Bewusst-Sein in der Wirtschaft (Arbeitstitel)
Materielle Versorgung als Hilfsmittel
Jürg Rohrer
UD UTD Media
Buchreihe «Wendezeit» Band 2
Seite 2
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung.................................................................................................................................................. 4 Copyright ....................................................................................................................................................... 4 Motivation ......................................................................................................................................................... 5 Das Allgemeinwohl .......................................................................................................................................... 6 Unsere Spuren, unser Fussabdruck .............................................................................................................. 8 Verhältnis zur materiellen Welt...................................................................................................................... 9 Verhältnis zur immateriellen Welt ................................................................................................................ 13 Wie definieren wir uns?........................................................................................................................... 13 Das liebe Geld ................................................................................................................................................ 16 Wo liegt das Optimum? ............................................................................................................................... 20 Leben ohne zu Arbeiten .......................................................................................................................... 22 Annehmen und Delegieren von Aufgaben .................................................................................................. 26 Das Modell der klebrigen Masse ................................................................................................................. 28 Auswahl der sinnvollen Aufgaben ............................................................................................................... 28 Wenn sich niemand finden lässt ............................................................................................................. 31 Kein Zweck heiligt die Mittel.................................................................................................................... 31 Wahre Motivation .................................................................................................................................... 32 Entscheidungskompetenz und Grad der Delegation................................................................................... 33 Teilweise Delegation ............................................................................................................................... 35 Vollständige Delegation .......................................................................................................................... 36 Das Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins ................................................................... 37 Kommunikation während der Durchführung................................................................................................ 44 Allgemeine Gedanken über Firmen ............................................................................................................. 48 Beitrag zum Allgemeinwohl ......................................................................................................................... 49 Politik und Wirtschaft ................................................................................................................................... 51 Beschränkte Haftung für juristische Personen ............................................................................................ 52 Die positiven Seiten nicht vergessen........................................................................................................... 54 Zielsetzungen von Firmen............................................................................................................................. 56 Produkte und Dienstleistungen.................................................................................................................... 57 Wahl des Absatzmarktes............................................................................................................................. 59 Finanzielle Zielsetzungen ............................................................................................................................ 61 Kompatibilität der Zielsetzungen ................................................................................................................. 66 Hierarchie der Zielsetzungen....................................................................................................................... 67 Handlungsweise (Realisierung der Zielsetzungen).................................................................................... 69 Preissetzung und Margen............................................................................................................................ 69
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 3 Aggressivität im Markt ................................................................................................................................. 70 Verhältnis zu den Mitarbeitern..................................................................................................................... 70 Sorgfalt bei Entwicklung und Produktion..................................................................................................... 71 Wahl der Produktionsorte ............................................................................................................................ 71 Verantwortung für die Firmentätigkeit......................................................................................................... 72 Verantwortung des Mitarbeiters für die Firma ............................................................................................. 72 Verantwortung für die eigenen Entscheidungen ..................................................................................... 72 Kollektive Verantwortung für die Firma ................................................................................................... 74 Arbeitsvertrag und Selbstverantwortung................................................................................................. 78 Verantwortung des Vorgesetzten ................................................................................................................ 79 Verantwortung der Besitzer ......................................................................................................................... 81 Mythos Wachstum ......................................................................................................................................... 84 Das Bewusstsein einer Firma....................................................................................................................... 88 Ihr Beitrag zählt.............................................................................................................................................. 91 Geschafft! .................................................................................................................................................... 92
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 4
Vorbemerkung Dies ist der zweite Band der Buchreihe „Wendezeit“. Für das Verständnis dieser Abhandlung ist das Lesen des ersten Bandes mit dem Titel „1 x 1 des Bewusst-Seins“ sinnvoll. Falls Sie noch nicht im Besitze des ersten Bandes sind, empfehlen wir Ihnen, das ganze Buch als kostenlose pdf-Datei von http://www.Wendezeit.ch/download.html herunterzuladen oder sich das gedruckte Buch bei einer Buchhandlung oder über http://www.Wendezeit.ch/buchbestellung.html zu beschaffen.
Internet
bei
geschützt.
Die
Copyright Der
Inhalt
dieser
Abhandlung
ist
urheberrechtlich
unveränderte, kostenlose Weitergabe ist unter Beibehaltung dieser Copyright-Notiz ohne weiteres möglich und sogar sehr erwünscht! Bei Verwendung der hier publizierten Informationen oder Teilen davon muss eine vollständige Quellenangabe mit Internet-Adresse erfolgen. Falls nur Teile dieser Arbeit verwendet werden oder falls sie als Grundlage zu eigenen Arbeiten dienen, muss ein Hinweis erfolgen, dass das ursprüngliche, unveränderte Dokument bei http://www.Wendezeit.ch kostenlos bezogen werden kann. Die korrekte Quellenangabe lautet "Bewusst-Sein in der Wirtschaft, Wendezeit Band 2, Jürg Rohrer, http://www.Wendezeit.ch, 2002". Jede Weitergabe dieser Informationen gegen eine Gebühr, z.B. in Form oder als Bestandteil von Seminaren, Büchern, usw. bedarf vorgängig der schriftlichen Einwilligung durch Jürg Rohrer. Für Ihre Fairness bedanke ich mich im voraus!
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 5
Motivation Im ersten Band der Buchreihe „Wendezeit“ haben wir gesehen, dass wir letztendlich alle nach dauernder Harmonie und innerer Ruhe streben und dass wir dieses Ziel nur erreichen können, wenn wir uns in jeder Situation an das Gesetz halten, welches der Urheber oder Erschaffer des Systems Erde diesem System auferlegt hat. Dieses Gesetz nennen wir „die Grundrechte des Seins“. Es verlangt, dass wir jederzeit allen Wesen das gleichwertige Recht einräumen, hier zu sein, sich zu entwickeln und ihre Aufgaben auszuführen.
Jederzeit
bedeutet
selbstverständlich,
dass
wir
die
Grundrechte des Seins nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen Bereich umsetzen – eben: zu jeder Zeit und in jeder Situation. Alle Wesen haben das gleichwertige Recht, auf der Erde zu sein, sich zu entwickeln und ihre Aufgaben auszuführen. (Grundrecht des Seins)
Da wohl die meisten von uns auch im Erwerbsleben stehen, wollen wir nun die Grundrechte des Seins im Zusammenhang mit dem beruflichen Alltag betrachten. Wir werden dabei ganz speziell unsere Verantwortung für unsere Entscheidungen und die Chancen für die persönliche Entwicklung bei der Ausübung unseres Berufes untersuchen. Dabei werden wir im folgenden häufig von Firmen sprechen. Diesen Begriff setzen wir stellvertretend ein für alle Institutionen, welche von Menschen zur Erreichung von gewissen Zielen geschaffen wurden. Dazu gehören Firmen, Vereine, Genossenschaften, Gruppen, Organisationen, Sekten, Gemeinschaften, Stiftungen, Gesellschaften, Institute, usw. Unter einer „Firma“ wollen wir also im folgenden generell alle Organisationseinheiten verstehen, wo Menschen tätig sein können. Als Sammelbegriff dafür werden wir auch häufig einfach den Begriff „die Wirtschaft“ verwenden.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 6
Das Allgemeinwohl Bis jetzt haben wir vor allem das Wohl von einzelnen Personen betrachtet. Bei Überlegungen im Zusammenhang mit der Wirtschaft sind jeweils viele Menschen betroffen, es geht deshalb um das Wohl einer bestimmten Gruppe von Menschen bzw. letztendlich um das Wohl von allen Wesen auf der Erde. Dafür hat man den Begriff des Allgemeinwohls geschaffen. Damit nicht jeder etwas anderes unter diesem Begriff versteht, wollen wir das Allgemeinwohl für uns im folgenden klar definieren: Wir gehen davon aus (siehe Band „1 x 1 des Bewusst-Seins“), dass alle Wesen nach dauernder Harmonie und innerer Ruhe streben. Der Weg dazu führt über das Leben der Grundrechte des Seins in jeder Situation. Je näher ein Mensch diesem Ziel ist, d.h. je häufiger ein Mensch die Grundrechte des Seins wirklich achtet, desto höher ist sein Bewusstsein. Dies gilt neben den Menschen auch für alle anderen Wesen auf der Erde. Das Allgemeinwohl erreicht sein Maximum, wenn alle
Wir wollen das Allgemeinwohl auf der Erde deshalb so definieren, dass es grösser wird, je mehr Wesen ihrem höchsten Ziel näher kommen oder es
Wesen ihr Ziel von innerer Ruhe und Harmonie erreicht
bereits erreicht haben. Wenn alle Wesen dieses Ziel erreicht haben, wird Friede und Harmonie herrschen, werden alle Wesen zufrieden und glücklich
haben.
sein. Das Allgemeinwohl erreicht mit der obigen Definition sein Maximum, wenn alle Wesen auf der Erde am Ziel ihrer Entwicklung sind. Wenn wir die persönliche Entwicklung eines Wesens als Weg darstellen, dann können wir das Allgemeinwohl als die Summe der von allen Wesen bei ihrer Entwicklung zur persönlichen Harmonie und Ruhe bereits zurückgelegten Wegstrecken definieren. Mit dem Modell der Pyramide der persönlichen Entwicklung (siehe Band 1) können wir das Allgemeinwohl als die Summe der Volumina aller Pyramiden der persönlichen Entwicklung von allen Wesen bezeichnen. Mit dem Kugelmodell des Bewusstseins (siehe Band 1) kann das Allgemeinwohl als die Summe der Inhalte aller Bewusstseinskugeln auf der Erde dargestellt werden.
Jede Erhöhung des Bewusstseins eines Wesens
Jedes Wesen, dass sich im Sinne der Grundrechte des Seins entwickelt, trägt damit automatisch zum Allgemeinwohl bei. Jede Erhöhung des
vergrössert das Allgemeinwohl, jede
Bewusstseins Verkleinerung
Verkleinerung des
Allgemeinwohl.
Bewusstseins verkleinert gleichzeitig das Allgemeinwohl.
eines Wesens vergrössert das Allgemeinwohl, seines Bewusstseins verkleinert gleichzeitig
jede das
Sicherheitshalber weisen wir an dieser Stelle noch auf eine häufige Fehlinterpretation dieser Definition hin: Man könnte nun argumentieren, dass es „gut“ sei, wenn sich eine kleine Minderheit auf Kosten der anderen Wesen
weiterentwickle.
Durch
diese
Entwicklung
würde
sich
das
Bewusstsein dieser Minderheit vermeintlich stark vergrössern und dadurch
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 7 das Allgemeinwohl steigen. Die restlichen Wesen könnten sich ja danach mit Hilfe der oben erwähnten Minderheit mit der Zeit ebenfalls entwickeln. – Dies ist eine falsche Überlegung, denn jede Entwicklung auf Kosten von Dritten verletzt automatisch die Grundrechte des Seins und verringert dadurch das Bewusstsein der Person, welche sich vermeintlich „entwickelt“. Jede Entwicklung auf Kosten von Dritten führt zur Verkleinerung des persönlichen Bewusstseins und dadurch schlussendlich 1 Verkleinerung des Allgemeinwohls auf der Erde .
auch
zur
Das Allgemeinwohl auf der Erde kann nur zunehmen, wenn sich ein Wesen weiterentwickelt, ohne dass dadurch andere Wesen eingeschränkt werden. Dies verlangt die Einhaltung der Grundrechte des Seins. Mit der Behinderung von anderen Wesen durch unser Dasein und durch unsere Tätigkeit werden wir uns deshalb im nächsten Kapitel etwas eingehender befassen.
1
Man sollte zum Beispiel unser Verhältnis zu den wirtschaftlich ärmeren Ländern bzw. Völkern auf der Erde
unter diesem Gesichtspunkt betrachten. 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 8
Unsere Spuren, unser Fussabdruck Gemäss der in Band 1 bereits ausführlich diskutierten Grundlagen des Seins hat jedes Wesen das uneingeschränkte Recht, auf der Erde zu sein, sich zu entwickeln und seine Aufgaben auszuführen. Vordergründig gesehen, kann dies zu einem Gewissens-Konflikt führen, denn sobald wir hier leben, beeinträchtigen wir automatisch auch die Lebensgrundlage von anderen Wesen. Wir hinterlassen unsere Spuren, welche andere Wesen beeinträchtigen oder ihnen sogar die Lebensgrundlage entziehen können. Zum Beispiel könnte unsere Nahrung auch Nahrung für andere Wesen sein. Oder die Rohstoffe, welche wir zu Kleidern verarbeiten, könnten auch anderen Wesen nützlich sein. Nur schon durch unsere Atmung wandeln wir Sauerstoff in Kohlendioxid um. Was wir hier für den Menschen aufzählen, gilt aber genau so für jedes andere Lebewesen auf der Erde: Alle Wesen – und dabei denken wir vor allem an Tiere und Pflanzen – sind in einen Kreislauf (Nahrungsmittelkette) eingebunden, bei dem jedes Wesen zugleich auch Nahrung für ein oder mehrere andere Wesen darstellen können. Es ist deshalb unmöglich auf der Erde zu leben, ohne gleichzeitig andere Wesen in irgend einer Art und Weise zu beeinträchtigen. Die Frage stellt sich aber, wie weit wir andere Wesen in ihrer Entwicklung, in ihrem Dasein, beim Erfüllen ihrer Aufgaben auf der Erde behindern. Es geht also nicht darum, ob wir andere Wesen bei ihrer Tätigkeit durch unser Dasein einschränken, sondern nur wie stark wir andere Wesen beeinträchtigen. Es geht quasi um ein Optimierungs- oder Minimierungsproblem. Es ist unmöglich auf der Erde zu leben ohne gleichzeitig andere Wesen positiv oder negativ zu beeinflussen.
Nehmen wir als Beispiel an, dass wir uns vor einem Wald befinden und auf die andere Seite gelangen wollen. Wir können nun ganz normal durch den Wald gehen, Zweige, welche sich uns entgegenstellen wegbiegen und so auf die andere Seite gelangen. Wir zertrampeln dabei etwas Gestrüpp. Der angerichtete Schaden wird sich aber in Grenzen halten und nach ein paar Tagen kaum mehr sichtbar sein. Alternativ können wir aber auch Bagger auffahren lassen und eine geteerte Strasse durch den Wald hindurch bauen. Dadurch richten wir am Wald selbstverständlich einen viel grösseren Schaden an. In beiden Fällen erreichen wir unser gestecktes Ziel: wir gelangen auf die andere Seite des Waldes. Mit dem Bau der Strasse hinterlassen wir aber sicher grössere Spuren, als wenn wir uns nur „sanft“ durch den Wald hindurch „schleichen“. Wenn es zum Beispiel unsere Aufgabe ist, in den nächsten Jahren viel Holz auf die andere Seite dieses Waldes zu transportieren, dann war der Bau der Strasse möglicherweise sinnvoll. Falls wir aber nur einmalig und erst noch zu Fuss auf die andere Seite des Waldes gehen wollten, dann wäre der Bau der Strasse eine völlig übertriebene Massnahme gewesen und hätte mit Sicherheit mehr bzw. grössere Spuren hinterlassen als notwendig. Zu welchen Überlegungen führt uns dies hin?
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 9 Wir sollten darauf achten, unsere negativen Fussabdrücke während unserem Leben so gering wie möglich zu halten.
Wir haben gewisse Aufgaben angenommen, welche wir ausführen wollen. Je nach dem, wie rasch und auf welche Art und Weise wir diese Aufgaben ausführen, verursachen wir mehr oder weniger starke Beeinträchtigungen für andere Lebewesen. Diese Beeinträchtigung, diese Eingriffe in die natürlichen Lebensläufe, wollen wir im folgenden mit unserem Fussabdruck, mit unseren Spuren bezeichnen. Selbstverständlich müssen solche Auswirkungen nicht à priori für alle Lebewesen negativ sein, die Auswirkungen unserer Tätigkeit bzw. unseres Daseins können durchaus auch positive Aspekte für einzelne Wesen beinhalten. Aus der Grundlage des Seins lassen sich keine dogmatischen Regeln nach dem Muster gut / schlecht (zum Beispiel Bau einer Strasse = schlecht, Trampelweg = gut) aufstellen. Viel mehr geht es um eine individuelle und je nach Aufgabe sich neu stellende Optimierung der Frage: Wie gross darf mein Fussabdruck bei der Lösung dieser Aufgabe sein? Grundsätzlich sollten wir darauf bedacht sein, unsere negativen Fussabdrücke während der ganzen Zeitdauer unseres Lebens so klein wie möglich zu halten. Dies führt letztendlich zu einer minimalen Beeinträchtigung von fremden Lebewesen. Zur Sicherheit fügen wir nochmals an, dass die oben erwähnte Forderung keinesfalls zu einer Passivität führen darf, denn mit unserem Dasein auf der Erde sollen wir uns ja weiter entwickeln, sollen wir unsere Aufgaben lösen. Letztendlich wird dies aber zweifellos zu einer gewissen Bescheidenheit bzw. Rücksichtnahme gegenüber anderen Menschen, gegenüber anderen Lebewesen, den Pflanzen, ja der Natur im allgemeinen führen. Betrachten wir deshalb als nächsten Schritt einmal die Auswirkungen auf unser Verhältnis zur materiellen Welt.
Verhältnis zur materiellen Welt Wir lassen uns häufig ohne nachzudenken vom Prinzip „je-mehr-desto-besser“ leiten.
Gerade in der materiellen Welt lassen wir uns sehr häufig vom Prinzip „jemehr-desto-besser“ leiten: Je mehr Geld desto besser, je grösser das Haus, die Wohnung, je grösser die Fläche unseres Grundstücks, das Auto, je stärker der Motor im Auto, je mehr Kleider, je mehr Schuhe, oder ganz generell je mehr Besitz desto besser. Wer nach dem Prinzip „je-mehr-destobesser“ handelt, entscheidet aber nicht mehr selbst, sondern er ordnet sich diesem Prinzip unter. Weil es immer noch mehr geben wird, selbst wenn er schon extrem viel davon hat, wird er zum Sklaven dieses Prinzips. Er lässt sein Leben durch dieses Prinzip beherrschen. Das Gegenteil davon, also eine Sache zu herrschen anstatt sich von einer Sache beherrschen zu lassen bedeutet, dass man in jedem Falle losgelöst von irgend welchen Prinzipien entscheidet, ob etwas sinnvoll ist oder nicht. Es bedeutet insbesondere auch, aus eigenem Willen auf etwas zu
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 10 verzichten. Die Grösse des materiellen Besitzes ist jedoch nicht unbedingt ein guter Indikator dafür, ob jemand über der Materie steht oder sich von der Materie beherrschen lässt. Jemand welcher zum Beispiel unfreiwillig ein kleines Einkommen hat und sich deswegen kein Haus, kein Auto oder kein Motorboot leisten kann, muss noch lange nicht über der Materie stehen. Denn möglicherweise strebt er ja trotzdem mit aller Kraft grösseren materiellen Besitztum an. Sich nicht von der Materie beherrschen zu lassen kann aber beispielsweise bedeuten: Ich könnte wesentlich mehr verdienen, tue es aber bewusst und vor allem freiwillig nicht. Wegen der grossen Bedeutung, welche wir dem Geld in der Regel zumessen, betrachten wir unser Verhältnis zum Geld in einem separaten Kapitel (siehe...). Aus der Grundlage des Seins folgt die Forderung nach einem massvollen Umgang mit den Ressourcen der Erde.
Die materiellen Ressourcen auf der Erde stehen grundsätzlich allen Lebewesen – also auch den Menschen – zur Nutzung zur Verfügung. Insbesondere bei den nicht erneuerbaren Ressourcen (zum Beispiel Erdöl, Erdgas, Edelmetalle, Mineralien) ist es sicher einleuchtend, dass Andere möglicherweise in Zukunft zu wenig davon haben werden, wenn wir heute zuviel davon brauchen. Nur weil wir heute nicht abschätzen können, ob bzw. wie viel Erdöl die zukünftigen Generationen brauchen werden, dürfen wir diese Ressourcen noch lange nicht verschwenden. Doch selbst bei den zumindest teilweise erneuerbaren Ressourcen wie zum Beispiel Wasser, Luft, Erde, usw. findet dauernd eine Aufteilung auf verschiedene Wesen statt. Wenn ich heute etwas mehr davon nehme, wird möglicherweise morgen jemand anders weniger davon nehmen können. Aus der Grundlage des Seins folgt deshalb direkt die Forderung nach einem äusserst massvollen Umgang mit den Ressourcen der Erde. Dies muss zwingend zu einer grösseren Bescheidenheit der Menschheit führen.
Materielle Dinge sind Hilfsmittel auf unserem Lebensweg. Dies ist aber noch lange kein Grund, diese Hilfsmittel zum Ziel unseres Daseins werden zu lassen!
Die materielle Welt und dabei insbesondere der materielle Besitz und die materiellen Ressourcen sind wertvolle Hilfsmittel auf unserem Lebensweg. Sie können uns auf effiziente Art und Weise helfen, ein Ziel zu erreichen. Dies ist aber noch lange kein Grund, diese Hilfsmittel selbst zum Ziel unseres Schaffens werden zu lassen! Betrachten wir dies nochmals anhand von folgenden Beispielen: Nehmen wir an, wir wollen eine Reise zu Fuss durchführen, durch ein Gebiet, von dem wir die Beschaffenheit des Bodens nicht kennen. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Schuhe wir auf unsere Reise mitnehmen wollen. Wir können einfach ein paar Schuhe mitnehmen und hoffnungsvoll losziehen, oder wir können zunächst abwarten und möglichst viele Schuhe sammeln. Da laufend neue Schuhe auf den Markt kommen, sammeln wir auch diese, so dass unsere Sammlung immer grösser und grösser wird. Schlussendlich sind wir zwar gegen alle Eventualitäten gewappnet, haben aber unser Vorhaben vergessen, dass wir eigentlich losziehen wollten. Nehmen wir als weiteres Beispiel an, wir möchten fürs Internet eine eigene Homepage erstellen. Dazu ist ein Computer sicher das Hilfsmittel der Wahl. Zur Erstellung einer Homepage gibt es mittlerweilen Hunderte von Programmen und praktisch täglich kommen weitere dazu. Wir können uns
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 11 zur Verwendung eines dieser Programme entschliessen und damit die Homepage erstellen. Damit gehen wir natürlich das Risiko ein, nicht das optimalste, einfachste oder beste Programm zu verwenden. Alternativ können wir viele derartige Programme beschaffen und diese ausführlich testen, mit dem Ziel auch wirklich das allerbeste Hilfsmittel einsetzen zu können. Da aber wie bereits erwähnt, praktisch täglich neue solche Hilfsmittel dazukommen, befinden wir uns in einer endlosen Evaluation, bei der wir mit der Zeit wohl Hunderte oder gar Tausende solcher Programme zur Erstellung einer Homepage haben werden. Vor lauter Angst das beste Hilfsmittel zu verpassen, haben wir die Erstellung der Homepage immer weiter vor uns her geschoben. Auch bei diesem Beispiel geht es darum, das eigentliche Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, das Hilfsmittel, bzw. die Evaluation eines Hilfsmittels selbst nicht zum Ziel werden zu lassen. Betrachten wir als nächstes Beispiel eine Gruppe von drei Bergsteigern, welche einen verschneiten Gletscher überqueren möchte. Da Einsturzgefahr in Gletscherspalten herrscht, seilen sich die drei Kameraden für den Gang über den Gletscher an. Um die Sicherheit scheinbar zu erhöhen, könnten sie sich nun mit zwei, drei oder noch mehr Seilen gleichzeitig anseilen. Die Sicherheit würde aber dadurch nicht erhöht, sondern die Bergsteiger würden durch die mehrfachen Seile bei ihrem Gang behindert, was sogar zu einer Verringerung der Sicherheit führen kann. Je mehr Seile desto besser gilt auch hier nicht. Umgekehrt könnten sich die drei Kameraden sagen: Je häufiger wir das Hilfsmittel „Bergseil“ einsetzen, desto besser. Sie könnten also zum Beispiel nach der Überquerung des Gletschers angeseilt bleiben. Spätestens aber wenn wir uns die drei Kameraden angeseilt im Zug sitzend auf der Heimreise vorstellen, dürfte klar werden, dass es auch in diesem Falle darum geht, das Hilfsmittel in der richtigen Menge und zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen. Sonst entwickelt sich das Hilfsmittel allzu leicht in ein „Störungsmittel“. Das Prinzip „je-mehr-destobesser“ gilt in Bezug auf materielle Dinge für die meisten Menschen in den Industrieländern schon
Zugegeben, diese drei Beispiele sind so offensichtlich, dass sie schon fast lächerlich wirken. Warum können dies aber viele von uns nicht auf die Hilfsmittel „materiellen Besitz“ oder „materielle Ressourcen“ übertragen? Warum wollen die meisten von uns immer mehr besitzen, bzw. immer mehr verbrauchen? Haben wir uns evtl. gedanklich noch nicht gelöst von jenen
lange nicht mehr.
früheren Zeiten, als wir unsere ganze Zeit auf der Erde der Existenzsicherung widmen mussten und jedes bisschen „mehr“ automatisch
Heute geht es um die
unsere Überlebenschancen erhöhte? Wo auch immer die Ursache für unser
Optimierung von Besitz und Verbrauch, so dass eine
Verhalten liegen mag: Es ist höchste Zeit umzudenken, alte Verhaltensweisen abzulegen und uns der heutigen Situation anzupassen.
möglichst effiziente
Die Regel „Je-mehr-desto-besser“ gilt für uns in der industrialisierten Welt in Bezug auf materiellen Besitz oder Ressourcenverbrauch schon lange nicht
Entwicklung des Bewusstseins möglich ist.
mehr. Heute geht es darum, dass jeder für sich selbst den materiellen Besitz und den Verbrauch von Ressourcen so optimiert, dass das persönliche Bewusstsein
und
damit
automatisch
auch
das
Allgemeinwohl
am
effizientesten wachsen können. Betrachten wir dazu nun ein paar konkrete Beispiele: 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 12 Je nach Aufgabe, welcher jemand ausführt, kann es durchaus sinnvoll sein, ein Auto zu besitzen oder zumindest zu gebrauchen. Bei der Auswahl des Autos sollten vielfältige Kriterien, wie zum Beispiel der Energieverbrauch zur Herstellung des Wagens, der Energieverbrauch beim Betrieb, die Erzeugung von Schadstoffen bei Herstellung und beim Betrieb, die sozialen Bedingungen der Mitarbeiter bei der Produktion, die Recyclierbarkeit der verwendeten Materialien, usw. berücksichtigt werden, denn mit dem Gebrauch dieses Wagens übernehmen wir Verantwortung für diese Folgen. Es ist ein gutes Mass an Selbstehrlichkeit notwendig, um entscheiden zu können, wann der Gebrauch des Wagens tatsächlich Sinn macht. Der Einsatz von typischen Prestige-Fahrzeugen, Vierrad-Antrieben, tiefer gelegten Fahrwerken, Rennreifen oder Geländefahrzeuge mitten in der Stadt wird man aber mit der Grundlage des Seins kaum rechtfertigen können. Wir werden darauf bei der Behandlung der Frage, weshalb wir uns selbst so häufig über den materiellen Besitz definieren, nochmals zurück kommen. Nehmen wir an, wir planen eine Geschäftsreise in eine 500 km entfernte Stadt. Als Verkehrsmittel stehen uns dafür in der Regel Flugzeug, Bahn oder das Auto zur Verfügung. Für welches Verkehrsmittel entscheiden wir uns in einem solchen Falle? Geht es darum, das schnellste, oder das energieeffizienteste, oder das kostengünstigste Verkehrsmittel zu wählen? Wer darauf eine allgemein gültige, konkrete Antwort erwartet, liest das falsche Buch. Gemäss unserer Auslegung der Grundrechte des Seins, sollten wir aber mit jenem Verkehrsmittel unsere Evaluation beginnen, welches andere Wesen am wenigsten stark beeinträchtigt. Dies dürfte im obigen Beispiel in der Regel die Bahn sein. Gibt es stichhaltige Gründe – welche selbstverständlich mit unseren persönlichen Zielsetzungen übereinstimmen müssen – ein anderes Verkehrsmittel als die Bahn zu wählen, so sollten wir dies mit ruhigem Gewissen tun. Wir sollten uns aber auch zur Gewohnheit machen, die Tätigkeit, welche die Reise als notwendig erscheinen lässt, ebenfalls grundsätzlich in Frage zu stellen. Beim obigen Beispiel hiesse dies, sich zu fragen, ob denn die Reise wirklich notwendig sei, bzw. ob sich dasselbe nicht vielleicht auch durch eine Telefonkonferenz, Videoschaltung, usw. genau so gut und mit wesentlich weniger negativen Spuren lösen liesse. Handelt es sich bei unserer geplanten Reise zum Beispiel um eine der beliebten Einkaufstouren in einer fremden Stadt, so dürfte der Nullentscheid wohl die richtige Wahl sein. Wir müssen uns aber auch bewusst sein, dass es sich beim sinnvollen Einsatz der Ressourcen bzw. beim massvollen Besitz häufig nicht um ein komplexes Optimierungsproblem handelt, teilweise genügend schon der kurze Einsatz des eigenen, gesunden Menschenverstandes! Warum soll jemand beispielsweise zum Vergnügen mit einem Verkehrsflugzeug herumfliegen, und so Tausende von anderen Wesen mit Lärm beschallen und die Luft verschmutzen, oder mit einem Motorboot auf einem See Lärm und Gestank verbreiten? Es gibt bestimmt auch für solche Leute andere, entspannendere und schonungsvollere Betätigungen. 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 13
Verhältnis zur immateriellen Welt Wir sind teilweise schon so weit gegangen, dass wir den „Wert“ von Menschen anhand ihrem materiellen Wohlstand messen.
Unsere Beziehung zur immateriellen Welt – und darunter wollen wir vor allem die Tier- und Pflanzenwelt aber auch andere Menschen verstehen – ist stark geprägt von einem Hierarchiedenken. Generell stufen wir uns Menschen in dieser Hierarchie am höchsten ein, insbesondere höher als alle Pflanzen und Tiere. Eine solche Unterscheidung besteht gemäss den Grundrechten des Seins nicht. Aber auch innerhalb der Menschen machen wir sehr grosse Unterschiede. Zuoberst in dieser selbst definierten Hierarchie stehen jeweils wir selbst, danach kommt in der Regel unsere Familie, unsere Region, unser Land, Mitglieder derselben Weltanschauung oder Religion und je nach dem auch noch Personen mit anderer Hautfarbe. Wir sind zum Teil schon so weit gegangen, dass wir den Wert von Menschen anhand ihrem materiellen Wohlstand bemessen. Dazu kommt jeweils noch ein erheblicher Einfluss von Prestige bzw. Macht der betreffenden Person über andere. Nur so kann man sich die Tatenlosigkeit erklären, mit der das Elend in der dritten, sogenannten unterentwickelten Welt von den westlichen Nationen hingenommen wird. Millionen von Menschen können zum Beispiel in Afrika an grundsätzlich heilbaren Krankheiten infolge Medikamentenmangel sterben, ohne dass dies im Westen verbreitet für Aufsehen sorgt. Auf der anderen Seite kann ein Flugzeugabsturz in Europa oder in den USA mit vielleicht Hundert Toten ein ganzes (westliches) Land in Angst und Trauer versetzen. Dass hier mit unterschiedlichen Ellen gemessen wird, ist allzu offensichtlich. Wir wollen an dieser Stelle aber nicht den Sinn oder Unsinn von Entwicklungshilfe oder gar die Folgen der sog. Globalisierung diskutieren, sondern es geht nur darum, klar festzuhalten, dass das Grundrecht des Seins keine Unterschiede zwischen den Wesen kennt. Ein Wesen ist ein Wesen, gleichgültig ob es sich um einen Menschen, um einen Hund oder um eine Blume handelt. Und ein Mensch ist ein Mensch, völlig gleichgültig, ob er Staatspräsident oder eine unbekannter Arbeiter, ein Millionen oder gar Milliarden schwerer Unternehmer oder ein mittelloser Arbeitsloser ist. Es ist unsere Pflicht und Aufgabe, diese Tatsache bei uns selbst, bei unserem Umfeld und bei der Erledigung unserer Aufgaben zu beachten. Denn für das, was wir tun oder nicht tun, sind wir persönlich verantwortlich.
