Marwan Abou-Taam · Jost Esser · Naika Foroutan (Hrsg.) Zwischen Konfrontation und Dialog
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Marwan Abou-Taam · Jost Esser · Naika Foroutan (Hrsg.) Zwischen Konfrontation und Dialog
Marwan Abou-Taam Jost Esser Naika Foroutan (Hrsg.)
Zwischen Konfrontation und Dialog Der Islam als politische Größe Mit Beiträgen von Iring Fetscher, Herbert C. Kelman, Bernard Lewis, Walter Reese-Schäfer, Rainer Tetzlaff, Michael Wolffsohn, Naika Foroutan, Marwan Abou-Taam, Thorsten Hasche, Daniela Heuer-Vogel
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Frank Schindler / Verena Metzger VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17279-8
Vorwort
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Inhalt
Vorwort
7
ThorstenHascheundDanielaHeuerVogel Einleitung.BassamTibi:ErnsthafterMahnerzwischenden Zivilisationen.
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EnglischunddeutschsprachigeWerkevonBassamTibi
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HerbertC.Kelman NationalismandNationalIdentity:ASocialPsychological Analysis
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BernardLewis DemocracyandReligionintheMiddleEast
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MichaelWolffsohn Waseintoderwastrennt„dieAbrahamitischenReligionen“? ausjüdischerSicht.
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IringFetscher FrommeMuslimeundIslamismus
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NaikaForoutan Zivilisationskonflikte–zurWirkungsmachteinerHyperrealität
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6
Inhalt
MarwanAbouTaam EuroIslam–IdeeoderIdeal?
117
RainerTetzlaff MuslimeinEuropazwischenAnpassungundAbwehr– AnmerkungenzumThemaIslamunddersäkulare Verfassungsstaat
131
WalterReeseSchäfer JenseitsvonKulturkampfundRückkehrderReligionen.Tibi, HabermasundRatzinger
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Autorenverzeichnis
177
DieHerausgeber
178
Vorwort
7
Vorwort Vorwort
Schon während der Kreuzzüge entstand in der christlichen Welt ein wider sprüchlichesBildvomIslam.WährendvielechristlicheGelehrteinBezugaufden Islam von einer philosophischen Nation sprachen, entgegneten andere mit dem BildeinerfeindlichenundfalschenReligion.DiesegroßeSpannunginderBewer tungbegleitetunsbisindieGegenwartundfindetinderislamischenWelteine Parallele, die man mit dem Oberbegriff „HassLiebe“ umschreiben kann. Von BewunderungbisAblehnunglassensichalleMotivewiederentdecken,wobeidie jeweilige Wahrnehmung gewissermaßen eine Reflexion der eigenen Identität darstellt.SokonstruierenKritikerimIslameinnegativesGegenbildeinerideali sierten Selbstdarstellung, während auf muslimischer Seite in den Werten des WestensaggressiveUnterdrückungsmechanismengemutmaßtwerden,wenndas eigene Zurückbleiben hinter den Erfordernissen der Moderne bemängelt wird. Dieses gegenseitige Misstrauen basiert auch auf einer jeweils spezifischen Inter pretation historischer Ereignisse. Anders formuliert: Die Scharfmacher beider SeitenverzerrendasBilddesjeweiligenGegnersundzeichnendamiteinAbbild dessen, was sie erklärtermaßen für sich ablehnen, unabhängig davon ob dieses der Realität entspricht oder nicht. So beanspruchen Muslime die Wahrheit für sich, während sie den Christen vorwerfen die Worte Gottes verdreht zu haben. Christen behaupten, ihre Religion predige den Frieden, während im Islam eine ReligionderGewaltgesehenwird.Sowohldiejeweiligenvonsichselbstgezeich neten Idealbilder als auch die negativen Projektionen entsprechen jedoch nicht realen Situationen – so wie bei Wunschbildern und Idealbildern gemeinhin üb lich. KeinerprägteinDeutschlanddasBilddesIslammehralsKarlMay.Insei nen orientalischen Geschichten verfuhr er nach Stereotypen und transportierte die Vorurteile seiner Zeit. Dabei hatte er die meisten Länder und Völker, die er beschrieb, nie mit eigenen Augen gesehen. Muslime sind für Karl May brutal, rückständigundlasterhaft;siesindVerlierer.VielepopuläreVorstellungenvom Islam, die im 19. Jahrhundert vorherrschten, haben sich bis heute kaum weiter entwickelt, teilweise gar verstetigt. Während jedoch das Islambild im 19. Jahr hundert eher feminine Konnotationen wie Verruchtheit, Exotik und Erotik – bedingtdurchdieBildervon1001Nacht–mitsichführte,hatsichdieAssoziati
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Vorwort
on mit der islamischen Welt im 21. Jahrhundert stark maskulinisiert und wird vorrangigmitGewalt,RohheitundTerrorinVerbindunggebracht.Interessantan manchen Islamperzeptionen ist die Tatsache, dass weder die Befürworter eines positiven Islambildes noch diejenigen, die im Islam ein Feindbild sehen, eigene ErfahrungenmitMuslimenbzw.mitdemIslamhatten.DieAuseinandersetzung mitdemIslamalsFeindbildoderalsVorbildspiegeltinderjeweiligenEntwick lung die Geschichte des christlichabendländischen Selbstverständnisses wieder. ÄhnlichließensichdieislamischenVorstellungenüberEuropaerklären. InderBegegnungzwischenIslamundAbendlandgabesdurchausLichtbli cke.EuropäischePersönlichkeitenwieLessing,Herder,Goetheundanderewür digten die kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen der Muslime. Ihnen ging es um eine genaue Kenntnis, ein gerechtes Urteil und um die Beseitigung vonVorurteilen,dieeineechteAuseinandersetzungmitdemIslamalsReligion, Zivilisation und Kultur verhindern. Das Bild der Muslime als Barbaren wollten die Verfechter der Aufklärung nicht stehen lassen. Sie leisteten eine Re Interpretation der Geschichte. Für Johann Gottfried Herder sind Muslime die „Lehrer Europas“. Eine durchaus sympathische Idee, die jedoch heute differen zierter betrachtet werden muss. Im Kern ließe Bassam Tibis Lebenswerk sich eben in dieser notwendigen Differenzierung zusammenfassen. Dabei bedient er sichnichtnurseinerhervorragendenKenntnisderislamischenZivilisation,viel mehr setzt er seine „Wissenschaft als Beruf“ ein, um Erkenntnisse aus den ihm vorliegendenTatsachenabzuleitenundinLösungskonzeptenumzuarbeiten.Das brachteihminislamischkonservativenKreisendenVorwurfein,erwürdedurch die unkritische Adaption europäischer Philosophien den islamischen Glauben „umdeuteln“. Dabei reiht sich Tibi in die lange Liste islamischer Geisteswissen schaftlerein,diedieVernunftindasZentrumgesellschaftlichenHandelnsrück ten.Soargumentiertebereitsim14.JahrhundertIbnKhaldun,dassdiegrundle genden Ursachen geschichtlicher Entwicklung in den gesellschaftlichen und sozialenStrukturengesuchtwerdenmüssen.ErfolgtedemGrundsatz,dassdies beobachtbare Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt lieferte, während das, was mitderEmpirienichtübereinstimmt,verworfenwerdenmüsse. JeneSymbiosezwischenislamischemundwestlichkartesianischemDenken, dieauchBassamTibiinseinenWerkenanwendet,umseineSchlussfolgerungen zutreffen,erinnertandieLeistunggroßerislamischerPhilosophenwiealFarabi, IbnRushd,IbnSina,IbnKhaldun,dieihreislamischeIdentitätmitdenLeistun gen der aristotelischen und platonischen Philosophie versöhnten und daraus einenunermesslichengeistigkulturellenFundusziehenkonnten.Sieprofitierten nicht nur von der griechischen Philosophie, vielmehr entwickelten sie im Aus
Vorwort
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tausch mit jüdischen und christlichen Philosophen die Errungenschaften der Griechen weiter und übermittelten der Nachwelt und auch Europa das gewon nene Wissen. So hatte Averroes (Ibn Rushd) große Wirkung in der christlichen Scholastik. Sein Denken initiierte heftige Kontroversen in der christlichen Welt des13.Jahrhunderts.SeineLeistungbestanddarin,dasserinseinenKommenta renzuPlatonsRepublikundzuAristotelesdieForderungvertrat,dasseinScho lastikereinen–auchmissliebigen–Standpunktvertretenkannunddarf,wenner ihn methodisch sauber begründet. Bassam Tibi hat für sich und seine Schriften diesen Standpunkt verinnerlicht, weswegen er bis heute heftige Kontroversen auslöst, denn er ist radikaler Vertreter der Aufklärung ohne seine islamische Identitätzuleugnen.DamitpräsentiertersichfürKritikeraufdereinenSeiteals „Verräter“anderGemeinschaftderMuslime,weilerdasFehlverhaltenvonTei len der muslimischen Migranten in westlichen Einwanderungsländern stark anprangertundstetigaufdieGefahrendesIslamismushinweist–fürAnderegilt eralsAußenstehender,derdurchdieeigene„Nestbeschmutzung“nichtmehrals VertreterderislamischenCommunitysprechenkann,aberalsMigrantauchnicht wirklichfürdieBelangeEuropasrepräsentativist. Schaut man sich die heutigen relevanten politischen Diskussionen Europas an,sofälltsofortauf,dasszweiThemeneinezentraleRolleeinnehmen:DieMig rationvonMenschenausislamischenKulturkreisensamtderSchwierigkeitendes beidseitigen Integrationsprozesses und die Sicherheitspolitik. Diese beiden The men sind im Schatten des internationalen Djihadismus miteinander verknüpft undstelleneinemassiveHerausforderungfürdiefreieGesellschaftdar.Bassam Tibi versteht wie kaum ein anderer die gebrochene Identität der Europäer und kann die Denkstruktur der Muslime so nachvollziehen, dass er als Mittler zwi schendenZivilisationenwirkt. DieBeschreibungderheutigenLagekommtnichtohnedievonProf.Bassam TibigeprägteBegrifflichkeitaus.SeineWerkesindinvielenSprachenübersetzt, erberätRegierungen,voralleminderislamischenWelt,undsicherheitspolitisch relevanteInstitutionen,dennseineIdeenversuchenzuvermitteln,ohnedieReali tätideologischzuverbiegen.ErsprichtProblemeanunddasschafftihmFeinde. Tibi hat viele wissenschaftliche Werke publiziert, die immer noch autoritativ sind.Langevordem11.SeptemberwarnteervordentotalitärenZügendesisla mischen Fundamentalismus und machte deutlich, dass Politik und Gesellschaft dierichtigenAntwortendarauffindenmüssen.Daherpropagierteerschonfrüh denEuroIslam,alsVersuch,zwischendemIslamundEuropaFriedenzuschaf fen.HeutesindseineIdeenselbstverständlich,sieprägendasDenkenVieler,die ihn,ohneeszuwissen,fortdauerndzitierenundimgleichenAtemzugkritisieren.
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Vorwort
Diese Festschrift versucht eine thematische Linie in Bassam Tibis Denken nachzuzeichnen. Von der Untersuchung des arabischen Nationalismus über die Bedeutung von Demokratisierung, Religion und Weltanschauung in politischen Konflikten, der Durchleuchtung der sicherheitspolitischen Implikationen des Religiösen und der Zivilisationen bis zur Rolle des interreligiösen Dialogs und demKonzeptdesEuroIslamsalsVersöhnungsprojektumfasstseinLebenswerk sowohl wissenschaftliche als auch persönliche Leistungen, die es zu würdigen gilt.DemmöchtenwirmiteinerReihenamhafterAutorennachkommen. MarwanAbouTaamundNaikaForoutan GöttingenundBerlinimSeptember2010
Einleitung
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Thorsten Hasche und Daniela Heuer-Vogel
Einleitung BassamTibi:ErnsthafterMahnerzwischenden Zivilisationen. Einleitung
LebenundWerkBassamTibis Bassam Tibi wurde am 4. April 1944 in Damaskus in die Damaszener NotablenfamiliederBanualTibigeboren.ErabsolvierteinDamaskus dasfran zösische Baccalauréat. Um auf Wunsch der Eltern eine europäische Hochschul ausbildungzuerhalten,migrierteeram26.10.1962nachDeutschland.Nachdem er1964dasdeutscheAbiturerlangthatte,studierteervon1965bis1971inFrank furtamMain Sozialwissenschaften,Philosophieund Geschichte.1971schlosser seinStudiummitderPromotionzumDr.phil.ab.ZuseinenakademischenLeh rern in Frankfurt gehörten Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Jürgen Ha bermasundIringFetscher. Noch vor der Erlangung der Promotion begann die reichhaltige und um fangreiche Publikationstätigkeit von Bassam Tibi. Dies geschah zunächst vor alleminseinerMuttersprache,demArabischen.AusseinenregenTeilnahmenan KonferenzeninderarabischsprachigenWeltgingbereits1969seinErstlingswerk DiearabischeLinke–eineeigensangefertigteÜbersetzungausdemArabischen– hervor. 1971 erschien seine Dissertationsschrift Nationalismus in der Dritten Welt am arabischen Beispiel. Seine Bücher Militär und Sozialismus in der Dritten Welt: AllgemeineTheorienundRegionalstudienüberarabischeLänder(1973)sowieInternati onalePolitikundEntwicklungsländerforschung.Materialienzueinerideologiekritischen Entwicklungssoziologie (1979) wurden bereits vom renommierten Suhrkamp Ver lagveröffentlicht. In dieser frühen Phase der Werkentwicklung zeichneten sich deutlich zwei verschiedene Themenkomplexe beziehungsweise Pole ab. Auf der einen Seite standdieintensiveAuseinandersetzungmitderpolitischenKulturundderpoli tischenDynamikdesarabischenRaums–dereigenenHeimatregion–imMittel
M. Abou-Taam et al. (Hrsg.), Zwischen Konfrontation und Dialog, DOI 10.1007/978-3-531-93001-5_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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ThorstenHascheundDanielaHeuerVogel
punkt des wissenschaftlichen Schaffens von Bassam Tibi.Auf der anderen Seite warendiefrühenWerkebereitsengindieetabliertenThemendeseuropäischen und deutschen Wissenschaftsbetriebs eingebunden, d.h. seine wissenschaftliche AuseinandersetzunggeschahaufderGrundlagederpolitischenIdeengeschichte und Nationalismusforschung, der Entwicklungsländer und der Sozialismus forschung.DamitnahmBassamTibibereitszuBeginnseinerakademischenKar riere die Stellung eines kritischen, reformorientierten Teilnehmers an akademi schenundpolitischenProzesseninderarabischenWelt,aberauchdesAufklärers inDeutschlandundEuropaüberpolitischeVorgängeimNahenOstenein. Schon1973,mitgerade29Jahren,erhieltBassamTibinacheinerLehrstuhl vertretunginHeidelbergdenRufaufdenLehrstuhlfürInternationaleBeziehun genanderGeorgAugustUniversitätGöttingen.1981habilitierteeranderUni versität Hamburg, blieb aber, trotz verschiedener anderer Rufe, bis zum Ende seiner akademischen Laufbahn der Göttinger Universität treu. Nach der Ableh nungeinesRufesandieUniversitätBergen/NorwegenalsNachfolgervonStein RokkanwurdeBassamTibi1988LeiterderneugegründetenAbteilungfürInter nationale Beziehungen. Von der Göttinger Heimatuniversität aus startete er in den 80er Jahren seine akademischen Reisetätigkeiten, die ihn zu insgesamt 18 Gastprofessuren in verschiedene Länder Afrikas und Asiens sowie in den USA führensollten.IndenUSAfeierteBassamTibiimRahmenseinerGastaufenthalte die größten Erfolge. Von 19822000 war er in verschiedenen Positionen an der Harvard Universität tätig, darunter von 1998 bis 2000 als „The Bosch Fellow of Harvard“. In dieser Phase seines Lebens nahm auch die Ausrichtung seines wissen schaftlichen Werks vielfältige neue Formen an. War sein Fokus zuvor auf die Entwicklung der arabischen Staaten aus der Perspektive staatlicher Strukturen und politischideologischer Strömungen gerichtet, untersuchte er die Entwick lungsproblematikderarabischenLändernunalsErgebnisdergesellschaftlichen Funktion und Stellung des Islam. Als Reaktion auf das Eindringen westlicher Gesellschaftsstrukturenund WertvorstellungenindieislamischeWeltverschlie ßesichdiesegegenübernotwendigenAnpassungsleistungenundsucheihrHeil ineinerreligiösbestimmten,defensivkulturellenGrundhaltung,sodieAnalyse in dem 1981erschienenen Buch Die Krise des modernen Islams. Eine vorindustrielle Kultur im wissenschaftlichtechnischen Zeitalter. Diese Überlegungen arbeitete er weiter zu dem 1985 erschienenen Buch Der Islam und das Problem der kulturellen BewältigungsozialenWandelsaus.PolitischsäkulareIdeologienunddasarabische Staatensystem blieben mit Vom Gottesreich zum Nationalstaat. Islam und Panarabi scherNationalismus(1987)sowieKonfliktregionNaherOsten.RegionaleEigendynamik
Einleitung
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undGroßmachtinteressen(1989)imBlickfeldvonTibisUntersuchungen,sodassin Islamischer Fundamentalismus, Moderne Wissenschaft und Technologie (1992) seine Auseinandersetzungen mit der modernen araboislamischen Welt einen ersten Abschlussfanden.AusgehendvonderzunächstpolitologischenAnalysestaatli cherStrukturenüberdenWechselzurgroßenBedeutungderReligiondesIslam war Bassam Tibi bei einer umfassenden Analyse der komplexen gesellschaftli chen Wandlungsprozesse der araboislamischen Welt in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhundertsangelangt. MitdemzweitenGolfkrieg19901991kamderDurchbruchinderdeutschen Medienlandschaft und Öffentlichkeit. DurchTibisAnalysen des Konfliktgesche hens im deutschen Fernsehen konnten die von ihm schon zuvor behandelten Themen neue und größere Aufmerksamkeit gewinnen. Der Islam bekam einen festen Platz in der deutschen und europäischen Kulturlandschaft und Bassam TibiwurdealsAufklärerundVermittlerwahrgenommen.HöchsteAnerkennung dieser Entwicklung zeigte die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse durchdendamaligenBundespräsidentenRomanHerzogam5.Oktober1995an Prof.Dr.BassamTibi.BeiallenErfolgenhattediesePhaseaberauchihreSchat tenseiten. Der große Bekanntheitsgrad und die mediale Präsenz in der TV LandschaftunddenPrintmedien(vorallemalsregelmäßigerAutorbeiderFAZ) führtenzuKonfliktenmitKollegen.AnderRezeptionderArbeitenBassamTibis in Deutschland zeigten sich die positiven wie negativen Seiten der deutschen AuseinandersetzungmitdenThemenIslam,WeltpolitikundIntegration.Sowohl dieAnerkennungderLeistungenBassamTibisalsauchdieÄngsteundVorurtei levordemIslamalsReligionundkulturellemSystemlassensichanderWirkung seinesWerkesdeutlicherkennen. Sein Schaffen als Autor gewann währenddessen weiter an Bandbreite. Auf der Basis seiner nun großen öffentlichen Bekanntheit entschied sich Tibi dazu, Publikumsbücherzuschreiben,diewissenschaftlichfundiertnichtnurderFach öffentlichkeit, sondern einem breiten, interessierten Klientel zugänglich sein sollten. Dafür nahm er sich eines weitläufigen Themenkomplexes an, der von dem Verhältnis des Islam zu den allgemeinen Menschenrechten in Im Schatten Allahs. Der Islam und die Menschenrechte (1994) über die zentrale Bedeutung von Verschwörungskonzeptionen für die Konstitution der Politik der arabischen Länder in Die Verschwörung. Das Trauma arabischer Politik (1993) bis zu seiner leidenschaftlichen Stellungnahme zum weltpolitischen Verhältnis zwischen der westlichenundderislamischenWeltinKriegderZivilisationen.PolitikundReligion zwischen Vernunft und Fundamentalismus (1995) reichte. Dieses Buch sorgte im KontextderweltweitenAuseinandersetzungenumdenvonSamuelP.Hunting
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ThorstenHascheundDanielaHeuerVogel
ton eingeführten Clash of Civilizations für eine heftige Konfrontation zwischen AnhängernundGegnernderThesenHuntingtons.ObwohlsichTibimitseinem BuchKriegderZivilisationenbewusstvonHuntingtonsÜberlegungenabgegrenzt hatteundvoneinemdifferenzierterenVerhältniszwischendengroßenWeltzivi lisationenausging,konnteerseinKonzeptderZivilisationskonfliktenievonder BelastungdurchdieHuntingtonDebattelösen. NebenseinemWirkenimdeutschsprachigenRaumschaffteBassamTibiin den90erJahrendurchseineenglischsprachigenVeröffentlichungendenendgül tigenDurchbruchinseinermittlerweilezweitenakademischenHeimat,denUSA. Mit seinen 1993, 1998 und 2001 erschienenen Büchern Conflict and War in the MiddleEast.FromInterstateWartoNewSecurity,TheChallengeofFundamentalism. Political Islam and the New World Disorder und Islam Between Culture and Politics konnteerseineForschungzurRolledesIslamunddesIslamismusinderWeltpo litikindieenglischsprachigenDebattenüberführenundseineRollealsVermittler zwischen der islamischen und westlichen Welt auch dort einnehmen. Bis heute geltenseineWerkeTheCrisisofModernIslam.APreindustrialCultureintheScienti fic Technological Age (1988) und Islam and the Cultural Accommodation of Social Change(1990)fürvielealsStandardwerkedermodernensozialwissenschaftlichen AnalysedesmodernenIslaminderenglischsprachigenForschungslandschaft. AngeregtdurchseineErfahrungenundReisenseitden1980erJahreninder außerarabischen Welt des Islam Nordafrikas, Westafrikas und Südostasiens sowiediezunehmendeislamischePräsenzinEuropa,entwickelteBassamTibi– erstmalsartikuliert1992inParis–dasKonzepteinessäkularenundeinemWer tepluralismus verpflichteten „EuroIslam“. Damit hatte sich bis zum Ende der 1990er Jahre ein weiterer gewichtiger Wechsel in der Ausrichtung seines Werks ergeben.VonseinenfrühenÜberlegungenzurarabischenWeltausderPerspek tive europäischwestlicher Forschungsfragen war er über die Einbeziehung der RolledesIslamunddievielenaufForschungsreisengemachtenFelderfahrungen zueinerKonzeptiondesIslamundIslamismusalsFaktoreninderglobalisierten Weltpolitik, die bis in die europäische IslamDiaspora wirken, angelangt. Diese Aspekte sind es auch, die in der von Prof. Tibi begründeten Disziplin der Islamologie,einerhistorischsozialwissenschaftlichfundiertenAnalysedesIslam, imZentrumstehen. Insgesamt kam es indiesen sehr produktiven und allen Kontroversen zum Trotz erfolgreichen Jahren für Bassam Tibi zu einer intensiven und kritischen Auseinandersetzung mit seinen internationalen und nationalen Kollegen wie CliffordGeertz,SamuelP.Huntington,FrancisFukuyama,DieterSenghaasund Jürgen Habermas, in der es ihm vor allem darauf ankam, die säkularen Errun
Einleitung
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genschaften der kulturellen Moderne gegenüber den neoabsolutistischen Gel tungsansprüchen islamischer Fundamentalisten zu verteidigen. Die heftigsten Kontroversen bestanden dabei mit Vertretern eines postmodernen Kultur und Gesellschaftsverständnisses. Als Folge der scharfen Kritik und Polemik der Kollegen und Journalisten vor allem am häufig falsch verstanden Begriff des „Zivilisationskonflikts“ und demKonzepteines„EuroIslam“nahmdiemedialePräsenzvonBassamTibiab. DafürverlagertesichseinForschungsschwerpunktüberdieErnennungzumA.D. WhiteProfessoratLargeanderCornellUniversityimJahr2004sowiediePositi onen als Senior Research Fellowship am Center for Advanced Holocaust Studies in WashingtonundanderYaleInitiativefortheInterdisciplinaryStudyofAntisemitism deutlicheralsjezuvorindieUSA.AufdieseWeisekonnteersichanseinerAb teilung für Internationale Beziehungen an seiner Heimatuniversität Göttingen ungestörter als zuvor den eigenen Buchprojekten widmen. Daneben blieb er durchAufenthalteanderNationalStateUniversityinSingapursowiedieBeteili gung an reformislamisch orientierten Konferenzen in Europa und Nordafrika derinternationalenDiskussionumdiekulturelleundreligiöseReformierungdes Islamengverbunden. MitseinenletztenbeidendeutschsprachigenBüchernDieislamischeHeraus forderung.ReligionundPolitikimEuropades21.Jahrhunderts(2007)undEuroIslam. Die Lösung eines Zivilisationskonflikts (2009), aber allen voran mit seinen letzten zweivonRoutledgeundderYaleUniversityPressverlegtenenglischsprachigen Werken,Islam’sPredicamentWithModernity.ReligiousReformandCulturalChange (2009) und Islamism and Islam (i. E. 2011) schließt Bassam Tibi sein Lebenswerk aus einer kulturtheoretisch fundierten und normativ eng mit der Horkheimerschen Traditionder kritischen Theorie verbundenen Perspektive ab. DerIslamistundbleibtseinesErachtensderwohlentscheidendekulturelleFak tor in der islamischen Welt und weiten Teilen der inzwischen globalen Islam Diaspora.UmeinweiteresVordringenderoftmalsradikalenWertvorstellungen des islamistischen Gedankenguts zu verhindern, muss es in der westlichen und islamischen Welt zu einer offenen und umfangreichen Diskussion über den Er folgdesIslamismuskommen. Somit stehen am Ende der 40jährigen akademischen Karriere von Bassam Tibi nicht nur 28 auf Deutsch und neun auf Englisch veröffentlichte Bücher zu Buche,diein16SprachenübersetztwordensindundeineAuflagevoninsgesamt etwa 500.000 Exemplaren erreicht haben. Vielmehr steckt in diesem Werk die Entwicklungderdeutschen,europäischenundinternationalenForschunginden historisch ausgerichteten Sozialwissenschaften der vergangenen vier Jahrzehnte,
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ThorstenHascheundDanielaHeuerVogel
die Prof. Dr. Tibi mit einem ungeheuren Gespür für Problemstellungen und Themenkomplexestetsantizipiertundsukzessiveverarbeitethat.DieWeltpolitik kann–unddieswirdvorallemausTibisBücherndervergangenenJahredeutlich –nichtmehrnurausderPerspektiveeineswestlichenZentrumsbeschriebenund analysiert werden. Die aus den Kolonialisierungs und Dekolonialisierungs dynamiken hervorgegangenen strukturellen und kulturellen Machtasymmetrien zugunstenderwestlichenWeltsindeinerneuen,nochungewissenStrukturstär kerer kultureller und struktureller Ausgeglichenheit gewichen. Dem Islam als WeltregionunddempolitischenIslamalsIdeologieeinerreligionisiertenPolitik kommen dabei eine zunehmend bedeutendere Rolle zu. Daher benötigen die wissenschaftlicheFachweltunddieinteressierteÖffentlichkeit,PolitikundMedi en auch in Zukunft Menschen wie BassamTibi, die aufgrund ihres Lebens zwi schenverschiedenenkulturellenundzivilisatorischenLebensweltenalsernsthaf teMahnerundkritischeVermittlerwirkenkönnen.
AufbauundKonzeptionderFestschrift ZieldieserFestschriftistes,sichzumAbschlussderakademischenKarrierevon Prof. Dr. Tibi mit den von ihm behandelten Themen innerhalb des komplexen und globalen Zusammenspiels zwischen islamischen und westlichen Gesell schaftsordnungenundWertvorstellungenauseinanderzusetzenunddieBedeu tung seines Werks für die internationale Wissenschaftsgemeinde auszuloten. Dazu tragen verschiedene Autorinnen und Autoren zu dieser Studie bei, die bereits seit vielen Jahren durch verschiedene Funktionen und Positionen mit WerkundPersonBassamTibisvertrautsind. DieFestschriftbeginntmiteinemBeitragvonHerbertKelmanzurRolledes NationalismusfürdiemodernearabischeWelt.MitseinemAufsatz“Nationalism and National Identity: A SocialPsychological Analysis” evaluiert er die sozial psychologische Rolle des Nationalismus als bedeutendes individuelles Identi tätsmerkmal und kommt zu dem paradoxen Befund, dass Nationalismus eine TriebkraftaberauchHindernisdermenschlichenGesellschaftsentwicklungsei. Der Historiker und Publizist Bernard Lewis beleuchtet in seinem Beitrag „Democracy and Religion in the Middle East“ das schwierige Verhältnis zwi schen der Religion des Islam und der aus Europa stammenden politischen Idee derDemokratie.DabeibetontersowohldiepolitischenMomentederislamischen DoktrinundGeschichtealsauchdenWandelinderislamischenWeltvonNatio
Einleitung
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nalismusundSozialismusalspolitischenLeitideenzudem,wasunterdenBegrif fendesislamischenFundamentalismusundIslamismusgefasstwird. Dem Themenkomplex Universalismus und moralischer Geltungsanspruch widmet sich Michael Wolffsohn mit seinem Text “Was eint oder trennt “die AbrahamitischenReligionen?”–ausjüdischerSicht“.TextkritischaufderGrund lage der Bibel, des Korans und des Talmuds setzt sich Wolffsohn mit den Abrahamitischen Wurzeln des Juden und Christentums sowie des Islam ausei nander.ErziehtdabeidasFazit,dassdieGemeinsamkeitderdreigroßenmono theistischen Religionen nicht durch ihre höchst unterschiedlichen Abrahamit ischen Bezüge gekennzeichnet werden könne. Als Fiktion einer gemeinsamen religiösdoktrinärenGrundlagekommederAbrahamitischenDreiheitjedocheine wichtige,möglicherweiseeinheitsstiftendeFunktionzu. IringFetscherbetontinseinemBeitrag„FrommeMuslimeundIslamismus“, wie wichtig es für die deutsche Integrationspolitik ist, den Islam als vielfältige und enorm differenzierte Religion wahrzunehmen, um den vielen, auf Unwis senheit basierenden Vorurteilen der deutschen Mehrheitsgesellschaft entgegen wirkenzukönnen.SowiederIslamismusalspolitischeInstrumentalisierungdes Islam mit rechtstaatlichen Mitteln bekämpft werden muss, müsse die Religion des Islam als Lebensform vieler Migrantinnen und Migranten ernst genommen werden. Die große Bedeutung des Begriffs und Konzepts „Islamischer Funda mentalismus“ dürfe nicht dazu führen, Islam und islamischen Fundamentalis muszuvermischen. Mit den Themenkomplexen „Zivilisationskonflikt“ und „Kampf der Kultu ren“ setzt sich Naika Foroutan in ihrem Aufsatz auseinander. Unter dem Titel „Zivilisationskonflikte–zurWirkungsmachteinerHyperrealität“analysiertsiein Anlehnung an Jean Beaudrillards Konzept der „Hyperrealität“ die durch Hun tington etablierte Vorstellung eines Zusammenpralls der Zivilisationen in ihrer WirkungfürdieWahrnehmungweltpolitischerEreignissedurchdieAkteureder internationalen Politik. Die Hyperrealität „Zivilisationskonflikt“ führe auf der einenSeitezueinerüberspitztenWahrnehmungkulturellerwiezivilisatorischer Konfliktursachen und Unterschiede, ermögliche es auf der anderen Seite aber auch,KulturdialogealssymbolischeWendepunkteinderPolitikzuerzeugen. MarwanAbouTaamverdeutlichtinseinemBeitrag„EuroIslamIdeeoder Ideal?“ die soziostrukturellen Veränderungen, denen die Bundesrepublik Deutschland durch die islamische Einwanderung ausgesetzt ist und beleuchtet die Folgelasten der bisher unzureichenden Integrationsbemühungen. Der von BassamTibiausgearbeitetenIdeedes„EuroIslam“kommezukünftigeinewich tigeRollebeidernachhaltigenVerbesserungdieserBemühungenzu.
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ThorstenHascheundDanielaHeuerVogel
Rainer Tetzlaff arbeitet in diesem Themenkomplex der Rolle islamischer MigrantinnenundMigrantendaskomplizierteVerhältniszwischenderReligion desIslamunddemsäkularenVerfassungsstaatheraus.InseinemText„Muslime inEuropazwischenAnpassungundAbwehr–AnmerkungenzumThemaIslam unddersäkulareVerfassungsstaat“analysierterneuesteislamkundlichePublika tionenundbetontdieWichtigkeiteinesverfassungsrechtlichfixierten,allgemein verbindlichenGrundkonsensfürdasZusammenlebenderverschiedenenreligiös wiesäkularfundiertenLebenswelten. Zum Abschluss der Festschrift beleuchtet Walter ReeseSchäfer die ver schiedenenPositionenvonBassamTibi,JürgenHabermasundJosephRatzinger zum Verhältnis von Religiosität und Modernität. In „Jenseits von Kulturkampf und Rückkehr der Religionen. Tibi, Habermas und Ratzinger“ arbeitet er nicht nur die jeweiligen Verständnisse heraus, sondern stellt die Ergebnisse in Bezug zuderRolledesmodernen,liberalenVerfassungsstaatsimZugederzivilgesell schaftlichen aber auch politischinstitutionellen Inkorporation möglicher neuer religiöserArgumenteundSichtweisen. Insgesamt wird durch die hier versammelten Beiträge nicht nur die Viel schichtigkeitundVielfältigkeitimWerkvonBassamTibideutlich,sondernauch die große gesellschaftspolitische Bedeutung der von ihm behandelten Themen. DasVerhältnisderwestlichenundislamischenWeltisteingebundenindaskom plexe globale gesellschaftliche Geschehen der Gegenwart. In der dazugehörigen wissenschaftlichenAnalysesteigendieAnsprücheandasverwendetesozialwis senschaftlicheVokabularsowiedietradiertenSelbstverständnissedermodernen Gesellschaft. Es wird demnach auch in Zukunft wesentlich für den Dialog zwi schen den Zivilisationen sein, über Intellektuelle und Wissenschaftler zu verfü gen, die aus eigener Erfahrung das Gespür und Verständnis für die einzelnen PerspektivenderjeweiligenZivilisationenhaben.
