T Chronologie und Reihung der BriejeI(3941 395 bis 405)'
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T Chronologie und Reihung der BriejeI(3941 395 bis 405)'
kommt, ist, einen bestimmten Charakterzug herauszuarbeiten. Gefragt werden soll nach der jeweiligen Kritikfähigkeit oder -unfähigkeit, Kritikbereitschaft oder -verweigerung. Dieser bisher nicht beachtete Aspekt scheint mir zum einen interessanter zu sein als die allgemeine, ihren Konflikt tendenziell verharmlosende Rede von schwer zusammenpassenden Charaktertypen. Zum anderen lassen sich auf dieser Interpretationsschiene etliche Aussagen in diesen Briefen und das Verhalten der Korrespondenten präziser und profilierter erklären:i- alse das _bislang geschehen ist. _ _____ _
ZWEITER TEIL LIEBE UND KRITIK AUGUSTINUS UND HIERONYMUS Von großer Anziehungskraft erweist sich neben dem Disput um die Auslegung von Gal. 2,11-14 immer wieder die persönliche Seite des Briefwechsels zwischen Augustinus und Hieronymus. »Beide Korrespondenten charakterisieren sich menschlich, religiös und wissenschaftlich so wundervoll in diesen Briefen, daß sie zu den wertvollsten Dokumenten der Geschichte gehören.« Bild der Per!,önlichkeiten der Streiter, wir daraus erhalten, ungemein reich und anschaulich: was von Witz, Scharfsinn, buntem Wissen, sehr bedeutendem Schriftstellertalent, Oberflächlichkeit, Leichtfertigkeit, Eitelkeit, Griesgrämigkeit und Tücke in dem Einen gewesen ist, und was von Geist, Tiefsinn, Innerlichkeit, ernster Würde und herzlicher Liebenswürdigkeit in dem Andern kommt dabei zum Vorschein.«l P. BRoWN charakterisiert diese Briefe als »ein einzigartiges Dokument innerhalb der frühen Kirche, denn es zeigt, wie zwei hochzivilisierte Männer mit mühsamer Höflichkeit einen einmalig eI'bittertenBriefwechsel führten«.2 Was die Aufinerksamkeit vor allem auf sich zieht, ist die Verstimmung zwischen den beiden berühmten Männern, die in der ersten Phase ihrer Kontakte, die von 394/395 bis 405 dauerte (1), beinahe zum Bruch geführt hätte (II und Zur Erklärung der persönlichen Differenzen wird in der Forschung durchweg auf die mißlichen äußeren Umstände der Briefübermittlung und besonders auf den »Kontrast der Charaktere« verwiesen. 3 In dieser trifft das auch zu. Bei_____ des hat Verlauf und K()Iltakts in diesen Jahren wesentlich beeinflußt. An dieser gängigen Sichtweise soll hier ein neuer Aspekt aufgezeigt werden. Die folgende Darstellung wird ergeben, daß es vor allem die von Augustinus an Hieronymus geübte Kritik war, die dessen Verstimmung entscheidend ausgelöst hat. Ihre jewei?-ge Einstel -lung zu Kritik hat eine wesentliche Rolle Umgang mit den entstandenen Differenzen-gespielt; Sie hatten völlig konträre Ansichten, die Hieronymus, angestoßen durch den aktuellen Konflikt, zu erkennen gibt (III) und die Augustinus, darauf reagierend, ausführlich darlegt (IV). Um Kritik geht es also in diesem Zweiten Teil. Die jeweilige Einstellung hierbei hat natürlich mit dem Charakter zu tun. Insofern gilt der allgemeine Verweis auf die unterschiedlichen PersÖnfi.chkeiteri-zm: Erklärung der Differenzen weiter. Worauf es mir an-
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I LrETZMANN, Entstehungsgeschichte 286; OVERBECK, Streit 49. 2 BROWN, Augustinus 241. Ferner THIERRY, Dispute 473; DE BRUYNE, Correspondance 247: »Au point de vue religieux, psychologique, scientifique et litteraire, ces lettres sont panni les plus interessantes de la litterature latine«; DAVIS, Controversy 109: »to say nothing of its fascination«; KELLY, Jerome 263: »a sterile but remarkably revealing exchange« (vgl. ebd. 272); O'CONNELL, Correspondence 344f. S MOEHLER, Streit 9.16f; BINDESB0LL, Augustinus 6; OVERBECK, Briefwechsel 223.242; GRÜTZMACHER, Hieronymus 3, 120; THIMME, Augustin 31; TOURScHER,
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Correspondence 479; HArl:JEMA, Briefwisseling 167f; DE VATHAIRE, Relations 486.493; CAVALLERA, Quaestiones 359; MARRou, Bildung 89; NOLTE, Freundschaftsideal 86.89; PARSONS, FaCh 12, XVII-XVIII; McNAMARA, Friendship 178.180451 ; COUGHLIN, Jerome 108-111; PrZZOLATO, L'amicizia cristiana 112.115; HAGENDAHL, Augustine 524: »indisputable moral superiority« Augustins; MAYER, Amicitia 75; POSTHUMUS MEYJES, Controverse 8; DOLBEAu, Sermons inedits 47: Hieronymus reagierte lange nicht auf Augustins 'Anfragen »en raison d'un malheureux concours de circonstances«; TRISOGUO, Personalita 581-585.587-589.598 20 ; FLEMING, Lie 209f; FUHRMANN, Rom 202.
1. CHRONOLOGIE UND REIHUNG DER BRIEFE I (394/395 BIS 405)
_ Fragt: man _nach_Qer in 9..!!.:rJ._Jahren von 394/395 bis 405, muß man sich zunächst ein zutreffendes Bild vom äußeren Ablauf .ihrer Korrespondenz machen. Die entscheidende Erkenntnis dabei ist die, daß die BriefPartner Entwicklung und VeI;lauf ihrer Kontakte sehr unterschiedlich erlebten. Erst wenn man sich ihre verschiedenen Perspektiven klarmacht, werden ihre Reaktionen und Verhaltensweisen verständlich. Wenig Schwierigkeiten macht die absolute Chronologie. Ich halte mich an die üblichen Datierungen und gebe detailliertere Informationen und Nachweise nur, wo sie wichtig (etwa für Augustins Epistula 28) oder strittig (etwa bei Hieronymus' Epistula 103) sind. 4 Die Festlegung der Abfassungszeit der einzelnen Briefe ist indes für diese Korrespondenz wenig aussagekräftig. Abfassung, Absendung, Ankunft und schließlich BeantwoI!lillg eines Briefes - Augustinus klagt angesichts der postalischen Schwierigkeiten: quando rescribes? quando mittes.'? quando perveniet? quando aCcipiam? (epist. 73,7) - liegen bisweilen mehrere Jahre auseinander: Epistula 28, verfaßt 394/395, wurde erst 403 mit Epistula 71 zu Hieronymus geschickt; Epistula 40, verfaßt wohl 397, gelangte auf Umwegen gegen 402 zu und wurde 404 mit Epistula 112 beantwortet; Epistula 102 von 402 war zwei Jahre lang unterwegs zu Augustinus; Epistula 105 blieb wohl erst in Bethlehem liegen und -gmg 'danri zusammen mit Epistula 112 ab; nach Eintreffen von EplstuIae 105 und 1 tete Augustinus mit einer Antwort, die er dann nach Erhalt von Epistula 11-5-mit Epistula 82 gab. Manche Briefe kreuzten sich auf dem langen Weg zwischen Hippo Regius und Bethlehem: Epistula 40 mit Epistula 103; Epistula 102 mit Epistula deperdita I Augustini und Epistula 71; Epistula 112 mit Epistula 73. Schließlich handelt es sich um alles andere als eine wohlgeordnete Korrespondenz, in der Brief auf Brief sich einzeln abwechseln. Nicht immer antwortet ein Schreiben auf nur ein anderes: Hleronymus' Epistula deperdita I auf einen Gruß Augustins; Augustinus darauf mit Epistula 40; Epistula 102 auf Epistula 67; Epistula 105 auf Augustins Epistula deperdita I; Epistula 73 auf Epistula 102; Epistula 115 (wahrscheinlich) aufEpistula 73. Die beiden großen Briefe des Hieronymus und des Augustinus sind hingegen die Antwort auf mehrere Schreiben: Epistula 112 (inhaltlich) auf Epistulae 28, 40 und 71; Epistula 82 aufEpistulae 105, 112 und 115. Zu alledem ist manches 4 Chronologien (mit Tabellen) sind zu fmden bei den MAURINERN, PL 33, 13-48; VALLARSI, PL 22, XLIXXCII; GRÜTZMACHER, Hieronymus 1, 82-85; PRONBERGER, Chronologie 89-91; HArTJEMA, Briefwisseling 173 -198; GOLDBACHER, CSEL 58, 12-63; CAVALLERA, Jeröme 2, 47-50; LrETZMANN, Entstehungsgeschichte
286-291; SCHMID, FlorPatr 22, 1-9; DE BRUYNE, Correspondance 247; LABOURT, Lettres 3, 259f; CARROZZI, NBA 1, CVIII-CXVII; WHITE, Correspondence 17 -34; MORGENSTERN, Briefpartner 218; HENNrNGS, Briefwechsel 29-45.
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Ghronologie und Reihung der Briefe I (3941395 bis 405)
Zweiter Teil: Liebe und Kritik
nicht mehr erhalten (je ein Brief von Hieronymus und Augustinus und eine subscripta salutatio Augustins). Ein illustratives Beispiel für das Kopfschütteln, das ein so chaotischer Befund hervorrufen kann, sind die von A. ALLGEIER geäußerten Bedenken gegen die übliche Chronologie. In einer Fußnote geht er kurz auf sie ein und brihgt zwei Punkte zur Sprache, nämlich daß Hieronymus Augustins Epistula 28 aus den Jahren 394/395 - ALLGEIER gibt 393/394 an, - 4ü3_Lmit ____ Epistula 112 beantwortet und daß er auf Augustins Bitte aus dem Jahr 405, er möge ihm seine Revision des lateinischen Alten Testaments nach dem griechischen Text der Septuaginta zuschicken (epist. 82,34), erst 416 reagiert haben soll (epist. 134,3). »In diesen Ansätzen müssen mehrere Fehler liegen«, merkt ALLGEIER an. 5 Allein: Beide Zusammenhänge sind richtig, so mag-'--_____ _______ Dieses Tohuwabohu macht es unerläßlich, sich die relative Chronologie bzw., noch genauer, das Schicksal jedes einzelnen Briefes und die exakten Bezüge der Briefe untereinander klarzumachen. Eine tabellarische Übersicht 6 ist dabei zwar für die Orientierung im Wirrwarr der Zahlen hilfreich. Da aber die verschlungenen Wege der einzelnen Briefe aus einer bloßen Aufreihung nicht ersichtlich werden, kann der Ablauf im Grunde nur erzählt werden.
1. Probleme der Briefübermittlung --
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Sowohl in ihrer ersten als auch in ihrer zweiten Phase (415 bis 419) ist diese Korrespondenz eine anschauliche Demonstrierung für nahezu alles, was an Sc;:hwierigkeiten privaten ___ Kontakts inderSpätan_tike über eine so weite Entfernung hinweg (mehr als 2000 Kilometer) auch anderweitig zur Genüge bekannt ist.1 Die Briefschreiber hatten vor , allem mit zwei Problemen zu kämpfen. Da es kein organisiertes Postwesen gab und die kaiserliche Post nur amtliche Schriftstücke beförderte, war der private Absender apf einen Boten angewiesen. Über eine Strecke wledie ZMscnen:-Hlppü-Reglus --afrika-theute Bone in Algerien) und Bethlehem-in-Palästina gab man seine Post in der Regel Leuten mit, die aus irgendwelchen Gründen (Geschäftsreise, Pilgerfahrt) an den jeweiligen Zielort reisten. Das Hauptproblern war, einen zuverlässigen Boten zu fmden. 8 Literarisch hat sich das in der sogenannten niedergeschlagen, dem Hinweis (meist zu Beginn eines Briefes) auf die günstige Gelegenheit zum Übersenden eines Briefes, die man ---gerade in Gestalt eines geeigneten Boten gefunden habe. In diesem Briefwechsel findet sie sich häufig, jeweils gekoppelt mit der Betonung der Verläßlichkeit des Boten (epist. 67,1; 71,1; 166,2; 19",3.4; 143,1).9 Von daher wird verständlich, daß man besonders verläßlichen Boten schon einmal ein ganzes Paket an Briefen mitgab, wie hier Augustinus Cyprian im
ALLGEIER, Einfluß 1\. Unten S. 108. 7 GORCE, Voyages 111-119.216-225.232-238; CHEVALLIER, Voyages 57.60.114-119; E,pP, Letter Canying 43-56; MORGENSTERN, Briefpartner 5f. 8 Schon von Cicero des öfteren erwähnt: Att. 1,13,1; 4,15,3; 4,17,1.
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9 Zudem etwa Hieron. epist. 106,2 (CSEL55, 249); Aug. epist. 145,1 (CSEL 44, 266); 149,1 (44, 348f); 179,7 (44,695); 191,1 (57,163); 192,1 (57, 166); 193, 1 (57, 167f); 224,1 (57,451); 17",1 88); 23",1 (88, 120); 28*,4 (88, 135): KOSKENNIEMI, Phraseologie 7987; PELLEGRINO, NBA 1, XV; THRAEDE, Brieftopik 117; TIBlLETTI, Lettere 80-82; CuGUSI, L'epistolografia 402f.