Wie definieren wir uns? Im vorherigen Abschnitt haben wir festgestellt, dass wir zu einer hierarchischen Einteilung von anderen Menschen neigen. Dies führt uns automatisch zur Frage, wie wir uns selbst und andere denn überhaupt definieren. Woher nehmen wir einerseits unser Selbstwertgefühl und was führt andererseits zu einer Einstufung von anderen Menschen? Wenn wir
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 14 andere Leute und auch uns selbst einteilen, muss ja ein Bewertungsschema bewusst oder unbewusst vorliegen. Die Chancen sind relativ gross, dass wir bei anderen Personen dieselben Bewertungskriterien wie bei uns selbst anwenden, denn das was wir bei anderen Menschen bewundern, werden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit auch selbst anstreben. Jeder Mensch wird letztendlich sein eigenes Bewertungsschema haben, dennoch lassen sich aber aus dem Verhalten der Mehrheit Gemeinsamkeiten ableiten. Ein ganz hoher Stellenwert geniesst materieller Besitz (Reichtum), Macht, der erlernte und/oder ausgeübte Beruf, sowie Titel aller Art. In den tieferen Hierarchiestufen der allgemeinen Bewertung folgen dann zum Beispiel das Aussehen, der Arbeitgeber (ich arbeite bei Firma xy), Familienzugehörigkeit (Sippschaft), Einkommen, Ehepartner, das Ansehen der Kinder oder Grosskinder, sowie nach aussen sichtbare Symbole von Reichtum, wie zum Beispiel Auto, Motorrad, das Haus, usw. Die Details dieser Bewertungshierarchie sind für uns nicht wichtig. Es geht nur darum, uns bewusst zu werden, nach welchen Kriterien wir uns selbst und andere bewerten. Für uns ist es vor allem interessant zu wissen, wie wir uns selbst beurteilen, denn anhand dieser Bewertung werden wir uns gut oder schlecht, freudig oder traurig fühlen. Wir haben in Band 1 diskutiert, dass alle Menschen letztendlich nach demselben streben, sie möchten glücklich und ohne Angst leben können. Dieses Ziel können wir erreichen, indem wir die Grundrechte des Seins jederzeit und überall respektieren. Dementsprechend sollten wir unsere persönlichen Ziele wählen und die Annäherung an diese Ziele regelmässig und konsequent überwachen. Die Kriterien für diese Überwachung sollten deckungsgleich sein mit den oben angesprochenen Bewertungskriterien. Denn die Bewertung von uns selbst ist nichts anderes als willkommenes Feedback, um Korrekturen auf unserem Lebensweg vorzunehmen. Zumindest theoretisch ist die Angelegenheit sehr einfach und klar. Das Problem liegt auch hier nicht bei der Theorie, sondern bei der konkreten Umsetzung bei sich selbst. Wir wollen deshalb nachfolgend ein paar Anregungen geben, wie man sich selbst periodisch kritische Fragen stellen kann. Was antworten Sie normalerweise jemandem auf die Frage „Wer sind Sie?“ oder „Was machen Sie?“ Antworten Sie mit Ihrem Namen, mit Ihrem Beruf, mit Ihrer Tätigkeit oder mit Ihrer Position in der Firma und weshalb tun Sie dies? Fällt es Ihnen leicht, Ihr Alter, Ihren Beruf, Ihre Tätigkeit, Ihre Hobbies, Ihre Interessen, usw. klar zu nennen, wenn Sie danach gefragt werden? Wie gehen Sie mit Ihren Diplomen und Auszeichnungen um? Legen Sie Wert darauf, als Dr. sowieso oder Direktor xy angesprochen zu werden? Könnten Sie sich vorstellen, eine viel weniger angesehene Position bei Ihrem derzeitigen Arbeitgeber einzunehmen? Falls nein, weshalb nicht? Lieben Sie sich selbst? Weshalb? 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 15 Freuen Sie sich, wenn Sie Ihren Kopf im Spiegel sehen? Falls nicht oder nicht immer: Was stört Sie und weshalb? Können Sie dagegen etwas unternehmen? Erstellen Sie eine Liste von Personen, mit denen Sie besonders gerne bzw. besonders ungerne zusammen sind. Versuchen Sie herauszufinden, weshalb Sie gerne bzw. ungerne mit diesen Personen zusammen sind. Beschreiben Sie Ihre positiven und negativen Charaktereigenschaften auf einer halben A4-Seite. Beschreiben Sie als Vergleich dazu ein Idealbild, wie Sie gerne sein möchten. Schreiben Sie eine Grabrede für Ihre eigene Beerdigung. Was möchten Sie, dass Ihre Lieben dann nach Ihrem Ableben über Sie und Ihr Leben sagen? Analysieren Sie diese Grabrede in aller Selbstehrlichkeit. Erstellen Sie eine Liste mit Ihrem materiellen Besitz. Kennzeichnen Sie jede Dinge speziell, auf welche Sie keinesfalls verzichten möchten. Markieren Sie danach alle Dinge welche auf Macht hinweisen und im nächsten Schritt jene Dinge, welche nach aussen Reichtum signalisieren. Suchen Sie nach den Ursachen, weshalb Sie den markierten Besitz haben. Wie beeinflusst Ihr Lebenspartner Ihr Ansehen und Ihr Selbstbildnis?
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 16
Das liebe Geld Wer in einer materiellen Welt leben will, hat automatisch materielle Bedürfnisse. Am augenfälligsten sind die Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung und einer Unterkunft. Bedingt durch die wirtschaftliche Entwicklung bzw. Arbeitsteilung stellen wir in der Regel die Kleider nicht mehr selbst her und lassen andere unsere Unterkunft bauen. Als „Tauschmittel“ zur Vergütung von Leistungen verwenden wir Geld. Geld zu besitzen vermittelt uns deshalb ein Gefühl der Sicherheit: Unsere materiellen Bedürfnisse - welche eine wichtige Grundlage für unser Dasein darstellen - scheinen für eine gewisse Zeit lang gesichert zu sein. Je mehr Geld wir besitzen, desto länger ist der Zeitraum, in dem die materielle Existenz sichergestellt scheint. Wir glauben, materiell gesehen könne uns dann nichts mehr passieren. Dies ist jedoch ein Irrtum: Zumindest in der Marktwirtschaft richtet sich der Preis einer Ware nach der Nachfrage und kann sich deshalb jederzeit ändern. Werden zum Beispiel Esswaren oder Trinkwasser knapp, so steigt deren Preis. Dadurch wird die Kaufkraft des Geldes innert kurzer Zeit reduziert (Inflation). Wer glaubte, dank seines Geldes die materiellen Sorgen los zu sein, hat plötzlich wieder die alten Probleme. Dabei denken wir nicht an Kaufkraftverluste von ein paar wenigen Prozenten pro Jahr, sondern um Faktoren 10, 100 oder noch höher, wie dies in Krisenzeiten (vor allem während Kriegen) immer wieder vorkam bzw. auch heute noch vorkommt. Aus diesem Grunde legen viele Leute ihr Vermögen nicht nur in Geldwerten, sondern auch in Immobilien, Edelmetallen, Aktien, usw. an. Dies führt zu einer Streuung des Risikos, aber noch lange nicht zu der gewünschten Sicherheit. Erfahrungsgemäss können Vermögenswerte ohne Ausnahme von
in grösseren Krisen alle enormen Wertveränderungen
betroffen sein. Vermutlich ist diese Unsicherheit auch ein versteckter Grund, weshalb so viele Leute nach möglichst grossem materiellen Reichtum streben: Sie wollen auch für das „Schlimmste“ gewappnet sein und hoffen selbst nach katastrophalen Kaufkraftverlusten immer noch Reserven zu haben. Wir müssen uns bewusst werden, dass es die totale
Wir müssen uns aber bewusst sein, dass es die totale materielle Sicherheit auf der Erde nicht gibt und auch nie geben wird. Wer trotzdem danach
materielle Sicherheit auf der Erde nicht gibt und auch nie
strebt, wird viele Enttäuschungen einstecken müssen.
geben wird.
Es ist heutzutage sinnvoll, seine materielle Versorgung sicher zu stellen ohne am absoluten Existenzminimum bzw. an der Armutsgrenze zu leben. Unser gesunder Menschenverstand sollte uns aber leiten bei der Abklärung der Frage „wie viel“ materielle Versorgung in unserer Situation sinnvoll ist. Oftmals ist es wesentlich weniger, als wir zunächst glauben.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 17 Völlig falsch ist es auf jeden Fall, aus der Notwendigkeit der materiellen Versorgung zu schliessen, dass das Prinzip „Je-mehr-desto-besser“ gelte. Sobald eine gewisse Grenze überschritten ist, macht das Streben nach „möglichst viel“ nicht mehr Sinn. Vergleichen wir dies mit folgenden Beispielen: Jeder von uns besucht in der Regel die Toilette mit einer gewissen Häufigkeit pro Tag. Dies ist absolut notwendig und sinnvoll. Wohl kaum jemandem würde es aber einfallen, dass „Je-mehr-desto-besser“-Prinzip auf die Klobesuche anzuwenden. Analog bei der Nahrungsaufnahme: Irgendwann sind wir satt, wenn wir trotzdem weiterhin essen, bekommen wir früher oder später Beschwerden. Je mehr essen desto besser gilt offensichtlich nicht. Autos werden tendenziell mit immer stärkeren Motoren ausgestattet. Als Fortbewegungsmittel dient ein Auto dazu, uns von einem Ort zum anderen zu transportieren. Die Gesetze der Physik, aber insbesondere auch
Geschwindigkeitsbeschränkungen,
Verkehrssignale
und
ein
allgemein hohes Verkehrsaufkommen haben längst dazu geführt, dass der Transport von A nach B durch einen stärkeren Motor nicht schneller oder bequemer möglich ist. Im Gegenteil: Das Auto kostet sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb mehr und verursacht auch höhere Umweltschäden. Das „je-mehr-desto-besser“ Prinzip lässt sich nicht auf materielle Werte anwenden.
Wir könnten noch beliebig viele Beispiele anfügen, denn das „Je-mehrdesto-besser“-Prinzip lässt sich grundsätzlich nicht auf materielle Dinge oder Werte anwenden. Bei allen materiellen Werten gibt es einen Punkt, wo „noch mehr“ plötzlich wieder einen geringeren Nutzen ergibt als „weniger“. Doch schon lange bevor dieser Punkt erreicht ist, profitieren wir immer weniger von einer gleich grossen Zunahme von materiellen Werten. Sehr eindrücklich sehen wir dies beim Essen: Die ersten Bissen schmecken häufig am besten. Sobald der gröbste Hunger gestillt ist, bereitet uns der nächste Bissen nicht mehr gleich viel Befriedigung. Oder beim Geld: Wer 1000 Euro pro Monat verdient, für den sind 100 Euro sehr viel wert. Bei einem monatlichen Einkommen von 10'000 Euro, erscheinen dieselben 100 2
Euro aber als relativ wenig. Oder bei der Wohnfläche: Wer heute 40 m 2 bewohnt, für den sind zusätzliche 20 m eine Riesenfläche, wer hingegen 2
2
heute 200 m bewohnt, für den sind die zusätzlichen 20 m kaum spürbar. Man spricht in solchen Fällen jeweils vom „abnehmendem Grenznutzen“ von materiellen Werten. Betrachten wir dies in Abbildung 1: Am Punkt W 1 ist unser materieller Besitz noch relativ gering. Eine Vergrösserung um dW erhöht unseren Nutzen um dN1. Eine Vergrösserung des materiellen Besitzes um dieselbe Menge dW am Punkt W 2 (wenn wir bereits einen höheren materiellen Besitz haben als am Punkt W 1), erhöht unseren Nutzen nur noch um dN2. Unser Nutzen nimmt auch hier zu, allerdings nur noch um den Betrag dN2, also wesentlich weniger als dN1.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 18 Nutzen
dN2
dN 1
dW W1
dW W2
mat. Besitz
Abbildung 1: Abnehmender Grenznutzen Wenn wir davon ausgehen, dass unser Aufwand zur Erhöhung des materiellen Wertes um dW unabhängig davon ist, wie viel wir bereits besitzen, so ist unserer persönliche Effizienz als Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen umso höher, je weniger wie von diesem Wert bereits besitzen. Um dies nochmals mit ein paar Beispielen zu illustrieren: Nehmen wir an, ein Stück Brot koste 1 Euro. Wenn jemand Kohldampf hat, ist 1 Stück Brot bereits ein Segen. Für 1 Euro erhält diese Person einen sehr hohen Nutzen. Nachdem diese Person bereits 5 Stück Brot gegessen hat, ist sie weniger hungrig oder vermutlich sogar satt. Ein zusätzliches Stück Brot kostest immer noch 1 Euro, bringt dieser Person aber dann einen geringern Nutzen als das erste Stück. Nehmen wir als weiteres Beispiel an, ein Fahrrad koste 200 Euro. Wer noch kein Rad besitzt, dem kann ein solches Gerät vieles erleichtern, der Nutzen ist also gross. Wer aber bereits ein Fahrrad besitzt und sich ein zweites Rad beschafft, kann möglicherweise einen zusätzlichen Nutzen erhalten. Besitzt jemand aber bereits 4 Fahrräder und kauft sich ein fünftes, so wird der zusätzliche Nutzen für diese Person in der Regel wesentlich geringer sein als beim Kauf des ersten Rads, denn sie kann ja nicht alle 5 Fahrräder gleichzeitig benutzen. Für die 200 Euro, welche die Person für das 5. Fahrrad ausgegeben hat, erhält sie weniger Vorteile als beim ersten Rad. Der Grenznutzen ist geringer geworden. Mit zunehmender Anzahl Fahrräder steigt auch der Aufwand für den Unterhalt der Räder. Man muss diese ja irgendwo unterstellen können, evtl. Versicherungen dafür abschliessen (je nach Land ist dies obligatorisch), sie reinigen, usw. Ab einer gewissen Anzahl Fahrräder bereitet ein zusätzliches Rad fast nur noch zusätzlichen Aufwand: Der Nutzen sinkt sogar wieder!
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 19 Diese Gesetzmässigkeiten und Zusammenhänge sind natürlich schon lange bekannt, auch wenn man sie heute nicht mehr sehr häufig diskutiert. Da Geld auch zu materiellen Werten zählt, treffen die oben diskutierten Zusammenhänge auch aufs Geld zu. Grundsätzlich alle Lebewesen auf der Erde streben zunächst einmal danach, ihre materielle Existenz zu sichern. In der Darstellung der menschlichen Bedürfnisse steht die materielle Existenzsicherung deshalb auch bei praktisch allen Modellen an erster Stelle und bildet damit eine Grundlage zur Sicherung von anderen Bedürfnissen. Geld als Mittel zur Speicherung von materiellen Werten hat uns vom Platzproblem befreit. Wenn wir, wie im Beispiel oben, Fahrräder sammeln, müssen wir bald einmal eine Scheune mieten, um die Räder unterzubringen. Wenn wir anstatt Fahrräder Geld „sammeln“, entfällt dieses Platzproblem. Hingegen bleibt die Unsicherheit wegen dem Kaufkraftverlust und der abnehmende Grenznutzen. Die Menschheit ist aber bekanntlich erfinderisch und versucht diese Probleme oder Unsicherheiten durch Anhäufung von noch mehr materiellen Werten zu kompensieren. Wie geht dies vor sich? Wer bereits ein gewisses Vermögen hat, versucht es so einzusetzen, dass es sich quasi von selbst – also mit möglichst geringem eigenen Aufwand – vermehrt. Aus 100 Euro sollen möglichst bald 150 Euro werden, damit der Nutzen der ursprünglich 100 Euro dank der Vermehrung auf 150 Euro trotz der abgeflachten Nutzen / Vermögen Kurve (siehe Abb. 2) wieder spürbar wird.
Man
versucht
den
abnehmenden
Grenznutzen
durch
eine
„selbständige“ Vergrösserung des Wertes zu kompensieren. Konkret werden solche Gelder in der Regel in Form von Aktien, Obligationen, spekulative Warengeschäfte oder Immobilien angelegt.
Nutzen
100 150
mat. Besitz
Abb. 2 Erhöhung der Rendite
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 20 Wer für die oben erwähnten 100 Euro immer dieselbe Zunahme des persönlichen Nutzens erwartet, muss wegen der mit steigendem Vermögen immer flacher werdenden Nutzen / Vermögen – Kurve für seine 100 Euro eine immer höhere Rendite erwarten, je vermögender er bereits ist. Man kann sich wochenlang darüber streiten, ob die Nutzen / Vermögen – Kurve ab einem gewissen Punkt wirklich horizontal verlaufe und danach sogar wieder abfalle. Die Analogie mit Vermögen in Form von Waren und das Studium von superreichen Personen (welche teilweise ein erbärmliches Dasein führen) legen zumindest nahe, dass dies so ist. Unumstritten ist in jedem Falle, dass die Kurve Nutzen/Vermögen mit steigendem Vermögen immer flacher wird, wie wir dies in den Abbildungen 1 und 2 dargestellt haben. Für die Gültigkeit unserer Überlegungen ist dies bereits eine hinreichende Voraussetzung, deshalb können wir die Beantwortung dieser Frage jedem einzelnen überlassen. Es ist deshalb keine Frage: Je mehr Geld (oder Vermögen) wir bereits besitzen, desto weniger nützen uns zusätzliche 100 Euro. Wir versuchen dies zu kompensieren, in dem wir die 100 Euro anderen gegen Entgelt zur Verfügung stellen (Darlehen, Aktien, ..), mit dem Ziel die 100 Euro in eine grössere Geldmenge umzuwandeln. Dadurch kann letztendlich der persönliche Nutzen wieder grösser werden. (Wir werden darauf im Abschnitt „Leben ohne zu arbeiten“ nochmals zurück kommen.) Auf diese Weise können wir den Punkt, ab dem uns die Erhöhung unseres Vermögens nichts mehr bringt, etwas weiter nach rechts in Richtung höhere Vermögen verschieben. Ihn zum Verschwinden bringen oder gar die Kurve verändern, können wir hingegen nicht. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Geld in Form von Einkommen oder Vermögen zwar wichtig ist für unsere materielle Versorgung, dass dieses Hilfsmittel aber nicht dem „Je-mehr-desto-besser“ Prinzip gehorcht.
Wo liegt das Optimum? Wir haben dargelegt, dass uns das Streben nach möglichst viel Vermögen zu Sklaven des Materialismus werden lässt, da wir dann nicht mehr selbst entscheiden, was wir tun wollen, sondern unseren freien Willen diesem Prinzip unterordnen. Danach haben wir ausführlich diskutiert, dass unser persönlicher Nutzen aus der Zunahme unseres Vermögens immer kleiner wird, je grösser unser Vermögen bereits ist. Da unsere Zeit und unsere Kräfte auf der Erde limitiert sind, stellt sich damit automatisch die Frage nach der sinnvollsten Menge an materiellem Besitz bzw. Vermögen. Denn jene Zeit und Energie, welche wir nicht primär in die „Existenzsicherung“ stecken, können wir für andere Zwecke einsetzen, zum Beispiel für unsere
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 21 persönliche
Weiterentwicklung,
zur
Erziehung
unserer
Kinder,
für
unentgeltliche Arbeiten, Zusammensein mit Freunden, Ferien, usw. Diese Optimum für sich selbst zu finden ist bestimmt nicht einfach. Es beginnt mit der selbstehrlichen Beantwortung der Frage, was die persönlichen Aufgaben auf der Erde sind (siehe Band 1, Seite). Was haben wir uns vorgenommen zu tun, bevor wir uns zur Reinkarnation in diesem Umfeld entschlossen haben? – Solche Fragen können nur im ruhigen Dialog mit der eigenen „inneren Stimme“, mit „seinem Herzen“ oder wie man dies immer nennen mag, beantwortet werden. Oft ist damit auch ein monateoder sogar jahrelanger Selbstfindungsprozess verbunden. Niemand verlangt, dass wir in absoluter Askese leben.
Wenn wir einmal davon ausgehen, dass wir unsere gewählten Aufgaben der Reinkarnation wahrnehmen, so können wir mit der Aufzählung der durch uns zu tragenden Kosten beginnen und unseren heutigen Einnahmen gegenüberstellen. Dabei lohnt es sich, die einzelnen Ausgaben kritisch auf ihr Sparpotential zu hinterfragen und nicht etwa die heutige Wohnung, das Haus, die Ferien, usw. im aktuellen Umfang als unantastbar zu betrachten. Es wird in der Regel aber auch kaum jemand von uns erwarten, dass wir aus der Gesellschaft aussteigen und in absoluter Askese leben. Eine persönliche Entwicklung ist auch als Mitglied unserer Gesellschaft, als (scheinbar) ganz normaler Mensch möglich – solange wir selbst entscheiden, was für uns persönlich sinnvoll ist und uns nicht blind irgendwelchen Prinzipien oder Dogmas unterordnen. Beim „Selbstentscheiden-können“ bzw. zu wissen wann genug ist, handelt es sich übrigens um eine wichtige Lebensaufgabe für sehr viele Menschen. Wie bereits erwähnt, haben wir mit unserem gesunden Menschenverstand ein exzellentes Hilfsmittel für die Beurteilung unserer Entscheidungen zur Verfügung. Bei nicht rein rationalen Entscheidungen steht uns darüber hinaus auch noch unsere eigene Intuition zur Verfügung. – Die Hilfsmittel sind also vorhanden, wir brauchen sie nur einzusetzen! Wenn wir es schaffen, unsere materiellen Bedürfnisse geringer als unser Einkommen zu gestalten, hat dies eine enorm befreiende Wirkung für uns: Wir erhalten Entscheidungsfreiheit, sind wieder unser eigener Herr und Meister. Wenn uns zum Beispiel bei der Arbeit ein Vorgehen oder eine Entscheidung missfällt, können wir getrost unsere Meinung kundtun. Selbst wenn man uns für unsere Offenheit mit Entlassung bestrafen würde, wäre dies für uns keine Katastrophe: Wir wären bereit, eine Arbeit auszuführen, welche möglicherweise schlechter bezahlt wird, wo wir aber unsere Wertvorstellungen realisieren können. Das Wissen um diese Tatsache kann wirklich sehr befreiend und beflügelnd wirken. Sind unsere materiellen Bedürfnisse hingegen grösser als unser Einkommen, so befinden wir uns im Korsett des bereits diskutierten „Jemehr-desto-besser“-Prinzips, welches dann für uns tatsächlich Gültigkeit hat. Sofern sich dieser Zustand nur für eine absehbar begrenzte Zeitdauer einstellt, braucht dies nicht negativ zu sein. Falls es sich um einen Dauerzustand handelt, sollten wir uns aber unbedingt nach Möglichkeiten
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 22 zur Veränderung umsehen. Denn es braucht einen enorm starken Willen, um auf Dauer der Versuchung zur Ausführung von besser bezahlten Tätigkeiten zu widerstehen, welche mit unseren persönlichen Zielsetzungen nicht im Einklang stehen. Dieser Versuchung zu widerstehen ist selbstverständlich nicht unmöglich – falls die materiellen Bedürfnisse reduziert werden können und die ehrliche Bereitschaft dafür vorhanden ist, dürfte dies aber in den weitaus meisten Fällen der einfachere Weg darstellen.
Leben ohne zu Arbeiten Der Traum von sehr vielen Menschen in der Industriegesellschaft ist es, nicht mehr arbeiten zu müssen, ihre materielle Existenz bis zum Lebensende gesichert zu haben. Dies erklärt unter anderem den überaus grossen Zulauf für Glücksspiele wie Toto und Lotto. Je mehr Geld dem oder den Hauptgewinnern lockt, desto mehr Personen machen mit und desto höher ist der Einsatz der meisten Personen. Andere wiederum wollen so viel verdienen und Geld sparen, dass sie bereits im Alter von z.B. 40 Jahren in den Ruhestand treten können – tun es dann in aller Regel aber trotzdem nicht. Und von jenen, welche es tun, kehrt über die Hälfte ohne materiellen Zwang Erwerbsleben zurück.
aus
eigenem Wunsch wieder
ins
Wer unfreiwillig seine Arbeit verliert und arbeitslos wird, hat meist schon nach relativ kurzer Zeit mit Minderwertigkeitsgefühlen und Depressionen zu kämpfen. Eigentlich eigenartig, denn Arbeitslose erreichen in den sozial gut absicherten Ländern den „Traumzustand“ zumindest vorübergehend nicht für ihre materielle Existenz sorgen zu müssen. Streben viele von uns demzufolge nach einem Zustand, den sie eigentlich gar nicht wollen? Ist ein Leben ohne Arbeit überhaupt sinnvoll? Kann man ohne Arbeit glücklich und zufrieden sein? Arbeit sollte nicht mit dem materiellen Entgelt bewertet werden.
Bevor wir diese Fragen diskutieren, müssen wir klarstellen, was genau wir unter „Arbeit“ verstehen: Für unsere Diskussionen wollen wir „arbeiten“ mit „Aufgaben lösen“ gleichstellen. Es geht dabei insbesondere darum, Arbeit von materiellem Lohn zu trennen. Arbeit soll nicht mit materiellem Entgelt bewertet werden. Die Erziehung von Kindern zu Hause, die Pflege von Kranken oder Behinderten, das Einkaufen, die Mithilfe in Vereinen, usw. sind genauso Arbeiten wie bezahlte Tätigkeiten in der Wirtschaft. Kommen wir nach dieser Definition von Arbeit wieder zurück zur Frage, ob ein Leben ohne zu arbeiten sinnvoll sei, ob man ohne Aufgaben zu lösen überhaupt glücklich sein könne. Ein grosser Teil unseres Selbstwertgefühls hat mit den Aufgaben zu tun, welche wir anpacken. Keine Aufgaben zu haben oder besser gesagt keine Aufgaben anzunehmen kann deshalb schon zu Minderwertigkeitsgefühlen führen. Denn wer keine Aufgaben
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 23 wahrnimmt, der nützt nun wirklich wenig, sondern vertrödelt seine Zeit auf der Erde unnötig. Das eigentliche Problem ist unser Bewertungsschema der Arbeit.
Das eigentliche Problem liegt allerdings nicht bei mangelnden Aufgaben, sondern bei unserer Bewertung der Aufgaben. Allzu oft stufen wir Aufgaben umso erstrebenswerter oder höher ein, je besser die Bezahlung dafür ist. Unbezahlte Arbeiten müssen bei diesem Bewertungsschema deshalb zwingend als niedriger und weniger wünschbar als gut dotierte Arbeiten betrachtet werden. Diese Bewertung mag verständlich sein, solange jemand seine existentiellen Bedürfnisse (Nahrung, Unterkunft, Bekleidung) noch nicht vollständig decken kann, bei unseren Beispielen mit der Frühpensionierung bzw. dem Lottogewinner können wir aber davon ausgehen, dass die materiellen Bedürfnisse bis ans Lebensende gedeckt werden können. Wir sollten deshalb eine andere Bewertung für Arbeit finden, als das entsprechende materielle Entgelt. Dabei rufen wir uns in Erinnerung, dass wir uns mit dem Lösen von Aufgaben persönlich weiter entwickeln können. Die Art und Weise, wie wir unsere Aufgaben lösen, bringt uns unseren Lebenszielen näher oder weiter davon weg. Jede Aufgabe – und sei sie noch so klein – bietet uns Gelegenheit, die Grundrechte des Seins zu respektieren oder zu verletzen. Für die Folgen unserer Entscheidung, eine bestimmte Aufgabe anzunehmen und wie wir diese Aufgabe ausführen, sind wir persönlich verantwortlich. Und das, wofür wir verantwortlich sind, bestimmt
letztendlich
über
unsere
Zukunft,
über
unsere
nächsten
Lernschritte auf dem Lebensweg. Die umfassende Entschädigung für das Lösen von Aufgaben, also für das Arbeiten, sind Schritte in unserer persönlichen Entwicklung. Eine allfällige materielle Entschädigung wie z.B. Bezahlung ist demgegenüber in der Regel nur ein kleiner Teilaspekt. Es ist eminent wichtig, Arbeit als Chance zu betrachten und sie von negativen Begriffen wie schlecht, mühsam, notwendiges Übel, usw. loszusagen.
Es ist aus diesem Grunde eminent wichtig, den Begriff „Arbeit“ von Attributen wie schlecht, mühsam, notwendiges Übel, usw. zu lösen und Arbeit als eine Chance anzusehen. Eine Chance, sich persönlich weiter zu entwickeln. In diesem Sinne geht es dann „nur“ noch darum, die richtigen Aufgaben für uns selbst zu finden, damit wir uns effizient weiter entwickeln können. Richtig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Aufgaben unserem aktuellen Können angepasst sind, denn wir können uns letztendlich nur anhand von angepassten Aufgaben weiter entwickeln. Bei der Diskussion dieses Zusammenhangs im Band 1 haben wir die Analogie zu einem Violinschüler hergestellt: Wenn eine Violinschüler zu leichte Stücke spielt wird er sich ebenso wenig steigern können, wie wenn er zu schwere Stücke zu spielen versucht. Die seinem Können angepassten Musikstücke werden ihn am effizientesten lernen lassen. Mit der Wahl der richtigen Aufgaben für uns selbst und mit der Delegation von Aufgaben werden wir uns in dem nächsten Kapitel noch eingehend auseinander setzen. Als Zwischenbilanz wollen wir einmal festhalten, dass es absolut sinnvoll ist zu arbeiten bzw. Aufgaben zu lösen, weil wir uns dadurch persönlich weiter entwickeln können. Eine Bewertung von Arbeit entsprechend der materiellen
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 24 Entschädigung ist aber irreführend und wird uns früher oder später zur Verrichtung von Tätigkeiten führen, welche mit unseren Lebenszielen nicht kompatibel sind. Umgekehrt stellt sich früher oder später vielleicht auch die Frage, ob man auf die Ausführung von bezahlten Arbeiten verzichten und auf die materielle Versorgung durch Andere zugunsten der persönlichen Entwicklung bauen sollte. Mit dieser Einstellung würden wir das vorher kritisierte Bewertungsschema von Aufgaben anhand der materiellen Entschädigung aber wieder übernehmen, einfach mit negativem Vorzeichen. Alle bezahlten Tätigkeiten würden dadurch als nicht sinnvoll eingestuft. Dies ist natürlich genau so falsch. Wir müssen den Sinn einer Arbeit von ihrer materiellen Entschädigung gänzlich entkoppeln: Der Sinn einer Aufgabe und die Entschädigung für diese Aufgabe sind unabhängig voneinander. In unserem Leben geht es um uns – nicht um allgemeine oder grundsätzliche Fälle. Kümmern wir uns deshalb um unseren persönlichen Fall!
