Dependenz und Valenz Dependency and Valency HSK 25.1
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Dependenz und Valenz Dependency and Valency HSK 25.1
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Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft Handbooks of Linguistics and Communication Science Manuels de linguistique et des sciences de communication Mitbegründet von Gerold Ungeheuer (†) Mitherausgegeben 1985⫺2001 von Hugo Steger
Herausgegeben von / Edited by / Edite´s par Herbert Ernst Wiegand Band 25.1
Walter de Gruyter · Berlin · New York 2003
Dependenz und Valenz Dependency and Valency Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung An International Handbook of Contemporary Research Herausgegeben von / edited by ´ gel, Ludwig M. Eichinger, Hans-Werner Vilmos A Eroms, Peter Hellwig, Hans Jürgen Heringer, Henning Lobin 1. Halbband / Volume 1
Walter de Gruyter · Berlin · New York 2003
앝 Printed on acid-free paper which falls within the guidelines 앪 of the ANSI to ensure permanence and durability.
ISBN 3-11-014190-6 Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ⬍http://dnb.ddb.de⬎ abrufbar. ” Copyright 2003 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin, Germany. All rights reserved, including those of translation into foreign languages. No part of this book may be reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopy, recording or any information storage and retrieval system, without permission in writing from the publisher. Printed in Germany Typesetting: META-Systems GmbH, Wustermark Binding: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin Coverdesign: Rudolf Hübler, Berlin
Inhalt / Contents 1. Halbband / Volume 1 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Preface . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften The Dependency and Valency Paradigm in the Arts and Sciences Klaus Mainzer, Das Abhängigkeitskonzept in den Wissenschaften . . . . Stefan Pongo´, Die Wertigkeitsmetapher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurt Otto Seidel, Valenzverwandte Ansätze in der Antike . . . . . . . . . Lauri Seppänen, Mit der Valenz verwandte Begriffe im Mittelalter: ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jonathan Owens, Valency-like Concepts in the Arabic Grammatical Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dieter Cherubim, Valenzverwandte Ansätze in Humanismus und Aufklärung: ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Mudersbach, Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II.
Lucien Tesnie`re und seine Zeit Lucien Tesnie`re and his Times
8. 9. 10.
Jean Fourquet, Lucien Tesnie`re. Ein Zeugnis 1933⫺1993 . . . . . . Hans Jürgen Heringer, Lucien Tesnie`re. Sein Leben . . . . . . . . . . John Ole Askedal, Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnie`re . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Engelen, Die Wortartenlehre bei Lucien Tesnie`re . . . . . Gerd Wotjak, Zu Tesnie`res Semantikkonzept . . . . . . . . . . . . . . Edeltraud Werner, Das Translationskonzept Lucien Tesnie`res . . . Hans Jürgen Heringer, Die Junktionstheorie Lucien Tesnie`res . . . Richard Waltereit, Negation und Frage bei Lucien Tesnie`re . . . . . Peter Koch, Metataxe bei Lucien Tesnie`re . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Werner Eroms, Die Wegbereiter einer deutschen Valenzgrammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.
XI XV
... ... . . . . . . .
. . . . . . .
1 7 14 20 26 32 37
67 70
. . . . . . .
80 100 108 115 129 139 144
...
159
VI
Inhalt / Contents
III.
Dependenz. Grundlagen und Grundfragen Dependency. Basic Principles and Basic Issues
18.
Willy Van Langendonck, The Dependency Concept and its Foundations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Igor Mel’cˇuk, Levels of Dependency Description: Concepts and Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pa´l Uzonyi, Dependenzstruktur und Konstituenzstruktur . . . . . . . . . Hans-Werner Eroms, Hans Jürgen Heringer, Dependenz und lineare Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Colliander, Dependenzstruktur und grammatische Funktion . . . Stanley Starosta, Dependency Grammar and Lexicalism . . . . . . . . . Wha-Young Jung, Rektion und Kongruenz in der Dependenzgrammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Bröker, Formal Foundations of Dependency Grammar . . . . . Elisabeth Leiss, Empirische Argumente für Dependenz . . . . . . . . . . . Henning Lobin, Dependenzgrammatik und Kategorialgrammatik . . . . Thomas Michael Groß, Dependency Grammar’s Limits ⫺ and Ways of Extending Them . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28.
IV.
Valenz. Grundlagen und Grundfragen Valency. Basic Principles and Basic Issues
29. 30. 31.
Gisela Zifonun, Grundlagen der Valenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Jacobs, Die Problematik der Valenzebenen . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Meinhard, Ebenen der Valenzbeschreibung: Die logische und die semantische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Richard Wolf, Ebenen der Valenzbeschreibung: Die syntaktische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Harnisch, Ebenen der Valenzbeschreibung: die morphologische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christina Gansel, Valenz und Kognition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viktor S. Xrakovskij, Valenz und Sprachtypologie . . . . . . . . . . . . . . Charles Fillmore, Valency and Semantic Roles: the Concept of Deep Structure Case . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Welke, Valenz und semantische Rollen: das Konzept der ThetaRollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marcel Vuillaume, Valenz und Satzbauplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henrik Nikula, Valenz und Pragmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.
V.
Dependenzielle Theorien Dependency Theories
40. 41. 42. 43.
Richard Hudson, Word Grammar . . . . . . . . . . . . . . . . . Stanley Starosta, Lexicase Grammar . . . . . . . . . . . . . . . Sylvain Kahane, The Meaning-Text Theory . . . . . . . . . . . Eva Hajicˇova´, Petr Sgall, Dependency Syntax in Functional Generative Description . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170 188 230 247 263 270 282 294 311 325 331
352 378 399 404 411 422 444 457 475 484 499
....... ....... .......
508 526 546
.......
570
Inhalt / Contents
44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51.
Peter Hellwig, Dependency Unification Grammar . . . . . . . . . . . . . Klaus Schubert, Metataxe: ein Dependenzmodell für die computerlinguistische Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karel Oliva, Dependency, Valency and Head-Driven Phrase-Structure Grammar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Srinivas Bangalore, Aravind K. Joshi, Owen Rambow, Dependency and Valency in Other Theories: Tree Adjoining Grammar . . . . . . . . . . . Dan Maxwell, The Concept of Dependency in Morphology . . . . . . . Henning Lobin, Konzeptuelle Semantik als dependenzielle Theorie . . . Wolfgang Menzel, Semantische Netze und Dependenzgrammatik . . . . Claudia Villiger, Dependenzielle Textmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI.
Valenz: Schwerpunkte der Forschung Valency: Core Research Areas
52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60.
Marja Järventausta, Das Verb als strukturelles Zentrum des Satzes . . . Irma Hyvärinen, Der verbale Valenzträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Storrer, Ergänzungen und Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . Marja Järventausta, Das Subjektproblem in der Valenzforschung . . . . Heinz Vater, Valency Potency and Valency Realization . . . . . . . . . . Fritz Pasierbsky, Toward a Classification of Complements . . . . . . . . Kjell Johan Sæbø, Valency and Context Dependence . . . . . . . . . . . . Wolfgang Teubert, Die Valenz nichtverbaler Wortarten: das Substantiv Thomas Michael Groß, The Valency of Non-Verbal Word Classes: the Adjective . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gertrud Gre´ciano, Probleme der Valenz in der Phraseologie . . . . . . . .
61.
2. Halbband (Überblick über den vorgesehenen Inhalt) / Volume 2 (Preview of Contents) VII.
Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten Grammatical Phenomena as Seen from Dependency and Valency Viewpoints
62.
Ludwig M. Eichinger, Wortstellung: die verbalen Teile ⫺ Interne Valenzen und Klammerhierarchie Ursula Hoberg, Wortstellung: valenzgebundene Teile und Positionspräferenzen Erwin Koller, Wortstellung: textfunktionale Kriterien John Ole Askedal, Infinitivkonstruktionen Wilhelm Oppenrieder, Subjekt- und Objektsätze Henrik Nikula, Unpersönliche Konstruktionen Renate Pasch, Adverbial- und Relativsätze Eva Breindl-Hiller, Präpositionalphrasen Josef Schmid, Die „freien“ Dative Roman Sadzin´ski, Konversen und Diathesen
63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71.
VII
593 636 660 669 678 684 691 703
717 738 764 781 794 803 814 820 835 843
VIII
72. 73. 74. 75. 76. 77. 78.
Inhalt / Contents
Henning Lobin, Koordination in Dependenzgrammatiken Wilfried Kürschner, Negation in Dependenzgrammatiken Thomas A. Fritz, Modalität in Dependenzansätzen Hans-Werner Eroms, Diskurspartikeln und Modalwörter Jürgen Erich Schmidt, Serialisierung in der Nominalphrase Stefan Schierholz, Flexion in der Nominalphrase Ludwig M. Eichinger, Dependenz in der Wortbildung
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung Dependency in Computer-Based Language Processing 79. 80. 81.
Peter Hellwig, Parsing with Dependency Grammars Helmut Horacek, Generierung mit Dependenzgrammatiken Klaus Schubert, Maschinelle Übersetzungen mit Dependenzgrammatiken
IX.
Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik Dependency and Valency in Contrastive Linguistics
82.
Marja-Leena Piitulainen, Dependenz und Valenz in der kontrastiven Syntax: ein Überblick Rudolf Emons, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Englisch Albrecht Plewnia, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Französisch Teresa Bianco, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Italienisch Christian Fandrych, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Spanisch Norbert Nübler, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Russisch Christoph Schatte, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Polnisch Ulrich Engel, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Serbisch/Kroatisch Emilia Baschewa-Monova, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Bulgarisch Sperant¸a Sta˘nescu, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Rumänisch Siamak Mohadjer-Ghomi, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Persisch Irma Hyvärinen, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Finnisch Jan Daugaard, Contrastive Case Study: German ⫺ Danish Peter Bassola, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Ungarisch Abdesrazzaq Msellek, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Arabisch Han Wanbeng, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Chinesisch Susumu Zaima, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Japanisch Lie Kwang-Sook, Mi-Kyung Hong, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Koreanisch
83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. 99.
X.
Das Valenzkonzept in der Grammatikographie The Valency Concept in Grammaticographical Studies
100.
Ulrich Engel, Das Valenzkonzept in der Grammatikographie: ein Überblick Dorothea Kobler-Trill, Anita Schilcher, Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: deutsche Schulgrammatiken und Sprachbücher
101.
Inhalt / Contents
102. 103. 104.
Karl-Ernst Sommerfeldt, Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Gebrauchsgrammatiken Elke Hentschel, Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Handbuchgrammatiken Maria Thurmair, Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Grammatiken für Deutsch als Fremdsprache
XI.
Das Valenzkonzept in der Lexikographie The Valency Concept in Lexicography
105.
Jaqueline Kubczak, Valenzinformationen in allgemeinen einsprachigen Wörterbüchern Peter Bassola, Valenzinformationen in allgemeinen zweisprachigen Wörterbüchern Helmut Schumacher, Deutschsprachige Valenzwörterbücher Winfried Busse, Valenzwörterbücher in anderen Sprachen Ludwig M. Eichinger, Kontrastive zweisprachige Valenzwörterbücher
106. 107. 108. 109.
XII.
Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche The Valency Concept in Research into the History of Language: Selected Areas
110. 111. 112. 113. 114. 115. 116. 117.
Hans Jürgen Heringer, Prinzipien des Valenzwandels Jarmo Antero Korhonen, Valenzwandel am Beispiel des Deutschen Albrecht Greule, Historische Fallstudie: Althochdeutsch Hans-Joachim Solms, Historische Fallstudie: Mittelhochdeutsch Jarmo Antero Korhonen, Historische Fallstudie: Frühneuhochdeutsch Rosemarie Lühr, Historische Fallstudie: Altsächsisch Herbert Schendl, Historische Fallstudie: Alt- und Mittelenglisch Peter Stein, Claudia Benneckenstein, Historische Fallstudie: Altfranzösisch Tama´s Forga´cs, Historische Fallstudie: Altungarisch
118.
XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen The Valency Concept in Other Areas of Research 119. 120. 121. 122.
Franz Simmler, Varietätenlinguistik: Fachsprachen Bernhard Sowinski, Varietätenlinguistik: Sprache der Literatur Franz Patocka, Varietätenlinguistik: Dialekte Heidrun Gerzymisch-Arbogast, Valenz und Übersetzung
IX
Vorwort Zielsetzungen Neben der generativen Grammatik, die zunächst den Satz als rekurrente Anwendung gleicher Regelteile konstitutionell aufgebaut und im Bedarfsfall umgeordnet angesehen hat, haben sich etwa zur gleichen Zeit, in den fünfziger Jahren, andere Konzeptionen entwickelt, die stärker auf die funktionale Seite des Satzes abgestellt waren. Denn nicht nur die gesamte linguistische Tradition, auch die neueren formalen Theorien fordern eine funktional erklärende, der Bedeutung der Sätze gerecht werdende Konzeption. Solchen Anforderungen werden unter den neueren grammatischen Konzeptionen die Dependenz- und Valenztheorien gerecht. ‘Dependenz’ als grammatisches Konzept, das die gerichtete Verkettung von Wörtern zum Ausgang nimmt, und ‘Valenz’ als komplementäre Annahme, dass Wörter Leerstellen um sich eröffnen, die zu füllen sind, haben sich als fruchtbare grammatische Ansätze erwiesen, mit denen die Grundstruktur von Sätzen und auch die Ausbaumöglichkeiten erfasst werden können. Ansätze zu solchen Sichtweisen sind an verschiedenen Stellen entwickelt worden, besonders im deutschen und französischen Bereich. Im letzteren ist das Werk von Lucien Tesnie`re, Ele´ments de Syntaxe Structurale von 1959, ein methodischer Entwurf, in dem sowohl ‘Valenz’, als syntaktisches Grundprinzip, insbesondere des Verbs, und ‘Dependenz’ als syntaktisches Steuerungsprinzip, in einer Weise verbunden sind, mit der strukturalistische, und darin von der ‘Bedeutung’ von Sätzen weitgehend abstrahierende Ansätze deutlich überschritten werden. Die Rezeption dieses Ansatzes, Eigenentwicklungen auf der Basis vergleichbarer Annahmen und gegenseitige Beeinflussung haben zu einer inzwischen weitverzweigten Forschungslage geführt. Das Handbuch gibt einen Überblick über den Stand der Forschung, aus dem zweierlei deutlich wird: Einerseits sind die Grundannahmen von Dependenz und Valenz in ihrer Einfachheit und Stringenz Prinzipien, die wesentliche Einsichten über die Struktur des Satzes ermöglichen. Darin sind sie auch von eminent praktischer Bedeutung. Die einzelsprachliche und die kontrastive Linguistik haben eine Fülle von Arbeiten, vor allem Kompendien und Handbücher hervorgebracht, mit denen die Syntax ihren zentralen Platz in der Grammatik rechtfertigt. Das zweite ist, dass die genannten Prinzipien auch in grammatischen Theorien, die zunächst anders aufgebaut waren, eine Rolle spielen. Von der allgemeinen Syntax, in der Fremdsprachenforschung und -praxis und in der Computerlinguistik werden Elemente der Valenzkonzeption und der Dependenztheorie genutzt. Mit den Grundprinzipien können so gut wie alle grammatischen Phänomene dargestellt werden. Es werden ebenso theoretische Linguisten angesprochen wie Praktiker aus allen linguistischen Sparten, insbesondere Lehrende des Mutter- und Fremdsprachenunterrichts sowie an der linguistischen Datenverarbeitung Interessierte.
Aufbau des Handbuchs Das Handbuch stellt im ersten Teilband zunächst die wissenschaftsgeschichtlichen Voraussetzungen der Konzeptionen dar und behandelt sodann die einzelnen Theorie-
XII
Vorwort
teile ausführlich. Theorie und Empirie wird gleichermaßen Rechnung getragen. Das Kapitel I stellt die Idee und die Ausarbeitungsmöglichkeiten der Abhängigkeit und der Valenz in einem weiteren wissenschaftstheoretischen und wissenschaftsgeschichtlichen Rahmen vor. Es verfolgt zunächst den Gedanken der Abhängigkeit in Mathematik, Logik und Naturwissenschaften, sodann den Weg der Grundidee über die Ausbildung der Wertigkeitsmetapher in die Geisteswissenschaften und insbesondere in die Grammatik. Das Kapitel II ist dem eigentlichen Begründer der Valenzlehre, Lucien Tesnie`re, gewidmet. Es behandelt seinen Ansatz wissenschaftsgeschichtlich und bringt ihn in den Zusammenhang seiner wissenschaftlichen Biographie. Darüber hinaus werden die Komponenten der Tesnie`reschen Theorie in Einzelbeiträgen dargestellt und expliziert. Nach einer Würdigung der Persönlichkeit Tesnie`res und seiner Tätigkeiten als Lehrer und Forscher wird sein grammatisches System in den Grundzügen beschrieben und die einzelnen Bausteine der Tesnie`reschen Theorie werden dargestellt. Den Schluss des Kapitels bildet ein Abschnitt, der den Auffassungen über Wertigkeiten und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Grammatik in der neueren germanistischen Tradition nachgeht. Das Kapitel III hat die Funktion, die Grundlagen des Dependenzbegriffes darzustellen und die mit diesem Ansatz verbundenen Grundfragen zu diskutieren. Zunächst erfolgt eine Grundlegung von ‘Dependenz’ als grammatikologisches Konzept. Hier werden die Reichweite des Abhängigkeitsbegriffs und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Grammatikschreibung dargestellt. Sodann erfolgt die für dieses Kapitel besonders wichtige Gegenüberstellung der Begriffe der Dependenz und der Konstituenz, weiter das Verhältnis von dependenzieller Struktur und linearer Ordnung. Die oft behauptete, aber selten im einzelnen dargelegte enge Beziehung zwischen Dependenzgrammatik und Kategorialgrammatik ist Gegenstand eines Artikels. Das Kapitel wird abgeschlossen mit einer Diskussion der Grenzen dependenzieller Systeme und der Darstellung einiger bereits vorgeschlagener Erweiterungen. Das Kapitel IV klärt die grundlegenden Annahmen der Valenztheorie und zeigt die Reichweite des Valenzbegriffes auf. Zunächst wird auf dem Hintergrund der Forschung „Valenz” als allgemeine Eigenschaft von Wörtern, Leerstellen um sich zu eröffnen, bestimmt. An der Valenz des Verbs werden exemplarisch wesentliche Eigenschaften dieser Bindungskapazitäten der Wörter erarbeitet und in ihren Auswirkungen auf die Syntax verfolgt. Andere Wortarten werden einbezogen. In der Forschung hatte sich frühzeitig gezeigt, dass eine genaue Bestimmung der Ebenen, auf denen sich die Steuerungseigenschaften der Wörter, insbesondere des Verbs niederschlagen, nötig ist. Generell werden die Valenzschichtungen beschrieben, wobei das zunächst als einheitlich erscheinende Phänomen der Valenz differenziert und problematisiert wird. Es wird die Kognitionsforschung einbezogen und die Sprachtypologie. Ebenfalls ein universales Raster betrifft das Konzept der ‘Tiefenkasus’ (Kasusrollen, Theta-Rollen), das derzeit in allen gängigen semantischen und syntaktischen Theorien einen zentralen Platz einnimmt. In den folgenden Artikeln werden die ‘Tiefenkasus’ aus der Sicht der Valenzlehre behandelt, d. h. es wird die Kompatibilität mit bzw. die Redundanz zu den durch Valenz geforderten Aktanten und den Circonstanten in Rechnung gestellt. Weiter werden Satzmodelle und pragmatische Aspekte behandelt. Kapitel V gibt zunächst einen Überblick über die grammatischen Theorien, die ganz oder zu Teilen dependenzbasiert sind. Sodann werden Aus- und Einwirkungen dependenzieller Grundannahmen für nichtsyntaktische Komponenten der Grammatik disku-
Vorwort
XIII
tiert. Im einzelnen werden folgende Ansätze behandelt: Die Word Grammar, die Lexicase Grammar, das Meaning-Text-Modell, die Functional Generative Description, die Dependenzielle Unifikationsgrammatik. Die Reichweite des Dependenzprinzips als Ordnungsrelation und Strukturierungsmöglichkeit führt zu teilweise völlig neuen Einsichten und hat Auswirkungen auf benachbarte Teiltheorien und grammatische Gesamtkonzeptionen. Kapitel VI hat die in der modernen Valenzforschung am häufigsten thematisierten und am intensivsten diskutierten Probleme zum Gegenstand. Besonderes Gewicht liegt auf denjenigen Fragen, die den theoretischen Anspruch der Valenzforschung als einer lexikonbasierten grammatischen Teiltheorie begründen, unter anderem die Frage des Zentralregens, die grundlegende Unterscheidung zwischen Ergänzungen und Angaben, das Subjektsproblem und die Valenz bei anderen Wortarten und in der Phraseologie. Der zweite Teilband beginnt mit einer ausführlichen Darstellung grammatischer Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten. Die Nutzung von Dependenz und Valenz in der maschinellen Sprachverarbeitung schließt sich daran an. Die restlichen Kapitel behandeln die kontrastive Linguistik, die Grammatikographie, die Lexikographie, die historische Linguistik und weitere linguistische Forschungsbereiche, in denen Dependenz und Valenz von Wichtigkeit sind. Kapitel VII zeigt Folgendes: Die dependenziellen Verhältnisse, welche von der Valenz des Verbs herzuleiten sind, müssen sich als Instruktionen in der syntaktischen Kodierung wiederfinden. Die Artikel dieses Kapitels behandeln unter anderem Stellungsmuster des Deutschen, besonders die Satzklammer, Infinitivkonstruktionen, Subjekt- und Objektsätze, unpersönliche Konstruktionen, die sogenannten freien Dative, das Passiv und andere Diathesen und die Negation. Weitere Schwerpunkte sind die Modalität, Diskurspartikeln und Modalwörter sowie die Nominalphrasen und die Wortbildung. Kapitel VIII behandelt die Anwendung des dependenzgrammatischen Ansatzes im Rahmen der Computerlinguistik. Das Kapitel beginnt mit einer Darstellung der grundsätzlichen Aufgaben eines Parsers und gängiger Verfahren bei der Erzeugung von Dependenzstrukturen. Es folgen vertiefende Artikel zu ableitungs- und valenzbasierten Parsern. Weitere zentrale Anwendungsbereiche der Dependenzgrammatik liegen in der Entwicklung und Funktion maschineller Übersetzungssysteme und der maschinellen Erkennung gesprochener Sprache. In Kapitel IX wird zunächst ein Überblick gegeben, welche Rolle Valenz und Dependenz in kontrastiven Darstellungen spielen und welche spezifische Ausformung generelle Annahmen und Probleme kontrastiver Behandlung hier finden. In den weiteren Artikeln dieses Teils wird die in diesem Bereich für verschiedene Sprachpaare im Vergleich mit dem Deutschen geleistete Arbeit dargestellt, systematisiert und vorhandene Beschreibungen werden ausgebaut. In allen diesen Artikeln wird von einem dependenziellen Rahmen ausgegangen. Die verbale Valenz steht im Vordergrund. Die Artikel sind einheitliche abhängigkeitsgrammatische Sprachvergleiche. Kapitel X belegt, in welcher Weise der Valenzbegriff in die Grammatikschreibung aufgenommen worden ist. Zunächst erfolgt ein Überblick, in dem unter anderem gezeigt wird, dass derzeit so gut wie alle Grammatiken in irgendeiner Weise valenzbasiert sind. Sodann werden sogenannte Schulgrammatiken daraufhin untersucht, in welcher Weise die Valenz aufgenommen, motiviert und u. a. zur Beschreibungsvereinfachung genutzt wird. Analoge Fragestellungen, abgestimmt auf die jeweilige Zwecksetzung, werden für Gebrauchsgrammatiken, grammatische Handbücher und Grammatiken für den Unterricht in Deutsch als Fremdsprache angegangen.
XIV
Vorwort
Im Kapitel XI werden die Voraussetzungen und die Ergebnisse valenzlexikologischer Unternehmungen dargestellt und zwar in ein- und zweisprachigen Wörterbüchern sowie in für die DaF-Praxis entworfenen kontrastiven zweisprachigen Valenzwörterbüchern. Kapitel XII hat die historische (synchrone wie diachrone) Dimension der Valenzforschung zum Gegenstand, zunächst den allgemeinen Valenzwandel. Danach folgt eine Reihe von historischen Fallstudien. Kapitel XIII schließt das Handbuch ab und stellt verschiedene Bezüge zu anderen linguistischen Forschungsbereichen her, in denen das Konzept der Valenz bereits eine Rolle gespielt hat, unter anderem zur Varietätenlinguistik und zur Übersetzungswissenschaft.
Dank Unser Dank gilt den Autoren der Artikel, die zum Teil eine längere Wartezeit in Kauf genommen haben, dem Verlag für die hervorragende Betreuung und exzellente Gestaltung des Bandes, schließlich den Helfern und Helferinnen in Passau, Maurice Flatscher, Katrin Flexeder, Carina Hofmann, Guta Rau, Thomas Stolz und Imelda Wagner, ohne deren Einsatz der Band nicht fertig geworden wäre. Vilmos A´gel, Szeged Ludwig M. Eichinger, Mannheim Hans-Werner Eroms, Passau Peter Hellwig, Heidelberg Hans Jürgen Heringer, Augsburg Henning Lobin, Gießen
Preface Goals of the Handbook In addition to generative grammar, which viewed the sentence as being constituted, in the first place, by a recursive use of the same regular structures that could, when necessary, be rearranged, other conceptions were developed at about the same time, during the fifties, which laid greater emphasis on the functional side of the sentence. For it is not just the whole of traditional linguistic theory, but, equally, the more recent formal theories which demand a conception of the sentence that both explains its function and does justice to its meaning. Amongst the more recent grammatical conceptions, dependency and valency theories meet such demands extremely well. “Dependency”, as a grammatical concept which assumes that words are arranged in meaningfully interconnected chains, as well as “valency”, describing the complementary assumption that words open up slots around themselves which need to be filled, have proved to be fruitful grammatical approaches to comprehending the basic structure of sentences and to grasping the ways in which the latter can be extended. Such theoretical approaches have been developed in various places, in particular by linguists in the German and French-speaking world. It is from the latter that Lucien Tesnie`re’s “Ele´ments de Syntaxe Structurale” originates, a work published in 1959. Tesnie`re’s methodological stance is to link “valency” as the basic syntactical principle, especially for the verb, and “dependency” as the governing principle of syntax in a way that clearly transcends structuralist theories or theories which are largely removed from the “meaning” of sentences. The reception of Tesnie`re’s ideas, together with independently developed theories based on comparable assumptions, and the mutual influence exercised by one on the other, have today combined to create a broad body of research. The handbook provides an overview of the current status of this research, in which two things are demonstrated quite clearly. In the first place, the basic assumptions of dependency and valency represent principles, which, in their simplicity and stringency, offer vital insights into the structure of the sentence. They are thus of eminently practical significance. Both language-specified and contrastive linguistics have produced a wide range of works, above all compendia and handbooks, in which the central roˆle taken by syntax in grammar has been justified. In the second place, the above-mentioned principles also play a part in grammatical theories, which were originally based on different premises. Elements taken from the valency conception and dependency theory are used by general syntax, in foreign-language research and practice and in computer linguistics. The basic principles can be used to depict virtually every grammatical phenomenon. Theoretical linguists will find this handbook just as useful as practitioners in all the various fields of linguistics, in particular both native-language and foreign-language teachers and all those interested in the linguistic side of data processing.
XVI
Preface
Contents In its first volume, the handbook begins by presenting the historical background of the theories in which the conceptions are rooted and then goes on to deal in detail with the individual elements of the theory. Equal consideration is given to theoretical and empirical work. Chapter I introduces the concepts of dependency and valency, together with the opportunities for further elaborating these ideas, in the wider context of academic theory and the history of ideas. It begins by tracing the concept of dependency in mathematics, logic and the natural sciences. It then goes on to trace the course taken by the basic concept, via the elaboration of the valency metaphor, as it was adopted in the arts and, in particular, in the study of grammar. Chapter II is devoted to the founder of valency theory proper, Lucien Tesnie`re. It deals with his theory in the context of the history of ideas and relates it to his academic biography. Over and above this, the components that go to make up Tesnie`re’s theory are elaborated and elucidated in separate articles. After Tesnie`re’s biographical history, as well as his activities as a teacher and his research work have been assessed, the basic characteristics of his grammatical system are described, and the individual elements on which Tesnie`re’s theory is built are portrayed. The chapter concludes with a section, which explores the various views on valencies and the consequences that the latter have had on grammar in recent German studies. In Chapter III, the object is to describe the basic principles of the dependency concept and to discuss the basic issues involved with this theoretical approach. To begin with, a basic definition of “dependency” as a concept belonging to grammaticographical theory is undertaken: the scope of the dependency concept and the resulting consequences for grammatical studies are portrayed. The following articles deal with a central issue in this chapter, namely the confrontation of the two concepts dependency and constituency, and with the problems concerning the relationship between dependency structures and linear organisation. Furthermore the close relationship between dependency grammar and categorial grammar, a link that has been often posited, but seldom depicted in detail, is looked into. The chapter concludes with a discussion of dependency systems’ limits and a description of some of the ways that have been suggested to date to extend them. Chapter IV clarifies what the fundamental premises in valency theory are and demonstrates the scope of the valency concept. It begins by defining “valency”, against the background of the body of research work, as the general property of words to open up slots around themselves. The essential features pertaining to words’ capacity to bind are demonstrated, using the valency of the verb as a classic example, and the effects of this on syntax are pursued. Other categories of words are also included. Research demonstrated at an early stage the importance of determining at precisely what levels words, especially verbs, unfold their governing properties. The layers on which valency operates are described generally, whilst distinctions are drawn, and questions raised, that cast new light onto the, at first glance, uniform phenomenon of valency. It is an equally universal pattern that is involved with the concept of the “deep structure case” (case roˆles, theta roˆles), which at present occupies a central position in all the current semantic and syntactical theories. In the following articles, the “deep structure cases” are dealt with from the viewpoint of valency theory, i. e. their compatibility with or, as the case may be, redundancy vis-a`-vis the actants and circonstants demanded by valency theory is considered. Furthermore clause models and pragmatic aspects are dealt with.
Preface
XVII
Chapter V begins by providing a “tour d’horizon” over the grammatical theories that are partly or wholly dependency-based. This is followed by a discussion of the impact and influence exerted by basic dependency assumptions on some of the nonsyntactical components of grammar. Each of the following individual approaches is dealt with: word grammar, lexicase grammar, the meaning-text model, functional generative description and“dependency unification grammar”. The scope of the dependency principle as an ordering factor and structuring tool can at times open up entirely new insights and it has an impact on juxtaposing sub-theories and overall grammatical conceptions. Chapter VI focusses on those issues that have been most commonly tackled and most intensively debated in modern valency research. Particular weight is given to those questions upon which rest the theoretical claim propounded by valency research for its being a lexicon-based grammatical sub-theory, for example the question of the central verb (Regens), the fundamental distinction between complements and adjuncts, problems concerning the subject, furthermore valencies of other word classes, and also valencies in phraseology. The second volume begins with a detailed description of grammatical phenomena as seen from dependency and valency viewpoints. This is followed by chapters on the application of dependency and valency concepts in computer-based language processing. The remaining chapters deal with contrastive linguistics, grammaticography, lexicography, historical linguistics and other areas of linguistic research in which dependency and valency play a significant roˆle. Chapter VII shows how the dependency relationships derived from the valency of the verb have to re-emerge as instructions in the syntactical coding. The articles in this chapter are dealing with word orders that are peculiar to the German language, especially the sentence frame, infinitive constructions, subject and object clauses, impersonal constructions, the so-called free datives, the passive voice and other diatheses, as well as negation. Other main issues are modality, as well as discourse particles, modal words, noun phrases and word formations. Chapter VIII treats the application of dependency grammar theory in the context of computer linguistics. The chapter begins with a description of the fundamental tasks performed by a parser and outlines the current processes used to produce dependency structures. This is followed by articles that go into more detail, firstly, on derivationand valency-based parsers. Other key areas in which dependency grammar is used are to be found in the development and running of computer-based translation systems and in computer recognition of the spoken language. In Chapter IX an overview is provided showing the roˆle played by valency and dependency in contrastive studies and indicating what specific form is taken in this area by the general assumptions and problems of contrastive linguistics. The remaining articles in this section describe the work done in this area on various language pairs, in each case German in comparison with another language: the work is systematized and existing descriptions are expanded. All articles take a dependency framework as their point of departure. Verbal valency plays a preeminent roˆle. The articles represent a homogenous series of language comparisons based on dependency grammar. Chapter X illustrates the reception of the valency concept in grammatical studies. To begin with, an overview is presented which shows, among other things, that today virtually all grammars are in some way based on valency. This is followed by an analysis of school grammar books to see how valency is received and motivated in them and used to simplify descriptions. Analogous questions, tailored to the respective object of interest, are addressed in relation to the stan-
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Preface
dard grammar books, to grammatical handbooks and in relation to the grammar books used to teach German as a foreign language. In Chapter XI, a look is taken at the premises on which efforts to use valency in lexicographical work have been based, together with the results that have been achieved regarding monolingual and bilingual dictionaries, as well as contrastive, bilingual valency dictionaries designed for the teaching of German as a foreign language. Chapter XII examines the historical (synchronic and diachronic) dimension of valency research. Valency changes in general are dealt with, followed by historical case studies. The handbook closes with Chapter XIII, which establishes links with other areas of linguistic research where the valency concept has already played a roˆle, for instance variety linguistics and translation disciplines.
Acknowledgements We extend our deepest thanks to the authors, who took on rather long periods of waiting, to the publishers for their exceptional support and the excellent design of this volume, and last but not least to all our helpers in Passau, Maurice Flatscher, Katrin Flexeder, Carina Hofmann, Guta Rau, Thomas Stolz and Imelda Wagner, without whose efforts this book would not have been finished. Vilmos A´gel, Szeged Ludwig M. Eichinger, Mannheim Hans-Werner Eroms, Passau Peter Hellwig, Heidelberg Hans Jürgen Heringer, Augsburg Henning Lobin, Gießen
I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften The Dependency and Valency Paradigm in the Arts and Sciences 1. Das Abhängigkeitskonzept in den Wissenschaften 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Logische Abhängigkeit von Begriffen Mathematische Abhängigkeit von Axiomen und Axiomensystemen Maschinelle Abhängigkeit von Regeln und Kalkülen Dependenz und Valenz in den Naturwissenschaften Kausale Abhängigkeit von Ereignisketten Literatur in Auswahl
Das Abhängigkeitskonzept der Wissenschaften bezieht sich nicht nur auf die grammatikalische Verkettung von Wörtern. Es reicht von der logischen Abhängigkeit von Begriffen, Regeln, Sätzen, Axiomen- und Hypothesensystemen bis zur kausalen Abhängigkeit von Atomen, Molekülen, Strukturen, Ereignisketten und dynamischen Systemen. Damit werden methodische Grundlagenfragen der formalen Wissenschaften wie Logik, Mathematik und Informatik, aber auch der empirischen Wissenschaften wie Physik, Chemie und Biologie berührt.
1.
Logische Abhängigkeit von Begriffen
In formalen Sprachen werden Begriffe, Sätze und Axiomensysteme durch Prädikatoren, Formeln und Formelsysteme dargestellt, die aus formalen Zeichen nach formalen Regeln erzeugt werden. Um das logische Abhängigkeitskonzept von Begriffen, Sätzen und Axiomensystemen zu verstehen, muss daher zunächst das Konzept einer formalen Sprache S eingeführt werden. Grundlage ist eine nichtleere Menge (‘Alphabet’) von Grundzeichen, mit denen die wohlgeformten Ausdrücke der formalen Sprache definiert werden. So enthält das Alphabet A der Quantorenlogik 1. Stufe 1) abzählbar viele Individuenvariab-
len x0, x1, x2, …, 2) Individuenkonstanten ci, n-stellige Funktionskonstanten fni und Prädikatenkonstanten Pni als nicht-logische Konstanten, 3) Junktoren (z. B. ∧, ∨ für ‘und’ und ‘oder’), Allquantor ( ) und Existenz quantor ( ) als logische Konstanten, 4) Hilfszeichen wie z. B. Klammern und Komma. Endliche Folgen solcher Grundzeichen heißen Worte über dem Alphabet A. Der Ausdruckskalkül von S legt fest, welche Worte die Terme und die Formeln von S sind. Wenn keine Unklarheiten entstehen, werden die Indizes fortgelassen und bequemere Zeichen verwendet, also z. B. der Term f (x, y) aus der 2-stelligen Funktionskonstanten f und den Individuenvariablen x und y, die Formel P (x) ∧ Q (z) aus den 1-stelligen Prädikatenkonstanten P, Q und den Individuenvariablen x, z. Unter einer zum Alphabet passenden Interpretation stehen Terme für Gegenstände aus einem Objektbereich (z. B. die Menge der natürlichen Zahlen) und Formeln für Aussagen (z. B. wahre oder falsche Aussagen der Zahlentheorie). In diesem Fall wird ein System von Formeln auch (formale) Theorie über den betreffenden Gegenstandsbereich genannt. Ein Grundbegriff einer Theorie T heißt abhängig von den übrigen Grundbegriffen von T, wenn er aus diesen Grundbegriffen nach den Definitionsregeln der Sprache von T definierbar ist. So ist z. B. der Begriff ‘Schimmel’ als weißes Pferd in der Zoologie abhängig von den Begriffen ‘Pferd’ und ‘Weiß’, der Begriff ‘Wasser’ als H2O in der Chemie von den Begriffen ‘H-Atom’ (Wasserstoff) und ‘O-Atom’ (Sauerstoff). In formalen Sprachen werden Grundbegriffe durch Prädikatenkonstanten bzw. Prädikatoren bezeichnet. Allgemein heißt ein k-stelliger Prädikator P (x, …, xk) genau dann definierbar in einer
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
Theorie T, wenn es in T eine Formel D mit den folgenden Eigenschaften gibt: 1) die Variablen x1, …, xk sind sämtlich voneinander verschieden, 2) D enthält keine anderen Variablen als x1, …, xk, 3) D enthält außer Grundzeichen und bereits definierten Zeichen der Theorie keine nicht-logischen Konstanten, 4) die Äquivalenz P (x1, …, xk,) ↔ D (bzw. die zugehörige allquantorische Formel) ist in T ableitbar. Ein Grundbegriff einer Theorie T heißt unabhängig von den übrigen Grundbegriffen von T, wenn er nicht aus diesen Grundbegriffen nach den Definitionsregeln der Sprache von T definierbar ist. So sind die Grundbegriffe der euklidischen Geometrie wie z. B. ‘Punkt’ und ‘Gerade’ in der Hilbertschen Formalisierung voneinander unabhängig. Allerdings gibt es kein allgemeines logisches Verfahren, um festzustellen, ob Grundbegriffe einer Theorie voneinander unabhängig sind. Wegen der Unentscheidbarkeit der Quantorenlogik gibt es nämlich kein algorithmisches Verfahren, um für eine beliebige Formel zu entscheiden, ob sie in der Quantorenlogik ableitbar ist oder nicht. Insbesondere gibt es kein allgemeines Entscheidungsverfahren, ob eine beliebige Formel der Bedingung 4) der Definierbarkeit quantorenlogisch ableitbar ist oder nicht. Für die Unabhängigkeit von Grundbegriffen sind daher Definierbarkeitskriterien von besonderem Interesse. Bereits 1900 hatte der italienische Logiker A. Padoa ein Nichtdefinierbarkeitskriterium vorgeschlagen. Es beruht auf der Einsicht, dass ein k-stelliger Prädikator P (x1, …, xk) von den übrigen Prädikatoren einer Theorie T sicher dann unabhängig ist, wenn man zwei Interpretationen I1 und I2 von T finden kann, die beide den gleichen Individuenbereich haben, für alle von P verschiedenen Prädikatoren von T übereinstimmen, aber für mindestens ein Beispiel von Individuenkonstanten c1, … ck die Aussage P (c1, … ck) bei I1 wahr und bei I2 falsch ist.
2.
Mathematische Abhängigkeit von Axiomen und Axiomensystemen
Padoas Kriterium der Unabhängigkeit von Grundbegriffen orientiert sich an einem auf G. Peano zurückgehenden Verfahren, um die Unabhängigkeit der Axiome einer formalen
Theorie festzustellen. Mathematikhistorisch hatte sich die Frage nach der Unabhängigkeit eines Axioms erstmals an dem Problem entzündet, ob das Parallelitätsaxiom aus den übrigen Axiomen der euklidischen Geometrie logisch folgt oder nicht. Historische Beweisversuche des Parallelitätsaxioms führten tatsächlich nur auf mathematisch äquivalente Lehrsätze. So ist z. B. die Aussage, dass es auf einer Ebene durch einen Punkt außerhalb einer Geraden genau eine Parallele gibt, äquivalent damit, dass die Winkelsumme im Dreieck zwei rechte Winkel beträgt. Die Negation des Parallelitätsaxioms führt dann zu den beiden Möglichkeiten, dass es unendlich viele oder keine Parallele durch einen Punkt zu einer Geraden gibt. Äquivalent damit ist die Aussage, dass die Winkelsumme im Dreieck kleiner oder größer als zwei rechte Winkel ist. Ersetzt man das Parallelitätsaxiom jeweils durch eine der beiden Negationsmöglichkeiten, erhält man eine von zwei möglichen nicht-euklidischen Geometrien. Allgemein heißt ein Axiom einer Theorie T genau dann unabhängig von den übrigen Axiomen dieser Theorie, wenn es nicht aus diesen Axiomen logisch folgt. Um zu beweisen, dass das Parallelitätsaxiom nicht aus den übrigen Axiomen der euklidischen Geometrie folgt, wird eine Interpretation der formalen Theorie der Geometrie angegeben, in der das Parallelitätsaxiom nicht gilt, aber alle übrigen Axiome der euklidischen Geometrie wahr sind. Fasst man die euklidischen Axiome als Formeln auf, so sind ihre Grundbegriffe wie z. B. ‘Punkt’, ‘Gerade’, ‘Ebene’ formal nichts anderes als Variablen für Prädikatoren, die wir unterschiedlich interpretieren können. Nach einem Modell von F. Klein werden ‘Punkte’ als die Punkte im Innneren eines fest vorgegebenen Kreises, ‘Geraden’ als die Sehnen dieses Kreises (ohne Eckpunkte) und ‘Ebene’ als das Innere der Kreisscheibe (ohne Randpunkte) interpretiert (Abb. 1a). In diesem Fall gelten alle Axiome der euklidischen Geometrie bis auf das Parallelitätsaxiom: Es gibt nämlich durch einen Punkt im Inneren der Kreisscheibe unendlich viele Kreissehnen, die eine vorgegebene Kreissehne nicht schneiden, d. h. in der Kleinschen Interpretation gibt es unendlich viele ‘Geraden’ durch einen ‘Punkt’, die eine vorgegebene ‘Gerade’ nicht schneiden. Während dieser Unabhängigkeitsbeweis auf die nichteuklidische hyperbolische Geometrie führt, gelangen wir mit folgender Interpretation zur nichteuklidischen sphärischen Geometrie. Als ‘Ebene’ wird die unbe-
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1. Das Abhängigkeitskonzept in den Wissenschaften
grenzte Oberfläche einer Kugel, als ‘Gerade’ werden die Großkreise (Äquator) der Kugeloberfläche, als ‘Punkte’ diametrale Punktpaare der Kugeloberfläche interpretiert. Wieder gelten (bei geeigneten Änderungen der Anordnungsaxiome) die euklidischen Axiome bis auf das Parallelitätsaxiom: Da alle Großkreise sich in diametralen Punktpaaren schneiden, gibt es diesmal keine ‘Gerade’ (Großkreis) durch einen ‘Punkt’ (diametrales Punktpaar) außerhalb einer vorgegebenen ‘Gerade’ (Großkreis), die diese ‘Gerade’ (Großkreis) nicht schneidet.
Fraenkel) ohne Auswahlaxiom widerspruchsfrei sei, dann ergibt sich eine widerspruchsfreie Theorie sowohl durch Hinzunahme des Auswahlaxioms (nach K. Gödel 1938) als auch durch Hinzunahme der Negation des Auswahlaxioms (nach P. J. Cohen 1963). Dieser Unabhängigkeitsbeweis lässt sich wenigstens als Nachweis der Verträglichkeit des Auswahlaxioms mit der übrigen Mengenlehre und Mathematik auffassen. Allgemein heißt eine Formel unabhängig von einem formalen Axiomensystem, wenn sie von diesem System nicht abhängig ist, d. h. wenn weder die Formel noch ihre Negation aus dem Axiomensystem folgerbar ist. Folgerbarkeit ist ein semantisches Abhängigkeitskonzept und bedeutet, dass jede wahre Interpretation (Modell) des Axiomensystems auch eine wahre Interpretation der gefolgerten Formel ist.
3. Abb. 1.1: Unabhängigkeitsbeweis des Parallelitätsaxioms in der hyberbolischen (a) und sphärischen (b) Geometrie
Im Hilbertschen Formalisierungsprogramm wird die Unabhängigkeit eines formalen Axiomensystems zu einer allgemeinen Forderung. Danach soll kein Axiom aus den übrigen Axiomen eines Axiomensystems folgerbar sein. Andernfalls handelt es sich um einen im Axiomensystem beweisbaren Lehrsatz und das Axiomensystem ist überbestimmt. Unabhängigkeitsbeweise führen heute zu zentralen Grundlagenfragen der modernen Mathematik. Da alle mathematischen Theorien mengentheoretisch formulierbar sind, können sie letztlich auf die (axiomatische) Mengenlehre zurückgeführt werden. Sie ist in diesem Sinn die fundamentale Theorie der Mathematik. Ähnlich wie über das Parallelitätsaxiom in der Geometriegeschichte entstand eine Debatte darüber, ob einzelne umstrittene Axiome der Mengenlehre unabhängig sind oder nicht. Es handelt sich dabei um Axiome, die wie z. B. das Auswahlaxiom zu nicht-abzählbaren und nicht-konstruktiven Mengenbildungen führen. Für nicht-konstruktive Verfahren stellt sich nämlich verschärft das Problem einer widerspruchsfreien Rechtfertigung. Setzt man allerdings (ohne bisher vorliegenden Beweis) voraus, dass die axiomatische Mengenlehre (in der Version von Zermelo-
Maschinelle Abhängigkeit von Regeln und Kalkülen
Davon zu unterscheiden ist die Ableitbarkeit als syntaktisches Abhängigkeitskonzept. Eine Zeichenreihe (z. B. Formel) heißt ableitbar in einem formalen Zeichenkalkül (z. B. formales Axiomsystem), wenn sie durch endlich viele Anwendungen von Regeln des Kalküls hergestellt werden kann. In diesem Sinn lässt sich der 1. und 2. Gödelsche Unvollständigkeitssatz auch als Unableitbarkeitssatz auffassen. Danach beweist der 1. Gödelsche Satz eine syntaktische Unabhängigkeit, nämlich daß für jedes widerspruchsfreie formale Axiomensystem, in dem die Arithmetik repräsentiert werden kann, eine Formel angebbar ist, die ebenso wie ihre Negation im System nicht ableitbar ist. Auch der 2. Gödelsche Satz beweist ein syntaktisches Unabhängigkeitskonzept, dass nämlich unter bestimmten Voraussetzungen eine Formel, mit der die Widerspruchsfreiheit des formalen Systems behauptet wird, nicht im System ableitbar ist. Nicht nur Zeichenreihen, sondern auch Regeln von Kalkülen lassen sich als syntaktische Abhängigkeitskonzepte auffassen. Eine Regel heißt unabhängig von den übrigen Regeln eines Kalküls, wenn sie im Kalkül nicht ableitbar ist. In diesem Fall gibt es mindestens eine Zeichenreihe, die im Kalkül mit dieser Regel ableitbar, aber ohne diese Regel nicht ableitbar ist. Die syntaktische Abhängigkeit von Zeichenreihen und Regeln lässt sich im Prinzip auch von Automaten und Maschinen realisie-
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
ren. So können z. B. endliche Automaten Texte und andere sprachliche Informationen verarbeiten. Ein endlicher (deterministischer) Automat besteht aus endlich vielen Inputund Outputkanälen, endlich vielen Zuständen und einem endlichen Speicher. Zwei Regeln geben eindeutig an, wie bestimmte Input- und Zustandszeichen in neue Zustände bzw. Outputzeichen transformiert werden. Ein Beispiel der Informatik sind Compiler, d. h. Programme, die Befehle in einer dem Nutzer verständlichen Programmiersprache in die Maschinensprache eines Computers übersetzen. Der Teil eines Compilers, der jede Zeichengruppe auf ihre Zulässigkeit prüft, heißt lexikalischer Scanner. Durch syntaktische Analyse von Abhängigkeiten unterscheidet ein endlicher Automat eine unendliche Zahl richtig gebildeter Zeichenketten von einer unendlichen Zahl falsch gebildeter. Voraussetzung ist, wie S. C. Kleene 1956 zeigte, dass es sich um eine sogenannte reguläre Sprache handelt. Kurz gesagt ist es bei einer regulären Sprache möglich, alle ihre Worte zu analysieren, indem von links nach rechts ein Symbol nach dem anderen gelesen wird, ohne zurück- oder vorausschauen zu müssen. Die Zulässigkeit eines Zeichens hängt höchstens von dem Zeichen ab, das unmittelbar links von dem zu beurteilenden Zeichen steht. Die Voraussetzung entspricht der Beschränktheit endlicher Automaten, die weder künftige Zustände voraussehen noch sich vergangene merken können, sondern aufgrund ihres momentanen Zustandes und Inputs einen Übergang in den nächsten Zustand wählen. Jenseits der endlichen Automaten und regulären Sprachen gibt es eine Hierarchie stärkerer Maschinen und allgemeiner Sprachen, die N. Chomsky in einer Hierarchie möglicher Modelle für natürliche Sprache geordnet hat. Dazu werden die grammatikalischen Regeln der Sprache gelockert und die Automaten durch Speicherzellen ergänzt. Ein Beispiel ist der Keller-Automat, der kontextfreie Sprachen erkennt, bei denen die Zulässigkeit eines Symbols vom linken und vom rechten Nachbarn abhängt. Hebt man diese Beschränkung auf, so erhält man kontextabhängige Sprachen, bei denen weit auseinanderliegende Symbole miteinander in Beziehung stehen. Solche kontextsensitiven Sprachen werden von linear beschränkten Automaten erkannt, in denen sich jede von endlich vielen Speicherzellen in wahlfreiem Zugriff erreichen lässt.
In regulären, kontext-freien und kontextsensitiven Sprachen kann rekursiv entschieden werden, ob eine Zeichenkombination endlicher Länge zur Sprache gehört oder nicht. Dazu braucht man nur alle Zeichenreihen bis zu dieser Länge zu erzeugen und mit der vorliegenden Zeichenkombination zu vergleichen. Ist diese Forderung nicht erfüllt, werden Maschinen von der Komplexität der Turing-Maschine notwendig. Eine TuringMaschine ist ein endlicher Automat, der freien Zugriff auf einen unbegrenzt großen Speicher hat. Es gibt allerdings komplexe nicht-rekursive Sprachen, deren Zeichenreihen auch eine Turing-Maschine nicht in endlicher Zeit erkennen kann. Programmgesteuerte Computer sind technische Realisationen von universellen Turing-Maschinen. Hier zeigen sich also Grenzen von Computern bei der Bewältigung syntaktischer Abhängigkeiten.
4.
Dependenz und Valenz in den Naturwissenschaften
Die formalen und grammatikalischen Konzeptionen von Dependenz und Valenz haben Vorgänger in den empirischen Wissenschaften. So wie die Ausdrücke formaler Sprachen aus atomaren Bausteinen von Zeichen erzeugt werden, setzen sich auch Stoffe und Strukturen der Natur aus Atomen und Elementarteilchen zusammen. B. Russell sprach deshalb vom logischen Atomismus in Analogie zum Atomismus der Naturwissenschaften. Atomare Dependenz bedeutet, dass Eigenschaften und Wirkungen von Stoffen von ihrer atomaren Zusammensetzung abhängen. Valenz ist ein chemisches Konzept aus dem Periodensystem der Elemente. Gemeint ist damit die Eigenschaft eines Atoms, Ions oder Radikals, sich mit anderen Atomen, Ionen oder Radikalen in definierten Verhältnissen zu kombinieren. Grundlage ist das Periodensystem, in dem die Elemente nach ihrem Atombau und ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften angeordnet sind. Atome besitzen einen positiv geladenen Kern, der aus Protonen und Neutronen besteht. Im Bohrschen Atommodell wird der Atomkern von schalenförmigen Bahnen von Elektronen eingeschlossen, die negativ geladen sind. Das gesamte Atom ist nach außen neutral, da die gleiche Anzahl von Protonen und Elektronen über die gleiche, aber entgegengesetzte Ladungseinheit verfügt. Wird dem Atom ein negatives Elek-
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1. Das Abhängigkeitskonzept in den Wissenschaften
tron entzogen, so überwiegt die Anzahl der positiv geladenen Protonen. In diesem Fall entsteht ein positiv geladenes Atom, das als Ion bezeichnet wird. Das einfachste Atom besteht also aus einem Proton und einem Elektron wie das H-Atom (Wasserstoff). Das nächste Atom verfügt über zwei Protonen und zwei Elektronen etc. Dieses Kombinationsprinzip lässt sich allerdings nicht beliebig fortsetzen, da Atomkerne mit zu vielen Protonen instabil werden und unter Aussendung radioaktiver Strahlung zerfallen. Jedenfalls ist es naheliegend, die empirisch bekannten chemischen Elemente durch ihre verschiedene Protonenzahl zu unterscheiden. Im Periodensystem werden daher alle Elemente mit steigender Protonenzahl in einer Reihe geordnet. Dabei folgen einander besonders ähnliche Elemente in bestimmten Abständen, die als Perioden bezeichnet werden. Es gibt eine sehr kurze Periode mit 2 Elementen, zwei kurze mit je 8 Elementen, zwei lange mit je 18 Elementen und eine sehr lange mit 32 Elementen. Ordnen wir die Elemente mit ähnlichen Eigenschaften untereinander, so ergeben sich die chemischen Gruppen. Dabei werden acht Hauptgruppen unterschieden, die mit römischen Ziffern bezeichnet werden. So umfasst Gruppe I die Alkalimetalle wie z. B. Kalium und Natrium. Gruppe VII sind die Halogene mit z. B. Chlor, Brom und Jod. Gruppe VIII sind die Edelgase. Die Gruppennummer gibt jeweils an, wie viele Elektronen auf der äußeren Schale vorhanden sind. Damit wird es möglich, die Valenz oder Wertigkeit eines Elements zu bestimmen. Valenz wird in der Regel ausgedrückt durch die Anzahl von H-Atomen oder anderen einwertigen Atomen (z. B. Cl Chlor, Na Natrium), mit denen sich ein Atom des betreffenden Elements zu einem Molekül verbinden kann. Praktisch erleichtert die Kenntnis der Valenz dem Chemiker, chemische Formeln aufzustellen und sich zu merken. Am häufigsten kommt die I-, II- und III-Valenz vor, während die höchste VIII-Valenz sehr selten ist. Das gleiche Element kann verschiedene Valenz aufweisen. So ist z. B. das Eisen Fe im grünen FeCl2 zweiwertig, aber im braunen FeCl3 dreiwertig. Es ist offensichtlich, wie das grammatikalische Konzept der Dependenz und Valenz in Analogie zur Chemie zu verstehen ist. In der Grammatik meint Dependenz die gerichtete Verkettung von Wörtern und entspricht damit der chemischen Verbindung, wie sie insbesondere bei gestreckten Polymer-
ketten vorliegt (z. B. Äthylen): CH2-CH2CH2-CH2-CH2-CH2-. Die Bindungskräfte, die die Atome zu Molekülen oder die Moleküle zu Verbindungen höherer Ordnung vereinigen, sind sehr verschieden. Anschaulich entstehen sie durch die Verformung der Elektronenhüllen bei gegenseitiger Annäherung der Atome. In der Grammatik meint Valenz, dass Wörter Leerstellen um sich eröffnen, die mit Wörtern besetzt werden können. Diese Vorstellung entspricht der chemischen Valenz, mit der die Möglichkeit z. B. eines Atoms charakterisiert wird, sich mit anderen Atomen zu verbinden. Bei diesen Analogien muss man sich allerdings wissenschaftstheoretisch darüber klar sein, dass es sich beim Bohrschen Atommodell nur um eine vereinfachte Annäherung an die atomare Wirklichkeit handelt. Keinesfalls darf man sich Elektronen als kleine Planeten vorstellen, die auf festen Bahnen um den Atomkern wie um eine Sonne kreisen. Für Planeten lässt sich der Zustand im Sinne der Klassischen Mechanik zu jeder Zeit mit beliebiger Genauigkeit angeben, in dem Ort und Impuls bestimmt werden. Für Elektronen im Größenbereich des Planckschen Wirkungsquantums h gilt jedoch die Heisenbergsche Unschärferelation. Danach ist es prinzipiell unmöglich, Ort und Geschwindigkeit zugleich mit beliebiger Genauigkeit zu messen: Um so genauer wir den Ort messen, um so unschärfer streut der Impulswert und umgekehrt. Die atomare Wirklichkeit der Quantenmechanik ist also kein Lego-Baukasten, in dem atomare Bausteine nach den Gesetzen der klassischen Mechanik zusammensetzbar sind. Analog stellt sich für die Grammatik natürlicher Sprachen die Frage, in welchem Maße der logische Atomismus von formalen Sprachen auf die sprachliche Wirklichkeit übertragbar ist.
5.
Kausale Abhängigkeit von Ereignisketten
Von zentraler Bedeutung für die empirischen Wissenschaften ist die kausale Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit von Ereignissen und Zuständen. Ereignisse werden durch drei Ortskoordinaten im 3-dimensionalen Raum und eine Zeitkoordinate bestimmt. Eine Planetenbahn ist dann eine Ereigniskette, die durch die Gravitationseinwirkung der Sonne verursacht wird. Zustände von Systemen werden durch Zustandsfunktionen bestimmt, die
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
z. B. von Ort und Impuls oder Zeit und Energie des Systems abhängen können. So beschreibt ein Elektron zwar keine kausale Ereigniskette im Sinne einer eindeutigen Planetenbahn um einen Atomkern. Dennoch ist die kausale Entwicklung seiner Zustände eindeutig durch die ψ-Funktion der Quantenmechanik bestimmt: Der spätere ψ-Zustand zum Zeitpunkt t2 ⬎ t1 hängt eindeutig vom vorausgehenden ψ-Zustand zum Zeitpunkt t1 ab, auch wenn wir in einem ψ-Zustand z. B. Ort und Impuls nach der Heisenbergschen Unschärferelation nicht gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit messen können. Für die Alltagswelt des Menschen spielen diese quantenmechanischen Einschränkungen kaum eine Rolle. Kausale Abhängigkeiten von Ereignisketten sind grundlegend von der Wettervoraussage über die ärztliche Diagnose bis zur Rechtsprechung. Häufig sind wir jedoch auf statistische Angaben angewiesen. Zwei Ereignisse heißen statistisch unabhängig, wenn die Wahrscheinlichkeit des einen Ereignisses die Wahrscheinlichkeit des anderen Ereignisses nicht beeinflusst. Bei statistisch unabhängigen Ereignissen ist die Wahrscheinlichkeit des gemeinsamen Auftretens gleich dem Produkt der Wahrscheinlichkeiten des Auftretens der Einzelereignisse. So sind die Ergebnisse aufeinanderfolgender Würfelereignisse bei einem fairen Würfel statistisch unabhängig. Andernfalls sprich man von statistischer Relevanz. In diesem Fall ist die bedingte Wahrscheinlichkeit p (A/B) für das Eintreten von A bei vorausgesetztem Eintreten von B verschieden von der Wahrscheinlichkeit p (A) für das Eintreten von A ohne vorausgesetztes Eintreten von B, d. h. p (A) ⫽ p (A/B). Zwei Ereignisse, die kausal abhängen, besitzen offenbar statistische Relevanz. Umgekehrt muss die statistische Relevanz zweier Ereignisse aber keine gegenseitige kausale Abhängigkeit bedeuten. So erhöht das plötzliche Fallen der Barometeranzeige (A) zwar die Wahrscheinlichkeit eines Sturms (B), d. h. p (B/A) ⬎ p (B), ohne aber seine Ursache zu sein. Allerdings hängen beide Ereignisse von einer gemeinsamen Ursache ab, nämlich dem Herannahen eines Tiefdruckgebiets. In der Alltagswelt gehen wir gewöhnlich davon aus, dass ähnliche Ursachen ähnliche Wirkungen in der gleichen Größenordnung hervorrufen: Hängen wir z. B. ein kleines Gewicht an eine Feder, dann wird sie nur wenig gedehnt. Bei einem großen Gewicht wird die Feder entsprechend stark gedehnt. Das trifft
aber nur bei kausalen Abhängigkeiten zu, die wie das Hookesche Federgesetz die lineare Abhängigkeit einer Wirkung von einer Ursache bestimmen. Bei komplexen Systemen, wie einer Wetterlage, bei der viele Größen in verschiedenen Luftschichten gleichzeitig aufeinander einwirken und viele Ursachen und Wirkungen miteinander nichtlinear rückgekoppelt sind, kann sich Instabilität und Chaos ausbreiten. In diesem Fall können sich kleinste lokale Ereignisse wie z. B. ein kleiner Wirbel oder im Prinzip der Flügelschlag eines Schmetterlings zu globalen Veränderungen des Gesamtsystems aufschaukeln. Man spricht deshalb auch populär vom Schmetterlingseffekt in chaotischen Systemen. Gemeint ist die sensible Abhängigkeit ihrer kausalen Ereignisketten von geringsten Veränderungen der Anfangsbedingungen. Komplexe nichtlineare Systeme sind besonders lebende Organismen, in denen viele Zellen wechselwirken und sensibel auf Veränderungen reagieren können. In der Evolutionstheorie wird die Frage diskutiert, ob die heutige Vielfalt der Arten das alleinige Ergebnis von Evolutionsstrategien aus Selektion, Mutation und Selbstreproduktion ist oder auch von externen Zufallsereignissen (z. B. globale Katastrophen wie Meteoriteneinschläge und Vulkanausbrüche) abhängt. Schließlich geht es um die Emergenz von Geist und Bewusstsein in der Evolution. Das traditionelle Leib-Seele-Problem diskutiert seit altersher die Frage, wie und ob Leib und Seele kausal voneinander abhängen. Modern geht es um die Frage, wie Kognition, Bewusstsein und Sprache von der Dynamik des Gehirns abhängt. Fest steht heute, dass die Grammatik menschlicher Sprachen zwar nicht aus den biochemischen Gesetzen des Gehirns abgeleitet werden kann. Es gibt auch keine einzelnen Nervenzellen, die denken, sprechen und fühlen können. Allerdings waren es die kollektiven und nichtlinearen Wechselwirkungen der grauen Zellen vieler Autoren, die dieses Buch über sprachliche Dependenz und Valenz möglich machten.
6.
Literatur in Auswahl
Coulson, Charles A. (1961): Valence. New York. Ebbinghaus, Heinz-Dieter/Hermes, Hans/Hirzebruch, Friedrich/Koecher, Max/Mainzer, Klaus/ Prestel, Alexander/Remmert, Reinhold (1992): Zahlen (⫽ Grundwissen Mathematik Bd. 1). Berlin (3. Aufl.).
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2. Die Wertigkeitsmetapher Mainzer, Klaus (1980): Geschichte der Geometrie. Mannheim. Mainzer, Klaus (1995): Computer – Neue Flügel des Geistes? Die Evolution computergestützter Technik, Wissenschaft, Kultur und Philosophie. Berlin (2. Aufl.). Mainzer, Klaus (1988): Symmetrien der Natur. Ein Handbuch der Natur- und Wissenschaftsphilosophie. Berlin.
Mainzer, Klaus (1999): Zeit. Von der Urzeit zur Computerzeit. München (3. Aufl.). Mittelstraß, Jürgen (Hg.) (1980⫺1996): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie Bde. 1⫺4, Stuttgart. Salmon, Wesley C. (1984): Scientific Explanation and the Causal Structure of the World. Princeton, N.J.
Klaus Mainzer, Augsburg (Deutschland)
2. Die Wertigkeitsmetapher 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Linearisierung und Abhängigkeit Naturwissenschaften und Sprache Linguistik und Naturwissenschaften Die Metapher als ein auf Irrtum beruhender Vergleich Der Valenzbegriff ⫺ Metapher oder Struktureigenschaft? Literatur in Auswahl Die ganze Physik ist eine einzige Tautologie; Benutze für die Darstellung nur passende Tensoren, Und die Gesetze reduzieren sich allesamt auf das Faktum, Dass man mit ihnen das Gemessene beschreiben kann. Das ist die Quintessenz der deskriptiven Theorien. (William Empson, Physiker und Dichter)
Der vorliegende Beitrag behandelt Kontaktpunkte zwischen natur- und geisteswissenschaftlicher Sicht- und Denkweise. Die Valenztheorie ⫺ ähnlich wie viele andere Bereiche der Sprachwissenschaft ⫺ ist zwar letzten Endes das Ergebnis einer inneren Entwicklung linguistischer Bemühungen und Auseinandersetzungen, wurde aber auch durch Entwicklungstendenzen und Denkweisen der Naturwissenschaften stark beeinflusst. Andererseits greifen auch Naturwissenschaftler immer mehr nach Mitteln der Geisteswissenschaften, insbesondere dort, wo das klassische naturwissenschaftliche Konzept und die Mathematisierbarkeit nicht als das einzige Kriterium der Wissenschaftlichkeit gelten. Ein bereits von der klassischen Rhetorik verwendetes Mittel, das Naturwissenschaftler womöglich öfter benutzen als Geisteswissenschaftler, sind die „kleinen Lügen“, die Metaphern.
1.
Linearisierung und Abhängigkeit
Eines der charakteristischen Merkmale der menschlichen Intelligenz ist zweifelsohne die Fähigkeit, Informationen in geordneter Reihenfolge auszudrücken. Im Unterschied zu unseren nächsten Verwandten unter den Primaten befindet sich das Zentrum, das beim Sprechen eine Schlüsselrolle spielt, gleich über dem linken Ohr. Affen besitzen ein solches laterales Zentrum nicht, ihre Lautäußerungen werden durch ein für das Sprechen weniger geeignetes Zentrum zwischen den beiden Hemisphären koordiniert. Die Fähigkeit zu sprechen setzt voraus, dass der Mensch seine Gedanken in geordneter linearer Reihenfolge hervorbringen kann. Diese geordnete Artikulation, ohne die wir kaum intelligenter wären als die Primaten, nennen wir Syntax. Hier wird Syntax in einem weiteren Sinne verstanden, als sie gewöhnlich interpretiert wird. Tiere, etwa die in freier Wildbahn lebenden Schimpansen, verwenden zwar etwa drei Dutzend verschiedene „Wörter“. Informationen, die sie ihren Artgenossen vermitteln wollen, können sie etwa durch ständiges Wiederholen verstärken, sie sind aber nicht in der Lage, drei verschiedene Signale miteinander zu kombinieren. Obwohl die menschliche Sprache nur etwa vierzig phonetische Minimaleinheiten (Phoneme) kennt, kann der Mensch durch Kombinierung von bedeutungslosen Signalen sinnvolle Ausdrücke bilden, durch ihre weitere Zusammenfügung auch solche Äußerungen, die er vorher noch nie gehört hat. (Calvin 1999: 12). Wenn wir unsere Gedanken in sprachliche Form umsetzen, entsteht eine eindimensional geordnete Formation. Ihre Strukturierung ist aber zweidimensional: ihre quantifizierbaren Elemente haben nicht nur ihren Anfang und
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
ihr Ende, sondern auch eine Tiefe, deren hierarchische Strukturiertheit nur unter Einbeziehung qualitativer Merkmale nachweisbar ist. Wenn wir also die „Kräfte“, die die satzkonstruierenden Elemente „zusammenhalten“, berücksichtigen, können wir den Satz als hierarchisches Gebilde „zweidimensional“ darstellen. Der Satz als lineare Folge von Konstituenten ist quantitativ „messbar“. Er besteht aus einer endlichen Menge von Elementen, aber die Gesamtsumme ist keine bloße Addition der satzkonstruierenden Elemente. Da der Grad der Zusammengehörigkeit von Elementen des Satzes nicht unbedingt durch ihre unmittelbare syntaktische Nähe gegeben wird, brauchen wir zur Strukturbeschreibung und Interpretation eine angemessene Theorie. Neben der Generativen Transformationsgrammatik hat sich in den letzten Jahrzehnten die Valenz- und Dependenzgrammatik als alternative Theorie und Beschreibungsverfahren etabliert.
2.
Naturwissenschaften und Sprache
Wenn wir uns über die Wirklichkeit Gedanken machen, denken wir an die Kategorien von Raum, Zeit und Materie sowie an eine angenommene Kraft, die aufgrund kausaler Gesetzlichkeit wirkt und das Universum als Ganzes zusammenhält. „Zeit, Raum und ‘Kausalität’ sind die primären Faktoren der objektiven Wirklichkeit und ihr gemeinsames Fundament. Es sind die Fäden des Gewebes, welches wir Wirklichkeit nennen.“ (vgl. Verycken 1994). Die Feststellung, dass sich unsere Welt ständig verändert und entwickelt, gehört zweifelsohne zu den geläufigsten Banalitäten. Um die in ständigen Veränderungen begriffene Welt zu erforschen, die Art und Weise sowie die Ursache der Veränderungen ausfindig machen zu können, brauchen wir nicht nur auf entsprechend hohem technischen Niveau stehende Mechanismen, sondern auch ein Mittel, um die Erscheinungsformen oder Zusammenhänge benennen zu können. Solange wir uns in der von uns direkt wahrnehmbaren Wirklichkeit bewegen, scheinen beobachtete Phänomene und der gesunde Menschenverstand in Einklang zu stehen. Raum und Zeit betrachtet man als reale, unveränderliche Kategorien, die unabhängig vom beobachtenden Subjekt existieren. Zwei fundamentale Neuorientierungen im zwanzigsten Jahrhundert, Einsteins Relativi-
tätstheorie und Max Plancks Quantenmechanik, haben unsere Vorstellungen über die Beschaffenheit der Welt grundlegend verändert. Dinge werden nicht einfach wahrgenommen oder entdeckt, sondern sie werden häufig von dem Menschen selbst erschaffen oder erfunden. Unsere Logik ist so beschaffen, dass wir auch Phänomene, die sich unseren Vorstellungskräften entziehen, als etwas Reales oder zumindest geistig Vorstellbares interpretieren. Wir könnten das tun, indem wir uns der Sprache bedienen. Die Sprache besitzt die Fähigkeit, durch alltägliche Benennungsformen auch die kompliziertesten Erscheinungen der Welt zu benennen. Vor kaum achtzig Jahren schien die Beschaffenheit der Welt (und damit auch die der Sprache) unkompliziert und durch einfache mechanische Formeln erkenn- und interpretierbar zu sein. Viele Naturwissenschaftler waren der Meinung, im Geiste des von Isaac Newton geschaffenen mechanistischen Weltbildes, bereits alles entdeckt zu haben bzw. die Geheimnisse der Welt bald erforschen zu können. Die menschliche Sprache wurde ebenfalls als ein einfach funktionierender Mechanismus verstanden, den man „verbessern“ und dessen Unvollkommenheiten man beseitigen kann. Man kreierte leicht erlernbare, logische Sprachen, in denen jedem Ding der Welt ein einziges Wort entsprechen sollte. Ein Umdenken wurde in den Wissenschaften durch revolutionäre Konzepte wie Einsteins Allgemeine (1905) und Spezielle Relativitätstheorie (1915), Werner Heisenbergs Unschärferelation (1927) oder Max Plancks Quantentheorie (1931) hervorgerufen. Diese revolutionären Vorstellungen über die Natur, die Entstehung des Kosmos sowie die Beschaffenheit der Materie, deren Richtigkeit empirisch erst Jahrzehnte später bewiesen wurde, haben nicht nur das menschliche Vorstellungsvermögen beeinflusst, sie haben auch in den Geisteswissenschaften bleibende Spuren hinterlassen.
3.
Linguistik und Naturwissenschaften
Einzelne Wissenschaftszweige können voneinander isoliert nicht existieren. Neue Einsichten oder einfach nur kurzfristige Modetrends in einem Wissenschaftszweig können anderen Wissensgebieten neue Impulse geben, die nicht selten zur Entstehung neuer Theorien führen. Auch Konzepte und Beschreibungsverfahren, die in den Naturwissenschaften
2. Die Wertigkeitsmetapher
verwendet werden, finden häufig in linguistische Denkweisen und Theorien ihren Eingang. Von Linguisten selbst werden sie oft nur auf Umwegen aufgegriffen, da sie, bevor sie in linguistischen Theorien angewandt werden, oft einen weiten Weg zurücklegen müssen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Prototypensemantik oder die holistische Sprach-/ Weltbetrachtung, bei denen viele Linguisten beteuern, dass diese modernen Bedeutungsbeschreibungen Methoden der kognitiven Psychologie verwenden, um die Inhaltsseite der Sprache dort, wo die klassische Komponentenanalyse offenbar ihre Grenzen erreicht hat, beschreiben zu können. Diese Methode ist in der kognitiven Psychologie selbst ein „Importartikel“. Man hat es dem Anschein nach mit einer Vermengung von miteinander nicht vereinbarten Sichtweisen zu tun. Die Strukturierung der Sprache und die Beschaffenheit der Natur sind offenbar verschieden. Was Sprache und Physik miteinander verbindet, sind zunächst einmal die technischen Geräte, mit deren Hilfe man in der Phonetik sprachliche Erscheinungsformen quantitativ messen kann. Neuerdings stehen uns technische Geräte zur Verfügung, die die Sprache digitalisieren und visualisieren können. Sie können aber nur deswegen funktionieren, weil Wissenschaft und Technik ohne eine eigene „Sprache“ und ohne sprachwissenschaftliche Vorarbeit nicht mehr denkbar sind. Naturund Geisteswissenschaftler können ihren Forschungsgegenstand nur dann beschreiben und erklären, wenn sie auf der Grundlage der menschlichen Sprache eine Metasprache benutzen. Diese Metasprache ist oft der „Normalsprache“ ähnlich oder kann auf einer höheren Abstraktionsstufe die Fom einer mathematischen Formelsprache annehmen. Eine mathematische Formelsprache, der sich auch die Linguistik immer wieder bedient, muss nicht zwangsläufig eine höhere Abstraktionsstufe bedeuten. Wollen wir in der Physik etwa im Makrokosmos oder im subatomaren Bereich das Unvorstellbare, das Rätselhafte benennen, gebrauchen wir oft ein einfaches seit der Antike bekanntes Mittel: die Metapher.
4.
Die Metapher als ein auf Irrtum beruhender Vergleich
Die Metapher (gr. metaphora, lat. translatio), eine der Tropen der klassischen Rhetorik, spielt als sprachliches Mittel nicht nur in der
9 Poesie, sondern auch in den Geistes- und Naturwissenschaften eine bedeutende Rolle. Der Begriff, den bereits Isokrates (436⫺338 v. Chr.) als rhetorischen Terminus verwendet hat, beruht auf einer Bedeutungsübertragung von einem Begriff auf einen anderen Begriff. Sie ist daher nicht einfach als (neuer) Name, sondern als dynamisches Zeichen, als semantischer Prozess zu betrachten. Eine Metapher beruht, wie seit Cicero und Quintilian bekannt, auf einem „Irrtum“, der zugleich auf Möglichkeiten der richtigen Lösung hinweist. Ein als Metapher verwendeter Begriff unterscheidet sich von dem banalen, alltäglichen Gebrauch eines Wortes. Wenn ein Maler, Bildhauer oder Fotograf gegensätzliche, extreme Momente darstellen will, so wählt er auch Lösungen, die sich vom Alltäglichen, vom Banalen unterscheiden. „Wenn ein Terminus so aus dem geistigen Raum herausgenommen wird, für den er definiert wurde, wird er nur Metapher und bedarf möglicherweise einer neuen Definition. Damit ist das Wesen der Metapher zwar nicht erschöpft, aber wir haben hier doch einen wesentlichen Zug der symbolischen metaphorischen Sprache.“ (vgl. Ogden/Richards 1974). Wie bereits erwähnt, bedeutet die Quantentheorie neben Einsteins Relativitätstheorie eine radikale Abkehr von der klassisch-deterministischen Weltsicht. Dass hier die Quantentheorie erwähnt wird, liegt nicht einfach daran, dass Ansätze dieser Weltsicht in verschiedenen Konzeptionen über die Sprache immer häufiger auftauchen. Jede neue Theorie bedarf einer neuen Sprachverwendung, indem sie häufig nach metaphorischem Sprachgebrauch greift. Der neue Sprachgebrauch taucht später nicht selten in anderen Wissenschaftszweigen auf. Die Valenz- und Dependenzgrammatik wurde durch die Denkweise der Naturwissenschaften und durch die neue „Sprachverwendung“ tiefer betroffen, als man oft annimmt. Wir können den subatomaren Bereich mit unserem makrophysischen Alltagsdenken, indem wir uns in quantifizierbaren Abschnitten von Raum und Zeit bewegen, nicht erfassen. Hier entsteht eine unüberbrückbare Kluft zwischen den Alltagsvorstellungen und denen der Quantentheorie. Von den Naturwissenschaften werden häufig Begriffe postuliert, denen scheinbar kein existierender Gegenstand zuzuordnen ist. Grundbausteine der Materie werden nicht entdeckt, sondern eher aus Gründen der theoretischen Zweckdienlichkeit eingeführt. Elementarteilchen, die ei-
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
gentlich nicht einmal Objekte im uns geläufigen Sinne sind, werden mit Begriffen aus der Alltagssprache benannt. Zur Erklärung von Beobachtungen werden im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert häufig Metaphern verwendet. Der britische Physiker J. J. Thomson führte, um beobachtete Phänomene deuten zu können, den Begriff des Elektrons ein. Natürlich kann das Elektron direkt nicht beobachtet werden, man bekommt es nur als aufblitzendes Pünktchen auf dem fluoreszierenden Schirm zu sehen. Obwohl die Existenz des Elektrons erst 1932 durch den englischen Physiker James Chadwick nachgewiesen wurde, wurde der Begriff bereits 1912 von dem dänischen Physiker Niels Bohr für die Darstellung des Atommodells verwendet, von dem sich auch Linguisten inspirieren ließen. Sämtliche Eigenschaften von Atomen und Molekülen können durch die Wechselwirkungen der Elektronen miteinander und mit dem Atomkern erklärt werden. Da die Sprache offensichtlich über solche „Teilchen“ nicht verfügt, stößt eine linguistische Deutung dieser Metapher in der Valenztheorie offenbar auf Schwierigkeiten. Wir können noch weitere Metaphern in den Naturwissenschaften nennen, auf die Linguisten in ursprünglicher oder modifizierter Form zurückgreifen, wie etwa Feld als ein grundlegender Begriff zur Darstellung von Zuständen und Wirkungen, Feldtheorie, Quant als die kleinste Menge von irgendetwas (man denke an erkenntnistheoretische oder semantische Minimaleinheiten wie Noeme und Seme), Quantensprung (man denke an Konzeptionen der Valenzerweiterung und -reduzierung), Quark (vgl. Murray Gell-Mann 1961), Photon (obwohl 1905 von Einstein postuliert, verwendet man den Begriff erst seit 1926). Physiker scheinen bei der Bezeichnung ihres Forschungsobjektes einfallsreicher zu sein als ihre Zeitgenossen in den Bereichen der Geisteswissenschaften. Ein in der Physik bekanntes Beispiel soll dies verdeutlichen. Als 1964 Murray Gell-Mann die Gesetze der kleinsten Bausteine der Materie mathematisch zu formulieren versuchte, entlehnte er den Namen Quarks aus James Joyces Roman Finnegans Wake. Da Gell-Manns Modell schön und elegant war und trotz der Tatsache, dass man ihre Existenz bis 1986 nicht beweisen konnte, fiel es den Physikern offenbar schwer, diese Konzeption „zu den Akten zu legen“ (vgl. Brockmann 1991, 99). Inzwischen hat man sechs dieser kleinsten Grundbausteine
der Materie, die selbst nie isoliert in Erscheinung treten können, postuliert. Parallelen gibt es in den linguistischen Bestrebungen der sechziger und siebziger Jahre unseres Jahrhunderts, Wortbedeutungen als „Summe“ von Elementarpartikeln (Seme, Noeme etc.) zu ermitteln. Die semantische Analyse hat jedoch nie die Schönheit und den Einfallsreichtum der Quark-Hypothese erreicht. Die Quarks als angenommene Grundbausteine der Materie verhalten sich, als besäßen sie eine Eigenschaft, die man als „Farbe“ (engl. flavour oder flavor) bezeichnet. Neben Ladungszuständen (positiv und negativ) werden diesen Grundbausteinen auch komplementäre „Farben“ und „Antifarben“ (rot, gelb, blau) zugesprochen. Die Linguistik hat anscheinend keine „eigene“ Quark-Hypothese. Das Streben nach Exaktheit dort, wo es keine Eindeutigkeit geben kann, hat dazu geführt, dass sich die in den 70er Jahren zum Programm erklärte exakte Bedeutungsbeschreibung in vielen Bereichen als undurchführbar erwies. Da unsere normale Wahrnehmung auf makrophysische Körper und auf die Beziehungen zwischen ihnen gerichtet ist, können wir Dinge um uns herum beobachten, untersuchen, Messungen unterziehen, seien sie statisch oder dynamisch, ohne dabei die objektive Welt damit zu beeinflussen. In der subatomaren Welt verhalten sich die Dinge anders. Es ist unmöglich, eine Messung durchzuführen, ohne dabei das Gemessene nicht zu beeinflussen. Auf subatomarer Ebene versagt unser herkömmlicher Begriffsapparat. Wenn eine Erscheinung gemessen wird, existiert sie im nächsten Augenblick nicht mehr. Man braucht eine neue Denkweise, neue Begriffe, um mikrophysikalische Phänomene beschreiben und erklären zu können. Das gegenwärtig vertretene Atommodell entspricht unseren Kenntnissen aus der Schulzeit längst nicht mehr. Proton und Neutron sind keine terminalen, nicht weiter teilbaren Korpuskula, sie sind stets gebundene Zustände noch kleinerer Teilchen, die man allgemein, wie bereits erwähnt, als Quarks bezeichnet. Die Quarks sind wahrscheinlich auch nicht die allerkleinsten subatomaren Teilchen, aber wir sind nicht in der Lage, diese Zustände der Materie zu erfassen. Daher brauchen wir einen Begriffsapparat, der unserem täglichen Erfassungsvermögen entspricht: das sind die „kleinen Lügen“, die Metaphern. Metaphern spielen in den Wissenschaften aber noch eine weitere, nicht weniger wichtige Rolle. Im Arsenal der Natur- und Geis-
2. Die Wertigkeitsmetapher
teswissenschaften haben Metaphern, wie der verstorbene Philosoph Ernst Nagel gezeigt hat, Einfluss auf die Art und Weise, wie der Mensch Aspekte der individuellen, kulturellen und gesellschaftlichen Existenz wahrnimmt und deutet. Die naturwissenschaftlichen, philosophischen und ethischen Deutungen eines Platon oder Aristoteles wollten die damalige „Rechtsordnung“ der Sklavenhaltergesellschaft rechtfertigen. Das Weltbild des Ptolemaios oder fast ein Jahrtausend später die Ansichten des Thomas von Aquin wollten die damalige gesellschaftliche Ordnung auf Erden als göttlich gegeben bestätigen. Die Mechanik von Isaac Newton war nicht einfach „ein physikalisches Paradigma zur Erklärung des Verhaltens mechanischer Systeme; sie diente zumindest zeitweise auch als theoretisches Rüstzeug in wissenschaftlichen Diskussionen über die Existenz Gottes oder über die Berechtigung der monarchischen Regierungsform“ (vgl. Brockmann 1991, 162 f.). Das Paradigma vom Überleben von Ch. Darwin passte in das frühkapitalistische System des 19. Jh. zur Rechtfertigung einer rücksichtslosen Ausbeutung und eines rücksichtslosen wirtschaftlichen Wettbewerbs, „eines ebenso rücksichtslosen Imperialismus in der Außenpolitik, einer extrem individualistischen und amoralischen Ethik, aber auch bestimmter pädagogischer Konzepte usw.“ (vgl. Brockmann 1991, 162 f.). Nun deutet vieles darauf hin, dass das kooperative Verhalten in der Evolution ebenso wichtig war und ist wie die (rücksichtslose) natürliche biologische Selektion oder das nach hierarchischen Ordnungsprinzipien vorgestellte Universum. Der Gedanke des kooperativen Verhaltens der Elementarteilchen aber auch der Lebewesen, der gegenwärtig von einigen Wissenschaftlern vertreten wird, könnte ein Impuls dafür sein, dass neben der hierarchischen Organisiertheit sprachlicher Einheiten dieser Aspekt berücksichtigt wird.
5.
Der Valenzbegriff ⫺ Metapher oder Struktureigenschaft?
Der Begriff Valenz oder Wertigkeit im Sinne von Bindungsvermögen chemischer Elemente wurde in die Chemie im Jahre 1868 eingeführt. Man hatte empirisch ergründet, dass es unterschiedliche Typen von Kombinationen von Elementen gibt. Mit dem Begriff Valenz oder Wertigkeit bezeichnete man die Eigenschaft eines Elementes, die Anzahl anderer
11 Atome festzulegen, mit denen ein Atom des Elementes kombiniert werden kann. Sie entspricht den freien elektrischen Ladungen der Ionen. Ursprünglich wurde die Wertigkeit hinsichtlich der höchsten Anzahl von Wasserstoffatomen definiert. Wasserstoff wurde als Eichmaß ausgewählt, weil Forscher entdeckt hatten, dass ein Wasserstoffatom nur in der Kombination mit einem einzigen Atom vorkommen kann und daher als das einfachste aller chemischen Elemente betrachtet wurde. Auf diesem Wege konnte man feststellen, dass die typische Wertigkeit des Sauerstoffatoms 2 (wie im Wasser, also H2O), von Stickstoff 3 (NK3, Ammoniak) und des Chlors 1 (wie in Chlorwasserstoff, HCl) beträgt. Auf diesem Wege war es möglich, allen Elementen typische Wertigkeiten zuzuschreiben, auch wenn ihre Kombination mit dem Wasserstoffatom unbekannt war. In der Chemie werden unter Valenz zwei Dinge verstanden: das Bindungsvermögen der Elemente, also seine Wertigkeit; mit dem Begriff Valenz bezeichnet man aber auch die Anzahl der an ein Atom (an das Verb) gebundenen anderen Elemente. Zur Chronik der Valenztheorie gehört die allgemein bekannte Tatsache, dass der französische Linguist Lucien Tesnie`re den Begriff der Valenz in die Sprachwissenschaft eingeführt hat. Als Ausgangspunkt diente die Übernahme einer vereinfachten, der Wirklichkeit kaum entsprechenden Darstellung der Atomstruktur. Von Linguisten wird der Valenz- oder Dependenzansatz neben der Generativen Transformationsgrammatik gerne als die zweite Theorie oder das Beschreibungsverfahren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts angesehen. Diese Behauptung erscheint ein wenig übertrieben. Nachforschungen in mehreren Werken enzyklopädischer Art ergaben keinen Hinweis, um diese Behauptung zu bestätigen. In der Encyclopaedia Britannica finden sich unter valence oder valency lediglich Hinweise auf die Physik bzw. Chemie. Die slowakische Enzyklopädie der Sprachwissenschaft kennt zwar die Begriffe Valenz und Valenztheorie, erklärt aber die Dependenzgrammatik als eine Weiterentwicklung der GTR in semantischer Richtung, betont also die semantischen Kasus Fillmorescher Prägung. L. Tesnie`re war nicht der erste, der auf die Frage, welche Elemente sich an das Verb knüpfen, eine mögliche Antwort gegeben hat. Zu einer Zeit, als die Chemie vorübergehend über andere Naturwissenschaften Dominanz
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
erlangte, lag der Gedanke nahe, die „passenden Tensoren“, d. h. die Vorstellungen, die man von der Atomstruktur und der Wertigkeit des Atoms hatte, auf den Satz zu übertragen. Etwa hundert Jahre früher, wie die ungarische Linguistin I. H. Molna´r (1973, 123 ff.) berichtet im Zeitalter der Entdeckungen in der Astronomie, fand I. Brassai im Sonnensystem ein Bezugsgleichnis zum Satz. Im System, das man Satz nennt, so Brassai, sei das herrschende Zentrum das Verb, das die Planeten, die die Grammatiken als Subjekt, Objekt oder Umstandswörter bezeichnen, an sich zieht, diese wiederum zögen andere Himmelskörper, die Monde, an (vgl. H. Molna´r 1973, 125). Etwa ein Jahrhundert später verglich L. Tesnie`re ⫺ im Geiste der naturwissenschaftlichen Schulung der Gelehrten seiner Epoche ⫺ den Satz mit der Wertigkeit des Atoms. Obwohl Tesnie`res Gleichnis einerseits ein überholtes physikalisches Erkenntnisniveau übernimmt, war seine Erkenntnis, dass das Verb nicht nur einfach das strukturelle Zentrum des Satzes sei, sondern die Anzahl und Qualität der Aktanten bestimmt, eine neue Vorstellung in der Sprachwissenschaft. Man könnte noch weitere Linguisten nennen, in deren Auffassungen vor, aber auch nach Tesnie`re das Valenzgleichnis zum Vorschein kommt. So werden etwa die Kasuslehre von Jakobson und deren Weiterentwicklung bei Kuryłowicz in valenztheoretischen Einführungen erwähnt. Unerwähnt bleibt die Leistung von E. Paulı´ny, der bereits 1943 die Ansicht vertrat, dass eigentlich jedes Verb aus drei Komponenten besteht: der Handlung selbst, dem Agens und dem Patiens. Diese drei Komponenten lassen sich unterschiedlich kombinieren. Paulı´ny verstand unter verbaler Intention die Gerichtetheit des durch das Verb ausgedrückten Geschehens sowohl auf die Ausgangsgröße (Agens) als auch auf die Zielgröße (Patient). Laut dieser Konzeption setzt eine (verbale) Handlung voraus: „einen Vollzieher der Handlung, ein Agens …, die Handlung selbst … und den Gegenstand, auf den sich die Handlung bezieht“. (vgl. Paulı´ny 1943, 93, dt. Resümee). In dieser Formulierung ⫺ abgesehen davon, dass die ursprüngliche Formulierung nicht nach exakten linguistischen Kriterien geschah ⫺ wurde die verbale Handlung auf einer logisch-semantischen Ebene aufgefasst. Das Verb wurde ins Zentrum der Satzstruktur gerückt, und der explizite oder implizite Ausdruck der Valenzpartner wurde von der Semantik des Verbs
abhängig gemacht. Agens, als Entität der Tiefenstruktur (diesen Begriff verwendet er natürlich nicht), muss nicht identisch mit dem syntaktischen Subjekt und Patient mit dem syntaktischen Objekt sein. Paulı´ny hat in seiner Konzeption ein semantisch und syntaktisch gleichwertiges Merkmal gefunden, das zur Grundlage der slowakischen akademischen Grammatik wurde. Noch stärker wurde die Konzeption von J. Oravec durch die naturwissenschaftliche Denkweise beeinflusst. Nach dem Vorbild der Naturwissenschaften der sechziger Jahre unterscheidet er „starke Valenz“, die in den Valenzgrammatiken unter dem Begriff obligatorische Aktanten/Ergänzungen erscheint, und „schwache Abhängigkeit“, bei der „nur die syntaktische Unterordnung, die Zusammengehörigkeit des untergeordneten Gliedes“ (vgl. Oravec 1967, 19) mit dem Valenzträger (er verwendet den Begriff übergeordnetes Satzglied) signalisiert wird. Oravec entnimmt das Gedankengut samt entsprechenden Metaphern der Physik der 20er und 30er Jahre und schafft damit ein statisches Modell, ohne dabei von der Valenztheorie Tesnie`rescher Prägung Notiz zu nehmen. Verfolgt man die weitere Entwicklung des Valenzkonzeptes in den siebziger und achtziger Jahren, so hat man den Eindruck, dass dabei das Weltbild, das Naturwissenschaftler geschaffen haben, immer stärker in den Vordergrund tritt. Valenzbindung bedeutet in der Chemie unmittelbaren Kontakt zwischen zwei Elementen, unmittelbare „Berührung“. Die Anzahl von Wasserstoffatomen als Vergleichsbasis ist aber, wie sich herausgestellt hat, keine zufriedenstellende Lösung des Problems der chemischen Kombinationen von Elementen. Erst 1916 konnten der amerikanische Chemiker G. N. Lewis und der deutsche Forscher W. Kossel auf die Frage dadurch eine befriedigende Antwort liefern, dass sie in die Erklärung ein hypothetisches Element einbezogen. Sämtliche chemischen und physikalischen Eigenschaften von Atomen und Molekülen lassen sich durch die elektronischen Wechselwirkungen der Elektronen miteinander und mit dem Atomkern erklären. Es gibt offensichtlich Kräfte, die das ganze Universum zusammenhalten. Für komplizierte wechselseitige Beziehungen sind Kräfte wie Gravitation „verantwortlich“, die auf alle Teilchen im Mikro- und Megakosmos wirkt. Sie hat zwei grundlegende Eigenschaften: Sie
2. Die Wertigkeitsmetapher
wirkt auf weite Entfernungen und ist immer anziehend. Die stärkste Kraft ist die elektromagnetische Kraft, die auf elektrisch geladene Teilchen wie Quarks und Elektronen wirkt. Diese Kraft ist äußerst stark und überfordert unser Vorstellungsvermögen: Die elektromagnetische Kraft zwischen zwei Elektronen ist 1942mal größer als die Gravitation. Es ist eine für den „gesunden Menschenverstand“ unvorstellbare Energie. Zwei Körper, die sich durch Gravitation anziehen, lassen sich leicht voneinander trennen. Sollten miteinander durch elektromagnetische Kraft verbundene Teilchen voneinander getrennt werden, würde dies zu einer gewaltigen Explosion führen. Das ist die Kraft, die in der Physik für die Valenz „verantwortlich“ ist. Wie diese Kraft funktioniert, gehört zweifelsohne zu den Problemen, die wir nie werden direkt beobachten können. Der Valenzbegriff ist hier trotzdem nicht überflüssig; er ist eine Metapher, die viele andere Kräfte der Materie zusammenfasst. Unmittelbar beobachtbare Kräfte, die die Valenz auslösen, gibt es in der Sprache offenbar nicht. Nimmt man in der Sprache ⫺ in Analogie zu virtuellen physikalischen Teilchen ⫺ die Existenz virtueller (offenbar semantischer) Einheiten an, geht man wie der Quantenphysiker vor: Es werden Komponenten „erfunden“, die es offenbar in der vom Linguisten dargestellten Form nicht gibt, ohne die er aber nicht in der Lage wäre, auf die Frage nach dem Funktionieren der menschlichen Sprache eine Antwort geben zu können. Wenn wir darüber diskutieren, nach welchen genauen Kriterien die Valenz ermittelt werden kann, oder nach welchen Kriterien valenzgebundene Glieder von der freien unterschieden werden können, auf welcher Ebene der Valenzbegriff angesetzt werden kann, „ob es sich bei der Valenz um eine formale oder/und eine begriffliche Kategorie … handelt“ (vgl. Stepanowa/Helbig 1981, 123), führen wir offenkundig eine unfruchtbare Diskussion. Mit dem Begriff Valenz werden, wie das in den Geisteswissenschaften des öfteren der Fall ist, unterschiedliche Sachverhalte bezeichnet, die unter Umständen begrifflich differenziert werden können und müssen. Eine andere Möglichkeit wäre, auf den Valenzbegriff zu verzichten, da die verschiedenen Interpretationen zu Verwirrungen führen können. Das will aber niemand tun. Die Valenz-Metapher ist schön und elegant, nicht nur weil sie nützlich ist. In der Physik würde wohl niemand auf die Quarkhypo-
13 these verzichten, weil deren konkrete „Existenz“ noch nicht bewiesen worden ist. Wir werden nie in der Lage sein, ein „reales“ Quark zu Gesicht zu bekommen. „Existenz“ bedeutet im subatomaren Bereich keine „materielle“ Erscheinungsform im Sinne der Alltagssprache. Wir haben es hier auch „nur“ mit einer Metapher zu tun, die dazu dient, Phänomene, die mit unserer Alltagslogik nicht im Einklang stehen, verständlich zu machen. Wir sind zwar in der Lage, konkrete Sätze zu beobachten und zu analysieren, aber nach welchen Kriterien ein Satz „beobachtet“ wird, hängt davon ab, für welche Theorie sich der Beobachter entscheidet. Die Dependenzgrammatik ist nur eine der mehreren Möglichkeiten. In der Sprachwissenschaft hat sich die Valenz-Metapher als ein brauchbares Mittel erwiesen, weil man damit diffizile Strukturzusammenhänge vergegenwärtigen kann. Es ist offensichtlich nicht möglich, die wahre „sprachliche Ursache“ der Valenz zu entschleiern. Wie es Theoretikern nicht nur in den Natur-, sondern auch in den Geisteswissenschaften so oft ergeht, hat man sich in eine Idee verliebt. Auch wenn diese Idee auf die reale Ebene (strukturell, terminologisch, im Hinblick auf ihre praktische Nutzbarkeit) unterschiedlich projiziert wird und ihre theoretischen Ansätze oft divergent interpretiert werden, ist und bleibt sie eine der führenden theoretischen und in der Praxis brauchbaren linguistischen Theorien des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts, auch wenn sie im Grunde ein auf „Irrtum“ beruhender Vergleich ist. Am Anfang des Beitrages haben wir auf den Einfluss naturwissenschaftlicher Denkweisen auf die Geisteswissenschaften hingewiesen. Es erscheint angemessen, den Aufsatz mit einem naturwissenschaftlichen Lehrsatz abzuschließen. Die zweite These der Quantentheorie besagt, dass man bei der Untersuchung eines Phänomens das untersuchende Subjekt miteinbeziehen muss. Es gibt kaum eine andere linguistische Disziplin, die von den untersuchenden Subjekten so stark mitbestimmt wäre, wie die Valenz- und Dependenzgrammatik. Im Sinne der Möglichkeit, stets neue Hypothesen zu bilden, mag es auf die Stärke der Theorie deuten, für die praktische Adaptierbarkeit, z. B. im DaF-Unterricht außerhalb des deutschsprachigen Raumes, könnte man es als essentiellen Mangel der Theorie auslegen.
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6.
I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
Literatur in Auswahl
Barrow, John D. (1996): Poˆvod vesmı´ru. (The Origin of the Universe). Bratislava. Brockmann, John (1991): Einstein, Gertrude Stein, Wittgenstein & Frankenstein. Die Geburt der Zukunft. Die Bilanz eines naturwissenschaftlichen Weltbildes. München. ˇ o sa stane o chvı´l’u? Calvin, William H. (1999): C In: domino fo´rum 11, 12. Encyclopædia Britannica. Multimedia CD 98. Multimedia Edition. Hawking, Stephen W. (1991): Strucˇna´ historie cˇasu. Od velke´ho trˇesku k cˇerny´m dı´ra´m (A Brief History of Time. From the Big Bang to Black Holes). Praha. Molna´r, Ilona H. (1973): A vonzat proble´ma´i e´s a nyelv közle´si funkcio´ja (Probleme der Valenz und ´ ldie kommunikative Funktion der Sprache). In: A tala´nos Nyelve´szeti Tanulma´nyok IX, 123 ff.
Ogden, Charles Kay/Richards, Ivory Armstrong (1974): Die Bedeutung der Bedeutung. Eine Untersuchung über den Einfluß der Sprache auf das Denken und über die Wissenschaft des Symbolismus. Frankfurt. Oravec, Jan (1967): Väzba slovies v slovencˇine. Bratislava. Paulı´ny, Jan (1943): Sˇtruktu´ra slovenske´ho slovesa. Bratislava. Stepanowa, Marija D./Helbig, Gerhard (1978): Wortarten und das Problem der Valenz in der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig. Verycken, Laurent (1994): Formen der Wirklichkeit ⫺ Auf den Spuren der Abstraktion. Penzberg. Vila´girodalmi Lexikon (1982), Bd. VIII. Budapest.
Stefan Pongo´, Nitra (Slowakei)
3. Valenzverwandte Ansätze in der Antike 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Antiker Grammatikbegriff Quellen Aussagen zu Valenz- und Dependenzaspekten im Einzelnen Terminologie Zusammenfassung Literatur in Auswahl
1.
Antiker Grammatikbegriff
Eine systematische Behandlung von Valenz und Dependenz findet sich bei den antiken Grammatikern nicht. Dementsprechend fehlt auch eine feste Terminologie. Es ist also zunächst der Platz zu bestimmen, an dem Aussagen zu Valenz oder Dependenz implizit zu erwarten sind. Grammatik im antiken Verständnis umfasst die gesamte Kunde von der Literatur; zu ihr gehören eng aufeinander bezogen Textkritik, Textexegese, Sacherklärung, Worterklärung, schließlich als Grammatik i. e. S. systematische Sprachbeschreibung (vgl. Ax 1982, 96 f.; 1991, 277 f.). „Grammatik ist die auf Erfahrung (empeirı´a) beruhende Kenntnis dessen, was meistens von den Dichtern und Prosaschriftstellern gesagt wird“, definiert Dionysios Thrax (GG I 1, ⬘ 1). Sextus Empiricus (Bury 1987) erweitert in seiner Diskussion dieser Definition die empirische Grundlage der Grammatik auf den Sprachgebrauch überhaupt (Adversus mathematicos I 64) und unterscheidet als Teilgebiete der
Grammatik i. w. S. (I 91⫺93) Sacherklärungen (historikon [historischer Teil]), Aussagen zur Sprache einzelner Autoren (idiaiteron [spezieller Teil]) und einen technischen Teil (technikon), der die Regeln hinsichtlich der sprachlichen Elemente auf verschiedenen Beschreibungsebenen vom Laut/Buchstaben über Silbe und Redeteil bis hin zum Satz behandelt. Für Augustinus (De ordine II 12) umfasst die Grammatik die Verfügung über Sprache als Mittel mündlicher und schriftlicher Kommunikation (litteratio), die Lehre von den für Buchstaben, Silben und für die 8 Redeteile (octo genera verborum) geltenden Regeln, schließlich die Kenntnis der Schriften (litteratura). Valenz- oder dependenzorientierte Aussagen sind vornehmlich im technischen Teil der Grammatik im Zusammenhang der systematischen Behandlung der Redeteile (insbes. des Verbs) und ihrer Kombinationsregeln (Syntax) zu erwarten. Zusätzlich behandeln die Grammatiker einzelne Fragen der Sprachrichtigkeit in Bezug auf Flexion (Barbarismen) und Syntax (Soloecismen); im Rahmen der Beschäftigung mit solchen Soloecismen kann auch die Verbsyntax eine Rolle spielen.
2.
Quellen
Grammatische Reflexion der Antike entspringt primär aus zwei verschiedenen Quellbereichen (vgl. dazu Steinthal 21890/91; Pfeiffer 21978):
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3. Valenzverwandte Ansätze in der Antike
2.1. Dialektische Analyse Die Dialektiker befassen sich notwendig mit Fragen der grammatischen Richtigkeit, da nur grammatisch richtige Sätze eine logische Analyse zulassen. Aussagen zur Grammatik und zur Dialektik sind hier oft nicht zu trennen. Aristoteles behandelt die Grammatik des Satzes vor allem in ‘Peri hermeneias’ und in der ‘Poetik’. Großen Einfluß auf die späteren Grammatiker haben die Ergebnisse der stoischen Dialektik (Gründung der stoischen Schule um 300 v. Chr.; keine Werke erhalten, Fragmente bei Hülser 1987); hier finden sich früh Aussagen, die Valenzgesichtspunkte einbeziehen. 2.2. Homer-Philologie Sprachveränderungen im Hellenismus stellen seit dem 3. Jh. v. Chr. zunehmend die Aufgabe, den Homer-Text textkritisch zu untersuchen und inhaltlich wie sprachlich zu erklären. Diese Arbeit führt zunächst allerdings nicht zu zusammenhängenden grammatischen Darstellungen. Weder die Werke der Alexandriner Aristophanes von Byzanz (ca. 257⫺180 v. Chr.) oder Aristarch von Samothrake (ca. 216⫺144 v. Chr.) noch die der Pergamener sind erhalten. Die Fragmente und Zitate bei anderen Autoren geben keine Hinweise auf valenzbezogene Aussagen (vgl. Ax 1991). Die erste erhaltenene Darstellung der Grammatik stammt möglicherweise von Dionysios Thrax (160⫺90 v. Chr.). Seine Autorschaft und die Datierung des Werkes sind umstritten (Kemp 1991, 307 ff.), die Forschung neigt vielfach zu einer späteren Datierung auf das 3.⫺5. Jh. n. Chr.; allerdings repräsentiert die ‘Techne grammatike’ (GG I 1; Übersetzung von Kemp 1986) auch in diesem Fall ältere Quellen. Dionysios Thrax verbindet stoische und philologische Traditionen, die Grammatik emanzipiert sich von Rhetorik und Dialektik. Die Syntax behandelt er nicht, seine Aussagen zum Verb beschränken sich auf Aspekte der Formenbildung. Ausführlich beschäftigt sich Apollonios Dyskolos (1. H. 2. Jh. n. Chr.) mit der Syntax; sein Werk ‘Peri syntaxeo¯s’ (GG II; Übersetzungen von Buttmann 1877; Householder 1981) ist die einzige erhaltene griechische Behandlung syntaktischer Fragen. Die lateinischen Grammatiker bauen auf den Ergebnissen der griechischen Grammatik auf. Von Varros (116⫺27 v. Chr.) ‘De lingua latina’ (Kent 1967) sind die Bücher zu syntaktischen Themen (XIV⫺XXV) nicht erhal-
ten. Aelius Donatus (4. Jh. n. Chr.) behandelt in seiner ‘Ars minor’ nur die Redeteile, in seiner ‘Ars maior’ zusätzlich Buchstabe und Silbe sowie Barbarismen (GL IV); die Syntax bleibt unberücksichtigt. Auf Apollonios Dyskolos und andere Vorläufer stützt sich Priscian (6. Jh. n. Chr.), der das 17. und 18. Buch seiner ‘Institutiones grammaticae’ der Syntax widmet (GL II/III). Neben Donat, der vornehmlich im Elementarunterricht verwendet wurde, vermittelt vor allem Priscian das grammatische Wissen der Antike ins Mittelalter.
3.
Aussagen zu Valenz- und Dependenzaspekten im Einzelnen
Valenz- und Dependenzaspekte werden kaum direkt angesprochen. Doch finden sich in verschiedenen Kontexten Aussagen, die zeigen, dass die damit verbundenen grammatischen Phänomene bereits von antiken Grammatikern erkannt und berücksichtigt wurden. (Ich verwende im Folgenden teilweise die moderne Terminologie; vgl. aber 4.) 3.1. Vollständigkeit Der Satz (logos) wird von Dionysios Thrax (GG I 1, ⬘ 11) definiert als eine grammatisch richtige Verbindung von Wörtern, die einen vollständigen Sinn (dianoia autotele¯s) ausdrückt. Apollonios Dyskolos legt diese Definition (GG II, I 1 f.) seiner Syntax zugrunde (autotele¯s logos), spätere Grammatiker wiederholen sie. Priscian, der in seiner Syntax stark von Apollonios Dyskolos abhängig ist, definiert: Oratio est ordinatio dictionum congrua, sententiam perfectam demonstrans [Ein Satz ist eine kongruente Anordnung von Wörtern, die einen vollständigen Sinn ausdrückt.] (Institutiones grammaticae II 15, vgl. auch XVII 2/3). Vollständigkeit orientiert sich an der Bedeutung (dianoia; sententia), ist also vor allem semantisch bestimmt. Die Aussagen der Grammatiker stehen in der Tradition der aristotelischen und stoischen Dialektik. Ein vollständiger Satz muss Subjekt und Prädikat enthalten, damit sein Inhalt als wahr oder falsch bestimmt werden kann, und hierauf richtet sich das Interesse der Dialektiker. Aristoteles stellt dabei Nomen (Subjekt) und Verb (Prädikat) auf eine Stufe. Beide sind zur Bildung einer Aussage erforderlich; ein Verb allein bezeichnet „kein wirkliches Ding“ (Peri hermeneias 16b). Die Stoiker dagegen unterscheiden zwei Arten
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
von Ausdrücken (lekta): die vollständigen, z. B. Aussagen (axio¯mata), und die unvollständigen, die Prädikate (kate¯gore¯mata), die, obwohl unvollständig, dennoch eine vernünftige Vorstellung repräsentieren (Hülser Nr. 696, vgl. auch Nr. 874 ff.). Zur Vollständigkeit benötigt eine Aussage ein explizites Subjekt; der Ausdruck graphei [er-schreibt] gilt als unvollständig im Unterschied zu Sokrates graphei. Allerdings findet sich der Begriff des Subjekts bei den Stoikern nur mit Einschränkung (vgl. Baratin 1991, 201). Bei der Analyse der Prädikate gehen sie vom Verb aus, von dem her sie sowohl die grammatische Form des (logischen) Subjekts als auch der verbabhängigen Ergänzungen (prosthe¯che¯) charakterisieren (vgl. Baratin 1991, 199 ff.). Sie systematisieren die Verben nach den Kategorien ‘persönlich/unpersönlich’ und ‘vollständig/unvollständig’ (Hülser Nr. 791, vgl. auch Nr. 696, 792⫺799): (1) Verben, die allein mit einem Nomen im Nominativ eine vollständige Aussage bilden ⫽ persönliche vollständige Prädikate (symbama): Sokrates geht herum. (2) Verben, die mit einem Nomen in einem obliquen Kasus eine vollständige Aussage bilden ⫽ unpersönliche vollständige Prädikate (parasymbama): Es gereut den Sokrates. (3) Verben, die neben einem Nomen im Nominativ eine Ergänzung in einem obliquen Kasus benötigen, um eine vollständige Aussage zu bilden ⫽ persönliche unvollständige Prädikate (elatton e¯ kate¯gore¯ma bzw. symbama): Platon liebt, nämlich den Dion. (4) Verben, die neben einem Nomen in einem obliquen Kasus (als logisches Subjekt) eine Ergänzung in einem obliquen Kasus benötigen ⫽ unpersönliche unvollständige Prädikate (elatton e¯ parasymbama): Es ist … an … gelegen, nämlich dem Sokrates an Alkibiades. Da bei einem Teil der Fälle Verb und Prädikat zusammenfallen [(1) und (2)], wird nicht immer deutlich zwischen dem grammatischen Redeteil Verb und dem im Rahmen einer dialektischen Analyse der Aussage von der logischen Funktion her definierten Prädikat getrennt (zur Unterscheidung vgl. Hülser Nr. 570, 570A). Die Notwendigkeit einer Ergänzung ergibt sich aus den Bedingungen der logischen Aussagenanalyse, sie beruht auf einem semantisch-ontologischen Vollständigkeitskriterium und ist primär nicht gramma-
tisch begründet und kein inhärentes Merkmal des Verbs als Redeteil. Apollonios Dyskolos übernimmt die stoische Einteilung (III 155 ⫽ Hülser Nr. 794; vgl. auch III 187 ⫽ Hülser Nr. 795, sowie den Kommentar ebd., 946⫺949). Am Beginn seiner Syntaxdarstellung entwickelt er eine Art Weglassprobe (I 14 f.): Alle Elemente eines Satzes mit Ausnahme von Nomen bzw. Pronomen (in Subjektfunktion) und Verb (als Prädikat) können entfallen, ohne dass der Satz unvollständig wird. Da Apollonios Dyskolos ein intransitives Verb wählt (fallen), trifft dies für sein Beispiel zu. Es geht hier allerdings nicht um eine Charakterisierung von Verben, sondern um den Nachweis des Vorrangs von Nomen und Verb gegenüber den übrigen Redeteilen; an anderer Stelle (I 16) schreibt Apollonios Dyskolos im Einklang mit den Dialektikern dem Nomen die primäre Rolle zu. Dennoch geht er bei seinen weiteren syntaktischen Überlegungen fast nur vom Verb aus; ein eigenständiger Subjektsbegriff fehlt ihm wie den Stoikern ⫺ er spricht stattdessen immer vom Nominativ (onomastikos). Im vollständigen Satz fordert das Verb die Besetzung der Subjekt/(Nominativ)-Stelle, bestimmte Verbtypen benötigen zudem eine weitere Ergänzung in einem obliquen Kasus (I 46; III 8, 82). Apollonios Dyskolos unterscheidet zwischen notwendigen Ergänzungen und Angaben. Ein Satz wie: Platon lebt kann ergänzt werden durch im Hause; bei Verben, die Affekte eines Subjekts bezeichnen, kann die Ursache dieses Affekts genannt werden (Theon kommt um vor Trauer); in diesen Fällen benötigen die Verben aber die Ergänzung nicht (autoteleia [Nichtergänzungsbedürftigkeit]). Ein Satz wie Tryphon liebt ist dagegen ohne Ergänzung unvollständig (he¯mite¯les). Allerdings erkennt Apollonius Dyskolos (III 156, vgl. auch 158, 182), dass philei [liebt] auch ohne Ergänzung grammatisch richtig gebraucht werden kann, wenn nämlich allein ein Gemütszustand bezeichnet werden soll (dieser Mensch liebt); mit der Ergänzung (den Dionysios) gilt ihm der Satz jedoch als vollständiger (exergastikote¯ron). Damit ist das Phänomen freier Valenzen angesprochen. Priscian schließt sich eng an Apollonios Dyskolos an, auf den er sich häufig beruft: Weglassprobe (XVII 12/13), Vorrang des Nomens vor dem Verb (XVII 14), Notwendigkeit von Nomen und Verb zur Bildung eines vollständigen Satzes (XVII 12), stoische Systematik der Prädikate mit veränderter Termi-
3. Valenzverwandte Ansätze in der Antike
nologie (XVIII 4/5 ⫽ Hülser Nr. 798). Auch bei ihm fehlt ein eigener Subjektsbegriff, er spricht dafür von nomen oder nominativus (z. B. XVII 93). Im Zusammenhang der persönlichen ergänzungsbedürftigen Verben führt er dabei den Begriff der Transitivität (transitio) ein, stellt also eine Verbindung zur grammatisch-semantisch bestimmten Kategorie der transitiven Verben her. 3.2. Verbrektion Die Verbsyntax behandelt Apollonios Dyskolos vor allem im 2. Teil von Buch III (III 54 ff.). Die Relation Verb⫺Subjekt (⫽ Nomen im Nominativ) gerät kaum in den Blick; hier wirkt sich das Fehlen eines eigenen Subjektbegriffs aus. Auch ein Begriff für das Prädikatsnomen fehlt (vgl. z. B. II 47). Apollonius Dyskolos unterscheidet (II 48) zwischen Verben, die in sich vollständig sind (autotele¯s) und somit keine Ergänzung benötigen, und unvollständigen, damit ergänzungsbedürftigen Verben (elleipe¯s). Die Ergänzungsbedürftigkeit transitiver Verben ist semantisch begründet: die Verbbedeutung impliziert den Übergang einer Handlung (diabasis; metabasis) von einer Person auf eine andere Person/ Sache (III 148: pros hypokeimenon ti diabibazetai [geht über auf einen anderen Gegenstand]), fordert also eine Ergänzung „von Natur aus“ (III 83: rhe¯ma physei phere¯tai ep’ aitiatike¯n [das Verb fordert von Natur aus einen Akkusativ]). Fehlt bei einem transitiven Verb die Ergänzung oder steht diese im falschen Kasus, liegt ein Konstruktionsfehler (Soloecismus) vor (III 8). Da der Infinitiv als die allgemeinste, am wenigsten markierte Verbform (III 60: aparemphaton [nicht mitbezeichnend]) gilt, geht Apollonios Dyskolos zunächst von ihm aus. Handlungsleere Verben (III 58: Modalverben; III 67: unpersönliche Verben) müssen durch einen Infinitiv erweitert werden, der die jeweilige Handlung bezeichnet. Syntaktisch verhält sich der Infinitiv wie die entsprechende finite Verbform (III 78 ff.); dies gilt übrigens auch für das Partizip (III 190). Ausführlich wird die Rektion der Verben dargestellt (III 158 ff.). Die vom jeweiligen Verb bedingten unterschiedlichen Kasus werden semantisch begründet: Der Akkusativ steht, wenn eine Handlung gleich welcher Art (körperlich oder geistig) vom Subjekt ausgeht und sich auf ein anderes richtet (III 159, 168); der Genitiv wird benutzt, wenn das Verb ein (Mit-)Leiden (III 170, 173, 186) oder ein Besitzverhältnis ausdrückt (III 174); der Dativ ist erforderlich bei
17 einem Verb, das Erwerb, Nutzen, Gewinn (III 177: peripoie¯sis) oder eine gegenseitige Handlung (III 185) bezeichnet. Auch der weiteren Unterteilung dieser semantisch-syntaktisch bestimmten Verbgruppen liegen Bedeutungskriterien zugrunde. Mehrwertige Verben werden ebenfalls diskutiert, wobei wiederum das Phänomen der freien Valenz in den Blick gerät. Nach Apollonios Dyskolos ergibt sich aus dem Dativ in einem Satz wie: ich bringe dir den Wein notwendig der Akkusativ, da das Verb zwar ohne Dativ-Ergänzung verwendbar ist, bei Gebrauch der Dativ-Ergänzung aber auch die Akkusativ-Ergänzung benötigt (III 183). Bei Präfigierung (III 149) oder Kausativierung (III 153) ändert sich die Rektion des Verbs. Weitere Hinweise finden sich im Rahmen der Behandlung der Diathese. Bereits bei den Stoikern findet sich die Beobachtung, dass die Passivbildung nur bei einem Verb möglich ist, das eine syntaktische Verbindung mit einem Genitiv oder einem Akkusativ eingeht (poiei te¯n syntaxin), nicht bei einer Verbindung mit einem Dativ (Hülser Nr. 803, vgl. auch Nr. 696). Der gleiche Gedanke begegnet erweitert bei Apollonios Dyskolos: Der Übergang der durch das Verb bezeichneten Handlung auf etwas anderes (Transitivität) ist Voraussetzung der Passivfähigkeit (III 148 ff.) ⫺ im Gegensatz zu den (intransitiven) Verben ohne Übergangsbewegung (III 150: autopatheia). Verben, die ohne obliquen Kasus nur mit dem Nominativ konstruiert werden können, bilden im Gegensatz zu Verben, die eine Ergänzung benötigen, kein Passiv (III 157). Auch bei der Behandlung der Verbrektion dominieren semantisch-ontologische Kriterien. Die Rektion ist kein grammatikinternes Phänomen, die Notwendigkeit von Ergänzungen wie auch deren jeweilige Kasusform werden aus der Verbsemantik abgeleitet. Priscian übernimmt wesentliche Aussagen von Apollonios und bezieht diese auf das Lateinische. Vielfach stellt er dabei kontrastive Überlegungen an (bes. XVIII 157 ff.: illi ⫺ nostri; Attici ⫺ Romani); Verben der Sinneswahrnehmung etwa werden im Griechischen mit dem Genitiv, im Lateinischen mit dem Akkusativ konstruiert (XVIII 153). Ein Satz benötigt zur Vollständigkeit mindestens Nomen und Verb: nulla oratio sine iis completur [kein Satz ist ohne sie vollständig] (XVII 12). Ein Teil der Verben wird nur mit Nominativen verbunden (ad nominativos coniunguntur solos), andere benötigen oblique
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
Kasus (obliquos desiderant casus) (XVII 13): non enim omnia verba obliquos desiderant casus nominum vel pronominum, quomodo omnes obliqui casus verba desiderant, quoniam quaedam ex his perfecta sunt et absoluta, quaedam defectiva [nicht alle Verben benötigen Nomina oder Pronomina in obliquen Kasus, so wie alle obliquen Kasus Verben benötigen, da ja einige von ihnen (allein) vollständig und eigenständig sind, andere mangelhaft] (XVII 83). Solche absoluten Verben bilden allein mit einem Nominativ eine constructio perfecta (XVIII 135). Damit nimmt Priscian die Unterscheidung von ergänzungs- und nichtergänzungsbedürftigen Verben bei Apollonios Dyskolos auf. Allerdings können absolute Verben auch nicht-notwendige Erweiterungen (Angaben) haben (XVIII 135). Wie Apollonios unterscheidet Priscian (XVIII 136) einen transitiven und einen absoluten Gebrauch des gleichen Verbs bei semantischer Modifikation (Beispiel: amat). Auch für ihn ist der Infinitiv das verbum generale (XVIII 40), finite wie infinite Verbformen verhalten sich in Bezug auf Ergänzungen gleich (XVIII 156 f.). Auch Priscian geht wesentlich vom Verb aus, wenn er syntaktische Relationen im Satz beschreibt. Dies zeigt sich etwa in der Systematisierung der Verben nach dem Kriterium des verbspezifischen Kasusanschlusses (XVIII 127 ff.), in der Priscian wiederum Apollonios folgt. Im Rahmen von Ausführungen zum Genus verbi (genus sive significatio verbi […], quam diathesin Graeci vocant) behandelt Priscian auch den Zusammenhang zwischen Transitivität und Passivfähigkeit der Verben. Im Schlussabschnitt seiner Syntax (XVIII 157 ff.) stellt er ein kontrastiv angelegtes Lexikon der Verbrektion lat. und griech. Verben zusammen, das alphabetisch nach den griech. Verben geordnet ist. Mehr als Apollonios Dyskolos stellt Priscian den Gesichtspunkt der Transitivität, des Übergangs der Verb-Handlung auf ein anderes, in das Zentrum seiner Unterscheidung von Konstruktionstypen. Da dieser Übergang in der Verbsemantik gründet, ist die Einteilung einerseits semantisch orientiert, andererseits verbzentriert. Eine intransitive Ausdrucksweise (intransitiva elocutio) liegt vor, wenn kein Übergang stattfindet, etwa beim Gebrauch von Nominativen (XIV 15), bei der transitiven Ausdrucksweise richtet sich die vom Nominativ ausgehende Handlung auf eine andere Person, dafür ist ein obliquer Kasus erforderlich (XIII 23: non aliter igitur potest proferri is, in quem aliquid agitur,
nisi per obliquos casus [jener, auf den sich eine Handlung bezieht, kann nur durch oblique Kasus benannt werden]). Neben der intransitiven (XIV 14: percurrit homo excelsus) und der transitiven Konstruktion (XIII 23: Aristophanus Aristarchum docuit; tu mihi dixisti) nennt er die reziproke (XIII 23: Phemius se docuit) und die retransitive Konstruktion (XII 12: orare iussit […] ut ad se venias). Da Priscian ausführlicher als Apollonios Dyskolos die Syntax des Nomens in einem eigenständigen Abschnitt (XVIII 1⫺39) behandelt, gibt er auch Hinweise zur Form des Anschlusses an Nomina, vor allem an Adjektive, die eine Teilklasse der Nomina sind (z. B. XVIII 28: gloriosus laude). Den jeweils erforderlichen Kasus begründet Priscian auch hier semantisch, da die verschiedenen Kasus semantisch gefüllt sind; bei Verbalnomina orientiert sich der Kasus am syntaktischen Verhalten des zugrundeliegenden Verbs (XVIII 24 f.).
