClzte gemeinsame Nacht. Medea haI sich, so sagt sie es seihst, von ihren Rachepl änen losg�sagt ( ,,[ . . . 1 ma furcur abjurce [ .. . J"). Die Amme legt die Geschenke beiseite, Medea run die Frauen des Chores zurück. Doch direkten Kontakt mit dem Chor hat sie \'on nun an nicht mehr.
Im 3. Akt wartet chen und Frauen in
M e dc a mit zWlchmender
Ungeduld auf Jason. während
die jungen
Mäd
der Nachl hei ter, unbekümmerl t anzen. Immerhin voll von unhei lvoller Ahnung sind die Alten. Anlaß einzugreifen aber halte der Chor noch immer nicht. Duch wenn es j etzl zu spllt ist (vgl. dag egen das 4. Epei sodion d es Euripides. das dem Chor Zeit genug
gegeben hälle): Als J ason nicht kommt, läßI Mcdell die Kinder wecken und die G eschenke überbringen; selbst geht sie. um zu Hekate zu beten. Die Frauen bab e n Angst. zittern und schaudern ( �J ' ai peur ! " , .J e Irem ble.", "Un froid fri slo" [ . . . J") und müssen nach ei nem dop pelten Dericht den Tod \'on Kreon und Kreusa beklag�\1. Die Amme warnt vor Kreun� :\tän· nern. hat Angst vor deren Rache an Medeas Söhnen und drängt zur Flucht nach Athen; elll sprechend drängen die Korintherinncn, dic sich von Medea zwar als ,.f'emme atroee;' di stanzie ren. die sie aber doch bedauern. weil ihre Verbrechen so voller Liebe sind (.,1 . . . 1 je plains [ ... 1
22
Jan- Wilhelm
tant d ' amour I . . . ] "
).
Medea läßt die Kind.-r
-
Deck
scheinbar um sie zu rcllen (so i h re Reak tion auf
die Warnung der Amme " S i leur salut t ' importe ! . . . " - "Conduis-Ies dans le temple [ ... J") - in
den
Tempel der Hek ate bringen und ge ht i n der Rollbung auf la50ns Liebe ein letZles Mal in
den Palast, nllr um desillusioniert 'l.urOek l.ukehren unll sich m i t
dcn
Kind...n cinl.usch l i eßen.
D i e Amme versucht vergeblich sie aulzuhalten. Dem Chor bleibt nichts als verzweifelt zu
testi crcn (,.No n ! ne te l evc pas, Solei l ! [ . . . J"
a .. i
Rubinsun
Jerrer.
).
( 1 946) hesteht der
Chor
aus drei F rauen. d i e wie einzelne Akteure
zumeist alleine. nicht als Gruppe sprechen. Sie hören
is
dreadful.
[ ... ) She
[. . .]
pro
Medeas
K lagen, k ommen als Freunde ("iI
we couldn ' t help coming. We are friends of this house and its trouble hurts us
has l i v ed um""s
u.�,
ge aber gezeichnet ( .,3
we ' v e leamed to l ove her") und wenden sich von Anfang an
gen l a son ( ..I hate Jason, who m ade
this
sorrow."). Hereits anfangs ist durch i hre W orte
zugleich Distanz geschaffen und von Medea ein anderes B i l d als bei Euripides - "We Greeks·'). Der Chor spri cht über das al lgemeine G erede u nd nimmt Medea dabei weitmö g l i c h i n Schutz ( "She i s a witeh, but not evil. [ . . . ] They
barbari an woman from !o3vage C o l c h i s"
are sa\'ages, but they have a w i ld wisdom'·). Als Medea auftritt und mit vorsichtiger, verstell ter
SI imme -
(m"liou.• ,md in • inc:�r�) - Offenheit ankündigt ( . 1 sie die !'rauen \'01 1 Argwohn ("She is tcrri blc. Stone with Sione eyes."). Sie bedauern Medea, emptinden Mitleid und gewiß aufrichtige Sym pathie ( .. She is pitiable: she is under great injuries:'). Doch eine Zustimlllung zu Medeas Wunsch nach Rache, eine vö l li ge S o l i d arisierunll wie bei I:!uri pidcs erfolgt in .leffers' Tragödie ni cht: Medea will Blut und droht - zunächst noch versteckt - Juson und Kreon. Die Frauen w e x p l i z i t di.: Regieanweisung
.
.
will show you my nuked heart " ) , beobachten
warnen (,. l)aughter of sorrow, beware . '·). Medea spricht erneut von Blut, und wieder warnen
("Mcdca, bcwarc ! ·'). Ehc Medca deutl icher werden kann, kOlllfsl t Kreon und miß auf den Chor die S it ua t i on (" You huve udmirers, I sec." ). 5 Nach seincm Ab gang dist3nzien sich der Chor ausdrücklich von KreoD ( ..I have seen lhis man' s arrogance ( . . . ] . l l am of Corinth, and J say that Corimhl Is not weil ruled . " - ,.The city where even a wo man, e\'en a foreigner,l Suffcrs unjustly thc rods of powcr/ ls not weil ruled. "). Medea se tzt ein die Frauen
bi lligt voll Zorn
zweites :vIal nachdenklich zu einem Rachewunsch an und wendet s ich dabei auch mehrfach
(.,1 huve a biller hope. \VOmen [ . . . ])". Jetzt aber i st es die Amme, die zu und schließlich auch M e dea ablellkt. ind�-m sie auf einen Gast KrCOlIS als möglichen Helfer hinweist und :vtedea drängt , zu ihm zu gehen. So wird Medeas Rachep l anen wi eder ni cht wirklich ausgesprochen. Als sie ausdrücklich \'Olll Tod ihrer Feinde spricht, ge schieht dies nur wie neb''1Ibei und ;11 Reaktion auf die Worte der Amme (,,11 would bc good to sit here a thousand years and Ihink 01' nothing! BUI the dealhs 01' Ihree persons [ ... J Aller my encrnies are puni5hcd [ . . . ] " 11 sleep:'). Kontakt zum Chor hat Medea dab e i nicht. Und erneut wird ihr Rachedenken unt�rbrochen, nun durch d�n Auftritt Jasuns, auf den sich der Cho r m i t di rekt
an
den Chor
nliehst den Chor
e igenen V orwürfen konzentriert. Nach d e r Begegnung d e r beiden wird Medeas Hall immer beobachtet sie de r Chor v oller Argwohn (, . Whut i s .he d o i ng , that wOlllan,1 Staring lik.. stone, staring?"). Medea spricht Zll sich offen vom Mord mit dem M ..sser oder besser noch mit Gift - es sind Worte wie die V erse 376tl'. des Euripides, die freilich hier erst eine Szene später ).oll llllen und anders als bei Euri pides nicht au den Chor ge r i c h t et sind.
stärker. Wie vorher
Durch
den A u ftri tt
lies
A i geus
hab�n
die I'rauen
!.e i ne
Gel egenheit
nlehr
zu reagieren. Erst
nach Medeas Gespräch mit dem athenischen König wendet der Chor sich beunruhigt an die
Amme ( .. Wh at 2S
i s shc ploning i n her deep m i nd?"), hat aber
noch
keine echte V orstel l ung
vOll
G egen den Wortlaut der amerikanischen Originalausgabe von 1 94 6 ist die Sympathie des C hore s in der deutschen Ü bersetzung der von J. Schandorff herausgegebenen TeXlsamm
1 963) noch weiter verstärkt: Als Kreon \.1edea verbannt, die Frauen bestürzt (,.Oh!"). Als Medea um wenigstens einen Tag Aufschub b e t t el t, Il..hen die I'rauen mit nehcnd ausgestreckten HAnden auf K reon zu und unterstüt zen so ihre Bille. Als \.1edea unmillclbar vor dem Erscheinen des Ai geus deutlich i hr e Mordgedanken offenlegt. sind d i e Frauen erschrocken ("Oh !"). lung ( ' Medea ', München/Wien
reag i eren
Medeas Chor: Euripides' politische
Medeas gräßlichen Plänen (Medea wie
eim: �di 5lraelell eil)'!