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Jahr 403 und Innocentius und Lucas im Jahr 416. 10 Von diesbezüglichen Schwierigkeiten der Briefübermittlung ist oft die Rede, in diesen Briefen etwa von Botenmangel: Hieronymus suchte für Epistula 105 im Jahr 403 zunächst vergeblich einen Überbringer und fand für die scripta im Jahr 418 überhaupt keinen; Verhinderung des vorgesehenen Boten: Profuturus, der in den Jahren 394/395 Augustins Epjstula28 hätte überbringen sollen, gab seine Reisepläne auf; Drängen des eilig weiterreisen wollenden Boten, das nicht nurll einen ____ epistolographischenGemeinplatz ,darstellt,12-»une [aGon commode ,de faire_excuser_Ies imperfections d'un travail«,13 sondern wie in epist. 112,1 ganz real aufgefaßt werden kann;14 Unzuverlässigkeit des Boten15 und Unterschlagung und unbefugte Weitergabe von Briefen an Dritte, wofür dieser Briefwechsel ein berühmtes Beispiel parat hält (Epistula 40); Augustins Bemerkung in Epistula 40, es sei manchmal gefährlich, ein Thema brieflich zu erör_________ tern, zielt auf Risiko (epist. p-ericulose de!flonsJ!(J;[i si_ coram inter nos conloqueremur);16 schließlich Verstümmelung eines Briefes in Abschriften, was Epistula 40 auf dem Weg der Unterschlagung widerfahren ist. Das zweite, hier besonders deutliche Problem eines Briefkontakts über eine weite Entfernung hinweg war die im Extremfall jahrelange Beförderungsdauer. Oft klagt Augustinus über die longinquitas terrarum zwischen Hippo Regius und Bethlehem (epist. 73,9; ferner 71,2; 73,7; 166,1.8; für Hieronymus epist. 112,18) und über die langen Übersendungszeiten (epist. 166,1: per intervalla non dierum, non mensium, sed aliquot annorum) . Epistula_102-des Hieronymus brauchte zwei Jahre nach Hippo. Dazu kommen die Mühen und Gefahren einer weiten Reise (epist. 105,1), die jede Briefsendung zu einem Risiko machten. 17 Angesichts dieser mannigfachen Schwierigkeiten ist es schon ein wenig erstaunlich,. 4artner 40 In das Jahr 397 datieren THIERRY, Dispute 481f; 21f, und HENNINGS, Briefwechsel 38 95 , befürwortete OVERBECK, Briefwechsel 227; ASSLABER, Beziehungen Identität mit dem numidischen Bischof, der 410 zur von Possidius geführten Delegation an den Kaiserhof in 75f; PRONBE)1GER, Chronologie 89; GOIDBACHER, CSEL 58, 15f; LrETZMANN, Entstehungsgeschichte 287; Ravenna gehörte und 416 an der Synode von Mileve SCHMID, FlorPatr 22,3.9 (mit, ebd. 2f, einem Überblick teilnahm, wird von MANDOUZE, Prosopographie 899f über die älteren Vertreter beider Datierungen); POPE, s.v. Praesidius 1, bestritten. . Augustine 213; SCHADE, BKV2 II 18, 419; PARSONS, 43 Gegen HENNINGS, ebd. 39. FaCh 12, 171; CARROZZI, NBA 1, CXI; KELLY, Jerome 44 Dazu unten S. 106fund 151. 220mit39 (mit Verweis auf die kontroverse Datierung); 45 So OVERBECK, Briefwechsel 25M; HAr1JEMA, BriefO'CONNEU, Correspondence 347; WHITE, Corresponwisseling 1941; KEUY, Jerome 268 39, dence 17; MORGENSTERN, Briefj:>artner 71. - 397/398:
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schofskollegen46 -, was fur einen 403 frisch aus dem Osten angereisten Diakon eine rasante Karriere gewesen wäre. Sodann ist das Fehlen einer Antwort Augustins auf diesen Brief erklärlich, wenn sich die Briefe 103 und 40 kreuzten,47 hingegen wohl doch unerklärlich, wenn Epistula 103 in das Jahr 403 gehört, also in die Jahre, in denen Augustinus ungeduldig auf eine Antwort des Hieronymus auf Epistula 40 wartete, zu seiner Überraschung aber nur ärgerliche und gereizte Briefe erhielt (Epistulae 102 und 105; was den Ton betrifft, auch_Epistula1l21.undauf die schließlich freundlichere Epistula 115 ausf'ü.l:!!'lich einging (epist. 82,lf.36), zu Epistula 103 sich aber nicht geäußert hätte. 48 Nicht leicht zu verifizieren sind die allgemeinen Klagen des Hieronymus in epist. 103,2: »Wir werden von allerlei Wogen hin- und hergeworfen und ertragen die Beschwerlichkeiten der irdischen Pilgerschaft. « Vielleicht handelt es sich um eine Anspielung auf den Streit mit Johannes von Jerusalern, der 397 mit Hieronymus' Streitschrift gegen diesen seinen Höhepunkt erreichte. 49 Sicher ist aber es kann sich auch um eIDe a.1lgemeine Charakterisierung des schen Weltgefühls handeln. Der scheinbar liebenswürdige Ton von Epistula 103 kann schließlich in seiner zeitlosen Formalität50 nicht fur die Datierungsfrage herangezogen werden. 51 Daß bei einer Frühdatierung der Briefbote Asterius zweimal von Palästina nach Nordwestafrika reiste (etwa 396 mit Hieronymus' Epistula deperdita I und 402 mit Epistula 102), ist angesichts des regen Verkehrs zwischen dem Abendland und Palästina zu dieser Zeit kein Problem. 52 Da Epistula 28 nicht abgegangen war, nahm Augustinus den (verlorenen) Kurzbrief des Hieronymus zum Anlaß (epist. 40,1), sich etwa 397 mit verschiedenen Anliegen (epist. 40,2: Titel von Hieronymus' De viris inlustribus; 40,3-8: Gal. 2,11-14; 40,9: Irrtümer des Origenes) erneut ausführlich an Hieronymus zu wenden (Epistula 40).53 Dieser Brief genet auf Abwege, was zu diversen Komplikationen führte. Wie es mit der Unterschlagung eigentlich zuging, ist nicht mehr genau zu rekonstruieren. Als Augustinus selber schließlich über den ganzen Vorgang offenbar informiert war, schwieg er sich darüber aus (epist. 82,32: quo autem modo id acciderit, et longum est narrare et, nisifallor, supeifluum). Ob der Bote Paulus (epist. 40,9)54 gar nicht erst abreiste oder seine Reiseroute änderte, bleibt Unklar. in epJ.st.· 73-;0 Chom:o-emriCijiiieam-tunc accep-erat;-ifiJc' te pertulerit nec ad me rettulerit) und wegen der Vokabel mutare in epist. 105,1 ist indes anzunehmen, daß der Bote abreiste, aber - aus welchem Grund? - seinen ursprünglichen Reiseplan änderte. 55 Sicher ist jedenfalls, daß der ihm anvertraute Brief Dritten in die Hände
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46 O'BRIEN, Titles 81; BASTIAENSEN, Ceremonial 29.37 . 47 Epistula 40 ist gegen HOFFMANN, BKV2 I 29, 139, und McNAMARA, Friendship 180, nicht Antwort auf Epistula 103, sondern auf die Epistula deperdita I Hieronymi. 48 Ähnlich schon die Argumentation von OvERBECK, Briefwechsel 227 3.257. 49 Für OVERBECK, ebd. 227, ist das die »einfache Erklärung«. Ebenso GRÜTZMACHER, Hieronymus 1, 83; 3, 123; PRONBERGER, Chronologie 89; SCHMID, FlorPatr 22,3.37; SCHADE, BKV2 II 18,420; KEuY,Jerome 220; WHITE, Correspondence 20. 50 Dazu unten S. 128f. 51 GOLDBACHER, CSEL 58, 15; SCHMID, FlorPatr 22, 3: »verba amabilia«. DE BRUYNE, Correspondance 235f, ist zuzugeben, daß das kein Argument gegen eine Spätdatierung ist.
52 OVERBECK, Briefwechsel 257; GORCE, Voyages 248. 53 So datieren BINDESB0U, Augustinus-6;-HoFFMANN, BKV2 I 29, 139; GOIDBACHER, CSEL 58, 15; LIETZMANN, Entstehungsgeschichte 287; LAMBOT, Ieiunium 120; SCHADE, BKV2 II 18,419; PARSONS, FaCh 12, 172; TOLOMIO, Girolamo 710; MORGENSTERN, Briefj:>artner 71; HENNINGS, Briefwechsel 34-36. - Anders: 397 -399: CAVALLERA, Jeröme 1, 299; 2, 48. Ca. 398: SCHMID, FlorPatr 22, 2. 398/399: FOlLIET, Nonnulli; DAVIs, Controversy 109; CARROZZI, NBA 1, CXI; WHITE, Correspondence 17.20. 54 MANDOUZE, Prosopographie 841 s.v. Paulus 3. 55 So die MAURINER, PL 33, 22; GRÜTZMACHER, Hieronymus 3, 116; BUCHWALD, Streit 20; SCHMID, FlorPatr 22,2; KEuY,Jerome 219f; WHITE, Correspondence 95 (ähnlich DE BRUYNE, Correspondance 237); MORGENSTERN, Briefj:>artner 6mit 107' Anders MOEHLER, Streit 6;
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gelangte. Abschriften davon kursierten in Rom und Italien (epist. 105,1; 112,18). Auf einer Adria-Insel stieß der Diakon Sisinnius unter anderen Augustinusschriften darauf und brachte eine Abschrift zu Hieronymus (so dessen Auskünfte in epist. 102,1 und 105,1).56 Die Zeitangabe ante hoc ferme quinquennium (epist. 105,1) besagt nur, wann Sisinnius eine Kopie von Epistula 40 auffand, nämlidi efwa imJahr 398, nicht daß Hieronymus schon in diesem Jahr eine Kopie davon in Händen hielt. 57 Von der Erwähnung der langen Krankheit .. annehmen, daß er eine solche erst gegen 402 erhielt. 58 Nach diesen ersten Versuchen Augustins in den Jahren von 394/395 bis ca. 397, Kontakt mit Hieronymus aufzunehmen, wurden ihre postalischen Berührungen durch diese Unterschlagung auf mehrere Jahre unterbrochen.
3. Irrungen und Wirrungen (402 bis 405)
OVERBECK, Briefwechsel 235; TOURSCHER, Correspon57 Gegen lIENNrNGS, Briefwechsel 35.37, der sich, ebd. --ndence 481; LANGE, StreiC'Z36. ,>Von Ep. 40 kursieren jalrrevon HENNrNGS, Correspondence 303 5, Epistula 40 »was lang Kopien, bevor Hieronymus von Sisinnius eine Abnot sent offby Augustine but nevertheless in some way schrift erhalten kann.« came to circulate in Italy and elsewhere«. 58 ZÖCKLER, Hieronymus 269mit 2; OVERBECK, Brief56 Es handelt sich wohl um denselben Sisinnius, der wechsel 230; GRÜTZMACHER, Hieronymus 3, 116.122; Schriften des Vigilantius zu Hieronymus brachte BUCHWALD, Streit 20; LrETZMANN, EntstehungsgeHieron. c. Vigil. 3 (PL 23,341); 17 (23,352) - und von schichte 292; LANGE, Streit 236; SCHADE, BKV2 II 18, 422. Anders KEILY,Jerome 26422, diesem Epistula 119 - epist. 119,1 (CSEL 55, 446); 119,12 (55, 469) - und den Sacharjakommentar 59 OVERBECK, ebd. 229; SCHMID, FlorPatr 22,2.3. com. in Zach. 1 pro!. (CCL 76A, 747); 2 pro!. (76A, 60 MOEHLER, Streit 6; OVERBECK, ebd. 230; GRÜTZMA795); 3 pro!. (76A, 848) - zu seinem Bischof ExsupeCHER, Hieronymus 3, 123; CAVAILERA, Jeröme 1,299; rius von Toulouse mitnalJm: CAVAILERA, Jeröme 1, LIETZMANN, Entstehungsgeschichte 287,; LANGE, Streit 307f; GORCE, Voyages 213 mit5 ; KEILY, ebd. 287'8.290mit 238; DE BRUYNE, Correspondance 237; POPE, Augustine 22; REBENICH, Hieronymus 264f. 214; McNAMARA, Friendship 180; WHITE, Correspondence 21. 6' Darüber unten S. 169.