EnglischunddeutschsprachigeWerkevonBassamTibi
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EnglischunddeutschsprachigeWerkevon BassamTibi Englisch- und deutschsprachige Werke von Bassam Tibi
2011(i.E.):IslamismandIslam,NewHaven:YaleUniversityPress. 2009:EuroIslam.DieLösungeinesZivilisationskonflikts,Darmstadt:PrimusVerlag. 2009: Islam’s Predicament with Modernity. Religious Reform and Cultural Change, NewYork–London:Routledge. 2008: Political Islam, World Politics and Europe. Democratic Peace and EuroIslam versusGlobalJihad,Londonu.a.:Routledge. 2007:DieislamischeHerausforderung.ReligionundPolitikimEuropades21.Jahrhun derts,Darmstadt:PrimusVerlag. 2005:MitdemKopftuchnachEuropa?DieTürkeiaufdemWegindieEuropäischeUni on, Darmstadt: PrimusVerlag (2. um ein Nachwort und eine Bibliographie erw. Neuausgabe2007). 2004: Der neue Totalitarismus. „Heiliger Krieg“ und westliche Sicherheit, Darmstadt: PrimusVerlag. 2002:IslamischeZuwanderung.DiegescheiterteIntegration,Stuttgartu.a.:DVA. 2001:EinladungindieislamischeGeschichte,Darmstadt:WissenschaftlicheBuchge sellschaft. 2001: Kreuzzug und Djihad. Der Islam und die christliche Welt, München: Bertels mann. 2001: Islam between Culture and Politics, Basingstoke, New York: Palgrave (erw. Neuauflage2005). 2000:DerIslamundDeutschland.MuslimeinDeutschland,Stuttgartu.a.:DVA. 2000:FundamentalismusimIslam.EineGefahrfürdenWeltfrieden?,Darmstadt:Wis senschaftlicheBuchgesellschaft.
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EnglischunddeutschsprachigeWerkevonBassamTibi
1999: Die neue Weltunordnung. Westliche Dominanz und islamischer Fundamentalis mus,Berlin:Propyläen(Übersetzungvon:TheChallengeofFundamentalism,Berke ley:Univ.ofCaliforniaPress,1998). 1998:AufbruchamBosporus.DieTürkeizwischenEuropaunddemIslamismus,Mün chenu.a.:DianaVerlag. 1998: Europa ohne Identität? Die Krise der multikulturellen Gesellschaft. München: Bertelsmann(Neuausgaben2000/2002mitdemUntertitel:LeitkulturoderWertebe liebigkeit). 1998: The Challenge of Fundamentalism. Political Islam and the New World Disorder, Berkeley:Univ.ofCaliforniaPress(Neuauflage2002). 1997:PulverfaßNahost.EinearabischePerspektive,Stuttgart:DVA. 1996:DerwahreImam.DerIslamvonMohammedbiszurGegenwart,München:Piper (erweiterteTaschenbuchausgabe2001). 1996: Das arabische Staatensystem. Ein regionales Subsystem der Weltpolitik, Mann heimu.a.:BITaschenbuchverlag. 1995:DerreligiöseFundamentalismus.ImÜbergangzum21.Jahrhundert,Mannheim u.a.:BITaschenbuchverlag. 1995:KriegderZivilisationen:PolitikundReligionzwischenVernunftundFundamen talismus, Hamburg: Hoffmann und Campe (erweiterte Taschenbuchausgabe bei Heyne1998). 1994: Im Schatten Allahs. Der Islam und die Menschenrechte, München u.a.: Piper (Neuausgabe2003). 1993: Die Verschwörung. Das Trauma arabischer Politik, Hamburg: Hoffmann und Campe(erweiterteTaschenbuchausgabeMünchen1994). 1993:ConflictandWarintheMiddleEast.FromInterstateWartoNewSecurity,New York:St.MartinsPress(Neuausgabe1998). 1992: Die fundamentalistische Herausforderung. Der Islam und die Weltpolitik, Mün chen:C.H.Beck. 1992: Islamischer Fundamentalismus, moderne Wissenschaft und Technologie, Frank furta.M.:Suhrkamp.
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1990: Islam and the Cultural Accommodation of Social Change, Boulder, Col.: West viewPress. 1989: Konfliktregion Naher Osten. Regionale Eigendynamik und Großmachtinteressen, München:C.H.Beck. 1988:TheCrisisofModernIslam.APreindustrialCultureintheScientificTechnological Age,Utah:UtahUniversityPress. 1987: Vom Gottesreich zum Nationalstaat: Islam und panarabischer Nationalismus, Frankfurta.M.:Suhrkamp. 1985:DerIslamunddasProblemderkulturellenBewältigungsozialenWandels,Frank furta.M.:Suhrkamp. 1981: Die Krise des modernen Islams. Eine vorindustrielle Kultur im wissenschaftlich technischen Zeitalter, München: C.H. Beck (erweiterte Neuausgabe bei Suhrkamp 1991). 1980: Arab Nationalism. Between Islam and the NationState (Neuausgaben 1990 u. 1997),LondonNewYork:MacmillanPressandSt.Martin’sPress. 1979: Internationale Politik und EntwicklungsländerForschung: Materialien zu einer ideologiekritischenEntwicklungssoziologie,Frankfurta.M.:Suhrkamp. 1973:MilitärundSozialismusinderDrittenWelt:AllgemeineTheorienundRegional studienüberarabischeLänder,Frankfurta.M.:Suhrkamp. 1971:NationalismusinderDrittenWeltamarabischenBeispiel,Frankfurta.M.:Euro päischeVerl.Anst. 1969:DiearabischeLinke,Frankfurta.M.:EuropäischeVerl.Anst.
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„DerarabischeNationalismus,derbeiderEmanzipationvondertürki schenVorherrschaftunddannvonderanglofranzösischenKolonialherr schaftdurchauseinenprogressivenBeitragleisteteundderdenarabi schenverwestlichtenIntellektuellen,dieihrerGesellschaftentfremdetwa ren,eineneueIdentitätvermittelte,dientinderpostkolonialenPhasein deneinzelnenarabischenLändernalsIdeologie,dieüberdiesozialenWi dersprücheunddieherrschendenMißständehinwegtäuscht.(…) DennderIslamkenntwederdieIdeederNationnochdenihrzugrunde liegendenNationalstaat.BeidesindErgebnissederzunächstinEuropa stattgefundenenneuzeitlichenEntwicklungseitdergroßenfranzösischen Revolution.DieStaatsform,diederIslaminseinerGeschichtekenntund anerkennt,istdasKalifatderislamischenUmma(Gemeinschaft),dieja universellistunddiegesamteMenschheitinderangestrebtenVereini gungumfassensoll.“ BassamTibi:VomGottesreichzumNationalstaat.Islamundpana rabischerNationalismus,Frankfurt/M.1987,S.194.
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NationalismandNationalIdentity:ASocial PsychologicalAnalysis ItisaprivilegeandapersonalpleasuretoparticipateinaFestschrifthonoringmy oldfriendandcolleague,BassamTibi.Wemetinthespringof1982,whenBas sam came to Harvard University—for the first of many times—as a Visiting ScholarattheCenterforInternationalAffairs(nowtheWeatherheadCenter).We gottogethershortlyafterBassam’sarrivalinCambridgeandsoondiscoveredour shared interest in Middle East politics and society, in ethnic and religious con flicts and their resolution, and in the study of nationalism. Our friendship took rootinthoseearlymeetingsandhasenduredthroughtheensuingyears. Duringthatspringof1982,Bassamparticipatedinmygraduateseminaron “SocialPsychological Approaches to International Relations,” in which we used theIsraeliPalestinianconflictasourprimaryillustrativecase.Aspecialfeatureof that seminar was a workshop with politically active Israelis and Palestinians, following the model of interactive problem solving (see, for example, Kelman, 2002),inwhichthemembersoftheseminarparticipatedasapprenticemembers of the third party. Bassam Tibi led a session of that seminar, which dealt with ArabnationalismandthePalestiniannationalmovement.Thestudentsreadhis classic(twicereissued)treatiseonArabnationalism(Tibi,1981).Fromthebegin ning of our friendship, Bassam has shown an active interest in my social psychological approach to international relations and conflict resolution, as re flected in this seminar and its associated workshop. It seems fitting, therefore, that I devote my contribution to the Festschrift in his honor to a social psychological analysis of nationalism—a topic that has been central in both his andmyscholarlyagenda.1 One of the paradoxes of the contemporary world is the continuing and, in manyplaces,growingstrengthofnationalistideologyatatimewhentheweak TheremarksthatfollowdrawextensivelyonachapterinabookonPatriotismintheLives ofIndividualsandNations,publishedbyNelsonHall(Kelman,1997).
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M. Abou-Taam et al. (Hrsg.), Zwischen Konfrontation und Dialog, DOI 10.1007/978-3-531-93001-5_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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nesses and limitations of the nation state are becoming increasingly apparent. Manyobserversagreethatthebasicconditionsforachievinghumandignity—for meeting human needs and assuring human rights—must be established on a worldwide basis, through cooperative transnational efforts. To this end, nation statesmustbepreparedtoyieldadegreeoftheirnationalsovereignty,toexpand their range of empathy, and to think in terms of global rather than entirely na tional interests. In short, the realization of human dignity in the contemporary worldrequireschangesinthenationalisticassumptionsthathavedominatedthe international system and curtailments of nationalistic demands and aspirations. Yet,throughouttheworld,peoplecontinuetolooktothenationstateasthepri mary provider of human dignity. The populations of established nation states expectthestatetoensurethattheirneedswillbemetandtheirrightsprotected. Atthesametime,theideaofthenationstateisrepeatedlyinfusedwithnewen ergyandvitalityasmovementsofnationalliberationseektoestablishindepend entstatestoassuredignityforoppressedpopulations. Thecentralroleofthenationstateasproviderofdignityisrootedinnation alistideology.Ishallexamine,first,thedefiningcharacteristicsandassumptions of nationalist ideology and then turn to some of the socialpsychological forces thataccountforitsstrengthandendurance.
DefinitionofNationalism Following Hans Kohn (1968) and many other writers, nationalism can be con ceived as the ideology of the modern nation state or of any movement directed toward the establishment of a new nation state. Whatever its specific form, na tionalismisanideologythatprovidesajustificationfortheexistenceorcreation ofastatedefiningaparticularpopulation,andthatprescribestherelationshipof theindividualtothatstate.Accordingtonationalistideology,thenationstateis the political unit in which paramount authority or sovereignty is vested. It is placedatthepinnacleofpowerandentitledtooverrulebothsmallerandlarger politicalunits.Nationalistideologyalsoentitlesthenationstate(orthenationalist movement) to the support of its members in establishing and maintaining the state’sindependence,integrity,andeffectivefunctioning. Theultimatejustificationforestablishing,maintaining,andstrengtheninga nation state—that is, a political system with internationally recognized jurisdic tionoveraparticularpopulation—isthatthissystemismostnaturallyandeffec tivelyrepresentativeofthatpopulation.Itisthisfeaturethatprovideslegitimacy
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andcohesivenesstothemodernnationstate.Inprinciple,thenationstate—asits name implies—is representative of the population by virtue of the fact that its political boundaries also constitute national boundaries. The presumed corre spondenceofthepoliticalentitytoanethnic,cultural,andhistoricalentity,with whichatleastlargeportionsofthepopulationidentify,leadstothefurtherpre sumptionthatthenationstateassuresthebestprotectionoftheneedsandinter estsofthepopulation. Thus,thenationstateisperceivedasasourceofpersonaldignityintwore spects:Insofarasitrepresentstheethnicandculturalidentityofthepopulation,it provides individuals a sense of participation and control over their own fate. Throughidentificationwithanindependentstate,individualsaffirmandexpress theirpersonalidentityandexperienceanenhancedsenseofselfrespectandself transcendence. At the same time, insofar as individuals are included within the boundariesofthepoliticalsystemandsecureintheircitizenstatus,theycanrely onthenationstatetomeettheirbasicneedsandprotecttheirinterests. Therealityofthenationstaterarelylivesuptotheidealmodelenvisioned bynationalistideology.Theverycompositionofmoststatesviolates,toagreater orlesserdegree,theassumptionthatthepoliticalentitycorrespondstoanational (i.e., ethniccultural) entity. Many nation states comprise a variety of distinct ethnic and cultural groups. Some of these groups—usually ethnic minorities— maycometofeelthattheirgroupidentityisnotadequatelyreflectedbythesys tem. Along with this deprivation in identity, these population groups often ex perience exclusion and discrimination, so that their needs and interests are in adequatelymet.Ethnic,linguistic,orreligiousdivisionswithinnationstatesmay eruptinconflictsrangingfromdemandsforculturalautonomy,throughsepara tistmovementsandlanguageriots,tocivilwarfareandsecession.Belgium,Can ada, Cyprus, India, Lebanon, Nigeria, Pakistan, Rwanda, Spain, Sri Lanka, the UnitedKingdom,theformerSovietUnion,andtheformerYugoslaviaarejusta fewofmanyexamplesofstatesinwhichethnicandculturaldivisionshaveledto recent conflicts with varying degrees of violence. Such conflicts provide vivid remindersoftheextenttowhichnationstates—botholdandnew—deviatefrom themodelspecifiedbynationalistideology. Thus,thereisaninherentcircularityinthedefiningcharacteristicofthena tionstate:Thestatederivesitslegitimacyandclaimtocitizens’loyaltyfromthe factthatitrepresentsanation,butoftenapopulationisconsideredorbecomesa nation only by virtue of the fact that it is part of the same state. All nationalist movementsaremarkedbythisduality:Theyaimbothtobuildastatearoundthe existenceorideaofanationandtobuildanationaroundtheexistenceorideaof
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astate.Thecorrespondencebetweenstateandnationisneveragiven;itmust,at least in part, be achieved. The leaders of a new state or a nationalist movement seenationbuildingasamajorpartoftheirtask,evenwhentheyaredealingwith a homogeneous population. And when the population is ethnically diverse, the task of nation building seems never to be completed—even in wellestablished nationstates,asrecenteventshavedemonstrated.
TheConceptofNation Since the correspondence between state and nation is so central to nationalist ideology,itisnecessarytotakealookattheconceptofnation.Iamnotreferring heretonationinthepoliticalsenseofthepopulationofaninternationallyrecog nizednationstate(orasshorthandfornationstate,asin“UnitedNations”),but tonationinthesenseofanethnicculturalunitthathasameaningapartfromthe shapeofpoliticalboundaries.Onemightsubstitutethetermsnationalityorpeo pleforthetermnationasIamusingithere.Nationsinthissense,ofcourse,have existedlongbeforetheemergenceofthemodernnationstate. An almost ubiquitous characteristic of groups that we define as nations is theirresidenceinacommonterritorythattheyconsidertheirhomeland,orelse theirsharedmemoryofsuchaterritory—ofanancestralhomelandthattheymay have lost butnot forgotten—and their shared hope to be reunited in a common territory. The centrality of territory in the concept of nation is reflected in the conjunctionbetweenlandandpeoplethatisthefocusofpatrioticsentiments.But inhabitingthe sameterritory—orsharingthememoryof oraspirationtosucha territory—is not a sufficient condition for defining a group as a nation. Group membersmustalsosharecertainotherculturalelements. We generally think of a nation as a group of people who—whether or not they live in the same land—share a common language, a common history, a commontradition,acommonreligion,acommonwayoflife,acommonsenseof destiny, a common set of memories and aspirations. Not all of these common elementsneedtobepresentbeforewedefineagroupasanation,noristhereany single objective criterion that is essential to the definition. But there must be enoughcommunalitytoprovideareadybasisforcommunication.Wecanfollow KarlDeutsch’s(1953)operationalcriterionhereindescribinganationasacom munityofindividualswho—intheabsenceofpersonalacquaintance—findlittle difficultyinestablishingcommongroundforcommunication.Thus,thebounda ries of a nation represent the line at which a qualitative change in the ease of
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communicationoccurs;thatis,communicationissmootherandmorecomfortable amongindividualswithinthanacrosstheseboundaries.Suchacommunitycan notdevelopunlessitsmemberssharecertainimportantaspectsofculture,butthe specificaspectsheldincommonmayvaryfromnationtonation.Nooneaspectis crucialtothedefinitionofanation;thereareavarietyofelementsthatarefunc tionallyequivalentasbasesforcommunication.Forexample,agroupmayconsti tuteanationevenifitsmembersdonotsharethesamelanguageorreligion,as longastheyshareotherimportantvaluesandexperiencesthatprovideaready made basis for communication among them. Language and religion are impor tant unifying elements for a nation, yet the Swiss can be described as a nation despite their linguistic divisions and the Germans despite their religious differ ences. Themereexistenceofcommonculturalelementsamongmembersofacol lectivityisnotenoughtodefinethemasanation.Theymustalsohavethecon sciousness that these common elements represent special bonds that tie them to one another—in short, the consciousness of being a nation. Floyd Allport made thispointinInstitutionalBehavior(1933)whenhewrotethatthereisonefacton whichthevariousdefinitionsof“nation”areinagreement: ....namely,thatthemaincriteriaofnationalityarepsychological.Therearecertaintra ditions,historicalperspectives,andprinciplespossessedincommonbythemembers of every national group which are both the evidence and the substance of their na tionality.Ifanindividualsharestheseideaswiththeothersofhisgroup,andlikethe othersisloyaltothem,hebelongstotheirnation;otherwisehedoesnotbelongtoit, eventhoughhemaybeofthesameraceashisfellows,speakthesamelanguage,and live in the same territory.... Individuals belonging to a certain nation are aware that theybelongtoitand,furthermore,thisawarenessisanessentialpartofnationalityit self(p.138).
Ifindveryuseful,inthisconnection,Fishman’s(1968)ideathatanethnicgroup becomesanationwhenitbeginstoideologizeitscustomsandwayoflife.Thatis, itgoesbeyondtheconceptionof“thisisthewaywedothings”toaconceptionof “thereissomethingunique,special,andvaluableaboutourwayofdoingthings.” Itisideologizingofthissort thatmakesit possibletodevelopallegiancetoand investone’sidentityinacollectivitythatgoesbeyond—inbothspaceandtime— one’sprimarygroup,facetofacecontacts. Historically,suchaprocessofideologizingethniccharacteristicsislikelyto have occurred whenever there were energetic individuals and groups who had aninterestincreatingloyaltytoawidergroup—inorder,forexample,toestab
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lishanewreligion,ortoexpandtheireconomicactivities,ortobroadenthebase oftheirpoliticalpower.Whowastobeincludedinthiswidergroupdepended, ineachcase,ontheparticularinterestsofthenationbuildersandontheopportu nities available to them. Thus, the boundaries of the newly formed nations and the elements of communality that characterized them tended to be somewhat arbitrary.Atthesametime,theycouldnotbecompletelyarbitrary,becausethere hadtobesomecommonculturalcharacteristicsasthestartingpointforthework ofideologizing.SerbsandCroatsprovideagoodexampleoftheelementofarbi trarinessinthedrawingofnationalboundaries.Thesetwogroupsshareacom mon language and common culture which, in principle,could well haveserved todefinethemasasinglenation.Yet,differencesinreligionandhistoricalexperi ence have been magnified to define them as separate nations, confronting each otherinabitterconflictoflongstanding. I am proposing, then, that consciousness as a nation typically develops within a group of people as a result of deliberate efforts to ideologize common culturalcharacteristicsandexperiencesandtomobilizepeoplearoundthem.This processisdesignedtocreatewiderloyalties—loyaltiesthatextendtopeoplewho arenotpartofone’simmediatecommunity,butaredefinedaspartofthelarger nation.Atthesametime,itmustbekeptinmindthatdefiningagroupasana tionrepresentsamarkingoffprocess—aprocessbywhichsomeareincludedand othersexcluded.Thus,thedevelopmentofnationalconsciousnesshastheeffect ofbothbroadeninggrouployaltiesandnarrowingthem,ofbothuniting people and dividing them. When national consciousness becomes focused on a nation state, these contradictory tendencies become accentuated by the drawing of po litical boundaries, which serve to both unite and divide. This contradiction is a centralpartofthedialecticthatcharacterizesnationalistideology.
PersonalAcquisitionofNationalIdentity Insofar as a group of people have come to see themselves as constituting a unique, identifiable entity, with a claim to continuity over time, to unity across geographical distance, and to the right to various forms of collective self expression,wecansaythattheyhaveacquiredasenseofnationalidentity.Na tionalidentityisthegroup’sdefinitionofitselfasagroup—itsconceptionofits enduringcharacteristicsandbasicvalues;itsstrengthsandweaknesses;itshopes and fears; its reputation and conditions of existence; its institutions and tradi tions;itspasthistory,currentpurposes,andfutureprospects.Nationalidentityis
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carried by the individual members of the group, but it is not coterminous with thesumoftheconceptionsofindividualgroupmembers.Foronething,ithasan independentexistenceintheformofaccumulatedhistoricalproducts,including written documents, oral traditions, institutional arrangements, and symbolic artifacts. For another, different segments of the group differ widely in their de greeofactiveinvolvementinthenationandemotionalcommitmenttoit:Various leadership elements and particularly active and committed subgroups are far moreinstrumentalindefiningthenationalidentitythantherankandfilemem bers. Clearly,nationalidentity—asacollectivephenomenon—iscomplexanddif ferentiated.Itvariesovertimeandcircumstances.Itsstrengthandnaturedepend on the kind of mobilization processes that occur within the group and on the particular leadership elements most responsible for that mobilization. I assume that national identity always represents a combination of historical realities and deliberate mobilization. Mobilization cannot take place without the existence of significant elements of common culture and historical experience on which the leadershipcandrawinmobilizingsupportforpoliticalactionwithinthegroup. Whataspectsofidentitywillbecomecentral,however,isdeterminedbythechar acteristicsoftheleadershipthatdominatesthemobilizationandbythehistorical contextthatshapesthisleadership’sinterestsandopportunities. Recognizingitscomplexityandfluidity,onecanthinkofnationalidentityas acollectiveproduct—intheformofasystemofbeliefs,values,assumptions,and expectations—which is transmitted to group members in the course of their so cializationandmobilizedthroughavarietyofcommunicationsoverthecourseof theirlives.Itisreflectedintheconsciousnessofindividualstodifferentdegrees andindifferentways,dependingonthenatureofthesocializationandmobiliza tion experiences to which they are exposed and the way in which they handle these. National identity and its component elements become incorporated in an individual’s personal identity through various processes of social influence. A socialinfluence analysis of the incorporation of national identity in an individ ual’spersonalidentitycanaddressitselftotwoissues(correspondingtothetwo elementsofgroupidentitydistinguishedbySimonHerman,1977):(1)theadop tion of the specific elements of the national identity, i.e., of the beliefs, values, assumptions,andexpectationsthatmakeupthenationalidentityasacollective product;and(2)thedevelopmentofanorientationtothenationitself. In asking how national identity is incorporated in the personal identity of individualsweare,inlargepart,askinghowindividualsacceptthespecificele
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mentsthatmakeupthenationalidentity.Towhatextentdotheyadoptthenor mativelyprescribedbeliefs,values,assumptions,andexpectationsofthegroup? Adoption of these elementsmay affect people’s personalidentity by deter mininganimportantcomponentofthatidentity:theirselfdefinitionasmembers of the nation. They may come to share, to varying degrees, such collective as pectsofthenationalidentityasimagesofthenationitselfandofothergroupsin its environment, conceptionsof national history and goals, attitudes toward na tional traditions and symbols, and memories of national experiences and achievements.Thesecollectiveidentityelements,insofarastheyareadoptedby individualsastheirown,becomeimportantpartsoftheseindividuals’definition ofwhoandwhattheypersonallyare. Adoption of the specific elements of national identity may also affect indi viduals’ personal selfdefinition more generally by contributing to their world view.Anationalidentitytypicallycontainswithinitbeliefsandvaluespertaining tothemeaningofhumanexistence,thenatureofsocialinstitutions,theconduct ofhumanrelationships,thedefinitionoftheidealpersonality.Thesearerootedin thegroup’shistoricalexperiences,andreflectedandelaboratedinitsdocuments, traditions, and institutional forms. Such beliefs and values, insofar as they are adopted by individuals as their own, influence the way these individuals view theworldandtheirownplaceinitandthewaytheyconceivetheirrelationship totheenvironment. The adoption of elements of national identity involves a combination of knowledge,affect,andaction.Ifnationalidentityistobecomeanintegralpartof an authentic personal identity, individuals must acquire some substantive knowledge of the historical and cultural context of its beliefs and values; they must see these beliefs and values as personally meaningful to them; and they mustsomehowtranslatethemintoconcretepracticeintheirdailylives. The second issue in the incorporation of national identity in the personal identityofindividualsconcernsthedevelopmentoftheirorientationtothenation itself. How central and significant a part does membership in this particular group play in their personal identity? To what extent is their definition of who andwhattheyarelinkedtothatgroup?Howsalientisthisgroupmembershipin theirdailylives,howintenseistheirinvolvementwithit,howstrongtheircom mitmentandloyaltytoit,howsolidtheirsenseofbelongingnessinit? Theperson’sorientationtothenationcanbeexplorednotonlyinquantita tive,butalsoinqualitativeterms.Thatis,wecanasknotonlyaboutthestrength ofinvolvementinthenation,butalsoaboutthenatureofthatinvolvement.Table 1 summarizes a distinction between six different patterns of personal involve
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ment in a national group, derived from my earlier analysis of patterns of in volvementinthepoliticalsystem(Kelman,1969;seealsoKelmanandHamilton, 1989). Table1 Patternsofpersonalinvolvementinanationalorethnicgroup
Typesoforientationtothegroup RuleOrientation (Compliance withgrouprules)
RoleOrientation (Identification withgrouproles)
ValueOrientation (Internalizationof groupvalues)
Sentimental (Perceptionof thegroupas representative ofpersonal identity)
Acceptanceof thegroup’s authorityto definemember ship
Emotionalin volvementin roleofgroup member
Commitmentto thegroup’s traditionsand definingvalues
Instrumental (Perceptionof thegroupas meetingper sonalneedsand interests)
Acceptanceof rulesandregula tionsgoverning memberinterac tion
Entanglementin socialroles mediatedbythe group
Commitmentto thegroup’s institutional arrangements andoperating values
Sourcesof attachmentto thegroup
Therowsofthetableidentifytwosourcesofattachmenttothegroup—twomoti vational bases for extending loyalty to the group: sentimental attachment and instrumental attachment. These two types of attachment correspond to Simon Herman’s (1977) distinction between alignment with a group on the basis of a feeling of similarity or on the basis of a feeling of interdependence—though his focusisonintermemberperceptionsandmineonperceptionofthegroup. Sentimental attachment refers to people’s attachment to a group based on perception of that group as representative of their personal identity—as some how reflecting, extending, or confirming their identity. Insofar as it represents them, as persons and as parts of a collectivity, they extend loyalty to it. Instru mentalattachmentreferstopeople’sattachmenttoagroupbasedonperception
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ofthatgroupasmeetingtheirpersonalneedsandinterestsandthoseoftheother membersofthesocialcategoryencompassedbythegroup.Insofarasthegroupis seenasinstrumentaltotheachievementoftheirgoals,theyextendloyaltytoit. Thetwosourcesofattachmentareanalyticallydistinctandneednotgotogether empirically, but they do tend to generate and reinforce one another. That is,in strumentalattachmenttoagroupalsotendstostrengthentheperceptionofthat group as representative of one’s identity, and sentimental attachment also en courages members to look to that group for the fulfillment of their needs and interests. The two sources of attachment jointly determine the strength of people’s loyalty and commitment to the group. This commitment may express itself in different ways, however, depending on the basis of people’s integration in the groupandthenatureoftheirorientationtoit.ThecolumnsofTable1distinguish threetypesoforientation(orbasesofintegration):ruleorientation,roleorienta tion,andvalueorientation. Wecanspeakofruleorientationwhenpeople’srelationshiptothegroupis based primarily on their acceptance of the group rules. They recognize the group’s authority to set rules and their obligation to adhere to them. In return, they expect to be included within the definition of group membership and to have access to their fair share of the resources that are at the disposal of the group. In a national group living within its own nation state or within a stable and traditional ethnic community, members’ behavior is governed by a widely accepted set of rules and regulations and adherence to these rules often has a directbearingonindividuals’acceptancebythegroupandaccesstoresourceson whichtheydepend.Formembersofanationalgrouplivingoutsideofastateof theirownorofatightlyknitethniccommunity,ruleorientationreferstoarela tionshiptothegroupbasedonadherencetothoseminimalrulesthatwouldas suretheircontinuingacceptancewithinthedefinitionofamemberofthenational community. Typically, this means assertion of one’s national identity on those occasions at which group survival becomes an issue. For individuals who are primarilyruleoriented,relationshiptothenationalgrouprepresentswhatIhave calledelsewhere(Kelman,1998)aconferredornominalidentityelementintheir personalidentities. Wecanspeakofroleorientationwhentheperson’srelationshiptothegroup isbasedonidentificationwithandactiveinvolvementingrouproles.Inparticu lar,atthesentimentallevel,roleorientedindividualsareidentifiedwiththerole ofgroupmember:Theyareemotionallyinvolvedinit,regarditasacentralpart of their selfdefinition, and derive a sense of status enhancement and self
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transcendencefromit.Whatissignificantforthem,however,ispossessionofthe roleitselfratherthanthespecificcontentofthatroleanditsrelationshiptotheir broader value system. They tend to accept the role as prescribed—more or less totallyanduncritically—withoutintegratingitwiththeirothervaluesandbeliefs. Inshort,theircommitmenttothegroupcanbedescribedasavicariouselement oftheirpersonalidentity(Kelman,1998).Inthetypicalexamplesofroleorienta tion, sentimental and instrumental features often coincide: Involvement in na tional community affairs provides an opportunity not only to derive vicarious satisfactionfromenactingthegroupmemberrole,butalsotoparticipateinother satisfyingrolerelationships. Valueorientation,chartedinthethirdcolumnofTable1,representsarela tionshiptothegroupbasedonasharingofnationalvalues.Heremembershave internalizedthegroup’svaluesbecausetheyfindthemcongruentwiththeirown valuesystems.Theircommitmenttothegroupthusrepresentsanauthenticele ment of their personal identity (Kelman, 1998). It should be stressed that value orientationdoesnotprecluderesponsivenesstoissuesofgroupsurvival,whichI suggestedasacharacteristicoftheruleoriented,oractiveinvolvementintherole of group member, which I suggested as a characteristic of the role oriented. If anything,valueorientedmembersshouldbemoreresponsivetoissuesofgroup survival, because they are not concerned with the mere physical survival of the group,butwithsurvivalofthevaluesforwhichitstands.Similarly,theymaybe moreactivelyinvolvedintheroleofgroupmemberinsofarastheyseethisrole asawayofexpressingtheirpersonalidentityandpromotingtheirpersonalval ues. What characterizes their relationship to the group, however, is that it goes beyondadherencetogrouprulesandinvolvementingrouprolesandbecomesan integralpartofanauthenticpersonalidentity. Commitment to the nation based on value orientation is likely to be more stableandmoreprofoundthantheothertypesofcommitment,butitisalsomore differentiatedandmorequestioning.Aruleorientedloyaltyhaslittledepthand continuity, but is likely to be elicited automatically if the proper symbols are broughtintoplay.Aroleorientedloyaltyisparticularlypowerfulinthatitmay represent a total and enthusiastic commitment to the group’s cause. A value orientedloyalty,ontheotherhand,isconditional;itdoesnotpromisesupportfor thenation,rightorwrong.Valueorientedmembersevaluatetheactionstheyare askedtosupportonthebasisoftheirownvaluesandofthefundamentalgroup valuesthattheyshare,andarepreparedtocriticizeandtodissent(Kelmanand Hamilton, 1989, Chapters 11–12). Such a commitment is less easily mobilized becauseitdoesnotrespondautomaticallytofear,guilt,andgrouppressures.But,
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inthelongrun,itismostconducivetonationalidentityasacreativeforce,which isbothrootedinthehistoricalnationalexperienceandresponsivetotherealities ofnationallifeinachangingenvironment.