Es stellt sich aber trotz allem die Frage, ob es Situationen gibt, wo man sich selbst nicht mehr um die persönliche materielle Versorgung kümmern sollte, 2
wo man sich sinnvollerweise durch Andere materiell versorgen lässt . Wenn dies aufgrund einer freiwilligen Absprache innerhalb einer Gruppe von Menschen
geschieht,
ist
dagegen
kaum
etwas
Grundsätzliches
einzuwenden. Der typische Fall ist eine Familie mit Kindern, bei der sich ein Elternteil hauptsächlich um die Betreuung der Kinder kümmert und die materielle Versorgung der Familie dem anderen Elternteil überlässt. Etwas schwieriger zu beurteilen sind Fälle, wo diese Unterstützung bzw. materielle Versorgung durch Andere nicht direkt abgesprochen ist zwischen den Beteiligten. Ein verbreitetes Beispiel dafür ist die Beteiligung der Aktionäre am Gewinn und Wertzuwachs von Unternehmen. Die Mitarbeiter eines Unternehmens bestreiten dadurch möglicherweise die materielle Versorgung der Aktionäre. Diese stellen dem Unternehmen zwar Geld zur Verfügung, arbeiten aber nicht zwingend für das Unternehmen. Ab einer gewissen Höhe können solche Entschädigungen nicht mehr durch die Abdeckung des Risikos und/oder mit dem Kaufkraftverlust gerechtfertigt werden. Die entscheidenden Fragen sind, einerseits ob mit dem Geld sinnvollerweise z.B. die Arbeitssituation der Mitarbeiter (Erleichterungen am Arbeitsplatz, Weiterbildung, Arbeitszeitverkürzung, Lohnerhöhung, usw.) hätte verbessert werden sollen, bevor Gewinn oder Wert des Unternehmens gesteigert wurden. Andererseits ist auch die Frage zu berücksichtigen, wie ein Aktionär das Geld nachher einsetzt – möglicherweise absolut sinnvoll und damit der Erhöhung des Allgemeinwohls dienend. Diese Fragen können selbstverständlich nicht in allgemeiner Form beantwortet werden. Es geht in unserem Leben schliesslich aber auch nicht um allgemeine Fälle, sondern nur um unseren eigenen Fall, um unser eigenes Verhalten. Kritik oder Lob anderen Personen auszuteilen, bringt uns
2
Den Fall, wo jemand sich selbst wegen körperlichen oder geistigen Behinderungen nicht oder nicht mehr
selbst materiell versorgen kann, lassen wir hier bewusst weg. Dass solche Menschen von Anderen getragen werden müssen, ist selbstverständlich. 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 25 selbst in diesem Zusammenhang nicht weiter. Wir wollen deshalb hier auch nicht die grundsätzliche Frage diskutieren, ob z.B. hohe finanzielle Entschädigungen für Aktionäre und Manager sinnvoll sind oder nicht. Für uns selbst in diesem Zusammenhang sinnvolle Fragen sind: Soll ich mich selbst materiell versorgen? Falls nicht, wer soll dafür besorgt sein? Weiss diese Person davon bzw. wissen diese Personen davon und tun sie dies aus freiem Willen? Beim Sich-versogen-lassen durch Andere stellt sich die Frage, ob diese Anderen dadurch, dass sie auch mich versorgen, nicht andere – wichtigere – Aufgaben vernachlässigen. Denn dadurch würden die Grundrechte des Seins verletzt, weil diese anderen Personen in ihrer persönlichen Entwicklung behindert würden. Je kleiner die Gruppe der sich auf diese Art unterstützenden Personen ist, desto leichter lassen sich solche Fragen im direkten Gespräch miteinander lösen. Im vorher erwähnten Beispiel mit der Familie werden sich die Eltern wohl über die Aufteilung der Aufgaben geeinigt haben. Wenn solche direkten Absprachen nicht möglich sind, muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er effizienter zur Vergrösserung des Allgemeinwohls beitragen kann, wenn er sich durch Dritte materiell versorgen lässt. Dies kann vor allem dann der Fall sein, wenn jemand bestimmte Fähigkeiten hat, welche den Menschen oder dem System Erde nützlich sind, sich aber nicht in bare Münze umsetzen lassen. Als konkretes Beispiel können wir uns einen
Heilpraktiker
vorstellen,
welcher
in
einem
sogenannten
Entwicklungsland kranke Menschen heilt uns sich voll und ganz dieser (unbezahlten) Aufgabe widmet. In diesem Zusammenhang hört man häufig Argumente wie „ich würde gerne unbezahlte Arbeiten für die Allgemeinheit übernehmen, wenn jemand zumindest einen Teil meiner materiellen Bedürfnisse sicherstellen würde“. Man stellt dadurch Bedingungen, um „wohltätig“ zu sein. Wer so argumentiert,
knüpft
letztendlich
seine
persönliche
Entwicklung
an
Bedingungen, welche durch andere zu erfüllen sind. Darin liegt ein grosser Widerspruch, denn für unser Leben, für unsere persönliche Entwicklung sind nur wir selbst verantwortlich!
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 26
Annehmen und Delegieren von Aufgaben Immer wieder haben wir darauf hingewiesen, wie wichtig für unsere persönliche Weiterentwicklung die Auswahl der Aufgaben ist, welche wir lösen wollen. Im Band 1 haben wir die Entstehung und das Lösen von Aufgaben betrachtet und festgestellt, dass eine Aufgabe ihren Ursprung jeweils bei der Zielsetzung einer Person hat. Jemand möchte – vielleicht zusammen mit anderen Personen – ein bestimmtes Ziel erreichen. Dadurch ergeben sich Aufgaben, welche gelöst werden müssen, damit das Ziel erreicht werden kann. Umgekehrt formuliert bedeutet dies, dass wir durch das Lösen von Aufgaben automatisch auf die Zielsetzung hin arbeiten, welche die betreffenden Aufgaben hervorgerufen hat. In den kommenden Abschnitten befassen wir uns primär mit Aufgaben, welche wir von jemand anderem, zum Beispiel von unserem Vorgesetzten oder von einem Kunden, übernommen haben. Es lohnt sich für uns bei der Übernahme von Aufgaben zu prüfen, ob die Zielsetzung, welche die Aufgaben hervorgerufen hat, kompatibel mit unseren eigenen Zielsetzungen ist. Bei einer Firma können die Aufgabensteller zum Beispiel die Besitzer oder Aktionäre sein, welche die Geschäftsleitung beauftragen, ein neues Produkt zu entwickeln und dieses nachher im Markt einzuführen. Daraus entstehen eine ganze Reihe von Aufgaben, welche von der Geschäftsleitung ihrerseits delegiert werden. So bekommt zum Beispiel der Entwicklungsleiter als erstes die Aufgabe, das entsprechende Produkt zu entwickeln. Dieser teilt die Aufgabe auf seine Mitarbeiter auf, so dass weitere Teil-Aufgaben entstehen. Im folgenden Diagramm sehen wir als Beispiel die grobe Aufteilung der Aufgaben bei der Entwicklung eines neuen Autos.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 27
Federung Fahrwerk Abstimmung Diesel Motor Benziner Antrieb Manuell Getriebe Automatisch
Auto entwickeln Formen Karrosserie Farben Sitze Instrumente Interieur
Scheiben Lüftung Innenraum Laderaum
Wer eine Aufgabe ins Leben ruft, wer also eine bestimmtes Ziel entweder alleine oder zusammen mit anderen erreichen möchte, ist gemäss unserer früheren Diskussionen verantwortlich für die als Folge daraus entstehenden Aufgaben. Wer eine Aufgabe erteilt, ist verantwortlich für die Aufgabenstellung (Klarheit, Vollständigkeit, Randbedingungen) sowie für die Auswahl der Ausführenden. Obwohl dieses „Verursacherprinzip“ bei der Verantwortung für die Aufgabenstellung logisch erscheint, ist eine unklare oder unvollständige Aufgabenstellung in der Praxis einer der häufigsten Gründe für Fehler und Missverständnisse. Dies selbst dann, wenn man „nur“ sich selbst eine Aufgabe stellt. Wenn ich nicht weiss, was ich will bzw. wenn ich die Aufgabenstellung nicht richtig verstehe, ist es auch extrem schwierig die Aufgabe erfolgreich zu lösen! Wer durch seine Zielsetzung eine Aufgabe ins Leben ruft, ist zunächst einmal der „Besitzer“ dieser Aufgabe und kann entscheiden, ob er sie selbst lösen will oder an andere delegieren möchte. Falls er die Aufgabe delegieren möchte, kann er wiederum entscheiden, ob er sie „en bloc“ oder aufgeteilt in Teilaufgaben weitergibt.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 28
Das Modell der klebrigen Masse Um die Weitergabe und Ausbreitung der Verantwortung im Zusammenhang mit dem Delegieren von Aufgaben illustrieren zu können, stellen wir uns die Aufgaben jeweils als klebrige Masse, zum Beispiel als feuchten Kitt, vor. Wenn wir eine Aufgabe annehmen, fassen wir diese klebrige Masse mit unseren Händen an, die Aufgabe liegt in unseren Händen. Selbst wenn wir die ganze Masse nachher im Sinne einer vollständigen Delegation an jemand anders weitergeben, bleiben unsere Hände klebrig: Es ist etwas Verantwortung an uns „hängen geblieben“. Wir haben nämlich erstens entschieden, die Aufgabe als Ganzes weiterzugeben und zweitens haben wir entschieden, an wen wir die Aufgabe weitergeben. Für die Folgen von diesen Entscheidungen sind wir - so weit es unser Bewusstsein erlaubt verantwortlich. Dies sind unsere klebrigen Hände. Dabei ist unerheblich, ob wir eine Aufgabe von einer Drittperson übernommen haben oder ob sie durch unsere eigenen Zielsetzungen entstanden ist. Wer sich einmal dazu entscheidet, eine bestimmte Aufgabe anzunehmen, wird gewisse Verantwortungen im Zusammenhang mit dieser Aufgabe nicht mehr los. Seine Hände bleiben klebrig.
Auswahl der sinnvollen Aufgaben Bereits im Band 1 haben wir bei der Diskussion der Kompatibilität von Zielsetzungen darauf hingewiesen, dass wir nur zu uns bzw. unseren Zielsetzungen passende Aufgaben annehmen sollten. Alles andere ist Zeitverschwendung oder würde uns gar in der Umsetzung unserer persönlichen Zielsetzungen behindern. Aufgaben, welche uns zugleich unsere persönlichen Zielsetzungen näher bringen, bezeichnen wir deshalb in der Folge als sinnvolle Aufgaben. Die Prüfung, ob wir eine bestimmte Aufgabe annehmen wollen oder nicht, ist eine ganz entscheidende Sicherheit im Arbeitsprozess, auf welche wir noch häufig hinweisen werden. Wir unterstellen nun für die folgenden Diskussionen, dass die betroffenen Mitarbeiter das höchste Ziel des menschlichen Daseins – Harmonie und innere Ruhe - verwirklichen wollen, dass sie die Grundrechte des Seins achten wollen. Durch diese Annahme werden automatisch nur noch jene Aufgaben als sinnvoll bezeichnet, bei deren Lösung die betreffende Person die Grundrechte des Seins achten kann bzw. die Respektierung der Grundrechte des Seins auf geeignete Art und Weise trainieren kann. Wenn alle Mitarbeiter diese Prüfung bezüglich der Achtung der Grundrechte des Seins konsequent durchführen, bevor sie eine Aufgabe annehmen, können nur noch Aufgaben delegiert werden, welche sinnvoll sind, welche 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 29 zu einer Vergrösserung des Allgemeinwohls beitragen. Für die anderen Aufgaben findet sich niemand mehr, welche sie ausführen möchte. Wir sprechen hier zugegebenermassen von einem Idealfall, wo alle Personen diese Überprüfung der ihnen angebotenen Aufgaben wie oben beschrieben wahrnehmen. Dies wäre aber nicht einmal zwingend notwendig, denn in diesem System ist sogar eine mehrfache Sicherheit eingebaut: Der Vorgesetzte sollte selbstverständlich bereits vor der Delegation einer Aufgabe selber prüfen, ob die Grundrechte des Seins bei der Ausführung dieser Aufgabe respektiert werden können. Ist dies nicht der Fall, so wird ein verantwortungsvoller Vorgesetzter die Aufgabe gar nicht erst delegieren, sondern bereits selbst zurückweisen oder aufs Eis legen. Zusätzlich prüft nun der für die Ausführung vorgesehene Mitarbeiter, ob er die Aufgabe annehmen will, bzw. ob er bei der Ausführung dieser Aufgabe die Grundrechte des Seins respektieren kann. Falls nicht, wird er die Ausführung der Aufgabe ablehnen. Erst wenn sich sowohl der Delegierer als auch der Ausführende irren oder diese Prüfung nicht vornehmen, kann etwas schief gehen! Beide müssten Fehler begehen, siehe folgendes Flussdiagramm:
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 30
Delegierer
Ausführender
Aufgabe x
Ist es sinnv oll1) diese Aufgabe zu lösen?
Nei n
Aufgabe zurückwei sen
Ja
Aufgabe selbst ausführen oder delegi eren?
Auswahl von m ögl ichen Ausführenden
Sel bst
Aufgabe selbst l ösen
Aufgabenstell ung m i t voll ständi gen Randbedi ngungen
Aufgabe zurückwei sen
Nei n
Ist es sinnv oll1), wenn ich diese Aufgabe löse?
Ja
Aufgabe l ösen
1)
Bemerkung: „Sinnvoll“ verwenden wir als Abkürzung für die Abklärung, ob die Grundrechte des Seins respektiert werden können. Im Band 1 haben wir besprochen, dass jeder von uns für die Folgen von seinen Entscheidungen verantwortlich ist. Wenn jemand eine Aufgabe an andere delegiert und dabei zum Beispiel durch die Aufteilung in Teilaufgaben den Lösungsweg bestimmt, so trägt er die Verantwortung für den durch ihn vorgegebenen Lösungsweg. Damit er abschätzen kann, ob dieser Lösungsweg im Einklang mit den Grundrechten des Seins ist, muss der Aufgabensteller nach unseren Diskussionen im Band 1 über das notwendige Bewusstsein zur Lösung dieser Aufgabe verfügen. Demzufolge sollte der Delegierer den Lösungsweg einer Aufgabe nur dann bestimmen, wenn er selbst über das Bewusstsein zur Lösung dieser Aufgabe verfügt. Alles andere wäre verhängnisvoll, denn der Aufgabensteller könnte die
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 31 Folgen nicht abschätzen, er würde im Dunkeln tappen. Er wäre in der Situation eines Autofahrers mit beschlagener Frontscheibe oder in der Situation einer Person, welche von einem Felsvorsprung springen will, ohne zu wissen wie tief der Abgrund ist.
Wenn sich niemand finden lässt Kommen wir wieder zurück auf die Schlussfolgerung, wonach wir grundsätzlich nur Aufgaben annehmen sollten, für die wir über das entsprechende Bewusstsein verfügen. Wird dieses Prinzip konsequent angewendet, so kann es durchaus vorkommen, dass sich niemand finden lässt, um eine bestimmte Aufgabe zu erledigen. Dies kann verschiedene Ursachen haben: Möglicherweise ist die Zielsetzung, welche die betroffene Aufgabe entstehen liess, nicht kompatibel mit den Grundrechten des Seins. Die zur Bearbeitung der Aufgabe in Frage kommenden Personen haben dies bemerkt und deshalb die Aufgabe nicht angenommen. Oder die Aufgabe wäre zwar im Einklang mit den Grundrechten des Seins lösbar, aber es ist niemand mit dem entsprechenden Bewusstsein verfügbar, welcher sie ausführen könnte. Vielleicht ist das Ziel selbst nicht sinnvoll, vielleicht sind die Rahmenbedingungen nicht eng genug definiert, vielleicht ist es noch zu früh, um das Ziel umzusetzen, vielleicht sollte man zuerst nur ein Teilziel umsetzen und dann wieder neu planen, vielleicht... Letztendlich genügt es auch zu wissen oder zu spüren, dass es jetzt nicht sinnvoll ist, eine bestimmte Aufgabe anzupacken oder zu delegieren. Die Gründe dafür müssen wir ja nicht zwingend mit unserem Intellekt verstehen können. Wie wir bereits früher erwähnt haben, ist bei komplexen Problemen die Abschätzung der Folgen häufig nur noch auf intuitivem Wege möglich. Wissenschaftliche Abklärungen haben selbstverständlich ebenfalls ihren Platz,
sobald
aber
unterschiedliche
Auswirkungen
gegeneinander
abgewogen werden müssen, wie zum Beispiel die Schaffung von Arbeitsplätzen oder verbesserte Arbeitsbedingungen gegenüber Luftverschmutzung und Problemen bei der Entsorgung der Produkte, sind wir letztendlich für die Entscheidung auf unsere Intuition angewiesen. Dementsprechend ist auch die Frage, ob wir eine bestimmte Aufgabe annehmen oder ablehnen sollen, vielfach nur über unsere persönliche Intuition beantwortbar.
Kein Zweck heiligt die Mittel Es gibt kein einziges Ziel,
Sehr entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass wir
welches die Verletzung der Grundrechte des Seins
von den durch unsere Zielsetzungen geschaffenen Aufgaben nur jene umsetzen sollten, zu deren Bearbeitung wir selbst über das notwendige
rechtfertigen würde.
Bewusstsein verfügen. Fehlt uns dieses Bewusstsein, dann sollten wir die Aufgabe auch nicht an andere delegieren.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 32 Es geht nicht darum, ob wir ein bestimmtes Ziel erreichen, sondern insbesondere wie wir ein Ziel erreichen. Oder noch deutlicher ausgedrückt: Es geht darum, bei allen unseren Handlungen und Entscheidungen die Grundrechte des Seins zu leben. Es gibt kein einziges Ziel, welches die Verletzung der Grundrechte des Seins rechtfertigen würde!
Wahre Motivation Bisher haben wir häufig über Verweigerungen zur Durchführung von Aufgaben besprochen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Mitarbeiter, welche in einer Firma konsequent die ihnen übertragenen Aufgaben prüfen, ob deren Ausführung mit ihren persönlichen Zielsetzungen im Einklang sind, zu eigentlichen „Verweigern“ werden. Wird sich ein solcher Mitarbeiter drei Tage lang im Schneidersitz hinsetzen und überlegen, ob er den Papierkorb wirklich leeren will oder ob er diese Aufgabe ablehnen soll? Wird durch diese ständigen Prüfungen nicht eine ganze Firma faktisch lahmgelegt, so dass sie nicht mehr konkurrenzfähig ist? Überheblichkeit, Arroganz,
Falls sich die Mitarbeiter tatsächlich drei Tage lang Zeit nehmen, um eine
egoistisches Ausnutzen einer Situation und
Bagatellaufgabe zu prüfen, wäre dies sicher nachteilig für die betroffene Firma. Solche Mitarbeiter sollten denn aber auch zum Wohle aller Beteiligten
dergleichen haben mit der
schnellst möglich entlassen werden. Überheblichkeit, Arroganz, egoistisches Ausnutzen einer Situation und dergleichen haben mit der Achtung der
Achtung der Grundrechte des Seins überhaupt nichts zu tun.
Grundrechte des Seins überhaupt nichts zu tun. Die Prüfung der Aufgaben hat aber sowohl für die Firma als auch für die Mitarbeiter äusserst positive Konsequenzen: Wer herausgefunden hat, dass eine bestimmte Aufgabe auch mit seinen persönlichen Zielsetzungen kompatibel ist, dass er sich anhand dieser Aufgabe auch persönlich weiterentwickeln kann, der wird sich vorbehaltlos für die Erfüllung dieser Aufgabe einsetzen. Eine solche Person braucht nicht mehr von aussen motiviert zu werden. Sie hat entschieden, diese Aufgabe anzunehmen. Sie weiss genau, weshalb sie die Aufgabe ausführt. Durch die Lösung dieser Aufgabe kommt sie ihrem eigenen Ziel, der inneren Ruhe und Harmonie, ebenfalls näher. Unter dieser Voraussetzung können Mitarbeiter alle ihre Fähigkeiten voll und ganz zur Geltung bringen. Diese hohe Motivation ist auch die beste Voraussetzung für das Freiwerden von Kreativität. Von dieser Situation werden selbstverständlich nicht nur die betroffenen Mitarbeiter, sondern auch die Firma als Ganzes profitieren können: Eine effizientere Organisation als eine Gruppe von hochmotivierten Mitarbeitern, welche alle ihre Fähigkeiten voll und ganz einsetzen, kann man sich gar nicht vorstellen! Firmen, welche auf der hier beschriebenen Grundlage aufbauen, werden nicht nur automatisch zur Erhöhung des Allgemeinwohls auf der Erde beitragen, sondern gleichzeitig auch der auf herkömmlichen Prinzipien
aufbauenden
Konkurrenz
weit
überlegen
sein.
Unter
herkömmlichen Prinzipien verstehen wir zum Beispiel die Motivation der 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 33 Mitarbeiter
durch finanzielle
Anreize,
Statussymbole,
oder
gar
mit
Drohungen und Macht. Wahre Motivation entsteht, wenn die persönlichen Ziele mit den Zielen der Firma kompatibel sind.
Gelingt es einer Firma, ihre interne Organisation konsequent auf die Achtung der Grundrechte des Seins aufzubauen, so braucht sie sich um ihre Zukunft keine Sorgen mehr zu machen! Allerdings müssen wir den Erfolg einer solchen Firma an den richtigen Massstäben messen: Nicht am ständig steigenden Umsatz und Gewinn oder an zunehmender Marktpräsenz, sondern am Beitrag zum Allgemeinwohl durch die erzeugten Produkte und Dienstleistungen sowie die Entwicklung des Bewusstseins der Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden – aber genau dies ist ja das höchste Ziel, welches sich eine Firma stecken kann! Wir werden darauf später nochmals zurückkommen.
Entscheidungskompetenz und Grad der Delegation Kehren wir wieder zurück zum Delegieren von Aufgaben: Das Lösen einer Aufgabe erfordert in der Regel auch eine gewisse Kompetenz für den Ausführenden zum selbständigen Fällen von Entscheidungen. Die Person, welche die Aufgabe übernimmt, kann einige Dinge ohne Rückfrage selbständig entscheiden. Wie gross diese Entscheidungskompetenz ist, muss für jede Aufgabe und für jeden Ausführenden klar definiert werden. Sie ist ein wichtiger Bestandteil der Aufgabenstellung. Ein Beispiel: Ich erteile meinem Vermögensberater den Auftrag, meine Ersparnisse
möglichst
gewinnbringend
anzulegen.
Wenn
dies
die
vollständige Aufgabenstellung an ihn war, darf ich nachher nicht erstaunt sein, wenn er für mich Aktien von Firmen gekauft hat, deren Tätigkeit ich auf keinen Fall unterstützen wollte. Plötzlich bin ich vielleicht zum Mitbesitzer einer Fabrik für Minen geworden – ohne es zu „wollen“. Ich hatte dem Vermögensberater unbegrenzte Entscheidungskompetenz gegeben. Und dafür bin ich selbst voll verantwortlich – auch für die Folgen davon. Wenn der Aufgabensteller die Kompetenzen nicht klar regelt, legt der Ausführende diese vielfach nach eigenem Gutdünken fest. Je nach Charakter der Person können die Grenzen dadurch sehr weit oder sehr eng gesteckt werden! Die Verantwortung für das Festsetzen der Grenzen liegt jedoch eindeutig beim Aufgabensteller. Deshalb nochmals: Diejenige Person, welche eine Aufgabe stellt, ist dafür verantwortlich, dass die Aufgabe klar und vollständig formuliert ist. Die Vollständigkeit bezieht sich dabei insbesondere auch auf die Bekanntgabe der Randbedingungen und Kompetenzen.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 34 Wer eine Aufgabe erzeugt oder delegiert, ist für die klare und vollständige Aufgabenstellung verantwortlich.
Analog ist der Ausführende dafür verantwortlich, dass er die übernommene Aufgabe korrekt gemäss der Aufgabenstellung ausführt und seine Kompetenzen zwar ausschöpft, nicht aber überschreitet. In den Diskussionen im Band 1 haben wir auf die Wichtigkeit hingewiesen, dass das Bewusstsein des Ausführenden genug gross sein muss, um die Aufgabe zu lösen bzw. die Entscheidungskompetenz auszunutzen. Zur Erinnerung: Wir stellen uns unser Bewusstsein als Lichtkugel um uns herum vor. Innerhalb dieser Kugel ist es taghell, sodass wir klar sehen können, ausserhalb dieser Kugel nimmt die Helligkeit rasch ab, sodass wir mit zunehmendem Abstand immer weniger sehen können. In unserer Bewusstseinskugel drin können wir die Folgen unserer Entscheidungen abschätzen – die Helligkeit ist innerhalb der Kugel gross genug dafür - , ausserhalb der Bewusstseinskugel ist dies nicht mehr der Fall. Falls sich die Folge einer Entscheidung ausserhalb der Bewusstseinskugel des Ausführenden befindet, wird der Ausführende diese Folge nicht abschätzen können.
Falls
hier
der
Aufgabensteller
oder
Delegierer
die
Entscheidungskompetenz des Ausführenden nicht entsprechend begrenzt und der Ausführende nicht bemerkt, dass er im Dunkeln tappt, wird dieser früher oder später Entscheidungen treffen, welche sowohl ihm selbst als auch seiner Umwelt schaden werden. Daran kann selbstverständlich niemand ein Interesse haben. 3
Dies wirft nun die Frage auf, ob das Bewusstsein des Delegierers zwingend grösser sein müsse als das Bewusstsein des Ausführenden bzw. was im umgekehrten Falle passiert. Darauf werden wir später zurückkommen. Je mehr Entscheidungskompetenz der Ausführende erhält, desto mehr Entscheidungen kann er selbständig fällen. Für die Folgen dieser Entscheidungen ist er dann entsprechend seinem Bewusstsein verantwortlich. Wir haben im ersten Teil auch festgestellt, dass man sich nur im Sinne der Grundrechte des Seins weiterentwickeln kann, wenn die Aufgaben dem aktuellen Können angepasst sind. Das Angehen von „möglichst schwierigen“ Aufgaben führt nicht etwa zu einer beschleunigten Entwicklung, sondern – selbst wenn diese Aufgaben ausgezeichnet gelöst worden sind – zu einer Verlangsamung der Entwicklung und möglicherweise zu negativen Beeinflussungen der Umgebung und der Umwelt. Auch daran kann niemand ein Interesse haben.
3
Wir möchten hier nochmals auf den Unterschied zwischen dem Bewusstsein und geistigen oder
handwerklichen Fähigkeiten hinweisen: Als Bewusstsein bezeichnen wir die Fähigkeiten zum Leben der Grundrechte des Seins, zum „bewussten Sein“. Es ermöglicht uns unter anderem die Folgen für andere Wesen abzuschätzen. 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 35 Teilweise Delegation Betrachten wir nun den Fall, indem jemand eine Aufgabe entweder teilweise selbst löst oder sie vor dem Delegieren in Teilaufgaben aufsplittet. Diese Aufteilung der Aufgabe ist bereits ein Teil des Lösungsweges: Je stärker der Delegierer die ursprüngliche Aufgabe in Teilaufgaben aufteilt, desto detaillierter gibt er damit den Lösungsweg vor. Die teilweise Delegation
In unserem Modell der klebrigen Masse, welche die Aufgabe darstellt, teilt
beinhaltet bereits die Vorgabe eines Teils der
der Aufgabensteller die Masse bei der teilweisen Delegation in mehrere kleinere Stücke auf und reicht diese Stücke an andere Personen weiter.
Lösung.
Grösse und Anzahl der Stücke, sowie wer welches Stück erhalten soll, bestimmt der Delegierer. Wer schon einmal Kitt in Stücke aufgeteilt hat, weiss, dass die Hände beim Aufteilen noch viel klebriger werden als wenn der Kittblock als Ganzes weitergereicht wird. Die Klebrigkeit unserer Hände ist bei diesem Modell ein Mass für die Verantwortung, welche bei einer Person hängen bleibt: Der Delegierer übernimmt mehr Verantwortung für die Aufgabe, da er zusätzliche Entscheidungen über den Lösungsweg fällt. Betrachten wir zur Illustration das folgende Beispiel: Zwei Fahrräder befinden sich zur Zeit in Stuttgart. Diese sollten in zwei Wochen in Hamburg sein. Der Aufgabensteller kann diese Aufgabe zum Beispiel als Ganzes delegieren und dazu noch folgende Randbedingungen definieren: Die Fahrräder sollten sicherheitshalber bereits in 10 Tagen dort sein, der Transport soll möglichst kostengünstig sein, ökologische Aspekte sollen aber ebenfalls berücksichtigt werden und die Fahrräder dürfen beim Transport selbstverständlich nicht beschädigt werden. Die Verantwortung für diese Aufgabenstellung mit den Randbedingungen liegt, wie bereits mehrfach erwähnt, beim Aufgabensteller. Der Ausführende hat die Wahl, ob er die Fahrräder mit der Bahn, per Flugzeug, per Post oder mit einer privaten Spedition befördern lassen will. Ebenso kann der Ausführende über die Verpackung, usw. entscheiden. Für diese Entscheidungen trägt der Ausführende aber auch selbst die Verantwortung. Alternativ kann der Aufgabensteller diese Aufgaben in Teilaufgaben aufteilen und danach jeweils selbst entscheiden. Er kann zuerst Abklärungen treffen lassen über die Transportkosten bei den verschiedenen Speditionsarten. Dann könnte der Aufgabensteller selbst entscheiden über die zu wählende Transportart und jemandem dann die Teilaufgabe zuweisen: „Lasse die Fahrräder per Bahn nach Hamburg schicken“. Der Aufgabensteller kann aber auch schon von vornherein die Details festlegen, wie zum Beispiel die Fahrräder sollen heute demontiert und auf eine Palette verpackt werden. Morgen sollen sie der Spedition xy übergeben werden zum Versand nach Hamburg.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 36 Aus diesem Beispiel ist ersichtlich, dass mit der Delegation von Aufgaben oftmals auch viele Entscheidungen über den Lösungsweg verbunden sind. Die Verantwortung für diese Entscheidungen liegt jeweils bei derjenigen Person, welche die Entscheidung trifft. Wer eine Aufgabe oder Teilaufgabe annimmt, hat aber ebenfalls eine sehr wichtige Entscheidung getroffen: Er hat entschieden, die Aufgabe anzunehmen. Wenn der Vorgesetzte im obigen Beispiel dem Mitarbeiter die Aufgabe zuweist, die Fahrräder mit der Spedition xy nach Hamburg zu schicken, so kann der Mitarbeiter zunächst entscheiden, ob er diese Aufgabe annehmen oder ablehnen will. Nichts und niemand kann ihn zur Annahme zwingen! Der Mitarbeiter kann selbst entscheiden.
Vollständige Delegation Eine
Aufgabe
kann
selbstverständlich
auch
en
bloc
mit
allen
Entscheidungskompetenzen delegiert werden. Entweder weil der Delegierer es so möchte oder vielleicht auch weil er niemanden gefunden hat, welcher die von ihm geschaffenen Teilaufgaben lösen wollte. Die Aufteilung in Teilaufgaben und dadurch die Wahl des Lösungsweges überlassen wir bei der vollständigen Delegation zu 100% dem Ausführenden. Er ist dann auch verantwortlich für alle seine Entscheidungen. Die Verantwortung für die Wahl des Ausführenden liegt beim Delegierer, welcher insbesondere abklären sollte, ob der durch ihn ausgesuchte Ausführende die notwendigen Fähigkeiten, insbesondere das notwendige Bewusstsein, zur Bearbeitung der Aufgabe hat. Selbst bei der vollständigen Delegation einer Aufgabe kann der Delegierer also nicht sämtliche Verantwortungen weitergeben! Eine Aufgabe haben wir uns wie eine klebrige Masse vorgestellt: Wer eine Aufgabe annimmt oder erzeugt, nimmt diese klebrige Masse in seine Hand. Auch wenn er sie sofort weiterreicht, bleibt die Hand doch noch klebrig: Etwas Verantwortung bleibt hängen. In hierarchischen Organisationen ist die vollständige Delegation eher selten: Der Delegierer – üblicherweise der Vorgesetzte – gibt zwar die ganze Aufgabe an einen Mitarbeiter weiter, behält sich aber das Entscheidungsrecht vor. Die Ausführung liegt dadurch vollständig beim Mitarbeiter, dieser muss aber periodisch oder vor wichtigen Entscheidungen mit dem Delegierer Rücksprache halten. Es handelt sich somit nicht um eine vollständige, sondern nur um eine teilweise Delegation, wie wir sie im vorhergehenden Abschnitt diskutiert haben. Überall wo der Vorgesetzte mitentscheidet, ist er auch mit-verantwortlich. Wobei, wie bereits im Band 1 diskutiert, kein Unterschied zwischen Mit-Verantwortung und Verantwortung besteht.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 37
Das Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins Was ist nun in der Praxis wünschenswert: Soll möglichst viel Verantwortung abgegeben werden oder soll möglichst viel Mitverantwortung getragen werden? Wie viel Entscheidungskompetenz soll sinnvollerweise delegiert werden? Als Grund für die Delegation von Aufgaben zählt wohl in den meisten Fällen die Entlastung der Person, welche die Aufgabe delegiert. Möglicherweise besitzt sie aber auch selber gar nicht die zur Lösung der Aufgabe benötigten 4
handwerklichen Fähigkeiten bzw. das notwendige Wissen und muss die Aufgabe deshalb zwingend delegieren. Um eine maximale zeitliche Entlastung zu erreichen, sollte aus der Sicht des Delegierers deshalb möglichst viel Entscheidungskompetenz delegiert werden. Wir untersuchen diese Frage zunächst im Hinblick auf die Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung der Betroffenen: Wir können uns nur durch die Lösung von Aufgaben weiterentwickeln, welche unseren Fähigkeiten angepasst sind.