Chronologie und Reihung derBriefe I (3941395 bis 405)
Zweiter Teil: Liebe und Kritik
Jahrelang hat Augustinus auf Antwort auf Epistula 40 gewartet (epist. 67,1: adhuc rescripta non merui; 73,5), da hört er zweierlei (epist. 67,1: audivi; 67,2: ad me ... perlatum), was ihn veranlaßt, sich 402 bei Hieronymus zu melden (Epistula 67): Sein Brief, Epistula 40, sei bei Hieronymus eingetroffen ..(epist., 61,1:_pervenisse1n,_manuLtuas1ittems.. meas). Augustinus, der von der Unterschlagung erst 404 durch Hieronymus' Epistula 102 erfuhr, war demnach davon überzeugt, Epistula 40 sei zugestellt worden. 59 Bis zum Erhalt von Epistula 102 führte er das Ausbleiben einer Antwort auf äußere 67,1: aliquid procul dubio inpedimenti fuit; 71,1) und drängte Hieronymus mehrmals zu einer Antwort (epist. 67, 1. 3; deperd; I; 71, 1. 6 ). . ..____ Zweitens: Augustinus sQllei]J. J:3lls:h gegen Hier>iITd:essefi (interim) 75 BINDESB0lL, Augustillus 9-12, versucht dieses Problem so zu lösen: »Id ab amicis quoque Romanis audivisse videtur, et falso dixisse (sc. Hieronymus) ab Augustino sibi esse significatum« (ebd. 12). Epistula 105 sei nochmals Antwort auf Epistula 67 (ebd. 11). Letzteres ähnlich bei MOEHLER, Streit 6f. 76 Worauf SCHMID, FlorPatr 22, 44, verweist. 77 Begründet unten S. 102f. 78 SCHMID, FlorPatr 22, 4: »epistulae 67 simillimam«. 79 Daliiber unten S. 104-106. 80 Der lateinische Text: crebras ad me epistulas dirigis et saepe conpellis, ut respondeam cuidam epistulae tuae, cuius ad me, ut ante iam scripsi, per Sisinnium diaconum exempla-
ria pervenerunt absque subscriptione tua et quae primum per fratrem Profuturum, secundo per quendam alium te misisse significas; et interim Profuturum retractum de itinere et episcopum constitutum veloci morte subtractum, illum, cuius nomen retices, maris timuisse discrimina et navigationis mutasse consilium. 81 OVERBECK, Briefwechsel 257f, mit dezidierter Kritik an VALLARSI, PL 22, 835, der die singuläre Variante quam in den Text nimmt, die als lectio facilior textkritisch abzulehnen ist: GOLDBACHER, CSEL 34/2, 255 app. crit.; HrLBERG, CSEL 55, 242 app. crit. - SCHADE, BKV2 II 18, 428, übersetzt, als stünde quam im Text.
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Chronologie und Reihung der Briefe I (394/395 bis 405)
Zweiter Teil: Liebe und Kritik
sei Profuturus, an der Reise gehlndert und zum Bischof bestellt, bald darauf gestorben«, der von Augustinus namentlich nicht genannte zweite Bote »habe Angst bekommen vor den Gefahren des Meeres und seine Reisepläne geändert«. Diese Angaben wimmeln von Ungereimtheiten. Der auffälligste Fauxpas ist Hieronymus' Beziehung der Informationen, die Augustinus offenbar zu Epistulae 28 und 4.0 gegeben hatte, auf die Abschrift, die er von Epistula 4.0 erhalten hat (was ein weiteres Argu Epistula . 71 erhielt Hieronymus unter anderem Epistula 28, was ihn vor diesem Fehler hätte bewahren müssen). 82 Diese Vermischung dürfte nicht durch eine unglückliche Ausdrucksweise Augustins in seiner Epistula deperdita I bedingt sein, sondern einen Flüchtigkeitsfehler des Hieronymus darstellen. 83 Darauf weisen weitere Unsauberkeiten wie das Objekt exemplaria (über quae) zu misisse, wo es korrekt heißen müßte, daß AUg!!stinus den Briefbzw. richtiger_ die Briefe selber abschickte, nicht die verstümmelte Abschrift, die HieI"onymus erhalten hat. Sodann der für den ciceronianischen Stilisten Hieronymus ungewöhnliche Satzbau und die unsaubere zeitliche Ordnung der Angaben zu Profuturus: Strenggenommen müßte man als erstes von seiner Bischofswahl sprechen, die die Abreise verhlnderte, nicht umgekehrt, wie Hieronymus das tut. 84 Ein Seitenstück zu solcher Ungenauigkeit bietet Epistula 1.05 selbst: Wie Hieronymus in epist. 1.05,1 die Augustinusbriefe 28 und 4.0 in einen Topf wirft, tut er dasselbe in epist. 1.05,4 mit EpistulaA.O _und demominösen.BuchAugustins_ Cepist. 67,2; 1.02,1): »Sollte das Buch nicht von Dir stammen, dann bestreite, daß Du es geschrieben hast, und hör auf, eine Antwort auf etwas zu verlangen, was Du nicht geschrieben hast! Bist Du aber der Verfasser, dann gib es offen zu!« Für diese Stelle können wir}? epis!. 67,2 kontrollieren, was Augustinus tatsächlich geschrieben hat: Er hat klar zwischen Brief und Buch unterschieden. 85 Während Hieronymus in epist. 1.02,1 darauf korrekt reagierte: der Brief von Dir, so mir das offen oder schick' eine authentische Abschrift!«, hat er es in epist. 1.05,4, offensichtlich in seillem Ärger - »Wie kann ganz Italien , im Besitz dessen sein, was Du nicht geschrieben hast? Mit welchem Recht forderst Du mich zu einer Antwort auf etwas auf, was geschrieben zu haben Du glatt leugnest?« -.' damit nicht mehr so genau genommen. 86 Mit den V dürft·e --ähnlich verhalten. Rätselhaft bleibt die Notiz, der Bote von Epistula 4.0 »habe Angst bekommen vor den Gefahren des Meeres und seine Reisepläne geändert« (epist. 1.05,1). Augustinus hat Hieronymus in seiner Epistula deperdita I offenbar von seinem ersten Versuch der Kontaktauf.""L'_ _ _ _ _ _ _ nahme mit Epistula 28 und, nach dessen Scheitern, von seinem zweiten mit Epistula 4.0 -berichtet. 87 Was Hieronymus zurn.zweiten Versuch schreibt, geht gewiß auf eine entsprechende Bemerkung in Augustins Epistula deperdita I zurück. Waren Augustinus neue Gerüchte vom Mißgeschick seines Briefes zu Ohren gekommen? Neues über den Boten? So klingt das, und dann könnte dies der Anlaß für seine Epistula deperdita I gewesen sein. 88 Doch sagt Hieronymus in epist. 1.05,1 doch mehr zum Schicksal von Epistula 4.0, als Augustinus zur.Zeit der Abfassung der Epistula deperdita I selber gewußt haben dürfte. Nach n
82 OVERBECK, ebd. 259; SCHMID, FlorPatr 22, 5; MANDOUZE, Prosopographie 841 4, 83 Ersteres unterstellt OVERBECK, ebd. 235, das zweite nimmt DE BRUYNE, Correspondance 238f, an: »Jeröme n'avait pas lu attentivement.« 84 SCHADE, BKV2 II 18, 428, übersetzt in der zeitlich richtigen Folge, glättet aber dadurch den Text.
85 Siehe oben S. 96f. KELLy,Jerome267. 87 Vielleicht entsprang daraus Hieronymus' fälschliche Gleichsetzung beider Briefe. 88 Das vermutet OVERBECK, Briefwechsel 234. 86
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epist. 73,5 (nescio qua occasione praeveniente) hat er erst durch Epistula 1.02 von der Irrfahrt seines Briefes erfahren, während er noch bei Abfassung von Epistula 71, also nach der Epistula deperdita I, davon offenbar nichts gewußt hat. Wenn diese Schlüsse aus den Texten stimmen, dann hatte Hieronymus seine Informationen zu Epistula 4.0 in dieser Form nicht aus der Epistula deperdita I Augustins. Sie passen freilich gut zu dem, was er mitderweile schon mehr als Augustinus über die Auffindung der ihm zugekommenen Abschrift W11ßte - nämlich von Sisinnius -, womit es in epist. 1.05,1 im AnsclYuß fragliche Bemerkung detailliert weitergeht. Und schon in sein Resümee von Augustins Epistula deperdita I flocht er von Anfang an Auskünfte ein (per Sisinnium . . . exemplaria pervenerunt, worauf er mit quae das bezieht, was Augustinus geschrieben hatte), die Augustinus noch gar nicht wissen konnte. In seinem Ärger, den die ganze Epistula 1.05 belegt, hat er die an sich schon komplizierte Sachlage, die ihm Augustinus in der Epistula deperdita I offenbar nur skizziert hatte, soweit dieser sie daniaJ.s selber Wußte (eplsi:To5, 1: siinific;;;'-nomen retices), durch die Ineinssetzung von Epistulae 28 und 4.0 mit der ihm zugegangenen Kopie vollends durcheinandergebracht und den Rückgriff auf Augustins Informationen in der Epistula deperdita I mit eigenen Wissen zu dem ganzen Vorgang vermengt. So könnte dieser stilistisch und sachlich konfuse Passus epist. 1.05,1 zustandegekommen sein. 89 Bedenkt man, daß auch von etlichen modernen Forschern Epistulae 28 und 4.0 verwechselt und die Schicksale dieser Briefe durcheinandergeworfen werden, ruft diese Konfusion t>ei Hieronymus allerdings weniger Verwunderung hervor. 90 Auf Epistula deperdita I Augustini also reagierte Hieronymus 4.03 mit Epistula 1.05. Wohl mangels eines geeigneten Boten konnte er diesen Brief jedoch nicht sofort abschikken. 91 Wahrscheinlich traf vorher noch Cyprian mit EpistUla 71 ein. so daß Hieronymus Epistula 1.05 erst zusammen mit seiner Reaktion (Epistula 112) auf diese neuerliche Post abschickte. Das dürfte der plausibelste Schluß92 aus Augustins Notiz sein, er habe zwei Briefe durch Cyprian erhalten (epist. 82,36) - da Epistula 115 von Firmus überbracht wurde (epist. 82,1.36), hat Cyprian als den kürzeren (epist. 82,3.0: breviorem) der beiden Briefe Epistula 1.05 neben Epistula 112 mitgebracht -, auch wenn er nicht explizit sagt, er 'zusam:men 89 Vielleicht ist seine Auskunft zum Boten von Epistula 40 gar nicht ernst gemeint, wie sie PERLER, Voyages 59mit 7 (auch GORCE, Voyages 65), reklamiert als Beleg für die Gefahren einer Seereise, sondern eher eine ironische Unterstellung durch Hieronymus: HENNlNGS, Briefwechsel 39fmit '0" 90 MARRou, Bildung 88 75 , meint, Epistula 28 sei »unterwegs verlorengegangen«. Die Verwechslung bei PESCH, Kephas 460, HOFFMANN, BKV2 I 29, 70,.256, SEMPLE, Letters 122, COUGHUN, Jerome 113, PELLEGRlNO, NBA 1, LVII, O'CONNELL, Correspondence 348.350 (und passim), COLE-TURNER, Debate 156, und REBENICH, Hieronymus 264, nicht Epistula 40, sondern Epistula 28 sei der nach Italien unterschlagene Brief (so wohl auch BRoWN, Patrons 211, ohne sich freilich klar auszudrücken), wird noch übertroffen durch die Darstellung bei NOLTE, Freundschaftsideal 85 mit 8' Epistula 28 sei wie Epistula 40 (vgl. ebd. 86) in fremde Hände gelangt (ähnlich THIERRY, Dispute 481.483.484, und PARSONS, FaCh 12, 94 2.316,.325 2), als Profuturus »auf seiner Reise nach Palästina« starb, und durch die Kuriosität
bei NAUTIN, Hieronymus 308 (nachgesprochen von DROBNER, Patrologie 294), zu Epistula 28: »Augustin fühlte sich nichtsdestoweniger berechtigt, eine Kopie des Briefes Rufin zukommen zu lassen, und Hieronymus erfuhr davon.« 9' OVERBECK, Briefwechsel 242 cmit-dem richtigen Verweis auf epist. 143,1. DE BRUYNE, Correspondance 240: Hieronymus nennt sonst die Boten seiner Briefe; das Fehlen hier zeigt also: »TI n'en a pas«. 92 Gezogen von den MAURINERN, PL 33, 28.29; OVERBECK, ebd. 242; ASSLABER, Beziehungen 94; HArrJEMA, Briefwisseling 190; LANGE, Streit 244; DE BRUYNE, ebd. 239f; WHITE, Correspondence 26.28; HENNINGS, Briefwechsel 41.42. 93 Die Ansicht von SCHMID, FlorPatr 22,5, Epistula 105 habe Augustinus separat erreicht, die wegen eines fehlenden simul grundsätzlich mit epist. 82,36 vereinbar wäre, scheitert daran, daß Cyprian dann Epistula 105 zu Augustinus hätte bringen müssen, ehe dieser Epistula 71 abgefaßt hatte. Das ist aber undenkbar: DE BRUYNE, ebd. 239.