MobilizationofNationalConsciousness One of the most interesting questions, from a psychological point of view, con cerns the motivational forces that make it possible to mobilize national con sciousness,andtocreatethebroaderloyaltiesthatitentails.Tobesure,themobi lization of national consciousness often builds on an experience of deprivation andasenseofgrievancewithinagroup,suchthatthenationalcausecomestobe seenasamoreadequatewayofmeetingtheinstrumentalneedsandinterestsof the group. But the pursuit of personal or subgroup interests can hardly explain thepowerfulidentificationsandloyaltiesthatthenationgeneratesandthedegree towhichthesemaintainandperpetuatethemselves.Certainlytheselfsacrificial behaviorthatthenationalcausesooftenelicitscannotbeentirelyunderstoodin termsofrationalcalculationsofcostsandbenefits.Suchbehaviorisparticularly strikingwhenwekeepinmindthatthenationisanabstractunit:Itisnotapri marygroupinwhosemidstindividualsleadtheirdailylives,butalargegroup, consistingofnumerouspeoplewhomtheyhavenevermetnorexpecttomeet—a groupthatfarexceedstheirpersonalexperienceintimeandspace.Iproposethat this unit generates such powerful identifications and loyalties because it brings together two central psychological dispositions: the need for selfprotection and theneedforselftranscendence. Theneedforselfprotectionleadstoastrongtendencytoidentifywiththose who are extremely close to us, the members of our immediate families whose dailylivesandfatesarecloselyinterwovenwithourown.Thefamilybecomesan extensionoftheselfandtheprotectionoffamilymembersbecomesalmostindis tinguishable from protection of the self. This tendency—within the individual and within the species—can probably be traced to the realities of the infant’s dependence on its parents and of the interdependence of members of the same living unit. In typically human fashion, family loyalty becomes elaborated in a varietyofculturalformsthatgofarbeyondtherealitiesofdependenceandinter dependenceforselfprotection. Whereas the need for selfprotection leads to an identification with those closesttotheindividual,theneedforselftranscendenceleadstoanidentification with groups that go far beyond the self in time and space. Such a need is ulti
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matelyrootedinhumanawarenessofourownmortality.Thesearchformeaning inthefaceofknowledgeofourimpendingdeathdisposesustolookatourselves as part of a larger process that goes beyond ourselves—that existed long before wearrivedonthesceneandwillcontinuetoexistlongafterwearegone.Loyalty to a selftranscending cause and readiness to sacrifice one’s self to such a cause thusgivesmeaningtoourexistenceinthefaceofourawarenessofitsfinitena ture. The nation, according to this view, has the capacity for engendering such powerful identifications and loyalties because it is a unit of intermediate size— considerably more inclusive than the facetoface groups of our daily lives, but considerably more exclusive than the whole of humanity. As such, it is a suffi cientlysmallandparochialunittodrawontheprimordialattachmentsrootedin the need for selfprotection, but it is a sufficiently large and extensive unit to satisfythequestforselftranscendence.Identificationwiththenationrepresents the transformation of primordial attachments into commitment to an abstract, transcendententity. Attachment to the homeland similarly reflects the needs for both self protection and selftranscendence. On the one hand, land is a source of basic security,providingfood,shelter,andthepersonalspacerequiredforthemainte nance of a sense of self. These protective functions of land are implied in the concepts of territoriality and the territorial instinct that have such an important place in the writings of ethologists and other biologically oriented students of behavior. On the other hand, land is an instrument for selftranscendence. It servesasasourceandsymbolofpowerandwealth.Mostimportant,itprovides stability and continuity over time: It is the concrete national heritage that is passedonfromgenerationtogenerationandexistsinperpetuity. Theextenttowhichattachmenttothenationdrawsonfamilialattachments isevidentfromtheuseofsuchtermsasfatherlandandmothertongue,whichcan be found in many languages and cultures. In the course of childhood socializa tion, loyalty to the nation is often developed as an extension of loyalty to the family. Similarly, loyalties to the local community and to religious bodies are enlisted in the national cause. Thus, love for the fatherland becomes a way of demonstrating love for one’s parents and community, and service to the nation becomesawayofservingGod. At the same time that loyalty to the nation expresses these primordial at tachments,itextendsfarbeyondtheimmediateboundariesoftimeandspace.It represents identification with a population that is spread out over a wide geo graphicalarea—often,infact,dispersedacrosstheworld—andtowhichaperson
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feelsasenseofbelongingandclosenessquiteapartfromanyexperienceorexpec tation of personal contact. Moreover, this object of identification extends back ward and forward in time: Most national causes have their histories and myths about the origins of the group, often in the distant past, and their ideological commitments to the group’s survival and to the fulfillment of its destiny in the unendingfuture. There are, then, powerful psychological and social processes, linked to the needs for selfprotection and selftranscendence, that generate loyalty to the na tion—or,tobemoreprecise,toaunitofintermediatesizesuchasthenation.One might then define the nation—without being entirely circular—as that unit around which these important elements of selfidentity have been successfully mobilizedforaparticulargroupofpeople. Themobilizationofnationalconsciousness,ashasalreadybeenpointedout, isoftenassociatedwiththepromisethat,byrallyingaroundthenationalcause, peoplewillfindmoreadequatewaysofmeetingtheirneedsandinterests.Insofar as people believe that the national movement can indeed speak to their instru mental concerns, they are more likely toidentify with the nation and developa sense of loyalty to it. The relationship, however, is likely to work in the other directionaswell.Insofarasagroupofpeoplehavedevelopedasenseofnational consciousness and have invested their identity in the nation, they are more in clinedtolooktothatunitforthesatisfactionoftheirmaterialneeds.Agroupthat representstheiridentitycanbetrustedmorereadilyandcompletelytolookout for their welfare and advance their interests. Again, this trust can be seen as an extension of familial attachments, rooted in the need for selfprotection and the awareness of interdependence within the immediate living unit. At the same time,alargerunitlikethenationalsooffersopportunitiesforselftranscendence attheinstrumentallevel.Itprovidesindividualswithalargerarenainwhichto develop themselves, to advance economically, to express themselves artistically or scientifically, or to pursue various other professions or occupations. A new national entity represents, in other words, a larger market, a larger audience, a larger constituency, and a larger support system, particularly for rising elites whose opportunities for selfdevelopmentand selfutilization are limited within existingstructures. In sum, I have proposed that the coming together of the needs for self protectionandselftranscendencecreatespowerfulidentificationswiththenation and loyalties to it. Since the nation speaks simultaneously to these two basic needs,individualsarepreparedtoinvesttheiridentityinitandlikelytodevelop what I have called sentimental attachments to it. At the same time—and again
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throughthemediationofthesetwoneeds—peoplecometoseethenationasthe bestwaytomeettheirmorematerialinterestsandtheyarethuslikelytodevelop instrumentalattachmentstoit.Loyaltytothenationthusrepresentsablendingof selfprotection with selftranscendence, as well as a blending of sentimental or identityconcernswithinstrumentalones.Thesemixedinputsarereflectedinthe themesthatdominatesomuchofnationalistrhetoric:thethemesofsecurityand group survival, of power and expansion, of national selfexpression and self fulfillment. More generally, they create the special combination of selflessness and selfinterest in the relationship of the individual to the nation, which is an otherfeatureofthedialecticthatcharacterizestheseideologies. Myargumenthasfocusedontheprocessofmobilizinganethnicgroupand turningitintoanationbyideologizingitsuniqueethniccharacteristics.Wemust keep in mind that this process takes place over time and works with concrete, substantive contents. It involves far more than just declaring an ethnic group a nation.Itisfairtosaythatintheprocessofmobilizationanethnicgroupinfact becomes a nation. It develops and refines political forms, societal arrangements, economicrelations,culturalproducts,alanguage,areligioustradition.Theseare realchangesthathelptobuildthesenseofcommunity,thegroupconsciousness, andthesharedhistorythatmakeforanation.Overalongspanoftime,theproc essiscyclicalinnature.Nationalconsciousnessmaydeclineinagroupovertime; newhistoricaldevelopmentsmaythenleadtoeffortstoreawakenthisconscious ness—toremobilizethegrouparoundanationalcausethatmayhavebeendor mantforsometime.Thus,themobilizationofnationalconsciousnessoftenrepre sentsadualprocessofcreatingaswellasdiscovering(orrediscovering)asense ofnationalidentity.
ThePoliticalExpressionofNationalConsciousness Inthemodernworld,nationalconsciousnessfindsitsclearestandmostpowerful politicalexpressioninthenationstate.Peoplelooktothenationstatetorepresent their national identity and protect their rights and interests. In return, they are preparedtoextendallegiancetothestate,insofarastheyseeitascorresponding to the nation. Thus, national consciousness is potentially an important resource forpoliticalleaders.Whereitexists,nationalconsciousness—withallthepsycho logical and social forces that sustain it—can be a powerful source of unity and political legitimacy for the state (though not without its dysfunctional side ef fects). Whereit does not exist, politicalleaders attempt tocreate a national con
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sciousnesswithboundariescorrespondingtotheboundariesofthepoliticalsys tem.Insomeestablishedstatesthishasbeenaccomplished,withanewsenseof nationhood developing despite initial ethnic and cultural differences. In many newstates,however,andinmanyoldonesaswell,suchasenseofnationalcon sciousnesshasyettobeachieved.Whatwefind,insuchsituations,areeffortsat nation building: Through the development of new symbols that encompass the entire population, and of new institutions that meet the needs and interests of that population, political leaders attempt to create, out of ethnically distinct groups and out of unintegrated individuals and localities, a single nation that corresponds to the political state. If such efforts succeed, the attachment and loyaltytothatnewandlargernationcanthenbeutilizedbythestateasasource of legitimacy, of citizen support for its policies, and of citizens’ willingness to makesacrificesinpursuitofthesepolicies. Despiteitsshortcomings(especiallyfromthepointofviewofethnicminori ties),thenationstatetypicallyprovidesenoughsentimentalorinstrumentalsatis factionstoenoughpeopletoholdtheirallegiance.Theabilityofthestatetomobi lizeallegianceisaidedbythefactthatsentimentalandinstrumentalsatisfactions tend to generate and reinforce each other, as mentioned above. They can also partiallysubstituteforoneanother.Thus,ontheonehand,theperceptionofthe state as representative of national identity “can compensate for failures to meet the population’s needs and interests. On the other hand, the perception of the stateasmeetingthepopulation’sneedsandinterestscancompensateforalack ing sense of national identity, and can in fact help to create such an identity” (Kelman,1969,p.285). The nearmonopoly of the nation state on the supply of instrumental and sentimentalsatisfactionsisreinforcedbythestructureoftheinternationalsystem. Since the international system is organized around the nation state as the pre dominantunit,theprovisionofimportantgoodsandservicesandtheprotection of important rights are channeled through the nation state. For example, devel opmentaid—whetherprovidedbyindividualstatesorbyinternationalorganiza tions—goestorecognizednationstates.Statescanmaketradeagreements,enter intomilitaryalliances,andsignavarietyoftreaties.Moreover,states—andonly states—canconferthestatusandrightsofcitizenshipuponindividuals.Inaddi tiontoitssymbolicvalue,asasourceofpersonalprideandstatusenhancement, citizenship provides individuals with the right to travel and with protection when they are away from home. The significance of this protection is painfully apparent to stateless persons or groups, who are deprived of it and often find themselvesatthemercyofothers.
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The structure of the international system and the central role of the nation statewithinithelptoaccountforthecontinuingstrengthofnationalistideology. It is both understandable and in many ways rational for groups that feel op pressedorthreatenedtotaketheestablishmentormaintenanceofanindepend entnationstateasthefocusoftheirstruggle,perceivingsuchastateastheirvehi cleforachievingdignityandsecurity.Despitethefactthatthenationstaterarely corresponds to the ideal model postulated by nationalist ideology, it contrasts favorably with the experience of foreign domination and colonial status, which bytheirnaturedenigrateapeople’sidentityandneglectitsneedsandinterests. An independent state provides opportunities, at least to certain elites, to gain control over their lives, to increase their economic and political power, to give expression to their cultural values and traditions. To the masses, it provides greater assurance that their needs will be sympathetically considered, and a greater feeling that they are respected, autonomous human beings. To be sure, the hopes for a better life in an independent state are often frustrated; foreign oppression may merely be replaced with domestic oppression and, for some minorities,membershipinanationstatemaybetantamounttointernalcoloniza tion.Nevertheless,weshouldnotminimizethepotentialcontributionofaninde pendent nation state to an oppressed people’sdignity, even if it is onlyby ena blingthemtogain,throughidentificationwiththestate,avicarioussenseofeffi cacyandimportance.
TheIsraeliPalestinianCase:AConflictbetweenTwoNational Movements Toillustratesomeoftheimplicationsofmyconceptualanalysis,letmeturntoa brief consideration of the IsraeliPalestinian conflict, which can best be under stoodasaconflictbetweentwonationalmovements,eachstrugglingforitsright tonationalidentityandtonationalexistence.Bothmovementsevolved,atdiffer enttimesandindifferentways,fromattachmentstolandandpeople(cf.Hertz berg, 1975; Muslih, 1988; Khalidi, 1997). They have been transformed, however, intoexplicitlynationalistmovements,eachseekingtoexpressthenationalidentity of its people in an independent state, and each claiming the same land for the establishmentofthatstate. Whatisespeciallypronounced,thoughnottotallyunique,abouttheIsraeli Palestinianconflictisthatithasbeenmarkedbyaprinciplednonrecognitionof theotherataverybasiclevel.Overthedecades,neithersideacceptedtheother’s
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nationalidentityandrighttoexpressitinanationalstate;indeed,theverypeo plehoodoftheotherhasbeenatissue.Historically,mutualdenialoftheadver sary’s national identity has been the core element of the IsraeliPalestinian con flict(cf.Kelman,1978;1992).Inpoliticalterms,thedenialoftheother’sidentity has translatedinto systematic efforts todelegitimize the other (cf. BarTal, 1989; Kelman,1987). On the Palestinian side, the Palestine Liberation Organization (PLO) for manyyearsdeniedthelegitimacyofIsraelasafundamentaltenetofitsideology. ButtherejectionofIsraelwentbeyondthestate;itencompassedtheveryconcept ofaJewishnation.Thus,forexample,thePalestinianNationalCovenantexplic itlystatedthat“Judaism,beingareligion,isnotanindependentnation.Nordo Jewsconstituteasinglenationwithanidentityofitsown.”ToIsraelis—andin deedtomostJewsaroundtheworld—thedefinitionofJewsasapurelyreligious groupconstitutesadenialofanobviousreality,rootedintheirpersonalexperi enceandtheirnationalconsciousness.Theycanseeitonlyasablatanteffortto underminethelegitimacyofIsraelasastatedesignedtogiveexpressiontoJew ishnationalidentity. SincetheveryideaofJewishnationhoodwasdeniedbymanyPalestinians (and indeed throughout the Arab world), there was no conception that Jewish nationalism might be the driving force behind Zionism, behind the creation of Israel,andbehindtheidentificationofworldJewrywithIsrael.Variousconcep tions of Zionism and Israel that have been offered—such as those describing ZionismasaformofracismorIsraelasasettlerstateoroutpostofWesternimpe rialism—failed to recognize Zionism as a national movement and Israel as the politicalexpressionofthatmovement. Similarly, Israeli recognition of Palestinian nationhood has been reluctant and halfhearted. By the end of the 1970s, the existence of a Palestinian people waswidelyacknowledgedinIsrael,buttherecontinuedtobeeffortstodenythe Palestinians’claim to national distinctiveness and to define them, instead, as an ethnic minority or as part of the larger Arab nation. Historical arguments and observationsabouttheethniccharacterofPalestinianshavebeenusedbysometo supporttheideaofJordanastheappropriatevehicletogiveexpressiontoPales tinian national identity. Whatever their logical validity may be, such arguments ignoresomeofthecentraldimensionsofPalestiniannationalism.MostPalestini answantanindependentstateasanaffirmationoftheirseparatenationaliden tity—as explicit recognition that they are a nation rather than merely the Arab residentsoftheWestBankandGazaoracollectionofrefugees.Anindependent stateisofspecialsignificancetothembecauseitcontrastswiththeirbitterexperi
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enceofdecadesofIsraelioccupation,refugeestatus,andsecondclasstreatment inmostoftheArabworld. Furthermore,itisessentialtoPalestiniansthattheirstatebecenteredonPal estiniansoil,becauseitisthelossofthathomelandthatisthemainspringoftheir national movement. The establishment of a state on Palestinian soil would ad dress itself to the sense of injustice that pervades the Palestinian experience. It would represent at least a partial acknowledgment that an injustice has been done and is being rectified by the creation of an independent state. The central rolethatPalestiniansovertheyearshaveassignedtothePLOintheirquestfor national recognition derives from the fact that the PLO was the only organized and acknowledged body that symbolized, expressed, and promoted Palestinian nationhoodandindependence.WhatevertheirattitudestowardthePLOleader ship at any given time, most Palestinians have seen no alternative to it as the carrierofPalestiniannationalindependence. Insum,forbothsides,psychologicalresistancetotheideathattheadversary isabonafidenationhasbeenapowerfulelementintheconflict.Onlyslowlyand reluctantly have the parties begun to reconsider the prevailing view of “the other’s nationalism as in some sense unnatural, historically unjustified, and a fiction(orperhapsafraud)promulgatedbyafanaticalminority”(Kelman,1978, p.169). Arealisticpolicy,inmyview,mustproceedfromanawarenessbyeachside that it is dealing with an adversary that has all the characteristics of a nation, expressingitselfthroughanationalmovementwithitsowndynamicanditsown politicalforms.Agroupbecomesanationonceitsmembersperceivethemselves assuch,andarereadytodefinetheiridentities,topursuetheirinterests,andto engageincostlyandselfsacrificialactionsaroundthatperception.Thereare,of course,certainobjectiveconditionsthatgiverisetoanationalmovement,andif theseconditionsarenotmetthemovementisunlikelytosucceed.However,for outsiders to insist that a group lacks the formal characteristics or the historical justificationsfornationhood—i.e.,thatitoughtnotbeanation—isanexercisein futility.Itisequallyfutiletodownplaytheauthenticityofanationalistmovement by claiming that it is merely the handiwork of an aggressive elite that does not representthepopulation.Allnationalistmovementsareinpartactsofcreation,in which an enterprising elite—in the pursuit of its own ideology and interests— takestheleadershipinmobilizingnationalsentiments.Suchanelitecannotsuc ceed, however, unless there are national sentiments to be mobilized. Both the IsraelisandthePalestinianshaveamplydemonstratedtheexistenceandauthen ticityofsuchnationalsentiments.
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The resistance on each side to recognizing the nationhood of the other is rooted in the view that theirrespective national identitiesare inherently incom patibleandthatthefulfillmentofonecanbeachievedonlyattheexpenseofthe other.Thisviewisadirectconsequenceofthefactthatthetwomovementsfocus on the same land. For Palestinians, acknowledging Jewish nationhood implies acceptanceoftherightofJewstoestablishaJewishstateinPalestine.ManyPal estinians have seen this as tantamount to qualifying or abandoning their own claim to Palestine and thus destroying the raison d’être of their national move ment. For Israelis, acknowledging Palestinian nationhood implies acceptance of the right of Palestinians to establish an independent statein the West Bank and Gaza. Many Israelis have feared that such a state—particularly one that would carrythename“Palestine”—mightsuggest supportofthe Palestinians’claimto thewholeofPalestineandthuscastdoubtonthelegitimacyofIsrael. Each side has been concerned, then, that acceptance of the other’s nation hood would undermine the moral basis of its own claims—i.e., that its own claims would become more ambiguous, less selfevident, and more subject to debateifitrecognized,evenimplicitly,thattheremayalsobesomemoralbasisto theclaimsoftheotherside.Suchambiguitiesareparticularlythreateningbecause the stakes for each side are extremely high. The two sides are not concerned merelyabout havinga goodcasesothattheycanwindebatesorimprovetheir bargaining postures. Rather, both are deeply afraid about their continuing na tional existence. Recognition of these genuine fears on both sides is essential to anyunderstandingofthisconflict. Duetoacombinationofhistoricaltraumataandcurrentrealities,eachgroup has perceived itself as particularly vulnerable and felt that its survival as a na tionalgroupisinthebalance.Theanxietyaboutnationalsurvivalhasbeenmag nifiedbyanxietiesaboutpersonalsurvival,sincethedestructionofthenationhas beenseeninthecontextofwholesalemassacres.Eachsidehastendedtobelittle thefearsoftheother,oftenfailingtounderstandthebasisofthesefearsandcon sidering them groundless and hence inauthentic. When such fears have been voicedbyleadersontheothersidetheyhavebeenviewedaspropagandaploys, and when voiced by common citizens as products of the leaders’ propaganda. Thesefears,however,thoughtheymayoftenbeusedforpropagandapurposes, areveryreal—notonlytothemasses,buttotheleadersaswell.Bothsidesfear (with some historical justification) that the other is bent on destroying their na tionalidentityandtheirnationalexistence—and,ifnecessary,toannihilatethem physicallyintheprocess.
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As long as fulfillment of the other’s national identity is perceived by each sideasequivalenttothedestructionofitsownidentity,neitherwillbeprepared toaccepttheother’snationalidentityanditsrighttoastateexpressingit.Todo so,ineachside’sview,wouldbetoparticipateinaprocessthatdirectlyimperils itsownnationalexistence.Thus,neithersidecouldbeexpectedtomakeamove torecognizetheotherunlessanduntilitdevelopedasenseofassurancethatits own existence was secure. The great challenge—and a fundamental require ment—forresolutionoftheIsraeliPalestinianconflicthasbeentocreatethepsy chologicalconditionsthatwouldprovidesuchassurancetoeachpartyandthus makemutualacceptancepossible. The1967war exacerbatedtheIsraeliPalestinianconflictinthatitledtoIs raelioccupationoftheWestBankandGazaandtotheadoptionofarmedstrug gle as the central strategy of the Palestinian national movement. At the same time, however, the Palestinianization of the ArabIsraeli conflict, which began with the war of 1967 and became intensified with the onset of the intifada, the Palestinianuprising,inlate1987,createdtheconditionsforresolutionofthecon flict. Paradoxically, it was only with the revival of Palestinian nationalism after 1967 that the compromise solution of a Palestinian state in the West Bank and Gaza,alongsideofIsrael,emergedasaviableoption(Kelman,1988). Prior to 1967, this option was psychologically unavailable. Palestinians tendedtoapproachtheconflictfromtheperspectiveofeithertheirArabidentity (which required recapturing all of theArab territory on which Israel was estab lished) or their local identity (which called for return of Palestinian refugees to the specific towns or villages—within Israel—from which they had come). It is onlyasPalestiniansbegantoadoptaPalestiniannationalperspectivethataWest Bank/Gaza state became a psychological option. Such a state would achieve a meaningfulgoalforanationalmovementandrepresentareasonableendtothe national struggle. It would allow Palestinians to exercise their right to national selfdetermination, to establish national sovereignty, and to obtain a territorial baseforexpressingtheirnationhood. ForIsraelis,thegrowthofPalestiniannationalism—andespeciallyitsculmi nation in the intifada—also made the creation of a Palestinian state on the West BankandGazaamoreattractiveoption,providedIsraelisecurityconcernswould be adequately met. It has become clear to an increasing number of Israelis that annexing the occupied territories and incorporating large numbers of reluctant PalestiniansintoIsraelwouldspelltheendofIsraelasastatethatisbothJewish anddemocratic:IfIsraelweretoextendcitizenshiptothePalestinianpopulation of the West Bank and Gaza, it would soon lose its Jewishmajority; if it were to
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denythemcitizenship,itwouldceasetobeademocracy.Italsobecameclearto increasing numbers of Israelis that alternatives to independent statehood—such as Palestinian autonomy or returning the occupied territories to Jordan—would not satisfy Palestinian national strivings. The intifada in particular persuaded IsraelisthatthePalestinianswereindeedanation,preparedtoorganizeandsac rificetoachievetheirnationalaspirations. TheevolutionoftheIsraeliPalestinianconflictthussuggeststhat,atleastin somerespectsandatsomehistoricaljunctures,nationalismmayactuallybepart of the solution as well as part of the problem. Still, the solution did not come quicklyoreasily.Despitethegrowingawarenessonbothsidesthatitwasintheir longterminteresttoendtheconflictwithahistoriccompromise,theywerereluc tanttomovetothenegotiationtable.Thisreluctancecanbetracedtotheexisten tialfearsandtheinternaldivisionsonbothsides.Movementtowardnegotiation requiredmanyyearsofdebatewithineachsocietyanddialoguebetweenthem,in thecontextofmajorhistoricalchangesandaseriesofdramaticevents,including theSadatinitiativein1977,theEgyptianIsraelipeaceagreement,theonsetofthe intifada,andthePLOpeaceinitiativeculminatingintheacceptanceofatwostate solutionatthe1988meetingofthePalestineNationalCouncil. The changes in the strategic situation due to the end of the Cold War, the collapseoftheSovietUnion,andtheGulfWarof1991finallycreatedthecondi tionsforinitiatingnegotiationsbetweenIsraelandthePalestiniansaswellasthe Arab states. The IsraeliPalestinian negotiations, however, lacked momentum until the Israeli government accepted the PLO as its negotiating partner in the Oslo talks, which culminated in the Oslo accord between Israel and the PLO, signedinWashingtononSeptember13,1993.ThedocumentsignedinWashing tonwasaDeclarationofPrinciplesfornegotiatinginterimandfinalagreements. This document was preceded by an exchange of letters of mutual recognition betweentheStateofIsraelandthePLO,which,inmyview,representsthemost significantbreakthroughoftheOsloagreement. ThenegotiationsinitiatedbytheOsloagreementexperiencedmanyupsand downs and finally broke down at the beginning of 2001, after the failure of the CampDavidsummitinthesummerof2000andtheonsetofthesecondintifada soonthereafter(cf.Kelman,2007a).Sixteenyears(asofthetimeofwriting)after thesigningoftheOsloaccord,eachside’sresistancetofullyacceptingtheother’s righttoastateofitsown,expressingitsnationalidentity,continuestobeanob stacletoafinalpeaceagreementbasedonatwostatesolution.Theideaofatwo statesolutionisnowacceptedbymajoritiesinbothsocietiesandevensomeofthe hardlineleadershiponbothsidesisatleastpayinglipservicetoit.Butthereis
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widespread reluctance on both sides to making the concessions that a twostate solutionwouldrequirebecauseofprofoundmutualdistrustandthefearthat,in theend,theconcessionswouldnotbereciprocatedbytheotherandwouldjeop ardizetheirownnationalidentityandnationalexistence. I have argued (e.g., Kelman, 2007) that to overcome the distrust would re quirevisionaryleadershipsonbothsidesthatframeanagreementasaprincipled peace, based on a historic compromise whereby the two peoples agree to share the land to which both are attached and in which both have historical roots, al lowing each to exercise its right to national selfdetermination and express its nationalidentityinitsownindependentstatewithinthesharedland.Anessen tialstartingpointforsuchaframeworkismutualacknowledgmentoftheother’s nationalidentityandlinkstotheland.Itwouldhavetobeconstructedthrougha jointIsraeliPalestinianprocess,inwhicheachsideisabletoremovenegationof theotherfromitsownidentityinacontextinwhichthecoreofitsownidentityis affirmedbytheother.Aframeworkforapeaceagreementconstructedinsucha context can reassure each side that the agreement would not jeopardize its na tional existence and promises mutual benefits that far outweigh the risks it en tails.
Conclusion TheclashofIsraeliandPalestiniannationalismsisjustoneofmanyexamplesof thestrengthofnationalistideologyinthecontemporaryglobalsystemandofits roleininternationalconflict.Itisparadoxicalthatthespreadofnationalismand itsrenewedvigorthroughouttheworldcomeatatimewhentwodysfunctional aspects of the nation state are increasingly being recognized. These are related, respectively, to the growing interdependence between nation states and the up surgeofethnicdivisionswithinnationstates. Our global interdependencefor the achievement of international peace,so cialjustice,andindividualfreedomhasmadeit increasinglyevidentthatthenationstateisnolongercapableofservingsomeofthe functionsitwas designed toserve.Foremostamong theseisthefunctionof military security, which no state—no matter how powerful—can fulfill on a unilateral basis today. Newer and poorer states, in particular, cannot entirely rely on their own re sourcestocarryoutthefunctionsofeconomicdevelopmentandofmeetingthehealth and welfare needs of their populations. Higher education, scientific research, and
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HerbertC.Kelman technologicaldevelopmentareamongthosefunctionsthatwillincreasinglyhavetobe organizedonatransnationalbasis(Kelman,1968,p.661).
Thus the ideology of the nation state, by insisting that the task of meeting the needs and interests of the population must be entrusted to the unit that reflects their national identity, becomes dysfunctional by erecting barriers to alternative patterns—supranationalortransnationalinscope—oforganizingforthosefunc tionsthatindividualstatescannothandleeffectively. The second dysfunctional aspect of the nation state also derives from the underlyingassumptionofnationalistideology“thatonlyasystemreflectingthe population’sethniccharactercanproperlylookoutforitsneedsandinterests…. Iftherearestrongethnicandculturaldivisionswithinastate,thenthisideology may interfere with the government´s ability to organize the society effectively” (Kelman, 1968, p. 664). Such ethnic divisions and the associated feelings of dis contentarenotonlyhamperingthedevelopmentofnationalunityinnewstates, butarecreatingseriousunrestinolder,wellestablishedstatesandhaveeven,in somecases,causedthemtobreakup.Theseconditionspointtotheimportanceof subnational arrangements to satisfy some of the sentimental and instrumental concerns of population segments within nation states. At the same time, they reinforce the importance of transnational arrangements, in view of the cross cutting links that exist between subnational groups (such as ethnic minorities) and groups in other countries with which they share elements of identity and interest. Thesedysfunctionalaspectsofthenationstate—quiteapartfromanyideo logicalcommitmenttotheconceptofaglobalsociety—underlinethecriticalim portanceoftransnationaleffortstotheachievementofhumandignity.Thiscon sideration, taken together with the potentially liberating role of nationalism, makestheextensionandprotectionofhumandignityadialecticalprocess,char acterizedbyaninherentcontradiction(Kelman,1977).Ontheonehand,dignity impliestherightofeachgrouptoexpressitsnationalidentity,tocontrolitsown fate,toresistdominationandoppression,andtoprotecttheinterestsofitsmem bers.Inthecontextofthecurrentinternationalsystem,theexerciseoftheserights often takes the form of establishing an independent nation state or at least a highlyautonomousunitwithinalargerstate.Ontheotherhand,extensionand protection of human dignity require the development of a global society, in whichmanyimportantfunctions—includingthebasicfunctionofprotectingthe population against threats to their survival in the form of war, starvation, and repression—are provided on a cooperative transnational basis. In view of the
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increasinginterdependenceofnationstates,thisimpliesadiminutionofnational sovereigntyandoftheparamountcythatthenationstatecurrentlyenjoys.Weare thus faced with the contradiction that nationalism represents both a vehicle for andabarriertotheenhancementofhumandignity. There is no easy formula for resolving this contradiction. For example, the argument that nationalism is a progressive force in national liberation move mentsandformercoloniesbutareactionaryforceinestablishedstatesisspecious on at least two grounds. First, it ignores the fact that creation of a new nation state has a potentially liberating effect precisely because of the powerful role of nationstateswithintheinternationalsystem,whichispreservedandmodeledby theestablishedstates.Second,itdrawsanunrealisticallysharplinebetweennew and established states, forgetting that new states quickly become established in thesenseofdevelopingvestedinterestsandpatternsofinternaldiscriminationor external aggression; and that established states, under the prevailing conditions ofinterpenetration,maywellfindtheirautonomythreatened.Thus,thedialecti calcharacterofnationalismcannotbeglossedoverbytheapplicationofadouble standard.Eventhenationalismofoppressedpeoplesisprofoundlyproblematic: Theirrighttotheexpressionoftheirnationalidentityanddeterminationoftheir ownfatecannotjustifytheperpetuationofthenationalistmodelofnationstates unrestrainedintheirexerciseofnationalsovereigntyandtheirpursuitofnational interests.Thismodel,inanypartoftheworld,isinconsistentwiththerequirements ofhumansurvival.Inshort,therealizationofhumandignitydependsonabal ancebetweenfulfillmentandcontainmentofnationalistaspirations. References Allport,F.H.(1933).Institutionalbehavior.ChapelHill:UniversityofNorthCarolinaPress. BarTal,D.(1989).Delegitimization:Theextremecaseofstereotypingandprejudice.InD. BarTal,C.Graumann,A.W.Kruglanski,andW.Stroebe(Eds.),Stereotypingandpreju dice:Changingconceptions(pp.169–182).NewYork:SpringerVerlag. Deutsch,K.(1953).Nationalismandsocialcommunication.NewYorkandCambridge,Mass.: WileyandTechnologyPress. Fishman, J.A. (1968). Nationalitynationalism and nationnationism. In J.A. Fishman, C.A. Ferguson,andJ.DasGupta(Eds.),Languageproblemsindevelopingnations(pp.39–51). NewYork:Wiley. Herman,S.(1977).JewishidentityAsocialpsychologicalperspective.BeverlyHills,Calif.:Sage. Hertzberg,A. (1975). TheZionistidea:Ahistoricalanalysisandreader.NewYork:Atheneum.
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NationalismandNationalIdentity:ASocialPsychologicalAnalysis
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„DaangesichtsdesweltweitzunehmendenZivilisationsbewusstseinsLö sungen auf der Basis dieses oder jenes Universalismus ausgeschlossen sind,[istes]dringenderforderlich,neuekulturübergreifendeAnsätzezu entwickeln.NichtwestlichenZivilisationenwiederislamischenweiterhin das westliche Verständnis von Demokratie und Menschenrechten aufzu zwingen, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Man muss sich vielmehr die Fragestellen,wieVölkerunterschiedlicherKulturenundZivilisationenin ihren eigenen Sprachen zu einem gemeinsamen Verständnis von Demo kratieundMenschenrechtengelangenkönnen.“ BassamTibi:DieNeueWeltunordnung,Berlin1999,S.319. Totalitarismus,DiktaturundDemokratiesindeuropäische,keineislami schen Begriffe, die teilweise noch nicht einmal verbal in nichtwestliche Sprachenübersetztwerdenkönnen.ImArabischen,undähnlichinande ren orientalischen Sprachen der Welt des Islam, heißen Demokratie und DiktaturalDemoqratiyyaundalDiktatur,d.h.siewerdenauchsprach lich übernommen und entsprechend indigenisiert, weil sie als Ausdruck nicht übersetzt werden können. (…) Die Auseinandersetzung der Fun damentalisten mit der Demokratie, die sie als eine Verleugnung von HakimiyyatAllahdeuten,zurKenntniszunehmen,(…)heißteinerseits darstellen,dassderinhaltlicheGegenstanddesKonfliktseherdie(…)po litischkulturelle„RevoltegegendenWesten“ist,alseineRückkehrzum Islam.(…)ZumAnderenwirddeutlich,dassislamischetraditionelleBe griffeinstrumentalisiertwerden,ummoderneInhalte,hierDiktaturund totalitäreHerrschaft,imSinnevongegendieDemokratiegerichtetenAl ternativenalsLösunghervorzuheben.DieislamischenBegriffedienenals alteSchläuche,indiederneueWein–derislamischeTotalitarismus–ge fülltwird. BassamTibi:DerwahreImam.DerIslamvonMohammedbiszur Gegenwart.München1996,S.355358.