Lösung Sharpening
23
i1s
weapuns"). U n d
Me dca läuschen. Me dea wi l l mit ihren Fcinden Frieden �chli cßcn. Der Chor i st CTSlawli (,.Reeon ciled \\; th Ihcm�") und kommt in di e�cm AU nichl wei ter �.u Worl. N ur der Amme ist ni chi recht wohl (..But I am terrilied. I do not know 1 . . . 1" ) . Zillemd bittet sie die Frauen, um Schutz �.u den Göttern zu beten. Im 2. Akt \\; 1 1 :-.1eden den Chor hei ihrer zwe i ten Hegegnung mit Jason nicht in i hrer " !ihe haben - wie im übrigen bei Mendes - und schließt ihn damit ganz ausdrückl i ch aus ihrem V er trauen aus (,.Stand away from me. womenJ W hi l e 1 ma ke my siek peace. "). Als der Chor M e dea davon abrä l , J a son die Kinder �.u gehen (,J >on't g i ve them to h i rn [ . . . ) . V o u havc rduge: take them mere.! Athens is beautitill"), weist sie ihn hetlig zurück ( lliercely] .. B e silent ! " ) . Ihre düsteren W llftC bleiben unverstanden ("his de ar childrenl Are not going to that cit)' but a dar ker city I ... ) "). Dann jedoch, nach Jasons und der K i n der A b gang. frohlockt M e de 3 sogar offen vor dem Chor ( .,Rejoice, women.l Thc gifls ale given; Ihe bait is laid.l [00.) b e ror e my l i u l e wie s o g l e i c h Jason und sogar die Amme lassen s i c h die Frauen v o n der plötzl ich ruhigen
ones! Come h o m e to my hands."). D e r Chor ist entsetzt. E i n e d e r Frauen glaubt, d a ß Medea als M uller 7.um Kindermord l e tztl i ch nicht flIhig sei. Eine andere wi l l wegl a ufen, um alle zu war
(.,1 um siek wilh lerrorJ 1 ' 1 1 r un to the palacc, 1 ' 11 warn Ibem. "), doch Medea schüchterl sie ein ( 1 am afraid 10 go:'). Authalten kÖMe sie nichts, aber leicht werde sie im selben Feuer slerben. I>em erschrockenen Chor hl eibt nur verbaler Widerstand. Auc h ein zweiter Versuch zu entkommen mißlingt ("L�t me go, :-.1cdea ! ! 1 ' 1 1 b e mUle, 1 ' 11 spcak to no one . I caMot b ea r .! Let me 80 to my house !"). Wie verängstigtes V i eh drängen sich die F rauen zusammen. (,,My heart is a shaken cupi Of terror [ . . . )! Lct me f1ee [ . . . ) Let me hide myself [ . . . )''). A l s d i e K i nder mit trohen Gesichtern \\iederkommen, atmen die Fr au en auf ("was all thai fear! A dreum , a nen
.•
dream?·'). Oaml b�r icht�t
ein
Sklave vom grausigen Tod . Der Chor drängt Medea
zur
F lu cht,
spr i ch t mäßigend auf sie ein und will trotz ihrer deutl ichen Worte noch immer ni chl gl a uben,
was a l s nächstes gesehchen w ird (.,Awakc !Vfcdea!1 Awakc from thc ehildren and lied Farlher Ihan Athens I . . . ) n e.: to the worlds end"). Ähnlich ist die l laltung der Frauen im recht kurzen Stück von
e v i l dream . Csteh
Dario Fo
und
up
your
FraDu Rame
(J 97 7), in dcm der Chor eine sogar unverzichtbare Rolle erhalten hat. Alle anderen sind bei
der Hochzeitsfeier, und Mcdea und den
so
besieht das Ganze fast ausschließlich aus einem Gespräch z\\i schen Der später dazukommende JasoD kommt selbst nicbt zu Wort.
KorintheriMen.
Der Chor i st VOll Anfang an deutlich auf Medeas Seile, und dies erkeMt allch Mcdea an. wernl si.: die Chorfrauen \\icdcrh(lU als "my fricnds" , ,my dear friend.... und "my �isters.. anspricht.
Sympathie und Mitgefühl des Chores gehen j edocb nur soweit, \\;e es M edeas erlittenes Un
recht und ihre Kränkung betrifft. B i l l igung ftIr ihren Wunsch nach Auflehnung, nach Rache erhält sie von diesem Chor nicht. I m Gegcntei l , als sic vom K indermnrd spr i c h l , \'crsucht der Chor nach
Kränen einzuschreilen.
Das Drama
beginnt mit I l i lfentfen e i nes zlmächst nicht näher
der Auffurderung
an
identifizierten Sprechers
die Frauen, rasch herbeizuei len (�Hcl p ! Help!
Comc
qui ck I)' )'OU!
IUld
","omen
mit ihren beiden Kindern im l Iaus eingeschlossen und schreie eine Verrackte. Man erken nt rasch, daß es die Chorftlhrerin ist bzw. eine der korinthi"hen Frauen, die vol l Sorge und Mitgefühl für Medea sind. Sie set?en i hr ei genes Schicksal mit dem ihrem gleich und bekwlden Medea so expl izit ihre Solidarität ( . .Don 'tl YOll know t hat wc ' , c suffcrcd thcl same fate ss )'ou and wept thcl same tear s [ . . . ). W c understand you,.! �edea !ri ) . A l s :-.1edea daraulhin endlich erscheint, betont der Chor nach ih ren ersten . . . hurry ! " ). Medea habe sich
und
t(lbe w ie
Worten CflIeut seine Solidarität. Sie h ätten schließlich alle dasselbe naturgegebene Schicksal
(
.•
Ws
just
the
law of I i fe",
the world goes"). Und Medea begirllll die lulterge ("Oh now I sec what you are. V ou ' re! victi m s ! Oh W(I'
. ,That'sl the way
ordnete Rolle der Fra u en zu begrei feIl
men . . . my friends"). Als Medea sodaM - zunächst noch ganz al lgemein - von Auflehnung gegen die Männer und deren G e setl. spricht, mahnt der Chor sof(lrt zur V (Irsicht und bezieht
dies von selbst
auf Kreon
("Rebe!'!
Oh
cardul . . . be eareful,! Mcdca. Don ' t persi sl in offeil' Ask his pardon 1 . . . ( " ). Medea gehl nicht darauf ein
ding/ the King and his law. Appease him./
24
lind
Jan· W i l h e l lll
Heck
C.Us.tetL Listen my fri cnd!oiJ A tcrri blc lhuughl h a s li m u s t murd�r m y children ! l . . . J Y e s , J t ' s whal children . " ) , Der C h o r reagiert auf diese explizite Ankündigung
spricht n Ul l �ogar \' o m K i n dermnrd
b e e n com ingi
into my
h�,ut, my brain. M unler.
I Illusti do, I must Illurder my mit E ntse tze n : :l.fedea muß verl'ückt sei n ! ("Oh! Medea', gone out of her m in d . / "he ' s rav i n g ' Thi, isn't a mother [ . . . ] ..) . KUr7.zeitig gelingt es Mcdea. den C h o r /.u beruhigen. S i e sei n : c h l verrückt, s i e h a b e d i e sen Gedanken wieder und wie der gehabi lind doch immer vertrieben, Der Chor fro h l o ckt ( .,Oh gloJ)' be to 1111 the s aints in; heaven, Med e a ' s s an e ag ain - she' si cOllie to her s enscs [ . . . ]" ). Mcdea j cdoch ,icht kei nen Anlaß für ;wl c h cnthusiastische Freude, (fanl. ru h ig bestätigt sie noch einmal, daß sie nicht verrückt s e i und spri c ht erneue vom Kindennord : S i e se l b st sei ja schon tot. Das e i nzige Leben, das sie noch h a b e, sei da s ihrer Kinder. (..[. . ) 1 am t fo l g l i c h ein Rechlfcrtigung,wrsLlch. wie i h n van Hrp Taalman Kip ( 1 989 ) S.268f. gibt : E s sei "essentieel" , bereits in einem hühen Stadium Einblick i n JI.·lede a s P l anung zu erh.llen, da Emot i o n und Spannw\g ni cht dadurch �n\· ständen. daß sich der Zuschauer ",.eh J\'l edeas P l ä nen Iragen murl. s o nde rn d adurch, dull man d ie s e zunehmend präziser hört. Es sei beeind" uckender, wenn sie diese einer Gru pp e von Frauen \Von für Wort ins Ge5icht schl eudere als nUl' eine,' Skl avin. . .