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ronymus Epistula 105, in der er eine Stellungnahme noch verweigert, zu Epistula 112, in der er schließlich doch antwortet, dazulegte, ist nur bedingt widerspruchlich; der Ton beider Briefe ist gleich giftig und ärgerlich. 94 Da die 402 verfaßte Epistula 102 .unverhältnismäßig lange zu Augustinus unterwegs war und Epistula 105 sogar noch incBethlehem lag, wartete Augustinus immer noch auf Antwort auf seine vor Jahren geschriebene Epistula 40, obwohl er mittlerweile schon zweic___ __ Bote an, der Diakon Cyprian (epist. 71,1; 112,1; 73,1; 82,30.36),95 und so nutzte er die Gelegenheit (epist. 71,1: numquam mihi melior occurrit occasio), sich 403 erneut an Hieronymus zu wenden (Epistula 71), um einerseits auf die bisherigen Verwicklungen einzugehen (epist. 71,1f), andererseits ein Sachthema anzuschneiden (epist. 71,3-6: Hieronymus' Revision des alttestamentlichen lateinischen Bibeltextes nach dem hebräischen Urtext). Diesem Schreiben hat er fruhere Briefe beigegeben, darunter mit Sicherheit Epistula 28, wie den ausführlichen Erläuterungen zu diesem Brief in epist. 71,2 hervorgeht. 96 Schwieriger ist die IdentifIzierung der zwei schon einmal abgeschickten Briefe, die er erneut mitschickte (epist. 71,2: duas iam epistulas misi) ... easdem ipsas rursus mittere volui). Epistula 28 kann nicht einer davon sein, da Augustinus ausdrucklich davon spricht (ibid:), diese zwei Briefe schon einmal abgeschickt zu haben (iam misi), sie also mit Epistula 71 bereits. ein zweites Mallosschickt _(T'lf,TS.U5. pzittere), währe!!d er volJ. ('!:l(J>li1!t .sagt, c daß er sie, als er noch Presbyter war (adhuc presbyter), lediglich zum Abschicken vorbereitet hatte (praeparaveram mittere), sie also, nachdem dieses Vorhaben fehlgelaufen war, was er schon bei Abfassung von Epistula 40 wußte (epist. 40,8), jetzt, zusätzlich zu den beiden anderen nochmals abgesandten, erstmals abschickt (primas etiam . . . etZam:nunc mittere volui).97 An dieser Ausdrucksweise Augustins scheitern alle IdentifIzierungen, die in einem der zwei Briefe in epist. 71,2 Epistula 28 sehen möchten und von epist. 112,1 her die zwei Briefe als Epistulae 28 und 40 aufschlüsseln. 9s -Auch Epistula 40 kann nicht einer dieser , beiden Briefe sein, da Augustinus als Grund für deren erneutes Absenden klar angibt: »in der Meinung, sie seien nicht angekommen« (credens eas non peruenisse), während da er von der Unterschlagung von Epistula - --angek0mmen glaubte. Dieselbe Überzeugung--muß.er-bei Abfassung der Epistula deperdita I gehabt haben, weil sonst die Reaktion des Hieronymus darauf keinen Sinn ergibt (epist. 105,1: conpellis) ut respondeam cuidam epistulae tuae). Auch in Epistula 71 verrät er durch nichts, daß sich an diesem seinem Glauben bis jetzt etwas geändert hätte. Vielmehr erinnert epist. 71,lfim Ton ganz an Epistula 67 (man vergleiche etwa epist. 71,1: utfraternam riiilta-volUntriSmaior zmpei1zat, mit epist. 6T,1:ut tuaevoluntati det facultatem mittendi). Auch sein Rückblick in Epistula 73 auf Epistula 71 deutet darauf; daß er damals keine Kopie von Epistula 40 beilegte. Er sagt gerade nicht, Hieronymus habe ja nun eine
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94 HA:r1JEMA, BriefWisseling 192. Siehe unten S. 139f. 95 Er ist möglicherweise identisch mit einem nordafrikanischen Bischof Cyprian, doch köIUlen hinter diesem Namen eventuell drei verschiedene Bischöfe stecken: MANDOUZE, Prosopographie 257f s.v. Cyprianus 3-4. 96 Es war Usus, das Konzept eines Briefes im eigenen Archiv aufzubewahren: epist. 71,2: siforte seruata sunt. Zudem etwa Aug. epist. 12 (CSEL 34/1, 29): recognitis exemplaribus; 149,2 (44, 349); 159,1 (44, 498): PASQUAll, Storia449-451; PELLEGRINO, NBA 1, XVIII-XIX. Siehe auch unten S. 213 300.
97 Richtig DE BRUYNE, Correspondance 239: "pas autem« (sondern etiam). 98 THIERRY, Dispute 486f; DUFEY, Controverse 147; GRÜTZMACHER, Hieronymus 3, 125; BUCHWAlD, Streit 22; SCHMID, FlorPatr 22, 4.6.41; SCHADE, BKV2 II 18, 426f; SEMPLE, Letters 124; DAVIS, Controversy 107.109; PELLEGRINO, NBA 1, LVII; KELLY, jerome 218 35; MENESTRINA, Reprehensibilis 39; O'CONNELL, Correspondence 350; COLE-TURNER, Debate 156; MANDOUZE, Pros· opographie 258 7; HENNINGS, Briefwechsel 39.42 115 •
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authentische Abschrift von Epistula 40 in Händen, sondern umgekehrt - im Blick auf Epistula 102 -, Hieronymus könne sich durch die von Cyprian überbrachte Post davon überzeugen, daß der Brief, von dem er eine Kopie besitze, tatsächlich von stammt (epist. 73,1: quibus certissime agnosceres meam esse epistulam) cuius exemplaria illuc peruenisse commemorasti). Damit ist auch die Deutung, Epistula 71 sei mit Epistulae 28,40 und 67 abgeschickt worden, nicht haltbar,99 Es bleibt nur die IdentifIzierung der zwei noch einmal ab Briefe mit Epistulae 67 und deperdita I Augustini. Wenn ich recht das bisher einzig von F. OVERBECK erkannt, von der späteren Forschung aber notorisch ignoriert worden. loo Gemäß dem bisherigen Verlauf dieser Korrespondenz aus der Perspektive Augustins ergibt das einen guten Sinn: IOI Epistula 28 ist noch gar nicht abgegangen, weil der Bote verhindert war; Augustinus legt sie zu Epistula 71 dazu, nachdem er offenbar in der Epistula deperdita I schon darauf zu-sprechen geKüniineii-ist.EpistUla-40-glauEt er lärlgst in Hieronymus' Händen; weil er endlich darauf eine Antwort haben will, ergreift er diese neue Initiative; aus seiner Sicht gibt es keinen Anlaß, Epistula 40 beizulegen. Somit hat Hieronymus nie eine andere Abschrift von diesem Brief erhalten als die, die ihm Sisinnius von einer Adria-Insel mitgebracht hat. Alles andere, auch daraus gezogene Folgerungen,I02 erweist sich als durch die Texte nicht gedeckt. Vor Epistula 71 hatte Augustinus schließlich schon zweimal bei Hieronymus nachgebohrt (Epistulae 67 und deperdita 1) - und wieder keine Antwort erhalten. Aus seiner Sicht ist es sehr plausibel, diese beiden letzten Briefe, über die er bis dato noch gar nichts gehört hatte, mit einem zuverlässigen Boten noch einmalloszuschicken, weil sie vielleicht noch gar nicht angekommen waren (epist. 71,2: credens eas non peruenisse), obschon es sich wohl um recht ähnliche Schreiben handelt. Cyprian hatte also neben Epistula 71 drei weitere Briefe (Epistulae 28, 67 und deperdita 1) im Gepäck, als er bei Hieronymus eintraf Auf nachdruckliches Drängen Cyprians (epist. 112,1: a me epistulasflagitavit; Augustinus meint in epist. 71,1: nec studium in petendis rescriptis memorato fllio nostro deerit) machte sich Hieronymus diesmal an eine ausführliche Antwort (Epistula 112) auf Augustins diverse
-n-;-6: -ne-trpTgea'Fallortmia-responaere-;-n2;2:--responaeamijff-igitunfd"7Jmnia, c
nämlich in 112;3 zum Titel von De viris inlustribus, in 112,4-18 zu Gal. 2,n",14 und in 112,19-22 zu Augustins Einwänden gegen Hieronymus' Bibelübersetzungen). Die Datierung dieses Briefes auf die zweite Jahreshälfte 404 ergibt sich problemlos aus der Anspielung in epist. 112,6 auf die Exilierung des Johannes Chrysostomus im Juni 404. 103 Erklärungsbedürftig sind jedoch gleich die ersten Worte (epist.112,I): tres simul epistulas .. . per diaconumCyprfanum ... accepi. Laut epist. 71,2 trafCyprian miteine-m-Paket von vier Briefen bei Hieronymus ein, und nimmt man dazu, daß Hieronymus sich in Epistula 112 hauptsächlich mit der umstrittenen Epistula 40 auseinandersetzt (in epist. 112,3 mit 99 MAURINER, PL 33, 27; VALLARSI, PL 22, LXXXI; MOEHLER, Streit 6; HA:r1JEMA, BriefWisseling 189 (explizit gegen OVERBECK); GOLDBACHER, CSEL 58, 15.22; CAVALLERA,jerome 1,301; LrETzMANN, Entstehungsgeschichte 288.292.294; HOFFMANN, BKV2 I 29, 259 1; PARSONS, FaCh 12, 325\.2; PELLEGRINO, ebd XVIII (im Widerspruch zu sich selbst: siehe die vorige Anmerkung); WHITE, Correspondence 23 (im Widerspruch zu ebd. 94, wo sie Epistulae 28 und 40 angibt); MORGENSTERN, Briefpartner 71. DE BRUYNE, Correspondance 239, vermutet am ehesten: Epistula 71 mit Epistulae
28, 40 und entweder 67 oder deperdita I, läßt die Frage wegen epist. 112,1 aber offen; ebenso KELLY,je· rome 266 30, 100 OVERBECK, Briefwechsel 238.258. 101 Zu der freilich geringen Schwierigkeit mit epist. 112,1 unten S. 103f. 102 Bei DAVIS, Controversy 109, und HENNINGS, Briefwechsel 41 111 . Falsch auch MANDOUZE, Prosopographie 841 mit 3. 103 PRONBERGER, Chronologie 90; SCHMID, FlorPatr 22, 6; HENNINGS, ebd. 43.
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epist. 40,2; in 112,4-11 mit 40,3; in 112,12-17 mit 40,4-6; in 112,18 mit 40,7), die nicht im Paket Cyprians lag, dann hatte er sogar alle bisher von Augustinus geschriebenen fünf Briefe vor sich. Diese Schwierigkeit klärt sich wohl so, daß Hieronymus bei dieser Notiz nur an die drei Briefe dachte, auf die er mit Epistula 112 inhaltlich geantwortet hat, nämlich an Epistula 40 (epist. beantwortet-in 1l2,3-18l; an Epistula 71 (epist. 71,3.5.6, beantwortet in 112,19-22) und an Epistula 28 (nur epist. 28,2, beantwortet in 112,20, da 28,3-5 in 112,ol-clLb_er.eit:s Nur auf diese drei paßt die Q}lalifizic:: rung als libelli breves diversas quaestiones continentes (epist. 112, 1). Epistulae 67 und deperdita I Augustini sind kurze Billetts mit Klarstellungen und der Bitte um Antwort, ohne eigens Sachthemen anzuschneiden (für Epistula 67 ist das sicher, für Epistula deperdita I wahrscheinlich); zudem hatte Hieronymus sie schon getrennt beantwortet mit Epistulae 102 und 105. So konnte er sie jetzt beiseite lassen und sich den Briefen mit den Sachfragen widmen (Epistulae 28, 4Ö-und 71), auf deren Beantwortung Augustinus so beharrlich stand. Faktisch ist damit die oft vorgenommene Identifizierung der drei in epist. 112,1 erwähnten Briefe mit Epistulae 28, 40 und 71 richtig. l04 Nur muß man auseinanderhalten, was Cyprian mitgebracht hat (Epistula 71 mit Epistulae 28, 67 und deperdita 1), was Hieronymus mittlerweile alles an Augustinusbriefen vor sich hatte (Epistulae 28, 40, 67, deperdita I und 71) und was er davon mit Epistula 112 in der Sache beantwortete (Epistulae 28, 4.0 _und 71). Daß er sich Cyprian erhaltene Sendung bezieht, die den Anlaß für seine endliche Antwort zur Sache bildet, dürfte einer der - in diesem Fall verständlichen - Flüchtigkeitsfehler sein, die ihm bei seiner eiligen Arbeitsweise öfter unterliefen (epist. 112,1: paene in procinctu haec, qualiacumque sunt, e.ffutire conpeltar et tumultuario respondere-sermone).105 Wiemeplst.lÖ5,Tmag sein immer noch spürbarer Ärger (epist. 112,2.22) dabei auch eine Rolle gespielt haben. l06 Auf den ersten Blick fügen sich die Eingangsworte von Epistula 112 also cicht in den bis hierher --e-nn-'-'erten Ablauf. Sie vermÖgenihnallerdillgSmcntlimzustoßen, da er sich aus den Texten , mit· guten Argumenten erheben und sich für die Bemerkung des Hieronymus in epist. . 112,1 eine plausible und nachvollziehbare Erklärung beibringen läßt. In diesem Brief .. nicht-aufgefallen ist. In epist. 112,20 zitiert-Hie:r:onymus-wörtlich einen Satz Augustins, der sich in dessen Briefen nirgends findet: »Der Text, den die Siebzig übersetzt haben, ist entweder unklar oder verständlich. An den unklaren Stellen ist anzunehmen, daß auch Du Dich hast irren können, an den verständlichen aber haben jene sich zweifellos nicht irren l J -_ _ _ _ _ _ _
28; schichte 289; SCHMID, ebd. 53; DE BRUYNE, Correspondance 240; POPE, Augustine 218; PARSONS, FaCh 12, 342 1; LABOURT, Lettres 6,18; PELLEGRlNO, NBA 1, LIX; O'CONNELL, Correspondence 354. HAI1JEMA, Briefwisseling 190, bezieht die Stelle ebenfalls auf diese drei Briefe und nimmt an, daß Hieronymus die mit Epistula 71 eingetroffene Epistula 67 als schon beantwortet übergangen' habe. - Völlig verfehlt ist natürlich die Auskunft, Epistula 112 sei die Antwort auf Epistula 73, die zu fInden ist bei TOURScHER, Correspondence 487 (Epistula 112 antworte auf Epistula 73 »and to the authentic copies of the former letters«), DE VATHAIRE, Relations 493, SEMPLE, Letters 123f.126, COUGHLIN, Jerome 124f, und HENNlNGS, Briefwechsel 42.
dieser Entschuldigung in diesem Fall oben S. 91 mit 14' zu ihrer Topik etwa Hieron. epist. 119,1 (CSEL 55, 446); 128,5 (56, 162); 129,8 (56, 175); Aug. epist. 167,21: quali eloquio explicata sint, non nimis curo. 106 Nur teilweise richtig in diesem Fall OVERBECK, Briefwechsel 258: Hieronymus denke in epist. 112,1 nur an Epistula 28, den verlorenen Augustinusbrief und Epistula 71 und habe Epistula 67 ignoriert, da sie schon beantwortet sei und die Angabe libellus auf sie nicht passe. Letzteres gilt jedoch auch für Epistula deperdita I Augustini. Und die vielen ausführlichen Zitate in Epistula 112 aus Epistula 40 belegen, daß Hieronymus nicht nur (so OVERBECK, ebd. 241) auf Epistulae 28 und 71, sondern hauptsächlich auf Epistula 40 antwortet.