4.
Terminologie
Für die Beschreibung der valenzverwandten grammatischen Phänomene findet sich bei Apollonios Dyskolos keine einheitliche Terminologie. Dies zeigt sich vor allem in einer großen Zahl von Ausdrücken, die für die Bezeichnung der Verb-Nomen-Relationen verwendet werden. Am begrenztesten ist der Wortschatz zur Bezeichnung der Transitivität und Intransitivität von Verben. Hierfür wird vornehmlich metabasis ‘Übergang’ mit einer Reihe von Ableitungen (metabatikos; ametabatos) verwendet, daneben diabasis, ebenfalls mit Ableitungen (diabatikos; diabibazetai; adiabibastos). Die konkrete Bedeutung ‘Übergang einer Handlung von einer auf eine andere Person/Sache’ steht im Vordergrund; es handelt sich noch nicht um einen rein auf grammatische Relationen bezogenen Terminus. Wesentlich vielfältiger sind die Ausdrücke, mit deren Hilfe die Relation Verb⫺obliquer Kasus beschrieben wird. Wohl am häufigsten begegnet pheretai epi ‘zielt hin auf, bezieht sich auf’, manchmal auch das Kompositum sympheretai epi ‘stimmt überein, verträgt sich mit’. Neben der Verb-Kasus-Relation werden damit auch die Adverb-Verb- und die Präposition-Nomen/Pronomen-Beziehung bezeichnet. Oft finden sich aitei und apaitei ‘fordert, verlangt’, vornehmlich im Rahmen der Behandlung der Verbrektion.
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3. Valenzverwandte Ansätze in der Antike
Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Ausdrücke, etwa Zusammensetzungen mit syn: synartatai ‘verknüpft, verbindet’; syndedetai ‘verbindet, fügt zusammen’; synechei ‘enthält, führt mit sich’; sympleketai ‘verbindet’; syntassetai ‘bezieht sich auf’; synteinei ‘bezieht sich auf, zielt hin auf’; synyparchei ‘besteht zusammen mit’. Weitere Möglichkeiten zur Benennung der Beziehung sind: epartatai ‘verbindet’; epidechetai ‘lässt zu, nimmt zu sich’; epize¯tei ‘begehrt, verlangt’; katanta ‘gelangt, nimmt zu s.’; paradechetai ‘nimmt an, erhält, nimmt zu sich’; paralambanetai ‘zieht an sich, verbindet sich mit’; proslambanei ‘nimmt zu sich’; charizetai ‘wünscht, stimmt überein mit’; cho¯rei ‘enthält’. Die große Zahl oft synonymer Ausdrücke verweist darauf, dass die Phänomene noch keine endgültige begriffliche Klärung erfahren haben. Auch zwischen Rektion des Verbs und Abhängigkeit vom Verb, also der Richtung der Verb-Ergänzung-Relation, wird terminologisch nicht geschieden; die gleichen Verben können verwendet werden, ggf. in passivischer Form. Priscian benutzt für die Beziehung zwischen Verb und Ergänzung die Ausdrücke iungi, adiungi, coniungi, construi, desiderare und exigere. Auch hier gibt es also noch keine einheitliche Terminologie. Die Richtungen der Relation werden nicht unterschieden. Die in der mittelalterlichen Priscian-Kommentierung seit dem 12. Jh. vorherrschenden Ausdrücke regere und dependere verwendet er noch nicht. Demgegenüber erscheint die Kategorie des Handlungsübergangs (transitio; transitive, intransitive), die sich bereits bei Apollonios Dyskolos findet, bei Priscian terminologisiert und als Grundlage syntaktischer Einteilungen (Konstruktionstypen; Verbklassen) ausgeweitet.
5.
Zusammenfassung
Bereits in der griechischen Grammatik werden valenzverwandte Phänomene aufgenommen und in den syntaktischen Beschreibungen berücksichtigt. Trotz der von der Dialektik vorgegebenen Grundlage einer SubjektPrädikat- bzw. Nomen-Verb-Struktur mit Vorrang des Nomens ist die konkrete Darstellung syntaktischer Probleme in großem Maß verbzentriert. Eine wichtige Rolle spielen dabei Valenzphänomene, während der Dependenzgedanke nicht auftaucht. Valenz wird vornehmlich in zwei Analysekontexten thematisiert, im Rahmen von Überlegungen
zur Vollständigkeit des Satzes (dianoia autotele¯s; oratio perfecta) und zur Verbrektion (katalle¯lia; sermo congruus). In Hinblick auf die Frage nach der Vollständigkeit eines Satzes werden, vielfach im Rückgriff auf die Stoa, notwendige Ergänzung, freie Valenz und Angabe unterschieden. Im Zusammenhang der Behandlung der Verbrektion werden die Verben nach ihrem jeweiligen Kasusanschluss klassifiziert. Unterschiedliche Verbsemantik bedingt Rektionsunterschiede. Die lateinische Grammatik nimmt diese Ergebnisse in teilweise reduzierter Form auf. Indem sie den Aspekt der handlungsfundierten Transitivität betont, gewinnt sie ein einheitlicheres syntaktisches Beschreibungskriterium, das das Verb und sein syntaktisches Verhalten deutlicher in den Mittelpunkt rückt, als dies die Tradition vorgibt. Das Kriterium erlaubt die Aufstellung von verborientierten Konstruktionstypen. Die syntaktische Form der Nominalgruppe wird stärker beleuchtet. Von verbbezogenen Abhängigkeitsstrukturen sprechen weder die griechischen noch die lateinischen Grammatiker; dieser Aspekt tritt erst in der mittelalterlichen Grammatiktheorie ergänzend zum Rektionsbegriff, der seinerseits nun auch terminologisch schärfer gefasst wird. Gemeinsam ist bis in diese Zeit, dass die syntaktischen Relationen auf eine semantisch-ontologische Basis bezogen werden.
6.
Literatur in Auswahl
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Householder, Fred W. (1981): The Syntax of Apollonios Dyscolos. Translated, and with commentary (⫽ Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science. III 223). Amsterdam. Hülser, Karlheinz (Hg.) (1987): Die Fragmente zur Dialektik der Stoiker. Neue Sammlung der Texte mit deutscher Übersetzung und Kommentar. 4 Bde. Stuttgart/Bad Cannstatt. Kemp, Alan (1986): The Techne´ Grammatike´ of Dionysius Thrax. In: Historiographica Linguistica 13, 343⫺363. Kemp, Alan (1991): The Emergence of Autonomous Greek Grammar. In: Schmitter, Peter (Hg.) (1991), 302⫺333. Kent, Roland G. (Hg.) (1967): Varro on the Latin Language with an english translation (⫽ The Loeb Classical Library). 2 Bde. London/Cambridge.
Pfeiffer, Rudolf (1978): Geschichte der klassischen Philologie. Von den Anfängen bis zum Ende des Hellenismus. München (2. Aufl.). Pinborg, Yan (1975): Classical Antiquity: Greece. In: Thomas A. Sebeok (Hg.): Historiography of Linguistics (⫽ Current Trends in Linguistics. Bd. 13). The Hague/Paris, 69⫺126. Schmitter, Peter (Hg.) (1991): Sprachtheorien der abendländischen Antike (⫽ Geschichte der Sprachtheorie, Bd. 2). Tübingen. Steinthal, Heymann (1890/1891): Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern mit besonderer Rücksicht auf die Logik. 2 Tle. Berlin (2. Auflage).
Kurt Otto Seidel, Essen (Deutschland)
4. Mit der Valenz verwandte Begriffe im Mittelalter: ein Überblick 1. 2. 3.
Verlangen und Erfüllung: Scholastik Potenz und Akt des Satzes: Modistik Literatur in Auswahl
1.
Verlangen und Erfüllung: Scholastik
Der Begriff Valenz war dem Mittelalter fremd. Ein fundamentaler Gedanke der mittelalterlichen Philosophie und Theologie war jedoch mit ihm grundsätzlich verwandt; er umfasste allerdings das ganze kreatürliche Sein. Der Gedanke besagt, dass die Seinsweise dieses Seins ein unaufhörliches Erfüllen des jedem Geschöpfe innewohnenden Verlangens ist, die gottgegebenen Möglichkeiten (die „Leerstellen“) zu aktualisieren. Und da die Sprache nichts anderes als Abbild dieser stets ergänzungsbedürftigen Welt war, galt dies auch für sie. Zur Klärung der hier in Frage kommenden Begriffe wie „Mangel“, „Übel“ etc. zieht man am besten einschlägige ontologische und epistemische Grundzüge des aristotelisch-dominikanischen Realismus heran, der das ganze Hochmittelalter souverän dominierte. (Zu weiteren Schulen vgl. Pinborg 1967.) Alle Erkenntnistheoretiker der Zeit waren ja Realisten, und die christlichen Philosophen müssen es immer sein (Gilson 1950, 259). Die christliche Philosophie war realistisch, da sie die vom subjektiven Einfluss unabhängigen, äußeren realia als solche untersuchte.
Aber die realia waren für sie die (ursprünglich aristotelischen) in re-Ideen, d. h. die universellen Wesenheiten, die Gott im Schöpfungsakt in die kreatürlichen Dinge eingegossen hatte: der Realismus war damit zugleich objektiver Idealismus (Sertillanges 1954, 429). Entscheidend war, dass diese aus der strengen Ordnung der Ideen bestehende Welt, der ordo universi, der menschlichen Erkenntnis zugänglich war. Durch die Erkennbarkeit der Ideen war die Vorrangstellung der Epistemologie vor der Ontologie gesichert ⫺ denn nur das Erkannte kann untersucht werden (Thomas von Aquin 1955, I, 84, 1). Hieraus ergab sich der enorme Wert der Sprache, denn sie war einfach mit der Erkenntnis identisch (Sertillanges 1954, 694). Sprache hieß ja im Mittelalter alles, was Ausdruck eines gegebenen Inhalts war, und Erkenntnis war Ausdruck der gotterschaffenen Ideen der Dinge. Vor allem war diese Erkenntnislehre äußerst optimistisch: intelligibile et intellectus sunt unum. Das hieß, dass im Erkenntnisakt das intentionale Sein des Objektes mit dem des Subjektes eins wurde. Im Erkenntnissubjekt zeigte sich dies als die seeleninnere species expressa, d. h. als das innere Wort, verbum cordis. Darin erschöpfte sich das sprachlich und epistemisch Signifikante. Das verbum vocis konstituierte nichts, für die Scholastik hatte es folglich nur die weniger wichtige äußere Mitteilungsfunktion. Die Modisten machten einen schließlich missglückten Versuch, seine Rolle stark zu betonen.
4. Mit der Valenz verwandte Begriffe im Mittelalter: ein Überblick
Mangel, Übel, Entbehren etc. als zu erfüllende „Leerstellen“ ergaben sich mit Notwendigkeit aus der Struktur des dominikanischen Realismus, dessen tragende Prinzipien die aristotelischen Dichotomien materia-forma und potentia-actus waren. Die erste Dichotomie, die Lehre des Hylemorphismus, war fundamental. Sie besagt, dass jede kreatürliche Entität aus den konstituierenden Prinzipien Materie-Form besteht. Zugleich legte sie die für das vorliegende Thema zentralen Begriffe Mangel und Erfüllung (Sättigung) als Prinzipien alles geschöpflichen Seins, Werdens und Sprechens fest. Die zweite Dichotomie Potenz-Akt ist eine Folge der ersten und mit dieser nahe verwandt. 1.1. Materie Materie als metaphysische Größe bedeutet nichtverwirklichte Möglichkeit. Es scheint eine Erfahrungstatsache zu sein, dass jedes Entstehen an reale Möglichkeiten gebunden ist. Eine Statue kann man aus einem Marmorblock machen, nicht aber aus der Luft. Aristoteles hat diese Erfahrung auf das ganze Sein und Werden ausgedehnt und damit die sehr einflussreiche Kategorie Materie begründet. Wenn nun keine Substanz wie ein Marmorblock als reale Materie für ein Werden vorhanden ist, so muss eine quasi irreale Kategorie materia prima herangezogen werden, eine reine Möglichkeit ohne jede weitere Realität. Materie selbst ist kein aktuell Seiendes. Als Möglichkeit ist sie voll und ganz auf Realisierung angelegt. Deshalb wird ihr in der scholastischen Literatur ein dynamischer Charakter zugewiesen. Sie ist „ein Streben nach Sein“ (Wirklichkeit), was zugleich ein Streben nach dem Guten (bonum) bedeutet, denn bonum convertitur cum ente [Gut und Sein sind austauschbar] (Thomas von Aquin 1955, I, 6, 3, ob. 1.). Folglich ist die Materie selbst mit Mangel an Sein gleichbedeutend, was seinerseits die Definition des Übels ist. Die ganze Natur ist eben immer „hinter etwas her“, weshalb die Materie ein Vermögen darstellt, eine Empfänglichkeit für gewisse Verwirklichungen, weil sie „ihrer ermangelt, ihrer beraubt ist, sie entbehrt, denn ihre Empfänglichkeit enthält sie schon“ (Sertillanges 1954, 333 f.). 1.2. Form Wirklich und erkennbar ist eine Entität erst durch die Form bzw. Idee, Wesenheit; sie befriedigt das Verlangen der Materie. Eine Be-
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friedigung des natürlichen Verlangens ist in statu viae jedoch nie total, sie bleibt immer ein winziger Schritt. Deshalb ist jedes Weltding eine Mischung aus Möglichkeit und Wirklichkeit. Nur Gott ist actus purus [reine Wirklichkeit]; reine Materie wäre ein Nichts. Dies ist der letzte Grund des ewigen Strebens der ganzen Schöpfung, auch der Erkenntnis und Sprache, denn actus est prior potentia [Wirklichkeit ist vor Möglichkeit]. Die aristotelische Dichotomie MaterieForm soll diese Doppelheit der Weltdinge zeigen. Sie soll zugleich und vor allem den Wandel erklären, dem die ganze Kreatur (auch Erkenntnis und Sprache) unterliegt. Die Doppelnatur bedeutet jedoch keinen Dualismus. Die Form ist zwar wirklich, sie hat jedoch keine unabhängige Existenz: „Eigentlich gesprochen ist sie nicht, sondern es ist etwas durch sie; sie ist bloß Prinzip des Seins“ (Sertillanges 1954, 344). Was wir „Ding“ nennen, ist immer einfach, denn ens et unum convertuntur [Ding und eins sind austauschbar]: die Wissenschaft macht in ihm Unterscheidungen zu ihren eigenen Zwecken. 1.3. Potenz Nach dem Gesagten brauchen über die zweite aristotelische Dichotomie Potenz-Akt für das vorliegende Thema nur noch zwei Aspekte genannt zu werden. Zum einen kann die Potenz als ein jeder natürlichen Spezies zugewiesener Platz in der aus den Ideen bestehenden, strengen Weltordnung verstanden werden. So kommt beispielsweise der Idee humanitas alles Menschenmögliche zu, eine praktisch unerschöpfliche Fülle der Möglichkeiten, die jedoch durch die übrigen Ideen des ordo universi, z. B. durch bestia und angelus, eingeschränkt sind. Zum anderen ist die Aktualisierung des Möglichen eine gottgestiftete Verpflichtung, denn gerade darin bestand der Heilsweg der Seele. Entsteht nun im Inneren eines Menschen beispielsweise das innere Wort homo, so taucht sofort eine typisch menschliche Spannungslage auf. Dem innerlich ausgesprochenen Wort homo wird intuitiv-unmittelbar, als Gabe, die significatio [Bedeutung] humanitas geschenkt, die jedoch nur eine inhaltsleere quidditas [Identität] darstellt, die allgemeine Einsicht also, dass es sich um einen Menschen handelt. Homo eröffnet somit bloß einen äußerst breiten, leeren Rahmen, der eindringlich nach Ausfüllung sucht. Es ist die lebenslange Verpflichtung des Menschen, diese
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
„Leerstelle“ mit richtigem Inhalt zu füllen. Dies gilt für jedes kategorematische Sprachelement (Seppänen 1985, 62 ff.). 1.4. Akt Die Dominikaner waren aristotelische Intellektualisten. Sie versuchten vor allem nachzuweisen, dass die Aktualisierung der gottgegebenen Potenzen ⫺ die Schmälerung der „Leerstellen“ ⫺ nur mit Hilfe des Verstandes durchzuführen war. Das stärkste Argument hierfür leiteten sie von der Art des Erkenntnisaktes ab. Die Definition dieses Aktes kennen wir schon (vgl. 1): intelligibile in actu et intellectus in actu sunt unum, [im Erkenntnisakt sind Ding und Verstand eins]. Wird hier der Verstand als passiver intellectus possibilis aufgefasst, in den die aktive Wirklichkeit einströmt, so ist die Erkenntnis unfehlbares Abbild der Wirklichkeit, denn der Spiegel lügt nicht. Im gleichen Zusammenhang wird oft ein anderer wichtiger Satz angeführt: Erkenntnis ist Sein. Was im Akt der Erkenntnis nämlich eins wird, sind die ursprünglich göttliche Form des Objekts und das Erkenntnisvermögen. Da nun eine Entität nur durch die Form im vollen Sinne ein Seiendes, d. h. eine Substanz ist und als solche Teil des Erkennenden wird, so bedeutet jeder Erkenntnisakt einen Zuwachs des wirklichen Seins auf Kosten des Möglichen. Sehr wichtig ist, dass das Sein mit Gut gleichbedeutend ist, und dass Gott selbst das Sein schlechthin ist, Deus est esse. Die Konsequenz scheint unausweichlich: Erkenntnis bzw. Sprache als innerseelischer, unfehlbarer Ausdruck der göttlichen Ideenwelt leitet den Christen auf dem Wege zu Gott. Irrtümer ließ erst der aktive Verstand des Menschen entstehen. Hieß es im Mittelalter beispielsweise allgemein, die intuitiv-passiv empfangene Idee humanitas sei als animal rationale zu analysieren, so war jedem klar, dass diese Deutung, die nur ein menschliches Urteil [iudicium] war, sich einmal als unwahr erweisen konnte. Auch deshalb war es nur mit der größten Anstrengung möglich, die durch die Ideen eröffneten Lücken erfolgreich zu schließen. 1.5. Forschungslage Aus der Zeit vor Tesnie`re hat die Forschung der Neuzeit recht wenig mit der modernen Valenztheorie Vergleichbares zu bieten. In seiner „Sprachtheorie“ vom Jahre 1934 hat Karl Bühler (1982, 226 ff.) zwar mit ausdrücklichem Verweis auf die Scholastiker be-
hauptet, diese hätten mit dem Terminus connotatio, [Mitbezeichnung], die moderne Lehre der Leerstellen der Wörter begründet (Bräuer 1974, 267 ff.). Bühler stützt sich dabei auf John Stuart Mill, der ähnliche Behauptungen aufgestellt hat. Bühler und Mill gehen jedoch nicht auf die philosophischen Begründungen der Leerstellen ein. Außerdem kannten die Scholastiker (Schütz 1958) und Modisten das Wort connotatio praktisch nicht, obgleich der Begriff besonders bei den letzteren einer der wichtigsten war; der technische Terminus dafür war consignificatio. Als Theologen und Seelsorger begnügten sich die Scholastiker gemeinhin mit den philosophisch-theologischen Grundlagen des Sprachmangels. Ihre zumeist wenigen Beispiele betrafen unerfüllte Potenzen der Einzelwörter. Bezeichnend ist, dass in dem umfangreichen Buch von Franz Manthey über die Sprachphilosophie des Thomas von Aquin das Kapitel „Satz“ nur vier Seiten in Anspruch nimmt (Manthey 1937, 146 ff.). Die Modisten hingegen beschäftigten sich eingehend mit den Fragen der Syntax.
2.
Potenz und Akt des Satzes: Modistik
Auch die wichtigsten Modisten des Mittelalters waren aristotelische Realisten. Sie waren natürlich auch Theologen und Philosophen, denn Sprache hatte ja nur als wesentlicher Bestandteil der beiden Disziplinen einen einsehbaren Wert (ein reiner Linguist im modernen Sinn wäre eine gottlose und absurde Vorstellung gewesen). Somit war von vornherein klar, dass die philosophische Begründung der syntaktischen Potenz mit der der eben dargestellten der Einzelwörter (vgl. 1) prinzipiell zusammenfiel. In den modistischen Traktaten sind denn auch die vertrauten aristotelischen Dichotomien materia-forma und potentia-actus die tiefsten Erklärungsgrundlagen. Hinzu kommen noch die aristotelischen causa efficiens und causa finalis. Vorgreifend soll darauf hingewiesen werden, dass der Begriff der mangelhaften und vollständigen syntaktischen Fügung von dem modernen grundsätzlich abweicht. Eine Stellungnahme zur modistischen Syntax ist weitgehend auf die Diasynthetica (Kap. XLV⫺LIV) der Grammatica Speculativa des Thomas von Erfurt angewiesen. Thomas war zweifellos der Höhepunkt der kurzlebigen Modistik des Mittelalters (ca. 80
4. Mit der Valenz verwandte Begriffe im Mittelalter: ein Überblick
Jahre: 1270⫺1350) und seine Syntax ist die umfangreichste und am besten organisierte der Modistik. Die Grammatik von Thomas erschien gegen Ende der modistischen Ära und stellt eine Art Zusammenfassung praktisch aller wichtigen Ideen der früheren Modisten dar. Philosopisch vertrat Thomas einen gemäßigten Aristotelimus (Bursill-Hall 1972, 26 ff. und Pinborg 1967, 131 ff.). Auch die Pionierarbeit von Bursill-Hall über die modistische Semantik und Philosophie beruht wesentlich auf den Gedanken von Thomas. Der andere Pionier der Modistikforschung, Pinborg, schenkt der dänischen Schule der Dacer mehr Aufmerksamkeit und konzentriert sich stark auf die Geschichte und auf handschriftliche Quellen der Grammatiktheorie. 2.1. Ziel der Syntaxforschung Gegenstand der modistischen Syntaxforschung waren die Bedingungen des vollkommenen Satzes (perfectio). Die Vollkommenheit wurde jedoch nicht wie heute durch die Sprachkompetenz der Sprecher/Hörer bestimmt, sie wurde eher definitorisch festgelegt, und zwar mit philosophischen Argumenten. Drei Argumente waren maßgeblich. Erstens musste der perfekte Satz der außersprachlichen Realität entsprechen, so wie diese sich im modus intelligendi zeigte, denn sonst wäre er logisch falsch und sprachlich nicht kongruent. Das Verlangen des innerseelischen Verstandesurteils war aber bereits gesättigt, wenn mindestens zwei durch modi significandi zusammenfügbare Konstituenten vorhanden waren. (Als Abbild zeigte das Urteil ja, dass zwei entsprechende Ideen der Realität eine sinnvolle Kombination bildeten.) Zweitens hatte der starke Einfluss der Logik auf die Grammatik dazu geführt, dass die Grundform des Satzes aus zwei und nur zwei Elementen zu bestehen hatte. So meinte Thomas von Erfurt (1972, LIV, 119), lego sei vom Standpunkt des Hörers kein Satz, es müsse ego lego lauten, und lego librum Vergilii sei keine Grundform (kein einfacher Satz), darin seien zwei Syntagmen enthalten, nämlich lego librum und liber Vergilii. Zum dritten wurde die Zweigliedrigkeit (z. B. suppositum-appositum, d. h. Subjekt-Prädikat) durch den für die ganze Scholastik typischen aristotelischen Binarismus (Materie-Form, Potenz-Akt etc.) begünstigt (Thomas von Erfurt 1972, XLV, 89). 2.2. Das ergänzungsbedürftige Satzglied Die gegenseitigen Beziehungen dieser zwei Grundglieder wurden ausschließlich durch Dependenz bestimmt: das eine Glied war De-
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pendent, das andere Terminant (Thomas von Erfurt 1972, XLV ff.). Schwierig war die Bestimmung des abhängigen und des determinierenden Gliedes, d. h. praktisch der Vorrangstellung des Substantivs oder des Verbs. Thomas von Erfurt (1972, LXVII, 91) gibt hierfür eine ganz allgemeine Definition: Illud autem constructibile est dependens, quod ratione alicuius modi significandi tantum petit vel exigit; illud vero constructibile est terminus, quod ratione alicuius modi significandi tantum dat, vel concedit. [Das Konstruktionsglied ist dependent, das aufgrund irgend eines Bezeichnungsmodus nur [um Ergänzungen] bittet oder [sie] verlangt; aber determinierend ist das Glied, das aufgrund eines Bezeichnungsmodus nur [Erfüllung des Verlangens] gibt oder gewährt.] Ähnliche Definitionen findet man oft, z. B. bei Radulphus Brito (vgl. Pinborg 1984, VII, 507): […] dependens est quid in potentia, quia est suae dependentiae terminum appetens. Terminus autem […] est quid in actu, quia est dependentiae terminum dans. [Dependent ist etwas Potentielles, da es nach der Terminierung seiner Abhängigkeit hungert. Terminant aber ist etwas Aktuelles, da es der Abhängigkeit die Erfüllung gibt.] Die von Thomas und Radulphus gegebenen Definitionen des abhängigen und determinierenden Satzgliedes beruhen ganz auf den aristotelisch-scholastischen Dichotomien Materie-Form und Potenz-Akt, die auch für die Einzelwörter galten. Thomas meint, dass das dependente, d. h. in sich mangelhafte Glied nur bittet oder verlangt, und das determinierende nur gibt oder gewährt. Radulphus ist noch deutlicher: Das abhängige Glied ist im Zustande der Potenz und hungert nach Erfüllung, die ihm das determinierende Glied als Akt gibt. Somit kann festgestellt werden, dass die (aristotelisch-realistische) Syntax der Modisten im Grunde durch Dependentien bestimmt ist. Bedingung einer Dependenz ist natürlich die Tatsache, dass das eine Glied des Satzes in sich mangelhaft (nur potentielles Glied) ist, d. h. eine „Leerstelle“ eröffnet, die ausgefüllt werden muss, damit ein Kernsatz vollständig wird. Über die Qualität der beiden Glieder geben deren modi significandi Auskunft. Auch in den Sätzen und sonstigen Syntagmen zeigt sich also das Streben des Menschen nach der Aktualität, was eine möglichst weitgehende Ausschaltung des bloß Potentiellen bedeutet, denn Gott selbst ist actus purus.
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
2.3. Stufen der Satzbildung Zur Bildung eines vollständigen Satzes sind drei hierarchische Stufen erforderlich, nämlich constructio, congruitas und completio. Erkennbar weden diese Stufen nach Thomas (1972, XLVI, 90) durch zwei Verfahren, per definitionem und per divisionem. Die Definition ergibt aufgrund der vier aristotelischen Ursachen, causa materialis, causa formalis, causa efficiens und causa finalis, das Wesen des Satzes, die Division [Analyse] des so definierten Satzes ergibt secundum sui posse [aufgrund seiner Potentialitäten], die im Sprachgebrauch möglichen Satzvariationen (Satztypen). 2.3.1. Constructio Constructio stellt gewisse grundlegende Voraussetzungen einer vollständigen syntaktischen Fügung fest, die durch Material- und Formalursache, Bezeichnungsmodi (modi significandi) und Dependenz bedingt sind. Bei den weiteren zwei Stufen geht es um die restlichen Bedingungen der Vollständigkeit. Die Materie z. B. des Satzes homo currit besteht aus den zwei constructibilia homo und currere. Der Terminus selbst sagt schon, dass die zwei eben als Materie nur mögliche Teile sind und als solche nach Behebung ihres Mangels suchen. Diese gewährt ihnen die causa formalis, und zwar durch die constructibilium unio [Vereinigung der Konstruktibilien], die den aktuellen Satz homo currit entstehen lässt. Verlangt wird ferner die Harmonie der modi significnadi der beiden möglichen Teile. Da nun homo den modus entis (Substanz) und currere den modus esse (Wandel) vertritt, ist eine Harmonie, d. h. ein sinnvoller Satz, möglich. Schließlich ist hier homo als Substanz das Terminans und currere als Akzidenz das Dependens. 2.3.2. Congruitas Materie und Form sind nach Aristoteles sogenannte innere Ursachen, denn sie sind innere Aufbauprinzipien alles Seins. Die auf diesen beruhende constructio war deshalb echt realistisch kein Ergebnis der menschlichen Bemühung, sondern der Natur selbst. Congruitas hingegen wurde durch die causa efficiens [Wirkursache] hervorgebracht, die Aristoteles zu den äußeren Ursachen zählte. Die äußere Ursache der congruitas war natürlich der aktive Intellekt des Menschen, wie Thomas betont (1972, XLV, 89 und XLVI, 90). Congruitas stand deshalb nicht ganz unter dem Dik-
tat der außermenschlichen Realität, sondern nur bezüglich ihres sogenannten inneren Teiles, der natürlich aus den hylemorphistischen Konstruktibilien bestand. Aber die Natur fügt die Konstruktibilien nicht zu kongruenten Einheiten, dazu ist ein äußeres Agens nötig. Dieser vorsichtige Konzeptualismus im Herzen des realistischen Zeitgeistes erleichtert das Verständnis der zwei letzten Stufen der modistischen Satzlehre. Erklärbar wird hierdurch die für die vom Standpunkt der Valenz interessante proprietas [Angemessenheit]. Sie scheint im normalen Verlauf der von Thomas sehr extensiv und minutiös explizierten Typen der Kongruenzen eine störende Ausnahme zu bilden. Als Beispiele der proprietas gibt Thomas (1972, LIII, 112) die Syntagmen cappa nigra und cappa categorica [schwarzer Mantel und kategorischer Mantel]. Nach seiner Ansicht sind beide Konstruktionen zwar kongruent, denn das dependente Adjektiv folgt gemäß seinem modus significandi in Genus, Numerus und Kasus in beiden Fällen regelrecht dem Diktat des determinierenden Substantivs. Aber nur das erste Beispiel ist proper, das letztere hingegen nicht. Nach Thomas’ eigener Lehre von Potenz und Akt müsste man sagen, dass die Potenz („Valenz“) des Adjektivs categorica durch ein Substantiv wie cappa nicht aktualisiert wird (der Mangel wird nicht behoben); m. a. W. cappa befindet sich nicht innerhalb des Potenzskopus von categorica. Und hier handelt es sich nicht nur um den Realismus (z. B. darum, dass es einen kategorischen Mantel nicht gibt), sondern um eine freie Entscheidung des Menschen selbst (des Intellektes), oder wie Bursill-Hall (1971, 309) betont, um die sprachlichen Kollokationen: so pflegt man nicht zu sagen. 2.3.3. Completio Die Satzbildung erreicht mit der Stufe der completio bzw. perfectio [Vollständigkeit] ihr Ziel. Completio befindet sich im Bereich der aristotelischen causa finalis [Zweckursache], sie soll somit auf die Frage nach dem Zweck des äußeren Satzes (des äußeren Urteils) die Antwort geben. Um eine solche Antwort haben sich die früheren Stadien nicht bemüht, weshalb es notwendig ist, zu diesen noch wichtige Aspekte hinzuzufügen. Die Antwort lautet: An die äußeren, materiellen Zeichen gebundene Sätze werden gebildet, um die komplexen Begriffe der Seele nach außen auszudrücken; und der Ausdruck muss exakt und vollständig sein. Die inner-
4. Mit der Valenz verwandte Begriffe im Mittelalter: ein Überblick
seelischen Urteile bestehen nun immer aus Substantiv und Verb, da ja das äußere Sein selbst aus Substanz [modus permanentis] und Bewegung [modus fluxus] besteht. So ist beispielsweise das verblose homo albus, das auf der Stufe der Kongruenz akzeptabel war, nicht vollständig, sondern lässt die Seele unbefriedigt: soll es nun homo est albus, homo erat albus etc. heißen? Erst wenn dieser Mangel durch die explizite Angabe des Verbs behoben ist, findet der Verstand Ruhe (quiescit). Der Sprecher muss allerdings nicht unbedingt unter einem solchen Mangel leiden, denn er wird in seinem Inneren den vollständigen Satz gehabt haben; dieser nicht ausgesprochene Satz heißt secundum intellectum [gemäß dem [inneren] Verständnis]. Er kann deshalb ruhig homo albus sowie lego sagen und beide Sätze für vollständig halten. Unbefriedigt ist aber der Hörer. Er wird die Konstruktionen homo est albus und ego lego verlangen, denn nur diese sind für ihn vollständig, d. h. sie sichern das exakte Verständnis des inneren Urteils. Das sind Sätze secundum sensum [gemäß dem [sprachlichen] Sinn]. Hier begegnen uns noch einmal außer dem metaphysischen Postulat der Realität (Substanz-Bewegung) der Einfluss der Logik auf die Grammatik und noch die lange Tradition, die alle für die strenge Zweigliedrigkeit Substanz-Verb plädieren. Bereits Priscianus stellte fest: Si tollas nomen aut verbum, imperfecta sit oratio [Würdest du Nomen oder Verb unterdrücken, so wäre die Rede unvollkommen] (Bursill-Hall 1971, 290, Anm. 15). Der Standpunkt des Hörers, der Satz secundum sensum, ist natürlich entscheidend, deshalb sind die Bedingungen der completio auch bei Thomas so rigoros: Kein ausgedrückter Satz darf dem Verstand zu Unruhe und Verlangen, d. h. zum Gefühl der unerfüllten Potenzen („Leerstellen“) Anlass geben. Thomas betont wiederholt, dass jede Konstruktion vollständig ist, die einen exakten Sinn im Verstande des Hörers entstehen lässt. Er gibt zugleich jedoch bereitwillig zu, dass diese Vollständigkeit im Verstande des Hörers nicht genau feststellbar ist. Sie kann unterschiedliche Grade der Perfektion aufweisen: einmal ist sie größer, ein anders Mal geringer. Deshalb werden Konstruktionen mehr oder weniger vollständig genannt. Und der Maßstab des jeweiligen Grades ist das Maß der Befriedigung der Seele des Hörers, d. h. das Maß der erfüllten oder unerfüllten „Leerstellen“ des Satzes: Nam ea magis perfecta est,
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quae magis quietat animum auditoris; et quae minus quietat, minus perfecta erit. [Denn die Konstruktion ist vollständiger, die die Seele des Hörers mehr beruhigt; und diejenige, die weniger beruhigt, ist weniger vollkommen] (Thomas von Erfurt 1972, LIV, 117). Für Konstruktionen, die die wichtigste Bedingung der Perfektion, einen genauen Sinn zu ergeben (dem Streben des Verstandes Genüge zu tun), grob verletzen, gibt Thomas (1972, LIV, 118) u. a. die Beispiele Si Socrates currit und me legere. Zum ersteren sagt er, dass si im sonst einwandfreien Satz eine neue Dependenz von etwas schafft, was außerhalb des Satzes Socrates currit liegt und die Konstruktion für immer unvollständig lässt, wenn die fehlende Ergänzung nicht ausgedrückt wird. Me legere ist ebenfalls sehr unvollständig quia animum auditoris non quietat [da es der Seele des Hörers keine Ruhe gewährt]. Abschließend fasst Thomas das Gesagte noch so zusammen: Die Perfektion ist bei der Satzbildung nichts anderes als die letzte Stufe, die über die richtige Kombination der Konstruktibilien insofern hinausgeht, als sie fähig ist, den komplexen Begriff der Seele durch ein Verb auszudrücken und so in der Seele des Hörers einen vollständigen Begriff zu erzeugen.
3.
Literatur in Auswahl
Bräuer, Rolf (1974): Valenztheorie, ihre Geschichte, ihr aktueller Stand und ihre Möglichkeiten. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der HumboldtUniversität zu Berlin. Gesellschaft- und sprachwissenschaftliche Reihe 3/4, 267⫺280. Bursill-Hall, Geoffrey (1971): Speculative Grammars of the Middle Ages (⫽ Approaches to Semiotics, vol. 11). The Hague/Paris. Bursill-Hall, Geoffrey (1972): Introduction to Grammatica Speculativa of Thomas of Erfurt, London, 1⫺26. Bühler, Karl (1982): Sprachtheorie. Nachdruck der Ausgabe von 1934. Stuttgart/New York. Dacus, Martinus (1961): De modis significandi. Hg. von Heinrich Roos (Corpus Philosophorum Danicorum Medi Aevi, vol. 2). Kopenhagen. Gilson, Etienne (1950): Der Geist der mittelalterlichen Philosophie (Frz. Original 1944: L’Esprit de la Philosophie Me´die´vale). Wien. Grabmann, Martin (1926⫺56): Mittelalterliches Geistesleben. 3 Bände. München. Manthey, Franz (1937): Die Sprachphilosophie des hl. Thomas von Aquin. Paderborn.
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
Oeing-Hanhoff, Ludiger (1981): Sein und Sprache in der Philosophie des Mittelalters (Miscellanea Mediaevalia, vol. 13/1). Berlin/New York. Pinborg, Jan (1967): Die Entwicklung der Sprachtheorie im Mittelalter (⫽ Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, Bd. XLII, Heft 2). Münster/Kopenhagen. Ders., (1984): Medieval Semantics. Hg. von Sten Ebbesen. London. Robins, Robert (1967): A short history of linguistics. London. Roos, Heinrich (1948): Sprachdenken im Mittelalter (⫽ Classica et Mediaevalia, vol. IX, 200⫺215). Kopenhagen. Schumacher, Helmut (1988): Valenzbibliographie. Mannheim. Schütz, Ludwig (1958): Thomas-Lexikon. Faksimile-Nachdruck der „zweiten, sehr vergrösserten Auflage“ von 1895. Paderborn. Seidel, Kurt Otto (1982): Quid sit dictonem regere dictionem. Aspekte der Verbvalenz in Grammatiken
des 12. bis 17. Jahrhunderts (⫽ Valenztheorie und historische Sprachwissenschaft). Tübingen. Sertillanges, Antonin-Gilbert (1954): Thomas von Aquin (Frz. Original 1910: Saint Thomas d’Aquin). Köln/Olten. Sigerus de Cortraco (1977): Summa modorum significandi sophismata. Ed. by Jan Pinborg (⫽ Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science, vol. 14). Amsterdam. Thomas von Aquin (1955): Summa Theologiae (⫽ Biblioteca de autores cristianos, 5 Bände). Madrid. Thomas von Erfurt (1972): Grammatica Speculativa. Hg., übersetzt und eingeleitet von Geoffrey Bursill-Hall. London. Thurot, Charles (1964): Notices et extraits de livres manuscrits latins pour servir a` l’histoire des doctrines grammaticales au moyen aˆge (Frz. Original 1896). Nachdruck Frankfurt am Main.
Lauri Seppänen, Tampere (Finnland)
5. Valency-like Concepts in the Arabic Grammatical Tradition 1. 2. 3.
The Standard Model The Dogma of the Verb and Other Issues Select Bibliography
Because there exists a large degree of isomorphism between the overall conceptualization of grammar developed by the Arabic grammarians and many key aspects of modern valency theory as developed in the wake of Tesnie`re (1959), it is possible to summarize the Arabic tradition within its own terms, without adjusting or interpreting the framework in a way that takes special account of the audience this handbook is intended for. Without outlining the argument here, it can be shown that Arabic grammatical theory was conceived of basically in dependency terms, with the lexical categories instantiating the head (øaamil) and dependent elements (maømuwl) generally corresponding to those in the western tradition (Owens 1988 for details). A verb, for instance, is the governor of various objects, and a preposition of an object (see 1.1). The Arabic tradition effectively began with the grammar of the late eighth century linguist Sibawaih (d. 798), whose al-Kitaab ‘The Book’ is a compendious tome of nearly 1,000 densely-packed pages. With Sibawaih not
only was the subject matter of Arabic, what today is known as Classical Arabic, defined, but also the theoretical framework in which it was described, established. The additions and alterations which were effected over the next 100 years were more of organizational than of material or conceptual nature. Nonetheless, not least because of Sibawaih’s dense style, these were not inconsiderable, so that Ibn al-Sarraj’s 1,300 page al-øUsjuwl fiy l-Nahw “The Foundations of Grammar”, building on the work of his teacher Mubarrad (author of the Muqtadj ab), marked a significant milestone in defining the form of Arabic grammar, a form which has not changed in most essentials up to the present day. In section 1 I shall summarize ‘Arabic’ valency theory within the terms established by Sarraj, and in section 2 discuss various ramifications of this framework. Explicitly and implicitly this summary draws on the work of various Arabic authors, and critical studies on them in the western tradition. The bibliography contains a representative listing of the sources, not all of which are referred to explicitly in the text. At the outset I think a disclaimer is necessary. A six page summary can hardly do justice to a grammatical theory as sophisticated and variegated as the Arabic one.
5. Valency-like Concepts in the Arabic Grammatical Tradition
1.
The Standard Model
1.1. Basic Structure The basis of syntactic analysis in the Arabic model is the sentence which consists of two obligatory parts, a predicate and a nominative actant. In the course of time these two parts became generalized under various names as table 5.1. This central sentential unit, Topic/Agent and Predicate/Verb was known as the øumda lit. “support”, the predicative relationship as ?isnaad. These units developed out of an original bifurcated analysis of sentences: sentences which begin with a verb are ‘verbal sentences’ ( jumla fiøliyya, see (1)) with the two obligatory constituents verb ( fiøl) and agent ( faaøil) and those which begin with a nominative noun, nominal sentences ( jumla ismiyya (2)) with the two obligatory constituents topic (mubtada?, not to be confused with “subject”) and comment (xabar). There are various syntactic grounds for distinguishing these two types of sentences (e. g. agreement, pronominal coreference), and the nominal sentence has a more complex internal structure than summarized here. Further details are not necessary for the present exposition, however. (1)
Verbal sentence qaama ar-rijaal-u Verb Agent got up def-men-nom ‘the men got up’
(2)
Nominal sentence ar-rijaal-u qaam-uw Topic Comment def-men-nom got up-mpl ‘the men got up’
the functional and constituent relations, a further element of Arabic syntax, arguably the most central one since it is seen as tying together different parts of the sentence, is the dependency relation. The dependency structure of the nominal sentence (2), with implications for the valency interpretation, was one of the more frequently debated issues in Arabic grammar (e. g. Insjaaf 44 ff.) and cannot be gone into in here. In the verbal sentence (1) the agent ar-rijaalu depends on the verb qaama, which imparts its nominative (raf ø ) case to it. The verb governs an agent obligatorily, and optionally a series of further complements, collectively known as the fadj la lit. ‘leftover’, all of them governed in the accusative (nasjb) case. Prototypically these are conceived of as objects (maf øuwl, pl. mafaaøiyl), and traditionally are divided into two categories, the true objects and the pseudo-objects (sibh al-maf øuwlaat), the linguistic basis of this distinction being unclear (though see Astarabadhi I, 112 for late rationalization). There are five true objects and three pseudo-objects, as listed in (3) and illustrated in (4). (3)
(4)
It is noteworthy that the largest and most inclusive syntactic structure defining the sentence is conceived of in constituency terms, namely the notion “sentence” ( jumla or kalaam) containing two obligatory parts. The sentence constituents are fixed, functional categories (Verb, Agent etc.). In addition to
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Objects: absolute object (maf øuwl mutjlaq), direct object (maf øuwl bihi), locative object (time and place, maf øuwl fihi or Îj arf ), reason object (maf øuwl lahu), accompaniment object (maf øuwl maøahu) Pseudo-object: circumstance (haal), exception (?istiθnaa?), specifier (tamyiyz) dj araba zayd-un øamr-an yawm-a Verb Agent DO Loc obj hit Zayd-nom Amr-acc day-acc al-jumøat-i wa xaalid-an Accomp. obj Friday-gen and Xalid-acc ?ikraam-an la-ka Reason obj respect-acc for-you ‘Zayd hit Amr on Friday along with Xalid out of respect for you’. (Astarabadhi I, 113)
Tab. 5.1.
Predicate/Verb
Topic/Agent
muxbar “what is reported” muhdaθ “what is talked about” musnad “what is placed upon”
muxbar øanhu “what is reported about” muhdaθ øanhu “that about which it is talked” musnad ?ilayhi “topic, that upon which something is placed”
(Levin 1981, Goldenberg 1988)
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
Objects stand in a special relationship to the verb, namely that of taødiya “transitivity” (lit. ‘passing, carrying over’). Prototypically transitivity is conceived of as a physical movement (Mubarrad Muqtadj ab III, 116). A verb componentially consists of a time element and an action. It is the action which someone or something (the agent) places upon (?awqaøa øalaa) or causes to happen (?ahdaθ) to this object. This notion of transitivity applies to objects other than the direct object as well (Muqtadj ab IV, 395). Objects, however, are not all of equal status in one important respect. Whereas every verb can occur with all other types of objects, verbs are severely restricted as to their co-occurrence with the direct object (maføuwl bihi). Verbs are divided into two main classes based on their transitivity vis a vis the direct object, intransitive and transitive. qaama in (1), for instance, is an intransitive verb (al-fiøl allaÎiy lam yataøaddi fiøluhu ?ilaa maf øuwl “a verb whose action does not carry over to an object”), lacking a direct object. The same verb, however, may optionally expand its other object complements freely. (5)
qaama zaydun qiyaam-an jtawiyl-an Verb Agent Absolute obj quddaam-a al-maktab-i Locative obj ‘Zayd stood up a long time (a long standing) in front of the desk’.
Transitive verbs are divided into four subclasses based on the number of direct objects they take, and their status relative to obligatory occurrence. First are those like dj araba in (4), which are simple transitive verbs (mutaøaddiy ?ilaa maf øuwl waahid). Second are ditransitive verbs, which are further divided into two sub-classes. Verbs like ?aøtjaa “give” are opposed to ditransitive like Îj anna “think” in that the former type may occur optionally with a single object, whereas the latter requires two: (6)
a. ?aøtjaa zaydun sjaahib-a-hu gave Zayd friend-acc-his (dirham-an) dirham-acc ‘Zayd gave his friend (a dirham)’. b. Îj anna zaydun sjaahib-a-hu thought Zayd friend-acc-his øaalim-an learned ‘Zayd thought his friend learned’.
That verbs such as Îj anna should be considered ditransitive follows from the basic fact that its two complements are marked by the accusative case typical of objects. The fact that both of its objects are obligatory (laa taqtasjir øalaa maf øuwl waahid “you can’t restrict yourself to one object”) is explained by the fact that the ‘underlying’ structure of the two complements is a nominal sentence of the type illustrated in (2) above (i. e. sjaahibuhu øaalimun “his friend is learned”) upon which the verb Îj anna ‘enters’, imposing its governance structure, and changing the functional status of the two complements. Just as the two constituents in the nominal sentence are obligatory (see discussion above), so too are the two objects obligatory here. Verbs like ?aøtjaa ‘give’, on the other hand, may occur with two direct objects, or with one (either one; see Jurjani Dalaa?il, 118 for discussion of transitives occurring with no direct object complements). Finally there are tri-transitive verbs derived from the type (6b) via a causative affix (e. g. ?aølama ‘inform s. o. that’, see 1.4), and tritransitives derived via a refunctionalization of locatives complements (see Versteegh 1990 for notion of saøat al-kalaam ‘extension of function, refunctionaliztion’). Among the transitive verbs are also those whose direct objects are marked by a preposition, so that in marar-tu bi-zayd-in ‘I passed by (⫽ bi) Zayd’ marra ‘pass by’ is a verb whose object necessarily is marked by bi. The basic valency classification of verbs is of formal nature based on the number of direct objects each takes, a criterion which, in the standard grammars, is used to sub-divide chapters in the exposition of verbs. Sarraj (I, 169) attempts to establish a semantic correlation to transitivity under the criterion that all verbs whose inherent action encounters and affects the object (yulaaqiy say?an wa yu?θir fiyhi) like dj araba ‘hit’ are transitive, while those which do not are intransitive, like tjaala “become tall” or qaama ‘get up’. For the most part, however, this definition is a semantic characterization of an already fixed syntactic division of verbs. Sarraj introduces further semantic criteria, including verbs which encode a movement towards (harakat li-l-jism) like qaama ‘stand up’, those which represent an innate but physically perceptible quality (xilqa) like tjaala ‘become tall’, and those which represent an inherent state (nafs) like hasuna ‘be good’. These semantic components, however, potentially cross-classify transitivity, so that, for instance, the verb ?ataa “come” in
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5. Valency-like Concepts in the Arabic Grammatical Tradition
?atay-tu zay-dan ‘I approached Zayd’, a verb of movement towards a body, is transitive (mutaøaddiy), on the basis of its accusative object. That Sarraj (I, 170) notes that verbs of the senses (hawaas, like samiøa ‘hear’) are all transitive might be interpreted as suggesting that such verbs do not fit well in the basic semantic definition of transitivity given above. Where Sarraj’s semantic definition correlates better with a syntactic category concerns the class of ditransitives whose two direct objects are obligatory (see 6b). These are noted all to be verbs which do not affect the object (I, 180). It may be briefly noted that semantic valency (co-occurrence) relations also exist between the verb and certain other of the object complements. The absolute object in particular in subject to the general constraint that it must be cognate to the verb which it is governed by in form (in some circumstances meaning suffices). Thus in (4) the absolute object dj arb-an ‘hitting, a hard hitting’ could be added to the sentence, but not, say qiyaam-an “sitting”, which has no formal or semantic relation to the verb. 1.2. “Be” The verb “be”, kaana has a special status in the Arabic valency concept. Its complements have the same case marking as do transitive verbs (agent ⫽ nominative, complement ⫽ accusative) and its morphology is unmistakeably verbal. (7)
kaan-at hind-u ¥aniyy-at-a-n was-f Hind-nom wealthy-f-acc-indef. ‘Hind was wealthy’.
In other respects, however, it differs from what are termed “true verbs” (al-?af øaal alhaqiyqa) in that it has no passive (see 1.4) and it has no inherent lexical meaning, other than to distinguish tense. Most importantly, however, kaana is regarded as being imposed upon the basic nominal sentence type (see e. g. (2)), “entering” (daxala) the Topic-Comment structure, and changing only the form of the complements, but not the basic meaning. Accordingly its valency frame is terminologically distinguished by naming the noun analogous to the agent the “noun” (ism) of kaana, its complement the xabar. It can be noted that a range of verbs (termed kaana wa ?axawaatuhaa, “kaana and its sisters”) belong to the same class as kaana, including ?asjbaha “become”, Îj alla ‘remain’, sjaara “become”, maa zaala ‘continue’, laysa ‘be not’ …
1.3. Derivational and analogous forms Valency relations of the verb carry over to participial and verbal noun constructions, though the discussion of these constructions relates more to the case form of the complements than to valency relations in general, so there is not (I believe) so detailed a discussion in these instances as to the range of “objects” allowed as with the finite verb. It is largely self-evident (though see Zajjaji Iydj aah, 135 ff.) to the grammarians that related to the finite sentence ?akala al-?akl-a “he ate the food” is the participial (?aakil) construction, haaÎaa ?aakil-un al-?akl-a ‘this one will eat the food’, with the direct object (termed maf øuwl bihi in both cases) in the accusative. In this instance the greatest discussion centers on aspectual matters relating to different case marking possible on the object, not on the range of complements which a participial governor allows. Similar considerations apply to the passive participle and verbal noun. Beyond the regular derivational forms are a range of constructions which may be termed analogical verbs. These either are not strictly speaking verbs, or are awarded verbal status only by a part of the community of grammarians. What they have in common is a meaning and a power of governance which likens them to verbs. For instance, øalay- in (8)
øalay-ka zayd-an on-you Zayd ‘You take Zayd’.
is, morphologically, and in normal morphosyntactic categorization, a locative noun. In this instance, however, it has the valency frame of a transitive verb so it takes an accusative direct object complement, has the meaning of a verb, and is considered to have assumed the position of a verb (qaam maqaam al-fiøl). Various classes of words have a similar status (ism al-fiøl “nominal verb” (see Larcher 1992), as in (8), fiøl at-taøajjub “verb of surprise”, niøma, bi?sa ‘how good/ bad’). 1.4. Diathesis Regular changes in the actant structure of sentences, generally associated with a change in verb form, were dealt with in various parts of the Arabic grammar. The most basic relationship was probably the active-passive one. Actives are implicitly taken as basic, and in passivization the agent is removed (hence a common name for the passive construction,
30
I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
“the verb whose agent is not named ”, al-fiøl allaÎiy lam yusamma faaøiluhu). A promotional scale determines which ‘remaining’ actant takes the position of the agent, thereby assuming the nominative case of the “representative of the agent”, derived subject, (naa?ib al-faaøil) as it became known after the twelfth century. The scale is direct object (transitive, di- or tri-) ⬎ absolute object ⬃ locative object. That is, if a direct object is present, it assumes the agent position, thereafter absolute or locative object. For example, if (4) were passivized, the direct object would be promoted. (9)
dj uriba øamr-un yawma al-jumøati … ‘Amr was beaten on Friday …’
Had the original sentence not contained the object øamran, the locative could assume the agentive position: (10) dj uriba yawm-u al-jumøati … ‘On Friday it was beaten …’ It follows that intransitives allow passivization as well, since they always have a complement available (locative or absolute object) to assume subject status. In the later tradition at least, causative diathesis, the increase of actants, is not encoded in special terminology as is the passive, though it is described systematically. Thus, given dj araba zaydun øamran ‘Zayd beat Amr’, a causative ?adj rabtu zayd-an øamr-an is formed with the meaning ‘I made Zayd beat Amr’. In Sarraj, who is generally representative, the double object verb ?adj rab is described in the chapter headed “the verb which is transitive to two objects” (Sarraj I, 177), and is thus treated conceptually among inherently ditransitive verbs like kasaa ‘clothe’ or ?aøtjaa ‘give’. Systematic correspondences between verb form and diathetic relations are often treated separately from the syntax, in the morphology section (e. g. in Sarraj III, 116 ff.). This is probably in part because of the traditional division of description between morphology and syntax, though partly perhaps also due to the fact that, other than the passive, syntactic diathesis does not correspond completely with morphological changes. The passive verb form is known as the “form of the unknown” (mabniy or binaa? al-majhuwl). Derived verb forms frequently related to an increase in actants are duly noted, e. g. those with the prefix ?a- (dj araba ⫺ ?a-dj raba ‘hit, make s. o. hit’ above) or those with a doubled
second consonant (samuna/sammana ‘become fat/make fat’), though as these derivational correspondences are irregular they are simply listed as one semantic association among others. A significant number of verbs with the ?a- prefix have the meaning of ‘becoming’ (?a-sjbaha ‘become’, ?a-msaa ‘become evening’), for example. It may be noted, however, that in some later works (e. g. Zamaxshari, 257 ff.) the syntactic and morphological aspects of diathesis are treated together.
2.
The Dogma of the Verb and Other Issues
2.1. The Verb As will have become clear in this very brief introduction, valency questions permeate into all reaches of Arabic grammatical practice. While the core of the Arabic tradition centers around descriptive grammar, conceptual categories of the type outlined in section 1, a not insignificant metatheoretical discussion developed around questions relating to the status of the categories themselves, and to the status of the linguistic exponents realizing them. Among the first works of this genre is Zajjaji’s Iydj aah (Versteegh 1995). One important discussion in this direction which relates directly to valency centers on the relation between the verb and the accusative case. It was observed that the verb is the governor par excellence of the accusative case. As seen above, a verbal dependent is typically governed in the accusative. There are instances, however, where an accusative appears which is not self-evidently governed by the verb. These include the following two cases: (11) a. Complements of ?inna “indeed” ?inna zayd-an kariym-un indeed Zayd-acc generous ‘Zayd is indeed generous’. b. Locative complements in nominal sentences zayd-un quddaam-a al-bayt-i Zayd-nom in front-acc house-gen ‘Zayd is in front of the house’. Within the terms of a generalizing framework with claims to be able to explain aspects of linguistic form, it was argued that in both of these cases a ‘verbal’ governor or a resemblance to a verbal governor in fact motivates
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5. Valency-like Concepts in the Arabic Grammatical Tradition
the accusative case. In (11b), according to the standard view (Anbari Insjaaf, 245), there is an assumed (muqaddar) verb which had been deleted (huÎifa) from the ‘surface’ structure, a verb with the value of ?istaqarra ‘remain’ (or the active participle mustaqirr, Lumaø, 112). The lexical value is reconstructed from the syntactic (accusative complement) and semantic (locative meaning) valency frame of the construction. In (11a) it was claimed (Zajjaji Iydj aah, 64, Anbari Insjaaf, 178) that the particle ?inna (along with four other morphemes) has the force of a transitive verb in a number of respects, for instance it has a similar form to a perfect verb and it has a verbal meaning, namely “assert” (Larcher 1990, 1992 for a pragmatic perspective). In both cases the valency structure of a transitive verb is taken as the prototypical frame for accusative form. 2.2. Historical perspective This exposition is generally representative of Arabic theory as it became fixed in the early tenth century and thereafter. As noted above, it is also broadly commensurate with earlier grammatical descriptions, such as we know of them, though there are differences worth exploring in systematic detail, such as, with a few exceptions (Owens 1990, Talmon 1997), has not been done to date. For instance, in the earliest grammarian, Sibawaih (I, 10 ff.), the notion of transitivity (taødiya) was essential, though in his treatment active and passive sentences are conflated in ergative-like fashion, so that an intransitive verb like Îahaba ‘go’ was introduced in the same chapter as a passive transitive verb like dj uriba ‘was hit’. In this description both the subject of an intransitive verb and the object of a transitive passive verb have in common the fact that they are governed in the nominative case by the verb, and that this verb is not transitive to an object complement. In Sibawaih, as opposed to later treatments (see above), the object was not promoted to subject or subject-like status. Though no extant grammars of his exist, the work of Farra?, the only other very early grammarian for whom a large corpus exists, is also worth mentioning. His opus magnum is a textual study of various aspects of the Qur?aan, many of the topics being of linguistic nature. His descriptions are often less technical than Sibawaih, for instance the verb taraa ‘you see, consider’ is said to ‘require two things’, not two objects, ‘to put in the
accusative case’, (Maøaaniy II, 215). Nonetheless, the categories which he distinguishes are generally analogous to those of Sibawaih, in this case for instance, the identification of taraa as a ditransitive verb. From its inception, therefore, the Arabic tradition was defined by concepts which by and large are isomorphic with modern valency grammar. That traditions so separated by time and culture should describe language in similar conceptual terms is cause for reflection.
3.
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6. Valenzverwandte Ansätze in Humanismus und Aufklärung: ein Überblick 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Der Kontext der Entwicklung der europäischen Sprachwissenschaft Zum Valenzbegriff in der Tradition der Grammatik Exemplarische Valenzansätze in Renaissancegrammatiken Valenzbeschreibungen in Grammatiken der Aufklärung Literatur in Auswahl
Der Kontext der Entwicklung der europäischen Sprachwissenschaft
Sieht man von anderen sprachtheoretisch interessanten Fragen wie nach dem Sprachursprung, der Vielfalt sprachlicher Ausprägungen oder dem Sprachwandel (exemplarisch in Dantes Programmschrift De vulgari eloquentia, entstanden ca. 1305, Erstdruck 1577) ab, so konzentrieren sich die sprachwissenschaftlichen Bemühungen des späten Mittelalters vor allem auf das Gebiet der Grammatik, die in zwei Erscheinungsformen präsent ist: a) als philosophische Begründung des durch die an-
tiken Autoritäten Aelius Donatus (4. Jh.) und Priscianus (6. Jh.) überlieferten Kategoriensystems und b) als Anwendung bzw. Vermittlung dieses Systems im Sprachunterricht an höheren Schulen und Universitäten. Im Kern umfaßt die Grammatik die Lehre von den Wortarten (partes orationis) und Ansätze zur Syntax (de constructione), die aber im allgemeinen nur Probleme der Kongruenz bzw. Konvenienz der Wörter im Satz, also typische Erscheinungen stark flektierender Sprachen behandeln. Tatsächlich bleiben viele Arbeiten zu dieser Grammatik, vor allem im pädagogischen Bereich, in der Wortartenlehre stecken. Probleme der Wortgruppensyntax (z. B. Rektion, Transitivität, vgl. auch Helbig 1978, Hopper/Thompson 1980) werden oft integriert bei den einzelnen Wortarten, d. h. unter bestimmten Akzidentien (z. B. Kasuslehre, Verbdiathese, species von Verben) behandelt. Objekt- und zugleich Leitsprache ist noch uneingeschränkt Latein, das zudem als wissenschaftliche Interlingua und grammatische Metasprache gilt. Hinweise auf andere Spra-
6. Valenzverwandte Ansätze in Humanismus und Aufklärung: ein Überblick
chen haben meist nur erklärende und/oder didaktische Funktion. Mit Renaissance und Humanismus ändert sich das Bild: Denn erstens werden nun ⫺ im Rahmen übergreifender Säkularisations- und Pragmatisierungsprozesse ⫺ die sog. Volkssprachen (linguae vulgares) um ihrer selbst willen interessant und zunehmend Gegenstand grammatischer Kultivierung, wobei gezielt auf in der Antike entwickelte Sprachrichtigkeits- und Klassizitätsmodelle (z. B. Varro, Quintilian, vgl. Siebenborn 1976) zurückgegriffen wird; und zweitens verlagert sich der Schwerpunkt grammatischer Bemühungen deutlich von der Systemtheorie der Grammatik auf die deskriptive Erfassung einzelner Sprachen (Percival 1975, Padley 1985, 1986, Cherubim 2001a), an denen die tradierte Systematik überprüft und ⫺ gegebenenfalls ⫺ modifiziert werden kann. Die Folge davon ist eine die Entwicklung der neuzeitlichen Sprachwissenschaft bestimmende, neue Zweiteilung der Aufgaben des Grammatikers, die allerdings in der Praxis nicht immer durchzuhalten war: (1) Rechtfertigung der Prinzipien (rationes) der grammatischen Organisation von Sprachen, vor allem durch die Entwicklung einer allgemeinen oder universalen Grammatik, die zunächst die philosophischen Ansätze des Mittelalters auf einer anderen Ebene fortführt (z. B. bei Julius Caesar Scaliger, vgl. Jensen 1990), dann aber neue philosophische Begründungen, z. B. in den Systemen von R. Descartes, Ch. Wolf oder I. Kant, sucht (vgl. Salus 1976, Lenders 1976, Naumann 1986, 46 ff.); (2) eine vornehmlich auf literarische Texte gestützte Analyse der Struktur einzelner Sprachen, zunächst im Interesse kulturpatriotischer und bildungspolitischer Konzepte (Hauptsprachenidee, Standardisierung, vgl. Huber 1984), später auch als Teil kulturgeschichtlicher, anthropologischer oder naturhistorischer Modellierungen (z. B. bei Johann Christoph Adelung, vgl. Bahner 1984). Versuche, beides (Linguistik und Philologie) miteinander in Einklang zu bringen, lassen sich bereits in der Barockzeit (z. B. in den Werken von Gerardus Johannes Vossius, vgl. Leonhardt 2001), erkennen.
2.
Zum Valenzbegriff in der Tradition der europäischen Grammatik
Valenz gilt ⫺ auch heute noch ⫺ als Phänomen zwischen Lexik und Grammatik: Sie betrifft innerhalb der Darstellung gerichteter
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Strukturen im Satz die Ausstattung einzelner Elemente von Wortklassen (vornehmlich der Verben) mit bestimmten grammatischen, semantischen und/oder pragmatischen Umgebungen und sie gehört zu den in der Grammatik zu beschreibenden Regelhaftigkeiten der Wortfügung und Satzkonstruktion. Valenzen werden daher entweder in Wörterbüchern aufgeführt, als prinzipielle syntagmatische Möglichkeit in der Lexikologie erläutert oder als hierarchische Strukturen in Syntaxen entwickelt. Valenzbeobachtungen lagen zunächst zum Verb vor, dessen konstitutive, strukturbildende Leistungen in Sätzen schon früh bemerkt wurden. Konkreter Ausgangspunkt aller frühneuzeitlichen Diskussionen von valenzähnlichen Erscheinungen sind jedoch die Beobachtungen und Diskussionen, die in der lateinischen Tradition und deren (spätantiken und mittelalterlichen) Kommentierungen zu finden waren. An erster Stelle ist hier die Institutio grammatica des Priscianus (Gramm. Lat., rec. H. Keil, Bde. II, III) zu nennen, die auch eine relativ ausführliche Syntax (lib. XVII, XVIII) enthält, welche sich wiederum ausdrücklich an der älteren griechischen Syntax des Apollonios Dyskolos (Gramm. Graec., rec. G. Uhlig Bd. II, 2) orientiert. Einschlägig sind hier vor allem die jeweiligen Ausführungen zum Satzbegriff und zur Zielsetzung der Syntax einerseits, andererseits die in den Verb- und/oder Syntaxkapiteln vorgenommene Explikation der Begriffe unterschiedlicher Verbklassen oder -typen. So ist es ja für die Beobachtung dieser Erscheinungen nicht unerheblich, ob man, wie Apollonios (A, 14) und Priscian (XVII, 12), grundsätzlich von einer zweipoligen Satzstruktur (mit nominalem und verbalem Kern) ausgeht, deren Zusammenhang durch kategorielle Angleichung (Kongruenz; Apollonios: katallhlo¬thw) gesichert wird, so daß z. B. subjektlose (z. B. impersonale) oder subjektaussparende Konstruktionen (z. B. Antworten auf Fragen) nur als spezifische Abweichungen von diesem Grundmodell erscheinen. Und natürlich ist es für eine Grammatik, deren Zielvorgabe das recte loqui bzw. recte scribere sein soll, wesentlich, die Regeln zu beschreiben, die abweichende Kasus- oder Präpositionalkonstruktionen (Rektion) bei bestimmten Verben verhindern. Erscheinungen, die sich mit den Begriffen Transitivität/ Intransivität verbinden lassen, verweisen jedoch noch auf einen anderen Kontrollbegriff, der hier eine Rolle spielt: den Begriff der
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
Vollständigkeit von Sätzen oder Phrasen (Priscian XVII, 3: oratio perfecta, Apollonios A, 1: ayœtotelh¡w lo¬gow), der letztlich auf logisch-semantische Diskussionen der stoischen Grammatik zurückweist (vgl. Pohlenz 1964, 47 f., Döring/Ebert 1993), aber auch in modernen Grammatiken und in den heutigen Valenzsyntaxen noch eine wichtige Funktion hat. Neben diesen systematischen Ansätzen in den Grammatiken sind aber auch Beobachtungen zu nutzen, die ⫺ gleichsam als Komplemente normativer Beschreibungen oder im stilistischen Anhang deskriptiver Grammatiken ⫺ in (oft lexikalisch orientierten) Sammlungen von Anomalien, Sprachverstößen, Zweifelsfällen usw., also im sog. pathologischen und antibarbarischen Schrifttum enthalten sind und die über das usuell Zulässige oder systematisch zu Fordernde hinaus weitere Strukturmöglichkeiten der jeweils untersuchten Sprachen sichtbar machen können (vgl. auch Cherubim 2001c).
3.
Exemplarische Valenzansätze in Renaissancegrammatiken
Eine systematische Analyse des sehr umfangreichen grammatischen Schrifttums in Renaissance und Humanismus auf den Spuren valenzverwandter Ansätze liegt bisher nicht vor und ist auch nur schwer vorstellbar. Schon Längsschnittuntersuchungen zur Behandlung spezifischer grammatischer Kategorien oder Teilsysteme einzelner Sprachen (vgl. Golling 1903, Jellinek 1914) sind eher selten und im Ansatz problematisch. So ist hier nur eine exemplarische Betrachtung möglich. Für den zunächst zu betrachtenden Zeitraum seien die Grenzen einerseits durch Lorenzo Vallas berühmte Abhandlung De Elegantia linguae Latinae (entstanden ca. 1441, Erstdrucke 1471), andererseits durch Gerardus Johannes Vossius’ barockes Werk De arte grammatica (1635) markiert (vgl. Cherubim 2001b, 133 ff.). Dazwischen entstanden vor allem für das Lateinische, aber zunächst nur vereinzelt auch für einige Volkssprachen (z. B. für das Spanische schon 1492, in Deutschland erst seit ca. 1570) bedeutendere grammatische Werke, die übergreifend durch folgende Merkmale gekennzeichnet werden können (vgl. Parret 1976, Padley 1985, 1988): (i) nachhaltige Orientierung an der erneuerten grammatischen Tradition (bes. Donat und Priscian), (ii) starke Präsenz
durch zahlreiche Ausgaben und eine große Verbreitung, (iii) deutliche Bezugnahme aufeinander sowohl in positiver (Übernahme) wie in negativer Form (Kritik, Ablehnung). Dem entspricht auch der Befund zu Valenzansätzen bei einzelnen Autoren. So finden sich in Vallas Elegantiae (weniger eine Stillehre als ein grammatischer Kommentar, vgl. Ax 2001b, 33) nur unsystematische valenzrelevante Beobachtungen sowohl in den grammatisch-syntaktischen Büchern, vor allem in den Kapiteln über die Verben (II, 22⫺ 24; III, 23 [Verbkongruenz], 45 f. [Kasusrektion]) wie in den lexikalisch-semantischen Büchern, die sich, wie Ax (2001b, 37 ff.) hervorhebt, an der Tradition der lateinischen Glossographie orientieren, und hier vor allem unter dem Aspekt der Bedeutungsdifferenz von Verben (Buch V). In ähnlicher Weise geht Niccolo` Perotti in seinen Rudimenta grammatices (Erstdruck 1473) im Syntaxteil noch von der Konstruktion der partes orationis aus, kommt aber bei der Behandlung der Verben schon zur Einteilung von semantisch motivierten Konstruktionsklassen (ordines verborum), die auf einer Abhängigkeitsrelation basieren und damit eine Art „konzeptuelle Ähnlichkeit“ zu modernen valenzsyntaktischen Modellen aufweisen (Worstbrock 2001, 69, Anm. 40). Relativ wenig für die Beschreibung von Valenzerscheinungen gewinnt man aus Julius Caesar Scaligers sonst so zentralem Werk De causis linguae Latinae (Erstdruck 1540), zumal dort nur ein minimaler Syntaxanteil (eine Art syntax figurata: Buch XII) geboten wird. Wie bei Valla handelt es sich auch hier um einen grammatischen Kommentar, der sich zwar am klassischen Aufbau der Elementargrammatik (vom Laut zum Satz) orientiert, aber nur bestimmte diskussionswürdige Probleme auswählt. Denn vorrangiges Ziel der Darstellung ist die Bloßlegung der Irrtümer (errores) und die Aufklärung der Unklarheiten (tenebrae) früherer Grammatiker bzw. die Erläuterung der Prinzipien (rationes) grammatischer Strukturanalysen auf der Basis der aristotelischen Philosophie (Jensen 1990, Cherubim 2001b). Lediglich in den Ausführungen über das Verb (bes. V, 110, 123 f.) findet man, wie schon bei Perotti, eine Diskussion spezifisch syntaktischer und semantischer Verbklassen (z. B. Transitiva vs. Absoluta [⫽ Intransitiva], Impersonalia usw.), der Verbdiathesen und verwandter Erscheinungen, innerhalb dessen ⫺ wenn auch nur ansatzweise und primär unter logischen [tiefen-
6. Valenzverwandte Ansätze in Humanismus und Aufklärung: ein Überblick
strukturellen] Aspekten ⫺ Fragen der Vollständigkeit von Konstruktionen oder der Verbkomplemente behandelt werden (vgl. auch Chevalier 1968, Helbig 1982). Interessanter und ergiebiger für diese Fragestellung ist die Arbeit eines spanischen Humanisten, die sich in Titel und Intention eng an Scaliger anschließt, Franciscus Sanctius’ Minerva seu de causis linguae Latinae commentarius (Erstdruck der Endfassung 1587). Diese grammatische Abhandlung, deren geradezu prästrukturalistischer Formalismus auf die grammatischen Konzeptionen Scaligers und des französischen Humanisten Petrus Ramus zurückgeht (vgl. Vogt-Spira 2001, 178), ist vor allem wegen ihres dominanten Syntaxanteils und der ungewöhnlich breit angelegten Ellipsenbehandlung bekannt (vgl. auch Breva-Claramonte 1983), wobei letztere wiederum von einem anderen Humanisten und dessen maßgeblicher Arbeit, Thomas Linacres De emendata structura Latini sermonis (Erstdruck 1524), bestimmt ist (vgl. auch Percival 1976). Auffällig ist hier die Gewichtung: Nur Buch I entspricht im Aufbau der typischen Elementargrammatik (in manchen Ausgaben, z. B. der 6. Ausgabe, Amsterdam 1754, zusätzlich als Anhang präsent), während die Syntaxbücher (II und III) den Kern des Werkes ausmachen. Hierin geht Sanctius wie Priscian und Apollonios von der Zweipoligkeit der Satzstruktur (oratio aus nomen und verbum) aus und führt als Grundbegriffe concordia (⫽ Kongruenz) und rectio (hier weiter gefaßt: III, 1) ein, wobei auch schon der Begriff der Abhängigkeit (pendere) als Entsprechung zur rectio benutzt wird. Sowohl die Kapitel über die Konstruktion der Nomina (Kasusrektion: II, 1⫺7) wie über die Konstruktion der Verben (Verbklassensyntax: III, 1⫺4) und Präpositionen (III, 12) enthalten Beobachtungen, die für moderne Valenzanalysen interessant sind. Und dies gilt auch für die im letzten Buch (IV, 2⫺7) angebotene, ungewöhnliche Ellipsendiskussion, die unter dem Oberbegriff der figurae constructionis (d. h. Abwandlungskonstruktionen) steht und damit in den Zusammenhang der Pathologie in der antiken Grammatik gehört. Andere bedeutende Beiträge der grammatischen Diskussionen in Renaissance und Humanismus (z. B. Melanchthons oder der Sanctiusschüler Schoppe [Scioppius] und Voss[ius]) wären auf diesem Hintergrund ebenfalls interessant.
4.
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Valenzbeschreibungen in Grammatiken der Aufklärung
Im Zentrum der Aufklärungsepoche steht der Begriff der Rationalität. Auf die ratio als sprachtheoretischen Kontrollbegriff hatten sich aber auch schon die Grammatiker des 16. Jhs. berufen. Freilich waren die Konzepte nicht dieselben. Bei dem deutschen Barockgrammatiker Justus Georg Schottelius wird diese ratio z. B. im Sinne des antiken Analogiebegriffs verstanden, bei dem Spätaufklärer Johann Christoph Adelung im Sinne des Sensualismus. Weitreichender sind noch die Rationalitätskonzepte der verschiedenen philosophischen Schulen, an denen sich die zahlreichen allgemeinen Grammatiken der Aufklärung (vgl. Brekle 1992 ff.) orientierten. Dependenz- oder valenzsyntaktische Ansätze der Zeit sind also jeweils in ganz unterschiedliche Rahmen zu stellen. Als Ausgangspunkt rationalistischer Grammatiken wird oft die Grammaire ge´ne´rale et raisonne´e (Erstdruck 1660) von Antoine Arnauld und Claude Lancelot genommen. R. Lakoff (1976, 364) zeigt jedoch, wie sehr sie der Konzeption von Sanctius’ Minerva verpflichtet ist. Wie schon ihre Vorläufer geht diese Grammaire de Port-Royal von einem engen Zusammenhang von Logik und Grammatik aus: Beide sind Formen des Denkens, wobei die verschiedenen Sprachen eben nur verschiedene formale Ausprägungen dieses Denkens zeigen. Eine solche Bestimmung von Sprache motiviert die Vorstellung von einer Differenz zwischen abstrakten, zugrundeliegenden und konkreten, im Ausdruck realisierten Strukturen, was auch für die Beschreibung von Valenzphänomen wichtig ist. Denn so fallen sie in das Gebiet der Semantik (signification) und werden in traditioneller Manier bei der Behandlung der Nomina (⫽ Kasussemantik: II, 6) und Präpositionen (II, 11), andererseits bei der Darstellung der Verben (II, 13) exemplifiziert. Bei letzteren geht es auch hier wieder um die bekannten Erscheinungen (Verbdiathese, Neutra, Impersonalia), nur daß immer wieder auf den Unterschied von generellen (⫽ universalen) und speziellen (⫽ einzelsprachlichen) Regeln hingewiesen wird. Die Syntax (II, 24) geht ebenfalls wie in der Tradition von den Begriffen convenance und regime aus, erstere wird jedoch als naturelle (universal), letzterer als „en usage presque partout“ verstanden, weswegen nur begrenzt maximes generales angenommen werden können. Im Anhang zum
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
Syntaxkapitel findet sich eine Figurenlehre, die sich ebenfalls an Sanctius orientiert und wiederum die Differenz zwischen Grundstrukturen (l’ordre naturel) und kommunikativ bedingten Abwandlungen betont, somit pragmatische Bedingungen von Valenzregeln thematisiert. Ein echter Vorläufer moderner Valenzmodelle ist Johann Werner Meiners Versuch einer an der menschlichen Sprache abgebildeten Vernunftlehre […] (Erstdruck 1781). Auffällig ist hier schon die Dominanz der Syntax in dieser Philosophischen und Allgemeinen Sprachlehre, was wiederum an Sanctius erinnert. Im Unterschied zur Tradition hält er das Prädikat für den „vornehmsten Teil des Satzes“ und stellt dessen strukturbildende Potenz im Bild eines Sprachbaums dar. Auch er betont den Unterschied zwischen universalen und einzelsprachlichen Regeln und entwickelt ein ganzes Inventar valenzsyntaktischer Begriffe, das leider von den Grammatikern nach ihm nicht mehr genutzt wird (vgl. Erben 1978, Naumann 1990). Denn trotz der positiven Aufnahme seines Versuchs durch Johann Christoph Adelung bleibt dieser, wie auch seine bedeutenderen Vorgänger (z. B. Johann Christoph Gottsched) noch ganz der traditionellen Konzeption von der zweipoligen, am logischen Urteil orientierten Satzstruktur verhaftet, auch wenn er in seinem Umständlichen Lehrgebäude der Deutschen Sprache […] (Erstdruck 1782) bei der Behandlung der unterschiedlichen Verbkonstruktionen im Wortartenteil (I, 2, 7) ebenso wie bei der Behandlung der Verbrektion im ausführlichen Syntaxteil neue detaillierte Beobachtungen zu gerichteten Relationen im deutschen Satzbau zusammenträgt. Eine Valenztheorie ist auf dieser Basis zwar angedacht, aber selbst da, wo bereits der Terminus Dependenz genutzt wird (z. B. in August Ferdinand Bernhardis Anfangsgründe der Sprachwissenschaft, 1805) grundsätzlich noch nicht möglich.
5.
Literatur in Auswahl
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Dieter Cherubim, Göttingen (Deutschland)
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeitsund Valenz-Konzepts 1. 2. 3. 4. 5.
Einleitung Grundannahmen zur Dependenz und Valenz Formales Instrumentarium zur Beschreibung der Valenz-Struktur Die pragmatisch-kognitive Modellierung der Verbvalenz als holistische Struktur: das Verb-Holon-Modell Das Abhängigkeitskonzept in der mathematischen Rekonstruktion Literatur in Auswahl
Einleitung Bei der Konzipierung der Strukturalen Syntax hat ihrem Erfinder Lucien Tesnie`re sicher weder Mathematik noch Logik Pate gestanden. Dies hat sein Positives und sein Negatives. Positiv daran ist: Tesnie`re konnte sich von seinen kreativen linguistischen (oder che-
mischen oder dramaturgischen) Intuitionen leiten lassen, ohne sich einen formalen Zwang auferlegen zu müssen. Negativ ist: Wenn man diese Intuitionen nicht in ein Prokrustesbett überkommener syntaktischer Formalisierungswerkzeuge betten will, muss man mühsame Maßarbeit für eine geeignete mathematische und logische „Einbettung“ leisten. Denn Dependenz und Valenz stellen Ansprüche an ein mathematisches „Ambiente“, das mit den sperrigen Versatzstücken der extensionalen Struktur-Mathematik (cf. 2.1 und 3.1.1 f.) nur schlecht zu zimmern ist. Aber die Mühe lohnt sich, wenn sich schließlich zeigt, dass beide in einem holistischen Bett am ehesten zusammenfinden. Zunächst sollen die grundlegenden Intuitionen und Konzepte Tesnie`res zu Dependenz und Valenz in einer mathematischen Sprache
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
formuliert werden (1.2⫺1.5). Anschließend wird dazu ein formales Instrumentarium eingeführt (2), das zu einer pragmatisch-kognitiven Rekonstruktion verwendet wird (3). Schließlich wird gezeigt, welche linguistischen Einsichten sich aus dieser Modellierung ergeben (4). Das Ergebnis der Rekonstruktion wird sein: Im Gegensatz zum Aufbau von Tesnie`res Buch, in dem dem Dependenz-Begriff gegenüber der Valenz der Vorrang eingeräumt wird, liefert die Valenz die übergeordnete Strukturierung, während die Dependenz eine untergeordnete, fast marginale Rolle spielt. Dies ist nicht so sehr eine Eigenheit dieser Modellierung als vielmehr der Vorschlag eines Auswegs aus den vielen „ausweglosen“ Diskussionen um die Art und Richtung der Dependenz-Beziehung. Der Vorschlag hat zudem noch den Vorteil, die Dependenz mit der Valenz-Auffassung verträglich zu machen. Der Grund für die geringe Theoriefähigkeit des Dependenz-Begriffs ergibt sich daraus, dass der Ansatz des Konzepts schon bei Tesnie`re selbst nicht operationalisiert werden kann (cf. 1.2, 4.2.1).
1.
Grundannahmen zur Dependenz und Valenz
1.1. Tesnie`res Absicht ist zu beschreiben, wie ein Sprecher einen Gedanken in einen Satz umwandelt bzw. wie ein Hörer die LinksRechts-Abfolge eines Satzes zu einem Gedanken umorganisiert (1: 7⫺10) (Die Angaben dieser Art beziehen sich auf Kapitel in Tesnie`re 1959 bzw. 1980). Tesnie`re gibt selbst keine Regeln zur Überführung eines Satzes in einen Gedanken an. Er stellt eine baumartige Struktur für die Gedanken-Organisation vor, die er Stemma nennt. Dieses Verfahren, bei Satz-Beispielen, statt die Regelanwendung vorzuführen, jeweils gleich den ErgebnisBaum zu zeichnen, wird in 1.2.3 und 4.2.1 hinterfragt. Die formale Rekonstruktion der Strukturalen Syntax muss versuchen, ein Kriterium für die Struktur eines wohlgeformten Gedankens anzugeben, das allerdings bei Tesnie`re nur implizit vorhanden ist (6: 2 ff., 7: 6 ff.). Die sonst in der Syntax übliche Frage nach den Regeln der Wortfolge kann schon deswegen nicht Ziel der Strukturalen Syntax sein, weil Tesnie`re von der nur semiotisch oder physikalisch bedingten Links-Rechts-Abfolge im Satz gerade wegkommen möchte (7: 4 ff.).
Dies widerspricht eigentlich der Grundidee einer syntaktischen Theorie und man ist geneigt, Tesnie`res Ansatz als defizitär einzustufen, jedenfalls solange man die Strukturale Syntax als syntaktische Theorie ansehen will. Daher soll schon hier gesagt sein, dass man meines Erachtens Tesnie`res Anliegen besser versteht, wenn man sein Programm nicht als Syntax-Theorie versteht, sondern die folgende Arbeitshypothese vertritt: (AHYP) Die Strukturale Syntax zeigt den Aufbau eines Semantik-Konzepts, das nicht die lexikalische Bedeutung erfassen will, sondern die kompositionellen semantischen Bedingungen der kategoriellen Verknüpfungen im Satz. Das ist der Dependenz-Aspekt. Diese Semantik wird aber zusätzlich unter kognitive Forderungen gestellt, die einen holistisch-funktionalen Überbau verlangen. Das ist der Valenz-Aspekt. Diese Auffassung zu modellieren und zu begründen, wird das Anliegen der mathematisch-logischen Rekonstruktion sein (vgl. z. T. Heringer 1993a, 299). Im Folgenden sollen die Rahmen-Annahmen (1.2) und die spezifische Ausfüllung, die Tesnie`re vorschlägt, voneinander getrennt werden (1.3⫺1.5). Der Zweck dieser Trennung ist es, Modifikationen und Weiterentwicklungsvorschläge danach zu beurteilen, welchen der beiden Bereiche sie betreffen. 1.2. Die Wahl des Regeltyps 1.2.1. Wahl 1: Der Zusammenhang zwischen Wörtern im Satz wird als zweistellige Beziehung zwischen Wörtern konzipiert: als Konnexion CNX. Alle semantischen Beziehungen in einem Satz werden auf Paar-Beziehungen zwischen Wortkategorien C und C⬘ abgebildet. Tesnie`re nennt sie „Konnexionen“ (im Folgenden als CNX (C, C⬘) bezeichnet). Der Gesamtzusammenhang im Satz wird dadurch hergestellt, dass Konnexions-Paare miteinander „verkettbar“ sein sollen, d. h. wenn U und V miteinander konnektiert sind CNX (U, X), dann soll es ein weiteres konnektiertes Paar CNX (V, W) geben, das an CNX (U, X) angehängt werden kann (entweder durch W = U oder durch X = V). Die Konnexion zwischen zwei Kategorien wird von Tesnie`re ohne Begründung postuliert. D. h. er gibt keine syntaktische (oder semantische) Begründung seiner Wahl an (cf. 2.1 ff.). Sie ist auch nicht begründbar, weil dieser Grundpfeiler der Dependenzgramma-
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
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tik auf einer semiotischen Fallacy beruht (cf. 4.2.1). Diese Nicht-Fundierbarkeit des Dependenzbegriffs ist die Ursache für die Fülle der Diskussionen, die auch der Anlass zu diesem Handbuch ist.
Betrachtung ausgewählt. (Nach Wahl 2 gibt es dann genau eine Kategorie C⬘, die mit C in CNX-Beziehung steht (d. h. CNX (C, C⬘)) bzw. die cnx-Funktion erfüllt: C⬘ = cnx (C).) Die Regel zur Stemmabildung lautet dann:
1.2.2. Wahl 2: Die Relation CNX ist eine Funktion (im Folgenden „cnx“ genannt). Die Funktion cnx ordnet jeder Kategorie aus einer bestimmten Kategorien-Menge eindeutig eine andere Kategorie zu (3: 1), d. h. zu jeder Kategorie X gibt es genau eine Kategorie Y, die zu X „gehört“. Inhaltlich heißt das: Tesnie`re fasst die Organisation eines Satzes so auf, dass man aus der Kenntnis der Kategorie C eines Wortes folgern kann, welche weitere Kategorie C⬘ im Satz durch ein Wort vertreten sein muss: cnx (C) ⇒ C⬘. Dies hat einen entscheidenden Vorteil für den Hörer eines Satzes, denn er kann bei jedem Wort eine bestimmte weitere Kategorie und deren Besetzung erwarten. Dadurch wird die intuitive Abarbeitung der Wortinformationen erleichtert (cf. 1.2.3). Anm.: Die funktionale Zuordnung wird im Folgenden immer mit dem asymmetrischen „⇒“ bezeichnet und nicht mit dem symmetrischen „=“, da das in der Mathematik in diesem Zusammenhang verwendete Gleichheitszeichen fehl am Platz ist, wenn es um die Ausführung einer Funktion oder Operation geht (cf. 2.1 (KR1)). Aus Wahl 2 ergibt sich die hierarchische Anordnung der Kategorien im Satz (eine Baumstruktur). D. h. es gibt mehrere unterste (Ausgangs-)Kategorien, die alle in einer obersten Kategorie zusammenlaufen (die dann die Rolle des Satzrepräsentanten übernimmt: bei Tesnie`re nicht die Kategorie des Satzes, sondern die des Verbs). Die Wohlgeformtheits-Bedingung lässt sich dann (nicht-formal) so angeben:
(RG.SB) Wenn es in der Links-Rechts-Umgebung zu w genau ein anderes Wort w⬘ (mit der Kategorie C⬘) gibt, dann kann man die Stemmalinie w J w⬘ erzeugen.
(WFB) Ein von einem Sprecher konstruierter Satz ist für einen Hörer wohlgeformtheit, wenn er zu allen Wörtern die Kategorie angeben kann und diese in einer Baumstruktur (Stemma) so zusammenbauen kann, dass keine Zwischenknoten unbesetzt sind. 1.2.3. Wahl 3: Die Regel zur Stemmabildung Sie erfordert einige Voraussetzungen: Gegeben sei ein wohlgeformter Satz in Form einer Kette von Wörtern (SK). In SK sei ein Wort w mit der Kategorie C als Ausgangspunkt der
Das Stemma zu SK ist dann wohlgeformt, wenn die Regel auf alle Wörter im Satz SK angewandt worden ist und alle dabei erzeugten Stemmalinien miteinander nach Wahl 2 (1.2.2) verbunden sind. Das so erstellte Stemma erfüllt auch das oben angegebene Kriterium (WFB). Aber die Anordnung von unten nach oben ist hier kein Teil der Regel. Denn es handelt sich um eine zusätzliche nicht-essentielle semiotische Konvention (und diese darf auch nicht essentiell eingebracht werden, weil sich daraus semiotische Fehlschlüsse ergeben (cf. 4.2.1)). Im Folgenden wird der oben vorausgesetzte Sachverhalt abkürzend auch so formuliert: Wenn in SK die Kategorie C (mit w) besetzt ist, dann muss die Kategorie C⬘ = cnx (C) auch besetzt sein. – Dabei ist der Begriff „besetzte Kategorie folgendermaßen definiert: in einer Satzkette SK ist eine Kategorie C besetzt, wenn es mindestens ein Wort w in SK gibt, das zu der Kategorie C gehört. Dafür schreiben wir: „In SK: *C: ⫹+“ bzw. bei Kenntnis des besetzenden Wortes w: „in SK: *C: w+“. Das besondere Merkmal dieses „Regelsystems“ ist dies: der Zusammenhang im Satz SK muss nicht zwischen den Wörtern, sondern zwischen den Kategorien hergestellt werden, die in SK besetzt sind. D. h. welche Wörter die Kategorien besetzen, ist unwesentlich. Strukturbestimmend ist nur die Bedingung, dass es ein Wort geben muss, das die Kategorie besetzt. Oder anders ausgedrückt: das virtuelle Stemma, d. h. das Stemma, das nur die Kategorienangaben enthält, kann nur in den Ausgangskategorie unbesetzt bleiben. Sobald eine Kategorie besetzt ist, muss auch die damit konnektierte Kategorie besetzt sein. Daraus folgt: dieses Regelsystem kann weder für die Kategorien allein formuliert werden (weil sie nichts über die Besetzung im Satz aussagen), noch für die Wörter allein (weil zwischen den individuellen Wörtern selbst keine regelhaften Beziehungen bestehen). Unglücklicherweise führt aber Tesnie`re das Stemma
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
so ein, als ob die Abhängigkeiten zwischen den Wörtern direkt bestünden (1: 5, 2: 2 ff. usw.). Erst in 32: 21 und 33: 1 ff. wird das „virtuelle Stemma“ eingeführt, das die Abhängigkeit der Kategorien voneinander zeigt (dann aber die Bedingung der Besetztheit weglässt!). – Damit wird klar, dass es sich um eine kompositionelle Semantik handelt, bei der nur die Kategorien regelhaft verknüpft sind, nicht jedoch die Wörter selbst, andererseits aber nur das Besetztsein der Kategorien ein Kriterium für die Wohlgeformtheit des Stemmas zu einer bestimmten Satzkette erfüllen kann. Dieses Vorgehen löst die Schwierigkeit, die sich aus Ansätzen ergibt, in denen das virtuelle und das konkrete Stemma „aus einem Topf“ gespeist werden, der sowohl die Paare zu den Kategorien als auch die aus der Wortmenge enthält (z. B. in Heringer/Strecker/Wimmer 1980, 131 f.). Problematisch an der Regelformulierung (RG.SB) ist die Einschränkung „auf eine Umgebung um das Wort w“. Diese Einschränkung ist wesentlich, weil sonst „zu weit“ entfernte Wörter bzw. deren Kategorien konnektiert werden könnten. Andererseits lässt sich diese Umgebung aber nicht durch eine bestimmte Längenangabe präzisieren, weil sich erst aus dem Verstehen der Satzkette (bzw. formal bei einer vorausgehenden Satzanalyse nach einem (anderen?) syntaktischen Regelsystem) herausstellt, welche Teilketten zusammengehören. D. h. entweder setzt die Dependenzanalyse eine Vorstrukturierung mittels einer anderen Grammatik voraus, dann ist sie nur sekundär und komplementär verwendbar (cf. Baumgärtner 1970, 52; 54; 60, siehe dazu aber auch Heringer/Strecker/ Wimmer 1980, 245 f.), oder sie erfordert das vorausgehende Verstehen der Abhängigkeiten (aufgrund der Intuition oder der Dependenzanalyse), dann wird die Dependenzgrammatik zirkulär. Die Vorgehensweise Tesnie`res, zu einer Satzkette nur das Resultatstemma anzugeben, scheint zunächst nur eine Verkürzung zu sein, in der (keineswegs triviale) Zwischenschritte weggelassen werden; hier zeigt sich aber, dass dadurch die Zirkularität des ganzen Ansatzes (ungewollt) verschleiert wird. Da sie aber prinzipiell nicht vermeidbar ist, zeigt sich hier eine basale Schwierigkeit dieses Syntax-Konzepts: Man muss auf Umgebungen einschränken. Um dies aber sinnvoll tun zu können, muss man die Abhängigkeitsstruktur, d. h. das zu bildende Stemma, eigentlich schon kennen. – Meines Erachtens lässt sich dieses Konzept nur transparent und
nicht-zirkulär anwenden, wenn man von einer holistischen Gesamtsicht zu Dependenz und Valenz ausgeht (cf. 3.1.5, 3.4), in der die Abhängigkeit auf eine kognitive Tätigkeit bei der Referenztermbildung eingeschränkt wird. Nach der allgemeinen Konzeption Tesnie`res folgt hier seine spezielle Wahl der Kategorien (Modifikationen dazu, siehe unten; die Diskussion dazu in 3.4, 3.7, 4.3.2). 1.3. Die Kategorienwahl Tesnie`res Tesnie`re definiert die Funktion cnx auf der Menge MK der folgenden 4 Kategorie MK: = (ADJ, NOM, VRB, ADV), wobei der Definitionsbereich der Funktion DB (cnx): = (ADV, ADJ, NOM) und der Wertebereich WB (cnx): = (NOM, VRB) ist. Die Funktion cnx ist definiert durch: cnx (ADV) ⇒ VRB cnx (ADJ) ⇒ NOM cnx (NOM) ⇒ VRB Anm. 1: Tesnie`re nennt die Kategorien aus bestimmten Gründen A (hier: ADJ), E (hier: ADV), I (hier: VRB), O (hier: NOM). Die Bezeichnung NOM (bzw. im Text „Nomen“) heißt hier soviel wie „Substantiv“ (Tesnie`re: „substantif“), entspricht also nicht Tesnie`res „Nom“, das Substantive und Adjektive zusammenfasst (32: 13 f.). Anm. 2: Oft werden in der Sekundärliteratur mindestens noch zwei weitere Kategorien angenommen: MOD (Adjektiv-Modifikator) und ART (Artikel) mit der Festlegung: cnx (MOD) ⇒ ADJ und cnx (ART) ⇒ NOM Diese lassen sich aus bestimmten Stemmadarstellungen intuitiv gewinnen, sind aber bei Tesnie`re nicht explizit so eingeführt. Die Einführung dieser Kategorien ist noch im Rahmen des Konzeptes möglich, da keine Verzweigungen auftreten. Würde jedoch die Kategorie MOD mit der Kategorie ADV identifiziert, würde dies die Definition einer Funktion cnx nicht mehr zulassen (cf. Heringer 1993a, 300 ff.). 1.4. Basismengen zu den Kategorien Zu jeder Kategorie K sei eine Menge von Basisausdrücken B (K) definiert. Solche Basisausdrücke (Wörter) werden bei Tesnie`re nicht explizit vorgegeben, sie ergeben sich aber aus einer wohlwollenden Analyse der StemmaBeispiele. Andererseits fasst Tesnie`re oft mehrere Ausdrücke an einem Stemmaknoten zusammen, wobei unklar bleibt, ob dies eine
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
Abkürzung für den darunterstehenden Teilbaum (bei T. „Nexus“, 2: 3) oder tatsächlich ein als Einheit genommener Ausdruck sein soll (dazu cf. Heringer/Strecker/Wimmer 1980, 141). Die Wahl Tesnie`res, nur Wort-Kategorie einzuführen und die Anzahl auf vier zu beschränken, ist eine kühne Einschränkung, die eigentlich den üblichen Wortarten-Klassifikationen zuwiderläuft. Der Nachteil zeigt sich daran, dass die Dependenz-Analyse die Wohlgeformtheit des zu analysierenden Satzes immer voraussetzen muss. Wenn das Dependenzkonzept zur Erzeugung einer Satzkette verwendet würde, würden viele nicht wohlgeformte Sätze entstehen. D. h. eine solche Syntax wäre nicht korrekt (cf. Heringer/ Strecker/Wimmer 1980, 132 f.). Die Konsequenz für die anschließende pragmatische Betrachtung ist daher: das Ziel des Sprechers, nämlich die Bildung einer Satzkette, kann im Dependenzkonzept nur bis zu einem Redeplan beschrieben werden. Die Bildung der wohlgeformten Satzkette nach diesem Plan muss dann nach einem andern Verfahren entschieden werden. Wenn man jedoch die Arbeitshypothese (AHYP) zu Hilfe nimmt (1.1), kann man diese 4 Kategorien als die kognitive GrundFunktionen von Wörtern bzw. Satzgliedern interpretieren. Dies wird noch zu zeigen sein. Allerdings fasst Tesnie`re auch Wörter in einer Kategorie zusammen, die einer genaueren semantisch-kognitiven Analyse nicht standhalten werden (dazu 4.1.1 und 4.3.2). 1.5. Komplexbildung (Translation, Junktion) Aus der sparsamen Wahl der Basiskategorien ergibt sich für Tesnie`re das Problem: alle sonstigen vorkommenden Wortarten, Wortbildungen bzw. Satzgliedarten müssen mit diesen 4 Kategorien beschrieben werden. Er führt daher sozusagen als „Ausweg“ zwei zusätzliche Beschreibungsmittel ein, die eine Komplexbildung wie in der Phrasenstrukturgrammatik zulassen, aber die Komplexe auf die Basiskategorien projizieren anstatt weitere Kategorien für Satzteile einzuführen. Das ist zum einen die Operation der Translation, die mithilfe von „Translativ-Wörtern“ eine Kategorie in eine andere transformiert, und zum anderen die Junktion, die mithilfe von „Junktiv-Wörtern“ mehrere nebeneinanderstehende Ausdrücke derselben Kategorie zusammenfassen kann. (Dass diese Ausdrücke auch dieselbe Funktion haben müssen,
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versteht man intuitiv; das lässt sich aber wegen der oben genannten Zirkularität nicht als Randbedingung formulieren, cf. 1.2.3). – Die Translation soll hier nicht weiter behandelt werden (dazu in 4.3.3). Auf die Junktion soll aber wegen des damit verbundenen logischen Aspekts im Folgenden eingegangen werden. 1.5.1. Junktion Das (implizierte) Regelsystem wird um eine Regel erweitert, die verschiedenen Ausdrücken derselben Kategorie (ADJ, NOM, VRB) graphisch durch einen Junktionsstrich miteinander verbindet. Dies ist erlaubt, wenn im Satz Junktive (wie „und“, „oder“, „aber“) auftreten. Unter logischen Aspekten ist bemerkenswert, dass die Junktive auch für die Kategorie ADJ, NOM, VRB und ADV definiert sind, während sie in der Modernen Logik (d. h. in der Aussagenlogik) nur für die Satzkategorie definiert sind (die bei Tesnie`re gar nicht vorkommt). Er verbindet die Übersetzung aus der Satzkette in das Stemma mit naiven logischen Folgerungen, die hauptsächlich die Distribuierbarkeit von und bzw. oder zeigen sollen. Da er diese Beziehungen, die sich aus der Distribution ergeben, aber ebenfalls mit denselben Kanten(-linien) im Stemma bezeichnet wie die CNX-Linien, wird das Linienkonzept mehrdeutig und überfrachtet. Man hätte von der DependenzAnalyse eher erwartet, dass sie gerade den generischen Charakter junktiv-haltiger Sätze modelliert, anstatt alle Einzelfälle ausrechnen und in einem Stemma gleichzeitig angeben zu wollen. Dabei hätte doch der Gedanke, einen einzigen Knoten mehrfach besetzen zu können, gerade dazu dienen können, die Absicht des Sprachbenutzers, Geeignetes zusammenzufassen, in einfacher Weise darzustellen. Aufgabe einer Dependenz-Grammatik kann es ja nicht sein, en passant „Logik“ treiben zu wollen. – Da außerdem keinerlei logische Überführungsregeln angegeben werden, sondern wiederum nur ad hoc Übersetzungen in Beispielen vorgeführt werden, ist es wenig ergiebig, dies mit der Aussagenlogik vergleichen zu wollen. In einer kognitiv ausgearbeiteten modernen Version der DependenzGrammatik sollte jedoch die Flexibilität der Junktiv-Anwendung auf verschiedenen Kategorien logisch genutzt werden. Die Probleme dabei zeigt Heringer/Strecker/Wimmer (1980, 141 ff.) auf. – Dass es dazu im Prinzip eine befriedigende Lösung geben kann, wird im Rahmen der in 3. dargestellten Rekonstruktion skizziert (cf. 3.3 (S4)).
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1.6. Valenz Jedem Verb-Ausdruck ordnet Tesnie`re eine bestimmte Anzahl von Rollen (Aktanten) zu (die sogenannte Valenz des Verbs). Diese Rollen sind spezifisch für jedes einzelne Verb, sie sind innerhalb einer Verbvalenz voneinander verschieden. Aber Rollen verschiedener Verben sind nicht miteinander vergleichbar. D. h. sie sind „Entitäten“, die nicht zu einer Menge zusammengefasst werden können. Dies wirft Probleme auf, wenn man versucht, die Valenz im Rahmen der (extensionalen) Mathematik zu behandeln. Das wird in 1.7 besprochen und führt letztlich zur Änderung des Relationskonzepts und des Mathematik-Konzepts (cf. 2.1⫺2.4 und 3.1.1 f.). 1.6.1. Valenz-Zuordnungsvorschrift vlz Zu einem Verb kann dessen Valenz aus einer einzelsprachspezifischen Liste LS zugeordnet werden. Die Zuordnungsvorschrift wird „vlz“ genannt. Im Folgenden wird als Beispiel ein dreistelliges Verb gewählt, zwei oder einstellige Verben sind dann als einfachere Fälle daraus gewinnbar. Einem individuellen Verb vJ wird die Valenz vlz (vJ) zugeordnet: vlz (vJ) = /ru (vJ), rb (vJ), rq (vJ)/. Dies ist so zu lesen: (v1) das Verb vJ hat drei Rollen (ru, rb, rq). Die Bezugnahme auf vJ in der Klammer dient hier nur der Verdeutlichung, dass jede Rolle nur in Bezug auf dieses eine Verb definiert ist. (v2) Die Rollennamen ru, rb, rq sind hier absichtlich so gewählt, dass keine Reihenfolge suggeriert wird, sondern dass sie nur als Abkürzung für eine Charakterisierung der Rolle beim Verb verstanden werden können. In einer Benennung der Rollen durch *r1, r2, r3+ würde ein bestimmte inhärente Reihenfolge der Rollen suggeriert, die aber nicht vorliegt. Nimmt man Tesnie`res Auffassung von der Gleichstellung jeder Rolle vor dem Verb ernst (49: 12), dann ist auch schon die semiotische Vorgabe einer bestimmten Links-Rechts-Reihenfolge im Stemma (Subjekt, Objekte, Angaben) eine „Verschleierung“, d. h. eine Konvention, deren Willkür immer bewusst bleiben muss, wenn man sie der vollkommen gleichwertigen „Lokalisierung“ im kognitiven Raum des Sprachbenutzers gegenüberstellt. Da man aber semiotisch gezwungen ist, auf dem Papier die Rollen in eine lineare Anordnung zu bringen, kann man diese Anord-
nung nur dadurch wieder aufheben, dass man ein „Warnschild“ setzt, diese Anordnung nicht als relevant anzusehen. Dies geschieht durch die Schrägstriche: sie sollen deutlich machen, dass es nicht auf die Reihenfolge ankommen soll. Jede Umstellung in der Rollenangabe (Permutation) ist gleichwertig mit der dargestellten, nur die Liste der Rollen muss vollständig sein. Als Beispiel: Zum Verb „schenken“: vlz(„schenken“) = /der Schenkende(„schenken“); der Beschenkte(„schenken“); das Geschenk(„schenken“)/. Hier wird das Verb ausdrücklich in die Klammer geschrieben, um deutlich zu machen, dass die Rollen jeweils nur mit Bezug auf dieses Verb definiert sind (cf. 2.2). Um aber die folgende Betrachtung nicht zu stark zu belasten, wird eingedenk der hier angegebenen Vorkehrungen im Folgenden doch die vertrautere Schreibweise gewählt: vlz (vJ) = *r1, r2, r3+. Bei Tesnie`re wird die Verb-Valenz im Stemma als Kanten-Etikett an die Kante CNX (NOM, VRB) angehängt. Dies täuscht eine graphische Einfachheit und Einheit vor, die sich aber bei genauer Analyse als in sich inkompatibel herausstellt (cf. 4.1.2). Im Stemma werden die Aktantenrollen generell durch Nomina besetzt (51:12). Dies ist eine spezielle Wahl, die bei Bedarf modifiziert werden kann, ohne dass das Gesamt-Konzept darunter leidet. (Daher wird in 3.4 statt des Nomens der Referenzterm als Aktantenbesetzer eingeführt). – Tesnie`re hält sich im Übrigen selbst nicht an seine Vorschrift; denn in vielen der Stemmas sind Eigennamen bzw. Nomen zusammen mit einem Artikel (und eventuell Adjektiv) angegeben. Hier hat Tesnie`re bei der Anwendung intuitiv das Richtige getan, obwohl er gegen seine eigene Regel verstieß (dazu siehe 3.4). In den beiden folgenden Kapiteln wird das Valenzkonzept in zwei Stufen modelliert: zunächst als nicht-extensionaler Relationsbegriff (2) und dann als Teil einer holistischen Gesamtmodellierung (3), in die auch die Dependenz einbezogen wird, soweit ihre Modellierung sinnvoll ist und nicht mit der Valenz in Konflikt gerät (3.4). In 4. wird schließlich gezeigt, warum die Dependenz als Abhängigkeitskonzept nicht tragfähig ist, dass es aber andere Arten von Abhängigkeiten gibt, die bei Tesnie`re angelegt sind, aber erst in der Rekonstruktion deutlich werden.
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
2.
Formales Instrumentarium zur Beschreibung der Valenz-Struktur
2.1. Vergleich mit dem Relationskonzept in Mathematik und Logik Ein Verb und seine Valenz lassen sich näherungsweise mit dem logiksprachlichen Konzept der Relation vergleichen. Der Vergleich wird zeigen, dass das mengensprachliche bzw. logiksprachliche Relationskonzept modifiziert werden muss, wenn es geeignet sein soll, das zu beschreiben, was Tesnie`re ausdrücken will. Diese Modifikationen wirken auch auf weitere logiksprachliche Ausdrucksmittel wie z. B. die Variablen-Verwendung oder die Einsetzungsoperation zurück (cf. 2.2 und 3.1 f.). Einem z. B. dreistelligen Verb vrb sind 3 Verbrollen (Aktanten) aufgrund einer Liste fest zugeordnet: vrb (r1, r2, r3). Diese Verbrollen müssen nicht mit einer festen Abfolge im Satz verbunden sein (wie dies bei der festen Wortstellung der Fall ist), sie können bei geeigneter morphologischer Kennzeichnung auch auf unterschiedlichen Positionen im Satz stehen. In der prädikaten- und relationslogischen Sprache ist eine dreistellige Relation R (x, y, z) mit fixierten Argumentpositionen verbunden. Dies ist die einzige Charakterisierung der Rolle, die ein Argument bzgl. der Relation spielt. Die Argumentpositionen sind durch Platzhalter (Variable) markiert. Statt der Variablen können in die Leerstelle konstante Individuennamen (z. B. a, b, c) eingesetzt werden: R (a, b, c). (Dabei kann zunächst noch offenbleiben, was für Entitäten solche Individuen sein sollen, sofern sie von den Relatoren verschieden sind). Wenn man die Handlung des Einsetzens explizit als Übergang von einem Ausgangszustand in einen Ergebniszustand modellieren will, benutzt man den sogenannten Lambda-Operator lx, der eine Individuen-Variable x in einem Ausdruck markiert und zur Besetzung durch eine Konstante freigibt. So ist z. B. *lx R (x, y, z)+ ein Operator, der angewandt auf eine Individuenkonstante (z. B. x = a) zum Ergebnisausdruck R (a, y, z) führt. Dies beschreibt die l-Konversionsregel: (KR1) *lx R (x, y, z)+ (a) ⇒ R (a, y, z) bzw. allgemeiner: (KR2) *lx (ly (lz R (x, y, z)))+ (a) (b) (c) ⇒ *ly (lz R (a, y, z))+ (b) (c) ⇒ *lz R (a, b, z)+ (c) ⇒ R (a, b, c).
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(cf. Marcziszewski 1981, 165 f., Montague 1974, 256, Link 1991, 836 f.). Hinweise zur Schreibweise und Nomenklatur: Die Reihenfolge der Lambda-Ausdrücke bestimmt, welche Stelle zuerst zu besetzen ist: Besetzt werden kann immer nur die Variable, die links als erste steht (im Beispiel also: lx vor ly vor lz). Diese Vorschrift muss jedoch im folgenden modifiziert werden. Da die Reihenfolge der Anwendung eindeutig ist, können die Klammern zwischen den l-Zeichen auch weggelassen werden. Der Übergang zum Resultat wird hier mit einem asymmetrischen Pfeil angegeben und nicht mit einem Gleichheitszeichen, das den falschen Eindruck der Symmetrie zwischen linker und rechter Seite erzeugen könnte. Wir unterscheiden l-Zeichen („l“), l-Ausdruck („lx“) und l-Operator („*lx Q (x, …)+“). 2.1.1. Wahl der besetzbaren Argumentstellen Für die Anwendung des l-Operators bei der Darstellung eines Verbs und seiner Valenz als Relationsausdruck ist die folgende Konvention wichtig (cf. 2.3.): (KONV1): In einem Relationsausdruck mit Leerstellen sind nur die Leerstellen besetzbar, die mit einem lZeichen markiert sind, alle andern Leerstellen sind „blockiert“. So ist also in dem l-Operatur *lz (ly R (x, y, z))+ die Leerstelle x (1. Argumentposition) blockiert. Um das Relations- und l-Konzept für die Modellierung der Verb-Valenz brauchbar zu machen, müssen verschiedene Modifikationen vorgenommen werden, die jetzt eingeführt werden. 2.2. Der Begriff „Rollen-Relation“ Um ein Verb als Relator auffassen zu können, müssen wir von der Vorstellung ausgehen, dass in einer Relation R jede Argumentposition einen R-spezifischen Charakter hat (Valenzrolle, cf. 1.6.1). D. h. zu einer Relation werden nicht Argument-Positionen eingeführt, sondern Argument-Charaktere. Für die Zuordnung der Valenz wird eine Liste vorgegeben, die zu jedem Verb dessen Valenz enthält (z. B. ein Valenzwörterbuch). Über dieser Liste lässt sich dann die Zuordnung vlz zu jedem Verb vrb definieren: z. B.: vlz (vrb1) ⇒ *r1, r2, r3+ (cf. 1.6).
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Z. B. gehören zum Verb „schenken“ nach eine solchen Liste LS die Rollen: der Schenkende (rS), der Beschenkte (rB und das Geschenkte (rG). Im Folgenden werden zur Vereinfachung auch nur die Fragepronomen zur Rollenbezeichnung verwendet, also: *schenken, *WER, WEM, WAS++. Hier ist die Spezifizität der Rolle dann gewahrt, wenn man „WER“ als „Wer schenkt?“ liest, d. h. die Rolle „Der Schenkende“ oder „WER“ kann nur in einem Satz mit „schenken“ vorkommen. Auch wenn die Rolle des Schenkenden zeichenausdrucksseitig durch den Nominativ ausgedrückt wird, so ist erst durch die Anwesenheit des Verbs „schenken“ im Satz garantiert, das die Besetzung des Nominativs inhaltsseitig mit der spezifischen Rolle des Schenkenden interpretiert wird (cf. dazu 2.4). Wenn man aber die „Nominativ-Rollen“ bei verschiedenen Verben zu einem einzigen Tiefenkasus (z. B. „Agent“) zusammenfasst, so führt das zum Fehlschluss der Semantisierung einer morphologischen Gegebenheit, d. h. aus der syntaktischen oder morphologischen Ausprägung wird auf die Gleichartigkeit der semantischen Differenzierung geschlossen. Dieser Schluss ist oft richtig, aber hier ist es ein Fehlschluss, der weitere Fehlschlüsse bzw. Unsicherheiten nach sich zieht, wie die Diskussion in der Literatur zu den Tiefenkasus zeigt. Die Grundform GF1 des Satzes lässt sich dann (für einen allgemeinen Verbausdruck bzw. Relatornamen R) so charakterisieren: (GF1) *R, vlz (R)+ Diese Grundform GF1 wird erst dadurch zu einer für Einsetzung zugänglichen Form, dass sie mit dem Lambda-Ausdruck für R versehen wird (siehe 2.1) (GF2) *lR *R, vlz (R)++. Ein Sprachbenutzer hat diese Grundform zur Verfügung und wendet sie als Sprecher auf eine bestimmte Relation an, die er versprachlichen will (z. B. R1) und als Hörer auf eine gehörte Relation R1, die als Ausgangspunkt für die Strukturierung des gehörten Satzes und dann des zu bildenden Gedankens dienen soll. Der Sprecher, der einen Satz bilden will, wählt zunächst einen Relator (sprachlich also ein Verb) z. B. den dreistelligen Relator R13 mit vlz (R13) = *r1, r2, r3+ und setzt diesen nach der Konversionsregel (KR2) in die
Grundform GF2 ein (die Stelligkeit wird im Folgenden weggelassen): (GF3) lR *R, vlz (R)++ (R1) ⇒ *R1, vlz (R1)+ Mit vlz (R1) = *r1, r2, r3++ ergibt sich dann: (GF4) *R1, *r1, r2, r3++. Dieser Ausdruck wird „Rollen-Relation“ genannt. Der Rollen-Relator ist folgendermaßen definiert: (Def.RR) Ein Rollen-Relator ist ein Relator R mit einer bestimmten Anzahl von R-spezifischen Rollen, die durch die vlz-Zuordnung gegeben sind. Die Rollenangaben im Rollen-Relator entbinden die Rollen von einer festgelegten Reihenfolge in Form von Argumentpositionen und gleichzeitig von der Leerstellenmarkierung in Form von unterschiedlichen Variablennamen. Dies hat auch zur Folge, dass man nicht mehr statt einer Variablen eine Konstante in eine Leerstelle „einsetzt“, sondern eine Rolle „besetzt“, wobei natürlich die Rolle erhalten bleibt. (Spätestens hier wird dem in der extensionalen Prädikatenlogik Bewanderten auffallen, dass der Status der Variablen bzw. der Leerstellen und deren Interpretation eigentlich schon immer ein eskamotiertes Problem war.) 2.3. Der Begriff „Rollen-Operator“ Im Rollen-Relator *R1, *r1, r2, r3++ können laut (KR2) Rollen nur dann besetzt werden, wenn sie durch ein l-Zeichen freigegeben sind. Das Lambda-Zeichen bezieht sich jetzt aber nicht mehr auf einen Variablennamen, sondern auf einen Rollennamen, der als Konstante aufzufassen ist. Um Verwechslungen mit der bisherigen Verwendung des Lambda-Zeichens zu vermeiden, führen wir daher ein neues Operatorzeichen ein: statt „l“ das Zeichen „r“. Wir erhalten dann z. B.: (R1)
rr1 rr2 *R1, *r1, r2, r3++
Statt zu sagen: „in die Argumentstelle r1 kann eine Individuenkonstante (z. B. „a“) eingesetzt werden“, sagen wir jetzt: „die Rolle r1 kann mit „a“ besetzt werden (ausgedrückt durch *r1: a+“). Gemäß (KONV1) kann auch die Rolle r2 besetzt werden, nicht jedoch die Rolle r3. Damit kann der Unterschied zwischen fehlender Valenzstelle (v1), indefinit erwähnter
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
Valenzstelle (v2) und besetzter Valenzstelle (v3) modelliert werden (cf. z. B. Welke 1988, 127; Storrer 1992, 102 f.; 162). (v1) „Hans hat wieder genascht“ (durch: *naschen, *WER: Hans, WOVON++ ) (v2) „Hans hat wieder von etwas genascht“ (durch: rWOVON *naschen, *WER: Hans, WOVON++ ) (v3) „Hans hat wieder von der Marmelade genascht.“ durch: *naschen, *WER: Hans, WOVON: Marmelade++ Die Form (v2) zeigt, dass hier der Hörer nachfragen kann, wovon Hans genascht hat, um diese Information noch einsetzen zu können (wie z. B. in v3); bei (v1) kann er dagegen nicht nachfragen (cf. 2.3.2). 2.3.1. Rollen-Besetzung Wenn besetzbare Rollen mit Individuennamen (z. B. a, b) besetzt werden sollen (vom Sprecher), so wendet man die Rollen-Konversationsregel an. Sie lautet z. B. für den Fall, dass in der bestimmten Relation R1 die Rollen r2 und r1 (in dieser Reihenfolge) besetzt werden sollen: (KR3): *r1 *r2 *R1, *r1, r2, r3+++ (r2: b) (r1: a) ⇒ *rr1 rr2 *R1, *r1, r2: b, r3+++ (r1: a) ⇒ *R1, *r1: a, r2: b, r3++ Diese Regel enthält zwei Neuerungen gegenüber der bisherigen Lambda-Konversionsregel (KR1, KR2):
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(n2) Die Reihenfolge der rollenspezifizierten Argumente (oben: (r2: b) (r1: a)), die die vom Hörer gehörte Abfolge der Argumente darstellt, ist für die Erstellung der kognitiven Form irrelevant; sie kann daher für andere Mitteilungszwecke offengehalten werden (cf. 2.5). Wir können zusammenfassend sagen: Die Rollen-Relation soll dazu dienen – beim Hörer den Übergang von der Argumentfolge in der Satzkette zur kognitiven Grundform, in der die entsprechenden Rollen dann besetzt sind, zu modellieren und – beim Sprecher den Übergang von einer solchen argumentbesetzten Grundform (dem Gedanken bei Tesnie`re, 1: 7) in eine Satzkette darzustellen. Dabei ist zu unterscheiden: – zwischen einer Sprache mit freier Wortstellung, in der der Sprecher die Wortstellung noch für andere Mitteilungszwecke nutzen kann (und damit noch einen Gestaltungsparameter wählen kann cf. 2.3.3 und 2.5) und – einer Sprache mit fester Wortstellung, in der die Rollen mit einer (oder mehreren) fest vorgegebenen Argumentabfolgen im Satz verbunden sind.