30
Jan-W ilhelm B eck
um den zuhörenden Chor bZ\v. Aigeus zu auch Jason täuschen kaM ( zum Chor ,.Ihr, hörtet ihr ' s '! Wißt, es i st n i chts L . . . I" sowie "end wenn ihr dächtct, daß ich etwa! Versteckten Ansch l ag plane [ . . . ], ihr i rrtet [ . . . 1"; zu A igeus "lch sag. i ch dachte es, i ch will ' s nich t tun". Ähnliches versuch t Medea bei Fo/Rame). i hre P läne sofort wieder zurück,
täuschen, so wie sie druUl
IV Was nun Euripides und seinen Chor betritft, so geschieht es nur z.T.
zu
Recht, weM die Forschung auf die Konvention verweist. Gewiß hat nach antiker Dramentheorie der Chor verschwi egen Anvertrautes zu bewahren. 3o
Und gewi1.l war auch e i n Verrat des
Medea ihn
Chores direkt
gegenüber Jason,
als
im 4. Epcisodion überli sten \'iol ltc, auf der ß ühne so n i cht zu
crwru1cn. J 1 Wie jedoch bek anntlich z. B . mit dem ' I on ' eine weitere Tragö die ausgerechnet de s Euri pides beweist, i st es in EinzeW..i l len durchalls
möglich,
daß ein an ti ker Chor das Schweigegebot bricht
und
damit tätig in
die Handlung, in die fntrige eingreift.n Bei der ' Medea' kommt hinzu , daß dieser Chor in Wirklichkeit noch nicht e inmal durch ein Versprechen ganz gebunden war. Nicht beachtet nämlich wird, daß der Chor Sti l l sc hweigen lediglich auf Medeas F ordemng
zu
Anfang zugestanden hatte, als es noch
allein um Medeas Rache an Jason ging (V_2 S 9 ff./26 7 ) . Als Medea j edoch
dann vor dem Chor V.764fT. endgültig ihre Pläne vorträgt und nun vom Tod Kreons,
Glaukes (zum
zweiten Mal nach V . 3 64ff.) und sogar der Kin
der spricht, ist es nicht mehr der Chor, den sie um Schweigen b i ttet. Ob
zum Abschluß nur an die von ihren Plänen nichts verraten solle, als Frau und wenn s i e es gut m i t ihr meinc (V.822f. i..i';n; bi: W/bh' uo v €)wl (5ct50i') I§t'W II,I wohl
sie
zum Chor g espro ch en hatte, wendet sie sich
ihre Anune,
.;0
31
32
HoT. ars 200 il1e
regal �nrnm issa .
,
Die übliche, a u s der s onstigen Dramenpraxis zu erschließende R ege l d a ß d e r C h o r nur
allei n mit e i ner deI' P e rsonen spdch!, nicht abel' auch am Gespräch VOll '.wei Schauspi� lern tei lnimmt und sich dann auf dn chcr cntrücktes Kommenti eren z u beschränken hat. schli eßt ein unmittelb ares Einwirken auf die D ialoge Me d e n s mit Jason aus. Doch gib: es andererseits Fäl le, wo ein Chor durchaus aktiv w i r d (I. B . Abch)' lo� "Aganll:rnnun\ Euri . pi des ' Hc!cna' , · Herakliden ' ) . ' Ion' V . 666tf. - 695f.1752ff. V g l . zudem d e n Eingriff d e s Chores in d i e Intrige i n der · H elena'. taurisehen ' l p h i ge n i e ' und da?u Hose ( 1 990) S.29� : "Diese l n t "rwntion"n in einer Intrige haben eine Gemeinsamkeit: der Chor begünstigt mit ihnen stets die Schwa chen, auch welill er dafür ein Schwei gegebot brechen muß." Auch Medeas unmündige. unschu l d i ge K i n der härten s o l c h e s verd i e nt I
)vledeas Chor:
fLTCP rppul'd.:;
el�
31
Euripides' P(l1ilisch� I .iisung
bemrora/(; )'Im]
r'
crpv;)Y
S i ch in gleicher Weise eben
fal l s des Chores zu versichern , hat die Mcdea des Euri pi des nicht nötig, o b w ohl ihre Pläne für den Chor neu und von kaum zu ertragender Grau samkeit sind, obwo h l der Rachewunsch nunmehr w e i t das anfangs zuge stand ene
Ziel der Bestrafung Jasons
übertritlt und obwohl nun erstmals
ernstlich geplant und die tatsäch liche Umsetzung der Rache angekündigt
ist . Denn alles vorher vor den Frauen von Korinth Geäußerte w'aren bloße
Wünsche, unbestimm t es P lanen, das der Chor noch ohne weiteres hinneh
men konntc.J4 Erst j etzt V . 764ff., ers t mit der Zu flucht in Athen vor Augen,
wird es wirk l ich ernst !
Daß Medea so vertraulich mit dem C hor spricht, i s t
nicht nur verzeihlich,
es
bis
zu
di esem Punkt
i st für die Tragödi e insgesamt gew i ß sehr wichtig.
Denn das Verständnis, d�iS M edea als Ni chtgriechin, als kolchische Barba
rin selb s t bei denen ti n det , die als Gri echinnen und zudem Korintherinnen i hre Gegner sein müßten, läßt bestens crkennen, wie groß d i e Verletzung zu empfinden ist, dic sic durch J ason hat ertragen müssen. 35 Auch der seit fru
her befreundctc
Ai geus
i s t M edea gegen über gänzl ich positiv und voller
MitgetUhl . Die entsprechende Sy mpathie j etzt sogar des ihr fremden Cho
res steigert für den Zuschauer in gelungener W eise ihr Leid. Doch
so
wie
Aigeus von �edeas Mordplan nichts erfahrt, ja sie vol ler Vorsicht nicht
einnlal se l bst mitnehnlen will, genauso hätte auch der C hor m i t seiner Sympathie nur bi s zu diesem Punkt des Dramas au f M edeas Seite stehen
dürfen, wie es später in dcr Tat bci J eITers
und
FolRame der Fall ist. Euri
p i des ' Medea aber geht zu weit. Sic hätte den Chor nicht bis zuletzt als
Vertrauten ei n be zi ehen müssen. Sie hätte den Chor täuschen k önnen, wie
sie Jason (und sic h eine zeitlang selbst vol ler Hoffnung) täuscht, so wi e es später in der Tat bei B raun (Mendcs) ist. Denn was dann geschieht, M edeas
Rache, ist 33
derart
erschreckend, daß sie
>;
�cnsch l i c h keit ver l i ert. E i n e
von Harder ( 1 993) S.376, nichL gt:nü er nur mir Blick auf das 1. Epei sodion Verfahren" spricht, . .den Chor so zu bi.u.!c", daß er [ . - - 1
Falsch vel'standen u n d a u f d e n C h o r bezogen z . B .
gend
beachtet auch von
Hos�
( 1 990) S.302.
von einem "wohldurchdachtcn
J·l
jede
wenn
ni chl� verrär" , zunkhst korrekt wm 1 . bpcisodion auch Amott (J 982) S.37 "the con" cnti onal oath of s i l e n c e would be rea listi c a l ly i m pl a u s ible if the chorus at thc time of sweuring knew pro eisely the ma gni tude of [he intended crimes [ .. -1 misleads her chorus by a subtly misle.· ding lonnul alion 01' lcrms IV . 25\1ff. J, and liuripidcs cxploits the convcIlcion c l e veri)' withour breaking il"', Hose ( 1 990, si ehe o. Anm. ( 7) .,angesichts d�r vag�T1 I'lä"c". ,,1 I Ur vage angedeutet", doch ohne Beachtung der sp at eren Verse 764lT. Etwas andc'Ts akzCllluiert dagegen z.n. Hose ( 1 99 1 ) S.83, daß die C hor l i e d e r dazu beitra· gen, "dem Z u schauer die figur ,leT Mcd�a und dic MOti ve. die sie 1.U i hrem grauell\'ol len H andeln treiben. plausibel zu machen". Vgl. zudem Ohl ander ( 1 989) S.73 ,.On ly a churus strongly feeling [hst lIlIe des i s j ustitied. i s championing rhe rights o f women scomed as a sort o f vanguanl warri or o f her scx . ....oulrl he incl i ned to agree with her". So
J an· Wilhelm
Beck
Medea, die um ihrer Rache willen sogar ihre Kinder tötet, ist ni cht zu ertra
gen . Das ist
ni c ht
mehr die Medea, die zunächst noch unruhig
e i ne
Zuflucht
brauchte. E ine Medea wie diese, die i hre K in der tötet, i s t mensch l i cher Sphäre entzogen, wi e der überrasch ende Schl uß mi t dem göU lichen Dra ch e nw ag en auch äußerlich dem onstriert. Und das kann auch nicht mehr die Me de a sein, deren Leid die Sympathien al l er, au ch des Chores, an
s ich
zog.