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können.« Für gewöhnlich wird auf epist. 28,2 als Herkunftsort verwiesen,107 wo sich aber nur die Thematik von epist. 112,20 und der Gedanke des fraglichen Zitats finden, jedoch nicht die von Hieronymus gebotene Fassung. Stammt das Zitat vielleicht aus Augustins Epistula deperdita I? Dann müßte man konsequenterweise folgern, daß Hieronymus in epist. 112,20 nicht auf epist. 28,2, sondern auf einen entsprechenden Passus in der Epistula deperdita I eingegangen ist. Das hätte zum einen zur Folge, daß die Thematik von epist. Schreiben_ behandeltWUI"de,es also nicht .angenommen, als Dublette zu Epistula 67 Klarstellungen und Nachfragen, sondern auch Sachfragen enthalten hat. Zum anderen müßten dann die drei Briefe in epist. 112,1 außer auf Epistulae 40 und 71 auf die Epistula deperdita I, nicht auf Epistula 28 gedeutet werden. Diese Sicht ist letztlich nicht von der Hand zu weisen, aber mit mancherlei Schwierigkeiten belastet: 1. Es gibt ein Indiz dafür, daß Hieronymus in epist. 112,20 auf Epistula 28 (näherhin_ - 28,2) und nicht auf einen Passus aus derEpistcla I eingeht. In der Kritik an Augustins Einwänden gegen seine Revision des lateinischen Textes des Alten Testaments münzt er dessen Einwurf aus epist. 28,2 seinerseits gegen Augustins Psalmendeutung aus: 108 »Handelt es sich um schwer verständliche Psalmen, muß man annehmen, daß bei ihnen auch Du Dich irren konntest. Sind sie verständlich, ist nicht anzunehmen, daß jene (sc. Augustins Vorgänger) sich bei ihnen irren konnten« (epist. 112,20). Dieser Satz ist das exakte Seitenstück zu einem aus Epistula 28: »Handelt es sich .um schwer verständliche Stellen (sc. in der Bibel), ist anzunehmen, daß bei ihnen auch Du Dich irren kannst. Sind sie verständlich, ist nicht anzunehmen, daß jene (sc. Hieronymus' Vorgänger) sich bei ihnen irren konnten« (epist. 28,2). Die Parallelität geht so weit, und Hierönymus richtet die Spitze dieser Kritik so gezielt auf Augustinus zurück, daß sich Hieronymus' Ausdrucksweise nur als direkte Übernahme des augustinischen Satzes begreifen läßt. lOg Diese Stelle ist damit der einzige, aber sichere Beleg dafür, daß Hieronymus in epist. 112,20 auf epist. 28,2 eingeht unddie drei in epist. 112,1 gemeinten Briefe somit Epistulae 28, 40 und 71 sind. - 2. Da das fragliche Zitat und die eben herangezogene Parallele zwischen epist. 28,2 und epist. 112,20 inhaltlich durchaus identisch sind, könnte man annehmen, daß Hieronymus sich --J:ii.erilllffileIIDung an Augustms tatsäCl31iClle--AusruucKsweiseeme eigene FormUherurig als freies Zitat erlaubt habe (cf. Augustins freie Zitierung von epist. 112,4 in 82,7). Dem steht indes die ausdrückliche Einführung des noch dazu als neu bezeichneten Syllogismus als wörtlich übernommenes Zitat entgegen (epist. 112,20: dicis; novo utern syllogismo), sodann Hieronymus' sonstige Praxis in Epistula 112, wo in den vielen, ausführlichen Zitaten aus Epistulae 40 und 71 durchweg korrekt zitiert ist (epist. 40,4 in epist. 112,12.14; 40,5.6 in 112,15; 40,6 in 112,IK17; TI,3in 112,19; 71,6 in 112,20; 71,5 in seine Gewohnheit, frei von ihm selbst formulierte Einwände seines Widerparts auch als solche zu kennzeichnen, wie er in epist. 112,21 Augustinus als fictus interlocutor zünftig mit einem dices einführt (cf. auch epist. 105,3). - 3. Auch wenn anzunehmen ist, daß bei Abfassung von Epistula 112 die Epistula deperdita I Augustini, wie auch Epistula 67, als mit 107 OVERBECK, Streit 63 195; GOIDBACHER, CSEL 34/2, 317; Hrr.BERG, CSEL 55, 389; SCHMID, FlorPatr 22, 69 (mit einem Verweis auf epist. 28,2 - und epist. 82,34, wo Augustinus darauf zurückkommt - nur generell für epist. 112,20; ebenso HAI1JEMA, Briefwisseling 191); SCHADE, BKV2 II 18,4562; PARSONS, FaCh 12, 36469; LABOURT, Lettres 6, 39; WHITE, Correspondence 141 46; HENNlNGS, Briefwechsel 11845 ,
108 Zu dieser auch epist. 105,5, welche Stelle aber für das Problem hier nichts abwirft. 109 Das scheint nur GOIDBACHER, CSEL 34/1, 107, aufgefallen zu sein, der exakt zu diesem Satz in epist. 28,2 auf 112,20 verweist. Weiteres dazu unten S. 14lf und 143. - Dasselbe Verfahren wendet Augustinus in epist. 82,19 mit einer Sentenz des Hieronymus aus 112,14 an.
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Epistula 105 (bzw. mit Epistula 102) schon erledigt wohl doch beiseite lag, müßte dies andererseits kein Grund dafür sein, daß Hieronymus, als er epist. 112,20 diktierte, zwar auf epist. 28,2 einging, dabei aber auf ein sachlich passendes Zitat aus einem Brief zuriickgriff, den er zwar gerade nicht direkt beantwortete, aber zur Hand hatte (nämlich im BriefPaket Cyprians; cf. den allgemeinen Hinweis inepist; 112,19 auf aliae epistulae, denen er sich nach Beantwortung von Epistula 40 zuwendet llo ). Auch Augustinus hat in Epistula 82, mit der er ________ aus-_Epistula_I02zitiert (epist. 82,3), obwohl er diesen Brieflängst mit Epistula 73 beantwortet und dabei dieselbe Stelle (epist. 102,2) sogar schon zweimal zitiert hatte (epist. 73,5.7), und Hieronymus bezog sich in epist. 105,2.4.5 wiederholt auf epist. 67,2, obwohl er Epistula 67 schon mit Epistula 102 beantwortet hatte, da er mit Epistula 105 erneut zum ganzen Vorgang Stellung nahm. lI ! - 4. Obwohl also in epist. 112,20 auf 28,2 eingeht, ist ____ nicht auszuschließen, daß das fragliche Zitat aus der Epistula deperdita I Augustini stammt. Doch auch diese Hypothese, die annimmt, daß dieser Brief nicht nur ein Seitenstück zu Epistula 67 ist, sondern zumindest dieses Sachthema ansprach, bleibt schwierig. Aus Hieronymus' direkter Antwort (Epistula 105) läßt sich nichts dergleichen erkennen. Und als Augustinus sich in Epistula 71 zusätzlich zu Klarstellungen und Bitten im -Stir von Epistula 67 (epist. 71,1 f) dem Thema der Bibelübersetzung zuwandte, geschah dies aufgrund neuer Kenntnisse (epist. 71,3: in hac autem epistula_.hocaddo> lJuod so, daß er zu dem in epist. 28,2 Gesagten etwas hinzufügt (addo) - zumal unmittelbar vorher ausführlich von Epistula 28 die Rede ist (epist. 71,2) -, als daß man annehmen würde, auch in der Epistula deperdita I habe er dieses Thema aufgegriffen. _- _5. Ob nun das rätselhafte Zitat in epist. 112,20 trotz dieser Schwierigkeiten aus der EpLst1ll.i deperdlia I auf dem beschriebenen Weg in den Text gelangt sein mag oder sich hier ausnahmsweise eine freie Variante der Formulierung Augustins aus epist. 28,2 erlaubt hat »difficcltas nullo modo prorsus aufertur«.112- - Nach diesen Briefen lösten sich die Irrungen und Wirrungen allmählich auf. Während Cyprian mit Epistula 71 und den beigelegten Briefen zu Hieronymus reiste, ist 102 endlich bei Augustinus eingetroffen. -Epistula-40, ohne Näheres zu wissen (epist.---7-3,.§.),-tID.Gvon Hieronymus' Verstimmung, worauf er 404 sofort mit einem ausführlichen Brief (epist. 82,1: prolixa epistula) reagierte (Epistula 73). Erschrocken über Hieronymus' erhebliche Erregung (epist. 74: motum eius, quem non frustra timui; 73,9: tremuisse; timui) wandte Augustinus sich zunächst persönlich (epist. 74: szcut praesens rogavzr,-danrioneflicnTEplstUla 74) an Pi'äesiilius. ll3 Zu dessen Information legte er Abschriften von seinen Briefen an Hieronymus bei, wobei offenbleiben muß, um welche es sich genau handelt, und von denen, die er von diesem erhalten hatte, wohl nur 110 WHITE, Correspondence 133, übersetzt ungenau mit (»in your other letter«) und deutet auf Epistula 71 (ebd. 14043 ), Ebenso SCHADE, BKV2 II 18, 455 mit 2' III VALLARSI, PL 22, LXXXI, schließt daher aus epist. 105,4, Epistula 105 antworte auf Epistulae 40 und 67. Ähnlich PRONBERGER, Chronologie 90. 112 Wie SCHMID, FlorPatr 22, 5, einmal schreibt, allerdings zu einer weniger problematischen Stelle in epist. 82,36.
113 Das Begriffspaar praesens - litteris (epistulis / per litteras) findet sich öfter, etwa Aug. bon. vid. 1 (CSEL 41, 305); Hieron. epist. 2 (CSEL 54, 11); Tac. hist. 5,26,3. Enge Parallelen zur Formulierung in epist. 74 stehen in Aug. epist. 148,1 (CSEL 44,332) Und in der alten lateinischen übersetzung des Polykarpbriefes, 2 Phi!. 13 (bzw. 14). Die griechischen Begriffe lauten nup6v'tu - &v YPc1J.LJ.LUOW (so Lib. epist. 819,2 FÖRSTER) oder KU't1l np6oomov - Stil YPUJ.LJ.Lc1'tOlV (so Greg. Nyss. homo in Cant. pro!. [GNO 6, 3; FC 16/1, 96f]).
Chronologie undR-eihung der Briefe 1094/395 bis 4fJ5) .