„(r1: a)“ heißt soviel wie: „die Rolle r1 ist besetzt mit dem Argument a“.
2.3.2. Hörertätigkeit Zu fragen ist nun, wie mit dem Konzept der Rollen-Relation und des Rollen-Operators die Tätigkeit des Hörers beschrieben werden kann, der eine Satzkette als einen Gedanken zu verstehen versucht. Der Hörer „liest“ eine gegebene Satzkette mit der kognitiven Grundform, die er mitbringt, und füllt die Informationen, die er zu den einzelnen Rollen erkennt, in diese ein. D. h. im einzelnen:
Das einzusetzende Argument („a“) bringt sozusagen seine ‘Platzkarte’ („r1“) mit, damit der Hörer das aus dem gehörten Satz entnommene Argument in seiner (kognitiven) Grundform des Satzes (GF1) an der „richtigen“ Stelle einfügen kann – und dies unabhängig von der gehörten Argumentreihenfolge. Das Resultat ist die Besetzung der gewünschten Rollen in der Grundform des Satzes (GF4), die zugleich die invariante Struktur der Relation im „kognitiven Raum“ des Hörers darstellt (cf. 2.3.3, 3.6). Aus (KR3) lässt sich außerdem die zweite Neuerung ersehen:
(HR1) Gegeben sei eine Satzkette SK, die den Relator R1 (mit vlz (R1) = *r1, r2, r3+) und die Argumente (r2: b) (r1: a) in dieser Reihenfolge enthält (also z. B. SK: = *(r2: b), R1, (r1: a)+. – Die Besonderheiten der Zeichen-Ausdrucksseite werden erst in 2.4 eingeführt.) (HR2) Der Hörer geht von seiner kognitiven Grundform *rR *R, vlz (R)+ aus und setzt darin zunächst aus SK die Relation R1 ein: *rR *R, vlz (R)+ (SK) ⇒ *R1, vlz (R1)+ ((r2: b), (r1: a))
(n1) Die einzusetzenden Argumentnamen (Individuenausdrücke) werden zusammen mit ihren Rollen angegeben. Damit wird die Rolle von der Bindung an eine Argumentposition befreit. ABK:
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
(HR3) Mit seinem Valenz-Wissen vlz (R1) = *r1, r2, r3+ bildet der Hörer dazu laut Konversionsregel (KR3): *rr1 rr2 rr3 *R1, *r1, r2, r3+++ (r2: b) (r1: a) ⇒ rr3 *R1, *r1:a, r2:b, r3++. D. h. die besetzte kognitive Struktur zum Satz SK (den Gedanken). Dabei fällt auf, dass die Rolle r3 nicht besetzt ist, aber zur Besetzung freigegeben ist, d. h. der Hörer wartet am Ende der Verarbeitung des Satzes noch auf die Besetzung dieser Rolle. Hier bekommt der Satzpunkt Signalwirkung: denn der Hörer muss jetzt den Rest der Verarbeitung selbst leisten: – entweder er schließt unhinterfragt den Satz ab, weil er die Besetzung für irrelevant hält, – oder er fragt nach, – oder er folgert aus den im Vortext vorhandenen Informationen, dass die Besetzung aus dem Vortext und Gesetzeswissen erschließbar ist (cf. 3.1.2) – oder er vermutet, dass der Sprecher die Besetzung verschweigen will (cf. 2.4.4). Dies kann hier nicht im Einzelnen erörtert werden (cf. dazu Storrer 1992, 274 ff.). 2.3.3. Sprecher-Tätigkeit Der Sprecher geht dagegen von seiner besetzten kognitiven Struktur aus und liest die Regel (KR3) sozusagen von rechts nach links (als „Extraktionsregel“ (KR4)). Im Falle der freien Wortstellung hat er einen zusätzlichen Gestaltungsoperator (z. B. „WAHL (r2, r1)“) zur Verfügung, um die Reihenfolge für die zu äußernde Satzkette aus der Gedankenstruktur zu erzeugen: (SR1) Gegeben sei der „Gedanke“: **R1, *r1: a, r2: b, r3: c++. (SR2) Die Sprechertätigkeit besteht dann in der Anwendung der Extraktionsregel, die an diesem Beispiel exemplarisch vorgeführt werden soll: (KR4) *WAHL (r2, r1)+ (**R1, *r1: a, r2: b, r3: c++) ⇒ rr1 rr2 *R1, *r1, r2, r3:c++ (r2: b) (r1: a). D. h. Der Sprecher geht von den Rollen-Besetzungen, die er versprachlichen will, aus, wendet darauf den Wahl-Operator *WAHL (r2, r1)+ an, der bestimmt, welche der Rollen in welcher Reihenfolge in die Satzstruktur aufgenommen werden sollen.
(SR3) Ergebnis ist dann die „extrahierte“ Abfolge *(r2: b), (r1: a)+, die die Argumentpositionen in der geplanten linearen Satzkette festlegt. Zusätzlich muss in die Redeplanung noch die Stellung des Relators R1 aufgenommen werden. Sie muss sich aufgrund von syntaktischen Regeln ergeben, die in dieser Grammatik nicht interessieren. (Zur Planung weiterer Teile des Satzes siehe 3.3⫺3.6). Zusammenfassend kann man zum Begriff der Rollen-Relation sagen: Mit der Konversionsund der Extraktionsregel für Rollen kann also sowohl die Invarianz der kognitiven Repräsentation der Relation im „kognitiven Raum“ des Sprachbenutzers (ob Sprecher oder Hörer) als auch der flexible wählbare Übergang zur linearen Satzkette (beim Sprecher) bzw. der umgekehrte Übergang zum invarianten Gedanken (beim Hörer) dargestellt werden. 2.4. Bilaterale Sicht der Rollen-Relation Bei der bisherigen Betrachtung wurde die Rollen-Relation (d. h. das Verb und seine Valenz) als „monolateraler“ Ausdruck verstanden. Er diente dazu, die Bedeutung des Verbausdrucks als Relator-Rollen-Struktur zu modellieren und diese als die Grundstruktur des Gedankens bei Tesnie`re anzusehen. Um aber den Übergang vom Gedanken zum Satz zu modellieren, muss die Bilateralität der natürlichsprachlichen Zeichen noch berücksichtigt werden. Die Idee dabei ist: der Sprachbenutzer hat eine bilaterale Grundform des Satzes als gedankliche Basis zur Verfügung. Beim Konzipieren eines konkreten Gedankens wird diese Struktur mit den entsprechenden Informationen besetzt und zwar beim Sprecher erst von der Inhaltsseite her, zu der dann die Ausdrucksseite aufgebaut wird, während der Hörer aus der Ausdrucksseite des gehörten Satzes die Inhaltsseite dazu aufbaut. 2.4.1. Bilaterale Grundform des Satzes Ein Zeichen(-Ganzes) ZZ wird als Paar definiert, das aus (Zeichen-)Ausdrucksseite ZA und (Zeichen-)Inhaltsseite ZI besteht: ZZ ⇔ *ZA, ZI+. Beide Teile sollen eineindeutig einander zugeordnet sein, d. h. zwischen den Teilen sollen die folgenden Abbildungen za und zi definiert sein: zi (ZA) ⇒ ZI und za (ZI) ⇒ ZA
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
D. h. der Ausdrucksseite eines Zeichens wird durch za die Inhaltsseite zugeordnet, und für zi gilt das Umgekehrte. Wegen der 1⫺1-Beziehung zwischen Ausdrucksseite und Inhaltsseite sind beide Abbildungen als Umkehrabbildungen voneinander definierbar: d. h. za (zi (ZA)) = ZA. (Mehrdeutige Ausdrücke müssen vorher durch Indizierung eindeutig gemacht werden.) Wenn diese Vorstellung auf die Grundform des Satzes (GF1) angewandt wird, ergibt sich zu der schon definierten Inhaltsseite (z. B. *R, vlz (R)++) die Ausdrucksseite (*za (R), za (vlz (R)+) und damit der bilaterale Ausdruck: (GF5)
**„R“, za(vlz(R)+, *R, vlz(R)++.
(KONV2) Doppelte Anführungszeichen („) dienen im Folgenden zur Kennzeichnung der expliziten Ausdrucksseite. Die Inhaltsseite bleibt unmarkiert. Das Zeichen-Ganze als Einheit von Ausdrucksseite und Inhaltsseite wird, wenn erforderlich, in einfache Anführungszeichen gesetzt (z. B. ‘R1’). Zu der semantischen Valenz-Information kommt jetzt also noch die syntaktischmorphologische Bezeichnung der Rollen, za (vlz (R)), hinzu. (Dies entspricht der Intention Tesnie`res von der „Inhaltsform“ auszugehen, cf. 16: 4). Ein Beispiel: das Zeichen(-Ganzes) ‘schenken’ besteht aus ‘schenken’ ⇔ *„schenken“, schenken+ (= *ZA, ZI+. Zu beachten ist dabei, dass die Anführungszeichen wie Operatoren verstanden werden sollen, die eventuell auch zu Modifikationen führen, die also mehr leisten können als nur dasjenige was zwischen den Anführungszeichen steht, als Ausdrucksseite zu erwähnen (cf. 2.4.2). Die anwendbare Grundform des Satzes (cf. GF2) enthält jetzt die Ausdrucksseite und lautet dann: (GF6)
*rR *„R“, *za (vlz (R))+, *R, vlz (R)+++.
Hier soll die Konvention (KONV3) benutzt werden: (KONV3) rR steht für den bilateralen rAusdruck r‘R’ (= r *„R“, R+). Wenn diese Konvention eingeführt ist, kann man die einfachere Schreibweise nicht missverstehen.
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2.4.2. Bilaterale Valenz-Information Mit der Einsetzung ‘R1’ := *„R1“, R1+ in (GF6) lässt sich aus einer entsprechenden Liste LM die Ausdrucks- und Inhaltsseite der bilateralen Valenz-Information“ ermitteln: (GF7) **„R1“, *za (vlz (R1))+, *R1, vlz (R1)+++ und mit vlz (R1) = *r1, r2, r3+ zu (GF7): (GF8) **„R1“, *za (*r1, r2, r3+)++, *R1, *r1, r2, r3+++. Die Anwendung der Funktion za auf die Rollen ordnet (aus der Liste LM) jeder verbspezifischen Rolle ausdrucksseitig eine Markierung zu (bei Tesnie`re „Markant“ genannt, 16: 5 ff.). Die Markierung kann je nach Sprache in einer morphologischen Information (wie Kasusangabe) bestehen und/oder in einer Positionszuweisung (bei Sprachen mit fester Wortstellung) oder in Null-Markierungen (cf. Tesnie`re 16, 17). Da dies nicht das zentrale Thema dieser Betrachtung ist, soll hier für die Ausdrucksseite einer Rolle (z. B. r1 (in R1) die Bezeichnung „mark1“ verwendet werden: d. h. za (r1) ⇒ mark1 Der besetzten Rolle *r1: a+ ist dann ausdrucksseitig zugeordnet: za (*r1: a+) ⇒ *za (r1): za (a)+ ⇒ *mark1 („a“)+. Die Markierung mark1 ist als ein Operator zu verstehen, der auf die Ausdrucksseite („a“) anzuwenden ist. Als Ergebnis erhalten wir die modifizierte Ausdrucksseite, an der die Kasusinformation (inklusive Präposition) oder Positionsinformation abgelesen werden kann. (Wir schreiben abkürzend dafür „a-mark1“): (KR5) mark1 („a“) ⇒ „a-mark1“ Als Beispiel: mark2 („Hans“) ⇒ „Hansens“ (wenn mark2 als Genitiv verstanden wird). Wir erhalten dann für die bilaterale Grundform des Satzes spezialisiert auf R1 (cf. GF8): (GF9) **„R1“, *mark1, mark2, mark3++, *R1, *r1, r2, r3++. 2.4.3. Bilaterale Rollen-Konversionsregel Für die Anwendung auf rollenbesetzende Argumente erhalten wir so die bilaterale r-Konversionsregel zur bilateralen Grundform ‘*R1, *r1, r2, r3++’
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(cf. GF8); hier exemplarisch für die Argumente (r2: b) (r1: a): (KR6) *rr1 rr2 *GF8++ (r2: b) (r1: a) ⇒ *rr1 rr2 **mark0 („R1“), *mark1, mark2, mark3++, *R1, *r1, r2, r3+++ (r2: b) (r1: a) ⇒ (GF10) **mark0(„R1“), *mark1(„a“), mark2 („b“), mark3++, *R1, *r1: a, r2: b, r3+++ mit (KR5) ⇒ **„R1-mark0“, *„a-mark1“, „bmark2“, mark3++, *R1, *r1: a, r2: b, r3++. Hier gibt „mark0“ die Markierung des Relators (d. h. des Verbs) an, z. B. die PositionsZuweisung zwischen erster und zweiter Rollenangabe, sowie evtl. morphologische Modifikationen. 2.4.4. Bilaterale Rollen-Extraktionsregel Entsprechend (KR4) können wir als Umkehrung dazu eine Extraktionsregel definieren. Sie dient dazu, aus einer besetzten Gedankenstruktur durch einen Wahloperator die für die Bildung der Satzkette vorzusehenden Argumente in der gewünschten Reihenfolge zu extrahieren. So wählt z. B. der Wahloperator WAHL (r2, r1), angewandt auf die (bilateral konzipierte) Gedankenstruktur (GF10) die Reihenfolge *r2, r1+ für die Argumente aus. Damit ist es z. B. möglich, in der Gedankenstruktur vorhandene Informationen aus bestimmten Gründen wegzulassen (z. B. um Argumentstellen zu verschweigen). Wenn aus dem Gedanken, in dem im Folgenden alle drei Rollen besetzt seien, zwei davon in einer bestimmten Reihenfolge ausgewählt werden sollen, so geschieht dies mit der folgenden Regel: (KR7) Bilaterale Rollen-Extraktionsregel: Auf den Gedanken (GF11) (cf. GF10): (GF11) **za (R1), za (*r1: a, r2: b, r3: c+)+, *R1, *r1: a, r2: b, r3: c+++ wird der Wahloperator WAHL (r2, r1) angewandt: *WAHL (r2, r1)+ (GF11) ⇒ (GF12) *rr1 rr2 **za (R1), za (*r1, r2, r3: c+)+, *R1 *r1, r2, r3: c+++ ‘(r2: b) (r1: a)’ Als Resultat ergibt sich der r-Operator für die beiden extrahierten Stellen r1, r2 und die
für die Satzbildung extrahierte Folge von besetzten Rollen ‘(r2: b), (r1: a)’ in bilateraler Schreibweise. 2.4.5. Bilaterale Valenz-Verwendung in Hörersicht In der Hörersicht ergeben sich die folgenden Phasen des Verstehens einer Satzkette: (HB1) Gegeben sei die Satzkette „*b-mark2, R1-mark0, a-mark1+“ (mit der Notation von oben) (z. B.: „das Buch (rG) schenkte der Vater (rS)“). (HB2) Extraktion der Markierungen ergibt: *mark0 („R1“), mark2 („b“), *mark1 („a“)+. (HB3) Da der Hörer die bilaterale Grundform des Satzes (GF9) im Sprachwissen schon zur Verfügung hat, kann er sie auf diese Folge anwenden (cf. r-Konversionsregel 2.4.3)) und erhält als Resultat nach der Konversion: (GF13) *rr3 *mark0 („R1“), *mark1 („a“), mark2 („b“), mark3++, *R1, *r1: a, r2: b, r3+++ also die einzelnen besetzten Rollen in der kognitiv invarianten Form (GF9). – Hieran sieht man, dass die Rolle r3 noch besetzt werden kann. D. h. der Hörer erwartet aufgrund seiner VLZ-Kenntnis evtl. auch die Besetzung der dritten Stelle (dazu siehe 2.3.2). 2.4.6. Bilaterale Valenz-Verwendung in Sprechersicht Für die Sprechersicht ergeben sich die Phasen für das Erzeugen einer Satzkette: Da Sprecher und Hörer nach demselben Prinzip kommunizieren sollen, muss der Gedanke beim Sprecher so modelliert werden, dass die „Staffelübergabe“ d. h. die Satzkette, die der Hörer als Input erhält, vom Sprecher genau so vorbereitet wird. Der Sprecher will von einem konkreten Gedanken zu einem Satzausdruck übergehen (1:8,9). Dies geschieht in den folgenden Phasen: (SB1)
Beim Sprecher liege der Gedanke vor (cf. 2.3.3 (SR1)): (BES1) *R1, *r1: a, r2: b, r3: c++ Dies ist die Besetzung der für den Sprecher relevanten Teile der kognitiven Struktur der Inhaltsseite der bilateralen Grundform des Satzes (GF6).
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
Für das Folgende wird angenommen, dass der Sprecher die Rolle r3 unbesetzt lassen will – aus Gründen, die hier nicht diskutiert werden müssen (cf. oben). (SB2) Die Zuordnung der Ausdrucksseite zu BES1 (also za (BES1) ergibt: *mark0 („R1“), *mark1(„a“), mark2 („b“), mark3++, *R, *r1: a, r2: b, r3+++. (SB3) Durch die Extraktionsregel erhält der Sprecher dann: *WAHL (r2, r1)+ (**mark0 („R1“), *mark1(„a“), mark2 („b“), mark3++, *R1, *r1: a, r2: b, r3+++) ⇒
*rr1 rr2 **mark0 („R1“), *mark1, mark2, mark3++, *R1, *r1, r2, r3++++ (mark2 („b“)) (mark0 („R1“)) (mark1(„a“))
Hier ist die letzte Zeile die gewünschte Abfolge der ausdrucksseitig präparierten Rollen-Argumente (die Wahl der Extraktion). (SB4) Was der Sprecher dann versprachlicht, ist die extrahierte Folge der besetzten Rollen und die Ausdrucksseite des Relators, nachdem er mittels (KR5) die markierten Ausdrucksseiten erstellt hat: (mark2 („b“)) (mark0 („R1“)) (mark1(„a“)) ⇒ *„b-mark2“, „R1-mark0“, „a-mark1“+ Zusammenfassend ergibt sich ein neues Bild der Informationsverteilung in einer Satzkette: Die nebeneinander stehenden Wörter stehen nicht in direkter Beziehung zueinander (im Gegensatz z. B. zur Grundhypothese der Konstituentengrammatik), sondern sie sind Rolleninformationen, die, jede für sich, auf eine dahinterstehende holistische Struktur bezogen ist. Nur durch die strukturierende „Kraft“ des Relators, d. h. des Verbs (als Repräsentant der holistischen Struktur) stehen die Rolleninformationen indirekt miteinander in Beziehung. Dieser Gesichtspunkt wird umso tragender, je freier die Wortstellung der dargestellten Sprache ist. Das wird im nächsten Kapitel als Verb-Holon-Modell ausgeführt werden (cf. „kantifizieren“ und „dekantieren“ in 3.1.2). 2.4.7. Anmerkung zur Regelform RF bei Hays (1964) und Gaifman (1965): RF lautet für den dreistelligen Fall: Y (X1, *, X2, X3) mit der Anweisung, dass die Kategorie Y die Kategorien in der Klammer regiert.
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Der Stern markiert die Position des Y unter den anderen Kategorien in der terminalen Kette (Hays 1964, 513; dazu auch Heringer 1993b, 318 ff.). In RF wird kein Unterschied zwischen Ausdrucks- und Inhaltsseite gemacht. Das mag für eine computernutzbare Syntax vielleicht ausreichen, es ist aber formal in sich inkompatibel. Denn zum einen wird Y als Relator mit 3 Valenzstellen (X1, X2, X3) angesehen, zum andern steht die terminale Besetzung von Y (mit KONV2: „Y“) aber in der Satzkette *„X1“, „Y“, „X2“, „X3“+ (statt des Sterns ist „Y“ eingesetzt). Nun ist aber Y entweder als dreistelliger Relator mit Argumenten (bzw. mit Valenzstellen) zu verstehen, dann müssten in der Klammer die Argumentstellen dazu stehen, also insgesamt: Y3 (X1, X2, X3) ⫺ oder in der Klammer stehen nur die Ausdrucksseiten (d. h. besetzte Kategorien-Ausdrucksseiten vom Typ *„C: c“+), also *„X1: x1“, „Y: y“, „X2: x2“, „X3: x3“+. Dann sind dies Wörter, die selbst keine Relatorfunktion mehr übernehmen können, wie Hays das fordert. Die Regel-Iteration (z. B.: X1 (Z1, *, Z2)) ist nicht möglich; denn ein Ausdruck wie „X1“(„Z1“, „X1“, „Z2“) ist sinnlos. Im Vergleich mit der Grundform (GF9) zeigt sich das Problem: wenn man in (GF9) die zu besetzenden Kategorien mit aufnimmt und an die Hays’sche Notation angleicht, erhält man die bilaterale Struktur (zunächst ohne Besetzung): **„X1“, „Y“, „X2“, „X3“+, *Y (X1, X2, X3)++ Diese wird bei Hays „zusammengeschoben“ zu dem unilateralen Hybrid-Gebilde: Y (*„X1“, „Y“, „X2“, „X3“+). Hier soll zugunsten von Hays angenommen werden, dass der Ausdruck „X“ die besetzte Kategorie meint (d. h. die Terminal-Elemente seien miteinbezogen, also *„X: x“+). Dennoch ist der Status von Argumenten einer Relation (*X: x+) ein anderer als der von Komponenten in einer Kette von verknüpften Ausdrucksseiten (*„X: x“+). RF lässt sich aber auf eine korrekte bilaterale Form (in der hier dargestellten „Sprache“) bringen, wenn man z. B. Y (X1, *, X2, X3) bilateral aufteilt in: **X1: „x1“, Y: „y“, X2: „x2“, X3: „x3“+, *Y: y (X1: x1, X2: x2, X3: x3)++,
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
wobei Y bzw. X jeweils die Kategorie des bilateralen Zeichens bedeutet und im ersten Glied die Besetzung der Kategorien mit Ausdrucksseiten, und im zweiten Glied die inhaltsseitige Abhängigkeitsstruktur angegeben ist. Fügt man noch die eigentlich relevanten Rollen hinzu, erhält man einen Ausdruck von der Art (GF10). Hier sieht man also auch, wie die extensionale Mathematik das Wesentliche der Valenz übersieht, da sie blind ist für Rollen. – Auf Details kann hier nicht eingegangen werden. 2.5. Thema-Exportation und Thema-Rhema-Gliederung Für die Betrachtung der Verb-Valenz unter pragmatisch-kognitiven Aspekten benötigen wir noch die Berücksichtigung der ThemaRhema-Gliederung. Diese Möglichkeit ist bei Tesnie`re nicht vorgesehen, muss aber aus verschiedenen Gründen aufgenommen werden, u. a. um die Subjekt-Prädikat Diskussion bei Tesnie`re beurteilen zu können (cf. 3.6.1). – Eine bestimmte Rolle kann vom Sprecher ausgewählt werden, den thematischen Anfang seiner Mitteilung anzuzeigen. Dazu soll eine Zweiteilung in der Grundform des Satzes bzw. des Gedankens vorgenommen werden. Um diese Operation transparent zu machen, soll sie zunächst nur für den monolateralen Fall vorgeführt werden. D. h. wir knüpfen nicht an 2.4, sondern an 2.3 an. In der Relations-Form *R1, *r1, r2, r3++ (cf. (GF4)) werde eine Rolle vom Sprecher kognitiv als Thema-Rolle ausgezeichnet. Damit soll modelliert werden, dass der Sprecher eine bestimmte Rolle und deren Besetzung zum Thema-Gegenstand seiner Äußerung macht („THG“) und den Rest als Rhema-Information („RHI“) darauf bezieht. Dazu wird ein Operator thg(r) definiert, der den Relationsausdruck auf einen zweigliedrigen Ausdruck der Form *Thema-Gegenstand, Rhema-Information+ abbildet (abgekürzt: *THG, RHI+), in dem eine Rolle r als Themarolle ausgewählt und vorangestellt wird (im folgenden Beispiel die Rolle r2). – Da dies zunächst einmal die Repräsentation des Gedankens in einem kognitiven Raum betrifft, besagt diese Voranstellung noch nichts über die Position des Themas im zu bildenden Satz. Die genaue Bedeutung dieser Ausdrücke kann erst im pragmatischen Teil (3.6 bzw. 4.3.2) gegeben werden. Hier kommt es nur auf die Bildung des thema-rhema-gegliederten Ausdrucks an:
(THG1) *thg (r2)+ (rr1 rr2 r3 *R1, *r1, r2, r3++) ⇒ *rr1 rr2 rr3 **THG: r2+, *RHI: tr2 *R1, *r1, r2, r3+++++ Der resultierende Ausdruck ist ein r-Operator, der (hier z. B. alle drei) Rollen zur Besetzung zulässt, aber die Rolle r2 soll nur im Thema-Gegenstand besetzbar sein. Dazu wird der τ-Operator eingeführt: er ist eine rückwärtsgewandter Lambda-Operator, der nur auf ein (besetztes) Argument, das links von ihm steht, angewandt werden kann. Eine Besetzung von rechts bleibt ohne Effekt. Also in einfachster Notation ausgedrückt: (KR8)
(r1: a) *τr1 *R1, *r1+++ ⇒ *R1, *r1: a++
Dieser Operator dient dazu, nach Verarbeitung der thematisch bezogenen Information aus der Thema-Rhema-Gliederung wieder zu der ursprünglichen Relationsstruktur in der kognitiven Repräsentation zurückzukehren, in der die Thema-Rhema-Gliederung keine Rolle mehr spielt. D. h., zunächst werden die r-Operatoren rr1, rr2, rr3 auf Ausdrücke wie z. B. (r3: c) (r2: b) (r1: a) (in dieser gedanklichen Reihenfolge) angewandt. Diese werden durch Konversion an die „richtigen“ Stellen gebracht; also erhalten wir: (THG2) *rr1 rr2 rr3 **THG: r2+, *RHI: τr2 *R1, *r1, r2, r3++++ (r3: c) (r2: b) (r1: a) ⇒ **THG: r2: b+, *RHI: τr2 *R1,*r1: a, r2, r3: c++++ Hier ist also „b“ der herausgehobene ThemaGegenstand in der Rolle r2 (auch wenn er im Gedanken an zweiter Stelle steht). Die Rhema-Information enthält die weiteren Besetzungen zu r1 und r3 wie bisher. Die Rhema-Information bleibt aber deswegen noch unvollständig, weil sie noch einen Operator enthält, der die Information zu r2 betrifft. Dieser kann nun laut (KR8) nur die Information aus THG aufnehmen. Bei Anwendung des τ-Operators auf THG (in THG3) wird THG als Argument in Klammern gesetzt, und als Resultat erhält man wieder die vollständige Relations-Struktur ohne ThemaRhema-Gliederung: (THG3) (*THG: r2: b+) *RHI: τr2 *R1, *r1: a, r2, r3: c+++ ⇒ *R1, *r1: a, r2: b, r3: c++. Man sieht nun, dass die thg(r)-Funktion, die zur Thema-Exportation führt, sozusagen als
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
τ-Extraktionsregel aufgefasst werden kann. D. h. der Sprecher wählt aus einer kognitiv vorgegebenen Relation (aus dem „Gedanken“ bei Tesnie`re) zunächst einen Thema-Gegenstand aus und erzeugt mit thg(r) dann die Thema-Rhema-Gliederung. Dies wird im nächsten Kapitel angewandt werden. Wenn die Thema-Rhema-Gliederung und τ-Operation bilateral beschrieben wird, ergeben sich aus der Zeichen-Ausdrucksseite des THG-Ausdrucks die einzelsprachspezifischen Bedingungen für die Thema-Markierung, sei es durch die Positionierung im Satze, sei es durch Thema-Bezeichner (wie z. B. im Japanischen). Dies kann hier nicht ausgeführt werden. Damit sind alle „Werkzeuge“ zur Darstellung des sogenannten Verb-Holon-Modells eingeführt. Es soll dazu dienen, die Tesnie`resche Syntax als pragmatisch-kognitive „Grammatik“ zu erweisen und sie dadurch mit dem ihr zustehenden Sinn zu füllen.
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Die pragmatisch-kognitive Modellierung der Verbvalenz als holistische Struktur: das Verb-Holon-Modell
Schluss. Da es meines Wissens weder eine teleologische bzw. holistische Mathematik noch eine so geartete zielgerichtete Logik gibt und da die Desiderate der Valenzstrukturierung im Rahmen einer extensionalen atomistischen Mathematik, für das die Mathematikergruppe Bourbaki seit über 50 Jahren tonangebend ist, nicht zu verwirklichen sind (cf. 3.1.1.1), wird im Folgenden (wie auch schon in Kap. 2) versucht, ein geeignetes mathematisches Werkzeug zu entwickeln, dass den Tesnie`reschen Ideen angemessen ist. Für den Versuch, von einer gegebenen einzelwissenschaftlichen Beschreibungsweise (der Dependenz- und Valenz-Grammatik) her nach einer mathematischen Form zu suchen, statt umgekehrt, wie der Mathematiker, alles Konkrete nur als Anwendung vorhandener mathematischer Formen zu interpretieren oder notfalls unter Verlust der guten Intuitionen in solche Formen hineinzubetten (cf. Einleitung), sollten besonders diejenigen aufgeschlossen sein, die lange genug mit immer wiederkehrenden Problemen auf alten Geleisen beschäftigt waren. Dass dies ein erster Vorschlag ist, der sich erst in der Anwendung bewähren kann, sollte die Neugier darauf nicht schmälern, sondern eher das Interesse an einer möglichen Weiterentwicklung wecken.
3.1. Holistische Grundlagen 3.1.1. Reflexion über die mathematischen Modellierungsmöglichkeiten Wenn man die schöpferischen Intuitionen Tesnie`res formal darzustellen versucht, stellt man fest, dass sie verlorengehen im Rahmen einer Mathematik, die von Mengen von Objekten ausgeht und Relationen nur als Mengen von Paaren, Tripeln usw. über solchen Mengen konstruiert, da das holistische Konzept, wie es sich z. B. in der Organisation des Satzes durch ein Verb ausdrückt, nicht auf Mengen von Wortketten reduzieren lässt. Wenn ein Sprecher einen Satz organisiert oder ein Hörer einen solchen zu verstehen versucht, dann greift er nicht in eine Kiste von schon vorhandenen Ketten-Konstrukten, um die gerade gehörte oder zu konstruierende darin als Element zu identifizieren; vielmehr zeigt sich die gestalterische Kreativität des Sprechers gerade darin, dass er das, was er mitteilen möchte, über einem holistischen Rahmen aufgrund seiner kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten zielgerichtet zusammenstellen kann (cf. 4.3.2). Bei dieser teleologische Planung stehen die syntaktischen Details der Links-Rechts-Kette erst am
3.1.1.1. Zur mengenbasierten Strukturmathematik Im Folgenden (wie auch im letzten Kapitel) werden ungewohnte mathematische Mittel benutzt. Dies soll kurz motiviert werden: die gängige extensionale Mathematik geht von Mengen aus. Das Bourbaki-Programm der Mathematik besteht darin, alles mathematisch Ausdrückbare auf Mengen und daraus konstruierten Strukturen aufzubauen. (cf. Bourbaki 1982, 293; Thiel 1995, 266; 270 f.). Mengen bestehen aus unterscheidbaren Einzelobjekten. Dies ist das Cantorsche Mengenkonzept, wobei an ein solches Einzelobjekt darüber hinaus keine Bedingungen gestellt sein sollen (cf. Thiel 1995, 152). Eine zweistellige Relation besteht aus einer bestimmten Teilmenge aus der Menge aller Paare von Einzelobjekten. Eine solche extensional verstandene Relation kann im endlichen Fall in einer Liste von Paaren aufgestellt werden. Wenn die Mathematik nach dem Bourbakiprogramm auf dieser Art von Mengen und Strukturen aufgebaut ist, dann lassen sich die Valenzrollen darin nicht modellieren. Denn die Rollen sind keine Einzelobjekte, die sich in Mengen zusammenfassen lassen. Sie sind
3.
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
keine selbständigen „Gegenstände“, sondern immer nur in Verbindung mit einem Verb anzutreffen (cf. 2.2). Rollen können von Gegenständen „besetzt“ werden und ihnen, wie einen Mantel, eine Rolle bzgl. des Verbs (ver)leihen, aber die Rollen selbst bleiben von den Gegenständen verschieden. Im Bild von Lewis Carroll kann man sagen: die Rollen sind wie das Grinsen der Katze, das auch ohne Katze noch „Grinsen“ bleibt. Wenn die Bourbaki-Mathematik zwar „Katzen ohne Grinsen“ darstellen kann, nicht aber das „Grinsen ohne Katze“, dann kann man Rollen in dieser Mathematik nicht darstellen. Daher muss man sich um eine neue Mathematik kümmern, in der Relationen und deren Rollen der Ausgangspunkt sind, während Gegenstände und Mengen erst bei der Anwendung ins Spiel kommen (cf. 3.1 (H3)). – Dies kann hier nicht vertieft werden, wird aber in der folgenden Darstellung noch verständlicher werden. Im Übrigen ist dies auch eine der Stellen, wo eine einzelwissenschaftliche Erkenntnis nach einer geeigneten Mathematik sucht, statt von einer vorhandenen Mathematik als Anwendungsbereich vereinnahmt zu werden. Im Folgenden soll die im letzten Kapitel begonnene Modellierung eines kognitiven Valenzbegriffs in diesem Sinne weitergeführt werden. Der auf den Sprachbenutzer bezogene Ansatz Tesnie`res wird in einem holistischen Ansatz, dem Verb-Holon-Modell, rekonstruiert, aber auch modifiziert werden. Die grundlegende Idee der Modellierung lässt sich in den folgenden drei Thesen (3.1.2⫺4) formulieren: 3.1.2. These zum holistischen Charakter des gemeinsamen Wissenshintergrunds und zur holistischen Logik Ein Sprachbenutzer SB hat „Wissensgestalten“ zur Verfügung. Das sind Muster, die SB an einem Wirklichkeitsausschnitt erkennen kann. Das spezifisch Holistische besteht in der holistischen Logik, d. h. (SP1) dass SB von einem erkannten charakteristischen Detail (einem Holem) auf die ganze Gestalt (Holon) schließen kann (im Bild: von einem gereichten Finger auf die ganze Hand) bzw. (SP2) dass SB von der erkannten Gestalt auf alle Teile schließen kann (von der Hand auf die Finger, die dazu gehören).
Diese Wissensgestalten betreffen sowohl Muster in der Wirklichkeit (3.2, 3.5) als auch Muster in den sprachlichen Mitteln (3.3, 3.4, 3.6), die zur Darstellung der Wirklichkeitsmuster dienen. Zwei Sprachbenutzer gehen in der Kommunikation davon aus, dass sie beide sowohl die Wirklichkeits- als auch die Kommunikations-Muster schon zur Verfügung haben und darauf aufbauen können. Ein Sprecher braucht daher nach dem Finger-Hand-Prinzip (SP1) nur noch Details zum „Finger“ anzugeben, um den Hörer dazu zu bringen, diese als Details eines „Fingers“ zu erkennen, sich dazu die „Hand“ zu denken und die Details zu den weiteren „Fingern“ der „Hand“ zu erwarten (Hand-Finger-Prinzip). Eine mögliche Anwendung dieses Prinzips ist diese: die „Hand“ ist das Verb (als „Holon“) und die „Finger“ sind die Valenzrollen (als „Holeme“). Es gibt insgesamt 5 solche Anwendungen. Der Vorteil dieses gemeinsamen holistischen Wissenshintergrundes ist der: dass ein Satz nur noch solche Hinweise auf die Holons und Holeme enthalten muss, die nötig sind, damit der Hörer das Übrige aus seinem Wissen (nach der holistischen Logik) erschließen kann. Ein Sprecher verpackt daher in einem Satz nur die Informationen, die der Hörer zu seinem holistischen Muster momentan ergänzen soll (cf. 3.1.3). Alles, was schon gemeinsame Grundlage ist, „subtrahiert“ er. – Der Hörer fügt umgekehrt von sich aus beim Rezipieren eines Satzes das dafür nötige holistische Wissen hinzu. Dieses eigenständige Hinzufügen der Gestalt (nach SP1) sei zu Ehren Immanuel Kants (1724⫺1804), dem ersten Kognitivisten in metaphysischer Zeit, im Folgenden kantifizieren genannt. Die oben genannte umgekehrte Aktivität beim Sprecher, dem „Subtrahieren“ der holistischen Strukturierung vor der Kommunikation: dekantieren. Das Kriterium dafür, was ein Sprecher dann zur Sprache bringen muss, wenn er einem Hörer seinen Gedanken mitteilen will, lässt sich mit dem folgenden Prinzip der ökonomischen Mitteilung ausdrücken: 3.1.3. Das Prinzip der ökonomischen Mitteilung lautet: (PR.ÖKO) Wenn ein Sprecher einem Hörer in einer Situation, in der schon Informationen zwischen beiden zu einem Thema ausgetauscht worden sind, eine weitere Information (einen „Gedanken“) mitteilen will, so muss er prinzipiell nur das verbalisieren, was
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
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für den Hörer neu ist und was zur Einbettung des Neuen in den bisherigen Informationsstand unbedingt notwendig ist (z. B. Bezugnahme auf das „Thema“). Alles dem Hörer in der Situation schon Bekannte oder für ihn momentan Irrelevante sowie alles holistisch Vorausgesetzte bzw. Erschließbare kann der Sprecher weglassen. Dieses Prinzip scheint trivial zu sein (cf. auch Grice 1975, 47), es wird aber weitreichende Konsequenzen für die Valenz-Betrachtung haben (cf. 3.3, 3.5, 3.6 und Storrer 1992, 271; 274). Die Grundform aller solcher Muster wird im Folgenden zunächst allgemein (unter dem Begriff „Holon“) charakterisiert (3.1) und dann auf die Organisation des Gedankens und seine Verbalisierung im Satz angewandt (3.2 ff.).
vanten) Informationen aus seiner Wirklichkeit besetzt. Der Sprecher realisiert neben dem Verbmuster im selben Satz noch andere Muster, die weitere Aspekte des Geschehens und der Mitteilung betreffen (cf. 3.2⫺3.6). Er bildet daraus eine Abfolge von Satzteilen, die nicht untereinander zusammenhängen, sondern jeweils nur über ihre Muster miteinander vermittelt sind. Solche Muster sind Spezialfälle des holistischen Konzepts „Holon“, das jetzt eingeführt werden soll.
Anm. 1: Wenn im Folgenden von einem „Sprachbenutzer SB“ die Rede ist, dem bestimmte Fähigkeiten und Tätigkeiten zugeschrieben werden, so ist dieser immer als ein theoretisches Konstrukt zu verstehen, das dazu dient, die Tesnie`reschen Intuitionen zu modellieren. Aussagen über SB dürfen nicht als empirische Aussagen über das Verhalten von konkreten Sprachbenutzern missverstanden werden. Das Konstrukt kann sich, wie gesagt, erst bei der Anwendung auf Angemessenheit prüfen lassen.
(H1)
Anm. 2: Der im Folgenden eingeführte Begriff des Holons sollte nicht mit Begriffen wie „frame“ "script“ etc. (cf. Konerding 1993, 42 ff.) verwechselt werden, da diese die Intention des holistischen Denkens nicht modellieren, sondern wieder ins Atomistische rücktransformieren. Darauf kann hier jedoch nicht eingegangen werden. 3.1.4. Die Holistische Grundthese des Verb-Holon-Modells ist: Jedes Verb stellt mit seinen Valenzrollen eine holistische Gestalt (Holon) und dessen Teile (Holeme) dar. Diese Gestalt repräsentiert ein Wirklichkeits-Muster (im festen Wissenshintergrund) jeden Sprachbenutzers, mit dem er Wirklichkeitsausschnitte (wieder)erkennen kann. Damit ist gemeint: der Sprecher kann Geschehnisse und Handlungen in seiner Wirklichkeit auf „Geschehens- bzw. Verarbeitungs-Muster“ abbilden und kann dies im Satz dadurch zum Ausdruck bringen, dass er dazu einen entsprechenden Verbausdruck wählt und dessen Valenzrollen mit den (rele-
3.1.5. Die Grundform des Holon-Konzepts Zunächst soll die Gestalt von Informationen, wie sie einem Sprachbenutzer in bestimmten Bereichen vorliegen, ohne Bezug auf die Sprache definiert werden, dann jedoch auf die Sprachorganisation, wie sie Tesnie`re konzipiert hat, angewandt werden. Ein Holon ist ein Gestaltschema mit funktional-bestimmten Teilen (im Folgenden Holeme genannt). Jedes Holon erfüllt für den Sprachbenutzer innerhalb eines Wirklichkeitsbereichs einen bestimmten Zweck.
Formal wird ein Holon HL so dargestellt: (H1a) HL (NAM, ZWE, ANZ: n): *HM1, HM2, … HMn+. D. h. das Holon HL mit dem Namen NAM dient dem Zweck ZWE. Es enthält n funktionale Teile („Holeme“ genannt): *HM1, ...HMn+. (H2)
Jedes Holem HM erhält seine Rolle in HL dadurch, dass es einen bestimmten Teilzweck TZW im Zweck ZWE erfüllt. Sein Aufbau ist:
(H2a) HM (HNM,TZW): *Valeur, Substanz, Variationsfeld+. D. h. das bestimmte Holem HM mit dem Namen HNM dient dem Teilzweck TZW im (Gesamt-)Zweck ZWE. Es enthält 3 funktionale Teile: ⫺ Der Valeur charakterisiert die unverwechselbare Funktion des Holems im Holon (d. h. seinen Teilzweck); ⫺ die Substanz enthält Parameter und Randbedingungen, die die materielle Konkretisierung betreffen; ⫺ das Variationsfeld enthält das Feld an Möglichkeiten, innerhalb dessen die Realisierung des Holems variieren darf, ohne mit der Realisierung eines konkurrierenden Holems in Konflikt zu geraten.
54 (H3)
(H4)
I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
Konkretisierung des Holons: Ein Sprachbenutzer wendet ein Holon dadurch auf einen Wirklichkeitsausschnitt an, dass er die Holeme mit geeigneten Informationen aus seiner Wirklichkeit besetzt (d. h. die Holeme und damit auch das Holon werden „konkretisiert“).
SB ordnet die in der Wirklichkeit involvierten Gegenstände (oder Personen) A, B und C den Holemen zu (Konkretisierung der Holeme, cf. 3.1.5 (H3)). Insgesamt bildet SB dann z. B. das konkretisierte dreistellige Holon:
Holeme können selbst wieder als Holon fungieren und Sub-Holeme annehmen, die im Holem eine ähnliche Funktion ausüben wie die Holeme im Holon (Zum Holon-Konzept siehe auch Mudersbach 1999, 4.3.1.2).
(Die dem HL1 eindeutig zugeordneten Bestimmungsstücke „(NAM1, ZWE1, 3)“ in (HL1) werden im Folgenden weggelassen.) Das Besetzen der Holeme ist formal darzustellen, wie es in 2.3 beim Rollen-Relator eingeführt worden ist. (HL2) ist die formale Repräsentation der holistischen Information, die den „organisierten Gedanken“ bei Tesnie`re vor dem Sprachbezug modellieren soll. Als Beispiel stelle man sich die Szene vor, in der SB gesehen hat, wie die Person A der Person B einen Gegenstand C gibt, und hat dies als Beispiel des Handlungs-Musters des Schenkens (= HL1) erkannt.
3.1.6. Die fünf holistischen Gestalten des Kommunizierens Der Holon-Gedanke lässt sich aus Saussures Langue-Auffassung gewinnen und verallgemeinern, er soll im Folgenden aber nur auf die Versprachlichung und das Verstehen, wie es bei Tesnie`re modelliert wird, bezogen werden. Es wird sich nun zeigen, dass sowohl das Valenz- als auch das Dependenz-GrammatikKonzept mit der holistischen Grundform modellierbar sind. Darüber hinaus ergeben sich noch weitere Anwendungen im Rahmen der Satzbeschreibung. Insgesamt wird das Holon-Konzept im Verb-Holon-Modell bei der Versprachlichung der folgenden fünf holistischen Teilmodellierungen eingesetzt: – beim Erkennen eines Geschehens- bzw. Handlungs-Holon (Sach-Holon, cf. 3.2), – bei der Redeplanung zum konkreten SachHolon (Valenz-Konzept, cf. 3.3), – beim Referenz-Erstellungs-Muster (Dependenz-Konzept, cf. 3.4), – beim holistischen Raum-Zeit-Wissen (Circonstanten-Konzept, cf. 3.5), – beim Mitteilungs-Muster (Redeplanung nach Thema-Rhema-Gliederung bzw. Subjekt-Prädikat-Struktur des Satzes, cf. 3.6). Diese Holonstrukturen sollen im Folgenden einzeln besprochen werden. Dabei wird das mathematische Werkzeug der Rollen-Relation (aus 2.) zum Tragen kommen. 3.2. Geschehens- bzw. Handlungs-Muster (Sachholon) Wir gehen davon aus, dass der Sprachbenutzer SB in seiner Wirklichkeit ein Geschehen bzw. eine Handlung als zu dem Muster HL1 (Sach-Holon) gehörig erkennt: (HL1) *HL1 (NAM1, ZWE1, 3): *HM1, HM2, HM3++.
(HL2) *HL1: *HM1: A, HM2: B, HM3: C++.
3.3. Redeplanung zum konkreten SachHolon (Valenz-Konzept) SB will einem Hörer HR die Information (HL2) mitteilen. Dazu muss SB wissen, wie man in einer Situation, in der ein bestimmter Gegenstand bzw. Interesse (Thema) gerade im Zentrum des Aufmerksamkeitsbereichs (AMB) von SB bzw. von HR steht, die Mitteilung auf ein solches Thema bezieht und angibt, welchen Teilen des Holons man Neuigkeitswert für den Hörer zuschreibt. Dieses holistische Wissen zur Thema-Rhema-Gliederung steht zwar bei der Redeplanung am Anfang, soll hier aber erst am Schluss behandelt werden (cf. 3.6). Zu der holistischen Information (HL2) muss SB außerdem eine geeignete Versprachlichung finden. Dies geschieht in vier Schritten: (s1) SB wählt zunächst in der natürlichen Sprache L1 einen Verbausdruck aus, der das Holon (HL1) und die zur Verbalisierung vorgesehenen Rollen (ohne Besetzung) darstellen kann. Dies sei zu *HL1, *HM1, HM2, HM3+) z. B. vrb1(r1, r2, r3). (cf. 3.1.4). Zu einem Sach-Holon HL1 gibt es evtl. verschiedene alternative Verbausdrücke mit unterschiedlicher Gewichtung und Perspektivierung der Holeme. Die Wahl wird von thematischen und Interessenvorgaben bestimmt, kann hier aber nicht diskutiert werden (cf. Storrer 1992, 281 ff.).
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
(s2) Nach der Wahl des Verbs (zunächst seine Inhaltsseite) wählt der Sprecher die Valenzrollen aus, die er realisieren will (wie in 2.2 dargestellt). Die Grundlage dazu gibt 3.1.3 (PR.ÖKO). Alles Übrige wird „dekantiert“. (s3) Der Sprecher bildet sprachliche Ausdrücke (Referenzterme), die geeignet sind, für den Hörer die Gegenstände, die die Valenzstellen besetzen, zu bezeichnen. Dies geschieht mit dem nachfolgend beschriebenen Referenz-Holon. (s4) Zur Verwendung der Junktion: Eine Valenzrolle kann nur mit einem Referenzterm besetzt werden. Wenn diese Konvention durchbrochen werden soll, weil z. B. mehrere gleichartige Terme nach (PR.ÖKO) zusammengezogen werden sollen, muss der Sprecher dies durch einen Erweiterungs-Indikator anzeigen (dazu dienen die Junktive, cf. 1.5.1). Das Prinzip der Junktion betrifft aber nicht nur die Referenzterme, sondern alle anderen Holeme, nicht jedoch die Subspezifikationsmöglichkeiten (cf. 3.4 RHM3). Statt hier die Probleme bei der Einbindung der Junktion ins Stemma aufzurollen, sei die Darstellungsidee als Bild angegeben: Man behandelt das Junktiv wie einen Zeitungsständer. Da wo eine Zeitung liegt, stellt man einen Zeitungsständer (das Junktiv) dazu und kann dann beliebig viele Zeitungen (desselben Typs) hineingeben. D. h. konkret: Bei der Besetzung des Holems wird z. B. ‘und’ als ein solcher Erweiterungs-Indikator angegeben, der dann beliebig lange Aufzählungen zulässt, ohne dass die Holem-Holon-Beziehung dadurch belastet wird. Allerdings kann damit keine Distribution erzeugt werden. Dies ist aber ohnehin bei Tesnie`re ein naives und fragwürdiges Unterfangen, beim Übersetzen in das Stemma zugleich die Logik der Distribution mitbehandeln zu wollen (136:5, 144) (cf. 1.5.1). 3.4. Referenz-Erstellung mit dem ReferenzHolon (Dependenz-Konzept) Nach der Festlegungt des Verbs und der zu realisierenden Verbrollen, sind für die Gegenstände, die die Holeme besetzen, geeignete sprachliche Ausdrücke zu finden. Dazu verfügt der Sprachbenutzer über das Wissen, wie man einen Referenzterm zu einem intendierten Gegenstand so gestaltet, dass der Hörer den Gegenstand in seinem Informationsstand
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auffinden kann (Zweck des Referenzterms ZWR). Dieses Wissen wird wieder als Holon modelliert. Das Referenz-Holon HRT dient dem oben angegebenen Zweck ZWR und habe drei Teile. (Einen besonderen Namen braucht es nicht, weil es nur ein Referenz-Holon gibt). (RH1) *HRT(⫺, ZWR, ANZ: 3): *RHM1, RHM2, RHM3++. Hierbei haben die Referenz-Holeme folgende Teilfunktionen: – RHM1 enthält die Angabe der ReferenzGegenstände – RHM2 enthält die Angabe der Anzahl der Gegenstände (und eventuell die Angabe der Art der Kennzeichnung (z. B. ob indefinit oder definit), – RHM3 enthält die Spezifikation, mit der die Gegenstände herausgegriffen werden können (ein Substantiv, 48: 6). Zu der Spezifikation kann eine oder mehrere Subspezifikationen hinzutreten (Ausdrücke der Kategorie ADJ). Diese können ihrerseits durch eine Sub-Subspezifikation spezifiziert werden (z. B. Ad-Adjektive wie „sehr“, „ziemlich“ etc.). Die Spezifikationstiefe muss offen bleiben, weil sie nur davon bestimmt sein darf, dass die intendierten Referenzgegenstände (in RHM1) hinreichend genau eingegrenzt werden. Eine offene Spezifikationstiefe wird dadurch erreicht, dass dieses Holem in sich einen iterierbaren Aufbau enthält, der aber nicht aus dem Holem herausführt. (Wie die Sprache bzw. Tesnie`re dies ermöglichen, wird in 4.3.3 dargestellt). Zur Erleichterung des Spezifizierens dient die Vorgabe eines Aufmerksamkeitsbereiche, da dadurch der Bereich der Alternativobjekte, gegen die abzugrenzen ist, eingeschränkt werden kann (cf. 3.6). Der Sprecher SB bildet z. B. für den Gegenstand A im ersten Holem (HM1:A in HL2) einen Referenzterm (als Konkretisierung des Referenzholons HRT) z. B.: (RH2) *HRT: *RHM1: A, RHM2: 1-def, RHM3: spez1 (subsp1))++. Der Referenzterm, der sich auf A beziehen soll enthält die Anzahl „1-def“ (singular, definit) und enthält eine Spezifikation („spez1“) und eine Subspezifikation („subsp1“). D. h. SB bereitet einen bilateralen Referenzterm vor (cf. 2.4) mit
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
(RH3) *Rf1: **za (1-def), za (spez1 (subsp1))+, *1-def, spez1 (subsp1)++, z. B. (RH4) *Rf1: **„das*“, za (Buch (dick)++, *1-def, Buch (dick)++. (Bezeichnungen: siehe 2.2 ff.) „das*“ sei ein definiter Artikel, dessen Kasus noch offen ist (denn die Kasusbestimmung erfolgt erst durch die Rolleninformation (mark1) in (MT1) weiter unten. Das subspezifizierende) Adjektiv (‘dick’) setzt ein spezifizierendes Substantiv (‘Buch’) voraus. Das Adjektiv kann aber nicht die Eigenschaft zu „Buch“ spezifizieren, weil Buch als Eigenschaft nicht die Eigenschaft dick haben kann (wohl aber kann ein Objekt zu „Buch“ dick sein! cf. die falsche extensionale Argumentation in 21: 4 zur Rechtfertigung, dass „Buch“ semantisch von „dick“ regiert würde (cf. 3.4.1 und 4.1.1). Das Adjektiv dient dem Hörer HR vielmehr dazu, aus der Menge der in Frage kommenden Bücher im Informationsstand des HR die dicken Bücher herauszugreifen. Über dieser Menge ist dann mit dem Quantor zu prüfen, ob sie eine Einermenge ist. 3.4.1. Was nun den Dependenz-Aspekt angeht, so ist dies (nämlich (RHM3) bzw. „spez1(subsp1)“ in RH3) die einzige Stelle in der ganzen Dependenztheorie, an der es sinnvoll ist, den Begriff der Abhängigkeit zu verwenden, aber nicht als Abhängigkeit zwischen den Kategorien ADJ und NOM, sondern als eine daraus resultierende Abhängigkeit zwischen den Besetzungen der Kategorien bzw. deren extensionalen Interpretation. Die subspezifizierte Menge der dicken Bücher ist abhängig von der vorher spezifizierten Menge der Bücher. „x ist abhängig von y“ heißt dann soviel wie „x setzt y voraus“. Erst muss die Menge der Bücher dem Hörer zugänglich gemacht werden, bevor er daraus die Teilmenge der dicken Bücher (Subspezifikation durch ein Adjektiv) herausgreifen kann. D. h. für HR kommt es nicht allein auf die Setzung eines Nomens an, sondern auch darauf, dass er eine Menge von Büchern in seinem Informationsstand zuordnen kann. D. h. nicht das Nomen ist nicht weglassbar, sondern die damit bezeichnete Menge muss vorhanden sein (sie ist „nicht weglassbar“). Das Abhängigkeitskonzept besagt also pragmatisch gesehen: dass mit dem Spezifikationsausdruck erst einmal erfolgreich auf eine
Menge verwiesen werden muss, bevor die Subspezifikation greifen kann. Dasselbe gilt jedoch nicht für die Subsubspezifikation, weil die Modifikation eines Adjektivs keine extensionale, sondern eine intensionale Operation ist: die Eigenschaft „dick“ wird in „sehr dick“ modifiziert, bevor diese (modifizierte) Subspezifikation auf die Menge der Bücher angewandt werden kann. Denn man kann nicht die Teilmenge „sehr“ aus der Menge der dicken Bücher herausgreifen. 3.4.2. Wenn SB für die übrigen Holembesetzungen in (HL2) ebenfalls Referenz-Terme nach diesem Muster gebildet hat, dann erhalten wir insgesamt aus dem zu versprachlichenden Sach-Holon (HL2) *HL1: *HM1: A, HM2: B, HM3: C++ die Inhaltsseite für die Mitteilung: (MT1) vrb1, *r1: Rf1, r2: Rf2, r3: Rf3++ und mit eingesetzten Referenztermen (z. B.): (MT2) *vrb1 (r1: Rf1: *1-def, nom1(ad1)+, r2: Rf2: *1-def, nom2+, r3: Rf3: *1def, nom3 (adj3 (mod3))+)+. Ausdrucksseitig ergibt sich dann z. B. für die Konkretisierung des Handlungsmusters in 3.2: (MT3) za (schenken (r1: Rf1 *1-def, Hans-heißend (klein)+, r2: Rf2 *1-def, Geburtstagskind+, r3: Rf3 *1-def, Buch (dick (sehr))+)) (für: „der kleine Hans schenkt dem Geburtstagkind das sehr dicke Buch“). Wenn man nun in diesem Ansatz die Dependenz-Analyse Tesnie`res betrachtet, dann ergibt sich: Wenn seine Satzanalyse dahin führen soll, dass der Hörer einen Gedanken formen kann, in dem ein Gegenstand aus dem (gedanklichen) Informationsstand herausgegriffen wird, dann müssen die Wörter im Satz diese Aufgabe bewerkstelligen können, d. h. im Falle der Besetzung einer Rolle zu einem Verb: dass der Hörer aus den Informationen im Satz die für das Referenzholon nötigen Teile (Holeme) gewinnen kann, also den Quantor und die Spezifikation. Die Spezifikation ist bei Tesnie`re durch das Nomen und die Adjektive repräsentiert. Der Artikel wird aber auch als Adjektiv aufgefasst. Dies wird der quantifizierenden Funktion (im Gegensatz zur subspezifizierenden des Adjektivs
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
nicht gerecht). Das Nomen „regiert“ (i. S. v. „ist Voraussetzung für“) demnach nicht die andern Teile des Referenzterms, sondern allenfalls die Subspezifikation ADJ. Der Quantor ist dem Nomen gleichgeordnet. Damit löst sich die Kontroverse um das Verhältnis beider. Durch die holistische Sicht wird die parallele Holem-Funktion beider Teile beim Referieren deutlich. 3.5. Das holistische Raum-Zeit-Wissen (Circonstanten-Konzept) Zu klären ist im Rahmen des Verb-HolonModells noch die Modellierung der Circonstanten (48: 7 ff.). Da sie (nicht-obligatorische) Komplemente („Angaben“) sind, also zur Satzinformation nicht „notwendigerweise“ dazu gehören und da oft unklar ist, ob ein Satzglied ein Aktant oder ein Circonstant ist, soll hier ein Vorschlag zur Klärung der Funktion der Circonstanten gemacht werden, der sich folgerichtig aus dem holistischen Denkansatz ergibt. Die meisten Sach-Holons dienen dazu, Wirklichkeitsausschnitte zu erfassen. Die Wirklichkeit hat eine Raum-Zeit-Struktur. Da nun sicherlich diese Struktur zum gemeinsamen Wissensbestand zwischen Sprecher und Hörer gehört (cf. 3.1.2) und da der Hörer viele Details von (z. B. in einer Erzählung geschilderten) raum-zeitlichen Informationen leicht selbst erschließen kann, kann der Sprecher nach (PR.ÖKO) (in 3.1.3) in vielen Fällen auf die explizite Erwähnung im Satz verzichten (cf. das Dekantieren in 3.1.2). Nur im Falle von kontingenten und nicht erwartbaren Änderungen müssen diese angegeben werden. Wenn wir die Raum-Zeit-Struktur ebenfalls als Holon im Wissen des Sprachbenutzers modellieren (= RZH), ergibt sich die Möglichkeit, RZH als übergeordnetes „RaumZeit-Holon“ einzuführen, in dem ein Sachholon eine bestimmte Holemstelle (!) besetzt. RZH dient dem Zweck, die raum-zeitliche Orientierung des Hörers zu unterstützen, wenn er sich die Entwicklung des Gehörten vorstellen will und dies nicht mit seiner holistischen Logik erreichen kann. Wir erhalten insgesamt für RZH eine Struktur von der Art: *RZH, *RZM1, RZM2, RZM3, RZM4, RZM5, RZM6, RZM7, ...++ wobei gilt: RZM1: Das Holem der Raum-Zeit-Gestaltung enthält das Sach-Holon (3.2)
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RZM2: RZM3: RZM4: RZM5: RZM6:
Lokalisierung im Raum Lokalisierung in der Zeit Intervall im Raum (z. B. „von-nach“) Intervall in der Zeit (z. B. „von-bis“) Qualitäten der Raum- und Zeit-Aspekte (wie „schnell“ oder „intensiv“) RZM7: Status eines Geschehens (z. B. kontingent, habituell, gesetzesartig) und weitere Holeme, die hier nicht von Belang sind. Zur „Schachtelung“ in RZM1: aufgrund von 3.1 (H4) kann RZM1. selbst wieder Holon-Charakter haben (hier: das Sachholon enthalten). Auf dieser Basis ergibt sich die folgende 3.5.1. These zur holistischen Behandlung der Circonstanten Jedes Sach-Holon ist eine spezielle Besetzung des Holems der Raum-Zeit-Gestaltung (RZM1) im Raum-Zeit-Holon RZH. Die weiteren Raum-Zeit-Holeme enthalten raumzeitlich relevante Informationen zum Sachholon und seiner Konkretisierung. Die Circonstanten (Angaben) enthalten die Versprachlichung derjenigen Raum-Zeit-Holeme, die für die Informationsübermittlung relevant sind. D. h. die Besetzung der übrigen Holeme von RZH liegt zwar im Informationsstand des Sprachbenutzers, der ein Geschehen beschreiben will, vor (jedenfalls soweit es ihn interessiert), aber aufgrund des (PR.ÖKO) wird davon nur das in die mitzuteilende Information aufgenommen, was die entsprechenden Bedingungen erfüllt. Die Satzteile der adverbialen Bestimmungen verschiedener Art (Circonstanten) dienen daher dazu, das vom Hörer nicht erschließbare Wissen über die jeweilige momentane Wirklichkeitsstruktur anzugeben (cf. 3.1.2). Pointiert gesagt: die Circonstanten sind die Valenzrollen des RaumZeit-Holons, und die Valenzrolle RZM1 (das Sachholon) übernimmt darin die „Subjektposition“. Auch für die Besetzung gilt dasselbe wie für das Referenzholon: der Sprecher hat die Möglichkeit, die Spezifikation der Zeitoder Ortsangabe so tief zu schachteln wie es für die Eingrenzung des Ortes oder der Zeit beim Hörer nötig ist. Dies verursacht keine Mehrfachbesetzung des jeweiligen Holems. Wird eine Mehrfachbesetzung gewünscht, dann muss wieder ein „Zeitungsständer“ hinzutreten (cf. 1.5.1 und 3.3 (s4)). Die Tatsache, dass üblicherweise mehr Rollen des Sachholons im Satz auftreten als
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
Rollen des Raum-Zeit-Holons liegt daran, dass wir nicht über Raum-Zeit-Strukturen per se kommunizieren wollen, sondern ein Interesse an der momentanen, kontingenten Sachlage, d. h. der Auffüllung des Sachholons (RZM1.) haben. Mit diesem Erklärungsansatz wird deutlich, dass die Circonstanten vom Sprecher durchaus in systematischer, d. h. an Kriterien gebundenen Weise eingesetzt werden. Ihre vermeintliche „Weglassbarkeit“ entpuppt sich als situative Notwendigkeit. Erst wenn man von der Pragmatik zur Semantik bzw. Syntax übergeht, fallen die für die Setzung der Circonstanten relevanten Gesichtspunkte (die im Ablauf der geschilderten Situation bzw. im Hörer-Wissen) liegen, weg. D. h. die „Blindheit“ für die Relevanz der Circonstanten ergibt sich aus dem freiwilligen Verzicht auf pragmatische Information. Logisch gesehen ist dies ein Fehlschluss von der Art einer negativen petitio principii (cf. 3.6.1). Die Frage, ob ein Satzglied Aktant oder Circonstant ist, kann sich mit diesem Ansatz auch leicht beantworten lassen: eine RaumZeit-Information gehört dann essentiell zu einem Verb dazu, wenn das Sach-Holon ohne dieses Holem als Gestalt nicht vollständig ist. Z. B.: während in „er hat das Buch von gestern bis heute durchgelesen“ die Angabe des Zeitintervalles als Circonstant (Holem des Raum-Zeit-Holons RZHM5) zu verstehen ist, da das Holon „lesen“ nicht essentiell auf die Zeitangabe angewiesen ist, sind in „das Unglück geschah gestern auf der Fahrt von A nach B“ die Angaben zu „WANN“ und „WO“ Valenzen des Verbs „geschehen“, da „geschehen“ essentiell eine Raum-Zeit-Gestalt ist (Zur Problematik: siehe Storrer 1992, 70 ff.). Dies ist unabhängig davon, ob wegen des PR.ÖKO eine von beiden Angaben wegfällt. 3.6. Hörer-bezogene Mitteilungs-Gliederung (Thema-Rhema-Holon) Wenn ein Sprachbenutzer in einem Gespräch den nächsten Satz formuliert, so ist dieser eingebunden in den momentanen Aufmerksamkeitsbereich (AMB bzw. „Text-Thema“) und betrifft das momentane Interesse der Gesprächspartner an einem bestimmten Gegenstand (dem Themagegenstand THG). Der Sprecher zeigt seinen Willen zur kohärenten Fortführung der Informationen zu dem Themagegenstand, indem er dies in bestimmter Weise in jedem Satz zum Ausdruck bringt (Thema-Stellung, traditionell: Satzgegen-
stand). Zugleich grenzt er die hinzuzufügenden neuen (Rhema-)Informationen (RHI) ab. Nur beim Wechsel von Themagegenstand oder Aufmerksamkeitsbereich müssen (wiederum nach 3.1.3 PR.ÖKO) die entsprechenden Ausdrücke mit einem „Wechsel“-Indikator angezeigt werden (z. B. „was nun die … betrifft: …“). – Der Sprachbenutzer hat dazu Gestaltungsmuster zur Verfügung und kann sie als Sprecher in die Äußerung einbringen bzw. sie als Hörer an der Äußerung erkennen. Insbesondere die Thema-Rhema-Gliederung dient dem Zweck (ZWE.TR), dem Hörer die Anbindung des Geäußerten an das Bisherige bzw. die Aufnahme der neuen Information zu erleichtern (cf. 2.6). D. h. die Thema-RhemaStruktur zeigt dem Hörer den Mitteilungswert des jeweiligen Satzteils an und erleichtert ihm dadurch den kohärenten Anschluss des Gesagten. Dieses Wissen lässt sich ebenfalls als Holon formulieren. Das Thema-Rhema-Holon ist folgendermaßen aufgebaut: (HTR1) *HTR(⫺, ZWE.TR, ANZ: 4): *EPM, AMB, THG, RHI++. EPM:
AMB: THG: RHI:
ist das epistemische Holem, in dem angegeben wird, auf wessen Informationsstand (und auf welche Einstellung) sich die folgende Information bezieht (z. B. Hans hofft, dass …), ist der Aufmerksamkeitsbereich. gibt den Themagegenstand an. gibt die Rhema-Information an und
weitere Holeme, die hier nicht ausgeführt werden sollen. Die Anwendung dieser Thema-Rhema-Gliederung ist in 2.5 formal schon vorbereitet worden. – Die Angabe des Aufmerksamkeitsbereichs AMB führt dazu, dass man den zu bildenden Referenzterm einfach halten kann, weil durch AMB die Alternativobjekte, die fälschlicherweise beim Hörer in Frage kommen könnten, reduziert werden (cf. 3.4 RHM3.). Zu allen Holemen gehören neben der inhaltlichen Besetzbarkeit auch Indikator-Ausdrücke, die dazu dienen, die HolemFunktion im Zweifelsfall deutlich zu machen (insbes. beim Wechsel oder Vergleich). Hier kommt es darauf an zu zeigen, dass der Tesnie`resche Grundgedanke nicht nur verträglich ist mit der Thema-Rhema-Gliederung der Information, sondern dass es im Sinne der Anschließbarkeit der Sprecher-Hörer-Dynamik an die Strukturale Syntax auch
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
notwendig ist, diese Gliederung mitzuberücksichtigen. Angenommen: SB wählt als Themagegenstand (THG) für die Mitteilung den Gegenstand A aus 3.4 (HL2) bzw. (MT1) aus. SB ordnet diesem THG als Rhema-Information (RHI) zu und bildet so aus *HL1: *HM1: A, HM2: B, HM3: C+++ (unter Verwendung des Operators thg (HM1)-Operators und der Einführung des t-Operators aus 2.5) den Redeplan: (RPL) **THG: HM1: A+, *RHI: tHM1 HL1: *HM1, HM2: B, HM3: C+++. Dies ist so zu lesen: zum Thema-Gegenstand A wird durch trg(HM1) die konkretisierte Holon-Information (ähnlich wie in 2.5 (THG2)) gebildet, bei der nur an der Stelle HM1 der Gegenstand A herausgenommen ist und in die Themaposition gerückt ist. Dabei bleibt in RH1 stattdessen der linksanwendbare rollenspezifizierte t-Operator (cf. 2.5) tHM1 stehen. Bei Anwendung des t-Operators auf die THG-Besetzung geht (RPL) wieder in (MT1) (siehe weiter unten) über. D. h. der Hörer behält letztlich nur die Struktur des Gedankens im kognitiven Raum, nicht aber die Abfolge der Übermittlung, die ihm ja nur zur Kohärenzherstellung gedient hat. Bzgl. Tesnie`re besagt dies: die Rolle des Holons bzw. des Verbs als zentraler Organisator des Gedankens bzw. des Satzes bleibt bestehen. Da die Links-Rechts-Gliederung der Satzkette nach Tesnie`re noch offen sein kann für Nuancierungen (58: 2), kann man eine bestimmte Stelle dazu benutzen, ein Satzglied „hervorzuheben“, indem man ihm die Funktion des Thema-Gegenstandes zukommen lässt (Tesnie`re hat allerdings diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen, cf. 58: 2⫺8). 3.6.1. Anmerkung zur Frage der SubjektPrädikat-Strukturierung des Satzes Wenn man mit einer Darstellung nur ein syntaktisches, semantisches oder logisches Ziel verfolgt, dann ist in der Tat eine Gliederung der Aussage in Relator und Argumente (bzw. Verb und Rollen) vorzuziehen. Dafür plädieren Tesnie`re und Frege, aber aus unterschiedlichen Gründen und mit unterschiedlichen Argumenten. Beide Argumentationen sind nicht stichhaltig, weil sie ja einer möglichen Rechtfertigung für eine Subjekt-Prädikatbzw. Thema-Rhema-Gliederung schon durch die Einschränkung des jeweiligen Programms (bei Tesnie`re auf Syntax bzw. Semantik (49: 5 ff.), bei Frege auf das logisch Folgerba-
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re, cf. Frege 1973, 3) den Boden entziehen. Es handelt sich also einfach um eine Fallacy, bei der die einschränkende Voraussetzung im jeweiligen Programm schon blind macht für die Relevanz des Phänomens bzw. der Rechtfertigung von dessen Beschreibung. Das wurde in 3.5 „negative petitio principii“ genannt. – Die Sensibilität Freges für natürlichsprachliche Phänomene veranlasst ihn zwar, darauf hin zu weisen, dass die Subjektstelle im Satz (nicht in der Äußerung!) dazu diene, die Aufmerksamkeit des Hörers (!) auf etwas hinzulenken (Frege 1973, 3; 18), aber gleichzeitig kann er dies zu Recht für seine Zwecke als nicht relevant ansehen. Wenn man aber Sprache nicht nur als Betätigungsfeld für Syntaktiker, Semantiker und Logiker ansieht, sondern sich an ihren Zweck erinnert, nämlich der Kommunikation zu dienen, dann ist das Desiderat, zu allen Abhängigkeitsbetrachtungen auch noch den kommunikativen Sinn der Anordnung (in der Äußerung) zu berücksichtigen, sicher gerechtfertigt (cf. Welke 1995, 170; 172 f.). Diesem Rechnung zu tragen und dies zugleich mit den Einsichten Tesnie`res zu verbinden, ist hier das Anliegen. 3.7. Das Verb-Holon-Modell im zeitlichen Ablauf: vom Gedanken zur Äußerung (Abschließende Zusammenfassung) (a) Das Verb-Holon-Modell beruht auf den Intuitionen, die Tesnie`re besonders in den ersten Kapiteln dargelegt hat und versucht den Übergang zwischen dem zu äußernden Satz und der Gedankenstruktur zu modellieren. Besonders wichtig ist dabei die Aussage, dass der Hörer seine Strukturierungsprinzipien schon mitbringen muss (1: 4). Diese kognitive Kompetenz wurde „kantifizieren“ genannt (cf. 3.1.2) bzw. dass umgekehrt der Sprecher auf die Explizitierung der schon vorhandenen Struktur verzichten kann (dort „dekantieren“ genannt), um den Satz möglichst ökonomisch zu gestalten (cf. (PR.ÖKO) in 3.1.3). (a1) Die Grundidee der Modellierung ist: das Verb und seine Valenz ist holistisch zu modellieren (cf. 3.1.4). D. h. ein Verb bezieht sich auf ein Sachholon im Wissen des Sprechers bzw. des Hörers. Das hat den Vorteil, dass der Sprecher mit einem Ausdruck auf eine vollständige Gestalt im (hypothetisch angenommenen) Wissen des Hörers Bezug nehmen kann und aufgrund der damit erzeugten
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(b)
(b1)
(b2)
(b3)
(b4)
(b5)
I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
Erwartungen nur noch das in die Satzkette einbringen muss, was die spezifische, kontingente Besetzung des Holons betrifft (cf. 3.1.2 (SP1)). Der Weg vom Gedanken zur Äußerung eines Satzes wird als ein Zusammenspiel von fünf holistischen Strukturen (Holons) modelliert, mit denen der Sprecher mehrere Zwecken verbindet, die er mit der Mitteilung gleichzeitig aber kognitiv geordnet verfolgt (cf. 3.1.5): Der Sprecher geht von einem Wirklichkeitsausschnitt als Aufmerksamkeitsbereich aus (cf. 3.6 AMB). Darin hat er einen Teil als THG fixiert und eine (für ihn interessante) Beobachtung gemacht, die er als Konkretisierung einer Handlungs- oder Geschehensgestalt (Sachholon) erkennen und strukturieren kann (cf. 3.2). Das Sachholon schließt üblicherweise an den Vortext und dessen Mitteilungsvorgaben (z. B. Aufmerksamkeitsbereich und Thema-Gegenstand) an, d. h. der Sprecher muss seinen Redebeitrag aufteilen in Thema-Gegenstand und RhemaInformation. D. h. er wendet das Holon der Thema-Rhema-Gliederung auf die Information an (cf. 2.5, 3.6). Das Sachholon wird je nach Interessenlage des Sprechers oder des Hörers durch ein geeignetes Verb versprachlicht. Die Holeme im Sachholon werden auf die zum Verb gehörenden Valenzstellen abgebildet (cf. 3.3). Das Sachholon ist selbst schon eingebettet in ein Raum-Zeit-Holon, dessen Aufbau und „Logik“ zum gemeinsamen Wissenstand von Sprecher und Hörer gehört. Die Holeme des Raum-Zeit-Holons werden durch die Circonstanten verbalisiert. d. h. die Circonstanten sind pointiert gesagt die Valenzstellen des Raum-Zeit-Holons (cf. 3.5). Beide „Valenzarten“ (d. h. die Verbvalenz und die Circonstanten) müssen nur dann explizit gemacht werden im Satz, wenn sie kontingent relevante Informationen enthalten. Das regelt das PR.ÖKO (3.1.3). Um die in den Holemen des Sach-Holons intendierten Gegenstände zu bezeichnen, wendet der Sprecher das Referenz-Holon an (3.4) und zwar auf alle Holem-Gegenstände im Sachholon und wenn geeignet auch auf die Holeme im Raum-Zeit-Holon.
(b6) Alle Informationen werden in eine invariante bilaterale Zeichenform des Satzes als Relation bzw. Verb-Valenz bzw. als besetztes Sachholon eingegeben (cf. 2.4 und der Redeplan in 3.6). (c1) Aufgrund der Kooperation zwischen den verschiedenen Holons beim Aufbau einer Äußerung ist das Resultat eine Links-Rechts-Abfolge von Informationen (eine Satzkette), die jetzt nicht als eine in sich linear strukturierte Abfolge von syntaktisch verknüpften Satzgliedern zu verstehen ist, sondern die aus relativ unverbunden nebeneinanderstehenden Einzelinformationen besteht, die der Hörer beim Hören der linearen Kette „aufpickt“ und in seinem kognitiven Raum in die entsprechenden Holons einsortiert. (c2) Dies lässt sich bei der Wort-für-WortAbarbeitung durch die folgende holistische Schrittabfolge im Detail erfassen: Der Hörer HR erkennt einen Referenzterm nach dem „Finger-Hand-Prinzip“ (3.1.2 (SP1)). D. h. wenn ein Artikelwort im Satz auftritt, dann erkennt der Hörer, dass dies die Besetzung des Quantorholems RHM2 (3.4) ist. Nach der holistischen Logik schließt HR von diesem Holem auf das Referenzholon als Ganzes (SP1) und von da auf die übrigen Holeme (nach dem Hand-Finger-Prinzip, 3.1.2 (SP2)). Hier ist dies nur ein weiteres Holem, der Spezifikationsteil, dessen Besetzung im Satz HR dann erwartet. Aus dem Vorhandensein und der Markierung des Referenzterms RFT als Ganzem schließt HR darauf, dass RFT ein Holem besetzt, das eine passende Valenzrolle entweder zu einem Verb oder zum Raum-Zeit-Holon ist. Also erwartet er ein solches (raum-zeitlich-orientiertes) Verb und mit ihm die Besetzung der anderen Valenzrollen, sofern er sie nicht schon aus dem Kontext erschließen kann. Die zugrundeliegende holistische Logik kann hier nicht dargestellt werden (siehe Mudersbach 1997, 673 ff., Mudersbach 2001, 76 ff.), ebensowenig der entsprechende Ablauf der Rede-Planung beim Sprecher, der diese Folgerungsfähigkeit des Hörers schon mit einkalkuliert. 3.7.1. Das Verb-Holon-Modell bildlich veranschaulicht Die Idee des Verb-Holon-Modells soll zum Abschluss noch in einem Bild veranschaulicht werden: wenn jemand ein Paket erhält, in
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
dem alles, was er gebrauchen kann, dicht zusammengepackt nebeneinander liegt (sozusagen nach einem „Ökonomie-Prinzip“ gepackt, cf. 3.1.3 PR.ÖKO), dann liegen da Dinge eng zusammen, die nicht direkt etwas miteinander zu tun haben, wie Socken und Lebensmittel und Lektüre und Werkzeug (Dies entspricht dem dicht mit Informationen verschiedenster Art bepackten Satz). Der Empfänger fängt nun nicht an herumzurätseln, was es zu bedeuten hat, dass die Socken neben dem Hammer liegen usw. (um benachbarte Paket-„Konstituenten“ zusammenzusetzen!), sondern er erkennt am Aussehen der Dinge (Markanten!), von welcher Art sie sind, und „entpackt“ sie, ohne sich um deren Lage sonderlich zu kümmern, unter dem Gesichtspunkt, zu welchen Funktionen des Haushalts sie gehören (Holeme zu verschiedenen Holons!): er erkennt (kantifiziert!), dass die Lebensmittel in die Küche und die Socken in den Kleiderschrank gehören usw. Und obenauf liegt ein Brief (das Verb mit seiner Valenz), in dem die Organisation des Ganzen (Satzes) zusammengefasst wird. Wenn die Abfolge der Teile in einem Satz so verstanden wird wie die Packung der Sachen im geschilderten Paket, dann merkt man, wie ungünstig es ist, aus der LinksRechts-Kette die direkte Zusammengehörigkeit erschließen zu wollen und daraus die relevanten Informationen durch „Zusammenkleben“ (Konstituenten) aufbauen zu wollen! Tesnie`re hat in fast revolutionärer Weise die kognitive Fragwürdigkeit der linearen Abfolge thematisiert (Kap. 4⫺8) und im Gegensatz zur Konstitutengrammatik, die sklavisch eine solche Linkns-Rechts-Abarbeitung durchhalten will (was aus dem Gedanken der Turingmaschine stammt!), eine Semiotik des kognitiven Raums entwickelt und diese dem Diktat der Projektivität auf die lineare Satzkette entgegenstellt. Dies wurde allerdings in der Weiterentwicklung, die innerhalb des syntaktischen Paradigmas des KonstituentenDenkens verlief, ignoriert (Zur Problematik: siehe Heringer et. al. 1980, S. 182 ff.).
4.
Das Abhängigkeitskonzept in der mathematischen Rekonstruktion
Die Tesnie`resche Grammatik wurde hier nicht syntaktisch aufgefasst, sondern mit mathematischen Mitteln pragmatisch-kognitiv rekonstruiert. Das Ergebnis war: Der Sprachbenutzer sieht einen Satz als Informations-
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Paket an, in dem die Holem-Informationen zu fünf verschiedenen Holon-Arten verpackt sind. Das Verb-Holon-Modell rekonstruiert hauptsächlich das Valenz-Konzept. Dabei kam das Dependenz-Konzept nur innerhalb des Referenzterms bei der (nicht-holistischen) Subspezifikation zur Sprache (cf. 3.4.1). Dies entspricht nun sicher nicht der Bedeutung, die der Dependenz in der „Strukturalen Syntax“ allein vom Umfang her zukommt: der erste Teil „La connexion“ macht fast die Hälfte des Buches aus (320 von 670 Seiten!), während die Valenz innerhalb dieses Teils nur ein kleines Kapitel von 50 Seiten ist. Dennoch ergibt sich bei der mathematischen Rekonstruktion des pragmatischen-kognitiven Gehalts des Tesnie`reschen Programms, so wie sie hier vorgeschlagen wird, dass das Valenz-Konzept das tragfähigere ist. Beim Versuch, auf ähnliche Weise den Dependenzbegriff zu rekonstruieren, stellte sich heraus, dass die Dependenz ein nicht theoriefähiges Konzept ist. Das soll in diesem Kapitel begründet werden (cf. 4.1 und 4.2). Wenn man jedoch das Abhängigkeitskonzept zu einem dynamisierten kognitiven Begriff verallgemeinert, kann es schließlich doch noch nutzbringend auf die Tesnie`reschen Ideen angewandt werden (cf. 4.3). 4.1.
Theorie(un)fähigkeit des Abhängigkeitskonzepts 4.1.1. Befund 1: es fehlen Kriterien für die Anwendbarkeit des Abhängigkeitskonzepts Tesnie`re gibt kein Kriterium an, nach dem entscheidbar wäre, welche Wörter bzw. Kategorien von welchen anderen „abhängen“. Stattdessen werden von vornherein nur Beispiele vorgeführt und dazu postulativ Dependenzen festgelegt, zuerst zwischen Wörtern (2: 7, 3: 1 ff.), dann zwischen den Kategorien (33: 8 ff.). Wenn Tesnie`re dann endlich für eine Dependenzentscheidung argumentiert, dann gerade nicht für die strukturale, sondern für eine semantische, die an dieser Stelle erst eingeführt wird und der strukturalen sogar entgegengesetzt ist (21: 6). Eine genaue Textanalyse kann zeigen, dass hier „semantisches Gewicht“ und „Voraussetzung für die Subspezifikation“ in einer unnötigen Weise in Konkurrenz treten. – Dies kann hier nicht ausgeführt werden, lässt sich aber mit den in 3.4. eingeführten Aspekten des Spezifikationsholems leicht klären. – Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Unsicherheit und begriffli-
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
che Unklarheit Tesnie`res in der Sekundärliteratur zu Diskussionen geführt haben, die meines Erachtens nicht durch begriffliche Verfeinerungen und Kriterienvorschläge beseitigt werden können, sondern nur durch ein rigoroses Hinterfragen des Basiskonzepts.
(cf. Fraser 1996, 74: „The relationship between valency and dependency is rather opaque“) stellt sich nach dieser Betrachtung als nicht nur semiotische, sondern auch formale Inkompatibilität der beiden Betrachtungsweisen heraus.
4.1.2. Befund 2: Inkompatibilität mit dem Valenzkonzept Die Abhängigkeitsbeziehung verbindet alle Kategorien paarweise miteinander (cf. oben 1.2.1). Die Abhängigkeit der Kategorie „Nomen“ von der Kategorie „Verb“ (oben mit CNX (NOM, VRB) bezeichnet) gerät aber mit der Verbvalenz in Konflikt, weil bei der Valenz-Betrachtung das Verb als ein Relator mit Valenzrollen aufgefasst wird, in die ein Nomen eingesetzt werden kann (z. B. vrb (r1: nom1)). Ein so aufgefasstes Verb kann aber nicht zugleich ein („stellenloses“) Argument neben dem Nomen in der Relation CNX (NOM, VRB) sein, wie es die Dependenzanalyse will (cf. 1.3). Wenn man aus einem Relator, z. B. „geben“, einen Gegenstand („das Geben“) macht, dann nennt man das Hypostasierung. Dies mag in bestimmten Kontexten sinnvoll sein, führt aber in dieser Grammatik zu zwei miteinander nicht verträglichen Beschreibungen: Entweder ist ein Verb der zentrale „stellenvergebende“ Relator (mit Nomina als Argumenten) oder das Verb ist selbst eine Stelle beim Relator CNX. Man kann daher ein valenzhaltiges Verb im Stemma auch nicht einfach an die Argumentstelle der CNX-Relation CNX (NOM, VRB) setzen und die Abhängigkeitslinie zwischen dem Nomen und dem Verb (als Knoten!) zugleich als Linie für das erste Argument eines Relators interpretieren. Wenn Linien (Kanten) für Relatoren reserviert sind und Knoten für Argumente, dann müsste das Verb gleichzeitig eine Linie etikettieren und als Knoten an einer andern Linie CNX fungieren. Ein graphisches Paradox! Dies ist nur ein Beispiel, wo die Anfangsplausibilität der Freiheiten, die sich Tesnie`re bei seiner graphischen Darstellung gestattet, im Formalen nicht umgesetzt werden kann. Statt nun aber die Berechtigung der graphischen Mittel (bei der vorschnellen Einführung der semiotischen Darstellung) kritisch zu hinterfragen, nehmen die Nachfolger Tesnie`res die „Stemma-Sprache“ als gegeben hin und versuchen die Folgeprobleme in dieser Sprache zu lösen. Die „undurchsichtige“ Beziehung zwischen Dependenztheorie und Valenz-Theorie
4.1.3. Fazit: Fehlende Kriterien, Unsicherheiten und Unklarheiten in den vorgeführten Beispielen, unkontrollierbare Mehrfachinterpretationen der Konnexionslinie (bei Junktion und Verbvalenz), schwankende KnotenInhalte d. h. Argumentbesetzungen (Nomen, Eigennamen, vollständige Referenzterm) machen die Konnexion bzw. Dependenz bzw. Abhängigkeit zu einem nicht-theoriefähigen Begriff. 4.2. Diagnose und Abhilfe: 4.2.1. Diagnose: Wurzel der Nicht-Fundiertheit des Abhängigkeitskonzepts ist die semiotische Fehlinterpretation Im Folgenden soll anhand des Textes nachgewiesen werden, dass das Abhängigkeitskonzept aus einer semiotischen Fehlinterpretation entstanden ist. Dazu soll in (q1)–(q8) untersucht werden, wie Tesnie`re die Abhängigkeit in seinem Kap. 2 einführt. Statt der dafür zu leistenden Textanalyse werden hier nur die relevanten Ergebnisse dargestellt: (q1) Tesnie`re spricht zunächst von „Konnexion“ zwischen Wörtern (1: 3). (q2) Er wählt dann statt einer linearen Darstellung der Konnexion (z. B. CNX („Alfred“, „parle“) eine (nicht-notwendige) graphische Darstellung und ist damit gezwungen, genau den „linearen“ (semiotischen) Gesetzen Folge zu leisten, von denen er sich mit der Missachtung der linearen Abfolge befreien wollte: Er zeichnet in Stemma 1 eine Linie zwischen zwei Wörtern „Alfred“ - - - - „parle“ (für die Argumentation hier absichtlich waagerecht gezeichnet) und setzt für die graphische Darstellung zwei zunächst willkürliche semiotische Konventionen an: (q3) erstens die Konvention, die Konnexions-Linien senkrecht zu zeichnen, und (q4) zweitens die „Konvention“, „parle“ nach oben zu setzen („obenstehend“) und „Alfred“ nach unten (2: 7). Dies ist natürlich keine Konventionsformulierung. Erst 50 Seiten später (!) wird dies als Konvention „erschließbar“, wenn das Verb im virtuellen Stemma offen-
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
sichtlich immer nach oben und das Nomen immer darunter gesetzt werden soll. Aus (q3) ergibt sich: (q5) Jede Konnexion vereint einen „obenstehenden“ (supe´rieur) mit einem untenstehenden (infe´rieur) Ausdruck (2: 1). (q6) Schon in (2: 1) wird jedoch ohne Begründung aus der symmetrischen Konnexion eine asymmetrische Dependenz. (q7) „Der obenstehende Ausdruck soll Regens („re´gissant“) heißen, der untenstehende Dependens („subordonne´)“ (2: 2). Hier kommt zu der rein lokalen Bezeichnung eine inhaltliche Interpretation dazu: was oben steht, „regiert“, was unten steht, ist „untergeordnet“. Dies ist aber eine „anthropomorphe“ intentionalisierende Überinterpretation einer semiotischen Anordung. Oder anders ausgedrückt: der in (q3) willkürlich gewählten Vertikalen wird eine semiotisch willkürliche Interpretation einfach untergeschoben. (Man denke als Kontrast an die untenliegenden Wurzeln eines Baumes, die den Zweigen sicher nicht „untergeordnet“ sind). (q8) „das Untergeordnete ist abhängig vom Regens („le subordonne´ de´pend du re´gissant, le re´gissant commande ou re´git le subordonne´“) (2: 3). Hier wird der Abhängigkeitsbegriff eingeführt. Und dabei wird eine weitere intentionale Bedeutungsverschärfung vorgenommen, denn: „von jemandem (etwas) abhängig sein“ ist etwas anderes als nur „untergeordnet sein“. „Regieren“ und „Unterordnung“ beziehen sich auf intentionale Wesen. Da es sich hier um nicht-intentionale Wörter handelt, kann man „Regieren“ und „Kommandieren“ bzw. „abhängig sein“ nur als Metapher lesen, wobei aber unklar bleibt, wofür diese im nicht-intentionalen Bereich überhaupt stehen sollen. Dieses Reden in solchen höchst „anthropomorphen“ Metaphern wirkt suggestiv, wird hier aber zur Grundlage einer ganzen Grammatik-Richtung! Fazit: Tesnie`re wollte die semiotische „Falle“ der Überinterpretation der Links-Rechts-Anordnung vermeiden, musste sich aber auch in der Vertikalen für eine Möglichkeit entscheiden. Aber statt dies (wie bei der Horizontalen cf. 4⫺8) als semiotisch-physikalische Randbedingung anzusehen, die für die Darstellung
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im Kognitiven Raum des Sprachbenutzers irrelevant ist, da dort (auszufüllende) Gestalten bereitstehen, postuliert Tesnie`re unnötigerweise eine gerichtete Relation und begibt sich dadurch wieder in den Zwang, den er mit dem Absehen von der Links-Rechts-Ordnung hat überwinden wollen (cf. q2). So wird aus einer willkürlichen Wahl in der semiotischen Darstellung (die Vertikalität) und einer raumbezogenen Relation (unten-oben) durch metaphorische Übertragung („untergeordnet sein“) eine intentionale Redeweise („abhängig sein“), die dann aber in einer ohne Kriterien nicht nachvollziehzbaren Weise auf nicht-intentionale Objekte (Wörter) angewandt wird („dependent sein“). Durch die unmerkliche Metaphorisierung wird indirekt an den Leser appelliert, sich eine Bedeutung zurechtzulegen, die passt. Diese (beim Leser zunächst wohlwollend vermutete) Bedeutung von „abhängig“ wird dann durch verschiedene Beispiele eingeübt und verfestigt, von denen aber keines mit einer linguistisch argumentierenden Begründung der Abhängigkeitsbeziehung verbunden wird. Mit einer solchen Begründung steht oder fällt aber das ganze Dependenzprogramm. Der Text in 2 und 3 hat postulativen Charakter. Und wird auch nicht solider durch eine „suggestive“ Plausibilität wie z. B. „Jedes Dependens teilt das Schicksal seines Regens“ (3: 4). Und wir als Leser sind für den Rest des Buches im Verständnis abhängig von dieser vagen Grundvorstellung. – 4.2.2. Abhilfe: Lässt sich die Dependenz retten? Dennoch kann man sagen, dass Tesnie`re eigentlich etwas Richtiges erfassen und darstellen wollte, nämlich: Nach der Wahl eines speziellen Verbs und dessen Valenz kann der zur Rolle gehörende Teilbaum noch nach einer bestimmten Systematik besetzt werden. Leitgedanke Tesnie`res dabei war: dass der Hörer ja aus der Wortkette in seinem Bewusstsein ein organisiertes Ganzes machen kann (1: 4; 8; 10). Dies ist mit den beiden sprachbezogenen Teilen des Referenzholons (Quantor und Spezifikation, cf. 3.4) auch in regelhafter Weise möglich, wobei das Bewusstsein des Hörers im konkreten Referenzterm die beiden Holemfunktionen erkennt und einordnet. Das ist Teil der Hörer-Aktivität des „Kantifizieren“ (cf. 3.1.2). – Die Inkompatibilität mit dem Valenzkonzept lässt sich dann vermeiden, wenn man die beiden Bereiche getrennt hält: Das Verb bestimmt die Rollen. Die Besetzung der Rollen regelt die ho-
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
listisch reformulierte „Dependenzgrammatik“. Um den Anschluss zwischen beiden Betrachtungen herzustellen, muss die Beziehung CNX (NOM, VRB) ersetzt werden durch die „Besetzungsrelation“ zwischen spezifizierter Verbrolle und besetzter Kategorie (z. B. bei Tesnie`re vrb (r1: nom1), im VerbHolon-Modell vrb (r1: Referenzterm). 4.3.
Dynamische Betrachtung der Abhängigkeit der Satzglieder in der Kognition 4.3.1. Die statisch-holistischen Abhängigkeiten Der Begriff der Abhängigkeit lässt sich im Rahmen einer kognitiven Rekonstruktion der Dependenz-Grammatik noch als Entfaltung der Holem-Holon-Beziehung unter verschiedenen Aspekten nutzbar machen. Dabei wird „X ist abhängig von Y“ verstanden als „X hat Y zur Voraussetzung“ (cf. 3.4). – Der Zusammenhang mit der funktionalen Sicht der Tesnie`reschen Kategorien (25, 26) wird in 4.3.3 angesprochen. Das statische Konzept der kognitiven Abhängigkeit gliedert sich in fünf verschiedene Arten von Abhängigkeiten, die hier in der Reihenfolge aufgeführt werden, wie sie ein Sprecher (aus logischen Gründen cf. 4.2.3.) beim Planen seine Rede berücksichtigen muss: (A1) die Abhängigkeit des Rhemas vom Thema (traditionell: Prädikat-SubjektBeziehung): sie wird von Tesnie`re verworfen (49: 4 ff.), ergibt sich hier aber ebenfalls aus dem Gesamtmodell, ohne mit der Dominanz des Verbs in Konflikt zu geraten; (A2) die Holem-Holon-Beziehung (in Form von Verb-Valenz zu Verb und der Raum-Zeit-Holeme (die Circonstanten) zum Raum-Zeit-Holon; (A3) die Besetzungsbeziehung des Referenzterm zur Verb-Rolle; (A4) die Holem-Holon-Beziehung zwischen Quantorteil (bzw. Spezifikationsteil) und Referenz-Holon; (A5) die Beziehung der iterierbaren (Sub-) Subspezifikation innerhalb des Spezifikationsteils im Referenz-Holon (d. h. MOD zu ADJ bzw. ADJ zu NOM). 4.3.2. Dynamische Betrachtung der Abhängigkeiten: fünf Handlungen in der Redeplanung Eine kognitive Rekonstruktion darf sich erlauben, danach zu fragen, was diese Differenzierung des statischen Konzepts der Abhän-
gigkeit – dynamisch gesehen – für die kognitive Tätigkeit des Sprechers und des Hörers bedeutet. Wenn wir die statische Abhängigkeit zwischen Einheiten (A1)–(A5) dadurch dynamisieren, dass wir dem Sprachbenutzer Handlungen zur Gestaltung seiner Rede zuschreiben, die jeweils von einer übergeordneten Einheit zu einer untergeordneten führen (also die Umkehr zur Abhängigkeitsbeziehung), dann erhalten wir (in Analogie zu (A1)–(A5)) die folgenden fünf kognitiven bzw. redegestaltenden Grundhandlungen (in der Reihenfolge ihrer Durchführung beim Sprecher): (G1) das Thematisieren eines Holem-Gegenstandes zum Zweck der kohärenten Informationsübertragung ermöglicht die Zuordnung einer Rhema-Information (cf. A1); (G2) das Holonisieren einer Information d. h. die Wahl eines Wirklichkeitsausschnitts als Holon (Verb), um die Information insgesamt holistisch zu gestalten, ermöglicht die Zuordnung der Holeme (Valenz bzw. Circonstanten) (cf. A2); (G3) das Holemisieren einer Information d. h. die Wahl eines Wirklichkeitsausschnitts als Holem-Gegenstand (im Rahmen eines gewählten Holons) ermöglicht die Zuordnung eines Referenzterms (cf. A3); (G4) das Quantifizieren und Spezifizieren im Rahmen des Referierens ermöglicht das Herausgreifen eines Holem-Gegenstandes beim Hörer (cf. A4); (G5) das (Sub-)Subspezifizieren im Rahmen des Spezifikationsteils ermöglicht die angemessene Wahl einer Information, mit der der Hörer den Referenzgegenstand herausgreifen kann (cf. A5). Da diese Wahl wieder zurückführen kann zur Thematisierung und Holonisierung (bei der Relativsatzbildung), ist ein beliebig oft wiederholbarer Kreislauf von (G1) bis (G5) möglich (cf. dazu 4.3.3). Man kann daher sagen, dass das Gestalten des Redeplans im Anwenden dieser fünf kognitiven Grundhandlungen besteht. Dies könnte der tiefere Grund dafür sein, dass Tesnie`re glaubte, mit vier Grundkategorien, zusammen mit deren funktionaler Sicht (25: 4 f.), auskommen zu können: VRB
ist der Vertreter des Holonisierens (G2);
7. Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts
ADV
(Circonstanten) ist der Vertreter des Holemisierens (im Rahmen des Raum-Zeit-Holons) (G3); NOM ist dann Vertreter des Holemisierens, wenn z. B. Eigennamen oder vollständige Referenzterme eingesetzt werden (d. h. eigentlich müsste hier die Kategorie des Referenzterms stehen) (G4); ADJ (neben NOM) als Vertreter des (Sub-)Spezifizierens (G5). So lässt sich die enigmatische Äußerung Tesnie`res in (32: 13) vielleicht erklären: „Un nom peut eˆtre ou substantif ou adjectif“. (Zu beachten ist die Regelung in 1.3 Anm. 1) (cf. G3); ART ist bei Tesnie`re nicht vorgesehen (cf. 1.3 Anm. 1) bzw. mit ADJ zusammengefasst. ART ist der Vertreter des Quantifizierens (hier: (G4) und nicht (G5); VERB ++ ADJ (eine Translation 2. Grades, 252: 1 f.) als Vertreter des iterierbaren Subspezifierens (cf. 4.3.3). Nur die Thematisierung (G1) fehlt bei Tesnie`re völlig. Damit zeigt sich, dass die vier Grundkategorien nicht so sehr Wortarten charakterisieren sollen, sondern vielmehr (wie eingangs in 1.1 gesagt) als kognitive (funktionale) Kategorien bzw. Repräsentanten kognitiver „Handlungen“ verstanden werden können. Dies bestätigt Tesnie`re indirekt dadurch, dass er selbst diese Kategorien nicht sklavisch nur für lexikalische Grundausdrücke benutzt, sondern ihnen durch die Translative und Junktive gerade die Flexibilität gibt, die hier mit den wortübergreifenden Tätigkeiten des Gestaltens bzw. Umgestaltens angegeben wurden. Somit zeigen diese Kategorien ihren Reichtum erst bei der dynamischen Interpretation als Tätigkeiten des Sprachbenutzers bei der kognitiven Gestaltung (cf. 25: 4 f.). 4.3.3. Ausdrucks-Komplexität durch wiederholbare Anwendung der Grundhandlungen: Thematisieren – Holonisieren – Holemisieren – Spezifizieren – Subspezifizieren Die Flexibilität dieses Tätigkeitsrahmens wird noch dadurch erhöht, dass die Abfolge Thematisieren – Holonisieren – Holemisieren – Spezifizieren nicht hier ihr Ende finden muss, sondern zyklisch wiederholt durchlaufen werden kann, wie hier abschließend noch gezeigt werden soll.
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Wenn die Subspezifikation durch Adjektive nicht ausreicht, kann der Sprecher einen Relativsatz zur Subspezifikation wählen. D. h., dass er mit dem Relativpronomen den Bezugsgegenstand thematisiert und dem wiederum ein Holon zuordnet, das er durch das Verb im Relativsatz bezeichnet (also holonisiert). Im Gefolge davon müssen eventuell wieder Holem-Gegenstände (Objekte in der Rhema-Information des Relativsatzes) zugeordnet werden (Holemisieren), zu denen Referenzterme zu bilden sind (die also wieder zu spezifizieren sind). D. h. Das Spezifizieren eines Referenzterms führt bei Wahl der Relativsatzstruktur über das Thematisieren wieder zum Holonisieren usw. und ermöglicht dadurch eine beliebige Iterationstiefe. – (Bei Tesnie`re leistet dies eine Translation 2. Grades, ADJ++ VERB 252: 1 f.). Nach Baum (1976, 112) besteht interessanterweise die Originalität Tesnie`res gerade in der Translationstheorie. Er sagt dazu: „Durch sie gelingt es Tesnie`re, im Bereich der Syntax zu erklären, in welcher Weise die Sprache ‘von endlichen Mitteln einen unendlichen Gebrauch macht’“. Dieses Herausstreichen eines eigentlich nachgeordneten Mittels der Dependenz-Grammatik mag überraschen, wird aber noch besser verständlich, wenn diese Originalität auf die kognitiven Handlungen hinter der Syntax bezogen wird. Dann entpuppt sich Tesnie`re als erster kognitiver Denker in generativ-dürftiger Zeit. Denn aus der holistischen Rekonstruktion ergibt sich, dass ein Sprecher mit diesen fünf kognitiven Grundhandlungen einem Hörer (der ja über dieselben Grundmuster und -handlungen verfügt) beliebig komplexe Informationsstrukturen übermitteln kann, ohne ein kompliziertes (angeborenes?) syntaktisches Regelwerk benutzen zu müssen – eigentlich ein genialer Gedanke, für den wir Tesnie`re dankbar sein sollten.
8.
Literatur in Auswahl
Baum, Richard (1976): Dependenzgrammatik. Tübingen. Baumgärtner, Klaus (1997): Konstituenz und Dependenz. Zur Integration der beiden Prinzipien. In: Steger, Hugo (Hg.) (1997): Vorschläge zu einer strukturellen Grammatik des Deutschen. Darmstadt, 53⫺77. Bourbaki, Nicolas (1982): Die Architektur der Mathematik. In: Thiel, Christian (Hg.) (1982): Erkenntnistheoretische Grundlagen der Mathematik. Hildesheim, 288⫺301.
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I. Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften
Fraser, N. M. (1997): Dependency Grammar. In: Brown, E. K./Miller, J. E. (eds.) (1997): Concise encyclopedia of syntactic theories. Cambridge, UK, 71⫺75. Frege, Gottlob (1973): Begriffsschrift und andere Aufsätze. Ignacio Angelelli (Hg.) (1879 (2. Aufl. 1973)). Darmstadt. Gaifmann, Haim (1965): Dependency Systems and Phrase Structure Systems. In: Information and Control 8, 304⫺337. Grice, H. Paul (1975): Logic and Conversation. In: Cole, Peter/Morgan, Jerry L. (eds.) (1975): Speech Acts. London, 41⫺58. (Dt.: Logik und Konversation. In: Meggle, Georg (Hg.) (1979): Handlung, Kommunikation, Bedeutung. Frankfurt, 243⫺265.) Hays, David G. (1964): Depedency Theory: A Formalism and Some Observations. In: Language 40, 511⫺525. Heringer, Hans Jürgen (1993a): Basic Ideas and the Classical Model. In: Jacobs, Joachim/Stechow, Arnim von/Sternefeld, Wolfgang u. a. (1993, 298⫺ 316. Heringer, Hans Jürgen (1993b): Formalized Modells. In: Jacobs, Joachim/Stechow, Arnim von/ Sternefeld, Wolfgang u. a. (1993), 316⫺328. Heringer, Hans Jürgen/Strecker, Bruno/Wimmer, Rainer (1980): Syntax. Fragen ⫺ Lösungen ⫺ Alternativen. (UTB Reihe 251). München. Jacobs, Joachim/Stechow, Arnim von/Sternefeld, Wolfgang/Vennemann, Theo (Hgg.) (1993): Syntax (Bd. 1). Ein internationales Handbuch der zeitgenöss. Forschung. Berlin/New York. Konerding, Klaus-Peter (1993): Frames und lexikalisches Bedeutungswissen. Tübingen. Link, Godehard (1991): Formale Methoden in der Semantik. In: Stechow, Arnim von/Wunderlich, Dieter (Hgg.) (1991): Semantik. Ein internationales Handbuch der zeitgenöss. Forschung. Berlin/New York, 835⫺860. Marciszewski, Witold (ed.) (1981): Dictionary of Logic.
Montague, Richard (1974): The Proper Treatment of Quantification in Ordinary English. In: Thomason, Richmond H. (Hg.) (1974): Formal Philosophy. Selected Papers by Richard Montague. New Haven, 247⫺270. Mudersbach, Klaus (1997): Eine Logik für Sprechen und Denken im Alltag. In: Weingartner, Paul/ Schurz, Gerhard/Dorn, Georg (Hgg.) (1997): Die Rolle der Pragmatik in der Gegenwartsphilosophie. Wien, 672⫺677. Mudersbach, Klaus (1999): Wissenschaftstheorie der Wissenschaftssprache oder: Wie beeinflußt die Sprache die Wissenschaft? In: Wiegand, Herbert Ernst (Hg.) (1999): Sprache und Sprachen in den Wissenschaften. Berlin/New York, 154⫺220. Mudersbach, Klaus (2001): Wie der Mensch im Alltag folgert. Ein Gegenvorschlag zur Formalen Logik. In: Lehr, Andrea/Kammerer, Matthias/Konerding, Klaus-Peter/Storrer, Angelika/Thimm, Caja/Wolski, Werner (Hgg.): Sprache im Alltag. Beiträge zu neuen Perspektiven in der Linguistik. Berlin, New York, 71⫺96. Storrer, Angelika (1992): Verbvalenz: theoretische und methodische Grundlagen ihrer Beschreibung in Grammatikographie und Lexikographie. Tübingen. Tesnie`re, Lucien (1959): Elements de syntaxe structurale. Paris. Tesnie`re, Lucien (1980): Grundzüge der Strukturalen Syntax. Übersetzung von Ulrich Engel. Stuttgart. Thiel, Christian (1995): Philosophie und Mathematik. Darmstadt. Welke, Klaus M. (1988): Einführung in die Valenzund Kasustheorie. Leipzig. Welke, Klaus (1995): Dependenz, Valenz und Konstituenz. In: Eichinger, Ludwig M./Eroms, Hans Werner (Hgg.) (1995): Dependenz und Valenz. (= Beiträge zur Germanistischen Sprachwissenschaft, Bd. 10). Hamburg, 163⫺176.
Klaus Mudersbach, Heidelberg (Deutschland)
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit Lucien Tesnie`re and his Times 8. Lucien Tesnie`re. Ein Zeugnis 1933⫺1993 1. 2. 3. 4.
Wesen der Dependenz Konnexion Schlussbetrachtung Literatur in Auswahl
Im posthum erschienenen großen Werk: „E´le´ments de syntaxe structurale“ (1959) erwähnt Lucien Tesnie`re als einen Wendepunkt von hoher Bedeutung in seiner Laufbahn als Sprachforscher und Sprachdidaktiker den Einfall, der darin bestand, das Stemma (ursprünglich Ahnentafel) als graphische Darstellung der Abhängigkeitsverhältnisse im Satz zu verwenden. Dieser Einfall lässt sich genau datieren: Juni 1932. Das Strukturschema in der Form eines Stammbaums veranschaulicht die Analyse des Satzes im Sinne der Tesnie`reschen Auffassung der dreiteiligen Konnexion und hat universellen Wert. Schon 1933 machte sich der Sprachforscher und Sprachdidaktiker an die Abfassung seines Aufsatzes für das Bulletin der Philosophischen Fakultät, der 1934 erschien. Er arbeitete mit großer Begeisterung und Hingabe an diesem Abriss mit dem Titel: ‘Comment construire une syntaxe’, als ich als Dozent für ‘Philologie allemande’ (Philologie im Sinne von „Sprachgeschichte und älterer Literatur“) in Straßburg ankam“ (November 1933). Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über: bei der ersten Begegnung mit Tesnie`re wurde ich in den Inhalt des Aufsatzes, an dem er arbeitete, eingeweiht; darauf folgten lange Gespräche, die sich nach dem Verlassen des Universitätsgebäudes noch auf der Straße fortsetzten. Bei diesem freien Austausch der Ansichten wunderte ich mich über die Erfahrung des um sechs Jahre älteren Linguisten. Er erwarb immer weiter neue Sprachen mit einer Gabe für die Beobachtung des konkreten, praktischen Gebrauchs und für den Vergleich der Ausdrucksmittel. Nach Russisch hatte er sich Slowenisch, Tschechisch und andere Spra-
chen angeeignet. Als Sprachdidaktiker hatte er mit Franzosen den Ausdruck im Deutschen, mit Slowenen den Ausdruck in französischer Sprache geübt. Der Germanist, der das Glück hatte, vor 65 Jahren Tesnie`re persönlich kennen zu lernen, versucht, Stellung zu nehmen zum Inhalt des großen Buches (670 Seiten), das uns vorliegt: „E´le´ments de syntaxe structurale“ (1959). Dieses Buch, das Tesnie`re im Manuskript hinterließ, war die letzte Auseinandersetzung des großen Linguisten mit einer traditionellen Grammatik, deren Alleinherrschaft ihm eine Mauer entgegensetzte, an die er sein Leben lang anstieß: eine Mauer des Schweigens, die nun gefallen ist, wie die Feiern zum hundertsten Geburtstag in Rouen, Straßburg und Ljubljana glänzend beweisen.
1.
Wesen der Dependenz
Wir sollten uns nicht dadurch beirren lassen, dass das Wort „de´pendance“ im Buch nur einmal belegt ist (Kap. 2, Abschnitt 1), dann bis zum Ende nicht mehr auftaucht. Der Schlüssel zu diesem rätselhaften Verzicht auf die Bezeichnung des Prinzips findet sich bei Littre´ unter de´pendance: „Terme de grammaire. Syntaxe de de´pendance, la partie de la syntaxe relative aux re´gimes ou comple´ments des diffe´rentes expe`ces de mots.“ Eine eingehende Untersuchung der Definitionen grammatischer Termini zeigt: der Positivist Littre´ ist noch im Bann jener traditionellen Grammatik, welche dem Verständnis von Tesnie`res Werk jeden Weg versperrte. Ich möchte hier das Beispiel der Definition des Wortes „sujet“, wiederum bei Littre´ nennen: Sujet 7¡: „En logique et en grammaire, le terme essentiel de toute proposition, celui dont on nie ou affirme quelque chose.“ Das ist die Aristotelische Definition der „Proposi-
68
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
tion“: „Eine Rede, die von etwas (1) etwas (2) bejaht oder verneint.“ In der Terminologie des Prager Kreises ist (1) das Thema und (2) das Rhema. Diese Definition wurde auf jeden „nœud verbal“ angewandt, auf jede Proposition, ob abhängig oder unabhängig (Nebensatz). Dies unterstand der „analyse logique“ und schloss die Beförderung des Verbs zum „re´gissant“ aus. Für eine Dependenzgrammatik blieb nur die Abhängigkeit von anderen „Wörtern“ (nœud nominal, adjectival, adverbial) übrig; und zwar unter der Bezeichnung „comple´ment“, z. B. „comple´ment du nom“ in maıˆtre d’e´cole. Tesnie`re musste volens nolens auf den – zutreffenden – Titel „Grammaire de de´pendance“ verzichten. Er wählte „Syntaxe structurale“ und er bereitet den Leser schon von Kapitel 4 an auf das richtige Verständnis des Gegensatzes zwischen „ordre structural“ und „ordre line´aire“ vor.
2.
Konnexion
Tesnie`re führt den Angriff auf dem Gebiet, zu dem die „analyse logique“ den Weg versperrte: dem Fall des unabhängigen Verbalsatzes (Proposition genannt). Er wählt den Beispielsatz: Alfred parle. Er hat es leicht, diesen Satz als Ergebnis einer syntaktischen Verbindung (lien syntaxique) zu definieren. Dies ergibt eine Verbalgruppe (nœud verbal), diesmal in der Eigenschaft eines unabhängigen Aussagesatzes. Grammatische Beispiele mit Minimalbestand führen gelegentlich zur Prägung eines Terminus mit fraglichem Inhalt. Dies könnte der Fall sein für das Tertium in der Konnexion, dessen besondere Bedeutung Tesnie`re hervorhebt. Ein „Konnexionsstrich“ soll dieses Element symbolisieren. In Kapitel 1 definiert Tesnie`re die Konnexion, ohne dass von einem hierarchischen Unterschied die Rede wäre. Erst in Kapitel 2 trifft Tesnie`re eine Wahl zugunsten des Verbs im Beispielsatz: Alfred parle. Natürlich bekommt das Verb als Regens die oberste Stellung; das schließt bei der Zeichnung auf einen zweidimensionalen Träger (Blatt Papier) die Vertikale ein. So im Stemma 1. Stemma 2 stellt das Problem der Abhängigkeit von einem anderen Konnexionssystem, das nicht zur Klasse Verb gehört. Das Possessiv mon in Mon ami parle gehört einer anderen Klasse (einem anderen „nœud“) an, und mon ist vom Regens ami abhängig. Kei-
ne Schwierigkeit: ami ist oben, mon ist unten, ein senkrechter Konnexionsstrich verbindet beide. Stemma 1
Stemma 2
Stemma 6
parle
parle
frappe
Alfred
ami
Alfred Bernard
mon
Ein Problem, das ein Stemma nicht lösen kann, veranschaulicht der Satz: Alfred frappe Bernard.: Denn das zweigliedrige Stemma 6 gäbe zu verstehen, dass zwischen frappe und Bernard dasselbe Verhältnis besteht wie zwischen frappe und Alfred; das bedeutet, dass auch Bernard schlägt. Jeder Frankophone wird verstehen: was dieser Satz zum Ausdruck bringt, ist Alfreds Verhältnis zu seiner Tat, die darin besteht, Bernard zu schlagen. Dem konkreten Verhältnis zwischen Täter und Tat entspricht eine syntaktische Verbindung (lien syntaxique). Man könnte diese Struktur mit folgendem Schema wiedergeben: Alfred
frappe Bernard
Tesnie`res Syntax ist also eine Dependenzgrammatik, insofern der Regens die Zahl der Glieder (nœuds) in der Gruppe bestimmt, zu deren Bildung der Regens Anlass gibt. Sie kann aber die innere Anordnung, Zusammenstellung dieser Teile, die innere Struktur nicht kenntlich machen, wenn der Regens nicht monovalent ist: frapper ist divalent (zweiwertig), donner ist trivalent (dreiwertig) (s. z. B. Stemma 77: Alfred donne le livre a` Charles.) Das Modell der von einem Regens zusammengehaltenen Wortgruppe gilt auch für die Gruppe, die ein Verb als Regens aufweist. Aber die waagerechten Konnexionsstriche auf der unteren Linie veranschaulichen eine Hierarchie in der Bildung der Konnexionen: Alfreds Tat ist mit (den) Bernard schlagen in Verbindung zu setzen. Die Valenz eines Verbs bestimmt nur die Zahl der „Dependentien“, die mit dem Regens einen verbalen Nexus (nœud) bilden, nicht die Abstufung der Konnexionsstriche aufgrund der Tiefe (depth) der Analyse.