Warum der Chor nicht ei n gre i ft und wenigstens vers ucht zu warnen wie bei J effers und Fo/Rame - und sei es ungehört in einem Lied wie bei La I'eruse -, warum der Ch or n i cht viel stärker klagt, sich ni cht deutl ich d i stam:iert und bis zuletzt mit seinem Schweigen auf Med ea s Seite bleibt/6 ist unver
ständlich und keineswegs al l ein mit dem Verweis auf die Konventionen des antiken Dramas zu e rk l ä ren . Solche Konventi onen hat es zweifellos gege
geb unde n sein. Die Frage ist jedoch, in eine so l che S ituat i on g e dramaturgisch olme j ede Not. Eine Amme ist
ben und ein Chor mag dadurch auch
warum Euripides den Chor in diesem Stück bracht hat, ohne Zwang und
ja
da, der Medea alles, selbst das Schlimmste hätte anvertrauen können . wie
sie nach der Verkündung ihrer Rachepläne dann auch se lbst
i; .Tuvra rap br, (loi Tll Jrumi. XJXuf.ldJa) !
bezeugt (V.82 1
Daß der Chor aus korinth i schen Frauen gleichsam in die Ro l l e der Am
me geschlüpft ist und sel bst nach V . 764ff. treu zu Medea hält, ist im übri
gen noch n i c ht einmal das einzige Problem . Darüber hinaus hat Euripi des
i n der ' M edea' e i n en Chor geschaffen, der bei der Ermordung der Kinder
erschrecken d passiv ;!uzuhören scheint: Wie
der Chor ohne jeden Z weifel
weiß, haI
sich Medea V. 1 2S0
zum
Kindennord in. Haus
zuruckgewgen. Euripides läßt die KorintheriJmen ein weiteres Standlied vortragea . Die Frauen
rufen d i e Erde und
H e l i o s an:
sic
sol lten vor dcr furchtbarca
rat die
Wls e l i ge Frau
ansehen und
auJhal l ca. eine von Racheg�isl�TJI getriebene Erinnye. Eine ernsthafte Bill� an d i e Göller aber ist d ies Dicbt. Der Chor hat kei nen Zweifel daran. was geschehea \\ird. Seiae zweite St r oph e reflektiert über d i e Vergeblichkeit \'on Med ea s Geburt Wld ihre fahrt aus Kolchis, über den
Grund für ihren Zorn uad schlimmea Monl und die gölllich� Vergeltuag für die TÖltmg von Verwandten. D e r Chor singt dies j edoch nur für sich: es ist kein Versuch. mit Medea Kontakt aufzunehmen, sie vom Kiadcnnord abzuschrecken bzw. ihr argumcataliv abzuraten.
nach der Aig.: us·Szene "The d.:ci s i v t: change i n Lhe dru 01' the Chorus" sieht, so gill dies tatsächlich n u r für erste· res. Auch das Chorlied \'.824ff. ist nieht korrekt beschrieben ( .. 1 . . . 1 begins t o withdraw its a l l egiance frolll M�dca"). I)�r Chor bedenkt ledigl i c h die (' o l gen der Tal für Medea lind bittet sie. um i hre r selbst wil len darauf zu \'erzichten. Er gre i tl sie j edoch nicht an und sagt s i ch n i cht von ihr los. weder i m 3. noch im 4. Sta simon. \Jad längst, nicht erst V . I 250 f.. hille der Chor di e (Jüller 11m H i l fc rur d i e Opfer billcn miisscn und darum. Me· dea aufzuhalten. Tretlender ist die F onnulieruag von M ost ( 1 999) S.20. wene er dem C h or in seinem 3. Lied el'Stmals "an emotional distance from her which wi l l increase throughout lhc re'l o f Ihe p l ay " beschdnigl.
:;6 Wenn Conacher ( 1 967) S. 1 9 1 f.
matie action aad in the attitude
M�deas Ch"r: Euripidcs'
33
pol i l i sche UI�Wlg
Da sind aus dem Inneren des Hauses Schreie z u hören (nnch V, 1 270, 1 27 1 f. ) , d i e Schreie Kinder, die auch der Chor deut l i ehst wahrn i m m t (V.1 273 ). Die Frauen zögern und wissen nicht, was sie tun sollen - ins Haus geh en " Den Mord abwehren? So schei nt es ri c ht ig ( V . 1 2 7 S f.l. D i es hören die Kinder im Haus und drängen zur Eile (V. 1 277f.). Eine Ant",,"Ort an d i e Kinder h"l der Chor nicht. Jetzt erstmals - unmittel bar vor der vollzogenen Tat ( V . 1 279f KTE�ET;; im Futur) - ve,.....ü nschl er Mcdca als Fels oder Stein, wenn sie i hre eigenen Kinder IÖI�n wi l l. Und er s i ngt zum Vergleich rur ihre Tat von einem mythiffhen Exempel, \'on 1no, die im gotlge sandlen Wahnsinn ehen fa l l s i hre K inder umgebracht hat . der
.
•.•
J1oi," nai,iJ Xo",I;' l/ai," n'li,11
Xopric;
I fuc)On' l ( iL�ibf; OI)/(in JWI ;raibwl' '(Ja;'/ mj":fTJ . " , V , 1 2 7 1 ft'. iJ.KO(lfI� ßOo. v . . . ). Gewiß hülle Brauns Chor wi � sen körmen. wissen müs�en, WaS \4cJea vorhat. Aber s c h li eß l ic h hat sich auch Jason von Me· dea täuschen lassen, D"Jj s i e so weit gehen wiirde, hat ihr e b e n k e i ner zugetraut . schließlich
gutmütige Chor davon cbenfal l ; nichB. Trotz d e r Nachricht
Eine Entsprechung zur nun
betrachteten Einze lszene enthalten die restli auf die von Me nd es und Kyrklund
chen oben ang e führtc n Dramcn bis
nicht. B e i Mendes versuchen die sch l i e ß lich wie die Amme überrumpelten
Frauen, Medea no ch im letzten M om ent auEmhalten . Sie eri n n ern sie an die s c hönen Spie l e mit den K indem, an die ersten Schreie der Keugcborcnen
lind
bitten
um einen B l itz aus d em Himmel. Die alten Frauen fUh l en sich
machtl os wie in einem b ö sen Traum und rufen nach den GÖllem. Die j un
gcn Frauen rufen nach Me n s ch en ; die Mädchen rufen um H i l fe ("Dieux !",
"l lommes ! ", "Tous ! venez!"), w ie man cs bei Euripides venn i ss e n muß. Die al ten w iln s e h en , die Mauern stürzten cin, als plötzlich Sti l l e e int ri tt . Bei Ky rklu n d reagiert d er Chor mit
eincm
langen k l agenden Lied vo l l e r
Abscheu u n d Verzweiflung und s i n gt wi ederholt dieselben Verse wie der
Chor b e i Euripide s . A nde rs als bei di esem aber hat Kyrkillnds C h or eben falls wiederholt u n d explizit seine RoHe außerhalb der Han d l u ng , der Fikti
o n d er Tragödie klargcsteHt pides
-
-
v i e l leicht sogar e i n e implizite Kritik a n Euri
und seine Kcnntn is von dem Mord nicht durch e i n vertrauliches G e
spräch, sondern eben w ei l er außerha l b der Handlung steht und so ganz ei n fa c h weiß, was geschehen m u ß . Lediglich zu verweisen ist auf das Stilck
von FolRanJe, in dem Euripide s ' Schreie der Ki n de r in Med eas eigener Phant as ie vorwcggenommen sind.
Ergänzend auszuwerten j e d och sind nun zwei w ei tere moderne
Übertra
gun g cn . Denn selbst Countee Cullen ( 1 935) und B re n dan Kennelly ( 1 99 1 )
haben i n i hren a n s on sten bezüglich des Handlungsablaufcs wci testgehend
originalgetreueIl Euripides-V crsioncll eingegriffen:
an
gcrade dieser Stel l e ganz leicht
Medeas Chor: Eu ri pi d e s ' pol i t i sch e Lösung
35
Bei Cullea fehlt e ine Enlspr�chung fü r V. 1 275- 1 27 8 des F.U1;pid�isehell Chure� und damit dessen t:nentschloS5enheit. Ohne Komm entar des aus nurmehr zwei Frauen bestehenden Cho r�s iSI ein kurzer [)ialug d�r Kinder zu hören ([ 1 . 1 ..Mother, Illother, it hurts me so, JOur hand about my neck:' - [2., laughing) "What are yuu �uch a baby for1 Mothcr won'l huri uso Ah'''). dann ein lauter Kinderschrei un d a long silellce. Erst jelzi und damil deutlich nach dem Murd reagieren die beiden Chorfrauen - AI Medeu ·.. ur",r - mit Kritik an einer sol chen Mutter ( .. What horror clouds the air'! What ghasily cry. 1 l is Ihe moaning ur Ihe ehildren wbu die! Du you c a l l yoursc\f a woman. Med.,a? Are you a mo ther?" - "You are neither a woman nor a llIuthcr [ . . . 1"). A uch bei Kennelly sind Schreie dcr Kinder zu hiiren. doch der Rcgicanwei sung nach h l e i bt es b ei bloßen Schreien ( The " hildren (Ire heard will/in). Auf einen Itnged euteten D hl l o g m i t deli Kindern und e i n unschlüssiges Zögern d e s C h o res ist hier eb enfa l ls verzichtet. I I i l terufe und eine direkte Wendung an den C h or wie bei huri p i des g ibt es wi e zuvor bei Mendes, Cullen und Braun nicht und dllmit wiederum nicht dieselbe unmittelbare :-Iotwendigkeil einzugrei fen. Kenel lys C ho r kann folglich passiv bleiben und sich auts Kommentieren beschränken ( The cries. The cries. Lis[cn to the eries. ") .