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einen (epist. 74: misi exemplaria litterarum et mearum ad ipsum et ad me ipsius), nämlich Epistula 102, denn Epistula 103, Hieronymus' Empfehlungsschreiben für Praesidius an Augustinus, kannte Praesidius sowieso, und wie die kurze Epistula deperdita I Hieronymi hatte dieses Billett mit dem aktuellen Vorgang nichts zu tun. Das entspricht dem bisher rekonstruierten Verlauf der Korrespondenz aus der Sicht Augustins.I!4 Dazu bat er ihn um ein Feedback und um ein Schreiben an Hieronymus zur Unterstützung seiner Sache, ferner darum,_sichum die Übennittlung v:onEpistula 73 an Hieronymus zu kümmern (epist. 74). Praesidius war demnach nicht selbst der Überbringer dieses Briefes.!!5 Und natürlich sollte er sich um die Zustellung nur von Epistula 73 kümmern. Alles andere (ohne Epistula 40) hatte Augustinus schon mit dem verläßlichen Cyprian auf den Weg gebracht. 116 Ob Epistula 115 Hieronymus' Antwort auf Epistula 73 ist, ist nicht ganz sicher. Der Überbringer dieses letzten in der ersten Phase, war Wis___ . sen Augustins aus Nordafrika abgereist (epist. 115: nesciente te de Africa prr!fectum esse se dixit).118 Wenn die Wendung litteras exigerem (ibid.) nicht nur Topos ist, hat Firmus keinen Brief von Augustinus mitgebracht. Daß Epistula 115 die unmittelbare Antwort auf Epistula 73 ist, wird von daher unwahrscheinlich.1!9 Schon Augustinus rätselte, ob Hieronymus seinen Versöhnungsbrief überhaupt vor Abfassung von Epistula 115 erhalten habe (epist. 82,1). Er schloß das lediglich aus Hieronymus' vermutlicher Anspielung auf das Zerwürfnis mit Rufm,! 2°das er in Epistula 73 reichlich beklagt hatte (epist. 73,6-8.10). Vielleicht war es so, daß Hieronymus zwar Epistula 73 schon erhalten, aber noch nicht darauf geantwortet hatte, als Firmus bei ihm eintraf. Dessen Ankunft nutzte er dann, ihm als verspätete Reaktion auf Epistula 73 etwa 404/405 das kurze Billett Epistula 115 auf die Rückreise . - mitzugeben. 121 Augustinus hatte die durch Cyprian überbrachten Epistulae 105 und 112 (epist. 112,1; 82,30.36) noch nicht beantwortet, als Firmus mit Epistula 115 (epist. 82,1.36) bei ihm eintraf.!22 Auf diese drei Hieronymusbriefe antwortete er mit Epistula 82 (aufEpistula 105 in epist. 82,2f.30-33.36; auf 112 in 82,4-29.34f; auf 115 in 82,1f), in der er sowohl ausführlich auf die strittigen Sachfragen eingeht (epist. 82,4-29: zu Gal. 2,11-14; 82,34f: zur Revi- slon -aes alttestamentlichen Iafeüusch.enT'extes--durch Hierünymusfa.Is-ciUCh nocnernmal
114 OVERBECK, BriefWechsel 245. TOURSCHER, Corres· pondence 484f, stellt das in seiner Wiedergabe auf den Kopf. HArr]EMA, Briefwisseling 194, tippt auf Epistulae 73 und 102, LIETZMANN, Entstehungsgeschichte 289. 292, aur67und 102 (übernommen-von MORGENSTERN, BriefPartner 21 354 ), KErLy,Jerome 268, auf 40 und 102. 115 Gegen WHlTE, Correspondence 24. m Phantasie bei TOURSCHER, Correspondence 484f Praesidius überbringe Epistula 73 (und 74) zusammen mit einer Abschrift von Epistula 40. ll7 Er war viel als Bote tätig (MANDOUZE, Prosopographie 458f S.V. Firmus 2; REBENICH, Hieronymus 125 624 ): Aug. epist. 184A,7 (CSEL 44, 736); 191,1 (57, 162); 194,1 (57, 176); 200,1 (57,293); 248,2 (57,591); Hieron. epist. 106,2 (CSEL 55, 249); 134,2. Auf bewährte Boten griff man gern öfter zurück: GoRCE, Voyages 223f. 118 Der bei Hieronymus eingetroffene frater (epist. 115) ist der Firmus aus epist. 82,1.36 (mit unnötiger Zurückhaltung WHITE, Correspondence 143 1), Von da-
her im Text von Epistula 115 zu a sancto fratre nostro ein Firmo zu konjizieren (GOLDBACHER, CSEL 34/2, 350 mit den früheren Editoren im Anschluß an nur eine Handschrift; OE VATHAIRE, Relations 495; LABOURT, Lettres 6, 45.166f), ist zwar inhaltlich vertretb-al";--a:benextkritisch als unnötig abzulehnen: SCHMID, FlorPatr 22, 73 im Anschluß an Hrr.BERG, CSEL55, 396. ll9 BUCHWAID, Streit 22, nimmt an, Hieronymus habe Epistula 115 aus eigenem Antrieb verfaßt: »Die Schärfe seines Tones wurde ihm aber bald selbst leid.« Anders O'CONNElL, Correspondence 357. 120 Dazu unten S. 167fund 174. 121 OVERBECK, BriefWechsel 246f; HAITJEMA, Briefwisseling 194f; CAVALLERA, Jeröme 1, 304; 2, 50; SCHMID, FlorPatr 22, 6; DAVIS, Controversy 110; KELLY, Jerome 270; MENESTRINA, Reprehensibilis 40mit 24' Vorsichtig WHITE, Correspondence 28. 122 OVERBECK, ebd. 247; HAI1JEMA, ebd. 196; CAVALLERA, ebd. 1, 305 1; LANGE, Streit 251; KELLY, ebd.; WHITE, ebd.
-" Chronologi-eJ-lnd Reihung der Briefe I (394/395 bis 405)-
Zweiter Teil: Liebe und Kritik
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die entstandenen persönlichen Differenzen anspricht (epist. 82,1---3.30---33.36). Ob Firmus Epistula 82 an Hieronymus überbrachte, bleibt VermutlIDg.l 23 Mit diesem Brief, dem längsten der Korrespondenz, endeten im Jahr 405 bis aufweiteres ihre brieflichen Kontakte, die Augustinus zehn Jahre zuvor mit einem schlichten Gruß angeknüpft hatte. ------ - - -
Verfasser
Aug. Aug. Hieran. Hieron. Aug. Aug. Hieron. Aug. HIeron. Aug. Hieron. Aug. [Aug. ------'Hieran. Aug.
Nummer int. epist. Aug.
Nummerint. epist. Hieron.
Abfassungszeit
Antwortbrief
28
56 --deperd. I 103 67 101 102
394/395
112 Hieron.
39 40 67 68 deperd. I
12----------------IUo
71 (mit Epistulae 28, 67, deperd. 1) 75 73 74 81 82
ca. 396 ca. 397 ca. 397 402 402 402/403 --- - -40-3 -----
104
403
112
404404 404 404/405 405
110 111
115 116
40 Aug. 112 Hieron. 102 Hieran. 73 Aug. 105 Hieron. - 112 Hieron. 82 Aug; 115 Hieran. an Praesidius] 82 Aug.
Der neuralgische punkt für die ___ daß Epistula 105 nicht die Antwort auf Epis.!llla 71 lIDd Epistula 112 nicht die auf Epistula 73 ist. 124 Zusammen mit der SpätdatierlIDg von Epistula 103 stellt die falsche ReihlIDg eine Neuauflage der VerwirrlIDg dar, die o. ZÖGKLER gestiftet hat lIDd für die er schon von F. OVERBECK kritisiert worden ist. 125 Provoziert wird die FehlreihlIDg wohl durch die ZähllIDg der betreffenden Briefe in den modernen Ausgaben der Augustinus- bzw. Hie- - - - , - - - - - - - ---ronymus1:nlefe,nämliG-h als- inter Epistulas Augustinianas bzw. 104 --- 105 --- 110 (--- 111) --- 112 inter Epistulas Hieronymianas. Um solche Fehlbezüge gar nicht erst nahezulegen, numeriere ich in dieser Arbeit die von Augustinus verfaßten Briefe gemäß ihrer ZähllIDg im Corpus der Augustinusbriefe lIDd die von Hieranymus geschriebenen gemäß ihrer Nummer im Corpus der Hieronymusbriefe. 126 Eine zutreffende ReihlIDg muß die übliche Folge (gemäß den hier verwendeten Ziffern: 71 --- 105 --- 73 [--- 74] --- 112) zweimal umkehren lIDd also so lauten: 105 --- 71 --- 112 --- 73 (--- 74), ohne daß diese 123 Geäußert von SCHMID, FlorPatr 22, 125. 124 Dieser Kardinalfehler aller Chronologie dieser Briefe (siehe oben S. 98 mit 72 und 104104 ) unterläuft DE VATHAIRE, Relations 490.493, SEMPLE, Letters 123f. 126, COUGHLIN, Jerome 115.120.124f, McNAMARA, Friendship 184, und HENNINGS, Briefwechsel 42 (und
öfter): »Ep. 72 ist die Antwort aufEp. 71 und Ep. 75 die aufEp. 73.« 125 ZÖCKLER, Hieronymus 270-274; ÜVERBECK, Briefwechsel 258. 126 Ohne Begründung verfahren so DAVIs, Controversy, KELLY, Jerome, und WHITE, Correspondence.
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Briefe direkt so aufeinander antworten würden (das ist, wie gezeigt, noch etwas komplizierter). Die MißachtlIDg dieser zwingenden Einsicht, die bedeutet, daß vor Epistula 105 ein Augustinusbrief verlorengegangen ist, hält einer genauen Lektüre der Texte nicht stand lIDd hat, da eine richtige BeziehlIDg der Briefe aufeinander lIDabdingbare VoraussetzlIDg für eine verläßliche Interpretation von Aktion lIDd Reaktion ist, logischerweise ein bisweilen groteskes Chaos in so mancher Arbeit zu diesem Briefwechsel angerichtet. 127 Die um_______ strittene_DatierlIDg von Epistula 103 spielt demgegenüber eine -geringe Rolle,dadieses Billett auf die Abfolge der Briefe so oder so keinen Einfluß hatte. Versucht man, ausgehend von dieser grlIDdlegenden Erkenntnis die relative Chronologie dieses Briefwechsels in den Jahren von 394/395 bis 405 zu beschreiben, bieten sich eine Reihe von Schwierigkeiten, namentlich in der ErklärlIDg der Passagen epist. 105,1, 71,2, 112,1 lIDd 112,20. Die oben ErläutefLl!l:gen scheinen einen jede diesel'. Passagen in sich so nah am Text wie möglich zu erklären. Zum anderen ergeben die vorgeschlagenen LöslIDgen einen plausiblen Zusammenhang ill!-tereinander. Da sie damit den textlichen Problemen am besten gerecht werden, rechtfertigt sich die in obiger Tabelle gebotene ReihlIDg, die sich freimacht von der durch die NumerierlIDg in den Briefcorpora beider Autoren suggerierten Reihenfolge, die in nahezu allen Arbeiten zu diesen Briefen lIDbesehen vorherrscht. 128 Es ist also von folgendem Ablauf auszugehen: Im Jahr 396 etwa meldete sich nus mit einem Gruß bei Hieronymus, den dieser mit einem kurzen Brief beantwortete (beides verloren); darauf zu beziehen ist Hieronymus' EmpfehllIDgsschreiben für Praesidius von 397 (Epistula 103). Da ein schon früheres Schreiben Augustms (Epistula 28) 394/395 wegen VerhinderlIDg des Boten nicht abgegangen war, verfaßte dieser wohl 397 als tion auf Hieronymus' Epistula deperdita I einen neuerlichen Brief (Epistula 40), der aber lIDterschlagen wurde lIDd in Form einer Abschrift ohne Sub skript erst gegen 402 in Bethlehem eintraf In diesem Jahr fragte Augustinus nach fünfjährigem Warten wegen dieses Briefes nach lIDd bat um Antwort (Epistula 67). Hieranymus' prompte Reaktion (Epistula 102) war zwei Jahre lang lIDterwegs zu Augustinus, der sich, von der UnterschlaglIDg nichts noch zweJiriiil m kurzer Fülg-e-oeCffieronymus meIaete lIDd auf Antwort drängte: mit Epistula deperdita I, worauf Hieranymus' Epistula 105 die Antwort ist, lIDd mit Epistula 71; zu letzterem Schreiben legte Augustinus die alte Epistula 28 sowie Epistulae 67 lIDd deperdita I dazu. Nach Erhalt dieser SendlIDg machte sich Hieronymus 404 endlich an eine Antwort in der Sache (Epistula 112). Er reagierte damit auf den Eingang von Epistula 71 samt Epistulae 28, 61lIDd deperdita I, antwortete aber inhaltlich auf 127 Zu dem aus der Forschungsgeschichte schon Dokumentierten kommen noch THIERRY, Dispute 484---491, der die Briefe in der völlig indiskutablen Reihenfolge 67 --- 102 --- 73 --- 71 --- 105 --- 112 bespricht und Epistula 82 schlicht vergißt, TOURSCHER, Correspondence 484: Epistula 73 antworte auf Epistulae 102, 103 und 105, HOFFMANN, BKV2 I 29,263: Epistula 73 sei die Antwort auf Epistula 105, und MORGENSTERN, Briefpartner 71, der keinen verlorenen Augustinusbrief ansetzt: Epistula 40 werde von Hieronymus mit Epistula 102 (wobei »69« Druckfehler ist, denn MORGENSTERN meint Epistula 68 inter Epistulas Augustinianas), Epistula 67 mit Epistula 105 beantwortet. DE VATHAIRE, Relations 490.491.493, läßt die Briefe 102 bis 112 der Reihenfolge der üblichen Zählung einfach aufeinander folgen
m.
(102 --- 71 --- 105 --- 73 - 112), und während eben noch (ebd. 493) Epistula 112 auf Epistula 73 antwortet, ist Epistula 112 dann doch (ebd. 494) Antwort aufEpistulae 28, 40 und 71, wo letztere doch schon (ebd. 490) mit Epistula 105 beantwortet sein soll. O'CONNELL, Correspondence 350, läßt auf Epistula 71 erst Epistula 105, dann auf Epistula 71 mit Epistulae 28 und 40 Epistula 112 (ebd. 354) und auf Epistula 105 Epistula 73 antworten (ebd. 352). Zu den Folgen solcher Fehlreihungen für die Dissertation von R. HENNINGS unten S. 172 561 . 128 Eine zutreffende Beziehung der Briefe aufeinander ist zu finden bei OVERBECK, Briefwechsel, BUCHWALD, Streit, und LANGE, Streit.