69
8. Lucien Tesnie`re. Ein Zeugnis 1933⫺1993 Bernard Charles das Buch gibt
G1 V G2 G3 Alfred das Buch Bernard gibt K1 K2 K3
Waagerechte Konnexionsstriche veranschaulichen denselben Bildungsprozess in der strukturalen Ordnung im Gegensatz zur linearen; zum Regens tritt links ein erstes Satzglied (G1) und bildet einen ersten Komplex (K1), zu diesem Komplex tritt links ein anderes Glied (G2), und so fort. Horizontale Konnexionsstriche zeigen das Anwachsen des Komplexes: G2
G3
K3
G1
K2
V K1
tant“, neben den Objekten an zweiter und dritter Stelle. In einem Nexus bestimmter Art (cate´gorie) können Lexeme enthalten sein, die wiederum der Anlass zur Bildung eines untergeordneten Nexus sein können, z. B. Alfred donne a` Bernard / le livre de la Jungle de Kipling / (nominaler Nexus). Dieses Spiel kann vom obersten Nexus („nœud des nœuds“) zum untergeordneten der nächsten Stufe (bis zu einer nten) gehen. Die Abstufung kann mehrere Stufen in der Tiefe (depth) betragen, wie oft bemerkt wurde. Die Analyse des verbalen Satzes, von dem wir mit A frappe B ein Beispiel gegeben haben, ergibt folgendes Strukturschema: Mit dem Verb verbindet sich ein erstes Satzglied G1, und das ergibt einen ersten Komplex K1, mit diesem Komplex verbindet sich ein Glied G2 und das ergibt den Komplex K2 usw. Ist das Verb trivalent, so ergibt der innere Aufbau folgendes Bild: Pater filio librum dat
Man beachte: im „Valenzprogramm“ des Verbs geben ist eine Konnexion mit einem Subjekt vorgegeben; Alfred ist nun pragmatisch Subjekt eines längeren Prädikats, das aus *G2 ⫹ G1 ⫹ Verb+ besteht. Der Regens – eine Verbform (einfach oder zusammengesetzt (Nukleus)) – befindet sich allein auf der oberen Linie; auf der unteren Linie die je durch einen Konnexionsstrich verbundenen Glieder des verbalen Nexus (nœud). Das genügt Tesnie`re, um die Virtualitäten, die ein Regens auf Grund seiner Angehörigkeit zu einem der vier Typen 0, A, I, E in sich birgt, als geübter Sprachdidaktiker zu benennen und aufzuzählen. In Kapitel 3 gesteht Tesnie`re offen seine Freude: Er hat sein Ziel erreicht; die letzte Festung der traditionellen Grammatik, nämlich die Anwendung der aristotelischen Definition der Proposition auf jeden von einem Verb als Regens zusammengehaltenen Nexus (nœud), ist nun gefallen. Die Spaltung der Grammatik zwischen „Analyse logique“ und „Syntaxe de de´pendance“, der nun drei „espe`ces de mots“ zufallen (A, E, I), ist behoben; eine einheitliche Dependenzgrammatik ist gegründet. Sie umfasst alle vier sogenannten „Espe`ces de mots“. Das Subjekt ist im verbalen Satz ein Dependens, unter dem Namen „prime ac-
K3
K2
K1
Es ist absichtlich ein Beispiel gewählt worden, wo die lineare und die strukturale Ordnung isomorph sind, die gleiche innere Form aufweisen. Man sieht, wie das nominale Glied (im Nominativ) pater mit einem „prädikativen“ Komplex eine syntaktische Verbindung eingeht, welche die Tat des Vaters beschreibt; die Relation zwischen Subjekt und Prädikat ist hier eine ergative. Sie ist aktual (in ergo). Der Satz Alfred donne le livre a` Charles weist die lineare Ordnung auf. Die strukturale Ordnung wäre: Alfred le livre à Charles donne
K3
K2
K1
Die lineare Ordnung wäre im Englischen Alfred gives the book to Charles nicht: Alfred gives Charles the book. Alfred the book to Charles gives
K3
K2
K1
70
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Die Logik, die bei der syntaktischen Konnexion waltet, ist die der Determination, die bewirkt, dass der begriffliche Inhalt des Regens in dem gebildeten Komplex eine geringere Extension und eine gesteigerte Intension aufweist. Was das Diagramm mit den waagerechten Konnexionsstrichen darstellt, ist vollkommen berechtigt: es ist eine willkommene Vervollkommnung des schon mit dem Stemma geschaffenen Gerüsts; eine Füllung der leer gebliebenen kleineren Segmente ist schon im Gange.
3.
Schlussbetrachtung
Eine Dependenzgrammatik ist eine kategorielle Syntax und soll von der bekanntlich in Kapitel 1 der Präambel definierten konnexionellen Syntax genau unterschieden werden. Die Zugehörigkeit des Regens zu einer bestimmten Kategorie (unter den vier von Tesnie`re erkannten) erstreckt sich auf die aus dem Regens und den von ihm abhängigen Gliedern gebildete „spezifische Einheit“: sie ist ein nœud verbal im Beispiel: Alfred parle. Im Regens sind mit dem Träger des lexikalischen Inhalts, dem Lexem, andere Morpheme verquickt (amalgamiert): ihr Bezugsbereich (Skopus, base d’incidence) ist nicht das Lexem allein, sondern der gesamte Inhalt des Nexus (nœud), im obigen Beispiel: Alfreds Redeakt. Die im Wort Verb enthaltenen Morpheme weisen auf Oppositionen der Zeit
(hier: Präsens) und des Modus (Indikativ) hin. Dies setzt voraus, dass die betroffene Einheit eine abgeschlossene, abgrenzbare Einheit ist. Diese Morpheme haben eine horematische Auswirkung (sind Horeme, nach einem begrifflichen Vorschlag von Colette Corte`s). Sie tragen dazu bei, den Beispielsatz in die verbale Kategorie einzugliedern. Semantische Oppositionen wie die des Tempus und Modus, Genus und Numerus sind charakteristisch für eine kategorielle Grammatik. Sie sind in meinen „Prolegomena“ Kategorien genannt. Tesnie`re ist es gelungen, die disjecta membra des kategoriellen Systems (Morphologie, sogenannte Wortbildung, Strukturmodelle) zu einem kohärenten, zusammenhängenden System zusammenzufassen und die Aufmerksamkeit auf das Zusammenspiel der einzelnen Teile zu lenken. Wir können nun die Konturen dieses Systems besser erkennen, wo sie die Konturen eines anderen Systems berühren: Wir denken an die Grenze zwischen konnexionellem und kategorialem System.
4.
Literatur in Auswahl
Littre´, Emile (1863): Auguste Comte et le philosophie positive. Paris. Lucien Tesnie`re (1959): E´le´ments de syntaxe structurale. Paris.
Jean Fourquet †, Fresnes (Frankreich)
9. Lucien Tesnie`re. Sein Leben 1. 2. 3. 4.
Vita und Wissenschaft Sprachen Rezeption Literatur in Auswahl
1.
Vita und Wissenschaft
Tesnie`res Leben ist kaum erforscht. Eine wissenschaftliche Biographie gibt es nicht. Auch die möglichen Quellen sind nicht erschlossen und kaum ausgewertet. So liegt Tesnie`res Korrespondenz von über 2000 Briefen noch in fünf Schachteln bei der Bibliothe`que Nationale in Paris „Fond Lucien Tesnie`re“, einer Stiftung, die im Jahre 1987 von der Familie ins Leben gerufen wurde. Eine eher spärliche Quelle für die Vita liegt uns vor in Ich-Form und von Tesnie`res
Hand. Desgleichen ein Bericht über seine wissenschaftlichen Tätigkeiten (Tesnie`re 1995). Beides reicht nur bis 1938. Weiter werden hier verwendet Daumas 1952, Arnavielle 1995. Lebendiges Zeugnis von Tesnie`res wissenschaftlichem Leben legt auch Jean Fourquet ab. Zuerst im Vorwort zu den E´le´ments de syntaxe structurale und später an verschiedenen Orten (auch in diesem Band). Lucien Tesnie`re wurde am 13. Mai 1893 in Mont-Saint-Aignan bei Rouen in der Normandie geboren. Er besuchte als Sekundarschüler das Lyzeum von Rouen. Sein Abitur (baccalaure´at) machte er im Jahr 1909/1910 im altsprachlichen Zweig (Griechisch, Lateinisch). Schon damals faszinierten ihn Spra-
9. Lucien Tesnie`re. Sein Leben
Abb. 9.1.
chen, er ging ein Jahr nach England und sechs Monate nach Italien. Deutsch hatte er schon früher ganz gut gelernt bei Ferienaufenthalten in Deutschland. Trotz gewisser Widerstände der Eltern schrieb er sich im November 1912 an der Sorbonne ein und studierte Linguistik, insbesondere bei den Professoren Ferdinand Brunot, der später die monumentale Darstellung des Französischen verfasste, Joseph Vendrye`s, von dem Tesnie`re die Unterscheidung von mots pleins und mots vides übernahm, und Antoine Meillet, dem berühmten soziologisch orientierten Linguisten, der sein Doktorvater wurde und mit dem Tesnie`re später den slawischen Sprachatlas konzipieren sollte. 1913 erwarb er dann die „licence“ des Deutschen mit Englisch und Altnorwegisch als Nebenfächern. Im Anschluss hieran setzte Tesnie`re sein Studium fort in Leipzig und Wien. Da lernte er die junggrammatischen Größen Eduard Sievers, Karl Brugmann und August Leskien kennen und ebenso den jungen Stipendiaten Nicolaj Trubetzkoj. Damals ging es vor allem um die älteren Sprachstufen des Deutschen,
71 um Gotisch und die ersten Schritte zu den slawischen Sprachen. Dies pflegte er besonders auch in Wien, wo er – ganz in seinem Sinn des Sprachenlernens – im direkten Kontakt mit jugoslawischen Kommilitonen Kroatisch lernte. Während dieser Zeit bereitete er auch sein Diplom in Deutsch vor, das er 1914 an der Sorbonne erhielt, und zwar mit Auszeichnung (mention tre`s honorable). In der Folgezeit trug Tesnie`re sich mit dem Gedanken, die agre´gation zu machen. Aber da brach der Erste Weltkrieg aus und Tesnie`re wurde gezogen (oder freiwillig?) an die Front geschickt und alsbald gefangen genommen. Er blieb 40 Monate (zeitweise in Merseburg) in deutscher Gefangenschaft. Dabei wird er natürlich auch sein Deutsch gepflegt haben, aber er nutzte die Zeit auch zum Studium der Bibel und des Hebräischen. Dazu Russisch, Lettisch, Holländisch, Finnisch und etwas Ungarisch gar. Einige seiner Sprachkenntnisse konnte er als Dolmetscher nutzen und sich so die Zeit der Gefangenschaft etwas angenehmer gestalten. Es ist überliefert, dass ihn schon damals die Syntax bewegte und dass er seine Ideen offenbar einem Freund darlegte, der sie in zwei Kladden von insgesamt 450 Seiten aufschrieb. Vermutlich die Manuskripte mit dem Titel „Syntaxe“, die sich im Nachlass befinden und bereits den Gedanken der Translation enthalten (Baum 1976, 26 A50). Wieder frei widmete sich Tesnie`re in Paris der Pressearbeit, die wohl noch als Kriegsfolge zu sehen ist. Im Oktober 1919 erhielt er die agre´gation für Deutsch. Es war zu der Zeit, als er noch verschiedene Dolmetschtätigkeiten in Kärnten ausübte, da ihn das Angebot erreichte, ein Lektorat in Ljubljana wahrzunehmen. Dies sollte einer der produktivsten Abschnitte seines Lebens werden. Während der vier Jahre gründete und leitete er das Institut Franc¸ais daselbst. Er studierte das Slowenische und seine Dialekte und vor allem fertigte er seine Doktorarbeit über den Dual im Slowenischen, zusätzlich noch einen kleinen Sprachatlas zum Dual. Mit diesen Arbeiten promovierte Tesnie`re dann 1925 in Paris, hatte aber schon vorher die Stelle eines maıˆtre de confe´rence an der Universität Straßburg bekommen. Dort arbeitete er in der philosophischen Fakultät am Institut für slawische Sprachen und Literaturen. Er widmete sich intensiv der Verwaltungsarbeit. Zugleich scheint die Straßburger Zeit außerordentlich anregend in Bezug auf wissenschaftliche Kommunikation und intel-
72 lektuellen Austausch gewesen zu sein. Die Universität Straßburg hatte zu der Zeit noch ungewöhnliche Strukturen aus dem wilhelminischen, deutschen Interregnum nach 1871 und sie wurde von der französischen Zentralregierung besonders gefördert, um einen Austausch der Kulturen in Gang zu setzen. Besonders anregend scheinen hier die wissenschaftlichen Kolloquien gewesen zu sein, die alle vier Wochen stattfanden (Muller 1993). Im Jahre 1934 erschien in Paris die Petite grammaire russe. Es ist ein Werk für den Anfänger, das nur Wesentliches bringen möchte: Le de´butant n’a pas besoin d’une grammaire comple`te. Il lui faut un livre e´le´mentaire, qui e´vite toute inutilite´, qui de´gage de la langue des multiples particularite´s de de´tail les traits essentiels du syste`me, bref qui se borne a` fournir, sous une forme claire et succincte, les grandes lignes de la the´orie (Pre´face 5, nach Baum 1976, 13).
Hier realisiert der Verfasser in einem ersten Wurf die Grundzüge seiner syntaktischen Theorie und verleiht schon seiner Grundüberzeugung Ausdruck, dass zur guten Pädagogik auch gute Theorie gehört. Mit stemmatischen Darstellungen hatte er schon seit 1932 experimentiert. Die Grundideen für weitere Grammatiken, mit deren Realisierung er sich trug, sind zusammengefasst in dem Artikel Comment construire une syntaxe? von 1934. Im Jahre 1937 wurde Tesnie`re dann nach Montpellier berufen auf den Lehrstuhl für vergleichende Grammatik (Nachfolge Maurice Grammont; im Jahr 1951 umgewandelt in einen Lehrstuhl für Linguistik). Das wissenschaftliche Leben war hier weniger intensiv als in Straßburg und Tesnie`re führte ein eher zurückgezogenes Leben (Arnavielle 1995, 83), in das nur gelegentliche Reisen nach Paris intellektuelle Abwechslung brachten. Aus dieser Zeit stammt der Cours e´le´mentaire de syntaxe structurale (1938), ein Vorlesungsmanuskript in Stichworten und die Nachschrift der Vorlesung des Studienjahrs 1937/1938, wahrscheinlich von Frau Tesnie`res Hand (Baum 1976, 16 A9). Es handelt sich hierbei um das Konzept einer Veranstaltung, zu der einige Jahre später der für Studenten und Lehrer bestimmte Cours de syntaxe structurale (1943) erscheint. Das letzte Kapitel dieses Re´sume´ trägt die Überschrift „Indications pe´dagogiques“ und schließt mit einer Auflistung von Lernzielen für die Grundschule und die höheren Schulen. Diese Indications entsprechen im Wesentlichen den Kapiteln 654⫺660 der publizierten E´le´ments
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
de syntaxe structurale. Sie spiegeln die pädagogische Tätigkeit dieser Zeit wider. Unter anderem unterrichtete Tesnie`re immer wieder am Institut des E´tudiants E´trangers und der Grundschule, die der E´cole Normale d’Institutrices angeschlossen war. Als akademischer Lehrer scheint Tesnie`re eher frei gesprochen zu haben, oft freundlich lächelnd und stets den Eindruck vermittelnd, dass er seine neuesten Erkenntnisse vorträgt. Besonders gut soll seine einfache und klare Rede angekommen sein. Auf Kleidung scheint er weniger Wert gelegt zu haben und wegen seines langen Bartes wurde er sogar in Moskau als Muschik angesehen. In den folgenden Jahren konzentriert sich Tesnie`re auf die E´le´ments de syntaxe structurale. Es scheint, dass die Grundversion in den frühen 40er Jahren stand und dass er in den vielen noch folgenden Jahren nur wenige Änderungen vorgenommen hat. Im Jahre 1946 erkrankt Tesnie`re und erholt sich bis zum Tod nicht mehr. Diese Krankheit, „les graves accidents de sante´“, von denen Fourquet spricht, hat ihn bei der weiteren Arbeit behindert und eine Schlussredaktion der E´le´ments de syntaxe structurale unmöglich gemacht. Statt dessen lässt er im Jahr 1953 auf Zureden von Freunden den Cours de syntaxe structurale von 1943 erscheinen unter dem Titel Esquisse d’une syntaxe structurale. Tesnie`re starb am 6. 12. 1954. Lucien war verheiratet mit Jeanne, sie bekamen in den Jahren 1924⫺1928 drei Kinder: Michel, Bernard und Yveline, die wir in der stemmatischen Widmung der E´le´ments de syntaxe structurale wiederfinden. Seine Frau hat über die Jahre an Luciens Arbeit partizipiert und sie hat sich um die posthume Veröffentlichung des Hauptwerks verdient gemacht. Hier ein kurzer Überblick über wichtige Publikationen. Ausführlicher sind sie zusammengestellt in Daumas 1952 und Culioli/ Fuchs/Peˆcheux 1970. Den relativ wenigen Publikationen zu Lebzeiten steht ein beachtenswerter Nachlass gegenüber. Einmal sind natürlich die E´le´ments de syntaxe structurale selbst erst posthum und aus dem Nachlass publiziert worden. Andererseits enthält der Nachlass, wie er 1987 der Bibliothe`que nationale als Stiftung „Fond Lucien Tesnie`re“ übergeben wurde, noch weitere vollständige Werke, wie die französische Grammatik für Ausländer, die bisher noch nicht publiziert wurden. Im Gan-
9. Lucien Tesnie`re. Sein Leben
73
⫺ Sur quelques de´veloppements de nasales en slove`ne, Bulletin de la Socie´te´ de Linguistique de Paris, 24 (1923), 152⫺182. ⫺ Sur le syste`me casuel du slove`ne. Me´langes linguistiques offerts a` M. J. Vendrye`s par ses amis et ses e´le`ves, Paris, Champion, 1925, 357⫺361. ⫺ Les formes du duel en slove`ne, Paris, Champion, 1925, 23 S. (Couronne´ par l’Institut, Prix Volney). ⫺ Atlas linguistique pour servir a` l’e´tude du duel en slove`ne, Paris, Champion, 1925, 42 S. ⫹ 70 Karten. ⫺ Statistique des langues de l’Europe, en appendice de A. Meillet, Les langues de l’Europe nouvelle, 2e e´d., Paris, Payot, 1928, 291⫺494. ⫺ Meillet, P./ L. Tesnie`re, Projet d’un atlas linguistique slave, Premier congre`s des philologues Slaves a` Prague, 1929. ⫺ Les noms slaves et russes de la frontie`re, Bulletin de la Socie´te´ de linguistique de Paris, 30 (1930), 174⫺195. ⫺ Synthe´tisme et analytisme, Charisteria Gvilelmo Mathesio quinquagenario a discipulis et circuli linguistici Pragensis sodalibus oblata, Pragae, sumptibus „Prazsky linguisticky´“, Cercle linguistique de Prague (1932), 62⫺64. ⫺ Comment construire une syntaxe, Bulletin de la Faculte´ des Lettres de Strasbourg, 12, no 7 (1934), 219⫺229. ⫺ Petite grammaire russe, Paris, Didier, 1934, 176 S. ⫺ A propos des temps surcompose´s, Bulletin de la Faculte´ des Lettres de Strasbourg, 14, no 2 (1935), 56⫺60. ⫺ The´orie structurale des temps compose´s, Me´langes de linguistique offerts a` Charles Bally sous les auspices de la Faculte´ des Lettres de l’Universite´ de Gene`ve par des colle`gues, des confre`res, des disciples reconnaissants, Gene`ve, Librairie de l’Universite´ 1939, 153⫺183. ⫺ Une survivance pe´dagogique: l’inversion et le rejet dans la construction de la phrase allemande, Les Langues modernes, 41, no 2 (1947), A-21 a` A-25. ⫺ Esquisse d’une syntaxe structurale. Paris 1953. ⫺ Petit vocabulaire russe: Table se´mantique, tome I, Didier, 1957, 192 S. ⫺ Table e´tymologique: les mots russes classe´s d’apre`s leur racine, 1970, 156 S. ⫺ Ele´ments de syntaxe structurale, Paris, Klincksieck, 670 S., 1959, 2e e´d. revue et corrige´e, 1966. Abb. 9.2.
zen umfasst dieser Nachlass nicht weniger als 69 Kartons mit Manuskripten, Notizblättern und Briefen, die der Sichtung und Auswertung, vielleicht gar der Publikation harren. Ein grobes Verzeichnis findet sich in MadrayLesigne/Richard-Zappella 1995, 413⫺415 und M. Tesnie`re 1996 (7⫺13). Mit seinem Hauptwerk ist Tesnie`re in die Geschichte der Linguistik eingegangen. Erste Ideen für eine Syntax publizierte er in dem Artikel Comment construire une syntaxe? von 1934. Dies war mehr ein Plan, „un plan dont je n’ai commence´ a` entrevoir la conception que vers la quarantaine et qui n’a commence´ a` eˆtre au point que vers ma cinquantaine, apre`s trente anne´es d’expe´rience linguistique“, heißt es im Entwurf eines Vorworts (Baum 1976, IX). Die hier präsentierten Stemmas stellen allerdings noch nicht so klar die dependenzielle Struktur aus. Das metaphorische Modell ist eher das Verb als Sonne, um die herum sich die Satelliten mit Pfeilen verbunden lagern. Somit steht schon das Verb im Mittelpunkt, aber von seiner Valenz ist noch nicht die Rede, allerdings hat das Subjekt seine Sonderstellung verloren. Ein Schwerpunkt liegt auf der Kritik der klassi-
schen Wortarten und deren Ersatz durch die vier Grundwortarten der späteren E´le´ments. Die funktionale Betrachtung wird schon angestrebt. So gibt es auch die Translation in Grundzügen. Die Esquisse von 1953 hingegen war ein recht kurzer Abriss des eigentlichen kompletten Werks. Sie ist eine Art Vorabdruck der fertigen E´le´ments de syntaxe structurale, deren Erscheinen er selbst nicht erlebte. Aber: C’est a` la de´monstration de l’application de cette me´thode sur un grand nombre de langues et d’abord sur le franc¸ais, qu’il a consacre´ les vingt dernie`res anne´es de sa vie. Il a mis dans cette entreprise toute sa personnalite´ (Fourquet 1959, 3).
Die Grundidee der E´le´ments de syntaxe structurale ist, dass die Syntax sich nicht auf die Abfolge in der linearen Kette beschränkt, sondern dass es vielmehr eine zugrunde liegende zweidimensionale Struktur gebe. Die Struktur ist konstituiert durch die Konnexion, die Abhängigkeit der Elemente voneinander. Das realisiert in gewissem Sinn die Idee de Saussures, die langue sei une forme et non une substance. Allerdings ist Tesnie`re nicht ganz saussurianisch, da er annimmt,
74 der Konnexion entspreche nichts auf der Ausdrucksseite. Er verfällt damit dem mysticisme ze´ro, den de Saussure jedenfalls ablehnte: „Ce serait une erreur de croire qu’il y a une syntaxe incorporelle en dehors de ces unite´s mate´rielles distribue´es dans l’espace“ (de Saussure 1984, 191). Die Struktur der Sätze stellt Tesnie`re grafisch dar im sog. Stemma, das er spontan erfunden hat. (Erst später bemerkte er, dass es bereits eine Tradition solcher Darstellungen gab.) Im ersten Teil des Buchs wird die Konnexionstheorie entworfen. Hierbei geht es vor allem um ein System der Wortarten, um ihre syntaktischen Eigenschaften und Funktionen. Die Valenz des Verbs und die Variationen der Valenz machen einen wichtigen und bestrezipierten Aspekt aus. Der zweite Teil behandelt die Junktion, der dritte die Translation. Am Schluss stehen Anwendungen. Tesnie`res Idee war vor allem didaktisch geprägt. Das zeigt sich an seinem Bemühen um eine klare Terminologie wie auch an der Darstellungsweise. Oft sind Paragraphen analog aufgebaut und die Einführungen neuer Phänomene beginnen fast immer mit Beispielen. Tesnie`re ist zweifellos in der Tradition des europäischen Strukturalismus zu sehen. Absorbiert hat er de Saussure, wenngleich er ihn wenig zitiert. Die allgemeine Sprachauffassung stammt wesentlich hierher. Auch seine treue Mitgliedschaft im Cercle Linguistique de Prague und seine Mitarbeit an programmatischen Texten und langjährige Korrespondenz mit den Kollegen belegen das. Für die Syntax konnte er allerdings da keine direkten Anregungen bekommen. Hier war er allein. Und auch die Kollegen des Prager Kreises waren kaum Diskussionspartner, heißt es doch von Trubetzkoj, er habe gestanden, dass die Syntax ihn erschrecke: „La syntaxe me terrifie“, kolportiert Jakobson (1972, 43). Aber Tesnie`re habe hier Pionierarbeit geleistet. Außerdem wird man sagen können, dass Tesnie`re an den theoretischen Entwicklungen des Strukturalismus nicht immer aktiv und intensiv partizipierte, wenngleich er sie zur Kenntnis nahm. So konnte sogar mit einem gewissen Recht gefragt werden, ob seine Theorie das Adjektiv „struktural“ verdiene (Arrive´ 1969, 36). Man hat eher den Eindruck, als sei es Tesnie`re mehr darum gegangen, eigenständig seine Ideen weiterzuverfolgen und zu perfektionieren, vor allem in der Montpellier-Zeit. So konnte Mikusˇ zu Recht – wenn man denn das Schluss-Prinzip akzeptiert –
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
beklagen, der Autor „has neglected all the results of modern linguistics and based his work entirely on his own speculations“ (Mikusˇ 1962, 660). Beeinflusst war Tesnie`re aber durch die grammatischen Forschungen von Damourette und Pichon. Nicht nur seine rege wissenschaftliche Korrespondenz und Diskussion mit Pichon belegen das; wir finden auch einige mehr oder weniger direkte Übernahmen. So folgt etwa die Behandlung der französischen Negation in Terminologie und in den Grundzügen der von Damourette/Pichon (Arrive´ 1995). Auch die Abhängigkeit war bei ihnen ein organisierendes Prinzip. In den letzten Jahren wurde extensiv erforscht, ob es Vorläufer Tesnie`res gibt und was er von ihnen übernommen hat. So gab es ja eine alte, auch schulische Tradition, Satzstrukturen grafisch darzustellen (hierzu Heringer 1973, 11⫺19; Engel 1980, 19), und Garvin meint, man könne die Methode als „streamlined version of old-fashioned sentence-diagramming“ ansehen (Garvin 1955, 271). Ein direkter Einfluss wurde nicht festgestellt. Man vermutet eher, dass Tesnie`re weniger bewusst übernommen hat, als partiell wiedererfunden: inventer c’est se souvenir.
2.
Sprachen
Sprachen waren ein Zentrum im Leben Tesnie`res. Manche sagen, seine Leidenschaft gar (Corte`s/Sainte-Martine 1995). Er befasste sich mit Sprachen in dreifacher Weise: lernen, lehren, analysieren. Gelernt hat Tesnie`re Sprachen in seinem Leben am laufenden Meter. Wenn man so zusammenzählt, kommt man auf die stattliche Zahl von vielleicht 20 Sprachen, die Tesnie`re mehr oder weniger gut gesprochen hat, mit Betonung auf sprechen. Denn er war im Lernen wie im Lehren ein überzeugter Vertreter der me´thode directe, die damals in Frankreich durchaus nicht selbstverständlich praktiziert wurde. So muss man den Ratschlag verstehen: „Parlez les langues e´trange`res“ (Tesnie`re 1959: 278.17). Zu den Sprachen, die Tesnie`re beherrschte, dürfen wir zählen: Griechisch, Latein, Deutsch, Englisch, Italienisch, Kroatisch, Slowenisch, Russisch, Slowakisch und eine Reihe weiterer. Darüber hinaus hat er noch einige autodidaktisch gelernt wie wohl Hebräisch, Tschechisch. So konnte er offenbar eine einfache Unterhaltung in Zulu führen, wie es heißt.
9. Lucien Tesnie`re. Sein Leben
Nicht nur auf diese Kenntnisse bezieht sich sein Ausspruch: „Timeo hominem unius linguae“ (Tesnie`re 1959: 278.19). Gelehrt hat Tesnie`re verschiedene Sprachen. Dazu zählt vor allem das Französische, das er immer wieder unterrichtet hat. Daraus ist wohl auch die kleine (immerhin 1000 Manuskriptseiten) französische Grammatik für FaF-Lerner entstanden, und sicherlich ist der Abriss der deutschen Grammatik von 1953 als Lernergrammatik gedacht, so wie er auch die russische Grammatik konzipiert hatte: „Bref, j’ai cherche´ a` faire œuvre pe´dagogique plutoˆt qu’œuvre scientifique“ (Fourquet 1959, 5). Jedenfalls fühlte Tesnie`re sich nicht als Theoretiker, der zwar pädagogische Anwendungen erhoffte, sie aber anderen überließ. Die Anwendung in der Praxis und das Lernen aus der Praxis gehörten für ihn selbst dazu. Und seine Empfehlungen und Vorschläge gehen auf wirkliche Erfahrungen zurück (Tesnie`re 1959: 276, 277). Hierzu hat er über die Jahre verschiedene Projekte initiiert, mit denen er die Ideen seiner Syntax an Schulen implementieren wollte. Dazu gehören die Projekte Paravisol 1937/38, Tourret et Vidal 1942, Fontvieille 1942 und Baconnier 1943, die über die E´cole Normale d’Institutrices de Montpellier – sein Versuchsfeld, wie Fourquet es nannte – lanciert wurden. Bei diesen Versuchen stieß er natürlich immer wieder auf Widerstände der Schulaufsicht, die er auch darstellt im Kapitel 277 der E´le´ments de syntaxe structurale. Bemerkenswert ist dabei die Vorsicht und die Umsicht, mit der er die Modernisierung des Grammatikunterrichts empfiehlt. Allerdings wird auch der Frust spürbar, den er bei diesen Versuchen erlitten hat. Das wirklich Moderne an Tesnie`re war, dass er Sprachlehre und Sprachanalyse so eng verwoben sah. Die enge Verbindung von Theorie und Praxis ist auch in den E´le´ments de syntaxe structurale mit Händen greifbar. Nicht umsonst endet Fourquet sein Vorwort mit dem emphatischen Wunsch:
75 nen Stemmas Sprachproduktionsprozesse und Sprachrezeptionsprozesse so einfach abbilden zu können. Man stößt auch in den E´le´ments de syntaxe structurale öfter auf den sicherlich originellen Gedanken, dass die Stemmas die wahre innere Struktur des Satzes abbilden und sozusagen psychische Realität haben (Tesnie`re 1959: 19). Ebenso verwundert etwas, mit welcher Selbstverständlichkeit er Grundschüler in die Kunst des Stemmazeichnens einführen ließ, wenngleich es die Kinder spielerisch und gern taten, wie berichtet wird (Corte`s/ Sainte-Martine 1995, 51). Auch die Verwendung der neuen Terminologie erscheint kühn für die schulische Praxis, was schon ein Rezensent der Grammaire russe vermerkt hatte, was auch der schulischen Generalinspektion auffiel. In späteren Jahren spielte Tesnie`res Ansatz tatsächlich eine Rolle für die Grammaire nouvelle a` l’e´cole (Court 1971). Es scheint aber bei Vorschlägen geblieben zu sein. All das erinnert an die sog. Linguistisierung der deutschen Schulgrammatik in den 70er Jahren, die leider so kläglich gescheitert ist. Analysiert hat Tesnie`re alles, was ihm über den Weg kam: ⫺ Er behandelt mehr als 5000 sprachliche Beispiele. Seien es kurze Syntagmen oder Sätze oder Textpassagen. ⫺ Er hat 366 Stemmas im Buch wiedergegeben, von einfachen, einführenden bis zu hochkomplexen, das letzte geht über zwei Seiten. Er hat damit sicherlich gezeigt, dass seine stemmatische Analyse zur syntaktischen Beschreibung vorliegender Sätze taugt. ⫺ Die behandelten Beispiele entstammen etwa 60 Sprachen. Er sagt dazu selbst: „Tout d’abord, aucune langue n’a e´te´ exclue en principe de cet expose´“ (Tesnie`re 1959: 661).
Ce n’est pas sans une certaine amertume que l’on pense aux 25 ans d’avance qu’aurait pu avoir la France, si elle avait donne´ a` Tesnie`re en 1934 la direction d’un Institut de linguistique applique´e comme celui d’Edimbourg (Fourquet 1959, 7).
Tesnie`res Sprachen sind bei uns gängigere wie Französisch ⫺ Deutsch ⫺ Lateinisch ⫺ Italienisch ⫺ Spanisch ⫺ Rumänisch ⫺ Provenzalisch ⫺ Englisch ⫺ Holländisch ⫺ Flämisch ⫺ Bretonisch ⫺ Baskisch ⫺ Griechisch ⫺ Hebräisch ⫺ Slowenisch ⫺ Russisch ⫺ Weißrussisch ⫺ Lettisch ⫺ Polnisch ⫺ Litauisch ⫺ Serbo-Kroatisch
Vielleicht hat Tesnie`re diese Verbindung ein bisschen zu eng gesehen. So mutet heute vielleicht etwas naiv an, dass er glaubte mit sei-
Dazu dann auch Dialekte und ältere Sprachstufen wie Altfranzösisch natürlich, Alt- und Mittelhochdeutsch, Altgriechisch, Gotisch.
76
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Und weiter: Finnisch ⫺ Türkisch ⫺ Kaukasisch ⫺ Ukrainisch ⫺ Armenisch ⫺ Georgisch ⫺ Tscheremessisch ⫺ Arabisch ⫺ Berberisch ⫺ Ägyptisch ⫺ Eskimo ⫺ Zigeunerisch ⫺ Tatarisch ⫺ Mongolisch ⫺ Chinesisch ⫺ Japanisch ⫺ Tonga ⫺ Bantu Auch ganz exotische wie Zyrienisch, Votiak, Samoa, Tchouvache oder Soubiya, Chinook. Man sagt, er habe sich alle Beispiele von Fachleuten bestätigen lassen, wenn er die Sprachen nicht selbst konnte. Fourquet vermutet im Vorwort, dass Tesnie`re eine „analyse universellement applicable a` toutes les langues“ (Fourquet 1959, 3) wollte. Es ging ihm letztlich um die virtuelle, universale Struktur des langage und nicht um einzelne Sprachen, sodass seine Methode später auch auf viele Sprachen angewendet werden konnte (Heringer 1993, 311⫺314). Allerdings hat man bei den exotischsten Beispielen nicht das Gefühl, dass sie die Methode verbessern könnten. Die Methode steht eher fix und fertig da. Das Werk erscheint mehr „data-centered rather than methodcentered“ (Garvin 1955, 272). Möglicherweise verdankt sich dieser Eindruck seiner Darstellungsart. Die Art von Besessenheit – aus andrer Perspektive die „überwältigende Beispielfülle“ (Engel 1980, 21) – wirkt sich in der Grundstruktur seines Darstellungsformular so aus: Darlegung plus Beispiel plus Darstellung plus Beispiel etc. Nach einleitender Definition geht es oft so: • • • • • • • •
Man muss dieses Vorgehen auch historisch als Neuerung sehen, dass nämlich Linguisten die Sprachen auch beherrschen sollten, die sie analysieren, eine Fähigkeit, die Tesnie`re besonders an seinen Kollegen des Prager Kreises schätzte. Zu diesem Impetus gehört der fortwährende implizite Sprachvergleich, den Tesnie`re in der Metataxe systematisierte, ebenso wie die Grundüberzeugung, der Syntaktiker gewinne seine Einsichten durch Introspektion. Weil die Syntax keine „marquants“ hat, muss sie sich stützen auf Intuition und Introspektion: Les conditions meˆmes dans lesquelles se pre´sentent les faits de syntaxe nous imposent donc l’usage au moins partiel de la me´thode introspective. En effet, l’activite´ du sujet parlant sur le plan structural ne peut s’analyser que par un retour introspectif sur elle-meˆme. C’est pourquoi l’introspection est destine´e a` devenir une des pie`ces maıˆtresses de la me´thode d’investigation des faits de syntaxe. (Tesnie`re 1959: 37)
Aus Tesnie`res Thesen zur „me´thode introspective“ (Tesnie`re 1959: 38) kann man Folgendes destillieren (s. Abb. 9.3). So hat Tesnie`re es verabsäumt, der Syntax eine operationale Basis zu schaffen, was immer wieder moniert wird (Garey 1954, 513; Benveniste 1960, 22). Nichtsdestotrotz hat Tesnie`res Vorgehensweise auch eine empirische Basis. So waren es nicht nur seine eigenen Sprachkenntnisse und Hörbelege und literarische Belege, er entwickelte Questionnai-
Dies nennt man/nennen wir so und so (C’est que B a tre`s heureusement appele´…). Man muss unterscheiden …, nach den Charakteristika _ _ _. Dies stellt sich im Stemma so dar … In den X-Sprachen ist es so und so. (Dans les langues du …) In den Y-Sprachen ist es so und so. (Dans les langues du type ___ ) Genauso in den …-Sprachen. (De meˆme en …) Das X-ische kennt diese Erscheinung nicht. (A la diffe´rence de Y…/ le X au contraire …) Das Z-ische kennt sogar …
Abb. 9.3.
1. 2. 3. 5. 6. 7. 8. 9.
Die introspektive Methode basiert auf Intuition. Die introspektive Methode rekurriert auf innerer Erfahrung. Die introspektive Methode ist experimentell und insoweit objektiv. Die introspektive Methode ist nicht angeboren. Man muss die introspektive Methode lernen. Die Anwendung der introspektiven Methode ist schwierig. Die introspektive Methode kann nur der kompetente Sprecher anwenden. Sie muss methodisch gezügelt werden, weil der Durchschnittssprecher falsche Intuitionen haben kann.
Abb. 9.4.
9. Lucien Tesnie`re. Sein Leben
res für seine sprachgeographischen Arbeiten und er arbeitete mit statistischen Methoden über die Sprachen Europas (mehr als 200 Seiten), was ihm nach eigenem Bekunden den Ruf eines Sprachstatistikers einbrachte.
3.
Rezeption
Die Tesnie`re-Rezeption wird allgemein als wissenschaftliches Trauerspiel gesehen. Er sei ignoriert worden oder gar marginalisiert (Madray-Lesigne/Richard-Zappella 1995, 6). Sogar von einer Art Verschwörung wird gesprochen (Corte`s/Sainte-Martine 1995, 51). Dieser Art Verschwörung hat es aber sicherlich nicht bedurft. Denn einmal war Tesnie`re in seiner Zeit in Montpellier eben in der Provinz und er lebte entsprechend zurückgezogen „en solitude“ und „isole´“. Und dann war sein Lebenswerk ja gar nicht erschienen. Die Publikationen zu den slawischen Sprachen scheinen durchaus anerkannt worden zu sein. Die Rezensionen zur Grammaire russe sind durchweg positiv (Baum 1976, 14 A4; Werner 1993, 9). Hervorgehoben wird wiederholt die Originalität des Syntaxteils und der pädagogische Impetus. Auch von der glücklichen Allianz von Theorie und pädagogischer Praxis ist die Rede. („Voici, pour la premie`re fois, un grammairien, double´ d’un linguiste, qui a le courage de ne pas sacrifier au culte des idoles: notre pe´dagogie linguistique progressera dans la mesure ou` il trouvera des imitateurs.“) Außerdem erlebte diese kleine Grammatik mehrere Auflagen. Tesnie`re wurden zahlreiche Ehrungen zuteil (1993, 406 Bericht), unter anderem erhielt er für seine the`se 1926 den Prix Volney der Acade´mie franc¸aise. Im übrigen sind die Publikationen darüber hinaus nicht gerade umfangreich oder an prominenter Stelle erschienen. Dies gilt selbst für die Esquisse, in der Tesnie`re seine Syntax verkürzt und durch die Kürze und schlechtes Layout nicht immer so gut verständlich darstellt. Auch die Probleme bei der Publikation der E´le´ments zeigen, dass das Opus weder als leseradäquat noch als zeitgemäß gesehen wurde. Solche Schwierigkeiten sind ja durchaus nicht einzigartig, insbesondere wenn man Umfang und Struktur des Werks bedenkt. So bleibt bis heute die Frage, ob man die E´le´ments de syntaxe structurale in allen Details rezipieren muss. Selbst einer wie Engel, der beklagt, dass kaum jemand sie vollständig lese und diesen gar streng das Mitsprache-
77 recht versagen will, konnte in seiner Übersetzung nicht umhin, die „überwältigende Beispielfülle“ zu reduzieren und „gelegentliche Abschweifungen, auch diachronische Exkurse“ zu eliminieren und „allzu ausführliche Passagen“ zu straffen (Engel 1980, 21). Und so hieß es schon 1967 in einer Rezension, sein Werk sei für heutige Linguisten nur noch von historischem Interesse (Arrive´ 1969, 40). Andere aber denken, es sei „too early and in the wrong place when his ideas could have no appeal against the current trends of the time“ (Guiraud 1971, 1). Tragisch: Zu früh und zu spät! So dürfte Worthington nicht ganz schief gelegen haben, als sie meinte, dieses Buch „invites unfair treatment“ (Worthington 1968, 303). Wissenschafthistoriker scheinen öfter im Geiste von Heldendichtung zu schreiben und sie identifizieren sich schon mal mit ihren Helden. Wenn sie mangelnde Rezeption beklagen, sprechen sie vielleicht auch auf dem leidvollen Hintergrund mangelnder oder als mangelhaft empfundener eigener Rezeption. Was ist denn der Maßstab für die Angemessenheit einer Rezeption? Es sollte wohl der Wert der Theorie sein. Und der erweist sich eben in der Rezeption und nur in der Rezeption. Sonst wird es sich um Wunschdenken und Idealisierung, vielleicht auch Heroisierung handeln. Eine andere Frage ist: Wie soll die Rezeption aussehen? Soll es um Übernahme und Nachfolge gehen? Oder um Adaptation? Oder um Diskussion und Argumentation? Nach meiner Auffassung sollte man die Rezeption zuerst einmal nehmen, wie sie ist. So stellt man fest: Tesnie`re wurde durchaus rezipiert. Schon die Esquisse wurde mehrfach an prominenter Stelle, nämlich in Language, in Word, in den Cahiers Saussure und anderswo rezensiert. Und von prominenten Autoren wie Garvin, Godel, Gougenheim (Baum 1976, 17 A17; Werner 1993, 10). Und weitgehend positiv. Nicht viel anders verhält es sich mit den E´le´ments de syntaxe structurale. Auch hier gab es bald prominente Rezensionen (Baum 1976, 18⫺22) und positive („un ouvrage courageux, destine´ a` faire e´poque“, Richer 1960, 67). Auch sie wurden immerhin schon recht bald nach ihrem Erscheinen im Jahr 1959 rezipiert und weiterentwickelt, wenn auch nicht zur Gänze, so doch in ihren bis heute fruchtbaren Teilen. Nur – wie französische Linguisten immer wieder betonen – „outre Rhin“, nämlich vor allem in der DDR und der BRD.
78 Hier gingen erst einmal Ideen ein in die Grammatiken von Brinkmann, Erben und die Duden-Grammatik. Und schon sehr früh erschien dann das erste Valenzwörterbuch von Helbig und Schenkel. Eine erste formal orientierte Anwendung war ganz im Zuge der Zeit Heringers Theorie der deutschen Syntax, die alle Komponenten der E´le´ments de syntaxe structurale aufnahm und auf das Deutsche in einem Regelsystem applizierte. Eine streng formalisierte Abhängigkeitsgrammatik, allerdings ohne nennenswerten Widerhall, bot Kunze 1976. (Zur Darstellung der frühen Rezeption: Baum 1976, Happ 1976, 313⫺346, Korhonen 1977, Engel 1980, 19⫺ 21.) Als Weiterentwicklungen sind auch die hybriden Grammatikmodelle von Hudson (Hudson 1976) und Mel’cˇuk (Mel’cˇuk 1988) zu erwähnen. Diese Situation hat sich quantitativ nicht verändert, soll es doch bis zum Jahr 1995 etwa 2400 Publikationen im deutschen Sprachraum gegeben haben, die Tesnie`reschen Gedanken verpflichtet sind. Außerdem gibt es seit 1980 eine verkürzte Übersetzung der E´le´ments (Engel 1980). In Frankreich war die Situation anders. Das pädagogische Engagement eines akademischen Wissenschaftlers war – und natürlich nicht nur in Frankreich – so ungewöhnlich, dass es kaum auf Gegenliebe, sondern eher auf Widerstand stieß. So konnte Fourquet Tesnie`re auch hier als den Befreier sehen, wie er ihn als Erlöser von der logisch orientierten, räsonnierenden Subjekt-Prädikat-Grammatik der Aristotelischen Tradition sah (Fourquet 1993). Tesnie`re selbst empfand, dass er seine Innovationen nicht so leicht durchsetzen konnte. In einem Brief schrieb er: L’universite´ est une dame respectable et c’est pourquoi je la respecte, mais elle est tre`s conservatrice et les ide´es neuves lui font toujours un peu peur. Elle craint e´videmment de se compromettre et n’en est que plus a` l’aise pour magnifier ensuite ceux qui ont re´ussi malgre´ elle. Elle en re´colte toute la gloire et ce n’est que justice (Brief vom 24. 12. 1936).
Die Tesnie`re-Rezeption versucht öfter, ihn zu einem ganz Großen zu stilisieren. Insbesondere wird der historisch wohl etwas schräge Vergleich mit Chomsky bemüht. Meist noch versehen mit Bemerkungen der Art, dass dessen Theorien sich in einer Krise befänden, die dem Tesnie`reschen Ansatz eine neue Chance böten. Diese Art sportliche Betrachtung verkennt, dass für die Linguistik derartige direkte Konkurrenzsituationen wohl kaum ty-
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
pisch sind. Die verschiedenen Ansätze mögen durchaus koexistieren und ihre verschiedenen Anwendungsfelder finden. So scheint die Tesnie`resche Valenztheorie in der praktischen Sprachlehre ihren Weg gemacht zu haben, während der dependenzielle Ansatz in der Computerlinguistik sich fruchtbar mit anderen verbunden hat. Sicherlich steckt hinter dem Chomsky-Vergleich ein enttäuschter Anspruch und auch ein Körnchen Wahrheit. Die E´le´ments de syntaxe structurale sind mit großer Verspätung erschienen und dem europäischen Strukturalismus verpflichtet. Bei ihrer Konzeption war eine derartige Syntax in dieser Ausführlichkeit und Reife eine linguistische Sensation. Aber Tesnie`re konnte sie nicht promovieren. Bei ihrem Erscheinen war die Entwicklung weitergegangen und vor allem war ein formaler und generativer Anspruch entstanden, der den Zeitgeist bestimmte. Dieser Anspruch wäre durchaus dependenzgrammatisch einzulösen, wie wir heute wissen. Allein Tesnie`re konnte ihn nicht erfüllen, nicht mehr erfüllen.
4.
Literatur in Auswahl
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Hans Jürgen Heringer, Augsburg (Deutschland)
80
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
10. Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnie`re 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Dependenz Aktanten, Zirkumstanten und Valenz Diathesen und quantitativer Valenzwechsel Schlusswort Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
Lucien Tesnie`re gilt als der hauptsächliche Initiator moderner syntaktischer Dependenzund lexikalischer Valenzkonzeptionen, auch wenn die Forschungsgeschichte etwas weniger einsträngig verlaufen sein mag als manchmal angenommen wird (vgl. Engelen 1975, 27⫺42, Baum 1976, 27⫺42, Askedal 1991, 1996). Tesnie`res Hauptwerk in diesen Bereichen wie überhaupt sind die erst postum herausgegebenen Ele´ments de syntaxe structurale (1959, 21966, fortan: Ele´ments), die eine groß angelegte Gesamtschau mit Beispielmaterial aus vielen (etwa 60) Sprachen bietet. Grundlegende Dependenz- und Valenzgesichtspunkte sind aber schon bei Tesnie`re (1934a, 1934b) vorhanden (zu Tesnie`re 1934b vgl. Swiggers 1994, insbesondere 218), und die Hauptzüge der Theorie werden anhand französischer Beispiele in straffer Form in Tesnie`re (1953) dargelegt. Die folgende Darstellung basiert vorrangig auf den Ele´ments (21966). In der frühen Tesnie`re-Rezeption vor allem durch die deutsche Linguistik wurden Dependenz und Valenz in enger Verknüpfung gesehen und vielfach zur grammatischen Gesamtkonzeption verschmolzen (vgl. z. B. die Diskussion der derzeitigen Forschung bei Helbig/Schenkel 1969, 9⫺11; 20⫺25). In der jüngsten Tesnie`re-Rezeption begegnet ab und zu auch der umgekehrte Gesichtspunkt, dass die Dependenzkonzeption bei Tesnie`re aus dem Valenz-Begriff entstanden sei (Feuillet 1995, 175). Die Darbietung und Diskussion von Dependenz und Valenz im Werk von Tesnie`re lässt aber eine theoretische Unabhängigkeit der beiden Konzepte voneinander erkennen (Garde 1994). Zum einen werden bei Tesnie`re das syntaktische Dependenzprinzip und das lexikalische Valenzprinzip nicht in direkter Verbindung miteinander, sondern in getrennten Teilen der Ele´ments erörtert. Die syntaktisch grundlegende Dependenzproblematik kommt in „Livre A: Pre´ambule“, die Valenz- und Aktantenproblematik aber in
„Livre B: Structure de la phrase simple“ und in „Livre D: Valence“ des ersten Teils („premie`re partie“) zur Sprache. Zum anderen sind sowohl das Dependenz- wie auch das Valenzkonzept bei Tesnie`re in den Ele´ments in eine syntaxtheoretische Gesamtkonzeption eingebettet, die die gesonderten Aspekte in (1) umfasst: (1) I. Lexikalisch-kategorieller Aspekt: vier hauptsächliche Lexemklassen, die zugleich syntaktische Basiskategorien sind: Verb, Nomen, Adjektiv, Adverb (bei Tesnie`re nach den entsprechenden Wortartmorphemen des Esperanto durch jeweils I, O, A und E gekennzeichnet), und gewisse zusätzliche Klassen von Auxiliarwörtern (Ele´ments, 53 ff.; 63 ff.; 80 ff.); II. lexikalisch-syntaktischer Aspekt: Aktanten, Valenz und damit verbunden Diathesenoppositionen (Ele´ments, 102 ff.; 238 ff.); III. relationssyntaktischer Aspekt: phrasenkonstituierende Dependenzbeziehungen (Konnexion) (Ele´ments, 11 ff.); IV. Aspekt der kategoriell-syntagmatischen Abwandelbarkeit: Translation (Überführung) einer lexikalischen Basiskategorie in eine andere (Ele´ments, 361 ff.); V. Aspekt der Koordinationsbeziehungen (Junktion) (Ele´ments, 323 ff.); VI. Aspekt der Koreferentialität: intraund intersententiale anaphorische Beziehungen innerhalb von (Abfolgen von) Dependenzstrukturen (Ele´ments, 85 ff.). Davon gelten Konnexion (III), Translation (IV) und Junktion (VI) als die drei „Säulen“, auf denen das Dependenzsystem Tesnie`res hauptsächlich ruht (Koch/Krefeld 1991, 5). Die größte Resonanz haben in der späteren Forschung Valenz (II) und Dependenz/Konnexion (III) gefunden, während Tesnie`res Junktionsbegriff insgesamt weniger Forschung angeregt hat (vgl. aber Raible 1992). (Zusammenfassend zur Tesnie`re-Rezeption vgl. Helbig 1996.) Die von Tesnie`re vorausgesetzte theoretische Trennung von Dependenz (III) und Valenz (II) wird im übrigen auch durch solche jüngeren grammatiktheoretischen Konzeptionen bestätigt, die auf Dependenz ohne Bezugnahme auf Valenz basieren (Hays 1964, Robinson 1970) oder das Valenzkonzept mit
81
10. Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnie`re
einer nichtdependenziellen Syntax verbinden (z. B. Konstituentenstrukturgrammatik in Duden 1999, 676⫺706, Kategorialgrammatik bei Zifonun et al. 1997, 1298⫺1326). Im Rahmen der Tesnie`reschen Gesamtkonzeption gilt, dass die Dependenzsyntax eher ein Modell für die Erfassung lexikalischer Valenzgegebenheiten abgibt als umgekehrt.
2.
Dependenz
Aus forschungsgeschichtlicher Sicht ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Tesnie`re sich schon früh von der für die deutsche junggrammatische Tradition kennzeichnende Einbindung der Syntax in die Morphologie losgesagt und das Konzept einer autonomen Syntax entwickelt hatte: „[…] il est parfaitement possible de constituer une syntaxe sur des donne´es purement syntaxiques et en dehors de toute morphologie.“ (Tesnie`re 1934b, 229, vgl. dazu Swiggers 1994). Vgl. auch: „La syntaxe est bien distincte de la morphologie. Elle en est inde´pendante. Elle a sa loi propre: elle est autonome.“ (Ele´ments, 34). (Zur Autonomie der Syntax bei Tesnie`re vgl. Helbig 1996, 43; 45 f.) 2.1. Konnexionen Der axiomatische Grundbegriff der Dependenzsyntax Tesnie`res ist die als unidirektionale Rektionsbeziehung zu verstehende „Konnexion“: „[Kap. 2] 1. ⫺ Les connexions structurales e´tablissent entre les mots des rapports de de´pendance. Chaque connexion unit en principe un terme supe´rieur a` un terme infe´rieur. 2. ⫺ Le terme supe´rieur rec¸oit le nom de re´gissant. Le terme infe´rieur rec¸oit le nom de subordonne´.“ (Ele´ments, 13)
Zur Terminologie „re´gissant“ und „subordonne´“ sei bemerkt, dass dabei ein „syntaktifizierter“ Rektions-Begriff vorausgesetzt wird, der über die traditionelle morphologische Domäne der Kasusrektion hinausgeht und grundsätzlich nicht daran gebunden ist; den traditionellen Rektionsbegriff reflektiert dafür noch Tesnie`res Valenz-Konzeption (siehe Kap. 3). Hervorzuheben ist vor allem die grundlegende Bedeutung der Konnexion als eigenständiges drittes Element (neben Regens und Dependens) bei der Konstituierung syntaktischer Strukturen (Ele´ments, 11 f.). Die hier angenommene basale Dreielementigkeit syntaktischer Dependenzbeziehungen wird durch Tesnie`res erste „Atom-Metapher“
aus dem Bereich der Chemie veranschaulicht, derzufolge gerade die (i) Verbindung zwischen (ii) Natrium und (iii) Chlor einen ganz neuen Stoff (Kochsalz) ergibt, der nicht einfach die Addition der Eigenschaften von Natrium und Chlor darstellt (Ele´ments, 12). Die Konnexionsbeziehung ist rekursiv in dem Sinne, dass von einem Dependens ein weiteres Dependens abhängig sein kann. Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer Hierarchie der Konnexionen mit Dependentien unterschiedlichen Grades (Ele´ments, 13 f.). Vgl. z. B. (2): (2)
chante
chanson
ami
mon
viel
cette
jolie
Stemma 3 Dementsprechend kann es zu einem Regens sowohl direkte als auch indirekte Dependentien geben. Auf andere formale Eigenschaften der Konnexionsbeziehung kommen wir in 2.2. zurück. 2.2. Diagrammatische Strukturrepräsentation Die Dependenzkonzeption von Tesnie`re ist in dem Sinne eine semiotisch reflektierte, dass zwischen abstrakten, „strukturalen“ Konnexionen (Ele´ments, 16 f.), ihrer diagrammatischen, „visuellen“ Repräsentation durch Strukturstemmata (Ele´ments, 15 f.) und ihrer gesprochenen oder geschriebenen Manifestation (Ele´ments, 15 f.) bewusst und deutlich unterschieden wird. Die Überlegungen zum Verhältnis von Struktur, Notation und Manifestation im Kommunikationsakt geben Anlass zu Reflexionen über Dimensionalität in der Sprache und in Sprachbeschreibungen, denen zufolge die strukturale Ordnung ⫺ als kognitives Datum ⫺ „multidimensional“, ihre graphische Wiedergabe in der Gestalt eines Stemmas zweidimensional, und ihre Realisierung in der „parole“ als gesprochene oder geschriebene Kette eindimensional, d. h. linear, sind (Ele´ments, 19⫺22). Die stemmatische Zweidimensionalität wird konkret auf materielle Beschränkungen des Mediums bedrucktes Blatt (o. ä.) zurückgeführt. Der Terminus „Vertikalität“ (Ele´ments, 14) ist ausschließlich auf die diagrammatische Reprä-
82 sentation als Stemma zu beziehen. Die visuelle Gerichtetheit von oben nach unten in der stemmatischen Konnexionsrepräsentation (sowie als typographisches Normalgestaltungsprinzip überhaupt) lässt sich freilich mit der entsprechenden Asymmetrie der menschlichen Apperzeption in Verbindung bringen (Lyons 1977, 690 f., Askedal 1996, 88 f.). Zwischen den stemmatischen Strukturrepräsentationen Tesnie`res und den zugrunde liegenden kognitiv-sprachlichen Strukturen wird man Ikonizitätsbeziehungen annehmen dürfen (Madray-Lesigne/Richard-Zapella 1995, 10, Samain 1995). Das Verhältnis zwischen dem regierenden Term und dem regierten Term bzw. den regierten Termen in Konnexionsbeziehungen ist grundsätzlich asymmetrisch. Zu einem Dependens kann es immer nur ein Regens, zu einem Regens aber zwei oder mehr Dependentien geben (Ele´ments, 14; 16), was Eindeutigkeit der Rektions-, d. h. strukturalen sowie auch notationell-stemmatischen Überordnungs-/Unterordnungsbeziehung sichert (wie übrigens in den meisten modernen Konstituentenstrukturkonzeptionen auch). Durch das Vorkommen von zwei oder mehr Dependentien zu einem Regens kommt die „multiple Konnexion“ zustande (Ele´ments, 14; vgl. z. B. (2)). Die Multidimensionalität der strukturalen Ordnung gegenüber der Zweidimensionalität ihrer graphischen Repräsentation durch Stemmata wird durch einen Hinweis auf das Vorhandensein multipler Konnexionen begründet (Ele´ments, 16). Dabei stellt sich freilich die terminologische Frage, ob in Verbindung mit der zugrunde liegenden strukturalen Ordnung überhaupt von Dimensionalität gesprochen werden sollte; auf dieser Ebene erscheint es angemessener, „Adimensionalität“ anzunehmen. Anders als in modernen Konstituenten(sowie auch einigen Dependenz-) strukturkonzeptionen liegen Tesnie`res Stemmata keine Formationsregeln zugrunde; solche Regeln fanden erst mit Chomsky (1957) in die Linguistik Eingang, und Tesnie`re waren die Stemmata wohl vor allem als Mittel der syntaktischen Analyse wichtig (Baum 1976, 52). Jedoch weisen die Stemmata eine ganze Reihe formaler Eigenschaften auf, die bei Heringer (1970b, 44⫺46, siehe auch Happ 1976, 122 f.) explizit ausformuliert sind und von denen (a) vertikale Gerichtetheit von oben nach unten und (b) Asymmetrie der Rektionsbeziehung schon genannt wurden. Es sind noch folgende allgemeine Prinzipien bzw. Restrik-
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
tionen dieser Art festzustellen: (c) Verbot gegen Schleifenbildungen (d. h. gegen doppelte Rektionsbeziehung zwischen einem untergeordneten Knoten und zwei übergeordneten Knoten), (d) Forderung nach einem einzigen maximal übergeordneten „Zentralknoten“, (e) Kontiguität der Knotenbildung (d. h. Verbot gegen isolierte Knoten). Mit Konstituentenstrukturdiagrammen haben Tesnie`res Dependenzstemmata gemeinsam, dass sie „rooted acyclic non-converging graphs“ (Fillmore 1995, 94) sind. Bei Tesnie`re fehlt indessen die in Verbindung mit Konstituentenstrukturdiagrammen übliche Restriktion, dass Kanten sich nicht kreuzen dürfen (ohne Rekurs auf eine abstraktere Stufe mit sich nicht kreuzenden Kanten). Stemmata mit sich kreuzenden Kanten ergeben sich bei Tesnie`re in Verbindung mit der Junktion (Koordination). Vgl. z. B. (3): (3)
tirent
Raton
et
et
croquent
Bertrand
les marrons
Stemma 268 Die Repräsentation lexikalischer bzw. kategorieller Abhängigkeiten erfolgt in jeweils „reellen“ Strukturstemmata mit lexikalischen Elementen und „virtuellen“ Stemmata mit Kategoriensymbolen für die vier von Tesnie`re angenommenen hauptsächlichen Wortklassen (Ele´ments, 64; vgl. auch Heringer 1970b, 47). Vgl. z. B. (4a, b): (4a)
chante
cousine
votre
délicieusement
jeune
Stemma 43 Durch den Verzicht auf die notationelle Vereinigung des lexikalischen und des kategoriellen Aspekts von Dependenzstrukturen im selben Stemma unterscheidet sich Tesnie`re von einer Reihe späterer Dependenzsyntaktiker, die ⫺ vermutlich unter dem Einfluss generativer Konstituentenstrukturdiagramme ⫺
10. Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnie`re
(4b)
I
O
A
E
A
Stemma 44
grundsätzlich bestrebt sind, beide Aspekte im Stemma zum Ausdruck kommen zu lassen (vgl. ⫺ in ansonsten direkter Anlehnung an Tesnie`re ⫺ Lambertz 1982, 48 f. et passim und des weiteren z. B. Heringer 1970a, Engel 1994: 90; 157⫺159, Matthews 1981: 79⫺90). (Vgl. jedoch 2.4. zur Kategorienkennzeichnung in Translationsstemmata.) In der frühen Darstellung von Tesnie`re (1934b, 224) wird zur diagrammatischen Veranschaulichung von Dependenzbeziehungen ein Stemma anderer Art verwendet, das sich an eine im späteren Werk Tesnie`res nicht mehr bemühte „Sonnen-Metapher“ (Tesnie`re 1934b, 223; siehe dazu 3.1.) anlehnt. Hier steht das (großgeschriebene) finite Verb mitten im Stemma, und Dependentien befinden sich teils unterhalb, teils aber auch oberhalb des jeweiligen Regens, was den Gebrauch von nach oben bzw. nach unten gerichteten vertikalen (bzw. schräggestellten) sowie nach links bzw. nach rechts gerichteten horizontalen Pfeilen (A B I J) zur Angabe der Abhängigkeitsbeziehung erforderlich macht. Die der Mittelstellung der Sonne im Sonnensystem analoge diagrammatische Mittelstellung des Verbs im Stemma von 1934 entspricht der Vorstellung von der strukturalen (letzten Endes auch metaphorisch zu verstehenden) „Zentralität“ des Verbs. Während in den Ele´ments noch vom Verb als „Zentralknoten“ die Rede ist (vgl. 2.4.), wird das entsprechende Zentralstellungs-Stemma von 1934 nicht wiederholt, sondern es werden nur die bekannten, auch zur Konnexionshierarchie in (7) (2.3.) in ikonischem Abbildverhältnis stehenden Stemmata verwendet. Damit verbunden ist die weitere graphische Vereinfachung der vertikalen und horizontalen Pfeile von 1934 zu einfachen (bzw. schräggestellten) vertikalen Kanten in den Stemmata der Ele´ments. (Vgl. dazu auch Swiggers 1994, 218.)
83
2.3. Lexikalische Kategorien und Konnexionshierarchisierung Die Unterscheidung reeller (a) und virtueller (b) Stemmata, insbesondere die diagrammatische Möglichkeit reeller Stemmata ohne Angabe kategorieller Information, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Tesnie`res Dependenztheorie „primär kategorial angelegt“ (Koch/Krefeld 1991, 9) ist und auf semantisch-lexikalischer Grundlage steht. Wie in (1) schon erwähnt, legt Tesnie`re seiner Syntaxbeschreibung einen Bestand an vier Hauptwortarten zugrunde, die darüber hinaus in einem bestimmten semantischen Verhältnis zueinander stehen: dies sind Verb (I), Nomen (O), Adjektiv (A), Adverb (E) (Ele´ments, 64). Die vier Hauptwortarten verteilen sich auf zwei semantische Paarigkeitsbeziehungen: Substantive bezeichnen konkrete Substanzen, Adjektive darauf beziehbare abstrakte Eigenschaften, Verben konkrete Prozesse und die Adverbien schließlich auf Verben beziehbare abstrakte Eigenschaften (Ele´ments, 63, vgl. dazu schon Tesnie`re 1934a, 147, und des weiteren Baum 1976, 75⫺81, Gre´ciano 1977). Vgl. etwa (5): (5) konkret: abstrakt: Sub(O) ⫽ Substanz I Adjektiv (A) stantiv Verb (I) ⫽ Prozess I Adverb (E) Der adjektiv- und der adverbbezogene Gebrauch von Adverbien, der in diese Gegenüberstellung „konkreter“ und „abstrakter“ lexikalischer Kategorien nicht so gut hineinpasst, kommen später noch hinzu (Ele´ments, 181; 186 f.). Die Charakterisierungen in (5) basieren offensichtlich auf traditionellen Gesamtbedeutungsvorstellungen, sind aber auch im Rahmen semantischer Prototypizitätsannahmen interpretierbar (vgl. Langacker 1995, 19). Die Beschränkung auf vier Hauptwortarten hat wichtige Konsequenzen für die gesamte Strukturanalyse. Aus lexikalisch-semantischer Perspektive gelten die vier Hauptwortarten als „mots pleins“, d. h. „volle“ bzw. „vollsemantische“ Wörter, während die restlichen, nicht zu den Substantiven, Verben, Adjektiven und Adverbien gehörenden Wörter „mots vides“, d. h. „leere“ (bzw. „nicht vollsemantische“) Wörter genannt werden (Ele´ments, 53⫺55, vgl. auch Tesnie`re 1939, 160). Sog. „leere“ Wörter sind u. a. Präpositionen, (nebenordnende)
84
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Konjunktionen und (unterordnende) Subjunktionen, d. h. Wörter, die u. U. durchaus eine voll erkennbare Eigenbedeutung besitzen, die aber vielfach auch rein grammatische Verknüpfungswörter bzw. ⫺ wegen weitgehender Grammatikalisierung ⫺ im Verhältnis zur Ausgangsbedeutung semantisch verblasst oder neutralisert sind (vgl. Baum 1976, 86⫺ 92, Langacker 1995, 20). Eine Mittelstellung zwischen „vollen“ und „leeren“ Wörtern nehmen die Anaphern ein, die erst durch die textliche Umgebung ihre Bedeutung erhalten (Ele´ments, 85⫺89). Für die Anaphern ist darüber hinaus kennzeichnend, dass sie in zweierlei Konnexionsbeziehungen stehen: neben der dependenziell-syntaktischen auch in einer semantischen, die nicht mit der syntaktischen Konnexion einhergeht. Vgl. (6): (6)
aime
Alfred
père
son
Stemma 66 Aus syntaktisch-struktureller Perspektive entspricht der semantischen Unterscheidung zwischen „vollen“ und „leeren“ Wörtern die zwischen „konstitutiven“ und „subsidiären“ Wörtern (Ele´ments, 55⫺58). Die „subsidiären“, „leeren“ Wörter haben in den Dependenzstrukturen lediglich „Hilfs“funktionen unterschiedlicher Art, und ihr Vorhandensein setzt ein „volles“ konstitutives Wort voraus. Von ihrer strukturellen bzw. kategorialen Funktion her verteilen sich die subsidiären Wörter auf die drei Haupttypen der „Junktive“ (Konjunktionen), der „Translative“ (verschiedene Kategorienüberführungsmorpheme: Subjunktionen, Präpositionen, Flexions- und Ableitungsmorpheme) und der „Indizes“ (Artikel, Personalendungen und entsprechende agglutinierende Personalpronomina) (Ele´ments, 80⫺85, 395⫺397; davon sind Junktive und Translative schon bei Tesnie`re 1934a, 156⫺166 vorhanden). Nur Ele-
mente aus den Klassen I, O, A, E sind konstitutiv in dem Sinne, dass sie als regierendes bzw. regiertes Element an Konnexionsbeziehungen in Dependenzstrukturen direkt teilnehmen können (und demnach „knoten-“ bzw. „nukleus“bildend sind; vgl. schon Tesnie`re 1934b, 226 und weiter unten). Die semantischen Hauptkategorien sind somit im System von Tesnie`re zugleich auch strukturelle, dependenzielle Basiskategorien; Tesnie`re gebraucht selbst den Ausdruck „phe´nome`ne de base“ mit Bezug auf „le simple agencement [ohne Junktion oder Translation] d’un ou plusieurs nœuds […] dans la structure de la phrase“ (Ele´ments, 101; vgl. Baum 1976, 100). Das Dependenzsystem ist durch zwei Charakteristika gekennzeichnet, die eine bestimmte Konnexionshierarchisierung implizieren. Zum einen ist mit den Hauptwortarten bzw. Basiskategorien in (5) insofern eine strukturelle Hierarchisierung verbunden, als die „abstrakten“ Kategorien A und E normalerweise „subordonne´s“ sind, die als „re´gissant“ ein O bzw. I voraussetzen. Die Position von I als maximal übergeordneter bzw. regierender Kategorie, derzufolge eine normale, ein Verb enthaltende Satzstruktur insgesamt als ein von einem (lexikalischen) Verb maximal regiertes Gebilde (Ele´ments, 15, Tesnie`re 1953, 4) erscheint, ist dadurch zu begründen, dass ein I sich mit (mehreren) O verbinden lässt, während I im Rahmen der Konnexionshierarchisierung nicht von O regiert werden kann. Daraus ergibt sich das in (7) vorgestellte lexikalisch-kategorielle Gesamtprinzip für konnexionelle Dependenzstrukturgestaltung (leicht geändert nach Baum 1976, 69 und Gre´ciano 1977, 70, vgl. auch Baum 1976, 63 und Lambertz 1991, 53 f., 1995, 221): (7)
I O
E
A
E
E E Die in 2.1. und 2.2. schon angeführten Stemmata stehen mit ihrer Spitzenstellung des maximal regierenden Verbknotens in einem ikonischen Abbildungsverhältnis zu der in (7) zusammengefassten hierarchischen Konnexionsordnung. Mit Mayerthaler (1994, 137) kann man in diesem Zusammenhang vom „Satz als Verbentfaltung“ sprechen. (In Ana-
85
10. Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnie`re
logie zur Begriffsbildung der generativen Syntax könnte auch vom Satz als „maximaler Verbprojektion“ gesprochen werden; vgl. Haegeman 1991, 81 f. et passim.) Aus der axiomatischen Beschränkung auf vier Hauptwortarten bzw. syntaktische Basiskategorien und der weiteren Beschränkung der Konnexionsbeziehungen auf diese vier Kategorien mit zusätzlicher Festlegung der jeweils möglichen Rektionsrichtung ergibt sich angesichts der in natürlichen Sprachen tatsächlich vorkommenden Dependenzbeziehungen ein systematischer Bedarf nach einem Mechanismus des Wortarten- bzw. Kategorienwechsels (der Pfeil zeigt im folgenden von dependenter auf regierende Kategorie): Wie sind beispielsweise Attributsätze angesichts der I I O-Konnexion, wie attributive Substantivglieder angesichts der O I A-Konnexion, wie adjektivabhängige Substantivglieder und Komplementsätze angesichts der O I A- und I I O I A-Konnexionen zu beschreiben? Solchen syntaktischen Zuordnungsproblemen kommt Tesnie`res Translations-, d. h. Kategorienüberführungstheorie entgegen (generell dazu Baum 1976, 106⫺114, Werner 1993); vgl. Gre´ciano (1977, 72) sowie Weber (1996, 260) über Translation als Mittel zur „Kompatibilisierung von Wörtern als Elementen der Satzstrukturbeschreibung“ und Corblin (1995, 231 f.): „[…] le recours a` la translation peut s’interpre´ter comme une tentative d’e´crire une syntaxe purement lexicale, c’est-a`-dire exprime´e entie`rement dans le langage des cate´gories lexicales.“ Die Translation bewirkenden Translative sind „leere“ bzw. „subsidiäre“ Wörter oder Elemente, die selbst nicht regieren (Corblin 1995, 229) und auch nicht unmittelbar regiert werden können. Sie sind lediglich Fügemittel, um eine unterzuordnende, aber der Konnexionshierarchie in (7) nicht genügende Kategorie in eine konnexionshierarchiekonforme Kategorie (bzw. einen entsprechenden Nukleus; vgl. 2.4.) umzuwandeln. Vgl. auch Lambertz (1995, 225): „[…] la translation est une ope´ration ne´cessaire pour e´tablir des rapports de de´pendance la` ou` les „mots pleins“ ne sont pas connectables a` cause du statut syntaxique inhe´rent a` leur signification lexicale.“ Auf diese Weise stellen die Translationen im System Tesnie`res ein grundlegend wichtiges Mittel der Kategorienrekursivität dar: „[ein durch Translation zustande gekommener komplexer Knoten] behält sein altes nach unten gerichtetes […]-Strukturierungs-
potential bei, gewinnt aber ein nach oben gerichtetes […]-Potential hinzu“ (Weber 1996, 250 f.). Demnach beinhaltet Translation keinen bloßen Kategorien-Wechsel, sondern vielmehr auch eine dependenzielle Kompatibilitäts-Anreicherung (Weber 1996, 250 f.; 260). Die Translationen sind zweierlei Art: zum einen solche ersten und zum anderen solche zweiten Grades (vgl. Ele´ments, 411 ff. bzw. 618 ff. sowie schon Tesnie`re 1934a, 158⫺166, 1934b, 228 und z. B. Baum 1976, 114 ff. bzw. 127 ff.). Durch die Translationen zweiten Grades wird die in der Konnexionshierarchie maximal übergeordnete Kategorie Verb (I) in eine hierarchisch niedrigere Kategorie übergeführt. In die weit umfassendere Gruppe der Translationen ersten Grades gehören die restlichen Fälle, bei denen eine in der Konnexionshierarchie niedrigere Kategorie den Ausgangspunkt bildet. Auf diese Weise werden u. a. Präpositionalattribute (8), Partizipialattribute (9), der adverbiale Zirkumstantengebrauch von Substantiven (10), Attributsätze (11) sowie auch Komplementsätze und Adverbialsätze allgemein als auf Translation, d. h. systematischem Kategorienwechsel beruhend beschrieben (Beispiele nach Ele´ments, 371; 379; 461; 561; vgl. auch z. B. Weber 1996, 251⫺255): (8)
le livre
A d’
Alfred
Stemma 290
(9)
un exemple
A frapp
ant
Stemma 283 Mit Lemare´chal (1996, 93) ist zusammenfassend festzustellen: „La syntaxe tesnie´rienne est d’abord une syntaxe des parties du dis-
86 (10)
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit habite
Alfred
E à
Montpellier
Stemma 316 (11)
l’homme
A qu-
écrit
-i
Stemma 346
cours: La fonction des diffe´rents mots est attache´e a` leur cate´gorie.“ (Dabei sollte freilich nicht verschwiegen werden, dass die Gewichtung von morphologischer Basiertheit gegenüber syntaktischem Funktionieren der Translationen für Tesnie`re selbst etwas problematisch gewesen sein mag, vgl. Weber 1996, 256 f.) 2.4. Knoten und Nukleus Es ist üblich, Konstituenz und Dependenz als komplementäre bzw. alternative syntaktische Strukturbeschreibungsprinzipien anzusehen (vgl. z. B. ⫺ in teilweiser Auseinandersetzung mit Tesnie`res Ele´ments ⫺ Baumgärtner 1970, Lambertz 1982, 9⫺12, 1995, 94). Als kennzeichnender Unterschied zwischen Konstituenten- und Dependenzstrukturdiagrammen gilt, dass die ersteren die syntaktische Konstruktionsbildung im Sinne von Teil-von-Beziehungen auf unterschiedlichen satzinternen Ebenen (d. h. mit „Zwischenkategorien“), nicht aber die Abhängigkeitsbeziehungen abzubilden vermögen, während umgekehrt Dependenzstrukturdiagramme die Abhängigkeitsbeziehungen, nicht aber die Konstruktionsbildung wiedergeben (unter der Voraussetzung, dass keine zusätzlichen Markierungsmittel eingeführt werden). Dass Tes-
nie`re trotz der theoretischen Dominanz dependenzbezogener Fragestellungen auf die Konstituentenproblematik durchaus aufmerksam war, zeigen u. a. seine Ausführungen über „Einschnitte“ („coupures“) in der gesprochenen Kette (Ele´ments, 25⫺27; vgl. Fillmore 1995, 93 f.): „[…] a` la hie´rarchie des connexions […] et des nœuds […] correspond une hie´rarchie des coupures.“ Die in diesem Zitat angedeutete „Knoten“- bzw. „Nukleus“-Theorie Tesnie`res kann als ein Vorschlag zur Erfassung der syntaktischen Konstituentenbildung aufgefasst werden. Formal hängt diese Komponente seiner Gesamttheorie mit der schon erwähnten Konnexionsrekursivität, d. h. der Möglichkeit sowohl direkter als auch indirekter Abhängigkeitsbeziehungen, wie auch mit der Beschränkung der Konnexionsbildung auf die vier Hauptwortarten I, O, A, E zusammen. Der Begriff des Knotens („nœud“, von Engel [Tesnie`re 1980] durch „Nexus“ übersetzt und von Lambertz 1982, 40 auch „Nodus“ genannt) scheint von Tesnie`re mit zweierlei Bedeutung verwendet zu werden (vgl. Engel 1996, 59). „Nœud“ wird zum einen zunächst als mehrelementiges Hypotagma definiert. Vgl.: „[Kap. 3] 2. ⫺ Tout re´gissant qui commande un ou plusieurs subordonne´s forme ce que nous appellerons un nœud. 3. ⫺ Nous de´finirons donc le nœud comme l’ensemble constitue´ par le re´gissant et par tous les subordonne´s qui, a` un degre´ quelconque, directement ou indirectement, de´pendent de lui, et qu’il noue ainsi en quelque sorte en un seul faisceau.“ (Ele´ments, 14)
Insbesondere aufgrund von § 3 dieses Zitats ergibt sich ein Verständnis von „nœud“ im Sinne von „Phrase“ der Konstituentenstrukturgrammatik. Aufgrund der Grundwortarten in (5) sind je nach dem regierenden Element die vier lexikalischen Knoten- bzw. Phrasentypen Verb-, Substantiv-, Adjektivund Adverbknoten bzw. Verb-, Substantiv-, Adjektiv- und Adverbphrasen zu unterscheiden (Tesnie`re 1934a, 147; 155, 1934b, 226, Ele´ments, 15; 100 f.; 102⫺190). Dem entspricht des weiteren z. B. die Definition von „nœud substantival“ als „celui qui a pour centre un substantif“ (Ele´ments, 100). Zum anderen tritt aber auch „nœud“ mit der Bedeutung ‘Kern(glied) einer Phrase’ in dem Ausdruck „nœud central“ auf. Vgl.: „[Kap. 47] 6. ⫺ Nous avons vu que toute phrase est l’agencement d’un ou de plusieurs nœuds, et nous avons donne´ le nom nœud central a` celui qui commande tous les autres […] .“ (Ele´ments, 100)
87
10. Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnie`re
Diese terminologische Präzisierung ermöglicht eine genauere Definition von beispielsweise dem oben genannten „nœud substantival“ als „phrase substantival“, die wie folgt lautet: „La phrase substantivale est celle qui a pour nœud central un nœud substantival […]“ (Ele´ments, 100). Die letztere Bedeutung von „nœud“ als regierendem Knoten reflektiert insbesondere auch die folgende Definition vom Verb als Zentralknoten einer Satzkonstruktion: „Le verbe est le nœud des nœuds. C’est lui qui, directement ou indirectement, est le re´gissant de toute la phrase.“ (Tesnie`re 1953, 4). (Jedoch wird auch mit der gelegentlichen Möglichkeit eines substantivischen, adjektivischen oder adverbialen Zentralknotens gerechnet, vgl. die Diskussion von „phrase substantivale“, „phrase adjectivale“, „phrase adverbiale“ in Ele´ments, 177⫺181; 184⫺186; 188⫺190.) Die auf diese Weise beschriebene Konstituentenbildung wird aber in den Stemmata von Tesnie`re nicht (oder keinesfalls nicht durchgehend) eigens notationell gekennzeichnet (wie dies gewisse andere spätere Dependenzgrammatiker anstreben, vgl. z. B. Heringer 1970a, 125). Jedoch wird in Verbindung mit der Translation insofern von einer zusätzlichen, „sekundären“ Knotenkategorisierung Gebrauch gemacht (vgl. Engel 1996, 54), als hier die Wortartenzugehörigheit der aus der Translation resultierenden Kategorie oberhalb des Translationssymbols (bei vorangestelltem Translativ bzw. bei nachgestelltem Translativ ) angegeben wird, vgl. z. B. (8)⫺(11). Aufgrund der Konnexionsrekursivität, der damit verbundenen Konnexionshierarchisierung (7) und der auf den Basiskategorien basierenden Knotenbildung erscheint eine dependenzielle Satzstruktur insgesamt als ein „nœud de nœuds“ (Ele´ments, 14), d. h. als eine Knotenhierarchie, deren (maximal übergeordneter) „nœud central“ im allgemeinen ein „nœud verbal“, d. h. ein von einem (lexikalischen) Verb gebildeter Knoten ist (Ele´ments, 15). Ein besonderer Aspekt der syntaktischen Strukturproblematik ist mit dem Terminus „nucle´us“ verbunden; vgl. folgende Definition: „[Kap. 22] 5. ⫺ Nous de´finirons le nucle´us comme l’ensemble dans lequel viennent s’inte´grer, outre le nœud structural proprement dit, tous les autres e´le´ments dont le nœud est comme le support mate´riel, a` commencer par les e´le´ments se´mantiques.“ (Ele´ments, 45)
Der Nukleus-Begriff ist weitgehend eine weitere Konsequenz der Beschränkung auf vier konnexionsstiftende lexikalische Basiskategorien. Praktisch handelt es sich beim „nucle´us“ entweder um ein einwortiges Regens (parle, livre) oder eine Fügung aus einem vollsemantischen Lexem und einem grammatischen Auxiliarwort oder eine Fügung aus zwei grammatischen Wörtern, von denen wenigstens das eine einer der Basiskategorien zugeführt werden kann (vgl. die Beispiele est arrive´, est grand, a vu, habite-t-il, le livre, d’Alfred, quelque chose, ne rien). In Tesnie`re (1953, 3) wird die semantische Funktion des Nukleus besonders hervorgehoben: „Le nucle´us est l’atome constitutif de la phrase. C’est lui qui contient l‘ide´e. Il assume la fonction se´mantique.“ In den Ele´ments findet sich eine Reihe z. T. metaphorischer Charakteristiken des Nukleus: „le sie`ge d’un certain nombre de fonctions“, „l’entite´ syntaxique e´le´mentaire, le mate´riau fondamental de la charpente structurale de la phrase“, „centre de concre´tion“ (Ele´ments, 45 f.), die alle eine Bedeutung im Sinne von semantisch bzw. auch morphosyntaktisch integriertem einfachem oder komplexem Glied erkennen lassen. Die im Dienste der Integration stehenden Hilfswörter oder -elemente, die zu den nicht knotenstiftenden sog. „leeren Wörtern“ gehören, sind intranuklear und erscheinen dabei als Zusatz zur nukleusstiftenden Basiskategorie und darüber hinaus zum dependenziellen und semantischen Grundgerüst des Satzes. Folglich gibt es keine nukleusinternen Konnexionen (vgl. auch Ele´ments, 57); Dependenzbeziehungen sind im Prinzip internuklear und bestehen zwischen einfachen oder komplexen Nuklei. Aus der strukturell verbindenden Funktion der Konnexion folgt, dass die Zahl der Nuklei die Zahl der Konnexionen immer um eine übersteigt (Tesnie`re 1953, 3). Zur expliziten Markierung der Nukleusbildung führt Tesnie`re einen ovalen Kreis ins Stemma ein. Vgl. (12)⫺(15):
(12)
parle
Alfred
Stemma 26
88 (13)
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
il regarde
le livre
d’Alfred
Stemma 33
(14)
est arrivé
Alfred
Stemma 27
(15)
est grand
Alfred
Stemma 28
Am häufigsten wird aber auf die Setzung des ovalen Kreises in den Stemmata verzichtet, da der Nukleusstatus sowieso an der Nebeneinanderstellung zweier Elemente (ohne darüber stehende getrennte Konnexionskanten) erkennbar ist. Wie aus (5) und (7) und den daran angeschlossenen Ausführungen zu den „vollen“ und „leeren“ Wörtern hervorgeht, haben die Dependenzstrukturen eine lexikalisch-semantische Basis, wobei sich in der Knotenbildung der lexikalisch-semantische und syntaktische Aspekt gegenseitig bedingen. (Hier und im folgenden ist ‘lexikalisch’ nicht im Sinne von ‘einzellexembezogen’, was Tesnie`res Konzeption widersprechen würde, sondern als ‘auf
eine Hauptwortart bzw. Basiskategorie bezogen’ zu verstehen.) Vgl.: „[Kap. 23] 1. ⫺ Parmi les diverses fonctions du nucle´us, il en est deux qui sont fondamentales, la fonction nodale et la fonction se´mantique. 2. ⫺ Il ne peut y avoir de nucle´us sans fonction nodale, puisque […] la notion meˆme de nucle´us n’est qu’un e´largissement de celle de nœud qu’elle comporte. 3. ⫺ Il ne peut y avoir de nucle´us sans fonction se´mantique, puisque le structural n’a de raison d’eˆtre que dans le se´mantique […], et que par conse´quent un nucle´us purement structural n’aurait pas de raison d’eˆtre […].“ (Ele´ments, 46)
Aus diesen Festlegungen erhellt zum einen, dass Nukleus im Sinne von Tesnie`re im allgemeinen nicht mit Konstruktion bzw. Phrase im konstituentenstrukturgrammatischen Sinne gleichgestellt werden sollte; dem entspricht eher Knoten („nœud“). Zum anderen wird vor diesem Hintergrund Tesnie`res Aussage verständlich, dass erst der ⫺ einfache oder komplexe ⫺ Nukleus, nicht das Wort, die wirkliche „unite´ structurale“ der gesprochenen Kette sei (Ele´ments, 47). Die beiden Stemmata 27 (14) und 28 (15) sind Beispiele für sog. „dissoziierte Nuklei“, wo die strukturale und die semantische Funktion nicht im selben Wort lokalisiert sind. Als das Beispiel par excellence für diesen Tatbestand werden die traditionellen sog. „zusammengesetzten Zeiten“ herangezogen (vgl. Stemma 27 (14)), denen Kopulakonstruktionen wie die in Stemma 28 (15) anzuschließen seien (vgl. Lambertz 1982, 206⫺221). Die semantische Basis der Beschreibung traditioneller Auxiliarkonstruktionen durch Tesnie`re wird besonders deutlich beim Vergleich mit der Analyse von Verbketten bei Gunnar Bech (1955, 12⫺16, 25 f.), der Dependenzbeziehungen zwischen Verbformen auf der Grundlage morphologischer Gegebenheiten ermittelt (vgl. Askedal 1994). (Die oberflächlich betrachtet stemmaähnliche Analyse von Auxiliarkonstruktionen in Tesnie`re 1939, 170 f.; 173⫺177, ist eine Art Expansions- und Sequentialisierungsanalyse, vgl. z. B. (16)). Sie ist mit einer Konnexionsanalyse nicht zu verwechseln. (Vgl. dazu vor allem Gre´ciano 1996.) 2.5. Dependenz und Linearisierung Die in 2.2. angesprochene Dimensionalitätsproblematik führt logischerweise zur Frage der Linearisierung von Regentien und ihren Dependentien als theoretisch eigenständigem Aspekt der Knoten- bzw. Satzstruktur über.
89
10. Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnie`re
(16)
schlägt
Genus: Passiv
Zeit: vorzeitig
worden
ist
Modalität: können
Zeit: vorzeitig
geschlagen
wird
hat
kann
worden
sein
können
Mit seiner Unterscheidung zwischen zentrifugaler (auch „montant“ genannt) (linksdirektionaler, z. B. weißes Pferd) und zentripetaler (rechtsdirektionaler, z. B. cheval blanc) Linearisierung nimmt Tesnie`re die von Greenberg (1966) initiierte, in der späteren sprachtypologischen Forschung grundlegend wichtige Wortfolgetypologie in Ansätzen vorweg (Ele´ments, 23⫺25). Durch die zusätzliche terminologische Unterscheidung von „ordre accuse´“ und „ordre mitige´“ wird das (In)konsistenz-Problem (vgl. Oesterreicher 1989) angedeutet. Die areale Verbreitung der vier sich daraus ergebenden Typen „langue centrifuge accuse´e“, „langue centrifuge mitige´e“, „langue centripe`te mitige´e“ und „langue centripe`te accuse´e“ in den Sprachen der Welt wird auf einer Faltkarte am Ende des Buches vorgestellt. Die Diskussion von Wortfolgemöglichkeiten auf Satzebene bezeugt, dass Tesnie`re auch auf die drei universell hauptsächlichen Abfolgemöglichkeiten SVO, VSO und SOV (Comrie 1983, 81 f.) durchaus aufmerksam ist. 2.6. Dependenz und semantische Beziehungen Im Hinblick auf das Verhältnis von syntaktischer Dependenz (Konnexionsbeziehung) und Bedeutung wird grundsätzlich die systematische Autonomie der strukturalen Ebene im Verhältnis zur Semantik hervorgehoben, was durch den Hinweis auf im Hinblick auf syntaktische Beziehungen interpretierbare Nonsense-Sätze begründet wird (Ele´ments, 41 f.). Auf der grundsätzlichen Annahme einer Autonomie der Syntax gegenüber der Semantik basiert auch Tesnie`res vor allem in übersetzungswissenschaftlichem Zusammenhang einschlägiges Prinzip der „Me-
geschlagen
sein
geschlagen
worden
geschlagen
tataxe“ als interlingualer grammatischer Strukturwechsel bei gleichbleibendem Inhalt; vgl. insbesondere: „La me´tataxe n’est qu’une application du principe de l’inde´pendance du structural et du se´mantique […], puisqu’il s’agit d’exprimer une ide´e se´mantiquement identique par une phrase structuralement diffe´rente“. (Ele´ments, 284). Und in auf die übersetzerische Praxis bezogener Formulierung: „La me´tataxe comporte par de´finition une diffe´rence entre le stemma de la phrase a` traduire et celui de la phrase traduite dans une autre langue.“ (Ele´ments, 283). (Vgl. des weiteren Koch 1996.) Andererseits dürfte aber aus den Ausführungen in 2.3. hinreichend deutlich hervorgehen, dass die die strukturale Ordnung begründenden Konnexionen eine kategoriale semantische Basis haben. Auch in anderen Zusammenhängen betont Tesnie`re stark die Interrelationen zwischen Syntax und Semantik: „[…] il n’existe jamais de connexion structurale sans connexion se´mantique […]“ (Ele´ments, 44). In concreto wird eine modifizierte Isomorphie-These vertreten, die besagt, dass syntaktische und semantische Konnexionsbeziehungen nicht identisch seien, wohl aber parallel verliefen: „Entre les deux, il n’y a identite´, mais il y a paralle´lisme.“ (Ele´ments, 42; vgl. auch Langacker 1995, 23; 30; 37). Dabei sind die syntaktische und die semantische Determinationsrichtung einander entgegengesetzt: „Le sens du subordonne´ porte sur celui du re´gissant dont il de´pend.“ In diesem Sinne ist das Regens dem Dependens (bzw. den Dependentien) syntaktisch übergeordnet, während das syntaktische Dependens (bzw. die Dependentien) das Regens semantisch determiniert (determinieren). Vgl. (17):
90
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
(17) ruisseaux B petits
ruisseaux A petits
INCIDENCE STRUCTURALE
INCIDENCE SE´MANTIQUE
Stemma 22
Stemma 23
Als systematisch eigenständiger referentiellsemantischer Bereich kommen die anaphorischen Beziehungen hinzu, die mit keiner syntaktischen oder semantischen Konnexionsbeziehung überlappen (Ele´ments, 85⫺91, vgl. Stemma 66 in (6)). Es gibt m. a. W. keine strukturalen Konnexionen ohne begleitende semantische Konnexion, wohl aber semantische, d. h. in diesem Zusammenhang anaphorische Konnexionen ohne begleitende strukturale Konnexion. Auch wenn das Verhältnis zwischen Syntax und Semantik bei Tesnie`re im einzelnen etwas ungeklärt und sogar widersprüchlich erscheinen mag, ist ihm die Verbindung von beidem so wichtig, dass er sie unter Hinweis auf Wilhelm von Humboldts „innere Sprachform“ zur „forme inte´rieure [de la phrase]“ erklärt (Ele´ments, 34).
3.
Aktanten, Zirkumstanten und Valenz
3.1. Aktant/Zirkumstant-Unterscheidung und Aktantenklassifikation Der Konzeptualisierung der Aktanten- und Valenzproblematik dienen bei Tesnie`re zwei Metaphern aus nichtgrammatischen Bereichen. Es sind dies zum einen die „DramenMetapher“ (vgl. schon Tesnie`re 1934b, 223) und zum anderen die ⫺ zweite (zur ersten siehe 2.1.) ⫺ „Atom-Metapher“. (Zu der in späteren Schriften nicht wiederholten „Sonnen-Metapher“ von Tesnie`re 1934b, 223 vgl. 2.3.) Die Dramen- und die (zweite) AtomMetapher werden getrennt präsentiert und diskutiert und geben zu jeweils unterschiedlichen Perspektivierungen des Valenzbegriffs Anlass. Der Begriff Valenz als solcher tritt nur in Verbindung mit der Atom-Metapher auf, jedoch sind beide Metaphern für das Verständnis der Valenzkonzeption Tesnie`res gleichermaßen einschlägig. Die „Dramen-Metapher“ schließt an den dependenziellen Begriff „nœud verbal“ (im Sinne eines Hypotagmas) an: „[Kap. 48] 1. ⫺ Le nœud verbal […] exprime tout un petit drame. Comme un drame en effet, il com-
porte obligatoirement un proce`s, et le plus souvent des acteurs et des circonstances. 2. ⫺ Transpose´s du plan de la re´alite´ dramatique sur celui de la syntaxe structurale, le proce`s, les acteurs et les circonstances deviennent respectivement le verbe, les actants et les circonstants.“ (Ele´ments, 102)
Die in diesem Zitat zum Ausdruck gebrachte binäre Aktant/Zirkumstant-Unterscheidung ist schon bei Tesnie`re (1934a, 151⫺155, 1934b, 226) vorhanden. Die genauere Bestimmung der durch die Dramen-Metapher eingeführten Aktanten steht unter dem Einfluss der in früheren Kapiteln ausgeführten Dependenztheorie sowie auch bestimmter Sehweisen der traditionellen Grammatik. Im Hinblick auf den oftmals hervorgehobenen Zusammenhang zwischen Valenz und Dependenz bei Tesnie`re (vgl. z. B. Weber 1996, 255) ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass nur eine Untermenge der vom regierenden verbalen Zentralknoten potentiell ausgehenden Konnexionen durch die Valenz festgelegt ist, da Aktanten und Zirkumstanten gleichermaßen „subordonne´s imme´diats du verbe“ sind (Ele´ments, 103 sowie diagrammatisch schon Tesnie`re 1934a, 150). Hinzu kommt noch, dass Valenz bei Tesnie`re auf Verben beschränkt ist (Lambertz 1982, 4), weswegen die Konnexionen sich nicht generell auf Valenz zurückführen lassen. Es wäre somit eine unzulässige Vereinfachung, die Dependenzgrammatik Tesnie`res als Verbgrammatik einzustufen (vgl. Engel 1996, 55). Auf diesem Hintergrund ist Valenz eher als „verbbezogener Teilbereich“ (Koch/Krefeld 1991, 6) der konnexionellen Dependenz aufzufassen. (Vgl. auch Happ 1976, 314: „Valenz-Theorie (ein[…] Teilbereich der Dependenz-Grammatik)“; Lambertz 1982, 30: „Valenz als Sonderfall der Dependenz“; 34 f.) Die konnexionelle Gleichstellung von Aktanten und Zirkumstanten im Verhältnis zum verbalen Zentralknoten (vgl. 2.2.) ergibt sich folgerichtig aus Tesnie`res Auffassung einfacher Satzstrukturen als „nœuds verbaux“ und drückt sich auch in der Aufgabe des traditionellen Sonderstatus des sog. Subjekts aus: „[…] le sujet est un comple´ment comme les autres“ (Ele´ments, 109, gleiche Formulierung schon bei Tesnie`re 1934b, 217). Aktanten und Zirkumstanten werden bei Tesnie`re sowohl morphologisch als auch semantisch beschrieben bzw. definiert. Etwa in Übereinstimmung mit der traditionellen Grammatik (einschließlich der klassischen Kasussyntax) werden auf formal-mor-
91
10. Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnie`re
phologischer Grundlage solche Glieder als Aktanten bestimmt, die Substantive oder Äquivalente von Substantiven sind, während Zirkumstanten Adverbien oder Äquivalente von Adverbien sind (vgl. auch Stötzel 1970, 84 f.). Vgl.: „[Kap. 48] 6. ⫺ Les actants sont toujours des substantifs ou des e´quivalents de substantifs. Inversement les substantifs assument en principe toujours dans la phrase la fonction d’actants. […] 8. ⫺ Les circonstants sont toujours des adverbes (de temps, de lieu, de manie`re etc. …) ou des e´quivalents d’adverbes. Inversement les adverbes assument en principe toujours dans la phrase la fonction de circonstants.“ (Ele´ments, 102 f.)
Dadurch kommt es zu einer empirisch nicht zu rechtfertigenden Identifikation von Form und Funktion (Feuillet 1996, 130 f.). Insbesondere hat dies zur Folge, dass Präpositionalglieder auch dann als Zirkumstanten eingestuft werden, wenn sie obligatorisch sind bzw. eine vom Verb determinierte Präposition enthalten (vgl. kritisch Lambertz 1982, 197⫺206, Feuillet 1995, 177⫺179). So ist Tesnie`re gezwungen zuzugeben, dass gewisse PPs wie de veste im Satz Alfred change de veste sich den Aktanten nähern „par l’e´troitesse de leur connection avec le verbe dont le sens apparaıˆt incomplet sans eux.“ (Ele´ments, 128). Dabei stellen freilich PPs als Realisierung von Drittaktanten, wie a` Charles im Satz Alfred donne le livre a` Charles, eine von Tesnie`re zugelassene Ausnahme dar (Ele´ments, 110, 114 f.). Dazu macht er freilich geltend, dass die Drittaktanten sich den Zirkumstanten nähern „dans les langues ou` ils sont signale´s par des pre´positions“ (Ele´ments, 128). Bei Aktanten wie auch bei Zirkumstanten wird eine Art semantischer Gesamtbedeutungs- bzw. Prototypizitätsbestimmung geltend gemacht: „Les actants sont les eˆtres ou les choses qui […] participent au proce`s. […] Les circonstants expriment les circonstances de temps, lieu, manie`re, etc. … dans lesquelles se de´roule le proce`s.“ (Ele´ments, 102) „[…] le prime actant est celui qui fait l’action. […] le second actant est celui qui supporte l’action.“ (Ele´ments, 108) „[…] le tiers actant est celui au be´ne´fice ou au de´triment duquel se fait l’action.“ (Ele´ments, 109)
(Vgl. auch Koch/Krefeld 1991, 14⫺22.) Insbesondere die semantische Definition des Erst- und Zweitaktanten (in nicht wenigen Sprachen auch des Drittaktanten) muss notwendig mit der Aktantenbestimmung in der reflexiven und passiven Diathese in Widerspruch geraten, wo der Erstaktant in einer
Patiensbeziehung zum Verb steht und der Agens der Verbalhandlung fehlt bzw. ⫺ Tesnie`re zufolge ⫺ (fakultativer) Zweitaktant ist (vgl. 4.1.). Es ist anzunehmen, dass die Beschränkung der quantitativen Aktantenbestimmung bei Verben auf Null- bis Dreiwertigkeit (Ele´ments, 106 f.) den Vorgaben traditioneller Rektionsmuster folgt. (Zu den Unterschieden zwischen dem Rektionsbegriff der grammatischen Tradition und dem sich nicht zuletzt aus der Beschäftigung mit Tesnie`re ergebenden allgemeineren Verständnis von Valenz als spezifischer Kombinierfähigkeit vgl. zusammenfassend Happ 1976, 127 f.) In den Konnexionsstemmata Tesnie`res wird der Unterschied zwischen valenzbedingten Aktanten einerseits und nichtvalenzbedingten Zirkumstanten andererseits nicht dependenziell ausgezeichnet. Eine Kennzeichnung erfolgt nur auf kategorieller Ebene ⫺ und nicht durchgehend ⫺ durch die Setzung des Adverb-Symbols „E“ am Kantenende zur Markierung von Zirkumstantenstatus (Ele´ments, 125⫺127): (18)
Alfred
passera
E rapidement
E là-bas
E demain
Stemma 123 Diese eher behelfsmäßige Kennzeichnung hängt damit zusammen, dass in den „flachen“ Dependenzstrukturen bzw. -diagrammen Tesnie`res Aktanten und Zirkumstanten in ihrem Verhältnis zum verbalen Zentralknoten des Satzes auf der gleichen Abhängigkeitsstufe stehen. Diese Gleichstellung ist im Hinblick auf sowohl Aktanten wie auch Zirkumstanten in empirischer Hinsicht zu problematiseren. Zum einen lässt sich nachweisen, dass Subjekte, direkte und indirekte Objekte z. T. unterschiedliche syntaktische Regeleigenschaften haben (vgl. die in dieser Hinsicht weiterführende Diskussion von Subjekten und Objekten schon bei Engelen 1975, 105⫺ 108 sowie generell Johnson 1977). Zum anderen vermögen „flache“ Stemmata wie (18) kein intuitiv befriedigendes (Ab-)Bild der vielfältigen Bezugsmöglichkeiten der in der Zirkumstanten-Klasse zusammengefassten unterschiedlichen Typen traditioneller Adverbi-
92 albestimmungen zu geben (vgl. Melis 1983, Kotschi 1991, Feuillet 1996, 130). Gewisse Züge der Aktant/ZirkumstantUnterscheidung, die unter natürlich-sprachlichem Aspekt nicht selbstverständlich oder jedenfalls problematisierbar sind, können in Zusammenhang mit der Dramen-Metapher gesehen werden: 1. Etwa so wie im Drama zwischen menschlichen Akteuren und nichtmenschlichen Kulissen klar unterschieden wird, wird bei Tesnie`re ⫺ und zumeist auch in der späteren auf Tesnie`re basierenden Valenzlehre ⫺ eine strikte Dichotomisierung der Dependentien in Aktanten und Zirkumstanten angenommen. Die empirisch gleich naheliegende Vorstellung einer Übergänglichkeit oder Gradienz (vgl. Engelen 1975, 161⫺176, Vater 1978, Heger 1996) ist der Tesnie`re-Rezeption überwiegend fern geblieben. ⫺ 2. Etwa so, wie man im Drama vielfach zwischen einer Hauptperson und weniger wichtigen Personen unterscheiden kann, nimmt Tesnie`re eine Hierarchisierung der Aktanten als jeweils Erst-, Zweit- und Drittaktant an (Ele´ments, 108). Auf etwa die gleiche Weise, wie im Drama ⫺ und im Leben ⫺ eine Person trotz allen Wandels der äußeren Umstände seine Identität wahrt, kommt den Aktanten Kategorienkonstanz in Form einer konstanten Zuordnung von morphologischer Erscheinungsform und der Zuweisung eines bestimmten Stellenwerts in der Aktantenhierarchie zu: das traditionelle Subjekt ist immer Erstaktant, das traditionelle (zumeist sog. „direkte“) Akkusativobjekt Zweitaktant und das traditionelle (zumeist sog. „indirekte“) Dativobjekt Drittaktant. (Darin mag man freilich einen gewissen Widerspruch zur grundsätzlichen dependenziellen Gleichsetzung der drei Aktantenkategorien sehen.) Für das Vorkommen der Aktanten in Aktantenkonfigurationen („Satzmuster“) wird folgendes logische Transitivitätsprinzip postuliert:
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
kumstanten keine Rangordnung eingeführt, sondern an einer weitgehend traditionellen semantischen Adverbklassifikation festgehalten (Ele´ments, 74⫺79, 125) (durch die man den unterschiedlichen strukturellen Bezugsmöglichkeiten adverbialer Zirkumstanten nicht gerecht wird, vgl. oben). Es deutet sich hier ein metaphorisch-konzeptueller Zusammenhang damit an, dass in einem Drama die Akteure dynamisch und nach Handlungssalienz abstufbar, die Kulissen aber statisch und nach Handlungssalienz nicht abstufbar sind. ⫺ 4. Mit der Dramen-Metapher hängt es möglicherweise auch noch zusammen, dass Tesnie`re nur bei lexikalischen Vollverben Aktanten, d. h. Valenz annimmt und eine besondere Adjektivvalenz überhaupt in Abrede stellt: „[…] le verbe peut re´gir des actants et des circonstants, l’adjectif des circonstants seulement“ (Ele´ments, 182). Im Rahmen der Konnexionshierarchie in (7) bleibt somit die Aktant/Zirkumstant-Unterscheidung auf das Verhältnis zwischen regierendem I-Knoten bzw. -Nukleus und davon regiertem originärem oder transferiertem O bzw. E beschränkt (prädikative Adjektive werden in den verbalen Nukleus einbezogen). Auch wenn man in der Dramen-Metapher Tesnie`res eine Vorwegnahme der modernen kognitiven „script“- und „frames“-Konzeption sehen mag (Heringer 1984, 47), basiert die Aktantendarstellung in den Ele´ments im großen ganzen auf Vorgaben der traditionellen Kasussyntax, die erst in der ⫺ vor allem deutschen ⫺ Tesnie`re-Rezeption überwunden werden konnten (vgl. zusammenfassend Happ 1976, 325⫺332).
„[Kap. 51] […] le prime actant se rencontre en principe dans toutes les phrases a` un, a` deux ou a` trois actants; […] le second actant se rencontre en principe dans toutes les phrases a` deux ou a` trois actants; […] le tiers actant ne se rencontre que dans les phrases a` trois actants.“ (Ele´ments, 108)
3.2. Valenzklassifikation In der Darstellung der Aktanten (Ele´ments, 105 ff.) findet der Valenz-Begriff nur einmal Erwähnung, und zwar eher nebenbei in Verbindung mit der Polemik gegen den traditionell angenommenen Sonderstatus des Subjekts (Ele´ments, 105). Die Quelle der grammatischen Verwendung des Valenz-Begriffs ist die der Fachsprache der Chemie entnommene Atom-Metapher. Vgl.:
Die hier vorausgesetzte einfache Kategorientransitivität gerät freilich mit der auf morphosyntaktischer Kasuszuordnung basierenden Kategorienkonstanz in Widerspruch (vgl. Ele´ments, 242; 246; 256 sowie 3.2.). ⫺ 3. Anders als bei den Aktanten wird bei den Zir-
„[Kap. 97] On peut ainsi comparer le verbe a` une sorte d’atome crochu susceptible d’exercer son attraction sur un nombre plus ou moins e´leve´ d’actants, selon qu’il comporte un nombre plus ou moins e´leve´ de crochets pour les maintenir dans sa de´pendance. Le nombre de crochets que pre´sente un verbe et par conse´quent le nombre d’actants
93
10. Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnie`re qu’il est susceptible de re´gir, constitue ce que nous appellerons la valence du verbe.“ (Ele´ments, 238)
Die aus der Chemie stammende Atom- und Valenz-Metapher steht deutlich unter dem Einfluss des Tesnie`reschen Dependenz-Konzepts (vgl. den Gebrauch des Verbs re´gir in beiden Fällen). Zwischen dem grammatischen Valenz-Konzept Tesnie`res und dem Valenzverständnis der Chemie besteht indessen der konzeptuelle Unterschied, dass in der Chemie die Beziehungen zwischen den Molekülen in Atomen nicht als einseitig gerichtete, sondern vielmehr als gegenseitige Abhängigkeiten zu verstehen sind (vgl. Stötzel 1970, 79). Zu bemerken ist, dass „valence“ im obigen Zitat als singularisches Kollektivum die Gesamtheit der Aktanten bzw. Valenzbeziehungen bezeichnet. Daneben findet sich auch ⫺ zur individualisierenden Bezeichnung von Valenzbeziehungen ⫺ der Plural „valences“, der die zugrunde liegende, auf Gegebenheiten der Chemie basierende Metapher unmittelbarer reflektieren dürfte. Besonders zu beachten ist, dass der sprachliche Valenz-Begriff Tesnie`res die Möglichkeit ungesättigter Valenz, d. h. Fehlen bzw. ⫺ unter systematischem Aspekt gesehen ⫺ Fakultativität von Aktanten durchaus vorsieht: „[…] il n’est jamais ne´cessaire que les valences d’un verbe soient toutes pourvues de leur actant et que le verbe soit, pour ainsi dire, sature´. Certaines valences peuvent rester inemploye´es ou libres.“ (Ele´ments, 238 f.). Mit dem Wort jamais greift aber Tesnie`re angesichts des tatsächlichen Vorhandenseins nicht zu behebender Obligatheit (vgl. z. B. Welke 1988, 22⫺32) aus empirischer Sicht jedoch zu kurz. (Vgl. auch Storrer 1996.) Im Rahmen der Atom-Metapher in Tesnie`rescher Auslegung wird Valenz als aktantendeterminierende Wertigkeit des Verbs verstanden, und die Verben ⫺ gemäß der im Rahmen der Dramen-Metapher etablierten Beschränkung der Aktanten auf die drei Typen des Erst- bis Drittaktanten ⫺ hauptsächlich als mono- bis trivalent bestimmt (Ele´ments, 239⫺258; vgl. dazu auch Stötzel 1970, 83 f.). Vgl. die entsprechenden Dependenzstemmata in (19)⫺(21):
(19)
parle
Alfred
Stemma 1
(20)
frappe
Alfred
Bernard
Stemma 6
(21)
donne
Alfred
le livre
à Charles
Stemma 77
Die Erörterung der di- und trivalenten Verben erfolgt unter der gemeinsamen traditionellen Überschrift „Transitive Verben“ (Ele´ments, 242), wobei Tesnie`re auf das Fehlen eines besonderen Terminus für trivalente Verben ausdrücklich aufmerksam macht. Lexikalische Impersonalia (lat. pluit, dt. es regnet usw.) werden als vierter, besonderer Typ der avalenten, nullwertigen Verben angesetzt. Die Definition der avalenten Verben ist eine referentiell-semantische; formalen Subjekten wird kein Aktantenstatus, sondern nur die grammatische Funktion eines Markierers der 3. Person Sg. eingeräumt (Ele´ments, 239). In diesem Zusammenhang ist auf Stötzels (1970, 86 f. et passim) in Auseinandersetzung mit Tesnie`re begründete Unterscheidung zwischen Ausdrucks- und Inhaltsvalenz hinzuweisen, zumal Tesnie`re sich schon in Zusammenhang mit sog. „inneren Objekten“ („accusatif de l’objet interne“, z. B. französisch vivre sa vie, deutsch seinen Weg gehen) auf eine derartige Unterscheidung bezieht: „Il y a lieu de noter que les verbes monovalents ainsi traite´s ne cessent pas, malgre´ leur divalence apparente, d’e`tre des verbes se´mantiquement monovalents“. (Ele´ments, 272). In Zusammenhang mit diachronischen Überlegungen zur Herausbildung von Aktanten (was als ein historischer Prozess der Grammatikalisierung von Zirkumstanten zu Aktanten aufgefasst werden kann, vgl. z. B. Seefranz-Montag 1984, 521 f.) wird auch die etwaige Möglichkeit vierwertiger Verben anvisiert (Ele´ments, 258). In Tesnie`re (1954, 9) wird die Möglichkeit der Tetravalenz direkt in Abrede gestellt: „Il n’existe pas […] de verbes te´travalents (a` quatre valences).“ (Jedoch
94 nimmt Tesnie`re Tetravalenz als Ergebnis diathetischer Valenzerhöhung an, vgl. 4.3.) Für valenzbedingte Aktanten gilt die schon in Verbindung mit der Dramen-Metapher angesprochene Kategorienkonstanz. Jedoch wird hier die in Zusammenhang mit der Aktantenbestimmung formulierte Transitivitätsthese für das Vorkommen von Aktanten ⫺ ein Zweitaktant setzt einen Erstaktanten, und ein Drittaktant einen Zweitaktanten voraus ⫺ dahin modifiziert, dass ein monovalentes Verb zwar normalerweise einen Erstaktanten, aber auch u. U. einen Zweitaktanten (il pleut des hellebardes) oder einen Drittaktanten (es ist mir warm) haben kann (Ele´ments, 242) und dass es nicht nur bivalente Verben mit Erst- und Zweitaktanten, sondern auch solche mit Erst- und Drittaktanten (dieses Buch gefällt mir) gibt (Ele´ments, 246) (vgl. kritisch dazu Feuillet 1995, 178, 1996: 130 f.; 133). Ähnlich werden im Satz Wer hat dich solche Streiche gelehrt? aufgrund der Kasusmorphologie zwei Zweitaktanten angenommen (Ele´ments, 256). An solchen Fällen wird das Fehlen einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Kasusmarkierung einerseits und syntaktischer Funktion eines kasusmarkierten Elements andererseits bei Tesnie`re besonders deutlich (vgl. Lazard 1995, 156; 158, zur typologischen Vielfalt im Bereich der Aktantenkodierung und Aktantenfunktionen siehe vor allem Lazard 1994). In den Bereich der „Metataxe“, genauer der „interversion des actants“ gehört der interlinguale Aktantenwechsel in Fällen wie z. B. deutsch Sein Knecht half ihm (Drittaktant) vs. französisch Son valet l (Zweitaktant)’aida bzw. Ihm (Drittaktant) wurde von seinem Knecht geholfen vs. Il (Erstaktant) fut aide´ par son valet (Ele´ments, 287, vgl. auch Koch 1996 mit Hinweisen). Die Valenzkonzeption der Ele´ments ist bei Tesnie`re (1934a, 151⫺155) vorgebildet, wo die Dramen-Metapher zwar nicht ausformuliert vorliegt, wohl aber die Termini „acteur“ und „circonstance“ (als der Bühnenterminologie noch näher stehende Vorläufer für „actant“ und „circonstant“ in den Ele´ments) verwendet werden. Die Verben werden hier entsprechend eingeteilt als „action sans acteur, a` un acteur, a` deux acteurs, a` trois acteurs“. Insgesamt erfolgt die Darstellung der lexikalischen Valenz bei Tesnie`re im Rahmen der allgemeinen dependenziellen Syntaxtheorie ⫺ nicht etwa als ihre Grundlage. Anders als z. B. bei Peirce (1960, 296) und Helbig/Buscha (1984, 625⫺629) finden sich in den Ele´-
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
ments keine Diagramme, die sich als auf sprachliche Valenz speziell bezogene Nachbildungen von in der Chemie üblichen Valenzdiagrammen auffassen lassen. (Damit wäre am ehesten das auf der „Sonnen-Metapher“ basierende Diagramm in Tesnie`re 1934b vergleichbar, vgl. 2.2.) 3.3. Aktanten als Indizes Die unbetonten Subjektformen französischer Personalpronomina werden von Tesnie`re anders als betonte Formen ⫺ und anders als die etymologischen Äquivalente der unbetonten Formen im Lateinischen und modernen Altfranzösischen ⫺ als sogenannter „persönlicher Index“ mit der Funktion, Person und Numerus des Verbs anzuzeigen, aufgefasst (Ele´ments, 57 f.; 85) und dementsprechend wie in (22) in den verbalen Nukleus einbezogen (vgl. auch Tesnie`re 1953, 19): (22)
aime
les roses
il
Stemma 34 So hat der nukleusinterne Konnexionsstrich in Stemma 34 (Ele´ments, 58) nur einen „etymologischen Wert“. Zur Veranschaulichung des Status unbetonter Objektformen und der Adverbialpronomina en und y werden Stemmata der gleichen Art wie (22) verwendet. Vgl. (23)⫺(24): (23) remercie
j’
la Providence
en
Stemma 131 Die Überlegungen Tesnie`res zur Indexikalisierung bestimmter Pronominalformen als diachronischem Prozess entsprechen einschlägigen Vorstellungen von der Entwicklung neuer morphologischer Strukturen im Französischen (Harris 1988, 231 f.; 236, vgl. auch Creissels 1994). Unter einem Valenzaspekt
95
10. Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnie`re
(24) remercie
Alfred
vous
en
beaucoup
Stemma 130
wird freilich von Tesnie`re hervorgehoben, dass die auf diese Weise in den verbalen Nukleus einbezogenen pronominalen Formen ihren Aktanten- bzw. Zirkumstantenstatus beibehalten (Ele´ments, 133; vgl. auch Allerton 1995, 250 f.).
4.
Diathesen und quantitativer Valenzwechsel
4.1. Diathesen Der Begriff Diathese kommt in zwei verschiedenen Zusammenhängen zum Tragen: zum einen unter referentiellem Aspekt bei der Darstellung der Valenz der transitiven, d. h. zwei- und dreiwertigen Verben und zum anderen zur Charakterisierung unterschiedlicher Typen des Aktantenzahlwechsels (Ele´ments, 242⫺254; 256 f. bzw. 259⫺282). Im ersteren Fall geht es um intrasententielle Referenz- und Korrespondenzbeziehungen der in (25) vorgestellten Art (vgl. Ele´ments, 243; Tesnie`re 1953, 9; siehe auch Stötzel 1970, Kap. 6; zu Reflexivverben und -konstruktionen 177⫺192): (25) Aktives Verb: Passives Verb: Reflexives Verb: Reziprokes Verb:
O J O : Alfred frappe Bernard. O I O : Bernard est frappe´ par Alfred. O m O : Alfred se frappe. O O O : Alfred et Bernard se frappent (l’un l’autre).
Anders als die im folgenden zu behandelnden Diathesen (als Arten des quantitativen Valenzwechsels) setzt die Analyse in (25) volle quantitative Valenz voraus. (Vgl. auch Melis 1991.)