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DemocracyandReligionintheMiddleEast For most of the twentieth century, two ideas dominated political debate in the MiddleEast:nationalismandsocialism.Sometimestheone,sometimestheother, sometimes the two in the devastating combination of national socialism, exer cisedenormousattraction.BothwereofEuropeanorigin;bothfromtimetotime enjoyed the active support of European powers. Both were adapted in various ways and with varying success to Middle Eastern conditions and needs. They gained at times passionate support and helped to accomplish significant changes. Bytheendofthecenturybothhadlostmostoftheirappeal.Ofthetwo,so cialismwasthemoreseriouslydiscredited–ontheonehand,bythecollapseof itssuperpowerpatron,theSovietUnion;ontheother–perhapsmorecogently– by the failure of Middle Eastern and North African regimes professing one or other kind of socialism to lead their people into the promised land. Instead of freedom and prosperity, they delivered tyranny and poverty, in increasingly obviouscontrastwiththedemocraticworld. Nationalismwasnotdiscreditedbutrathersuperseded,bytheattainmentof itsmainobjectiveandtheconsequencesthatfollowedthatattainment.Withthe advent of full national independence, it became increasingly clear that freedom and independence were different things. In some definitions of independence, theyevenappearedtobeincompatible. Nationalistaimshavebeenachieved;socialisthopeshavebeenabandoned. But the two basic problems which they were designed to remedy – deprivation andsubjugation–remainandare,ifanything,becomingworse.Thepopulation explosion has made the poor poorer and more numerous; the communications revolution has made them far more aware of their poverty. The departure of imperialgarrisonsandproconsulshasremovedthemostplausibleexcuseforthe powerlessness and economic backwardness of the Muslim Middle East as con trasted,notonlywiththeWest,butalsowiththerisingpowersofAsiaandthe
M. Abou-Taam et al. (Hrsg.), Zwischen Konfrontation und Dialog, DOI 10.1007/978-3-531-93001-5_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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near challenge of Israel. The problems remain and are becoming more serious andmorevisible.Thesearchforsolutionsisstillinprogress. When General Bonaparte invaded and occupied Egypt in 1798 – an event which, by the consensus of historians, inaugurated the modern history of the MiddleEast–therewereonlytwoindependentpowersintheregion,Turkeyand Iran. During the era of imperialist rivalries and domination, both managed, thoughsometimeswithconsiderabledifficulty,topreservetheirsovereigninde pendence. The breakup of the empires – British, French, Italian and, most re cently, Russian – made possible the emergence of a whole series of new, inde pendentstates.Someofthese,likeEgyptandMorocco,aresustainedbyasense of distinctive national identity going back for centuries or even – for Egypt – millennia.Butmostarenewconstructsofuncertainandshiftingidentity.Onthe onehand,thesestateswereforlongthreatenedbymovementsaimingatmerging them into larger, vaguer identities, like panArabism or panTurkism. More re cently,theyhavebeenthreatenedfrombelow,byregional,sectarian,ethnicand triballoyaltiesthatendangertheveryexistenceofthesovereignstate.TheLeba nesecivilwarsdemonstratedwherethiscanlead.TheLebaneseparadigmcould wellapplyinothercountrieslikeSyriaandSaudiArabia–bothofthem,intheir presentform,twentiethcenturycreationsassembledfromverydiverseelements. Turkey and Iran, in contrast, are old states, each with a deeply rooted, widely disseminated sense of common nationhood and political identity, and with centuries of experience in the exercise of sovereign, independent govern ment.Theresultingsenseofstabilityandcontinuityhasenabledthemtosurvive criseswhichwouldhaveshatteredmorefragilenations.Bothalsohavetraditions ofleadershipIranastheculturalcenterofazoneextendingeastwardsintoCen tralAsiaandIndia,westwardsintotheOttomanlands;Turkeyastheleaderand model of the Middle East, first in Islamic empire, then in nationalist self liberation. And since the beginning of the sixteenth century, when the Sunni Sultan of Turkey and the Shi’ite Shah of Iran fought the first of a long series of warsbetweentheirtwocountries,theyhavebeenrivalsfortheleadershipofthe wholeMiddleEasternregion.Inmoderntimesagain,theyhaveexemplifiedin their forms of government rival models for the futuresecular democracy and religiousfundamentalism. Both terms need closer definition. The word democracy has been widely usedinourtime,inmanydifferentplaceswithverydifferentmeanings.Oftenit is preceded by some modifying adjective – “popular”, “guided”, “basic”, “or ganic”,etc.–theeffectofwhichistodilute,deflect,orevenreverseitsmeaning. Therearemanywhoclaimthattheircausealone–theirreligion,sect,party,ide
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ology – is the only genuine democracy, and all the others are false. All these claimsareofcoursetrue–providedthatoneacceptstheclaimant’sdefinitionof democracy.Idonot,andsuchclaimsarethereforeirrelevanttomypresentdis cussion.WhatImeanisamethodofchoosing,installingand,whennecessary, removinggovernmentsthatevolvedovercenturiesintheEnglishspeakingcoun tries and hasin modern times beentransplanted, with varying success,to other parts of the world. It differs from nondemocratic polities in that governments areempoweredoratleastconfirmedbythepeople,normallythroughelections heldatfixedintervalsandunderknownandestablishedruleswhicharethesame for all parties. It differs from other systems that use the name of democracy in thatgovernmentscanbeandfrequentlyarechangedbyelections,incontrastto the others where elections are changed by governments. Democratic elections requiresecretpollsandpubliccounts;inpseudodemocraciesthereverseismore usual.Theneedtofacetheirelectorsatfixedintervalsisusuallyenoughtoen sure that governments respect such other democratic requirements as human rights,freespeech,andtheruleoflaw. Not all democracies are legally secular. In Britain, where representative, parliamentarydemocracyhastheoldestroots,thereis–ifonlyinform–anes tablished church. The same is true of some other European democracies. But elsewhere, notably in the United States and in France since the late nineteenth century,theprinciplewasadoptedofaseparationbetweenreligionandthestate, introduced with a double purpose: to prevent the state from interfering in reli gious matters, and to prevent religious authorities from using the power of the statetoimposeandenforcetheirdoctrinesortoobtainprivileges. “Religion,” like “democracy” is a word of many meanings and interpreta tions.Eventhenamesofspecificreligions–“Christianity,”“Islam,”“Judaism”– conveyvariantandsometimescontradictorymeaningstodifferentadherentsand observers.ChristianityandJudaismarebothverymuchminorityreligionsinthe MiddleEastasawhole.Christianityhasbeensteadilylosinggroundinthecen trallands,bothdemographicallyandpolitically.Itmaybestrengthenedbythe returntotheregionoftwoChristianstates,ArmeniaandGeorgia,butsofartheir effecthasbeenverylimited.Judaismhasbeenvirtuallyextinguishedinmostof the Arab countries; it survives among small and dwindling minorities in Mo rocco, Turkey, Iran and the former Soviet republics. It is the majority – and dominant–religionofIsrael. ForthevastmajorityofthepeoplesoftheMiddleEast,religionmeans,and has for many centuries meant, Islam. In almost all those Arab states that have written constitutions, Islam figures either as the religion of the state or as the
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“principalsourceoflegislation.”TheSaudishavenowrittenconstitution,argu ingthattheQur’anorIslamitselfistheirconstitution.TheformerSovietrepub licshave,forthemostpart,keptthesecularistforms,thoughthesearesometimes underchallenge. Turkey alone has hitherto been explicitly secularist. The first legal step in this direction came in April, 1928, when Article II of the constitution was amendedbythedeletionofthewords“thereligionoftheTurkishStateisIslam”, withconsequentialchangesinotherarticles,removingreferencestoreligionand toholylaw.AsecondchangecameinFebruary,1937,whenArticleIIwasagain amendedtoincludetheprinciplesoftheRepublicanPeople’sParty,declaringthe TurkishStatetobe“republican,nationalist,populist,étatist,secularandreform ist.”Theprincipleofsecularism,ormorepreciselyoftheseparationofreligion andthestate,wasmaintainedthroughseveralsubsequentconstitutionalchanges. ItisinthissensethattheEnglishword“secularism”inusedhere,astheequiva lentoftheFrenchlaicité,theGermanlaizitätandadaptationsinotherlanguages. Unfortunately,thiswordisnotcommonlyusedinEnglish,andmisunderstand ingsoccasionallyarisesfromtheirreligiousandevenantireligiousconnotations sometimesattachedtothewords“secularism”and“secularist”.Thesameambi guity caused some problems in Turkish when the issue was first raised, and “secular” was rendered by the term ladini, which could be understood both as nonreligious and as irreligious. It was later replaced by lâik, from the French laique.Turkish“laicism”hasfacedandisfacingseveralchallenges,mostrecently fromtheelectedgovernmentinpower. The crucial distinction in Middle Eastern Islam at the present time is be tween those movements to which we of the West have attached the name “Is lamicfundamentalism”andtherestwhich,forwantofabetterterm,wemight, forthetimebeingatleast,call“mainstreamIslam.”Thename“fundamentalism” has,forvariousreasons,beencondemnedasinappropriateandevenmisleading. ItcameintouseintheUnitedStatesintheearly20thcenturytodesignatecertain Protestant churches that differed from mainstream Protestantism. There were two main points of difference – liberal theology and Biblical criticism, both of whichtheyrejected.Abasicfundamentalistdoctrinewastheliteraldivinityand inerrancyoftheBiblicaltext. ThesearenottheconcernsofthesocalledIslamicfundamentalists.Liberal theologyofakindhasbeenanissueamongMuslimsinthepast;itmayagainbe an issue among Muslims in the future. But it is not an important issue at the presenttime,anditisnotabouttheologythatfundamentalistsandmainstream Muslimsdiffer.Norisscripturecriticismanissue.AllMuslims,believing,prac
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tising, or merely conforming, accept the divinity and inerrancy of the Quranic text, or at least do not question it in public. This, again, is not the issue which dividesfundamentalistsfrommainstreamMuslims. Theterm“fundamentalist”wasthusrightlycriticizedasinappropriatesince itisAmericanandProtestantandthereforeirrelevanttoIslam,andasinaccurate since it originally referred to doctrinal issues quite different from those which concernMuslims.Somehavealsocriticizeditasderogatory–atermwhichpre judgesandcondemnsthemovements,ideasandindividualswhichitpurportsto denote. Unfortunately, the substitutes that have been proposed and are sometimes usedareasbadorworse.Themostfrequent,Islamistand“Islamism”,couldbe misleading,sincetheyimplythatthesemovementsareacharacteristicexpression of Muslim beliefs and behaviour. Precisely for this reason, the fundamentalists themselves welcome and use this term, while other Muslims hesitate. Of late, literal translations of the English word “fundamentalist” have come into use in Arabic,Persian,TurkishandnodoubtinotherlanguagesusedbyMuslims.By now,“fundamentalism”ismoreoftenusedofMuslimsthanofAmericanProtes tants,andthedangerofmisunderstandingappliesmoretothelatterthantothe former.AwordwhichhasbeenadoptedinthelanguagesofIslamtodesignatea MuslimgroupmaysurelyberetainedinthelanguagesofChristendom. In discussing the attitudes and activities of Muslim fundamentalists, two facts – selfevident when stated, but often forgotten – must be recognized: first, thatmostMuslimsarenotfundamentalists,andsecond,thatmostfundamental ists are not terrorists. Fundamentalists, naturally, are concerned to obscure or revise the first of these facts; terrorists find it expedient to obscure the second. Both are helped in achieving these aims, on the one hand by the media, which naturally and perhaps inevitably give farmore attention to the violentminority than to the lawabiding majority, and also by some Muslim leaders, both reli giousandpolitical,whofeelunwillingorunabletocondemnterroristgroupsand actsinunequivocalterms.Oflatetherehasbeenanalarmingincreaseinmani festationsofpopularsupportforterroristactionsandslogans,allovertheMus limworldandespeciallyintheMuslimdiasporainEuropeandtheAmericas. Islamicfundamentalismremainsapowerfuland,insomeareas,agrowing force. Fundamentalist groups differ from country to country or even, on occa sion, within a single country; sometimes cooperating, sometimes competing for support.Theyareusuallyreadytocooperateagainsttheinfidelenemy,postpon ingtheirownfeudsuntilaervictory.Thus,eventheradicalShìaleadershipof Iran and the radical antiShìa Wahhabis of alQa’ida have, it would seem, to be
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able to work together on occasion in the greater jihad, postponing their inner conflicts. Therehave,inthecenturiesofIslamichistory,beenmanysuchmovements– radical,subversive,oftenviolent,seekingtheoverthrowoftheexistingorderand itsreplacementbyonemoreauthenticallyIslamic.Sometimesthesemovements havebeendirectedagainstaforeigntarget.Muchmorefrequently,theiractivi tieshavebeendirectedagainsttheirownMuslim–orastheywouldsay,nomi nallyMuslim–leadersandregimes,whomtheyaccuseofabandoningauthentic Islam and adopting foreign and infidel ways. One of the major grievances against foreign powers is their support for such regimes, increasingly seen as theirpuppets.Thefundamentalists’aimistoendthiscorruptionofIslamicsoci etyandrestoretheGodgivenHolyLawofIslam.Suchrulersandregimesare,in theirview,worsethaninfidels;theyareapostates,andthepenaltyforapostasyis death. The Shah of Iran and President Sadat of Egypt were seen as such apos tates.InEgypt,fundamentalistskilledtheruler;inIran,theyweremoresuccess fulandoverthrewtheregime.ItisinterestingthatSadat’smurdererhasastreet namedafterhiminTehran. Inbothcountries,asalsoinAlgeria,intheSudanandelsewhere,theIslamic fundamentalistattackwasnotinitiallydirectedagainsttheWest.Itwasdirected againstwhatforthemwasafargreaterdanger–againstMuslimswhoslavishly imitate the West and allow Western depravity to corrode and destroy Islamic society. Yet in opposing Westernization the fundamentalists adopt much that is Western – Western technology and especially weaponry, Western communica tions,andeven–inIran–suchWesterninventionsasawrittenconstitutionand anelectedparliament.TheIslamicRepublicofIranhasboth,thoughneitherhas any precedent in Islamic history or doctrine. Iran even has contested elections with rival candidates who conduct competing campaigns. There are however strict limits. In Turkish general elections in recent years, increasing numbers of theelectoratehavevotedforanIslamicparty,tothepointwhereitwastwiceable to win a parliamentary majority, and form the government of the republic. The party’spresentdeclaredpositionisthattheyareMuslimdemocratsthewaythat somepartiesincontinentalEuropeareChristiandemocrats,withoutchallenging the “lay” basis of the constitution. Some of their critics see them as a serious threat to the achievements of the Kemalist revolution. We do not know how manyIranianswouldvoteforaseculardemocraticparty,sincethatoptionisnot allowedtothem,buttherearegrowingindicationsthatmanyifnotmostIranians wouldwelcomesuchachange.Itisnowpossibletoimagineafuturesituationin
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which Turkey and Iran exchange roles as the rival champions of Islamic theoc racyandseculardemocracyintheregion. Atthisstageitmaybeusefultoattemptatypologyoftheexistingregimesin theIslamiccountriesoftheMiddleEastandNorthAfrica.Theymaybeclassified asfollows: 1.TraditionalAutocracies.Therewasatimewhenvirtuallyalltheregimes oftheIslamicworldwouldhavequalifiedforthisdescription.Thosethatremain atthepresenttimeareprincipallythedynasticregimesofSaudiArabiaandofthe ArabianshoreoftheGulfandtheIndianOcean.Theseregimesaremonarchical andauthoritarian,andforthemostpartdispensewithsuchfrillsasconstitutions andelectedassemblies.Theiroriginsaretribal,andtriballeadershipdependson thefreelygivenandalwaysrevocableacceptanceofthetribesmen.This,though hardlydemocratic,isinoriginatleastconsensual.ThetribalandIslamictradi tionswhichsustainthemalsolimitthem.Islamiclawandcustom,whileallow ingautocraticpowertotheruler,neverthelessmaintainthateventherulerhim selfissubjecttothelawandnotaboveit.Theseconstraintsarenolongeraseffec tiveastheywere,sincemoderntechnologyandweaponryhaveatoncestrength enedthesovereignpowerandweakenedtheintermediatepowersthatoncelim ited it. But the same modern technology is also available – and is increasingly beingused–bythosewhoseektooverthrowtheexistingauthority. 2. Liberalizing Autocracies. These regimes – Morocco, some of the Gulf states, Jordan and at times Egypt – are rooted in traditional autocracy, but take significant steps towards modernization and therefore, inevitably, towards de mocratization.Theyarenolongertraditionalautocracies;theyarenotyetliberal democracies, but the overall movement is towards greater freedom. In some, developmentisstillhamperedbyfailedpublicenterprises–aresidueoftheso cialistera.Othersaremakingsomeprogressineconomic,socialandhumande velopment. 3.Dictatorships.Thistermisoftenusedlooselyandinaccuratelytodesig nate regimes that would more appropriately be described as authoritarian or autocratic.Itmaybeusedwithgreaterprecisionoftheonepartyregimesmain tainedbyHafizalAsadandhissoninSyriaand,untilrecently,bySaddamHus seininIraq,bothclearlymodeledontheEuropeanonepartyregimesofthe1930s and40s.Bothcountrieswereadministereddirectlyundermandateintheinter war period – Syria by France, Iraq by Britain. Both mandatary powers created democratic institutions in their own image – a constitutional and parliamentary monarchy in Iraq, a parliamentary republic in Syria. Neither struck deep roots andbothweredismantlednotlongafterthedepartureofthemandatarypowers.
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In Syria and Iraq as in Germany and Italy, the oneparty dictatorships were erectedontheruinsofunsuccessfuldemocraticexperiments. Here, the connection was direct. After the French surrender in 1940, the French authorities in SyriaLebanon chose to rally to Vichy rather than to De Gaulle.SyriaLebanonsoonbecameamajorbaseforNazipropagandaandactiv ity in the Arab world. For a while the Nazis and their collaborators were re markablysuccessful,andevenextendedtheiractivitiestoIraq,wheretheyestab lished,underRashidAli,aproAxisfasciststylegovernment.Itwasinthispe riodthatwemayfindtheantecedentsoftheBa’thpartiesofbothSyriaandLeba non–afairlycloseimitationoftheNaziorFascistuseoftheterm“party.” TheAlliedvictoriesintheMiddleEastforawhileendedthisphase,butthe Alliedwithdrawalafterthewar,followedbythearrivalandestablishmentofthe Soviets, brought a revival of the Ba’th Party, this time under different auspices. TheadaptationfromtheNazimodeltotheCommunistmodelpresentednogreat difficulty. This was the only European importation that really worked in the MiddleEast,anditisthere,ratherthanintheAraborIslamicpast,thatonemust seektherootsofSaddamHussein’sdistinctivetypeofgovernment. 4.TheexSovietRepublics.Thisgroup,classifiedbyhistoryandgeography ratherthanbyregimetype,consistsofthesixformerSovietrepublicswithmostly Muslim populations in Transcaucasia and Central Asia. Like the former British and French dependencies in southwest Asia and North Africa in the interwar period, they had some difficulty in disentangling themselves from their former imperial masters. After the formal recognition of independence came the post imperialhangover–aperiodofinterference,ofunequaltreaties,of“bases”and “advisers”andthelike.Theformativeinfluencesthathaveshapedtheirhistory forthelastcenturyormoreareverydifferentfromthoseoftheformerBritishand French imperial territories. Their problems have also been different in that they weredealingnotwithLondonorParisbutwithMoscow. 5. Revolutionary Islamic Regimes. The term “revolution” has been fre quentlyusedinthemodernMiddleEasttodesignateaseriesofpalaceandmili taryseizuresofpowerwhichmightmoreaccuratelybedenotedbysuchtermsas theFrenchcoupd’étatortheGermanputsch.WhathappenedinIranin1979was different.Thistimepowerwastransferrednotjustfromonecliqueofindividuals to another, but from one whole social order to another, with a comprehensive redistribution of political and economic authority and privilege. And, as with othermajorrevolutions,thisitselfwaspartofalonger,broader,deeperprocess thantheimmediatetransferofpower.Forbetterorforworse–theIraniansare stillsharplydividedonthis–whathappenedinIranwasamajorrevolutionin
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thefullsenseoftheword.LikeeighteenthcenturyFranceandtwentiethcentury Russia, Iran has gone through the classical stages – upheaval and repression, terror and revolutionary justice, intervention and war, ideological debate and politicalconflict,andvastsocialtransformations.Thepriceofrevolutionisfamil iarandhasbeenpaidatahighrate.Thereturnsare,assooften,problematic. Like the French and Russian revolutions, the Iranian revolution evoked a powerful response in other Muslim countries with which the Iranians shared a commonuniverseofdiscourse.LiketheJacobinsandtheBolsheviksintheirday, the Iranbased Islamic radicals of our time have encouraged – and sometimes organized and directed – a whole series of movements in these countries. The Iranian revolution mow appears to have reached what might variously be de scribedasitsNapoleonorStalinphase. 6.Democraciesinthewesternsenseoftheword–thatispoliticalsystemsin whichfreeelectionsareheldandgovernmentsmayberemovedbythedecision of the electorate. Many countries in the region hold elections – partly because this is the fashionable attire of the modern state, partly because some form of electionissometimesnecessarytoqualifyforinternationalrespectandonocca sionaid.Butinmostoftheseregimes,electionsareaceremonialratificationof therealitiesofpower.Thereareonlytwostatesintheregionwhereregularand genuine elections are held and governments can be – and sometimes are – changedbyelections:TurkeyandIsrael. A crucial question arises and is often asked in all these countries: Is Islam compatible with democracy? The same question has been asked in broader terms–isreligioncompatiblewithdemocracy?Inthesenseofasystemofbelief andworship,ofmoralityandconduct,theanswerisclearlyyes.Butifweuse religion in the sense of a complex of historical experiences and cultural tradi tions,theanswermayvary.Onecould,forexample,purelyonthebasisofthe historical record, give different answers for Orthodox, Catholic and Protestant Christianity.ForJudaismtherecanasyetbenoanswer,sinceancientmemories aretooremoteandrecentexperiencetoobrieftoprovideanybasisforone.For Islam there is the record of more than fourteen centuries of history and, at the presenttime,thepoliticallifeofmorethanfiftyMuslimsovereignstates. Atfirstsightneithertheoneortheotheroffersmuchgroundforoptimism. Islamichistoryisarecordofunrelievedautocracy;rarelydespotic,oftenbenign and enlightened, usually limited by the provisions of the holy law, but with no traditionofcorporatebodies,ofrepresentation,orofmajoritydecision.Thefirst four caliphs who ruled after the death of the Prophet Muhammad are known amongSunniMuslimsastherightlyguidedcaliphsandtheperiodoftheirrule
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isregardedasthegoldenageofIslam.Ofthefour,threewereassassinated,one byadisgruntledslave,theothertwobyrebelliousMuslims,andtheirrulefoun dered in the first of a series of civil wars. Of the present Muslim states in the Middle East only one, the Turkish Republic, can be called a democracy in any serioussense.Thereareafewotherstatesthatseemtobemovinginthisdirec tion, but none have moved as far as Turkey – and even Turkish democracy has enduredreversesandinterruptions. Butitwouldberashtoconcludethatbecausedemocracyhasnotworkedin the past, it will not work in the future. The countries in the rest of the world wherestabledemocraticinstitutionshavefunctionedsmoothlyoverlongperiods areveryfewindeed.Inmostothers,therecentspreadofdemocraticinstitutions muststillberegardedasexperimental.Therecordofdemocracyeveninmostof continentalEuropeisatbest,chequeredanditwouldbeunreasonabletoexpect better and faster results in regions of very different culture. After all, even Americandemocracywas,forawhile,deemedcompatiblewiththemaintenance ofslavery,andforamuchlongerperiodwiththecompletedisenfranchisementof halfthepopulation–thefemalehalf.Inthefirstdemocraticexperimentsinthe Middle East, members of religious minorities were the strongest supporters, sincetheyhopedthatademocraticorderwouldgivethemtheequalitywhichthe oldorderhaddeniedthem.Womenmaywellcherishthesamehope.Theyare far more numerous than the Christian and Jewish minorities, and unlike these minoritiestheyareindispensable.Womenmayyetbethegreatestupholdersof democracy in the Islamic lands. They are certainly the group with the most to losebyitsfailure. ButtheMiddleEastispredominantlyMuslimanddominantlymale,andthe institutions that Middle Eastern Muslims create and operate will inevitably be shaped to a significant degree by their cultural and historical traditions and memories. Whilethesehaveinthepastpresentedsomebarrierstothedevelopmentof democratic institutions, they also contain positive elements which, rightly inter preted and applied, might lead to greater political freedom and respect for hu manrights.Therehavebeenmanyattemptsbysupportersofdemocracytofind elements in the Muslim religious heritage that could point in the direction of democratic freedom. Some of these arguments have been of variable cogency andlimitedeffect.Butthereareelements–notstrainedinterpretationsofmar ginal texts, but central to Islamic history and tradition – that could indeed be conducivetothedevelopmentofdemocraticinstitutions.
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TheformativescripturalnarrativesofIslamareverydifferentfromthoseof JudaismandChristianity.Moseswasnotpermittedtoenterthepromisedland, and the Hebrew Bible is dominated by the themes of bondage and liberation, exileandreturn.Christwascrucified,andhisfollowerssufferedandenduredfor centuriesasapersecutedminoritybeforefinallycapturingthestateand–some wouldadd–beingcapturedbyit.Muhammadconqueredhispromisedlandand founded his own state. The Quran records his struggles, his victories and his achievementsasruler–promulgatinglaws,dispensingjustice,makingwar,mak ingpeace.Theseparationofchurchandstate–aChristiansolutiontoaChristian dilemma–hadlittleornomeaningintheclassicalIslamiccontext. Islamic teachings and Islamic law do however recognize a difference be tween the things of this world and the things of the next. That recognition is embodied in the extensive literature devoted by Muslim jurists and theologians totheproblemsofstateandsovereignty.Fromtheearliesttimesthiswasamat ter of great concern, and Muslims – philosophers, jurists and others – reflected carefully on the nature of political power, on the ways in which it might be ac quiredandusedand,ifneedbe,forfeited,andonthedutiesandresponsibilities as well as the rights and privileges of those who hold it. The discussion and regulationofthesemattersformacentralpartoftheshari’a,theholylawofIslam. A study of the rich political literature produced by Islamic scholarship re veals a conception ofsovereignty that is very remote from the arbitrary despot ismoftenascribedtoIslambyoutsiders.Theheadshipofthecommunity–the caliphate–asdefinedbySunnijuristsisbothcontractualandconsensual.Anew caliphisinstalledbyabay’abetweentherulerandtheruled.Thiswordisoften translated as homage. This translation however is based on a misapprehension. Bay’a comes from an Arabic root with a connotation of buying and selling, and mightbebettertranslatedas“contract”orevendeal.Thebay’acreatesbondsof obligationbetweentherulerandthesubjects.Thelatteraredutyboundtoobey the ruler, but the ruler also has duties towards the subject. Much of what in Western political thought is discussed under the heading of “the rights of the citizen” appears in Muslim writings under the heading of “the duties of the ruler.”Iftherulerdefaultsonhisobligationsorbecomesincapableoffulfilling them,thecontractcaninprinciplebedissolved.Thoughhistoricallythisisvery rare,thereareprecedents. Thedutyofobedienceisextensiveandcomprehensive,butitisnotunlim ited.TwodictaattributedtotheProphethimselfarecitedonthispoint.Oneof themsays:“DonotobeyacreatureagainsthisCreator”–thatis,donotobeya humancommandtoviolatedivinelaw.Thesamepointismadeinanothersay
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ing: “There is no obedience in sin.” What this impliesisnot just a right of dis obedience,asinmuchWesternthought,butadivinelyordaineddutyofdisobe dienceagainstthesinfulordersofasinfulruler.Thisprinciplewasinvokedboth bythosewhomurderedSadatandthosewhooverthrewtheShah.Asacheckon autocracythisrulewasoflimitedeffect.Theholylawitselfassignsalmostabso lutepowerstothecaliphandprovidesnotestingdevicetodeterminewhetheran order–orforthatmatteraruler–issinful.Butrebellionsanddepositionsarenot unknowninMuslimhistory,andtheprincipleisstilltheretobeinvoked. According to another saying traditionally ascribed to the Prophet: “Differ enceofopinionwithinmycommunityisGod’smercy.”Inotherwordsdiversity isgood,somethingtobewelcomed,notsuppressed.Onthispointtherealitiesof MuslimhistoryareclosertotheprinciplesofMuslimdoctrinethaninthematter ofcontractualandconsensualsovereignty.Inmoderntimestherehasbeenasad falling away from the easygoing tolerance of earlier days, but here again the principleistheretobeinvoked. One other point that may be added is the emphasis in Islamic tradition on the twin qualities of dignity and humility. Even the humblest of subjects are accorded personal dignity in the traditional social order, and rulers were ex pected to avoid arrogance. According to old Ottoman custom, when the Sultan receivedthestatedignitariesonreligiousholidays,herosetohisfeettogreetthe ChiefQadis,asasignofhisrespectforthelaw.WhenanewSultanwasinstalled hewasgreetedbythepeoplewithcriesof“Sultan,benotproud!Godisgreater thanyou!” Freedomasapoliticalidealwasnewandalien.Thewordsfreeandfreedom in classical Islamic usage had a legal and social, not a political meaning. The primarymeaningoffreeistheconverseofslave.Itisalsooccasionallyusedina social sense to connote some fiscal and other exemptions, and occasionally in a moralsensetonotenobility(cf.French“franchise”)ofcharacterandbehavior.Its politicalmeaningwaslearntfromEuropeandthelessonwasdrivenhomebythe imperialpowers. These–principallyBritain,France,HollandandRussia–deprivedmostof the Islamic world of sovereignty. The prime demand therefore was for inde pendence.Foreignrulewasseenastyrannyandtheoverridingpoliticalaimwas to end it. But tyranny means different things in different cultures. In Western political thought the converse of tyranny is freedom. In the traditional Islamic systemtheconverseoftyrannyisjustice.AtthepresenttimemostMuslimcoun triesarediscoveringthatwhiletheyhave gainedindependencetheyenjoynei
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ther justice or freedom. There are some in the region – and their number is in creasing–whoseeindemocracyawaytoattainboth.
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MitSicherheithatesniemalseinedieMenschheitverbindendeWeltkultur gegeben, und es wird diese auch nie geben. Im Altertum wie in der Ge genwart hat es jedoch nicht an Universalismen gefehlt, die jeweils von sichbehaupteten,denStellenwerteinerWeltkulturzuhaben;aberander VerwirklichungdiesesAnspruchsistbisherjederUniversalismusgeschei tert. Dem islamischen Universalismus ist es ebenso wie seinem christli chen Widerpart nicht gelungen, eine uniforme, jeweils islamisch oder christlicheinheitlicheWeltzuschaffen.DiesäkularenUniversalismen,sei dies der Weltkommunismus oder „The American way of life“, sind in ebensolchem Maße daran gescheitert, die Welt nach ihren universellen Maßstäbenzuformen.AngesichtsdieserhistorischenErfahrungenbleibt nurdieHoffnung,dassdieunterschiedlichenundinvielenFällenunter einanderrivalisierendenKulturen,vorallendieislamisch,christlichoder jüdisch geprägten monotheistischen Kulturen, miteinander einen friedli chen Dialog im Sinne einer friedenspolitischen Perspektive führen wer den.(…)UndhierliegengravierendeProblemefürdieZukunft:Istunter diesen weltpolitischen Umständen ein Dialog zwischen (…) Kulturkrei sen,diejeweilsvölligunterschiedlicheDenkweisenpflegen,möglich?“ Bassam Tibi: Die Verschwörung. Das Trauma arabischer Politik. Hamburg1993,S.30f.
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Waseintoderwastrennt„dieAbrahamitischen Religionen“?ausjüdischerSicht. Waseintoderwastrennt„dieAbrahamitischenReligionen“? Goethe,alsobildungsbürgerlichgleichsamunanfechtbar:„Toleranzsollteeigent lichnureinevorübergehendeGesinnungsein;siemusszurAnerkennungführen. Duldenheißtbeleidigen.“1DerMeisterausFrankfurt/MainundWeimarbegnüg tesichverbal(wenigerinseinemgelebtenAlltag)nichtnurmitToleranz,erver langteAkzeptanzalsMaxime.HierirrtGoethefreilich–etwasTolerierenbedeu tetnämlich,zumindestwörtlich,nicht„dulden“,sondern,ausdemLateinischen übersetzt, tragen oder ertragen. „Toleranz“ hieße dann: „Ich trage oder ertrage denAndereninseinemAnderssein.“Dasbedeutet:DasAndersseindesAnderen istmireineLast,abernunja,ichtrageundertragesie,dochsiemissfälltmir,weil siemichbelastet. „Akzeptanz“,vomLateinischen„accipere“,beinhaltet:inEmpfangnehmen, annehmen, auch einnehmen. Nicht nur Geld einnehmen (pecuniam accipere), sondernauchindiesemSinne:erodersiehatein„einnehmendesWesen“–wel chesichebennichtalsLast,sonderneheralsLustempfindeundeigentlichauch gerneverinnerlicheoderinmeinemInnerngernebewahrte.Undsogesehenhatte der „Meister aus Deutschland“ natürlich Recht: Akzeptanz sei unser Ziel. Doch welcherMenschkönntediesesgeradezuSchiller´scheIdealerreichen?Esgleicht demGriffnachdenSternen.DurchSternGriffundSternGedankenstürmenwir gedanklich gleichsam in den Himmel und nähern uns, der historischen Theolo gie. Wir sollten ganz bescheiden, irdisch, nüchtern fragen, wie wir miteinander auf Erden zurechtkommen und friedlich zueinander kommen – ohne uns selbst aufgebenzumüssen.DeshalbbleibeToleranzunserZiel,solangewirunsselbst alsJudenoderChristenoderMuslimetreubleiben.ZurAkzeptanzbekennensich Konvertiten, indem sie das Andere, den Anderen innerlich vereinnahmen und mitihmeinswerden.Konvertitensinddiewenigsten.DeshalbgiltfürunsNicht JohannWolfgangGoethe:MaximenundReflexionen,MitErläuterungenvonMaxHecker, FrankfurtamMain,1976Nr.875,S.162.