Die Weiterentwicklung einer Person ist dann am effizientesten, wenn den aktuellen Fähigkeiten und Zielsetzungen angepasste Aufgaben gelöst werden. Nicht die Anzahl der Aufgaben ist entscheidend, sondern welche Aufgaben auf welche Art und Weise gelöst werden. Jede Aufgabe stammt von einer bestimmten Zielsetzung, welche wir mit dem Lösen dieser Aufgabe unterstützen bzw. mithelfen zu erreichen. Wir entscheiden durch die Auswahl der Aufgaben, welchen Zielen wir dienen wollen, wir setzen dadurch die Prioritäten in unserem Leben. Eine einzelne „passende“ Aufgabe zu lösen kann die Entwicklung weit positiver beeinflussen als das Lösen von 1000 nicht passenden Aufgaben! Es ist aber enorm wichtig anzufügen, dass es keine „zu einfachen“, sondern nur „zu schwierige“ Aufgaben gibt. Jede Aufgabe kann mit einem höheren Bewusstsein noch besser ausgeführt werden. Als Vergleich denken wir zum Beispiel an die Herstellung eines Schrankes durch einen Tischler. Es gibt immer Möglichkeiten, den Schrank noch besser herzustellen. Vielleicht sind die Türen und Schubladen leichter zu bedienen, vielleicht sieht er noch schöner aus, usw. Man kann sich grundsätzlich an jeder Aufgabe weiter entwickeln, sofern die Zielsetzung, aus der sie stammt, kompatibel ist mit den persönlichen Zielsetzungen. Durch die Auswahl der Aufgaben welche wir übernehmen, setzen wir die Prioritäten in unserer persönlichen Entwicklung. Wir bestimmen dadurch, welche Qualitäten in uns entwickelt werden sollen.
4
Man beachte die Unterscheidung zwischen handwerklichen und intellektuellen Fähigkeiten einerseits und dem Bewusstsein andererseits. Es besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen intellektuellen oder handwerklichen Fähigkeiten und dem Bewusstsein. Sie sind vollständig unabhängig voneinander.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 38 Das persönliche Bewusstsein kann deshalb nie zu hoch sein, um eine bestimmte Aufgabe auszuführen. Oder um es an einem konkreten Beispiel Es gibt kein zu hohes Bewusstsein, um eine bestimmte Aufgabe auszuführen. Man kann sich grundsätzlich an jeder Aufgabe weiter entwickeln.
auszudrücken: Wer glaubt, sein Bewusstsein sei zu hoch, um einfache Reinigungsarbeiten auszuführen, der irrt sich nicht nur im Sachverhalt sondern ganz gewiss auch in der Einschätzung seines persönlichen Bewusstseins. Wenn wir nun davon ausgehen, die „richtigen“ Personen gefunden zu haben, welchen wir eine bestimmte Aufgabe delegieren könnten, so stellt sich als nächstes die Frage nach der zu übertragenden Entscheidungskompetenz. Wir haben bereits früher das Allgemeinwohl definiert und postuliert, dass wir alle - aber insbesondere auch Firmen - zur Erhöhung des Allgemeinwohls auf der Erde beitragen sollten. Wir tun dies, indem wir uns selbst weiterentwickeln, um die Grundrechte des Seins in allen Situationen zu achten. Dadurch erhöht sich automatisch auch das Allgemeinwohl. Damit das Allgemeinwohl auch beim Delegieren von Aufgaben zunehmen kann, stellen wir die folgende Forderung auf: Das Niveau des Bewusstseins, auf dem eine Aufgabe gelöst wird, darf beim Delegieren nur zunehmen. Wir
nennen
diese
Forderung
Verantwortungsbewusstseins.
Es
das
Prinzip
ist
nichts
des
zunehmenden
anderes
als
eine
Weiterentwicklung bzw. Erweiterung um die Dimension des Bewusstseins des heute beim Delegieren generell als sinnvoll betrachteten Vorgehens. Betrachten wir als Erläuterung eine kleine Firma, wie zum Beispiel eine Schreinerei, bestehend aus einem Schreinermeister als Geschäftsführer, einem Gehilfen und zwei Lehrlingen: Jemand wendet sich an die Firma und bestellt Wandschränke. Der Schreinermeister delegiert nun jene Tätigkeiten weiter, welche der Gehilfe und die Lehrlinge ausführen können. Bei schwierigen Tätigkeiten wird der Das Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins ist nur eine Erweiterung des allgemein bekannten Vorgehens um die Dimension des Bewusstseins.
Meister mithelfen oder sie vielleicht sogar selbst ausführen. Dadurch, dass der Schreinermeister bei Tätigkeiten mithilft, welche die anderen Mitarbeiter noch nicht vollständig beherrschen, stellt er folgendes sicher: Die Qualität der Wandschränke wird so hoch, wie wenn er sie persönlich von A bis Z hergestellt hätte. Seine Mitarbeiter werden entsprechend ihren Fähigkeiten gefordert, aber nicht überfordert. Sie lernen dadurch ständig dazu und bewahren die Freude und das Interesse an der Arbeit. Er selbst wird zeitlich entlastet. Vom Standpunkt des Kunden aus betrachtet ist vor allem die Qualität der Wandschränke wichtig. Bei einer Herstellung ohne die Mitarbeit des Vorgesetzten würden die Türen möglicherweise klemmen. Wie würden Sie als Kunde reagieren, wenn die Firma nach Ihrer Reklamation sagen würde, die Schränke seien eben durch den Gehilfen und die Lehrlinge gefertigt
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 39 worden, deshalb wären klemmende Türen völlig normal? Würden Sie dies verständnisvoll akzeptieren? – Wohl kaum! Sie hatten die Firma beauftragt und erwarten eine tadellose Qualität, unabhängig davon, wer die Möbelstücke gefertigt hat. Sie erwarten eine Qualität auf dem Niveau des Schreinermeisters. Dieser ist Ihnen gegenüber verantwortlich für die Qualität der Wandschränke. Die Forderung nach der grösstmöglichen Qualität der Möbel im obigen Beispiel entspricht dem Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins. Die Qualität einer Arbeit wird nun zusätzlich daran gemessen, wie weitgehend die Grundrechte des Seins bei der Ausführung der Arbeit respektiert worden sind. Akzeptieren wir das Leben der Grundrechte des Seins als unseren Lebenssinn bzw. als Schlüssel für die angestrebte innere Ruhe, Harmonie und Lebensfreude, so müssen wir der Dimension des Bewusstseins beim Delegieren von Aufgaben zwingend die höchste Priorität zuweisen. Das Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins kann man aber auch anders formulieren: Durch das Delegieren einer Aufgabe darf das Bewusstsein, mit dem die Aufgabe gelöst wird, nicht geringer werden. Als Folge davon wird eine Aufgabe immer mindestens auf dem Niveau des Bewusstseins des Urhebers einer Aufgabe realisiert. Ins Beispiel mit dem Schreinermeister übersetzt lautet diese Forderung „Durch das Delegieren einer Aufgabe an die Mitarbeiter darf die Qualität der Produkte nicht geringer werden, als wenn sie der Schreinermeister selbst ausgeführt hätte.“ Wir betrachten nun als weiteres Beispiel eine Aufgabe, welche durch die Zielsetzungen der Person A ins Leben gerufen wurde. Person A ist somit der Urheber und auch der Besitzer dieser Aufgabe. Die erste Säule im untenstehenden Diagramm soll das Bewusstsein der Person A darstellen. Person A kann die Aufgabe entweder selbst lösen oder an eine der Personen B oder C delegieren. Das Bewusstsein dieser Personen ist ebenfalls als Säule B bzw. C in diesem Diagramm eingetragen.
Höhe des Bewusstseins
C A
B
Bei der Definition und Diskussion des Bewusstseins haben wir gesehen, dass mit zunehmendem Bewusstsein die Fähigkeit zum Abschätzen der
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 40 5
Folgen unserer Entscheidungen steigt . Aus diesem Grunde ist es Durch die Delegation sollte
erstrebenswert, eine Aufgabe auf einem möglichst hohen Niveau des
das Niveau des Bewusstseins, auf dem die Aufgabe
Bewusstseins zu realisieren bzw. realisieren zu lassen. Dadurch wird das Risiko für eine Beeinträchtigung von anderen Wesen geringer bzw. die
gelöst wird, nicht geringer
Chancen für die Achtung der Grundrechte des Seins werden maximiert, so dass sich die verantwortlichen Personen weiterentwickeln können.
werden.
Wir wollen deshalb nun systematisch alle Möglichkeiten betrachten, wie die Aufgabe realisiert werden kann und stellen jeweils den Vergleich zum Beispiel mit der Schreinerei her: A könnte die Aufgabe selbst lösen. Dies ist sicher zunächst das Naheliegendste. Dieses Vorgehen hat nichts mit Delegation zu tun, die Aufgabe wird dadurch auf dem Niveau bzw. mit dem Bewusstsein von A ausgeführt. Dagegen ist nichts einzuwenden. Im Beispiel mit der Schreinerei entspricht dies der Situation, wo der Schreinermeister den Wandschrank von A bis Z selbst herstellt. A könnte die Aufgabe vollständig an B delegieren. Da B über ein geringeres Bewusstsein als A verfügt, würde damit das Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins verletzt. Dieses Vorgehen wäre deshalb nicht sinnvoll. Im Beispiel mit der Schreinerei entspricht dies einer Situation, wo der Schreinermeister den Bau des Wandschranks vollständig an die Lehrlinge und den Gehilfen delegiert. Er würde selbst nicht mithelfen, der Schrank würde von den Lehrlingen und den Gehilfen alleine hergestellt. Da diese über geringere Fähigkeiten als der Schreinermeister verfügen, wird die Qualität des Wandschrankes geringer als sie der Kunde erwartet. Dieses Vorgehen ist deshalb nicht sinnvoll. A könnte die Aufgabe teilweise an B delegieren. Um dem oben beschriebenen Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins zu genügen, sollten die Randbedingungen und die Entscheidungskompetenz so gesetzt werden, dass A jene Entscheidungen fällt, welche B aufgrund des geringeren Bewusstseins möglicherweise anders fällen würde. Dadurch würde die Aufgabe wohl teilweise durch B gelöst, aber insgesamt könnte die Aufgabe trotzdem auf dem Niveau des Bewusstseins von A realisiert werden. Das Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins wird somit eingehalten. Diese teilweise Delegation entspricht im Beispiel dem Schreinermeister, welche gewisse Teilaufgaben an seine Lehrlinge und Gehilfen weitergibt. Diejenigen Tätigkeiten, welche seine Mitarbeiter weniger gut als er beherrschen, führt er aber selbst aus. Dadurch wird der Schreinermeister
5
Der Begriff Verantwortungsbewusstsein illustriert diesen Zusammenhang sehr eindrücklich.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 41 zeitlich entlastet und der Kunde erhält trotzdem die erwartete Qualität der Arbeit. Dieses Vorgehen ist deshalb sinnvoll. A könnte die Aufgabe vollständig an C delegieren. Da C über ein höheres Bewusstsein als A verfügt, wird das Prinzip des zunehmendem Verantwortungsbewusstseins damit eingehalten. Diese Aufgabe wird nicht „zu niedrig“ sein für C, da man sich grundsätzlich anhand jeder Aufgabe persönlich weiter entwickeln kann. Trotzdem ist es möglich, dass C seine Prioritäten anders setzt und deshalb die Ausführung dieser Aufgabe ablehnt. Dies hat aber nichts mit dem Bewusstsein von C zu tun. Im Beispiel mit der Schreinerei entspricht dies einer Variante, wo sich der Schreinermeister entscheidet, den Wandschrank vollständig durch einen anderen Schreiner herstellen zu lassen, welcher qualitativ bessere Arbeiten liefert als er selbst. Er gibt den kompletten Auftrag weiter. Da der Kunde dadurch eine bessere Qualität erhält als er erwartet hat, wird dieser sich kaum beklagen. A könnte die Aufgabe teilweise an C delegieren. Dadurch wird das Bei einer teilweisen Delegation sollen die Entscheidungskompetenz und die Randbedingungen so gesetzt werden, dass die Aufgabe auf dem Niveau des höheren Bewusstseins ausgeführt wird.
Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins eingehalten. Wie wir später diskutieren werden, beinhaltet dieses Vorgehen aber ein hohes Konfliktpotential. Im Beispiel mit der Schreinerei entspricht dies der teilweisen Herstellung des Wandschrankes durch einen anderen Schreiner, welcher bessere Qualität liefert als der Schreinermeister selbst. Gegen dieses Vorgehen ist sicher nichts einzuwenden. Falls unser Schreinermeister seinem besser qualifizierten Kollegen aber zu detailliert vorschreibt, wie er den Teilauftrag auszuführen habe, wird dieser früher oder später den Auftrag wieder zurückgeben, denn er möchte seine Arbeit in der gewohnten Qualität erledigen. Dies ist das oben angesprochene Konfliktpotential. Zusammenfassend verlangt das Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins, dass eine Aufgabe nicht vollständig an eine Person mit einem geringeren Bewusstsein delegiert werden soll. A soll also die Aufgabe nicht vollständig an B delegieren, bzw. der Schreinermeister soll den Wandschrank nicht alleine durch die Lehrlinge ausführen lassen. Zudem soll bei einer teilweisen Delegation die Entscheidungskompetenz und die Randbedingungen jeweils so gesetzt werden, dass die Aufgabe auf dem Niveau des höheren Bewusstseins ausgeführt wird. Die der Differenz des Bewusstseins A - B entsprechende Entscheidungskompetenz sollte im obigen Beispiel bei der Person A bleiben. Dadurch kann gewährleistet werden, dass die Aufgabe trotz der teilweisen Delegation an B auf dem Bewusstseinsniveau der Person A realisiert wird. Das Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins wird somit eingehalten. Im Beispiel mit der Schreinerei entspricht die Differenz A - B den unterschiedlichen Fähigkeiten des Schreinermeisters und seiner Mitarbeiter. Um die Qualität der Produkte nicht zu gefährden, werden die Mitarbeiter nur
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 42 jene Tätigkeiten ausführen dürfen, die sie beherrschen. Die restlichen Tätigkeiten wird der Schreinermeister selbst ausüben. Die oben angesprochene Differenz des Bewusstseins A - B zwischen Person A und B ist verantwortlich für die klebrigen Hände des Delegierers in unserem Modell mit der feuchten Masse. Ein Delegierer kann sich seiner Verantwortung praktisch nur entledigen, indem er eine Aufgabe vollständig an eine Person mit einem höheren Bewusstsein (im obigen Beispiel also an die Person C) delegiert. Beim Beispiel mit der Schreinerei erwartet der Kunde eine Qualität der Arbeiten, wie sie den Fähigkeiten des Schreinermeisters entspricht. Eine geringere Qualität würde der Kunde zurückweisen. Wenn der Schreiner den Auftrag nicht selbst ausführt, sondern durch eine andere Schreinerei ausführen lässt, welche eine bessere Qualität liefert als sein eigener Betrieb, dann wird der Kunde die bessere Qualität selbstverständlich dankbar entgegennehmen! Der Delegierer bleibt für eine Aufgabe verantwortlich, wenn das Bewusstsein der ausführenden Person
Sobald die ausführende Person ein geringeres Bewusstsein als die delegierende Person aufweist, bleibt der Delegierer verantwortlich. Insbesondere ist er verantwortlich für alle Entscheidungen, welche sich
geringer ist als sein eigenes
ausserhalb der Bewusstseinskugel des Ausführenden, aber noch innerhalb seiner eigenen Bewusstseinskugel befinden. Das Prinzip des zunehmenden
Bewusstsein.
Verantwortungsbewusstseins ist aus diesem Sachverhalt entstanden. Die
genaue
Formulierung
einer
Aufgabe
und
insbesondere
die
Randbedingungen und Entscheidungskompetenzen haben deshalb eine Der Schlüssel für eine sinnvolle Delegation ist die exakte Formulierung der Aufgabe mit Randbedingungen und Entscheidungskompetenzen.
Schlüsselfunktion bei der Delegation von Aufgaben. Sie bestimmen, auf welchem Niveau des Bewusstseins eine delegierte Aufgabe gelöst werden kann. Damit werden sie zweifellos auch einen grossen Einfluss auf die Entscheidung der potentiellen Ausführenden haben, die Aufgabe anzunehmen oder auszuschlagen. Wenn jemand eine Aufgabe an andere delegieren möchte, muss die delegierende Person unter anderem die folgenden Abklärungen und Entscheidungen treffen: Die Aufgabe klar und vollständig definieren. Personen identifizieren, welche die Aufgabe möglicherweise ausführen könnten. Dabei müssen handwerkliche und intellektuelle Fähigkeiten, das vorhandene Wissen sowie insbesondere das Bewusstsein berücksichtigt werden. Bei teilweiser Delegation für jede der oben identifizierten Personen die Entscheidungskompetenz und möglicherweise Randbedingungen individuell festlegen.
auch
die
Aufgabe an die ausführende Person übergeben. Dies sind hohe Anforderungen an die delegierende Person. Gegenüber der heute weit verbreiteten Vorgehensweise ist das Bewusstsein als zusätzliche Dimension dazu gekommen. Aufgaben, Kompetenzen und 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 43 Randbedingungen müssen nicht nur den rationalen Fähigkeiten und Kenntnissen, sonders insbesondere – und mit übergeordneter Priorität – dem Bewusstsein der ausführenden Person angepasst werden. Im Normalfall wird der Bewusstere an den weniger Bewussten delegieren.
Letztendlich wird dies dazu führen, dass der Bewusstere an den weniger Bewussten delegiert. Obwohl grundsätzlich auch der umgekehrte Fall denkbar ist, wird in hierarchischen Organisationen bei Anwendung des Prinzips des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins eine Hierarchie entsprechend dem Bewusstsein der involvierten Personen entstehen, wo der Bewusstere den weniger Bewussten führt. Die umgekehrte Richtung der Delegation würde im Beispiel mit der Schreinerei einer Situation entsprechen, wo zum Beispiel der Gehilfe Aufgaben teilweise an den besser qualifizierten Schreinermeister delegiert. Da mit der teilweisen Delegation immer auch eine gewisse Überwachung und Führung seitens des Delegierers verbunden ist, ergibt sich ein relativ hohes Potential für Konflikte: Der Ausführende wird von jemandem überwacht, welcher die Aufgabe selbst weniger gut ausführen kann. Der Gehilfe führt den Meister. Wenn sich der Gehilfe nicht bewusst ist, dass der Ausführende die Aufgabe besser lösen kann als er selbst, wird er ihn früher oder später fälschlicherweise zu korrigieren versuchen. Dies wird von allen betroffenen Personen als unangenehm empfunden werden. Wenn es sich beim Gehilfen um den Besitzer der Firma handelt, dann wird der Schreinermeister vermutlich früher oder später eine andere Stelle suchen – niemand lässt sich gerne von weniger gut qualifizierten Personen korrigieren, und schon gar nicht wenn die Kritik unberechtigt ist.
Letztendlich wird sich eine
Betrachten wir dieses Beispiel nochmals mit der unterschiedlichen Grösse
Hierarchie entsprechend dem Bewusstsein der
des Bewusstseins: Wenn jemand mit einem geringeren Bewusstsein Aufgaben an eine Person mit einem höheren Bewusstsein teilweise
involvierten Personen
delegiert, so wird der Delegierer vermutlich früher oder später mit Entscheidungen in die Realisierung eingreifen, welche aus der Sicht der
bilden.
Person mit dem höheren Bewusstsein (dem Ausführenden) unangebracht sind. Dies wird den Ausführenden ärgern oder sogar zur Verweigerung der Durchführung der Aufgabe veranlassen. Wie oben erwähnt steckt in einer solchen Situation ein grosses Potential für Konflikte, so dass sich in der Mehrheit aller Fälle wohl eher eine Hierarchie entsprechend dem Bewusstsein auf natürliche Art und Weise bilden wird. Unabhängig davon, ob man eine Aufgabe selbst ausführen oder später an Andere
delegieren
möchte:
Das
Prinzip
des
zunehmenden
Verantwortungsbewusstsein unterstreicht nochmals die Wichtigkeit der persönlichen Entscheidung, ob man eine bestimmte Aufgabe annehmen oder ablehnen will. Unsere persönliche Entwicklung und damit unser Wohlergehen in der Zukunft hängen davon ab.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 44
Kommunikation während der Durchführung Wir haben festgestellt, dass der Aufgabensteller die Verantwortung trägt für die Korrektheit und Vollständigkeit der Aufgabenstellung. Gibt es aber nicht Die Verantwortung kann nicht wie ein Kuchen aufgeteilt werden.
auch eine Pflicht zur Kontrolle der Aufgabenstellung beim Empfänger einer Aufgabe? Trägt der Vermögensberater, welcher im früher erwähnten Beispiel meine Aktien möglichst gewinnbringend anlegen sollte, nicht eine Mitverantwortung für den Kauf der Aktien der Minenfabrik? Hätte er nicht zurückfragen müssen, bevor er diese Aktien kaufte? Bevor wir dies diskutieren, muss nochmals in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, dass eine Mitverantwortung von Dritten keine Entlastung der Verantwortung für andere darstellt. Die Verantwortung kann man nicht mit einem Kuchen vergleichen, den man auf mehrere Personen aufteilen kann. Gemäss unserer Definition der Verantwortung stellt sich nur die Frage, wer zu einem bestimmten Ergebnis beigetragen hat. Jeder, der beigetragen hat, ist verantwortlich. Für jede zu betrachtende Person ist auf die Frage nach der Verantwortung für ein bestimmtes Ereignis nur die Antwort ja (verantwortlich) oder nein (nicht verantwortlich) möglich. Falls mehrere Personen zum Ergebnis beigetragen haben, sind mehrere Personen verantwortlich. Man könnte die Verantwortung vielleicht mit einem Virus vergleichen, den man automatisch bekommt, sobald man zum Ergebnis beigetragen hat: Genauso wie sich Viren auf unseren Körper fallweise gut oder schlecht auswirken, kann auch die Verantwortung für eine Entscheidung unsere persönliche Entwicklung positiv oder negativ beeinflussen. Wenn andere Personen vom selben Virus angesteckt worden sind, beeinflusst dies unseren eigenen Körper nicht. Entweder unser Körper ist angesteckt worden oder eben nicht. Wenn zugleich hundert andere Personen angesteckt worden sind, wird unsere Ansteckung dadurch nicht auf einen Hundertstel reduziert. Analog wird auch die Verantwortung für eine Entscheidung nicht aufgeteilt, sondern sie ist entweder vorhanden oder nicht. Die Auswirkungen der Infektion durch den Virus könne selbstverständlich sehr individuell sein: Wenn jemand immund gegen diesen Virus ist, wird er gar nichts von der Ansteckung bemerken. Die Immunität entspricht bei der Verantwortung für indirekte Folgen einer Person, deren Bewusstsein noch weniger weit entwickelt ist, so dass sie für die betrachteten indirekten Folgen keine Verantwortung trägt. Im Beispiel mit den Aktien der Minenfabrik ist der Auftraggeber wegen der unvollständigen Aufgabenstellung deshalb auf jeden Fall verantwortlich für den Aktienkauf. Die Frage nach einer eventuellen Mitverantwortung des Vermögensberaters ändert daran nichts. Man kann aber die Chancen für die Entstehung von solchen Missverständnissen verkleinern und gleichzeitig
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 45 auch
die
Entdeckungswahrscheinlichkeit
Aufgabenbeschreibungen
enorm
vergrössern,
von
unvollständigen
wenn
man
in
die
Kommunikation zwischen Aufgabensteller und Ausführenden gewisse Kontrollmechanismen einbaut. In der einschlägigen Literatur über Projektmanagement und Führung findet man ausführliche Abhandlungen. Wir fassen uns deshalb hier relativ kurz. Wir betrachten die einzelnen Vorgänge und die Kommunikation beim Delegieren und Lösen von Aufgaben Schritt für Schritt in der Abbildung auf der nächsten Seite. Bemerkungen: 1) Die Wahl des geeignet erscheinenden Ausführenden ist primär Sache des Aufgabenstellers. Die zu übertragende Kompetenz für selbständige Entscheidungen muss dabei unbedingt dem Bewusstsein des Ausführenden angepasst werden. Dabei gehen wir davon aus, dass das Bewusstsein zum Lösen der Aufgabe beim Aufgabensteller vorhanden ist. 2) Es empfiehlt sich, durch geeignete Rückmeldungen des Ausführenden sicherzustellen, dass dieser die Aufgabenstellung und deren Randbedingungen auch wirklich korrekt verstanden hat. 3) Dies ist die wichtigste Prüfung für den Ausführenden: Entscheidet er sich, die Aufgabe anzunehmen, so wird er für die Folgen innerhalb seiner Bewusstseinskugel verantwortlich. Keine Macht auf der Erde kann ihn jedoch zwingen, diese Aufgabe anzunehmen. Es ist seine freie Entscheidung. 4) Während der Durchführung der Aufgabe richtet sich die Kommunikation nach der Entscheidungskompetenz des Ausführenden. Dabei ist eine „Bring-Schuld“ des Ausführenden anzustreben, d.h. bei Abweichungen vom Plan oder wenn Entscheidungen ausserhalb der abgegebenen Kompetenz zu fällen sind, muss der Ausführende mit dem Auftraggeber Kontakt aufnehmen. Die Aufgabe zu kommunizieren wird dem Ausführenden übertragen. Dies ermöglicht eine wesentlich effizientere Organisation von Aufgaben in einer Firma, da Besprechungen und Schriftverkehr auf ein Minimum reduziert werden. Man bespricht sich, bzw. schreibt nur dann, wenn es wirklich etwas zu diskutieren bzw. entscheiden gibt. Falls der Ausführende die Aufgabe seinerseits weiter delegiert, wird er dadurch selbst zum Aufgabensteller bzw. Delegierer und durchläuft mit den anderen Personen wieder dieselben Schritte wie im Diagramm aufgezeigt Der oben beschriebene Prozess muss selbstverständlich der Aufgabe angepasst werden. Für eine Aufgabe, welche sich in 3 Minuten erledigen lässt und geringe Folgen hat, wird der Aufwand zur Auswahl des Ausführenden und die Aufgabenbeschreibung wesentlich kürzer sein als bei einem Projekt von mehreren Mannjahren Umfang mit Dutzenden oder gar
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 46 Hunderten von Mitarbeitern. Es ist aber wichtig – zumindest in Gedanken – sämtliche oben erwähnten Schritte jeweils zu durchlaufen. Wir beenden damit die allgemeine Betrachtung der Auswahl und Ausführung von Aufgaben. Als nächsten Schritt wenden wir uns den Organisationen zu, in denen Arbeit verrichtet wird. Wie bereits früher erwähnt, betrachten wir nachfolgend die Firmen stellvertretend für alle Organisationen, wo Menschen arbeiten.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 47
Delegierer
Ausführender
A u fg a b e vo l l stä n d i g d e fi n i e re n m i t a l l e n Ra n d b e d i n g u n g e n A u fg a b e n ste l l u n g m i t vo l l stä n d i g e n Ra n d b e d i n g u n g e n
A u swa h l vo n m ö g l i ch e n A u sfü h re n d e n 1 )
Ha b e i ch d i e A u fg a b e ve rsta n d e n ?
Nein
Rückmeldung 2)
Sind m ir die Ra n d b e d i n g u n g e n u n d K o m p e te n ze n kl a r?
Nein
Rückmeldung 2)
Aufgabe zurückweisen
Nein
Ne i n
E i n ve rsta n d e n m i t Rü ckm e l d u n g ?
Ja
Ist es sinnv oll, wenn ich diese Aufgabe realisiere? 3)
Ja
Rü ckm e l d u n g ü b e r d e n Ze i ta b l a u f, b e n ö ti g te Re sso u rce n , u sw.
Ja
Fü h ru n g u n d M i th i l fe
Ja
Kom m unik ation je nach Ve re inbarung 4)
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
P l a n u n g d e r A u fg a b e
Re a l i si e ru n g d e r A u fg a b e
Version 3.0
Seite 48
Allgemeine Gedanken über Firmen Schon zu Urzeiten lernte der Mensch, dass es hilfreich sein kann, wenn man sich zur Erfüllung gewisser Aufgaben zu Gruppen zusammenschliesst, um diese Aufgaben gemeinsam effizienter zu lösen. Mit der Zeit entstanden Spezialisierungen, d.h. gewisse Personen waren nur noch in der Gruppe tätig, welche die übrigen gegen wilde Tiere schützten, andere nur noch in der Gruppe, welche Werkzeuge herstellten, usw. Das Aufteilen der Aufgaben auf Gruppen und die daraus folgende Spezialisierung waren vorteilhaft für das Überleben in der damaligen Zeit. Das Ziel dieser Gruppen war die Erleichterung des Lebens für die gesamte Gemeinschaft. Nicht nur ein gewisser Teil der Gemeinschaft, sondern alle sollten davon profitieren. Das Leben wurde dadurch einfacher, sicherer oder angenehmer. Es ging vorerst auch nicht darum, anderen Gemeinschaften etwas wegzunehmen um selbst Vorteile zu erlangen, denn die einzelnen Gemeinschaften operierten weitgehend autonom und oftmals sogar ohne Kenntnis voneinander. Heute wird die Erde nicht mehr durch einzelne, weitgehend autonome Gemeinschaften bewohnt. Durch die starke Bevölkerungszunahme und die grosse Mobilität der Menschen muss die Erde heute für die meisten Betrachtungen als eine einzige, riesige Gemeinschaft aufgefasst werden. Diese Gemeinschaft umfasst sämtliche Lebewesen auf der Erde, also neben den Menschen auch alle Tiere, Pflanzen, die Erde selbst, usw. Gleichzeitig haben wir Menschen immer stärkere Hilfsmittel zur Verfügung, um in das System der Erde absichtlich oder unabsichtlich einzugreifen. Dadurch sind aber auch die Folgen der menschlichen Tätigkeiten stark gestiegen. Als negative Beispiele nennen wir den Raubbau an der Natur, zum Beispiel die Abholzung der Urwälder oder die Vergiftung des Wassers, der Luft und der Erde mit Schadstoffen. Bedingt durch die bereits erwähnte starke Vernetzung des Systems Erde leiden wir Menschen früher oder später wieder selbst unter den Folgen. Dies wird uns zum Beispiel beim Auftreten von bestimmten Krankheiten, Seuchen oder bei Umwelt- und Natur-Katastrophen regelmässig dramatisch vor Augen geführt. Die Einführung des Geldes ermöglichte die rasche und vor allem problemlose Anhäufung von Reichtum. Die Industrialisierung ersetzte Arbeitskräfte zumindest teilweise durch Maschinen, welche mit Geld gekauft werden konnten. Die Arbeitsteilung wurde dadurch nochmals massiv verstärkt. Wir wollen hier nicht näher auf diese Entwicklungen eingehen. Wir können aber zweifellos feststellen, dass viele Aufgaben, welche zu Urzeiten in einer Gruppe gelöst wurden, heute innerhalb von Firmen wahrgenommen werden. Man kann deshalb die Firmen im weitesten Sinne als Nachfolger der früheren Gruppen bezeichnen!
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 49 Die Aufgaben der früheren Gruppen werden heute
Betrachten wir eine Firma deshalb einmal aus diesem Blickwinkel: Welche
häufig von Firmen
ursprünglichen Gruppen und den heutigen Firmen? Welchen Beitrag leisten die heutigen Firmen zum Wohlergehen der Gemeinschaft?
wahrgenommen.