Auch •.
Der 8 e fund aus der produkti ven Euripides-Rezeption spri c ht ein weite
res
Mal
schon für sich al lein genug
-
durch die A bweichungen der immer
h in fünf praktisch-real istisch d enkenden Dramatiker wird das Pro blem in ihrem Au sgangstext deutlichst unterstrichen. B e züglich der Euripideischen
Szene gibt sich rue Forschung dagege n auch hier - von vereinzelten, scharf JR kritisierenden Aus nahmen abgesehen - in der Regel mit einem l linweis
auf Konventionen im Theater der Antike zufrieden, wie man sie seit
Aischylos nachzuweisen sueht.19 Zusätzlich verm utet ein Tei l der For�8
Vgl . 1. . 8 . Hcltnrcich ( 1 905) S . 6 1 . H i er ist der Dich[er de n dramarurgischen Schwierig keiten, welche di e eigenanige Rol l e des Chors i hm stellle, nuch nicht gerechi geworden. ( ... J ist es ihm ni cht gelungen. die ) . . . J Gebundenheit des Chors an die Orchestra ) . . . ) mit plausi blen Gründen inn erl ich zu motivieren. Für unser G e fOhl bleibt hier ein bedauerli cher Zwiespll l t . .. . KiUu (3 1 96 1 ) S. 1 9 lf I'i fteen wamen o r Corinth sland hy daing nOlhing while Medea murders her children indoors - or rather tbey stand by deliberating ) . . . ) . In meet i ng this i m llrobab i l ity nothing i s gai n ed by saying that the Chorus W'3S a b ody of Ide al Speclators and thai a Grcck audicnce would not CKpect Ihem [0 intcrfcrc. They havc in fa c t always laken part in tbe ac t ion when circumstances s uggested it. ( ... ) �oreover. Euri p i des himself feel s that they shoul d na[ucally i nterfere now. for i f no th ought of dIe pos sible intervention [ . . . J could havc ariscn in the mind of tbc audience. why docs hc go OUI o f his way to suggest that thougbt?". Ell i ot t ( \ 9 69 ) S.98 ,oE. seems to make the unrealism u f thc Chorus' s inaetivi!)' evcn worsc than it n e ed be by making the boy overh ear what i s going o n uutside" , Lesky (3 1 972) S . 3 0 9 "Fasl peinlich wirkt dann [ . . . J d a s Ino-Para digma". Amott ( I 982) S . 3 7 "tbc difficulty is causcd by thc enormity of the planned cri mes", van Erp Taalman Kip ( 1 989) S.279 "Het 'onwaarschijnlijkheidsgehahe' is betrek kelijk hoog", S egal ( 1 997) S. 1 70ff. ,.mo st powcrful climax of vio l ence by boving the child 's cry break into [ . . . 1 a regular choral ude [ . . . 1 difficult for Ihc mud�'Tn s(..'t)sc of veri silllil itude [ . . . J the passive handwringing of 1 279-81 is h ard ly the appropriate response after the chi l drcn have callcd for hclp and particul arly aftcr thc chorus has al rcady 'decided ' [ . . . J'\ Mastronarde ( 1 998) S . 7 7 Arun . 3 4 "molto improvisa c nun vienc giusti ficalaiol• So l . B . van Hrp Taalmann Kip ( 1 989) S.2 79f. Hel koor kan helclllaal niet inlerv e n ieren I . . . J de conventie belctte [ ... ) en het publiek I . . . ) verwachtte dat ol1k niet". H usc ( 1 990) ,
.
39
•
••
3(,
Jall- W i lhelm
Heck
schung, Euripidcs' Chor sei bci den l l i l ferufcn der K i nder auf die Bühnc
gcl aufcn und habe vergeblich versucht, die von Medea in wei ser Voraus si cht versch lossene TUre z u ()ffn en - etwa Ilir Hose und Paulsen die einzig
denkbare U;sung. 40 \1an unterstellt einen solchen Reuungsverslich dem
vollen Zahl41 od er nur zu einem Tei l mit V . 1 2 79 f. , der Rest die Verse 1 2 82ff. ges u ng e n hätte.12 Während andere - und d i es zu Recht - für eine derart tätige Aktion im Text begleitende Hi nwe ise
Chor entweder in seiner worau f
vermi s sen,43 s eh e n einige
Interpreten in den ersten Versen Jasons ei n S ignal Orchestra verlassen haben könnte (V . 1 2 93 ,/J vaiA:e�, ar 'ifof, ' eY-r'I� eOTa,c ort,tl; statt einer übli 41 chen, zu erwartenden einfachen Anrede als [korinthische) Frauen). Noch damr, daß der Chor den gewohnten Platz in der
S.258if. in seinem K apitel 'Das N i ehl-Inszenierbare' (der Ch or a l s Teil einer "aku �ti schen IlIszeni erWlg") mit einer t:llterscheidllllg von drei Typen: I . der Chor auf der Sei l.e de� Oprcrs (Ai schy l os 'Agamemnon", Huripides ' Herak k s ' ) , 2 . aur der Seile des
Täters, womit die NOlwendigkeit zur Hilfelei stung entfällt (Aischylos 'Choephoren' , So phokles 'Elektra ' , curipides ' Il I eklra ' , ' I l ecuba ', ' Orest ' , ' Cyclops') und 3. der ' l l ippo l y tos' mit Phacdras S c l h�lmord als Sonderform. Pöhlmann ( 1 995) S.67f. mit einer noch
feineren Ditlerenzierung in sogar si e b en Typen von dramatischer Konvenlion, die ein Oetreten der Dühne durch den Chor verhindern. Vgl. ferner die B eiträge von Amon ( 1 982), HamillOn ( 1 987) s owi e Musur i l l o ( 1 966. u. Anm. 4 1 ), S egal ( 1 997 ) S . 1 70ff. . ,has
to be aeeepted as
thc dramatic
eonv"'II t ion�,
E aslerling
( 1 997) 5.165 zu 'Agamemnon'
und 'Medea ' , 'Hippolylo ' : ,.scenes [ . . . ) a11 of thern poinledly referring 10 eslabli shed s thealrieal convention and tbus remindin8 tbe spectators that they are watehing a play", :'>1astronarde ( 1 998) 5.77 .,L ' impolcllza I . . . ) IIel l ' impossibi l ilä cOllwllzional c " . Nach Ba 4
0
4!
.1 ).
4
)
H
con ( 1 9 94/95) S . 6ff. i s t der Chor - ohne Bezug allf die 'Medea ' stall b l oß er "artiticial a n i st i c con\'ention'·.
schauer ,,sodal reality"
-
flir den anliken Zu-
Hose (1990) S.260 "In dieser Situation isl cs um einer plausiblen H andlungsCührung wi l l e n nöt i g , d e n Chor etwas unternehmen zu lassen". Paulsen ( 1 998) S . 8 3 f. "Weniger an stößig isl 1 . . . 1 eine auf den ersten B l i c k i rri ti e ren de Szene [ . . . 1. Eis gibt nur eine mögliche Lösung, die wir aber mange l s Regieanweisungcn nichl im Tcxl findcn: Die Choreutcn n e b b s z�U��;i��:lti 9::� � . �f���s;�[�:I� ��: ����::I������ ��" the gates of Jason's
�:S:�l
hOllse when Ihcy hcar I hc chi ldrcn sercum , on ly 1 0 lind the gale, boltcd [ . . . 1 . The Chorus' song. as t he y sl and helplessly olllside, may provoke a smile trom modem a u d i en ces. bUI \liaS sure I}' accepted by G reek stage- convention. "; "gI. ferner Gredley ( 1 987), Hose
( 1 990), Paulscn ( 1 998). So z.B. Murray
( 957) S . 1 36f.