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M. Abou-Taam et al. (Hrsg.), Zwischen Konfrontation und Dialog, DOI 10.1007/978-3-531-93001-5_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Konvertiten,objüdisch,muslimischoderchristlich,dasPaulusWortausGalater 6,2 „Einer trage des Anderen Last“, besser: „Einer ertrage des Anderen Last“. MachenwirunsdasAndersseinerträglich–imSinneechter,wörtlicherToleranz. Machen wir uns aber bitte auch nichts vor: Der Andere ist anders. Er ist ein Mensch wie Du, und jedes Menschenleben ist heilig. Die rechtlichpolitische Sprachregelung verzichtet auf Heiligkeit und spricht vorzugsweise – siehe Arti kel1Grundgesetzvonder„WürdedesMenschen“.Sie„istunantastbar“. Jeder erkenne den Anderen und seine Bewertung auch im interreligiösen Gespräch an, ohne diese übernehmen zu müssen. Oder mit Walter Dirks: „Der Andere ist anders. Er ist wie Du.“ Das ist auch im interreligiösen Dialog oder Trialogleichtergesagtalsgetan,selbst(odergerade?)bezüglichdesvermeintlich Gemeinsamen:des„AbrahamitischenErbes“.Genaudassollteaberauch–nach Reflexion – unsere Maxime werden. Man muss nicht gleich sein oder Gleiches wollen,umfriedlichnebenundmiteinanderlebenzukönnen.
Abraham:jüdisch–muslimisch Der „KuschelKlassik“ im Radio“ entspricht in der Religionswissenschaft die KuschelTheologie vom „gemeinsamen Abrahamitischen Erbe“ der drei mono theistischen Bekenntnisse. Auf wackeligen theologischen Beinen steht die These vom verbindenden Abrahamitischen Erbe, das Juden, Christen und Muslime verbinde. Kenntnisreich und überzeugend hat Matthias Morgenstern diese Be hauptung wissenschaftlich regelrecht zerpflückt.2 Vor allem zum Islam sei die AbrahamBrückeinstabil.DerTübingerJudaistbelegtdiesminutiös. Entscheidendist:SelbstdieAbrahamGeschichte,das„Narrativ“,istimKo ran ganz und gar anders als im Alten Testament, das, zumindest als Narrativ, Juden und Christen verbindet. Es trennt aber Juden und Christen fundamental vom Islam. Die muslimische Distanzierung ist gewollt und provokativ. Das gilt nicht nur für die AbrahamGeschichte, es gilt für viele, fast alle Geschichten, in denenderKoran,dieislamischeUrquelle,aufInhaltedesAltenundNeuenTes 2 Matthias Morgenstern, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.8.2006. Die ausführliche Fassung mit den Belegstellen wurde mir dankenswerterweise vom Kollegen Morgenstern zurVerfügunggestellt.IhmseifürdieseundvieleandereHorizontundWissenserweite rungenherzlichgedankt,Hochachtunggezollt.–FürHansKüng:DasJudentum,München –Zürich1991,S.25ff.,istAbraham„derStammvaterdreierWeltreligionen“.Erthematisiert jedochauchden„StreitumdasabrahamitischeErbe“,S.34ff.
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tamentes zurückgreift, in einer Art GegenNarrativ zurückgreift. Tilman Nagel undHansJansenhabendieseindrucksvollundnachdrücklichinihrerjeweiligen MohammedBiografiedargestelltunderklärt.Diesebeidendickleibigen,ja,Meis terwerkesinderstkürzlicherschienenundseiennachdrücklichempfohlen.3Eine Wiederholungverbietetsichhier.IchbegnügemichmitStichworten. Theologischislamischistdiesschnellundleichterklärt.DerKoranwirdals Vollendung,sozusagenalsRichtigstellungderjüdischenundchristlichenSchrift präsentiert.ImKoranistAbrahamnichtStammvaterderJuden,sondernalsers ter Monotheist erster Anhänger des Islam, Prophet und Errichter der Kaaba in Mekka. Bezüglichdes„Propheten“AbrahamgibteseineeinzigeEinschränkung:In Genesis20,7nenntihnGott,derimTraumzuAbimelechspricht,einen„Prophe ten“. DassAbrahamsichgeografischimGroßraumodergarin Mekkaaufgehal tenunddort(mitIsmael)dieKaabaerrichtethätte,lesenwirnirgendsimAlten Testament. Die biblische Geografie von Genesis 13 bis 21 beinhaltet nicht die Arabische Halbinsel, schon gar nicht ihren Zentralbereich. Genesis 17, 8 nennt nurdasLandKanaan,zudemdieArabischeHalbinselgewissnichtgehörte. Ja,inGenesis12,79errichtetAbrahamzweiAltäre,deneinenbeiSichem, denanderenbeiBetEl,alsomittenimderJudenHeiligenLand.InBeerScheva wohnte dann Abraham (Gensis 22, 19). Das ist nicht die Arabische Halbinsel, sonderndieWüsteNegev. UndIsmael?„ErließsichinderWüsteParannieder,undseineMutternahm ihmeineFrauausÄgypten“(Genesis21,21).ParanundÄgyptengehöreneben fallsnichtzuMekkaundderArabischenHalbinsel. InGenesissollAbrahamseinenSohnIsaakopfern,imKoran(Sure37,Vers 99bis103)wirdderzuopferndeSohnnichtnamentlichgenannt.4Dieeinenmus limischen Kommentatoren sagen Isaak, die anderen, Ismael sei gemeint.5 Isaak wird Abraham sehr wohl in Sure 37 (Vers 113) „verkündet“. Mit der Opferung bzw.BindungIsaaks(hebräisch„akedatjitzchak)hatdasnichtszutun.Geburts verkündigung und Opferung sind zwei grundverschiedene Themen. Einmal mehr und immer wieder: Bezogen auf JüdischBiblisches istdasKoranNarrativ
Nagel,Mohammed.LebenundLegende,München2008;HansJansen,Mohammed.Eine Biografie,München2008. 4AllerdingsinSure37,Vers99bis113dochwiederIsaak. 5Vgl.A.T.Khoury:DerKoran,Gütersloh1988,S.139. 3
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nichtjüdisch,esverbindetJudenundMuslimenicht,estrenntsie.Vorsichtiger: Esistähnlich,aberletztlichanders,auswelchenGründenauchimmer. Sure37,„offenbartzuMekka“,gehörtindiemittelmekkanischePeriode.6Sie ist,wiediemekkanischenSurenüberhaupt,dahergrundsätzlichprophetischund noch nicht, wie die medinensischen, politischgesetzlich.7 Die medinensischen Suren spiegeln zudem heftig und offen den Gegensatz, ja, die Feindschaft Mo hammedszudenJudenwider.Daslässtsichleichterklären.ZunächsthatteMo hammed gehofft, die jüdischen Stämme Medinas für seine neue Heilslehre ge winnenzukönnen.8Sielehntenab.WiespäterdieJudenDeutschlandsdieLehre Luthers,dersie,nachanfänglicherUmwerbung,seinenZornspürenließ.Luther verbal,Mohammedblutig.ErstdieNachfahrenLuthersließenJudenbluten;nicht wegen, doch auch nicht trotz Luther, dessen Judenverfluchungen in Nach HolocaustOhrennochschrilleralsdavorklingen. Ja,dieJudenMedinasverhöhntenMohammedzumindestteilweise–gerade weil er ihnen die alttestamentlichen Geschichten bzw. Erzählungen (Narrative) ähnlich,aberebendochandersauftischte.9Siewusstenesausihreralttestament lichen Sicht anders, ja, besser. In der natürlich „zu Medina offenbarten“ Sure 3, Vers 72 erfahren wir es wörtlich: „Ihr Schriftbesitzer, bemäntelt nicht Wahrheit mit Unwahrheit, um die Wahrheit zu verbergen, da ihr es besser wisst.“10 Mo hammed beharrte auf seiner„Wahrheit“, die Juden auf ihrer alttestamentlichen. DieWahrheitMohammedswarundistausgehendvonihremalttestamentlichen Narrativ natürlich den Juden Dichtung. Möglicherweise große Dichtung, doch nichtWahrheit.DeshalbstrittendieJudenMedinasmitMohammed:„Einigeder Schriftbesitzer sagen….“, also die Juden sagen in Sure 3, Vers 73. Mohammed entgegnetihnen(Vers74):„Sprich:DieLeitungistAllahs…Oderwollensievor Allahmiteuchstreiten?Sageihnen…“11undsoweiter. „Allein der Satan will sie in tiefen Irrtum führen“, behauptet Mohammed bzw. der Koran in Sure 4, Vers 61, natürlich ebenfalls „zu Medina offenbart“. „Sie“, das waren die Juden. Sie wurden von Satan verführt. Dem Satansmotiv 6TilmanNagel,DerKoran,Einführung,Texte,Erläuterungen,4.AuflageMünchen2002,S. 135. 7 Vgl. Tilman Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, Von Mohammed bis zur Ge genwart,München1994,besondersS.28. 8Nagel,GeschichtederislamischenTheologie,besondersS.21. 9Nagel,DerKoran,a.a.O.,S.141f. 10Koran,S.59. 11Koran,S.59.
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werdenwir,bezogenaufdenchristlichjüdischenAbraham“Dialog“nochinder antijüdischenPolemikdesJohannesevangeliumsbegegnen. GanzoffenbenenntauchdiemedinensischeSure4,Vers66die„Streitigkei ten“ zwischen Mohammed und den Juden Medinas.12 Nicht erst die spät, son dern schon die frühmedinensischen Suren, wie Sure 2 „Die Kuh“, zeichnen die mohammedanischjüdischen Auseinandersetzungen. Folgerichtig wird in ihr StellungundRolleIsmaelsdramatischaufgewertet.ZumBeispielinVers141ist IsmaelAbraham, Isaak und Jakob gleich und in der namentlichen Reihung der StammväterIsaakvorgestellt.DaswiederumwidersprichtdemjüdischenNarra tiv fundamental, denn in der jüdischen Nennung und Reihung der Stammväter erscheintIsmaelnie. Richtig herzlich spricht die medinensische Sure 2 zu den Juden nicht: „Ihr wisstsicherlich,wasdenenuntereuchwiderfuhr,diedenSabbatentweihten;wir sagtenzuihnen:´SeidgleichdenAffenvondermenschlichenGesellschaftausge schlossen!´“13 Schon in der mekkanischen Sure 7, 167 wurden die vermeintlich gotteslästerlichen Juden mit den gleichen freundlichen Worten bedacht.14 Die medinensischeSure4,Vers48drohthandgreiflich:„Oihr,denendieSchriftge gebenwurde,glaubtandas,waswirzurBestätigungeurerfrüherenOffenbarun gen jetzt offenbarten, bevor wir euer Antlitz zerstören und es dem Hinterteile gleichmachenodereuchverfluchen,wiewirdieverfluchten,welchedenSabbat entweihten–undAllahsBefehlwurdeausgeführt.“15Dasbedeutet,wiewiraus Sure 2, 66, Sure 7, 166f. und Sure 5, 59f. wissen: Die jüdischen Gesetzesbrecher wurdeninAffenverwandelt. DieseInformationstamme,heißtes,auseiner„Sage“derApokryphen,den „VerborgenenBüchernderBibel.“16AusdenApokryphenzumAltenoderNeuen Testament? Weder hier noch dort konnte ich sie finden. So oder so, jedenfalls wurdediese„Sage“nichtindiekodifiziertejüdischeTradition,denTenachbzw. dieHebräischeBibel,aufgenommen,aberebensehrwohlindenKoran–bestens erkennbar,zumalineinerdererstenSuren.Zufall,Irrtum,Absicht,Politik?Wer jeneZitatekennt,istzumindestskeptisch,wennerliest,dassMarkA.Cohenaus Princetonbehaupte,derAntisemitismusdesIslamseiein„Mythos“,eine„Erfin
Koran,S.78. Koran,S.27. 14Koran,S.139. 15Koran,S.76. 16Koran,S.27,Anmerkung16desBearbeitersundKommentatorsdieserAusgabe. 12 13
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dungderModerne“.17DiehiervorgetragenenKoranZitatesindweder„Mythos“ noch„modern“,sieführenzurQuelledesIslam. HebräischeBibelhier,Korandort,NarrativundGegenNarrativ,jaGegner schaft, denn Koran und islamische (Früh)Überlieferung sind alles andere als judenfreundlich. Mohammed, so Hans Jansen18, hat nicht nur achtzig Meuchel morde ausgelöst und gebilligt, sondern viel jüdisches Blut fließen lassen. Die Hinrichtung der jüdischen Männer des QuraizaStammes vergleicht Jansen gar mit dem Massaker von Srebreniza.19 „Tötet jeden Juden, der unter eure Macht fällt“,hattederProphetseineAnhängeraufgefordert.20Siegehorchten. IndieTraditionderjüdischenProphetenunddes„Propheten“Jesusstellte sich Mohammed. Der DjihadGedanke war diesen jedoch gedanklich, religiös undpolitischpraktischvölligfremd.WederJesusnochdiejüdischenPropheten traten,wieMohammed,mitdemSchwertauf.„SchwerterzuPflugscharen“,das war ihre Botschaft. Diese blutige Tatsache wiegt mindestens so schwer wie das vermeintlich (nicht wirklich) gemeinsame AbrahamNarrativ – das zudem be sonders in der judentheologisch und judenhistorisch bedeutsamen, „zu Medina offenbarten“Sure2denÜberlegenheitsanspruchüberJudentumundJudenher vorhebt: „Als der Herr den Abraham durch mancherlei Gebote auf die Probe gestellt hatte und dieser sich als treuer Diener bewährte, da sagte er: ´Ich setze dich als Hohenpriester für die Menschen ein.` Abraham fragte: ´Und meine Nachkommen?´ Gott antwortete: ´Die sündigen Frevler umfasst mein Bündnis nicht.“21 Die Botschaft ist eindeutig:Abrahams Nachfahren, die Juden, sind Sünder. Historisch, zumal in Medina, ergibt das Sinn, kann man Mohammed verstehen. DieJudenMedinasverweigertendieGefolgschaft–wassiebestenfallsHabund GutundbesonderseinenjüdischenStammLeibundLebenkostete.22 Sovielkurzzu„denJuden“.UndzumJudentum?InSure2,Vers130bitten Abraham und Ismael Allah folgerichtig: „O Herr, mache uns zu dir ergebenen Moslems.“23Sure3,64nenntdieReligionderMuslimedie„ReligionAbrahams“. JuliaEncke,in:FrankfurterAllgemeineZeitung,26.6.2008,S.39. HansJansen,Mohammed,München2008. 19Jansen,a.a.O.,S.313. 20Jansen,a.a.O.,mitQuellenbelegen,S.283ff. 21DerKoran,DasheiligeBuchdesIslam.NachderÜbertragungvonLudwigUllmannneu bearbeitetunderläutertvonL.W.Winter,München1959,S.33. 22 Vgl. dazu ausführlich mit Belegen Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, a.a.O., besondersS.336ff.undJansen,a.a.O.,Kapitel8,10,12. 23Koran,Sure2,a.a.O.,S.33. 17 18
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DermekkanischeProphetseiderwahreErbeAbrahams.DieSuren4und9zum Beispiel sind auch nicht gerade judenfreundlich. Ähnliche KoranBelege und MohammedÜberlieferungen (vor allem in der Urquelle Ibn Ishaq) sind Legion. DieAbgrenzungzumJudentumisteindeutig.„Schroff“,soTilmanNagel,seidie Trennungslinie zwischen den Muslimen und den Andersgläubigen, den Juden und Christen, „sofern letztere nicht bereit sind, sich den islamischen Riten und Reinheitsgeboten anzubequemen. Sie sind in diesem Falle als Ungläubige zu brandmarken“(Sure9,Vers1214).24 Gewiss, nach Mohammed war die islamischjüdische Geschichte weniger blutig, besonders im frühmittelalterlichen Spanien von 711 bis ca. 1.000 nach Christus,imindischenMogulreichKaiserAkhbars(1556–1605)undvorallemim OsmanischenReichmitseinemauchausheutigerSichtfastvorbildlichenMillet System, aber, wie die Christen, waren die Juden, auch wo und wenn nicht ver folgt,sodochuntergeordnet. Das aber ist längst nicht mehr unser Thema. Dem wenden wir uns wieder zu,erwähnenderAusgewogenheithalberzuvorallerdingseinesanftereInterpre tation des unterschiedlichen jüdischen und islamischen Narrativs. Der große jüdischeGelehrteAbrahamGeiger(1810–1874)istdiePersonifikationdiesersanf teren Interpretation. Mohammeds Nichtwissen und lückenhaftes Wissen, teils UnwissenseiderGrundfürdieimKoranvomalttestamentlichenInhaltoftdra matisch abweichenden Darstellungen der ursprünglich selben Erzählungen. Die LückenhaftigkeitseinesWissensdürfenichtvonseinerSprachgewaltablenken.25 AlsogroßeDichtungbeigroßerQuellendistanz. SchoneinschnellerBlickinsBuchGenesis(besondersKapitel18)würdege nügen, um Alarmglocken schrillen und nicht Schofar bzw. Widderhornblasen ertönen, Muezzinrufe erschallen oder Domglocken zum Jubel christlichjüdisch islamischerVersöhnungläutenzulassen. InderFamilieAbrahamstobteeinregelrechterEhefrauenkriegzwischenSa raundHagar.DerenSöhneIsaakundIsmaelwurdenindiesen,wörtlich,Kampf um Leben und Tod passiv hineingezogen. Jener Zwist trug zudem „nationale“ Züge, denn Hagar war Ägypterin, Abraham, Isaak und dessen Sohn Jakob die StammväterIsraelsbzw.derJuden. Nagel,GeschichtederislamischenTheologie.A.a.O,S.462.Vgl.auchNagel,DerKoran, a.a.O.,S.130–136. 25 Vgl. Abraham Geider, Was hat Mohammed aus dem Judenthume aufgenommen, mit einem Vorwort herausgegeben von Friedrich Niewöhner, Berlin 2005, zuerst Wiesbaden 1833. 24
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DenSohnderMagdHagar,Ismael,versprachGottgegenüberAbrahamund auchHagar„zueinemgroßenVolk“zumachen.DieMagd,nichtdieHerrin,war Hagar. Als „Brücke“ eignet sich nur Gleichrangigkeit. Auf diesen Standesunter schied(derebentrenntundnichtverbindet)weistauchAugustinusim„Gottes staat“hin:DamitAbraham„dieseVerheißungnichtindemSohnederMagdals erfüllt betrachte, erschien ihm, als er schon neunundneunzig Jahre alt war, der Herrundsprachzuihm“,dasserSaraeinenSohngebenwerde.26 Der Überlieferung zufolge gilt Ismael als Stammvater der Araber. Araber und Juden – das bedeutete schon im Text des Alten Testamentes (also in der antikenGeschichte)häufigeGegnerschaft,jaFeindschaft.AraberundJuden–das bedeutet leider auch heute noch Feindschaft, und das galt ebenfalls für die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils, was die Konzilsväter geradezu hautnah durchInterventionenbeiderSeitenzuspürenbekamen–woraufsiemitderVer wässerungderprojüdischenResolutionssubstanzreagierten. Auch die in Genesis beschriebene Hierarchie der Akteure kann man nicht geradealsreligionsundvölkerverbindendbezeichnen,wennAbrahamStamm vater der Juden und Muslime (und aller Christgläubigen) sein sollte. Abraham war eindeutig der Herr, Sara die „Herrin“ und Hagar die Magd. Sara war zu nächstunfruchtbar.DeshalbwählteSaradieMagdHagarzur„Kebse“(unterge ordnetenZweitfrau)ihresMannes.„ErgingzuHagar,undsiewurdeschwanger. Als sie merkte, dass sie schwanger war, verlor die Herrin bei ihr an Achtung“ (Genesis16,4).EineArtfamilieninternerRebellionalso.„DabehandelteSarasie sohart,dassihrHagardavonlief“(Genesis16,6).Der„EngeldesHerrn“überre dete Hagar zur Rückkehr, verkündete ihr, ihre Nachkommen „so zahlreich“ zu machen,„dassmansienichtzählenkann“,undsiegebarIsmael(Genesis16,10). DieHerrschaftsverhältnissewurdenspäter,nachderGeburtIsaaks,wiederherge stellt,HagarundIsmaelaufBetreibenSarasundmitGottesBilligungvertrieben, im wahrsten Sinne des Wortes „in die Wüste geschickt, wo sie nur durch ein Gotteswundernichtverdursteten(Genesis,18). DieGenesisHierarchie,aufdiefolgendeTraditionübertragen,bedeutet:Ju den (und in ihrer Nachfolge Christen) stehen über den Muslimen. Keine gute Grundlage für den christlichjüdischmuslimischen Trialog, was (welch „Wun der“)diemuslimischeSeitestetserkanntundbenannthat.27
Augustinus: Der Gottesstaat, hrsg. und eingeleitet von Hans Urs von Balthasar, Einsie deln1996,„Isaak“,S.137. 27Vgl.Morgenstern,a.a.O. 26
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Als Abraham starb, vermachte er Isaak alles, was ihm gehörte (Genesis 25, 5). Seine anderen Söhne, aus der (meistens und von den meisten übersehenen) zweiten HauptEhe nach Saras Tod mit Ketura (Genesis 25, 1) sowie die Söhne seiner vielenNebenfrauen schickte er „weit weg vonseinem Sohn Isaak“ „nach Osten,insMorgenland“(Genesis26,6).EinSohnKeturashießübrigensMidian, waralsoderStammvaterderMidianiter,undZippora,dieersteFrauMoses´,war bekanntlichMidianiterin. ZweifellosüberdieserSohnesscharstandIsmael,dennnachAbrahamsTod begruben ihn in der „Höhle von Machpela bei Mamre“ „seine Söhne Isaak und Ismael“.IndieserReihungundWertungwerdendiebeidenauchhier,inGenesis 25, 9 genannt. Gottes Segen erhält nach des Stammvaters Tod jedoch nur Isaak (Genesis25,11). Nebenbeiodervielleichtdochnicht,dennvoneinemStammvaterundauch erstrechtvoneinemProphetenerwartetmanVorbildliches.AlsEhemannschien AbrahamseinerFrauSarageradezuhörig,aufKostenHagarsundIsmaels.Sara „quälte“ (so die hebräische Originalformulierung in Genesis 16, 6) Hagar, und Abraham bremste Sara nicht. Als Hagar zum ersten Mal davonlief, tröstete sie der „Engel des Herrn“ (Genesis 16, 7). Kein Abraham weit und breit. Sein Rest warschweigen. Dass Abraham seine Partnerinnen schützte, kann man wahrlich nicht be haupten.UmseineeigeneHautzuretten,gibterSaraalsseineSchwesterausund lässtdenPharaokörperlichanundaufdieHautseinerangetrautenFrau,dieder lüsterne König Ägyptens (der Heimat Hagars!) begehrte (Genesis 12, 1020). In Gerar treibt Abraham das gleiche Versteckspiel gegenüber König Abimelech (Genesis 20, 1–18). Anders als der Pharao konnte Abimelech den Beischlaf mit Saranichtgenießen.Gotthattediesrechtzeitigverhindert,indemerdemlüster nenKönigrechtzeitig,alsovorzeitigimTraum,erschien(Genesis20,6–7). InGenesis20,12klärtAbrahamsowohlAbimelechvonGeraralsauchuns, dieLeserdesAltenTestamentes,auf:„ÜbrigensistsiewirklichmeineSchwester, eineTochtermeinesVaters,nurnichteineTochtermeinerMutter;sokonntesie meineFrauwerden.“Wirklich?GrenztdasnichtanInzest? Wennnicht,soistesdennochnichtvorbildlich.Unddas,wiegesagt,dürfen wirvomStammvaterund/oderProphetenerwarten.Oderdochnicht?Wirklei nen, also nachgeborenen Juden haben mit unseren Großen, unseren Vorfahren, keineProbleme,dennwirwissenumihreFehlbarkeitalsMenschen.Mandenke nurandenEhemannundVaterbetrugRebekkasundJakobsbeiderväterlichen SegnungdurchIsaak.Nichtnurdieser,auchderErstgeborene,Esau,wurdewis sentlichundwillentlichgetäuscht.EsmenscheltimmerimAltenTestament.Das
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ist wohltuend und realistisch, aber ein übermenschliches Erbe vermeintlicher Unfehlbarkeit und unerreichbarer Größe sind die Menschen hier selten. Nicht einmalMosesodergarKönigDavid,derBegründerdesKönigshauses,ausdem dersozusagenjüdischeMessiaskommenundausdemJesusstammensoll. Bleibt Abraham als erster und radikaler Monotheist. Wirklich? „Abraham entgegnete dem König von Sodom: „Ich erhebe meine Hand zum Herrn, dem HöchstenGott,demSchöpferdesHimmelsundderErde“(Genesis14,22).Zum HöchstenGott,hebräisch„eleljon“.WoundwenneseinenHöchstenGottgibt, gibtesauchandere,sozusagenniedrigergestellteGötter. Haarspalterei,werden manche sagen. Sie irren, denn Worte, zumal heilige, werdenmitBedachtgewählt.Wirmüssensieernstnehmen,zumalWorteimmer WirklichkeitenoderVorstellungenbeschreiben. Wir lesen in Genesis 18, 8: „Der Herr erschien Abraham“ (Genesis 18, 1), und dieser „sah vor sich drei Männer stehen“ (Genesis 18, 2). Die Dreiheit als Einheit,alsoTrinität–jüdisch.In„JudenundChristen“erörtereichdiesesProb lem ausführlich, hier sei nur nebenbei auf diese jüdische Trinität verwiesen, die angeblichderjüdischenunderstrecht(undtatsächlich)derislamischen„Theolo gie“soverdächtigpolytheistischscheint.28 Auch mit den (späteren) jüdischen Speisegesetzen nahm es Abraham nicht so genau. Er kannte sie auch nicht, aber die talmudischen Weisen wussten das aus der Bibel durchaus. Das dürfte Christen und Muslime weniger stören als Juden, die selten auf diesen Abschnitt eingehen; nicht einmal der große Bibel kommentatorRaschi.Genesis18,8:DendreiMännernbzw.Engeln,dieihmdie Geburt Isaaks ankündigten, bereitete Abraham ein Mahl aus Butter, Milch und Kalb. Koscher war das nicht, denn die jüdischen Speisegesetze sagen eindeutig: koscher ist, wenn Milch und Fleisch getrennt gelagert und verspeist werden, keinesfallszusammen.WarAbrahametwanichtkoscher…? Dass die Muslime Jesus´ „jungfräuliche Mutter Maria“, wie es in Nostra Aetateheißt,„verehren“,stimmt.Siewird(mitanderenWorten)wirklichals„die reineMagd“dargestellt.AberstetsistJesusder„SohnMarias“undnichtGottes Sohn.Sure4,171:„OihrLeutedesBuches,übertreibtnichtineurerReligionund sagt über Gott nur die Wahrheit. Christus Jesus, der Sohn Marias, ist doch nur der Gesandte Gottes und sein Wort, das er zu Maria hinüberbrachte, und ein Geistvonihm.SoglaubtanGottundseineGesandten.Undsagtnicht:Drei.Hört auf,dasistbesserfüreuch.GottistdocheineinzigerGott.GepriesenseiErund Vgl.MichaelWolffsohn:JudenundChristen–ungleicheGeschwister,Düsseldorf2008,S. 101ff.
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erhabendarüber,dassEreinKindhabe.“29GottessohnschaftundTrinitätwerden bestritten, und Nostra Aetate suggeriert, im Islam finde man eine ähnliche Ma riensicht wie im Neuen Testament. Verehrung Marias? Ja, aber nicht(s) mehr. „Ungläubig sind gewiss diejenigen, die sagen: ´Gott ist Christus, der Sohn Ma rias´“ (Sure 5, 17).30 Und „wenn sie mit dem, was sie sagen, nicht aufhören, so wird diejenigen von ihnen, die ungläubig sind, eine schmerzhafte Pein treffen“ (Sure5,73).31 ImKoranfindetmanzweiVersionenbezüglichderGeburtJesu´.Beideer wähnen keine jungfräuliche, aber eine außergewöhnliche Geburt: die Zeugung durch„unserenGeist“.Unddieser„erschienihrimBildniseineswohlgestalteten Menschen“(Sure19,16–22).EineFassungstammtausdermekkanischenPeriode der koranischen Botschaft (Sure 19, 16–22 aus dem Jahr 616) und eine aus der medinensischen Periode (Sure 3, 4243. 45–47 aus den Jahren 624–625).32 Auch hiererfolgtdieZeugungdurchdeneingeblasenen„Geist“Gottes.