4.2. Quantitativer Valenzwechsel Es sind drei Arten des quantitativen Valenzwechsels vorgesehen: 1. Wechsel, die auf semantischen Beziehungen zwischen Lexemen beruhen: mourir/sterben (1 Aktant) vs. tuer/ töten (2 Aktanten) ‘faire mourir/sterben machen, lassen’, voir/sehen (2 Aktanten) vs. montrer/zeigen (3 Aktanten) ‘faire voir/sehen machen, lassen’ (Ele´ments, 259 f.), 2. kausative Diathese und 3. „rezessive“ Diathese. (Ansätze zu diesem Diathesenverständnis finden sich schon in Tesnie`re 1934a, 154, wo „causatif“ und „pseudo-re´fle´chi“ als Mittel zur „variation du nombre des acteurs“ Erwähnung finden.) Tesnie`re hebt die semantische Ähnlichkeit zwischen den beiden ersteren Typen hervor und betont des weiteren, dass beim zweiten Typ im Unterschied zum ersten die semantische Beziehung zwischen niedrigerer und höherer Aktantenzahl als generelles „grammatikalisiertes System“ ⫺ genauer: „kausative Diathese“ ⫺ zum Zweck der Valenzerhöhung erscheint (Ele´ments, 265 f.). Demgegenüber stellt der dritte Typ ⫺ die „rezessive Diathese“ ⫺ ein Mittel zur Valenzreduktion dar (Ele´ments, 278⫺280). 4.3. Valenzerhöhung Die Darstellung der kausativen Diathese erfolgt im Rahmen der morphologisch basierten konstanten Aktantennummerierung. Beispielsweise wird behauptet, dass der Erstaktant des Satzes Alfred apprend la grammaire im Satz Charles fait apprendre la grammaire a` Alfred als Drittaktant erscheine (Ele´ments, 261). Mit Bezug auf die kausative Version von Sätzen mit dreiwertigem Verb wie Daniel fait donner le livre a` Alfred par Charles ist ⫺ anders als in der Darstellung der lexikalischen Primärvalenz (Ele´ments, 258) beim Glied par Charles von einem vierten Aktanten („quatrie`me actant“), d. h. durch die „pe-
96
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
riphrastische“ Konstruktion induzierter Tetravalenz die Rede (Ele´ments, 261 f.). Dabei gilt die fragliche PP ohne Vorbehalte als Aktant und nicht als Zirkumstant. Im Unterschied zu den späteren Ausführungen zur rezessiven Diathese wird hier angenommen, dass der ehemalige Erstaktant des nichtkausativen Verbs hinter alle übrigen Aktanten „zurückgeworfen“ wird (was in etwa der Darstellung vom Agensglied im Passiv als demoviertem Aktivsubjekt nach der Hierarchiekonzeption der „Relational Grammar“ von Johnson 1977 u. a. entspricht). Auch im Valenzunterschied zwischen dt. wohnen in (usw.) und bewohnen bzw. zwischen warten auf und erwarten sieht Tesnie`re Beispiele für die kausative Diathese (Ele´ments, 269). Dies mag damit zusammenhängen, dass PPs laut der Aktantendefinition Tesnie`res im allgemeinen kein Aktantenstatus zugestanden wird. Aus semantischer Sicht erscheint freilich die Charakterisierung als Kausativierung in diesen Fällen etwas fragwürdig; Tesnie`re hebt selbst vor allem die transitivierende Funktion der Vorsilben be- und er- der Verben bewohnen und erwarten mit angeblicher Valenzerhöhung als wesentlich hervor. Sicherlich nicht in den Bereich der Kausativierung gehören die von Tesnie`re als Beispiele für augenscheinliche („apparente“) Divalenz und Valenzerhöhung auch noch erwähnten sog. „inneren Akkusativobjekte“ bei fortwährender semantischer Monovalenz in Fällen wie seinen Weg gehen (Ele´ments, 272). Ein methodologischer Vorzug der Darstellung ist die saubere Trennung von Valenzerhöhung einerseits und der Markierung derselben beim Verb etwa als Begleiterscheinung (durch analytischen, synthetischen oder ØMarkanten) andererseits (Ele´ments, 267⫺ 272). 4.4. Valenzreduktion Auch die rezessive Diathese erscheint in drei Ausprägungen mit jeweils reflexivem, passivem oder Ø-Markanten. Zum dritten, lexikalischen Typ, dessen Darstellung bei Tesnie`re eher etwas zufällig anmutet (Ele´ments, 277 f.), gehören u. a. Fälle mit durch Phraseologisierung zustande gekommener Aktantenweglassung (die Henne legt u. ä.). Die sog. rezessive Diathese mit Reflexivmarkanten beruht laut Tesnie`re auf einer De-
semantisierung der Referenz des Reflexivpronomens („le substantif personnel dit re´fle´chi“) bei divalenten Verben, aus der inhaltliche Monovalenz resultiert, z. B. in Fällen wie la porte s’ouvre, die Tür öffnet sich, cet objet se vend bien, diese Sache verkauft sich gut (Ele´ments, 272 f.). Dem entspricht seine Empfehlung einer Umkehrung der herkömmlichen terminologischen Unterscheidung von „akzidentiellen“ („unechten“) und „essentiellen“ („echten“) reflexiven Verben (z. B. cacher quelque chose/se cacher, sich/jmdn. waschen vs. se tromper/*tromper quelqu’un, sich/ *jemanden entsinnen), die höchstens morphologisch, nicht aber referentiell und syntaktisch zu rechtfertigen sei (Ele´ments, 274 f.). Es hat indessen den Anschein, dass beide Typen von Reflexivkonstruktionen ⫺ sowohl der erstere, nichtlexikalisierte als auch der letztere, lexikalisierte ⫺ bei Tesnie`re als Ausprägungen der „reflexiven Diathese“ gelten, was mit seiner Betonung der zwischen ihnen bestehenden vielfältigen Übergänglichkeitsbeziehungen zusammenhängen mag (Ele´ments, 273). Bei der Darstellung der rezessiven Diathese „a` marquant passif“ wird potentielle Valenzreduktion angenommen, durch die das Verb in die Nähe der monovalenten Verben rücke (Ele´ments, 275): „[…] le changement de sens du transit entre les deux actants et la transformation du second actant en prime actant et du prime actant en comple´ment du passif ne modifient en rien le nombre globale des actants“. Diese Darstellung fällt deswegen etwas auf, weil ⫺ zum einen ⫺ das „comple´ment du passif“ (das Agensglied) im allgemeinen fakultativ ist oder in vielen Sprachen einfach nicht gesetzt wird. Zum anderen hat ein vorhandenes Agensglied in vielen Sprachen, beispielsweise im Germanischen und Romanischen, eine präpositionale, d. h. im Sinne von Tesnie`re „adverbiale“ Form, die Zirkumstanten zukommt (vgl. Ele´ments, 278; vgl. jedoch auch die par-PP der Kausativkonstruktionen). Bei Tesnie`re erscheint das sog. „Passivkomplement“ grundsätzlich als ein dem Aktivobjekt (O’’ ⫺ O seconde) systematisch gleichgestelltes „Gegensubjekt“ (auch ’’O ⫺ O contre-seconde genannt), d. h. als ein Zweitaktant eines anderen Typs (Ele´ments, 110 f.). Vgl. (26):
(26) 1. Aktant: O’ 2. Aktant (Aktivobjekt): O’’ 3. Aktant: O’’’ 2. Aktant („Gegensubjekt“) ’’O
97
10. Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnie`re
Die in diesem Zusammenhang vorgenommene Einstufung und Indizierung der Aktanten im Passiv dürfte nur semantisch zu begründen sein. Anders als bei der Darstellung der kausativen Verbausdrücke (und der Hierarchie-Analyse der Relationsgrammatik) wird hier kein „Zurückwerfen“ des Agensgliedes in eine hierarchische Marginalposition angenommen. Der diesbezügliche Status eines etwaigen Passivkomplements im sog. „unpersönlichen“ Passiv intransitiver bzw. monovalenter Verben (als ’’O oder ’O?) wird nicht problematisiert, vermutlich weil vorrangig aus semantisch-pragmatischer Perspektive auf die agensneutralisierende Funktion dieser Art der rezessiven Diathese Wert gelegt und die angebliche Nähe zur Avalenz betont wird (Ele´ments, 276; 279 f.).
5.
Schlusswort
Durch die vorangehende Darstellung dürfte deutlich geworden sein, dass Tesnie`res Dependenzsyntax grundsätzlich auf einer semantisch-lexikalischen Kategorienbasis steht; die jeweils möglichen Konnexions-, d. h. Dependenzbeziehungen ergeben sich aus semantischen Beziehungen zwischen den vier Hauptwortarten Verb (I), Substantiv (O), Adjektiv (A) und Adverb (E). Die durch Konnexionen konstituierten Dependenzbeziehungen kommen in den vielen anschaulichen stemmatischen Strukturrepräsentationen unmittelbar zum Ausdruck. Die dem System inhärente Knoten-, d. h. Konstituentenbildung aber wird am häufigsten nicht auf die gleiche Weise explizit diagrammatisch oder notationell markiert. Zum einen wird der von Tesnie`re zum Zweck der diagrammatischen Knoten-Markierung eingeführte Kreis am häufigsten weggelassen. Zum anderen bleibt wegen Tesnie`res Bevorzugung der „reellen“ Stemmata ohne Kategorienkennzeichnung (außer bei Translationsprodukten) die Kategorienzugehörigkeit von Knoten zumeist unmarkiert. Der linguistische Valenzbegriff ist von der syntaktischen Dependenzkonzeption zwar theoretisch unabhängig (vgl. 1.), steht aber wegen der lexikalischen Basis der Dependenz bei Tesnie`re damit in enger Verbindung. Die Darstellung von Valenz als Aktantenkonfiguration ist bei Tesnie`re noch Sehweisen der traditionellen, morphologisch basierten Kasusgrammatik auf grundlegende Weise verpflichtet.
6.
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99
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John Ole Askedal, Oslo (Norwegen)
100
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
11. Die Wortartenlehre bei Lucien Tesnie`re 1. 2. 3. 4. 5.
Einleitung Die Vollwortarten Die mots vides Rekurs auf andere Autoren und Arbeiten Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
1.1. Vorbemerkung Das Problem Wortarten wird von Tesnie`re schon in seinem Aufsatz „Comment construire une syntaxe?“ aus dem Jahre 1933 zur Sprache gebracht, und schon hier sind seine diesbezüglichen Vorstellungen in Kurzform voll vorhanden. Hier spricht er noch ganz traditionell von den parties du discours (partes orationis). Seit seiner Arbeit von 1953 spricht er dann von espe`ces de mots. In den E´le´ments behandelt er die hier gegebenen Probleme vor allem in Kap. V von Buch A. Er unterzieht ⫺ wie viele andere auch ⫺ die auf die Antike zurückgehende Wortartenlehre mit ihren acht bis zehn Wortarten wegen der Heterogenität der ihr zugrundeliegenden Kriterien einer rigorosen Kritik und fordert das Ausgehen von einem einzigen, kohärenten Kriterium. Die linguistische Einheit Wort spielt in der Syntax Tesnie`res eine zentrale Rolle. Bei der Ermittlung der einzelnen Wörter geht er vom Satz aus und definiert das Wort als Segment der gesprochenen Kette, das sich zwischen zwei potentiellen Einschnitten befindet. Er kennt auch die Möglichkeit mehrteiliger und diskontinuierlicher Wörter, z. B. bei den mehrteiligen Verben im Deutschen. Er gibt unumwunden zu, dass der Begriff Wort nur sehr schwer greifbar ist (Kap. 10, § 11), was ihn aber nicht davon abhält, ihn allenthalben zu verwenden. Bisweilen kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass er an manchen Stellen unbewusst die orthographischen Einheiten als die linguistische Grundeinheit Wort betrachtet. Bei den flektierbaren Wörtern geht er zunächst von ihrer morphologisch nicht markierten Form aus, also von der sog. Grundform. Morphologisch markierte Formen führt er unter dem Terminus (mots) composites. Tesnie`re geht offensichtlich von der Vorstellung aus, jedes Wort gehöre „von Hause aus“ zu einer bestimmten Wortart oder ⫺ was auf dasselbe hinausläuft ⫺ jedes Wort habe eine bestimmte kategoriale Bedeutung.
Allerdings könnten die meisten Wörter durch die Prozedur der Translation von ihrer „ursprünglichen“ in eine andere Wortart überführt werden, genauer formuliert: Fast jedes Wort bzw. fast jede Wortgruppe könne in ein Wort oder eine Wortgruppe überführt werden, die syntaktisch die Funktion einer anderen Wortart hat. So könne z. B. das Substantiv Alfred durch das Element d(e) in die Gruppe d’Alfred transferiert werden, also in das Äquivalent eines Adjektivs (z. B. Kap. 41, § 9). ⫺ Die Ermittlung der Wortartzugehörigkeit eines Wortes erfolgt bei Tesnie`re prinzipiell vor jeder Translation. Tesnie`re verfolgt in seinen linguistischen Arbeiten von Anfang an einen möglichst übereinzelsprachlichen Ansatz, was schon dadurch bedingt ist, dass er mit ihnen auch rein praktische Zwecke verfolgt, z. B. fremdsprachendidaktische. Dieser Ansatz hat einige wichtige Konsequenzen, bei seiner Wortartenlehre vor allem die, dass er bei Unterwortarten, für die es im Französischen keine oder nur sehr wenige Beispiele gibt, auf andere Sprachen zurückgreift, meistens auf das Deutsche oder Russische. Zumeist geht er allerdings vom Französischen aus, und auch die anderen von ihm hinzugezogenen Sprachen sind fast alle aus dem indoeuropäischen Bereich. 1.2. Die Grundvorstellungen Tesnie`res Tesnie`re geht bei seiner Wortartenlehre vor allem von den folgenden Vorstellungen aus: (1) Jedes Wort hat eine lexikalische und eine kategoriale Bedeutung (contenu se´mantique, contenu cate´gorique). Die lexikalische Bedeutung bezieht sich auf außersprachliche Gegebenheiten (auf la pense´e, wie Tesnie`re etwas lapidar sagt). Die kategoriale Bedeutung (andere Termini: grammatische Bedeutung, strukturelle Bedeutung) regelt die Beziehungen der lexikalischen Elementen zueinander. Für die Wortartzugehörigkeit ist nur die kategoriale Bedeutung von Relevanz, nicht die lexikalische. ⫺ Diesen Gedanken finden wir ⫺ z. T. unter anderen Termini ⫺ auch bei vielen anderen Autoren. (2) Tesnie`re unterscheidet zwischen der Inhalts- und Ausdrucksseite der Sprache (plan se´mantique und plan structural). Auf der Inhaltsseite unterscheidet er zwischen Vollwörtern (mots pleins, auch: mots autonomes) und „leeren Wörtern“ (mots vides), auf der Aus-
11. Die Wortartenlehre bei Lucien Tesnie`re
drucksseite zwischen konstitutiven Wörtern (mots constitutifs) und „Hilfswörtern“ (mots subsidiaires). Die Vollwörter haben prinzipiell lexikalische und kategoriale Bedeutung. Die mots vides haben nur kategoriale Bedeutung. Sie bilden zusammen mit den flexionellen Elementen die grammatischen Mittel, mittels derer Wörter ⫺ vor allem Vollwörter ⫺ von einer Kategorie in eine andere transferiert werden und mittels derer das grammatische Verhältnis der Vollwörter zueinander gekennzeichnet wird. An manchen Stellen benutzt Tesnie`re für die grammatischen Mittel den Terminus marquant (z. B. in Kap. 112⫺117). Der marquant kann auch den Wert null haben. ⫺ Die Unterscheidung von Vollwörtern und mots vides finden wir in dieser oder in ähnlicher Form auch bei zahlreichen anderen Autoren, zumeist unter anderen Termini (für Vollwort: Autosemantikum, Inhaltswort, Begriffswort; für mot vide: Synsemantikum, Strukturwort, Funktionswort, mot outil). (3) Auf der Inhaltsebene kommt Tesnie`re bei der Bestimmung der kategorialen Bedeutung der Vollwörter mit den vier inhaltlichen Merkmalen substance, proce`s, concret und abstrait aus und definiert mittels ihrer die von ihm als Substantiv, Adjektiv, Verb und Adverb bezeichneten Wortarten. So schreibt er z. B. in dem Satz Alfred chante dem Wort Alfred die kategoriale Bedeutung substance und concret zu und dem Wort chante die kategoriale Bedeutung action und concret und klassifiziert sie dementsprechend als Substantiv und als Verb. Da die kategoriale Bedeutung ohne Rückgriff z. B. auf morphologische und/oder funktionale Kriterien schwer greifbar ist, ergeben sich bei dieser Art des Zugangs oft erhebliche Zuordnungsprobleme, z. B. bei Verben, die keine action im eigentlichen Sinn des Wortes beinhalten wie z. B. in dem Satz Ci gıˆt Biron. Tesnie`re betrachtet die von ihm mit diesem Ansatz ermittelten Vollwortarten offensichtlich als übereinzelsprachlich. Er bezeichnet sie zwar mit den traditionellen Wortartbezeichnungen, definiert sie allerdings neu (vgl. 11.2). Sie ⫺ und nur sie ⫺ haben nach seiner Auffassung neben der kategorialen auch eine lexikalische Bedeutung. Bei ihnen ⫺ vor allem bei den Substantiven und Adjektiven ⫺ versucht er mit den Begriffen Extension und Intension (compre´hension) bzw. ⫺ mit anderen Termini ⫺ mit Begriffsumfang und Begriffsinhalt unterzuklassifizieren. Näheres in 11.2.
101 (4) Auf der strukturellen Ebene definiert Tesnie`re diejenigen Wörter als Mitglieder einer Vollwortart, die das Zentrum eines Nexus ⫺ um die Engelsche Übersetzung von Tesnie`res Begriff noeud zu verwenden ⫺ bilden können. Das heißt, es handelt sich um die Wörter, die die Funktion eines Regens haben können. Dabei spielt die Stellung eines solchen Wortes innerhalb eines Stemmas keine Rolle. Es kann gleichzeitig Regens von ihm untergeordneten Wörtern und Dependens eines ihm übergeordneten Wortes sein. Im Gegensatz zu den Vollwörtern können die mots vides nur in einem Nexus auftreten, aber nicht sein strukturelles Zentrum bilden. ⫺ Die Bestimmung der Wortarten auf der semantischen Ebene führt bei Tesnie`re zu denselben Ergebnissen wie die auf der strukturellen Ebene. Diese beiden Möglichkeiten fundieren sich wechselseitig, zumindest bei der Ermittlung der Wortart eines konkreten Einzelwortes. 1.3. Strukturelle Merkmale Bei der Bestimmung der Wortarten gibt es bekanntlich weiterhin die Möglichkeit, die Wörter von den strukturellen Merkmalen aus zu definieren, mittels derer ihre kategoriale Bedeutung realisiert ist, z. B. das Substantiv als die Wortart mit den Merkmalen Genus, Kasus und Numerus. Tesnie`re macht von diesem zwar nicht bei allen, aber bei vielen, vor allem bei den Vollwortarten leicht anzuwendenden und leicht überprüfbaren Verfahren keinen Gebrauch. Der Grund dafür dürfte der sein, dass dieser Ansatz nur in begrenztem Maß übereinzelsprachlich angewendet werden kann, da die besagten strukturellen Merkmale von Sprache zu Sprache sehr unterschiedlich sein können. Die eben genannte Definition des Substantivs gilt z. B. für das Deutsche, Lateinische und Russische, aber z. B. nicht für das Französische, denn hier gibt es bei dieser Wortart nicht das Merkmal Kasus, und nicht für das Türkische, da es hier das Merkmal Genus nicht gibt. ⫺ Wenn Tesnie`re von dieser Möglichkeit der Wortartbestimmung auch nicht explizit Gebrauch macht, muss man doch davon ausgehen, dass sie bei seiner Wortartenlehre zumindest als Hintergrundwissen eine Rolle gespielt hat. 1.4. Terminologische Probleme Ein großes technisches Problem besteht bei Tesnie`re darin, daß er Wortgruppen (auch satzförmige), die dieselbe syntaktische Funktion haben wie ein Vollwort, mit demselben Terminus bezeichnet wie dieses, und zwar mit
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II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
dem, der im allgemein üblichen Sprachgebrauch als Wortartbezeichnung ⫺ und nur als Wortartbezeichnung ⫺ verwendet wird. In seinem Sinn müssen z. B. die folgenden Einheiten, die alle die syntaktische Funktion eines Aktanten haben, mit dem Terminus Substantiv bezeichnet und mit der Sigle O versehen werden. er; einer; Alfred; der junge Mann von nebenan; der Junge, von dem wir gestern gesprochen haben; dass er nach Hause kommt; nach Hause zu kommen Es versteht sich von selbst, dass hierdurch leicht Konfusionen entstehen können. Es wäre günstiger gewesen, die einzelnen Ebenen sorgfältig zu trennen und unterschiedlich zu benennen, z. B. mit Termini wie Wort, Nominalgruppe, Satzglied oder Komplement und Gliedsatz oder Satzkomplement. In der Tesnie`re-Nachfolge wird dies in der Regel getan.
2.
Die Vollwortarten
2.1. Einleitung Auf der semantischen Ebene gliedert Tesnie`re bei den Vollwortarten zunächst mit der Dichotomie substance vs proce`s. Dabei erhält er auf der einen Seite die Wortarten Substantiv und Adjektiv, auf der anderen die Wortarten Verb und Adverb. In einer zweiten Subdivision wendet er dann die Dichotomie concret vs abstrait an. Dabei schreibt er den Substantiven und Verben das Merkmal concret und den Adjektiven und Adverbien das Merkmal abstrait zu. Die Definition dieser Merkmale ist bekanntlich nicht unproblematisch. Letzten Endes bringt dieser Ansatz bei den Vollwortarten keine wirklich neuen Erkenntnisse, ja er klärt nicht einmal in nennenswertem Umfang Detailfragen, vor allem nicht bei der kritischsten Vollwortart, dem Adverb. Auf der strukturellen Ebene betrachtet Tesnie`re ⫺ wie bereits gesagt ⫺ die Wörter als Vollwörter, die einen Nexus bilden können (z. B. Kap. 29, § 2). Dieser Ansatz ist von heute her gesehen interessanter und progressiver als der semantisch orientierte. Er spielt allerdings bei Tesnie`re eine eher sekundäre Rolle, zumindest bei seinen Ausführungen zu den Wortarten. Bei den beiden nominalen Wortarten unterscheidet er dann jeweils zwischen speziellen Wörtern (mots particuliers, z. B. substantifs particuliers) und allgemeinen Wörtern (mots ge´ne´raux, z. B. substantifs ge´ne´raux).
Die speziellen Wörter haben sowohl eine lexikalische wie eine kategoriale Bedeutung, die allgemeinen Wörter hingegen haben nach Tesnie`re keine lexikalische Bedeutung im eigentlichen Sinn, sondern nur kategoriale Bedeutung (Kap. 31, § 5). Tesnie`re grenzt die von ihm ermittelten Wortarten ⫺ vor allem die Vollwortarten ⫺ zum Teil erheblich anders ein als die traditionelle Grammatik, bezeichnet sie aber trotzdem mit denselben Termini, was leicht zu Missverständnissen führen kann. Um das zu vermeiden, verwende ich im folgenden die französische Schreibweise, wenn ich die Tesnie`reschen Begriffe meine, sonst die deutsche. 2.2. Die Wortart substantif Auf der semantischen Ebene betrachtet Tesnie`re die Wörter als Substantive, die die kategorialen Merkmale substance und concret haben, auf der Ebene der Funktionen die, die Funktion eines Aktanten haben können (Kap. 48, § 6). Diesen Gedanken verfolgt er konsequent und rechnet nicht nur die traditionellen Substantive zu der von ihm als substantif bezeichneten Wortart, sondern darüber hinaus einen großen Teil der traditionellen substantivischen Pronomen. Erstere bezeichnet er als substantifs particuliers, letztere als substantifs ge´ne´raux. Bei den substantifs particuliers unterscheidet er ganz traditionell zwischen Eigennamen und Gattungsbezeichnungen und sagt dazu, bei den Eigennamen sei die Extension denkbar klein, die Intension hingegen sehr groß, bei den Gattungsbezeichnungen könne die Extension sehr unterschiedlichen Umfang haben, von sehr klein bis sehr groß. Ihre Intension sei dementsprechend bei denen mit großer Extension klein bis sehr klein, bei denen mit kleiner Extension groß bis sehr groß. Dieser Gedanke ist weitgehend korrekt, führt aber bei der Wortartbestimmung nicht wirklich weiter. ⫺ Eine weitere Differenzierung ⫺ z. B. in Konkreta, Abstrakta, Stoffbezeichnungen, Kollektiva usw. ⫺ erfolgt nicht. Bei den substantifs ge´ne´raux (im Folgenden: s. g.) führt Tesnie`re ⫺ mehr oder weniger exemplarisch ⫺ folgendes an: ⫺ s. g. interrogatifs: qui, quoi ⫺ s. g. ne´gatifs: rien, personne ⫺ s. g. personnels: moi, toi, lui, elle usw. Die Elemente je, tu, il usw. rechnet er nicht hierher, weil sie als verbundene Pronomen nicht als selbständige Wörter auftreten kön-
11. Die Wortartenlehre bei Lucien Tesnie`re
nen. Näheres bei den Ausführungen zu dem Mot-vide-Typ indice unter 11.3.4. ⫺ s. g. inde´te´rmine´s (oder inde´finis): Diesen Begriff fasst Tesnie`re enger als die traditionelle Grammatik und zwar im Sinne von „unbestimmt“. Als Beispiel führt er nur quelqu’un an. Unklar ist, ob er auch Elemente wie on und tout/tous dazu rechnet. Das Element chacun gehört bei ihm in eine andere Gruppe. ⫺ s. g. de´monstratifs: ceci, cela ⫺ s. g. individuels: chacun ⫺ das Element meˆme, bei dem nicht so recht einsichtig ist, warum es nicht nur bei den adjectifs ge´ne´raux untergebracht ist, sondern auch bei den substantifs ge´ne´raux. Alle diese Unterarten der substantifs ge´ne´raux sind nur vom Semantischen her gewonnen. Ein Teil von ihnen kann anaphorisch verwendet werden (z. B. ceci), worauf Tesnie`re in einem anderen Zusammenhang eingeht (Kap. 42 und 43). Dort führt er aus, dass diese Elemente bei dieser Verwendungsweise dieselbe Intension und Extension haben wie das Wort oder die Wortfolge bzw. der Sachverhalt, die mit ihnen wiederaufgenommen werden. Einige der substantifs ge´ne´raux haben deiktische Funktion (moi, toi, aber auch je und tu) oder können auch deiktische Funktion haben (z. B. die Demonstrativa). Explizit geht Tesnie`re nur auf die personaldeiktischen Elemente näher ein, und zwar in Kap. 53, wo er zwischen ontif (der Sprechende und der Angesprochene) und anontif (der oder das weder Sprechende noch Angesprochene) unterscheidet, und dann bei ontif noch einmal zwischen autoontif (der Sprechende) und antiontif (der Angesprochene). Andere Formen der Deixis (z. B. Lokal- und Temporaldeixis) thematisiert er nicht. Auch verwendet er nicht die Termini „Deixis“ und „deiktisch“. Tesnie`re geht nicht darauf ein, dass sich die substantifs ge´ne´raux von ihren Wortstellungsmöglichkeiten her anders verhalten als die substantifs particuliers. Überhaupt gehört das Problem der Wortfolge zu den großen Desiderata in seinem Werk. Die substantivierten Adjektive (z. B. le rouge) führt Tesnie`re mittels der Translation mit dem Translativ le ein. Diese Translation setzt natürlich voraus, dass auf der semantischen Ebene zwischen Substantiv und Adjektiv unterschieden werden kann. Problematisch ist dies z. B. im Lateinischen, wo zahl-
103 reiche Wörter ohne Translation sowohl als Substantive wie als Adjektive verwendet werden können, z. B. felix, pauper, rusticus. Die von Tesnie`re vorgeschlagene Klassifizierung der substantifs ist weitgehend an der traditionellen Grammatik orientiert und geht kaum über sie hinaus. Auch die Tatsache, dass er die traditionellen substantivischen Pronomen als eine Untergruppe der substantifs führt, ist dort im Prinzip schon angelegt (nomen vs pro nomine). 2.3. Die Wortart adjectif Vorbemerkung zur französischen Terminologie: Was im deutschen Sprachraum als attributives Adjektiv bezeichnet wird, ist im Französischen ein adjectif e´pithe`te oder einfach ein e´pithe`te. Der französische Terminus adjectif attribut entspricht im Deutschen der Artergänzung (Die Wiese ist grün) und dem prädikativ verwendeten Adjektiv (Er kam gesund nach Hause). Tesnie`re spricht in dem dem Adjektiv gewidmeten Kapitel (35) von adjectif attribut, obwohl er adjectif e´pithe`te meint. Der Wortart Adjektiv schreibt Tesnie`re ⫺ wie gesagt ⫺ die kategoriale Bedeutung substance abstraite zu. Auch hier beschäftigt er sich mit der Intension und der Extension ihrer einzelnen Mitglieder. Die Intension der eigentlichen Adjektive ⫺ so sagt er ⫺ gehe von relativ klein (z. B. rouge) bis relativ groß (z. B. mie`vre). Im Gegensatz zu den substantifs aber hätten die adjectifs keinerlei Extension. Das sei ihr wichtigster Unterschied zu den substantifs. In Kombination mit einem substantif vergrößerten sie dessen Intension und verkleinerten seine Extension. Während Tesnie`re bei den substantifs das Merkmal ge´ne´ral vs particulier als oberstes Subdivisionsprinzip verwendet, verwendet er es bei den adjectifs als unterstes. Bei ihnen unterscheidet er bei der ersten Subdivision zwischen den adjectifs attributifs (z. B. blanc) und den adjectifs de rapport (z. B. tel, mon). Die adjectifs attributifs umfassen ⫺ wie Tesnie`re an anderer Stelle genauer formuliert ⫺ die adjectifs attributs und die adjectifs e´pithe`tes. Sie fügen dem Substantiv ein qualitatives (le livre rouge) oder ein quantitatives Merkmal (deux livres) hinzu, während die adjectifs de rapport das substantif zu einer Person oder zu einer circonstance in Beziehung setzen, wobei er die lokale und temporale Relation explizit nennt. Bei den adjectifs attributifs unterscheidet Tesnie`re dann zwischen adjectifs de qualite´
104 und solchen de quantite´ und bei diesen beiden Gruppen wiederum zwischen ge´ne´raux und particuliers. Zu den adjectifs de qualite´ ge´ne´raux gehören z. B. quel, tel, chaque, quelque und meˆme. Die adjectifs de qualite´ particuliers (z. B. bon, grand, rouge) bezeichnet er als die eigentlichen Adjektive und gliedert sie in mehrere rein semantisch orientierte Untergruppen. Bei den adjectifs de quantite´ führt er im Französischen bei den ge´ne´raux nur das völlig veraltete Element maint sowie lat. paucus und multus und dt. viel an. Vom Inhaltlichen her ebenfalls hierher gehörende Elemente wie beaucoup de, peu de usw. betrachtet er als korrespondierende tournure adverbiales, die er aus den Adverbien beaucoup und peu und dem Translativ d(e) in Einheiten mit der Funktion eines adjectif de quantite´ transferiert. Bei den adjectifs de quantite´ particuliers führt er nur die Kardinalzahlen an. Die Ordinalzahlen scheint er vergessen zu haben. Bei den adjectifs de rapport unterscheidet Tesnie`re zwischen personnels und circonstantiels. Bei den personnels führt er bei den ge´ne´raux nur die traditionell als Possessivpronomen bezeichneten Elemente mon, ton usw. sowie russ. tschei („wessen“) an, bei den particuliers Elemente wie corne´lien, carte´sien sowie die russischen Possessivadjektive. Bei den cironstantiels bringt er als particuliers Elemente wie dt. gestrig, hiesig und die entsprechenden russischen Adjektive. Man hat den Eindruck, dass Tesnie`re einige seiner adjectif-Unterarten aus reinem Systemzwang eingeführt hat, vor allem im Bereich der adjectifs de rapport. Bei diesen können einige Unterarten ohne weiteres über die Prozedur der Translation eingeführt werden. Es ist schwierig nachzuvollziehen, warum Tesnie`re das Attribut de Corneille über eine Translation einführt, aber das Element corne´lien als adjectif führt. Zudem dürfte es schwierig sein, diesem Element (und den russischen Possessivadjektiven) die Extension null zuzuschreiben. Bei den Adjektiven hat Tesnie`re also u. a. einen Teil der traditionellen adjektivischen Pronomen und die Numeralia untergebracht, auch hier ohne Einbeziehung der Wortfolgeregularitäten innerhalb der Nominalgruppe. Tesnie`re verwendet auch den Terminus pronom, beschränkt ihn aber im Gegensatz zur traditionellen Grammatik rigoros auf die adjectifs ge´ne´raux, die mittels einer Translation in ein substantif ge´ne´ral transferiert worden sind, z. B. quelque vs quelqu’un, chaque vs chacun, mon vs le mien (Kap 178).
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
2.4. Die Wortart verbe Tesnie`re bestimmt das Verb auf der semantischen Ebene als die Wortart mit dem kategorialen Merkmal proce`s concret und auf der strukturellen Ebene als eine Einheit, die einen zentralen Nexus (le noeud des noeuds) bilden kann. Er unterscheidet zwischen verbes d’e´tat und verbes d’action. Die verbes d’e´tat bezeichnen eine qualite´ oder eine position. Für ersteres führt Tesnie`re die Beispiele frz. eˆtre vert, lat. virere und dt. grünen an, für letzteres frz. ci-gıˆt, eˆtre debout, lat. stare und dt. stehen. Auch das Verb avoir ⫺ sowie lat. esse ⫹ Dativ ⫺ rechnet er zu den verbes d’e´tat. Diese Untergruppe entspricht in der im Deutschen üblichen Terminologie sowohl den Zustandswie den Vorgangsverben. Die verbes d’action, die in der deutschen terminologischen Tradition im großen ganzen den Handlungsverben entsprechen, implizieren nach Tesnie`re activite´, wobei er diesen Begriff ziemlich stark strapaziert, denn er führt als Beispielverben tomber und frapper an. Insgesamt sind die von ihm verwendeten Begriffe wenig trennscharf, noch weniger als die drei angeführten deutschen. Auf der semantischen Ebene allein lässt sich die Wortart Verb nicht bestimmen, denn auf dieser Ebene müssten auch die Wörter la chute und le coup als Verben betrachtet werden. Tesnie`re weist explizit darauf hin, dass die Dichotomie verbes d’e´tat vs verbes d’action nur partiell mit der Dichotomie intransitiv vs transitiv korrespondiert. Interessant ist, dass er die prädikativ gebrauchten Adjektive und ebenso die prädikativ gebrauchten Substantive als Teile des Verbs betrachtet, also einem sehr traditionellen Prädikatsbegriff das Wort redet. 2.5. Die Wortart adverbe Schon in der antiken Grammatik ist das Adverb die am schwierigsten zu bestimmende Vollwortart. Donatus z. B. unterscheidet hier 24 Untergruppen, die sowohl formal wie inhaltlich sehr Heterogenes enthalten und zum Teil noch einmal untergliedert sind. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier die Wortart Adverb eine Art Sammelbecken für alle die Elemente ist, die man sonst nirgendwo unterzubringen wusste. Ob Tesnie`re hier wirkliche Fortschritte erzielt hat, ist fraglich. Auf der semantischen Ebene definiert er die Adverbien als Attribute zum proce`s, wobei nicht ganz klar ist, ob er mit dem Begriff proce`s nur das Verb meint oder aber
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11. Die Wortartenlehre bei Lucien Tesnie`re
das Verb mit seinem Aktanten (also den Satz). Im ersten Fall stünde er genau in der Tradition der antiken Grammatik (Donatus: Adverbium quid est? Pars orationis quae adiecta verbo significationem eius explanat atque implet), im zweiten Fall wäre er etwas moderner. Da er die Adverbien (als Wortart und als Satzglied) inhaltlich als die Umstände (circonstances) definiert, innerhalb derer sich der Prozess abspielt, kann man davon ausgehen, dass er eher die zweite Möglichkeit meint. Tesnie`re untergliedert die Adverbien zunächst allgemein in adverbes de localisation und adverbes de relation. Bei ersteren unterscheidet er dann ⫺ ebenfalls ganz traditionell ⫺ zwischen Lokal- und Temporaladverbien. Bei den lokalen geht er von der Unterscheidung von ubi „wo“, quo „wohin“, unde „woher“, qua „wo hindurch, auf welchem Weg“ aus, die wir schon bei Donatus und Priscian finden und in fast allen Grammatiken, die in dieser Tradition stehen. Dieses Raster wendet er auch auf die temporalen Adverbien an und erhält dabei die folgenden Korrespondenzen: ubi: wann, quo: bis wann, unde: seit wann, qua: wie lange Für den lokalen und temporalen Bereich ist dieses Raster unproblematisch. Tesnie`re versucht bei seiner Behandlung der Wortart adverbe auch die Phänomene Aspekt und Aktionsart miteinzubeziehen, indem er sagt, ubi entspreche dem perfektiven und qua dem imperfektiven Aspekt und quo entspreche der terminativen und unde der inchoativen Sichtweise. Es ist fraglich, ob die hier hypostasierten Beziehungen wirklich gegeben und ob sie wirklich so relativ einfach sind. Bei den adverbes de relation geht Tesnie`re ebenfalls von dem angeführten Raster der Lokaladverbien aus und ordnet dem Element ubi die Adverbien des Wesens (quiddite´) zu, worunter er z. B. das gekennzeichnete Element in Wendungen wie faire dodo, Wunder wirken versteht, eine Vorstellung, bei der ihm kaum jemand folgen dürfte. Mit quo parallelisiert er die Adverbien, die das Ziel oder die Folge einer Handlung beinhalten und führt als Beispiele freilassen, totschlagen, sich kranklachen an, bei denen es zweifellos günstiger ist, die gekennzeichneten Elemente als Adjektive zu betrachten. Mit unde parallelisiert er Kausal- (dt. deshalb, lat. ideo), Kon-
zessiv- (kein Beispiel) und Konditionaladverbien (frz. sinon). Und mit qua setzt er die Adverbien der „Art und Weise“ (z. B. frz. gentiment) in Beziehung, weiterhin die adverbes de comparaison und de quantite´. Tesnie`res Subklassifikation der Wortart adverbe weist einige Ungereimtheiten auf und hat ⫺ vielleicht abgesehen von einigen kleinen Details ⫺ kaum wirklich Weiterführendes gebracht. Er weist im übrigen ausdrücklich darauf hin, dass die meisten von ihm angeführen Möglichkeiten zumeist nicht durch Einzelwörter, sondern durch Wortgruppen (tournures adverbiales) realisiert werden, also über Translationen. 2.6. Die Satzwörter Elemente wie aı¨e, oui, non, he´las, parbleu, aber auch Wendungen wie voici und s’il vous plaıˆt sind nach Tesnie`re syntaktisch nicht analysierbar (zumindest nicht synchronisch), wohl aber semantisch. Er betrachtet sie als Äquivalente von Sätzen und ordnet sie deshalb nicht bei den Wort-, sondern bei den Satzarten ein. Sie werden von ihm unter der Bezeichnung Satzwörter (mots-phrases) oder phrasillons geführt. Von der Form her unterscheidet er hier Satzwörter, die allein eine Äußerung bilden können (phrasillons complets, z. B. aı¨e, solche die einer Erweiterung bedürfen (phrasillons incomplets, z. B. voici) und solche, die funktional das Äquivalent ganzer Sätze und semantisch Anaphern sind (motsphrases anaphoriques, z. B. oui, non, si). Inhaltlich unterscheidet er „logische“ und affektive Satzwörter (phrasillons logiques und affectifs). Die logischen ⫺ z. B. voici, oui, non ⫺ sind nach seiner Auffassung keine Adverbien ⫺ wie häufig in den traditionellen Grammatiken behauptet ⫺, da sie sich auf Prozesse beziehen. Die affektiven ⫺ z. B. oh!, chut, s’il vous plaıˆt ⫺ entsprächen genau den Interjektionen der klassischen Grammatik. Die Differenzierungen, die Tesnie`re in diesem Teilbereich vornimmt, erinnern schon stark an Verfahren der funktionalen Diskursanalyse.
3.
Die mots vides
3.1. Einleitung Mit den mots vides beschäftigt sich Tesnie`re in den Kap. 38⫺41 et passim. Er unterscheidet bei diesem Wortarttyp drei Gruppen: 1. Junktoren (Kap. 39 et passim), 2. Translative (Kap. 40 et passim), 3. indices (Kap. 41 et passim). Weiterhin beschäftigt er sich in die-
106 sem Zusammenhang mit dem Phänomen der Anaphorik (Kap. 42⫺43). Während seine Ausführungen zu den Junktoren weitgehend unproblematisch sind, gibt es bei denen zu den Translativen und zu den indices einige Probleme und Inkonsistenzen. Dessen war sich Tesnie`re offensichtlich bewusst und hat das auch zur Sprache gebracht. 3.2. Die Junktoren Bei den Junktoren handelt es sich um die traditionelle Klasse der koordinierenden Konjunktionen, eine sowohl von ihrem Bestand wie von ihrer Funktion her unproblematische Wortart. Tesnie`re setzt auch die Möglichkeit einer jonction ohne jonctif an (z. B. Männer, Frauen und Kinder), wobei er nicht darauf eingeht, dass hier die Junktion mit dem syntaktischen Mittel der Intonation erfolgt. 3.3. Die Translative Die Translative werden von Tesnie`re als die Wörter definiert, mittels derer die Prozedur der Translation erfolgt, also als die Wörter, mit deren Hilfe ein Wort oder eine größere Einheit von einer grammatischen Kategorie in eine andere überführt wird. So ist z. B. in der Wortgruppe le livre d’Alfred das Substantiv Alfred durch das Translativ d(e) in eine Wortgruppe mit der Funktion eines Adjektivs transferiert. Zu dieser Definition gibt Tesnie`re in dem sehr umfangreichen Translations-Teil seines Hauptwerkes einige Spezifizierungen, vor allem die folgenden: ⫺ Ein Translativ ⫺ so sagt er ⫺ muss das Transferendum nicht unbedingt in eine andere Kategorie transferieren, sondern kann es auch in eine Unterkategorie seiner Ausgangskategorie überführen. So werde z. B. durch das Hilfsverb avoir ein Verb von einer Zeitform in eine andere versetzt, jedoch nicht in eine andere Wortart transferiert (Kap. 170, § 1). ⫺ Es gibt einen Typ von Translation, bei der das Transferendum nicht seine Kategorie wechselt, wohl aber seine Funktion innerhalb seiner Kategorie. Als Beispiel führt Tesnie`re frz. a` in dem Satz Alfred donne le livre a` Bernard an, in dem das Wort Bernard durchaus in der Kategorie substantif verbleibt, aber durch das Translativ a` zum dritten Aktanten wird. Diesen Typ der Translation nennt Tesnie`re translation fonctionnelle (Kap. 172). ⫺ Weiterhin gibt es Elemente, die einerseits als Translative fungieren, andererseits
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
aber gleichzeitig als Aktanten, z. B. die Relativpronomen: Sie transferieren einen Satz (bei Tesnie`re: einen verbalen Nexus) in eine Wortgruppe mit der Funktion eines Adjektivs und bilden gleichzeitig einen Aktanten dieses verbalen Nexus (Kap. 246). Unter dem Begriff Translativ werden von Tesnie`re vor allem die folgenden traditionellen Wortarten subsumiert: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
subordinierende Konjunktionen Relativpronomen Präpositionen Artikel, vgl. die Ausführungen zu den indices in 11.3.4 ⫺ Auxiliarverben Weiterhin können flexionelle Elemente als Translative fungieren. In diesem Zusammenhang führt Tesnie`re auch die von ihm als pre´verbes bezeichneten Elemente an. Unter diesem Terminus versteht er die perfektivierenden Verbpräfixe in den slawischen Sprachen. Auch sie haben nach seiner Auffassung die Funktion eines Translativs. So sei bei dem russischen Verb perepisat’ das Element pere auf der strukturellen Ebene ein Translativ, da es vom Präsens ins Futur transferiere (pisˇu „ich schreibe“ vs perepisˇu „ich werde abschreiben/u´mschreiben“). Auf der semantischen Ebene hingegen sei das Element pere ein Vollwort, da es neben der strukturellen auch eine lexikalische Bedeutung habe (Kap. 171). Tesnie`re weist explizit darauf hin, dass es auch Translationen ohne explizites Translativ (also mit einem Null-Element) gibt, z. B. in la tour Eiffel (Kap. 45) und bei dem satzförmigen Attribut in der Sequenz the man I saw yesterday (Kap. 246). Die hierbei gegebenen grammatischen Mittel Wortfolge und Intonation erwähnt er nicht. Des weiteren weist Tesnie`re darauf hin, dass mittels des Verfahrens der Translation auch viele Bereiche der Wortbildung beschrieben werden können (Kap. 174 f.). Seine diesbezüglichen Äußerungen sind zum großen Teil diachronisch orientiert. Das geht schon daraus hervor, dass er nicht nur bei den nicht mehr durchschaubaren Derivata und Komposita von erstarrten Translationen (translations fige´es) spricht, sondern auch bei semantisch so gut durchschaubaren Substantivarten wie den Nomina actionis und agentis.
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11. Die Wortartenlehre bei Lucien Tesnie`re
3.4. Die indices Unter dem Terminus indice fasst Tesnie`re die mots vides zusammen, die weder Junktoren noch Translative sind. Funktionell charakterisiert er diese Wörter als Begleiter eines Vollwortes, die dessen Kategorie im Gegensatz zu den Translativen nicht verändern, sondern sie lediglich anzeigen (indiquer). Als wichtigste Arten der indices betrachtet er neben flexionellen Elementen den Artikel, den er als indice substantival bezeichnet, und die indices personnels, also die sog. verbundenen Pronomen (z. B. il aime; je le lui donnerai). Die exakte Abgrenzung zu den Tanslativen hält er für schwierig. Beide seien im Grunde nur Varianten derselben Wortart und ob ein Wort dieses Typs als Translativ oder als indice zu betrachten sei, hänge stärker von seiner konkreten Verwendung als von seiner „eigentlichen Natur“ (Kap. 41, § 13) ab. Als Beispiel führt er den bestimmten Artikel an. In le bleu sei mittels seiner ein Adjektiv in ein Substantiv transferiert, in le livre jedoch habe er auf der syntaktischen Ebene lediglich indikatorische Funktion (auf der semantischen Ebene allerdings gebe er die Extension des Substantivs an, bei dem er steht). Weiterhin argumentiert Tesnie`re, bei Formen wie (nous) aim-ons könne man die Endung -ons je nach Ausgangspunkt sowohl als Translativ wie als indice betrachten. Nehme man (j’)aim-e als Ausgangspunkt, so habe die Endung -ons translative Funktion, denn dann transferiere sie vom Singular in den Plural. Gehe man jedoch von der Form aimaus, die wir auch in aimais, aimai, aimer usw. finden, so hätte diese Endung lediglich indikatorische Funktion. Bei der Einordnung des bestimmten Artikels als indice ist Tesnie`re offensichtlich von der Tatsache ausgegangen, dass dieser im Französischen ein Klitikum ist, und hat ihm deshalb lediglich die Funktion eines indice zugeschrieben. Wäre er z. B. vom Deutschen ausgegangen, wo der bestimmte Artikel von seiner Lautsubstanz her mit den meisten Formen des Demonstrativpronomens der identisch ist, so hätte er ihn zweifellos zu derselben Wortart gerechnet wie dieser, jener, ce, quel usw., also zu den adjectifs ge´ne´raux. Ähnliches gilt für die von Tesnie`re diskutierte Auffassung, die verbundenen Pronomen seien indices. Auch hier ist er offensichtlich von den speziellen Verhältnissen im Französischen ausgegangen, wo man diesen Klitika den Status von Wörtern durchaus absprechen kann (Kap. 59, § 11), aber kei-
neswegs absprechen muss. Bei der von ihm favorisierten Sichtweise ergibt sich bei seinen Satzstemmata die darstellungstechnische Schwierigkeit, dass ein Element wie je oder tu einerseits erster Aktant ist, andererseits aber als indice zum Verb geführt werden muss. Es wäre zweifellos günstiger gewesen, die verbundenen Pronomen ohne Rücksicht auf ihren Klitikumcharakter ebenso wie moi, toi usw. als substantifs ge´ne´raux personnels zu führen. Wahrscheinlich ist es möglich und sinnvoll, auf den Begriff indice ganz zu verzichten.
4.
Rekurs auf andere Autoren und Arbeiten
Wie in seinem gesamten Werk geht Tesnie`re auch in seinen Ausführungen zu den Wortarten nur sporadisch auf die einschlägige Literatur ein. Aus dem französischen Sprachraum führt er fast nur Damourette und Pichon an, und das eher beiläufig und ohne die Fundstelle zu nennen. Weiterhin nennt er hier den Sprachpsychologen G. Galichet (1947) und einen Aufsatz von Benve´niste. Für seine Beispiele aus dem Deutschen rekurriert er zumeist auf A. Malblanc (1944). Von den Sprachwissenschaftlern, die vor ihm das traditionelle Wortartensystem kritisiert haben, führt er nur Joseph Vendryes (1921) an, und auch das nur beiläufig. Die deutschen Arbeiten zur Wortartenproblematik vom Ende der 20er Jahre (Eduard Hermann (1928), Ernst Otto (1928), Friedrich Slotty (1929)) werden von ihm nicht angeführt, ebensowenig wie die entsprechenden Arbeiten aus dem Umkreis des taxonomischen Strukturalismus, z. B. Fries (1952).
5.
Literatur in Auswahl
5.1. von Tesnie`re angeführte Literatur: Damourette, Jacques/Pichon, E´duard (1911⫺ 1940): Des mots a` la pense´e. Essai de grammaire de la langue franc¸aise. 8 Bände. Paris. Galichet, George (1947): Essai de grammaire psychologique du franc¸ais moderne. Paris. Malblanc, A. (1944): Pour une stilistique compare´e du franc¸ais et de l’allemand. Essai de repre´sentation linguistique compare´e. Paris. Vendryes, Joseph (1921): Le langage. Introduction linguistique a` l’histoire. Paris.
108
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
5.2. Weitere Literatur zur Wortartenproblematik (nur zu Lebzeiten Tesnie`res erschienene) Fries, Charles Ch. (1952): The Structure of English. London Hermann, Eduard (1928): Die Wortarten. Berlin. Otto, Ernst (1928): Die Wortarten, In: GermanischRomanische Monatsschrift 16, 417⫺424.
Slotty, Friedrich (1929): Wortart und Wortsinn, In: Travaux du Cercle Linguistique de Prague 1, 93⫺ 106.
Die drei zuletzt genannten Titel sind wiederabgedruckt in: Schaeder, Burkhard/Knobloch, Clemens (Hgg.) (1992): Wortarten. Beiträge zur Geschichte eines grammatischen Problems. Tübingen.
Bernhard Engelen, Dortmund (Deutschland)
12. Zu Tesnie`res Semantikkonzept 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Zur wissenschaftsgeschichtlichen Stellung Tesnie`res Tesnie`res Modernität Die semantische Ebene und das Valenzkonzept Zusammenfassung Literatur in Auswahl
Zur wissenschaftsgeschichtlichen Stellung Tesnie`res
Lucien Tesnie`re ist faktisch erst nach seinem Tod mit dem posthumen Werk „E´le´ments de syntaxe structurale“, Paris 1959, im deutschsprachigen Raum vor allem durch dessen Übersetzung als „Grundzüge der strukturalen Syntax“ durch U. Engel, mit zahlreichen Kommentaren und Adaptationen, international bekannt geworden. Dabei dürfte er ⫺ so er überhaupt seitens der Linguistik zur Kenntnis genommen wurde ⫺ vor allem als ein Erneuerer der Syntax mit seiner Akzentuierung einer vom Verb als nœud des nœuds dominierten Abhängigkeitsgrammatik mit drei Aktanten und einer Vielzahl von Zirkumstanten/Angaben sowie zahlreichen Mechanismen, darunter der Translation und Metataxe, angesehen werden, also als der geistige Vater einer syntaxzentrierten Valenztheorie. Allerdings wird selbst diese Urheberschaft durchaus nicht von allen Valenztheoretikern und Abhängigkeitsgrammatikern explizit anerkannt, steht u. W. auch eine entsprechende umfassende und allseitige Würdigung des Gesamtwerkes von Tesnie`re für eine Geschichte der sprachwissenschaftlichen Theorienbildung noch aus, fand er zudem gerade in der französischen Sprachwissenschaft bis auf den heutigen Tag nur eine alles in allem vergleichsweise bescheidene, periphere Beachtung.
2.
Tesnie`res Modernität
Liest man sein posthumes Hauptwerk genauer aus heutiger Sicht, so entdeckt man eine ganze Reihe von aufschlussreichen Details, die Tesnie`re nicht nur als Vorläufer der Valenztheorie und Dependenzgrammatik erweisen, sondern auch als einen scharfsichtigen, theoretisch breit belesenen, eine Vielzahl von Sprachen auch außerhalb der indoeuropäischen als Belege heranziehenden Linguisten, der durchaus auch gewisse Grundannahmen der semantischen Valenztheorie Helbigs, d. h. letztlich der Kasusrollenbestimmung der Aktanten (und letztlich auch der Angaben) sowie selbst der Szenen- und Skript-/FrameSemantik und damit letztlich einer Spielart der kognitiven Semantik, vorwegnimmt. 2.1. Die semantische Ebene Bei Tesnie`re finden sich keine längeren zusammenhängenden Ausführungen zur Semantik ⫺ weder zu dem, was man als Satzbedeutung und noch weniger zu dem, was man als Wortbedeutung bzw. lexikalische Bedeutung bezeichnen könnte ⫺ von den näheren Bestimmungsversuchen der von Tesnie`re etikettierten Funktionen der Aktanten des Verbs einmal abgesehen. Der alles in allem sporadische Bezug auf solche semantischen Aspekte, die für ihn (S. 50 ⫺ alle Zitate und Verweise nehmen auf die deutsche Übersetzung Bezug) die letzte raison d’eˆtre für die Syntax darstellen und der im Unterschied zu seinem sonstigen detaillierten Bemühen um eine klare inhaltliche Bestimmung der syntaktischen Operatoren, Stemmata und Mechanismen eher zufällige und undifferenzierte Rekurs auf nicht näher spezifizierte Bezeichnungen wie Begriff, Vorstellung, Gedanke, Bedeutung, semantisch, er-
12. Zu Tesnie`res Semantikkonzept
scheint indes durchaus erklärlich, betrachtet man das nuancierte Interesse an syntaktischen Fragestellungen sowie insbesondere die von Tesnie`re nirgends hinterfragte Überzeugung, dass die Beschreibung semantischer Aspekte im weitesten Sinne als Inhaltsform der Sprache bzw. innere Sprachform in der Nachfolge von Humboldt letztendlich eine Angelegenheit der Psychologie und Logik und ⫺ demzufolge ⫺ nicht der Linguistik/ Grammatik sei. So lesen wir S. 50: „Auf der semantischen Ebene hingegen existiert der Gedanke unabhängig von jedem sprachlichen Ausdruck. Die semantische Ebene steht außerhalb der Grammatik; sie gehört allein in die Psychologie und Logik.“ S. 43 heißt es, strukturelles und semantisches Schema (letzteres erscheint überraschend und unspezifiziert neben den kurz erwähnten abstrakten strukturellen und linearen Schemata) „konstituieren im Gegensatz zur äußeren Form des Satzes seine eigentliche innere Form.“ Dabei geht es Tesnie`re mit ausdrücklichem Bezug auf Ballys „Pre´cis de stylistique“ (Gene`ve 1909, Bd. 1, 83 f.) als Aufgabe der Linguistik um „die Beobachtung dessen, was im Bewusstsein des Sprechers vorgeht in dem Augenblick, in dem er ausspricht, was er meint“ (S. 44). Im Verständnis von Tesnie`re umfasst die Inhaltsform neben dem Gedanken das strukturale und lineare Schema, die ihm auf der sprachlichen Ebene entsprechen (S. 44) und wird die Funktion für die einzelnen Wörter als die Rolle bestimmt, „die den Wörtern in dem Mechanismus, der dem Ausdruck des Gedankens (dient), zugewiesen ist.“ (S. 48) Kurz danach finden wir zwei wichtige, wenn auch im weiteren Werk nicht konsequent weiter ausgebaute Überlegungen. „Die Struktur des Satzes ist eines, die Vorstellung, die er ausdrückt, die seine Bedeutung (sic! G. W.) ausmacht, ein anderes. Man muss deshalb unterscheiden zwischen der strukturalen und semantischen Ebene“ (S. 49), wobei letztere im Folgenden ziemlich aus dem Blickfeld gerät. Immerhin finden wir S. 50 das Eingeständnis: „Aber wir dürfen die semantische Ebene nicht völlig übergehen, denn die Bedeutung ist letztlich der Daseinsgrund der Struktur und bildet somit einen indirekten Gegenstand der Syntax … Auf der strukturalen Ebene bildet sich der sprachliche Ausdruck des Gedankens. Sie gehört ihrem Wesen nach zur Grammatik“. 2.2. Die strukturale Ebene Nach Tesnie`re ist die geistige Tätigkeit auf struktureller Ebene subjektiv und unbewusst als ein elementares und notwendiges Phäno-
109 men, das ⫺ so könnte man geneigt sein hinzuzufügen ⫺ einzelsprachspezifisch (wie z. T. kulturspezifisch) geprägt erscheint, während die geistige Tätigkeit auf der semantischen/lexikalischen Ebene objektiv und bewusst ist. „Sie (die geistige Tätigkeit allgemein ⫺ G. W.) ist ein oberflächliches und nur zufälliges Phänomen. Der Sprecher sucht sich die Vorstellungen aus, die er zum Ausdruck bringen will. Und wenn er nur ein bisschen Bildung hat, kann er seine Ausdrucksweise kontrollieren und ein Wort statt des anderen wählen.“ (S. 51) Tesnie`re erteilt jedoch einer sprachlichen Weltsicht eine Abfuhr, wenn er sagt (S. 58): „Die Verstandeskategorien liegen auf der psychologisch-logischen Ebene. Da die psychologisch-logischen Vorgänge die Grundlage allen Denkens sind, sind diese Kategorien allen Menschen ⫺ ungeachtet ihrer jeweiligen Muttersprache ⫺ gemeinsam“. Wiewohl Tesnie`re darauf Wert legt, dass die Syntax als Form des Ausdrucks der Gedanken nicht mit dem Gedanken selbst als deren Inhalt verknüpft, also völlig unabhängig von Logik und Psychologie, ist (S. 51, 52), so wie nach seiner Vorstellung strukturale und semantische Ebene voneinander unabhängig sind (S. 51), so relativiert er diese extreme Behauptung doch selbst, wenn er S. 52 feststellt, dass die angenommene Unabhängigkeit der Struktur von der Bedeutung in der Praxis als Parallelität betrachtet werden muss, „weil die strukturale Ebene die Aufgabe hat, den Ausdruck des Gedankens zu ermöglichen“. Diese Parallelität (wir würden etwa von Isomorphismus/Homomorphie sprechen) käme beispielsweise in Konnexionen zum Ausdruck, insofern als strukturale Konnexionen beispielsweise von semantischen überlagert würden. Das Strukturale bezeichne das Semantische; der Inhalt des Dependens träfe zu auf den Inhalt des Regens, wobei (am Beispiel von kleiner Bach = Eigenschaft der Bäche) die semantische Beziehung von unten nach oben verlaufe/zeige (Dependenz ⇒ Regens), die strukturale Beziehung dagegen umgekehrt verlaufe (S. 53). Wie bedeutsam in diesem Kontext die Bedeutung ist, macht Tesnie`re S. 54 mit dem Hinweis deutlich, dass es keine strukturale Konnexion ohne eine semantische, wohl aber durchaus eine semantische Konnexion ohne eine strukturale geben könne. „Je tiefer ein Wort im strukturalen Gefüge steht, desto wahrscheinlicher ist es, dass es wichtig für die Satzbedeutung ist. Es scheint fast, als ob die Funktion des Regens nur darin bestünde, die se-
110 mantische Zuordnung des Dependens zu ermöglichen.“ (S. 53) 2.2.1. Nach Tesnie`re enthalte das Wort, im Wortstamm (S. 56), neben einem strukturalen auch einen semantischen Nexus (S. 57), aber nicht notwendig beide im gleichen Wort, sondern auch dissoziiert, wobei das eine Wort Träger der strukturalen, das andere Träger der semantischen Funktion sei und das Wort als Segment der gesprochenen Kette und lineare Einheit des Satzes im Unterschied zum Nukleus als syntaktischer Einheit des Satzes keine syntaktische Realität besitze, sondern nur über den Umweg des Nukleus (S. 57), der als Konstrukt neben strukturaler Funktion vor allem semantische Funktionen in sich vereine (S. 55). 2.2.2. „Mit Hilfe der Verstandeskategorien“ (und offenbar unabhängig von Sprache ⫺ G. W.) „formt der menschliche Geist die Welt nach seinem Maße um. Ebenso kann auf sprachlicher Ebene der Inhalt des Denkens nur erfasst werden, wenn ihm ebenso der Raster eines Systems allgemeiner Begriffe auferlegt wird, die man grammatische Kategorien nennt. Mit Hilfe der grammatischen Kategorien formt die Sprache die Denkinhalte nach ihrem eigenen Maße um … Die grammatischen Kategorien entsprechen häufig den Verstandeskategorien.“ Es wäre jedoch unangebracht, aus der Entsprechung zwischen grammatischen und Verstandeskategorien und dem für letztere ausdrücklich postulierten universellen Charakter auch die grammatischen Kategorien als vom Verstand geprägt und somit virtuell universell ansehen zu wollen. Immerhin macht Tesnie`re selbst sehr deutlich, dass die grammatischen Kategorien ungeachtet ihrer engen Beziehungen zur semantischen Ebene erheblich von Sprache zu Sprache variieren können (S. 60). Dabei seien die grammatischen Kategorien als Vorgesetzte und allgemeine Begriffe und Klassifikatoren (z. B. Gegenstand = Kategorien der Sprache als System/langue) der Denkinhalte ⫺ als Untergebene ⫺ zu betrachten, wogegen die Funktionen als dynamisch zu betrachten wären (z. B. Substantiv als Subjekt, Objekt) und in der Parole erst dem Satz Sinn verleihen (S. 60). Aus dem kategorialen Zugriff der Grammatik auf die Denkinhalte könnte allerdings u. U. doch abgeleitet werden, dass die ⫺ zudem muttersprachige ⫺ jeweilige Weltsicht, d. h. die syntaktische Kategorisierung der
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Welterfahrung und mithin auch die Sicht auf die Verstandeskategorien bestimme, wiewohl beide grundlegend verschiedenen Ebenen angehören (S. 58), wobei allerdings Tesnie`re selbst eine solche Bezugnahme ⫺ etwa auf Weisgerber ⫺ an keiner Stelle vornimmt. 2.3. Sachverhalte und ihre sprachliche Abbildung Aus dem bisher Gesagten und nachfolgenden knappen Ausführungen zur lexikalischen bzw. Wortbedeutung könnte geschlussfolgert werden, dass Tesnie`re auf der für ihn durchaus bedeutsamen und aufs engste mit der strukturalen Ebene verwobenen semantischen Ebene im Wesentlichen zwischen Gedanken und Vorstellungen unterscheidet, ohne allerdings eine hinreichende Festlegung zuzulassen, welche den Satz- und welche den Wortbedeutungen entsprechen, d. h. den Worten oder Nuklei über die von der Syntax/Grammatik unabhängige Kategorisierung als Verstandeskategorien und Denkinhalte so genannter „voller Wörter“ als deren lexikalische Verwendungsbedeutungen zuzuordnen sind. Semanteme als Träger semantischer Funktionen (S. 68) und abstrakte Größen der Sprache/Langue drücken nach Tesnie`re (S. 68) Vorstellungen unmittelbarer aus, wobei die so genannten speziellen vollen Wörter (Appellative vor allem) die reale Welt wiedergeben würden (die generellen Wörter ⫺ z. B. jemand, man ⫺ dagegen nur deren virtuelle Entsprechung ⫺ S. 72). 2.3.1. In einem Satz mit vollen Wörtern wie Alfred hat gestern seinen Hut vergessen werde ein wirklicher Sachverhalt evoziert ⫺ wir könnten auch von „ein Ereignis wird instantiiert“ sprechen ⫺, wobei nur dieser Satz einen semantischen Gehalt, aufteilbar in Substanz und Geschehen, aufweist, ein Satz wie Man vergisst immer etwas dagegen einen solchen konkreten Sachverhaltsbezug vermissen lasse (S. 72). Dabei sind nach Tesnie`re „Substanzen … die Dinge, die durch die Sinne wahrgenommen und vom Verstand her als unterscheidbar existierend aufgefasst werden, z. B. Pferd, Tisch, jemand. Die vollen Wörter, die Substanzen bezeichnen, werden Substantive genannt. Geschehen ist Zustand oder Vorgang, durch das eine wie das andere manifestiert die Substanz ihre Existenz, z. B. ist, schläft, isst, macht usw. Die vollen Wörter, die Geschehen bezeichnen, werden Verben genannt.“ (S. 72).
12. Zu Tesnie`res Semantikkonzept
2.3.2. Nach Tesnie`re würden die meisten Sprachen Wortartunterschiede zwischen Substanz und Geschehen nicht grammatikalisieren, Substanz als Geschehen auffassen und folglich das Verb als Substantiv, wobei es den Verbbegriff im strengen Sinne nur in europäischen Sprachen gäbe (S. 73).
3.
Die semantische Ebene und das Valenzkonzept
Im Folgenden finden sich indirekte wie auch spezifizierende Hinweise zu den Vorstellungen Tesnie`res hinsichtlich Bedeutung/semantische Ebene (nunmehr vor allem auf Verben, aber z. B. auch auf Substantive bezogen) im Umfeld seiner Ausführungen zur Valenz, aber auch zur Metataxe und vor allem zur Translation. Als besonders bekannt und ausdeutbar dürfte in diesem Zusammenhang Tesnie`res Bild vom „petit drame“ (S. 93) sein, bei dem an der Durchführung einer bestimmten Handlung oder auch als Beteiligte an einem Vorgang bestimmte Handelnde/Vorgangsbeteiligte herausgestellt werden können. „Wie das Drama umfasst er (der verbale Nexus ⫺ G. W.) notwendig ein Geschehen und meist noch Akteure und Umstände.“ (S. 93) Dieser von Tesnie`re nicht systematisch ⫺ z. B. im Hinblick auf seine eigenen Vorstellungen von Ereignis/Geschehen (vgl. die mögliche Beziehung zur Ereignissemantik) ⫺ verfolgte Ansatz sollte indes nicht überinterpretiert werden, erscheint er doch in seinem Gesamtwerk eher sporadisch und zufällig. Andererseits liegt die Herstellung einer direkten Beziehung ⫺ etwa zu den Partizipanten eines Geschehenstyps als intranotionale Komponenten im Sinne von Klix 1987 ⫺ oder aber auch zu den semantischen Netzen oder Frames, Skripts oder Szenen im Gefolge von Fillmore 1976, 1985/86; Schank 1981; Raskin 1985, 1986 oder aber auch zur Bestimmung der Rollen/Funktionen der Aktanten in Tesnie`res Konzeption auf der Hand. 3.1. Die Aktantenkonzeption Für die Semantikkonzeption Tesnie`res besonders bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die Bestimmungsversuche, die er S. 100/ 101 im Hinblick auf die Funktionen unternimmt, die er seinen zunächst syntaktisch bestimmten drei Aktanten zuweist. Dabei wird der 1. Aktant als Subjekt, der 2. als direktes Objekt und der dritte Aktant
111 als indirektes (Dativ)Objekt bestimmt, wobei er deren Abgrenzung zu den Zirkumstanten/ Angaben ansatzweise später zwar problematisiert (S. 116 besonders für O-Aktanten), im Übrigen aber formal durch das Fehlen von Präpositionen begründet, was z. B. bei dem 3. Aktanten, aber etwa im Spanischen und Rumänischen auch beim direkten personalen Objekt, zu Problemen führen muss. Hinzu kommt, dass z. B. in Er lief zwei Stunden, bis er zu Hause eintraf das direkte Objekt sich nicht mit der für den 2. Aktanten üblichen semantisch-funktionalen Bestimmung deckt. Mehr Aktanten scheinen ihm ausgeschlossen, wohl aber können die gleichen Aktantenarten mehrfach bei dem betreffenden Verb vorkommen (so 2 direkte Aktanten oder 2 Subjekte mit Junktor). Kotschi 1979 hat dagegen für maximal 4 Aktanten plädiert; während wir selbst aufgrund einer semantikbasierten Auffassung sogar 6 Aktanten ⫺ etwa bei Transportverben ⫺ zugelassen haben ⫺ u. a. B. Wotjak/G. Wotjak 1995. 3.1.1. Für Tesnie`re erscheint der 1. Aktant als Subjekt semantisch-funktional i. d. R. als Urheber, Verursacher/Bewirkender/Ausführender der durch das Verb bezeichneten Handlung/Tätigkeit (des petit drame); wir würden von einer prototypischen AGENS-Zuweisung sprechen (vgl. Welke 1988), wobei Tesnie`re selbst verdeutlicht, dass der Subjektaktant bei einigen Verben wie miss oder manquer (vgl. S. 207 seine Ausführungen zur Metataxe und multiplen Aktantenvertauschung) anders spezifiziert werden müsste bzw. z. B. bei gefallen nur ein 2. und 3. Aktant feststellbar wären. Für den 2. Aktanten sieht Tesnie`re folgende Rollenbestimmung vor (S. 100): „Der zweite Aktant (= direktes Objekt ⫺ G. W.) ist in semantischer Hinsicht der, welchem eine Tätigkeit/Handlung widerfährt.“ Und für den dritten Aktanten (S. 101): „Semantisch gesehen ist der 3. Aktant der, zu dessen Nutzen oder Schaden etwas geschieht.“ Bzw. semantisch noch breiter: „Er meint häufig ganz allgemein eine Person, die mit dem betreffenden Geschehen irgendwie zu tun hat.“ (S. 101). 3.1.2. Von den 3 Aktantenarten und damit der maximalen Aktantenzahl pro Verb nach Tesnie`re unterschieden durch Markanten wie Präpositionen sind die Angaben oder Zirkumstanten, deren Vorkommen zusammen mit dem Verb i. d. R. nicht konstitutiv/relevant ist für die Aktualisierung der Vorstel-
112 lung, des petit drame, das Geschehen, im Unterschied zu den Aktanten, von denen zumindest einer, oft auch mehrere bei bi- oder trivalenten Verben unmittelbar der Saturierung des Dramas dienen, während die Zirkumstanten dessen Umfeldbedingungen ⫺ Raum, Zeit und Art und Weise vor allem ⫺ näher zu umreißen erlauben. 3.2. Die Metataxe Dass für Tesnie`re das Vorhandensein einer Metataxe, d. h. des Wechsels von einer Aktantenart in eine andere und damit Veränderungen im Stemma, nicht die Wiedergabe der Bedeutung gefährden und bei der Übersetzung eher die Regel sind, lässt darauf schließen, dass für ihn die Bedeutung, wie immer er sie auffasst, von der syntaktischen (und morphologischen) Repräsentation als einzelsprachspezifisch geprägter Realisierung deutlich abgehoben erscheint. So stellt es für ihn auch kein Problem dar, dass einem Aktanten in einer Sprache in einer anderen gar kein Aktant, sondern etwa ein Zirkumstant, eine Angabe, entspricht. Allerdings finden sich zu letzteren weniger semantische Aussagen, wiewohl Tesnie`re bekanntlich auf Abgrenzungsprobleme insbesondere zum 3. Aktanten hingewiesen hat (S. 116) und z. B. S. 180 in historischer Sicht festhält, dass „Aktanten im Grunde nur weiterentwickelte einstige Angaben“ sind und in sprachvergleichender Sicht Aktanten durchaus in der anderen Sprache Angaben als Äquivalente haben können bzw. umgekehrt. 3.2.1. Dabei vermag uns seine Argumentation hinsichtlich changer de veste, bei dem es sich um keinen Aktanten, sondern eine Angabe handeln würde, nicht voll zu überzeugen; hier wäre changer monovalent, weil es sich eben nicht um ein „reines“ Substantiv, sondern um ein Adverb der Quiddität handele. Nach ihm (S. 116) wären Aktanten formal „reine“ Substantive und semantisch ein unverzichtbares Komplement, damit die Sachverhaltsvorstellung vollständig aktualisiert werden kann, während die Angaben dagegen formal als Nominalgruppen mit Präposition (oder reine Adverbien) und semantisch insofern fakultativ wären, als der bezeichnete Sachverhalt als solcher auch ohne die Angaben verständlich wäre. Uns schiene im konkreten Beispielfall durchaus bezweifelbar, ob changer in der monovalenten Lesart ohne de veste als so genannte Angabe eine verständliche Aussage wäre und sich so deutlich gegenüber der von
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
ihm als bivalent charakterisierten Lesart von changer in changer le ressort de la montre (S. 164) in seiner Bedeutung unterscheidet, um zwei unterschiedliche Varianten anzunehmen. 3.2.2. Uns will scheinen, dass es an der Zeit wäre, sowohl für die Bestimmung der Aktanten wie auch für die der Zirkumstanten auf von der Syntax deutlich abgehobene primär semantische Erscheinungen zu rekurrieren, was naturgemäß zu spezifischen Abweichungen gegenüber der von Tesnie`re eingeführten Abgrenzung und Bestimmung von Aktanten und Zirkumstanten führen würde (vgl. dazu Wotjak 1991, 1994, 1996). 3.3. Die Beziehungen zwischen Syntax und Semantik Nach Tesnie`re sind die Wechselbeziehungen zwischen Aktanten und Semantik so zu sehen (sinngemäß zitiert nach S. 161): So wie es Verben mit verschiedenen Arten von Aktanten gäbe, so ändere sich die Art des Verbs je nachdem, ob es einen, zwei oder drei Aktanten regiere und wörtlich: „Denn es ist unbestreitbar, dass der Verstand des Sprechers ein Verb psychologisch unterschiedlich auffasst, je nachdem ob es einen, zwei oder drei oder überhaupt keinen Aktanten regieren kann.“ Kann man aus einer solchen Feststellung und der nachstehend zitierten ein Junktim bilden zwischen Semantik der Verben und deren Aktantenzahl und Art? So wenn Tesnie`re S. 163 feststellt: „Man kann in der Tat sagen Alfred schläft oder Alfred fällt, aber man kann nicht ausdrücken, ja sich nicht einmal vorstellen (Unterstreichung ⫺ G. W.), dass dieses Geschehen einen anderen Aktanten als Alfred betreffe. Man kann nicht jemanden oder etwas schlafen, wandern, sprudeln“ bzw. mit noch etwas breiterem Interpretationsspielraum S. 180: „Es kommt häufig vor, dass die Bedeutungen zweier Verben sich nur durch die Zahl der regierten Aktanten unterscheiden.“ 3.3.1. Kann man eine zwingende Übereinstimmung annehmen zwischen der Bedeutung bzw. dem im Drama implizierten Geschehen mit Aktanten und Zirkumstanten und der Zahl (und Art) der Aktanten, bzw. kann man umgekehrt aus der Aktantenzahl gültige Schlüsse ziehen auf die Bedeutung der Verben, d. h. z. B. aus übereinstimmender Aktantenzahl auf Gemeinsamkeiten der Bedeutung (z. B. trivalente Verben des Sagens
12. Zu Tesnie`res Semantikkonzept
und Gebens und deren Gegenteil ⫺ S. 176) bzw. aus Unterschieden in der Aktantenzahl Rückschlüsse ableiten auf Bedeutungsunterschiede der Verben? So modern und im Einklang mit Auffassungen von der Isomorphie zwischen Semantik und Syntax eine solche Interpretation auch klingen mag, so wenig wird man damit wohl Tesnie`res spezifischer Auffassung von Bedeutung gerecht. Immerhin sieht Tesnie`re bei dem Wechsel von einem kausativen Verb zu seinem nichtkausativen Bezugsverb bzw. umgekehrt bei dessen Kausativierung die Bedeutung beider Verben als unverändert gleich an, sodass sich nur die Aktantenzahl unterscheidet. „Alfreds Haben in dem Satz Alfred hat ein Buch bleibt unverändert erhalten in dem Satz Bernhard gibt Alfred ein Buch. Nur die Zahl der Aktanten wechselt. Haben hat nur zwei (Alfred, ein Buch), geben aber drei (Bernhard, Alfred, ein Buch).“ (S. 180). (Allerdings handelt es sich hier um einen umgeformten Text seitens des Übersetzers U. Engel, wiewohl Tesnie`re selbst S. 181 diese Aussage geringfügig zu nuancieren scheint, wenn er feststellt: „… die Vorstellungen, die sie [die Verben des Sagens/Gebens ⫺ G. W.] bezeichnen, entsprechen, abgesehen von einem weiteren Aktanten, den elementaren Vorstellungen des Wissens und Habens“, so scheint uns dennoch keine Fehldeutung vorzuliegen). Unter Bezug auf morphologische und weitere Markanten für die Parallelität von kausativierten Verben und deren Grundform stellt Tesnie`re immerhin S. 181 heraus: „Dieser einheitliche Markant gilt für eine große Anzahl von Verben; er weist auf ein kohärentes grammatikalisiertes System von Relationen zwischen Verben mit gleicher Bedeutung, aber unterschiedlicher Valenz hin“. 3.3.2. Skepsis scheint uns allerdings gegenüber einer durchgehenden Isomorphismusbeziehung zwischen Semantik und Syntax bis zum endgültigen Nachweis des Gegenteils angebracht. Allerdings erbrächte uns die hier aufgenommene Argumentation von Tesnie`re nur eine trügerische Bestätigung einer möglichen Diskrepanz, denn für uns besitzen kausativierte Verben und deren nicht-kausative Grundformen eben im Gegensatz zu Tesnie`re nicht die gleiche Bedeutung, sodass die festgestellte abweichende Valenz eher als Argument für das Vorhandensein einer abweichenden Bedeutung und damit auch für die Existenz einer Isomorphiebeziehung gewertet werden könnte.
113 3.3.3. In die Richtung einer möglichen Diskrepanz von Semantik und Aktantenstruktur/Syntax scheint Tesnie`re allerdings auf S. 206 nochmals abzuzielen, wenn er darauf hinweist, dass die Lexikographen immer die Aktantenstruktur bei Verben angeben sollten. „Denn ein Verb, von dem man nur die Bedeutung, aber nicht die Aktantenstruktur kennt, ist überhaupt nicht verwendbar.“ Allerdings wäre selbst bei vorausgesetzter Isomorphie wohl in interlingualer Perspektive und wohl auch intralingual kaum automatisch von der Bedeutung auf die Art und Anzahl der das Verb begleitenden Aktanten, dessen Aktantenpotential, zu schließen. Immerhin betont Tesnie`re an anderer Stelle (S. 161) zurecht, dass es nie erforderlich wäre, „dass alle Valenzen eines Verbs durch ihren jeweiligen Aktanten belegt sind und damit das Verb sozusagen saturiert ist“, was impliziert, dass wir uns bei der Beurteilung des Vorhandenseins von Isomorphie bzw. deren Ablehnung stets von der systemhaft potentiell möglichen Anzahl von Aktanten, dem für das Verb bzw. die Verbvariante charakteristischen Aktantenpotential und nicht von konkreten Verwendungsbeispielen des betreffenden Verbs allein leiten lassen dürfen. 3.3.4. Tesnie`re scheint selbst eine Ausdifferenzierung seiner Bedeutungskonzeption im Sinn zu haben, wenn er S. 177 in Anlehnung an Bally 1909, Bd. 1, S. 104 ff. für die trivalenten Verben des Sagens und Gebens feststellt: „Diese ungeordneten Listen zeigen, wie nützlich es für die Klassifikation von Wortschatzeinheiten ist, wenn man ein wenig Ordnung in diese Varianten einer Grundidee bringt, indem man die Kernbedeutung und die zusätzlichen Bedeutungsnuancen untersucht.“ Außerdem verweist Tesnie`re S. 213 unter Bezug auf die Translation und Unterschiede im sprachlichen Ausdruck zwischen Französisch und Deutsch (und anderen Sprachen) darauf, dass „identische Inhalte in der einen Sprache verbal, in der anderen nicht verbal (bspw. u. a. adverbial) ausgedrückt werden“ und gibt das interessante Beispiel: Er bimmelte die Straße hinauf. ⇒ Il montait la rue au son des grelots. 3.4. Die Translation S. 253 bestimmt Tesnie`re die Translation als einen der wichtigsten Mechanismen, durch den die Unabhängigkeit des strukturalen vom semantischen Bereich gewährleistet wird. Bei Detailstudien hat er dann selbst auf
114 die Berücksichtigung feiner semantischer Unterschiede (bspw. zwischen de Paris und parisien ⫺ S. 288) ebenso hingewiesen wie darauf, dass bei deverbativen Substantivbildungen der semantische Bezug zum Basisverb ⫺ ganz im Sinne der modernen „Vererbungstheorie“ ⫺ unbedingt beachtet werden muss (S. 289/290). 3.5. Probleme der Aktantenkonzeption Aus entsprechenden Ausführungen Tesnie`res, z. B. zu avalenten Verben, können abschließend nochmals Rückschlüsse auf seine Bedeutungskonzeption abgeleitet werden, so wenn er feststellt, „dass es sich hier um ein ‘Drama’ handelt, das unabhängig von irgendeinem Aktanten abläuft. Es schneit bezeichnet einfach ein in der Natur sich abspielendes Geschehen; wir können uns keinen Aktanten als Urheber dieses Geschehens vorstellen (S. 162)“. 3.5.1. Tesnie`res Argumentation, bei der er zum zweiten Mal ausdrücklich auf das Drama Bezug nimmt, scheint uns indessen hinterfragbar, wenn man doch einen möglichen ⫺ in diesen Fällen im Verbstamm repräsentierten Aktanten ⫺ annehmen würde, dem zwar keine Funktionszuweisung als AGENS/ Verursacher, wohl aber als AFFIZIERTES, etwas womit etwas geschieht, zuerkannt werden könnte. Gewiss lassen Sprachen wie Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch bei solchen Witterungsverben keinen tatsächlichen Verbmitspieler/Aktanten außer z. B. einem Quasi-Subjektstatthalter zu; anders jedoch in slawischen Sprachen, wie etwa auch dem Tesnie`re als Slawisten und Autor einer russischen Grammatik bestens vertrauten Russischen, wo es heißt dozd idjot = es regnet (der Regen geht); sneg padajet (Schnee fällt); hier erscheint sehr wohl ein Geschehensbeteiligter als Subjekt-Aktant, der zwar keinen Urheber des Geschehens bezeichnet, was ja auch nach Tesnie`re durchaus nicht immer der Fall für den dominant so ausgezeichneten 1. Aktanten = Subjektaktanten der Fall sein muss. Damit allerdings ist nichts dagegen gesagt, dass es sich bei den deutschen, französischen Witterungsverben um syntaktisch avalente Verben, d. h. Verben ohne Mitspieler handelt, weil zumindest die Angehörigen dieser Sprachgemeinschaften (nach Tesnie`re generell jeder Mensch) in Witterungserscheinungen Vorgänge ohne Aktanten sieht (S. 162).
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
3.5.2. So sehr man Tesnie`re beipflichten kann, wenn er betont, dass es wichtig ist, wie Menschen (d. h. wohl letztlich auch Sprecher verschiedener Sprachen übereinstimmend oder u. U. auch abweichend ⫺ hier bleibt uns Tesnie`re eine eindeutige Antwort schuldig) eine bestimmte Funktion sehen (S. 164), wobei sich in der Diachronie Veränderungen ergeben können, so sehr scheint es uns wichtig, nicht allzu kurzschlüssig und direkt von strukturellen Aspekten (Zahl der Aktanten bzw. deren Nichtvorhandensein) auf die semantische Ebene schließen zu wollen. So könnten eben für solche Verben in dem einen Fall eine Argumentkonstante als intralexematische Aktantifizierung/Grammatikalisierung, im anderen Fall ⫺ so im Russischen ⫺ dagegen ein Aktant als intralexematischer Bestandteil einer Mehrwortkollokation angenommen werden, die in toto die gleiche Bezeichnungsfunktion realisiert wie Verb und expletives es im Deutschen.
4.
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Ungeachtet der sich in seiner strukturalen Syntax findenden Ausführungen zu semantischen Aspekten sowie zur Relation zwischen Semantik und Syntax, wäre es sicher unangemessen, Tesnie`re als einen Wegbereiter der modernen Semantiktheorien oder etwa auch nur einer semantisch-funktionale Aspekte umfassend mit einbeziehenden Valenztheorie betrachten zu wollen. Dessen ungeachtet sind die von Tesnie`re zu solchen semantischen (und kognitiven) Phänomenen sporadisch an mehreren Stellen gemachten Äußerungen in Anbetracht des Zeitpunktes der Fertigstellung und des damaligen Entwicklungsstandes der linguistischen Theoriebildung als geniale Vorahnungen zu betrachten, wobei es aus heutiger Sicht leicht fallen mag zu bedauern, dass Tesnie`re nicht sich an einigen Stellen aufdrängende weiterführenden Schlussfolgerungen selbst gezogen hat. Auf einige Bezugspunkte zu neueren Ansätzen sowie konsequent semantische Interpretationsmöglichkeiten ist von uns von Fall zu Fall ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Explizitheit aufmerksam gemacht worden, wobei wir hoffen, dass die eigenen, in sich nicht immer voll schlüssigen Auffassungen Tesnie`res dadurch weder verstellt noch gar verfälscht wurden.
115
13. Das Translationskonzept Lucien Tesnie`res
5.
Literatur in Auswahl
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Gerd Wotjak, Leipzig (Deutschland)
13. Das Translationskonzept Lucien Tesnie`res 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
Die Translation in Tesnie`res Syntaxmodel Wissenschaftsgeschichtliche Einordnung der Translationstheorie Tesnie`res Kritische Systematik der Translation Die Rezeption der Translationskomponente Die Translation im Spannungsfeld von Valenz und Dependenz und Forschungsperspektiven Literatur in Auswahl
Die Translation in Tesnie`res Syntaxmodell
Für Tesnie`re ist der Translationsteil das innovative Moment seines Syntaxmodells schlechthin. Seine Beschäftigung mit der Translation lässt sich in ersten Anfängen bereits 1918 dokumentieren (vgl. Baum 1976, 25 f.). Das komplette Modell stellt er in der 1934 erschienenen Petite grammaire russe
erstmals einem breiteren Publikum vor. Im gleichen Jahr erscheint der 1933 im Manuskript abgeschlossene Aufsatz Comment construire une syntaxe, in dem die in der Petite grammaire russe enthaltenen theoretischen Ausführungen komprimiert präsentiert werden. Obwohl Tesnie`re sich zeit seines Lebens kontinuierlich mit der Translation beschäftigt hat, erfolgen umfassendere Darlegungen zur Translation erst wieder 1953 in einer Knappversion der 1959 postum publizierten Ele´ments de syntaxe stucturale mit dem Titel Esquisse d’une syntaxe structurale. Der der Translation gewidmete Raum in den Ele´ments schließlich nimmt fast die Hälfte des Bandes ein, d. s. mehr als 300 Seiten, was die Bedeutung dieser Komponente für die Beschreibung von Sprachen eindrücklich unterstreicht. Die Translation lässt sich dabei im wesentlichen durch das Schlagwort „Katego-
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II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
rienwechsel“ umschreiben, der bei Tesnie`re sowohl den Wortklassenwechsel als auch den Funktionswechsel umfasst bzw. umfassen kann. 1.1. Das Rahmenmodell Bevor auf die Translationskomponente eingegangen wird, sei knapp das Rahmenmodell, welches als Dependenzmodell ⫺ und im Hinblick auf die Kategorie des Verbs als Valenzmodell konzpiert ist (zu den Grundlagen des Rahmenmodells vgl. auch Kap. 12), vorgeführt. Gegenstand der strukturellen Syntax ist für Tesnie`re der Satz als „organisiertes Ganzes, dessen konstituierende Teile die Wörter sind“ (Tesnie`re 1959/1966, 11). Tesnie`re geht von einem zweiseitigen Zeichenmodell aus, in dem in Erweiterung der Saussureschen Zeichentheorie einem ordre line´aire, das ist die unidirektionale Ausdrucksseite, ein ordre structural, das ist die hierarchisch konzipierte Inhaltsseite, zugeordnet ist. Dabei ist Tesnie`re aufgrund seines syntaktischen Anliegens an dem interessiert, was den Satz ausmacht, und das ist seine Struktur. Diese Struktur wird als Netz von relationalen Beziehungen, die er Konnexionen nennt, gesehen. Diese Konnexionen sind an das „Wort“ in seiner Eigenschaft als Knoten, nœud (syntaktischer Funktionsträger) bzw. als Nukleus (syntaktisch-semantischer Funktionsträger, der die nodale Funktion mitumfasst) gebunden. Der Nukleus ist im ordre structural Relationspol für die Konnexionen. So besteht der Satz Alfred parle nicht aus zwei, sondern aus drei Komponenten: den beiden Knoten bzw. Nuklei Alfred und parle und der Beziehung, die zwischen beiden besteht, eben der Konnexion. Die Darstellung erfolgt in Gestalt eines Stemmas: parle | Alfred
| ⫽ Konnexion
welches auf einer höheren Abstraktionsstufe die Satzstruktur wiedergibt. Dafür werden entsprechend der wortfundierten Satzdefinition kategorial definierte Wortklassensymbole herangezogen: I für Verb, O für Substantiv, A für Adjektiv und E für Adverb. Bei diesen vier Wortklassen handele es sich um (satz- bzw. syntagmen)konstituierende Wörter (mots constitutifs), die allein in der Lage seien, Konnexionen zu etablieren. Alle anderen traditionellen Wortarten (Präpositionen, Konjunktionen, Artikel usw.) spielen als grammatische „Hilfswörter“ (mots subsidiaires) keine Rolle beim Aufbau des Konnexionsgefüges. Ihre Aufgaben liegen in anderen Bereichen. ⫺ Das stemma virtuel ist Repräsentant für eine offene Reihe konkreter Sätze. Im Zentrum eines solchen Stemmas, soweit es sich um einen segmental kompletten Satz, um einen Satz mit finitem Verb, handelt, steht immer das Verb. Entsprechend den vier Grundwortklassen lässt sich ein Vier-EbenenModell herauslösen, das nach unten prinzipiell erweiterbar ist. Allerdings sind ab der vierten Ebene nur noch Adverbien, also die Kategorie E möglich: 1. Ebene
I
2. Ebene
O1
O2
O3
E
3. Ebene
A
A
A
E
4. Ebene
E
E
E
E
…
…
…
…
I | O
Konnexionen errichten zwischen den „Wörtern“ eines Satzes Dependenz-, d. h. Abhängigkeitsbeziehungen, die eine hierarchische Anordnung der beteiligten Einheiten bewirken. Die Struktur des Satzes ist gleichbedeutend mit der Hierarchie seiner Konnexionen. Um nicht für jeden konkreten Satz ein eigenes Stemma aufstellen zu müssen, ersetzt Tesnie`re das ‘konkrete’ Stemma (stemma re´el), oben linke Seite, häufig durch ein ‘abstraktes’ Stemma (stemma virtuel), oben rechte Seite,
n.te Ebene
Die Abfolge der Kategorien auf den diversen Ebenen ist eine obligatorische: von O abhängig ist immer ein A (le grand livre), von A abhängig ist immer ein E (tre`s grand) und von E abhängig kann nur ein weiteres E sein (tre`s bien). Die Indizes 1, 2 und 3 bei O zeigen an, ob O die Rolle eines 1. Aktanten (Subjekt), eines 2. Aktanten (direktes Objekt) oder eines 3. Aktanten (indirektes Objekt) spielt. Das E
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13. Das Translationskonzept Lucien Tesnie`res
der 2. Ebene nennt Tesnie`re Zirkumstant (adverbiale Umstandsbestimmung). Damit ist definitiv eine Abkehr vom bis dahin üblichen Binarismus in der Satzanalyse vollzogen. Zwischen aufeinanderfolgenden Ebenen bestehen Dependenzbeziehungen. Der Begriff der Dependenz umfasst bei Tesnie`re sowohl die Verbdependenz, grosso modo also die Valenz (Beziehungen zwischen Ebene 1 und 2, sofern O-Positionen betroffen sind), als auch rein determinative Relationen im Sinne Hjelmslevs (1963, 35⫺41) als Funktion zwischen einer Konstanten (oberer Konnexionspol) und einer Variablen (unterer Konnexionspol) (Beziehungen zwischen den Ebenen 2 bis n, sowie zwischen den Ebenen 1 und 2, sofern die E-Position in Gestalt einer freien Angabe tangiert ist). Die einzelnen durch Buchstaben gekennzeichneten Positionen sind die Nuklei, in denen drei Funktionen vereint sind: die syntaktische Funktion (fonction nodale), die semantische Funktion (fonction se´mantique) und die translative Funktion (fonction translative). Während die beiden ersten Funktionen interdependent sind, ist die dritte optional. Die Nuklei brauchen dabei nicht unbedingt originäre Einheiten aus den zugeordneten Wortklassen zu repräsentieren. Es gibt in jeder Sprache vielmehr zwei Operationen, die das statisch-kategoriale Funktionsmodell auch für die Darstellung komplexerer sprachlicher Strukturen brauchbar machen: die Junktion und die Translation. Während durch die Junktion (koordinative Erscheinungen) eine quantitative Modifizierung des Bauplans möglich wird ⫺ gleichartige Nuklei werden durch ein Junktiv verbunden vgl. Alfred et Bernard chantent: chantent
Alfred
j
O
j
1.2. Die Translationskomponente Die Translation als sprachliche Operation umfasst im wesentlichen drei Komponenten: (1) das Translativ (t) als Translationsoperator (fakultativ) (2) das Transferendum als Operandum (obligatorisch) und (3) das Translat als Resultat. Die graphische Darstellung geschieht in der folgenden Weise: Translat Translativ
Transferendum
Zeichen für die Translation ist ein symbolisches T (für ‘Translation’), welches die Komponenten der für die Translation maßgeblichen Basen umgreift. Für die konkreten Sprachbeispiele wird die folgende Form gewählt:
I
Bernard
gen vermuten lassen könnten. Die Wahl des Französischen zur Dokumentation bisher und im folgenden ist lediglich praktisch motiviert, da Tesnie`re in den Ele´ments selbst immer auch das Französische vorrangig im Auge hat. Tatsächlich belegt er seine strukturellen Aussagen anhand von Beispielen aus einer großen Anzahl von Sprachen ⫺ ja, er erhebt für sein Modell generell einen Anspruch auf Universalität: So dient etwa der ordre structural als Maßstab für eine allgemeine Sprachtypologie. Konnexion, Junktion und Translation sind diejenigen Folien, die auf die jeweils betrachteten Sprachen aufgelegt werden und deren Beschreibung konditionieren. Das Modell ist zudem als Analyseund nicht als Synthesemodell entwickelt. ⫺ Soweit zum Rahmenmodell und seinen Aufbau-, Funktions- und Beschreibungsprinzipien, deren Kenntnis für den Zugang zur Translation unerläßlich ist.
O
bietet die Translation die Möglichkeit einer qualitativen Modifizierung im Bauplan, d. h. sprachliche Zeichen werden entgegen ihrer primären Qualität innerphrastisch genutzt. Junktion und Translation stellen die dynamischen Komponenten an dem statisch (kategorial) konzipierten Grundmodell dar. Dieses ist nun keineswegs nur aus einer Einzelsprache abgeleitet, wie die bisherigen Darlegun-
stemma réel: A de
Pierre
stemma virtuel: A t
O
etwa für (le livre) de Pierre. D. h. statt eines primären Adjektivs (z. B. rouge) wird ein Komplex sprachlicher Einheiten verwendet (de Pierre). Das Kategorialsymbol über dem Querbalken des symbolischen T gibt die Ziel-
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II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
kategorie der Translation an (im Beispiel A). Das untere abgeknickte Ende des T-Schaftes weist auf die Stellung des Translativs vor bzw. nach dem Transferendum hin. ⫺ Das gleiche abstrakte Stemma läge auch dt. Peters Buch, das Buch Peters, das Buch von Peter, engl. Peter’s book oder lat. liber Petri zugrunde, vgl.
nung ist, zeigen Beispiele wie le train de Paris oder l’amour de Dieu: le train
l’amour
A
A
de A
A Peter
s
von
Peter Peter
de
Paris
Dieu
A
A ’s
Petr
i
Dt. Peters Buch und das Buch Peters unterscheiden sich auf struktureller Ebene nicht. Die unterschiedliche Linearisierung von Determinatum und Determinans spielt im ordre structural keine Rolle. Damit erweist sich die Translationskomponente von großem Interesse etwa für den Sprachvergleich sowie für eine Bewusstmachung u. a. von Linearisierungs- und morphologischen Unterschieden im Fremdsprachenunterricht. ⫺ Für die eindimensionale Darstellung der Translation ist die folgende Formulierung vorgesehen: O (Ausgangskategorie) ⬎ A (Zielkategorie) Innerhalb des Stemmas werden die Translate folgendermaßen dargestellt, vgl. e´crivez dans le livre de votre ami:
Bei ihnen ist es unerheblich, welchen semantischen Wert das adjektivische Element als Teil des Konnexionsgefüges annimmt (‘der Zug von Paris’ oder ‘der Zug nach Paris’; ‘die Liebe zu Gott’ oder ‘die Liebe Gottes’). Es gibt nur eine syntaktische Struktur. Im Normalfall verändert das Transferendum seine Konnexionen nach oben, wohingegen im Transferendum die Konnexionen nach unten entsprechend derjenigen Kategorie bestehen bleiben, die den Ausgangspunkt für die Translation bildet. So sind im obigen Beispiel die Substantive Paris und Dieu als primäres O in ihrer Eigenschaft als Transferendum auf der einen Seite nicht mehr von einem Verb (I) abhängig, sondern von einem Substantiv (O), auf der anderen Seite können sie in ihrer Eigenschaft als originäres Substantiv eine A-Position dominieren, und nicht etwa, wie es sich für eine Einheit der Wortklasse A gehört, ein Adverb: vgl. le tre`s grand amour, aber *l’amour tre`s du Dieu, vgl.
écrivez l’amour
O
A
A
O
E dans
le livre du
Dieu
t
nicht: O
A t
O
A de
ami invisible
A
E
votre
Auf eine Zuordnung des ordre line´aire verzichtet Tesnie`re meist. Sie ist aufgrund der prinzipiellen Annahme einer Interdependenz von ordre structural und ordre line´aire auch nicht unbedingt notwendig. ⫺ Dass die Translation eine rein syntaktische Erschei-
1.3. Realisierungsformen der Translation Tesnie`re unterscheidet drei Haupttypen von Translationen, wenn auch in der Rezeption nur von den beiden ersten die Rede ist: (1) Translationen 1. Grades (2) Translationen 2. Grades (3) formale Translationen
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13. Das Translationskonzept Lucien Tesnie`res
Die graphische Darstellung der Translationen 2. Grades erfolgt analog derjenigen 1. Grades, nur das Translationszeichen wird verdoppelt: im Stemma durch eine Doppellung des Querbalkens des T, also , in der Linearisierung durch eine Verdoppelung von ⬎, also ⬎⬎. Translationen 1. und 2. Grades unterscheiden sich durch die Natur ihres Transferendums. Bei den Translationen 2. Grades enthält dieses immer ein finites Verb mit besetzten O- und/oder E-Positionen (also das Inventar der traditionellen Nebensätze), während bei den Translationen 1. Grades das Transferendum kein finites Verb enthält. Durch dieses Abgrenzungskriterium wird das Inventar der möglichen Transferenda bei den Translationen 1. Grades sehr vielgestaltig. Es reicht von Einheiten der Wortebene bis hin zu mehr oder weniger komplexen Syntagmen, die entsprechend den virtuellen, kategorial festgelegten Konnexionsvorgaben (vgl. oben das Vier-Ebenen-Schema) strukturiert sein können. Jeder der beiden Translationstypen ist durch besondere Translative gekennzeichnet: Präpositionen, Artikel, Kopulaverben, Auxiliarverben, Suffixe und sonstige Endungen bei der Translation 1. Grades, soweit sie ein Markierungselement hat, und subordinierende Konjunktionen und Relativpronomina bei der Translation 2. Grades. So wären Infinitive Substantivtranslate 1. Grades, Partizipien Adjektivtranslate 1. Grades, der französische ge´rondif Adverbialtranslat 1. Grades mit der Präposition en als Translativ, desgleichen deadjektivale Adverbien mit dem Suffix -ment als Translativ. Fälle wie le bleu, le pour et le contre usw. wären Substantivtranslate mit dem Artikel als Translativ, orange in la robe orange wäre Adjektivtranslat mit einem Nullmorphem als Translativ, desgleichen de mon fre`re in le livre de mon fre`re, allerdings diesmal mit einer Präposition als Translativ. Bleiben als letzte die Verbtranslate 1. Grades, die mit Hilfe eines Auxiliarverbs, zu denen auch die Kopulaverben gezählt werden (im einfachsten Fall sein, eˆtre), zustande kommen, mit dem auxilie´ bzw. dem Prädikationsnomen als Transferendum. Zu den Translaten 2. Grades zählen Ergänzungssätze, Relativsätze und adverbiale Nebensätze. Grundvoraussetzung für das Erkennen von Translaten ist also das Wissen um die kategoriale Zugehörigkeit eines als Translationsbasis genutzten Elements, was Tesnie`re auch den Vorwurf eingebracht hat, er habe mit seinem Syntaxmodell im Prinzip
den kategorialen Rahmen nicht verlassen. ⫺ Während Präpositionen und Konjunktionen für Tesnie`re immer Translative sind, muss für den Artikel und für einen Teil der Suffixe ein doppelter Status angesetzt werden: Zum einen sind sie Translative, zum anderen können sie aber auch reine, d. h. nicht-translative Indikatorfunktionen wahrnehmen, d. h. sie können Indikator (indice) für eine bestimmte Kategorie, Wortklasse, sein, etwa der Artikel als substantivischer Indikator in Fällen wie la maison, le chat usw., die nicht Ergebnis einer Translation sind. Bei den Translationen 1. und 2. Grades unterscheidet Tesnie`re zwei Untertypen: (1) Einfachtranslationen (translations simples) (2) Mehrfachtranslationen (translations multiples) Bei den Einfachtranslationen erfolgt die Überführung von der Ausgangs- in die Zielkategorie direkt, bei den Mehrfachtranslationen über diverse kategoriale Zwischenstufen. Beispiele für Einfachtranslationen 1. Grades (das Transferendum erscheint kursiviert): A ⬎ O: le bleu E ⬎ O: peu d’eau I ⬎ O: mentir est une honte O ⬎ A: un poe`te de genie E ⬎ A: un homme bien I ⬎ A: une femme aime´e/aimante O ⬎ E: Alfred habite a` Montpellier A ⬎ E: courageusement E ⬎ E: en chantant, il … A/O/E ⬎ I: il est malade/roi/bien Sondertypen der Einfachtranslation 1. Grades sind die interversive Translation (translation inverse´e), die subkategorielle Translation (translation subcate´gorielle), die funktionelle Translation (translation fonctionelle), die Transvaluierung/Umwertung (transvaluation) sowie die zweiteilige Translation (translation attenue´e). ⫺ Bei der interversiven Translation vollzieht sich lediglich ein Kategorientausch der an einem Syntagma beteiligten Elemente, z. B. un imbe´cile de marmiton, mit den Translationen A ⬎ O (imbe´cile ⬎ un imbe´cile) und gleichzeitig O ⬎ A (le marmiton ⬎ de marmiton), d. h. die Translation des zweiten Bestandteils des Syntagmas ist die Umkehrung derjenigen des ersten. ⫺ Bei der subkategoriellen Translation sind Ausgangs- und Zielkategorie identisch, m. a. W.: sie vollzieht sich innerhalb ein und der selben Kategorie und führt von einer Subkategorie in die andere, z. B. einfache Verbformen ⬎ zusammenge-
120 setzte Verbformen (I ⬎ I), ferner der Typ depuis hier, avant demain (E ⬎ E) und der Typ cinquie`me (A ⬎ A). In diese Gruppe, wenn auch mit einer nicht unwesentlichen Schwerpunktverlagerung, gehört ferner die funktionelle Translation, die durch das Einbringen von O’s in andere Positionen als die des 1. Aktanten bewirkt wird. Damit steht die funktionelle Translation an der Scheidelinie zu den Translationen 2. Grades, denn auch aus diesem Translationstyp resultierende Translate können virtuell Funktionen wahrnehmen, die nicht O1 sind (Objekts- und Adverbialsätze). Von Bedeutung ist bei diesem Translationstyp nicht mehr der interkategoriale Wechsel, sondern die Funktionsänderung bei gleichbleibender Kategorie. ⫺ Die transvaluation meint die Translation eines mot constitutif in ein mot subsidiaire und umgekehrt, z. B. les enfants excepte´ s ⬎ excepte´ les enfants bzw. dans ⬎ dedans, usw. mit den Translationen A ⬎ t bzw. t ⬎ E. ⫺ Die translation attenue´e schließlich ist eine doppelt markierte Translation, wobei sich die Markierungselemente in der translativen Funktion gegenseitig ergänzen ohne eine Mehrfachtranslation zu bewirken, etwa lat. cum (amic)o; weder cum noch -o sind für sich allein Translativ, sie nehmen diese Aufgabe nur gemeinsam wahr; ebenso frz. en (chant)ant, wo weder en noch -ant allein als Translativ für eine Translation I ⬎ E genügen. Man könnte sozusagen von einem „diskontinuierlichen Translativ“ sprechen. Einfachtranslationen 2. Grades haben immer die Kategorie I mit allen von dieser abhängigen Elementen zum Ausgangspunkt. Beispiele für Einfachtranslationen 2. Grades: I ⬎⬎ O: Subjekts- und Objektskompletiven, einschließlich der indirekten Fragesätze I ⬎⬎ A: Relativsätze I ⬎⬎ E: Adverbialsätze (diverse semantische Werte) Sondertypen wie bei den Translationen 1. Grades gibt es hier keine. Auf die Zwischenstellung der funktionellen Translation zwischen den Translationen 1. und 2. Grades wurde bereits hingewiesen. Mehrfachtranslationen sind Translationen, die über verschiedene kategoriale Zwischenstufen zustande kommen. Der betroffene Nukleus umfasst dabei mehrere Translationen, wobei jeweils ein Translat Transferendum für eine weitere Translation ist.
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Der Umfang der Mehrfachtranslationen ist nicht auf synchronische Erscheinungen beschränkt. Beispiele für Mehrfachtranslationen 1. Grades: ⫺ doppelte Translation, z. B. A ⬎ O ⬎ E: dans le vif (A ⬎ O: vif ⬎ le vif; O ⬎ E: le vif ⬎ dans le vif ). ⫺ Ein Sonderfall der Zweifachtranslation ist die translation re´versive, bei der die Ausgangskategorie wieder erreicht wird, vgl.: O ⬎ E ⬎ O bei l’apre`s-midi mit O ⬎ E: midi ⬎ apre`s midi und E ⬎ O: apres midi ⬎ l’apre`s-midi ⫺ Dreifachtranslation, z. B. A ⬎ O ⬎ A ⬎ O: la mort de Socrate est celle d’un sage (A ⬎ O: sage ⬎ un sage; O ⬎ A: un sage ⬎ d’un sage; A ⬎ O: d’un sage ⬎ celle d’un sage; eigentlich sogar Vierfachtranslation O ⬎ I mit Hilfe des Kopulaverbs eˆtre: celle d’un sage ⬎ est celle d’un sage) ⫺ Vierfachtranslation (siehe Dreifachtranslation) ⫺ Fünffachtranslation, z. B. I ⬎ A ⬎ O ⬎ E ⬎ A ⬎ O: l’embonpoint (I ⬎ A: lat. v. pungo ⬎ lat. adj. punctus [erstarrte Translation (translation fige´e)]; A ⬎ O: lat. adj. punctus ⬎ lat. subst. punctum [nicht-markierte Translation]; O ⬎ E: lat. punctum, nun bereits in Form von frz. point ⬎ en point; E ⬎ A: en point ⬎ en point [nicht-markierte Translation]; A ⬎ O: en (bon) point ⬎ l’embonpoint ⫺ Sechs- und Siebenfachtranslationen berücksichtigen desgleichen in der Regel die Etymologie des analysierten Komplexes Beispiele für Mehrfachtranslationen 2. Grades: ⫺ doppelte Translation, z. B. I ⬎⬎ A ⬎ O: je regarde ce que je perds (I ⬎⬎ A: je perds ⬎⬎ que je perds; A ⬎ O: que je perds ⬎ ce que je perds) oder I ⬎⬎ E ⬎ A: des souvenirs de quand j’e´tais enfant (I ⬎⬎ E: j’e´tais enfant ⬎⬎ quand j’e´tais enfant; E ⬎ A: quand j’e´tais enfant ⬎ de quand j’e´tais enfant) ⫺ Dreifachtranslation, z. B. I ⬎⬎ A ⬎ O ⬎ E: voir par ce que je suis ce qu’autrefois je fus (I ⬎⬎A: je suis ⬎⬎ que je suis; A ⬎ O: que je suis ⬎ ce que je suis; O ⬎ E: ce que je suis ⬎ par ce que je suis) ⫺ Belege werden bis zu Sechsfachtranslationen gegeben, z. B. I ⬎⬎ E ⬎ A ⬎ O ⬎A ⬎I ⬎ I: elle va eˆtre d’un comme il faut. Mehrfachtranslationen 2. Grades enthalten neben einer Einfachtranslation 2. Grades nur noch Translationen 1. Grades.
13. Das Translationskonzept Lucien Tesnie`res
Bleibt noch der dritte Translationstyp, die sog. formale Translation. Diese gehört weder zu den Translationen 1. noch zu denen 2. Grades. Sie kann jede beliebige Ausgangsbasis haben und hat als Zielkategorie immer O: „C’est la translation elle-meˆme qui donne un statut syntaxique au transfe´rende, car elle le verse dans une cate´gorie et le fait ipso facto entrer dans un nucle´us. De ce point de vue on pourrait dire qu’elle est novonucle´aire“ (Tesnie`re 1959/1966, 389) („Die Translation selbst verleiht dem Transferendum einen syntaktischen Status, denn sie weist ihn einer Kategorie zu und integriert ihn so in einen Nukleus. Deshalb könnte man sagen, sie sei nukleuszuweisend“). Durch die formale Translation wird eine Art metasprachliche Nutzung sprachlicher Segmente unterschiedlicher Komplexität ermöglicht, und sie ist für Tesnie`re immer ohne Markierungselement: J’aime superbement et magnifiquement :/ Ces deux adverbes joints font admirablement. Oder: ⫺ Peut-eˆtre serais-tu ge´ne´ral./ ⫺ Ce „peut-eˆ tre “ est une insulte. Hierher gehören aber auch fremdsprachliche Zitate wie le no man’s land ; je pratique assez e´nergiquement le nihil admirari, usw. Die Ausgangskategorie ist nicht festgelegt. Wichtig ist nur, dass dieser Komplex als Art kategoriales Neutrum in der jeweiligen Sprache ausnahmslos in der Zielkategorie O möglich ist bzw. als Nicht-O Resultat einer Mehrfachtranslation über O ist. ⫺ Das generelle Postulat des fehlenden Markierungselements bei diesem Translationstyp ist allerdings nicht unproblematisch, da an anderer Stelle der Artikel zu den Translativen gezählt wird. 1.4. Die Natur der Translation So einleuchtend die Einführung der Translationskomponente ins Syntaxmodell auf der einen Seite auch sein mag, so ist sie auf der anderen Seite jedoch nur schwer in den Griff zu bekommen, da Tesnie`re zwischen zwei Interpretationen schwankt. Zum einen definiert er die Translation als vom ordre structural prinzipiell unabhängigen reinen Kategorienwechsel, also als Wortklassenwechsel, zum anderen sucht er ihre Fundierung im ordre structural und definiert sie vorrangig als Funktionswechsel. (1) Die Translation als Kategorienwechsel. ⫺ „Dans son essence, la translation consiste donc a` transfe´rer un mot plein d’une cate´gorie grammaticale dans une autre cate´gorie grammaticale, c’est-a`-dire a` transformer une
121 espe`ce de mot en une autre espe`ce de mot“ (Tesnie`re 1959/1966, 364) („In ihrem Wesen besteht die Translation also darin, ein Vollwort aus einer grammatikalischen Kategorie in eine andere grammatikalische Kategorie zu überführen, d. h. eine Wortart in eine andere Wortart zu verwandeln“). Dieser Kategorienwechsel hat seinerseits einen Funktionswechsel zur Folge, da Kategorie und Funktion aneinander gebunden seien: „Il y a donc lieu de distinguer soigneusement les deux ope´rations. La premie`re est le changement de cate´gorie qui constitue la translation. Elle commande la seconde. La seconde est le changement de fonction qui en re´sulte, et qui commande a` son tour toutes les possibilite´s stucturales“ (loc. cit.) („Man muss folglich zwei Operationen sorgfältig unterscheiden: Die erste ist der Kategorienwechsel, der die Translation ausmacht. Dieser bewirkt die zweite. Die zweite Operation ist der Funktionswechsel, der daraus resultiert und der seinerseits alle strukturellen Möglichkeiten steuert“). Die Konnexion etabliert sich sozusagen automatisch zwischen bestimmten Wortkategorien und ist ⫺ wie auch sonst ⫺ durch nichts markiert. Damit ist die Translation ein eng umgrenztes Phänomen, das mit dem Aufbau des phrastischen Konnexionsgefüges nur mittelbar zu tun hat. Für die Struktur des Satzes leistet sie nichts. Dafür ist die Kategorie verantwortlich, die durch die Translation angesteuert wird. Die Translation ist demnach ein kategoriales Phänomen mit syntaktischen Konsequenzen. (2) Die Translation als Funktionswechsel. ⫺ „Pour bien comprendre la nature de la translation, il importe de ne pas perdre de vue que c’est un phe´nome`ne syntaxique et qui, par conse´quent de´passe les donne´es morphologiques avec lesquelles nous avons la mauvaise habitude de raisonner en syntaxe“ (op. cit., 365). („Um die Natur der Translation richtig zu verstehen, darf man nicht aus dem Blick verlieren, dass sie ein syntaktisches Phänomen ist, das folglich die morphologischen Gegebenheiten transzendiert, mit denen auf syntaktischer Ebene zu argumentieren wir die schlechte Angewohnheit haben“). Und das ganze wird anhand des Beispiels le livre de Pierre noch einmal deutlich gemacht: „Si, Pierre e´tant substantif, le groupe de Pierre prend syntaxiquement la valeur d’adjectif, c’est que la pre´position de en a change´ la nature syntaxique. D’un substantif, elle a fait syntaxiquement, un adjectif. ⫺ C’est a` ce
122 changement de nature syntaxique que nous donnons le nom de translation“ (op. cit., 363) („Wenn, davon ausgehend, dass Pierre ein Substantiv ist, die Gruppe de Pierre syntaktisch gesehen den Wert eines Adjektivs annimmt, so deshalb, weil die Präposition de dessen syntaktische Natur verändert hat. Aus einem Substantiv hat sie syntaktisch gesehen ein Adjektiv gemacht. Und diesen Wechsel in der syntaktischen Natur nennen wir Translation“). Dass Tesnie`re ganz offensichtlich Probleme bei der definitorischen Fassung der Translation hat, macht das folgende Zitat zur Translation 2. Grades noch einmal deutlich: „La translation du second degre´ […] comporte obligatoirement un changement d’e´tage syntaxique, puisqu’un nœud re´gissant est transfe´re´ en une espe`ce de mot jouant un roˆle de subordonne´ dans un autre nœud re´gissant hie´rarchiquement supe´rieur“ (op. cit., 386) („Die Translation 2. Grades umfasst notwendigerweise einen Wechsel der syntaktischen Ebene, da ein dominierender Knoten in eine Wortart transferiert wird, die eine untergeordnete Rolle in Bezug auf einen anderen Knoten spielt, der hierarchisch höher steht“). Belege, die diese Problematik beleuchten, gibt es an zahlreichen Stellen im Verlauf der Ele´ments, vgl. etwa noch „La proposition actancielle est ainsi un nœud verbal transfe´re´ en actant par une translation secondaire, la proposition circonstancielle un nœud verbal transfe´re´ en circonstant par une translation secondaire“ (op. cit., 547) („Die aktantielle Proposition ist so ein Verbalknoten, der durch eine Translation 2. Grades in einen Aktanten; die zirkumstantielle Proposition ist ein Verbalknoten, der durch eine Translation 2. Grades in einen Zirkumstanten transferiert ist“). Hier wird v. a. deutlich, dass im Zusammenhang mit der Translation nicht mehr mit espe`ces de mot argumentiert wird: Aktant und Zirkumstant sind keine espe`ces de mot, sondern Funktionen, Rollen im Satz, denen zwar bestimmte espe`ces de mot zugeordnet werden können (O oder E), die aber definitionsgemäß aus dem Satz abgeleitet sind und nur dort greifbar werden. Unter diese Beschreibung der Translation fallen auch die Kasusformen in Kasussprachen, bei denen ebenfalls der Funktionswechsel tragendes Definitionsmoment ist. Die Kategorie bleibt in diesen Fällen unverändert. In der Translation offenbart sich das Grundproblem des Tesnie`reschen Syntaxmodells schlechthin: Kategorie und Funktion werden trotz postulierter Verschiedenheit bei
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
der Durchführung nicht sauber gegeneinander abgegrenzt. Funktionelles wird vielmehr in kategorialer Terminologie behandelt, was letztendlich bei der Darstellung der Translation zu den widersprüchlichen Definitionen geführt hat. Statt mit Funktionsbegriffen zu hantieren, argumentiert Tesnie`re ausschließlich über Kategorialsymbole, die mit bestimmten Funktionen gleichgesetzt werden, ohne dass eine terminologische Anpassung stattfindet: O für Substantiv und Aktant, E für Adverb und Zirkumstant, A für Adjektiv und Attribut und I für Verb und Prädikat bzw. Satz.
2.
Wissenschaftsgeschichtliche Einordnung der Translationstheorie Tesnie`res
Tesnie`re hat, wie Baum (1976, 13 ff., 127) meint, zwar im Detail nichts grundlegend Neues in die deskriptive Sprachbetrachtung eingebracht, was nicht in der einen oder anderen Form bereits vor ihm behandelt worden wäre; dennoch trägt Tesnie`res Leistung durchaus innovatorische Züge. Tesnie`re ist der erste, der im syntaktischen Bereich (ausgehend vom Satzganzen und nicht von einer Kombination einzelner Redeteile) konsequent eine systematische Zusammenschau der strukturellen, und nicht nur der linearen Aspekte von Sprache liefert. Sowohl einfache als auch umfassendere sprachliche Phänomene werden in einen einheitlichen systematischen Zusammenhang gestellt und über ein endliches Inventar von Beschreibungskategorien im Rahmen eines einheitlichen Grundmodells dargestellt. Der dadurch vollzogene Übergang von einer reinen Kategoriensyntax zu einer Funktionssyntax im Sinne einer relationalen, dependentiellen Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes ist ⫺ trotz ambiger Terminologie ⫺ forschungshistorisch gesehen eine relativ junge Erscheinung. Empirische Sprachbeschreibung ⫺ Tesnie`re betont immer wieder, dass für ihn die sprachlichen Fakten Ausgangs- und Zielpunkt seien ⫺ vollzog sich bis dahin fast ausschließlich im Rahmen der im 2. Jh. v. Chr. durch Dionysios Thrax in der Tradition der Stoiker aufgestellten Redeteile, die wesensmäßig Wortarten waren. Die Gewichtsverlagerung von den Redeteilen weg hin zu einer primären Beschreibung der Proposition durch die rationalistische Grammatik im Gefolge der Grammaire ge´ne´rale et raisonne´e von Arnauld und
123
13. Das Translationskonzept Lucien Tesnie`res
Lancelot (1660) erweist sich als nicht unproblematisch, da damit gleichzeitig eine Verschiebung von der sprachlichen zu einer logischen Beschreibungsebene vorgenommen wird, in deren Rahmen sämtliche Wortartenunterschiede faktisch transzendiert werden, da davon ausgegangen wird, dass sich jeder Satz auf der logischen Ebene in eine propositionale Struktur auflösen lässt, die durch das Zusammenspiel von Subjekt und Prädikatsnomen (attribut), verbunden durch eine Kopula (im Normalfall eˆtre), gekennzeichnet ist (so lässt sich etwa der Satz Paul court zurückführen auf die Proposition Paul est courant). Allerdings gestattet diese Perspektive die Aufdeckung von Analogien zwischen einzelnen Redeteilen, Wortarten, und funktionell äquivalenten Größen: so werden z. B. Adjektive auf Relativsätze zurückgeführt, u.ä. Eine erste konsequente Umsetzung von der logischen auf die sprachliche Ebene findet sich erst ca. 100 Jahre später bei Gabriel Girard in seinen Vrais principes de la langue francoise (1747), in denen funktionelle Analogien zwischen einfacher und komplexer Füllung sprachlich greifbarer syntaktischer Funktionen herausgearbeitet, benannt und systematisiert werden und in denen Tesnie`res Anliegen, das er mit der Translation dokumentiert, vorweggenommen scheint (vgl. Werner 1997). Seit dem ausgehenden 19. Jh. finden sich dann vermehrt Versuche einer kategoriellfunktionell integrativen Beschreibung von Sprache (vgl. etwa Paul 1880, 296; Kalepky 1928, 14⫺28; Cejador 1905, 299; Lenz 1920; usw.). Tesnie`re selbst weist hin auf erste Ansätze einer Translationstheorie bei Bally, Juret, Guillaume, Gougenheim, Benveniste, Porzig und Kuryłowicz (vgl. Tesnie`re 1959/ 1966, 381 ff.), die einzelne Aspekte aus dem durch seinen Translationsbegriff abgedeckten Spektrum angesprochen haben, und zwar überwiegend solche aus dem Bereich der Morphologie und der Wortbildung, zum Teil auf der Basis des Sprachvergleichs. ⫺ Was dem Tesnie`reschen Modell zeitgenössische integrative Beschreibungsmodelle angeht, so wäre hier das monumentale Des mots a` la pense´e. Essai de grammaire de la langue franc¸aise von Jacques Damourette und Edouard Pichon aus den Jahren 1911⫺1940 anzuführen, das Tesnie`re sehr wohl gekannt hat. Auch in diesem Werk werden weite Teile derjenigen sprachlichen Phänomene, die Tesnie`re unter dem Begriff der Translation abhandelt, als modellintegrierter Bestandteil geführt, allerdings unter dem Vorzeichen kom-
mutabler Strukturen unterschiedlicher Komplexitätsklassen im Rahmen eines Valenzkonzepts (Ipsi-, Äqui-, Konvalenz). Ebenfalls auf diesen Phänomenbereich hebt die Rangtheorie von Otto Jespersen 1924, 1925, 1937 ab. Und last but not least sei auch der von Tesnie`re in den Ele´ments selbst genannte Charles Bally 1932 und seine Transpositionstheorie genannt (zu all diesen Modellen sowie ihrer Inbezugsetzung zu Tesnie`res Modell und der Translationstheorie vgl. Werner 1993, 62⫺ 74). Soweit zum Forschungsstand in Europa bis zum Tod Tesnie`res. Außereuropäische Versuche, ähnlich umfangreiche Sprachbeschreibungen zu liefern, fehlen. Die Modelle, die im Zusammenhang mit dem amerikanischen Strukturalismus entwickelt wurden, Substitutionsmodell und IC-Analyse, beschränken sich überwiegend auf die Beschreibung einfacher Sätze. Bis Anfang/Mitte der 50er Jahre gibt es außerhalb Europas nichts mit den angeführten Modellen und ihrem Geltungsbereich Vergleichbares.