So 7..B. Kaimio ( 1 970)
S . 1 1 4 Anm. 1 "the use of a deliberath'e question does not speak tor
violent act ion", van Erp halman Kip ( 1 989) 8 . 2 8 0 ,.Iijkt tnc l.cer onwaarschij n l ij k " . H ar· der ( 1 99 3 ) S . 3 9 S Anm.325 "Der V er s u ch [ . . . J und dann unverrichteter Dinge auf der Bühne zu bleiben, mUßte sich m.E. aber irgendwie im Texl ni ederschlagen . " Vgl. ferner -
ohne speziellen Bezug zur ' Medea' - T aplin ( 1 97 7 ) S . 1 29 ,,!he Greek tragedians signal Ied all their signi fi c ant stoge directions in lhe words". An ein Verharren d es Chores an seinem P l atz in der Orchestra glauben überdies z.O. auch Lesky (31 972) S . 3 09, ArnOI! ( 1 982) S . 3 9 , v a n Lo"y ( 1 992) a d l oc.
So z.B. Ammendola
( 1 95 1 ) ad loe., Gredl ey ( 1 987) S.39, Hose ( 1 990) S.26 1 Anm. 1 9. V g l . im ilbrigen bereits die Übersetzung von v. Wilamowitz (3 1 9 1 0) "Ihr Frauen dort, ihr stehl d.r
TÜTe nah".
M o dcas Chor:
Euripides' politische Lösung
37
ein weiteres Argument damr glaubt Hose daraus z u gewinnen, daß der Dichter seinen Chor aueh bislang als "gutmütig" gezeichnet habe. Ein fei ges Nichtstun nun an di eser Stel le wäre fii r ihn ein Kontrast, ohn e Sinn und Funktion flir das Stück.45 1' i cht beachtet wird bei alledem jedoch, daß die Situation in den beiden übl i cherweise zusammen mit der 'Medea' genannten griechischen Dramen nicht wirklich verglei chbar und die Darste l l ung des Euripides folgl ich da durch auch nicht zu entschuldigen ist: Im ' A gamemnon ' des A i s eh y lo s - tUr manehe sogar das direkte Vorbil dt6 - hört der Chor V. 1 34 3ff zwar eben falls während der Tat die hinterszenischen Schreie des Opfers . Doeh der nun über ein eigenes Einschreiten diskutierende Chor i st - anders als in der 'Medea' - mit dem Mordszenario überraschend Lind ohne Vorwissen kon frontiert. Da jeder Choreut zunächst einzeln zu Wort kommt und sich fii r eine H i l fe ausspricht, wird in 26 Versen insgesamt so lange erwogen, bis die Tür des Hauses bereits autgeht und die Leiehe sichtbar wird - wiederum anders a l s in der 'Medea ' . So hat der rasche Vol lzug der Tat den zuvor ah nungslosen Chor bei Aischylos vor einem eigenen Eingriff bewahrt. Im 'Hippolytos ' des Euripidcs weiß der C hor von Phaedras Liebe und ihrer Selbstmordabsieh t; sie hatte sich ihm V . 39 1 tl: otlcnbart. Er halte ihr V. 7 1 1 ff. sein Sti llschweigen unter Eid zugesagt und m uß, wenn auc h un gern, ihren Tod hinnehmen (vgl. V . 724, 764 ft'. ). S o erwägt er auch nicht ernsthaft (vg l . besonders V. 784 Ti 0 '; (lli .'fUPCIOI .'pli(1.'WI.O/ I'I;:I! I'Iw .. ), was er tun sol l , a l s die Amme aus dem Haus um Hilfe run (V.776). Im Unter schied zur ' M edea' handelt es sich eben um einen Selbstmord in aus\\'eglo ser Lage, nicht um die Tötung anderer. Denn daß Phaedra zugleich mit ih rem Tod an Hippolytos Rache nehmen wird, ahnt der Chor nicht. Phaedras letzte Wort e V.72 8 ff. waren hier:l;u nicht klar genug; von Phaedras B r i ef ist er genauso überrascht wie Theseus und bekonunt erst j etzt eine sch l i mme Ahnung (V. 866ff.). So ist diese Tragödie von Hose korrekt als ein eigener Typ klassitiziert.47 llinzu kommt, daß der Chor wie beim 'Agamemnon' so ·15
4
6
·17
Ho:se ( ] 990) S.2fiOf .,Was nun szenisch geschieht, ist unsicher. [ . . . ) Ein� F.nlschcidung i n dieser frage ist zugleich eine Entscheidung über d i e Rolle und den C h arakt er des Ch()res, den Eul'ipides für die 'Medea' k()nzipien hat . B lci b��1 die Frauen \'On Korinth gänzlich unLiitig, sn ist i hr Verhalten in der Tat kHiglich. Aber isL das sinnvol l') Euripides würde damit den Chor, den er von dc'T l'arodos an als gutmütig gekelUlzeichnet hatte. kurz vOr
dem Ende des Stückes mit dem Stigma lead ( 1 94 3 ) , Palt"cr ( 1 957) mit ßezug auf das nürgerrechtsgesetz des Perikles vor im· merhin schon 20 Jahren. so �rslere S. 1 6 "b�urs th� mark of being a protest agai nrds, EW'i llides chose 10 l o c ate a traged y in Corimh snd then procecd 10 insu late i t Irum �II I ils histllri cal clln l c x l . cspec i a l ly .illce he wellt out of his way tO i nlro d uc e Alhens in the person of Aegeus." Siehe auch u. Anm . 6 6 . 4 6 Koni shi ( 1 986) S . 5 0 f. , widerlegt VOll Wilk ins ( 1 987) S.SI". -
4-1
.1on- W i l h e lm
B �ck
blendet. Nur ve reinze lt wird hierzu spekuliert, ob Euripides von der poli
tisch aktuell brisariten Lage viel leicht n ich ts gealmt hat oder ohne jedes Int eress e dafür war,
ob er das Verhältnis beider Staaten nicht noch mehr gar "de l i ben.lment" die K orinther un terstützen
b e lasten oder ob er viel l eicht
wo l 1te . 65 Vereinzelt will man die Tragödi e sogar als erste e iner ganzen Rei
he d ie s e s Dichters mit Kritik und Klage tiber den Pc\oponncsisehen Krieg
sehen und sucht dazu
-
in der Regel als bloßer, absch l i eßender und von der
nachfolgenden Forschung nicht w e i t e r berücksicht igter Ausblick eigener I nkrpretati onen - eine j eweils eigene, insgesamt
zu
viel fach ausgedeutete
po liti sche Gesamtilltenti on zu unterstellen: Die ' Me d e a ' als A l legori e, als
Proj ektion u nd
Abbild von Tyrannei, Ve rrat und dem Bruch von V erträgen,
von Harbarentum und notwendiger
Vorsicht
gegenüber s c h e inb ar Schwä
cheren, von der Kotwendigkeit e i n e s behutsamen Umganges miteinander,
von Problemen einer Stadt mit ihren Ko l on i e n und der Tötung j u nger Sol date n ; "" d i e Gegenüberstellung eines äußer s t n egat iv beschriebenen Karinth "5
Delebecque ( Corinthe il la
1 9 5 1 ) S.62 ,.supposer que le po.te " voulu prendre d�liberement 1a partie de veille de l a guerre, et eil I. decha rg eant d u crim e commis contre les enfant s Je "'fedee. auenuer par voie d ' allusion sa responsahilite dans les p " el iminaires du contlit" [ . . . ] CCllC atli tude un supremc e!'t'orl [ . . . ] en montrant [ . . . ] les Corinlhiens ne �ont pas lres
66
coupabl�s".