Ähnlichkeiten
bzw.
welche
Unterschiede
gibt
es
zwischen
den
Beitrag zum Allgemeinwohl Während im Prinzip jeder eine Gruppe gründen konnte, vorausgesetzt es gelang ihm die Gemeinschaft vom Nutzen dieser neuen Gruppe für die Gemeinschaft zu überzeugen (irgend eine Erleichterung des Lebens), braucht es heute zur Gründung einer Firma mindestens eine Person mit dem entsprechenden finanziellen Kapital. Die Firma bzw. der Eigentümer muss nicht aufzeigen, dass sie zum Wohl der Gemeinschaft beiträgt, sondern sie muss einfach über das verlangte minimale finanzielle Kapital verfügen. Um Überleben zu können, muss sie ihren zukünftigen Kunden glaubhaft machen können, dass diese durch ihre Produkte oder Dienstleistungen einen Nutzen erlangen werden. Während die „Kunden“ der früheren Gruppen die ganze Gemeinschaft war, stellen die Kunden einer heutigen Firma jeweils nur einen winzig kleinen Teil der Gemeinschaft dar. Es wäre eine äusserst schwierige Aufgabe für die Firmen, wollte man sie dazu verpflichten, mit ihren Produkten und Dienstleistungen jeweils einen Nutzen für die ganze Gemeinschaft auf der Erde anzubieten. Dazu sind die Bedürfnisse der einzelnen Menschen viel zu unterschiedlich! Die Grösse und hohe Komplexität des Systems Erde würde es zudem erschweren, allen Menschen gleichzeitig einen Nutzen zu erbringen: Was für Bewohner auf einem Erdteil ein Nutzen darstellt, kann sich anderenorts
Jede Firma sollte zur Vergrösserung des Allgemeinwohls beitragen.
ohne weiteres negativ auswirken. Oder was sich heute (scheinbar) positiv auswirkt, kann morgen oder übermorgen ein grosser Nachteil werden. Als Beispiele können wir die Atomenergie mit den radioaktiven Abfällen oder generell unsere Müllentsorgung nennen. Erinnern wir uns an dieser Stelle nochmals an unsere Definition des Allgemeinwohls: Das Allgemeinwohl steigt, wenn das Wohl eines Individuums zunimmt. Umgekehrt verkleinert sich das Allgemeinwohl, sobald es einem Individuum auf der Erde schlechter geht. Wohlsein bzw. besser oder schlechter gehen bezieht sich dabei immer auf das grosse gemeinsame Ziel: Ruhe, Harmonie, Friede, Lebensfreude, usw. Aus der Definition des Allgemeinwohls darf man deshalb sicher die Forderung aufstellen, dass eine Firma das Allgemeinwohl keinesfalls verkleinern, sondern eher vergrössern sollte. Zur Sicherheit fügen wir hier nochmals bei, dass das Allgemeinwohl nicht mit finanziellen Kennzahlen gemessen oder mit wirtschaftlichem Wohlstand verwechselt werden darf. Die wirtschaftliche Situation eines Individuums ist zwar eine wichtige
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 50 Grundlage für die Existenz, sie verliert aber mit zunehmender persönlicher Entwicklung immer mehr an Bedeutung. Eine Firma hat im wesentlichen zwei Möglichkeiten, um zur Erhöhung des Allgemeinwohls beizutragen: Durch die Art und Weise der internen Zusammenarbeit der Mitarbeiter kann sie die persönliche Entwicklung der Mitarbeiter (Leben der Grundrechte des Seins) unterstützen. Dadurch steigt das Bewusstsein der betroffenen Mitarbeiter und gleichzeitig gemäss unserer Definition auch das Allgemeinwohl. Die Produkte und Dienstleistungen der Firma können dazu beitragen, dass sich andere Wesen effizienter weiter entwickeln können. Diese Beschreibung ist bewusst sehr allgemein gehalten, weil eine Bewertung in gute bzw. schlechte Produkte in den meisten Fällen unmöglich ist. Wir werden später aber nochmals darauf zurückkommen. Wer eine Firma gründet, kann sich wie oben beschrieben aussuchen, welchen Teilen der Gemeinschaft die Firma einen Nutzen erbringen bzw. anbieten soll. Am meisten Nutzen kann jener Teil der Gemeinschaft erwarten, welcher sich bei möglichst vielen Firmen zu den Kunden zählen kann bzw. bei möglichst vielen Firmen als lukrativer potentieller Kunde gilt. Da die meisten Firmen ihren finanziellen Gewinn zu maximieren suchen, sind deshalb die begehrtesten Kunden wohlhabende Personen oder Firmen. Bei unserem heutigen System, wo gewinn-maximierende Firmen sich ihre Kunden selbst aussuchen können, werden reiche Personen deshalb unweigerlich am meisten Nutzen erhalten. Es darf aus dieser Sicht nicht erstaunen, dass die Unterschiede zwischen reichen und armen Menschen immer grösser werden. In unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem kommt dem Markt als Vermittler zwischen Angebot und Nachfrage eine zentrale Bedeutung zu. Meistens werden hier Firmen und Produkte vorwiegend nach finanziellen und technischen Aspekten verglichen, Beiträge zum Allgemeinwohl bleiben in aller Regel (noch) unberücksichtigt. Im Gegensatz zu den Kosten und vielen technischen Aspekten lässt sich der Beitrag zum Allgemeinwohl auch nicht direkt quantifizieren. Dies macht eine Berücksichtigung erst recht schwierig. Wenn eine genügend grosse Nachfrage vorhanden ist für Produkte aus Firmen, welche einen Beitrag zur Vergrösserung des Allgemeinwohls leisten, wird sich gemäss der Martkttheorie mit der Zeit auch ein entsprechendes Angebot einstellen. Sofern sich die Theorie des Marktes nicht irrt, müssen wir davon ausgehen, dass sich bis heute noch zu wenig Menschen bewusst um die Repektierung des Seins bemühen. Wir sollten deshalb primär selbst als Konsumenten und Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber mit dem guten Beispiel voran gehen.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 51 Könnte aber nicht gerade die Politik, zum Beispiel durch das Setzen von entsprechenden Rahmenbedingungen die Entwicklung positiv beeinflussen? Wir wollen dieser Frage im nächsten Abschnitt nachgehen.
Politik und Wirtschaft Zu Urzeiten hatten die Menschen wesentlich weniger effiziente Hilfsmittel Durch den Einsatz von immer effizienteren
zur Verfügung. Wer weiss, wie sie gehandelt hätten, wenn ihnen unsere heutigen Technologien schon damals zur Verfügung gestanden hätten! Es
Technologien wird die Tragweite unserer
kann hier nicht darum gehen, der Urzeit als „gute alte Zeit“ nachzutrauern.
Entscheidungen immer grösser.
Vielmehr müssen wir uns bewusst werden, dass die Tragweite unserer Entscheidungen für die ganze Erde immer grösser wird, da wir immer stärkere und effizientere Hilfsmittel, wie zum Beispiel Elektrizität, Waffen, Motoren, Autos, Flugzeuge, Funk, Atomenergie, Chemie, Gentechnik, Computer, Lasertechnik, usw. einsetzen. Wie oben erwähnt, setzen Firmen diese Technologien primär dazu ein, um einem verschwindend kleinen Teil der Erdbewohner – den Kunden der jeweiligen Firma – einen bestimmten Nutzen zu geben.
Negative Auswirkungen von
Die Gefahr ist deshalb natürlich gross, dass dieser Nutzen für die Kunden
neuen Technologien werden in der Regel erst nach deren
der Firma einem anderen Teil der Gemeinschaft auf der Erde (zum Beispiel anderen Menschen oder Teilen der Natur) Schaden zufügt. Innerhalb einem
Einsatz untersucht – wenn
Land wird durch die Gesetzgebung versucht, zumindest Schaden für andere Menschen im gleichen Land – und teilweise auch für Menschen in
es bereits (zu) spät ist.
benachbarten Ländern – zu vermeiden. Dieser Schutz ist aber aus folgenden Gründen vielfach ungenügend: Technologische Entwicklungen werden durch Firmen und nicht primär durch den Staat vorangetrieben. Sobald neue Technologien verfügbar sind, werden sie durch die Firma, welche sie entwickelt hat, auch sofort eingesetzt. Es geht ja darum, rascher als die Konkurrenz zu sein! Erst wenn schädliche Auswirkungen bekannt werden - und meistens auch nur dann, wenn Gefahr besteht, dass diese schädlichen Auswirkungen auch Menschen betreffen könnten -, beginnt sich der Staat Gedanken über Richtlinien und Gesetze zum Einsatz dieser Technologie zu machen. Die Gesetze über den sinnvollen Einsatz von neu entwickelten Technologien werden deshalb dem Einsatz dieser Technologien immer nachhinken. Der Nutzen aus der Firmentätigkeit wird meistens höher bewertet als die möglichen Schäden dieser Tätigkeit.
Die Welt wird heute nicht mehr von den Regierungen, sondern von „der Wirtschaft“ beherrscht. Um Arbeitsplätze zu schaffen, Wirtschaftswachstum zu sichern, und wie alle Schlagworte auch heissen mögen, konkurrenzieren sich Länder und innerhalb der Länder sogar einzelne Gebiete gegenseitig und werben um die Gunst von Firmen. Dass in diesem Zusammenhang kritische Gedanken über die Konsequenzen des Technologieeinsatzes zuerst einmal beiseite
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 52 geschoben werden, erscheint logisch. Der Nutzen der Tätigkeit einer Firma wird viel höher bewertet als die möglichen Schäden dieser Tätigkeit. Es scheint deshalb in der Natur der Sache zu liegen, dass Firmen in unserer heutigen Gesellschaft nicht durch Gesetze zu einem verantwortungsvollen Handeln bewegt werden können. Gesetze können in der Regel nur dazu dienen, grobe Leitplanken zu setzen und allfällige Vergehen im Nachhinein finanziell zu bestrafen. Aber was sind schon ein paar Millionen Franken gegen das verpfuschte oder eingeschränkte Leben von anderen Wesen? Den Regierungen sind die Zügel für die aktive Steuerung der Wirtschaft entglitten. Diese steuert sich längst selbst und übt wie erwähnt einen grossen Einfluss auf die Politik aus. Wir werden in späteren Abschnitten sinnvolle und zuverlässig funktionierende Steuerungsmechanismen für die Wirtschaft diskutieren.
Beschränkte Haftung für juristische Personen Ein weiterer ganz wesentlicher Aspekt bei der Betrachtung von Firmen ist die Haftung einer Firma für die Folgen ihrer Handlungen. Man spricht in der Gesetzgebung bei den Organisationseinheiten, welche wir hier stellvertretend als Firma bezeichnet haben, von einer juristischen Person. Nicht die Besitzer (Aktionäre) und nicht die Mitarbeiter haften für die Firma, sondern die Firma wird als selbständige Einheit – eben als sogenannte juristische Person betrachtet. Jene Personen, welche im Namen der Firma Verträge abschliessen dürfen, werden zum Aktiengesellschaft im Handelsregister eingetragen.
Beispiel
bei
einer
Wenn jemand im Namen der Firma einen Vertrag abschliesst und sich die Firma nachher nicht an diesen Vertrag hält, kann nicht etwa diese Person, sondern nur die Firma als ganzes belangt werden. Falls durch den Vertragsbruch Schaden entstanden ist, haftet die Firma dafür mit dem 6
Vermögen der Firma . Genügt das Vermögen der Firma nicht zur Deckung des Schadens, hat der Geschädigte Pech gehabt: sein Schaden wird nur bis zur Höhe des Firmenvermögens ersetzt. Die Besitzer oder Aktionäre der Firma verlieren durch den Firmenkonkurs zwar ihr in die Firma einbezahltes Geld, darüber hinaus können sie jedoch nicht für den Schaden, welche ihre Firma angerichtet hat, belangt werden. Damit ein gewisser minimaler Schutz besteht, schreibt das Gesetz jeweils je nach Organisationsform der Firma ein bestimmtes Mindestkapital vor.
6
Wir gehen hier davon aus, dass der Schaden nicht durch eine Haftpflichtversicherung gedeckt ist.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 53 Das Risiko der Besitzer einer Firma ist begrenzt – die Gewinnmöglichkeiten hingegen nicht.
Die beschränkte Haftung ist ein wichtiger Grund, weshalb die überwiegende Mehrheit aller Firmen entweder als GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) oder AG (Aktiengesellschaft) organisiert sind. Die Schaffung dieser Organisationsformen hat sehr viel zur wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen, führt aber andererseits auch zu vielen Fehlinterpretationen bezüglich der Rechenschaft des persönlichen Verhaltens. Auch in diesem Zusammenhang müssen wir Haftung im Sinne unserer Gesetzgebung und persönliche Verantwortung ganz klar auseinanderhalten. Wir werden in den kommenden Abschnitten häufig über die Verantwortung für seine eigenen Entscheidungen sprechen. Damit ist die Verantwortung im Sinne der Grundrechte des Seins gemeint. Es geht nicht primär um materiellen Nutzen oder Schaden, sondern ganz generell um die Respektierung der Grundrechte des Seins. Dabei rufen wir uns nochmals in Erinnerung, dass „verantwortlich sein“ à priori weder ein Lob noch eine Strafe ist. Es bedeutet lediglich, zum Ergebnis beigetragen zu haben.
Die Grundrechte des Seins
Bei Diskussionen im Zusammenhang mit der Wirtschaft müssen wir uns
kennen keine juristische Personen: Wir sind für alle
bewusst sein, dass die Grundrechte des Seins keine „juristischen Personen“ kennen. Als ganz grosser Unterschied zu unserer physischen Welt – wo wir
unsere Entscheidungen
Menschen uns die Gesetze selbst geschaffen haben -, sind wir vor den Grundrechten des Seins für sämtliche unserer Entscheidungen persönlich
persönlich verantwortlich.
voll verantwortlich. Es spielt keine Rolle, ob wir eine bestimmte Entscheidung als Mitarbeiter einer Firma oder privat treffen. Wir sind auf jeden Fall verantwortlich dafür! Wenn jemand einerseits privat ein lieber und guter Familienvater ist und sich persönlich weiter entwickeln möchte aber auf der anderen Seite als Mitarbeiter einer Firma die Grundrechte des Seins von anderen Wesen missachtet, so begeht diese Person ein krasser Denkfehler: Sie ist für alle ihre privaten und beruflichen Entscheidungen gleichermassen verantwortlich.
Es
ist
für
ihre
persönliche
Entwicklung
auch
kein
Unterschied, ob sie die Ideen für ihr Handeln selbst entwickelt hat oder ob sie im Auftrag ihres Vorgesetzten handelt. Materiell haftet die Firma als juristische Person für ihre Mitarbeiter, moralisch und ethisch ist jedoch jeder Mitarbeiter voll und ganz selbst verantwortlich für seine Entscheidungen.
Wir haben im ersten Band bereits eindringlich darauf hingewiesen, dass uns niemand zwingen kann, gegen unseren Willen etwas zu tun. Natürlich kann es für jemanden Konsequenzen haben, wenn er sich weigert, eine Aufgabe auszuführen, welche der Vorgesetzte zugewiesen hat. Wenn diese Person mit der Ausführung einer Aufgabe die Grundrechte des Seins verletzt, so wird dies für sie persönlich aber ebenfalls Konsequenzen nach sich ziehen. Die Konsequenzen einer Verletzung der Grundrechte des Seins sind vermutlich weniger konkret abschätzbar als die Konsequenzen einer Verweigerung des Gehorsams gegenüber dem Vorgesetzten. Dies sagt aber nichts aus über die Tragweite der beiden Konsequenzen! Jeder von uns kann wählen, welche Konsequenzen er zu tragen bereit ist. Die Wahl liegt bei uns. Wir handeln immer in eigener Verantwortung. Weiterentwickeln zu innerer Ruhe und Harmonie können wir uns nur, wenn wir die Grundrechte des
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 54 Seins konsequent bei allen unseren Entscheidungen ernsthaft versuchen zu achten. Man könnte diesen Abschnitt folgendermassen formulieren:
zusammenfassend
deshalb
auch
Materiell haftet die Firma als juristische Person für ihre Mitarbeiter, moralisch und ethisch ist jedoch jeder Mitarbeiter voll und ganz selbst verantwortlich für seine Entscheidungen. Die Verantwortung des Mitarbeiters kann sogar noch wesentlich weiter gehen. Darauf werden wir später zurückkommen.
Die positiven Seiten nicht vergessen Es geht nicht um die Wirtschaft als solches,
Wenn hier zeitweise von negativen Folgen der Wirtschaft die Rede war, darf man aber auf der anderen Seite keinesfalls ausser Acht lassen, dass die
sondern um die
Firmen durch den Verdienst ihren Mitarbeitern in der Regel eine materielle Existenz ermöglichen. Eine wirtschaftliche Entwicklung hat
Entscheidungen und Handlungen von uns
selbstverständlich auch viele positive Aspekte. Die Firmen zu verfluchen oder für alles Unheil auf der Erde verantwortlich zu erklären wäre deshalb
Menschen als Teil der
ebenso falsch wie sämtliche Ziele der Menschheit der wirtschaftlichen
Wirtschaft.
Entwicklung unterzuordnen. Es geht nicht um die Wirtschaft als solches, sondern um die Entscheidungen und Handlungen von uns Menschen als Teil der Wirtschaft. Die Frage nach dem „besten“ wirtschaftlichen System (Kapitalismus, Kommunismus, Sozialismus, ...) ist ebenfalls unbedeutend. Unabhängig vom gewählten Wirtschaftssystem sind es immer die Menschen, welche mit ihren Entscheidungen bzw. Handlungen das Allgemeinwohl vergrössern oder verkleinern. Das grosse Ziel von Harmonie, Friede und Ruhe kann innerhalb jedem Wirtschaftssystem oder in beliebigen Kombinationen von Wirtschaftssystemen erreicht werden. Denn es ist nicht das System bzw. seine Instrumente, welche das Allgemeinwohl zu beeinflussen vermögen, sondern in jedem beliebigen System ist es die Handlungsweise der betroffenen Menschen. Die „richtigen“ Entscheidungen müssen immer „von innen“, vom Herzen der Menschen kommen und können durch keine Rahmenbedingungen eines Wirtschaftssystems ersetzt werden. Der „Markt“ im Kapitalismus kann deshalb das Denken und eigenverantwortliche Entscheiden der Menschen ebenso wenig ersetzen wie die Planwirtschaft. Wenn jeder für sich seine Verantwortung bezüglich der Grundrechte des Seins wahrnimmt, so wird das Allgemeinwohl in jedem beliebigen Wirtschaftssystem steigen. Die Wirtschaft hat sehr viele guten Seiten, wir sollten aber darauf achten, dass die wirtschaftliche Entwicklung als Mittel zum Zweck und nicht als
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 55 Selbstzweck betrachtet wird. Die Aufgabe der Wirtschaft muss klar definiert werden, dabei müssen wir insbesondere die Randbedingungen und Kompetenzen festlegen. Wie wir im vorhergehenden Abschnitt diskutiert haben, ist dies durch die Gesetzgebung oder durch die Politik nicht möglich. Dazu braucht es effizientere Mechanismen, welche wir später besprechen werden. Der Weg dazu führt über die Wahrnehmung der persönlichen Verantwortung durch jeden Mitarbeiter, durch die Besitzer und durch die Kunden einer Firma. Die wirtschaftliche
Wir betrachten deshalb in den nächsten Kapiteln zunächst die Zielsetzungen
Entwicklung soll eine
von Firmen.
effizientere Sicherung der materiellen Existenz bewirken. Sie darf deswegen aber nicht zum Selbstzweck werden.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 56
Zielsetzungen von Firmen Im ersten Band dieser Buchreihe haben wir gesehen, dass das A und O unseres Lebens das Setzen und Verfolgen der persönlichen Ziele ist. In diesem Kapitel wollen wir deshalb der äusserst wichtigen Frage der Zielsetzungen von Firmen nachgehen. Da eine Firma im wesentlichen aus den involvierten Personen, also den Mitarbeitern, Besitzern, Kunden, usw. besteht, sind die Zielsetzungen einer Firma insbesondere im Lichte der persönlichen Zielsetzungen der involvierten Personen zu betrachten. Je nach Grösse und Führungsart einer Firma setzen sich die persönlichen Zielsetzungen der Mitarbeiter oder der Besitzer vermehrt durch. Wer die bisherigen Ausführungen aufmerksam verfolgt hat, wird nun bestimmt eine Forderung erwarten, wonach sich Firmen als oberste Zielsetzung die Einhaltung der Grundrechte des Seins auf die Fahne schreiben sollten. Dies wäre sicher nichts falsches, nur kann es noch nicht die ganze Wahrheit sein. Denn nur um die Grundrechte des Seins einzuhalten, wird wohl niemand eine Firma gründen. Diese liessen sich auch ohne Firma einhalten! Wir haben die Firmen mit den Gruppen in der Urzeit verglichen. Ähnlich wie Alle unsere Produkte und Dienstleistungen haben ihren Ursprung letztendlich bei der Erde.
die Gruppen damals die Lösung oder Erleichterung von bestimmten Aufgaben zum Ziele hatten, stehen heute bei Firmen gewisse Dienstleistungen oder Produkte im Vordergrund. Dabei ist es recht interessant in Erinnerung zu rufen, dass sämtliche Produkte und Dienstleistungen ihren Ursprung letztendlich bei unserer Erde haben: Die gesamte Materie, alle Geräte, alles was wir in die Hände nehmen können, alles was wir essen, wirklich alles stammt ursprünglich von unserer Erde, von der Natur. Oft wandeln wir die Rohstoffe über mehrere Stufen in Zwischenprodukte um, am Ursprung steht aber immer ein Rohstoff, welcher von der Erde, aus der Natur gewonnen wurde. Oder haben Sie etwa allen Ernstes geglaubt, gewisse Rohstoffe würden aus dem Weltall eingeflogen? Häufig sind wir uns dieser enormen Abhängigkeit von der Natur nicht mehr bewusst, weil wir als Konsument keine Beziehung mehr herstellen können zwischen dem vor uns liegenden Endprodukt und seinen ursprünglichen Rohstoffen. Rund um die Herstellung und dem Handel mit Produkten sind eine Vielzahl von Dienstleistungen entstanden. Letztendlich lässt sich aber auch jede Dienstleistung direkt oder indirekt auf die Rohstoffe der Natur zurückführen. Betrachten wir deshalb einmal den Wertschöpfungsprozess der industriellen Produktion: Am Anfang steht wie erwähnt ein Rohstoff aus der Natur. Durch den Einsatz von menschlicher Arbeitskraft und/oder durch den Einsatz von durch Menschen erbaute Maschinen werden daraus Zwischenprodukte hergestellt. Der Produktionsprozess kann sich über sehr viele Stufen ziehen,
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 57 er umfasst aber bei jeder Zwischenstufe jeweils menschliche oder maschinelle Arbeit, sowie in der Regel auch gewisse Dienstleistungen. Am Ende des Produktionsprozesses steht ein Endprodukt, welches vom Konsumenten (Mensch) oder von einem anderen Produktionsprozess eingesetzt wird. Wenn das Endprodukt ausgedient hat, werden einige Teile der Wiederverwertung zugeführt, die restlichen Teile werden entsorgt. Wobei Entsorgung im Klartext bedeutet: An die Natur zurückgegeben. Die Natur kann diese Abfälle (zum Beispiel Schlacke aus der Kehrichtverbrennung, Wärmeenergie, gewisse Lösemittel, giftige Gase, Atommüll, usw.) zumindest in der abgegebenen Konzentration häufig nicht mehr verarbeiten. Es geht hier aber nicht um irgendwelche Polemik über die Abfälle unserer Zivilisation. Wir möchten nur aufzeigen, dass der industrielle Wertschöpfungsprozess immer bei der Natur anfängt und letztendlich in der Natur endet. Die Respektierung der Grundrechte des Seins verlangt Achtung und Respekt vor den anderen Wesen auf der Erde. Es wäre ein grosser Irrtum Die Sorge zur Natur und ein sinnvoller Einsatz der natürlichen Ressourcen sind unabdingbare Voraussetzungen für unser
zu glauben, die Ressourcen der Natur würden nur oder in erster Priorität den Menschen zur Verfügung stehen. Wenn wir dadurch, dass wir zu viele Rohstoffe der Natur für unsere Zwecke verwenden, den anderen Wesen auf unserem Planeten die Lebensgrundlage entziehen oder sie auch „nur“ in
persönliches Wohlergehen
ihrer Entwicklung behindern, so verletzen wir damit natürlich die Grundrechte des Seins. Ein sinnvoller Einsatz der natürlichen Ressourcen
und für das Allgemeinwohl.
und die Sorge zur Natur sind deshalb unabdingbare Voraussetzungen für unser eigenes persönliches Wohlergehen und für das Allgemeinwohl. Nach dieser allgemeinen Betrachtung kehren wir wieder zurück zur Betrachtung von konkreten Zielsetzungen der Firmen. Wir unterscheiden dabei entsprechend dem Wirkungskreis von Firmen mehrere Aspekte der Firmen-Zielsetzungen. Dabei soll es nicht um Bewertungen im Raster gut / schlecht gehen, sondern wir möchten auf kritische Fragestellungen sensibilisieren.
Produkte und Dienstleistungen Wie wir im vorangehenden Abschnitt erwähnt haben, steht bei einer Firma die Herstellung eines Produktes und/oder die Erbringung einer Dienstleistung im Vordergrund. Es ist daher naheliegend, dass eine Firma wissen muss, welche Produkte und Dienstleistungen sie erbringen will. Der Einfachheit halber sprechen wir im folgenden nur noch vom Produkt einer Firma, auch wenn es sich um eine Dienstleistung handelt. Die Palette der denkbaren Produkte ist sehr gross, und tagtäglich werden Hunderte neu erfunden! Wir wollen als nächstes aufzeigen, wie wichtig die
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 58 Prüfung ist, ob die angebotenen Produkte ein sinnvolles Bedürfnis befriedigen bzw. zur Erhöhung des Allgemeinwohls geeignet sind. Der Erfolg eines Produktes im Markt ist für diese Untersuchung ein ungeeignetes Kriterium, denn es gibt Produkte, wie zum Beispiel Minen, Kampfgase, Bomben, usw. welche ausschliesslich der Vernichtung von Leben dienen, die aber nach wie vor sehr profitabel und in beträchtlicher Menge verkauft werden können. Auf der anderen Seite gibt es Produkte bzw. Dienstleistungen, wie zum Beispiel die Reparatur von defekten elektrischen Geräten, mit denen sich in unserer Zivilisation häufig nicht mehr genügend Geld für den Lebensunterhalt verdienen lässt – obwohl eine Dienstleistung dieser Art sich zweifellos sehr schonend für die Umwelt und die natürlichen Ressourcen auswirkt. Der „freie Markt“ prüft nicht,
Wir müssen deshalb eingestehen, dass „der Markt“ seine Funktion, welche
ob ein Produkt sinnvoll ist.
ihm die Ökonomie zur Steuerung des Angebotes zugedacht hat, zumindest in Bezug auf die Bevorzugung von sinnvollen Produkten nicht wahrnimmt.
Diese Prüfung muss deshalb von den involvierten Personen wahrgenommen werden.
Es bleibt deshalb an den involvierten Personen, insbesondere den Besitzern und Mitarbeitern von Firmen, ihre Verantwortung diesbezüglich wahrzunehmen. Dafür zu sorgen, dass ihre Firma sinnvolle Produkte anbietet. Bei der Beurteilung von Produkten sind wir oft etwas undifferenziert: Alles was mit Tabak, Drogen und Waffen zu tun hat, ist generell schlecht, alles was mit Bio, Auto, Spital oder Eisenbahn zu tun hat, ist generell gut... Betrachten wir ein konkretes Beispiel: Finden Sie persönlich, dass Mineralwasser ein sinnvolles Produkt sei? - Es ist auf jeden Fall ein Paradebeispiel dafür, wie man mit geeigneter Werbung einen Markt für ein Produkt schaffen kann, auch wenn aus Distanz betrachtet kein Bedürfnis vorhanden ist. In praktisch allen deutschsprachigen Gebieten ist das Wasser in den Häusern von sehr hoher Qualität und kann ohne jegliche gesundheitlichen Bedenken getrunken werden. Wie Untersuchungen von Mineralwassern in regelmässigen Abständen zutage bringen, ist das Leitungswasser oftmals sogar von höherer Qualität als gewisse Mineralwasser. Wir waschen und duschen uns mit Trinkwasser, ja wir leisten uns sogar den Luxus, das WC mit bestem Trinkwasser zu spülen! Nur noch wenige Leute trinken Leitungswasser, in aller Regel wird Mineralwasser Hunderte von Kilometern transportiert, mit dem Auto im Laden abgeholt und nach Hause geschleppt – weil wir uns von der Werbung einreden liessen, nur speziell abgepacktes Mineralwasser sei gesund. In ein von Lawinen abgeschnittenes Bergdorf, welches über die Landesgrenzen hinaus Werbung macht für sein eigenes Mineralwasser, wurde im Winter 1999 per Helikopter palettenweise Mineralwasser aus einem anderen Landesteil eingeflogen. Anscheinend wollten die Wintergäste auch in dieser Situation nicht nur einheimisches Mineralwasser trinken... Dieses extreme Beispiel zeigt, wie wichtig uns das „richtige“ Wasser geworden ist. Damit soll keine Bewertung des Mineralwassers als sinnvolles oder nicht sinnvolles Produkt vorgenommen werden. Dazu müssten noch weitere
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 59 Faktoren berücksichtigt werden. Das Beispiel mit dem Mineralwasser sollte aber die Problematik mit dem Abdecken von tatsächlichen oder künstlich geschaffenen Bedürfnissen erläutert werden. Es kann ein grosser Unterschied für den Beitrag zum Allgemeinwohl sein, ob eine Firma ein echtes und sinnvolles Bedürfnis abdeckt oder ob sie mit Werbung zunächst ein Bedürfnis für ihr Produkt schaffen muss.
Wahl des Absatzmarktes Bei vielen Produkten ist von vorneherein klar, wer die Abnehmer sein können. Wenn eine Firma Eingeklemmte produziert, dann kann sie diese entweder an Zwischenhändler wie zum Beispiel Kiosks, Restaurants oder Imbissbuden verkaufen oder sie kann ihr Produkt gleich selbst den Konsumenten anbieten. Etwas schwieriger zu definieren ist häufig das geographisch sinnvolle Absatzgebiet. In Verbindung mit der weiter unten diskutierten Gewinnmaximierung wird häufig versucht, das Produkt innerhalb einem geographisch möglichst grossen Gebiet zu verkaufen. Je nach Art des Produktes mag dies sinnvoll oder nicht sinnvoll erscheinen. Wenn wir beim Beispiel der oben erwähnten Sandwiches bleiben, so wäre die Produktion an einem einzigen Ort mit anschliessendem Vertrieb in ganz Europa bestimmt nicht sinnvoll. Wegen der notwendigen Frische der Ware würde dieser Extremfall auch kaum funktionieren. Aber wo liegt die Grenze? Ist es sinnvoll, Eingeklemmte vor dem Verkauf 100 km zu transportieren, oder nur 30 km, oder überhaupt nicht? Sollen sie in jedem Falle direkt am Verkaufsort produziert werden? Auch diese Frage kann nicht einfach und grundsätzlich beantwortet werden. Finanzielle Gewinne haben keinen Einfluss auf die Frage, ob eine Firma sinnvoll handelt oder nicht.
Und auch in diesem Falle bedeutet es noch nicht, dass eine Firma sinnvoll handelt, wenn sie profitabel arbeitet. Mit ihrem Bewusstsein sollten die involvierten Personen im Einzelfalle entscheiden, was sinnvoll ist. Betrachten wir als weiteres Beispiel die Produktion und des Vertrieb eines Radioempfängers. Mit diesem Produkt ist es grundsätzlich möglich, mit geringen Modifikationen für die einzelnen Vertriebsgebiete die ganze Welt zu beliefern. Ist dies aber sinnvoll? Da die Ware beim Transport nicht verderben kann, ist auch eine einzelne Produktionsstätte auf der ganzen Erde möglich. Ist dies sinnvoll? Erwarten Sie nun bitte nicht eine konkrete Antwort auf diese Frage! Es soll mit diesen Beispielen nur auf die Problematik sensibilisiert werden. Da es letztendlich um die Respektierung der Grundrechte des Seins geht, sollte die Firma ihre Handlungsweise nach der Frage richten, ob sie mit dem Angebot ihres Produktes in einem bestimmten Gebiet andere Wesen an der Ausübung
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 60 ihrer Grundrechte hindert. Solange die Firma ihr Produkt in einem bestimmten Markt anbietet, es ehrlich deklariert und in der Werbung nur Werbung, welche nicht nur wahrheitsgetreu informiert,
vollständige Wahrheiten aufführt, ist es letztendlich die Entscheidung und Verantwortung der potentiellen Kunden, ob sie dieses Produkt kaufen wollen
sondern zu manipulieren
oder nicht. Sobald die Werbung aber nicht nur ehrlich informiert, sondern zu manipulieren versucht, wird es problematischer. Auch die künstliche
versucht, ist problematisch.
Schaffung eines Bedürfnisses grundsätzlich problematisch.