3.
Kritische Systematik der Translation
Angesichts der zentralen Rolle der Konnexionen im Syntaxmodell von Tesnie`re gerade aus der Perspektive von Valenz und Dependenz soll im Folgenden das konnexionelle Verhalten der Translate als Maßstab für eine kritische Bewertung der Translationskomponente, so wie sie von Tesnie`re konzipiert worden ist, dienen. Dies ist durchaus legitim, da die Translationskomponente als Teilkomponente eines allgemeinen Syntaxmodells eingeführt wird und dementsprechend auch mit den Grundpostulaten dieses Modells harmonieren sollte. Als Beispielsprache wird auch hier das Französische gewählt, denn wenn ein Modell universal sein soll, muss es in jeder beliebigen Einzelsprache auffindbar sein. ⫺ Die Translation wird von Tesnie`re als intranukleare Operation beschrieben, d. h. sie vollzieht sich innerhalb des Nukleus. Wenn die Translation nun als ein rein intranukleares Phänomen ausgewiesen wird und die Daseinsberechtigung des Nukleus aus dem ordre structural abgeleitet wird, dürften sich aus dem translathaltigen Nukleus keinerlei Konsequenzen für die anderen Nuklei der gleichen Struktur ergeben ⫺ doch dies ist keineswegs immer der Fall. Ein Tesnie`resches Translat kann durchaus von nukleusübergreifender Bedeutung sein.
124
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Oberer Relationspol für eine Konnexion ist immer ein I, O, A oder E, und zwar in Form eines mot constitutif. Je nach dessen Wortklassenzugehörigkeit ermöglicht dieses die Anbindung einer Einheit aus einer bestimmten anderen Wortklasse. Mit Hilfe der Translation nun können Einheiten angebunden werden, die von der Kategorialhierarchie nicht vorgesehen sind. Das können wortklassenindizierte Einheiten einer nicht-komplementären Wortklasse sein, aber auch syntagmatische und syntaktische Komplexe. Im Normalfall verändert sich dabei der obere Relationspol der Konnexion für das Transferendum, während der/die untere/n Relationspol/e des ranghöchsten Nukleus im Transferendum erhalten bleiben, d. h. ein durch ein Verb (I) dominiertes Transferendum kann durchaus Aktanten- und/oder Zirkumstantenpositionen besetzt haben, selbst wenn es durch die Translation in eine A-Position gelangt ist, vgl. la maison qu’il a vendue: la maison
O
A
A
que
a vendue
t
I
O le
O bleu
t
A also:
A du
A
A ciel
t
O
Substantivtranslate mit dem Translativ ‘Artikel’ verhalten sich im Französischen wie primäre Substantive, d. h. sie dominieren wie diese virtuell A- und nicht E-Positionen (*l’extreˆmement bleu). In diesem Zusammenhang muss auch die formale Translation und deren postulierter Sonderstatus als dritter Translationstyp gesehen werden, da es sich hier ausnahmslos um Einheiten handelt, die (zunächst) in die Kategorie O eingebracht werden (vgl. 1.3). Sieht man vom Typ der artikelindizierten Substantivtranslate ab, so ist der Normalfall der, dass Konnexionen von O, A und E und mit Einschränkungen auch von I nach unten blockiert sind, sobald ein Translat und nicht eine Einheit der primär zugeordneten Wortklassen diese Position einnimmt: vgl. qu’il soit arrive´ m’e´tonne: étonne
il
.....
O1
O
I
(O2) also:
Das durch I dominierte Syntagma ist durch die Translation zu A geworden und kann infolgedessen ein O determinieren, d. h. ihm in diesem Fall subordiniert werden. Doch lassen sich nicht alle Translationstypen Tesnie`res in diesen explizit definierten Rahmen einpassen. Zunächst wären diejenigen Translationen zu nennen, die im Französischen über den Artikel als Translativ ausgeführt werden. Hier verändert sich zwar auch die Zielkategorie und damit der obere Relationspol der Konnexion, d. h. das Transferendum kann einem Verb direkt untergeordnet werden, aber gleichzeitig verliert das Transferendum die Möglichkeit, sein altes Konnexionssystem zu nutzen. Es gewinnt vielmehr die Fähigkeit, Konnexionen entsprechend der Zielkategorie aufzubauen. Die Translation wäre hier also tatsächlich intranuklear, ohne Konsequenzen für das restliche Strukturgefüge, vgl. le bleu du ciel:
O que
me
O
soit arrivé
il
A
Das Translat ist hier terminaler Nukleus, d. h. ein Nukleus, von dem aus als ganzem ein bestimmter Konnexionstyp, nämlich eine determinative Konnexion nach unten, nicht mehr möglich ist. ⫺ Doch damit ist die Sachlage bei Tesnie`re noch keineswegs vollständig erfasst. Auch bei den Verbtranslaten mit einem Kopulaverb als Translativ ⫺ sieht man einmal von der ambigen Behandlung der Kopulakonstruktion ab ⫺ gibt der konnexionelle Faktor zu Überlegungen Anlass. Bei diesem Translationstyp stellen zwar die untere(n) Konnexion(en) des Transferendums keine weiteren Probleme dar. Diese entsprechen de-
125
13. Das Translationskonzept Lucien Tesnie`res
nen des ranghöchsten Nukleus im Transferendum (vgl. il est malade ⫺ il est tre` s malade wie une femme tre`s malade). Neu ist bei diesem Typ jedoch, dass durch das Translat est malade entsprechend der Definition der Zielkateogire I als natura ranghöchstem Nukleus im Satz keine neue Konnexion nach oben aufgebaut zu werden braucht. Und im Falle eines finiten Kopulaverbs kommt es im Französischen zur Errichtung einer diesmal obligatorischen Konnexion nach unten (O1), die jedoch nicht determinativer, sondern dependentieller Natur ist: I est
il
I
malade
très
t
A
O1
E
I und O1 sind im entsprechenden Kontext interdependent. Das Translat als ganzes ist jedoch essentiell terminaler Nukleus im obigen Sinne: eine determinative Konnexion nach unten, die I als ganzes betrifft, ist nicht möglich. ⫺ Ein weiterer Typ, was die Art der Konnexion(en) von Translat und Transferendum angeht, sind die sog. subkategoriellen Translationen. Diese Translationen zeichnen sich nach Tesnie`re dadurch aus, dass sich konnexionell überhaupt nichts verändert, weder an den oberen noch an den unteren Konnexionsmöglichkeiten, vgl. il vend sa voiture ⬎ il a vendu sa voiture: I
I a
vend
il
sa voiture
il
vendu
sa voiture O1
O2
Zudem ist eine Determination von I jederzeit möglich. Als letztes muss unter konnexionellem Aspekt auf die Zuordnung von Wortbildungen zu den Translationen eingegangen werden. Tesnie`re räumt allerdings ein, dass es sich hierbei um erstarrte Translationen (translations fige´es) handle, um Translationen also, die, anders als die bisher behandelten Typen, nicht mehr frei anwendbar seien; ob sie es je-
mals waren, sei dahingestellt. Solche Translationen lägen sowohl im Falle der Derivation (z. B. acclamation, lenteur) vor (mit dem Derivationssuffix als Translativ) als auch im Falle der Komposition (z. B. abat-jour, orangoutang ⬍ malays. orang outang ‘homme des bois’), bei denen zwischen den Bestandteilen jeweils eine Determinationsrelation bestünde. Problematisch erweist sich in beiden Fällen die Tatsache, dass beide Translationstypen bei wortklassenindizierten Einheiten enden. Derivate und Komposita sind gleichermaßen immer auch O, A, E oder I und eröffnen dementsprechend Leerstellen für determinative Nuklei. Zudem ist der Determinationsbegriff bei Tesnie`re hinsichtlich der Beschreibungsebene (Objektsprache, nicht-ausgangssprachliche Paraphrase usw.) nicht eindeutig festgelegt. Der Maßstab der Konnexionen hat für die Translate ein höchst komplexes Bild geliefert. Die Translation führt teils in den Bereich der Wortbildung (Derivation, Komposition) sowie der Flexionsformen (Deklinations- und Teile der Konjugationsformen), teils in den der Sytagmatik und Syntax (restliche Translate 1. Grades und Translate 2. Grades). Die konnexionellen Konsequenzen der Translation für Translate und/oder Transferenda sind vielfältig. Ein allen gemeinsamer Nenner ist kaum zu finden. Insgesamt gesehen trägt die Translationskomponente den Konstruktionsmodalitäten des Rahmenmodells in mancherlei Hinsicht nicht Rechnung. Die aus der Translation resultierenden Translate bilden ein recht heterogenes Inventar. Gemeinsam ist allen Translaten eigentlich nur, dass ihr Auftretenskontext ihnen offenbar nicht primär zugeordnet ist (zu weiteren Problemen, die im Zusammenhang mit der Translation auftreten vgl. Werner 1993, 119⫺144; Koch/ Krefeld 1993, 144⫺166).
4.
Die Rezeption der Translationskomponente
Obwohl die Bedeutung der Translationskomponente in Tesnie`res Syntaxmodell immer wieder betont worden ist ⫺ auch für den Bereich der Sprach- und Fremdsprachendidaktik ⫺ hat bis in die jüngste Zeit kaum eine autonome Beschäftigung mit diesem Phänomen stattgefunden. Während der von Tesnie`re propagierte Verbzentrismus in Form der Valenz- und Dependenzgrammatik schon bald Nachahmer und Exegeten in den ver-
126 schiedensten Lagern gefunden hat, fand der Translationsteil kaum Beachtung, obwohl ihm gerade auch für eine Valenz- und Dependenzanalyse grundsätzliche Bedeutung nicht abgesprochen wurde (vgl. Gre´ciano 1972, 152, 192; Baum 1976, 114). So erfolgt die frühe Anwendung des Tesnie`reschen Modells auf die Lateingrammatik durch Dönnges/ Happ 1972 ohne Rückgriff auf die Translation ⫺ ein Manko, das für das Lateinische erst Ende der 80er Jahre durch Lambertz (1987, 1993) für Teilbereiche reduziert wird. Das erste Valenzwörterbuch des Deutschen im Aufgriff des Tesnie`reschen Konzepts (Helbig/Schenkel 1969) bezieht die Translation genauso wenig in Betracht wie das Valenzlexikon zum Französischen von Busse/Dubost (1977). Wenn die Translation doch rezipiert wurde, so geschah dies in höchst selektiver Weise immer dann, wenn man meinte, dieses Konzept böte sich für einen Sachverhalt als bequemes Beschreibungsinstrument an. Der Translationskomponente blieb sowohl eine autonome als auch eine modellimmanente Rezeption bis in die neueste Zeit weitgehend versagt, sei es, dass sie unzulässigerweise mit der Ballyschen Transposition verschmolzen wurde, sei es, dass sie in den Bereich der Transformationen der Generativisten verlagert wurde oder sei es letztendlich, dass sie unreflektiert, so wie sie bei Tesnie`re anzutreffen ist, zum bequemen Beschreibungsmittel umfunktioniert wurde, weil sie für die Darstellung von Ausschnitten aus dem Inventar sprachlicher Ausdrucksmittel besonders geeignet schien und scheint (zum Problem der unzulässigen Vermischung dieser drei Konzepte mit dem Präfix Trans- vgl. Werner 1993, 9⫺55, bes. 51⫺55). Angesichts der Anwendung des Translationsbegriffs sowohl auf Erscheinungen der Wortbildung als auch auf solche des wortübergreifenden Bereichs durch Tesnie`re eröffneten sich für die Rezeption verschiedene Möglichkeiten: (1) die Verwendung für alle von Tesnie`re vorgesehenen Bereiche, (2) die Verwendung nur für Erscheinungen der Wortbildung, und (3) die Verwendung nur für Erscheinungen im wortübergreifenden Bereich. Für alle Möglichkeiten gibt es hinreichend Arbeiten. Dass die Translation Bestandteil eines wohldefinierten Rahmenmodells ist, wird ignoriert. Zumindest teilweise verändert stellt sich die Situation zur Rezeption der Translationskomponente seit dem Ende der 80er Jahre dar, sieht man einmal von Gustave Guillaume ab, der seit den 40er Jahren die Trans-
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
lation, ohne jedoch auf Tesnie`re zu verweisen, zu einem integrativen Bestandteil seines eigenen psychomechanischen Sprachmodells macht. Und seit Anfang der 90er Jahre setzt sogar eine, wenn auch noch begrenzte systematische Diskussion um die Translationen Tesnie`res ein. So verwendet Lemare´chal 1989 die Translation als Beschreibungskategorie für eine Reihe nicht-indogermanischer Sprachen Afrikas und anderer Regionen, indem er eine sog. generalisierte Translationstheorie entwickelt, die lediglich syntaktische Strukturen erfasst: formal markierte Satzfunktionen (Subjekt, Objekte, Umstandsbestimmungen) werden als Translate behandelt, gleichgültig ob diese Markierung nun translative oder rein indizierende Funktion im Sinne Tesnie`res hat. Koch/Krefeld 1993 reduzieren die Heterogenität der Translate bei Tesnie`re auf eine einheitliche Basis, indem sie in einem minimalistischen Modell lediglich deverbale Translationen 1. und 2. Grades zulassen. Lambertz 1982, 1991, 1991b fügt dem kompletten Inventar der Tesnie`reschen Translate im Dienste einer maximalistischen Lösung transformationell zustandegekommene „Translate“ hinzu (vgl. die Diskussion bei Werner 1996, 116⫺21). Werner 1993 bietet in einer kritischen Zusammenschau von Translationskomponente und Rahmenmodell eine Reinterpretations des Tesnie`reschen Ansatzes, indem sie über eine Präzisierung der Translation als rein syntaktisches Phänomen (unter Ausblendung aller sich in eine lexikalische Klasse integrierender „Translate“) ein (verbzentriertes) Dependenzmodell auf Propositionsebene entwickelt, welches in ein allgemeines Satzmodell eingebettet wird, in dem die Determination zur konstituierenden Relation wird. In einem solchen Modell weist sie der neu, d. h. präziser gefassten Translation ⫺insbesondere im Hinblick auf den konnexionellen Faktor ⫺ einen systematischen Platz zu. Auch Lambertz 1995 rückt Dependenz und Translation in enge Beziehung, allerdings in einer Zusammenschau der von Werner 1993 getrennten funktionellen Bereiche von Dependenz und Determination. Letztendlich kommt er zu dem Schluss, die Translation als grammatikalische Operation zu definieren, die einem Term denjenigen syntaktischen Status verleiht, den er benötigt, um die primäre syntaktische Funktion eines Terms einer anderen syntaktischen Kategorie wahrnehmen zu können. Weber 1996, 261 verzichtet ganz auf eine Scheidung zwischen Translationen 1. und 2. Grades bei den Verben. Als
127
13. Das Translationskonzept Lucien Tesnie`res
letztes sei Twahirwa 1995 genannt, der die Translation auf den von Tesnie`re nirgends vorgesehenen Bereich der Suprasegmentalia in Tonsprachen überträgt. Die relativ begrenzte Wirkung Tesnie`res und v. a. auch seiner Translationstheorie dürfte einem nicht geringen Teil der seit dem Ende der 50er Jahren prosperierenden (generativen) Transformationsgrammatik zuzuschreiben sein. In einer Zeit zunehmender Orientierung hin auf eine logisch-mathematischen Strukturformeln verpflichteten Linguistik musste Tesnie`res Ansatz, wenn er nicht weitergedacht wurde, ins Abseits geraten. Doch haben die Forschungen der letzten Jahre durchaus gezeigt, dass dem Tesnie`reschen Ansatz noch systematischer und nicht nur wissenschaftshistorischer Stellenwert zukommen kann.
5.
Die Translation im Spannungsfeld von Valenz und Dependenz und Forschungsperspektiven
Für Tesnie`re sind Translation (und Junktion) diejenigen Komponenten, die es gestatten, das universal konzipierte Dependenzgefüge, so wie es unter 1.1 als Maximalstemma vorgeführt wurde, auf den wortübergreifenden syntagmatischen und syntaktischen Bereich auszudehnen. Die dependentiellen Beziehungen, die anhand der Wortkategorien herausgelöst wurden, erweisen sich als konstitutiv auch für die Beschreibung umfassenderer Strukturen, die die Wortklassenzugehörigkeit transzendieren. Abhängigkeitsbeziehungen, Dependenzbeziehungen, bestehen dabei zwischen jeweils zwei aufeinanderfolgenden Ebenen, gleichgültig, ob sie nun kategorial oder durch Translate (und Junkte) besetzt sind. (Verbbedingte) Valenzbeziehungen und sonstige Dependenzien realisieren sich sowohl kategorial indiziert als auch über Translaten. Die Translation wird damit zur conditio sine qua non für die Valiabilität des gesamten Modells in der Erfassung all dessen, was ⫺ unbesehen bestimmter Einzelsprachen ⫺ sprachlich möglich ist. Dies wird in der heutigen Forschung auch vermehrt erkannt (vgl. Lambertz 1995; Weber 1996; Werner 1993) und für eine systematische Auseinandersetzung mit der Translationskomponente produktiv genutzt. Kaum ausgeschöpft sind allerdings bislang die Möglichkeiten des gesamten Modells einschließlich der Translationen für eine kontrastive Sprachbetrachtung.
Die einzelsprachliche Organisation gerade der Translationskomponente als Basis für den Sprachvergleich und auch für typologische Zielsetzungen ist für noch kaum eine Sprache systematisch untersucht. Gerade hier scheinen noch große Ressourcen für die Forschung zu liegen. Auch eine Überprüfung der Relevanz im (nicht nur kontrastiv konzipierten) Sprachunterricht steht noch aus, obwohl für Tesnie`re gerade dieser Aspekt eines der Hauptmotive für die Entwicklung auch der Translationskomponente war.
6.
Literatur in Auswahl
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129
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Edeltraud Werner, Halle/S. (Deutschland)
14. Die Junktionstheorie Lucien Tesnie`res 1. 2. 3. 4.
Tesnie`res Theorie Offene Fragen und Rezeption Weiterentwicklungen Literatur in Auswahl
1.
Tesnie`res Theorie
Konnexion, Junktion und Translation sind die tragenden Säulen der strukturalen Syntax. Mit der Konnexion wird die Grundstruktur von Sätzen erfasst, ihr Aufbau. Junktion und Translation dienen der Erweiterung und der Anreicherung der Struktur, dem Ausbau. Dabei ist die Translation eher für den funktionalen Ausbau gedacht, die Junktion für den strukturellen Ausbau. Während Konnexion und Translation schon in der frühen Veröffentlichung Comment construire une syntaxe von 1934 eingeführt wer-
den, erscheint die Junktion hier nur mit zwei Zeilen. In der Esquisse hat sie aber schon ihren Platz und in den E´le´ments wird sie weiter ausgeführt, wenngleich sie mit 30 Seiten bei weitem nicht Umfang und Detailliertheit der anderen beiden Komponenten erreicht. Auch in der Rezeption hat sie nicht die große Rolle gespielt. Die Junktion steht außerhalb der für die dependenzielle Syntax grundlegenden Konnexion. Sie verbindet ⫺ sozusagen nebenordnend ⫺ zwei Nuklei der gleichen Art. So ist in folgendem Satz der erste Aktant ausgebaut: (1)
Alfred et Bernard tombent.
Es gibt hier also nur einen Aktanten, der aus zwei jungierten Nuklei besteht. Die Junktion wird bezeichnet durch sog. Junktive, die zwischen die Nuklei treten, hier das fr. et. Junk-
130
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
tive sind bloße grammatische Werkzeuge, mots vides also, „qui ne sont pas charge´s d’une fonction se´mantique“ (Tesnie`re 1959, 28.2). Tesnie`re kennzeichnet sie im virtuellen Stemma mit j, im Unterschied zu den Kategorien A, E, I, O für volle Wörter. Der Ausbau eines Nexus ist einer Addition oder Multiplikation vergleichbar. Auf diese Weise ist in (2) der erste Aktant verdoppelt: (2)
Alfred
tombe. Bernard tombe. ⫺⫺⫺⫺⫺⫺⫺⫺⫺⫺⫺ Alfred et Bernard tombent.
Dem liegt natürlich irgendwie auch eine Art Transformation zugrunde, die den Satz auf diese Weise entstanden zeigt. (Allerdings wird die Kongruenzveränderung ignoriert.) Die Darstellung scheint jedenfalls nicht rein semantisch gedacht. Der Erzeugungsmechanismus ist nicht auf zwei Durchläufe beschränkt, er kann mehrfach wiederholt werden (Tesnie`re 1959, 135.6): (3)
Alfred, Bernard et Charles tombent.
Jungiert werden können alle möglichen Nuklei, Bedingung ist aber, dass sie von der gleichen Art sind, zum Beispiel zwei N-Knoten oder zwei V-Knoten: (4)
Die Menschen fürchten Hunger und Tod.
(5)
Sie leben und sterben.
Regulär könnte man sich diese Bedingung etwa so vorstellen: (6)
[X]n j [X]n
Zwei gleichartige Nuklei X der gleichen Stufe im Stemma n werden jungiert durch das Junktiv j. Auf die innere Struktur der Nuklei X geht man hierbei nicht ein. In der graphischen Darstellung verlässt Tesnie`re die Hierarchie der Konnexionen und zeigt, dass die jungierten Nuklei auf der gleichen Ebene n liegen. Sie werden verbunden durch eine waagrechte Kante im Gegensatz zu den vertikalen Dependenzkanten, so dass Dreiecke entstehen:
(7)
tombent
Alfred
et
Bernard
Die Kante verbindet die beiden Nuklei über das Junktiv. Diese Darstellung trifft ganz gut unsere Intuition, wie sie durch die traditionelle Sichtweise und Redeweise von unterordnend und nebenordnend geprägt ist. Tesnie`re erarbeitet eine erste Typologie der Junktionen, die wesentlich den Typen von Junktiven nach ihrer Stellung entspricht: Junktive zwischen den Nuklei wie dt. und, e. or, fr. ou, Junktive vor den Nuklei wie lt. nec, dt. entweder, Junktive nach den Nuklei wie lt. que. Eine zweite Typologie der Junktionen klassifiziert Junktive nach ihrem Bau: monolexematische Junktive wie et, and, und, oder, sondern, Satzzeichen, also Zero-Junktive, mehrgliedrige Junktive wie lateinisch que et, diskontinuierliche Junktive wie sowohl ⫺ als auch, entweder ⫺ oder. Bei den diskontinuierlichen kann noch unterschieden werden zwischen repetitiven wie ni ⫺ ni, aut ⫺ aut und korrelativen wie either ⫺ or. Geläufige Junktive wie und, oder zeigen eine syntaktische Symmetrie, insofern die beiden jungierten Nuklei regelmäßig vertauschbar sind. Hingegen ist bei sondern der erste Nukleus formal verschieden vom zweiten, insofern er ein nicht, eine Negation oder etwas Negationsartiges enthalten muss. In anderen Fällen, etwa bei denn, gibt es semantische Restriktionen. Eine dritte Typologie der Junktive hebt darauf ab, welche Kategorien von Nuklei sie jungieren können. So kann im Deutschen das Junktiv denn etwa keine Phrasen verbinden, das Junktiv sowie keine Sätze und lt. que kann nur Nominalphrasen verbinden. Eine vierte Typologie klassifiziert die Junktive semantisch: les varie´te´s se´mantiques. Das ist korrekt, aber einigermaßen verblüffend, da sie doch „mots vides“ sein sollen. Hier unterscheidet Tesnie`re insbesondere adjunktive Junktive, die nur reihend verbinden wie und, disjunktive, die eine Alternative bezeichnen wie oder, adversative, die die zwei Nuklei entgegensetzen wie aber, kausale wie denn. Mit weiteren Arten von Junktiven erweitert Tesnie`re dies zu einer semantisch textlinguistischen Theorie der Satzverbindungen im Text. Er gibt dabei allerdings den engeren Syntaxbegriff auf und integriert auch Lexeme anderer syntaktischer Kategorien wie einer-
131
14. Die Junktionstheorie Lucien Tesnie`res
seits ⫺ andererseits bis hin zu Vergleichspartikeln wie fr. que (das sonst als subordinierend par excellence angesehen wird) und den Komparativsätzen (Tesnie`re 1959, 141, 147) sowie der Anaphorik gar. Damit stellt sich natürlich auch die Frage, wie Junktion und besonders Junktiv genau zu definieren sind, eine Frage, die schon Pottier in seiner Rezension der Esquisse aufwarf (Pottier 1956, 3). Wenn man davon ausgeht, dass in einem Text alle selbstständigen Sätze jungiert sind, braucht man ein Kriterium dafür, was denn dabei ein Junktiv sei. Im Deutschen ist verhältnismäßig gut feststellbar, dass es sich bei also im folgenden Satz nicht um ein Junktiv handelt, weil Junktive außerhalb der grammatischen Struktur bleiben und deshalb im Gegensatz zu Adverbien etwa nicht die Erststelle besetzen: (8)
(11) rient
(12) aiment
1. Alle Glieder der Junktion sind vom gleichen Knoten abhängig ⫽ jonction chope´e:
un chat
et
et
honorent
les enfants
Weiter unterscheidet Tesnie`re komplexere Formen der Junktion, die im Zusammenspiel von Konnexion und Junktion entstehen. Nach der grafischen Darstellung und den Dependenzverhältnissen gibt es verschiedene Bilder (Tesnie`re 1959, 143.3):
gras
chantent
3. Die Kombination von jonction chope´e und jonction chausse´e ⫽ jonction veˆtue:
dodu
parents
leurs
Eine weitere Komplizierung der Junktionsform entsteht, wenn Konnexionskanten und Junktionskanten sich schneiden. Dann entsteht der sog. Plexus, dem Tesnie`re einige Aufmerksamkeit zukommen lässt: (13)
achètent
les parents
Wir bekamen eine Unterkunft und sowohl Essen wie auch Trinken.
(10)
et
les enfants
Ich denke, also bin ich.
Nach diesem Kriterium ist also kein Junktiv, sondern satzverbindendes Adverb. Es liegt aber Junktion mit Zero-Junktiv zwischen den beiden Sätzen vor. Für das Deutsche bietet dieses Kriterium keine eindeutige Lösung, weil Partikeln ebenfalls nicht als Vorfeldfüllung zählen, weshalb zum Beispiel aber am Satzanfang nicht mit Sicherheit als Junktiv auszuweisen ist. Ein anderes und universales Kriterium für Junktive wird von Dik vorgeschlagen. Danach handelt es sich bei einem Junktivkandidaten nur dann um ein Junktiv, wenn an dieser Stelle kein weiteres Junktiv hinzugefügt werden kann (Dik 1968, 34; Brettschneider 1978, 40). Letztlich liefert auch dieses Kriterium nicht immer die gewünschten Ergebnisse: (9)
2. Es gibt einen Nukleus, der von allen jungierten Knoten abhängt ⫽ jonction chausse´e:
et
des livres
donnent
aux enfants
Insgesamt liefert Tesnie`re hiermit eine frühe und ausführliche Behandlung der Koordination in der Syntax, eine Behandlung, die sich allerdings nicht ganz nahtlos einfügt in die Gesamtsyntax, wie es im Grunde auch für andere und spätere syntaktische Theorien mit formaler Orientierung gilt.
2.
Offene Fragen und Rezeption
Die Integration der Junktion ins Stemma ist problematisch (Heringer/Strecker/Wimmer 1980, 141⫺151). Zwar betont Tesnie`re, dass etwa die Verdoppelung der Erstaktanten nicht die Valenz tangiert, dennoch gehen aber vom entsprechenden Verbalnukleus in der
132
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Junktion zwei Dependenzkanten nach unten, genau wie bei einem bivalenten Verb: (14)
bilden
Syntax
und
Semantik
Grundlage die
(15)
V
N
j
N
N AD
Ein anderes Problem besteht darin, dass jungierte Nuklei in einem Sinn zu wenig Struktur zu bringen scheinen. Zum einen müssten ja auch Dependenzen vom jeweiligen Junktiv zu den jungierten Nuklei bestehen; so wäre etwa die Zweistelligkeit der Junktive zu erklären und wohl auch im Stemma zu repräsentieren. (16) Wir achteten [auf Disziplin] und [auf Sauberkeit] [zuhause]. Dies ergäbe allerdings ein ganz inakzeptables Stemma, in dem die gesamte hierarchische Stufung verrückt ist; für mehrfache, rekursive Durchläufe würde sich das Problem verschärfen: (17)
V achteten
N_pro Wir
KON und
P*
P* zuhause
P*
Zum andern entstehen in Junktionen Mehrdeutigkeiten, die eventuell in einer anderen Darstellung zu erfassen wären: (18) Sie liebte Kuchen und Kaffee oder Wein. Die entsprechende Mehrdeutigkeit kann man durch Klammerung veranschaulichen, aber in der Tesnie`reschen Junktionstheorie nicht darstellen. (19) Sie liebte [Kuchen und Kaffee] oder [Wein].
(20) Sie liebte [Kuchen] und [Kaffee oder Wein]. Die analysierende Grundorientierung der E´le´ments de syntaxe structurale lässt eine generativ, regulär gedachte Fragestellung nicht in den Blick. Der Analysierer findet wohlgeformte Sätze vor, die es zu analysieren und darzustellen gilt. Er ist sozusagen an die rezeptive Perspektive gebunden, wenngleich Tesnie`re selbst ja auch sagt, dass die Sprechenden zuerst den ordre structural erzeugen, um ihn dann in den ordre line´aire zu überführen. (Wie das geht, beschreibt er allerdings nicht.) Wenn Tesnie`re sich besonders zugute hält, dass die wahre Struktur des Satzes eben diese zweidimensionale sei ⫺ wie dies die allermeisten Syntaxtheorien jetzt annehmen ⫺, so ist doch fraglich, ob er damit nicht einem Beschreibungsartefakt aufgesessen ist. Warum sollte die Struktur nicht dreidimensional sein? Weil man das auf Papier schlecht zeichnen kann? Ja, vielleicht könnte sie noch mehr Dimensionen haben. Die Grundideen einer solchen Beschreibung von Koordinationen, mit denen wir Tesnie`res Junktionen getrost identifizieren können, sind zusammengefasst: (i)
Junktive verbinden kohärente Teilstemmas, also regierende Knoten. (ii) Jungierte Knoten sind von der gleichen Art („de meˆme nature“). (iii) Die Junktion hat die Kategorie der koordinierten Knoten. (iv) Identische Teile der Teilstemmas einer multiplikativ entstandenen Junktion werden getilgt. Die letzte Bedingung wurde von Tesnie`re nicht so formuliert, aber sie ergibt sich aus der quasi-transformationellen Betrachtung, nach der Satzjunktionen als jungierte V-Knoten gelten. Bei dieser Betrachtung wird es nötig, überflüssige Elemente zu tilgen (sog. Pruning in transformationellen Theorien): (21) Wir [achteten [auf Disziplin] [zuhause]]V und [achteten [auf Sauberkeit] [zuhause]]V Eine Reihe von generellen Fragen für eine Theorie der Koordination sind erst in der späteren Entwicklung präzis gefasst und behandelt worden. Diesen Fragen wollen wir im einzelnen nachgehen. 2.1. Was ist koordinierbar? Die Frage scheint nicht so leicht zu beantworten. Bei Tesnie`re heißt es, Nuklei seien koordinierbar. Alle und nur Nuklei? Grob ge-
133
14. Die Junktionstheorie Lucien Tesnie`res
sprochen können Koordinationen an Lexemgrenzen einsetzen, ihre öffnende Klammer kann also mit niedrigen ⫺ etwa syntaktischen ⫺ Kategorien besetzt sein. Das sind erst einmal alle Hauptkategorien mit ihren Phrasen in beliebiger Expansionsstufe, also V, N, P, A, D, ADV. Koordinationseinsätze sind im Deutschen aber nicht auf Knoten beschränkt, sie gehen auch tiefer hinab zu den Wortteilen. So können Wortbildungselemente, Präfixe und Stämme koordiniert sein: (22) Krämpfe, die ihn [drei-] oder [vier]mal im Monat packen. (23) Es entstehen [Spät-] und [Dauer]schäden. (24) [Goldan]- und [-verkauf] Die Grenze scheint in zweierlei zu liegen: Erstens sind Wörter und Wortteile kaum koordinierbar, ohne dass die Flexive kopiert werden. Ausnahmen hiervon sind Zwillingsformeln wie ihres [Grund und Boden]s. Und zweitens sollten die nicht kopierten Teile jeweils in der gleichen Bedeutungsvariante verwendet sein. Dann entstehen sozusagen zeugmatische Strukturen: (25) [Holz-] und [Haustüren] Es spielen hier also phonologische, morphologische, syntaktische und semantische Faktoren zusammen (Smith 2000). 2.2. De meˆme nature? In der Definition ist gefordert, dass die jungierten Nexus von der gleichen Art, „de meˆme nature“ sein müssen. Das könnte man erst einmal so verstehen, als müssten die syntaktischen Kategorien, also die Benennungen der Knoten, identisch sein. Tesnie`re selbst gibt schon Hinweise, dass hier normative Probleme entstehen (Tesnie`re 1959, 146.13). Man kann die Gleichheit sehen in der grammatischen Struktur und nukleusintern bestimmen. Damit hat man einen sicheren inneren Bereich erfasst, aber nicht alles. Zum Beispiel können ja ohne weiteres zwei Erstaktanten verschiedener innerer Struktur jungiert werden: (26) [Der Verlust] und [dass er wohl nichts wiederfinden würde], bedrückte ihn.
(29) Nach Meinung [dieses] und [einer Anzahl anderer] Experten … Hier wären also formal ganz unterschiedliche Knoten koordiniert, die allgemeine reguläre Form also etwa: (30) [X]n j [Y]n Das legt für die Gleichheit eine eher externe Bestimmung nahe, nämlich dass eine irgendwie gleichartige Umgebung oder gleiche Funktion im Satz gefordert sei, was auch der Intention Tesnie`res entspricht, fügt er doch als zweiten Teil der Bedingung hinzu „la meˆme fonction dans la phrase“. Was aber Funktion hier heißt, ist notorisch unklar. Die grammatische Funktion „Erstaktant“ ist im Stemma nicht repräsentiert. Sie kann also schwerlich verwendet werden. Darüber hinaus gibt es auch schrägere Beispiele, die nahelegen, das die Sprechenden einem eher semantischen Prinzip folgen und dass damit der stehende Konflikt zwischen semantisch orientierten Sprechern und theoretisch, normativ, grammatisch orientierten Grammatikern aufkommt. Die Identität von Segmenten ist nicht rein formal geregelt. Wir Sprecher drücken bei der Identität gemeinsamer Elemente schon mal ein Auge zu. So wären in folgenden beiden Beispielen die beiden Restsätze strukturell nicht identisch: Quelle einmal Singular, einmal Plural, Betriebsräte einmal Dativ, einmal Akkusativ. (31) [Eine] oder [zwei] Quellen aus dem Ausland … (32) [Mit] oder [ohne] Betriebsräte … (33) Ist es möglich Fehler [zu erklären] und [vorzubeugen]? (34) [Helft] und [unterstützt euch gegenseitig]. Die kasuelle Rektion wird öfter durch den hinteren Nukleus bestimmt. Ähnliches kommt im Deutschen bei der Subjekt-Prädikat-Kongruenz vor (Findreng 1976): (35) [Eine Tradition wurde in Frage gestellt] und [Überzeugungen].
(27) Ich mache das [abends] oder [wenn keiner da ist].
Im tatsächlichen Sprachgebrauch wird aber Nicht-Identität noch weitgehender akzeptiert:
(28) Diese Produktion ist [schwierig] und [kaum durchzuführen].
(36) Klagen, die [viele kannten], [aber nur wenig öffentlich wurden] …
134
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
(37) [Wenn ich da bin] und [ich lese ein Buch] … (38) Das [haben wir nicht] und [werden es nicht] vergessen. (39) Die Beziehung zur [Arbeitswelt] und [den Problemen der Menschen] … Das zeigt, dass wir es nicht mit rein formal orientierten Verfahren zu tun haben. Vieles spricht eher für eine semantische Fundierung der Koordination (vgl. auch Johannessen 1998). Dies gilt nicht nur für die Ausweitung der Gleichheitsbedingung, sondern auch für ihre Beschränkung. So wurde schon früh bemerkt, dass in regulärer Koordination zeugmatische Ausdrücke oder semantisch eher inkohärente Konstruktionen entstehen können (Heringer 1973, 277): (40) Wer lässt den Kuchen und die Sonne aufgehen? (41) Sie war sehr traurig und zwei mal zwei ist vier.
Da er aber mehr auf die Darstellung fixiert ist, sieht er nicht das damit verbundene Problem der Weglassung identischer Glieder. Warum werden manche Glieder sozusagen weggekürzt, andere nicht? So führt Tesnie`re solche Glieder manchmal im Stemma zum Teil einfach in Klammern weiter auf, um keine Löcher entstehen zu lassen (Tesnie`re 1959, 145.16): (43)
Raton
tirent
et
et
Bertrand
croquent
les marrons
Etwas komplizierter sind die folgenden Beispiele, die über Weglassungen zu erklären sind. (44) [Du glaubst es], [ich glaube es nicht].
Dies sollte etwa (nach Schachter 1977) mit verschiedenen constraints erfasst werden, die auch die gleiche semantische Funktion ins Spiel bringen.
(45) [[Keiner] [will] eigentlich [das Chlor und Benzol zusammenmixen]], aber [[alle] [müssen] [das Chlor und Benzol zusammenmixen]]
2.3. Reguläre Ellipsen Der Ansatz, der Junktionen sozusagen als Addition erklärt, stößt auf ein Problem, das schon Tesnie`re behandelt unter dem Stichwort bifide Sätze. Bifide Sätze ergeben sich bei sogenannter partieller Junktion, in der jungierte Nuklei einen gemeinsamen Nukleus regieren:
(46) Wir achteten auf Disziplin und Sauberkeit zuhause.
(42) tire
Raton
et
croque
Bertrand
les marrons
Auch hier wählt Tesnie`re wieder die Addition, um solche Strukturen zu erklären:
Raton Raton
tirait croquait
les les les les
croquaient
les marrons.
croquait Bernard Bernard
Raton et Bernard
tirait tiraient et
In solch komplexen Fällen versagt Tesnie`res stemmatische Darstellung und er muss zu Hilfskonstruktionen Zuflucht nehmen (vgl. (47)). Hierzu hat Klein ausführliche Regeln für das Deutsche erarbeitet (Klein 1981, Klein 1993; Kunze 1972, Wilder 1995). Sie sind Sonderfälle allgemeiner Regeln. Allgemeine Ellipsenregeln formulieren, welche Segmente in Sätzen oder Texten überhaupt getilgt werden können oder müssen. Sie beruhen darauf, dass getilgte Segmente kontextuell erschließbar sind. Eine Grundregel für Ellipsen besagt, dass identische Segmente in einem Nukleus erspart werden können. Der Hörerleser könne sie rekonstruieren. Dabei sind zu unterscheiden Vorwärtstilgungen wie (48) und Rück-
marrons. marrons. marrons. marrons.
135
14. Die Junktionstheorie Lucien Tesnie`res
(47)
V
P*
N_pro Wir
und
P*
achteten auf Disziplin zuhause
wärtstilgungen wie (49), die kommunikativ unterschiedlich fundiert sind: (48) Dies würde [jeder christlichen Ethik widersprechen] und [allen bekannten Regeln des Krieges widersprechen] (49) Dies würde [jeder christlichen Ethik widersprechen] und [allen bekannten Regeln des Krieges widersprechen] Bei der Formulierung von Regeln für kontextuelle Ellipsen geht man aus von Phrasenkoordination und von Koordinaten mit drei Segmenten; man kann sie ohne weiteres auf zwei beschränken. Segmente können Phrasen sein, können aber auch länger oder kürzer sein. Als grundlegend gelten die folgenden beiden Regeln für rechts- und linksperiphere Tilgungen. Sie tilgen nur Elemente die dem Junktiv adjazent sind: (50) [A,B,C] j [D,E,C] (51) [A,B,C] j [A,D,E] Mit diesen Regeln erfasst man die meisten Fälle, für die traditionell Tilgungen nötig sind. Natürlich gibt es auch Tilgungsverbote. Tilgungen, die die Struktur zerstören oder Ambivalenzen hervorbringen, werden gemieden. Auch Obligatorisches kann nicht getilgt werden. Für die Koordination besteht die Gefahr, dass zu hohe Knoten als koordiniert angesetzt werden, die anschließend wieder durch exzessive Anwendung von Tilgungsregeln zurechtgestutzt werden. Darum sollte man als Güteprinzip einführen: So wenig Ellipsen wie möglich. Ein weiteres Prinzip ist das der minimalen Koordination, das auch der Vermeidung von Ellipsen dient. Es besagt, dass man jeweils den niedrigst möglichen Knoten (oder den kürzesten) als koordiniert ansetzen sollte, also möglichst spät die Koordinationsklammer öffnen und möglichst früh schließen. So vermeidet man Probleme, die sich aus einer Rückführung auf längere Nuklei ergeben.
V
N_pro Wir
P* achteten
auf Sauberkeit
2.4. Psychische Realität Tesnie`re geht prinzipiell davon aus, dass Stemmas die eigentliche Struktur des Satzes darstellen, „la vraie phrase“ (Tesnie`re 1959, 6.10). Das Verfahren des Sprechers bestünde darin, zum jeweiligen mental konzipierten Stemma den ordre line´aire zu konstruieren, der Hörer hingegen müsse aus dem ordre line´aire den ordre structural erschließen. Darin sah er wohl auch den Sinn seiner Methode für den Sprachunterricht, sowohl in der Fremdsprache wie in der Muttersprache. Wer die Struktur sieht, erkennt den Sinn. Die komplizierten Strukturen managen wir unbewusst, sogar instinktiv. Le stemma a l’avantage de permettre de se rendre compte explicitement des caracte´ristiques de style contenues implicitement dans un passage donne´ et que les gens ayant le sentiment correct et de´licat des finesses de leur langue maternelle sentent instinctivement. (Tesnie`re 1959, 273.1)
Bei der Junktion wie bei den Translationen scheint bemerkenswert, dass Tesnie`re keine Zweifel an diesem Postulat gekommen sind. Es wäre doch recht erstaunlich, wenn Hörer zu dem strukturell recht simplen Satz „Les maıˆtres, les pe´dagogues et les e´ducateurs donnent, re´pe`tent et ressassent des avis, des conseils et des avertissements aux e´coliers, aux colle´giers et aux lyce´ens“ das folgende Stemma konstruieren müssten (s. Abb. 1) Hier keimt der Verdacht, dass übermäßig viel Struktur erzeugt wurde. Tesnie`re meint wirklich, man vermerke das Pathos: Le stemma n’e´tant ici que l’image des connexions qui s’e´tablissent dans notre esprit, le sujet parlant qui prononce la phrase ci-dessus exprime donc en une seule phrase le contenu de 81 phrases diffe´rentes. On reste confondu devant la complexite´, la de´licatesse et la puissance de l’instrument que le don du langage met ainsi a` notre disposition. (Tesnie`re 1959, 346)
Vermutlich wurde das Postulat nicht hinterfragt, weil die reguläre Denke Tesnie`re und seiner Zeit fernlag. Denn natürlich haben Sprachteilhaber es einfacher, die Regeln für
136
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit donnent
les maîtres les pedagogues et les educateurs
répètent
et
des avis des conseils des avertissements
ressassent
aux écoliers aux collégiers et aux lycéens
Abb. 14.1: Junktionstheorie ⫺ Stemma I
die Konstruktion und Rekonstruktion solcher Strukturen beherrschen. Gerade das ist ja der tiefere Sinn der Syntax: unendlicher Gebrauch von endlichen Mitteln. Wenn schon die Translation nicht im Mittelpunkt der Tesnie`re-Rezeption stand, so die Junktion noch weniger. Sie teilte sozusagen das allgemeine Schicksal der Koordination, für die Brettschneider mit Recht fragt: „Warum nimmt die Behandlung dieser Phänomene in linguistischen Arbeiten so wenig Raum ein? Warum erweist sich … die Beschäftigung mit diesem Phänomen als ein nahezu endloses Unternehmen“ (Brettschneider 1978, 282). Sollte beides zusammenhängen? In den meisten Dependenzgrammatiken wird der Junktion keine große Aufmerksamkeit geschenkt. In Rall/Engel/Rall 1977 kommt sie nicht vor, ebensowenig in der formalisierten Theorie von Hays 1964 oder in der Anwendung auf das Lateinische von Happ 1976. In Engel 1977 finden wir ein kurzes Kapitel zur „Häufung“. Es ist allerdings eher daten-orientiert. Das Fazit etwas kryptischer formaler Überlegungen ist ein Darstellungsformat, das Junktionen genau so wie Konnexionen behandelt. Nikula widmet der Junktion etwas mehr als eine Seite (Nikula 1986, 93). Auch er verwendet im Zusammenhang der Konjunktionen die normale konnexionale Struktur. Damit wird die Besonderheit der Junktion nicht deutlich. In Satzjunktionen ist die Konjunktion oberster Nukleus. Außerdem ergeben sich die Probleme mit der Valenz und der Stufung, wie sie oben dargestellt sind. Eine frühe Adaptation der Junktion finden wir in Heringer 1971, allerdings unter dem
Namen „Nektion“, um nicht eine vordergründige Nähe zu logischen Junktionen zu suggerieren. Hierfür wird eine eigene Art von Regeln entwickelt. Es handelt sich dabei um ein abstraktes Regelschema, das über variable Nuklei formuliert ist. Nach diesem Schema kann jeder Nukleus ersetzt werden durch zwei Nuklei der selben Art, die allerdings nach unten unterschiedlich ausgeführt werden können. Das Regelschema ist rekursiv, da jeder ersetzte Nukleus wieder ersetzt werden kann. So erfasst es multiple Koordinationen. Allerdings wird so nur die Grundstruktur der Koordination erfasst. Die weiteren empirischen Probleme werden nur verbal abgehandelt. An vielen Beispielen wird gezeigt, dass die Grundregel stark normativ ist und Vieles nicht erfasst. Hierfür werden semantische Regularitäten angeführt. (Zur Bedeutung koordinativer Konjunktionen s. Lang 1991, 614⫺621). Auch in Klein 1971 werden Tesnie`res Junktionen aufgenommen und in eine formale Theorie integriert. Klein entwickelt eine Schreibweise der folgenden Art: X1rJ X2rJ X3rJ … Xkr ⫽ X1rJ* Xkr Hierbei steht X für einen beliebigen Nukleus der Kategorie X, die tief gestellten Buchstaben stellen das Niveau der Dependenz dar, ihre Identität besagt also, dass gleichstufige Nuklei jungiert werden, die Hochzahlen differenzieren die Okkurrenzen und bezeichnen zugleich die Position in der Kette, J steht für ein Junktiv. Die obige Regel deutet zugleich an, dass sie rekursiv angewendet werden kann, dass es also im Prinzip unendlich lange Junktionsnuklei geben kann. Es gelingt Klein so, einige Eigenschaften der Junktion und
137
14. Die Junktionstheorie Lucien Tesnie`res
den Zusammenhang von Konnexion und Junktion präziser zu fassen. Allerdings lag es nicht in seiner Absicht empirische Regeln für die ein oder andere Sprache zu formulieren. Lobin 1993 entwickelt eine prozedurale Theorie der Koordination für das Deutsche, die aber universal anwendbar sein soll. Die Theorie erzeugt nicht serialisierte Stemmas und lässt als Knoten nicht nur lexikalische Kategorien zu, sondern sog. komplexe Elemente, die man als formale Rekonstruktion des Tesnie`reschen Nukleus ansehen kann; sie sind wesentlich konstitutionell bestimmt. Die Koordination wird nicht als dependenzielles Verfahren angesehen. Vielmehr sind Koordinationen Erweiterungen der dependenziellen Struktur. Sie fügen zu komplexen Elementen, im Prinzip oft Phrasen, schrittweise und zyklisch neue komplexe Elemente hinzu und werden so rekursiv. Elliptische Elemente werden dabei erst gar nicht erzeugt, sondern im Fall der linken Konjunkte durch Abbruch der Koordinationsprozedur erklärt. Auch die Vorwärtstilgung ist zwanglos erklärt: „Nicht koordinierte Elemente werden übergangen, anaphorisiert (Phrasen) oder wiederholt (Nuklei)“ (Lobin 1993, 280). Koordinationen gehören zu einer Art Metasyntax, ihre Regeln operieren auf der dependenziellen Syntax erster Stufe. Eine Schwäche scheint hierbei, dass eben die Koordination nicht im Rahmen der Dependenz erfasst wird und dass unklar bleibt, von welcher Kategorie ein Nukleus ist und wie er gewonnen wird. Hingegen ist das Ellipsenproblem elegant gelöst. Weitere Behandlungen des Koordinationsproblems in dependentieller Sicht bei Kunze (1972) und Eroms (2000, 462⫺478).
3.
Weiterentwicklungen
Da die Junktion im Prinzip nicht dependenziell orientiert ist, könnte man auch andere Theorien der Koordination hier einbeziehen. Valenzverwandte Ansätze finden wir im Rahmen der Word Grammar in Hudson 1988 und im Rahmen der Kategorialgrammatik in Steedman 1985. Aus Platzgründen beschränken wir die Darstellung auf Weiterentwicklungen im dependenziellen Rahmen, gehen aber ein auf die Lösungsvorschläge für die offenen Fragen im Zusammenhang des Deutschen. In Koordinationen kollidieren die Prinzipien der Linearität und der Hierarchie. Koor-
dination ist ein lineares Nacheinander oder Nebeneinander, das durch Konjunktionen ausgedrückt sein kann oder nicht. Dafür sind Dependenz-Regeln nicht geeignet (Lobin 1993). Erforderlich wäre eine strukturarme, lineare Superregel. Diese Regel wäre natürlich rekursiv und ließe auch n-fache, gleichstufige Koordinationen zu. Sie betont, dass nur das Serielle relevant, keine tiefere Schachtelung vorgesehen ist. Jede zusätzliche schachtelnde Struktur eines Texts ist darum semantisch. Eine in neuerer Zeit hierfür entwickelte Theorie ist die sog. Stringkoordination (Heringer 1996). Diese Auffassung sieht Koordination mehr seriell oder stringorientiert. Die syntaktische Kategorie der koordinierten Strings ist weniger relevant als die Tatsache, dass die koordinierten Teile in dem String aufeinander folgen. Dies wird exemplifiziert mit einer Art Partiturschreibweise: (52) G. sitzt still auf der Couch und wartet. G. [sitzt still auf der Couch]V und [wartet]V. Die syntaktische Struktur des Stringsegments spielt eine viel geringere Rolle. Zum Beispiel entfielen damit alle Probleme, die zusammenhängen mit der Forderung, dass jeweils nur einzelne Nuklei koordiniert würden. Man kann sich das Ganze so vorstellen, dass der Sprecher den String an einer Stelle unterbricht und einen Parallelweg geht, der natürlich on-line nicht parallel, sondern nur nach dem ersten Teilweg begangen werden kann (vgl. a. Hesse/Küstner 1985, 40). An seinem Ende kehrt er zur Abzweigstelle zurück. Auf diese Weise müssen gemeinsame Teile nicht koordiniert werden, eine Idee, die man auch Tesnie`re schon bei der Behandlung der Bifidität unterstellen könnte. Die Stringkoordination basiert auf der Idee des Dubbing: Sie geht davon aus, dass inkrementell eine Kopie eines Stringsegments angefertigt wird. Die Kopie hat einen markierten Anfang und ein Ende; sie hat auf der obersten Ebene die Struktur des Originals, enthält nur kategoriale Geschwister. Alles, was vor der Koordination liegt, ist von ihr nicht betroffen, ist darum auch im zweiten Teil nicht elliptisch ausgelassen. Die Stringauffassung ist wie folgt charakterisiert: (i)
Eine Koordination ist ein String aus zwei Segmenten, sie besteht also aus zwei zusammenhängenden Strings als koordinierten Teilen.
138 (ii) (iii) (iv)
(v)
(vi)
(vii)
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Der zweite String ist eine strukturelle Kopie des ersten. Die Konjunktion markiert (im Deutschen) die Verdoppelung, den Anfang der Kopie. Bei zweiteiligen Konjunktionen markiert zunächst der erste Teil der Konjunktion den Anfang des Originals. Hier sind also der Anfang des Originals und der Anfang der Kopie markiert. Der Anfang des Originals wird strukturell ermittelt, er liegt bei einer kategorial öffnenden Klammer. Die eröffnenden Indizes von Original und Kopie sind normalerweise identisch. Das Ende der Kopie liegt vor dem ersten gemeinsamen Element. Nicht immer ist eindeutig, ob ein Element gemeinsam ist oder nicht. Stringsegmente am Rande, die beiden Koordinaten gemeinsam sind, liegen außerhalb der Koordination.
Stringkoordination scheint die Zahl postulierter Rückwärtstilgungen erheblich zu reduzieren, weil die Koordination an adäquateren Stellen einsetzen kann. Die Vorwärtstilgung ist eher on line, weil sie nur Ergänzungen erwartet, die tatsächlich schon da waren. Koordination ist ein syntaktisches Phänomen, das sich als umso komplexer erweist, je näher man es betrachtet. Möglicherweise hat es nicht die gebührende Beachtung gefunden, vielleicht auch weil es gewissen Grundüberzeugungen moderner syntaktischer Theorien widerspricht und mit den üblichen Regeln kaum regulär zu fassen scheint.
4.
Literatur in Auswahl
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139
15. Negation und Frage bei Lucien Tesnie`re Steedman, Mark (1985): Dependency and coordination in the grammar of Dutch and English. In: Language 61, 523⫺568.
(Hgg.): Geneva Generative Working Papers. Studies on Universal Grammar and Typological Variation. Amsterdam, 23⫺61.
Wilder, Chris (1995): Some properties of ellipsis in coordination. In: Alexiadou, Artemis/Hall, T.Alan
Hans Jürgen Heringer, Augsburg (Deutschland)
15. Negation und Frage bei Lucien Tesnie`re 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
Die Einheit von Frage, Exklamation und Negation in den Ele´ments de syntaxe structurale Frage Exklamation Negation Rezeption und Anschlussmöglichkeiten Literatur in Auswahl
Die Einheit von Frage, Exklamation und Negation in den Ele´ments de syntaxe structurale
In Lucien Tesnie`res Hauptwerk Ele´ments de syntaxe structurale wird Frage, Exklamation und Negation ein eigenes Buch gewidmet, das in der internen Struktur des Werkes auf gleichem Rang steht wie z. B. das Buch über Valenz oder dasjenige über die Struktur des einfachen Satzes. Im Gegensatz zu letzteren sind Tesnie`res Vorschläge zu Frage, Exklamation und Negation von der Forschung jedoch kaum beachtet worden. Bevor die Theorie im Einzelnen vorgestellt wird, möchte ich auf die Umstände eingehen, die aus Tesnie`res Sicht die Einheit des Gegenstandsbereiches ausmachen. In traditioneller Perspektive sind Frage, Exklamation und Negation Modifikationen der Affirmation als unmarkierter Erscheinungsform des Satzes (vgl. 5). Tesnie`re begründet die Einheit der drei syntaktischen Phänomene jedoch anders. Er hebt dabei auf paradigmatische und auf syntagmatische Relationen zwischen ihnen ab. 1.1. Syntagmatische Beziehungen von Frage, Exklamation und Negation Tesnie`re geht von einer typischen syntagmatischen Reihung Exklamation ⫺ Frage ⫺ Negation aus. Diese Reihung speise sich aus Zweifeln des Sprechers an der Wahrheit des jeweiligen Sachverhalts. In einer Frage drückt der Sprecher einen Zweifel an der Wahrheit des Sachverhalts aus; dieser Zweifel kann vom Sprecher selbst oder vom Angesproche-
nen in einer verneinenden Antwort bestätigt werden (Tesnie`re 1988, 191 f.). Diese dialogische Abfolge stifte die Beziehung von Frage zu Negation. Die Frage wiederum sei jedoch nur ein sekundärer, reflektierter Ausdruck des Zweifels; seine erste, affektive Entäußerung erfahre er in der Exklamation (Tesnie`re 1988, 216). Diese Überlegungen mögen heute etwas befremdlich wirken; wichtig ist jedoch, dass die so konstruierte syntagmatische Abfolge von Exklamation, Frage und Negation Tesnie`re die explizite Legitimation liefert, die drei Phänomene integriert zu behandeln. Ihre grammatischen Parallelen (vgl. 1.2) wirken in seiner Darstellung gegenüber der dialogischen Fundierung ihrer Einheit eher akzidentell. Somit nimmt Tesnie`re hier ⫺ im Gegensatz zu den anderen Teilen seines Werkes ⫺ eine dezidiert onomasiologische Perspektive ein: primär sind nicht die sprachlichen Formen, sondern die ihnen zugrunde liegenden Sprechereinstellungen (vgl. auch Mettouchi 1995, die den starken Bezug auf die Subjektivität des Sprechers in diesem Abschnitt hervorhebt). Bei der Diskussion der Sprechereinstellung zum dargestellten Sachverhalt hält Tesnie`re übrigens ganz selbstverständlich proposition und phrase auseinander und trennt damit die beiden Begriffe in einer Weise, die der heute üblichen Trennung von Proposition und Satz (d. h. Proposition plus Modalität) nahekommt (vgl. Arnavielle 1994). 1.2. Paradigmatische Beziehungen von Frage, Exklamation und Negation Zwischen Frage und Negation besteht zunächst eine einfache paradigmatische Beziehung dergestalt, dass beide unterschiedliche Grade der Unsicherheit des Sprechers über den dargestellten Sachverhalt ausdrücken (Tesnie`re 1988, 191). Darüber hinaus werden Frage, Exklamation und Negation insofern systematisch parallelisiert, als alle diese drei Operationen entweder den Nukleus eines Sat-
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II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
zes oder seine Konnexion (d. h. den ganzen Satz) betreffen können. Dies soll anhand des direkten Objekts des Beispielsatzes Alfred isst einen Kuchen durchgespielt werden: (1)
a. Nukleusfrage: Was isst Alfred? b. Konnexionsfrage: Isst Alfred einen Kuchen?
(2)
a. Nukleusexklamation: Was für einen Kuchen Alfred isst! b. Konnexionelle Exklamation: Alfred isst einen Kuchen!
(3)
a. Nukleusnegation: Alfred isst nichts. b. Konnexionelle Negation: Alfred isst nicht einen Kuchen.
2.
Frage
Die Unterscheidung von Nukleusfrage und Konnexionsfrage entspricht der traditionellen Unterscheidung von Wortfrage und Satzfrage. 2.1. Nukleusfrage Nach Tesnie`re lässt sich jeder Nukleus eines Deklarativsatzes durch Umformung in eine entsprechende Nukleusfrage erfragen, d. h. nicht nur das direkte Objekt wie in (1a), sondern z. B. auch das Subjekt: Wer isst einen Kuchen? Die Sprachen bedienen sich hierfür spezieller Fragepronomina, in Tesnie`res Terminologie: interrogativer genereller Wörter (Tesnie`re 1988, 193). Tesnie`re bemerkt allerdings, dass die Fragebildung desto „schwieriger“ wird, je weiter der zu erfragende Nukleus vom strukturalen Zentrum des Satzes (dem Verb) entfernt ist (1988, 195). Er macht hiermit auf ein Problem aufmerksam, das in der generativen Syntax ausgiebig unter dem Stichwort der Extraktionsbeschränkungen diskutiert wurde. Denn manche Satzglieder sind überhaupt nicht erfragbar, besonders in eingebetteten Sätzen (in Anna erwartet, dass Hans Brötchen kauft ist Hans nicht mittels eines vorangestellten Subjekt-Fragepronomens erfragbar). Auch das Verb als Nukleus sei durch ein verbum vicarium, also faire bzw. machen, erfragbar: Was macht Alfred? Schon dieses Beispiel (das Tesnie`res eigenem entspricht) deutet allerdings auf ein Problem dieser These. Denn hier wird, wie Ruwet (1967, 230) richtig kritisiert, nicht nur nach dem Verb, sondern nach dem ganzen Komplex Verb ⫹ direktes Objekt, also mehreren Nuklei, gefragt. Das verbum vicarium ist nämlich nicht ein Frage-
pronomen wie wer oder was, sondern lediglich ein sehr inhaltsarmes transitives Verb und als solches ein „Vollwort“ ⫺ also gerade kein Pronomen! ⫺, das in Verbindung mit einem Objekt-Fragepronomen den verbalen Prozess textuell aufzugreifen erlaubt und damit den Eindruck der grammatischen Erfragbarkeit erweckt. Hinzu kommt, dass machen nicht für alle Verben als verbum vicarium geeignet ist, z. B. nicht für Impersonalia (vgl. zu diesem Problemkomplex und damit zusammenhängenden Aspekten der Verbklassifikation Koch 1981, 170⫺206). Die Nukleusfrage berührt die strukturelle Ordnung eines Satzes nicht, die Dependenzverhältnisse sind die gleichen wie beim entsprechenden Deklarativsatz (während sich die lineare Ordnung natürlich ändern kann, z. B. durch Voranstellung eines Fragepronomens). Die dependenzielle Beschreibung erlaubt es also, die strukturellen Gemeinsamkeiten von Deklarativ- und Fragesatz auf einfache Weise zu erfassen. 2.2. Konnexionsfrage Tesnie`res Syntaxtheorie ermöglicht ihm eine originelle Interpretation der Satzfrage. Diese erfrage, ob die jeweiligen Knoten bzw. Nuklei in Konnexion, also in syntaktischer Abhängigkeit, miteinander seien (1988, 203). Schematisch wird dies folgendermaßen dargestellt (vgl. Tesnie`re 1988, 206): chante ? Alfred
Diese Analyse ist allerdings theorieintern insofern problematisch, als eine Satzfrage ja sicherlich selbst eine syntaktische und semantische Struktur hat, die wiederum nur als Konnexion gedacht werden kann. Der Mechanismus der Frage muss daher die Konnexionsbeziehung, die er erst erfragen will, schon voraussetzen. Die Analyse ist also insgesamt mit der Gesamttheorie nicht konsistent. Tesnie`res Interpretation der Satzfrage erweckt aber insofern Interesse, als sie nicht nur die Intution wiedergibt, dass Fragesätze von Deklarativsätzen abgeleitet sind, sondern ein Verständnis der Satzfrage voraussetzt, demzufolge diese eine entsprechende Affirmation
141
15. Negation und Frage bei Lucien Tesnie`re
„enthält“, die erst sekundär in Frage gestellt wird. Es gibt einen Berührungspunkt von Nukleus- und konnexioneller Frage: Konnexionelle Fragen können einen Nukleus kontrastiv fokussieren, z. B. in est-ce lui qui viendra? bzw. kommt ER? (1988, 209). Die Frage betrifft hier „l’extre´mite´ de la connexion qui touche au nucle´us“ (1988, 209) und wird am lat. Beispiel Aulusne veniet? folgendermaßen grafisch veranschaulicht: veniet
ne ? Aulus
Tesnie`res Formulierung suggeriert, dass die Satzfrage nicht unbedingt das ganze Konnexionsgefüge eines Satzes in Frage stellen muss, sondern auch die Konnexion nur zwischen zwei Nuklei treffen kann. Eine explizite Aussage hierzu macht er allerdings nicht. Dieses Problem wird in der Diskussion zur Negation noch einmal aufgegriffen werden.
3.
Exklamation
Auch die Exklamation kann nach Tesnie`re sowohl einen Nukleus als auch die Konnexion, also den ganzen Satz, treffen (vgl. 1.2). Hier geht Tesnie`re aber nicht so weit zu behaupten (wie bei der Frage), dass jeder einzelne Nukleus eines Satzes separat im Skopus einer Exklamation stehen könne. Als Beispiel für eine Nukleus-Exklamation führt er an: Welch ein artiges Kind! (1988, 216) und bemerkt die ausdrucksseitige Ähnlichkeit der Exklamationsmarkierung mit den Fragepronomina. Die Exklamation scheint hier das ganze Syntagma zu treffen, doch es enthält nicht nur einen Nukleus. Insofern bleibt unklar, wie der Mechanismus der Nukleus-Exklamation genau zu denken ist, zumal Tesnie`re auch keine Stemmaanalyse liefert. Man gewinnt den Eindruck, dass die Nukleusexklamation sich im Grunde nicht von der konnexionellen Exklamation (z. B. Ce qu’elle est gourmande!) unterscheidet, und dass lediglich die Abwesenheit eines verbalen Knotens in Syntagmen wie welch ein artiges Kind! die Existenz eines eigenen Typs der Nukleusexklamation zu suggerieren vermag.
4.
Negation
In der systematischen Parallelisierung von Frage und Negation liegt sicherlich eine der interessantesten Einsichten dieses Buches der Ele´ments de syntaxe structurale. Analog zur Frage kann jeweils ein Nukleus oder die Konnexion negiert werden. 4.1. Nukleusnegation Ein Nukleus wird negiert, indem er durch spezialisierte Indefinitpronomina oder Negationsadverbien (negative generelle Wörter) wie nirgends, nichts, keiner ersetzt wird (Tesnie`re 1988, 217 f.). Mit dieser Definition wird die Analogie der Nukleusnegation zur Nukleusfrage gesichert, die ja auch mittels eines spezialisierten Fragepronomens markiert wird. In vielen Sprachen (so dem Französischen, Deutschen und Englischen) sind die Formen des Negationsparadigmas „undurchlässig“, d. h. die Negation hat Skopus nur über einen Nukleus (Tesnie`re 1988, 232 ff.). Treffen zwei negierte Nuklei aufeinander, wie in Niemand hat nichts gesagt, so wird der Satz insgesamt zu einer Affirmation. In denjenigen Sprachen, deren Negationsausdrücke undurchlässig sind, gibt es noch ein zweites Paradigma „durchlässiger“ Negationsausdrücke (d. h. Indefinitpronomina), die in Kombination mit einem undurchlässigen Negationsausdruck eine Negation mehrerer Nuklei erlauben. Im Deutschen gehören hierzu jemand, etwas, je usw. Dabei können durchlässiger und undurchlässiger Negator getauscht werden, so dass man im Deutschen das hat keiner je gesagt neben das hat niemals einer gesagt sagen kann (1988, 234 ff.). Genau wie die Nukleusfrage berührt die Nukleusnegation die Dependenzbeziehungen im Satz nicht. 4.2. Konnexionelle Negation Die konnexionelle, d. h. den ganzen Satz betreffende Negation wird analog zur Satzfrage interpretiert. So wie die Satzfrage die Konnexion eines Satzes in Frage stelle, negiere die Satznegation, dass zwischen den Satzgliedern eine Konnexion bestehe (Tesnie`re 1988, 218). Diese Analyse trifft der gleiche Einwand wie die Analyse der Satzfrage: Sie scheint problematisch, denn auch ein negierter Satz muss eine syntaktische und semantische Struktur haben, die nur als Konnexion konzipiert sein kann; insofern muss die Verneinung von Konnexion selbst schon Konnexion voraussetzen. Andererseits wird damit eine abgelei-
142 tete, der Affirmation sekundäre Konzeption von Negation ausgedrückt: „Toute ne´gation proce`de d’une affirmation“ (1988, 217). Die Auffassung, dass Negation gegenüber Affirmation sekundär sei, scheint plausibel und ist weit verbreitet, ist aber nicht unkontrovers (cf. Horn 1989, 45⫺79 für einen Überblick über die Argumente für und gegen eine asymmetrische Konzeption von Negation und Affirmation). In der Analyse der zweigliedrigen französischen Negation (ne … pas, ne … personne usw.) folgt Tesnie`re der Grammatik von Damourette und Pichon (1911⫺40), die ne als „Discordantiel“ und das zweite Negationselement als „Forclusif“ bezeichnen. Tesnie`re wendet diese Analyse sowohl auf die Nukleus- als auch auf die konnexionelle Negation an. Der Ausdruck der französischen Negation sei nicht nur formal diskontinuierlich, sondern korrespondiere einer auch inhaltlichen Zweigliedrigkeit. Diese hängt fundamental mit dem zeitlichen Abstand in der Rede zwischen Discordantiel und Forclusif zusammen: „[L]e franc¸ais proce`de en deux temps. Il de´croche d’abord sa pense´e de la notion affirmative, puis il la raccroche a` la notion ne´gative“ (Tesnie`re 1988, 225). Aus dieser Formulierung spricht der psychologisierende Ton dieses Buches der Ele´ments de syntaxe structurale. Ganz gegen den Geist seines Werkes hebt Tesnie`re hier in der syntaktischen Beschreibung auf Merkmale der linearen Ordnung der Satzglieder, der chaıˆne parle´e, ab. Die Markierung der konnexionellen Negation (ne … pas usw.) wird als Indiz, d. h. als morphologische Markierung einer Wortart, bezeichnet (Tesnie`re 1988, 226). Sie markiere die negative Spezifizierung des Verbinhalts (1988, 226) (vgl. auch Mettouchi 1995, 346). Diese (eigentlich sehr plausible) Aussage steht wiederum im Widerspruch zur Annahme, dass die konnexionelle Negation Nicht-Konnexion ausdrücke. Denn wenn die Satznegation struktural am Verb lokalisiert ist, so kann sie kaum gleichzeitig als nichtlokale „Abwesenheit von Konnexion“ analysiert werden. Tesnie`re geht auch auf ein klassisches und zu seiner Zeit schon bekanntes (vgl. Horn 1989, 308 ff.) Problem der Negationsforschung ein, die anticipation de la ne´gation („NEG-Raising“): Die Negation eines Nebensatzes (oder eines eingebetteten Infinitivs) kann manchmal auch am Verb des übergeordneten Satzes markiert werden. So bezieht
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
sich im komplexen Satz ich hoffe nicht, dass Sie krank sind die Negation nicht auf das Matrixverb, sondern auf den Inhalt des Nebensatzes. Ebenso bezieht sich die Negation in der kohärenten Konstruktion you mustn’t smoke semantisch nicht auf das regierende, sondern auf das regierte Verb. Die Antizipation der Negation ist auf bestimmte Verbklassen (des regierenden Verbs) beschränkt. Tesnie`re nennt die Verben des Wollens, des Befehlens, der Notwendigkeit, der Hoffnung, des Scheinens und des Deklarierens (1988, 221 f.). Barnicaud et al. (1967, 65⫺69) greifen ⫺ anscheinend in Unkenntnis des Umstandes, dass dieses Thema ein allgemeines, schon lange vor Tesnie`re bekanntes Problem der Negationsforschung ist ⫺ seine Ausführungen auf. Sie entgegnen ihm, dass die Antizipation der Negation nicht für alle Modalverben (als regierende Verben einer kohärenten Infinitivkonstruktion) möglich sei ⫺ was er allerdings nie behauptet hat. Die stemmatischen Darstellungen von Barnicaud et al. (1967, 67) deuten darauf hin, dass sie die konnexionelle Negation als Verneinung nur einer einzigen Dependenzrelation und nicht eines ganzen Konnexionsgefüges analysieren. Dies nun erscheint als eine plausible Präzisierung Tesnie`res eigener Darstellung der konnexionellen Negation bzw. Frage (vgl. 2.2): Konnexionelle Negation bzw. konnexionelle Frage treffen nicht die ganze Konnexion eines Satzes, sondern nur eine bestimmte Dependenzrelation. Tesnie`re erwähnt Varianten der Negation, den „Restriktiv“ (ne … gue`re) und den „Limitativ“ (ne … que). Er legt sich aber nicht auf eine Kategorisierung dieser Elemente als Nukleus- oder konnexionelle Negatoren fest und gibt auch keine Stemmaanalyse von Sätzen, in denen sie vorkommen. Dies würde ihn auch in Schwierigkeiten bringen, denn Limitativ und Restriktiv lassen sich nicht in paradigmatische Opposition zu Frageausdrücken bringen und gefährden so die durchgängige Parallelisierung von Frage und Negation.
5.
Rezeption und Anschlussmöglichkeiten
Tesnie`res Vorschläge zu Frage, Negation und Exklamation sind von der Forschung kaum aufgegriffen worden. Von vereinzelten Bemerkungen bei verschiedenen Autoren abgesehen, ist Mettouchi (1995) der einzige mir bekannte explizite Versuch, Tesnie`res Gedanken aufzunehmen und weiterzuentwickeln.
143
15. Negation und Frage bei Lucien Tesnie`re
Mettouchi sieht in seiner Analyse der Negation als Indiz am Verb (vgl. 4.2) eine sachlich adäquate Möglichkeit angelegt, Negation als eigenständige semantische Kategorie (und nicht als von der Affirmation abgeleitet) zu konzipieren. Dies wird am Kabylischen (Berberisch, Algerien) veranschaulicht. Im Kabylischen (wie in sehr vielen anderen Sprachen auch, vgl. Givo´n 1978, 97) sind bestimmte temporal-aspektuelle Kategorien nicht mit der Negation verträglich. Mettouchi (1995) sieht diesen Umstand als Beleg für die These an, dass die Negation nicht von der Affirmation abgeleitet sei. Wenn nun, wie bei Tesnie`re ausgeführt, die Negation ein Indiz am Verb ist, sei sie eine Verbalkategorie eigenen Rechts und nicht der Affirmation sekundär. Somit sei es theoretisch unproblematisch, wenn, wie im Kabylischen, die Verbalkategorie Negation nicht mit allen anderen Verbalkategorien, im speziellen Fall bestimmten Aspekten, kombinierbar sei. Mettouchi versucht also, Tesnie`res technische Analyse der Negation gegen seine eigene semantische Definition der Negation (vgl. 4.2) zu wenden. Hiergegen ist einzuwenden, dass die Nichtnegierbarkeit einer bestimmten morphologischen, d. h. Ausdruckskategorie noch nicht den weitreichenden Schluss zu ziehen gestattet, dass Negation als wesensmäßig inhaltliche Größe prinzipiell von Affirmation unabhängig sei. Die Nichtnegierbarkeit bestimmter verbaler Kategorien scheint ein Reflex davon zu sein, dass viele grammatische Innovationen im Bereich von Tempus, Aspekt und Modus typischerweise im affirmativen Satz entstehen und erst später auf die negative Variante ausstrahlen (vgl. Givo´n 1978, 97). So bestätigt der Umstand, dass negierbare Verbalkategorien diachron sekundär sind, sogar die These vom abgeleiteten, markierten Charakter der Negation. Auch ist es durchaus möglich, Sätze zu negieren, die eine nichtnegierbare Verbalkategorie enthalten. Die nichtnegierbare Verbalkategorie muss dann paraphrasiert werden. Rückblickend kann man Tesnie`re das Verdienst zurechnen, als erster die Parallelen von Frage und Negation in syntagmatischer und paradigmatischer Sicht systematisiert zu haben. Sicherlich waren diese Parallelen auch vor ihm nicht unbekannt: Viele traditionelle Grammatiken behandeln Frage und Negation als gleichrangige Verfahren der Modifikation eines Aussagesatzes. Brunot (1922) untersucht die Frage und die Negation in aufeinanderfolgenden Kapiteln einer Sektion
„Questions, re´ponses, e´nonciations positives et ne´gatives“ des Buchteils „Les faits par rapport a` nos jugements, a` nos sentiments, a` nos volonte´s“. Insbesondere definiert er den affirmativen Deklarativsatz negativ aus der Abwesenheit von Frage und Negation (1922, 493). Doch erreichen diese Ausführungen bei weitem nicht die Kohärenz und die Systematizität Tesnie`res. Die neuere Forschung hat Tesnie`re der Sache nach in mancher Hinsicht bekräftigt, in anderer Hinsicht relativiert. Die systematischen Beziehungen zwischen Negation und Frage sind z. B. auch an dem Umstand bestätigt worden, dass Indefinitpronomina, zu denen ja auch Nukleusnegatoren gehören, in der Mehrzahl der menschlichen Sprachen morphologisch von Fragepronomina abgeleitet sind (Haspelmath 1997, 26 f.), z. B. polnisch kto ‘wer?’ ⬎ nikt ‘niemand’. Hentschel (1998, 205⫺234) belegt, dass in sehr vielen Sprachen der Welt die Negation spezifisch mit Frage und Exklamation interagiert: Negation kann Vergewisserungsfragen kennzeichnen wie in Hast du nicht Lust, ins Kino zu gehen? Hentschel argumentiert, dass hier nicht die Proposition negiert werde, sondern die Interrogation als Satzmodus. Auch kann die Negation, ebenfalls übereinzelsprachlich, Exklamationen markieren wie in Was du nicht alles weißt! Eine Weiterentwicklung von Tesnie`res Theorie könnte anhand dieser Befunde eine dritte Form von Negation (neben Nukleus- und konnexioneller Negation) postulieren. Andererseits hat die neuere Negationsforschung auf Grenzen der Parallelisierbarkeit von Negation und Frage hingewiesen (Horn 1989, 472 f.). Diese Grenzen sind zum einen ausdrucksseitiger Natur: Die intonatorische Modifikation eines Deklarativsatzes ist ein weit verbreitetes Muster der (konnexionellen) Fragesatzbildung. Intonation ist jedoch nicht als typisches Negationsverfahren zu betrachten. Weiterhin ist für die Nukleusfrage die Erststellung des Fragepronomens im Satz sehr typisch; entsprechendes gilt für die Nukleusnegation nicht. Zum anderen gibt es einen wichtigen kategorialen Unterschied zwischen Frage und Negation, der ihre Parallelisierbarkeit einschränkt: Während die Frage typischerweise den Illokutionstyp des deklarativen Pendants ändert, tut die Negation dies typischerweise nicht.
6.
Literatur in Auswahl
Arnavielle, Teddy (1994): Le statut de la proposition chez Tesnie`re. In: Linguistica 34,1 (Me´langes Lucien Tesnie`re), 9⫺13.
144
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Barnicaud, G. et al. (1967): Le proble`me de la ne´gation dans diverses grammaires franc¸aises. In: Langages 7, 58⫺73. Baum, Richard (1976): „Dependenzgrammatik“. Tesnie`res Modell der Sprachbeschreibung in wissenschaftsgeschichtlicher und kritischer Sicht (⫽ Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie 151). Tübingen. Brunot, Ferdinand (1922): La pense´e et la langue. Me´thode, principe et plan d’une the´orie nouvelle du langage applique´e au franc¸ais. Paris. Damourette, Jacques/Pichon, Edouard (1911⫺40): Des mots a` la pense´e. Essai de grammaire de la langue franc¸aise. Paris. Givo´n, Talmy (1978): Negation in language: pragmatics, function, ontology. In: Cole, Peter (Hg): Syntax and semantics. Vol. 9: Pragmatics. New York, 69⫺112. Haspelmath, Martin (1997): Indefinite pronouns. Oxford. Hentschel, Elke (1998): Negation und Interrogation. Studien zur Universalität ihrer Funktionen (⫽ Reihe Germanistische Linguistik 195). Tübingen.
Horn, Laurence R. (1989): A natural history of negation. Chicago/London. Koch, Peter (1981): Verb, Valenz, Verfügung. Zur Satzsemantik und Valenz französischer Verben am Beispiel der Verfügungs-Verben (⫽ Reihe Siegen 32). Heidelberg. Mettouchi, Amina (1995): La ne´gation dans les Ele´ments de syntaxe structurale de Lucien Tesnie`re: syntaxe et e´nonciation. In: Madray-Lesigne, Franc¸oise/Richard-Zappella, Jeannine (Hgg.): Lucien Tesnie`re aujourd’hui. Actes du colloque international C.N.R.S. URA 1164 ⫺ Universite´ de Rouen, 16⫺17⫺18 novembre 1992 (⫽ Bibliothe`que de l’Information grammaticale 30). Paris, 341⫺347. Ruwet, Nicolas (1967): Introduction a` la grammaire ge´ne´rative. Paris. Tesnie`re, Lucien (1988): Ele´ments de syntaxe structurale. Paris (2. Aufl.).
Richard Waltereit, Tübingen (Deutschland)
16. Metataxe bei Lucien Tesnie`re 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
1.
Hintergründe und Kern des Metataxe-Konzepts Grammatische Kategorien Knoten und Konnexionen Valenz, Aktanten und Zirkumstanten Junktion und Translation Probleme Konklusion Literatur in Auswahl
Hintergründe und Kern des Metataxe-Konzepts
1.1. Stellenwert des Metataxe-Konzepts bei Tesnie`re Von den zentralen Beschreibungskonzepten, die Lucien Tesnie`re in seinem Hauptwerk Ele´ments de syntaxe structurale (1959) einführt, sind nur einige wenige (‘Dependenz’, ‘Valenz’, ‘Aktant’ u. a.) breit rezipiert worden, während zahlreiche andere in der Folgezeit kaum zur Kenntnis genommen wurden (‘Konnexion’, ‘Junktion’, ‘Translation’ u. a.). Zu letzteren gehört auch das Konzept der ‘Metataxe’. Dies ist um so überraschender, als ein besonders vielzitiertes Dictum Tesnie`res gerade im Kontext der Metataxe erscheint (es ist der zweite Teil des folgenden Zitats): „[…] il y a lieu de connaıˆtre a` fond la
structure actantielle des verbes, tant dans la langue a` traduire que dans celle dans laquelle on traduit. […] Un verbe dont on connaıˆt le sens, mais dont on ignore la structure actantielle, est inutilisable“ (1959, Kap. 122, §§ 8, 9; vgl. unten 4.1.). ‘Metataxe’ ist, wie ersichtlich, per definitionem ein Konzept für den Sprachvergleich, für die kontrastive Linguistik: „[Dans certains cas,] la traduction d’une langue a` l’autre oblige a` faire appel a` une structure diffe´rente. Nous donnerons a` ce changement structural le nom de me´tataxe. Il va de soi que la me´tataxe n’intervient en principe que lors du passage d’une langue a` une autre, c’est-a`-dire au cours de la traduction“ (1959, Kap. 120, §§ 2⫺3). 1.2. Metataxe und Dependenzstemma Es liegt auf der Hand, dass Tesnie`re das Phänomen der Metataxe vom spezifischen Beschreibungsinstrumentarium seiner syntaxe structurale her definiert. Maßstab der syntaktischen Verschiedenheit zweier Sätze, die einander in zwei verglichenen Sprachen entsprechen, sind die betreffenden Dependenzstemmata: „La me´tataxe comporte par de´finition une diffe´rence entre le stemma de la phrase a` traduire et celui de la phrase traduite dans une autre langue“ (1959, Kap.
145
16. Metataxe bei Lucien Tesnie`re eut
entging
er
Feinden
seinen
mit Not
knapper
il
bien de la peine
à échapper à ennemis ses
Abb. 16.1
120, § 4). So lassen sich die Unterschiede zwischen dem deutschen Satz (1a) und der französischen Entsprechung (1b) aus dem Vergleich der Stemmata Abb. 1a und Abb. 1b ablesen (sich entsprechende, aber syntaktisch unterschiedlich gestaltete Elemente in den beiden Sätzen werden, nach einer von Tesnie`re bisweilen verwendeten Notation, quer zu den beiden Stemmata durch gestrichelte Linien miteinander verbunden): (1)
a. dt. Mit knapper Not entging er seinen Feinden. b. fr. Il eut bien de la peine a` e´chapper a` ses ennemis.
Die Aspekte, unter denen sich Stemmata metataktisch unterscheiden können, ergeben sich im Wesentlichen aus den übrigen zentralen Konzepten der syntaxe structurale (wobei zwischen den einzelnen Aspekten durchaus Überschneidungen auftreten): grammatische Kategorien (s. u. 2.); Knoten und Konnexionen (s. u. 3.); Valenz, Aktanten und Zirkumstanten (s. u. 4.); Junktion und Translation (s. u. 5.). 1.3. Vorgeschichte und Rezeption Bekanntlich hat Tesnie`re am Konzept seiner syntaxe structurale über etwa zwei Jahrzehnte hin bis zu seinem Tod (1954) gearbeitet. Das Phänomen der Metataxe scheint ihn allerdings zunächst noch nicht vorrangig beschäftigt zu haben. In dem ersten Denkanstoß von 1934 spielt es jedenfalls noch keine Rolle. In der kurzen Syntax-Skizze von 1953, 5, taucht immerhin schon ein einziges Beispiel für eine ‘interversion des actants’ auf (es ist das unten in Abb. 16.7 wiedergegebene Beispiel), aber der Oberbegriff ‘Metataxe’ erscheint hier
nicht. Nun hatte Tesnie`re die Ele´ments im Manuskript schon Anfang der 40er Jahre fertig (vgl. Oesterreicher 1981, 224). Getreu seinem Interesse an der Vielfalt der menschlichen Sprachen und an ihren Unterschieden, muss ihn auch das Problem der Metataxe immer mehr beschäftigt haben, so dass er ihm im Endeffekt immerhin das ganze Buch E des ersten Teils der Ele´ments widmete. Einen wichtigen Einfluss dürfte hier – neben einer immer wieder zitierten lateinischen (Schul?)Grammatik – Alfred Malblanc ausgeübt haben, dessen stylistique compare´e in einer ersten frühen Version bereits in den 40er Jahren erschienen war (1944) und auf den Tesnie`re an zahlreichen Stellen ausdrücklich verweist. Malblanc seinerseits ist in bestimmten Punkten eindeutig von Strohmeyer (1924) und Bally (1932) inspiriert worden. Diese Filiation der kontrastiven Linguistik findet also, soweit die Syntax betroffen ist, in Tesnie`res Metataxe-Lehre ihren bis dahin strengsten Beschreibungsapparat. Um so bedauerlicher ist es, dass Tesnie`res Metataxe-Konzept später nur vereinzelt von anderen Linguisten aufgegriffen wurde, selbst wenn sie de facto Phänomene behandelten, die genau in den Bereich fielen, den dieses Konzept abdeckt. So lässt Wandruszka (1969), der seinerseits von Bally und Malblanc beeinflusst ist, Tesnie`re unbeachtet. Aber selbst Publikationen, deren ausdrücklicher Gegenstand Tesnie`res syntaxe structurale ist, erwähnen das Problem der Metataxe weithin nicht (vgl. etwa Baum 1976; Tarvainen 1981; Welke 1988; Fuchs/Le Goffic 1992, 31⫺39; Helbig 1992; Weber 1992; vgl. demgegenüber Oesterreicher 1981, 230; Werner 1993, 111, 278). Überraschend ist auch die
146
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Tatsache, dass die neuere Sprachtypologie von Tesnie`res Metataxe-Begriff keine Notiz genommen hat, obwohl sie sich zum Teil durchaus mit Problemen konfrontiert sieht, die unter diesen Begriff fallen würden (vgl. etwa 2.2.; 3.3.; 4.3.2.). Ebenso überraschend ist es, dass die sprachdidaktische Relevanz des Konzepts (vgl. Pietri 1995) bisher nicht ausreichend gewürdigt wurde. Relativ nahtlos wird das Metataxe-Konzept hingegen bei Schubert und anderen für Zwecke der maschinellen Übersetzung übernommen (vgl. Schubert 1987; 1989). Im Rahmen einer dependenziellen Syntax (die im Detail freilich nicht mehr mit Tesnie`res Modell identisch ist) werden als ‘Metataxe’ alle Prozesse bezeichnet, die auf der Grundlage dependenzieller Einträge in einem zweisprachigen Wörterbuch und allgemeiner Redundanzregeln Baumstrukturen der Ausgangssprache in Baumstrukturen der Zielsprache transformieren. Nur in lockerer Anlehnung an Tesnie`re und mit Bezug auf verschiedene Ebenen der Sprache bis hinunter zur Morphologie verwendet Bossong (1979, 52 f.) den Terminus ‘Metataxe’ als Maßstab für Übersetzungsentsprechungen im Rahmen eines Akkulturationsprozesses.
2.
Grammatische Kategorien
2.1. Grundlagen bei Tesnie`re und seinen Zeitgenossen Die grammatischen Kategorien, um die sich alle Beziehungen in Tesnie`res Stemmata drehen, sind die vier autosemantischen Hauptwortarten (‘espe`ces de mots pleins’) Substantiv, Verb, Adjektiv und Adverb (Tesnie`re 1959, Kap. 32⫺37). Schon bei der Wortartverteilung zeigen sich im Sprachvergleich interessante Unterschiede: „Toute langue e´tablit entre les cate´gories de la pense´e et les cate´gories grammaticales qui les expriment, certaines correspondances qui lui sont propres.
(cum) fecisset
multa
Abb. 16.2
crudeliter
[…] Mais, toutes les langues ne faisant pas force´ment appel a` la meˆme cate´gorie grammaticale pour exprimer la meˆme cate´gorie de la pense´e, il en re´sulte que la traduction d’une langue dans une autre ne´cessite quelquefois l’appel a` une cate´gorie grammaticale diffe´rente“ (op. cit., Kap. 121, §§ 1, 2). Tesnie`re sieht hierin die einfachste Form der Metataxe (‘me´tataxe simple’). Im Kern geht es dabei um das, was in der Tradition der stylistique compare´e als ‘Transposition’ bezeichnet wurde: „Proce´de´ par lequel un signifie´ change de cate´gorie grammaticale“ (Malblanc 1968, 13, und gleichlautend Vinay/Darbelnet 1958, 16). Wie Tesnie`res Beispiele zeigen, ist diese Art von Kategorienwechsel allerdings in der Regel mit anderen metataktischen Aspekten verquickt. So impliziert die Äquivalenz von dt. Fort! und fr. Va-t-en! natürlich auch eine Veränderung bezüglich des Knotens und seiner Konnexionen (3.). Die Übersetzung von dt. jemandem das Versprechen abnehmen durch fr. faire promettre a` quelqu’un involviert auch Probleme der Valenz und der Aktantenverteilung (4.). In dem stemmatisch wie in Abb. 16.2 dargestellten Beispiel (2) findet vordergründig eine parallele Verschiebung der Verb-Adverb-Relation zu einer Substantiv-Adjektiv-Relation statt (ein Punkt, auf dem Tesnie`re 1959, Kap. 121, §§ 8, 9, ausdrücklich insistiert), aber bei dem Verb lat. fecisset ist natürlich auch die Translation zweiten Grades, bei fr. de cruaute´ die Translation ersten Grades tangiert (5.): (2)
a. lat. cum multa crudeliter fecisset b. fr. apre`s de nombreux actes de cruaute´
Wie übrigens Tesnie`res Beispiel dt. Gehen Sie um das Haus!/fr. Faites le tour de la maison! implizit zeigt (und wie Malblanc 1968, 27 prinzipiell annimmt), beschränkt sich die Möglichkeit des Wortartwechsels keineswegs auf die vier Hauptwortarten, sondern schließt Präpositionen und Konjunktionen mit ein. Hier noch ein Beispiel für eine Meta-
(après) de(s) actes
nombreux
de cruauté
147
16. Metataxe bei Lucien Tesnie`re
taxe Konjunktion J Substantiv, Hand in Hand mit einer Metataxe Verb J Substantiv (bei Vinay/Darbelnet 1958, 113, als Beispiel einer ‘Transposition’ zitiert): (3)
a. engl. It depends on when you have to go. b. fr. Cela de´pend de la date de votre de´part.
2.2. Typologischer Ausblick Metataxe-Probleme, wie sie in 2.1. angesprochen wurden, spielen mittlerweile eine interessante Rolle in der Sprachtypologie. Nach Lehmann (1990, 165⫺171) unterscheiden sich Sprachen unter anderem in typischer Weise dadurch, in welcher Wortart sie Eigenschaftskonzepte versprachlichen. In Sprachen wie dem Deutschen dienen hierzu Adjektive, wobei (4a) der prädikativen und (4b) der attributiven Verwendung entspricht: (4)
a. dt. Der Mann ist niederträchtig. (vgl. Abb. 16.3). b. dt. der niederträchtige Mann.
In einer Sprache wie dem Turkana (nilotisch, Kenia) enthält demgegenüber (5a1) als Entsprechung von (4a) eine Verbform, wie aus der perfekten Parallelität zu (5a2) hervorgeht: (5) a1. Turkana i`-mc` n e-kı`le (Abb. 16.3) 3 sg-niederträchtig m sg-Mann (nom) ‘Der Mann ist niederträchtig.’ a2. Turkana i`-bu`n-ı` e-kı`le 3 sg-kommen-imperf m sg-Mann ‘Der Mann kommt.’ (nom) In Tesnie`res Stemmadarstellung (auf die Lehmann jedoch nicht zurückgreift), ließe sich dies folgendermaßen als Metataxe erfassen
(wobei dt. ist niederträchtig einen zweigeteilten Nukleus darstellt; vgl. zu dieser Darstellungsform Tesnie`re 1959, Kap. 67 und 74, § 3; kritisch dazu: Weber 1992, 30⫺32) (s. Abb. 16.3). Um in einer Sprache wie dem Turkana ein Eigenschaftskonzept attributiv zu versprachlichen, bedarf es dann – wiederum ganz parallel zu (5b2) – eines Relativsatzes wie in (5b1): (5) b1. Turkana e-kı`le m sg-Mann (nom) lc-a-mcn-a-n rel m sg-3 sg-niederträchtig-stat-sg ‘niederträchtiger Mann’ b2. Turkana e-kı`le m sg-Mann (nom) lc-i`-bun-ı` rel m sg-3 sg-kommen-imperf-sg ‘Mann, der kommt’ In Tesnie`res Dependenzsystem müsste man zur Beschreibung dieser Zusammenhänge auf den Mechanismus der Translation zurückgreifen (vgl. 5.). Auch wenn bei Beispielen wie in (4), (5) und Abb. 16.3 die kritische Diskussion über Tesnie`res Beschreibungsoptionen natürlich nicht mehr ausgeblendet werden kann, so ist doch unbestrittenen, dass sein Metataxe-Konzept geradewegs in die Sprachtypologie hineinführt.
3.
3.1. Grundlagen bei Tesnie`re Ein markanter Typ von Metataxe besteht darin, dass die Konnexionsrelation zwischen zwei Knoten beim Übergang von einer Spra-
ist
der Mann
der
Abb. 16.3
Knoten und Konnexionen
-m n
niederträchtig
e-kìle
148
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit ne décourageait pas
entmutigte nicht
ihn
die Gefahr
große
la grandeur
le
du danger
Abb. 16.4
vient
ist fortgegangen
Anton
eben
Antoine
de partir
Abb. 16.5
che zur anderen umgedreht wird: „[…] de telle sorte que l’ide´e exprime´e dans une langue par le nœud re´gissant le soit par le nœud subordonne´ dans l’autre et inversement“ (1959, Kap. 128, § 1). Um dieses ‘chasse´-croise´’ (‘Überkreuz’) genannte Phänomen zu veranschaulichen, greift Tesnie`re u. a. ein altes, letztlich auf Strohmeyer (1924, 151) zurückgehendes, von Malblanc (1968, 167) präsentiertes Beispiel auf: (6)
a. dt. Die große Gefahr entmutigte ihn nicht. b. fr. La grandeur du danger ne le de´courageait pas.
Getreu seinem verbozentrischen Ansatz hebt Tesnie`re (1959, Kap. 129) als Sonderfall des ‘chasse´-croise´’ den Fall heraus, in dem das Verb als strukturelles Zentrum des Satzes involviert ist wie etwa in: (7)
a. dt. Anton ist eben fortgegangen. b. fr. Antoine vient de partir.
3.2. Das ‘chasse´-croise´’ als gängiges Problem der kontrastiven Linguistik Schon traditionell sind ‘chasse´-croise´’-Phänomene ein Interessenschwerpunkt von Sprachcharakteristik und Sprachvergleich, und sie bleiben es, großenteils auch unabhängig von Tesnie`re, insbesondere dort, wo germanische Sprachen (speziell Deutsch und Englisch) und romanische Sprachen (speziell Französisch) miteinander verglichen werden
(vgl. etwa Strohmeyer 1924, 192; Bally 1965, 349 f.; Malblanc 1968, 66⫺70, 92⫺94, 161⫺ 165; Vinay/Darbelnet 1964, 58, 105⫺107; Wandruszka 1969, 460⫺469; Blumenthal 1997, 11, 70 f.). Als typische semantische Bereiche, in denen sich ‘chasse´-croise´’-Phänomene beobachten lassen, erscheinen in der einschlägigen Literatur und ebenso bei Tesnie`re (1959, Kap. 129⫺131): aspektuelle Präzisierungen eines Verbkonzepts (s. o. (7a/b) mit Abb. 16.5); epistemische oder attitudinale Präzisierungen eines Verbkonzepts (8a/b); Zustandsänderungen mit Präzisierung der Art und Weise (9a/ b); schließlich – als wohl bekanntester Typ – Verbkonzepte der Bewegung ((10a/b/c/d); dazu die Darstellung nach Tesnie`re in Abb. 16.6). (8)
a. dt. Ich lese gern. b. fr. J’aime lire.
(9) .
a. dt. Er schaltete um. b. fr. Il changea de circuit.
(10) a. dt. Anton schwimmt über den Fluss. b. engl. Anthony is swimming across the river. c. fr. Antoine traverse la rivie`re a` la nage. d. sp. Antonio atravesa el rı´o a nado. Tesnie`re gelingt es durch seine Stemma-Darstellung, verschiedenen Problemtypen wie (7)–(10) ein einheitliches Grundprinzip zu
149
16. Metataxe bei Lucien Tesnie`re fr. traverse sp. atravesa
dt. schwimmt engl. is swimming
dt. Anton engl. Anthony
über den Fluss across the river
fr. Antoine sp. Antonio
la rivière el río
à la nage a nado
Abb. 16.6
unterlegen (wobei in allen Fällen natürlich auch Wechsel der grammatischen Kategorien entsprechend 2.1. vorliegen). Die betreffenden Phänomene werden von Tesnie`re also dezidiert als syntaktisches Problem aufbereitet, während einige der oben zitierten Autoren teilweise den lexikalischen Aspekt stärker betonen: angesichts der Tatsache, dass in Fällen wie (10c/d) die knappere Ausdrucksweise fr. Antoine traverse la rivie`re/sp. Antonio atravesa el rı´o durchaus genügen würde, stellt sich hier also das Problem der größeren „Abstraktheit“/des geringeren Informationsgehalts der französischen und spanischen Verblexeme im Vergleich zu den deutschen/ englischen (vgl. auch Hilty 1965; Albrecht 1970, 41⫺43, 180 ff., 282 ff.; Blumenthal 1997, 71). 3.3. Lexikalisch-typologischer Ausblick Die ‘chasse´-croise´’-Problematik ragt also in die lexikalische Semantik hinein, ist dabei aber zugleich typologisch bedeutsam. Insofern leistet das Metataxe-Konzept hier einen genuinen Beitrag zu einer lexikalischen Typologie (vgl. Koch, P., 2001, 1169⫺1171). Talmy (1985) hat im Rahmen der Kognitiven Semantik – allerdings ohne jeden Bezug auf Tesnie`re oder die europäische Tradition des Sprachvergleichs – die Struktur des event frame von Bewegungs-Konzepten mit Hilfe einer bestimmten Anzahl von Komponenten beschrieben, darunter bewegung, pfad und art und weise. Deutsch und Englisch (10a/ b) wären danach „satellite-framed“, da sie die Komponente pfad, vereinfacht gesagt, außerhalb des Verbs ausdrücken, das bewegung und art und weise beinhaltet (so die meisten indoeuropäischen – außer den romanischen – und die finno-ugrischen Sprachen, Chinesisch u. a.). Französisch und Spanisch (10c/d) wären demgegenüber „verb-framed“, da sie die Komponente pfad zusammen mit bewegung im Verb ausdrücken (so allgemein die romanischen und die semitischen Sprachen,
Japanisch u. a.). Vom Prinzip her lässt sich dieser Beschreibungsansatz nach Talmy (1991) auch auf weitere der hier in (7)–(10) exemplifizierten Falltypen anwenden. Anders als bei Tesnie`re wird das einheitliche Grundprinzip nicht auf syntaktischer Ebene, sondern in der Struktur konzeptuell-perzeptueller Frames gesehen.
4.
Valenz, Aktanten und Zirkumstanten
4.1. Grundlagen bei Tesnie`re Eine der häufigsten Formen der Metataxe betrifft nach Tesnie`re das Verb und seine Aktanten: „La me´tataxe intervient chaque fois que la structure actantielle d’un verbe diffe`re d’une langue a` une autre. En pareil cas, a` un actant d’une langue correspond se`mantiquement un autre actant dans une autre langue, et la traduction de l’une a` l’autre n’est possible qu’en changeant la nature de l’actant“ (1959, Kap. 122, § 1; vgl. auch oben in 1.1. das Zitat aus §§ 8 und 9). Tesnie`re bezeichnet diesen Prozess als ‘interversion des actants’. Charakteristische Beispielpaare sind: lat. tela milites2 deficiunt / fr. les traits font de´faut aux soldats3; lat. aegre necem2 effugit / fr. il e´chappa a` grand’peine a` la mort3; dt. sein Knecht half ihm3 / fr. son valet l’2aida.; dt. mir3 ist kalt / fr. j’1ai froid (sich entsprechende Aktanten in einzelsprachlich unterschiedlicher formaler Realisierung sind gemäß Tesnie`res triadischer Aktantensystematik indiziert: 1 = 1. Aktant; 2 = 2. Aktant; 3 = 3. Aktant). Während in den zitierten Beispielen jeweils nur ein Aktant von der Metataxe betroffen ist, kann diese in bestimmten Fällen auch zwei oder mehr Aktanten involvieren, was Tesnie`re als ‘interversion double/multiple des actants’ bezeichnet. Emblematisch sind Beispiele wie (11a/b), stemmatisch dargestellt in Abb. 16.7 (im Blick auf das in 4.3.2. zu Erör-
150
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit manquent
misses 1
he
2
his children
1
ses enfants
3
lui
Abb. 16.7
ternde fülle ich die Sätze gegenüber Tesnie`res Originalbeispiel in 1959, Kap. 123, § 2, mit lexikalischem Material auf): (11) a. engl. He misses his children. b. fr. Ses enfant lui manquent. Ein eindrückliches Beispiel aus dem trilateralen Sprachvergleich stellen die Verben für ‘lehren’ im Lateinischen, Französischen und Russischen dar (hier mit gleichartiger Schriftart der sich entsprechenden Aktanten und mit Indizierung nach Tesnie`res Systematik): (12) a. lat. Doceo pueros 2 grammaticam2. (mit zwei 2. Aktanten!) b. fr. J’enseigne la grammaire2 aux enfants 3. c. russ. Uчu дт 2 гра атик3. Zu erwähnen ist hier noch ein Typ von Metataxe, der – eigentlich unpassend – an einer ganz anderen Stelle (Kap. 133, § 20) aufgeführt wird: dt. jemandem etwas zur Unterschrift vorlegen vs. fr. soumettre quelque chose a` la signature de quelqu’un. Es handelt sich hier um ein „hybrides“ Verfahren, das vom Ausgangspunkt her in diesen Abschnitt 4. gehört (zwei Aktanten in ihrem Verhältnis zueinander), aber vom Zielpunkt her eher zu Abschnitt 3. passt (Herstellung einer direkten Konnexion und damit Dependenz zwischen den beiden Knoten). Dies ist im Übrigen ein durchaus wichtiger MetataxeTyp (vgl. Koch, P., 1996, 219 f.). 4.2.
Traditionalität und Aktualität der Problemstellung 4.2.1. Metataxe zwischen Aktanten als altes sprachdidaktisches Problem Schon in ganz traditionellen fremdsprachlichen Grammatiken wird üblicherweise auf „Unterschiede in der Rektion von Verben“ zwischen der vermittelten Sprache und der Muttersprache des Benutzers hingewiesen (vgl. z. B. Kühner/Stegmann 1976, §§ 70, 1;
76, 2 usw.; Klein/Strohmeyer 1968, §§ 114 ff.). Tesnie`re kann diese traditionellen Probleme mit Hilfe seines dependenziell-valenziellen Instrumentariums expliziter und systematischer auf den Begriff bringen und dabei zusätzlich das Subjekt als Aktanten in die Analyse einbeziehen (was sich in Fällen wie (11a/b) bezahlt macht; vgl. noch unten 4.3.2.). Das Konzept der Metataxe ist somit ein hervorragendes Instrument zur Vermeidung eines weit verbreiteten Typs von syntaktischen Interferenzen wie *Je lui aide bei deutschen Französischlernern oder *Darf ich Ihnen etwas fragen? aus dem Munde romanischer Muttersprachler (vgl. auch Heringer u. a. 1980, 162). 4.2.2. Metataxe und Inventare von Aktantenklassen Bekanntlich hat das Tesnie`resche Valenzmodell seit den 60er Jahren insbesondere in der germanistischen Diskussion erhebliche Modifikationen und Präzisierungen erfahren (vgl. etwa Welke 1988, 21⫺52; Helbig 1992, 72⫺ 85). Für den vorliegenden Zusammenhang entscheidend ist hier, dass Tesnie`res Gleichsetzung von (valenzgebundenen) Aktanten und Subjekten/Objekten einerseits und von Zirkumstanten und Adverbialen Bestimmungen andererseits revidiert wird, wobei Aktanten obligatorisch oder fakultativ sein können. In der Beschreibung der einzelsprachlichen Valenzverhältnisse führt dies zur Aufgabe der einfachen Tesnie`reschen Aktantentrias (1./2./ 3. Aktant) zugunsten umfangreicherer Inventare von Aktantenklassen (vgl. etwa: zum Deutschen Engel 1991, 187⫺198; zum Lateinischen Happ 1976, 224 f., 236⫺238, 461 f.; zum Französischen Kotschi 1981, 94; zum Englischen Emons 1978, 26⫺33; zum Italienischen einerseits Schwarze 1995, 117 f., andererseits Bianco 1996, 22⫺69, 110⫺159; zum Portugiesischen Busse/Vilela 1986, 35⫺ 41). Das Problem der Metataxe stellt sich aber auf dem neuen Forschungsstand mit un-
151
16. Metataxe bei Lucien Tesnie`re
verminderter Dringlichkeit und kann anhand der jetzt feinkörnigeren Systematiken sogar noch genauer beschrieben werden (vgl. etwa verschiedene kontrastive Beobachtungen zum Italienischen gegenüber dem Deutschen und anderen Sprachen in Schwarze 1995, 120⫺170, wo der Metataxe-Begriff allerdings nicht explizit auftaucht). Hier ein markantes kontrastives Beispiel zum Französischen und Deutschen: (13) a. fr. Les crapaudsS la DO de´gouˆtent. b. dt. Vor KrötenPOvor ekelt sie S sich. Durch die veränderte Grenzziehung zwischen Aktanten und Zirkumstanten erweist sich übrigens ein Fall wie (13a/b), bei dem Tesnie`re noch Metataxe zwischen einem Aktanten (fr. les crapauds) und einem Zirkumstanten (dt. vor Kröten) diagnostizieren müsste (vgl. 1959, Kap. 124, §§ 4⫺5) in Wahrheit als Metataxe zwischen Aktanten (vgl. jedoch 4.3.1., (24)). Zum Zwecke der besseren interlingualen Vergleichbarkeit wurden in (13) die betreffenden Aktantenklassen als S (= Subjekt), DO (= Direktes Objekt) und PO (= Präpositionalobjekt, mit nicht kommutierender Präposition) indiziert. An dieser Vorgehensweise wird jedoch zugleich ein Problem deutlich: mit welcher Berechtigung kann man überhaupt bestimmte – je einzelsprachlich zu definierende – Aktantenklassen gleichsetzen – und somit ein Nichtvorliegen von Metataxe unterstellen (vgl. Koch, P., 1994, 42 f.; 1995b, 117⫺119)? Nach Bianco (1996, 28⫺30/117⫺ 119) wird beispielsweise ein deutscher Genitiv-Aktant als normales Äquivalent eines italienischen di-Aktanten angesehen. Sicherlich entsprechen sich diese beiden Aktantentypen in bestimmten Fällen: (14) a. dt. Wir haben uns eines KassettenrecordersGEN bedient. b. it. Ci siamo serviti di un registratore a cassettaPOdi. Mit der gleichen Berechtigung könnte man aber als Äquivalent eines deutschen GenitivAktanten auch einen italienischen da-Aktanten ansehen (vgl. dt. sich einer Sache enthalten – it. astenersi da q. c.). Vor allem aber ist der deutsche Genitiv-Aktant äußerst selten, während die italienischen di-Aktanten im Deutschen eine Vielzahl von anderen möglichen Entsprechungen haben: it. trattarsi di q. c. – dt. sich um etw. handeln; it. accontentarsi di q. c. – dt. sich mit etw. begnügen; it. aver paura di q. c. – dt. Angst vor etw. haben
u. a. m. (vgl. auch Schwarze 1995, 125 f.). Gelöst werden müsste das Problem der Kommensurabilität von Aktantenklassen in verschiedenen Sprachen zweifellos in einem übergreifenden typologischen Rahmen, etwa auf der Basis eines abstrakteren – aber durchaus noch oberflächenbezogenen – ‘Kasus’Begriffs (vgl. Blake 1994). Die Probleme verschärfen sich, wenn man Sprachen vergleicht, die typologisch völlig verschiedene Aktantensystematiken aufweisen (z. B. Akkusativ- vs. Ergativsprachen). In diesem Zusammenhang ist es etwas überraschend, mit welcher Selbstverständlichkeit der an sich sehr typologiebewusste Tesnie`re im Falle der Ergativsprache Baskisch sowohl den Absolutiv-Aktanten in (15a) als auch den Ergativ-Aktanten in (15b) als 1. Aktanten, also als Subjekt, beschreibt (1959, Kap. 52, § 7): (15) a. bask. gizona ona da. ‘Der Mann ist gut.’ b. bask. gizonak erraiten du. ‘Der Mann spricht.’ Um hier auch nur annähernde Kommensurabilität zu garantieren, bedürfte es typologisch abgesicherter Tertia (etwa im Sinne von Croft 1990, 101⫺105). 4.2.3. Zweisprachige Valenzlexika Das didaktische Interesse an Valenzproblemen (4.2.1.) und die Verfeinerung der Inventare von Aktantenklassen (4.2.2.) bilden entscheidende Grundlagen für die modernen Verbvalenzwörterbücher, die inzwischen für eine Reihe von Sprachen erstellt worden sind. Sofern diese Wörterbücher von der Anlage her zweisprachig sind, ergibt sich unter Umständen auch die Notwendigkeit, Metataxen zu vermerken. Erstaunlicherweise greift kaum einer der Wörterbuchautoren den Tesnie`reschen Metataxe-Begriff explizit auf. Implizit werden nichtsdestoweniger in den zweisprachigen Wörterbuchartikeln auf Schritt und Tritt Metataxen sichtbar, so etwa für das Sprachenpaar Deutsch-Spanisch in (16) oder für das Sprachenpaar Italienisch-Deutsch in (17): (16)
BITTEN
um-Akk pedir […]
0(14 Er bittet Le pide (seinen Vater) ayuda a um Hilfe. su padre.
(Rall u. a. 1980, s. v. bitten) (Zur Erläuterung der Symbole für Aktantenklassen s. u. (18) und (19))
152
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
(17) ricordare […] 2. N–V–N1–(N2) erinnern an 쏻 bsp. […] 5. […] quei Paralipomeni alla Batracomiomachia che ci ricordano il liceo … die uns an die Zeit im Gymnasium erinnern […] (Blumenthal/Rovere 1998, s. v. ricordare) (vgl. (19)!) (Aktantenklassen: N = Subjekt; N1 = direktes Objekt; N2 = indirektes Objekt (Dativ); vgl. op. cit., V, IX f./XII, XVI f.) Einige Wörterbuchautoren entwickeln sogar Notationskonventionen, die den Benutzer de facto auf Metataxen hinweisen. So werden in den von Ulrich Engel mitverfassten oder inspirierten deutsch-fremdsprachlichen kontrastiven Verbwörterbüchern Metataxen durch ein „!“ vor dem fremdsprachlichen Satzbauplan und durch „J“ bzw. „»“ für die Entsprechungen zwischen den unterschiedlichen Aktantenklassen signalisiert; so beispielsweise für die Sprachenpaare Deutsch-Rumänisch (18) und Deutsch-Italienisch (19):
(20) Mentir (1/2) […] […] N – V – a` Nqn jn belügen, jn anlügen Il a menti a` ses parents. (op. cit., s. v. mentir) (21) venger (2/3) […] N – se V – sur Nqn – de N
rächen […] s. für etw an jm rächen, etw an jm auslassen Il se venge sur ses e´le`ves de son insatisfaction. (op. cit., s. v. venger)
Für das Sprachenpaar Portugiesisch-Deutsch nimmt Busse inzwischen ausdrücklich Bezug auf den Metataxe-Begriff: „O sı´mbolo 쏻 […] indica que ha´ inversa˜o dos actantes (a metataxe de Tesnie`re)“ (1994, III). Ein Beispiel für solche – allerdings nicht systematisch erfassten – Metataxen: (22) escorrer […] 2. […] […] 2N – V – (N)
triefen; 쏻 fließen aus. […] […] A ferida escorria sangue. (op. cit., s. v. escorrer)
(18) liegen 04 Seine schlechte Proasta lui ! 03 a se 2an⫹D Laune liegt am dispozit¸ie se 4 J 3 datora Wetter. datoreaza˘ vremii. (Engel/Savin u. a. 1983, 16 und s. v. liegen) (19) erinnern/1 […] 0(1)4 C
ricordare/1 […] ! 01(3) C (1) » (3) 4»1 […] […] Diese Mode erin- Questa moda rinert (die Mutter) corda (alla mamma) an frühere Zeiten. i tempi andati. (Bianco 1996, 98, 187 f. und s. v. erinnern) (vgl. (17)!) (Aktantenklassen: 0 = Subjekt; 1 = Direktes Objekt; 3 = Indirektes Objekt; 4 = Präpositionalobjekt, mit nichtkommutierender Präposition; vgl. Engel/Savin u. a. 1983, 25⫺40; Bianco 1996, 68 f., 158 f.)
Busse/Dubost markieren für das Sprachenpaar Französisch-Deutsch einfache Metataxen typographisch (z. B. a` in (20)), komplexere Metataxen durch ein „Umkehrungszeichen“ wie in (21) (1983, IX):
4.3. Explizite Rezeption/Weiterentwicklung des aktantenbezogenen MetataxeKonzepts Nachdem von Tesnie`res Beschreibungsinstrumenten wirklich intensiv nur das ValenzKonzept rezipiert wurde, ist es nicht verwunderlich, dass auch im Bereich der Metataxe – soweit überhaupt – am ehesten noch der mit der Valenz eng verbundene Typ der ‘interversion des actants’ aufgegriffen wurde (vgl. auch 1.3.): so in Franc¸ois 1973 mit Querverbindung zur Generativen Semantik, deren prädikatenlogische Grundlage in der Tat Affinitäten zum Valenzmodell aufweist; kurz, aber dezidiert dann in Engel (1980, 11) und in Blumenthal (1982, 147) (dazu ausführlicher 4.3.1.). Stati (1992) spricht verschiedene Typen von Metataxen an, konzentriert sich letztlich aber auf die ‘interversion des actants’. Ausschließlich auf diesen Typ ausgerichtet sind neuere Arbeiten zu einem stratifizierten (4.3.2.) und zu einem diachronischen Metataxe-Konzept (4.3.4.).