SO 7.. B. Delehecque ( 1 95 1 ) S.66 "Euripides oppo,e,
en
un conlraste visihle. la conduite
athenienne a cel l e des CorinlhLens", S.72t: "La tragedie enticrc, dans ses idces, ses senti· m e nt s . et jusque dans les elrangetes de sa c Olup os it i o n parait toumir une image de la po l i lique
alh�nienne
i!.
la vei l le de la guerre-. Millloso-Rui7. ( 1 982) S . l 72f. . . I ' image de
I ' i mperialisme ath�nien, le prob leme de la eolunisation 1 . . . .1 le eametere tynmnique de
Cre o n [ . . . ] comme une projeclion detonllee de la tyra nni e de l'Empire alhenien·'. Rehm ( 1 9 8 Y) S . 1 1 4 mit Anm . 5 8 .. Perhaps we are meant to ,ee in J\·' ede a · , infanti cide a mCLOnym
fur lhe uncumin� COn O i c l [ . . . \, lhc murder o f ehil dren 0' a peeul i ar manifestation u f the ' male' art of w"r", McDetmott ( 1 989) 5 . 1 1 7 "a quasi allegorical i nte rpretati on I . . . J. Just as Medea kills her SOllS to spite Jason t"or a fai le d marriage [ . . . 1. Athens was cal lou,ly threalening her young mcn u ff 10 slaughtcr 10 punish Sparta fur a crumbling alliance" . Boedeker ( 1 99 1 ) S . I I 01'. ..The lvfede" demonserates the need 101' great care with language, cspccial l y among 'pO.",. [ . . . ] i l l uslrales how pcrsuasion, oalhs, and rc l alionship 0 1' sup p l i calion and prmeclion c O lllpr i se a uni"erse 0 1' buman expectations", Latacz ( 1 9 9 3 ) S . 2 9 2 \V o I Hc furipidc!-i am Vorahend des. PdoponT1L;:si �ch(:n Kriegcs zeigen, wohin V!,!rrat. V ertragsbruch u>w. führen können'! O der wollte er den N a t i onalstolz kultivieren, indem er zeigte. wozu B arbaren fähig sind?", 51)'roeras ( 1 99 5 ) S , 1 40ff. , ..vledea·s obsession witb (lalh; and their value corresponds eo the contem l'0" a,'Y di�clts,ion aboue th� validit)' of [reali<s [ . . . 1 and retl ec ls Ihe care of the IWO opposing camps to avoid appc ar i n g as lhe lrans grcssin!! p.rl�·. Ano!hcr issuc c cnlral b O l h t u t h c Mcdea [ . . . 1 und 10 its hist orieal comext is Ihe det1nilion of maternity [ . . . J mOlher·chi ld relationship h�lween a city and its colonics [ ... ] lhe languagc o f metaphorical parcmhood" , Schmidt ( 1 ��9) S . 2 6 9 zur .,Orientierung des l Iandelns an den hel dischen NOImen'" und der "b e so nderen politischen Aktual itat dieser Normenkrilik": ..Euripides könnte [ . . . 1 durchaus auch weitere politische ,,
Ziele
"erfolgen, etwa die Stadt in den damals
ri nt h . Megar.
aktuellen A useinandersetzungen m i t
Ku·
oder Aigina, die dem PelopolUlesischen Krieg vorausgingen. zu warnen. nichl die V erdiensIe auch scheinbar i s o l iereer oder wlIergeordneler Parteien ?ti m ißachten
Medeas
Chor:
Euripides'
45
politische Lösung
und des positivst gemalten Athen eines Aigeus als Echo der V Or\vürfe, wie die Athener aktuell erhoben. Denn ebenfalls vereinLelt hat man akri bisch jedes nur erdenklich negativ gegen die Korinther auszuwertende De tail gesammelt/" um Euripides eine mehr oder weniger versteckte Haltung gegen Korinth nachzuwei sen. B etont wird dazu die Zeiclmung Kreons als brutalen, unsympathischen Tyrannen (so z.B. gleich in den Worten der Amme V . 1 1 9ff.), Medeas expl i zite, wiederholtc Abwertung der Korinther als Feinde ( V . 765 , 78 l f. 1 060f. , 1 2 3 8 ( , 1 3 03 f., 1 3 80), .tls notorisch trculo se Sisyphos-Nachkommen (V.404ff. , 1 3 8 1 als "sarcasme antimrinthien ( ... ] appellations injurieuses") und die Verletzung von Recht und GeselL (V.4 l lff. , 439f.). Auch der Chor wird dabei mitgenannt, als Mitwisser und Komplize, doch wirklich ausgewertet wird das nicht:68 Ein Bezug zur sonst in der Forsc hung erkannten Problematik mit dem Chor wird von den pol i tisch ausdeutenden Interpreten nicht hergestellt. Und ebenso wird umge kehrt in den sonstigen Interpretationen zu dieser Tragödie oflenbar nicht erwogen, daß die Gestaltung des Chores in dcr 'Medea' eine politische Di mension h aben, d.h. po l i tisch moti v i ert sein könnte. In den spez i el l dem C h or gewidmeten Studien wie der großen von Hose lind dem Leilgl ei chen Aufsatz von v an Erp Taalman Kip ist j edenfalls auf einen H inwe i s auf sol ches gänzlich verzichtet. Direkte Anspielungen auf zeitgenössi sche Ereig nisse und die A b fassung ganzer Stücke als A l legorien für Vorgänge der Gegenwart sowie ein aktuelles, der Tagespol itik geltendes Ziel werden vielmehr auch allgemein vielfach abgelehnt und z.T. von ihren Interpreten dankenswertenveise sogar selbst relativiert.69 Denn natürlich ist zu bedensie
Undank und D i skriminierung zu Feindschaften zu provozieren, die sie zurückschrecken la���n." I .ediglich innenpoli tisch bcdeut.am i s t die 'Medea' für Mead ( 1 943, o . Anm.53). Dclcbecque ( t 95 1 ) S. 6Jff. .,1es traces suffisamllIent nombrcuscs d ' unc hostil i tc discr�tc, peut-etre, a no s }'eux con t re Corinthe, mais s ürement tres visible pour les s p ectateurs de mars 43 1 . [ ] . L'host i l ite d'Euri p i d e [ . . . ] apparatt done ineontestable"'. V gl . ferner (To"s sens Such. ( 1 962) S . 6 6 ff. , 1 09f. nach Echos des Peloponnesischen Krieges in Einze Iver sen. Ganz anders dagegen noch v . W i lamowitz (3 1 91 0) S . 1 92, .,dass der D i chter ängstl ich verm i eden hat, i rgend etwas wirk l i c h Korinthisches hincim.ubringcn [ . . 1 Furipides m i scht sich nicht in die politi schen Debatten" so".';e zum Chor: "einerl ei. dass er Korintherinnen und
67
vor
diese
durch
nichts mehr
...
.
(oll 69
vorstell t ...
von Delebecquc (1 95 1 ) 8.64 " Lcs Corinthiem ont done une bonne parte de rcspon5abi l i t� dans I�s cfirnes commis par la magi cicnnc··. S . 7 I "SOl1t des complices·'. Grif!"ero ( 1 972 ) 5 . 1 7 4 s on c omplic�s �n el plan" ; anders G oossens ( 1 9 6 2) 8 . 6 7 [ . ] i l innocente les Corinthiens" . Vgl. besonders die Beiträge vun ZUnlZ (195 8 ), Sch\\'ing� ( l 99� ) ; 1cWcrer mit einer Beto nung der Trag ödien als ,.Kunstwerke. die klassisch im Si nne des Exemplarischen sind" ( S . 66): vgJ . z . B . N e umann ( 1 995) 8.29 mit weiterer Li [eratur. Spezi e l l zur ' Medca' vgJ . :"kDermolL ( 1 989) 8 . 1 1 7 . Boedeker 1 1 99 1 ) S , l l I , die ihre o. Anm.66 ziti ene a llego r i sche Deutung sogleich wieder zurücknehmen: .,But su ch a crit ical fabricnt ion would be
Vgl. ledigl ich d i e kurzen Feststellungen
"
..
..
.l an- W i l hc l m
46
ken, daß etwa die anti-korinthischen
Stückes heraus
zu
Ikd
Äußerungen bereits
verstehen sind, da etwas
a n de r e s
aus d er Logik des
als e ine gegen KreOil
und Korinth gerichtete I l al tung von Medea und ihrer Amme wahrlich nicht
zu erwarten i s t . Sn h aben auch di e diesbezüglichen Untersuchungen von Del ebecque bzw. GrilTero und Goossens
-
zu einem großen Teil zu Recht -
in der Forschung danach keine ßeachtung gefunden .
Ein politisches Drama mit einem gezielt gerichteten po l itisch e n Anliegen
und cincm derartigen A n l aß i st Ellripi dcs ' ' Mcde a ' s i e·her nicht. Die Tra gödi e hat k e i n e Staaten und deren Verhal ten un d keine Kriege zum Th ema, sondern das Schicksal einer einze lnen Person . E s ist al lein diese Frau, die im M ittelpunkt steht und pri vat e s Leid erfahren muß . U nd so gehl
es
in die
ser Tragödie au ch nur um die eine verlassene Frau und Mutter, die für das
i hr angetane Unrecht in besonders grau s a mer Weise Rache nimmt. Gewiß
mag die Darstellung der Medea, ihre Klage über das Los d er Frau und ihr
Angriff auf die
gcsehlechtsspczitisehe Rollenverteilung im Athen
des 5 .