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Zweiter Teil: Liebe und Kritik
Epistulae 28,40 und 71, da er Epistulae 67 und deperdita I schon beantwortet hatte. währenddessen war Epistula 102 in Hippo Regius eingetroffen, auf die Augustinus mit Epistula 73 umgehend reagierte; zur Vermittlung wandte er sich an Praesidius (Epistula 74). Danach erhielt er zusammen Epistula 105, die zunächst bei Hieronymus liegengeblieben war, und Epistula 112, antwortete aber imJahr 405 erst nach Erhalt von Epistula 115, vermutlich Hieronymus' Reaktion aufEpistula 73, mit der die erste Phase abschließenden Epistula 82. i
TI. AUGUSTINS KONTAKTVERSUCHE VERSUS HIERONYMUS' DESINTERESSE Schon ein summarischer Blick über den geschilderten Verlauf dieser Korrespondenz einen ersten EindrllclFreundschaft< »zum beliebten Gegenstand der Reflexion im Brief«.I 34 Diese führt auf einige naheliegende Grundgedanken. Der Wunsch nach einem Gespräch mit einem abwesenden Freund erzeugt ja den Brief. Die damit angedeuteten Motive der öl.HAia (Brief _.. _. _____ . als Gespräch), der 1tapouQ"ia (geistige Anwesenheit eines körperlich Abwesenden) .und des - nach in der-antiken Bnefliteratur gang undgäbe und fmden sich auch in Augustins Briefwechsel mit Hieronymus. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß es sich bei den im folgenden zu besprechenden Phänomenen um zeittypische briefliche Topik handelt, will man nicht von vornherein idealisierenden Trugschlüssen über den Charakter der Beziehung zwischen beiden Briefpartnern erliegen. Zu einfach macht man es sich etwa, wenn man das 1to'ÖoC;-Motiv unbesehen als Ausdruck gegenseitiger Bewunderung und Anziehung wertet. 135 DochistIIli.t Qualifizierung als Klischee in vielen Fällen noch nicht alles gesagt. Eine klare Scheidung zwischen Konventionellem und Persönlichem im spätantiken Briefstil läßt sich nicht vornehmen. Es handelt sich um »persönlich gefärbte Konvention und gesellschaftlich stilisierte Individualität«. 136 Die gebildeten Briefschreiber der Spätantike sind nicht dilettantischemer Konvention versklavt, sondern bedienen sich ihrer bewußt· als des üblichen, ihnen wohlvertrauten Inventars, um in und mit den Konventionen ihre Individualität und Eigenart zum Ausdruck zu bringen. 137 Aus der Art und Weise, wie die Topoi des Freundschaftsbriefes in einem Briefwechsel eingesetzt sind, lassen sich durchaus Rückschlüsse auf die darin sich ausdrückende Einstellung der Korrespondenten zueinander ziehen. . unaHleronymus-me perSüoocli :Kerrnengelernt (epist. 40,1: faciem corporis tuinon vidimus). In den Monaten, in denen sie sich 383/384 zufällig gleichzeitig in Rom aufhielten, sind sich der damalige Sekretär des Bischofs Damasus und geistliche Führer römischer Damenzirkel und der sich langsam vom Manichäismus lösende, beruflich aufstrebende Rhetorikprofessor nicht begegnet. 13s Um das auszuglei131 Die grundlegenden Arbeiten--dazu -sind KOSKENNlEMI, Phraseologie; THRAEDE, Brieftopoi; OERS., Brieftopik. Ferner MALHERBE, Epistolary Theorists; CuGUSI, L'epistolografia; BRUGGISSER, Symmaque 17-24. 132 KOSKENNIEMI, ebd. 35-37.115-127; THRAEOE, Brief· topik 24f.125-146. Beispiele für Freundschaftsbriefe bei STOWERS, Letter Writing 58-70. 133 So Ps.·Dem. eloc. 231f. 134 THRAEDE, Brieftopik 126. 135 Gegen OE VATHAIRE, Relations 486mit 9. Ähnlich NOLTE, Freundschaftsideal 99 zu epist. 28,1: »Ausfluß glühender Liebe, die sich vereint findet mit ihrem Ziel«; VAN WORMER, Friendship 430 zu epist. 67,3; McNAMARA, Friendship 178 mit 438.179.181 (zu epist. 105,2-5: »attraction for Augustine against wounded pride«) im Anschluß an CAVALLERAS und OE VATHAIRES
Darstellungen; TOLOMIO, Girolamo-7-Hlf.·---Richtig ord· net HAI1JEMA, BriefWisseling 161f, die Phänomene ein. 136 THRAEDE, Brieftopik 3. 137 In diesem Sinn schreibt MARTI, übersetzer 143, zu typischen Motiven beim übersetzen: »Trotzdem kommt manchmal solchen schematischen Aussagen ein gewisser Realitätsgehalt zu, da die Spätantike nicht nur weitgehend in Topoi denkt, sondern sogar in ihnen lebt.« 138 THIERRY, Dispute 475; TOURSCHER, Correspondence 476-478; MORAN, Capitulo 330; KELLY, Jerome 217; MATTHEws, Aristocracies 212; WHITE, Correspondence 2mit 5; MORGENSTERN, BriefPartner 71; HENNINGS, Briefwechsel 24. Nähere Vermutungen wie die von LANGE, Streit 232, Augustinus habe »zweifellos von dem ge-
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Zweiter Teil: Liebe und Kritik
-A ugustins .Kontaktversuche versus Hieron:ymus' Desinteresse·
chen, knüpft Augustinus in Epistula 28 an Alypius' Besuch bei Hieronymus imJahr 393 an. Nach seiner Rückkehr habe dieser ihm eine detaillierte Beschreibung von Hieronymus' Aussehen gegeben, und so könne er, Augustinus, sich ein gutes Bild von Hieronymus machen. Noch mehr: Aufgrund der geistig-seelischen Identität zwischen sich und seinem Intimfreund Alypius (non . . . animo me atque illum,sed corpore duos, qui noverit, dixerit) 139 habe er selber mit Alypius' Augen Hieronymus in Bethlehem gesehen (epist. 28,1). Auch auf ihm kem Unbekannter_ mehr (epist. 40,1). . In diesen Äußerungen Augustins steckt aus der Motivik des Freundschaftsbriefes der Topos geistiger Verbundenheit bei körperlicher Abwesenheit, 140 freilich in mehrfacher Brechung und Abwandlung. Toposgemäß ersetzt sonst ein Brief den realen Kontakt. 141 In Epistula 71, in der Augustinus aLls seiner PersEektive von einer freundschaftlichen Basis geht, verwendet er eben diese motivische Einkleidung für die Aufforderung an Hieronymus zu einer Antwort auf Epistula 40 (epist. 71,6: ne te pigeat ad omnia respondere et praestare mihi, quantum potueris, praesentiam tuam, nämlich >in< einem Brief). In Epistulae 28 und 40 jedoch modifiziert er das Motiv, um mit seiner Hilfe nicht eine bereits gegebene freundschaftliche Beziehung zu pflegen, sondern eine solche zu konstituieren. Nicht >in< einem Brief, aber >in< Alypius ist Augustinus sozusagen zu Besuch bei Hieronymus gewesen, und nicht >in< einem Brief,. aber >in< seinen Schriften wardieseLschon bei ihm .präsenLWie sonst ein Brief als __ Spiegel der Persönlichkeit des Verfassers gilt,142 ist Alypius, Augustins alter ego, für Hieronymus gleichsam ein Bild, in dem er Augustins ansichtig wird (epist. 28,1).143 Und wie die individuelle Sprache (sermo) allgemein als imago cordis angesehen wird, Schriften für Augustinus ein Spiegel seiner Geistesart (epist. 40,1) .144 Nicht >in< Briefen also - solche hat es noch keine gegeben -, aber >in< Alypius und >in< Hie:ronymus' Schriften sei beim anderen präsent und sie einander >körperlich< und geistig bekannt. 145
Dem üblichen 1tupoomu-Motiv wie den augustinischen Variationen liegt derselbe Kerngedanke zugrunde, den Augustinus erneut modifuiert. Zum Motiv der geistigen Anwesenheit eines körperlich Abwesenden gehört die Anschauung, geistige Nähe sei mehr wert als körperliche. 146 Augustinus übernimmt diese übliche Gewichtung (epist. 28,1: exiguum quiddam tui minus habeo, praesentiam videlicet corporis; 40,1: libri paene te totum nobis exhibent),147 setzt die Akzente bisweilen aber auch anders. In Epistula 71 bedauert er die räumliche Distanz zwischen sich und Hieronymus, Kontaktden We.g zur geistigen Kommunikation eröffne (epist. 71,2: quam vim patiar, quod a me tam longe absunt sensus corporis tui, per quos adire possit ad animum tuum animus meus; ferner 166,1),148 So dürfte sich erklären, weshalb er in Epistula 28 soviel Nachdruck darauf legt, daß Alypius' Besuch bei Hieronymus auch eine >körperliche< Präsenz vermittelt habe (epist. 28,1: ego videbam, sed oculis_eius; illius ex.()!..e), Alypius' von Hieronymus' Äußerem einschloß. Darin steckt Augustins BemÜhen, die fehlende persönliche Bekanntschaft indirekt über Alypius herzustellen. Auf ein noch tieferes Fundament hat Augustinus die von Alypius vermittelte Verbindung mit Hieronymus zu' gründen gesucht. Er fordert Hieronymus zum brieflichen Gedankenaustausch auf, um die räumliche Distariz zu überwinden - darin steckt das 1tupoom,aMotiv -, »obwohl wir im Herrn >durch die Einheit im Geist< (Eph. 4,3) verbunden sind, auch wenn wir die Feder weglegen und schweigen« (epist.AO,l). Zum einen liegt hierdiein, patristischer Briefliteratur »ganz landläufige KreuzUng rhetorisch gestalteter Brieftopik mit Bibelzitat und Dogmatik« vor,149 im vorliegenden Fall die Christianisierung des Motivs der >Einheit im Geist< durch die Wendung in domino (ferner epist. 67,3: quod in Christo, quam possimus, simul simus) und durch den Rekurs auf Epb. 4,3 (unitas sPiritUS).150 Zum anderen bedeutet die christliche Überhöhung eine »Radikalisierung des 1tUpooO'tucMotivs«.151 Die >Einheit im Geist< wird nicht erst durch einen Brief realisiert, sondern existiert auch ohne schriftlichen Kontakt. Es ist die im gemeinsamen Glauben bestehende Einheit, nicht nur eine Verbundenheit auf geistiger Ebene, sondern die Einheit im Heiligen Geist. 152 Beides,
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lehrten Mönch gehört ... , der damals als Sekretär des 142 Ps.-Dem. eloe. 227: OXE30v yap Eilc6va Papstes Damasus und Seelenführer der vornehmsten S!lIl'tOU ypacpEt -riIv em(J'toldjv. Dazu besonders Damen zu den stadtbekannten Persönlichkeiten Roms zählte«, während Hieronymus von Augustinus »keine epist. 33,1 (CSEL 29, 302). --NOtiZ-genoinmen« habe, sind wegen fehlender Textbe:---"rDer spate Neuplatoniker Simplicius beschreibt im lege müßig. Kommentar zu Epictets Enchiridion die Funktion eines 139 FELDMANN, Alypius 252. In conf. 4,11 (CCL 27,45) Freundes generell in diesem Sinn: in Epict. ench. 37 sagt Augustinus in Anlehnung an Ov. trist. 4,4,72 ähn(355 HADOT): unoOrULoov 31: 'toov OiKdrov 6 lich von seinem früh verstorbenen Jugendfreund: ego napE<J'ttv 3ta 'tOU cp{A.oll sensi animam meam et animam illius unamfuisse animam 144 In epist. 205,1 (CSEL 57, 323f) bringt Augustinus _.. iii7liilii/jus (27,T37-tliennE rriirvitlLstudiaque-in Verbindung. Ferner Lc. 225 fratrem cordis mei, zu Augustins Epistula 248 fügt Alypius (57,454): ignotus quidem tibifacie sed iam aliquatenus ... einige Zeilen hinzu, ut unanimitatem nostram una etiam animo ac sermone compertus. Prägnant formuliert den Topagina testaretur: epist. 248,2 (CSEL 57,591): WERME- pos Basilius in epist. 9,1 (1,37 COURTONNE): LINGER, Alypius 259. - Hinter solchen Formeln steht 'toov 'I'IlXoov dmv oL Myot, etwas komplizierter der in der Antike verbreitete Topos vom Freund als alGregor der Wundertäter: orat. in Orig. 8 (FC 24, ter ego: BOHNENBLUST, Beiträge 39-41. 122). 140 Beispiele, Hieron. epist. 130,2 (CSEL 56, 176); 145 145 Im Ausdruck in litteris tuis in epist. 40,1 sind Schrif(56, 306): te mihi ignotum corpore mente sociavit; 153 (56, ten des Hieronymus gemeint, nicht Briefe, wie das sonst bei diesem Topos üblich ist (siehe die Beispiele oben 365f); Aug. epist. 194,2 (CSEL 57, 177); 229,1 (57, Anm. 141). Das ergibt sich aus eiem Kontext (epist. 497). 141 Hieron. epist. 5,1 (eSEL 54, 21): pro me tibi litteras 40,1: in littern tuis, in quibus benedicimus domino, quod tibi repraesento; com. in Gal. 6,11 (PL 26, 433f): seipsum per et nobis omnibusque fratribus, qui tua legunt, te talem dedit, litteras repraesentat (sc. Paulus); Aug. epist. 31,1 (CSEL womit die ibid. erwähnten libri, quos de horreo dominico 34/2, 1); 58,2 (34/2, 217f); 179,1 (44, 691): me littern elaborasti, gemeint sind) und aus der Situation: Abgese... visitare; 231,5 (57,507). hen von einer sehr kurzen Epistula deperdita I hat Au-
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OVERBECK, Briefwechsel 228 mit 2' Auch in epist. 28,2 unter Freunden 192. (sanctae litterae, die »Bibel«, wie oft), 40,9, 71,5, 73,6, 147 Ferner Aug. epist. 58,1 (CSEL 34/2, 217): Die Gnome, der Mensch kenne sich selbst, nicht weil er weiß, 82,3.6.22.36, 167,14 und 19",3 heißt litterae jeweils »Schriften«. In epist. 167,21 meint ecclesiasticae litterae wie er aussieht, sondern weil er weiß, wie er denkt »kirchliches Schrifttum« oder »kirchliche Wissen(epist. 40,1: si ... tibi non ob aliud notus es, nisi quia nosti schaft«, in epist. 112,22 sind die Hebraeae litterae »die animum tuum), ist ein Augustinus geläufiger Gedanke: Lc. 27,1 (34/1, 96); an. et orig. 4,21 (CSEL 60, 401f). hebräische Sprache«. In epist. 73,5 (tantae mihi autem in litteris tuis, quae in manus nostras venire potuerunt, appa-' 148 Solches Bedauern Augustins--auch--in-epist. 9,1 rent litterae) ist das Wortspiel so zu lesen, daß tantae (CSEL 34/1, 20); 27,1 (34/1, 95f); 31,3 (34/2, 2f); litterae »eine so außerordentliche Gelehrsamkeit« be205,1 (57, 323f): NOLTE, Freundschaftsideal94-99. deutet, während in littern tuis entweder mit »in Deinen 149 THRAEDE, Brieftopik 112. Schriften« wiederzugeben ist, da Hieronymus' Epistu150 Seitenstücke dazu bilden die beiden in etwa zeitgleichen Stellen bei Paul. Nol. epist. 5,9 (CSEL 29, 31) von lae deperdita I, 103 und 102, die Augustinus bis dahin 396: ut in diversis licet terris positi operantis in nobis spiritus erst erhalten hat, ein solches Lob kaum ermöglichen, oder doch mit »in Deinen Briefen«, wenn man nämlich unitatem tacita in corporibus separatis conexione, und 18,1 mit ALTANER, Schriften 2304 , annimmt, daß Augusti(29, 129) von 397/398: nam etsi regionum intervallis cornus an eine ihm zur Verfügung stehende Sammlung poraliter disparemur, spiritu tamen domini, in quo vivimus et sonstiger Hieronymusbriefe denkt. manemus (Apg. 17,28), ubique eJfuso coniuncti sumus, ut 146 Hieron. epist. 62,1 (CSEL 54, 583): maiora Spiritus unius corporis membra et cor unum et unam animam (Apg. vincula esse quam corporum; 153 (56, 365f): interiorque 4,32) habentes in uno deo. Jwmo ita sibi coniunctus sit, ut exterioris hominis damna non 151 THRAEDE, Brieftopik 122 (vgl. ebd. 124). sentiat; Paul. Nol. epist. 20,1 (CSEL 29, 143): quanto 152 Die Auskunft von THRAEDE, ebd. 125, der Aug. fortior came est spiritus, tanto potior est coniunctio animorum epist. 40,1 Hieronymus zuweist als epist. 67,1 int. epist.