16. Metataxe bei Lucien Tesnie`re
4.3.1. Metataxe und Formulierungstendenzen Blumenthal verdeutlicht mit seinem, wenn auch knappen, Hinweis auf die Metataxe (1982, 147), dass er in seinen sprachvergleichenden Untersuchungen zum Deutschen und Italienischen bzw. vor allem Französischen Themen des traditionellen Sprachvergleichs mit einem Bekenntnis zur dependenziellen Syntax verbindet und dass bei der Eruierung von „Formulierungstendenzen“ (148) auch die ‘interversion des actants’ zumindest als Denkmodell im Hintergrund steht. Hier geht es um Tendenzen wie die seinerzeit von Malblanc (1968, 234⫺236) psychologistisch unter dem Schlagwort ‘animisme’ verbuchte Bereitschaft des Französischen, die Subjektstelle für semantisch beliebige Elemente offenzuhalten, die im Deutschen eher in obliquer Position erscheinen (vgl. Blumenthal 1997, 11⫺13; Beispiel (23) von Malblanc): (23) a. fr. Cette souche permet de s’asseoir. b. dt. Auf den Klotz kann man sich setzen. (24) a. dt. Bei allen Beteiligten ist die ständige Bereitschaft zum Dialog erforderlich. b. fr. Toutes les parties concerne´es doivent faire preuve d’une disposition constante au dialogue. In (24) weicht das Französische sogar metataktisch von einem Zirkumstanten auf einen (Subjekt-)Aktanten aus (eine radikale Form der ‘interversion des actants et des circonstants’ nach Tesnie`re 1959, Kap. 124; vgl. demgegenüber 4.2.2., zu (13)). Es ist offensichtlich, dass hier auch Probleme der Informationsstruktur essentiell berührt sind (vgl. 4.3.2.). Dabei stellt sich natürlich zugleich die Frage nach der Unvermeidbarkeit dieser Metataxen (vgl. 6.). 4.3.2. Ein stratifiziertes Metataxe-Konzept Nachdem Tesnie`re mit einem „einstufigen“ Valenzmodell arbeitet, zielt auch das Konzept der ‘interversion des actants’ auf eine einzige (syntaktische) Ebene der Valenz. Nun hat es sich in den Jahrzehnten seit dem Erscheinen der Ele´ments als fruchtbar erwiesen, die Satzstruktur auf mindestens drei – nicht kongruenten, allenfalls in prototypischer Form aufeinander bezogenen – Ebenen zu beschreiben (vgl. etwa Danesˇ 1964; Halliday
153 1970; Koch, P., 1981, 36⫺52; Lazard 1981; Hage`ge 1982, 27⫺31): A: syntaktische Ebene (Aktantenklassen usw.) B: propositionale Ebene (Aktantenrollen usw.) C: Informationsstruktur (Thema/Rhema usw.) Es drängt sich dann geradezu auf, ein umfassenderes, stratifiziertes Konzept von ‘aktantieller Metataxe’ ins Auge zu fassen, das alle drei Ebenen berücksichtigt (vgl. Koch, P., 1994; 1995a; 1995b; 1996; Koch, I., 2000; von Tesnie`res Terminus ‘interversion des actants’ ist ohnehin besser abzurücken, da er auf den Ebenen B und C keinen rechten Sinn ergibt und im Übrigen leicht mit ‘Konversion’ verwechselt werden kann: vgl. 4.3.3.). Schon das Standardbeispiel (11) zeigt, dass bei Metataxen keineswegs nur die Ebene A betroffen sein muss (wie z. B. in (20)): offensichtlich besteht der Unterschied zwischen (11a) und (11b) nicht nur auf der Ebene A (engl. his children = DO vs. fr. ses enfants = S), sondern auch auf der informationsstrukturellen Ebene C (his children = Rhema vs. ses enfants = Thema). Derartige Unterschiede beruhen auf der Tatsache, dass jedes einzelsprachliche Verb in unmarkierter Verwendung seinen Aktantenrollen (B) nicht nur bestimmte syntaktische Realisierungen (A), sondern auch eine bestimmte informationsstrukturelle Hierarchie (C) vorgibt (vgl. Oesterreicher 1991, 353⫺357), wobei wiederum die Zuordnung zwischen den Ebenen A und C z. B. im Englischen und Französischen unmarkiert nach der Thematizitätshierarchie S > V > O erfolgt. Es gibt andererseits auch Metataxen, die neben der Ebene A auch die Ebene B betreffen: (25) a. fr. L’autre soufflait dans un petit roseau. b. sp. El otro soplaba una can˜ita. Hinter der unterschiedlichen syntaktischen Realisierung des zweiten Aktanten verbirgt sich der Unterschied zwischen einer lokalen Aktantenrolle im Französischen und einer Rolle vorgangstr‰ger im Spanischen. Hier kommt beispielsweise der Grad der ‘Transitivität’ (im Sinne von Hopper/Thompson 1980) ins Spiel. Nach derartigen Beobachtungen ergibt sich also insgesamt ein heuristisches Raster für aktantielle Metataxen, das die (Kombinationen von) potentiell betroffenen Ebenen der Satzstruktur umfasst: A, B, C, AB, BC, AC und ABC (vgl. auch Schweitzer 1995, 29;
154 Koch, I., 2000, 80 f.; ferner – ohne Rückgriff auf den Terminus ‘Metataxe’ – FabriciusHansen 1988). Ein solchermaßen stratifiziertes Konzept lässt Metataxe nicht mehr als rein idiosynkratisches Problem einzelner Verben erscheinen, sondern – zumindest teilweise – als Ausfluss typologischer Vorgaben. Als fundamental erweist sich für Akkusativsprachen der Unterschied zwischen ‘totaler Metataxe’ (die den S-Aktanten mit betrifft: z. B. (11), (13), (22)–(24)) und ‘partieller Metataxe’ (wo dies nicht der Fall ist: z. B. (12), (16)–(21), (25)). Unter anderem kann gezeigt werden, dass das Französische mit seiner ausgeprägten ‘Subjektprominenz’ (vgl. Sasse 1982) im Verhältnis zu weniger subjektprominenten Sprachen u. U. nach metataktischen Lösungen verlangt (vgl. Koch, P., 1995b, 121⫺125; 1996, 220 f.; hier besteht eine Querverbindung zu den in 4.3.1. diskutierten Fakten). Metataxen ergeben sich also nicht in erster Linie aus aleatorischen Möglichkeiten der Aktantenverteilung in jeder Sprache, sondern gerade auch aus typologischen Vorgaben, deren Nichtdeckungsgleichheit Äquivalenzprobleme erzeugt. Das stratifizierte (und damit teilweise semantische) Metataxe-Konzept ist ein Beitrag zu einer lexikalischen Typologie (vgl. Koch, P., 2001, 1171 f.). Es bietet z. B. die Möglichkeit, in einem corpusbasierten Übersetzungsvergleich „metataktische Schwerpunkte“ im Verbwortschatz der untersuchten Sprachen aufzuspüren (vgl. für Deutsch/Italienisch: Koch, I., 2000). Ein solcher Vergleich vermittelt zugleich einen Einblick in Übersetzerstrategien: die Äquivalenz auf den Ebenen B und/ oder C rangiert ganz offensichtlich vor der Äquivalenz auf Ebene A der Satzstruktur. 4.3.3. Metataxe, Diathesen und Konversen Nachdem das System der Diathesen integraler Bestandteil seines Valenz-Konzepts ist, berücksichtigt Tesnie`re selbstverständlich auch den Zusammenhang zwischen der Metataxe und den Diathesen (1959, Kap. 125⫺127). Dass hier ein Problemfeld liegt, ist – auch unabhängig vom Metataxe-Konzept – der traditionellen kontrastiven Linguistik vor und nach Tesnie`re bewusst (vgl. etwa Malblanc 1968, 230⫺234; Vinay/Darbelnet 1964, 133⫺ 137; Wandruszka 1969, 431⫺441). Aus der Sicht der Prädikatenlogik, die mit der Valenztheorie in manchen Punkten konvergiert, sind Aktivform und Passivform eines Verbs ‘Konversen’ (vgl. Reichenbach 1966, 118; Lyons 1977, I, 153 f., 280; zum Folgenden: Isaak 1984; Stati 1992, 11; Koch,
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
P., 1981, 317⫺323, 352⫺356; 1994, 49 f.; 1995b, 110⫺126; Koch, I., 2000). Eine Aktiv-/Passiv-Metataxe erscheint damit als eine interlinguale Konversion: (26) a. fr. Mais j’ai e´te´ distrait par u ne cloche. b. sp. Pero me distrajo u na campana. Aus sprachlicher Sicht bedeutet ‘Konversion’ jedoch nicht völlige semantische Identität. Dies kann freilich nur ein stratifiziertes Metataxe-Konzept sichtbar machen: die beiden Diathesen bieten – und das ist gerade ihre Funktion – auf der Ebene C eine unterschiedliche Informationsverteilung. Eine Metataxe wie in (26) garantiert informationsstrukturelle Äquivalenz nur dadurch, dass im Spanischen das Subjekt una campana postverbal rhematisiert und damit die Konversion letztlich neutralisiert wird; es bleibt lediglich die syntaktische Metataxe auf Ebene A. Ähnliche Beobachtungen kann man bei interlingualen lexikalischen Konversionen machen: (27) a. engl. I like cats. b. it. Mi piacciono i gatti. Zu den Diathesen zählt nach Tesnie`re auch das Kausativum. Er selbst zitiert im Zusammenhang mit der Metataxe Beispiele von Malblanc (vgl. 1968, 243) wie etwa das folgende (vgl. auch Franc¸ois 1973, 14⫺19): (28) a. dt. Bei diesen Worten erbleichte Hans. b. fr. Ces paroles firent paˆlir Jean. Der Einsatz des französischen Kausativums garantiert die informationsstrukturelle Äquivalenz beider Sätze, indem er den deutschen Zirkumstanten zum Subjekt werden lässt, was wiederum der in 4.3.1. angedeuteten Tendenz entspricht. 4.3.4. Metataxe und Diachronie ‘Metataxe’ ist bei Tesnie`re ein strikt synchronisches und onomasiologisches Konzept, da es um Übersetzungsvergleich zwischen Sprachen geht, die synchronisch koexistieren oder die, in Fällen wie (2), (12a/b) usw., aus ihrem diachronischen Zusammenhang herausgelöst betrachtet werden. Wenn allerdings der diachronische Zusammenhang auch lexikalischetymologisch greifbar ist, wie z. B. in (29), so kann die Betrachtung der aktantiellen Metataxe ins Diachronische gewendet werden: (29) a. lat. Praefectus civesDO coetu ABL prohibebit. ‘Der Statthalter wird den Bürgern die Zusammenkunft verbieten.’
155
16. Metataxe bei Lucien Tesnie`re
b. it. Il governatore proibira` la riu nione DO ai cittadiniIO. Das Verb lat. prohibere > it. proibire hat seine syntaktische Valenz bei den Nicht-Subjektaktanten völlig verändert und außerdem ihren informationsstrukturellen Status umgewichtet: eine partielle diachronische Metataxe auf den Ebenen A und C (vgl. 4.3.2.), die allerdings semasiologisch eine lexikalische Kontinuität voraussetzt. Diachronische aktantielle Metataxen sind in der Geschichte aller Sprachen laufend zu beobachten (vgl. Koch, P., 1995a, 119 f.; 1995b, 126⫺133). Einen besonders spektakulären Wandel bieten diejenigen Verben, die in der Diachronie zu ihren eigenen Konversen (im Sinne von 4.3.3.) werden, wie z. B. vlat. inodiare > fr. ennuyer (der Asterisk steht hier für rekonstruierte Sätze): (30) a. vlat. *OmnesS inodiant strepitum DO. ‘Alle hassen den Lärm.’ b. > vlat. *Strepitus S inodiat omnesDO. ‘Der Lärm ist hassenswert für alle.’ > (abgeschwächt) fr. Le bruit S ennuie tout le mondeDO. ‘Der Lärm geht allen auf die Nerven.’ Diese Art des metataktischen Wandels, die auch die Verbsemantik tangiert, kann man als ‘Auto-Konversion’ bezeichnen (vgl. Koch, P., 1991, 296⫺299; 1995b, 130 f.; Blank 1997, 272⫺278; Waltereit 1998, 75⫺83; Fritz 1998, 124 f.). Das Geflecht von synchronischen und diachronischen Metataxen, Konversionen und diathetischen Verfahren in den Domänen leihen und (ver)mieten veranschaulicht I. Koch 1997 kontrastiv am Deutschen, Italienischen und Französischen.
5.
Junktion und Translation
Die letzten Kapitel (132⫺133) des MetataxeAbschnitts in Tesnie`res Ele´ments muss man im Lichte der Theorien der ‘Junktion’ bzw. der ‘Translation’ lesen, die eigentlich erst anschließend, im zweiten bzw. dritten Teil des Werkes eingeführt werden. Es zeichnet sich dann implizit folgende Systematik der verbleibenden Metataxen ab: 5.1. Metataxe und Junktion/Dependenz (Kap. 133, §§ 11⫺14) Zwei in der einen Sprache jungierte Knoten sind in der anderen Sprache durch eine Konnexion, also in Form einer Dependenzrela-
tion miteinander verbunden: lat. orare atque obsecrare vs. fr. prier instamment. orare
atque
obsecrare
prier
instamment
Abb. 16.8
Selbstverständlich erfolgt bei dem dependenziell heruntergestuften Knoten instamment ein Wechsel der grammatischen Kategorie gemäß 2. 5.2. Metataxe und Dependenz/Translation (Kap. 132) Es handelt sich hier um den in (1) und Abb. 16.1 exemplifizierten Typ, der einerseits in den Bereich ‘Knoten und Konnexionen’ (3.) gehört und ein ‘chasse´-croise´’ im Umkreis des strukturellen Zentrums des Satzes beinhaltet, andererseits aber für den dependenziell heruntergestuften Knoten (a` e´chapper) eine Translation ersten Grades mit sich bringt (die in Tesnie`res Stemma wohl deshalb nicht notiert wurde, weil sie an der betreffenden Stelle des Buches noch nicht eingeführt ist). 5.3. Metataxe und Junktion/Translation (Kap. 133, §§ 15⫺19) Den interlingualen Wechsel zwischen Parataxe und Hypotaxe erläutert Tesnie`re unter anderem an folgendem Beispiel: (31) a. dt. Vercingetorix hoffte seinen Sieger zu besänftigen und lieferte sich selbst aus. b. fr. Vercinge´torix, espe´rant adoucir le vainqueur, vint se livrer lui-meˆme. Tesnie`res Beschreibung (es gibt kein Stemma) geht in diesem Fall nicht wesentlich über Malblanc hinaus, auf den er sich auch an dieser Stelle beruft (vgl. Malblanc 1968, 190⫺ 193). Die weiterführenden Beschreibungsinstrumente der Junktion (dt. und) und der Translation (fr. -ant) bleiben hier noch ungenutzt (zur Vertiefung vgl. Franc¸ois 2000). Mit Lehmanns (1988) Typologie des ‘clause linkage’ und Raibles (1992) umfassendem Junktions-Konzept (das Tesnie`res ‘Junktion’ und weite Teile seiner ‘Translation’ abdeckt) verfügen wir mittlerweile über differenzierte Parameter zur Beschreibung intralingualer wie auch interlingualer Übergänge zwischen Parataxe und Hypotaxe.
156
6.
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Probleme
Drei Fragen seien hier abschließend angesprochen, die sich im Blick auf die MetataxeDiskussion aufdrängen und auf die wohl jeder stoßen wird, der sich genauer mit Metataxe beschäftigt. Ist Metataxe eine wechselnde formal-syntaktische „Verpackung“ ein und desselben semantischen Inhalts? Unterstützt wird dieser Eindruck durch Tesnie`res Betonung der „inde´pendance du structural et du se´mantique“ und durch seine Charakterisierung der Metataxe im Sinne von „exprimer une ide´e se´mantiquement identique par une phrase structuralement diffe´rente“ (1959, Kap. 120, § 8; vgl. auch § 1). Andererseits rückt Tesnie`re seine Konnexionen in die Nähe von Humboldts ‘innerer Sprachform’ (Kap. 1, § 12), die ja durchaus nicht unsemantisch zu denken ist. Wie wir aus 4.3.2. wissen, ist das Phänomen der Metataxe mit Sicherheit komplexer, als Tesnie`re vermutet, denn eine oder mehrere der drei Ebenen A, B und C können betroffen sein, wobei B und C rein semantische Ebenen darstellen. Sind Metataxen nur interlinguale oder auch intralinguale Phänomene? Bei Tesnie`re selbst stößt man auf einzelne Beispiele von „Metataxen“, die Umformulierungen innerhalb ein und derselben Sprache darstellen (vgl. 1959, Kap. 121, § 8; Kap. 129, § 17 mit Stemmata 228 und 229; Kap. 133, §§ 5, 7, 16). Stati (1992, 4 f.) erhebt dies explizit zum Programm, indem er intralinguale und interlinguale Metataxen terminologisch unterscheidet und Beispiele für beide Arten anführt. Die Möglichkeit intralingualer „Metataxen“ hat offensichtlich Konsequenzen für das im Folgenden angesprochene Problem der Obligatorik der interlingualen Metataxen (vgl. auch Franc¸ois 1973, 2 f.). Eindeutig intralingual sind natürlich die in 4.3.4. behandelten diachronen Metataxen; allerdings verhalten sich aus sprachvergleichender Sicht unterschiedliche Stadien einer Sprache im Prinzip nicht anders zueinander als verschiedene Sprachen. Sind Metataxen obligatorisch oder fakultativ? Wie der vorhergehende Punkt gezeigt hat, gibt es innerhalb einer Sprache oft Formulie-
rungsalternativen (ob man sie nun als ‘intralinguale Metataxen’ bezeichnen will oder nicht). Die Existenz solcher Alternativen könnte ein Hinweis darauf sein, dass die entsprechenden interlingualen Metataxen nur fakultativ, also nicht unausweichlich sind. Schon bei Tesnie`re selbst ist dies nicht unbedingt eindeutig (vgl. Franc¸ois 1973, 2; zur diesbezüglichen Methodik im Übersetzungsvergleich: Franc¸ois 2000). Blumenthal bekennt sich sogar in einer seiner Publikationen dazu, „die banalen, in jedem Wörterbuch vermerkten Valenzunterschiede“ (1982, 148) aus der Untersuchung auszuklammern, also zumindest einen Großteil dessen, was Tesnie`re gerade interessiert hat. Müssen aber deshalb die in 4.3.1. angesprochenen „Formulierungstendenzen“ allesamt als rein „stilistisch“ und damit fakultativ angesehen werden? Metataxen sind zweifellos um so „härter“, je unabweisbarer sie sich aus einzelsprachlichen oder gar typologischen Zwängen ergeben. (Eine Abstufung unterschiedlicher Grade der Obligatorik von Metataxen findet sich in Koch, I., 2000, 81⫺84).
7.
Konklusion
Wie auch bei anderen seiner Beschreibungskategorien hat Tesnie`re mit dem Entwurf des – leider viel zu wenig beachteten – Metataxe-Konzepts eine neue Perspektive eröffnet, sei es über die Potentialitäten, die in diesem Konzept liegen, oder sei es durch die Probleme, die es aufwirft und die nach neuen Lösungen verlangen. Es handelt sich um ein Konzept, das, durch alle Metamorphosen hindurch, in die Sprachdidaktik, in die kontrastive Lexikographie, in die Übersetzungswissenschaft, in den wissenschaftlichen Sprachvergleich, in die Stilforschung, in die Kognitive Semantik und in die Sprachtypologie hineingewirkt hat, vor allem aber noch hineinwirken könnte.
8.
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17. Die Wegbereiter einer deutschen Valenzgrammatik 1. 2. 3. 4. 6. 7. 8.
1.
Ansätze für die Entwicklung des Valenzbegriffs Der Begriff der Wertigkeit bei Johannes Erben Inhaltbezogene grammatische Konzeptionen, in denen der Wertigkeitsgedanke implizit eine Rolle spielt Der Valenzbegriff bei Gerhard Helbig Weitere Schärfungen des Valenzbegriffs Zusammenfassung Literatur in Auswahl
Ansätze für die Entwicklung des Valenzbegriffs
1.1. Verkappte strukturalistische Traditionsstränge Die Lehre von den Valenzen des Verbs hat sich bekanntermaßen besonders im deutschsprachigen Raum durchsetzen können. Dafür lassen sich zwei Gründe anführen: Einmal gab es hier seit längerem einen Traditionsstrang in der Grammatikforschung, der sich bemühte, die syntaktischen Kategorien neu und vor allem aus den Eigenschaften der deutschen Sprache heraus aufzubauen. Der Blick ging dabei von der Ausdrucksgestalt der Sätze auf angenommene tiefer liegende Wirkkräfte. Titel wie ‘Die Erforschung der Sprach-„Zugriffe“’ (Weisgerber 1956/57) sind dafür bezeichnend. In dieser Traditionslinie sind u. a. die Satzbaupläne entdeckt und entwickelt worden (Weisgerber 1962; Glinz 1952; Grebe 1959; Brinkmann 1962). Kerne der Satzbaupläne sind die Verben, und so bereitete sich die Sicht auf die zentrale Stellung des Verbs organisch vor, wenn auch das Interesse zunächst an einer Taxonomie der unterschiedlichen Satzmodelle bestand. Wissen-
schaftsgeschichtlich lässt sich hier ein deutscher „Sonderweg“ unter Aufnahme strukturalistischer Ansätze erkennen. Zu einem Vorläufer der Valenzlehre im 19. Jahrhundert, Franz Kern, vgl. Keina`stö (2001). 1.2. Karl Bühlers ‘Sprachtheorie’ Die andere Traditionslinie, die den Boden für die Aufnahme des Valenzbegriffs bereitete, sind die Ansätze, Kompatibilitäten zwischen Wörtern, ihre gegenseitigen Bindungspotenzen zu betonen und dabei dem Verb den Ursprungsplatz zuzuerkennen. Hier sind strukturalistische Sichtweisen deutlicher zu erkennen. Sie sind auch sachlicher und allgemeiner formuliert. An erster Stelle ist zweifellos Karl Bühler zu nennen. Die vielzitierte Stelle aus seiner ‘Sprachtheorie’ ist eine Aussage, mit der Verbindbarkeiten und Besetzungsmöglichkeiten bei Wörtern allgemein gefasst werden. Sie lautet: „Es bestehen in jeder Sprache Wahlverwandtschaften; das Adverb sucht sein Verbum und ähnlich die anderen. Das lässt sich auch so ausdrücken, dass die Wörter einer bestimmten Wortklasse eine oder mehrere Leerstellen um sich eröffnen, die durch Wörter bestimmter anderer Wortklassen ausgefüllt werden müssen“ (Bühler 1934, 173). Bühler fährt fort: „Es ist der wichtige, schon den Scholastikern bekannte Tatbestand der Connotatio“ und bezieht auch spätere linguistische Traditionsstränge ein, u. a. beruft er sich auf Wilhelm Wundt (Wundt 1900). Seine Beispiele sind aus dem nominalen und dem verbalen Bereich genommen: „Der Begriff ‘Schlüssel’ z. B. enthält unter seinen Merkmalen eine Leerstelle für den Verwendungsbereich des Dinges; dorthin
160 kann ich nacheinander ‘Haus’, ‘Koffer’ usw. einsetzen, um die entsprechenden Komposita zu erhalten“ (Bühler 1934, 246). Man sieht, hier wird die Leerstellenidee auch für die Erklärung der Wortbildung genutzt. Was die Syntax betrifft, so wird später deutlich, dass auch bei Bühler schon das Verb als höherrangig angesehen wird, wenn er Folgendes ausführt: „Denn in dem Satze ‘Caius amabat patrem’ regiert einzig und allein die Wortklasse (amare) und nicht das Moment der Zeitstufe oder Aktionsart das Feld; der Subjekts- und der Objektskasus erfüllen (logisch gesprochen) zwei Leerstellen des Verbums amare und bleiben untangiert vom Moment der Zeitstufe und Aktionsart“ (Bühler 1934, 295). Im Gegensatz zu dem Komplex ‘Haustor’, bei dem die verbundenen lexikalischen Einheiten „Stoffwörter sind (auf derselben niedersten Formalisierungsstufe stehen), während das zweite Moment in ‘amabat’ das Moment der Zeitstufe oder Aktionsart, rein logisch betrachtet, ein Formmoment ist (einer höheren Formalisierungsstufe angehört)“ (Bühler 1934, 295). 1.3. Walter Porzigs ‘Wesenhafte Bedeutungsbeziehungen’ Die im gleichen Jahr wie Bühlers ‘Sprachtheorie’ erschienene Abhandlung ‘Wesenhafte Bedeutungsbeziehungen’ von Walter Porzig (Porzig 1934) hebt auf das Miteinandervorkommen von Wörtern im syntagmatischen Verband ab. Dieses Phänomen sei „im wesen der gemeinten bedeutungen selbst“ begründet (Porzig 1934, 70). Von Valenzen oder Leerstellen des Verbs wird dabei nicht gesprochen, doch wird den Verben durchaus eine Priorität eingeräumt, als es nach Porzig Verben gibt, die nur eine Art Subjekt zulassen: „bellen kann nur ein hund, wiehern nur ein pferd, blühen nur eine pflanze, wachsen nur ein organismus“ (Porzig 1934, 72). Bei anderen Verben sei die Art des Objekts festgelegt: „was man fällt, muss immer ein baum sein, was man jemandem vorsetzt, ist notwendig speise oder trank“ (Porzig 1934, 72). Verben und Adjektive sind dem Substantiv insofern vorgeordnet, als diese „notwendige ergänzungen zu bestimmten Verben und von ihnen mitgesetzt“ sind. Verben und Adjektive lassen sich deswegen als „kern eines elementaren bedeutungsfelds ansehen“ (Porzig 1934, 76). Sachlich und im Prinzip auch terminologisch ist hier der Ansatz der Valenzlehre zu fassen, aber es sind doch eher semantisch betrachtete Verbindbarkeiten, die Bühler und
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Porzig interessiert haben. Immerhin war dadurch eine syntaktisch vorgehende Leistungsbestimmung der Verben vorbereitet. 1.4. Der Begriff der ‘Fügungspotenz’ bei Wladimir Admoni Der Valenzbegriff wird des öfteren auch mit dem Begriff der „Fügungspotenz“ verglichen, wie er von Admoni (1960) verwendet wird (vgl. z. B. Helbig 1965, 13; ein Hinweis auf Admoni auch bei Erben 1961, 178). Dies liegt nahe, weil wiederum Admoni an der einschlägigen Stelle auf Erben, Brinkmann und Bühler verweist (Admoni 1966, 82). Admoni geht es jedoch im Wesentlichen um eine Wortartenlehre und eine Zumessung der syntaktischen Aufgaben an die einzelnen Wortarten. Dabei hebt er auf den traditionellen Rektionsbegriff und auf den semantischen Relationsbegriff ab, wie er sich bei Behaghel (Behaghel 1923⫺1932) findet. „Jeder Redeteil enthält also in sich eine ganze Reihe von Fügungspotenzen, die bei seiner Einschaltung in den Satz als Ausdruck der vom Redenden beabsichtigten Bedeutungsfüllung des Satzes und unter dem Einfluss von Kontext und Situation zum Teil aktualisiert werden. Diese Potenzen ‘schlummern’ im Redeteil und werden erst durch Berührung mit dem konkreten Redeprozess zum Leben erweckt“ (Admoni 1966, 82).
Admoni hat sich jedoch weder auf die Position eines strukturalistischen Zugangs zur Satzbeschreibung begeben, noch von der herkömmlichen Subjekt-Prädikat-Auffassung gelöst, wie seine Ansicht über das Verhältnis von Verb und Subjekt zeigt: „Aber in einem Fall ist auch aus rein grammatischen Gründen die Beziehung des ‘leitenden’ Redeteils zum ‘abhängigen’ zugleich obligatorisch. Es ist die des Nominativs in seiner wichtigsten Funktion, der Subjektfunktion, zu dem finiten Verb, denn obgleich das Verb formell von der Form des Subjektnominativs abhängt, so ist doch der Subjektnominativ unmöglich ohne das Prädikatsverb oder überhaupt ohne das Prädikat ⫺ es sind aufeinanderbezogene und einander zugeordnete Größen“ (Admoni 1966, 82).
Der „leitende Redeteil“ ist hier, wohlgemerkt, das Subjekt! Alle angeführten Konzeptionen haben den Valenz- oder Wertigkeitsbegriff, wie er sich am Ende der fünfziger Jahre entwickelt hat, mit vorbereitet. Ein wirklich syntaktisches Prinzip ist damit noch nicht verbunden. Wie im Abschnitt 3 noch deutlich werden wird, ist die deutsche Grammatik in dieser Zeit noch sehr stark von funktionsdeutenden Zugängen
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17. Die Wegbereiter einer deutschen Valenzgrammatik
geprägt. Einzig die Grammatik von Johannes Erben nutzt den Wertigkeitsgedanken konsequent.
2.
3. Mitschüler helfen Fritz; die „Ansage einer ‘Bezugshandlung’“. 4. Fritz geht zum Arzt/liegt im Krankenhaus; die „Lagesätze“.
Der Begriff der Wertigkeit bei Johannes Erben
Etwa gleichzeitig mit Tesnie`re hat Johannes Erben den Wertigkeitsgedanken entwickelt und in eine umfassende grammatische Konzeption aufgenommen. In der 1. Auflage seines ‘Abrisses der deutschen Grammatik’ (Erben 1958) im Abschnitt ‘Ausgestaltung’ über den deutschen Satz heißt es: „Dreierlei ist dabei entscheidend. a) Die Wortwahl, d. h. vor allem die Wahl des Verbs, das im deutschen (Verbal-)Satz den charakteristischen Aussagekern bildet. Von seiner Art und ‘Wertigkeit’ ⫺ man kann sie geradezu mit der Valenz des Atoms vergleichen ⫺ hängt es wesentlich ab, welche und wie viele Ergänzungsbestimmungen im Vor- und Nachfeld des Verbs auftreten und das Satzschema ausgestalten“ (Erben 1958, 165).
Erben unterscheidet vier Grundmodelle. Den „verbalen Aussagekern“ bezeichnet er mit „V“, mit „E“ die „Ergänzungsbestimmungen“. „Die Ziffern E1, E2 etc. beziehen sich nur auf die Anzahl der hinzutretenden Ergänzungsbestimmungen, nicht auf Rang oder Wortfolge“ (Erben 1958, 165). Das Subjekt wird in den graphischen Modellen allerdings links vom Verb platziert, während die anderen Ergänzungen rechts stehen. Die Modelle werden wie folgt dargestellt und mit Beispielsätzen belegt, die die Wertigkeiten verdeutlichen: E1
V
Hierunter fallen alle Sätze mit einer Ergänzungsbestimmung, von agenshaltigen über Geschehensverben (Vater schläft) bis zu unpersönlichen Ereignisverben (Es taut). E1
V
E2
Hier unterscheidet Erben vier Varianten: 1. Großvater ist Katholik/katholisch; dies sind die Prädikativkonstruktionen, womit auch dem Hilfsverb sein Valenz zuerkannt wird. 2. Katzen fangen Mäuse; die Handlungssätze.
E2 E1
V E3
Hier werden fünf Varianten angeführt: 1. 2. 3. 4.
Fritzchen nennt Anton Onkel/faul. Mutter lehrt Berta das Stricken. Gastwirte geben Stammgästen Freibier. Mädchen stellen Blumen auf den Tisch.
In der 4. Auflage findet sich noch ein weiterer Typ: 5. Freunde stehen Fritz zur Seite, verhelfen ihm zu einer Reise. (Erben 1961, 176) E2 E1
V
E3 E4
Hier werden die Pertinenz- und die Objektsprädikativkonstruktionen genannt. 1. Er schleudert ihm den Handschuh ins Gesicht. 2. Sie macht ihm sein Unrecht klar. Wie man sieht, sind hier die wichtigsten deutschen Satztypen nach Wertigkeitsgesichtspunkten zusammengestellt. Es werden damit mehr Ergänzungsbestimmungen als bei Tesnie`re gefasst, insbesondere die Prädikative. Erben geht auch auf reduzierte Valenz ein, in eindeutigen Sprachsituationen könnten „manche Bestimmungen ungesagt bleiben“ (Erben 1958, 167) (Vater liest). Weitere sprachliche Mittel, „nähere Angaben, besonders der Umstände eines Geschehens oder Seins“, könnten hinzugefügt werden (Vater liest morgens/ am Frühstückstisch/ interessiert die Zeitung). Dass die Wertigkeitsbestimmung zu einer hierarchischen Strukturierung des Satzes führt, zeigt das folgende Schema (Erben 1958, 188) mit dem der Satzgliedbegriff neu gedeutet wird: „Das, was man als Satzglieder anspricht, sind im Grunde ‘besetzte Rollen’
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II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit vermachte Satzglieder 1. Grades 2. Grades
Besitzer Der
3. Grades 4. Grades
Grundstück
Erben
das
seinen
achtzigjährige Hauses fast
dieses
eleganten sehr
Abb. 17.1.
oder ‘(Plan-)Stellen’ unserer Satzbaupläne …“ (Erben 1958, 188). Erben weist an dieser Stelle auf Tesnie`re hin, vorher zitiert er K. Bühlers bis dahin noch wenig rezipierten Leerstellenbegriff (Erben 1958, 165, Anm.) Erben gibt im Rückblick zu erkennen, dass er auf den Ausdruck Wertigkeit bei der Ausarbeitung des entsprechenden Artikels für das Grimmsche Wörterbuch gestoßen sei. Dieses Fachwort der Chemie (vgl. Art. 2) erschien ihm „als Hilfsbegriff auch für die Syntax brauchbar“ (Erben 1995, 67). Das Verb als „kategorial wichtigste Wortklasse“ (Erben 1995, 68) hatte er bereits in einem Aufsatz von 1955 als Satzkern, als Träger der eigentlichen Satzaussage bestimmt (Erben 1955; vgl. Erben 1995, 68). Damit ist bei Erben das Verb in seiner „vertikalen“ Organisationsrichtung gefasst. Die etwas früher erschienene, die deutsche Syntax radikal von der am Latein orientierten grammatischen Tradition freimachende Darstellung von Hans Glinz, ‘Die innere Form des Deutschen’ (Glinz 1952) verbleibt, trotz aller Neuerungen, im „horizontalen“, linearen Strukturschema. Glinz’ Ausdruck „Leitglied“ für das finite Verb als festen Pol des Satzes, „da es gewissermaßen den Bau des ganzen Satzes leitet“ (Glinz 1962, 97) ist konstitutionell gedacht. Für Tesnie`re hat Glinz wenig Verständnis; in seiner ‘Deutschen Syntax’ spricht er von den „ziemlich spekulativen Begriffe[n]“ Tesnie`res (Glinz 1967, 78).
3.
Inhaltbezogene grammatische Konzeptionen, in denen der Wertigkeitsgedanke implizit eine Rolle spielt
3.1. Hennig Brinkmann In seinem 1962 in erster Auflage erschienenen Werk ‘Die deutsche Sprache. Gestalt und
Leistung’ geht Hennig Brinkmann im Kapitel „Das Verbum“ auf die Valenz in einem eigenen Abschnitt ein, wobei er sich ausdrücklich auf Tesnie`re, Admoni und Erben beruft. Da seine gesamte Abhandlung darauf gerichtet ist, die Leistung der jeweils ins Auge gefassten Phänomene auf dem Hintergrund des bisherigen grammatischen Wissens darzustellen, verwundert es nicht, dass trotz der Aufnahme des in Deutschland gerade erst bekannt gewordenen Valenzansatzes die Subjekt-Prädikat-Beziehung Hintergrund der Ausführungen bleibt: „Das Verbum wirkt sich für den Satz nicht allein durch das Subjekt-Praedikatsverhältnis aus, sondern auch durch weitere Beziehungen, die dann naturgemäß in das so erweiterte Subjekt-Praedikatsverhältnis eingeschlossen werden. Wir nennen die Fähigkeit des Verbums, weitere Stellen im Satz zu fordern, mit Tesnie`re: ‘Valenz’“ (Brinkmann 1962, 223). Auch bei der dann vorgenommenen Einzelbeschreibung von Verbvalenzen spricht er immer vom Offenhalten weiterer Stellen neben dem Subjekt, führt aber sodann ganz realistisch auch nullwertige Verben (es friert, „ohne Nennung des Subjekts, mit dem ‘Wert Null’“) auf (Brinkmann 1962, 224). In aufsteigender Linie werden sodann höherwertige Verben gemustert. Zwar dominieren dabei die Stellenbesetzungen im reinen Kasus, aber auch Anschlüsse „durch ein Beziehungswort“ (Die Wohnung besteht aus vier Zimmern. ⫺ Ich wohne in der Stadt.) (Brinkmann 1962, 225) werden verbucht. Geprüft wird jeweils die Passivfähigkeit der Konstruktionen. Wie stark bei allem aber die inhaltbezogene Grammatikkonzeption dominiert, zeigt sich an Sätzen wie dem folgenden, mit dem die Typen in ihrer Bedeutung charakterisiert werden: „Die erste Schicht stellt Leben als Wirkung einer ungenannten und ungreifbaren Macht dar; die zweite Schicht stellt Leben dar, das vom Menschen
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17. Die Wegbereiter einer deutschen Valenzgrammatik unabhängig ist, und zwar als Geschehen. […] Verben, die das Leben an und um den Menschen in seiner Kontinuität darstellen, können sich mit einer Stelle begnügen“ (Brinkmann 1962, 225).
Hier geht es um einstellige Verben vom Typ mich friert ⫺ Der Versuch ist missglückt ⫺ Der Vater schläft. So verwundert es nicht, wenn Brinkmann an späterer Stelle, im Kapitel über die Satzmodelle, die Relevanz des Valenzansatzes relativiert: „Die Unterscheidung der Verben nach ihrer ‘Valenz’, nach der Zahl der ‘Mitspieler’, die sie fordern oder ermöglichen, ist sicher von großer Bedeutung […] aber sie erschließt nicht ‘Satzmodelle’, sondern nur Klassen des Verbums (die dann freilich für die Satzstruktur wichtig sind.) […] Für die inhaltliche Leistung des Satzes maßgebend ist nicht die Zahl, sondern die Art der sprachlichen Elemente, die sich mit einem verbalen Praedikat verbinden“ (Brinkmann 1962, 511).
Die Satzmodelle erfasst Brinkmann sodann im Anschluss an Paul Grebe. 3.2. Paul Grebe Grebe hat seine Konzeption für die 1959 erschienene Neuausgabe der Dudengrammatik erarbeitet (Grebe 1959). Im Kapitel „Das Verb“ heißt es: „Da es dem Verb zufällt, das Sein und Geschehen zu bezeichnen, bildet es in fast allen Sätzen den grammatischen Kern der Aussage. Dadurch kommt ihm eine Bedeutung zu, die es über alle anderen Wörter erhebt. Das bringt auch das lateinische Wort verbum zum Ausdruck, das einfach ‘Wort’ bedeutet“ (Grebe 1959, 81).
Auch im Kapitel „Die Grundformen deutscher Sätze“ finden sich valenztheoretische Einsichten, wenn es z. B. heißt: „Die Aussage kann in bestimmten Fällen von dem verbalen Glied allein geleistet werden: Die Sonne ⫺ scheint“ (Grebe 1959, 434). Hier und bei den „Sinnergänzungen“, bei denen ein- und mehrgliedrige unterschieden werden, zeigt sich aber, dass von der Subjekt-Prädikat-Gliederung doch nicht abgegangen wird. Immerhin ist die Liste der „Grundformen deutscher Sätze“ (Grebe 1959, 466⫺469) nach den Verben vorgenommen und sie enthält die „Raumergänzung“ (Ich hänge das Bild an die Wand), die „Zeitergänzung“ (Die Beratung dauert zwei Stunden), die „Artergänzung“ (Die Rose ist schön) und die „Begründungsergänzung“ (Das Verbrechen geschah aus Eifersucht).
4.
Der Valenzbegriff bei Gerhard Helbig
In seinem ersten einschlägigen Aufsatz motiviert Gerhard Helbig die Beschäftigung mit der Valenz von Verben mit den dadurch verbesserten Möglichkeiten, im Ausländerunterricht Fehler wie *Ich besuche oder *Ich gebe zu vermeiden (Helbig 1965, 10). Der bis zu diesem Zeitpunkt sehr unterschiedlich verwendete Valenzbegriff lässt sich in seiner Entwicklung nach Helbig in drei Stufen unterscheiden. Er tauche zuerst dem Sinne, dann dem Begriffe und schließlich dem Terminus nach auf. Außer auf die oben schon genannten Grammatiken weist Helbig dabei auf Heyse (1908), Schulz/Griesbach (1962) und W. Schmidt (1963) hin, mustert insbesondere die Verwendung in den grammatischen Konzeptionen bei Erben, Grebe und Brinkmann und formuliert sodann drei Voraussetzungen „für einen klaren, d. h. strukturellen und weitgehend formalisierbaren Valenzbegriff, der auch in der Fremdsprachenmethodik seinen Platz einnehmen kann“ (Helbig 1965, 14). Zuerst sei der Satz vom Verb her zu begreifen. Erst dadurch könne die Wirksamkeit des Ansatzes sich voll entfalten. Weder die Subjekt-Prädikat-Dichotomie, noch die kommunikativ-grammatische Betrachtung des Satzes könne diese Einsicht vermitteln, sondern man „muß seinen Ausgang vom finiten Verb als Festpunkt des Satzes nehmen“ (Helbig 1965, 14). Die Mitspieler des Verbs werden dadurch semantisch gesehen untereinander gleichrangig, dem Subjekt kann allenfalls eine strukturelle Sonderstellung wegen der Kongruenz mit dem finiten Verb zugewiesen werden. Das zweite Problemfeld stellt nach Helbig die Frage dar, was als Sättigung des Verbs anzusehen sei. In der Diskussion der Vorschläge von Renicke (1961) („Syntaktisches Minimum“), Weisgerber (1962), Grebe (1959) („Abstrichmethode“) und Glinz (1952) („Weglassprobe“) wird deutlich, dass die grammatischen Bemühungen in den fünfziger Jahren mehr oder weniger bewusst strukturalistische Konzeptionen entwickelt haben, die vorher in der grammatischen Tradition nicht vorhanden waren. Die Problematik der Weglassbarkeit bzw. Nichtweglassbarkeit im Vergleich von Sätzen wie Ich lege das Buch auf den Tisch versus Die Henne legt führt Helbig dabei zum Problem der Verbvarianten. Das dritte von Helbig benannte „Hauptproblem“ (Helbig 1965, 17), nämlich, inwie-
164 fern auch Adverbialbestimmungen der Rang als Mitspieler des Verbs zuerkannt werden kann, war de facto durch die Methoden der Bestimmung des syntaktischen Minimums schon entschieden: Damit steht die hier nun verstärkt einsetzende Grammatikschreibung im deutschsprachigen Raum auf eigenen Füßen. Als „Glieder ersten Ranges“ nach dem Verb führt Helbig dann konsequenterweise auf: „Subjekt, Prädikativum, O4, O3, O2, präp. O, Adv. Bestimmung (notwendig)“ (Helbig 1965, 18) und weist darauf hin, dass letztere den „Umstandsergänzungen“ bei Grebe und den „Prädikatsergänzungen“ bei Schulz/Griesbach (1962) entsprechen. Zu den „freien Angaben“ wird auch der freie Dativ gerechnet. Wichtig ist ferner, dass bei den Ergänzungen zwischen obligatorischen und fakultativen Valenzen unterschieden wird. Dies schlägt sich in den den Verben beigegebenen Valenzindizes nieder, fakultative Valenzen werden den obligatorischen in Klammern nachgestellt. Schließlich werden von Helbig auch die „syntaktischen Selektionsbeschränkungen“ bedacht, und zwar mit dem Hinweis auf die Arbeiten von Chomsky. Auch wenn die ersten umfassenden Arbeiten in deutscher Sprache zum Valenzbegriff lexikalisch orientiert sind, so wird doch großer Wert auf die strukturell-syntaktische Leistung des Valenzbegriffs gelegt. 1969 erscheint das ‘Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben’ von Gerhard Helbig und Wolfgang Schenkel (Helbig/ Schenkel 1969). Es enthält im Einleitungsteil eine ausführliche grammatikologische Begründung des gewählten Ansatzes; die in Helbig (1965) und Helbig (1966) dargestellten Ansichten werden hier noch einmal gemustert. U. a. wird auf den für schulgrammatische Belange entwickelten Ansatz Flämigs (Flämig 1966) eingegangen, der das Verb als strukturell-grammatisches Zentrum des Satzes ansieht und die Strukturtypen des deutschen Satzes von der Valenz der Verben her beschreibt (Helbig/Schenkel 1969, 18 f.). Helbig/Schenkel ist es besonders darum zu tun, „daß das finite Verb als strukturelles Zentrum des Satzes begriffen wird“ (Helbig/ Schenkel 1969, 20). Damit werde die Binarität des Satzes aufgegeben, wie sie von der traditionellen Grammatik, aber auch von der „modernen Phrasenstruktur- und Transformationsgrammatik amerikanischer Prägung“ (Helbig/Schenkel 1969, 24) angenommen werde. Helbig weist hier auch auf die
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Relationslogik hin, in der auch andere als zweigliedrige Urteile angenommen werden. Als nächstes muss festgelegt werden, was als Sättigung des Verbs anzusehen ist. Helbig mustert die verschiedenen Typen der Abstrichmethode und entscheidet sich dann für die Glinzsche Weglassprobe, die man mit der Transformationsgrammatik auch „Eliminierungstransformation“ nennen könne (Helbig/ Schenkel 1969, 27). Dadurch gelangt er zu einer Schichtung des Satzes, bei der alles, was im Stellenplan des Verbs verankert ist, als „Glieder ersten Ranges“ bezeichnet wird, als „Glieder zweiten Ranges“ erscheinen dann ⫺ gleichrangig ⫺ Attribute zu Gliedern ersten Ranges, der freie Dativ und die nicht notwendigen Adverbialbestimmungen (Helbig/ Schenkel 1969, 30). Wenn in den späteren Valenzgrammatiken die Schichtung des Satzes doch wieder an die grammatische Tradition angenähert worden ist, so zeigt die Gliederung von Helbig in größter Klarheit, dass die verbzentrierte Sichtweise den Aufbau des Satzes radikal anders sieht als alle herkömmlichen und konstitutionell orientierten Syntaxen, nämlich als rein hierarchisch zu betrachtender Komplex, in dem Verbnähe das bestimmende Kriterium darstellt. Dadurch ist ‘Weglassbarkeit’ für die Glieder primären Ranges allerdings ein zu weites Kriterium, denn auch valenzgebundene Glieder, die nur fakultativ sind, können eliminiert werden. Dies ist aber wiederum ausschließlich durch das jeweilige Verb begründet. Als Test eignet sich für die Adverbialbestimmungen u. a. die „Negationstransformation“. Die valenzgebundene zieht die Negation voran, die freie erlaubt Nachstellung (Ich lege das Buch nicht dorthin. Ich treffe ihn dort nicht.) (Helbig/Schenkel 1969, 33). Gerade die letzteren Überlegungen führen gleichsam zwangsläufig dazu, die Umgebungen der Verben je einzeln zu prüfen, um von daher zur Bildung von richtigen Sätzen zu gelangen. Konsequenterweise ist dann auch die erste umfassende Arbeit zum Valenzbegriff das ‘Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben’ von Gerhard Helbig und Wolfgang Schenkel (Helbig/Schenkel 1969), das bis 1991 in acht Auflagen erschienen ist. Für die Entwicklung des Valenzbegriffs ist am Wörterbuch von Helbig/Schenkel Folgendes bedeutsam gewesen: Die Verbeinträge werden in drei Stufen vorgenommen. Auf der ersten Stufe wird die quantitative Valenz mit der Angabe, ob es sich um obligatorische
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17. Die Wegbereiter einer deutschen Valenzgrammatik
oder fakultative Mitspieler handelt, festgelegt. Unter dem Einfluss Noam Chomskys werden auf einer zweiten und dritten Stufe syntaktische und semantische Umgebungen der Verben festgelegt und in Parallele zu den „strikten Subkategorisierungsregeln“ und „Selektionsregeln der generativen Transformationsgrammatik“ gesetzt. Die syntaktischen Umgebungen spezifizieren die Typen der Mitspieler, die semantischen geben eine Feinbestimmung in der Art, wie sie konzeptionell zuerst bei Porzig aufgetaucht war. Auf diese Weise wird der Satzbau konsequent als generell vom Verb gesteuert und speziell von jedem einzelnen je nach seinen syntaktischen und semantischen Voraussagen her aufgefasst. Desweiteren ergibt sich eine Rückkopplung zu prinzipiellen lexikalischen Entscheidungen: Der Dreischritt im Aufbau der verbalen Lexikoneinträge führt bei der Masse der Verben zum Ansatz von Varianten, z. B. bei ansehen: 1. ansehen2(3) ‘anblicken, anschauen’ (Der Lehrer, der Hund sieht den Fremden an), 2. sich ansehen2, ‘intensiver betrachten’, (Der Gast sieht sich die Bilder an), 3. ansehen3 ‘jemandem etwas anmerken’ (Der Lehrer sieht dem Kind den Kummer an.), 4. ansehen3 ‘halten für’ (Das Institut sieht ihn als neuen Chef an.). Mit diesem Zugang wird die Bildung von richtigen und nur richtigen Sätzen im Prinzip gewährleistet, eine Forderung, die bis dahin in einer deutschen Grammatik nicht formuliert worden war. Dadurch wird der Regelcharakter der Grammatik überhaupt erst fassbar. Helbig unterstreicht auch in einer etwas später erschienenen Arbeit (Helbig 1971) die Notwendigkeit eines syntaktisch-strukturellen Ansatzes im Gegensatz zu semantisch ausdeutenden. Mit seiner Auffassung über Hierarchien in den Valenzbeziehungen hat Helbig schließlich auf die Nutzung des Valenzbegriffs für weitere syntaktische Schichtungen vorbereitet. So kommt nach ihm dem Satz Wir wollen ihn besuchen das folgende Stemma zu: wollen wir besuchen ihn
(Helbig 1971, 41)
5.
Weitere Schärfungen des Valenzbegriffs
5.1. Logische und grammatische Zugänge Die valenztheoretischen Arbeiten der sechziger und frühen siebziger Jahre berufen sich zunehmend auf Tesnie`re, versuchen aber auch Verbindungen zur Relationslogik Fregescher Prägung und zu strukturalistischen und transformationalistischen Ansätzen zu ziehen. Dabei werden vor allem die Ebenen des Valenzbegriffs präzisiert. Bondzio (1971) setzt als Grundlage für die Bedeutungskonstitution des Satzes die semantisch-logische Ebene an, die wiederum entsprechende Beziehungen in der außersprachlichen Wirklichkeit spiegele (Bondzio 1971, 88). An eine Isomorphie sei dabei aber nicht zu denken. Die später von ihm entwickelte Auffassung von der „Valenz zweiter Stufe“ (Bondzio 1974) verrechnet adverbiale Leerstellen mit der gesamten Satzbedeutung. Die logischen Ansätze der polnischen und russischen Schule integriert Welke (1965) in seine Modalverbuntersuchung. Bei Welke heißt es explizit: „Unsere Darstellung findet eine ziemlich genaue Analogie in der Struktur von Aussagen des Aussagenkalküls der Logik“ (Welke 1965, 36). Die Schichtung des Satzes zeige sich unter dieser Perspektive gut bei der Betrachtung der Modalverben. „In einem Satz wie Er will das Fenster öffnen ist öffnen ein Prädikat bzw. allgemeiner ein Operator erster Stufe und will ein Prädikat bzw. allgemeiner ein Operator zweiter Stufe, weil dem ersten übergeordnet. Der Operator erster Stufe mit seinen Argumenten ist Argument des Operators zweiter Stufe“ (Welke 1965, 41). Bei Flämig (1971) finden sich Repräsentationen von der „Objektiven Realität“ mit ihren „Sachverhalten“ über das „Bewußtsein“ mit ihren Aussagestrukturen und logischen Prädikationen bis zur sprachlichen Ausformulierung, in der die semantische Struktur vor der „grammatischen“ angesiedelt ist (Flämig 1971, 110). Mit diesen Ansätzen werden die semantischen Nutzungen des Valenzbegriffs vorbereitet. Dies gilt in einer etwas anderen Sichtweise auch für die Arbeiten von Klaus Heger. Während Welkes Intentionen satzsemantische Analysen sind, nimmt Heger (1966) eine sprachphilosophische Grundlagenklärung der an die Sätze gebundenen Aussagemöglichkeiten vor. Zentralbegriff, an dem Valenz sich manifestieren kann, ist bei ihm der Begriff des
166 „Vorgangs“. Von Avalenz (Nullwertigkeit) geht der Weg über Monovalenz (Einwertigkeit) zu höherer Wertigkeit durch Kombination mit Ursache-/Wirkungs-Aktanten und -Relationen. In Heger (1971) werden die Zerlegungen von Sätzen in derartige Primärrelationen weitergeführt. Aus solchen konstruierbaren Aktantenmodellen werden bei Ballweg/ Hacker/Schumacher (1972) mit Hilfe von Lexikonregeln Überführungen in die reale Sprache vorgenommen. 5.2. Die Nutzung von Valenz- und Dependenzrelationen in einer formalen Grammatik: Hans Jürgen Heringer Während in den grammatischen Konzeptionen der Valenzbegriff entweder für die Klärung von sprachtheoretischen Grundsatzfragen oder für praktische Sprachlehrzwecke herangezogen worden ist, wird eine komplette valenz- und dependenzbasierte Grammatik zum ersten Mal von Hans Jürgen Heringer für das Deutsche erarbeitet. In Heringer (1967) sind die erforderlichen valenztheoretischen Vorklärungen vorgenommen worden. Dazu gehört die Berücksichtigung von verbalen Varianten („variierende Wertigkeit“, Heringer 1967, 15), die „Einteilung der Verben nach den Beziehungen der Ergänzungsbestimmungen“ mit Hilfe relationslogischer Kategorien (Heringer 1967, 17) und eine ausführliche Diskussion der nullwertigen Verben in syn- und diachroner Perspektive. Die hier entwickelten valenziellen Einsichten sind von Heringer in seiner ‘Theorie der deutschen Syntax’ (Heringer 1970) ausgebaut worden. Die Dependenztheorie (D) wird hier als komplementäre Theorie des Konstitutionssystems (K) eingesetzt und insbesondere für die Inhaltssyntax genutzt. Primär sind die K-Regeln. In diese gehen die Valenzregularitäten ab der zweiten K-Regel ein. (In der ersten werden u. a. Sätze von „Kurzsätzen“ abgegrenzt.) Sie lautet: K(SF1, Pi ⫹ F(En) ⫹ F(An)). Zu lesen als: Das ungesättigte Prädikat P und eine Folge von Ergänzungen (E) und eine Folge von Angaben (A) bilden die Sätze. „Diese Einteilung bildet die Grundlage der Wertigkeitstheorie. Welche E jeweils stehen müssen, wird vom Prädikat bestimmt“ (Heringer 1970, 114). Dies schlägt an verschiedenen Stellen des K-Systems durch, entscheidend in K 34, das die Verbtypen nach ihrem Wertigkeitsindex ordnet. Von erheblicher Bedeutung ist auch die Regel K 27, in der als Besetzungsalternativen des Prädikats einfache Verben, Adjektivprädikate,
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
Verknüpfungsprädikate und Funktionsverbgefüge aufgeführt werden. Was letztere betrifft, so ist Heringers Syntax die erste Grammatik, in der diese die deutsche Sprache so auffällig kennzeichnenden Strukturen überhaupt systematisch aufgenommen worden sind. Bei den Verknüpfungen wird, vor allem in Auseinandersetzung mit Helbig, diskutiert, wie sich Auxiliar- und Modalverbkonstruktionen im Vergleich mit einfachen Verbkonstruktionen verhalten. Heringer wertet sie, letztlich unter Berücksichtigung valenzieller Gesichtspunkte, als „zusammengesetzte Prädikate“ (Heringer 1970, 175). Die Adjektivprädikate fasst Heringer analog auf. „Die Wertigkeit des Adjektivprädikats ist eine Funktion der Wertigkeit des Verbs und des Adjektivs“ (Heringer 1970, 180). Insbesondere wird hier dem Umstand Rechnung getragen, dass auch Adjektive anders als „nullwertig“ verwendet werden können, z. B. lang in Das Grundstück ist 20 m lang. Die Prädikatstypen nach (Gesamt)wertigkeiten umfassen ein- bis vierwertige. Wegen des komplexen Prädikatsbegriffs erscheinen bei den einwertigen z. B. solche wie es will dunkel werden, bei den zweiwertigen x1 ist bekannt y6 [als], bei den dreiwertigen x1 sieht y2 z2 groß werden lassen und bei den vierwertigen etwa w1 läßt x2 y2 z6 [als] betrachten (Heringer 1970, 194⫺198). (Der Index 6 steht für Ergänzungen, die durch „Identifikationstranslative“ angeschlossen werden.) Insgesamt ist die Syntax von Heringer, die bereits 1973 in zweiter Auflage und in einem Abriss (Heringer 1970a, 2. Aufl 1972) erschienen ist, die erste komplette moderne Grammatik des Deutschen überhaupt, wenn man von Bierwischs Grammatik des deutschen Verbs (Bierwisch 1963) absieht, die auf einem generativ-transformationellen Ansatz beruht. Heringers Grammatik ist konstitutionell angelegt, setzt in einem eigenen Kapitel die mit Konstituentenregeln erzeugten Sätze in ein Dependenzsystem um, bei dem der Dependenzbegriff über die Wortartabhängigkeiten sowohl nach unten (in den Morphembereich) als auch nach oben erweitert wird (Heringer 1970, 235⫺254). Bei ihm wie auch bei Baumgärtner (1970), Vennemann (1972) und Vater (1975) werden Konstituenz und Dependenz als komplementäre grammatische Beschreibungsarten aufgefasst. (Zur Bewertung dieser Auffassung vgl. u. a. Maas 1974 und Eroms 1981.)
167
17. Die Wegbereiter einer deutschen Valenzgrammatik
5.3. Weiterentwicklung der Valenztheorie in der Bundesrepublik Deutschland Der in der DDR intensiv betriebenen Valenzforschung in theoretischer und praktischer Perspektive, den Ansätzen von Heringer und anderen Linguisten, vor allem aus Heidelberg, folgten zu Beginn der siebziger Jahre eine Fülle von grammatischen Untersuchungen, die schließlich in Aktivitäten des Instituts für deutsche Sprache (IdS) Mannheim zur Erstellung eines Valenzlexikons gebündelt wurden. Der Stellenwert, der der Valenztheorie zugemessen wurde, zeigt sich darin, dass die neue vom IdS herausgegebene Zeitschrift ‘Deutsche Sprache’ mit zwei methodischen Grundsatzartikeln zur Valenz eröffnet wurde. In den ‘Aspekten der Valenztheorie’ (Arbeitsgruppe Marburg 1973) wird der damalige Stand der Valenzlehre kritisch diskutiert. Valenz wird hier explizit der Syntax zugeordnet (Arbeitsgruppe Marburg 1973, 7), die Helbigsche Trennung in obligatorische und fakultative Ergänzungen wird übernommen und die Fragen der Abgrenzung von Syntax und Semantik werden ausführlich behandelt. Die sich bereits in den ersten Arbeiten zur Valenz abzeichnende Unterschiedlichkeit des valenziellen Zugriffs (logisch, semantisch, oberflächenstrukturell, vgl. insbesondere die Abschnitte 4 und 5.1⫺5.3) hatte zu grundsätzlichen Trennungen der Ebenen, wie in Stötzels Untersuchung zur Ausdrucks- und Inhaltsvalenz (bei ihm anhand der Problematik der Darstellung reflexiver Verben) geführt (Stötzel 1970). Auch die Arbeiten Fillmores werden hier bereits unter valenztheoretischem Aspekt gemustert. An Kritikpunkten zur Valenz wird u. a. vermerkt, dass die hierarchischen Strukturen der Sätze nicht so gut wie in der Konstituentenstrukturgrammatik erfassbar seien und dass Wortstellung und Intonation sich ebenfalls partiell ihrem Zugriff entzögen (Arbeitsgruppe Marburg 1973, 36). Entwicklungsmöglichkeiten werden vor allem in der Erfassung verbaler Strukturen und im Sprachvergleich gesehen. Zwar erschien erst 1976 ein Sammelband aus dem IdS, in dem der Valenzbegriff mit der Dokumentation der Vorarbeiten für ein Valenzlexikon präzisiert wurde (Schumacher (Hg.) 1976), aber die darin enthaltenen Berichte und die Bibliographie weisen aus, dass seit 1970, also unmittelbar nach dem Erscheinen des Wörterbuchs von Helbig/Schenkel, intensiv an einem Pendant gearbeitet wurde. Die Wörterbucharbeit wird simultan begleitet von der Ausarbeitung einer Syntax durch Ul-
rich Engel, die im Sammelband als „vorläufige Fassung“ angeführt wird. Sie erscheint 1977 (Engel 1977). In Schumacher (Hg.) (1976) wird der Gärungs- und Klärungsprozess der Mannheimer Arbeitsgruppe in allen Einzelheiten präsentiert. Interne Kritik richtet sich u. a. an Ulrich Engels Auffassung über Dependenz als „gerichtete Konkomitanz“ und daran, dass Dependenz als äquivalente, nicht als komplementäre Relation der Konstituenz aufgefasst wird (Pape 1976). Der Valenzbegriff in dem dann im gleichen Jahr erscheinenden ‘Kleinen Valenzlexikon deutscher Verben’ (Engel/Schumacher 1976) wird „als Sonderfall der Rektion definiert. Valenz ist die Rektion von Teilen von Wortklassen“ (Engel/Schumacher 1976, 15) und damit auch nicht auf die Verben beschränkt. Allerdings hat das Verb eine bevorzugte Stellung, weil es „im (deutschen) Satz durchschnittlich die reichsten und vielfältigsten Verbindungen eingeht“ (Engel/Schumacher 1976, 18). Die vom Verb valenzbedingt abhängigen Glieder, die Ergänzungen, werden in neun Klassen geteilt: E0 (Nominativergänzung), E1 (Akkusativergänzung), E2 (Genitivergänzung), E3 (Dativergänzung), E4 (Präpositionalergänzung), E5 (Situativergänzung), E6 (Direktivergänzung), E7 (Einordnungsergänzung), E8 (Artergänzung), E9 (Ergänzungssatz). Die Kombinationsmöglichkeiten in Bezug auf unterschiedliche Verben führen zu den Satzbauplänen. Über den Aufbau des Lexikons und die Einzelheiten bei den Verbeinträgen unterrichtet Art.110. Hier sei nur auf die in anderen Grammatiken bis dahin nicht zu findende Ergänzungsklasse der Ergänzungssätze eingegangen. Es handelt sich dabei um Fälle wie Es heißt, dass dicke Menschen gemütlich sind, mein Bruder lässt den Wagen waschen und es gilt, den Preis zu gewinnen. Bemerkenswert ist, dass hierzu Valenzschichtungen angesetzt werden. Der Satz Vater lässt die Kinder das Zimmer aufräumen erhält folgende Darstellung: lässt
Vater
aufräumen
die Kinder das Zimmer
In einer Symbolschreibweise zeige sich, dass die Kinder als E0 zu aufräumen zu werten
168
II. Lucien Tesnie`re und seine Zeit
seien, aber als Akkusativ erscheinen. „Offenbar liegt eine Regel zugrunde, nach der innerhalb jeder E9 die entsprechende E0 in ein Akkusativelement transformiert wird. Wir schreiben deshalb korrekter“: V
E0
7.
V
E0
1
E1
(Engel/Schumacher 1976, 78 f.) Mit anderen Worten: Hier wird im Rahmen der Valenzlehre mit Transformationen operiert, eine Möglichkeit, die sich fast alle valenziellen Konzeptionen sonst entgehen lassen.
6.
semantischen Konzeptionen, der generativtransformationellen und der dependenziellvalenziellen, unter verschiedener Perspektive nun jedoch allmählich integriert (die erstere etwa in Abraham (1995) und die letztere bei Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997) und Eroms (2000)).
Zusammenfassung
Die Entdeckung des Wertigkeitsprinzips, bzw. die Rezeption der Valenzidee Tesnie`rscher Prägung in der deutschen Grammatik hat zu einer Neuorientierung und Neugestaltung grammatikologischer Auffassungen geführt. Dies vollzog sich simultan mit der Rezeption der generativ-transformationellen Grammatik, die in einer, für die Valenzlehre fundamentalen Weise, bei der grammatischen Tradition verblieb, ja diese geradezu noch radikalisierte, dass nämlich jeder Satz in zwei Grundkonstituenten zu teilen sei, eine vom Subjekt und eine vom Verb gesteuerte Komponente. Damit verbunden ist die Auffassung, dass jeder Satz ein Subjekt enthalten müsse. Zwar hat die sich außerordentlich rasch entwickelnde Valenzgrammatik nie den Formalisierungsgrad der generativ-transformationellen Grammatik erreicht, aber sie hat die bis in die Mitte der fünfziger Jahre in Deutschland herrschende inhaltlich deutende Grammatikschreibung innerhalb kurzer Zeit marginalisiert. Dass dabei auch wesentliche Einsichten in die semantische Struktur des Satzes verloren gegangen sind, ist ein Faktum, das wohl unvermeidlich war, wenn eine Grammatik auf klare, empirisch verifizierbare Prinzipien gegründet werden sollte. Die in den älteren Standardgrammatiken enthaltenen wertvollen Beobachtungen werden seit dem Innovationsschub der beiden großen
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169
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Hans-Werner Eroms, Passau (Deutschland)
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen Dependency. Basic Principles and Basic Issues 18. The Dependency Concept and its Foundations 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Introduction Companionship and dependency Definition of head and dependent; criteria and tests Arguments for heads at sentence level Special constructions Conclusion Select Bibliography “A grammar without heads is as misguided as a portrait-painting showing everything from the shoulders down.” (Hudson 1993, 289)
1.
Introduction
In the course of time, syntactic structures have been analysed partly according to two devices: dependency and constituency. Whereas constituency is a relatively recent phenomenon, foreshadowed by Wilhelm Wundt’s ideas on syntagmatic structures, dependency seems to be much older. The oldest ideas about it go back to Panini’s Sanskrit grammar. Obviously, dependency theory has its roots in an ancient tradition. But medieval Arabic grammarians seem to have made use of some concept of dependency, too. According to Owens (1988), Corbett/Fraser/McGlashan (1993, 3) and Hudson (1993, 270) they even applied it to establishing word order regularities. The latter claim, however, seems to have been exaggerated since cases were the primary interest of these Arabic grammarians. According to Croft (1996, 50) the first reference to heads by name that he is aware of is in Sweet (1891, 16). He also mentions the oft-cited passage of Bloomfield (1933, 195) as “the startingpoint of structuralist and generative theories of headhood”: If all of the syntactic constructions which go to make up a phrase are endocentric, then the phrase will contain among its ultimate constituents some word (or several words, members of a co-ordination) whose form-class is the same as that of the
phrase. This word is the center of the phrase. In the phrase all this fresh milk, the word milk is the center, and in the phrase all this fresh bread and sweet butter, the words bread and butter are the centers.
However, dependency was first elaborated and formalized systematically by the French linguist Lucien Tesnie`re (1959). He found followers especially in German-speaking circles (cf. e. g. Engel 1977; Vennemann 1977; Heringer/Strecker/Wimmer 1980; Tarvainen 1982; Eichinger/Eroms 1995; Eroms 2000; Weber 1997). Hudson (1984, 76) deplored the fact that only recently dependency had gained ground in the Anglo-Saxon linguistic literature, especially in Britain (e. g. Matthews 1981; Atkinson et al. 1982; Herbst et al. 1980). Earlier work had remained marginal. For quite some time now, the two strategies of constituency and dependency have been in competition with each other. On the other hand, one has observed a number of frameworks that combine the two devices, part-whole relations and head-dependent (⫽ head-modifier) relations respectively (with Baumgärtner 1970, Matthews 1981 and others as pioneers). Particularly important are theories such as X-bar theory, Government and Binding, and Generalized Phrase Structure Grammar, where heads play a clear, though maybe not an essential role (see below) except in Head-driven Phrase Structure Grammar. Anyway, we can say that at present, there is almost no grammatical framework that does not make use of the notion ‘head’. A number of linguists reject the combination of dependency and constituency and stick to pure dependency (Engel 1983; Eroms 1985; Hudson 1984, 1990, 1993; Hudson/Van Langendonck 1991; etc., see also below). In this chapter, I will focus mainly on dependency as such, and refer to constituency
18. The Dependency Concept and its Foundations
171
where deemed appropriate. Finally, I will limit the discussion essentially to dependency in syntax. More specifically, I will consider both dependents and heads as words, as in the classical literature. Dependency within morphology will not be dealt with here (cf., among others, Schultink 1988; Haspelmath 1992). It should also be pointed out that a headword can be a functional as well as a lexical word. This dichotomy appears to cut across most word-classes. For instance, both auxiliaries and main verbs can function as head depending on the construction. Both pronouns and full nouns can be heads, etc. As for the notation, I will adopt Hudson’s practice of indicating the relation between head and dependent by an arrow pointing to the dependent. Companionship will be shown by a simple line, indicating a merely symmetric relationship. The term ‘phrase’ will be used in a wide sense, encompassing dependency and companionship chains as well as constituents. N. B. I wish to thank Mark Van de Velde for his valuable comments and remarks, and an addendum on Hawkins (1994). Thanks also go to Pierre Swiggers for his critical reading.
does not suffice to characterize these (and surely most other) phrases more accurately. To mention just this: in (2a) we have an NP, in (2b) a sentence. The two constructions are obviously in need of more structuring. This can be obtained by adding the asymmetric relation of dependency to these chains. We then see that each of the constructions receives a series of arrows that go in the opposite direction:
2.
Companionship and dependency
Dependency is in fact a special case of companionship (German: Konkomitanz). Words that occur together may display a semanticsyntactic relationship sanctioned as companionship by the grammar. This relation seems to be the most simple syntagmatic relation possible. Consider the utterances: (1)
a. not very good tomatoes b. Take tomatoes with lettuce.
The minimum of structure we can assign to these word strings is companionship between words that belong together from a semantic and syntactic viewpoint: (2)
a. not
very good tomatoes
b. Take tomatoes with lettuce. Both phrases receive the same structure here, but simple intuition tells us they have not been sufficiently characterized in this way, i. e. this symmetric relation of companionship
(3)
a. not very good tomatoes b. Take tomatoes with lettuce.
In (3a) tomatoes is the head of good, which is head of very, which in turn is head of not. In (3b), on the other hand, take is head of tomatoes; this is head of with, and with is head of lettuce. All of these head-dependent syntagms can be formulated in more general terms that take into account word-classes. I will exemplify this criterion with the phrases in (1a & b). Adjectives depend on the accompanying nouns (good tomatoes), the adverb on the accompanying adjective (very good), the object on its accompanying verb or preposition (take tomatoes; with lettuce), the comitative preposition (together with its own dependent: with lettuce) on the accompanying noun tomatoes. We can easily see that the companionship analysis is included in the dependency analysis but that the reverse does not hold: the dependency analysis yields a more specific structure. This enriched analysis appears to be necessary in most constructions. I will come back to this later. Assuming for the time being that the dependency analysis of (3a & b) is a correct grammatical analysis (and that applying a constituent tree is unnecessary), we are still far from an exhaustive characterization since we have looked only at the general syntagmatic relations between the words. We should at least consider grammatical relations (subject, object etc.) and of course also a paradigmatic analysis in terms of word classes, etc. These will be the topic of later paragraphs. However, first a serious attempt should be made at explaining why the arrows should go in the direction indicated. In other words, we are in need of a definition of head and dependent, and hence of criteria and tests to find the head of a phrase.
172
3.
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
Definition of head and dependent; criteria and tests
In most recent constituency based grammars, head status is assigned to certain elements. However, as Hudson (1993, 266) observes, we should distinguish between the simple presence of dependency in grammars and its essential status in sentence structure. In most mixed frameworks, the head is indicated indirectly, either by the constituent structure (ccommand, etc.) or by features. Langacker (1991, 144), however, comes closer to a more relevant notion: “a head is properly described as the profile determinant at a given level of constituency”. In his Cognitive Grammar, the head can be a word or a constituent or even an affix. Hudson (1993, 275) draws attention to a confusion that should be mentioned in the present context: According to constituency theory, a word is the head of its mother phrase, but for dependency theory it is the head of the words that depend on it. For example, consider the sentence He lives in London. If we ask ‘What is in the head of?’, we get two quite different answers according to whether we are assuming constituency or dependency theory: it is the head of in London in the first case, and of London in the second. Conversely, if we ask ‘What is the head of in London?’, the constituency answer is in, while the dependency answer is (speaking rather loosely) lives.
Needless to say, it will be the dependency answer that is used here since I will concentrate on grammars where dependency is the primary structuring principle. An attempt will be made to consider dependency in a general way, more or less independently of specific frameworks. A caveat should be launched here. In the last decade there has been a tendency in linguistic typology to treat so-called universal categories (word-classes, grammatical relations and even dependency) as language-specific. This is particularly clear in William Croft’s Radical Construction Grammar (cf. Croft 2001; see also Dryer 1997). In the case of dependency the debate on headedness, for example between Zwicky (1985) and Hudson (1987), or among German scholars (Heringer (1993), Engel (1991), Eichinger/Eroms (1995), etc.) has tended to centre on the English or German language (both of them Germanic languages!). As Corbett/Fraser/McGlashan (1993, 5) put it: “There is much scope for reexamination of the arguments and issues in the
context of other languages … the head of a given construction may change from language to language …”. On the other hand, this relativism of Corbett et al. is partly inspired by Cann (1993), who works in the Government and Binding framework, but, as said before, already the simple mixture of constituency and dependency appears to lead to divergent conclusions. Nonetheless, it is imperative to be cautious about crosslinguistic syntactic generalizations. Croft’s (2001) general solution for the ubiquitous diversity in syntactic structures is to start from some general semantic properties and to see how they can be applied to a fine-grained analysis of language-specific constructions. With these ideas in mind and the starting point that dependency is essentially a relation between words, I will attempt to define the dependency relation as generally as possible. For crosslinguistic purposes, I will deal first with the semantic nature of dependency. Afterwards, I will try to find out how this relates to syntactic structure. Here, I will again have to limit myself mainly to English examples for practical reasons. To come to grips with dependency, we should realize that it can be viewed from two angles. This becomes especially clear from the terminology used for the dependent. The terms dependent and subordinate suggest a passive status. Other terms, like operator, modifier, specifier and complement, refer to the active status of the dependent. On the other hand, the prominent status of the ‘head’ can be read from this very term; its passive status from terms like operand and modified. I will take into account this insight in the discussion of the semantic and the syntactic structure. The semantic and syntactic criteria will lead to a semantic-syntactic test to identify head and dependent, viz. the question-word test. Armed with these criteria and tests we may be able to cope with a few controversial dependency relations, such as [determiner ⫹ noun], [auxiliary ⫹ verb], [complementizer ⫹ finite verb]. 3.1. Semantic structure Let me first make clear that with ‘semantic structure’ I am not referring here to the opposition between functor (function) and argument. It has been argued by Hawkins (1983; 1984) that this dichotomy does not coincide with the head-dependent relation. What is more, the function-argument relation
18. The Dependency Concept and its Foundations
173
has appeared to be inadequate to capture crosslinguistic word order generalizations. Only the head-dependent relation seems capable of that to a certain extent (though see Hawkins 1990, 1993, 1994, and see below). I will now look at the defining semantic criterion of the head-dependent relation, keeping in mind the active and the passive side of it.
whole construction refers to a hyponym of what the head refers to. For instance, good friends is a kind or subtype of friends: good modifies friends; hence, the last one is the modified. To make the latter property more general and thus applicable to all constructions, including, e. g., the determiner-noun combination, we will have to make an adjustment. For instance, it does not make much sense to say that, e. g., this book refers to a kind of book, let alone a kind of this. Let us therefore widen the criterion as follows: the whole construction refers to an instance of what the model, i. e. the head, refers to, thereby applying Hudson’s paradigmatic notions instance and model (Hudson 1990, 35) to the syntagmatic dependency relation. In this way, we can much more easily accommodate the most diverse constructions, like e. g., knocking once, which we can now say refers to an ‘instance’ of knocking, not a ‘kind’. Likewise, we can now easily analyse NPs like one book, a book or the book as instances of ‘book’ (see also below).
a) On the active side of the head, we can hold that the head says what the composite concept of head plus dependent is about. The dependent is the accessory companion. Its occurrence depends on that of the more prominent, the superordinate element, i. e. the head. The head is semantically required, the dependent is optional. The term ‘head’ suggests this active status, while the term ‘dependent’ points to its passive status. Consider the phrase not very. The phrase very shows that the whole concept is about a degree. While the phrase very good tomatoes makes sense, *not good tomatoes does not and is even ungrammatical. Of course, it is still possible to say no good tomatoes, where no modifies good. But then something else is asserted. Mutatis mutandis, the same goes for the other phrases. For example, it is possible to say tomatoes with lettuce, but this is about tomatoes only, and not about taking tomatoes, as in (3a). The head creates a semantic syntagmatic slot that allows for specific semantic fillers. This is particularly clear in the case of verbs, since the verb (often polysemous) establishes which semantic roles can go together with it (see especially Tarvainen 1987). For instance, in the sentence Peter bought us a drink, the word Peter is the agent, a drink the patient, and us the beneficiary of the verb bought. b) On the passive side of the head, we can establish that it is modified by the dependent. Hence, terms like modifier, specifier, operator are used for the dependent, and modified or operand for the head. Indeed, it is common to state that the dependent modifies its head in a syntagmatic way, i. e. it makes the head into a subtype of a superordinate type. This squares well with Croft (2001) adopting the crosslinguistic semantic property of ‘modification’ (a notion well-established since the 18th century). According to Hudson (1990, 106) the essence of a head-dependent relation appears to lie in the fact that the
3.2. Syntactic structure On the syntactic side, the superordinate, prominent character of the head appears to be the most conspicuous element. Nevertheless, the dependent shows its active side as well, but the two sides are so much interwoven here that I will refrain from making a sharp distinction. As reflexes of the semantic criterion, several morphosyntactic criteria have to be mentioned. 1) Category constancy Vennemann (1973; 1974) introduced the criterion of ‘category constancy’. It says that the category of the head determines the category of the syntagm that results from adding a dependent to that head, so the whole syntagm has the same syntactic status as its head (but see Hawkins 1993). This was already implicit in the labeling of higher nodes in constituent structure. For instance, a verb phrase is a syntagm headed by a verb; a noun phrase is a syntagm headed by a noun, etc. This property of heads is closely related to the criterion that the head determines the external relations of the whole syntagm. 2) The head determines the external relations Hudson (1990, 106) states: “The external syntactic relations of C [a construction] are all due to the properties of H [the head]: C can
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III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
be used as it is used because H is the kind of word that allows this”, i. e. the head is the word which is ‘distributionally equivalent’ to the construction (Zwicky 1985; 1993, 297). It appears that ‘distributional’ may have to be interpreted as ‘functional’. For instance, the phrase not very good tomatoes in (3a) can act as a subject because the noun tomatoes can: (not very good) tomatoes were served. 3) The head is the obligatory companion In sentence (3b) it is possible to leave out the dependent with lettuce, but not tomatoes, compare: take tomatoes vs. *take with lettuce. However, we should be cautious about cases of ellipsis. As Zwicky (1993, 297) points out: With respect to its internal syntax, the Head is the required element in a construction, even an Argument ⫹ Head construction, ‘required’ in the special sense that without this element the construct is elliptical; the Verb Phrase turkey in I ate chicken, and Kim turkey is missing its Head Verb, and is grammatical but elliptical. A Dependent is syntactically ‘accessory’, in the sense that without a Dependent a construct is simply of a different type; the Verb Phrase walked in Kim walked lacks a Dependent, but is simply an intransitive, rather than an elliptical transitive.
Sometimes, the same syntactic pattern may allow or not for ellipsis according to its morphological characteristics. The Dutch pattern [adjective ⫹ noun] allows for ellipsis almost only if it contains an adjective that can have the ending -e, compare (4, with ending) and (5, without ending): (4)
Er zijn mooi-e popjes. / Er zijn mooi-e. ‘There are nice dolls.’ / ‘There are nice (ones).’
(5)
Er zijn houten popjes. / *Er zijn houten. ‘There are wooden dolls.’ / ‘There are wooden (ones).’
4) The head creates a valency structure The head creates a valency structure, i. e. it allows certain modifiers and not for others. As in the case of the semantic roles, this is particularly true of verbs. As Tesnie`re (1959) put it, a verb has some specific, lexical valents (actants, i. e. subject and complements) and some more general valents (circonstants, adjuncts). From the syntactic viewpoint, the verb bought in the sentence Peter bought us a drink has a subject slot filled by Peter, a direct object slot filled by a drink, and an indirect object slot filled by us. In principle, ad-
juncts (often adverbials) can be added to any verbal structure, as in: Yesterday, Peter bought us a drink in a restaurant. Other word-classes can show a lexical valency as well, e. g. adjectives. The (predicative) adjective worth has a subject and a complement, as in: This is worth it. In this valency criterion, a passive aspect can be discerned: the syntactic fillers determine the structure of the clause, albeit together with the verb. In this sense, we are to understand that the verb is the ‘subcategorizand’, i. e. it is subcategorized by its lexical valents. 5) The head is the governor As a consequence of the preceding property of heads that they are responsible for valency, the head governs its dependent, i. e. it determines the morphosyntactic form of its modifier. Again, this is especially clear in the case of verbs, but obtains for other wordclasses as well. For instance, the German verb helfen ‘to help’ takes the dative case, as in einem helfen [somebody-DAT help] ‘to help somebody’. The German preposition aus also takes a dative, as in aus einem Buch ‘from a book’. 6) The head is the morphosyntactic locus The head is the morphosyntactic locus, i. e. it is the element that exhibits morphosyntactic properties such as inflections belonging to the head-dependent chain as a whole. Thus, the head verb eats in the verb phrase eats fish in Kim eats fish exhibits in its suffix the present-tense property of the VP as well as the third person and singular number properties that belong to this phrase (Zwicky 1993, 298). N. B. We should ask the question here whether the head also determines agreement (concord). As Hudson (1987; 1993) argues, although “agreement generally involves a dependent and its head”, it is not a valid test for headship: Agreement does not tell us which of the linked elements is the head and which the dependent, in spite of the widely held assumption that the dependent always agrees with the head. Rather, I claim that the relevant generalization is much simpler than this: the element which determines the agreement is the one which is a noun, because this is generally the one whose semantics and syntax fix the values concerned. For example, in They are coming, the plurality of the subject is fixed by its meaning, so
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it determines the number of the verb, rather than vice versa. (Hudson 1993, 290⫺291)
Note that in the above cases, it is impossible to substitute the head for any WH-word in a normal question. For example, replacing the head in (6a, b, d) would yield the ungrammatical sentences: *What Kevin Ann?, *What Kevin stopped? and *What Paris does she live? respectively. This turns the questionword test into an easy means for identifying the head in a given dependency pair. That not every case can be accounted for in terms of the WH-test is illustrated by the impossibility to replace the negation not by a WH-word (see also below). But here, we could use the criterion of obligatoriness. Above, it was already indicated that in the phrase not very good tomatoes we can leave out not, but its head very must remain, compare: very good tomatoes vs. *not good tomatoes.
Indeed, according to other tests (e. g. the WH-test, see below), the subject is not the head of the accompanying verb. 3.3. The question-word test (WH-test) The above semantic and syntactic characterization can provide us with a semantic-syntactic test: the question-word test (WH-test). Since a dependent element is supposed to modify or specify its head, it must be possible, in a given head-dependent pair, to replace the dependent, but not the head, by an appropriate question-word. Disregarding echo-questions (where everything is possible) and sticking to normal WH-questions consisting of one clause, we can apply this test in prototypical and even in more marginal cases (probably in most languages). In other words, if in a normal question-word sentence the replacement of some companion or other by a WH-word yields an acceptable sentence, this companion will be a dependent, i. e. a word that modifies another. By contrast, the companion that resists such a WH-question formation will be the head. To be able to apply this criterion more generally, we may sometimes have to use an attributive WH-word accompanied by a general term instead of a simple WH-word (as in 6b, d, e, f, j). Here are some examples (where the dependents have been italicized): (6)
a. b. c. d. e. f. g. h. i. j.
Kevin loved Ann. ⬍ Kevin has stopped. ⬍ She lives in Paris. ⬍ in Paris ⬍ good books ⬍ few pages ⬍ some girl ⬍ this distance ⬍ that far ⬍ years ago ⬍
3.4. Some controversial dependency relations In the following I would like to go into a few controversial dependency relations, such as: [auxiliary ⫹ verb], [determiner ⫹ noun], [complementizer ⫹ finite verb], asyndeton, apposition and coordination. 1) Auxiliary ⫹ Verb Ever since Pullum and Wilson (1977), at least conjugated (tensed) auxiliaries have tended to be considered as real verbs that have the so-called main verb (infinitive or past partici-
Who loved Ann? What has Kevin done? Where does she live? In what city (does she live)? What kind of books (does she read)? How many pages (have you written)? What girl (did you see)? What distance (did he cover)? How far (did she go)? How long ago (did it happen)?
To achieve uniformity, we could generalize the insertion of a general term to the other phrases, e. g. for (6a) we could put the question: ‘Which person loved which person?’. A good heuristic is to work bottom-up, i. e. to start from the smaller phrases to end up with the whole clause. For instance, first we ask the question in what city?, answered with in Paris; only then should we ask where does she live?, answered with she lives in Paris, and so on.
ple) as their complement, and not vice-versa. Indeed, the authors’ evidence is corroborated by the WH-test, which equally indicates that the auxiliary is the head; compare (6b) Kevin has stopped ⬍ what has Kevin done? Zwicky (1993, 305) argues that for combinations of an auxiliary verb with a complement verb phrase, the characteristics of the head are split between specifier and specified. However, let us look at his arguments. He agrees that auxiliaries are morphosyntactic
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loci (of tense, person and number), and certainly government triggers, since each auxiliary requires a particular verb form as its complement (infinitive, present participle or past participle). According to a few other criteria the picture is claimed to be different. Zwicky (1993, 304) claims that the meaning of will sing is a subtype of the meaning of sing. But it is not inconceivable to argue the opposite, i. e. that the whole phrase is about a future situation. Zwicky also claims that auxiliaries are not ‘required’: “for the most part, English clauses do not have to have an auxiliary to be well formed (though there are special clause types, like the inverted type in Do you love me?, that do)”. In my view, this is a fallacious argument. What is relevant is not the fact that in many clauses there are no auxiliaries, but rather that they cannot be omitted in the constructions in which they figure. Although in English this may not be so clear because of its poor morphology, there are enough cases where it obtains, compare: She has given me this vs. *She given me this. Zwicky (1993, 304) also contends that auxiliaries are not external representatives: The distribution of a Verb Phrase like must rain a lot in Seattle or is raining here is predictable not from the properties of modal must or progressive be, but from the properties of their Complements, both of which have the weather verb rain as their Head.
No example of an external property is given here. However, it seems to me that both of these VPs can be turned into a subordinate clause thanks to the very presence of the auxiliaries, compare: (7)
a. It is obvious that it must rain … / is raining here. b. *It is obvious that it rain … / raining here.
It seems that many of the objections raised by Zwicky come from the fact that he uses such unnecessary concepts as functor and functee, and also that he argues the dependent is a whole phrase rather than a word. Last but not least, he does not always take into account relevant differences between constructions. 2) Determiner ⫹ Noun [D ⫹ N] As to the pair [D ⫹ N] I should point out first that according to Dryer (1992) the category of determiner is far from universal.
First, most languages have no articles. Second, where they exist, they cannot always be accommodated in the same paradigm as demonstratives, possessives, etc. Even in Indo-European languages this may be the case. Italian has structures like la mia mamma ‘(the) my mommy’. In Swedish the definite article may be suffixed, as in flicka-n ‘the girl’. If a noun is accompanied by an adjective, the suffix is preserved, but another article with word status is preposed, as in: den stora flicka-n ‘the big girl’. Indeed, crosslinguistically, articles tend to show a different ordering behaviour than demonstratives (Dryer 1992). So what I will say about determiners is valid essentially for [demonstrative ⫹ noun]. Only in languages like English can it be applied to the whole determiner category. Abney (1987) was the starting-point for the so-called DP analysis; i. e. instead of speaking of NPs, Abney claimed we should speak of determiner phrases (DPs) since the determiner was the head in the phrase [determiner ⫹ noun]. Ever since, this has remained a moot point. The thesis that determiners are heads in this pattern was put forward, among others, by Corver (1990), Hudson (1990) and Hewson (1991). Eroms (1985, 316; 1988) also seems to be in favour of this idea, but after some discussion, prefers to regard the article as a kind of prefix (Wortteil ⫽ ‘part of a word’). A reaction to such claims is to be found in Coppen (1991), Van Langendonck (1993; 1994), and a number of other works. Applying the WH-test to [demonstrative ⫹ noun] results in a question where only replacing the demonstrative with a WH-word yields a well-formed interrogative sentence, as in: (6h) this distance ⬍ what distance (did he cover)? Thus, this distance is an instance of distance. By contrast, it remains hard to see how we could look upon the referents of phrases like these and also others like one book, a book, the book as instances of this, one, a and the respectively. According to this criterion, in a [D ⫹ N] pair, N is to be regarded as the head, not as the modifier, i. e. not as the complement of D. Hudson (1990, 271) exploits the criterion of external syntactic relations in respect of determiners: “The determiner is the locus of many properties which are crucial to the whole phrase’s distribution ⫺ negation (no student), …, definiteness, number (these students, some sheep), distributivity (every student)”. However, this is not obvious. Take,
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for example, every. I cannot say *They distributed every street, but it is fine to say They distributed every book, because individual copies of a book can be made, so the noun seems to determine the combinability with the verb distribute rather than the quantifier. As to negation, if the negative particle were the head of the NP, why then not in not enough or in no different? But few may want to go that far. Finally, it is not clear why the ‘wh-ness’ of certain determiners is not deemed relevant to headship. In connection with NPs, it is worthwhile to look at proper names, an often neglected source of evidence. With proper names, definiteness and number (singularity) are inherent, and hence, determiners are rather marginal: the prototypical proper name even lacks an article; possible determiners are either fixed or optional, depending on the subclass of the proper noun; moreover, only a limited number of determiners is allowed (unless the name is appellativized as in another John, cf. Van Langendonck 1999): (8)
London, (that) (stupid) John, the Sahara (vs. this hell of a Sahara), It. la Callas, Germ. (der) Johann, etc.
This strongly suggests that the proper name lexeme and not the determiner is the head of the proper name phrase. If we want to save the criterion of external relations, it seems to me we should rather look at phenomena that relate to what we normally call valency, viz. the relation of the phrase, and thus of the head, to grammatical functions and the like: how does the putative head relate to subject, complement and adjunct valency, to genitivization, to vocativization, etc.? I take one example: genitivization (and refer for the others to Van Langendonck 1994). It is interesting to see that in both English and Dutch the ’s genitive is made possible by the noun, not by the determiner, because even used substantively, the determiner cannot take ’s (though some inherently substantive pronouns can), compare: (9)
a. those women’s boyfriends, any men’s money b. women’s boyfriends, men’s money c. *those’s (women) boyfriends, *any’s (men) money d. mijn moeders jurk ‘my mother’s dress’ e. moeders jurk ‘mother’s dress’
f. *dezes jurk ‘this one’s dress’ g. ieders gebreken, everybody’s faults, anybody’s money This again indicates that the noun acts as head of the combination [D ⫹ N] (see also Payne 1993, and below). Finally, the similarity between [D ⫹ N] and [Aux ⫹ V], adduced by Hudson (1990, 271; Zwicky 1993, 305⫺306) is far from obvious. It is true there is a similarity that resides in the ‘grounding’ function of determiner and auxiliary (cf. Langacker 1991, chapter 3): the determiner grounds the referent in spatial proximity to the speaker, the auxiliary grounds the event in temporal proximity to the speaker. However, according to Davidse (1997, 415) the grounding of the clause also depends on the subject. Indeed, both (definite) determiners and (definite) subject NPs are grounding elements and can be topical. So it seems there is a greater similarity between [determiner ⫹ noun] and [subject ⫹ verb]. This is corroborated by the comparison of sentences with their nominalization, compare: They destroyed the city with their destruction of the city. 3) Complementizer ⫹ Finite Verb Subordinating conjunctions can be simple functional complementizers like that or they can have lexical content like because, since, etc. In terms of dependency they have in common that they have a finite verb as complement. A similar situation is found with adpositions: they may be purely functional (as in certain uses of of) or they may be lexical (as in before, after). Obviously, there is some semantic similarity between them. Many words can be used both as preposition and as subordinating conjunction, e. g.: (10) a. Before/After her arrival (she was poor). b. Before/After she arrived (she was poor). In both cases the main idea concerns a temporal sequence (from when to when?). Therefore, if we recognize the adposition as the head of a PP (cf. Zwicky 1993, 306), there is no reason not to do so for the subordinating conjunction. The WH-test confirms this. For both before/after-sentences we can set up the question: before/after what time was she poor? Already Jackendoff (1973) argued convincingly that subordinating conjunctions and
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prepositions form a single grammatical category (see also Vincent 1993, 163). Crosslinguistically, adpositions, complementizers and subordinating conjunctions behave in the same way as verbs concerning the order of the accompanying complement (Dryer 1992). Hence, there is no reason to consider constructions such as in (10) exocentric, let alone to treat the adposition or the conjunction as the modifier. 4) Asyndeton, apposition and coordination In constructions like asyndeton and loose apposition there is no reason to see any dependency since an asymmetric relationship is lacking. Therefore, we can use the device of companionship, as in:
(13) a. [[John] and [Peter or Mary]] (will do it). b. [[John and Peter] or [Mary]] (will do it). Indeed, the WH-test suggests there is no dependency involved here since no normal question-word formation concerning the conjunction appears to be possible. A solution to the problem of (at least) sentential coordination is proposed by Eroms (1985, 310) for German. He introduces a sentential marker that heads the finite verb, or as in (14), the modal adverbial or negation. This sentential marker is equated with the punctuation mark (assertion, question, imperative) and is considered a word-equivalent. If a coordinating conjunction precedes, it heads this sentential marker, e. g.:
(14) denn ¿˙ S ¿˙ vermutlich ¿˙ ist ¿˙ das (richtig) for S presumably is that (right) For, presumably, this is right. (11) Veni, vidi, vici. (12) Johnson, the doctor / the doctor, Johnson The case of close apposition seems to be a moot point. In patterns like the City of London it seems plausible to look upon City as the head of of, and of as the head of London, although not much sense is to be found in this use of of. For this pattern and for the pattern the poet Burns the WH-test indicates the apposition as dependent, compare: ‘What city / What poet are you talking about?’ Things become more difficult where no article is present, as in: President Bush. According to the obligatoriness criterion Bush should be the head, but this contradicts the WH-test (‘what president?’; *‘what Bush?’). A solution could be to consider close appositional structures as headless, just like loose appositional structures. We cannot go into this any further here. Coordination is a moot point as well. Hudson (1984, 211⫺240) argued in favour of applying phrase structure in the case of coordination. This distinguishes it clearly from subordination, where dependency is relevant. Moreover, it appears to have certain advantages for the analysis of sentences. The main reason for adopting a kind of constituent structure for coordination lies in the fact that such strings as John and Peter or Mary (will do it) are ambiguous. This ambiguity can be removed only by bracketing, compare:
This seems to solve at least two problems: first, we can entirely dispense with constituency; second, we get rid of the problem of sentence adverbials (modals), which seem to modify a whole clause, an undesirable situation in a dependency framework (see also below). A problem with Eroms’ analysis is that it is hard to be falsified: the above criteria can hardly be applied, although the word-equivalent ‘S’ is not an empty category since ‘S’ is a kind of intonation morpheme, a suprasegmental sign (cf. also Eroms 2000). Further, it is unclear to me how the ambiguity in such NPs as in (13) should be solved in Eroms’ analysis. So it seems that coordination must continue to be treated in terms of constituency.
4.
Arguments for heads at sentence level
It will be clear from the above that the notion ‘head’ is an essential category in syntax (and semantics) since it brings together a number of phenomena as described above: modification, hyponymy, subordination, category constancy, valency, government, subcategorization, morphosyntactic locus, etc. This in itself provides us already with an argument for the establishment of ‘head’ as a valid grammatical concept. In the following, I would like to focus on valency, i. e. grammatical relations, and some
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other phenomena that can be accommodated by a dependency theory, i. e. a theory that takes heads seriously at sentence level. Word order can partly be accounted for by dependency. I will also point out that, in certain essential respects, dependency exhibits more psychological reality than constituency and is better suited for the analysis of early child language.
We can distinguish two major subclasses of relator: coordinative and subordinative relators. The latter further subdivide into predicative and non-predicative relators. Coordinative relators include coordinating conjunctions, as in John and Mary. Predicative relators are verbs and other predicates, as in John loves Mary. Non-predicative relators include adpositions (pre- or postpositions), subordinating conjunctions and certain particles, such as the comparative particle than. Note that in Eroms’ (1985) framework both subordinating and coordinating conjunctions would be relators with a complement, so all relator constructions could then be regarded as subordinating. Usually, only non-predicative relators are explicitly recognized as relators, but in my view it is important to broaden the definition of relator so as to include the three categories mentioned (coordinative, predicative and non-predicative relators; compare Eroms 1985, 319, mentioning only prepositions as ‘semantic relators’).
4.1. Grammatical relations In a dependency grammar, grammatical relations can be considered as a specific kind of dependents. On the syntactic side, we can accommodate subjects, complements (objects etc.) and adjuncts as syntactic dependents. On the semantic side, we find semantic roles like agent and patient, etc., as semantic dependents. On the basis of English syntax, the X-bar analysis (Government and Binding) introduced another relation, that of ‘specifier’. However, as Hudson (1993, 290) points out, this notion is unclear and ill-defined in GB theory. For some, the typical specifier is a degree expression, for others the subject. For Chomsky (1986, 3) the subject is the specifier of the VP, for others it is the aspectual auxiliary or even the ‘floated’ quantifier all. 4.1.1. Relators In my view, the notion of specifier (or: attribute) need not be removed from the grammar provided we introduce the category of ‘relator’, but in such a way that verbs (with complements) are included into the relator constructions. A relator can be defined as a free or bound morpheme that has basically two syntagmatic slots (relata) in its semantic-syntactic structure such that the relator defines a specific semantic-syntactic relation between the two relata. The first relatum is more prominent pragmatically; it is also more general in nature, has a freer position in the sentence and can sometimes be dropped. The second relatum is usually syntactically obligatory and has a fixed position because it has a tighter semantic-syntactic bond with its relator (Van Langendonck/Swiggers/Van de Velde, to appear). For example, in a sentence like John is in London, where the preposition in is the relator, John the first relatum and London the second, London has a fixed position immediately after in, whereas John does not immediately precede the preposition.
(15) John and Mary (16) John loves Mary. (17) The girl (is) in the garden. What is important in the present context is the subordinative relators. The two relata of subordinative relators are hardly interchangeable because of the clearly asymmetric relationship between the two. Especially with predicative relators, the first relatum is more prominent in the unmarked situation. I distinguish two types of subordinative relators. With predicative relators, which are mostly verbs, the first relatum functions as the subject of the verb. With non-predicative relators the first relatum is either the relator’s head or the subject of the predicate of a clause. In both types, the second relatum has a tighter bond with its relator. In my view, it functions as a complement and is hardly omissible. I would like to go one step further here, claiming that a complement is the second relatum in a subordinative relator construction. Examples of non-predicative relators are to be found in (18): In (18a) the preposition in heads its object (the) garden. In (18b) the preposition before heads its object (his) departure. In (18c) the subordinating conjunction before heads its complement (he) left. In (18d) the comparative particle than heads its object Alice. The first relatum is either the relator’s head (18a,
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b, c: girl, excitement, did ) or the subject of the clause’s predicate, as in the comparative sentence (18d: Kevin):
changes: adpositions without an object are called adverbs, e. g., before in She did it before.
(18) a. the girl in the garden 1st Rum Ror 2nd Rum b. the excitement before his departure 1st Rum Ror 2nd Rum c. He did it before he left. 1st Rum Ror 2nd Rum d. Kevin is taller than Alice. 1st Rum Ror 2nd Rum
4.1.2. Adjuncts and attributes; subjects Having defined complements as the second relata of subordinative relator constructions, we can now define adjuncts and attributes (specifiers), and also subjects. Except for relata, relator heads can have other modifiers; these can be seen as adjuncts. As is well-known, it is especially verbs that have adjuncts (adverbials); but other relator heads can have adjuncts as well, e. g. just is not a relatum, but an adjunct of the preposition before in the pattern just before dinner (see also Eroms 1985, 319). As is also well-known, it is not always easy to distinguish adjuncts from complements (cf. especially discussions in German works on dependency; compare also Hudson 1990, 232⫺ 238). For instance, manner adverbs and certain adpositional modifiers of verbs seem to occupy an intermediate position in between complements and adjuncts. Attributes (specifiers) can now be defined as dependents of words that are not relators, as in the following English patterns, which display the order attribute-before-head, e. g.:
A predicative relator has the subject of the predicate as its first relatum and (again) a complement as its 2nd relatum. In case a verb has several complements, we have to do with more than one ‘second’ relatum (cf. 19a). The prototype of a predicative relator is a transitive verb. Predicative relators refer to all sorts of verbal categories (including auxiliaries, modal verbs and copulas), as well as predicative adjectives as in She (is) worth it. As 2nd relata of main verbs we consider not only direct objects as in (16), but, for instance, also indirect objects (19a) and prepositional objects (19b): (19) a. It cost me that. b. She looked after him.
(21) determiner ⬍ noun: predeterminer ⬍ demonstrative: numeral ⬍ noun: adjective ⬍ noun: family name modifier ⬍ noun: nominal modifier ⬍ noun adverb ⬍ adjective: adverb ⬍ adverb: compounds: Auxiliaries and modal verbs have another verb as their complement, as in: (20) a. Mary has arrived. b. Ann must go. where to have displays its participial complement, and must its infinitive complement. We can conclude that not only transitive, but also intransitive verbs are relators provided they have a complement. Even a verb such as to rain can have a so-called internal object, as in: It’s raining cats and dogs. Still, it is possible that some verb or other lacks any complement, and hence, is no relator. The same situation obtains for adpositions, but in this case the terminology
that town all those three plants nice girl, red cap the Everard Brothers a London shop extremely intelligent very well, not quite broomstick, furniture shop
That the pattern [adjective ⫹ noun] figures among the non-relator constructions, contradicts Langacker’s (1987, 216) claim that adjectives are ‘relational’. In my view, they do not function as relators since they do not combine two relata. Kleiber (1993, 121) levels a similar criticism, observing that the socalled landmark is never expressed here. Indeed, why should we posit categories that are always empty? At least in this case, there seems to be no reason for that. The subject, finally, cannot be seen as an attribute (specifier) since it is the first relatum of a verb. In contrast with other first relata, the subject depends on its relator instead of heading it, compare:
181
18. The Dependency Concept and its Foundations
(22) John loves Mary. vs. somebody from London Indeed, it should not come as a surprise that the subject must be seen as a special kind of dependent of the verb, as is also evident from its other characteristics. 4.2. Word order The fact that there is no direct connection between dependency and word order, appears to be an advantage. When we look at languages with less fixed word order, this becomes obvious. Consider the following Latin sentence from Vergil (Michael Covington, http://www.ims.uni-stuttgart.de/⬃nobi/compl ing/dg-faq.html):
much less to poetic utterances, especially in languages with cases, where the role of syntax is reduced. ii) In his earlier work, Hawkins (1983; 1984) was arguing that languages display cross-category harmony based on the ordering of head and dependent. This is true of a number of languages. Japanese, Turkish and Tamil are examples of the basic order modifier-before-head, while others show the reverse order: Welsh, Tagalog, and quite a few Semitic and African languages show head-beforemodifier as their unmarked order. However, Dryer (1992) found that there is a significant correlation between the basic order of verb ⫹ object, verb ⫹ subject, adposition ⫹ object, copula ⫹ verb, want ⫹ VP, tense/aspect auxiliary verb ⫹ VP, complementizer ⫹ S, adverbial subordinator ⫹ S,
(23) ultima Cumaei venit iam carminis aetas last (nom.) Cumean (gen.) has-come now song (gen.) era (nom.) Since in almost all constituent frameworks the tree at once indicates word order it would be hard to impose a constituent tree on this sentence, in which the phrases (NPs in this case) have been torn apart. In a dependency framework, serialization rules must be formulated in a separate component. This, however, does not prevent dependency from being relevant to word order. Languages can and mostly do exploit dependency to order their meaningful elements, especially in unmarked syntactic structures. There are at least two principles that link word order to dependency: the adjacency of head and dependent, and the placement of the dependent with respect to its head. i) Simple adjacency (Hudson 1984, 98 ff.) (or: principle of head proximity, Rijkhoff 1992, 229) is the principle according to which a modifier is put as close as possible to its head. For instance, objects tend to accompany the verb they depend on, adjectives the governing noun. Of course, the modifier may be separated from its head by other modifiers of the same head, compare: (24) She liked those three nice little wooden dolls. where the modifiers of the noun dolls are as close as possible to the noun. As one will have gathered from example sentence (23) the adjacency principle applies
noun ⫹ genitive, noun ⫹ relative clause, adjective ⫹ standard of comparison, verb ⫹ PP, verb ⫹ manner adverb, and a few marginal constructions. By contrast, he did not find any correlation between the order of verb ⫹ object and the order of other pairs like: adjective ⫹ noun, demonstrative ⫹ noun, intensifier ⫹ adjective, negative particle ⫹ verb. One of several possible explanations for this crosslinguistic word order split was formulated by Dryer (1992, 106) as the Head Complement Theory (HCT): Verb patterners are heads and object patterners are complements. That is, a pair of elements X and Y will employ the order XY significantly more often among VO languages than among OV languages if and only if X is a head and Y is a complement.
As Dryer argues, at first glance, complements look like the right subclass of the class of dependents to account for the data: none of the dependents in the noncorrelation pairs is a complement: “all of them ⫺ adjectives, demonstratives, intensifiers, negative particles, and tense/aspect particles ⫺ are attributes or adjuncts” (Dryer 1992, 106). By contrast, the object patterners of the correlation pairs seem to be complements. In Dryer’s view, not all of the purported complements appear to exhibit real complement status: manner adverbs, adpositional modifiers of verbs, standards of comparatives, relative clauses. The status of the genitive is considered unclear.
182 As to comparatives and relative clauses, an important point should be made. According to Dryer (1992), neither the comparative marker (Eng. than) nor the relative pronoun (Eng. who, that, which) are deemed essential. The comparative marker is even ignored explicitly (p. 92, 108). However, it is obvious that both comparative and relative markers have complements, but not the comparative adjective and the antecedent of relatives. The main problem remaining for the HCT is the placement of the subject. However, in view of the preceding discussion on kinds of dependent, it becomes relatively easy to accommodate the basic order of languages like English. Languages like English display the canonical order of ‘relator in the middle’ in relator constructions (at least those in which the relator has word status). As a general principle we find it already in Dik (1983, 274): “the preferred position of a Relator is in between its two relata” (but note that Dik did not include the verb in his list of relators). In other patterns English shows modifier-before-head, i. e. attributebefore-head, as was exemplified already in (21). Adjuncts of verbs are freer in their positioning; they may join complements (as do manner adverbs and sometimes adpositional modifiers and other adverbial phrases), or they may be put at the beginning of sentences as scene-setters (many adverbial phrases), or they may directly precede a verb, as in: The postman always rings twice. Hudson (1993, 271) wonders whether there would be any languages in which all adjuncts consistently follow their heads and all complements precede theirs. In view of the gradual transition of complements into adjuncts (see above), this seems unlikely. As to the subject, it is the first relatum of the verb, and therefore, it is to be expected that it precedes so we get the canonical order SVO. As to the genitive in English: the Saxon genitive precedes the noun since it is a determiner (e. g. Mary’s clothes); the prepositional genitive follows the noun since we have a relator construction with the prepositional relator in the middle (e. g. the corner of the table). The treatment of English as a head-beforemodifier language (see especially Hudson 1984; 1990; 1993, 270) leaves unexplained why so many patterns do show modifier-before-head. By contrast, if we start from the order modifier-before-head as the default (cf. 21), the order of other basic patterns can be
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
explained by the principle ‘relator in the middle’. The head-first phenomenon can then be seen as a side-effect of the fact that this iconic principle automatically leads to the head-first order except for the subject (see the sentences in 22). The head-first thesis has also been inspired by the fact that relator constructions yield a lot of patterns thanks to the verb’s acting as a relator. However, frequency should not automatically be an indication of default order. Explanatory adequacy should have priority. Indeed, there must be an explanation for the great crosslinguistic split discovered by Dryer (1988; 1992). This has been provided here by distinguishing between complements and attributes, whereby complements form part of a relator construction. In languages like English, the principle of ‘relator in the middle’ appears to be relevant. For languages like Dutch, a similar explanation can be given, with the proviso that it is not as pure a relator language as English: verbs have still their complements in front of them, except the finite verb in the main clause (see Van Langendonck/Hudson 1985). Something similar could be said about German. It may be interesting to note that the situation in English (and partly Dutch and German) is not the only possible split. There are languages in which things seem to be reversed: modifier-before-head in relator constructions and head-before-modifier in attribute patterns. For instance, we have SOV and postpositions, but noun-adjective and noun-genitive in unrelated languages like Galla (East-Cushitic) and Aranda (Australia) (source: Hawkins 1983). Dryer’s (1992) explanation of the great split in terms of his Branching Direction Theory is based on constituency, but appears to be flawed in a number of respects (cf. Van Langendonck/Swiggers/Van de Velde, forthcoming). Finally, the question can be raised in how far the dependency model is compatible with parsing models. Naturally, there will be no problem with parsing models that were set up in view of a dependency framework, like Fraser (1993). Hawkins (1994) abandoned his earlier ideas on the relation between word order and dependency and replaced them by his Performance Theory. This theory is based on the EIC (Early Immediate Constituents) Principle, which states that languages prefer the word order that allows the hearer to recog-
18. The Dependency Concept and its Foundations
183
nize the Immediate Constituents of a Mother Node as early as possible. The word early appears to be a bit misleading here, since EIC predicts that the Immediate Constituents of a sentence in left-branching languages such as Japanese should be recognized as far to the end of the sentence as possible. It would be more accurate to say that the Immediate Constituents of a Mother Node should be recognizable in a series of as few adjacent words as possible. Anyway, the human parser recognizes Immediate Constituents by means of Mother Node Constructing Categories (MNCCs): words that uniquely determine a phrasal Mother Node. Hawkins argues that all categories that are called heads in Standard Theory are also MNCCs, but that not all MNCCs are necessarily heads. Thus, an NP in English can contain two MNCCs: the Noun and the Determiner, although only the Noun is the head (in the traditional view). Hawkins concludes that his theory is compatible with different approaches to heads, but that it could also do without heads. As for the possible use of heads as the grammatical basis in a performance model a` la Hawkins, I want to join Michael A. Covington’s comment (1999, 810⫺811), who wonders in his review:
which Mary put the cup into which I poured the tea. In view of GB’s use of extraction and empty categories to analyse such a sentence it should be a hard task for the hearer to process it. However, this is not the case (Pickering/Barry 1991, 244; Hudson 1993, 281). By contrast, Hudson’s Word Grammar analysis of this sentence in terms of dependency does not contain such devices and predicts the relative ease with which it is processed. Hudson (1993, 283⫺288) also provides evidence “that the extra phrasal nodes which GB assumes are psychologically implausible”. For instance, the extra VP mother nodes required to account for adjuncts in fairly simple sentences like I saw her yesterday at UCL pose a problem for GB as to the psychological reality of such nodes. Indeed, “at the point where the hearer has heard just the first three words, I saw her, there is no reason to assume more than one VP node (i. e. for an adjunct [WVL]), so the structure is like this” (p. 284):
Given the importance of heads, I would like to see how well the whole theory works when recast into dependency grammar. There, early immediate constituents would become early dependents, and inference of mother nodes would partly disappear and partly become prediction of heads.
I conclude that Hawkins’ principle seems to account for limitations on possible orderings of meaningful elements. However, it does not account for everything, for instance not for word orders that exemplify the great split (Dryer 1992), like English. 4.3. The psychological reality of constituency theories as compared to pure dependency frameworks In dependency theory there is no need to distinguish so-called ‘empty categories’, as we find in constituency theories like Government and Binding. In itself it is not wrong to assume empty categories. However, Hudson (1993, 275⫺283) argues that this practice leads to wrong predictions as to memory(over)load and processing difficulties. Consider the sentence Jane opened the cupboard in which Bill left the box from which Sue took the tray upon which John placed the saucer on
(25)
S
VP
NP
I
V
NP
saw
her
However, each time an extra VP node is added, the relations between V and S are changed: at first they are separated by just one VP, then by two (because of the addition of the adjunct yesterday) and finally by three (because of the addition of the adjunct at UCL). As Hudson claims, these revisions in the shape of the tree ought to be problematic for a hearer, but obviously they are not at all for a native speaker. 4.4. Constituency and dependency in child language Constituents appear to get still more in the way in child language. Indeed, children normally start their acquisition with ‘one word at a time’. Syntax begins with two words. Many such word combinations can be analysed in dependency terms; others only in terms of companionship because the utterance seems to be incomplete. Often they are ambiguous, as Bloom’s (1970) famous exam-
184
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
ple Mommy sock, which at one time meant ‘Mommy puts sock on’, at another ‘I collect Mommy’s sock’. Bloom therefore made different tree structures to distinguish the two readings. This appeared to be an improvement on so-called Pivot Grammar, which did not take meaning into account at all. However, soon it turned out that Bloom’s solution was psychologically unreal since a simple structure like Mommy sock had to receive the same tree diagram as, e. g., the more elaborate Mommy puts sock on of a later state of acquisition. What made things worse was that for the simple two-word utterance more operations (deletions) were necessary than for the elaborate sentence, which did not need any deletions. So it seemed that transformations and phrase structure itself got in the way. Nowadays, transformations have mostly been done away with, but phrase structure remained, enriched by traces, empty categories, pro-forms and the like. Pinker (1984) still works with a kind of phrase structure (Lexical Functional Grammar), although he does not insist on any particular framework. Thus, it seems that the problems that Hudson (1993) raised in connection with constituent structure and empty categories in adult language come back in child language and are even more problematic here. Two-word sentences in child language can be handled by companionship or by dependency. If there are two nouns, as in Mommy sock, there will be simple companionship. In other cases, e. g., in make house, there will be a dependency link from the verb to the noun. It is obvious here that syntax and semantics are not in step, but this has to be remedied in a semantic-pragmatic component. That dependency can play an important part in determining word order in child language as well, was indicated in a study on two-word utterances in Dutch, where dependency chains systematically showed the order modifier-before-head (cf. Van Langendonck 1987).
5.
Special constructions
To further corroborate the case for a dependency approach, I will adduce a few constructions discussed in constituent grammars, such as raising, relative clause formation and serial verbs, and attempt to analyse them in a dependency approach that has been somewhat enriched with respect to the classical theory.
Every dependency framework recognizes the fact that a head can have more than one dependent, as in the phrase those three nice little wooden dolls. By contrast, classical dependency theory does not accept the thesis that a word may have more than one head (modifier sharing). Neither does it allow interdependence. For Hudson (1990, 113⫺120; 1993, 274) both are, however, a necessity in order to account for complications in syntax that go by such well-known names as raising, equi-NP-deletion, extraction, extraposition, and relative clause formation. I will exemplify ‘modifier sharing’ with a case of raising, and interdependence with relative clause formation. On the other hand, I will adduce another complication, which is less known, viz. serial verbs. i) Raising and modifier sharing The problem of ‘raising’ can be solved by adopting modifier sharing. For instance, in the case of subject raising the subject will depend on two predicates, as in the sentence He kept talking (Hudson 1993, 274), where He depends on both kept and talking:
(26) He
kept
talking.
Note that this is not saying that a phrase can have two heads, since He belongs to two different phrases, one headed by kept and the other headed by talking. By contrast, Croft (2001), working in a constituency framework (Radical Construction Grammar) argues in favour of the thesis that phrases have two heads, e. g. in a VP both the auxiliary and the main verb head the VP. This analysis has at least the disadvantage that it becomes impossible to use dependency for word order. Payne (1993) argues against the multi-head hypothesis of noun-phrase structure, and in favour of a model in which the noun is the unique head, and determiners, numerals, adjectives and possessor phrases are all modifiers of that head. ii) Relative clause formation and interdependence In the case of relative clause formation there is not only modifier sharing but also interdependence, e. g., in the phrase men who(m) I
18. The Dependency Concept and its Foundations
185
like (I omitted the arrow that should go from the verb like to its subject I ):
In sentence (29⫽31) the subject Kofi depends on de, whereas aburow depends on de as object and at the same time on gu as subject; this verb gu has another modifier nsum:
(27) men
(31) Kofi
who(m)
I
like
First, the relative pronoun who(m) depends on both its antecedent men and the verb like. Second, there seems to be an interdependence between who(m) and like. However, this should be understood in the sense that who(m) depends on like as its object but also functions as a subordinator of this finite verb (cf. Hudson 1984; 1990). iii) Serial verbs Serial verb constructions occur in a number of languages and are notoriously difficult to analyse (for a recent account in the Principles and Parameters framework see Stewart 2001). I will attempt to analyse a couple of them with the help of companionship and modifier sharing. In serial verb constructions, a series of closely related events that form a unity is expressed by a corresponding juxtaposition of the verbs indicating the events. Consider the following sentences from Akan (from Schachter 1974, 254): (28) Kofi kcce baae. Kofi went came Kofi went and came back. where Kofi’s going precedes his coming back. (29) Kofi de aburow gu nsum. Kofi takes corn flows water-in Kofi pours corn into the water. where the action of taking causes the flowing to happen. The above serial verb constructions can be analysed by using companionship, dependency with modifier sharing, and the iconic ordering principle formulated by Greenberg (1966, 103) as follows: “the order of elements in language parallels that in physical experience or the order of knowledge”. The verbs can be linked by simple companionship (line underneath); their order reflects the order of events in time, as in the case of asyndeton. In addition, however, in sentence (28⫽30) the subject Kofi depends on both verbs at the same time: (30) Kofi k e baae
de
aburow
gu
nsum
Note that 28/30 shows a merely temporal sequence, but 29/31 a causal (resultative) sequence.
6.
Conclusion
In this overview, I attempted to define dependency between words in semantic as well as syntactic terms (for a very brief overview of dependency theory see Fraser (1994)). The active and the passive aspect of head and dependent were highlighted. A number of linguistic and psycholinguistic arguments were given for the thesis that dependency (and sometimes companionship) is to be preferred to constituency in syntactic analyses except for coordinative structures. A question-word test was set up to determine head and modifier in a more practical way. The test and the criteria were used to deal with some controversial pairs like [determiner ⫹ noun], [auxiliary ⫹ verb] and [complementizer ⫹ clause]. As major grammatical relations (subdivisions of dependents) I distinguished subject, complement (object, etc.), adjunct and attribute. The notion of relator appears to be a useful means not only to accommodate complements but also to set up crosslinguistic basic word order rules in conjunction with the dependency principle. Finally, an analysis of a couple of typical serial verb constructions was given in terms of dependency, companionship and an iconic word order principle.
7.
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188
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems 1. 2. 3.
13. 14.
Auxiliary Notions Basic Assumptions Preliminary Illustrations: Sentence Structures (Semantic, Syntactic, and Morphological) Three Major Types of Linguistic Dependency Possible Combinations of the Three Types of Linguistic Dependency between Two Wordforms of a Sentence Correlations between the Three Types of Linguistic Dependency Current Fallacies Concerning Syntactic Dependency Syntactic Dependency in Action: Six Illustrative Cases Advantages of Syntactic Dependency Arguing for Syntactic Dependency Syntactic Dependency and Syntactic Constituency Insufficiency of Syntactic Dependency: Coordination Acknowledgments Select Bibliography
1.
Auxiliary Notions
4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
The logical analysis of the concept ‘dependency in language’ requires the following fourteen underlying notions: 1) Utterance: a speech segment which is sufficiently autonomous; it can appear between two major pauses, constitutes a prosodic unit and its internal structure is governed by linguistic rules. An utterance is a wordform, a phrase, a clause, or a sentence. 2) Wordform: a minimal utterance [= not containing other utterances]; it is a disambiguated word [= a lexeme] taken in a specific inflectional form (for instance, [to] SPEAK is a lexeme, while speak, speaks, spoke, spoken, etc. are its wordforms). The wordform is the ultimate unit in this article: only linguistic dependencies between wordforms are considered, but not those between wordform parts [= morphs and other signs of the morphological level] or between wordform configurations [= phrases or clauses]. 3) Phrase: an utterance consisting of at least two wordforms. 4) Clause: a phrase that is organized in essential respects as a sentence but can be used as a part of a sentence (in this case, semantically and formally, it does not have enough autonomy in speech).
5) Sentence: a maximal utterance. (Two or more sentences are a sequence of utterances.) The sentence constitutes the frame of analysis in this article: only linguistic dependencies between wordforms within a sentence are considered, but not those between wordforms from different sentences. 6)⫺8) Semantic predicate, semantic name, argument of a predicate: the notions themselves and the way they are used in linguistics are borrowed from the language of predicate calculus. A (semantic) predicate is a ‘binding’ meaning, which is somehow incomplete without other meanings ⫺ it has open ‘slots’ where other meanings should be inserted. A meaning that is not a predicate is a (semantic) name. Predicates refer to actions, activities, events, processes, states, properties, relations, localizations, quantities, etc.; their linguistic expressions can belong to any part of speech. Semantic names refer to objects (including beings), substances, and points in time und space; their expressions are nouns. A meaning that is inserted into an open slot of a predicate is called its argument; the traditional notation for a predicate P and its argument a is P(a). Thus, Leo is sleeping is represented as sleep(leo). A predicate can have several arguments: P(a1, a2, a3, …): e. g., send necessitates three arguments, cf. Leo sent a letter to Alan = send(leo, letter, alan). The number and the nature of possible arguments must be fully specified in the description of a predicate in one way or another, e. g., by ordering or numbering the arguments, so that, e. g., hit(leo, alan) ⫽ hit(alan, leo). A predicate can itself be an argument of another predicate, this phenomenon being recursive: Leo knows that Alan is in love with Helen = know(leo, be-in-love(alan, helen)); I think that Leo knows that Alan is in love with Helen = think(i, know(leo, be-in-love(alan, helen))); etc. 9)⫺10) Inflectional category: a set of mutually opposed inflectional meanings, called grammemes, such that the selection of one of them is obligatory for lexemes of a given class (e. g., number for a noun in English, with grammemes ‘singular’ and ‘plural’).