(siehe
Beispiel
Mineralwasser)
ist
Falls in einem neu anvisierten Markt bereits lokale Anbieter mit vergleichbaren Produkten vorhanden sind, welche die Bedürfnisse der Kunden abdecken können, so muss sich die neu in den Markt eintretende Firma ernsthaft fragen, weshalb sie dies tun will. Es braucht nicht grundsätzlich falsch oder unethisch zu sein – man sollte diese Frage aber in aller Ehrlichkeit beantworten. Grössere Firmen können es sich teilweise finanziell leisten, ihr Produkt während einer gewissen Zeitperiode in einem neuen Markt unterhalb den Produktionskosten anzubieten, so dass für die vorhandenen Anbieter der Vertrieb des betroffenen Produktes aus finanziellen Gründen nicht mehr machbar ist. Auch dieses Vorgehen ist nicht à priori verwerflich – man sollte sich aber vorher genau überlegen, weshalb man dies tun will und ob es im konkreten Falle wirklich sinnvoll sei. Die Frage nach dem Produktionsort ist ebenfalls nicht leicht zu beantworten. Durch die zentrale Produktion sinken in der Regel die Kosten. Der Abnehmer erhält dadurch sein Produkt zu einem günstigeren Preis. Durch die dezentrale Produktion entstehen lokale Arbeitsplätze. Die Ressourcen der Natur sind gemessen an unserer
Für die Abklärung der hier dargestellten Problematik genügen finanzielle Abwägungen keineswegs. Die Ressourcen der Natur sind zur Zeit
Kaufkraft und an ihrem Wert
gemessen an ihrem Wert viel zu billig einsetzbar und andere wichtige Faktoren wie Umweltverschmutzung durch Transport und Verpackung,
viel zu billig.
lokale
Arbeitslosigkeit,
usw.
lassen
sich
überhaupt
nicht
finanziell
quantifizieren. Lösbar sind diese komplexen Fragen deshalb nur durch die involvierten Personen, welche ihre Verantwortung wahrnehmen, d.h. sich um die Respektierung der Grundrechte des Seins bemühen. Die Antworten sollten zudem periodisch hinterfragt werden, denn was heute bezüglich sinnvoller Märkte und Produktionsorte gilt, braucht in zwei bis drei Jahren nicht mehr automatisch gültig zu sein.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 61
Finanzielle Zielsetzungen Eine Firma kann ihre Aufgaben nur wahrnehmen, solange sie liquide ist, sie also ihre finanziellen Verpflichtungen erfüllen kann. Unter den Die finanzielle Liquidität
Gruppierungen, welche wir in dieser Abhandlung zusammenfassend als Firma bezeichnet haben, gibt es Organisationen, welche keinen Gewinn
einer Firma ist eine unabdingbare
anstreben. Als Beispiele können wir Vereine, Genossenschaften, Verbände, usw. anführen. Die Frage ist deshalb berechtigt, wann eine Organisation
Voraussetzung für ihre
Gewinn anstreben sollte bzw. wann sie dies nicht tun sollte. Bevor wir darauf
Tätigkeit.
eingehen, wollen wir aber sicherheitshalber den Begriff Gewinn für unsere Zwecke definieren: Eine Firma verkauft gewisse Produkte und erzielt dafür Einnahmen. Sie muss diese Produkte entweder einkaufen oder selbst herstellen. Dafür entstehen der Firma Kosten in Form von Materialkosten, Miete für die Lokalitäten, evtl. Zinsen auf geliehenem Kapital, Kauf und Amortisation von Produktionsmitteln, Entwicklungskosten, direkte Steuern und Löhnen. Wenn die Einnahmen innerhalb einer bestimmten Zeitperiode die Ausgaben übersteigen, so wurde ein Gewinn erarbeitet. Der erarbeitete Gewinn wird in der Regel zu einem bestimmten Anteil an die Besitzer (Aktionäre) ausbezahlt, der restliche Teil bleibt innerhalb der Firma und kann für die verschiedensten Zwecke verwendet werden: Zum Beispiel zur Amortisation von Darlehen, Rückstellung für neue Entwicklungen, Sicherheit zur Deckung von irgendwelchen Risiken, Kauf von anderen Firmen, usw. Die Möglichkeiten sind beinahe unbegrenzt. Kehren wir nun wieder zurück zur Frage, wann eine Firma einen Gewinn erarbeiten sollte. Formulieren wir diese Frage zunächst etwas anders: Kann eine Firma nur überleben, wenn sie Gewinne erzielt? Muss eine Firma um überleben zu können zwingend einen Gewinn erarbeiten? Diese beiden Fragen können mit einem klaren Nein beantwortet werden. Wenn eine Firma über einen bestimmten Zeitraum weder Verluste noch Gewinne erzielt, kann sie je nach den angebotenen Produkten und Dienstleistungen problemlos und bestens existieren. Nehmen wir als Beispiel ein Lebensmittelgeschäft mit 10 Angestellten: Dieses Geschäft wird weder neue Produkte entwickeln noch andere Firmen aufkaufen wollen. Da es sich um einen reinen Handelsbetrieb handelt, sind die im Geschäftsleben eingegangenen Risiken eher gering. Wenn Ende Jahr jeweils alle Kosten mit den Einnahmen bezahlt werden können, geht es dieser Firma sehr gut und es dürfe kaum einen Grund geben, über das Geschäftsjahr zu klagen. Etwas komplexer wird es, wenn eine Firma nicht nur mit Produkten handelt, sondern Produkte selbst entwickelt und / oder produziert. Hier entstehen Entwicklungskosten und die Produktionseinrichtungen müssen vermutlich in gewissen Zeitabständen erneuert werden, um mit dem aktuellen Stand der Technik - so weit dies sinnvoll ist - mithalten zu können. Beides muss in der Regel durch die Firmen vorfinanziert werden, wobei aber selbstverständlich
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 62 auch die Aufnahme von Krediten möglich ist. Weitet man den Zeitraum für die Summierung von Ausgaben und Einnahmen einer produzierenden oder auf eigenes Risiko entwickelnden Firma auf etwa 5 bis 10 Jahre aus, so fällt es auch hier schwer, stichhaltige Begründungen zu finden, weshalb eine solche Firma einen Gewinn erarbeiten müsse, um überleben zu können. Wenn innerhalb einer 10jährigen Periode die Einnahmen einer Firma gleich hoch waren wie die Ausgaben, dann konnte die Firma offensichtlich ihre Aufgaben, zumindest vom finanziellen Gesichtspunkt aus gesehen, erfüllen. Was will man denn eigentlich noch mehr? Es gibt keine systembedingte Notwendigkeit für eine Firma, über eine längere Zeitperiode betrachtet, Gewinne zu erarbeiten.
Man kann es drehen und wenden wie man will: Aus der Tätigkeit einer Firma heraus ergibt sich keine Notwendigkeit einen Gewinn zu erarbeiten. Je nach Branche und Grösse der Firma kann es allerdings durchaus richtig sein, in gewissen Phasen einen Gewinn zu erarbeiten, so dass die Verluste in anderen Phasen gedeckt werden können. Die Frage, ob ein Gewinn erarbeitet werden müsse, wird somit zu einer reinen Frage der Länge der Betrachtungsperiode. Wichtig
ist,
dass
über
eine
Periode,
welche
mindestens so lange wie der durchschnittliche Lebenszyklus eines Produktes der entsprechenden Branche sein sollte, sich Verluste und Gewinne die Waage halten, bzw. die Verluste nicht überwiegen. Bei grösseren Firmen, welche in mehreren Branchen tätig sind, sind die Lebenszyklen ihrer Produkte oftmals zeitlich verschoben, sodass Gewinne in einer Branche die Verluste von anderen Branchen wettmachen können. Aus dieser Sicht sollte bei grösseren, gut diversifizierten Firmen auch kurzfristig praktisch kein Bedürfnis für Gewinne vorhanden sein. Weshalb ist es denn in der heutigen Zeit scheinbar so wichtig geworden, dass eine Firma ohne Unterbruch und möglichst hohe Gewinne erzielt? Weshalb werden nicht rentable Firmenteile verkauft oder geschlossen? In gewissen Fällen kann dies mit dem Zeithorizont zu tun haben: Die verantwortlichen Personen setzen die Zeitperiode, in welcher sich Gewinne und Verluste die Waage halten sollten, immer kürzer an. Als logische Konsequenz entsteht daraus die Forderung nach einer konstanten Erzielung von Gewinnen. Dies kann aber auch dazu führen, dass Produkte bereits in einem unausgereiften Zustand verkauft und eingesetzt werden. Die Ursache für die Gewinnerwartung an die Firmen liegen bei den Firmenbesitzern und den Mitarbeitern.
In den weitaus meisten Fällen ist die Ursache für die Gewinnerwartung in der Zielsetzung der Firmenbesitzer (Aktionäre) zu finden, für ihren Firmenanteil eine hohe finanzielle Entschädigung zu erhalten. Die Firmenbesitzer – und möglicherweise auch über den Gewinn beteiligte Mitarbeiter – wollen damit ihre finanziellen Einnahmen vergrössern. Inwiefern diese Zielsetzung mit dem Leben der Grundrechte des Seins in Einklang gebracht werden kann, soll erst später diskutiert werden. Wir wollen hier einfach klar und ohne zu bewerten darauf hinweisen, dass Firmen üblicherweise einen Gewinn erarbeiten „müssen“, weil die Firmenbesitzer und evtl. gewisse Mitarbeiter dies aus eigener, freier Entscheidung so wollen. Es ist falsch „unser System“ oder „den Kapitalismus“ dafür verantwortlich zu machen.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 63 Als nächsten Schritt wollen wir betrachten, wie sich die Gewinnerwartung eines Aktionärs zusammensetzt. Wenn eine Person Aktien einer Firma kauft, stellt sie damit dieser Firma Geld zur Verfügung. Man kann sicher Verständnis dafür aufbringen, dass diese Person dafür eine Gegenleistung 7
erwartet . Es stellt sich nun natürlich die Frage, wie gross diese Gegenleistung sein sollte und in welcher Form diese Gegenleistung erbracht werden sollte. Der finanzielle Ertrag der
Der Einfachheit halber betrachten wir einen Fall, wo Person A heute Aktien
Firmenbesitzer setzt sich zusammen aus der
einer normalen Firma im Werte von 100'000 Euro kauft und diese nach 10
8
Verzinsung der Aktien
Jahren wieder verkaufen möchte. Während den 10 Jahren kann die Firma beispielsweise eine Dividende auf die Aktien auszahlen. Gleichzeitig kann
(Dividende) und der Wertsteigerung des
aber auch der Wert des Unternehmens und damit der Wert der Aktie innerhalb dieser 10 Jahre zunehmen, so dass der Verkaufspreis höher ist
Unternehmens bzw. der
als der ursprüngliche Kaufpreis. Der oben angesprochene Wert des Unternehmens ist dabei eine von sehr vielen Faktoren, aber im wesentlichen von Gewinn- und Umsatzerwartungen beeinflusste Grösse. Falls sich der
Aktien.
Wert des Unternehmens innerhalb den 10 Jahren verkleinert, so erleidet die Person A beim Verkauf ihrer Aktien möglicherweise einen Verlust. Der maximal mögliche Verlust beträgt 100'000 Euro, d.h. im schlimmsten Fall kann Person A das ganze investierte Geld verlieren. Das Risiko eines Verlustes ist, wie die Erfahrung der letzten 25 Jahre zeigt, äusserst gering. In den meisten Fällen war es nur eine Frage der Zeit, bis der Wert eines Unternehmens wieder gestiegen ist, sodass die Aktien mit Gewinn oder höchstens minimalem Verlust verkauft werden konnten. Wenn man jemandem ein Gerät während 10 Jahren vermietet, so erwartet man als Vermieter in der Regel, dass die Miete die Abnützung und Amortisation dieses Gerätes bezahlt. Oftmals wird vom Mieter auch der Abschluss einer Versicherung verlangt, so dass das Gerät bei einer allfälligen Beschädigung repariert werden kann. Analog kann man sich beim „Vermieten“ von finanziellem Kapital auf den Standpunkt stellen, dass die Miete die Verringerung der Kaufkraft und das Risiko eines Verlustes abdecken sollte. Da die Teuerung im Das statistische Risiko für eine Wertverringerung einer Aktie ist bei einer gut geführten Firma erfahrungsgemäss gering.
7
deutschsprachigen Gebiet in den letzten Jahren im Durchschnitt zwischen 1 und 2% pendelte, ergibt sich daraus zur Deckung des Kaufkraftverlustes eine Verzinsung der Aktien von ca. 1% bis 2% pro Jahr. Das Risiko eines Verlustes beim Verkauf der Aktien ist äusserst schwierig abzuschätzen. Wie oben erwähnt, ist dieses Risiko statistisch gesehen gering. Um Zahlen zur Verfügung zu haben, nehmen wir an, die Wahrscheinlichkeit das gesamte investierte Kapital während den 10 Jahren zu verlieren, sei 5%.
Dies ist aber nicht zwingend erforderlich. Es muss ja grundsätzlich auch möglich sein, eine Leistung zu
erbringen, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten. 8
Unter einer normalen Firma wollen wir in diesem Zusammenhang eine Firma verstehen, welche seriös
geführt wird und keine spekulativen Geschäfte eingeht. 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 64 Betrachtet man das Verlustrisiko als statistische Grösse, so sollten unsere Aktien innerhalb der 10 Jahre somit 2% Ertrag pro Jahr für die Deckung der Kaufkraftverringerung und ½% pro Jahr für die Deckung des Verlustrisikos erbringen. Die Investition ist für die Person A unter den oben erwähnten Annahmen kostenneutral, wenn sie eine durchschnittliche jährliche Dividende von 2500 Euro erhält und sie die Aktien nach 10 Jahren wieder zum Einkaufspreis verkaufen kann. Ebenfalls kostenneutral wäre die Investition, wenn Person A nie eine Dividende erhält, die Aktien aber nach 10 Jahren zum Preis von 127'000 Euro verkaufen kann. Selbstverständlich sind beliebig viele Zwischenlösungen denkbar. Viele Investoren argumentieren, das Verlustrisiko sei viel höher, deshalb müsse zwingend eine höhere Rendite erarbeitet werden. Dabei werden gerne Zahlen im Bereiche zwischen 10 und 20% pro Jahr genannt. Gegen diese Notwendigkeit spricht einerseits wie oben erwähnt die Statistik. Andererseits lässt sich dies aber auch an unserem konkreten Beispiel mit der Investition von 100'000 Euro aufzeigen: Nehmen wir einmal eine Rendite von 15% pro Jahr an. Dann ergibt sich somit nach Abzug der Kaufkraftverringerung von 2% ein jährlicher Beitrag zur Abdeckung des Verlustrisikos von 13%. Wenn wir dies über die 10 Jahre summieren, so ergibt sich ein Beitrag von 340'000 Euro zur Abdeckung des Verlustrisikos. Der maximal mögliche Verlust beträgt jedoch nur 100'000 Euro, bzw. bei Berücksichtigung der Kaufkraftverringerung 122'000 Euro! Die Person A kann ja nicht mehr Geld verlieren, als sie effektiv investiert hat. Man kann nun selbstverständlich hingehen und an den in diesem Beispiel getroffenen Annahmen herumdrehen, zum Beispiel von einer höheren Jahresteuerung oder kürzeren Zeitperioden ausgehen, usw. Wie man es auch immer drehen mag: Eine sachliche Begründung für die Notwendigkeit einer jährlichen Rendite von mehr als etwa 5% wird man kaum finden. Es gibt keine systembedingte
Ganz wichtig ist auch zu sehen, dass sich daraus erst recht keine sachlich
Notwendigkeit für eine
maximiert werden sollte. Eine solche Forderung mag eine legitime Zielsetzung der Investoren sein, sie entstammt jedoch einzig und alleine den
Maximierung der Rendite für die Firmenbesitzer.
begründete Notwendigkeit ergibt, wonach der Ertrag der Firmenbesitzer
persönlichen Zielsetzungen und darf nicht als Notwendigkeit dargestellt werden. Es ist die freie Entscheidung eines Firmenbesitzers (Aktionärs), ob er von der Firma erwartet, den Ertrag seiner Investition zu maximieren, bzw. welchen konkreten Ertrag er erwartet. Für die Folgen dieser Entscheidung ist ein Firmenbesitzer deshalb persönlich verantwortlich. Die Renditeerwartung der Firmenbesitzer für das in die Firma investierte Kapital hat selbstverständlich viele Einflüsse auf die Firma und auf alle anderen Firmenzielsetzungen. Die Maximierung des Ertrages der Firmenbesitzer ist in letzter Zeit unter dem Begriff „Maximierung des
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 65 9
Shareholder value“ sehr populär geworden. Betrachten wie deshalb als nächstes, welche Folgen dies für eine Firma hat: Wenn der oder die Besitzer einer Firma einen möglichst hohen Ertrag ihrer Beteiligung fordern, dann muss die betroffene Firma als zwingende Folge davon ihre Tätigkeit nach dieser Forderung ausrichten. Dies bedeutet einerseits, dass die Firma einen möglichst hohen Gewinn erwirtschaften muss. Bei Firmen, deren Wertpapiere an der Börse gehandelt werden oder dort in der Zukunft gehandelt werden sollen, bedeutet es jedoch zusätzlich, dass sie den finanziellen Wert ihres Unternehmens steigern müssen. Damit lassen sich wesentlich höhere Erträge für die Investoren erzielen als mit einer Dividende, zudem sind diese sogenannten Kapitalerträge in vielen Ländern sogar noch steuerfrei! Der Zwang zur ständigen
Wir haben weiter oben bereits erwähnt, dass der Wert eines Unternehmens
Expansion einer Firma stammt primär von der
an der Börse von vielen Faktoren abhängig ist. Es sind vor allem die Zukunftsaussichten, insbesondere die in Zukunft erwarteten Umsätze und
Zielsetzung der Firmenbesitzer, den Wert
Gewinne, welche ihn beeinflussen. Die Maximierung der Rendite der
der Firma bzw. der Aktien zu erhöhen .
Firmenbesitzer führt deshalb bei Firmen, welche an der Börse kotiert sind oder dies werden wollen, zu einem Zwang zur ständigen Expansion: Wenn für die Zukunft höhere Umsätze, höhere Gewinne, höhere Marktanteile, usw. vorausgesagt werden können, steigt in der Regel der Wert der Aktien an der Börse an. Die Zusammenschlüsse (Fusionen) von grossen Firmen und der Kauf (Akquisition) von anderen Firmen sind eine logische Folge der Gewinnmaximierung
der
Firmenbesitzer.
Marktanteile, höhere Gewinne, usw. vorausgesagt bzw. erwartet werden.
Dadurch
innerhalb
können
relativ
höhere
kurzer
Zeit
Das „System“ des Kapitalismus ist neutral. Es
Die Konsequenzen der hohen Renditeerwartung der Firmenbesitzer sind weder ausschliesslich positiv noch ausschliesslich negativ. Da praktisch jede
sind immer die Zielsetzungen der
Firma auch noch andere Zielsetzungen als die Renditemaximierung der Aktionäre verfolgt, ist es insbesondere eine Frage der Gewichtung der
beteiligten Personen,
einzelnen Zielsetzungen. Wenn die Maximierung der Rendite für die
welche die Handlungsweise
Aktionäre aber zur obersten Maxime gemacht wird, hat dies zweifellos viele negative Auswirkungen auf die Verhaltensweise der Firma in Bezug auf die
einer Firma bestimmen.
Respektierung der Grundrechte des Seins. Eine bekannte Folge davon ist insbesondere ein regelrechter Kampf um Marktanteile, welcher mit allen fairen und teilweise auch unfairen Mitteln ausgetragen wird. Das Schlachtfeld ist der globale Markt, indem nicht mehr mit Waffengewalt um Landanteile, sondern mit Werbung, PR, Sponsoring, Beziehungsnetzwerken, Lobbying in der Politik, Beeinflussung der neutralen Presse, usw. um Marktanteile und Gewinne gekämpft wird. Nicht umsonst ist das Vokabular des heutigen Managements praktisch dasselbe wie jenes der Militärs!
9
Shareholder heisst auf deutsch Aktionär. Der Begriff wird bedeutet deshalb die Maximierung des
finanziellen Ertrages der Aktionäre. 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 66 Zum Schluss dieses Abschnittes weisen wir aber nochmals eindringlich darauf hin, dass nicht „das System“ – zum Beispiel der Kapitalismus - für die negativen Auswüchse verantwortlich gemacht werden kann. Die Zielsetzungen der Menschen, welche Firmen besitzen und/oder in Firmen arbeiten, bestimmen einzig und alleine die Zielsetzungen der betroffenen Firmen und deren konkrete Umsetzung. Es gibt keinen systembedingten Zwang für Firmen einen Gewinn zu erarbeiten und schon gar nicht diesen Gewinn zu maximieren. Genauso wenig wie es einen systembedingten Zwang für Firmenbesitzer (Aktionäre) gibt, aus ihrer Beteiligung einen Gewinn zu erarbeiten, bzw. diesen Gewinn zu maximieren. Es ist die freie Entscheidung der involvierten Personen, ob sie einen Ertrag anstreben wollen oder nicht. Deshalb sind diese Personen für die Folgen ihrer Entscheidung bezüglich Einhaltung der Grundrechte des Seins persönlich verantwortlich. Wie wir bereits im ersten Band gesehen haben, beeinflussen diese Personen damit auch ihre eigene Zukunft.
Kompatibilität der Zielsetzungen An dieser Stelle soll nochmals kurz auf die im ersten Band gemachten Aussagen bezüglich der Kompatibilität von verschiedenen Zielsetzungen hingewiesen werden. Wir haben das Erreichen der Ziele mit dem Besteigen von Berggipfeln verglichen und dabei illustriert, dass verschiedene Zielsetzungen mit zunehmender Entwicklung immer inkompatibler werden können. Es ist deshalb wichtig für die persönliche Entwicklung, sich für ein konkretes Ziel zu entscheiden. Anderenfalls kommt die eigene Entwicklung ab einem gewissen Punkt zum Stillstand.
Abbildung 1: Ortschaft mit den Bergen A, B und C als Zielsetzungen In der obigen Abbildung 3 sollen die Berggipfel A, B und C Zielsetzungen darstellen. Die Berge A und B befinden sich auf derselben Talseite, der Weg führt zuerst zur Berghütte und teilt sich relativ bald danach. C befindet sich auf der gegenüberliegenden Talseite. Während der Anreise in die Ortschaft
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 67 im Tal nähern wir uns allen drei Berggipfeln, diese drei Zielsetzungen sind also noch kompatibel miteinander. In der Ortschaft müssen wir uns entweder für die Berggipfel A und B oder für den Berggipfel C entscheiden. Sobald wir auf der Talseite von C aufsteigen, entfernen wir uns zunehmend von A und B. Die Zielsetzung C ist nun mit A und B nicht mehr kompatibel. Wir können uns nicht mehr gleichzeitig allen 3 Zielen nähern. Entscheiden wir uns in Richtung der Berghütte aufzusteigen, so entfernen wir uns zunehmend vom Ziel C, wir nähern uns aber A und B. Bis zur Bergschulter nach der Hütte sind die Zielsetzungen A und B noch kompatibel miteinander. An der Verzweigung müssen wir uns aber entscheiden: Nähern wir uns dem Berg A, so entfernen wir uns zunehmend vom Berg B und umgekehrt. Ab dieser Verzweigung sind Zielsetzungen A und B nicht mehr kompatibel. Alle der in diesem Zusammenhang im ersten Band über die Kompatibilität von Zielsetzungen gemachten Aussagen lassen sich ohne Einschränkung auch auf die Zielsetzungen von Firmen übertragen.
Hierarchie der Zielsetzungen Wir haben im ersten Band die Bedürfnisse der Menschen diskutiert und dabei auf eine Hierarchie innerhalb dieser Bedürfnisse hingewiesen. Als konkretes Beispiel hatten wir das Pyramidenmodell von Maslow erwähnt. Da die Firmen von Menschen geschaffen werden und aus Menschen bestehen, dürfte es kaum erstaunen, dass eine analoge Hierarchie in den Zielsetzungen von Firmen festgestellt werden kann. Es kann für uns auch hier nicht darum gehen, die einzelnen Hierarchiestufen detailliert zu betrachten, wie wollen exemplarisch auf 3 Stufen hinweisen: In
der
untersten
Hierarchiestufe
können
auch
bei
Firmen
die
existentiellen Bedürfnisse lokalisiert werden. Es geht hier vor allem darum, genügend finanzielle Mittel für das Überleben der Firma zu erarbeiten. Bedürfnis nach Sicherheit: Sobald die existentiellen Bedürfnisse gedeckt sind, versucht sich eine Firma mit geeigneten Massnahmen abzusichern, so dass ihr die Konkurrenz nicht plötzlich die Kunden wegnehmen kann. Soziale Bedürfnisse: Eine Firma möchte akzeptiert sein, ein hohes Prestige haben, „geliebt werden“. Dazu kann eine Firma z.B. geeignete Informationen über sich, ihre Produkte und über ihr Verhalten erscheinen lassen (Stichwort Public Relation oder PR), wohltätige Institutionen unterstützen, usw.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 68
Wer sich nur materielle Ziele setzt, wird nur materielle Ziele erreichen. Dies gilt auch für Firmen.
Analog wie bei den menschlichen Zielsetzungen stehen auch hier die existentiellen Ziele auf der untersten Hierarchiestufe und Ziele wie Selbstverwirklichung der Mitarbeiter und Besitzer auf der obersten Stufe. Wir haben schon im ersten Band darauf hingewiesen, dass man nur materielle Ergebnisse erwarten darf, wenn man nur materielle Ziele anstrebt. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für Firmen. Falls die Mitarbeiter und/oder Besitzer einer Firma persönlich über die unterste Hierarchiestufe der menschlichen Bedürfnisse hinauskommen wollen, müssen sie von ihrer Firma deshalb ebenfalls das Verfolgen von höheren Zielsetzungen als die Abdeckung der materiellen Bedürfnisse verlangen. Ansonsten werden diese Personen früher oder später in ihrer persönlichen Entwicklung stagnieren.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 69
Handlungsweise (Realisierung der Zielsetzungen) Die besten Ziele nützen nichts, wenn sie nicht in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Wir haben bereits im ersten Teil darauf hingewiesen, dass wir uns nicht durch gute Absichten weiter entwickeln können, sondern nur durch die konkrete Umsetzung der Zielsetzungen in die Realität. In der Regel werden aus den übergeordneten Zielen Teilziele entwickelt, welche innerhalb einer absehbaren Zeitspanne erreicht werden können. Aus den Zielen bzw. Teilzielen entstehen letztendlich Aufgaben, welche durch die Mitarbeiter in der Firma gelöst werden sollten. Dabei ist es entscheidend, welche Aufgaben angepackt werden und auf welche Art und Weise diese Aufgaben gelöst werden. „Kein Zweck heiligt die Mittel“ gilt auch für Firmen.
Die Aussage „kein Zweck heiligt die Mittel“ gilt selbstverständlich auch für Firmen. Es geht darum, die Grundrechte des Seins beim Lösen der Aufgaben zu respektieren. Wir wollen in diesem Abschnitt deshalb einige Gedankenanstösse zur Verhaltensweise von Firmen geben.
Preissetzung und Margen Die Preise der Produkte können auf unterschiedliche Art und Weise festgesetzt werden: Aufgrund der tatsächlichen Herstell- und Vertriebskosten. Aufgrund der Wertschöpfung, welcher der Kunde seinerseits mit dem Produkt erzeugen kann. Aufgrund der Preise der Konkurrenz. In den meisten Fällen wird der Preis vermutlich aus einer Kombination der oben genannten Faktoren festgesetzt werden. Sofern die Entwicklungskosten des Produktes in die Herstellkosten eingerechnet werden, kann eine Firma, welche ein ausgeglichenes Ergebnis anstrebt, den Verkaufspreis aufgrund der tatsächlichen Kosten bestimmen. Dabei wird man allerdings die Preise von Konkurrenzprodukten mitberücksichtigen müssen. Die Festlegung des Preises aufgrund des „Gebrauchswertes“ für den Kunden kommt in der Regel erst zum Tragen, wenn hohe finanzielle Gewinne angestrebt werden.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 70
Aggressivität im Markt Unter der Aggressivität im Markt verstehen wir die Art und Weise, wie eine Firma versucht neue Kunden zu gewinnen und bestehende Kunden an die 10
eigenen Produkte zu binden . Dazu gibt es die unterschiedlichsten Vorgehensweisen: Man kann neue Kunden durch wahre, sachliche Information über die eigenen Produkte gewinnen, man kann sie versuchen durch Lockvogel-Angebote von der Konkurrenz abzuwerben oder man kann auch falsche Informationen über die eigenen Produkte oder über die Produkte der Konkurrenz in Umlauf setzen. Auch zur Bindung von bestehenden Kunden gibt es verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel Kundenkarten, welche treuen Kunden gewisse Vorteile vermitteln, Mengenrabatte, Geschenke aller Art und Grösse, Schmiergeld-Zahlungen vor neuen Kaufentscheidungen, trickreiches „Kleingedrucktes“ in Verträgen, usw. Die eigenen Produkte können zudem so gestaltet werden, dass sie sich möglichst schlecht mit Produkten der Konkurrenz kombinieren lassen. Diese Taktik wird zum Beispiel häufig in der Software-Industrie oder in der Automatik eingesetzt: Wer einmal eine industrielle Steuerung eines grossen, weltweit tätigen Herstellers gekauft hat, kann diese praktisch nur noch mit Produkten desselben Herstellers kombinieren. Selbstverständlich sind die meisten der oben aufgezählten Massnahmen im Rahmen unserer Gesetzgebung legal. Ob sie sinnvoll sind, d.h. ob damit die Grundrechte des Seins respektiert oder verletzt werden, ist jedoch eine ganz andere Frage und sollte im Einzelfalle sorgfältig geprüft werden. Viele dieser Massnahmen sind allerdings in der Regel eine direkte Folge der Zielsetzung, den Wert des Unternehmens und/oder den Ertrag eines Unternehmens zu vergrössern, damit die Firmenbesitzer und die direkt oder indirekt am Firmengewinn beteiligten Mitarbeiter möglichst hohe Einnahmen erzielen können.
Verhältnis zu den Mitarbeitern Mitarbeiter können als selbständige, erwachsene Personen respektiert oder wie eine Handelsware betrachtet werden. Durch die Firma sollten Man wird so behandelt, wie man sich behandeln lässt.
10
insbesondere die Rahmenbedingungen und Strukturen geschaffen werden, so dass sowohl die Ausführung einer Aufgabe als auch die Zusammenarbeit
Dazu gehört auch das Vorgehen bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern bzw. die Bindung der
Mitarbeiter an die Firma. Auf diese beiden Punkte wollen wir aber nicht eingehen. 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 71 innerhalb der Firma auf eine menschenwürdige Art und Weise möglich sind. Dabei muss aber nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Firma nicht eine generelle Verantwortung für einen Mitarbeiter trägt. Wenn sie seine Dienste nicht mehr benötigt, soll sie diesen Mitarbeiter entlassen, er ist für sich selbst verantwortlich. Wenn sich ein Mitarbeiter nicht ernst genommen fühlt oder sonst wie schlecht behandelt wird, soll der die Konsequenzen ziehen und sich eine andere Anstellung suchen. Man wird in der Regel so behandelt, wie man sich behandelt lässt. Wer aus rein materiellen Überlegungen arbeitet und im wesentlichen darauf bedacht ist, sein Einkommen zu maximieren, der darf sich allerdings nicht wundern, wenn er als „Ware“ behandelt wird. Mit seiner Zielsetzung hat er sich selbst zu einer (Geld-) Maschine degradiert.
Sorgfalt bei Entwicklung und Produktion Wir haben bereits früher darauf hingewiesen, dass neue Produkte vor der Herstellung bzw. vor dem Einsatz auf mögliche negative Konsequenzen untersucht werden sollten. Dabei kann nicht der heutige Rahmen der Gesetze zum Massstab genommen werden, denn die Gesetze werden den technischen Möglichkeiten und neuen Technologien immer hinterher hinken. Eine Firma muss ihre diesbezügliche Verantwortung selbst wahrnehmen, die blosse Einhaltung der vorhandenen Gesetze genügt nicht.
Wahl der Produktionsorte
Eine Produktion in sog.
Heute sind die Transportkosten sehr niedrig, so dass die Möglichkeit, gewisse Teile in Ländern mit niedrigen Löhnen herstellen zu lassen, vom
„Billiglohnländern“ stellt oftmals eine moderne Form
finanziellen Standpunkt aus gesehen, oft verlockend sind. Oft wird argumentiert, dieses Vorgehen schaffe Arbeitsplätze in armen Ländern.
des Kolonialismus dar.