Abraham:jüdisch–christlich AuchzwischenChristenundJudenistdieAbrahamBrückenichtsonderlichfest. Matthäus 1, 1–2 ist der kleine christliche Pfeiler: „Der Stammbaum Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams. Abraham war der Vater von Isaak, Isaak von Jakob, Jakob von Juda und seinen Brüdern“. Matthäus 1, 17 schließt: „Im Ganzen sind es also von Abraham bis David vierzehn Generationen, von DavidbiszurBabylonischenGefangenschaftvierzehnGenerationenundvonder BabylonischenGefangenschaftbiszuChristusvierzehnGenerationen.“ Bei Lukas (3, 23–28) wird Abraham als einer der 76 namentlich genannten „VorfahrenJesu“vonAdambisJosef,fürdessenSohn„man“Jesushielt,erwähnt (Lk3,23). DasAbrahamitischeTischtuchwirdimJohannesevangelium(8,30–44)voll ends zerschnitten: „Als Jesus das sagte, kamen viele zum Glauben an ihn. Da sagteerzudenJuden,dieanihnglaubten…Sieerwidertenihm:WirsindNach kommenAbrahams…Ichweiß,dassihrNachkommenAbrahamsseid.Aberihr wolltmichtöten,weilmeinWortineuchkeineAufnahmefindet.Ichsage,was Khoury,DerKoran,a.a.O.,S.331. Khoury,DerKoran,a.a.O.,S.332. 31Ebd. 32Khoury,DerKoran,a.a.O.,S.157. 29 30
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ichbeimVatergesehenhabe,undihrtut,wasihrvonunseremVatergehörthabt. Sie antworteten ihm: Unser Vater ist Abraham. Jesus sagte zu ihnen: Wenn ihr KinderAbrahamswärt,würdetihrsohandelnwieAbraham.Jetztaberwolltihr michtöten,einenMenschen,dereuchdieWahrheitverkündethat,dieWahrheit, dieichvonGottgehörthabe.SohatAbrahamnichtgehandelt.Ihrvollbringtdie Werke eures Vaters. Sie entgegneten ihm: Wir stammen nicht aus einem Ehe bruch,sondernwirhabennureinenVater:Gott.Jesussagtezuihnen.WennGott euerVaterwäre,würdetihrmichlieben,dennvonGottbinichausgegangenund gekommen… Ihr habt den Teufel zum Vater, und ihr wollt das tun, wonach es eurenVaterverlangt.ErwareinMördervonAnfangan.“ ImKlartext:DieJudensindnichtGotteskinder,sondernTeufelskinder,und AbrahamwarauchnichtihrStammvater.JesusundseineAnhängersindGottes kinder, Abraham ist der Stammvater seiner Gefolgschaft, später „Christen“ ge nannt.AbrahamistnichtderStammvaterderJuden.Deutlicherundpolemischer gegen die Juden geht es nicht. Wo ist hier das gemeinsame Abrahamitische Er be?33 Vom„Zueinandergehören“vonChristenundJuden„durchdiegemeinsame AbrahamGeschichte, die unsere Trennung und unsere Zusammengehörigkeit zugleich ist“, sprach als Kardinal Joseph Ratzinger.34 Kann man diese kurzen Erwähnungen als „AbrahamGeschichte“ bezeichnen? Bei aller Wörtlichkeit des NeuenTestamentesundjenseitsderzweifelhaftenGeschichtlichkeitderStamm väter reichen jene Nennungen selbst nicht für eine KurzGeschichte. Natürlich, jeder versteht, was Joseph Ratzinger meint: über den von Matthäus und Lukas skizzierten Stammbaum seien Juden und Christen miteinander verwandt. Das leuchtetauchohnedieNennungeinerAbrahamBrückeein,denndieEvangelien schildern seine Geburt, sein Leben, seinen Werdegang, sein Wirken und sein LeidenalsJudeindervonRomdrangsaliertenjüdischenWelt. Geradeals„Geschichte“eignetsichzudemdie„AbrahamGeschichte“nicht als jüdischchristliche Brücke, denn Abraham nahm es (wie Gott) mit der Be schneidungalsZeichendesBundessehrernst,währenddervonPaulusbetriebe ne Verzicht auf die Beschneidung die Trennung vom Judentum mit einleitete. Deshalbtrennt(auch)die„AbrahamGeschichte“JudenundChristenvoneinan der.„…DemFleischnachentstammtihnen(=den„Israeliten“)derChristus,der überallemalsGottsteht…“(Römer9,4–5). Vgl.dazuauchdasvorzüglicheBuchvonPeterSchäfer,JesusimTalmud,Tübingen2007, S.256ff. 34KardinalRatzinger,SalzderErde,Stuttgart1996,S.264. 33
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Jesus als „Gott“, zugleich „Gottessohn“, „jungfräuliche Geburt“, dann aber „Stammbaum“–dasistnurtheologischnachvollziehbar;ebensowiedieGeburt Isaaks als Kind der Greiseneltern Abraham und Sara. Dieser Zusammenhang wiederumwürdeJudenund Christendoch miteinanderverbinden.Undgerade diesen nennt selbst der theologisch hochkundige ehemalige Kardinal Joseph Ratzinger nicht, der sich (wie erwähnt) auf die Stammbäume bei Matthäus und Lukas beruft35 und an anderer Stelle36 auch die Heiden in „Kinder Abrahams“ verwandelt,ohneStammbaum:„AmKreuzöffnetunderfülltJesusnachchristli chemGlaubendieGanzheitdesGesetzesundübergibtesdenHeiden,dieesnun auchindieserseinerGanzheitalsdasihrigeannehmenkönnenunddamitKinder Abrahamswerden.“37 AlschristlicheTheologiemagdiesdurchgehen,alsBrückezwischenChris tenundJudenistsieungeeignet;jüdischemotional,rationalund–„theologisch“. DasbestätigtderchristlichjüdischeDialogseitNostraAetate.Diegroßen,wirk lich bedeutenden Rabbiner und jüdischen Gelehrten haben sich ihm entzogen. NatürlichgibtesAusnahmen.IchdenkeimdeutschsprachigenRaumanSchalom BenChorin, an dessen Sohn Rabbiner Tovia BenChroin, Pinchas Lapide, auch WalterHomolka,anJacobNeusnerindenUSA.WiedasLiberalebzw.Reform judentumüberhaupt,verfügensiebesondersinIsraelüberkeinerleireligionsge wichtige „Divisionen“, und die „jüdische Musik“ wird – es gefalle oder nicht vorallemimJüdischenStaat,inIsrael,gespielt,woinzwischendiemeistenJuden leben. Der Anteil der Israelis am Jüdischen Volk steigt unaufhaltsam, weil dort dasjüdischeBevölkerungswachstumbeachtlichundinderDiasporadieZahlder Mischehen steigt und, als Folge dessen, des jüdischen Nachwuchses sinkt. Die „jüdische Geografie“ und „jüdische Demografie“ werden das Gewicht der in Israel vorherrschenden Orthodoxie erhöhen, nicht der in den USA dominieren den„Reform“.WasdieseEntwicklungfürdenjüdischchristlichenDialogbedeu tet,mussnichtausgeführtwerden:erwird„einschlafen“. Christliche Geistliche und Gelehrte beklagen schon jetzt meist hinter vor gehaltener Hand – den Mangel an interessierten und theologisch qualifizierten jüdischen Gesprächspartnern. Sie setzen den Dialog (der Taubstummen?) fort. Die einen, weil sie „politischkorrekt“ sein wollen und wissen,dass derheutige „Zeitgeist“, anders als in den frühen 1960er Jahren, den Dialog mit den Juden Vgl.aucha.a.O.,S.200.Vgl.auchKardinalRatzinger,DieVielfaltderReligionenundder EineBund,Urfeld2005,S.24. 36KardinalRatzinger,DieVielfaltderReligionen,S.39. 37Ebd. 35
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wünscht.WerihnaufchristlicherSeiteverweigert,wirdvonChristenisoliert.Die „Schweigespirale“ (Elisabeth Noelle) funktioniert. Inzwischen sind jedoch viele Geistliche,andersalsnochwährenddesZweitenVatikanums,mitinneremFeuer dabei; auch auf der „Basis“ der Christenmenschen sieht man dieses Feuer oft brennen. Es wird absterben, denn trotz ihres Einsatzes besteht der christliche Überlegenheitsanspruch fort. Er wurde bislang nicht wirklich (von wem, wenn überhaupt?)inFragegestellt.KannervonChristenalsChristeninFragegestellt werden? Nein. Und deshalb wird das noch brennende innere Feuer aufrichtig engagierter Christen keinen Juden wirklich (im bildlichen Sinne) entzünden, irgendwannwirdesverlöschen. Esbleibtdabei:NostraAetatehatschreiendesUnrechtkorrigiert,indemder Antisemitismus verurteilt wurde. Diese Erklärung hat Selbstverständliches, Of fensichtlichesausgesprochen,indemdieKollektivschuldtheseaufgegebenwurde. Sie hat aber keine tragfähige Grundlage für einen christlichjüdischen Dialog geschaffen.AuchderBrückenschlagzudenanderennichtchristlichenReligionen überzeugtnicht,dennmehralseinenStrahlderWahrheitbilligtihnendieserText nichtzu. DieBotschaftderjüdischen,christlichenundmuslimischenQuellenistein deutig wenn man die Quellen ernst nimmt und ihre Aussagen nicht hinweginterpretiert:DasAbrahamitischeErbeverbindetdiedreiReligionennicht wirklich. Natürlich wollen und sollen wir als Juden, Christen und Muslime zu sammenkommen, aber die uns verbindende Brücke muss stabil sein. Die Abrahamitischestürztein,bevorwirunsaufsiebegeben. Auch der Monotheismus der „Abrahamitischen“ Religionen ist unter den dreien nicht unumstritten. Das gilt besonders für die Trinität im Christentum, „Vater, Sohn und Heiliger Geist“. Der Koran ist diesbezüglich offen polemisch und total unsachlich, die jüdische „Theologie“ ist ähnlich distanziert, ficht aber Florett.Beide,JudentumundIslam,verkennendabeidiekomplizierteTheologie derEinheitjenerDreiheit. DieTrinitäthatsehrwohlauchjüdischeWurzeln.38Aberdasist„einweites Feld“undnichtmehrunserThema. Die Heiligenverehrung des katholischen Christentums und christliche Sak ralbilder werden von Judentum und Islam als eindeutiger Verstoß gegen das biblischalttestamentlicheBilderverbotalsQuasiGötzendiestbetrachtet.39
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Wolffsohn,JudenundChristen,a.a.O.,S.101ff. Vgl.Wolffsohn,JudenundChristen,a.a.O.,Kapitel8.
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Wer oder was verbindet uns Juden, Christen, Muslime? Nichts und nie mand?JudenundChristen,dashabeichinmeinemBuch„JudenundChristen“ (2008)zubelegenversucht,istdasjesuanischeErbegemein,dennJesusistohne diejüdischenProphetenundvortalmudischenRabbinerundenkbar–ebensowie die talmudischen Weisen danach ohne Jesus nicht wirklich verstanden werden können, auch in ihrer Polemik.40 Jesus, Jesus aber nicht als Christus, verbindet JudenundChristennichtAbraham.Jesusistdas,genauer:derJudenundChris ten Gemeinsame und doch zugleich Trennende. Trennend bezüglich seiner Messianität,nichtbezogenaufseinereligiösethischeSubstanz.DieseeintJuden undChristen. WaseintJudenundMuslime,MuslimeundChristen?Abrahamnicht.Wer oderwasdann?InhaltundBotschaftendesAltenundNeuenTestamentes–wo undwennsiealswirklichgemeinsamesOriginalverstandenundnichtverdreht werden, sei es aus Polemik, Teil oder Unkenntnis. Bei aller Verständigungsbe reitschaft muss dies jedoch klar sein: Der Djihad widerspricht jüdischem und jesuanischem und natürlich abrahamitischem Geist. Wie aber sind zum Beispiel dieKreuzzügezuverstehenoderdervermeintlichgöttlicheAuftraganSaul,die Amalekiter als Volk zu vernichten? Diese wichtigen Fragen kann ich hier nicht beantworten,ichmussausZeitundRaumgründeneinmalmehraufmeinBuch „JudenundChristen“verweisen.Nursoviel:MitAbrahamhatdasnichtszutun, während der Djihad, theologisch und historisch, sehr wohl als Glaubens und Raubkrieg, nicht als „große geistige Anstrengung“ zu verstehen ist. Djihad, das warAbrahamsSachenicht,erwarkeinKrieger. Haben wir den Mut zum jeweiligen AndersSein. Haben wir den Mut, uns bei derLektüre der jeweiligen Quellen unseres eigenen Verstandes zu bedienen und das Andere im Anderen zu erkennen und zu benennen. Schielen wir nicht auf ideologisch oder theologisch wohlgefällige, oft wohlfeile Interpretationen, derensichsogarGelehrtegernebedienen. Lebenundlebenlassen,nichtmorden–dasseiunserZiel.„Dusollstnicht morden.“ Alle Zehn Gebote sagen mehr als die AbrahamGeschichte(n), die in vielen Abschnitten offen und ungeschützt menschliche Schwächen erwähnen. WelchetheologischenProblemehabenJuden,ChristenundMuslimedagegenmit denZehnGeboten?Keine.Werein„WeltEthos“derKüng´schenArtvorzieht,ist sicher ethisch auch auf der sicheren Seite, aber das EthikRad ist schon vorher erfundenworden.Nichtnur„LiebedeinenNächstenwiedichselbst“(Leviticus 19,18),sondernauchLeviticus19,34:„DerFremde,dersichbeieuchaufhält,soll 40
ZurPolemikbesondersPeterSchäfer,JesusimTalmud,passim.
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euchwieeinEinheimischergelten,unddusollstihnliebenwiedichselbst;denn ihrseidselbstFremdeinÄgyptengewesen.“ Istdas„JüdischeHegemonie“?Nein,esistWeltoffenheitundToleranzohne notwendigeAkzeptanz.Nochmals:„DerAndereistanders–eristwiedu.“ DieAbrahamitischeDreiheitalsverbindendeEinheitistFiktionundFormel. Esscheintaber,dassFormelnvolkspädagogischnötigsind,weilviele(diemeis ten?) Menschen sich eher an Formeln als an Inhalten orientieren. So gesehen, hätte die AbrahamFormel wenigstens ihre zivilisierende Funktion: inhaltsleer undwirkungsmächtig. WarumaberstattFormelnundFloskelnkeineneuenInhalteentwickeln,et wa,bezogenaufdiemuslimischeWelt,eineneuropäischenIslam,wieihnunser FreundundJubilarBassamTibiseitJahrenfordertundfördert? Dasistnötigerdennje.Weshalb?DiemuslimischeGemeinschaftbasiertauf dem Koran, der in und für eine islamische Mehrheitsgesellschaft, zunächst in Medina und dann an Medina orientiert, konzipiert wurde. Ein Minderheiten Instrumentarium hat die muslimische Welt nicht entwickelt. Das bedeutet: Die nichtmuslimischeMehrheit,nichtnurinDeutschland,hatProblememitdermus limischenMinderheitunddiesemitsichselbst,weilsie–mangelseinessolchen Instrumentariums–alsMinderheitkeinemuslimischeOrientierungfindet.Aus gehendvomislamischenMusterStadtStaatMohammeds,Medina,orientiertsich diemuslimischeTradition,alsoauchGesetzgebungundHandlungsanleitung,an der einer Gesellschaft, wo der Islam den Ton angibt. Ist Bassam Tibi Begründer einesneuen,europäischenIslam?Unsallenistdieszuwünschen–undihmviel Kraft.
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„DieSinnkrise, diedenaußereuropäischenreligiösenFundamentalismus hervorruft, entsteht durch die Unterhöhlung einer vorindustriellen, vor aufklärerischenTraditiondurchdenrapidensozialenWandel.Derreligiö seFundamentalismusglaubt,einenWegausdieserKrise,diezugleichei ne Krise der moralischen Ordnung darstellt, zu bieten. Dagegen ist die Sinnkrise fortgeschrittener Industriegesellschaften eine Folge der Reduk tionvonRationalitätauftechnischeRationalitätundderVernunftaufin strumentelleVernunft.DieSuchenachSinnwirdunerläßlich.“ Bassam Tibi: Die Krise des modernen Islams, Eine vorindustrielle Kultur im wissenschaftlichtechnischen Zeitalter, Frankfurt/M. 1991,S.268.
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FrommeMuslimeundIslamismus Minderheiten aller Art können nicht nur Objekte, sondern auch Subjekte von Gewaltsein.Ausländer,vorallem„fremdaussehende“,gehörenoftzudenOb jektenvonGewaltrechtsextremer,jugendlicherStraftäter.Vondenrund300.000 in Hessen lebenden Muslimen neigt nur ein sehr kleiner Prozentsatz selbst zur GewaltoderbilligtdieGewalt,dievonIslamistenausgeht.Mandarfdiemono theistischeReligiondesIslamnichtmitpolitischinstrumentalisiertemIslamismus verwechseln, der zum Glück auch von Vertretern des Islam ausdrücklich als häretischverurteiltwird. Die in der Mehrheitsbevölkerung verbreitete Ablehnung von Angehörigen desIslamgehtaufAngstzurück,dieausBefremdunggegenüberunverstandener „Andersartigkeit“inKleidungundVerhaltenhervorgeht.AngstimpräzisenSinn isteineunklargefühlteBefindlichkeit,dieimUnterschiedzurealerFurchtnicht aufnationaleGründezurückführbarist.EsgibtinderTatGründefürFurcht,vor gewalttätigen, männlichen Jugendlichen z.B. die, mit oder ohne ideologische Motivation, meist auf wehrlose Angehörige von Minderheiten einschlagen. Es wäre kurzsichtig, wollte man leugnen, dass es auch unter einigen jugendlichen Muslimen in Deutschland Gewaltbereitschaft gibt. Von dieser kleinen Minder heit,dieübrigensinHessenbishernichtauffälliggewordenist,wiederDirektor des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen Lutz Irrgang feststellte,müssen aber die übrigen friedlichen islamischen Mitbürger unterschieden werden. Die noch immer vorkommende Verwechslung des Islam mit dem politisch instru mentalisierten Islamismus schadet dem Ziel des friedlichen Zusammenlebens unterschiedlicherReligionsangehöriger. Präventive Bemühungen müssen aus diesem Grund unter anderem dafür sorgen,dassvageÄngste,dieaufUnkenntnisdesIslamzurückgehen,abgebaut werden. Bessere Kenntnisse des Islam auf Seiten der christlichen Bevölkerung, die bessere Kenntnis des Christentums auf Seiten der muslimischen Minderheit bilden eine wesentliche Voraussetzung für die wünschenswerte Integration die
M. Abou-Taam et al. (Hrsg.), Zwischen Konfrontation und Dialog, DOI 10.1007/978-3-531-93001-5_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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sergroßenMinderheit.DassdieseAufgabeebenerstinAngriffgenommenwird undnochvielAnstrengungenvonbeidenSeitenverlangt,istunübersehbar. AlsindenfünfzigerJahrenausdemAuslandArbeitskräftefürdieBundes republik angeworben wurden, dachten viele der damals so genannten „Gastar beiter“nochaneinebaldigeRückkehrinihreHeimatländer.Davonkannlängst nicht mehr die Rede sein. Familien nicht nur aus Italien sondern vor allem aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien haben sich dauerhaft bei uns nie dergelassen.DieAchtungvordemMenschenrechtundvordemWertderFamilie konntedenhierlebendenArbeiterndieZusammenführungihrerFamiliennicht verwehren. So entwickelte sich, ohne dass Politik und Gesellschaft sich gleich darauf eingestellt hätten, auf eine Art „Parallele Gesellschaft“, namentlich auch der muslimischen Bevölkerung. Der durch das Fernsehen heimatlicher Sender aufrechterhaltene Kontakt mit der Heimat trug zur Aufrechterhaltung der Bin dungenandasHerkunftslandbei.EthnischhomogeneVereineallerArtentstan den,zuihnengehörenauchMoscheegemeinschaften.AlsAchtungvordemWert fremder Kulturen wird niemand gegen die Bewahrung solcher Traditionen Ein wände erheben. Vorausgesetzt allerdings, dass ihre Pflege nicht zum Hindernis derIntegrationindiedeutscheZivilgesellschaftunddieAchtungvorVerfassung undRechtsordnungwird. Die Kenntnis des Islam ist in der deutschen Mehrheitsgesellschaft höchst unzulänglich, ebenso wie auf der anderen Seite die Kenntnis der christlichen Traditionen und der Prinzipien einer säkularen Gesellschaft mit ihrer Trennung von Kirche und Staat. Die Meinung, man könne sich ohne Anleitung durch die bloße Lektüre einer deutschen Übersetzung des Koran zum Kenner des Islam entwickeln,beruhtaufeinemfatalenIrrtum.EineunangeleiteteLektürederhei ligen Bücher keiner Religion kann zu einem angemessenen Verständnis des Glaubens führen. Jemand, der keine Ahnung vom Christentum hat, würde aus derLektüredesAltenunddesNeuenTestamentesähnlicheFehlschlüsseziehen wie ein Christ, der selbstständig sich an die Koranlektüre macht. Der Koran ist nureineQuelledesIslam,danebenspielendieSunna,dieSammlungexemplari scherTatendesPropheten(Hadithe)unddieTraditionderAuslegungderHeili ger Schrift sowie der Rechtsgutachten angesehener muslimischer Gelehrter eine bedeutendeRolle.VorallemsinddiegroßenUnterschiededersunnitischenund schiitischen Muslime ebenso wie die zahlreicher Gruppierungen vor allem der Sunniten nicht zu übersehen. Strenggläubige Muslime wie die sunnitischen WahhabiteninSaudiArabienunterscheidensichbiszurFeindseligkeitvonSchii ten, und auch unter dieser kleineren Denomination gibt es zahlreiche, auf eth nischkulturelleTraditionenzurückgehendeVarianten.
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Im Zentrum des Islam, einer reinen Gesetzesreligion, stehen eine Anzahl von Geboten, die im Rahmen unserer Verfassung wie unserer Rechtsordnung durchaus eingehalten werden können: der Glauben an den einzigen Gott, die täglicheVerrichtungeinerAnzahlvonGebeten,dasErbringenvonAlmosen,der VerzichtaufdenGenussvonSchweinefleischundalkoholischenGetränken,das Fasten während des Tages im Monat Ramadan und – wenn irgend möglich – einmalimLebeneineWallfahrtnachMekka.AndereVorschriftenwiezumBei spieldasTrageneinesSchleiersfürerwachseneFrauen–odergareinerdengan zenKörperbedeckendenBurkawieinAfghanistan–sindnichtvonallenMusli men gefordert. Der Zwang zur Verschleierung ist mit unserer Vorstellung von Freiheit, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung der Frau nicht vereinbar. SoweitFrauenfreiwilligdasKopftuchtragen,umihrenGlaubenzudemonstrie ren,kannabernichtsdagegeneingewandtwerden.ZumProblemwirddasKopf tuch,wennesvoneinerstaatlichenBeamtingetragenwird,diezur„Mäßigung“ undZurückhaltungverpflichtetist.WährenddasRechtallermuslimischenFrau enihrHauptzuverschleierndurchArtikel4desGrundgesetzesgesichertist,in demesheißt„dieFreiheitdesGlaubens,desGewissensunddieFreiheitderreli giösenundweltanschaulichenBekenntnissesistunersetzlich“,kanndieerzwun geneVerschleierungderFraualseinVerstoßgegendasinArtikel3festgestellte Gleichheitsgebot für Mann und Frau angesehen werden. Frauen ist freilich von manchenislamischenGelehrtennichtnurdasTragendesKopftucheszurPflicht gemachtworden,sondernauchdieAusübungzahlreicherBerufeunddieInitia tivezurScheidungz.B.untersagt.HieristderVerstoßgegenArtikel3nochein deutiger. Im Übrigen lässt Artikel 4 implizit auch den Austritt aus einer Religi onsgemeinschaft und den Wechsel des Bekenntnisses zu, was von vielen musli mischenRechtsgelehrtennichtfürMuslimeakzeptiertwird.ZumeinerBefriedi gunghabeichvonHerrnBekirAlbogavom„InstitutfürdeutschtürkischeInteg rationsstudien und interreligiöse Arbeit“ erfahren, dass einige muslimische RechtsgelehrtedasRechtaufGlaubenswechselbzw.Austrittnichtmehrprinzipi ellverneinen. Füreinsinnvolles,aufgegenseitigenRespektundVerständniszielendesGe spräch zwischen Vertretern der drei „abrahamitischen Religionen“, der jüdi schen, der christlichen und der muslimischen, ist der gemeinsame Ausgangs punkt vom strikten Monotheismus wesentlich. Muslime zweifeln freilich oft am christlichen Monotheismus und erheben Einwände sowohl gegen die Trinitäts lehre als auch gegen die Göttlichkeit Jesu. Gleichwohl lassen sie Jesus als einen großenProphetengelten.SolcheUnterschiedederTheologiekönnenwederver wischt noch geleugnet werden. Dennoch ist die Toleranz sowohl für Juden als
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auchfürChristengegenüberMuslimenmöglich.UndumgekehrtauchfürMus lime gegenüber Juden und Christen. Christen könnten dabei Ausführungen des bedeutendenevangelischenTheologenPaulTillichzuHilfenehmen. Tillichistüberzeugt,dasssichbeidesmiteinanderverbindenlässt:„Gewiss heit, die sich auf das Unbedingte gründet“ und das Wissen um die Unzuläng lichkeit jedes Symbols für das Unbedingte,für Gott. „Wenn wir sagen, dass die Religion zwei Elemente hat: das erste Element betrifft die Erfahrung von etwas Unbedingten, Endgültigen, Ernsthaften, von etwas, das in das Absolute hinein reicht;dasandereElementistderkonkreteAusdruckdiesesunbedingtenAnlie gens, in den Formen einer bestimmten Überlieferung mit ihren Symbolen, Leh ren, Rechtsnormen und Verfassungen. Nun ist einleuchtend, dass das erste Ele ment an sich keine Gesellschaft gefährdet. Es befähigt sogar die Religion, sich selbst kritisch zu beurteilen. Die (gemeint atheistischen) Kritiker der Religion überseheneines:sievergessen,dassgeschichtlichgesehen,dieWurzelndeskriti schenGeistesinderSelbstkritikderReligionliegen.ProphetenundSehergeißeln unerbittlichdiePriester.JedesMalrichtetsichderprophetischeAngriffgegendie Verwechslung des heiligen Gegenstandes und mit dem Heiligen selbst. Also dagegen,dasetwasEndlicheszuetwasUnendlichemgemachtwird.“ Während der Glaube als solcher ein „Zustand unbedingten Ergriffenseins ist“,dersichinbestimmtenFormenausdrückenmuss,partizipiertdaskonkrete Symbol am Unbedingten, obwohl es selbst nicht unbedingt ist. Hier liegen die WurzelnderUnduldsamkeit,diezumKonfliktzwischeneinerbestimmtenReli gion und der freien Gesellschaft mit ihrem Toleranzgebot führen kann. „Eine Ausdrucksform des Unbedingten schließt nämlich alle anderen aus und nimmt dämonische Züge an. Das ist in allen Religionen geschehen, auch im Christen tum“.„DieMystiküberschreitetdurchihreFormderFrömmigkeitjedenkonkre tenAusdruckdesUnbedingten“,dasmachtsieduldsam.Dasgiltübrigensauch für die islamische Mystik, den Sufismus. Aber jeder, auch der nichtmystische, Glaube kann tolerant sein, vorausgesetzt dass zwischen dem Unendlichen, Un bedingten,Absoluten,umdasesReligionletztendlichgeht,unddemnotwendig endlichen Symbol unterschieden wird, in dem sich der Glaube ausdrückt. Nur auf diese Weise kann die Tendenz zur Intoleranz, die jedem Monotheismus in newohnt,verhindertwerden.UnterdieserVoraussetzungkönnenbeiBegegnun gen der verschiedenen Glaubensformen und Religionen Fanatismen vermieden werdenunddochzugleichdieinnereGewissheitdesGlaubensbewahrtbleiben. Das allen drei abrahamitischen Religionen nicht unbekannte Bilderverbot lässt sich im Sinne dieser theologischen Argumentation Tillichs deuten. Der Islam nimmtdabei–jedenfallsimPrinzip–dasBilderverbotamernstesten.
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Tillichs Ausführungen sind mir deshalb wichtig, weil sie demonstrieren, dass echte Toleranz mit eigener Glaubensüberzeugung vereinbar ist. Toleranz ausbloßerGleichgültigkeit,ausGeringschätzungallerReligionistnichtvielwert, wertvolle, echte Toleranz kommt aus eigener Glaubensgewissheit, die zugleich um die eigene Unzulänglichkeit und Schwäche weiß. Goethe hat einmal erklärt „ToleranzsollteeigentlichnureinevorübergehendeGesinnungsein;siemusszur Anerkennungführen.Duldenheißtbeleidigen“.AuseigenerGlaubensgewissheit kommendeToleranziststetsmiteinersolchenAnerkennungdesgläubigenAn derenverbunden. DieBegegnungdeschristlichenAbendlandesmitdemIslamhatbekanntlich eine lange, oft unglückliche Geschichte. Muslimischen Gelehrten verdankt das Abendland nicht nur die Überlieferung großer Teile des klassischen, griechi schen,philosophischenErbes,sondernauchdieIntrodierungindieGeheimnisse der Mathematik. Der von der hochmittelalterlichen Scholastik zu „dem Philoso phen“erhobeneAristoteleswurdeAlbertdemGroßenundThomasdurcharabi sche Denker vermittelt. Immerhin zwei Jahrzehnte lang blühte eine islamisch, jüdisch,christlicheKulturimarabischenerobertenRaumderPyrenäenhalbinsel. Die christliche Reconquista beendete das friedliche Zusammenleben der drei Religionsgemeinschaften und brachte Zwangstaufe der Juden, Inquisition und Unterdrückung. Noch unrühmlicher waren die Kreuzzüge, deren letzter gerade einmalvor800JahrendurchVerwüstungundPlünderungdasorthodoxeChris tentuminByzanzdemUntergangvonislamischerHanddenWegbereitete.Zum letzten Mal trafen islamischtürkische Heere 1683 vor Wien auf christliche und wurdengeschlagen. Im ersten Weltkrieg war Deutschland wie ÖsterreichUngarn mit dem Os manischen Reich verbündet und Kaiser Wilhelm versuchte islamische Machtha berzum„heiligenKrieg“gegenFranzosenundEngländerzugewinnen.DieListe derblutigenKonflikteundKoalitionenistnochweitlänger.Dochlassenwirdie VergangenheitundwendenwirunsderGegenwartzu,inderallein20Millionen MuslimeinEuropaleben. ImUnterschiedzumIslamistderIslamismuseinepolitischeInstrumentali sierungeiniger–oftauchumstrittener–GlaubensbestandteiledesIslamfürag gressive politische Ziele. Der Islamismus ist ein modernes Phänomen, eine ty pisch moderne Ideologie, die sich allerdings älterer religiöser Inhalte bedient. Unter den formal dem Islam Angehörenden in Deutschland ist ein Teil einer kulturellalsstrengreligiösmuslimisch,eingrößererTeildagegenernsthaftgläu big,nureinsehrkleinerTeilfürislamistischeTendenzenansprechbar.ImDialog mitgläubigenMuslimenmussdieAchtungvorihrenÜberzeugungenundihrer
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LebensformdieBasisfüreinemitAnerkennungverbundeneToleranzsein.Nur sokönnendienotwendigenVoraussetzungenfüreineweitgehendeIntegrationin die bundesdeutsche Gesellschaft geschaffen werden. Die vom türkischen Staat nachDeutschlandgeschicktenImamekönnenschonaufGrundihrerEigenschaft als türkische Beamte nicht zum Islamismus tendieren. Der säkulare türkische Staat kennt seit der Reform Kemal Atatürks wie der unsere die Trennung von Politik und Religion, dennoch hat die Regierung selbst die Ausbildung und Be zahlung der Imame übernommen. Der von Herrn Bekir Alboga geäußerte Wunsch,manmögedochdieImamemöglichstfüreinelängerePeriodealsbloß zwei Jahre nach Deutschland entsenden, leuchtet ein und sollte deutscherseits nachdrücklichunterstütztwerden.DurcheinenlängerenAufenthaltundbessere Sprachkenntnisse sowie Vertrautheit mit den hiesigen Lebensverhältnissen, wä rendennweitbessereVoraussetzungenfürfruchtbareDialogemitAngehörigen derchristlichenGemeindegegeben.DieTatsache,dasszurZeitinderTürkeieine gemäßigtislamischeParteidenRegierungschefstellt,beweist,dassimsäkularen StaatPlatzfürengagierteBekennerauchdesislamischenGlaubensist. DieZieleislamischerExtremisten,diedenStaatihrerreligiösverstandenen Herrschaftunterwerfenwollen,sindmitdemLebenineinemaufVerfassungund liberaler Rechtsordnung verpflichteten Staat unvereinbar. Für die mehr als drei Millionen in Deutschland lebenden Muslime sind Agitationen islamistischer Gruppen im höchsten Maße schädlich. Präventive Vorkehrungen können dafür sorgen,dassdieVerführbarkeitdurchderartigeExtremistenabgebautwirdoder garnichterstentsteht.NährbodenfürsolcheVerführbarkeitistnebenmaterieller Not vor allem das Gefühl fehlender Anerkennung, zuweilen gar Demütigung und aus Unkenntnis entstandene Angst von Angehörigen der Mehrheitsgesell schaft.Esliegtdahernichtzuletztanuns,dafürzusorgen,dassdieserNährbo dengarnichterstentstehtoderbaldigstsaniertwird.
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„Der unterstellte Krieg der Zivilisationen ist ein Krieg miteinander in KonfliktliegenderWeltsichten,dieentwederUniversalitätfürsichselbst beanspruchen oder aber den ihnen auferlegten Universalitätsanspruch andererbestreiten.“ Bassam Tibi: Internationale Moralität und kulturübergreifender Brückenschlag,in:RomanHerzog,WiderdenKampfderKulturen. Eine Friedensstrategie für das 21. Jahrhundert, Frankfurt/M. 2000, S.155. „DieheutefortschreitendeEntwestlichungderWeltbeschränktsichnicht alleine auf eine Beanstandung westlicher Macht in Politik und Wirt schaft. Entwestlichung meint auch, dass die bisher als universell ange nommenenNormenundWerteunddamitdieFormdesDiskursesselbst angefochtenwerden.“ Bassam Tibi: Kulturarbeit als Dialog zwischen den Zivilisationen. DasGoetheInstitutineinersichentwestlichendenWelt,in:Mur nau,Manila,Minsk.50JahreGoetheInstitut,München2001,S.25.
Zivilisationskonflikte–zurWirkungsmachteinerHyperrealität
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Zivilisationskonflikte–zurWirkungsmachteiner Hyperrealität „DieersteHälftedes20.JahrhundertswardieÄraderWeltkriege,diezweitedieÄradesKal tenKrieges.Im21.hatdieÄraderMuslimKriegebegonnen.NichtweilderIslamgrundsätz lichblutrünstigwäre.VieleFaktorenspielenmit.EineristdashistorischeGefühlunterMus limen,vorallemunterArabern,dasssievomWestenunterjochtundausgebeutetwordensei en.EinandereristGrollüberkonkretewestlichePolitik,insbesonderederamerikanischenUn terstützungIsraels.“1
AlsHuntington1993inderZeitschriftForeignAffairserstmaligseineThesenvon einem„ClashofCivilizations“äußerte,inderdiewichtigstenundgefährlichsten Konflikte vor allem zwischen unterschiedlichen Zivilisationen gesehen wurden und die Trennlinie nicht mehr zwischen sozialen Klassen, Reichen und Armen verlief,auchnichtmehrzwischenModernistenundTraditionalisten,gabeseine großePolemikinderWissenschaftslandschaft.2HuntingtonsVorstellungderacht Kulturkreise war reduktionistisch und inkongruent, seine sinischislamische AchseundseineWarnungvordem„RestagainsttheWest“wirktewieeinepo pulistische Feindbildkonstruktion zur inneren Identitätsdefinition und Stärkung der heterogenen Gesellschaftsstrukturen im Westen. Die Vorwürfe lauteten auf selffullfilling prophecy, Populismus und Unwissenschaftlichkeit, Eurozentrismus und diskursiv erzeugte Realität. Weniger als fünf Jahre nach Erscheinen seines Buches,galtenseineThesenindenSozialwissenschaftenalswiderlegt.3
SamuelHuntingtonin:DIEZEITDossier37/2002. Vgl.dazuexemplarischdenAufsatzvonMüller,Harald(1998):DerMythosvomKampfder Kulturen.EineKritikanHuntingtonskulturalistischerGlobaltheorie.In:E+ZEntwicklungund Zusammenarbeit (Nr. 10, Oktober 1998, S. 262264), http://www.inwent.org/E+Z/ zeitschr/ez10984.htm(04.09.09). 3Vgl.dazuRiesebrodt,Martin(2000):DieRückkehrderReligionen.Fundamentalismusund derKampfderKulturen.München. 1 2
M. Abou-Taam et al. (Hrsg.), Zwischen Konfrontation und Dialog, DOI 10.1007/978-3-531-93001-5_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Der 11. September 2001 hingegen rehabilitierte Huntingtons Vorstellungen vomzivilisatorischenZusammenprallzwischendemWestenundderislamischen WeltrealpolitischunddieRegierungslandschaftstellteihreSicherheitspolitikauf dieBasisdieserGefahrenanalyse,selbstwenndietatsächlichenGefahrenfürdie westlichen Industrieländer vor allem und weiterhin in strukturellen Problemen lagen. Aus den vielfältigen, grenzüberschreitenden Risiken der globalen Welt ordnung, wie Klima und Umweltzerstörung, NordSüdVerteilungskonflikten, Überbevölkerung, Verelendung und MassenMigrationsbewegungen, internatio nalorganisierterKriminalität,Terrorismus,SeuchenverbreitungundProliferation biologischer und chemischer Massenvernichtungswaffen, sticht die kulturelle Fragmentation und die fundamentalistische Mobilmachung des Islam offenbar als für den Westen determinierende Konfliktstruktur hervor. Dies könnte damit in Zusammenhang stehen, dass diese werteorientierte Konfliktverhaftung den Empfindungen von Abgrenzung und Identitätsbestimmung, wie sie durch den OstWestKonfliktübereinhalbesJahrhundertvorgegebenwurden,nichtunähn lichsind.ZwarhandelteessichbeijenemumeinenideologischenKonflikt,erist jedochdemantagonistischen,subjektiven,dyadischenundsymmetrischenMus ter des religiösen Wertekonfliktes zwischen dem Westen und der islamischen Weltdurchausvergleichbar. Tatsächlichscheintes,alswärediegrundlegendeRollederReligioneninder Weltpolitikwährendderfast50JahreandauerndenbipolarenWeltordnungstark vernachlässigtworden.ErstHuntingtonbrachtedieBrisanzdieserunbewussten TiefendimensionweltpolitischerKonflikteimRahmenderInternationalenPolitik wieder zur Diskussion. Er sah jedoch die Diskrepanz zwischen den Anhängern derReligionenbereitssoweitgediehen,dasseinZusammenpralldieserKulturen vonihmalsunvermeidbardargestelltwurde.ErstmitHuntingtonwurdewieder deutlich,„daßzurMultipolaritätglobalerPolitikauchdieMultikulturalitätundMulti religiositätgehören.“4 DieimmanenteKonfliktlastigkeitdieserreligiösenBesinnunggilteskeines wegs zu vernachlässigen, allerdings erweckt die außenpolitische Fixierung des WestensaufdieseKonfliktstrukturdenAnschein,alsseiendiedeterminierenden Probleme des 21. Jahrhunderts einzig die interzivilisatorischen Konflikte mit dem Islam und weniger der steigende demographische Faktor, Massenverelen
4Küng,Hans(2000):StattKonfrontationDialogderKulturen,in:Herzog,Roman(2000):Wi der den Kampf der Kulturen. Eine Friedensstrategie für das 21. Jahrhundert. Frankfurt, S. 130.