Jahrhunderts sozialpol iti sch brisant und insofern über den Mythos hinaus
aktuel l gewesen se i n .
Vor
allem aber
-
und trotz al ler E i n wänd e - ist ni c ht
zu vergessen, daß Euripides dafür einen Ylythos ausgewählt hat, der im Entstehungsjahr zug l e i ch n i c h t ohne politische Brisanz war, da die Tragö
die ausgerec hnet in Korinth spi e l t . Angesichts der mehr und mehr eskalie renden Spannun gen zwischen den Staaten ei n e Versi on aur d i e B i'LIme zu hringen, die di e Korinther ent lastet, die bis zur Tragödi e des ansonsten un bedeutenden Neophron traditionell die Kindesmörder waren , mag man i n
der Tat als w eni g sensibel empfinden. B eweis dafür, daß es d amal s wirk l ich
solche Gedanken gab, ist der von Aelian und den Schol ien bezeugte V or
'Nurt�
ein .'roÄlralh·oo; n; lOi'Oo;
...
nö l' q)/i.oao!pw v, daß sieh Euripides für
die Wahl seiner Fassung mit Medea als der Schu ldigen am Kindermord \ion
den Korinthern sogar mit Geld, mit flinf Talenten, habe bestechen l assen.10 a\Sai lablc [ . . . 1 fOT (l\·cT-intCfpTetali on" bzw.
' ue,od. \ h e Medea a s " s impl e p olilical a lravesr)' o f Euripide.' complex Irage Ebenfalls vorsichtig äußert sich Sfyroera3 ( 1 99 5 ) S . 1 40fr. .,1L may bc aTl exercise in
Tu
.•
a l legoI)' woul d b e a ludicrous oversimpl ili cation,
70
dy·'. futi l i[)" [0 ,,,ullle the exislence o f a '1I1c"age · in Ihe Medea und 1 0 try \0 delennine ils ex act ,untent. We ,an unly puint to paral l e l . between Ihe questions raised in Ihe play and rhe issue s thar were c urren l ar rhe time o f irs produc[jon. [ . . . ] . Wlwcv"r tries \() TC'Un· 'trucr Ihc ex.ct p o l i t ical illlPOTI ur Huripiue s · lIlythologieal t hi nking walks on slipper)' ground, und I d o nol claim 10 exhausl the various p ossibilities:' A e l i a n var . h i 't . 5 . 2 1 . . . f;';pJJritJll " 'P"(1! O/(l;'ZA.(!(I(Ij oo/t1bro)v KO{Jll'iJiwl' ... , S�ho l . M cd . 9 mil ausdrii�kli chem Bezug auf Parrneniskos: . . . cIJ, äpa :civu nUa l'TU i..apwl· :tapa Ko {ll d)io,,' E';p':ti{)'I; ptTa;.-ayo, Til " a",al'li " nih ;rai()u'" >'.Ti TI) v Mtioflltl" . . . Vgl. dazu l . H . Page ( 1 938) p.XXV "There can he 110 d()uht that Euripiucs i ncurrcd b'Taw "ensure [ . . 1. The poel was ohv i ou.'ly open to t h c charge t h a t h i s p l " y was unpatriolic·'. .
Medeas
·1 7
Chor: Euripide s ' polit ische Lösung
Glauben kann man, darf man dieses Gerücht zusammen mit der e inhe ll i g ablehnenden Forschung wohl n i cht Doch wertvoll ist es allemal. eben als Beleg daftir, wie politist:h m an in der Antike selbst st:ht::i n bar hann l osc
Tragödi en ausgelegt hat.7l A l s Tragiker und
Dichter lind nicht Staatsmann,
Oppositi one l l er, Meinungsführer oder Popu l i s t hat
E uripides
für sein
St:hauspicl die mythische Varian te ausgcwählt, dic für ihn die dramati st:h
beste,
die psych o logisch cindruehvol lste \-var, und dies mit vollem R ec h t
,
wie die Rezepti on b i s hcute zeigt: Seit Euripides i s t es die daflir zum Syn onym gewordene M edea, die i hre eigenen Kinder lötet. Ers l heule, i m aus
gehenden 20. Jahrhundert finden
sieh in der Literatur wieder gam: verein zelte Versu che von feministischer Seite, zur Re hab i l itat i on Medeas die ur s p rü ngli c h ere Fassung eines E u me l os ( ' Korinthiaka' ), Parmeniskos und Didymos bzw. Kre ophy l os wieder zu bel eben . i2 Gänzlich unpol itisch war Euripidcs dann aber doch nicht eingestellt. Nicht nur, daß er sich mit dem Preis Athens - ausgerechnet durch Korinther - patriotisch zeigt"!; Zugleich hat er au s politischen Gründen, als Konzessi o n an die aktuel l e e i gene Zeit ein El ement der älteren fassung eingebaut :
Er hai durch se ine gan:l spe:li d l e Version versucht, einen Tei l der Schul d
auch auf d i e Korinther abzuwälzen. Bei ihm tötet Medea die Kinder. Aber bei i hm plant Medea dies ni c ht i nsgeh ei m oder nur zu samm en mit ihrer Amme, wie es zu erwarten wäre. Bei ihm plant Medea vor der korinthi schen ÖfIentlichkeit. D ie Frauen von Ko rinth sind Mitwisser und dadurch mitschuldig und mitbeteiligt ein Chor, den der Dichter im S p iel mit der d ramati sc hen Konvention in ei n e absurde Rolle ge drän gt hat,74 e i n korin t1lischer Chor, der rur e in leicht zu beeindruckendes Volk steht, das sich bereden, aufhetzen läßt von e i n er Frau wie Medea, einer berü cht i gte n Ver brccherin, c i n er Verräterin an ihrem cigencn Vatcr und einer mehrfachen M örderin (Apsyrtos, (> c l i as). Es ist ein Volk, das trculos gegen seine eigene -
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Em,prechend Z.ll. $fyrocras ( 1 995 ) $ . 1 4 0 " mo,t probably a fabri calioTl, v·ct [",1 cmblc· matk or thc kind of an,ienl dcbate that sun'oundcd a " ontroversial pl"y" . I iarrauer ( 1 99 9 ) S.20 glaubt dagegen ohll e jeden ß e l e g d e r Kame des berühmten Euripide., sei i n die· "111 Gerücht Icdigli_h /.u einem .,wi l l k ommenen Ersatz" fÜT die Käutli,hkeit eines ande Ten, des Korint hers ElIlucJos !(cwordcn. Vgl. d i e 'neu e ' , unschuldige Yledea von Christa Wolf ( 1 996); vgl. den Aufsatz von Il . l'eichtingeT: Medea Rehab i l itation e i ner K indsmörderin? Zur M cdca - R e zcption m oderncr uCUlsch'prad,igcr Auwrinncn, GB I S (1992), S,205-234, Vgl. auch Delebec que ( 1 95 1 ) S . 7 1 "ce n'esr p as sans malice" . Vgl. Arnotl ( 1 9 7 3 ) S . 5 3 ff. zwar ohlle ßeTücksidll i g ung der ' Medca', doch zum Spiel Jes f'uripiioniso 45 ( 1 984/85), 8 . 1 23· 1 4 5 . R . Reh,": MeJea and the AO,,,, of the Heroie. Eranos 87 ( 1 989). S . 9 7 - 1 1 5 . H . Rohdich: I>ic Euripideische Tragödie. Untersuchungen z u ihrer Tragik, Heidelbcrg E . Sch l esing�r : Zu Euripides' Medea, HL'l'IIlCS 94 ( 1 966), S.26·5 3 . C. Pral o:
1 968.
:Vledeas
.I . - l ! .
Chor:
Euripides'
poJili sch�
51
Lösung
Meden und Achill: Euripi'1 1 42 ( 1 999). S,24 3-272 . E.-K. Schwinge: Griechische Tnogödie: Das I'rohtem ihrer Zeitl i chkeit, A&A 38 ( 1 992), S . 4 8Sch m i dt:
66.
Ch. Sega l : On thc Fi fth Stasimon of Euripide s ' Medea, AJPh 1 1 8 ( 1 997), S . 1 67- 1 8 4 . P. S tyro era s : The I ronks u r Salvation: The Ai geus Scene in Euripides ' Medea, CJ 90 ( 1 994). S. 1 25 - 1 4 2.
Di d