Grundsätzlich ist das Argument richtig, man sollte aber unbedingt weiter denken und die Produktions- und Arbeitsbedingungen im Ausland, eine allfällige Abhängigkeit dieser Länder von uns, sowie den Ort der Wertschöpfung mit ins Kalkül ziehen. Wenn die Produktion unserer Produkte in sogenannten Drittweltländern dazu führt, dass der Westen relativ zu diesen Ländern gesehen, noch reicher wird, dann ist dies nichts anderes als eine moderne Art des Kolonialismus. Wir geben diesen Menschen zwar etwas Arbeit, die wahren Nutzniesser sind jedoch wir selbst, indem wir dank der billigen Arbeit höhere Gewinne erzielen.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 72
Verantwortung für die Firmentätigkeit In den bisherigen Kapiteln haben wir häufig darauf hingewiesen, dass wir für alle unsere Entscheidungen persönlich verantwortlich sind. Dies haben wir besonders ausführlich im Zusammenhang mit dem Ausführen oder Nichtausführen von Aufgaben betrachtet. In diesem Kapitel wollen wir den Schwerpunkt auf die „kollektive Verantwortung“ als Mitglied einer Gruppe und den sich daraus für uns persönlich ergebenden Konsequenzen setzen. Mit der „kollektiven Verantwortung“ ist dabei die Verantwortung gemeint, welche wir als Mitglied einer Gruppe für die Gruppe als Ganzes automatisch übernehmen. Wenn man zum Beispiel Mitglied in einem Verein ist, so übernimmt man ganz automatisch eine gewisse Verantwortung für den Verein. Wie weit diese Verantwortung geht und die Konsequenzen dieser Verantwortung für das einzelne Mitglied wollen wir in den folgenden Abschnitten diskutieren. In diesem Zusammenhang interessieren wir uns zunächst für die Verantwortung als Angestellter bzw. Mitarbeiter, mit dem Spezialfall „Vorgesetzter“ und danach für die Verantwortung als Besitzer, Teilhaber oder Aktionär einer Firma. Den Begriff Firma verwenden wir dabei nach wie vor stellvertretend für alle Organisationsformen, wo Menschen arbeiten können.
Verantwortung des Mitarbeiters für die Firma Als Mitarbeiter einer Firma bezeichnen wir in der Folge alle Personen, welche einen Arbeitsvertrag mit einer Firma haben. Dazu zählen wir aber auch sogenannte freie Mitarbeiter oder externe Berater, welche in der Regel mit Dienstleistungsverträgen mehr oder weniger flexibel in die Firma eingebunden werden. Wir unterscheiden zunächst zwischen der Verantwortung für die eigene Tätigkeit in der Firma und die kollektive Verantwortung für die Firma als Ganzes.
Verantwortung für die eigenen Entscheidungen Nach einer weit verbreiteter Auffassung ist der Verwaltungsrat bzw. die durch den Verwaltungsrat eingesetzte Geschäftsleitung einer Firma für die Firma verantwortlich. Dies ist zweifellos richtig, aber es ist noch nicht die
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 73 ganze Wahrheit, wie wir gleich sehen werden. Ein häufig aufgeführtes Argument lautet: „Ich führe nur aus, was meine Vorgesetzten wollen, deshalb kann ich unmöglich für meine Arbeit oder gar für die Firma verantwortlich sein. Meine Vorgesetzten oder die Vorgesetzten meiner Vorgesetzten sind möglicherweise schon verantwortlich, ich hingegen nicht. Ich kann in dieser Firma nichts entscheiden, ich bin da ein (zu) kleiner Fisch.“ Bei dieser Argumentation wird übersehen, dass es die freie Entscheidung eines Mitarbeiters ist, die Anordnungen des Vorgesetzten zu befolgen. Wir haben schon mehrmals darauf hingewiesen, das niemand gezwungen werden kann, eine bestimmte Aufgabe auszuführen. Es ist immer die freie Entscheidung der betroffenen Person, eine zugewiesene Aufgabe auszuführen oder zurückzuweisen. Wer ohne zu überlegen die ihm zugewiesenen Aufgaben ausführt, handelt zwar ausgesprochen verantwortungslos, er ist deswegen aber noch lange nicht verantwortungslos. Er ist für seine Entscheidungen – und eine bestimmte Tätigkeit auszuführen verantwortlich.
ist
immer
eine
Entscheidung
–
persönlich
Wenn ein Mitarbeiter die Ausführung von gewissen Aufgaben verweigert, so wird dies in vielen Fällen Konflikte zwischen dem Mitarbeiter und seinem Vorgesetzten auslösen. Dies kann zweifellos unangenehm sein. Es wäre aber völlig falsch zu glauben, die Rechte des Seins zu missachten werde keine unangenehmen Folgen nach sich ziehen! Im Gegenteil: Die Folgen können wesentlich unangenehmer sein für den Mitarbeiter. Wir können aber in der Regel mit unserem Intellekt keinen kausalen Zusammenhang herstellen zwischen unseren Entscheidungen und den Folgen, welche sich für uns wegen der Verletzung der Grundrechte des Seins ergeben. Diese Zusammenhänge zu leugnen, nur weil wir sie mit unserem Intellekt nicht verstehen können, wäre jedoch äusserst unklug. Seine Verantwortung bei seinen Entscheidungen wahrzunehmen bedeutet, die Grundrechte des Seins jederzeit zu respektieren.
Seine Verantwortung bei seinen Entscheidungen als Mitarbeiter in einer Firma wahrzunehmen bedeutet ganz konkret, die Grundrechte des Seins bei seinen Entscheidungen während der Arbeit zu respektieren. Aufgaben abzulehnen, deren Bearbeitung nicht sinnvoll ist und die sinnvollen Aufgaben im Einklang mit den Grundrechten des Seins auszuführen. Wie wir bereits im allgemeinen Kapitel über Firmen kurz erwähnt haben, wird ein Mitarbeiter sehr motiviert sein, eine Aufgabe gut auszuführen, nachdem er feststellt hat, dass es sinnvoll ist, wenn er diese Aufgabe erledigt. Er ist sich bewusst, dass er damit nicht nur sich selbst weiter entwickeln kann, sondern gleichzeitig zum Allgemeinwohl beiträgt. Es kann deshalb äusserst nützlich sein für eine Firma, ihre Mitarbeiter auf ihre Selbst-Verantwortung und Entscheidungsmöglichkeit hinzuweisen. Externe Motivation der Mitarbeiter wäre dann nur noch für die Realisierung von nichtsinnvollen Aufgaben notwendig...
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 74 Kollektive Verantwortung für die Firma Bei den Betrachtungen über die kollektive Verantwortung gehen wir davon aus, dass sich ein Mitarbeiter zumindest bemüht, die Grundrechte des Seins bei denjenigen Entscheidungen zu respektieren, welche er persönlich direkt beeinflussen kann. Denn damit beginnt jegliche Entwicklung des persönlichen Bewusstseins. Wie wir weiter unten sehen werden, ist ein minimales persönliches Bewusstsein die Voraussetzung für die Übernahme von kollektiver Verantwortung. Die in der Einleitung zu diesem Kapitel als Mitarbeiter definierten Personen haben sich durch die Akzeptierung des Vertrages (Arbeitsvertrag, Dienstleistungsvertrag, Liefervertrag, usw.) bereit erklärt, für die Firma tätig zu sein. Sie helfen dadurch auf irgend eine Art und Weise mit, dass die Firma ihre Zielsetzungen erreichen kann und die entstehenden Aufgaben gelöst werden. Wer sich bereit erklärt, für eine Firma tätig zu sein,
Durch seine Entscheidung, für die Firma zu arbeiten, ist ein Mitarbeiter quasi ins Firmenboot eingestiegen. Er ist mit dabei und übernimmt automatisch
steigt quasi ins Firmenboot
auch Verantwortung für die Firma. Diese Art der Verantwortung entsteht durch den Abschluss des Vertrages mit der Firma, mit seiner Bereitschaft,
ein.
für die Firma tätig zu sein. Der Mitarbeiter ist dem Kollektiv „Firma“ beigetreten. Wir sprechen deshalb von der kollektiven Verantwortung des Mitarbeiters. Wie viel kollektive Verantwortung für die Firma trägt nun aber ein Mitarbeiter? Ist jeder Mitarbeiter für alles verantwortlich, was die Firma unternimmt bzw. unterlässt? Oder lässt sich die kollektive Verantwortung gleichmässig zwischen den Mitarbeitern aufteilen? Die letzte Frage lässt sich leicht beantworten: Wir haben bereits gesehen, dass sich die Verantwortung nicht wie ein Kuchen auf mehrere Personen aufteilen lässt, sondern eher wie ein Virus alle an der Entscheidung beteiligten Personen ansteckt. Für seine Entscheidungen ist jeder selbst verantwortlich, gleichgültig ob die Entscheidung alleine oder in einer Gruppe von anderen getroffen wurde. Oder anders ausgedrückt: Wenn eine Gruppe eine Entscheidung fällt, sind alle Mitglieder dieser Gruppe für diese Entscheidung verantwortlich. Mit-Verantwortung und Verantwortung sind hier genau dasselbe, es gibt keine Abstufungen bezüglich dem Grad der Verantwortung. Die Frage, ob ein Mitarbeiter in einem konkreten Fall eine Verantwortung trägt oder nicht, hängt vom Bewusstsein des betroffenen Mitarbeiters ab. Je nach Höhe des Bewusstseins eines Mitarbeiters ist er häufiger in die kollektive Verantwortung eingebunden, trägt er häufiger Verantwortung für die Firma. Die kollektive Verantwortung ist unabhängig von Position, Funktion, Ausbildung, Titel, Dienstalter, usw., sondern hängt einzig und alleine vom Bewusstsein ab. Mit zunehmendem Bewusstsein wird ein Mitarbeiter auch verantwortlich für Entscheidungen innerhalb der Firma, mit denen er überhaupt nichts zu tun hatte, von denen er nicht einmal etwas weiss.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 75 Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Mitarbeiter bei den entsprechenden Entscheidungen mitbestimmen konnte oder nicht! Alleine die Tatsache, dass er bei der Firma arbeitet und dadurch zur Existenz und Funktion der Firma beiträgt, verpflichtet ihn automatisch zur kollektiven Verantwortung. Jeder Mitarbeiter ist verantwortlich für jene
Wie kann ein Mitarbeiter aber für etwas verantwortlich sein, von dem er nicht einmal Kenntnis hat? Welche Möglichkeiten gibt es, die Informationen im
Folgen der Firmentätigkeit, welche er gemäss seinem
Zusammenhang mit der kollektiven Verantwortung wahrzunehmen?
Bewusstsein beurteilen kann.
In der überwiegenden Mehrheit der Fälle im Geschäftsleben erfahren die Mitarbeiter entweder direkt oder indirekt von den Entscheidungen in der Firma. Es ist deshalb grundsätzlich auch eine Frage, ob man sich für solche Informationen interessiert oder ob man sie einfach ignoriert. Wenn einem etwas auffällt, lohnt es sich vielleicht nach den Ursachen zu fragen, anstatt sie schulterzuckend hinzunehmen. Mit zunehmendem Bewusstsein steigen aber auch die intuitiven Fähigkeiten einer Person. Anstatt mit dem Intellekt werden Informationen anders aufgenommen. Die Person hört zum Beispiel auf ihre innere Stimme, hat bei einer Entscheidung ein gutes oder schlechtes Gefühl, oder spürt auf eine andere Art und Weise, ob etwas sinnvoll oder nicht sinnvoll entschieden wird oder wurde. Die Möglichkeiten der intuitiven Wahrnehmung sind sehr vielfältig, wir wollen an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. Charakteristisch ist jedoch, dass die betroffene Person keine intellektuell einleuchtende Begründung für ihre Wahrnehmung geben kann. Sie spürt, was sinnvoll oder nicht sinnvoll ist. Falls die betroffene Person dies selbst will, kann sie dadurch ihre kollektive Verantwortung wahrnehmen – selbst wenn sie von der betroffenen Entscheidung „offiziell“ gar keine Kenntnis hat.
Seine kollektive Verantwortung für die Firma
Es soll aber nochmals eindringlich darauf hingewiesen werden, dass der erste Schritt zur Wahrnehmung der kollektiven Verantwortung darin besteht,
wahrzunehmen bedeutet, bei Entscheidungen auf die
sich für die auf herkömmlichem Wege erhaltenen Informationen über die Entscheidungen in der Firma zu interessieren und sie auf die Respektierung
Respektierung der Grundrechte des Seins zu
der Grundrechte des Seins zu prüfen. Seine kollektive Verantwortung
pochen und bei Verletzungen zu intervenieren.
wahrzunehmen bedeutet ganz konkret, bei Entscheidungen in der Firma auf die Respektierung der Grundrechte des Seins zu pochen und bei Verletzungen zu intervenieren. Wenn die Interventionen keine Verbesserung bewirken, kann es bei zu häufigen Verletzungen durchaus angebracht sein, die Anstellung zu wechseln. Ob und falls ja in welcher Form und wann die Konsequenzen aus einer solchen Situation gezogen werden sollen, ist selbstverständlich sehr individuell und bleibt in jedem Falle der betroffenen Person überlassen. Wer zum Beispiel die Treppenhäuser einer Firma reinigt, trägt mit seiner Arbeit zur Existenz bzw. zum Funktionieren dieser Firma bei. Entsprechend seinem Bewusstsein wird er dadurch verantwortlich für die Folgen der Tätigkeit dieser Firma. Wie wir bereits oben erwähnt haben, lässt sich diese Verantwortung nicht aufteilen. Argumente, wie zum Beispiel „ich bin ja nur einer von 30'000 Angestellten“ oder „wenn ich diese Arbeit nicht ausführe, macht dies ein anderer“ sind nicht stichhaltig. Ich bin verantwortlich, für alles
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 76 was ich tue. Ich habe mich entschieden, diese Arbeit anzunehmen. Damit bin ich für alle Folgen bei der Firma verantwortlich, welche sich innerhalb meiner Bewusstseinskugel befinden. Je nach der Grösse meines persönlichen Bewusstseins, d.h. je nach dem Durchmesser meiner Bewusstseinskugel geht diese Verantwortung für die Folgen unterschiedlich weit. Sie hat mit der Position oder Funktion in der Firma nichts zu tun, sondern nur mit dem Bewusstsein. Die Aussage, dass die kollektive Verantwortung für die Firma unabhängig von der Funktion und Position innerhalb einer Firma sei, wird sicher viele Leser erstaunen. In einer hierarchischen Organisation nehmen die Anzahl und Tragweite der zu treffenden Entscheidungen zur Spitze der Hierarchie hin ständig zu. Je höher sich jemand in dieser Hierarchie befindet, umso häufiger wird er deshalb für eine Entscheidung verantwortlich sein, weil er bei dieser Entscheidung direkt mitgewirkt hat. Ein Geschäftsführer wird zum Beispiel sehr häufig verantwortlich sein, weil er selbst eine bestimmte Entscheidung trifft. Umgekehrt wird ein Mitarbeiter auf einer unteren Hierarchiestufe je nach seinem Bewusstsein häufig mit-verantwortlich für Entscheidungen, an denen er selbst gar nicht mitgewirkt hat. Ein Mitarbeiter mit einem hohen Bewusstsein kann sich nur in einer Firma wohl
Ein Mitarbeiter mit einem hohen Bewusstsein, welcher in einer grossen Firma arbeitet und dabei relativ wenig mitentscheiden kann, geht deshalb
fühlen, wo die Grundrechte
unter Umständen ein grosses Risiko ein: Je nach den Entscheidungen der Firma wird sich wegen der kollektiven Verantwortung sein Bewusstsein
des Seins respektiert
verändern. Wenn er seine Verantwortung wahrnimmt, wird er die
werden.
Ausführung von gewissen Aufgaben ablehnen und dadurch Konflikte schaffen. Die Chancen sind nicht gering, dass diese Konflikte früher oder später zum Wechsel der Anstellung des betroffenen Mitarbeiters führen werden. Sofern die neue Anstellung seinem Bewusstsein gerecht wird, ist diese Veränderung für ihn persönlich aber sicher positiv. Um den Unterschied zwischen der kollektiven Verantwortung und der Verantwortung für die Folgen der eigenen Tätigkeiten bzw. Entscheidungen zu verdeutlichen, betrachten wir ein konkretes Beispiel: Herr A entscheidet als Geschäftsführer einer bestimmten Firma, Rohwaren in Zukunft vom Lieferanten 2 anstatt vom Lieferanten 1 zu kaufen. So unspektakulär diese Entscheidung auch erscheinen mag, sie wird gewisse positive und/oder negative Konsequenzen haben. Für diese Entscheidung ist der Geschäftsführer A unabhängig von der Grösse seines Bewusstseins verantwortlich, da er sie ja selbst getroffen hat. Im Rahmen der kollektiven Verantwortung werden auch alle Mitarbeiter seiner Firma für die Folgen dieser Entscheidung verantwortlich, welche über das entsprechende Bewusstsein verfügen. Betrachten wir zur Illustration der Vorgehensweise zur Wahrnehmung der kollektiven Verantwortung ein weiteres Beispiel: Herr Müller arbeitet bei der Firma xy in der Gruppe von Mitarbeitern, welche die Endmontage der Geräte vornimmt und sie auf die korrekte Funktion
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 77 prüft, seine Entscheidungskompetenz sei relativ gering, sein Bewusstsein sei gross. Damit ist übrigens nicht etwa gesagt, Herr Müller könne sich bei seiner gegenwärtigen Stelle nicht weiterentwickeln. Wie bereits früher erwähnt, müssten wir zur Klärung dieser Frage zusätzliche Kriterien beiziehen. Immerhin sind die Voraussetzungen erfüllt, dass Herr Müller seine Aufgaben verantwortungsvoll im Sinne der Grundrechte des Seins ausführen kann. Wie weit ist Herr Müller aber kollektiv verantwortlich für die Tätigkeiten der Firma xy? Innerhalb seiner Bewusstseins-Kugel ist Herr Müller auch für die indirekten Folgen seiner Entscheidungen verantwortlich. Durch seine Entscheidung „ich arbeite bei Firma Alpha und nehme die mir angebotene Stelle an“ wird er automatisch mitverantwortlich für Entscheidungen innerhalb der Firma, welche er nicht direkt mitbeeinflussen kann. (dies braucht jedoch nicht zwingend negativ zu sein). Wie äussert sich dies in einem konkreten Fall? Nehmen wir an, es werden durch die Geschäftsleitung der Firma xy Entscheidungen getroffen, welche mit dem Bewusstsein von Herrn Müller betrachtet, falsch sind, weil sie die Grundrechte des Seins verletzen. Herr Müller wird dies auf irgend eine Art und Weise, zum Beispiel über seine intuitiven Fähigkeiten, spüren. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: a) Herr Müller versucht sich klar zu werden, was nicht stimmt und teilt dies den verantwortlichen Personen mit. Dadurch nimmt Herr Müller seine Verantwortung war. Er handelt entsprechend seinem Bewusstsein. Falls die betroffenen Personen nicht auf die Anregungen von Herrn Müller achten, wird dieser je nach der Bedeutung des Vorfalls und je nach Häufigkeit dieser Vorfälle sich um eine andere Anstellung umsehen und die Stelle wechseln. Wenn Herr Müller aus der Nichtbeachtung seiner Anregungen keine Konsequenzen zieht, tritt automatisch Fall b) ein. b) Herr Müller ignoriert seine Wahrnehmung und handelt nicht. Dadurch beginnt sich das Bewusstsein von Herrn Müller zu verkleinern. Er entwickelt sich quasi rückwärts. Er gebraucht seine Fähigkeiten (sein Bewusstsein) nicht, deshalb beginnen diese Fähigkeiten zu verkümmern. Wer seine Verantwortung
Den Fall b) kennen wir aus allen Tätigkeiten, welche bestimmte Fähigkeiten
nicht wahrnimmt, verkleinert automatisch sein
voraussetzen. Sobald wir diese Fähigkeiten nicht mehr aktiv trainieren, beginnen sie zu verkümmern. Betrachten wir nur als Vergleich einen
Bewusstsein.
Sportler, welcher nicht mehr trainiert, oder einen Musiker, welcher sein Musikinstrument nicht mehr oder nur noch gelegentlich spielt. Versuchen Sie wieder einmal eine komplizierte Rechnung im Kopf auszurechnen, ohne dies regelmässig zu üben... Ohne etwas dauernd zu praktizieren, kann man nicht fit bzw. virtuos darin bleiben! Eine wichtige Bemerkung müssen wir zu diesem Beispiel mit Herrn Müller unbedingt noch anfügen: Es geht in unserem Leben keineswegs darum, zuerst bei unserer Umgebung nach „Fehlern“ zu suchen und unsere
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 78 Umgebung weiter zu entwickeln. Ganz im Gegenteil: Nur unsere eigene Entwicklung sollte uns
interessieren. Im
obigen Beispiel war das
Bewusstsein von Herrn Müller so gross, dass er diese „externen Fehler“ wahrnehmen konnte. Betrachten wir Herrn Müller nur noch als Bewusstseins-Kugel, dann sind die Fehler bzw. falschen Entscheidungen jedoch bei ihm selbst aufgetreten. Er kümmert sich deshalb nach wie vor nur um sich selbst! Sein Bewusstsein ist im Laufe der Zeit gewachsen, weil er an sich selbst gearbeitet hatte, er kümmert sich um alles innerhalb seiner Bewusstseins-Kugel. Nur von aussen betrachtet, mischt er sich scheinbar in fremde Angelegenheiten.
Arbeitsvertrag und Selbstverantwortung Häufig vertreten Arbeitnehmer und sogar selbständig Erwerbende die Meinung, sie hätten gar kein Recht zu entscheiden, ob sie eine Aufgabe annehmen wollen oder nicht. Dies entscheide einzig und allein ihr Vorgesetzter. Mit der Unterschrift im Arbeitsvertrag hätten sie dieser Regelung zugestimmt. Zugegeben: In relativ wenigen Arbeitsverträgen ist von Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiheit die Rede. Aber man wird auch kaum Formulierungen finden, welche den oben erwähnten, unbedingten Gehorsam gegenüber dem Vorgesetzten fordern. Die Zeit der „Leibeigenen“ ist zum Glück in den meisten Orten vorbei. Und selbst wenn diesbezügliche Formulierungen im Arbeitsvertrag stehen sollten: Es war die freie Entscheidung des Angestellten, den Vertrag mit dieser Formulierung zu akzeptieren. Niemand hatte ihn dazu gezwungen. Der Angestellte kann diesen Vertrag kündigen oder eine Änderung verlangen... Niemand kann mich dazu zwingen, eine Aufgabe gegen meinen Willen auszuführen.
Man kann es nicht genug häufig wiederholen: Niemand kann eine Person dazu zwingen, eine bestimmte Aufgabe gegen ihren Willen auszuführen. Auch ein Arbeitgeber oder Vorgesetzter kann seine Mitarbeiter nicht zwingen, eine bestimmte Aufgabe anzunehmen. Die Entscheidung liegt immer beim Ausführenden. Was kann der Chef machen, wenn ein Mitarbeiter eine bestimmte Aufgabe nicht übernimmt? Er kann ihm selbstverständlich Konsequenzen androhen, kann ihn entlassen, vielleicht sogar gerichtlich belangen. Wenn der Mitarbeiter bereit ist, alle Konsequenzen zu tragen, wird er die Aufgabe trotzdem nicht durchführen. Der bekannte Spruch „Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“ verdeutlicht dies auf eindrückliche Art und Weise. Wir entscheiden selbst, was wir tun oder nicht tun. Häufig sind wir uns dessen viel zu wenig bewusst. Falls die angedrohten oder ausgeführten Konsequenzen den Mitarbeiter dazu bringen, die Aufgabe anzunehmen, ist dies trotz allem die Entscheidung des Mitarbeiters. Erinnern wir uns an die Diskussion über das Einhalten der Grundrechte des Seins: Wir haben gesehen, dass es unerheblich ist, weshalb ich etwas tue. Ob ich eine Aufgabe annehme, weil
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 79 ich sonst entlassen werde oder ob ich diese Aufgabe aus eigenem Antrieb annehme, ist für die Einhaltung der Grundrechte des Seins ein und Wenn ich eine Aufgabe
dasselbe. Entweder ich nehme sie an oder ich lehne sie ab. Diese Unterscheidung genügt. Argumente, wie zum Beispiel „ich musste sie
annehme oder ablehne, ist dies meine eigene
annehmen, weil sonst.....“ sind nur Ausreden. Weshalb ich etwas tue, ist
Entscheidung, für die ich selbst und alleine
nochmals:
verantwortlich bin.
unerheblich für die Einhaltung der Grundrechte des Seins. Deshalb Wenn ich eine Aufgabe annehme oder ablehne ist dies meine eigene Entscheidung, für welche ich selbst und alleine verantwortlich bin. Wenn ich eine Aufgabe annehme, bin ich verantwortlich für die Folgen meiner Entscheidung, die Aufgabe anzunehmen. Wenn ich eine Aufgabe ablehne, bin ich verantwortlich für die Folgen meiner Entscheidung, die Aufgabe abzulehnen. Es gibt keine Möglichkeit, sich dieser Verantwortung zu entziehen – wobei die Verantwortung für die Folgen einer Entscheidung ja grundsätzlich weder negativ noch positiv ist. Wir müssen uns in diesem Zusammenhang nur an unsere Definition der Verantwortung im Band 1 erinnern.
Verantwortung des Vorgesetzten Ein Vorgesetzter ist im wesentlichen ein „gewöhnlicher“ Mitarbeiter mit Führungsaufgaben. Die Führung von anderen Mitarbeitern ist eine seiner Aufgaben, die er übernommen hat. Alles, was wir bisher bei der Betrachtung der Verantwortung des Mitarbeiters einer Firma gesagt haben, lässt sich deshalb unbesehen und vollständig auch auf einen Vorgesetzten anwenden. Wir wollen im folgenden untersuchen, ob sich aus der Führungsaufgabe eines Vorgesetzten eine allgemeine Verantwortung für die Entscheidungen seiner Mitarbeiter oder eine grössere kollektive Verantwortung für die Firma ableiten lässt. Worin besteht denn überhaupt die Führungsaufgabe? In den meisten Fällen handelt es sich im wesentlichen um das Delegieren von Aufgaben. Je nach Hierarchiestufe kann die Arbeit eines Vorgesetzten sogar praktisch ausschliesslich aus dem Delegieren von Aufgaben bestehen. Dazu kommt je nach Organisationsstruktur der Firma auch eine beratende Funktion zur Lösung von Aufgaben, welche ein Mitarbeiter von anderen übernommen hat. Mit anderen Worten: Wir können die im vorhergehenden Kapitel besprochene Delegation von Aufgaben auf den Vorgesetzten anwenden. Rufen wir uns deshalb die wichtigsten Ergebnisse des vorhergehenden Kapitels in Erinnerung und wenden es auf den Vorgesetzten an. Daraus folgt:
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 80 Vor der Delegation sollte der Vorgesetzte prüfen, ob es überhaupt sinnvoll ist, die Aufgabe auszuführen. Unter „sinnvoll“ wollen wir dabei nach wie vor die Respektierung der Grundrechte des Seins verstehen. Der Vorgesetzte ist verantwortlich für die Wahl des Ausführenden. Ein Vorgesetzter sollte Aufgaben immer nur so delegieren, dass dabei das Bewusstsein, mit dem die Aufgabe gelöst wird, zunimmt oder gleich bleibt. Wenn er sie an jemanden mit einem geringeren Bewusstsein delegiert, sollen Randbedingungen und Entscheidungskompetenz so gesetzt werden, dass das Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins eingehalten werden kann. Als Delegierer Vorgesetzte verantwortlich für die Aufgabenstellung.
ist
der
Jeder Mitarbeiter hat das Recht, die Ausführung einer Aufgabe abzulehnen. In einer typisch hierarchisch gegliederten Organisation ist die Entscheidungskompetenz des Vorgesetzten jeweils grundsätzlich grösser als In einer hierarchisch nach Entscheidungskompetenz gegliederten Organisation
die
Entscheidungskompetenz
aller
seiner
Mitarbeiter.
Die
Entscheidungskompetenz steigt mit jeder Hierarchiestufe und erreicht in der Führung der Organisation, der Firmenleitung, ihren Höhepunkt. Die
steigt mit jeder
Firmenleitung hat die Kompetenz, sämtliche Entscheidungen aller Mitarbeiter umzustossen. Dies bedeutet, dass die Aufgaben jeweils
Hierarchiestufe die Anforderung an das
grundsätzlich nur teilweise delegiert werden – die höheren Hierarchiestufen behalten sich ja das letzte Entscheidungsrecht vor. Wie wir im Kapitel über
Bewusstsein der
die Delegation gesehen haben, werden dadurch die übergeordneten
Vorgesetzten stark an.
Hierarchiestufen mit-verantwortlich. Wir haben im ersten Band gesehen, dass die Fähigkeit Verantwortung zu tragen mit dem Bewusstsein steigt. Um sich selbst weiter entwickeln zu können und um die Auswirkungen seiner Entscheidungen abschätzen zu können, muss die Entscheidungskompetenz dem Bewusstsein angepasst sein. Aus diesem Grunde stellt eine hierarchische Organisation hohe Anforderungen an das Bewusstsein der Vorgesetzten. Entsprechend der zunehmenden Entscheidungskompetenz wird mit jeder Hierarchiestufe ein grösseres Bewusstsein gefordert. Innerhalb einer hierarchisch nach Entscheidungskompetenz gegliederten Firma sollten deshalb die Vorgesetzten unbedingt nach ihrem Bewusstsein ausgesucht werden. Alles andere schadet früher oder später sowohl den Vorgesetzten selbst als auch der Umwelt bzw. Umgebung.
Jede mündige Person ist grundsätzlich für sich selbst verantwortlich. Ein Vorgesetzter trägt deshalb keine „allgemeine“ Verantwortung für seine Mitarbeiter.
Nachdem wir die Verantwortung aus dem Delegieren von Aufgaben betrachtet haben, kehren wir nochmals zurück auf die eingangs gestellte Frage, ob der Vorgesetzte auch eine „allgemeine“ Verantwortung für die Entscheidungen und Tätigkeiten seiner Mitarbeiter trage. Diese trifft nicht zu, wenn wir bei den Mitarbeitern von mündigen Personen ausgehen. Grundsätzlich ist jede Person für sich selbst verantwortlich. Die nicht selten vorhandene „Bewunderung“ eines Managers, welcher „für 10'000 Leute verantwortlich“ sein soll, ist deshalb ungerechtfertigt. Er ist nicht für diese
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 81 10'000
Personen
verantwortlich,
diese
sind
jede
für
sich
selbst
verantwortlich. Erst im Rahmen einer systematischen, teilweisen Delegation von Aufgaben trifft den erwähnten Manager grosse Verantwortung. Ob es zur Zeit Personen gibt, welche in der Lage sind, aufgrund ihres Bewusstseins eine solche Verantwortung wahrzunehmen, wollen wir hier nicht kommentieren. Zum Schluss bleibt noch die Frage der kollektiven Verantwortung eines Vorgesetzten abzuklären. Dabei treten aber keine Unterschiede zu einem „gewöhnlichen“ Mitarbeiter auf. Wie wir bereits erwähnt haben, spielen Rang und Funktion bei der kollektiven Verantwortung für die Firma keine Rolle, nur das Bewusstsein des betroffenen Mitarbeiters bzw. Vorgesetzten ist ausschlaggebend.