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dung,Umweltkatastrophen,DrogenundWaffenproliferationundentstaatlichte Kriege: Die gefühlte Angst der westlichen Gesellschaft ist spätestens seit dem 11. September die vor dem Islam, dem Terrorismus, dem Bombenattentat im Bus, ZugoderFlugzeug.UndauchdieAngstüberrolltzuwerdenvonderislamischen Welt. Diese Fixierung auf die Zivilisationskonflikte mit der islamischen Welt geschieht,weilsichdieAußenundSicherheitspolitikderwestlichenStaatenauf diesenStrukturkonfliktkonzentriert. Auf der Ebene der internationalen Beziehungen ist eine Überbetonung der ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschiede spürbar, was besonders auf SeitenderwestlichenIndustrienationenmitdemSchlagwortdes„internationalen Kampfes gegen den Terrorismus“ und dem Schreckensbild einer islamistischen Weltbedrohungunterlegtwird.DieAußenundSicherheitspolitikderwestlichen Industrienationen ist besonders seit Beginn des 21. Jahrhunderts überlagert von einem Feindbild Islam, welches auf der islamischen Seite sein Pendant im sich vertiefendenFeindbildWestenfindet.FürdieAngehörigen„verwandter“Kultu ren wirkt dieser internationalisierte Zivilisationskonflikt im Zeitalter diffuser, struktureller Globalisierung identitätsstiftend, integrierend, bindend und zu sammenfügend – wohingegen nach Außen eine ablehnende und abgrenzende Haltung manifest wird. Auf der internationalen Ebene entsteht somit eine anta gonistischeGrundhaltungmitreziprokenVorwurfsundDrohkulissenundeine spürbareHierarchisierungdereigenenKultur. Zivilisationskonflikte erscheinen als scheinbar unauslöschbare Konsequenz zwischen unterschiedlichen Wertvorstellungen und Interessen innerhalb der zivilisatorischenEntitäten.5DieBereitschaftzuGewaltkannebensoausJahrhun derte bestehenden, funktionalisierten historischen Beziehungen rühren, wie aus etablierten Strukturen der Machtverteilung oder aus ökonomischen Interessen motiven.DieKonfliktursachenwerdenmitzivilisatorischenAttributenzuerklä renversucht:MansprichtvonethnischenSpannungenundvonreligiösen,kultu rellen,nationalistischenoderhistorischenKonfliktursachen,diezudemaufTradi tionen,KollektiverfahrungenoderMissionsgedankenundanderendiffusenKon fliktkriterien aufbauen. Sie alle basieren zusätzlich zu der zivilisatorischen Au ßenrhetorikaufklassischenKonfliktparameternwieterritorialen,geopolitischen, soziopolitischen, machtpolitischen oder sozioökonomischen Motiven und lösen die ein halbes Jahrhundert dominierenden ideologischen Konfliktmotive ab. Vgl. Foroutan, Naika (2004): Kulturdialoge zwischen dem Westen und der islamischen Welt.EineStrategiezurRegulierungvonZivilisationskonflikten.Wiesbaden. 5
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Signifikant für diese Konflikte der neuen Weltordnung ist, dass die kulturellen Faktoren überbetont und als hauptsächliche Konfliktmotivation angegeben wer den,wasdemKonflikteineantagonistischeWerteausrichtunggibt–dieswiede rumerinnertandieideologischenKonfliktederletzten50Jahre.DerUnterschied bestehtdarin,dassdieantagonistischenKonfliktederbipolarenWeltordnungsich, wiederNameschonsagt,aufzweiKonfliktgegner–KommunismusversusKapi talismus – reduzierten, während die neuen Konflikte zahlreiche Ethnien, Kultu ren, Religionen, Nationen – kurz, Zivilisationen mit scheinbar höchst diversen Konfliktmotivationeninvolvieren,waseinegewisseUnüberschaubarkeitmitsich führt. Noch bevor Zivilisationskonflikte und der „Clash of Civilizations“ als Ge fahrendoktrin des beginnenden 21. Jahrhunderts in die Sicherheitspolitik der westlichen Nationalstaaten überführt wurden, hatte Bassam Tibi Radikalisie rungstendenzen im politischen Islam als Gefahrenquelle für den Westen analy siert.6 Im Zuge weltweiter struktureller Globalisierung beobachtete er eine gleichzeitige kulturelle Fragmentation, die sich gegen den vereinheitlichenden westlichen Universalismus durch Rückzug in eigene kulturelle Gemeinschaften definierte, was teilweise in einer radikalen Ablehnung westlicher Werte seinen Ausdruckfand.7Das21.JahrhundertcharakterisierteerinseinerOrdnungsstruk turzumindestanfänglichalseine„WeltUnordnung“,dominiertvonethnischen, religiösenundnationalistischenKonflikten,womiterdieUnüberschaubarkeitder Zivilisationskonfliktedeutlichmachte.8 Solange ein Konflikt rationale Ursachen aufzuweisen hat, wie den Zugang zuWasseroderRohstoffquellen,denKampfumTerritoriumoderdieberechtigte Forderung nach der Verteilung von Gütern, sozialen Leistungen, Partizipation etc., könnte ein imaginäres Schiedsgericht die Lösung des Konfliktes nach dem Faktor Gerechtigkeitbeschließen.IstderKonfliktjedochvölkisch,ethnisch,reli giösodergarzivilisatorischbegründet,soentstehenirrationale,bindendeKräfte, die Menschen aus dem eigenen ‚gerechten’ Sichtfeld hinaus in eine emotionale Positionhineinkatapultieren,diepolitisiertunddadurchbesonderskonfliktlastig ist. Bei Konflikten zwischen Zivilisationen lässt sich niemals eine einzelne Be gründungalsKrisenursachefeststellen. 6 Vgl. Tibi, Bassam (1992): Islamischer Fundamentalismus, moderne Wissenschaft und Technologie.Frankfurt/M. 7Vgl.Tibi,Bassam(1996):StrukturelleGlobalisierungundkulturelleFragmentation.In:Interna tionalePolitik,Bd.51(Januar1996),H.1,S.2936. 8Vgl.Tibi,Bassam(1999):DieNeueWeltunordnung.WestlicheDominanzundislamischer Fundamentalismus.Berlin.
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ZivilisationalshierarchischesAbgrenzungskriterium Norbert Elias bezeichnet in seinem Werk „Über den Prozess der Zivilisation“ Kultur (und auch Zivilisation) als einen semantischen Ausdruck historischer Abgrenzungs sowie nationaler Selbstfindungsprozesse.9 Zivilisation war in DeutschlandinderTraditionOswaldSpenglersdefiniertalsjenereintechnisch zweckrationalenMittelzurOrganisationderNaturbeherrschung,dermateriellen Reproduktion und Verbesserung menschlicher Lebenspraxis, wohingegen die KulturalsdasschöngeistigeElementgalt.10 Der derzeitige Gebrauch des Begriffs Zivilisation als Ersatzbegriff oder als FortführungdespolitisiertenKulturbegriffsgiltnichtlängerdemGraddestech nischen Fortschritts und desZivilisiertSeins sondern isteher als ein Kommuni kationssystem und ein Erkennungssystem zwischen Menschen zu charakterisie ren.NachderTheorieNiklasLuhmannsbesitztjedesKommunikationssystemdie Tendenz, Subsysteme auszubilden. Die Kulturen bilden in diesem Sinne unter schiedliche Subsysteme der übergeordneten Zivilisation.11 Dabei sind Kulturen häufiglokalbegrenztundZivilisationensetzensichausGruppierungen ähnlich gearteter Kulturen zusammen. Eine Zivilisation kann in diesem Sinne als eine Verwandtschaftsgruppe aus größeren kulturellen Gruppierungen bezeichnet werden, soweit ihre ‚Mitglieder’ in Bezug auf Werte und Weltanschauungen gleichgerichtet erscheinen.12 Eine Zivilisation stellt eine imaginäre Identifikati onsebenedarundbildeteineletztgültigeZugehörigkeitsstufe,solangenochkein extraterrestrischesLebenentdecktwordenist.13 9 Vgl. Elias, Norbert (1936): Zur Soziogenese der Begriffe ‚Zivilisation und ‚Kultur, in: Ders.: ÜberdenProzeßderZivilisation,Vol.1.Frankfurt/M.,S.89153. 10Eckermann,K.E.(1980):OswaldSpenglerunddiemoderneKunstkritik.Darstellungund Bewertung der Thesen Spenglers sowie der Vergleich mit einigen neueren gesellschafts undstaatstheoretischenAnsätzen.Bonn. 11 Vgl. Kuper, Adam (1999): Culture. The Anthropologists’ Account. Cambridge (Mass.), London1999,S.227f. 12Tibi(2000),S.157. 13ZurVeranschaulichung:EininBoppardamRheingeborenerMannfühltsichinAbgren zungzueinemMannausKoblenzalsBopparder,inAbgrenzungzueinemKölnerfühlter sich als Koblenzer, in Abgrenzung zu einem Berliner fühlt er sich als Rheinländer, in Ab grenzungzueinem‚Ossi’fühltersichals‚Wessi’.InAbgrenzungzueinemFranzosen,fühlt ersichalsDeutscherundinAbgrenzungzueinemAmerikanerfühltersichalsEuropäer. InAbgrenzungzueinemTürkenfühltersichalsChristundalsChristwiederumwürdeer sich dem westlichen Kulturkreis oder der westlichen Zivilisation zuordnen. Diese letzte EbenederZuordnungzueinerZivilisationwürdeaufbrechen,wenneszueinemKonflikt
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IndiesemSinnzusammenhangerstkannvoneinerwestlichenundeineris lamischen Zivilisation gesprochen werden. Diese Begriffseinheiten sind zwar sehrglobalundversucheneineextremheterogene Gruppenbezeichnungauszu füllen,dennochbildensieeinenfestenBestandteildesSprachjargonsderWeltöf fentlichkeit und mittlerweile auch der Wissenschaft, obwohl ihre tatsächliche Definitionsgrundlage von Skeptikern immer wieder angezweifelt werden darf, denn kulturell kann sich ein aufgeklärter Muslim einem aufgeklärten Christen durchaus näher fühlen als einem radikalen Islamisten – zivilisatorisch wird er jedochinderKonfliktempathiederislamischenWeltzugerechnet. ZivilisationenstellendemnachebensowieKultureneinenachinnenintegra tiveundnachAußenabgrenzendeEinheitdar,welchenichtstatischist.DerBe griff Zivilisation ist im Vergleich zum Kulturbegriff konfliktgeladener, da er durchseineAssoziationmiteinemEntwicklungsgradundeinerHierarchie,Ver gleicheundAbgrenzungenbeinhaltet.ZivilisationwurdevonEliasalseinsteter Entwicklungsprozess gesehen oder mindestens als das Resultat eines Prozesses, als etwas,dasständig inBewegung ist, dasständig vorwärts geht. Eliasbelegte anhand von Beispielen aus der deutschen und der französischen Kultur, dass Gesellschaften sich in zivilisatorischen Prozessen befinden, die sich in gewisser Weise messen lassen, sodass man von Zivilisationsstufen sprechen kann. Diese stufenweise Veränderung von Zivilisation beschreibt auch Max Weber anhand vonBeobachtungenzurReligiositätvonBevölkerungsgruppen.14DerProzessder Zivilisation bzw. der Zivilisierung eines Volkes wurde mit dem Prozess des Er wachsenwerdens verglichen: ein Kind musste erst lernen, sich zu artikulieren, dannlernteeszusprechen,gleichzeitigzeichneteesGegenstände,dannlerntees zu schreiben und zu lesen. Ähnlich diagnostizierte Elias die Entwicklung der Urvölker,welchekeinenallzugroßenWortschatzhatten,irgendwannHöhlenma lereienproduzierten,langsamzueinemwortgewandterenVolkwurden,Schrift zeichenentwickeltenusw.biszurheutigenSprach,MalundSchriftkultur.Elias nennt diesen individuellen und gesellschaftlichen Prozess das „soziogenetische Grundgesetz“.15 mit‚Marsmenschen’käme.SolangeesjedochkeineMarsmenschengibt,zudenenmansich alsErdenmenschinAntipositionbegebenkönnte,istdieletztePositionierungdiezivilisato rische. 14Weber,Max(1920):Zwischenbetrachtung:TheoriederStufenundRichtungenreligiöserWeltab lehnung, in: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, vol. 1. Tübingen, S. 536 573. 15 Vgl. dazu Elias, Norbert (1969): Der Prozess derZivilisation – soziogenetische und psy chogenetischeUntersuchungen,2Bd.Berlin,Kap.2.
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Eine solche stufenweise Prozessentwicklung von Zivilisation wurde im au ßereuropäischen Raum von dem arabischen Historiker und Philosophen Ibn Khaldunbereitsim14.Jahrhundertinseinem,inderislamischenWeltberühmten Werk „Muqaddima beschrieben.16 Er verwendete den arabischen Begriff „hadaara (Zivilisation) und sprach von Zyklen der Zivilisation, die sich allge mein beschreiben und nachvollziehen ließen, vergleichbar den Lebenszyklen einesMenschen.ZivilisationbegannnachseinerMeinungmitdemAckerbauund kulminierteinderForschungundWissenschaft,inwelchendieKünsteenthalten waren. Dementsprechend waren alle Zivilisationen, die diesen Grad noch nicht erreichthatten,indiesemEntwicklungsprozessaufeinerniedrigerenStufeange siedelt. Die Einteilung von Zivilisationen in unterschiedliche Stufen der Entwick lungundsomitdieHierarchisierungvonZivilisationenbeinhaltetdenKernder Zivilisationskonflikte, denn jede Zivilisation neigt dazu, sich in Abgrenzung zu anderen als tendenziell höher positioniert einzuschätzen. Diese Positionierung hängtmitderUrsprungsassoziationzusammen,dassZivilisationvon„Zivilisiert Sein“ kommt. Sowohl die westliche, als auch die islamische Zivilisation sind durch diese stufenbedingte Einteilung von Zivilisationen auf unterschiedliche EbenenunddurchdasFesthaltenamsoziogenetischenGrundgesetzdavonüber zeugt,dassihreZivilisationgegenüberdenanderenaufeinerhöherenStufean gesiedeltist.InbesondersauffälligerWeiseistdiesauchimJudentumzusehen, wodieAbgrenzunggegenüberdenanderenZivilisationendarausresultiert,dass man sich selbst als das auserwählte Volk wahrnimmt. Im Gegensatz zur westli chen und islamischen Zivilisation ist die jüdische Zivilisation allerdings nicht universalistisch, vielmehr begreift sie sich als exklusiv, womit wiederum ein anderes Konfliktmuster angeschnitten wäre, welches hier jedoch nicht weiter bearbeitetwerdensoll.
ZivilisationskonflikteinSammelbegriff Der Begriff Zivilisationskonflikt ist ein Kunstwort, das stellvertretend benutzt wird, um die Vielzahl der seit dem Ende der bipolaren Weltordnung auftreten
16 Vgl. dazu Tibi,Bassam (1993): Politisches Denken im klassischen und mittelalterlichen Islam, in:Fetscher,Iring/Münkler,Herfried(Hrsg.),PipersHandbuchderPolitischenIdeen,Bd.2. München/Zürich,S.87140.
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deninterreligiösen,ethnopolitischenundinterkulturellenKonfliktlinienzusub sumieren. Grundsätzlich können Zivilisationskonflikte sowohl interzivilisatorisch als auch intrazivilisatorisch auftreten. In diesem Sinne wäre ein intrazivilisa torischerKonfliktwiejenerzwischenislamistischenStrömungenundihrerZent ralregierungodereinKonfliktzwischenSchiitenundSunnitenebensoalsZivili sationskonfliktzubezeichnen,wieeinempfundenerinterzivilisatorischerGroß konflikt zwischen dem Westen und der islamischen Welt. In allen Fällen ist die Argumentationsrhetorik kulturell, religiös und ethnopolitisch aufgeladen. Das Kernzielistes,dieDefinitionsmachtübereineuniversaleWeltordnungsstruktur zu erlangen und dabei moralische Wertmaßstäbe vorzugeben, um dadurch machtpolitische, sozioökonomische oder geostrategische Optimierungschancen zuerzielen. Religion,Ethnizität,Nation,Kultur,Tradition,Werte,alledieseemotionsge ladenenBegriffebildeneineKausalstrukturfürdasBestehenoderEntstehenvon Zivilisationskonflikten. Das Zugehörigkeitsgefühl zu einer bestimmten Zivilisation wird zu einem erheblichenTeildurchdieReligionvorgegeben.DieReligionsymbolisiertWert maßstäbe, die von den Angehörigen einer Zivilisation geteilt werden. Daraus ist zufolgern,dassdieKonflikte,diezwischenZivilisationenzumTragenkommen, solcheumWerteundderenunterschiedlicheAuffassungsind. Aber auch die Ethnizität wird als Spannungsparameter hinzugezogen: Die ethnische Zugehörigkeit zu einer Gruppe, gleich ob sie objektiv gegeben oder subjektiv empfunden ist, kann großen Einfluss auf die Ausformung politischer Handlungenhaben.SosiehtDonaldL.HorowitzbereitsindemZusammenleben zweier unterschiedlicher Ethnien auf ein und demselben Staatsgebiet die Basis fürimmerwiederauftauchendeKonflikte.17JedederEthnienkämpfeumSelbst behauptung,VorrechteundPositionenindemStaatsgebiet,waszupermanenten Spannungen führen kann. Andere Wissenschaftler wiederum grenzen die Zwangsläufigkeit,mitderEthnizitätundKonfliktinVerbindunggesetztwerden ein,weildiesdietatsächlicheGenesevonKonfliktenignoriere,indenenEthnizi tätbenutztwird,umMassenbesserzumobilisieren: „Ethnicityhasbecomeashorthandwaytospeakaboutanyandallviolentconfrontationsbe tween groups of people living in the same country. Some of these conflicts involve ethnic or
17Vgl.Horowitz,DonaldL.(1985):EthnicGroupsinConflict.BerkleyundLosAngeles,S. 22ff.
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culturalidentity,butmostareaboutgettingmorepower,land,orotherresources.Theydonot resultfromethnicdiversity;(…).18
TeilweisesindinethnopolitischenKonfliktenauchKonfliktmotivedesNationa lismus wiederzuerkennen.19 Die nationalistische Anlehnung ist vorrangig be dingt dadurch, dass sich die Rolle der ethnischen Gruppierungen teilweise in dem Begriff der Nation auflöst. Die bipolare Konstellation der Weltpolitik, in deren Zentrum ein Kampf zweier Ideologien stand, drängte bis zu ihrem Ende 1989/90 Nationalismen in den Hintergrund. Die Zunahme sozialer Differenzie rungsprozesse und der Rückzug staatlicher Macht sowohl im reichen Norden, wie auch im armen Süden, führte jedoch bald verstärkt zum Auftreten neuer Nationalismen.20 Dem Nationalismus ist eigen, dass er eine Identitätspolitik an statt kompromissfähiger Interessenpolitik fördert. Volksgruppenzugehörigkeit, SpracheundReligionstehenimZentrumderPolitikund‚Kultur‘gewinnteinen hohenStellenwert.21 KulturalsKonfliktparameterkonzentriertsichaufdenAspektderEthnien als Kulturnationen und den Begriff Kultur als antagonistischer Koordinate.22 Nichtnurder„KampfderKulturen“undder„culturalturn“sollendieKonflikt lastigkeit von Kultur für die Politik belegen sondern auch die „Kulturelle Ge walt“. „Kulturelle Gewalt bezieht sich auf religiöse, ideologische oder linguistische Symbole, die di rekteoderstrukturelleGewaltlegitimieren.DasmöglicheRegisterreichtvonMythologienund HassredenzuFlaggenundHymnen.IhrEinsatzdientdereigenenErhöhung,derDistanzbil dungundderEnthumanisierungeinesGegners.“23
Bowen, John R. (1996): The Myth of Global Ethnic Conflict, in: Journal of Democracy, 07.04.1996,S.3. 19 Almond, Gabriel/ Sivan, Emmanuel, Appleby, Scott (1995): Politics, Ethnicity and Funda mentalism,in:Marty/Appleby(Hrsg.),FundamentalismsComprehended.ChicagoLondon, S.489. 20Vgl.Ravenhill,John(1990):TheNorthSouthbalanceofPower,in:InternationalAffairs,Vol. 66/90,No.4,S.731748. 21Vgl.Anderson, Benedict(2005):DieErfindung derNation.ZurKarriereeinesfolgenrei chenKonzepts.2.Auflage.Frankfurt/M.2005. 22Vgl.dazuKarlH.Hörning(2004):KulturalsPraxis.in:FriedrichJaeger/BurkhardLiebsch (Hrsg.):HandbuchderKulturwissenschaften.Stuttgart,S.137151. 23ZeitschriftfürKulturAustausch(2001):MitKulturgegenKrisen.KulturdialogalsMittelder Konfliktprävention. Ausgabe 2/2001. http://www.ifa.de/zfk/themen/01_2_krisen/dzitel mann.htm 18
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Kulturelle Muster können aber auch weniger deutlich und zunächst un scheinbarsein,könnensichinbestimmtenGedankenmustern,Werteinstellungen und Assoziationen äußern.24 Tradition wäre z.B. eine solche diffuse Struktur: historisch verklärt, zumeist im Rückblick geschaffen, um neuere Tendenzen er klären zu helfen, bildet Tradition kulturelle Leitmuster (guiding patterns), womit die Vergangenheit in die Gegenwart hineinreicht und diese beeinflusst.25 Schon dieVorstellungüberlieferter,quasistatischerIdeen,istnurunvollkommen,denn Ideen und somit auch Traditionen erfahren eine kontinuierliche Modifikation. Die speziell der ‚traditionellen Idee’ angehefteten Werte, welche den Kern des KulturbegriffesausmachenundmaßgeblichfürKonfliktezwischenunterschied lichenKulturenherangezogenwerden,sindinRealitäteinekulturelleKonstruk tion, die modifizierbar ist und in Form und Inhalt im Laufe der Zeit durchaus Änderungenerfahrenundauchinstrumentalisiertwerdenkann,umjahrhunder tealte kollektive Traumata wiederauferstehen zu lassen und in Konfrontationen zuüberführen.26 Vor allem die islamischen Fundamentalisten berufen sich auf traditionelle Werte, um sich kulturell vom Westen abzugrenzen. Diese Tradition beherbergt fürsiedenSchlüsselzurehemaligenGrößeundzumRuhmderislamischenZivi lisation. Der Begriff der kulturellen Werte setzt eine gewisse Abgrenzbarkeit voraus,ebensoeinegewisseinnereOrdnung.Jedochexistiertbeidesnurinsehr theoretischer Weise: geschlossene kulturelle Systeme gibt es nicht, es existiert immereingewisserAustauschmitanderenKulturen,oderabereineinnereViel falt und Widersprüchlichkeit, welche einer Konformität zuwiderlaufen würde. AusdiesemGrundewerdenauchdieAnsprüchederIslamisten,fürdiegesamte islamische Zivilisation zu sprechen, niemals erfüllt. Innere Ordnung innerhalb von Kulturen ist ein von außen und im Rückblick auferlegter, künstlicher Ord nungsversuch,welcherdenSinnhat,sichsomitvonanderenSinngemeinschaften abgrenzenzukönnen.27 Vgl. dazu Marcuse, Herbert (1979): Über den affirmativen Charakter der Kultur. In: Ders.: Schriften,vol.3.Frankfurt/M.,S.186226. 25Shils,Edward(1991):Tradition.Chicago,S.32ff. 26Volkan,Vamik (1999):Blutsgrenzen.DiehistorischenWurzelnunddiepsychologischen MechanismenethnischerKonflikteundihreBedeutungbeiFriedensverhandlungen(Origi naltitel:Bloodlines),Bern. 27Eder,Klaus/Schmidtke,Oliver(1998):EthnischeMobilisierungunddieLogikvonIdentitäts kämpfen.EinesituationstheoretischePerspektivejenseitsvon„RationalChoice“.In:Zeitschriftfür SoziologieNr.27,S.401420. 24
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DieAngstvor„denMuslimen“ DiezivilisatorischeAbgrenzungsrhetoriksetztsichvonderinternationalenEbene bisindieregionaleundnationaleEbenefortundistindenwestlichenIndustrie nationen besonders im deutlich verschlechterten Verhältnis zwischen der nicht muslimischen Mehrheitsgesellschaft und den muslimischen Migrantencom munities feststellbar. Gleichsam equivalent zu internationalen Konfliktereignis sen wie dem 11. September, dem AfghanistanKonflikt, dem IrakKonflikt oder der täglichen Berichterstattung über Terroranschläge islamistischer Fanatiker, findet auf der nationalen Ebene eine schleichende gesellschaftliche Vergiftung statt. Begriffe wie Parallelgesellschaft, HomeGrownTerrorism, Hassprediger, ZwangseheundEhrenmordüberlagerndieWahrnehmungderMehrheitsgesell schaftzumThemaIslamundführenbesondersinnerhalbdereuropäischenEin wanderungsländer zu ansteigender gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit undIslamophobie.28 „Kritische Haltungen gegenüber allen Religionen sind immer notwendig. Aber es stimmt, normalerweisegilt:jehöherdieBildung,umsowenigerAbwertung.DasstimmtinBezugauf Obdachlose,Homosexuelle,Juden,Fremdenfeindlichkeit,SexismusundRassismus.Nurbeim Islam ist das anders. Dort schützt Bildung weniger vor der generalisierten Abwertung der KulturdesIslam.“29
WährendRassismusundFremdenfeindlichkeitseit2002aufhoherStufestagnie ren, ist in den europäischen Einwanderungsnationen und auch in Deutschland eine ansteigende Islamophobie nachweisbar: So Beschrieb Heiner Bielefeld für das Deutsche Institut für Menschenrechte das Islambild in Deutschland.30 Hier nach verneinten nahezu drei von vier Befragten die Aussage: „Die muslimische KulturpasstdurchausinunserewestlicheWelt“.LauteinerAllensbachUmfrageaus dem Jahr 2006 hielten 83% der Deutschen Muslime für fanatisch, 62% für rück wärtsgewandt,71%fürintolerant,60%fürundemokratischund91%dachtenbei demThemaMuslimezuallererstandieBenachteiligungvonFrauen: 28 „Islamophobie drückt sich in einer generellen ablehnenden Einstellung gegenüber muslimischen Personen und allen Glaubensrichtungen, Symbolen und religiösen Praktiken des Islams aus.“, Heitmeyer,Wilhelm(2002)(Hrsg.):DeutscheZustände.Folge1.Suhrkamp,Frankfurt,S.17 29HeitmeyerinTAZvom6.12.06. 30Bielefeld,heiner(2008):DasIslambildinDeutschland.ZumöffentlichenUmgangmitder AngstvordemIslam.DeutschesInstitutfürMenschenrechte,2.Auflage,Berlin.
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NaikaForoutan „Die Vorstellungen der Deutschen über den Islam waren bereits in den vergangenen Jahren negativ,dochhabensiesichinderjüngstenZeitnocheinmalspürbarverdüstert.“31
Dies konstatierte Frau Noelle für Allensbach in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fünf Jahre nach dem 11. September 2001. Die Entfremdungstendenzen zwischendernichtmuslimischenMehrheitsgesellschaftinDeutschlandund„den Muslimen“ oder als solchen markierten, waren in diesem Zeitraum stark ange stiegen. Auch aus diesem Grund tagte noch im selben Jahr 2006 die erste Deut scheIslamkonferenzunterdemVorsitzdesdamaligenInnenministersWolfgang Schäuble, der in seiner Regierungserklärung deutlich formulierte: Der Islam ist TeilDeutschlandsundTeilEuropas,eristTeilunsererGegenwartunderistTeilunserer Zukunft.MuslimesindinDeutschlandwillkommen.SiesollenihreTalenteentfaltenund siesollenunserLandmitweitervoranbringen.“32. Seit diesem symbolischen Akt sind mehrere Jahre vergangen. Obwohl ein TopDownProzeßderEntfremdungzwischen„Muslimen“undNichtMuslimen in Deutschland entgegentreten sollte, wird im Jahr 2010 besonders im Zuge der sogenanntenSarrazinDebattedieAussage„derIslamgehörtinzwischenauchzu Deutschland“von66%derDeutschenverneint.33 Mehrals4Millionen„Muslime“oderMenschenmuslimischerHerkunftle beninDeutschland,immermehrvonihnenbesitzendiedeutscheStaatsangehö rigkeit. Dennoch wird der Islam von der Mehrheitsgesellschaft nicht als etwas akzeptiert,daszuDeutschlanddazugehört–undzwaraufgrundebenjenerdif fusen Begriffe, die auch der Zivilisationskonflikt als Erklärung hinzuzieht. Der IslampasstnichtzuDeutschlandwegen„derKultur“,„derWerte“,„derTraditi on“.DerIslamwirdvonderMehrheitsgesellschaftimGegensatzzumJudentum alsnichtmitderdeutschenGesellschaftkompatibelverstanden,obwohlsichdie demographische Situation anderweitig darstellt. Dies mag an dem Phänomen liegen,welchesHeitmeyeralsEtabliertenvorrechtebezeichnet: „Etabliertenvorrechte leugnen die Gleichwertigkeit aller Menschen und behaupten, es gebe Rangfolgen,diebeispielsweisedieAlteingesessenenüberdieneuHinzugekommenenstellen.“34
NoelleElisabeth/Petersen,Thomas(2006):EinefremdebedrohlicheWelt,FAZ,17.Mai2006. http://www.bundesregierung.de/nn_1514/Content/DE/Bulletin/2006/09/931bmiislam konferenzbt.html 33 http://www.bild.de/BILD/politik/2010/10/05/christianwulffumfrage/dashaltendie deutschenvonwulffsredeislamgehoertzudeutschland.html 34Für53,7%derBefragtenin2009solltez.B.werirgendwoneuist,sicherstmalmitweni ger zufrieden geben. Vgl. Heitmeyer: http://www.unibielefeld.de/ikg/gmf/einstellungen. 31 32
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DahinterverbirgtsicheinemassiveVerletzungvonGleichheitsgrundsätzen,also einemassiveVerletzungdesjenigenGrundrechtesaufwelchemdieliberaleVer fassungsstruktur der Bundesrepublik gründet. Diese Verletzung kann jederzeit mit ethnisch oder religiös fundierten Argumenten zu konkreten Abwertungen bestimmterGruppenzugespitztwerden.DieRhetorikderZivilisationskonflikte setztsichsomitbisindennationalenRaumhineinfortundführtnachweisbarzu einemKlimadergesellschaftlichenVergiftung,welchesbeidseitigspürbarist.So stelltBassamTibifest,dassmuslimischeMigrantensichteilweisevonderMehr heitsgesellschaft abkapseln und eine auch von ihnen betriebene Selbst ethnisierungdazubenutzen,ihrejeweiligenBesonderheitenauchgegenüberden jeweils anderen ethnischen Minderheiten zu betonen.35 Durch diese Selbstethnisierung, in welche auch neue, erfundene Traditionen hineinspielen, findet eine stark stilisierte Abgrenzung gegenüber der herkunftsdeutschen Mehrheitsgesellschaft statt, welche den fragilen Integrationsprozess noch mehr hemmt. Es entsteht sozusagen ein doppeltes Integrationsdilemma: Zuzüglich zu mangelndenIntegrationsbemühungenundrassistischenAbwertungendurchdie Geschichte der Einwanderung in Deutschland hinweg, verläuft die von Tibi di agnostiziertefreiwilligeDesintegrationderNachgeborenen.DerIslamwird,auch alsFolgederaufinternationalerEbeneerlebtenKonfrontation,vorrangigsicher heitspolitisch debattiert. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Integrationsbe mühungen innerhalb der westlichen Einwanderungsländer weniger als philoso phischgesellschaftliches Konzept der Gemeinschaftsbildung, denn als sicher heitspolitische Zwangsmaßnahme. Dies behindert die emotionale Partizipation von Teilen der muslimischen Migranten mit ihren neuen Heimatländern und vertieft die zivilisatorische Hierarchisierung und Abgrenzung zwischen Mehr heitsundMinderheitsgesellschaften.
DieHyperrealitätalspolitischeWahrheit Statistisch ist eine Dominanz der interkulturellen Konflikte auf internationaler Ebene nicht nachweisbar, obwohl sie stärker wahrgenommen bzw. „gefühlt“ html#Etabliertenvorrechte und http://www.uni-bielefeld.de/ikg/gmf/pdf/Tabelle_homepage _2010.pdf. 35Vgl.Tibi,Bassam(2002):IslamischeZuwanderung.DiegescheiterteIntegration,Stuttgart/ München.