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Zweiter Teil: Liebe und Kritik
sowohl die Einheit im Heiligen Geist als auch die Grundfonn des Motivs der geistigen Verbundenheit, kann die Junktur communio spiritus (epist. 28,1) bedeuten, da im 1tapoomaMotiv auch von christlichen Autoren spiritus im Kontrast zu corpus gebraucht wird und dann soviel wie animus heißt. 153 Ist die Einheit im Heiligen Geist gemeint, zielt sie allgemein auf ein übereinstimmendes christliches Leben und' Streben (ibid.: in unum nitimur), andernfalls auf ihre gemeinsamen geistigen Interessen, ihre theologischen Studien (ibid.: in domino stu
dium).154 Nimmt man die Aus- und Umgestaltungen des Motivs geistiger Verbundenheit bei körperlichem Getrenntsein zusammen, mit denen Augustinus seine beiden ersten Kontaktversuche eröffuet (epist. 28,1; 40,1), wird die breite Basis sichtbar,' die er für die gewünschten Kontakte mit Hieronymus schaffen will. Als gleichsam alter habe Bekanntschaft vermittelt und sogar eine >persönliche< Verbindung hergestellt. Umgekehrt habe Augustinus Hieronymus in dessen Schriften kennengelernt, so daß eine geistige Nähe entstanden sei. Auch daß Augustinus nunmehr Profuturus zu Hieronymus senden will (epist. 28,1.6) und ihm eigene Schriften mitgibt (epist. 28,6), zielt auf eine Pflege ihrer >körperlichen< und geistigen Verbundenheit. 155 Die >Einheit im Geist< finde ihren Ausdruck in gemeinsamen wissenschaftlichen Arbeiten und habe ihr tieferes Fundament in der Einheitim Heiligen Geist, im gemeinsamen_Glauben. __ ____ ______ __ _ Alle diese Modifuierungen der für Freundschaftsbriefe typischen Motivik dienen Augustins Intention, eine echte Freundschaft mit Hieronymus zu begründen: »In erster Linie also bist Du in der Gemeinschaft des Geistes, mit dessen Hilfe wir uns um dasselbe bemühen, sodann seit Du in seinem (sc. Alypius') Gesicht meiner ansichtig wurdest, mir-bereits freundschaftlich zugetan (iam diligis)« (epist. 28,1). Auf dieses iam. diligis zielt alles, und --.Jedes beiden Worte ist wichtig: ____ Zwischen amicitia und caritas (christliche Liebe< gemeint ist, sagen beide Autoren dies ausdrücklich dazu _ __ --------(epiSi:.-f05,4:pure et christiane diligere; 73]O:chrisiiana caritas). Im Ra.:Ill.nen dieser Seinaritlk sind die genannten Tennini zudem als Synonyme zu behandeln. 164 Augustinus erachtet caritas, dilectio und amor im paganen wie im christlichen Sprachgebrauch sogar prononciert als gleichwertig, wofür er mit Joh. 21,15-17 argumentiert, wo diligere und amare (uya1tuv und >zärtlichen Worte«248 entpuppen sich als reine Rhetorik. Was er da an Kontakt mit Augustinus herbeisehnt, ist im Rahmen keitsfloskeln durch einen barschen Ton verweist HOFUmgangssprache 7, schon für Plaut. Stich. 65; Amph.286. 243 Aug. epist. 23,1 (CSEL 34/1, 63f); 33,1 (34/2, 18f); 51,1 (34/2, 144f), wo der titulus verlorenging; 232,lf (57, 51lf): ENGELBRECHT, Titelwesen 33; DOMERC, Conventions 1, 10-13; DIVJAK, Birmenanrede 288. Überzogen sind freilich seine Erläuterungen zu Epistula 146 an Pelagius, »an elegant visiting-card«, in gest. Pel. 51-53 (CSEL 42, 104-106), detailliert besprochen von DEN BOEFr, Letter (das Zitat ebd. 76).
244 Weitere Beispiele für solches sincerissimus, jeweils mit caritas bzw. dilectio, bei DOMERC, ebd. 96f. 245 Zum 7tapoucna-Motiv darin KOSKENNIEMI, Phraseologie 184. 246 Epist. 29,1 (CSEL 54, 232f): THRAEDE, Brieftopoi 54f. Siehe oben S. 1l7 176• 247 KOSKENNIEMI, Phraseologie 169-172; 'THRAEDE, Brieftopik 165-173. Beispiele: Hieron. epist. 7,6 (CSEL 54, 31); 8 (54, 33). 248 LANGE, Streit 249. Ähnlich SIMARD, Querelle 38, illld KELLY, Jerome 265.
Augustins Kontaktversuche versus Hieronymus' Desinteresse·
Zweiter Teil: Liebe und Kritik
Daß Hieronymus' Etikettierung von Augustins Höflichkeiten als »Schmeicheleien« zum Teil freilich berechtigt ist, zeigt die übergroße, fast gestelzte Höflichkeit, mit der Augustinus sich Hieronymus näherte. Gerade wo die Floskeln und Klischees weitgehend (Epistulae 73 und 82) oder ganz (Epistulae 105 und 112) fehlen, wo gleichsam unmittelbar das lebendige Fleisch und Blut der Schreiber durchscheint, gerade da wird die KÜllstlichkeit solcher Epistolographie sichtbar. Dennoch hat Augustinus, anders als Hieronymus, in aller Konventionalität den konkreten Gehalt zu wahren gesucht. V andernorts darüber nach, wie die einzelnen im Präskript verwendeten Titel und Epitheta zu verstehen seien. 243 So hält er Hieronymus' Vorwurf, er schmeichle ihm bloß, betont entgegen: »Glaub' nicht, ich hätte Deine Vorzüge ... aus hinterlistiger Schmeichelei erwähnt!« (epist. 82,33), und weist die in dem Sprichwort vom »mit Honig bestrichenen Schwert« steckende Verdächtigung ärgerlich zurück (epist. 82,2). Eine Beteuerung wie die in epist. 82,30: »0 heiliger Mann, dem ich, so wahr Gott meine Seele sieht, aufrichtig zugetan bin«, -------will er nicht als bloße Phrase aufgefaßt wissen. Wenn er Hieronymus als mi .frater carissime (epist. 73,2; 82,3: mi .frater) oder, singulär und recht intim, als mi .frater dulcissime (epist. 71,2) anredet, dann ist das angesichts der Lage der Dinge zu diesem Zeitpunkt gewiß nicht Realität und insofern Konvention, aber in und mit der konventionellen Phraseologie drückt Augustinus doch, anders als Hieronymus in epist. 105,5, seinen aufrichtigen Wunsch nach echter Freundschaft aus _28 und 40 tit. l1aj: eb_enfalls diesen Beiklang244 ).
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der konkreten Umstände völlig utopisch. Was real möglich wäre, nämlich ein brieflicher Diskurs, dem verweigert er sich gerade in Epistula 102. Es liegt ähnlich wie bei der Wendung mi amice carissime (epist. 105,5).249 Wird ein Topos derart kraß im Widerspruch zum Tenor des betreffenden Briefes verwendet, verkommt die Topik vollends zu leeren Floskeln. Anders einmal mehr Augustins Reaktion darauf. Er macht sich diesen utopischen WUIlS>lcn meine, Du mit Deiner Klugheit wirst einsehen, daß Du den Titel aus dem Werk selbst hättest ersehen können« (epist. 112,3).275 Alle anderen Anliegen hat er schlicht ignoriert.
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268 OVERBECK, Briefwechsel 247, wertet das Schreiben zu Recht als »gleichgültiges Billett«. Das würde, da es um Bieronyrnus' Crundhaltung geht, auch bei einer Spätdatierung von Epistula 103 gelten (dazu oben S. 94f). 269 Dazu unten S. 131-139. 270 OVERBECK, Briefwechsel 226; SCHMID, FlorPatr 22, 28.36f; LA BONNARD!ERE, Informateur 44; HENNINGs, Briefwechsel 33. m Beispielsweise Bieron. epist. 61,2 (CSEL 54, 577); 62,2 (54, 583f); 84,7 (55, 128) mit Verweis auf 1 Thess. 5,21; 85,4 (55, 137). 272 Besonders vir. ill. 54 (l54f CERESA-CASTALDO): inmortale eim ingenium, ebenso com. in Tit. 3,9 (PL 26, 595). Ferner Orig. horn. in Ez. praef. Bieron. (CCS 33, 318) und Bieron. !ib. int. Hebr. nom. praef. (CCL 72, 59): alter post apostolum (sc. Paulus) (bzw. apostolos) eccle-
siarum magister, dazu apol. c. Ruf. 1,24 (CCL 79, 24); Orig. princ. praef. 1 Ruf. (CCL- 20;-245-};- Ruf. apob c. Bieron. 2,19 (CCL 20,97): CAVALLERA,Jerome 2,116 -121; BARDY, Magister. 273 Bieron. epist. 61,lf (CSEL 54, 576f); 62,2 (54, 583f); 84,2 (55, 121); 84,7 (55,128); apo!. c. Ruf. 2,23 (CCL 79, 59f); 2,34 (79, 71); 3,9 (79, 82); 3,27 (79, 98): CAVALLERA, ebd. 121-127; KEILY, Jerome 233f. 302-304; CLARK, Controversy 38 270 , 274 Dazu unten' S. 131-133. LA BONNARDIERE, Informateur 44, sieht Bieronyrnus' »reponse« in der Übersendung des dritten Buchs der Apologie gegen Rufin (epist. 102,3). Das diente aber einem anderen Zweck: unten S. 138. 275 WHITE, Correspondence 20: »a point whichJerome interpreted as an insult«.
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