Verantwortung der Besitzer Unter einem Firmenbesitzer oder Aktionär wollen wir alle Personen verstehen, welche am Kapital einer Firma finanziell beteiligt sind. Der Anteil des Besitzes an der Firma soll dabei keine Rolle spielen, wir sprechen hier von einem Firmenbesitzer oder Aktionär ob jemand 100% oder 0.001% des Firmenkapitals sein eigen nennt. Wer einer Firma Kapital zur
Sobald jemand einer Firma Kapital zur Verfügung stellt, steigt er bildlich
Verfügung stellt, steigt in das Firmenboot ein – er wird
gesprochen in das Firmenboot zu den Mitarbeitern ein. Dadurch übernimmt er entsprechend seinem Bewusstsein kollektive Verantwortung für die Firma.
kollektiv verantwortlich für
Alle Überlegungen zur kollektiven Verantwortung der Mitarbeiter können
die Firma.
deshalb unverändert auch auf die Firmenbesitzer angewendet werden. Der Besitz von Aktien ist in den letzten Jahren sehr populär geworden. Viele Personen haben in Aktien investiert und sind dadurch gemäss der obigen Definition zu Firmenbesitzern bzw. Aktionären geworden. Um ihr finanzielles Risiko zu verringern sind dabei viele den Empfehlungen der meisten Anlageberater gefolgt und haben ihr Geld in viele verschiedene Firmen investiert. Diese Personen sind als Aktionär unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung kollektiv verantwortlich für alle Firmen, bei denen sie Aktien oder andere Anteile halten. Die Diversifikation ihrer finanziellen Anlage in möglichst viele Firmen hat zwar ihr finanzielles Risiko vermindert, es hat aber gleichzeitig das Risiko, für eine Verletzung der Grundrechte des Seins verantwortlich zu sein, vergrössert. Der zeitliche Aufwand für einen Aktionär zur verantwortungsvollen Verfolgung der Entscheidungen und Tätigkeiten der Firmen, an welchen er beteiligt ist, darf nicht unterschätzt werden. Seine Verantwortung im Sinne der Grundrechte des Seins als Aktionär wahrzunehmen, bedeutet nämlich ganz konkret, die betroffene Firma zu begleiten und deren Entscheidungen
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 82 Seine Verantwortung als
und Tätigkeiten auf die Respektierung der Grundrechte des Seins dauernd
Mitbesitzer einer Firma wahrzunehmen, bedeutet,
zu prüfen. Bei Fehlverhalten ist es die Pflicht des Aktionärs, die betroffenen
die Entscheidungen der Firma auf die Einhaltung der
Personen darauf aufmerksam zu machen. Ändert sich trotz der Intervention des Aktionärs nichts, so wird dieser je nach Schwere und Häufigkeit der
Grundrechte des Seins zu
Verletzungen der Grundrechte des Seins, seinen Anteil an der Firma abstossen oder andere Konsequenzen ziehen. Behält der Aktionär seinen
prüfen und gegebenfalls zu intervenieren, eventuell
Anteil trotzdem – zum Beispiel weil es sich um eine finanziell lukrative Aktie handelt – so behindert er dadurch seine eigene persönliche Entwicklung:
persönlich geeignete
Sein Bewusstsein wird sich verkleinern. Wir haben im ersten Teil gesehen,
Konsequenzen zu ziehen.
das die persönliche Entwicklung zu innerer Ruhe, Harmonie und Freude nur über die Entwicklung des Bewusstseins erreicht wird. Wenn jemandem sein finanzieller Reichtum wichtiger ist als zum Beispiel Lebensfreude und innere Ruhe, so wird er mit diesen Lebenszielen mit hoher Wahrscheinlichkeit finanziell reich werden, seine innere Ruhe und Harmonie werden damit aber kaum zunehmen oder allenfalls sogar abnehmen. Das oft gehörte Argument „Ich halte ja nur 0.001% vom Aktienkapital und
Für die kollektive Verantwortung spielt die Höhe der Beteiligung an einer Firma keine Rolle.
kann deshalb unmöglich etwas ausrichten in dieser grossen Firma“ zählt auch hier nicht. Bei der Betrachtung der kollektiven Verantwortung spielt die Höhe der Beteiligung keine Rolle. Es geht nur um die Frage, ob jemand an einer Firma beteiligt ist oder nicht. Wer eine Beteiligung hat – und sei sie noch so klein – sitzt im Firmenboot drin und wird dadurch kollektiv verantwortlich für die Firma. Da die Verantwortung nicht wie ein Kuchen aufgeteilt werden kann, hat die Höhe der Beteiligung keinen Einfluss. Nur das persönliche Bewusstsein bestimmt, für welche Entscheidungen der Firma ein Aktionär verantwortlich ist.
Kapital zur Verfügung stellt,
Welche Vor- oder Nachteile bringt es denn, wenn jemand eine andere Person mit der Wahrnehmung der Verantwortung als Aktionär beauftragt?
wird unabhängig von der Höhe des zur Verfügung
Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn jemand Anteile an einem der unzähligen Fonds kauft. Der sogenannte „Fondsmanager“ bestimmt dann
gestellten Kapitals verantwortlich für alle diese
mit voller Kompetenz über An- und Verkauf von Aktien und nimmt auch die
Wer mehreren Firmen
Firmen.
Rechte als Aktionär bei den investierten Firmen wahr. Dadurch werden die Aufgaben als Firmenbesitzer bzw. Aktionär an den Fondsmanager delegiert. Es können deshalb alle Überlegungen über die Delegation von Aufgaben angewendet werden. Da es sich um eine vollständige Delegation handelt – der Fondsmanager kann über die Investitionen selbständig und frei entscheiden – kann das Prinzip des zunehmenden Verantwortungsbewusstseins nur dann eingehalten werden, wenn das Bewusstsein des Fondsmanagers grösser ist als das Bewusstsein der investierenden Person. Nur in diesem Falle wäre die Investition in einen Fonds bzw. die vollständige Delegation der Aufgaben als Mitbesitzer von Firmen sinnvoll. Praktisch alle Fonds haben jedoch im wesentlichen ein Ziel: die Maximierung der Rendite. Wir werden im nächsten Kapitel auf die Konsequenzen dieser Zielsetzung für Firmen noch eingehen und dabei sehen, dass diese Zielsetzung zu absurden Resultaten führt. In jüngster Zeit schmücken sich immer mehr Fonds mit ökologischen und / oder
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 83 sogenannten nachhaltigen Nebenzielsetzungen. Die Tendenz in diese Richtung ist begrüssenswert, es handelt sich dabei aber in praktisch allen Fällen um viel zu oberflächliche Kriterien. Es geht nicht um die Einhaltung der Grundrechte des Seins, sondern vor allem um die Erringung von Vorteilen in der Vermarktung des Fonds. So werden in vielen sogenannten nachhaltigen Fonds zum Beispiel keine Aktien von Firmen der Rüstungsindustrie gekauft. Wenn eine Firma die Rüstungsindustrie beliefert oder „nur“ 10% ihres Umsatzes mit Waffen macht, wird sie vielfach bereits wieder als nachhaltig und ökologisch akzeptiert. Das richtige Kriterium wäre wie oben besprochen die konsequente Respektierung der Grundrechte des Seins. Kommen wir nach diesem kurzen Exkurs wieder zurück zum eigentlichen Thema: die Verantwortung eines Firmenbesitzers. Die Besitzer einer Firma geben der Firma insbesondere auch die Zielsetzungen vor. Welche Produkte sollen entwickelt und / oder produziert werden? In welchen Gebieten sollen diese Produkte wie und durch wen verkauft werden, usw. Zudem bestimmen die Firmenbesitzer die Geschäftsleitung und geben ihr bestimmte Kompetenzen und Richtlinien. Alle Besitzer der Firma zusammen bilden den
Bei den Firmenbesitzern handelt es sich konkret um die Vorgesetzten der Geschäftsleitung. Alles, was wir im vorhergehenden Abschnitt über
Vorgesetzten der
Vorgesetzte diskutiert haben, lässt sich deshalb auch auf die Firmenbesitzer anwenden. Der wichtigste Unterschied zwischen einem Vorgesetzten als
Geschäftsleitung.
Mitarbeiter
innerhalb
der
Firma
und
einem
Vorgesetzten
der
Geschäftsleitung (Firmenbesitzer) besteht darin, dass der Vorgesetzte innerhalb der Firma in der Regel über eine gewisse freie Entscheidungskompetenz verfügt, während die Firmenbesitzer praktisch immer als Gruppe eine Entscheidung fällen. Wie wir bereits früher festgestellt haben, entbindet die Entscheidung einer Gruppe die einzelnen Mitglieder der Gruppe keineswegs von der Verantwortung für die getroffene Entscheidung. Diese Verantwortung lässt sich auch nicht nach irgend einem Schlüssel auf die Firmenbesitzer aufteilen, sondern jeder einzelne ist gemäss seinem Bewusstsein für die in der Gruppe getroffenen Entscheidungen persönlich voll verantwortlich. Zusammenfassend kann man sagen, dass ein Investor äusserst vorsichtig sein sollte, welcher Firma oder welchen Firmen man Kapital zur Verfügung stellt. Es gilt sicher einmal die Gefahr der finanziellen Verluste zu betrachten, für Personen mit einem hohen Bewusstsein ist aber die Gefahr einer Verletzung der Grundrechte des Seins und dadurch eine Verringerung des persönlichen Bewusstseins viel bedeutender. Es mag zwar äusserst bequem sein, „sein Geld arbeiten zu lassen“, für das wie und wozu sind wir jedoch persönlich verantwortlich. Wir sind für alle unsere Entscheidungen verantwortlich. Wenn eine unserer Entscheidungen lautet: „Ich stelle Firma x Kapital zur Verfügung“, so sind wir für die Folgen dieser Entscheidung natürlich im Rahmen unseres Bewusstseins verantwortlich. Für uns persönlich wird eine solche Entscheidung deshalb Auswirkungen haben.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 84
Mythos Wachstum Im
vorletzten
Abschnitt
haben
wir
aufgezeigt,
dass
es
keinen
systembedingten Zwang für Firmen gibt, einen Gewinn zu erarbeiten sondern Gewinn und Verlust sich über eine bestimmte Zeitperiode die Waage halten sollten. Für einen Zwang zur Maximierung des Gewinnes findet sich erst recht keine systembedingte Notwendigkeit. Als Ursache für Die Gewinnmaximierung der Firmenbesitzer ist ein Grund
die Gewinnmaximierung der meisten Firmen haben wir die persönlichen Zielsetzungen der Besitzer und Mitarbeiter identifiziert und gezeigt, dass dadurch insbesondere bei Firmen, welche an der Börse quotiert sind, oder
für den Expansionsdrang von vielen Firmen. – Es gibt
dies werden wollen, ein grosser Drang zur Expansion entsteht. Es lässt sich dadurch erklären, weshalb so viele Firmen wachsen wollen. Häufig wird aber
aber noch zusätzliche
auch die Meinung vertreten, eine Firma könne nur überleben, solange sie wachse. Man könne nur von einer gesunden Firma sprechen, wenn der
Gründe.
Umsatz und Gewinn Jahr für Jahr zunehme. Wir wollen in diesem Abschnitt deshalb der Frage nachgehen, wie dieser Mythos entstanden ist und ob etwas wahr daran sei. Es gibt zweifellos für jedes Produkt eine gewisse Firmengrösse und Firmenstruktur, welche notwendig ist, um das Produkt effizient entwickeln und herstellen zu können. Wenn es sich dabei um Lokomotiven oder Flugzeuge handelt, ist diese minimale Firmengrösse zweifellos grösser als wenn es sich beim Produkt zum Beispiel um Kleider oder Fahrräder handelt. Solange eine Firma diese minimale Firmengrösse noch nicht erreicht hat, ist es richtig, dass sie wachsen sollte, um die notwendige Grösse zu erreichen. In vielen Fällen ist diese minimale Grösse aber um Faktoren kleiner, als wir selbst glauben. Sie wurde durch Gewinnerwartungen in die Höhe getrieben. Neue Technologien erlauben häufig eine Aufteilung der Entwicklung und Produktion auf viele kleinere Firmen, welche eng zusammenarbeiten. Wenn man weltweit als einzige Firma Lokomotiven herstellen würde, dann könnte man den Preis natürlich nach Belieben festsetzen und dadurch den eigenen Gewinn steuern... Neben den bereits diskutierten Gewinnerwartungen der Firmenbesitzer gibt es aber noch eine weitere wichtige Ursache für das Expansionsbestreben Erfolg im Geschäftsleben wird in der Regel mit finanziellen Kennzahlen gemessen. Diese können – zumindest theoretisch – ständig verbessert werden.
von Firmen: der Erfolgswille der Mitarbeiter. Im Geschäftsleben wird Erfolg – zumindest heute noch – in Zahlen wie zum Beispiel Umsatz, Gewinn, Marktanteile,
Anzahl
Mitarbeiter,
Anzahl
bearbeitete
Länder,
usw.
gemessen. Dabei wird in der Regel jede Steigerung der oben genannten Massstäbe als wünschenswert und gut, jede Verringerung als nachteilig ausgelegt. Das Prestige einer Firma in der Öffentlichkeit hängt oft ebenfalls von diesen Kennzahlen ab. Während der Schulzeit wird den Kindern die Wichtigkeit von guten Noten regelrecht eingehämmert. Erfolg in der Schule wird in der Regel mit Noten beurteilt. Analog dreht sich in der Wirtschaft fast alles um finanzielle
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 85 Kennzahlen. Erfolg in der Wirtschaft wird meistens mit finanziellen Kennzahlen beurteilt. – Der wichtigste Unterschied zwischen diesen beiden Bewertungsmethoden besteht darin, dass die Noten nach oben begrenzt sind, d.h. eine bestimmte Note ist die beste Note und kann nicht mehr übertroffen werden. Die „Noten in der Wirtschaft“, d.h. die finanziellen Kennzahlen einer Firma können jedoch ständig verbessert werden! Wenn ein Schüler die beste Note erreicht hat, wird er zufrieden sein, denn er hat das Maximum erreicht. Egal wie gut das Ergebnis einer Firma ist: es wird immer theoretisch möglich sein, dieses Ergebnis in einer späteren Zeitperiode zu übertreffen. Dies spricht den Ehrgeiz von vielen Personen direkt an, das ständige Verbessern, das „Nochmehr“ regt den Spieltrieb im Menschen an und führt letztendlich zur Sucht und zum Selbstzweck: Man ist nie zufrieden, sondern versucht immer noch bessere Kennzahlen zu erreichen. Plötzlich wird die Arbeit in einer Firma auf die Maximierung des Gewinnes und/oder die Maximierung des Wertes an der Börse reduziert. Durch die ständigen Verbesserungen gewinnt man selbst Macht und Prestige innerhalb und teilweise auch ausserhalb der Firma. Sehr viele Führungsinstrumente in Firmen messen entweder ausschliesslich oder vorwiegend die Beeinflussung des Firmenertrages durch den einzelnen Mitarbeiter. Dies kommt jedoch nicht von ungefähr: Wir alle lieben einfache, klar durchschaubare Messgrössen. Finanzielle Kennzahlen sind einfach zu erfassen und einfach miteinander zu vergleichen. Und wir alle lieben einfache Massstäbe für den Erfolg!
Schon als Kinder spielten wir jeweils jene Spiele mit einfachen Regeln und klaren Kriterien zur Beurteilung des Erfolges oder Misserfolges besonders gerne. Ein nicht überschätzbarer Vorteil des Geldes ist zweifellos seine einfache Messbarkeit. Umsätze, Gewinne, usw. lassen sich sehr genau messen und mit anderen Firmen oder mit vorhergehenden Zeitperioden vergleichen. Am konsequentesten werden diese Kenngrössen jeweils in den Unternehmensbereichen Vertrieb, Finanzen, internes Controlling und auf der Stufe Geschäftsleitung verfolgt. Es gibt in diesen Bereichen vielfach Mitarbeiter und Vorgesetzte, welche man ohne weiteres mit Bluthunden vergleichen kann: Sie haben sich in jahrelanger Dressur darauf abrichten lassen, unter allen Umständen möglichst hohen Gewinn oder möglichst grosse Umsätze zu erzielen. Dementsprechend handeln diese Personen – oder vielleicht sollte man bereits von Maschinen sprechen – auch.
Für die persönliche
Wenn wir über die persönliche Weiterentwicklung der beteiligten Personen
Weiterentwicklung und für
oder ganz allgemein über den Beitrag für eine sinnvolle Entwicklung unserer
das Allgemeinwohl gibt es keine analytischen
Zivilisation sprechen, fehlen solche einfachen Kennzahlen wie beim Geld völlig. Unsere persönlichen Ziele – und damit auch die Ziele unserer Firmen
Kennzahlen.
– sollten wir aber selbstverständlich nicht anhand der Verfügbarkeit von Messgrössen wählen! Das Verfolgen von anderen Zielsetzungen als möglichst hohe Gewinne und Marktanteile setzt die Bereitschaft zur Entwicklung des persönlichen Bewusstseins voraus. Wir haben im ersten Band gesehen, dass mit der Vergrösserung des Bewusstseins automatisch die Verbesserung unserer
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 86 Wahrnehmung für die Folgen unserer Entscheidungen verbunden ist. Bewusstsein haben
wir
als
Fähigkeit
definiert,
die
Folgen
seiner
Entscheidungen bezüglich der Respektierung der Grundrechte des Seins abschätzen zu können. Mit dem Modell der Bewusstseinskugel können wir die Grösse des Bewusstseins darstellen, je stärker die Lichtquelle in ihrem Zentrum ist, desto grösser wird der voll ausgeleuchtete Radius. Somit kann eine Person mit einer grösseren Bewusstseinskugel bei ihren Entscheidungen weiter voraus denken, die Folgen umfassender abwägen. Mit zunehmendem
Je grösser unser Bewusstsein ist, desto besser können wir deshalb auch
Bewusstsein sinkt unser Bedürfnis nach analytischen
den Firmenerfolg in Bezug auf den Beitrag zum Allgemeinwohl bzw. die Respektierung der Grundrechte des Seins abschätzen. Der Erfolg wird zwar
Kennzahlen.
nicht in Form von analytischen Kennzahlen messbar, aber durch die persönliche intuitive Wahrnehmung spürbar. Das Erlebnis des Erfolges wird dadurch um einiges intensiver: Die betroffenen Personen werden mittel- und langfristig eine eindeutige Verbesserung ihrer Lebensqualität feststellen. Innere Ruhe, Harmonie und (Lebens-)Freude werden zunehmen. Wer auf die Entwicklung von analytischen Massstäben zur Beurteilung der Respektierung der Grundrechte des Seins wartet, der wartet vergebens: Es wird sie in der analoger Form wie die oben erwähnten finanziellen Kennzahlen nie geben können. Nur wer sich die ernsthafte Mühe nimmt, diese Grundrechte zu respektieren, entwickelt damit sein eigenes Bewusstsein und dadurch die Fähigkeit, die Respektierung der Grundrechte des Seins immer besser beurteilen zu können. Erst die eigene Entwicklung verschafft uns die dazu benötigen Fähigkeiten. Es geht quasi um eine zusätzliche Dimension, in welche man sich zuerst einarbeiten muss, bevor man Beurteilungen machen kann. Es wäre deshalb eine unsinnige Forderung, zuerst neue Indikatoren für den Erfolg von Firmen zu verlangen, bevor sich Firmen von den heutigen klaren Zielsetzungen bezüglich Gewinnmaximierung verabschieden und der Respektierung der Grundrechte des Seins verschreiben. Durch die Vergrösserung des Bewusstseins der Mitarbeiter brauchen diese gar nicht mehr analytische Kennzahlen, um den Erfolg ihrer Arbeit beurteilen zu können. Durch die Vergrösserung des persönlichen Bewusstseins werden für die Mitarbeiter Vergleiche, wie zum Beispiel „wir machen dieses Jahr
Je grösser das Bewusstsein einer Person ist, desto
mehr Umsatz als letztes Jahr“, bedeutungslos. Wie wir bereits im Abschnitt über die Verantwortung als Mitarbeiter aufgezeigt haben, kommt die Motivation für die Arbeit immer mehr von innen, vom Mitarbeiter selbst. Er
weniger kann sie mit Kennzahlen motiviert
braucht nicht mehr von aussen durch irgendwelche Kennzahlen gemessen und zu besseren Leistungen motiviert zu werden.
werden.
Man könnte diesen Übergang vielleicht vergleichen mit dem Übergang von einem Schulbetrieb zu einem Studium: In der Schule ist vieles genau
Die Motivation kommt mit zunehmendem Bewusstsein aus dem Herzen und ist deshalb maximal.
reglementiert und die Schüler werden durch regelmässige Prüfungen in allen Fächern regelrecht zum Lernen gezwungen. Die Leistungen werden dabei mit Noten gemessen. Bei einem Hochschulstudium finden in der Regel keine oder höchstens noch vereinzelte Zwischenprüfungen statt, weil man davon
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 87 ausgeht, dass die Studenten aus eigenem Antrieb, also ohne äussern Zwang lernen. Je nach Art des Studiums werden die Prüfungen durch Arbeiten ersetzt, welche selbständig erledigt werden müssen. Es geht immer weniger um die Fähigkeiten und das Wissen alleine, sondern immer mehr um die konkrete Anwendung. Ein ganz analoger Übergang steht auch in der Wirtschaft bevor bzw. ist fällig. Wir werden deshalb im nächsten Bewusstseins einer Firma diskutieren.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Abschnitt
die
Entwicklung
des
Version 3.0
Seite 88
Das Bewusstsein einer Firma Bereits mehrfach haben wir darauf hingewiesen, dass eine Firma im wesentlichen aus ihren Mitarbeitern und Besitzern besteht. Diese bestimmen die Zielsetzungen und durch das Lösen der daraus entstehenden Aufgaben die Verwirklichung der Zielsetzungen. Wir haben im ersten Band das Bewusstsein einer Person definiert als Fähigkeit, die Folgen der persönlichen Entscheidungen in Bezug auf die Respektierung der Grundrechte des Seins abschätzen zu können. Ganz analog kann man das Bewusstsein einer Firma definieren als Fähigkeit, die Folgen der Handlungen bzw. Entscheidungen der Firma beurteilen zu können in Bezug auf die Respektierung der Grundrechte des Seins. Mit dieser Definition erhöht jeder zusätzliche Mitarbeiter, welcher sein persönliches Bewusstsein entwickelt, das Bewusstsein der Firma. Oder mit anderen Worten: Je mehr Mitarbeiter eine Firma hat, desto grösser müsste das Bewusstsein der Firma sein. Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen ist es sinnvoll, möglichst grosse Firmen mit möglichst vielen Mitarbeitern zu bilden. Diese vorsichtige Formulierung deutet aber bereits darauf hin, dass die Sache einen Haken hat: Nur das Vorhandensein eines hohen Bewusstseins alleine genügt nicht, es muss auch konkret eingesetzt werden. Letztendlich nützt ein hohes Bewusstsein nur etwas, wenn es bei jeder einzelnen Entscheidung eingesetzt wird. Es ist sonst vergleichbar mit jemandem, welcher zum Beispiel viele verschiedene Sprachen sprechen kann, diese Fähigkeit aber nicht gebraucht. Dies nützt weder der Person selbst, noch anderen in irgend einer Art und Weise. Entscheidungen sollten auf einem möglichst hohen Niveau des Bewusstseins getroffen werden.
Um das Bewusstsein einer Firma beurteilen zu können, wollen wir deshalb das Bewusstseinsniveau betrachten, auf dem eine Entscheidung im Durchschnitt
gefällt
wird.
Sinnvollerweise
spricht
man
vom
durchschnittlichen Bewusstseinsniveau der Entscheidungen einer Firma und definiert dies als das Bewusstsein einer Firma. Dazu betrachten wir alle Entscheidungen der Firma innerhalb einem bestimmten Zeitraum und untersuchen in einem Gedankenexperiment, wie hoch das Bewusstsein einer Person wäre, welche solche Entscheidungen treffen würde. Dies ist selbstverständlich nur in Gedanken möglich und lässt sich nicht mit einer Zahl quantifizieren. Es mag vielleicht erstaunen, dass wir das Bewusstsein einer Person als Fähigkeit definiert haben, das Bewusstsein einer Firma hingegen als Niveau definieren auf dem Entscheidungen auch wirklich getroffen werden. Im ersten Falle sprechen wir von Fähigkeiten, im zweiten von der Anwendung der Fähigkeiten. Der Unterschied zwischen diesen Definitionen ist jedoch relativ gering: Wir haben bereits früher festgestellt, dass Fähigkeiten je
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 89 nachdem wie gut man sie beherrscht rasch wieder verloren gehen, wenn man
sie
nicht
einsetzt
bzw.
konsequent
trainiert.
Zwischen
dem
Vorhandensein von Fähigkeiten und der Anwendung dieser Fähigkeiten besteht deshalb ein enger Zusammenhang. Etwas überspitzt formuliert, könnte man sagen, dass Fähigkeiten nicht gleich bleiben können. Sie nehmen entweder zu – indem man sie verwendet – oder sie nehmen ab, 11
wenn man sie nicht verwendet . Es ist unmöglich, über ein hohes Bewusstsein zu
Die im vorletzten Abschnitt erwähnte Person, welche viele Fremdsprachen
verfügen, ohne es auch
anwendet. Analog haben wir gesehen, dass sich das Bewusstsein einer Person automatisch verkleinert, wenn sie es bei ihren Entscheidungen nicht
einzusetzen.
beherrscht, wird diese Fähigkeit verlieren, wenn sie sie nicht häufig
konsequent einsetzt. Es ist deshalb unmöglich, dass jemand über ein hohes Bewusstsein verfügen kann, ohne es im täglichen Leben einzusetzen. Analog kann auch eine Firma nicht über ein hohes Bewusstsein verfügen, ohne es dauernd bei ihren Entscheidungen anzuwenden. Dieser Zusammenhang zwischen dem persönlichen Bewusstsein und der Anwendung dieses Bewusstseins hat grosse Konsequenzen für die Arbeit in einer Firma. Betrachten wir zunächst einen Mitarbeiter mit einem hohen Bewusstsein. Im Kapitel über die Verantwortung als Mitarbeiter haben wir gesehen, dass er wegen seinem hohen Bewusstsein automatisch eine grosse kollektive Verantwortung für die Firma trägt. Wenn er sein Bewusstsein nicht einsetzt, nimmt sein Bewusstsein automatisch ab. Er passt sein persönliches Bewusstsein mit der Zeit demjenigen der Firma nach unten an. Umgekehrt kann ein hohes Bewusstsein einer Firma einen Mitarbeiter mit einem weniger hohen Bewusstsein bei seiner persönlichen Entwicklung unterstützen. Die im ersten Teil im Abschnitt über die Wechselwirkung mit unserer Umgebung gemachten Aussagen gelten natürlich auch innerhalb einer Firma und zwischen der Firma und ihren Mitarbeitern. Entwickeln muss sich jeder Mitarbeiter nach wie vor selbst, aber immerhin befindet man sich bei einer Firma mit einem hohen Bewusstsein in einem dafür motivierenden Umfeld. Es sind quasi „Vorbilder“ vorhanden. Die entscheidende Frage ist, wer in einer Firma „das Sagen“ hat: Das Bewusstsein der Personen, welche über grosse Entscheidungskompetenzen verfügen, wird das durchschnittliche Bewusstseinsniveau der Entscheidungen einer Firma am stärksten beeinflussen. Wenn das Bewusstsein einer Firma hoch sein soll, müssen deshalb Personen mitentscheiden können, welche über ein hohes persönliches Bewusstsein verfügen. Dies unterstreicht nochmals unsere frühere Forderung, wonach
11
Wer sich an der leicht unterschiedlichen Definition stört, kann alternativ anstatt vom Bewusstsein vom Charakter einer Firma sprechen. Um den engen Zusammenhang zwischen dem Bewusstsein der involvierten Personen und den Entscheidungen der Firma zu betonen, werden wir in dieser Abhandlung aber weiterhin vom Bewusstsein einer Firma sprechen. 1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 90 die Entscheidungskompetenz entsprechend dem persönlichen Bewusstsein vergeben werden sollte. In hierarchischen Organisationen führt dies letztendlich zu einer Hierarchie entsprechend dem Bewusstsein der Personen. Obwohl das Bewusstsein einer Firma eine schwer fassbare Grösse darstellt, welche letztendlich nur auf intuitivem Wege wahrgenommen werden kann, wird es die wichtigste Kenngrösse einer Firma zur Beurteilung ihres Beitrages zum Allgemeinwohl werden. Nachstehend deshalb eine unvollständige Aufzählung der Vorteile einer Firma mit einem hohen Bewusstsein: Sie wird über die besten Mitarbeiter verfügen: Wer in einer Firma mit einem hohen Bewusstsein arbeitet, erhält ein gutes Umfeld für seine persönliche Entwicklung. Die Chancen wegen der kollektiven Verantwortung für die Firma in seiner persönlichen Entwicklung behindert zu werden, sind gering. Sie wird äusserst effizient arbeiten, da - wie bereits früher besprochen ihre Mitarbeiter maximal motiviert sind. Sie wird als Lieferant begehrt sein, da aufgrund ihrer hohen Erwartungen an das eigene Verhalten das Risiko für die Käufer minimiert wird. Sie wird als Kunde begehrt sein, da sie sinnvolle Produkte bevorzugt und dadurch eine Signalwirkung für andere Firmen auslösen kann. Sie wird bei Investoren begehrt sein, welche auf ihre persönliche Weiterentwicklung Wert legen. Wenn das Bewusstsein der Firma höher ist als dasjenige des Investors, ist das Risiko für den Investor gering, wegen der kollektiven Mitverantwortung in seiner Entwicklung behindert zu werden. Mit anderen Worten: Die Zukunft gehört den Firmen mit einem hohen Bewusstsein. Je mehr Personen bereit sind, die Verantwortung für ihre eigenen Entscheidungen auch im Berufsleben zu übernehmen und diesen Willen auch beherzt in die Tat umsetzen, desto rascher werden bewusste Firmen den traditionellen Firmen den Rang ablaufen. Jeder einzelne von uns kann bei diesem Prozess unabhängig von seiner Ausbildung und Position aktiv mitwirken und seinen persönlichen Beitrag leisten.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 91
Ihr Beitrag zählt Zu Beginn dieses Buches haben wir den immer grösser werdenden Einfluss der Wirtschaft auf unser Leben und auf unsere Zukunft angesprochen. Die anstehenden Probleme unserer Gesellschaft, wie zum Beispiel die immer grösser werdenden Unterschiede zwischen Arm und Reich, die Vernichtung unseres Lebensraumes durch Übernutzung und Verschmutzung usw., werden deshalb nur unter Einbezug der Wirtschaft gelöst werden können. Wir haben gesehen, dass der Politik die Zügel zur Lenkung und Kontrolle der Wirtschaft fast vollständig entglitten sind. Die Wirtschaft steuert heute in vielen industriellen Ländern die Politik wesentlich stärker als umgekehrt. Dies ist aber weniger schlimm, als es auf Anhieb tönen mag: Mit der Wahrnehmung der Eigenverantwortung haben wir das wohl mächtigste Instrument zur Beeinflussung der Wirtschaft diskutiert. Als Mitarbeiter, als Kunde und eventuell auch als Mitbesitzer von Firmen ist jeder von uns mitverantwortlich für das Verhalten bzw. für den Erfolg oder Misserfolg jener Firmen, wo er in einer der oben erwähnten Rollen mitwirkt. Und diese Firmen sind wiederum ein Teil dessen, welches zusammen „die Wirtschaft“ ausmacht. Indem wir uns unserer persönlichen Verantwortung (auch) als Mitarbeiter einer Firma bewusst werden und diese Verantwortung konkret wahrnehmen, können wir uns selbst persönlich weiter entwickeln, Ruhe, Harmonie und Gelassenheit erlangen. Gleichzeitig steuern wir damit auch „die Wirtschaft“ in eine Richtung, welche bestehende Probleme löst, anstatt sie zu verschärfen oder gar zusätzliche Probleme entstehen zu lassen. Wie weit unsere persönliche Verantwortung in unseren verschiedenen Rollen als Mitarbeiter, Vorgesetzte oder Firmenbesitzer geht, und wie wir diese Verantwortung konkret wahrnehmen können, haben wir ausführlich diskutiert. Es geht nun darum, selbst konkrete Schritte zu unternehmen, die persönliche Verantwortung wahrzunehmen, bei sich selbst und in seinem eigenen Tätigkeitsgebiet eine positive Entwicklung in Gang zu setzen. Welche Rolle möchten Sie bei dieser Veränderung spielen – als aktiver Helfer, als passiver Zuschauer oder gar als ängstlicher Bremser? Wollen Sie beherzt mithelfen oder erst einmal abwarten, ob sich Qualitäten, wie zum Beispiel Friede und Freiheit, Lebensfreude, Harmonie und Gesundheit nicht doch mit Geld kaufen lassen? Überlegen Sie sich die Antwort sorgfältig, denn sie wird sowohl Ihre persönliche Zukunft als auch das Allgemeinwohl beeinflussen.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0
Seite 92
Geschafft! Sie haben entweder von hinten angefangen oder dieses Buch soeben zu Ende gelesen. Im letzteren Falle wäre ich Ihnen für allgemeine Anregungen oder Hinweise auf schlecht verständliche, langweilig oder zu kompliziert geschriebene Abschnitte, usw. sehr dankbar. Sie erreichen mich an der folgenden Adresse:
Jürg Rohrer c/o Up-To-Date Umwelttechnik AG Linthlistrasse 9 CH-8868 Oberurnen Email:
[email protected] Tel. +41 55 617 20 30 Fax +41 55 617 20 39 http://www.Wendezeit.ch
Bei der oben angegebenen Internet-Adresse finden Sie auch Angaben über unsere Seminare und weiteren Dienstleistungen zu den Themen Verantwortung, Bewusstsein und deren Konsequenzen für uns selbst und für das Allgemeinwohl.
1999 - 2002 by http://www.Wendezeit.ch
Version 3.0