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
11)⫺13) Syntactics: one of the three components of any linguistic sign, in particular ⫺ of a wordform, which specifies the cooccurrence of the sign that is not determined by its signified nor by its signifier (i. e., more or less arbitrary ‘grammatical’ cooccurrence). A syntactics is composed of syntactic features, each of which admits a set of mutually exclusive values.
Assumption 2: Sentence structure. The central part of a sentence representation, called the central structure, appears formally as a labeled graph, whose vertices, or nodes, represent linguistic units of the corresponding level, and whose arcs represent relations between these units. It is here that the notion of linguistic dependency comes into play: the relations between linguistic units in sentence central structures of the semantic and the syntactic levels are dependencies.
14) Passive syntactic valency of a lexeme: a set of syntactic roles in which the lexeme can be inserted into larger constructions (maybe with some inflectional modifications). In other words, the passive syntactic valency of a lexeme is, roughly speaking, its syntactic distribution. Passive syntactic valency is normally defined for syntactic classes of lexemes, known as parts of speech. Thus, the passive syntactic valency of the English noun is 1. the syntactic subject of a finite verb, 2. the direct object of a transitive verb, 3. the indirect object of a special verb (send Father a letter), 4. the object of a preposition, 5. an address, 6. a fronted topic, etc.
2.
189
Assumption 3: Deep vs. surface distinction. On the syntactic and the morphological level the Deep and the Surface sublevels of the sentence structure are distinguished: the former is aimed at meaning and expresses explicitly all relevant semantic distinctions; the latter is aimed at form and expresses explicitly all relevant formal distinctions. (For more on Deep vs. Surface distinction, see Art. 42.)
3.
Preliminary Illustrations: Sentence Structures (Semantic, Syntactic, and Morphological)
Basic Assumptions
Assumption 1: Levels of sentence representation. A sentence has representations on four levels: semantic, syntactic, morphological, and phonological. (In what follows, the phonological representation will be left out. However, phonological dependency is considered in a number of works: thus, see An´ rnason 1989.) Each derson/Ewen 1987 and A representation reflects a set of such properties of the sentence that are of the same nature and belong to the level in question. This is also true of any non-minimal part of the sentence ⫺ e. g., the clause or the phrase.
In order to show the reader how linguistic dependencies ‘work,’ sentence structures that use these dependencies will be presented ⫺ before introducing the corresponding concepts formally. These illustrations will be referred to when discussing dependencies later on. Consider the English sentence (1) and its structures (2)⫺(5): For decades, cocoa farming has escaped such problems by moving to new areas in the tropics.
(1)
‘move’ 1
2
‘areas’
‘farm’
2
2
1
‘means’
1 1
‘people’
1
‘cocoa’ ‘new’ ‘escape’
2 2
‘such’
(2)
1
‘problems’
1
1
‘tropics’ 2
‘located’ ‘decades’
2
‘duration’
The Semantic Structure [= SemS] of (1) [drastically simplified; thus, grammemes are not indicated]
190
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
The Semantic Structure of a sentence is a network whose nodes represent meanings and are labeled with semantemes (roughly, lexical meanings of the language); its arcs represent predicate-to-argument relations and are labeled with numbers identifying an argument with respect to its predicate.
The Deep-Syntactic Structure of a sentence is a tree whose nodes are labeled with the full lexemes of the sentence; its arcs, called branches, are labeled with names of abstract universal Deep-Syntactic Relations (their number is about 10).
ESCAPE ind, pres, perf
FOR ATTR
ATTR II
I
FARMINGsg, non-def DECADEpl, indef
II
BY
PROBLEMpl, indef
II
II
ATTR
MOVEger COCOAsg, non-def
SUCH
I
II
AREApl, indef
FARMINGsg, non-def ATTR
ATTR
IN
NEW
II
TROPICSpl, def
(3)
The Deep-Syntactic Structure [⫽ DSyntS] of (1)
FOR
HAVE ind, pres
circumstantial
subjectival
prepositional
perfect-analytical
FARMINGsg DECADEpl
compositive
COCOAsg
ESCAPEpast participle
circumstantial directobjectival
BY PROBLEMpl
prepositional
modificative
MOVEger SUCH
prepositionalobjectival
TO prepositional
AREApl, indef modificative attributive
NEW
IN prepositional
THE
(4)
The Surface-Syntactic Structure [⫽ SSyntS] of (1)
determinative
TROPICSpl
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
The Surface-Syntactic Structure of a sentence is a tree whose nodes are labeled with all the lexemes of the sentence (including all auxiliary and ‘structural’ words); its arcs, also called branches, are labeled with names of language-specific Surface-Syntactic Relations, each of which represents a particular construction of the language (their number is somewhere between 40 and 70). FOR DECADEpl COCOAsg FARMINGsg HAVEind, pres, sg, 3 ESCAPEppart SUCH PROBLEMpl BY MOVEger TO NEW AREApl IN THE TROPICSpl. (5)
The Deep-Morphological Structure [= DMorphS] of (1)
The Deep-Morphological Structure of a sentence is a chain of lexico-morphological representations of its wordforms; its arcs are, so to speak, degenerated: they specify only the left-to-right ordering of wordforms, so that they need not be indicated explicitly. The SemS (2) shows semantic dependencies between the meanings of the wordforms of sentence (1), while the DSyntS (3) and the SSyntS (4) show the Deep and Surface syntactic dependencies between the wordforms themselves. As for morphological dependencies, given the morphological poverty of English, there is only one case in (1): the wordform has depends morphologically ⫺ for the singular and 3rd person ⫺ on farming. The Russian sentence (6), which is a close translation equivalent of (1), contains many examples of morphological dependency (its subtypes ⫺ agreement and government ⫺ are considered in 4.3.3, pp. 194⫺197): (6)
V tecˇenie desjatiletij, kul’tura kakao ne znala e`tix problem blagodarja rasprostraneniju na novye territorii v tropikax.
4.
191
Three Major Types of Linguistic Dependency
4.1. General Remarks We will consider three types of syntagmatic dependency relations between wordforms in a sentence: semantic dependency [= Sem-D], syntactic dependency [= Synt-D], and morphological dependency [= Morph-D], distinguished as proposed in Mel’cˇuk (1964, 1981, 1988, 105⫺149) and developed in Nichols (1986). We will leave aside: on the one hand, paradigmatic relations between wordforms, such as synonymy, antonymy or derivation; on the other hand, syntagmatic relations of a different nature, such as: ⫺ all kinds of lexical correspondences, e. g., between a word and a governed preposition (insist ⫺ on, borrow ⫺ from, central ⫺ to), or between a noun and its classifier; ⫺ the anaphoric relation (between a pronoun and its antecedent); ⫺ the inclusion relation (between a phrase and its constituents); ⫺ the ordering relation (between wordforms, phrases, and clauses); ⫺ the communicative dominance relation (between semantic units in a semantic representation). In our analysis, we deal only with direct dependencies, without indicating this explicitly every time. Dependency is by definition a non-symmetrical relation, of the same type as implication: one element ‘presupposes’ in some sense the other, but ⫺ generally speaking ⫺ not vice versa. Therefore, dependency is denoted by an arrow: w1 Jw2 means that w2 depends on w1; w1 is said to be a/the governor of w2,
Here, desjatiletij [gen] ‘decades’ depends for its case on v tecˇenie ‘during’ [government]; kul’tura [nom] ‘farming’ depends for its case on znala ‘has-escaped’ [government]; (ne) znala [sg, fem] ‘has-escaped’ depends for its number and gender on kul’tura ‘farming’ [agreement]; e`tix [pl, gen] ‘such’ depends for its number and case on problem ‘problems’ [agreement]; etc. In Russian, unlike English, almost all the wordforms of a sentence may be linked by morphological dependencies; English, on the other hand, demonstrates that, as a general rule, this is not necessary.
and w2 a dependent of w1. Other terms used to designate the governor in a dependency relation include: head, regent, ruler; here, however, only the term governor will be used. The term head, extremely popular in the litera-
192
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
ture, has the following defect: it is natural to speak of the head of a phrase/clause/sentence, but the expression ?the head of this wordform meaning ‘the governor of this wordform’ seems much less convenient. The concept of head is inherited from the phrase-structure syntax und carries with it all dangerous connotations. Moreover, governor of phrase P ⫽ head of phrase P: P’s governor is outside of P, P’s head is inside of P, so that in (7) the head of the phrase P = abc is the unit b, while P’s governor is the unit d:
(7)
d
c
b
a
Therefore, in this article the term head is used only in the precise sense ‘the Synt-head of a phrase/a clause/a sentence’, never in the sense of Synt-governor. (Cf. Hudson 1993, 274⫺ 275, on the head of a phrase vs. head of a wordform terminological problem.) An alternative term for dependent is satellite. Since Synt-D, due to its intermediate nature ⫺ between semantics and morphology ⫺, is the most difficult one to grasp, it will be treated after Sem-D and Morph-D. 4.2. Semantic Dependency 4.2.1. The Concept of Semantic Dependency As stated in 1, items 6)⫺8), and illustrated in (2), the meaning of a sentence is represented using the formalism of the predicate calculus. We say that an argument of a predicate semantically depends on its predicate, and for P(a) we write P⫺semJa. More precisely, we indicate on the arc between the predicate and its argument the number of the argument: P⫺1 Ja1, P⫺2 Ja2, etc. The meaning of the sentence Leo sent a letter to Alan can then be represented (leaving grammemes aside) as ‘send’ 1
2
3
‘Leo’
‘Alan’ ‘letter’
From this, we immediately obtain the definition of Sem-D between wordforms w1 and w2 in a sentence:
Definition 1: Semantic dependency The wordform w2 is said to semantically depend on the wordform w1 in the given sentence if and only if [= iff] the meaning of w1 is a predicate and the meaning of w2 is its argument in this sentence:
‘w1’(‘w2’). We write, as convened above, w1⫺semJw2. A Sem-dependent of a wordform is called its Sem-Actant. 4.2.2. The Logical and Linguistic Properties of Semantic Dependency a) Sem-D is anti-symmetrical: the meaning of a wordform (or any other type of meaning) cannot, at the same time, be an argument of the meaning of another wordform and have the latter as its own argument (*w1 IsemJw2). b) Sem-D is anti-reflexive: the meaning of a wordform (or any other type of meaning) sem
cannot be its own argument (*
). The w
anti-reflexivity of the Sem-D follows from its anti-symmetry. c) Sem-D is not necessarily anti-transitive. In most cases, it is anti-transitive: thus, if we have w1⫺semJw2 and w2⫺semJw3 in a sentence, then *w1⫺semJw3. However, in some cases, Sem-D can be transitive: we can have w1⫺semJw2 and w2⫺semJw3, and still obtain w1⫺semJw3 (here, the Sem-D is transitive). A typical example is the sentence I order [= w1] him [= w3] to go [= w2], which has the following SemS: ‘order’ 1
3 2
‘I’
1
‘he’
‘go’
Thus, the SemS may have undirected circuits (such a circuit is shown on the above diagram in boldface), but not cycles, i. e., circuits where all the arrows point in the same direction. d) Sem-Ds must be typed, or labeled: a SemD arc has to be supplied with the symbol identifying the corresponding argument. In the present approach, this is a purely distinctive number: it does not carry meaning by
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
itself; thus, an arc ⫺iJ expresses different semantic roles with different predicates. (The actual semantic role of an argument of the predicate ‘w’ is specified by the semantic decomposition of ‘w’. For instance, ‘X kills Y’ ⬅ ‘X, by acting upon Y, causes that Y dies’, which shows that X is the Agent and the Causer.) In other approaches, the symbols on Sem-arcs can be meaningful: e. g., ‘Agent’, ‘Perceiver’, ‘Beneficiary’, etc. Since this does not affect my reasoning in any essential way, I will not consider this possibility. e) Sem-D does not presuppose the uniqueness of the governor: a wordform can semantically depend simultaneously on many other wordforms, i. e., many different meanings can be predicated about one meaning at the same time: [a] nice little hotel renowned [ for its comfort] = ‘hotel’ 1
1
‘little’
some properties of w1. This leads to the following definition: Definition 2: Morphological dependency The wordform w2 is said to morphologically depend on the wordform w1 in the given sentence iff at least one grammeme of w2 is determined by w1.
We write w1⫺morphJw2. 4.3.2. The Logical and Linguistic Properties of Morphological Dependency a) Morph-D is not necessarily anti-symmetrical. In most cases it is anti-symmetrical (agreement of the ADJ with N, government of the case of an object by the verb, etc.), so that, as a general rule, we have *w1 ImorphJw2. However, in some cases it can be reciprocal (i. e., symmetrical): a wordform w2 can be inflected, for the category C1, as a function of the wordform w1, and, at the same time, w1 can be inflected, for a different category C2, as a function of w2, so that w1 ImorphJw2 is possible. Examples: (8)
1
‘nice’
‘renowned’
f) Sem-D is universal in the following three respects: it is present in all languages; it appears in all sentences of a language; and it embraces all wordforms of a sentence (this means that in a sentence, Sem-Ds always form a connected structure, such that there is a Sem-‘path’ between any wordform and any other wordform). Cf. Sem-Ds in the SemS of (2).
193
Rus. dv⫹a stol ⫹a ‘two tables’ two MASC.nom table[masc] SG.GEN
Here, stola morphologically depends for its singular and genitive case on dva, while dva depends on stola for its masculine gender; cf. pjat’ stol⫹ov [pl.gen] ‘five tables’ or dvadcat’ odin stol⫹Ø [sg.nom] ‘twenty-one tables’; dv⫹e [fem.nom] krovati [fem] ‘two beds’. A reciprocal Morph-D for the same inflectional category is of course impossible. b) Morph-D is anti-reflexive: the inflection of a word cannot be determined by itself morph
(*
). However, the inflection of a w
4.3. Morphological Dependency 4.3.1. The Concept of Morphological Dependency In many languages (but by no means in all!), a wordform w2 in a sentence can take a particular morphological form, or inflect, under the impact of another wordform, w1, of the sentence. Thus, in I am well vs. You are well the verb BE has different forms because of its subject [agreement, cf. 4.3.3]; in German, after the preposition NACH ‘after/to’ a noun is in the dative (nach dem Fest ‘after the feast’), but after WEGEN ‘because of’ it is in the genitive (wegen des Festes ‘because-of the feast’) [government, cf. 4.3.3]. Technically, in such cases a grammeme g of an inflectional category C of w2 is determined by
word can be conditioned by itself, which is not a case of Morph-D. Thus, in Alutor, in the ergative construction of a transitive verb, the subject w is in the instrumental, if w is not a proper name, and in the locative, if it is: (9)
Alutor (Kamchatka, Russia) le? us¸qiv a. enpenav ⫹ a old.woman sg.INSTR went.to.see ⫹nin qelavul⫹Ø 3sg.subj-3sg.obj man sg.nom ‘An old woman went to see [her] man’. le? us¸qiv b. Miti⫹ nak Miti sg.LOC went.to.see ⫹nin qelavul⫹Ø 3sg.subj-3sg.obj man sg.nom ‘Miti went to see [her] man’.
194 The case of the subject is determined here by the verb ⫺ but conditionally, i. e., depending on the indicated property of the subject. c) Morph-D is not necessarily anti-transitive. In most cases, it is: usually, with w1⫺morphJw2 and w2⫺morphJw3 in one clause, we have *w1⫺morphJw3. But there are cases where a transitive Morph-D occurs: if, in a clause, w1⫺morphJw2 and w2⫺morphJw3, it is sometimes possible that w1⫺morphJw3. An example of transitive Morph-D (again, for different inflectional categories): (10) Russian Ja zna ⫹ l ⫹ a ego molod⫹ I know past fem he-sg.acc young ym sg.MASC.instr ‘I [a woman] knew him young’. vs. Ja zna ⫹ l ⫹ a ee¨ molod⫹ I know past fem she-sg.acc young oj sg.FEM.instr ‘I [a woman] knew her young’. vs. Ja zna ⫹ l ⫹ a ix molod⫹ I know past fem they-pl.acc young ymi PL.instr ‘I [a woman] knew them young’. Here ego/ee¨/ix [= w2] depends on znala ‘knew’ [= w1] for its accusative case, while molodym/molodoj/molodymi [= w3] depends on ego/ee¨/ix for its number and gender, and on znala for its instrumental case. d) Morph-D must be labeled: if w1⫺ morphJw2, then which grammeme of which category C(w2) is imposed by w1 must be indicated. Thus, the labeling of Morph-Ds is meaningful rather than purely distinctive, as is the case with Sem-D. e) Morph-D does not presuppose the uniqueness of the governor: a wordform can morphologically depend simultaneously on several other wordforms ⫺ of course for different categories. Cf. (10), where w3 depends morphologically on w1 and w2 at the same time; another example of Morph-D with multiple governors (without transitivity) is (11) below. f) Morph-D is not universal: it is not present in many languages at all; in a language where it does exist, it is not present in all sentences;
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
and in a sentence where it is present, it does not necessarily embrace all the wordforms (that is, in a sentence, Morph-Ds do not form, generally speaking, a connected structure: there are wordforms that are not morphologically linked to the rest of the sentence). 4.3.3. The Three Major Types of Morphological Dependency There are three major types of Morph-D, universally recognized: agreement, government, and congruence (Mel’cˇuk 1993). Here are the corresponding definitions; in all of them the wordform w2 depends morphologically on the wordform w1 in the given sentence according to the inflectional category C2. The wordform w1 is called the controller, and the wordform w2, the target of the Morph-D in question. In the examples below, the controller is boxed, and the controlled grammeme and its marker in the target are boldfaced. Definition 2.1: Agreement The wordform w2 is said to agree with the wordform w1 in the category C2 iff the following two conditions are simultaneously satisfied: 1) the wordform w2 is not a substitute pronoun which replaces an occurrence of w1; 2) the grammeme g2苸‘w2’√g2苸C2 is selected depending upon: (a) either a grammeme g1苸‘w1’√g1苸C1, such that C2 is mirroring for C1; (b) or one of the following three syntactic features of w1: agreement class, pronominal person, or pronominal number; (c) or some semantic components of w1 or some properties of its referent.
Comments 1. An inflectional category C2 is mirroring for the inflectional category C1 iff (roughly) C2 exists in L exclusively to ‘reflect’ C1; thus, the adjectival number and adjectival case are mirroring for the nominal number and nominal case. (The relation is by no means symmetrical: C1 is not mirroring for C2.) 2. The agreement class A is such a subset of lexemes of the same part of speech (practically, of nouns) that in any context, a) any two wordforms of A impose on a third wordform the same grammeme, b) a wordform of A imposes on any two wordforms morphologically depending on it again the same grammeme, c) and this grammeme is not im-
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
posed by anything except the wordforms of A. The agreement class is a generalization of grammatical gender (as in Indo-European) and of nominal class (as in Bantu and Daghestanian); agreement classes are defined and established in particular languages prior to and independently of the notion of agreement (Mel’cˇuk 1993, 323⫺324). 3. Condition 1 separates agreement from congruence, see below. Condition 2a foresees agreement with grammemes of the controller (e. g., agreement of an ADJ with a N in number and case). Condition 2b foresees agreement with syntactic features of the controller (e. g., agreement of an ADJ with a N in gender; agreement of a V with one of its Synt-actants in person). Condition 2c foresees what is known as semantic agreement (Rus. Nasˇa vracˇ skazala ‘our[fem] doctor [a woman] said[fem]’, where, in spite of the ˇ is masculine, the fact that the noun VRAC agreeing adjective and the verb are both in ˇ the feminine, because in this sentence VRAC refers to a woman). Examples (11) a. In Akhwakh (North-Caucasian), a participle used as a modifier agrees both with its complement [= actant] (in class and number) and the modified noun (again in class, number and case): rocˇa ⫹Ø book[III] sg.nom b ⫹exeq’⫹ida ⫹je III bring part II.NOM jasˇe⫹Ø girl[II] sg.nom lit. ‘book bringing girl’ ⫽ ‘a girl who is bringing a book’ b. In Old Georgian, a noun N2 in the genitive that syntactically depends on another noun N1 agrees with N1 in case (thus, N2 has two case suffixes: the marker of its own genitive and the marker of the second, ‘agreeing’ case): neb⫹Ø⫹ita g mrt ⫹Ø⫹isa ⫹jta, will sg instr God sg gen INSTR lit.‘by-will of-God’ c. In Kayardild (Australia), all the objects and complements of the verb agree with it in tense/mood (Evans 1988, 221⫺222):
195
danga ⫹a bargi ⫹d¸a man nom chop non-fut t˝ungal⫹Ø ⫹ i tree acc NON-FUT nara ⫹nuni ⫹y knife instr NON-FUT ‘The man just chopped/is chopping the tree with a knife’. vs. danga ⫹a bargi ⫹d¸u t˝ungal ⫹Ø ⫹u man nomchop futtree acc FUT nara ⫹nuni ⫹wu knife instr FUT ‘The man will chop the tree with a knife’. vs. danga ⫹a bargi ⫹d¸ara man nom chop past t˝ungal⫹Ø ⫹ina nara⫹nuni⫹na tree acc PAST knife instr PAST ‘The man (had) chopped the tree with a knife’. Definition 2.2: Government The wordform w2 is said to be governed by the wordform w1 in the category C2 iff one of the following two conditions is satisfied: 1) either the grammeme g2苸‘w2’√g2苸C2 is selected depending upon a grammeme g1苸‘w1’√g1苸C1, such that C2 is not mirroring for C1; 2) or the grammeme g2苸‘w2’√g2苸C2 is selected depending upon a value g1 of a syntactic feature S1 of w1, this S1 being neither agreement class, nor pronominal person, nor pronominal number.
Comment Condition 1 foresees government by a grammeme of the controller. These are ‘exotic’ cases: the comparative that governs the case of the comparand (Rus. sil’n⫹ee smerti [gen] ‘stronger than death’) or the tense of the verb governing the case of its actants, see examples (12a⫺b). Condition 2 foresees government by a syntactic feature of the controller; it separates such government from the syntactics-induced agreement. These are ‘normal’ cases: a verb or a preposition governing the case of its object/complement. Examples (12) a. In Georgian, if a transitive verb is in the present/imperfect, it governs the nominative of the subject and the dative of the Dir(ect) O(bject); if it is in
196
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
the aorist, the subject takes the ergative and the DirO, the nominative; if the verb is in the perfect, it governs the dative of the subject and the nominative of the DirO. The agreement of the verb to itself does not change: it agrees both with its subject and with its DirO. Gogi⫹ Ø cœ eril⫹Ø ⫹s Gogi NOM letter sg DAT cœ er⫹s write pres.3sg ‘Gogi is-writing [a] letter’. vs. Gogi ⫹m cœ eril⫹Ø⫹ i Gogi ERG letter sg NOM da ⫹cœ er ⫹a compl(etive) write aor.3sg ‘Gogi wrote [a] letter’. vs. Gogi ⫹s cœ eril⫹Ø⫹ i Gogi DAT letter sg NOM da ⫹u ⫹cœ er ⫹i ⫹a compl 3pers write perf 3sg.sub ‘Gogi has-written [a] letter’. b. In Hindi, a transitive verb in the present governs the nominative of the subject and the nominative/the dative of the DirO (the latter for the human nouns only); if the verb is in the perfect, the subject takes the ergative and the DirO remains in the nominative/the dative. But, contrary to Georgian, the agreement of the verb changes, depending on the tense: in the present, it agrees with the subject, but in the perfect the verb either agrees with the DirO (if the DirO is in the nominative) or takes the unmarked form of the 3rd person singular masculine (if the DirO is in the dative). Larøk ⫹ a¯ kita¯b ⫹ Ø boy[masc] NOM book[fem] NOM parøh⫹ta¯ read impf.masc.sg haı˜ aux.pres.3sg ‘[The] boy is-reading [a] book’. vs.
Larøke ⫹ ne kita¯b ⫹ Ø boy[masc] ERG book[fem] NOM parøh⫹ı¯ read perf.fem.3sg ‘[The] boy read [a] book’. vs. Larøkiyo˜ ⫹ne Sita¯ ⫹ ko girls[fem] ERG Sita[fem] DAT dekh⫹a¯ see perf.masc.3sg ‘[The] girls saw Sita’. c. In Russian, the infinitive in a special ‘impossibility’ construction governs the dative of its semantic ‘subject’: Mne e`tu knigu ne procˇest’ I-DAT this book not read.perf-inf ‘I will not be able to read this book’. Alen⫹u tuda Alan sg.DAT till.there ne dojti not reach.walking.perf-inf ‘Alan will not be able to walk till there’. d. In Hungarian, the subordinate conjunction HOGY ‘that’, when it syntactically depends on a verb of will, governs the imperative of the Main Verb of the subordinate completive clause: Azt akarta, hogy this-acc want-past.3sg that lassan ja´r ⫹j slowly walk IMPER.2sg lit. ‘[S/he] wanted this that [you-SG] walk slowly’. Let it be emphasized that it is impossible to define agreement and government in a simpler way, for instance, following the traditional view that agreement is a correspondence between the inflectional form of one lexeme and the inflectional form of another lexeme, while government is a correspondence between the inflectional form of one lexeme and lexicographic properties of another lexeme. This viewpoint is simply wrong: many types of agreement involve lexicographic properties of the controller (gender, nominal class, animacy), and many types of government are determined by the inflectional form of the controller (cf., among others, examples (12a⫺b)).
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
Definition 2.3: Congruence The wordform w2 is said to be congruent with the wordform w1 in the category C2 iff w2 is a substitute pronoun replacing an occurrence of w1 and at least one grammeme g2苸‘w2’√g2苸C2 is selected depending on w1.
Comments 1. Congruence is a particular case of agreement, namely, ‘agreement in absentia.’ While agreement as such marks semantic and/or syntactic Ds within the borders of a clause, congruence marks anaphoric links, basically outside the borders of a clause. For congruence, agreement ‘according to the meaning’ is especially typical. 2. The choice between different pronominal lexemes as a function of w1 to be replaced is not congruence. Thus, professor or horse is replaced by HE, sister or battleship, by SHE, and warning or fly, by IT; but HE, SHE and IT are different lexemes rather than inflectional forms of the same lexeme, and the selection of the appropriate lexeme has to do with syntagmatic lexical correspondences, mentioned above, in 4.1, not with congruence. But in Spanish, caballo ‘horse’ is replaced with e´l ‘he’, mosca ‘fly’ with ella ‘she’, caballos [PL] with ellos, and moscas [PL] with ellas, and this is congruence: e´l, ella, ellos, and ellas are forms of one lexeme, inflected for gender and number. Examples (13) a. French Nous e´tudions un suffixe [masc.sg] et deux alternances [fem.pl] ; nous traiterons celui-la` [MASC.SG] imme´diatement, et nous analyserons celles-ci [FEM.PL] au chapitre suivant ‘We will study a suffix and two alternations; we deal with the former right away, and we analyze the latter in the next chapter’. The wordforms celui and celles are inflectional forms of the lexeme CELUI (unlike FORMER and LATTER, which are different lexemes). b. In Bushong (Bantu), a noun is replaced by different inflectional forms of the same pronominal lexeme -N ‘s/he, it, they’, namely ⫺ by the form of the corresponding nominal class:
I II III IV
197
aa ⫹n replaces a noun of the class I; baa ⫹n replaces a noun of the class II; muu ⫹n replaces a noun of the class III; mii ⫹n replaces a noun of the class IV; etc.
4.4. Syntactic Dependency 4.4.1. General Remarks Paraphrasing R. Jakobson, we can say that Sem-D is directly related to meaning and therefore it is conceivable or understandable, while Morph-D is directly related to (phonological) form and therefore it is perceivable. The Synt-D is, however, not directly related either to meaning or to form ⫺ it is more abstract, more indirect than Sem-D and Morph-D, and as a consequence, more questionable; even its mere existence needs justification. Syntactic dependency has been used to talk about the structure of sentences from Antiquity and throughout Middle Ages and modern times. All respectable pre-20th century grammatical traditions in syntax have been based on it, as has much language teaching. Arab grammarians distinguished ⫺ already in 8th to 10th century ⫺ the governor vs. the governed in syntax and used this distinction when formulating the rules for word order and inflection (Owens 1988; cf. Art. 5). One finds dependency trees as a means of sentence structure description, for instance, in German syntax books in the 19th century (Weber 1992, 13). In point of fact, constituency representation in syntax, i. e., what became known as phrase-structure, was first introduced ⫺ and that, almost exclusively in the English language domain! ⫺ in the early 20th century. The dependency approach [= D-approach] was properly presented for the first time in Tesnie`re 1959 (the first sketch of Tesnie`re’s theory: Tesnie`re 1934); this profound treatise made dependency available for serious theorizing. Yet, due to the dominance of Chomskian Generative-Transformational Grammar ⫺ which used, as its main syntactic tool, the phrase-structure representation (i. e., constituency) ⫺ the D-approach did not become popular in modern linguistics until the beginning of the 80s. Nevertheless, by early 60s, a number of publications had appeared which laid solid foundations for the D-approach (Hays 1960 [1961], 1964a, b, Lecerf 1960, Fitialov 1962, 1968, Mel’cˇuk 1962, 1963, 1964, Iordanskaja 1963, 1967, Paducˇeva 1964, Baumgärtner
198 1965, 1970, Marcus 1965a, b, Robinson 1970a, b, Heringer 1970). All these pioneering studies were more or less inspired by computational applications ⫺ primarily machine translation and other types of computer text-processing. Gradually, the field grew into real theoretical research, continuing to rely heavily on computer applications (Kunze/Priess 1967⫺1971, Goralcˇikova´ 1973, Machova´ 1975, Kunze 1975, Happ 1978, Hudson 1976, 1980a, b, 1984, Garde 1977, Korhonen 1977, Schubert 1987). And more recently, several general linguistic theories have emerged, based partially or completely on the D-approach, including Case Grammar (Fillmore 1968, Anderson 1977), MeaningText Theory (Mel’cˇuk 1974, 1988), LexicalFunctional Grammar (Bresnan 1982), Relational Grammar (Perlmutter 1983), Word Grammar (Hudson 1984, 1990), Stratificational Dependency Grammar (Sgall et al. 1986), Lexicase Theory (Starosta 1988); Cognitive Grammar (Langacker 1987, 1991, 1997) is also dependency-oriented. One also finds a few university manuals which use the D-approach (e. g., Matthews 1981, Tarvainen 1981, Weber 1992). The description of German syntax in Engel 1977 and the syntactic part of Engel 1988 ⫺ one of the most authoritative German reference grammars ⫺ are developed explicitly within the D-approach (see especially Engel 1988, 21⫺26). Let it be clear that, when speaking in what follows of D-approach, I mean exclusively dependency representation of the structure of sentences rather than dependency grammar, or a logical device consisting of rules that ensure the generation/parsing of sentences. The two notions are of course logically related, but should be kept distinct. (Cf. Hudson 1993, 266⫺269 on the difference between syntactic heads in sentence structure and syntactic heads in grammars.) 4.4.2. The Rationale for Syntactic Dependency The notion of Synt-D is proper to Syntactic Structure [= SyntS]: a formal object used to depict the organization of a sentence as opposed to its meaning (which is the target of the Semantic Structure [= SemS]). Synt-Ds are building blocks of a SyntS, and so it will be useful to start with a brief characterization of the latter. Formal considerations The SyntS of a sentence is called upon to ‘mediate’ between its SemS and its Morph(ological)S. The SemS is formalized as an arbi-
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
trary (n-dimensional) graph, i. e., a network, as we see in (2). The MorphS is a 1-dimensional (linear) graph, i. e., a chain, cf. (5). The SyntS must constitute a convenient bridge between the SemS and the MorphS: under text synthesis, that is, in the transition from meaning to text, the SyntS must be easily produced from the Sem-network and easily converted into the Morph-chain; under analysis, that is, in the transition from text to meaning, it must allow for the ease of the inverse operations. The formal object that satisfies these requirements is a 2-dimensional (planar) graph, i. e., a tree. Networks are relatively easy to arborize, and trees are easy to linearize (text synthesis); vice versa, chains are relatively easy to arborize, and trees are easy to convert to networks (text analysis). In other words, the Synt-tree is the most convenient intermediary between the Sem-network and the Morph-chain. That is how the idea of SyntS as a dependency tree composed of lexemes is formally arrived at. If the SyntS is a tree, then any of its arcs, or branches, represents an anti-reflexive, antisymmetrical and anti-transitive binary relation between lexemes ⫺ i. e., a Synt-D relation. Our reasoning leads us to the notion of Synt-dependency as a strict-order relation (see Definition 3, 4.4.3, p. 204). A dependency tree is a particular case of network: it is a network in which a) no node receives more than one entering branch (‘the uniqueness of Synt-governor’) and b) there is one and only one node that does not receive an entering branch at all (the top node of the tree, or the absolute head of the Synt-structure of the sentence; cf. 4.4.6, p. 206). Substantive considerations Now let us consider the problem of SyntS from another angle. Suppose we want to represent the SyntS of the sentence Leo knows that Alan is in love with Helen. There are exactly four types of linguistic means that this sentence uses to express its meaning: lexemes, order of lexemes (i. e., word order), prosody, and inflection. Note that: 1) there do not exist other types of linguistic means; 2) these linguistic means are used by all languages in all sentences ⫺ with the exception of inflection, which does not exist in quite a few languages and which, even in the languages where it does exist, does not appear in all sentences and on all the wordforms; 3) each of these means can be used either as a direct expression of meaning, i. e., in a semantic ca-
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
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Table 19.1: Linguistic Means and Their Possible Uses Linguistic means
used in semantic capacity
used in syntactic capacity
lexical units
full words (for, decades, cocoa, farming, escape, the, etc.)
governed prepositions and conjunctions (as in depend on, to order that, etc.)
word order
arrangements that mark communicative structure (theme ⬃ rheme, given ⬃ new, etc.)
arrangements that mark syntactic constructions: N ⫹ N, PREP ⫹ N, ADJ ⫹ N, V ⫹ DirO, etc.
prosody
prosodies that mark questions vs. assertion, focus, emphasis, irony, threat, tenderness, etc.
prosodies that mark borders of constituents
inflection
number in nouns; aspect and tense in verbs
case in nouns; person and number in verbs; gender, number and case in adjectives (agreement and government categories)
pacity, or without a direct relation to meaning ⫺ that is, purely in order to indicate links between wordforms in the sentence, i. e., in a syntactic capacity, see Table 19.1. Non-lexical means used in syntactic capacity (shaded in Table 19.1) should not appear in a SyntS: they are means used to express the SyntS, therefore they cannot be part of it (all of them appear only in the DMorphS of the sentence). The SyntS has to replace them with a simple homogeneous device. This device must be, first of all, able to clearly indicate the linear arrangements of wordforms (prosody applies to an ordered sequence of wordforms; inflection is absent in many cases) ⫺ that is, to tell us where to position a wordform w2: before or after another wordform w1 and then more details about mutual positions of different wordforms all of which have to be positioned with respect of w1. The simplest way to do this seems to be to use a binary anti-reflexive, anti-symmetrical, and anti-transitive relation between w1 and w2 ⫺ a strict-order relation (in the logical sense). This is nothing but a Synt-D; thus, we have once again, this time via substantive reasoning, come to the same conception of SyntD relation. As a bridge between the SemS and the DMorphS of a sentence, the D-/S-SyntS must encode all relevant semantic contrasts that are expressed on the surface and all relevant formal contrasts that carry meaning. Therefore, the specific Synt-D relations that are introduced for a given language must be such as to satisfy this requirement. 4.4.3. The Concept of Syntactic Dependency What is of special importance for the concept of syntactic dependency is the fact that at the very beginning it was not, and even now it is
still not, always rigorously distinguished from Sem-D and Morph-D. Linguists would often talk about dependency tout court, aiming at the Synt-D, but in actual fact being involved with a mixture of the three. Since Synt-D is a very abstract formal concept, it is not as easy to define it as Sem-D and Morph-D. Three groups of criteria for Synt-D have to be introduced; but first, let it be emphasized that for simplicity’s sake we will be dealing exclusively with Surface-Syntactic [= SSynt-]dependency. (The results can be easily generalized to cover Deep-Syntactic dependency as well.) To establish a SSynt-D relation between two wordforms in a sentence we need: ⫺ A. Criteria for SSynt-connectedness of the two wordforms (= for the presence of a SSynt-D between them). ⫺ B. Criteria for the SSynt-dominance between the two wordforms (= for the direction of the SSynt-D between them). ⫺ C. Criteria for the type of the given SSynt-D between the two wordforms (= for the type of the SSynt-relation between them). A. SSynt-Connectedness Wordforms w1 and w2 have a direct Synt-D between them only if they have simultaneously the following two properties: A1. Potential prosodic unity. (a) In the language L, the wordforms w1 and w2 have the potential to form an utterance, i. e., a special prosodic unit ⫺ a phrase [general case]: N ⫹ V, N ⫹ ADJ, V ⫹ N, PREP ⫹ N, ADV ⫹ ADJ, NUM ⫹ N, etc. (b) In the language L, the wordforms w1 and w2 cannot form a phrase, but the word-
200 forms w1, w2 and w3 can, such that w2 and w3 also form a phrase in which w2 is the Syntgovernor [special case]: e. g., V [= w1] ⫹ PREP [= w2] ⫹ N [= w3] (escape from the problem is a phrase, from the problem is also a phrase in which from is the Synt-governor; therefore, we say that escape and from have a direct syntactic link). Obviously, not every prosodic unit in an actual sentence is a phrase; the concept of phrase needs an elaborate definition, which is outside of our frame here. A2. Potential linear unity. The linear position of one of the wordforms w1 and w2 cannot be specified without reference to the other. In languages where word order is used semantically ⫺ among other things, to express communicative organization (the Rheme/ Theme division, the Old vs. New, etc.), Criterion A2 applies limitedly: it has to be tried only within communicatively neutral expressions. Criteria A1 and A2 must concord. Examples: in (1), for decades is a phrase of English, and so is has escaped; but, e. g., *to new is not; therefore, in for decades and has escaped the wordforms can be linked by a Synt-D (Criterion A1-a). Criterion A2 does not contradict this: in (1), for has to be positioned before decades, and escaped after has, etc. Again in (1), escaped by moving is a phrase, and so is by moving; in by moving, the preposition BY is the Synt-governor; therefore, by Criterion A1-b, escaped and by are taken to be linked by a Synt-D. Criterion A2 is again fulfilled. B. SSynt-Dominance In the phrase w1⫺syntJw2 the Synt-governor is the wordform that determines ⫺ at least, to a greater extent than the other wordform, i. e., the Synt-dependent ⫺ the following three properties of the phrase: B1. The passive SSynt-valency of the phrase. If the passive SSynt-valency of the whole phrase w1⫺syntJw2 is rather that of w1 than that of w2, then w1 is the Synt-governor of w2. To put it differently, the Synt-head of a phrase determines more than any other of its elements all the external syntactic links of the phrase. This phenomenon is often referred to as Percolation [of the passive SSynt-valency]. Let it be emphasized that Criterion B1 does not require exact distributional equivalence between the Synt-head of a phrase and
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
the whole phrase, as is the case in several similar approaches. For us, it is sufficient if, in the phrase w1⫺syntJw2, the wordform w1 contributes to the passive SSynt-valency of w1⫺syntJw2 more than w2. Examples (14) a. In the phrase for decades, the passive SSynt-valency (= the distribution) of the phrase is determined by the preposition; therefore, for⫺syntJdecades. b. Similarly, in has escaped or does not escape, the phrase shows the distribution of, or plays the same Syntrole as, has/does (i. e., that of a finite, or tensed, verb) rather than that of the past participle escaped or the infinitive escape; therefore, has⫺syntJescaped, does⫺syntJescape. c. The phrase General Wanner has the passive SSynt-valency of Wanner, not that of general: I see General Wanner ⬃ I see Wanner ⬃ *I see general; therefore, GeneralIsynt⫺Wanner. B2. The morphological links between the elements of the phrase and its external context. If in the phrase w1⫺syntJw2, in which the passive SSynt-valency does not allow us to establish the Synt-governor, it is w1 that controls inflection of wordforms external to the phrase or whose inflection is controlled by such wordforms, then w1 is the Synt-governor of w2. Examples (15) a. The Russian phrase jubka-sˇtany, lit. ‘skirt-pants’, does not allow for the application of Criterion B1 (both its members are nouns); but Criterion B2 singles out jubka as the Synt-governor: e`ta jubka-sˇtany byla … ‘this skirt-pants was …’, where the external agreement is with jubka [sg, fem], and not with sˇtany [pl] (*e`ti jubkasˇtany byli …). b. In the phrase v sˇtate Nebraska ‘in [the] state [of] Nebraska’, sˇtat is declined regularly (sˇtat, sˇtata, sˇtate, …) in conformity with external context, while Nebraska remains in the nominative (v Nebraske, but *v sˇtate Nebraske); thus, sˇtat is here the morpho-
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logical contact point, and it is again picked by Criterion B2 as the Syntgovernor: sˇtat⫺syntJNebraska. c. Similarly, in the phrase of the type cˇudo-jabloko, lit. ‘miracle-apple’, jabloko ‘apple’ is the Synt-governor, since it is declined according to the requirements of the external context while cˇudo remains invariable: cˇudo-jabloka, cˇudo-jabloku, …, cˇudo-jabloki, cˇudo-jablokami, … d.
In the phrase [pjat’] kilogrammov kolbasy ‘five kilos of sausage’, the noun kilogrammov is the Synt-governor, since it is the morphological contact point: [s pjat’ju] kilogrammami⫺syntJkolbasy ‘with 5 kilos of sausage’, [v pjati] kilogrammax⫺syntJkolbasy ‘in 5 kilos of sausage’, etc. e. Likewise in Germ. [zwei] Gläser Wein, lit. ‘two glasses [of] wine’, the Synt-governor is Gläser, which is the morphological contact point: (i) [zu diesen zwei] Gläser⫹n⫺ syntJWein, lit. ‘to these two glasses [of] wine’, where Gläsern is in the dative imposed by the preposition ZU; (ii) dies⫹e zwei Gläser Wein sind notwendig ‘these two glasses [of] wine are necessary’, where Gläser [pl] imposes the plural grammeme on the adjective and on the verb. Therefore, GläserJWein. f. In Dutch, the situation is slightly different: here, the Nmeasure is invariable itself, but it still imposes the plural agreement on the verb: Twee glazen wijn zijn[pl] **is[sg]+ noodzakelijk ‘two glasses [of] wine are necessary’; therefore, in Dutch also glazenJwijn. But in semantically equivalent phrases of Chinese, which has no inflection, the Synt-Ds are different: (16b).
B3. The semantic content of the phrase. If the phrase w1⫺synt⫺w2, in which neither the passive SSynt-valency nor the morphology allow us to establish the Synt-governor, means ‘a kind/an instance of w1’ rather than ‘a kind/an instance of w2’, then w1 is the Synt-governor of w2.
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Examples (16) a. In jam sandwich, the Synt-governor is sandwich, because ‘jam sandwich refers to a kind of sandwich, rather than to a kind of jam’ (Hudson 1990, 98). b. In Chinese, the phrase shı´ ba`ng ro`u ‘ten pound(s) (of) meat’ consists of morphologically invariable wordforms. Here again, Criterion B3 applies: the phrase refers to an instance of meat, not to an instance of pounds, so ro`u ‘meat’ is the Synt-Governor: shı´Isynt⫺ba`ngIsynt⫺ro`u. One can say (with Zwicky 1991, 4) that in a two-word phrase the Synt-governor is the syntactic category determinant, or the morphosyntactic locus, or the semantic content determinant. In sharp contrast to many other approaches to the problem of Synt-governor, I do not require the concord between Criteria B1⫺B3. Only Criterion B1 is genuinely syntactic; B2 is morphological, and B3 semantic. And we know already that the directions of Sem-D, Synt-D and Morph-D can be opposite. Therefore, it is unwise to expect that these criteria will not be in conflict more often than not. For us, Criteria B1⫺B3 form a hierarchy: B1 > B2 > B3. Thus, if Criterion B1 is applicable, its indication is sufficient. Only if it is not applicable (because w1 and w2 are both of the same part of speech and thus have the same passive SSynt-valency), Criterion B2 applies ⫺ but only in a language having inflection and only for w1 and w2 with different morphological properties. Otherwise, Criterion B3 applies. Therefore, these criteria are never applied together (= simultaneously) and, as a result, they cannot contradict each other. The criteria for the direction of Synt-D (‘Head-vs.-Dependent’ problem) are thoroughly discussed in Zwicky 1985, 1991, Hudson 1987, 1990, 106⫺107, and in Corbett et al. (eds.) 1993. For a more accurate formulation of Criterion B1, see Mel’cˇuk 1988, 132⫺135. The Criteria B1⫺B3 call for the following two important remarks. First, Criteria B1⫺B3 are not universal: if, in the phrase X ⫹ Y of language L (X and Y being of different parts of speech), these criteria pick X as the Synt-governor, i. e., we have XJY, then this will not necessarily be the case in any language. Thus, in German (and Russian) Nmeasure JN, because Nmeasure
202 is the morphological contact point (cf. [zu diesen zwei] Gläser⫹n Wein in (15e)); yet it does not follow that N syntactically depends on Nmeasure that quantifies it in any language: in a language where the Nmeasure does not inflect and does not control the inflection of an ‘external’ wordform, Criterion B3 picks N as the Synt-governor: cf. Chinese in (16b). Second, Criteria B1⫺B3 are inherently insufficient: there are cases where all the three fail. It must happen where, in a phrase X ⫹ Y, both X and Y are of the same part of speech, both do not inflect nor can impose different inflections and both are semantically ‘equal.’ Take, for example, Russian expressions of the type vcˇera utrom, lit. ‘yesterday morning’ or segodnja popozzˇe, lit. ‘today later’. Both wordforms in them are adverbs, both have no morphology and both denote time; which one is the Synt-governor? (Note that both are equally omissible: Alen priexal vcˇera ‘Alan came yesterday’ and Alen priexal utrom ‘Alan came in the morning’.) In such cases, a more or less arbitrary solution imposes itself: the preceding element will be taken as the Synt-governor: vcˇeraJutrom, segodnjaJpopozzˇe. But there could be a semantic motivation, after all: ‘yesterday’ and ‘today’ are somehow more important than ‘in the morning’ and ‘later’. An even more difficult and problematic case is that of compound numerals in languages where numerals are morphologically invariable themselves and do not govern special inflections of the quantified nouns. (Otherwise, numerals do not create problems. Thus, in Russian, in sˇest’desjat tri ‘63’ the Synt-head is tri, because in compound numerals the rightmost numeral is the morphological contact point: sˇest’desjatItri stol⫹a, but sˇest’desjatIpjat’ ‘65’ stol⫹ov and sˇest’desjatIodin ‘61’ stol⫹Ø. This means that Criterion B2 applies here and indicates the Syntgovernor.) Take, for instance, Fr. soixanteneuf ‘69’. Since both its components are numerals, Criterion B1 is not applicable (soixante and neuf have the same passive Synt-valency); since almost all French numerals have no morphology and do not affect the morphology of the noun quantified, Criterion B2 is not applicable, either; finally, their meanings are strictly of the same type (= numbers), so that neither Criterion B3 can be used. The only way open is then to reason by analogy. The compound numeral soixante et un, lit. ‘60 and 1’ (and a few others with 1 as the last digit), would suggest the Synt-domi-
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nance soixanteJetJun ⫺ by analogy with regular conjoined strings of the type AlanJandJLeo or beautifulJandJintelligent. But then consider two contradicting facts: ⫺ The numeral UN agrees in gender with the noun quantified: vingt et un garc¸ons [masc] ‘twenty-one boys’ vs. vingt et une [fem] filles ‘twenty-one girls’; according to Criterion B2, it is UN which must be the Synt-head. ⫺ Take the ordinals, such as soixante et unie`me ‘sixty-first’ or soixante-cinquie`me ‘sixty-fifth’ (similarly, soixante et onzie`me, lit. ‘60 and 11th’ = ‘71th’ et quatre-vingtonzie`me, lit. ‘80-11th’ = ‘91st’); here the Synt-governor is clearly the ordinal numeral unie`me ‘1st’, cinquie`me ‘5th’ et onzie`me ‘11th’ (according to Criterion B1), i. e., the rightmost numeral in a compound ordinal: troisIcentIsoixanteIcinquie`me ‘365th’, troisIcentIsoixanteIetIonzie`me ‘371st’, etc. Then, continuing reasoning by analogy and taking these two facts into account, we arrive at the same SSyntS in compound cardinals: troisIcentIsoixanteIcinq ‘365’. And, of course, troisIcentIsoixanteIetIun ‘361’. In a language like German, where numerals are regularly linked by a conjunction (und ‘and’), this gives the following Synt-structures: dreiIhundertIfünfIundIsechzigste ‘365th’, where sechzigste ‘sixtieth’ is clearly the Synthead; in a similar way, dreiIhundertIfünfIundIsechzig ‘365’. It is possible that the element of type ‘and’ (Fr. et, Germ. und) should not be considered coordinate conjunction within compount numerals; then the SyntSs shown above will look less exotic. C. Types of SSynt-Relations In the phrase w1⫺rJw2, the Synt-D that links the two wordforms can be labeled r (i. e., it can be the SSyntRel(ation) r) only if it has the following three properties:
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C1. Absence of semantic contrast. The construction L(w1)⫺rJL(w2), where L(w1) and L(w2) are the lexemes to which w1 and w2 belong, cannot be implemented as two semantically different phrases, for any w1 and w2. Example (17) In Russian, the construction DESJAT’⫺?JDOLLAR has two different implementations with different meanings: desjat’ dollarov ‘10 dollars’ vs. dollarov desjat’ ‘approximately 10 dollars’; therefore, there are two SSyntRels: DESJAT’Iquantitative⫺DOLLAR = desjat’ dollarov; DESJAT’Iapprox-quantit⫺DOLLAR = dollarov desjat’. C2. Syntactic substitutability. The SSyntRel r can be characterized from the viewpoint of the following property, introduced in Kunze 1972 and called here the Kunze Property: Let there be, in language L, wordforms of types X, Y, Z, and W, complete subtrees DZ and DW (= subtrees having as their top nodes the wordforms of types Z and W) and a SSyntRel r; we say that r has the Kunze property iff for any pair of wellformed SSyntSs X⫺rJDZ and Y⫺rJDW, replacing DZ by DW and inversely does not affect the wellformedness. This is, in point of fact, what is known in linguistics as substitution test, except that it deals here with reciprocal substitution of subtrees which have to hang on the same SSyntRel r. However, the Kunze property is too rigid, since it does not allow for some desirable generalizations. For instance, it does not admit the same SSyntRel for nominal and infinitival SSynt-Subjects, as in the following French sentences: (18) La courseIr⫺fatigue, lit. ‘The running tires’. CourirIr⫺fatigue, lit. ‘To-run tires’. Since far from any verb in French takes an infinitive as its SSynt-Subject (*Pleuvoir m’a surpris, lit. ‘To-rain has caught me (out)’), the SSyntRel r in (18) does not have the Kunze property: with L(X) ⫽ SURPRENDRE ‘[to] catch N (out)’, DZ ⫽ NP (e. g., La
203
pluieIr⫺surprend) and L(Y) ⫽ FATIGUER ‘[to] tire’, DW ⫽ Infinitival Phrase (Courir Ir⫺fatigue), the replacement produces the syntactically ill-formed configuration *VinfIr⫺SURPRENDRE. As a result, using the Kunze property leads to having two different SSyntRels for nominal and infinitival SSynt-Subjects (as stated in Kunze 1975: 279). But it seems that in (18) the SSyntRel r should not be split: all the SSynt-Subjects, whether nominal or infinitival, share a set of important unique properties, and it is preferable to describe all of them by the same SSyntRel. Therefore, it is proposed to use the quasiKunze Property, which is weaker: substitutability is required only in one direction and only by at least one particular subtree, rather than in both directions and by any subtree. (The concept of the quasi-Kunze property has been elaborated jointly with L. Iordanskaja; it is introduced in Iordanskaja & Mel’cˇuk 2000.) The quasi-Kunze property is defined as follows: A SSyntRel r has the quasi-Kunze property if there exists in L a syntactic class (⬇ part of speech) X, which is different from substitute pronouns and such that for any SSynt-configuration L⫺rJDY, replacing DY by DX (but not necessarily vice versa!) in any SSyntS does not affect its syntactic wellformedness. The element DX that ‘passes’ with any governor of the SSyntRel r is nothing else but the prototypical dependent of the SSyntRel r. The SSyntRel r in (18) has the quasiKunze property, since this r has a prototypical dependent: a prepositionless noun (in French any finite verb admits a nominal SSynt-Subject). As a result, the SSyntRel r is allowed: this is the subjectival SSyntRel. To sum up: Any SSyntRel r in a language must have the quasi-Kunze property. Example (19) In English, in the phrases have⫺rJbeen and be⫺rJgoing the presumed SSyntRel r does not have the quasiKunze property: *have⫺rJgoing and *be⫺rJbeen. Therefore, there are two different SSyntRels: HAVE⫺perfect-analyticalJBEEN and BE⫺progressive-analyticalJGOING.
204
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
C3. Repeatability with one Synt-governor. The SSyntRel r is either not repeatable (only one branch labeled r can start from a node: all actantial SSyntRels, such as subjectival or direct-objectival), or fully repeatable (any number of branches labeled r can start from a node: the modificative SSyntRel). A SSyntRel cannot be limitedly repeatable. Note that the phenomenon known as ‘clitic doubling’ (for instance, Sp. A Marga le he dicho, lit. ‘To Margaret her [I] have said’, where a Marga and le are both IndirOs) is not considered as repeatability of a SSyntRel. Pronominal duplication of clause elements has a grammaticized character and is ‘orthogonal’ to the genuine cooccurrence of SSyntRels, since the noun and the clitic that duplicates it are necessarily coreferential. Examples (20) In Persian, we find extremely widespread expressions of the following type: Ra¯min⫹ ra¯ I?⫺ kard⫺?J beda¯r, Ramin DirO made waking [noun] lit. ‘[S/he/it] made [the] waking Ramin’ = ‘S/he/it woke Ramin’. These expressions are built on verbal collocations of the type beda¯r kard ‘waking make’ = ‘wake’ or dars dad, lit. ‘lesson give’ = ‘teach’, which, although they seem to include a DirO (such as beda¯r or dars), behave as transitive verbs and take ⫺ as a whole ⫺ a ‘genuine’ DirO (since the suffix -ra¯ is an unmistakable marker of DirO, after verbs meaning ‘kill’, ‘see’, ‘build’, etc.). The presumed SSyntRel in such expressions would be limitedly repeatable ⫺ just twice; therefore, there are two different SSyntRels: ¯ MINIdir-obj(ectival)⫺KARD⫺ RA ¯R quasi-dir-objJBEDA If at least one of Criteria C1⫺C3 is not satisfied, the presumed SSyntRel r should be split in two (or more) SSyntRels. As we see, SSyntRels are labeled, the label being meaningful (as is the case with MorphD): the label r of a SSyntRel refers to a family of specific syntactic constructions which implement, in the DMorphS of the sentence, the SSyntRel r. Thus, the label of the SSyntRel
“subj(ectival)” in Russian, i. e., the SSyntRel that appears in phrases of the type w1⫺ subjJw2, refers to a set of SSynt-rules that make the finite verb w1 agree with the noun w2 in person and number (if the verb is in the present or the future) and in number and gender (if the verb is in the past or the subjunctive); these rules also position w2 with respect to w1. In other words, the SSyntRel “subjectival” is the signified (= Saussure’s signifie´) of every construction in this family; generally speaking, a SSyntRel is a component of a linguistic sign. The SSyntRels of a language form a systematic inventory, just like phonemes or inflectional grammemes. Criteria C1⫺C3 are part of a methodology for establishing SSyntRels’ inventories. Now we are ready for a definition of Synt-D. Definition 3: Syntactic dependency (in the SSyntS) The wordform w2 is said to syntactically depend on the wordform w1 via SSyntRel r in a sentence iff each of the Criteria A⫺C is satisfied for this pair of wordforms and the SSyntRel r.
We then write w1⫺rJw2. 4.4.4. The Logical and Linguistic Properties of Syntactic Dependency a) Synt-D is anti-symmetrical: a wordform w1 cannot be the Synt-governor of another wordform w2 and simultaneously have w2 as its own Synt-governor (*w1 IsyntJw2); this would be absurd, since, for one thing, w1⫺syntJw2 signals that w2 is positioned with respect to w1, and if this is true, it is paradoxical to claim that also w1 Isynt⫺w2 and thus w1 is positioned with respect to w2. b) Synt-D is anti-reflexive: a wordform cannot be licensed by itself to occupy a slot in a synt
Synt-structure (*
). As with Sem-D, w
anti-reflexivity follows from anti-symmetry. c) Synt-D is anti-transitive: if in a sentence we have w1⫺syntJw2 and w2⫺syntJw3, then *w1⫺syntJw3. (Otherwise, the principle of the unique governor ⫺ see below, item e) ⫺ would be violated. This does not preclude, however, an indirect Synt-D: w3 is part of the subtree hanging from w1.) d) Synt-Ds must be distinctively labeled: to properly represent Mary loves John, in pairs
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
MaryIr1⫺love and JohnIr2⫺love the SSyntRel r1 and r2 must be different; otherwise the semantic contrast will not be preserved in the SyntS. (The SSyntS MaryIr⫺loves⫺rJJohn does not show who loves whom.) e) Synt-D presupposes the uniqueness of the governor: a wordform can syntactically depend only on one other wordform (or be independent, as is the top node of a Synt-tree). f) Synt-D is universal in the following three respects: it is present in all languages; it appears in all sentences of a language; and it embraces all wordforms of a sentence (that is, for a sentence, Synt-Ds always form a connected structure ⫺ like Sem-Ds, but unlike Morph-Ds). Examples of Deep-Synt-Ds and SurfaceSynt-Ds are given in the structures (3) and (4). For a detailed description of the SSyntRels of English, see Mel’cˇuk/Pertsov 1987, 85⫺156 (also Section 4.4.8 below) and Apresjan et al. 1992, 71⫺121; the inventories of SSyntRels for Russian are found in Mel’cˇuk 1974, 221⫺235, and Apresjan et al. 1989, 1992, 204⫺208; for the inventories of SSyntRels for German, Danish, Polish, Bangla, Finnish, Hungarian, Japanese, and Esperanto, see Maxwell/Schubert 1989. 4.4.5. Three Non-Definitorial Important Linguistic Properties of Synt-Governors and Synt-Dependents Synt-governors and Synt-dependents can be distinguished according to the following three important properties: omissibility, cooccurrence control, and incorporability. These properties, however, cannot be taken as definitorial: several types of Synt-governors, resp. Synt-dependents, in particular languages do not have them. Nevertheless, they are sufficiently characteristic of Syntgovernors and Synt-dependents and can be resorted to as convenient heuristic means. Omissibility This is the most important non-definitorial property that distinguishes Synt-governors and Synt-dependents. Typically, in the phrase w1⫺syntJw2, the Synt-dependent w2 is omissible without affecting the Synt-correctness of the SSyntS, while the Synt-governor w1 is not. Such is the case in the phrases AIN, NJNgen, VJPREP ⫹ N, XJConj coord ⫹ Y and a few others. (Let it be emphasized
205
that we speak here of omissibility in the Syntstructure, not in the actual sentence.) But this is not always the case: ⫺ The Synt-dependent can be not omissible: either in some contexts (as a DET in a DETIN phrase), or never ⫺ in exocentric constructions (as a N in a PREPJN phrase). Cf., for instance, non-omissible adjectives in the constructions of the type a man of various talents. ⫺ The Synt-governor can be omissible: for example, 1) the Russian preposition OKOLO ‘about’ with a numeral phrase (okolo tre¨x tonn ‘about three tons’ is syntactically equivalent to tri tonny) or the English prepositional configuration from ⫺ to, again with a numeral phrase (from three to six girls is syntactically equivalent to six girls); 2) the English subordinate conjunction THAT (John knows that Mary is in town is syntactically equivalent to John knows Mary is in town). Cooccurrence (= Subcategorization) Control Typically, in the phrase w1⫺syntJw2, the Synt-governor w1 controls the subcategorization of the Synt-governor of the whole phrase. Thus, if a verb admits a noun as its actant, the properties of the noun may play a role (this verb admits only human nouns, or only mass nouns, etc.); but it cannot be the case that the verb admits as its actant a noun with a special determiner ⫺ say, only with EVERY, or only with A/AN, etc. This fact points to N as the Synt-governor in the phrases DETIN or ADJIN. Similarly, in the phrase CONJsubord JVsubord (… whether [he] comes, … that [I] am [here]), it is CONJsubord that subcategorizes the Main Verb [MV] in the matrix clause: some verbs take WHETHER, some others take THAT, etc.; but the verb of the subordinate clause is immaterial in this respect. Consequently, we have Vmatrix JCONJsubord [JVsubord]. More generally, the Synt-governor w1 tends to be subcategorized for its Synt-dependent w2: we say manyIbooks, but muchInoise, etc.; or else dependJon, but borrowJfrom, etc. Incorporability Typically, in the phrase w1⫺syntJw2, the Synt-dependent w2 incorporates into the Synt-governor w1, and not the other way
206
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
around. If w2 has its own dependents, they can be incorporated with it or remain stranded in the sentence (as a function of the language and the context); but a Synt-dependent cannot be incorporated, while its governor is not. Here are two examples. (21) a. Southern Tiwa (New Mexico, USA) Wisi seuan⫹in bi⫹mu˜⫹ban two man pl 1sg see past ‘I saw two men’. vs. Wisi bi⫹seuan⫹mu˜⫹ban two 1sg man see past ‘I saw two men’. vs. Seuan⫹in *bi⫹ wisi⫹mu˜⫹ban man pl 1sg two see past ‘I saw two men’. b. Chukchee (North-Eastern Siberia, Russia) ne⫹tur⫹qine⫹te kupre ⫹te new instr net instr ‘with [a] new net’ vs. tur⫹ kupre ⫹te new net instr ‘with [a] new net’ [Non-incorporated adjectives in Chukchee have a prefix ne-, which marks them as adjectives, and a person/number suffix.] Let me emphasize once again that the property of Synt-governors to be or not to be semantically dominant and the property to control the inflectional form of their Synt-dependents or to have their own inflectional form controlled by a Synt-dependent should not be taken into account when deciding on the Synt-governor status of a wordform: semantic and morphological properties are, as was already stated, freely distributed among Synt-governors and Synt-dependents. A consistent combination of all these properties should not be expected. 4.4.6. The Absolute Head of the Synt-Structure of a Sentence Since Synt-D presupposes uniqueness of governor (no wordform in the sentence can depend syntactically more than on one other wordform), the SyntS of a sentence must have one ‘absolute’ head, or a top node ⫺ a wordform which does not syntactically depend on anything and on which all the other wordforms of the sentence depend (directly or indirectly). Practically, in most versions of
the D-approach known to me, in a complete sentence or a complete clause this role is filled by the finite, or tensed, verb ⫺ the Main Verb (at least in languages that obligatorily have one in each complete clause/sentence, cf. below; see Art. 53). This view was held, at least in Europe, already in 13th⫺14th centuries (Weber 1992, 13 speaks of Siger von Kortrijk, who was preaching the absolute dominance of the finite verb around 1300; cf. the following remark by Niccolo` Macchiavelli in 1516: ‘… dicono che chi considera bene le 8 parte de l’orazione … troverra` che quella che si chiama verbo e` la catena e il nervo de la lingua;’ quoted in Koch/Krefeld 1991, V). Thus, in the DSyntS (3), where the form of the MV, even an analytical one, is represented by one single node, the top node of the sentence is the verb ESCAPE (in the finite form of the Present Perfect); in the SSyntS (4), where each wordform, including the auxiliary ones, is represented by a separate node, the top node is the verb HAVE (in the finite form of the Present Indefinite). The choice of the MV as the Synt-head of the sentence is by no means arbitrary: the finite verb is, on Criteria B1⫺3, the Synt-governor with respect to all its partners, and in this way it ends up as the absolute head. Let us consider the application of Criteria B1⫺3 to the MV of a sentence. By Criterion B1, the finite verb is the governor of the subject, since the passive Syntvalency of the phrase Subject⫺synt⫺MV is determined by the verb: for a phrase to be insertable in the construction I know that … (or any similar one), it has to contain a finite verb; with respect to the phrases Object⫺ synt⫺MV or Circumstantial⫺synt⫺MV the syntactically dominant status of the verb is obvious (and has never been doubted). To this, two arguments can be added: ⫺ In many languages, subjectless sentences exist (Chinese, Japanese, Lezgian): for instance, Lezgian (Eastern Caucasian) Meqœ izva, lit. ‘Cold-is’ = ‘It is cold’ [no Syntsubject is possible, even a zero one ⫺ the Lezgian verb knows no agreement, so that nothing would justify positing a zero dummy subject]. Even in languages where the subject is not omissible, such as English or French, the imperative sentence uses a finite verb, but has no surface subject; in PRO-drop languages (Spanish, Polish, etc.), sentences without an overt sub-
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
ject are quite typical (Sp. Esta´ muy ocupado ‘[He] is very busy’ is a current example). Sentences without objects and circumstantials are even more widespread. Thus, the presence of the MV is the necessary and sufficient condition for the existence of a ‘genuine’ sentence. ⫺ The Sem-valency and the active Synt-valency of the MV determines the syntactic organization of the clause. Thus, if the MV is SLEEP, only one Sem-Actant and, consequently, only the Synt-Subject is possible; with SEE, two Sem-Actants and, consequently, the Synt-Subject and the DirO are necessary; KISS involves three Sem-Actants, but there can be only two Synt-Actants (the Synt-Subject and the DirO) or three Synt-actants: Alan kissed Helen’s hand vs. Alan kissed Helen on the forehead. Strictly speaking, we need not try Criteria B2 and B3, since Criterion B1 establishes the MV as the top node of a clause beyond any doubt. However, we will do it ⫺ in order to show that in this case they all agree. By Criterion B2, it is the finite verb that is the morphological contact point in a subordinate clause; for instance: ⫺ In French, after the conjunction QUOIQUE ‘although’, the MV of the subordinate clause has to be in the subjunctive: quoiqu’il soit **est+ malade ‘although he is ill’. ⫺ In French and English, after the conjunction SI/IF the MV of the subordinate clause has to be in the present, even if it refers to the future: S’il vient **viendra+ demain … /If he comes **will come+ tomorrow … ⫺ If a clause is nominalized in order to be used in the Synt-Structure as a noun, it is its MV that actually undergoes the nominalization: After John arrived, … ⇒ After John’s arrival, … And, finally, by Criterion B3 the whole sentence is semantically reducible to its MV rather than to its Synt-subject (John works at IBM is more ‘an instance of work’ that ‘an instance of John’). However, two complications arise in connection with the Main-Verb-as-the-SyntHead-of-the-Sentence principle: zero verb forms and verbless sentences.
207
Zero verb forms What is the top node of the SyntS of the Russian sentence (22), which does not contain an overt verb at all? (22) a. Leo moj drug, lit. ‘Leo my friend’ = ‘Leo is my friend’. Our first clue is that as soon as this sentence is transposed into the past, the future, the subjunctive or the imperative, a form of the verb BYT’ ‘[to] be’ obligatorily appears: b. Leo byl moim drugom Leo budet moim drugom Leo byl by moim drugom Leo, bud’ moim drugom
‘Leo was my friend’. ‘Leo will be my friend’. ‘Leo would be my friend’. ‘Leo, be my friend’.
Since (22a) stands in an obvious paradigmatic relation to (22b), we conclude that the verb BYT’ has a zero form in the present, so that the SSyntS of (22a) looks as follows: ’
BYT’pres is expressed by a zero signifier on the SMorph-level only; thus, it does not create a problem for the D-Synt-Structure of a sentence. See Mel’cˇuk 1988, 303 ff. or (newer version) 1995, 169 ff. for zero verb forms in syntax. Verbless sentences In quite a few languages, a full sentence does not have to include a finite verb. Thus, in Turkic languages, an equative sentence in the present (‘John is a doctor/John is Canadian’) does not admit a finite copula verb; instead, the predicative noun or adjective is supplied with a predicative suffix, which thus marks its special character. But in Salishan languages, all types of full sentences can currently make it without a finite verb.
208
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
(23) Lushootseed (British Columbia, Canada; Beck 1997, 98 ff.) a. s? uladxw ti? iL salmon that ‘That [is/was] a salmon’. b. sali? ti? e? sqwigwac two this deer ‘These deer [are/were] two’. dxw?al te hud into the burning te s ⫹ xwitœil ?e te biac the nominalizer fall of the meat lit. ‘Into the fire [is/was] the fall(ing) of the meat’ = ‘The meat falls/fell into the fire’.
c.
As Beck points out, this situation is typical for other Salishan languages as well: any element of the sentence, whatever its part of speech, can be turned into the syntactic predicate, provided it is rhematic (in Salishan languages, the SyntS of sentences very closely parallels their communicative structure). In such sentences, the top node of the SSyntS can really be anything ⫺ for instance, here is the SSyntS of (23c):
ably a finite verb. However, even these languages have ‘incomplete’ clauses of different types, in which the Synt-top node cannot be a finite verb (Best wishes to you and your family; Down with Saddam Hussein!; Yours sincerely; Rus. Mne esˇcˇe¨ domoj idti, lit. ‘To-me still home to-go’ = ‘I still have to go home’; Fr. Et elle de rire, lit. ‘And she to laugh’ = ‘She broke out laughing’, etc.). The languagespecific rules define the admissible top node for each type of these ‘minor’ sentences. 4.4.7. The Three Major Types of Syntactic Dependency Three major types of Synt-D are (more or less) universally recognized: complementation, modification, and coordination. (Complementation and modification are particular cases of subordination.) The distinctions between these types of Synt-dependents have been discussed for a long time (cf., e. g., Matthews 1981, 147⫺ 167; Lehmann 1985;Zwicky 1993), so here we simply formulate the corresponding definitions. In all of them, the wordform w2 depends syntactically on the wordform w1 in the given sentence: w1⫺syntJw2. Definition 3.1: Complementation The wordform w2 is said to be a complement, or a Synt-Actant, of the wordform w1 if w2 is also a Sem-dependent of w1:
DXw AL subjectival prepositional
’ SXwITIL
ɘ
T
prepositional
ɘ
ɘ T
BIAC determinative
T
synt
HUD
determinative determinative agentive
ɘ
As one can easily see, the top node in this SSyntS is a preposition meaning ‘into’. To take into account languages with verbless sentences, we have to generalize our MainVerb-as-the-Head-of-the-Sentence principle. This is readily done: The top node of the SyntS of a sentence is its SyntPredicate, whatever its surface realization.
In the languages of what Whorf called ‘Standard Average European’ type the Synt-predicate of a full-fledged clause is (almost) invari-
w2
w1 sem
Examples (complements are in boldface): Alan loves Helen; during [the] meeting; worth [a] trip; This must be seen; but [not] Helen. Comment Definition 3.1 is approximate: it does not cover all the types of complementation. Thus, the cases where a complement of a wordform w depends semantically on a different wordform wⴕ which stands in a complementation relation to w are left out of consideration. Definition 3.2: Modification The wordform w2 is said to be a modifier, or a Syntattribute, of the wordform w1 if w2 is a Sem-governor of w1: synt w2
w1 sem
209
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
Examples (modifiers are in boldface): good friend, love passionately; only him; not serious; wrote in Stuttgart; wrote when [he was in Stuttgart] Comment Definition 3.2 is also approximate and does not cover all the cases. The opposition ‘complementation ⬃ modification’ underlies, in an obvious way, the problem of distinguishing between actants (⬇ complements, Germ. Ergänzungen, Rus. dopolnenija) and circumstantials (⬇ modifiers, Germ. Angaben, Rus. obstojatel’stva). This distinction, first introduced probably in Tesnie`re 1959, is discussed in Engel 1977, 98⫺ 103, 158⫺179, Somers 1987, 12⫺28 and Helbig 1992, 75⫺98 (with rich bibliography). Definition 3.3: Coordination The wordform w2 is said to be a conjunct of the wordform w1 iff semantically neither of them depends on the other (w1 and w2 are not directly related semantically), but w1 and w2 are both Semdependents of a semanteme ‘and’ or ‘or’ (and of any of their semantic variants, like ‘but’, etc.).
Comments 1. The coordiniation of w1 and w2 can be of two types: ⫺ Either direct coordination, where w1 and w2 have a direct Synt-D between them: w1⫺coordJw2; this coordination is called asyndetic (‘conjunctionless’). Examples: Alan, Leo, Helen; eat, drink, sing, dance; red, [not] white ⫺ Or indirect coordination, where w1 and w2 are syntactically linked via a conjunction CONJcoord: w1⫺coordJCONJcoord⫺conjunct(ional)Jw2.
Examples Alan and Helen; either Alan or Leo; eat and drink, but not sing and dance; red, but [not] white. 2. Definition 3.3 covers the coordination in the DSyntS only. In the SSyntS, coordination is defined by formal analogy with ‘genuine’
Deep coordination, because on this level, formally coordinate structures can be used to express Sem- and DSynt-subordination. Thus, in Russian, we have izlovcˇilsja i ukusil, lit. ‘managed and bit’, where the conjunct ukusil is the DSynt-Actant II of izlovcˇilsja (example from Boguslavskij 1996, 28⫺32). The above distinctions between the three types of Synt-D are reflected in the DSyntcomponent of the Meaning-Text model by the three-pronged division of the DSyntRels: actantial (I, II, …, VI) = complementation vs. attributive (ATTR) = modification vs. coordinative (COORD) = coordination (cf. Mel’cˇuk 1988, 63⫺65). The relations between the three type of Synt-D can be shown in the following diagram:
SYNTACTIC DEPENDENCY
SUBORDINATION
COORDINATION
COMPLEMENTATION MODIFICATION
For the surface SyntS, a fourth type of SSyntRel is needed ⫺ to link ‘syntacticallyinduced’ wordforms (so-called structural words, chunks of idioms, parts of compound numerals, etc.), which do not appear in the Deep-SyntS and thus cannot be covered by the above dependency types. For want of a better term, we will call these SSyntRels ancillary, to emphasize their ‘subservient’ character.
4.4.8. An Illustrative List of Surface-Syntactic Relations (SSyntRels) of English In order to give the reader a more specific idea about SSyntRels, as they can be used in a description of a language, we cite here a tentative list of SSyntRels of English, taken ⫺ with some corrections and additions ⫺ from Mel’cˇuk/Pertsov 1987, 85⫺160. In the illustrations, the Synt-dependent is boldfaced and words not participating in the construction illustrated are included in brackets.
210 I. Subordinate SSyntRels Sentential/Clausal SSyntRels Valency-controlled SSyntRels = Complementation Actantial SSyntRels 1. Subjectival: IIsubj⫺am …; SmokingIsubj⫺is [dangerous]. That [Alan comes]Isubj⫺is [clear]. 2. Quasi-Subjectival: [It] is [clear]⫺quasi-subjJthat [Alan comes]. 3. Direct-Objectival: sees⫺dir-objJme; [to have] written⫺dir-objJnovels; worth⫺dir-objJ[a] trip; prefer⫺dir-objJ [her] staying [home]; explain [to me]ⴚdir-objJthat [Alan was absent] 4. Quasi-Direct-Objectival: make [it possible]⫺quasi-dir-objJto [neutralize the consequences] 5. Indirect-Objectival: gives⫺indir-objJAlan [some money]; convince [Alan]⫺indir-objJthat [he should work less] 6. Prepositional-Objectival-1: depends⫺prep-obj-1Jon [Alan]; respect⫺ prep-obj-1Jfor [Alan] 7. Prepositional-Objectival-2: translation[⫺prep-obj-1Jfrom Lushootseed]⫺prep-obj-2Jinto [Polish] 8. Infinitival-Objectival: can⫺inf-objJread; want⫺inf-objJto [read]; want⫺inf-objJ[Alan] to [stay] 9. Completive: find [this]⫺complJeasy; consider⫺complJ[Alan] happy 10. Copular: be⫺copulJeasy; be⫺copulJ[a] teacher; be⫺copulJwithout [a] hat seem⫺copulJin [a difficult position] 11. Agentive: written⫺agentJby [Alan]; arrival⫺agentJof [Alan] Copredicative SSyntRels 12. Subject-Copredicative: [Alan] returned⫺subj-copredJrich. 13. Object-Copredicative: [Alan] likes [Helen]⫺obj-copredJslim. Comparative SSyntRels 14. Comparative: older⫺comparJthan [Leo]
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
Non-Valency-controlled SSyntRels = Modification 15. Adverbial: walk⫺adverbJfast; [will] write⫺adverbJ[next] week; delve⫺adverbJdeeply 16. Modificative-Adverbial: [As always] elegant,Imod-adverb⫺[Alan] walked [over]. 17. Appositive-Adverbial: [An old] man,Iappos-adverb⫺[Alan] works [less]. 18. Attributive-Adverbial: Abroad,Iattr-adverb⫺[Alan] works [less]. 19. Parenthetical: Oddly,Iparenth⫺[Alan] works [less]. 20. Adjunctive: OK,Iadjunct⫺[I] agree. Absolute SSyntRels 21. Absolute-Predicative: [Alan walked in,] a stick⫺abs-predJin [hand]. Phrasal SSyntRels General Type Phrase SSyntRels Non-Valency-controlled SSyntRels = Modification 22. Restrictive: stillIrestr⫺taller, mostIrestr⫺frequent Verb Phrase SSyntRels Non-Valency-controlled SSyntRels = Ancillary 23. Perfect-Analytical: has⫺perf-analJbeen 24. Progressive-Analytical: was⫺progr-analJdreaming 25. Passive-Analytical: be⫺pass-analJloved Word-Like Phrase SSyntRels Non-Valency-controlled SSyntRels = Ancillary 26. Verb-Junctive: give⫺verb-junctJup, bring⫺junctJdown 27. Numeral-Junctive: fiftyInum-junct⫺three; fiftyInum-junct⫺third 28. Binary-Junctive: if […]⫺bin-junctJthen …; the [more …]⫺bin-junctJthe [more …]; till⫺bin-junctJafter; now⫺bin-junctJ that [this is clear …] 29. Colligative: [is] dealt⫺colligJwith [stranded prepositions] Conjunction Phrase SSyntRels Valency-controlled SSyntRels = Ancillary 30. Subordinate-Conjunctional: [Suppose] that⫺subord-conjJ[Alan] comes. 2so as9 [not]⫺subord-conjJto [irritate Leo]
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
31. Co-ordinate-Conjunctional: [Alan] and⫺coord-conjJHelen 32. Comparative-Conjunctional: than⫺compar-conjJHelen 33. Absolute-Conjunctional: If⫺abs-conjJ[a] pronoun, [the subject may …]; while⫺abs-conjJin [bed] Noun Phrase SSyntRels Valency-controlled SSyntRels = Complementation 34. Elective: [the] poorest⫺electJamong [peasants] Non-Valency-controlled SSyntRels = Modification 35. Determinative: myIdeterm⫺bed, aIdeterm⫺bed 36. Quantitative: threeIquant⫺beds 37. Modificative: comfortableImodif⫺beds 38. Descriptive-Modificative: [these] beds,⫺descr-modifJcomfortable [and not expensive], … 39. Possessive: Alan’sIposs⫺bed 40. Compositive: nounIcompos⫺phrase, colorIcompos⫺blind 41. Appositive: Alan⫺apposJ[the] Powerful; GeneralI appos⫺Wanner; [the] term⫺apposJ‘suffix’ 42. Descriptive-Appositive: This term⫺descr-apposJ(‘suffix’) [will be considered later]. [You forget about] me,⫺descr-apposJ [your] mother. 43. Sequential: man⫺sequentJmachine [interaction] fifty⫺sequentJto [seventy dollars] 44. Attributive: learners⫺attrJwith [different backgrounds] dress⫺attrJof [a beautiful color] a man⫺attrJ[the same] age 45. Descriptive-Attributive: Professor Wanner,⫺descr-attrJfrom [Stuttgart, was also present]. Prepositional Phrase SSyntRels Valency-controlled SSyntRels = Complementation 46. Prepositional: in⫺preposJbed 47. Prepositional-Infinitival: to⫺preposJgo [to bed] II. Coordinate SSyntRels 48. Coordinative: Alan⫺coordJand [Leo]; rich,⫺coordJintelligent⫺coordJand [beautiful]
211
Comments 1. Some of the modification SSyntRels can be valency-controlled, so that their dependents correspond to DSynt-Actants: myIdeterm⫺arrival ⇔ II I⫺ARRIVE; AmericanImodif⫺participation ⇔ AMERICAI I⫺PARTICIPATES; treat [someone]⫺adverbialJfriendly ⇔ TREAT⫺III JFRIENDLY; etc. Similarly, the coordinative SSyntRel can also be valency-controlled: try⫺coordJand [come] ⇔ TRY⫺II JCOME. The correlation between complementation and modification, as well as between complementation/modification and coordination on the DSynt- and SSynt-levels is complex enough and cannot be discussed here in depth. 2. The following proportionality obtains between three groups of SSyntRels: 1 2 3 modif : descr-modif : modif-adv ⯝ ⯝ appos : descr-appos : appos-adv = = attrib : descr-attrib : attrib-adv
5.
Possible Combinations of the Three Types of Linguistic Dependency between Two Wordforms of a Sentence
The three types of linguistic syntagmatic dependency that we are studying ⫺ semantic, syntactic, and morphological ⫺ are logically independent of each other, which means that they can co-occur in all possible combinations. Thus, two wordforms in a sentence can be related by a Sem-D with no Synt-D or Morph-D between them (a); or they can have a Sem-D and, at the same time, an inverse Synt-D, with still no Morph-D (b); or there can be a Synt-D with a Morph-D having the same orientation, but no Sem-D (c); etc. (a) w1⫺semJw2 sem
(b) w1
w2 synt
212
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen synt
(c) w1
w2 morph
All in all, there are fourteen logically possible combinations of direct Sem-D, Synt-D and Morph-D between two wordforms, w1 and w2, of a sentence (cf. Mel’cˇuk 1964, 1988, 118⫺128); all of them are actually found in languages. Case 1: w1 w2, i. e., no syntagmatic dependency whatsoever between two wordforms. Example The wordforms cocoa and new in (1). Case 2: w1⫺semJw2, i. e., two wordforms are linked by a Sem-D, unsupported by any Synt-D or Morph-D. Example The wordforms farming and problems in (1) are semantically directly related (‘problems are-for farming’), yet there is no Synt-D or Morph-D between them. Case 3: w1⫺syntJw2, i. e., two wordforms are linked by a Synt-D, without any Sem-D or Morph-D between them. Examples (24) a. A quantitative adverb in Japanese, while bearing semantically on a DirO noun, as in ‘He reads many books’, depends syntactically on the verb, with which it has neither semantic, nor morphological links, cf.: Hon⫹o takusan yomimasita, lit. [He] books [acc] manylyIsynt⫺ reads’. b. A measure noun in English or French used as a DirO depends syntactically on the verb, but does not have a semantic or morphological link with it: John bought⫺syntJ[five] kilos of potatoes. Fr. Jean a achete´⫺syntJ[cinq] kilos de pommes de terre. Cf. Case 9, example (29b), p. 214. c. Any conjoined elements that are morphologically invariable, as, e. g., Alan, Helen, Leo, are linked syntactically without any direct semantic or morphological link between them.
Case 4: w1⫺morphJw2, i. e., two wordforms are linked by a Morph-D only, without any Sem-D or Synt-D. Examples (25) a. In Tabassaran (Eastern Caucasian), the Main Verb (MV) can agree with the 1st/2nd person Possessor of the Synt-subject, the Possessor being not directly related to the verb semantically or syntactically, cf.: Icˇ mudur ucˇvuhna our goat-kid[II] to-you he⫹b⫹ gnu⫹ jicˇ, left II left 1pl where the verb hegnu ‘left, fled’ agrees in class with mudur (the classmarking infix -b-), but in person and number with icˇ ‘our’. The same type of agreement of the MV is characteristic, for instance, of Chickasaw, Wichita, Tangut, and Maithili. b. In Maasai (Nilotic, Kenya), an infinitive which semantically and syntactically depends on the MV agrees in number with the subject of the MV (rather than with its own understood [= semantic] subject: A´ta´re´to help-perf-1sg.subj.3.obj cltwna´nı` /=ltw´ na´na´ the-man-sg.nom/ the-man-pl.nom a ⫹mw´ k ina´isho´ inf.sg brew beer-sg.nom ‘[I] helped the-man/the-men to-brew [sg] the-beer’. vs. K=´ta´re´to help-perf-1pl.subj.3.obj cltwna´nı` /=ltw´ na´na´ the-man-sg.nom/ the-man-pl.nom a´a ⫹mwk ina´isho´ inf.pl brew beer-sg.nom ‘[We] helped the-man/the-men to-brew [pl] the-beer’. c. In Alutor (cf. (9), p. 193), a transitive verb of perception which Synt-dominates a DirO clause can show objectagreement either with the Synt-Subject or with the DirO of this clause (depending on the communicative role of one and the other):
213
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
i. Qemaνe ⫹ nak na ⫹laøu⫹ Qamav sg.loc 3sg.subj see tkeni ⫹ γet γen⫹ anne pres 2sg.obj youSG instr Ø⫹ kelγatetke⫹ na ⫹ wwi 2sg.subj harness 3sg.obj pl qura ⫹ wwi reindeer pl lit. ‘Qamav sees-youSG youSG are-harnessing reindeer’ ⫽ ‘Qamav sees you harnessing the reindeer’. ii. Qemaνe ⫹ nak Ø⫹ laøu⫹ Qamav sg.loc 3sg.subj see tkeni ⫹ nina ⫹ wwi γen ⫹ anne pres 3sg.obj pl youSG instr Ø⫹ kelγatetke⫹ na ⫹ wwi 2sg.subj harness 3sg.obj pl qura ⫹ wwi reindeer pl lit. ‘Qamav sees-them youSG are-harnessing reindeer’ ⫽ ‘Qamav sees you harnessing the reindeer’. [The Alutor transitive verb enters in an ergative construction, with the Synt-Subject in the locative, if it is a human proper name, and in the instrumental otherwise; na- is a 3sg subject marker if the DirO is neither in the 3rd person nor 1sg, and Ø- is a 3sg subject marker if the DirO is in the 3rd person or 1sg. A verb of perception can also agree with its DirO clause as a whole, showing 3sg object-agreement; this case is, however, irrelevant in the present context.] Case 5:
sem
i. e., two wordforms are linked by a Sem-D and a synt Synt-D, oriented the same way, but no Morph-D is present. This is a typical situation with nominal objects in caseless languages. w2
w1
Example The wordforms escape and problems in (1). Case 6:
sem
i. e., two wordforms are linked by a Sem-D and a synt Synt-D, this time oriented the opposite ways, again with no Morph-D present.
w1
w2
Examples (26) a. Adjectives in languages where adjectives are invariable in ADJ ⫹ N phrase, cf. new and areas in (1). b. In Lushootseed, a PREP ⫹ NUM phrase syntactically depends on the clause predicate, which is its Sem-dependent, and there is no Morph-D between them:
? ebs ⫹ s ⫹ qweb⫹ qwebaj? elgwe? poss dog dog pl ?e ti?e? be⫹sali? by this two lit. ‘[They are] dogs-possessors by these two’ = ‘[They] have two dogs’ (example of D. Beck). sem
Case 7:
i. e.,
two
word-
w2 forms are linked by
w1
a Sem-D and a Morph-D, oriented the same way, but no to direct SyntD is present. morph
Example In a language where Clitic Raising exists, a clitic ⫺ in the SSyntS ⫺ can semantically and morphologically depend on an infinitive (i. e., on the lexical verb), while there will be no direct Synt-dependency, the clitic being a Synt-dependent of a higher verb: (27) Sp. LeIsyntⴚquisiera poder enviar este libro, lit. ‘To-him [I] would-like to-be-able tosend this book’. Semantically, le ‘to-him’ depends as an actant on enviar ‘send’; its dative form is also imposed by this verb. sem
Case 8:
i. e.,
two
word-
w2 forms are linked by
w1
a Sem-D and a Morph-D, oriented the opposite ways, without any direct Synt-D. morph
Example This is the case of attributive adjectives showing agreement with the subject. (28) Fr. Elle semblait fatigue´e ‘She seemed tired’, where semantically elle depends on fatigue´e [= ‘fatigue´’(‘elle’)], but morphologically fatigue´e depends on elle for its singular and femi-
214
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
nine; syntactically, the two are not directly related. Case 9:
synt
i. e., two wordforms are linked by w2 w1 a Synt-D and a morph Morph-D, oriented the same way, with no Sem-D between them.
Examples (29) a. In the Latin construction ab urbe condita, lit. ‘since [the] city founded’ = ‘since the foundation of the city’, the preposition ab ‘since’ syntactically and morphologically dominates the noun urbe, while semantically it bears on ‘conditio’ = ‘foundation’. b. A measure noun used as DirO in a language with cases depends syntactically and morphologically on the verb, but does not have a semantic link with it: Rus. Ivan kupil tonnu kirpicˇej ‘Ivan bought a ton of bricks’. Cf. Case 3, example (24b), p. 212. synt Case 10: i. e., two wordw2 forms are linked w1 by a Synt-D and a morph Morph-D, oriented the opposite ways, again with no Sem-D between them. Example A phasic or auxiliary verb which syntactically dominates its Synt-subject, but morphologically depends on it (= agrees with it in person and number), while the Sem-D relates this subject and the lexical verb, cf.: (30) The water begins to be warm, where water depends syntactically on begin, morphologically dominates it, and semantically depends on warm: ‘warm’(‘water’). sem Case 11:
i. e., two wordforms are linked w2 w1 synt by all the three morph types of dependency, oriented all the same way.
Example Nominal objects in languages with cases, cf. Rus. problem with respect to (ne) znat’ in (6). sem Case 12: i. e., two wordforms are linked w2 w1 synt by all the three morph types of depen-
dency, with Sem-D and Morph-D oriented the same way, while Synt-D goes in the opposite direction. Example Postnominal modifiers in languages having what is known as izafa construction. (31) Persian daftar⫹e nav, lit. ‘workbook new’, where nav [= w1] bears semantically on daftar and imposes on it a special form (= the izafa suffix -e), while being syntactically the dependent of daftar. sem Case 13: i. e., two wordw2 forms are linked w1 synt by all the three morph types of dependency, but this time Sem-D and Synt-D are oriented the same way while Morph-D is opposite. Example The verb in completive constructions in languages with polypersonal agreement of the verb, but no nominal cases, such as, e. g., Abkhaz. (32) Abkh. Sara Nadsˇ’a i⫹l⫹es⫹teitœ I Nadsha it her I gave asˇwqœ we book ‘I gave Nadsha [a] book’, where nouns and pronouns have no case inflection themselves, but impose agreement on the verb, whose prefixes cross-reference all the three actants. sem Case 14: i. e., two wordforms are linked w2 w1 synt by all the three morph types of dependency, of which Synt-D and MorphD are oriented the same way, with the opposite direction of Sem-D. Example Agreeing adjectives (in Slavic, Romance, Semitic, German, etc.). The consistent distinction of the three types of dependency allows for some elegant syntactic formulations. Three examples will suffice to make this point clear: ⫺ The adjective as a part of speech can be defined in terms of Sem-D vs. Synt-D (Beck 2002): A lexeme is an adjective iff it semantically dominates a noun, but syntactically depends on
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems it. (Morph-D can go both ways or be absent altogether.)
Similarly, for the adverb (replacing ‘noun’ with ‘verb or adjective’). ⫺ Taking into account the three types of linguistic dependency, Zwicky (1993) presents the distinction between complements and modifiers in a compact and convenient form: Properties
Complement
Modifier
Semantic Syntactic
argument obligatory unique controller of agreement target of government
predicate optional repeatable target of agreement controller of government
Morphological
Let it be emphasized, however, that the properties stated in this table are verified all only in the most current, prototypical cases. As has been shown many times, syntactic and morphological properties of complements vs. modifiers can be in principle inverted. However, the semantic ⫺ definitorial ⫺ property is stable. ⫺ In the literature, one finds heated debates concerning the split of head-related properties between different sentence elements (what presumably makes the identification of heads difficult and/or dubious): a given element seems to be the head in one respect, but the dependent in another one. However, if one distinguishes the three types of dependency and uses Criteria B1⫺B3 in the hierarchical way, such a split is logically impossible. A Synt-head must have the property of Synt-heads only; it is absolutely irrelevant whether it has or not properties of Sem-heads or Morph-heads (as 14 combinations above show, in most cases it will not have them).
6.
Correlations between the Three Types of Linguistic Dependency
The following facts are known about the correlations between the three types of dependency (these correlations hold only for prototypical cases of morphological agreement and government, and that, only as a tendency; as a general rule, they can be violated).
215
Sem-D vs. Morph-D ⫺ Sem-governors morphologically agree with their Sem-dependents; ⫺ Sem-governors morphologically govern their Sem-dependents. This is the Keenan’s principle (Keenan 1974, 298⫺303; 1978, 94⫺98); cf. Zwicky’s slogan: ‘Functors are agreement targets and government triggers’ (1991, 2). Synt-D vs. Morph-D ⫺ If w2 morphologically agrees with w1, then w1 and w2 sometimes are, and sometimes are not, linked by a direct Synt-D (there can be no Sem-D between w1 and w2). ⫺ If w2 is morphologically governed by w1, then w1 and w2 are always linked by a direct Synt-D (a Sem-D can also be absent). As can be seen in our review of theoretically possible cases, in the phrase w1⫺syntJw2, the Morph-Ds can go both ways: the Syntgovernor can be both the controller and the target of a Morph-D. The same holds with respect to the linear dependency: in some cases the Synt-dependent w2 is positioned with respect to its Synt-governor w1 (ADJIN, NIV, ADJIV, etc.), but in others the Synt-governor is positioned with respect to its Synt-dependent w2 (PREPJV, Vaux JV, CONJJV, etc.). Sem-D and Synt-D are universal, and therefore they are represented explicitly in the SemS and the D-/S-SyntS of a sentence. On the contrary, Morph-D is not universal, and therefore no special structure is foreseen in which it would be explicitly represented: Morph-Ds are computed by syntactic rules of the language during the SSyntS ⇒ DMorphS transition and encoded in the DMorphS via corresponding grammemes.
7.
Current Fallacies Concerning Syntactic Dependency
One finds in the literature a number of criticisms leveled at the D-approach in syntax, which can be grouped under three rubrics: ‘double dependency’, ‘mutual dependency’, and ‘no dependency’. We will consider below an example of each in order to show that these criticisms are unjustified, since they stem from the confusion of different types of dependency.
216
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
7.1. ‘Double Dependency’ A typical case here is that of relative pronouns. Thus, in the man whom we saw/the car which we saw, some linguists ⫺ see, among many, Tesnie`re 1959, Nichols 1978, Hudson 1990, 117 ⫺ say that the relative pronoun syntactically depends both on the MV of the relative clause (here, saw) and on its own antecedent (here, man/car). Were it so, this would be a problem for the D-approach, since it would mean the violation of the uniqueness-of-Synt-governor principle; and this destroys, in turn, a clear understanding of the substantive nature of Synt-D. However, we see here again another case of confusion between different types of dependency. syntactically the relative pronoun depends only on the MV of the relative; it stands in an anaphoric relation to its antecedent and in many languages also has a Morph-D with it (agreement). In addition, there can be direct Sem-D between the relative pronoun and the MV of the matrix clause. All this masks the fact that the Synt-head of a relative clause is its finite MV, which licences the clause to be used as a relative and imposes the pronominalization of the relativized clause element. It is true that the relative pronoun has a double syntactic nature, being a Synt-dependent of the MV of the relative and, at the same time, playing the role of the marker of the relative. This leads some researchers to split the relative pronoun into two lexical elements, one of which represents the Synt-head of the relative clause (its MV depends on this element), while the other occupies its legitimate dependent Synt-position with respect to the MV of the relative. Thus, Engel 1977, 234⫺235 [1988, 292⫺293], represents the SSyntS of the German relative clause der Mann, der Birnen verkauft ‘the man that sells pears’ as follows (splitting the relative pronoun DER ‘that’ into the relative marker part D- and the pronominal anaphoric part ER ‘he’, obtaining something like the man that he [= der] sells pears): der Mann
dverkaufen er
Birnen
Relative clauses with a separate expression of the relative marker and the pronominal element exist, for instance, in Arabic. But this fact is exactly the proof that there is no need for such tours de force in Indo-European languages: here, the syntax of the relative clause is different. The double role of the relative pronoun in English, French, German, etc. is well reflected on the different levels of representation in terms of different types of dependency. As far as the Synt-D is concerned, some properties of the relative pronoun indicate its dependent Synt-role within the relative: ⫺ The relative pronoun can be omitted in many languages (as in the man I saw or the man I talk with), and its absence does not affect the properties of the relative clause. In some languages the relative pronoun does not appear at all. ⫺ Relativization is often restricted by the dependent Synt-role of the relative pronoun: for instance, relativization can be possible only if the would-be relative pronoun is the subject, or if it is the subject or the DirO, or if it is the subject, the DirO or the IndirO, etc. Thus, the type of Synt-D of the relative pronoun on the MV of the relative clause is crucial. ⫺ In some languages, the relative clause is marked by a special form of the MV of the relative, without any relative pronoun (Bantu). It is probably important to mention that in the D-descriptions of various languages (English, Danish, Esperanto, etc.) for a Machine Translation system (Maxwell/Schubert 1989), the relative pronoun is treated as a Synt-dependent of the MV of the relative clause. In a similar way, the phrase what Alan bought has the SSyntS AlanIboughtJwhat, with a finite verb as its top node. It is a particular case of a noun phrase, which can depend, e. g., on a preposition or a transitive verb: ¸
for AlanIboughtJwhat: For what Alan bought [I could pay him $ 15]; I like what Alan bought. But the phrase whatever apples (that) Alan bought (Van Langendonck 1994, 256), which is syntactically again equivalent to a noun phrase, has as its Synt-head the noun apples:
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
whateverIapplesJboughtJAlan, the subtree JboughtJAlan being an attributive modifier of apples. 7.2. ‘Mutual Dependency’ Fairly often, grammarians insist on mutual dependency between the MV of a clause and its Subject, saying that even if it is the MV that ‘represents’ the whole clause, the Subject controls the form of the verb (The cat is sleeping vs. The cats are sleeping). Moreover, the Subject and the MV constitute a communicative unit (theme/topic ⬃ rheme/comment). Again, such statements are due to confusion between different types of dependency: the fact that the Subject depends on the MV syntactically does not prevent the verb from depending on the Subject morphologically. In many languages the MV agrees not only with the Subject but with the Direct Object (and sometimes with the Indirect Object) as well; this, however, does not belie the universally accepted syntactic status of objects as dependents of the Main Verb. 7.3. ‘No Dependency’ It is frequently said that there is no Synt-D in conjoined, or coordinated, expressions: in Leo and Alan [came], as well as in Leo or Alan [will do it] nothing seems to be the head. Once again, Synt-D is being confused with subordination (which is simply a particular case of Synt-D). Leo and Alan is a phrase of English, and so is and Alain, while *Leo and is not; the phrase Leo and Alain has the passive valency of Leo, and not that of and Alan; the passive valency of the phrase and Alan is determined by and rather than by Alan; therefore, the Synt-Ds in Leo and Alain are as follows: LEO⫺coordinativeJAND⫺conjunctionalJALAN. The head of a conjoined phrase is then its first (⫽ leftmost) element. Note that in a number of languages, the first element in a coordination has some special properties. Thus, in Bantu languages, only the first verb in a coordinated string of verbs (stood up, took the book and left) has a complete morphological marking, including tense; all the following verbs are in a special ⫺ conjunctive ⫺ form, which precludes the expression of tense. In Nias (Indonesia), in a string of coordinated nouns, only the first noun is inflected according to the external context; all
217
the others remain in the unmarked nominative. (Cf., however, McGregor 1997, where ‘headless’, or mutual, Synt-D is recognized between the elements of a coordinated, or paratactic, construction.)
8.
Syntactic Dependency in Action: Six Illustrative Cases
8.1. Russian Numeral Phrases In Russian, a numeral phrase Num ⫹ N has a complex structure: in the nominative and the accusative case, if the numeral does not end in ‘one’, the noun is in the genitive, and its number depends on the numeral, such that ˇ ETYRE ‘4’ (or with DVA ‘2’, TRI ‘3’ and C any numeral that ends in these three ⫺ 23, 32, 44, …, 1452, etc.) it is in the singular, while with all other numerals it is in the plural; with a numeral that ends in ODIN ‘1’ (e. g., 1231) the number of the noun is singular; the case of the numeral (different from ODIN ‘1’) is the nominative or the accusative, and if it is (or ends in) DVA, it agrees with the noun in gender; etc. This complexity engendered hot debates concerning the direction of Synt-D in the phrase Num ⫹ N; all logically possible solutions have been actually proposed (NUMJN; NUMIN; NUMLN; in the nominative and the accusative it is NUMJN, in other cases NUMIN; etc.). In actual fact, the Synt-D in Russian numeral phrases is always NUMIN, since the passive valency of the phrase is obviously that of N, and not that of NUM. What obscures the picture is again confounding the Synt-D with variegated Morph-Ds (see Mel’cˇuk 1985; for the opposite view ⫺ NUMJN, i. e., the numeral is the head, ⫺ see Corbett 1993). 8.2. A Russian ‘Approximation’-Marking Preposition In the phrase okolo pjati kilogramm ‘about five kilos’ the preposition OKOLO (lit. ‘close’, here ‘approximately’), is the Synthead of the phrase: without it, the numeral phrase has the distribution of the noun, but with OKOLO the numeral phrase can only be used as the Subject or the DirO. Thus, the phrase with okolo cannot be the complement of a preposition (*dlja okolo pjati kilogramm ‘for about five kilos’) or an IndirO (raven *okolo pjati kilogrammam ‘equal to about five kilos’). Therefore, we obtain, on the SSynt-level, okoloJkilogrammJpjati. (In
218 English about ‘approximately’ does not have the same properties: it can follow a preposition, so that for about five kilos is perfectly grammatical; therefore, its SSynt-status is different: aboutIfiveIkilos.) This representation is buttressed by the complete identity of syntactic behavior of this okolo and all other ‘genuine’ Russian prepositions. Thus, all of them, together with the numeral, follow the quantified noun in the approximatequantitative construction: dlja pjati kilogramm ‘for five kilos’ ⬃ kilogramm dlja pjati ‘for approximately five kilos’ and okolo pjati kilogramm ‘about five kilos’ ⬃ kilogramm okolo pjati ‘approximately about five kilos’. A similar construction exists in Latin: (33) Lat. Circa quingentos Romanorum around 500-acc Roman-pl.gen cecid ⫹ erunt fall-perf 3pl ‘About 500 Romans fell’. The preposition CIRCA governs the case [= the accusative] of quingenti ‘500’, as all Latin prepositions do: it is the Synt-head of the phrase Circa quingentos Romanorum; however, it is omissible without any syntactic effect on the phrase. 8.3. Determiners as Heads Several linguists argue that in the DET ⫹ N phrase the determiner is the Synt-head: thus, in English we should have THE⫺syntJN, ANY⫺syntJN, etc. (Hudson 1984, 1990, 271 ff., Hewson 1991). I cannot analyze their argumentation in depth, but within the framework expounded above, such a description is impossible. The passive valency of the phrase the dog is that of the noun dog, not of the article the. If in some syntactic positions, DOG cannot appear without an article (or any other determiner), this happens because articles are exponents of grammemes of an inflectional category ⫺ namely, of the definiteness of the noun, and in these positions an English noun cannot be used without an article ⫺ very much like a Latin noun without a case-number ending. The expression *Dog is barking is ungrammatical, but not because of its ill-formed SSyntS: the problem here is the inflectional form of the lexeme DOG; this is similar to the bad expression *The dogs is barking, where the SSyntS is 100 % correct. Ergo, theIsynt⫺dog, any Isynt⫺dog, etc. Cf. also the phrases that (stupid) John, which has the distribution of
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
John and not that of the determiner that, or Dogs are faithful, where the noun dogs appears without any determiner. (In Van Langendonck 1994 the solution DETIsynt⫺N is successfully defended; for a different treatment of DET ⫹ N phrase in Salishan languages, see Beck 1997, 109⫺118.) Generally speaking, the analytical exponents of grammemes of a nominal lexeme syntactically depend on the lexeme that ‘launches’ them. For instance, in Tagalog the analytical markers of cases ⫺ ang[nom], ng[obl] and sa[dat] ⫺ syntactically depend on the noun, while prepositions govern it: PARA ‘for’JBATA ‘woman’JNG, which gives para ng bata. In languages where the plural of a noun is expressed by a separate word (Dryer 1989), this plural exponent equally depends on the noun: Yapese (Austronesian) ea piIkaarroo neey ‘the pl car this’ = ‘these cars’ or Mixe (Mexico) he pi’ miss˜ˇ J ?aHkss˜ˇ ‘the little boy pl’ = ‘the little boys’. Cf. also the Russian particle by that expresses the subjunctive of a verb on which it depends: Ja byIsynt⫺poexal ‘I would go’. 8.4. Romance Clitics Clitics in French (and in other Romance languages, where Clitic Climbing exists) pose a difficulty for a D-description: the clitic does not always syntactically depend on the same wordform on which its source depends. Thus, compare (34a) with (34b), where the clitic changes Synt-governor with respect to that of its source: (34) a. Elle a e´te´ fide`leJa` Pierre ‘She has been faithful to Peter’. b. Elle luiIa e´te´ fide`le, lit. ‘She to-him has been faithful’. On the Surface Synt-level, where clitics appear (on the Deep Synt-level, only nominal sources of future clitics are represented), a clitic depends syntactically on its host word, with which it forms a possible utterance (= a prosodic unit) and with respect to which it is linearly positioned. The ‘new’ Synt-governor of a clitic is computed by special rules of the DSyntS ⇒ SSyntS transition; it is the top node of a verbal chain on which the source of the clitic depends. 8.5. Russian ‘Exotic’ Coordination of Interrogative/Negative Pronouns In Russian, interrogative and negative pronouns which bear different Synt-relations to the governing verb are allowed to form a genuine coordinate string:
219
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
(35) a. Kto, komu i cˇem pomog?, lit. ‘Who, to-whom and with-what helped?’. b. Nikto, nikomu i nicˇem ne pomog, lit. ‘Nobody, to-nobody and withnothing not helped’. (On the DSynt-level, these pronouns depend ‘in parallel’ on the MV; they are turned into a coordinate phrase on the SSynt-level only.) To represent kto, komu i cˇem simply as all other coordinate constructions are represented, that is, as kto⫺coordJkomu⫺coordJi⫺conjunctJcˇem is insufficient. In a ‘regular’ coordinate construction any Synt-dependent element plays the same Synt-role as its Synt-governor with respect to the Synt-governor of the whole coordinate string. However, in this case, kto [nom] is the Subject, but komu [dat] is the IndirO and cˇem [instr] is an Oblique Object of the verb pomog ‘helped’; accordingly, all three pronouns are inflected differently. To account for this, it has been proposed (Sannikov 1989) to use double dependency, namely to add to the SyntS above the indication of the direct Synt-D of each pronoun on the verb pomog. But these added Synt-Ds do not have the same substantive nature as the SyntDs covering the coordination: the added links are needed only to compute the MorphDs (under synthesis) and the Sem-Ds (under analysis). However, as we have seen, MorphDs and Sem-Ds can link two wordforms that do not have a direct Synt-D between them. Therefore, it is preferable to introduce some special SSyntRels just for this very special construction: coord-subjectival, coord-dir-objectival, coord-indir-obj, etc. Such SSyntRels indicate, in a natural way, the exotic character of this coordinate phrase and encode the ‘actual’ SSynt-roles of its ‘displaced’ elements. A similar method is used in comparative constructions (Savvina 1976), where one has to distinguish in Russian Ja ljublju Masˇu bol’sˇe, cˇem⫺conjunctsubjJVan⫹ja ‘I like Masha more than Vanya does’. vs. Ja ljublju Masˇu bol’sˇe, cˇem⫺conjunct-dirobjJVan⫹ju ‘I like Masha more than I love Vanya’. Another possibility would be to consider the grammatical case of the Synt-dependent in such coordinate or comparative strings as se-
mantically meaningful and admit it into the SSyntS of these constructions; this is, however, too technical a point too be discussed here. 8.6. Elliptical Constructions How should one describe in D-terms common gappings of the type Alan went to Singapore and Leo to Paris? Since the expression and Leo to Paris is not a phrase of English, it cannot ⫺ such as it is ⫺ receive a wellformed SSyntS. It is a ‘mutilated’ phrase, which lost its top node, in this case a verb; but before the verb got deleted, it imposed on its dependents the appropriate lexical choices and, when needed, appropriate inflections. Therefore, to represent the SSyntS of the expression in question, one has to introduce a node that stands for the elided verb; this node is marked with a blank ⫺, linked by an anaphoric relation (shown by a dashed line) to its antecedent, in this case, the verb GO:
GO
coord
AND
conjunct
subjectival prepos-objectival
ALAN
subjectival prepos-objectival
TO
TO prepositional
LEO
SINGAPORE
prepositional
PARIS
It is in this way that the SSyntS of elliptical expressions can be represented in terms of Synt-D ; see also below, example (37) at the end of Section 9. Such ‘dynamic’ way of reflecting ellipses ⫺ which are, after all, operations ⫺ corresponds to Lobin’s (1993, 111 ff.) proposal to use a procedural description for all coordinate structures, not just only for ellipses.
9.
Advantages of Syntactic Dependency
Let me begin with two formal considerations. First, in a linguistic description that takes semantics into account seriously, D-approach in syntax imposes itself, since it ensures a much better fit with the semantic structure, where dependencies are universally recognized (most of the known versions of the predicate calculus language used in semantics are, in point of fact, D-based). Lack of inter-
220
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
est in semantics is one of the factors that has lead to the dominance of constituency [⫽ C-] representations in syntax. Second, a D-representation with labeled SyntRels is formally more powerful than a ‘pure’ C-representation. In a C-representation, as soon as one starts marking heads and indicating types of SyntRels between heads and satellites, the heavy machinery of constituency ⫺ particularly, non-terminal nodes ⫺ becomes useless. Because of this, most modern syntactic theories, e. g., Bresnan’s Lexical-Functional Grammar, are moving fast in the direction of the D-approach. To these, one can add a number of substantive considerations. Namely, there are at least five important linguistic phenomena for the description of which Synt-D is really crucial: valency, voice, restricted lexical cooccurrence, word order, and ellipses of all types.
posed (Mel’cˇuk 1974, 1996). The functional dependency between the base of the collocation and the collocate is supported by Synt-D. Thus, Magn(armed) = to the teeth, and armed⫺syntJto the teeth; similarly, Oper1(visit) = [to] pay, and pay⫺ syntJvisit. Outside of Synt-D, there is no way to describe the collocations properly. ⫺ Synt-D is especially convenient for the description of word order (see Art. 21). First, word-order rules can be easily formulated in terms of positioning the Synt-dependent with respect to the Synt-governor (before or after it). For some languages, this allows for very compact formulations: e. g., in Japanese all dependents precede their governors, while in Welsh almost all dependents (the only exception being the article y) follow their governors (Hudson 1990, 105). Here are the examples:
⫺ Valency (see Art. 29⫺39) ⫺ or, more precisely, active valency ⫺ is a property of lexemes: a lexeme opens ‘slots’ for other lexemes that it ‘attracts.’ Linguistic valency is obviously a metaphor based on valency in chemistry: atoms have valencies to link with other atoms and thus form molecules. In much the same way, a lexeme has semantic, syntactic and morphological valencies to link with other lexemes. Lexemes Li that ‘fill’ the valencies of the lexeme L depend on it, exactly in the sense in which dependency has been defined above. Actually, valency and dependency are related in a very direct way; cf. Baumgärtner 1970: 62 ff. and also Eichinger/Eroms (eds.) 1995. ⫺ The inflectional category of voice is crucial to the understanding of semantics, syntax and morphology, so its importance cannot be over-estimated. Voice is a category whose grammemes mark the change of the basic diathesis of the verb, i. e., the correspondence between its semantic and syntactic actants (Mel’cˇuk 1997), or, to put it differently, between its Sem- and Syntdependents. No wonder, then, that voice and voice-related categories are much better described in a D-framework; in particular, they have been the focus of research within the framework of Perlmutter’s Relational Grammar or Foley/Van Valin’s Function and Reference Grammar far more than in any C-based theory. ⫺ For a systematic description of restricted lexical cooccurrence, or collocations, the apparatus of Lexical Functions is pro-
(36) a. Japanese Itiban takai siraga⫹de⫹no very tall greyhaired sensei⫹wa kono omosirokunai professor this boring hon⫹o kai⫹ta book wrote lit. ‘Very tall greyhaired professor this boring book wrote’. b. Welsh Ysgrifennodd athro tal iawn wrote professor tall very a gwallt llwyd ganddo y llyfr and hair grey to-him the book undonnog hwm boring this lit. ‘Wrote professor tall very and hair grey to-him the book boring this’. But even in languages where the linear distribution of Synt-governors vs. Synt-dependents is not as clear-cut as in Japanese or Welsh, resorting to these notions helps to state the word-order rules. Thus, in Arabic the majority of Synt-dependents follow their governors, with the notable exception of the demonstratives and numerals; in Hungarian, the majority of Synt-dependents precede their governors, with the notable exception of relative and participial clauses; etc. Second, Synt-D has allowed for the discovery (Lecerf 1960, Hays 1960) of an important property of word order in all languages, called projectivity. If we supply an average sentence with its Synt(actic) S(tructure) written in terms of Synt-D, then:
19. Levels of Dependency in Linguistic Description: Concepts and Problems
1) the branches of the SyntS do not intersect; 2) no branch passes over the top node. Let us illustrate with sentence (1), associating with it its SSyntS:
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(the culprits are two ‘displaced’ clitics: a dative pronoun mu and the auxiliary verb je). However, in an absolute majority of sentences in most languages projectivity is observed. Using it ensures a more elegant for-
For decades, cocoa farming has escaped such poblems by moving to new areas in the tropics
As one can easily see, the sentence appears as a ‘projection’ of the SSyntS, and the SSyntbranches cross neither each other nor the projection perpendiculars; hence the name of projectivity. Projectivity can be violated in some special cases:
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(the culprit is the superlative form of the adjective, more precisely⫺its marker most);
Fr. la fille dont je connais le père,
lit. ‘the girl whose I know the father’ (the culprit is the extracted relative pronoun dont);
Serb. Verski mu je
ucitelj odvratio,
lit. ‘Of-faith to-him has [actually, ‘is’] [the] teacher answered’.
mulation of word-order rules and greatly facilitates the analysis and synthesis of texts. Third, another advantage of the D-approach over the C-approach is the lack of rigidity and the inherent ability to accomodate what is known as ‘non-configurationality’ and long-range dependencies. The perturbations introduced into the word order of a sentence by its Communicative Structure wreak havoc onto a C-structure, since even the closest-knit phrases can be torn apart and permuted; on the contrary, the D-structure, without linearity and contiguity, is insensitive to such permutations. (The reason is obvious: a strict separation of hierarchical and linear links in the D-approach.) ⫺ As Nichols 1993 has shown, ellipses, i. e., constituent-reducing discourse operations, can be conveniently characterized in terms of Synt-D. Thus, four languages studied by Nichols ⫺ Russian, Nunggubuyu (Australia), English, and Chechen-Ingush (North-Caucasian) ⫺ differ with respect of their preferences in the domain of constituent-reducing: Russian prefers to remove Synt-heads, Nunggubuyu does it more frequently with Synt-dependents, English removes both with equal ease, while Chechen-Ingush does neither (which means that it has few ellipses). Examples:
222 (37) a. Rus. A Masˇka emu po morde, lit. ‘And M. to-him on the-mug’ = ‘And M. gave him a blow in the face’, where the top node ⫺ a Synt-head, which is a verb meaning ‘hit’ = ‘give a blow’, ⫺ is elided. b. Nung. Ana¯gugu na¯? galimaM, na¯? galimaM, lit. ‘[He] water fetched-forhim, fetched-for-him’, where the top node ⫺ a verbal Synt-head meaning ‘fetch’ ⫺ is repeated, but with its dependent ‘water’ elided. c. Eng. Leo is from Chernigovsky, and Alan from Paris, where the top node ⫺ the Synt-head of the second conjunct clause (the verb BE) ⫺ is elided; or Susan is fond of, while Marga looks askance at, profanity, where the Syntdependent of fond of is elided (Russian does not admit this type of dependent removal). d. In Chechen-Ingush, the answer to the question ‘What did he give his son?’ must be Sowgat dennad, lit. ‘[He] gift gave’, rather than *Sowgat ‘Gift’, which is the norm in the other three languages, ⫺ Chechen-Ingush does not tolerate the removal of Synt-heads. Even sentences meaning ‘Good!’, ‘OK!’ contain the verbal Synt-head: Dika du!, lit. ‘Good is’.
10. Arguing for Syntactic Dependency As the reader could have seen, there is a lot of discussion concerning specific solutions adopted within the D-approach with respect to the description of most basic syntactic constructions (including such cases as “DETIN or DETJN?”) or, more generally, the legitimacy of the D-approach itself. The arguments in favor of a particular treatment can be of two kinds: linguistics-internal, i. e., appealing to better formulation of linguistic rules (more general, more compact, more elegant); or linguistics-external, in particular ⫺ psycholinguistic, i. e., experimental observation of speakers’ behavior and reactions. Let us take them in turn. Linguistic arguments will be considered for two particular cases ⫺ the direction of Synt-D in specific constructions, while psycholinguistic arguments concern the better plausibility of the D-approach in general.
III. Dependenz. Grundlagen und Grundfragen
10.1. Linguistic Arguments for Syntactic Dependency The direction of Synt-D in the Aux ⫹ V phrase in English and the NUM ⫹ N phrase in Russian still is a matter of disagreement between linguists. None of the arguments quoted in support of the two opposite viewpoints ⫺ namely, AuxJV or AuxIV? NUMIN or NUMJN? ⫺ seem to be decisive. Therefore, I will try to argue based exclusively on rules necessary to produce the construction in question from a Semantic Structure [⫽ SemS] within the framework of a stratificational multilevel semantics-oriented linguistic model (more specifically, the Meaning-Text Model). The English Aux ⫹ V Phrase Suppose we want to produce the sentence Alan has slept. From a SemS ‘Alan’ o I o ‘sleep’ (plus the indication of time), the semantic rules of Lexicalization and Arborization construct the DSyntS of the form ALANsg o I I⫺o SLEEPind, pres, perf The compound (= analytical) form of the verb is represented, at this level, as one node directly linked to the subject node by the Deep-SyntRel I; thus, all the problems of lexical selection (special links that may exist between the verb and its subject) can be easily accounted for. In the SSyntS, the DSyntnode o SLEEPind, pres, perf is expounded into HAVEind, pres o J o SLEEPpast.participle by the following Deep-Syntax rule: L(V)ind, pres, perf o ⇒ HAVE(V)ind, pres o J oL(V)past.participle In this rule, we can take HAVE as the SSynthead (which is done in our illustration) or as the SSynt-dependent: for the rule as such it makes no difference. But for the Surface-Syntax rules which have to compute the inflections on HAVE and position it in the sentence the difference is quite significant. If HAVE is the SSynt-head, all the SSynt-rules that apply to the pairs