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werden.DasKonfliktbarometer,welchesinternationaleKonfliktealljährlichana lysiertundimInternetalsInformationanbietet,sahfolgendeKonfliktgegenstän deselbstnachdem11.September2001alswesentlichrelevanteran: „DieimJahr2001laufendenpolitischenAuseinandersetzungenwerdenamhäufigstenumdie Konfliktgüter Territorium, Autonomie und nationale Macht geführt. Dabei werden fast alle Territorialkonflikte friedlich ausgetragen. Ausnahmen sind z.B. der KaschmirKonflikt und auch der gewaltsame Konflikt zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde. Im Gegensatz zu Territorialkonflikten sind Auseinandersetzungen um innerstaatliche Macht oderumAutonomiebesondersgewaltträchtig.Sezessionskonflikte,diemeistohnedenEinsatz vonGewaltausgetragenwerden,sindamhäufigsteninEuropaundAsienzufinden.Dieeben fallsseltengewaltträchtigenAuseinandersetzungenumRessourcenfindensichindenmeisten FälleninAfrika.“36
DiesführtzuderVermutung,dassrealiterdieklassischenKonfliktursachennoch immer vorherrschen, die bestehenden Konflikte jedoch nach dem Zusammen bruch der bipolaren Weltordnung mit zivilisatorischen Argumenten aufgeladen werden und somit eine kulturelle, ethnische bzw. zivilisatorische Grenzlinie markieren.37 Konfliktmotive wie interner oder externer Machtausbau, Profitstei gerungoderstrategischePositionierungwerdenvondenKonfliktparteienhäufig mit einem kulturellen, religiösen oder historischen Beweggrund unterlegt, um somitnutzenmaximierendeHandlungsmotivemoralischbesserzuverkaufen. Hier stellt sich die Frage, ab wann Simulacra in Realität übertreten und ab wanndieFragenachdemwasrealundwaserfundenist,fürdiePolitikirrelevant wird? Selbst wenn, wie Olivier Roy sagt, „die Islamische Welt“ als solche nicht existiert und der Konflikt mit dem Westen ein erfundener ist, da noch immer vorrangig Menschen in der islamischen Welt sterben, die wiederum von Musli men getötet werden38 – Fakt bleibt, dass die Angst, die im Westen und in den westlichen Gesellschaften vorrangig und unterschwellig, offen und versteckt vorherrscht,dieAngstvor„denMuslimen“istundaufdieseAngststelltsichdie Sicherheitspolitik ein, selbst wenn die Angst auf erfundenen, medial erzeugten Simulakren basiert. Die Angst ist ein reales Gefühl und die Reaktion darauf drücktsichrealpolitischaus. http://www.hiik.de/de/barometer2001/barometer_2001.pdf, Siehe Heidelberger Institut fürinternationaleKonfliktforschungHIIKe.V.,heruntergeladenam13.12.2002. 37Vgl.Gurr,T.Robert(1993):MinoritiesatRisk.AGlobalViewofEthnopoliticalConflicts. Washington,S.19ff. 38 Roy, Olivier (2008): Der falsche Krieg. Islamisten, Terroristen und die Irrtümer des Westens. München. 36
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HeutzutagefunktioniertdieAbstraktionnichtmehrnachdemMusterderKarte,des Duplikats,desSpiegelsunddesBegriffs.AuchbeziehtsichdieSimulationnichtmehrauf einTerritorium,einreferentiellesWesenoderaufeineSubstanz.Vielmehrbedientsiesich verschiedener Modelle zur Generierung eines Realen ohne Ursprung oder Realität, d.h. einesHyperrealen.DasTerritoriumistderKartenichtmehrvorgelagert,auchüberlebtes sienichtmehr.Vonnunanistesumgekehrt:(PRÄZESSIONDERSIMULAKRA:)Die KarteistdemTerritoriumvorgelagert,jasiebringteshervor.39 Bedeutend für die Neuordnung der Weltpolitik ist daher weniger der tat sächlichbedingteAnstiegvonZivilisationskonflikten,alsvielmehrdieTatsache, dasssieweltweitalsübersteigertesBedrohungsszenariowahrgenommenwerden undzwarderart,dassdieAußenundSicherheitspolitikderwichtigstenIndust rienationen sich an dieser Konfliktkonstellation ausrichtet und diese real oder hyperreal existierende Bedrohung die Struktur der neuen Weltordnung des 21. JahrhundertsaufinternationalerEbeneprägtundmassivindennationalenpoli tischen Raum einsickert. Es ist also die Hyperrealität, welche die Politik und in FolgediegesellschaftlicheWahrnehmung(bzw.viceversa)dominiert. Die politischen Milleniumsvisionen von Friedensdividende und internatio nalerMoralität,vonderWeltalsglobalemDorfundvonderPrioritätgemeinsa mer Abrüstungsverhandlungen sind besonders nach dem 11. September ersetzt worden durch verstärkte Tendenzen zur Wiederaufrüstung mit Kriegsbereit schaft auch und vor Allem auf Seiten westlicher Staaten, die teilweise seit Jahr zehntenkeinemilitärischenInterventionenpraktizierthattenundfüreinesolche Intervention sogar Verfassungsänderungen herbeiführen mussten. Begründet wirddiesemilitärpolitischeNeuausrichtungderWeltpolitikmitdemArgument, somit Schutz vor fundamentalistischen Terroristen und unterstützenden Terror staaten zu erlangen. Diese werden in vorderster Front in den islamischen Län dern geortet. Zu der Angst vor einem „Zivilisationsfeind“ Islam gesellt sich die These der Bedrohung durch „Schurkenstaaten“ wie z.B. Iran als Legitimation er neuterweltweiterVerteidigungsundAufrüstungsbereitschaft. DiemilitärischeInterventionwestlicherStaatenaufislamischemGebiethat indergesamtenislamischenWeltdiebereitsbestehendeAbwehrhaltunggegen überdemWestenvertieftundscheinbarbestätigtanstattdenislamistischenEife rern und Terroristen Einhalt zu gebieten. Vielmehr konnten diese die destabile Sicherheitslagenutzen,umsicherneutzusammelnundweiteresRekrutierungs personal zu beschaffen. Die Spirale der Gewalt um die Deutungshoheit dessen, Baudrillard, Jean (1978): Agonie des Realen. Aus dem Frz. übers. von Lothar Kurzawa undVolkerSchaefer.Berlin,S.7.
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was die Wahrheit ist von Recht und Unrecht und was zuerst war – das Huhn oder das Ei –hat sichin dienationale Sphäre eingegraben und zu Desintegrati ons und Destabilisierungstendenzen innerhalb der westlichen Gesellschaften geführt. In Anlehnung an Jean Beaudrillard bezeichnet der Begriff Hyperrealität ei nen, durch die Simulation ausgelösten, gesellschaftlichen Zustand, in welchem die Zeichen nicht mehr einer Logik der Repräsentation angehören. Vielmehr verselbständigen sich die medial und diskursiv erzeugten Zeichen und generie renwiederumalsSimulakreneineHyperrealität,dieallesRealeaufsaugt.40Inder Hyperrealität verschwindet die Trennlinie zwischen Realem und Imaginärem, sodassdas,waswiralsRealitätansehen,durchdieHyperrealitätersetztwird.41 Esistalsonichtmehrzuleugnen:GleichwelcheKritik,welchewissenschaftliche Nachweisbarkeit und welche bezwingende Logik den Kampf der Kulturen und somitdieÄraderZivilisationskonfliktealsKonstruktion entlarven–dieseKon struktion bestimmt seit Beginn des Jahrhundert unsere Wahrnehmung, somit unserePolitikundunsereWirklichkeit. ImzivilisatorischgeführtenKulturkampffindeteineÜberhöhungdeseige nenSeins,TunsundWollensstatt.DieeigenenWertegeltenalshöher,zivilisato rischeralsdiederAnderen,dieVisionenfürdieZukunftsgestaltungdemokrati scher bzw. moralischer und das Ziel ist auf Seiten des Westens formuliert als „Frieden durch Demokratie“ bzw. „Behebung der Entwicklungsdefizite“. Auf SeitenderislamischenWeltwirddannalsZielgedacht,FriedenundGerechtig keitdurchmehrGottesnäheundBehebungdergesellschaftlichenIsolation,Kälte undDistanzzuerreichen. Im Westen gilt die viel verbreitete Meinung, dass der Krieg der Islamisten gegen die Werte der westlichen Welt gerichtet sei, sprich gegen Pluralismus, Demokratie,FreiheitundoffeneGesellschaften.InderislamischenWeltistman vielfachderÜberzeugung,derTerrorrichtesichgegenFremdherrschaft,Korrup tion, versteckte Kriegstreiberei, Unterstützung diktatorischer Regime, Ausbeu tung der islamischen Länderaus machtpolitischen und energiepolitischen Moti ven und zerfallende moralische Strukturen – daher distanzieren sich viele Mus limeauchnichtsoeindeutigvondenTerroranschlägen.
Vgl.Horacek,Martin(2007):Hyperrealität–DiebeschleunigteZirkulationderZeicheninJean Baudrillards Simulationsgesellschaft. In: Schimank Uwe/ Volkmann, Ute: Soziologische GegenwartsdiagnosenI,2.Auflage.EineBestandsaufnahme.Wiesbaden,S.143156. 41Vgl.Baudrillard,Jean(1976):DerSymbolischeTauschundderTod.Berlin,S.114ff. 40
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IndenAugenderwestlichenBevölkerungistdasBilddesfanatischen,bär tigenKämpferseingebrannt,derBombeninMittenderGesellschaftplatziert.In denAugenderislamischenBevölkerungistseitJahrhundertendieErfahrungder FremdherrschaftundAusbeutungdurchdenWesteneingebranntunddaserfah reneTraumawirdnundurchdiegeheimenGefängnisse,dieFolterskandale,die teilweise willkürlichen Tötungs und Demütigungsdelikte weiter geschürt und führtzuderÜberzeugung,dassdieZeitdesWiderstandesnungekommenund legitimsei. “Ifmendefinesituationsasreal,theyarerealintheirconsequences.”42
Im Sinne des ThomasTheorems kann davon ausgegangen werden, dass Men schen, wenn sie eine Gegebenheit als real ansehen, so handeln, als sei sie real, und insofern kommt es zu realen Konsequenzen (einer möglicherweise rational nichtgegebenenTatsache).ImSinnederWirkungsmachtderHyperrealitätheißt das:Konsequenzensindreal,auchwenndieAusgangssituationesnichtist.Das heißt aber auch, dass Realität diskursiv erzeugbar und dementsprechend auch wandelbarist.DieseröffnetdenRaumfürdieunterschätzteWirkungsmachtder Kulturdialoge. So wie der Kampf der Kulturen politische Wirklichkeit generiert hat,kannesauchdemDialogderKulturengelingensymbolischeWendepunkte inderPolitikzuerzeugen. IndenletztenJahrenhatsichunterderUSRegierungGeorgeW.Bushsdas reziproke Bewusstsein eines kulturellen Zusammenpralls aufgebaut. Mit Amts antritt des neuen USPräsidenten Obama und seinem deutlichen Signal in Rich tungislamischerWeltisteineideologischeEntspannungspolitikwahrzunehmen. AuchdiesistzunächsteinDiskurs–hoffenwiraufseineKonsequenzen. Literatur Almond,Gabriel/Sivan,Emmanuel,Appleby,Scott(1995):Politics,EthnicityandFundamen talism, in: Marty/ Appleby (Hrsg.), Fundamentalisms Comprehended, Chicago London. Anderson, Benedict (2005): Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts.2.Auflage,Frankfurt/M.
Thomas W. I./ Swaine Thomas, Dorothy: The Child in America: Behavior Problems and Programs.Knopf1928.
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„Meiner Ansicht nach führte die Öffnung des islamischen Geistes in Richtung des Hellenismus und die anschließende Hellenisierung des Is lamimMittelalterzumHöhepunktderislamischenZivilisation.(…)Ich glaube,dassdieseTraditionnachwievorsowohlaktuellalsauchrelevant fürdeneuromediterranenDialogist.Wennesmöglichwar,daßsichara bische Muslime und Europäer in der Vergangenheit auf der Grundlage einesaufAql/VernunftbasierendenGeistesbegegneten,somussesgenau so möglich sein, diese Tradition und ihren Geist als Bezugsrahmen für den notwendigen Dialogin unserem Zeitalter zu neuem Leben zu erwe cken.“ BassamTibi:EuropaohneIdentität,München1998,S.123124.
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EuroIslam–IdeeoderIdeal? In Deutschland leben etwa 4,2 bis 4,5 Millionen Menschen islamischer Abstam mung und damit ca. 5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Diese statistische Zahl sagt jedoch wenig über die Religiosität dieser Menschen aus. Mit 2,7 Millionen prägen die Türken das Islambild in Deutschland, wobei Muslime aus 40 ver schiedenen kulturellen und traditionellen Hintergründen hier anzutreffen sind. DiegrößtendieserGruppenbildendieBosniakenmitrund200.000,100.000Ira nern, 80.000 Marokkaner, 70.000 Afghanen, eine unbekannte Zahl deutscher Konvertiten und rund 800.000 Eingebürgerte.1 Unter denmuslimischenMigran ten lassen sich ethnische und religiöse Feindschaften, sowie politische Konflikte ausdenHerkunftsländernfeststellen.Auffallendist,dassnureinkleinerTeilder MuslimeinDachorganisationenundKulturvereinenorganisiertist.Etwa800.000 muslimischeSchülerbesuchenderzeitdeutscheSchulen.2Damitistdiemuslimi sche„Gemeinschaft“einesehrjunge,überwiegendpatriarchalischgeprägte,mit einerdoppeltenHierarchie: MachtderMännerüberFrauen(Geschlechterkonflikt) MachtderÄlterenüberdieJüngeren(Generationskonflikt) DerIslaminDeutschlandistbislangkeinestaatlichanerkannteReligionsgemein schaft. Die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist eines der ZielederIslamkonferenz.DabeihandeltessichumeineimJahre2006vomdeut schenInnenministerWolfgangSchäubleinitiierteKonferenz.SiesolleineGrund lage für das Verhältnis zwischen dem deutschen Staat und den in Deutschland lebenden Muslimen schaffen und die Integration begünstigen. Ansprechpartner für den deutschen Staat sind neben den offiziellen Vertreter des legal organisiertenIslamauchVertreterdesnichtorganisiertenIslam.DasInnenminis Vgl.Haug,Sonja;Müssig,Stephanie;Stichs,Anja(2009):MuslimischesLebeninDeutsch land,imAuftragderDeutschenIslamKonferenz,Stuttgart. 2Vgl.ebd. 1
M. Abou-Taam et al. (Hrsg.), Zwischen Konfrontation und Dialog, DOI 10.1007/978-3-531-93001-5_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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terium stellt diesbezüglich fest: „Da die fünf muslimischen Dachverbände in DeutschlandmaximallediglicheinFünftelallerinDeutschlandlebendenMusli merepräsentieren,istes–umdieVielfaltdesmuslimischenLebensinDeutsch land widerzuspiegeln – erforderlich, die nichtorganisierten Muslime angemes sen mit einzubeziehen. Zehn ausgewählte Persönlichkeiten repräsentieren als MitgliederdesPlenumsderDIKinihrerGesamtheitdieverschiedenstenFacetten der muslimischen Lebenswirklichkeit und ihrer Traditionen und somit die Viel faltmuslimischenLebensinDeutschland.“3
DeutschlandunddiefehlendeBewältigungdeskulturellen Wandelns Anhand von Bevölkerungsvorausberechnungen und Projektionen des Statisti schen Bundesamtes ist abzulesen, dass ab dem Jahr 2020 die bundesdeutsche Bevölkerungvon81Millionenaufca.75Millionenzurückgehen,wobeiderAn teil der über 60jährigen auf etwa 36 Prozent der Gesamtbevölkerung steigen wird.4 Die daraus resultierende Bevölkerungsstruktur ist eine feste, kurzfristig kaumveränderbareGröße.NichtnurdieAltersstrukturinDeutschlandwirdsich massivändern,sondernauchdiegesellschaftlicheZusammensetzung.Indiesem Zusammenhang muss man zunehmend feststellen, dass Deutschland ein Zu wanderungslandist.Mittlerweilelebenhiermehrals15MillionenMenschen,die nichtinDeutschlandgeborenwurdenodernichtdiedeutscheNationalitätbesit zen.DieseMenschensindausnahezuallenLändernundKulturenzugewandert.5 InWesteuropaleben10–12MillionenMuslime.DenHochrechnungenkann man entnehmen, dass diese Zahl bis zum Jahr 2020 auf etwa 20 Millionen an wachsenwird.DamitsindwirmittenineinemeuropaweitenkulturellenWandel. Davon ist Deutschland ganz besonders betroffen, denn die Politik hat es ver säumt,dieMenschendaraufvorzubereiten.ProblematischinDeutschlandistdie 3 Arbeitsprogramm der Deutschen Islam Konferenz (DIK), veröffentlicht im Internet: http://www.bmi.bund.de/cln_104/DE/Themen/PolitikGesellschaft/DtIslamKonferenz/Arbeit sprogrammZusammensetzung/ArbeitsprogrammZusammensetzung_node.html (06.08.2009). 4StatistischeÄmterdesBundesundderLänder(Hrsg.)(2007):DemografischerWandelin Deutschland,BevölkerungsundHaushaltsentwicklungimBundundindenLändern,Heft 1/2007. 5StatistischesBundesamt(2009):BevölkerungundErwerbstätigkeit,BevölkerungmitMig rationshintergrund,Wiesbaden.
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Tatsache, dass Zuwanderer seit Ende der 1980er Jahre nicht zur Sanierung der Sozialkassenbeitragen,sondernsieeherbelasten.Darankannmanablesen,dass siebesondersvonderArbeitslosigkeitbetroffensind.DiefehlendeIntegrations politik führte dazu, dass die dritte Generation häufig schlechter deutsch spricht als ihre Elterngeneration. Aufgewachsen in Deutschland stellen sie Ansprüche wie Einheimische, werden zwangsläufig enttäuscht und sind noch schwerer zu integrieren.EinEskalationszirkel,dersichvorerstinschulischenGewaltexzessen ausdrücktundaufDaueranIntensitätzunehmenwird. Gewalt muss im Kontext gesellschaftlicher Strukturen verstanden werden. Für die Schüler scheint sie eine sozialintegrative Funktion zu haben. Von der Gewalt geht wohl eine eigentümliche Faszination aus. Dabei wird die Tendenz deutlich, Unrecht auf den Anderen zu projizieren, um so eine Legitimation für das gewalttätige Vorgehen zu erhalten. Die NichtIntegration von Migranten drückt sich heute in der Bildung von Gettos und Parallelgesellschaften aus. Es findetganzbesondersbeiMuslimeneineAbschottungstatt,dieunsverdeutlicht, dass der bloße Kontakt mit der deutschen Kultur nicht zur Übernahme ihrer Werte führt. Die fehlende Integration zeigt sich am deutlichsten im schulischen AbstiegderJugend.59ProzentdertürkischenJugendlichensindheuteohneeine Berufsausbildung. Ein Großteil hat keinen oder einen schlechten Hauptschulab schluss.DieAnnahme,dasssichschulische,sprachlicheundberuflicheProbleme mit steigender Aufenthaltsdauer von selbstlösen,istdurch die Realitätklar wi derlegt worden. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber die langfristigen Folgen dieserEntwicklungsindschonheutevoraussehbar.Migrantenkindermitschlech terSchulbildungwerdenindieArbeitslosigkeitentlassenundsindmitdemsozi alenAbstiegkonfrontiert.HeutewerdendieSymptomedurchfinanzielleTrans ferleistungendesStaatesverdeckt.DieSituationwirdsichsehrbaldändern. DurchdiezunehmendeVerschiebungderAltersstrukturunddurchdieall gemeine ökonomische Lagewird derStaat immer weniger Mittel zu Verfügung haben.EineweitereparalleleEntwicklungist,dasswirzunehmendeinfacheJobs an Billiglohnländer verlieren werden. Nur hochqualifizierte Arbeitsplätze wer den angeboten. Einen Vorgeschmack können wir im Ruhrgebiet erleben. Dort sinddurchdenStrukturwandelvorallemMenschenmitschlechterBildungindie Dauerarbeitslosigkeitgeraten.DieswirdsichinZukunftverstärken.DieSchüler an den Hauptschulen wissen, dass sie die Verlierer der Gesellschaft sind. Ent
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sprechendverhaltensiesich.SieentwickelneigeneBewertungsundKonfliktlö sungsmechanismen.6 In einer sich zukünftig verschärfenden wirtschaftlichen Situation werden Migranten als Konkurrenten im Wettbewerb auf dem Arbeits und Wohnungs marktgesehen,waswiederumzurAblehnungundzumsozialenUnfriedenbei trägt. Indes entwickelt sich auf Seiten der Migranten als Folge der fehlenden AnerkennungeinSystemkomplexerZusammenhänge,NetzwerkeundVerflech tungen. Die Schuld an ihrer prekären Situation wird der Mehrheitsgesellschaft zugeschoben.SolcheinMechanismusistgutdafürgeeignet,dieeigeneUnfähig keitzuverdecken.Objektivundverengtgesehen,wirdessosein,dassdieBetrof fenen kaum Möglichkeiten der Teilhabe am gesellschaftlichen Geschehen haben werden. Wirtschaftlich werden sie eine „benachteiligte“ Unterschicht bilden. KulturellwirdderAbstandzurMehrheitsgesellschaftgrößer.Sieagierenhaupt sächlichinihremeigenensozialenUmfeldundpartizipierennurgeringampoli tischenGeschehendesStaates,indemsieleben. GleichzeitigwirddieseGruppejüngerunddamitdynamischersein,alsdie Mehrheitsgesellschaft.DiefaktischenVerliererderGesellschaftsehenjedochdie Potenziale, die sie nie erreichen werden. Somit haben wir alle Zutaten für eine zunehmendeRadikalisierung.BereitsheutesindParallelstrukturenundradikale Ideologien sichtbar, die auf transnationalen Solidaritätsbeziehungen basieren. Das ist aus der sicherheitspolitischen Perspektive ein konfliktreiches Unterfan gen, denn die Verlierer der Gesellschaft werden eine andere Lesart der Realität haben,wonachihreSituationdieFolgevonsystematischerDiskriminierungsei. Die Nähe zur deutschen Gesellschaft bei einem gleichzeitigen Ausbleiben der kulturellen Bewältigung sozialen Wandelns führt somit zu einem wachsen denBewusstseinderkulturellenIdentität.DieReligionwirddabeidiedeutlichste Trennungsliniedarstellen,dennsiebietetsichdafüran.EsherrschteinSzenario desRückzugs,derIdentitätssuche,desBeharrensundderAngstvor.DieseUnsi cherheitwirdvondenIslamistenbewusstinstrumentalisiert.DieFragederInteg rationistsomitaussicherheitspolitischenÜberlegungeneinKampfumdieKöpfe für die Sicherheit. Die Anschlagsfolge in London 2005 sowie die gescheiterten AnschlagsversucheinDeutschland(2006u.2008)zeugendavon,dassdieJugend gezieltmobilisiertundfürdenDjihadindenAufnahmeländernbegeistertwird. Auch deuten die Ergebnisse von Ermittlungen daraufhin, dass junge Migranten inEuropafürdenDjihadinAfghanistan,TschetschenienunddenIrakrekrutiert 6Solle,Nina(2006):DieHauptschuleausderPerspektivevonSchülernundLehrern,Nor derstedt,S.11ff.
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werden. Sie sollen dorthin gehen und für Gott gegen den „Weltunglauben“ kämpfen. Bereits heute haben wir also Strukturen, die zur Radikalisierung von Jugendlichen führen. Eine zunehmende Perspektivlosigkeit wird die Zunahme derEskalationalsFolgehaben,waswiederumdieGräbenzwischendenBevölke rungsteilenvergrößert.
DieIslamDiasporaamScheideweg Die IslamDiaspora durchläuft in den meisten westlichen Gesellschaften einen Konsolidierungsprozess. Die Menschen sind dabei, sich in der sie umgebenden Gesellschaft zu positionieren. Diese Prozesse beeinflussen sich gegenseitig und werden von den lokalen, regionalen und globalen Ereignissen massiv gelenkt. Geprägt sind Muslime von einer islamischen Weltanschauung oder zumindest einer den Werten des Islam entsprungenen Erziehung. Heute können wir be obachten,dasssowohldieMehrheitsgesellschaftalsauchdiemuslimischenMig ranteninKrisenzeitenüberfordertsind.EswerdenjeweilsSolidargemeinschaften definiert, die ihre Eigeninteressen vertreten und um begrenzte Ressourcen wie Sozialleistungen, Wohnungen oder Arbeitsplätze konkurrieren. Das stört natür lich den inneren Frieden, denn Feindbilder und Verschwörungstheorien gewin nenanBedeutung,währenddieinnergesellschaftlicheSolidaritätschwindet. AusderPerspektivederSicherheitspolitikstelltsichhierdieFrage,wiesich Muslime im Kampf der Weltanschauungen verhalten und wie sich die Mehr heitsgesellschaftinBezugaufdieliberaleDemokratiedesGrundgesetzespositio niert.DerIslamismusalsExklusivideologieinstrumentalisiertindiesemZusam menhangdiefehlendesozialeundwirtschaftlicheIntegrationderIslamDiaspora und nistet sich in ihren ghettoähnlichen Wohnvierteln ein. Selbstethnisierung sowieDiskriminierungvonaußenwerfenFragennachderIdentitätderMuslime inEuropasowienachderLebensqualitätfürMuslimeundEuropäerauf.Hierbei istdieVerteufelungderMuslimegenausogefährlichfürdieinnereSicherheitwie dieAusbreitungeinesmilitantenIslamismus.7 BetrachtetmandieFunktionsweiseundRekrutierungsstrategievonislamis tischenOrganisationen,sowirdmanfeststellen,dassdieIdeologisierungunddie PolarisierungdieHauptelementeihrerErfolgsstrategiedarstellen.AlQaidalässt zunehmend für die Veränderung der Weltordnung kämpfen, dabei werden von 7Savage,Timothy(2004):EuropeandIslam:CrescentWaxing,CulturesClashing.Washing tonQuarterly,Summer2004,S.2550.
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der Mutterorganisation gelöste, aber in der Ideologie gleichgesinnte Gruppen aktiviert,dieeineFeindschaftgegenüberdemWestenempfindenunddieBereit schaft besitzen, diese Feindschaft in Aktion umzusetzen. Genauer gesagt: al Qaidarichtetsichandiejenigen,diebereitsWutempfinden,aberdieseWutnicht politisch artikulieren können. Hier werden die Ressourcen der Organisation be reitwilligangeboten.Hauptfeindbzw.konstituierendesElementistderdekaden teWesten,derdieUmmaausblutenlässtunddieMuslimeausgrenzt.Westliche Werte müssen demnach zurückgewiesen, die eigene islamische Identität vertei digtwerden. DieBeschäftigungmitalQaidahatergeben,dassdieseversucht,mitmini malemAufwanddengrößtmöglichenSchadenanzurichten.8Infiltratorenwerden indasjeweiligeLandentsandt,indemAnschlägestattfindensollen.Dabeiwer dendieseangehalten,insbesondereinsozialenBrennpunktenundinStadtteilen, dievonmuslimischenMigrantenbewohntwerden,eineterroristischeInfrastruk tur aufzubauen.9 Sympathisanten werden propagandistisch angeworben, dabei setzt man auf Frustrationsgefühle und Manipulationen, indem die Feindschaft zumWestenüberbetontdargestelltwird.SowachsenTerrorzellen,dieinnerhalb derIslamCommunitygezüchtetwerden. AlQaidazuGutekommenunterschiedlichesozialpsychologische,aberauch weltanschauliche Elemente innerhalb der IslamDiaspora. Die Menschen leben und denken durch die mediale Verbindung in ihre Heimatländer in heimischen Konflikten. Sie solidarisieren sich mit den Sorgen ihrer HerkunftsZivilisationen und definieren ihre Konflikte durch die Transnationalität der Religion entlang einer ethnischreligiösen Trennungslinie. In diesem Zusammenhang konstatiert Tibi: „ZwaristderIslamismusprimäreinepolitischeIdeologieundeineOrdnungsvorstel lung,dennochenthälteralseinreligiöserFundamentalismuszugleicheinenRufnach dem Spirituellen und mobilisiert hierfür religiöse Systeme. Die religiöse Weltan schauungverleihtihmeinebesondereAura.ReligionistelementarerBestandteilder conditio humana; der religiöse Fundamentalismus greift darauf zurück, ist aber ein Produkt unserer Gegenwart. Der Fundamentalismus verbindet Religion mit Politik
8 Nagi,Abi Bakr (2005): Idarat attawahosh, as´ab marhala satamuru biha al`umma (Die VerwaltungderBarbarei.DieschwierigstePhase,diedieUmmaüberstehenmuss),o.O. 9 Vgl. alQaida Manuel: Declaration of Jihad [Holy War] against the Country´s Tyrants MilitarySeries,S.55,zitiertin:AbouTaam,Marwan/ Bigalke,Ruth(2006):Die Reden des Osama,a.a.O.,S.225ff.
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und spitzt diese Kombination zu, indem er ihr den Charakter einer zivilisatorischen Weltanschauungverleiht[…]“10
DerIslamisteinepolitischeRealitätinEuropa.11DieseFeststellungverlangtvon denBeteiligteneineneuartigeStrategie,dieeinerseitsdenDjihadismusvehement bekämpft,anderseitsdieMuslimeimWestenfürdiezivilisatorischenErrungen schaften der Aufklärung gewinnt. Die Parallelgesellschaften, die im Zuge der Zuwanderungentstehen,werdenvondenIslamistenalsRuhezonenmissbraucht. Sie sind ein eindeutiges Sicherheitsrisiko, wie die Terrorattentate durch Djihadisten in Madrid und London beweisen. Dagegen hilft nur eine Integrati onspolitik, die eine verbindliche Werteorientierung bietet – ein schwieriges Un terfangen, wenn man bedenkt, dass das zivilisatorische Bewusstsein in Europa sehr niedrig ist, während die Muslime Teil der Rebellion gegen die westliche Vormundschaftdarstellen.12 DieWiederkehrderGötter13trifftEuropaineinerZeitderKrise.DieSäkula risierung war ein europäisches Phänomen. Für die Mehrheit der Weltbevölke rung wurde die Trennung von Staat und Religion nicht vollzogen. Nun leben MenscheninEuropa,fürdiedieReligionTeilderInszenierungihrerIdentitätist. Religion fördert ihre Gemeinschaftsbildung, wobei normative Gewissheiten neu vergegenwärtigt werden. Die weltweite Konfrontation des Islamismus mit dem Westen wirkt sich auf diesen Gemeinschaftsbildungsprozess aus. Aus den Mit gliederneinerverunsichertenIslamCommunitykönnenvondengutaufgestell tenIslamistenleichtDjihadistenrekrutiertwerden. Problematischist,dassdenmeistensicherheitspolitischenAkteurendieRe ligiositätderMuslimevölligfremdist.DerZusammenhangzwischenderFunk tiondesReligiösenundderArtikulationdesPolitischenwirdnichtindiesozio politische Analyse einbezogen. Umso mehr ist man überrascht, dass Konflikteskalationen und Gewaltausbrüche nicht rechtzeitig erkannt bzw. ver standen werden. Daher muss man in der Strategie „Toleranz gegenüber dem offenen europäischen Islam; wehrhafte Demokratie gegenüber dem Islamis Tibi,Bassam(2000):MuslimeinDeutschland,S.230. Sen,Faruk/Sauer,Martina,etal.(2004):EuroIslam.EineReligionetabliertsichinEuro pa,ZFTAktuell102,November2004,Essen. 12Vgl.hierzuBull,Hedley(1984):TheRevoltagainsttheWest,in:Bull,HedleyundWatson, Adam(Hrsg.):TheExpansionofInternationalSociety,Oxford,S.217–28. 13Vgl.Graf,FriedrichWilhelm(2004):DieWiederkehrderGötter.Religionindermodernen Kultur,München. 10 11
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mus“14 die Kenntnisse des Islam und seiner Geschichte erweitern. Die Differen zierungmussTeilderStrategiesein.
Säkularisierungim„islamischenMilieu“ Die eleganteste Lösung ist, dass sich langfristig auch innerhalb der Islam Community das Säkularisierungskonzept durchsetzt. Damit ist verbunden, dass sicheinSelbstbilddesMuslimsalsvernünftigesautonomesWesenkonsolidiert, dassichdie Regeln selbst gibt und reflektiert, jenseits absolutistischer klerikaler Zwänge.DieLoslösungvontradiertenWeltbildern,dieheutedieGrundlageder djihadistischenWeltanschauungdarstellen,istdieGrundlageeineseuropäischen Islams,dersichmitdenWertenEuropasvereinbarenlässt.DieseTransformation mussinnerhalbdesIslamstattfindenundeuropäischeWerteenthalten,dieisla mischbegründetsind.Senstelltfest,dass „[e]ine aktive Förderung eines europäischen, pluralistischen Islam bei den muslimi schenMigranteninDeutschland auffruchtbaren Boden fallenwürdeunddamitaus integrationspolitischerSichtmehralslohnenderscheint.“15
Die reformatorische Interpretation des Islam, die ihn mit Europa verbindet, ba siertaufdenWerten:16 Säkularisierung Demokratie Menschenrechte religiöserundkulturellerPluralismus Zivilgesellschaft.
14Tibi,Bassam(2003):DietransatlantischenBeziehungenseitdem11.September,in:Franz Josef Meiers (Hrsg.): DieAuswirkungen des 11. September 2001 auf die transatlantischen Beziehungen,Bonn,S.61. 15Sen,Faruk(2004):EuroIslam.EineReligionetabliertsichinEuropa,Duisburg/Essen,S. 48. 16Vgl.Tibi,Bassam(2002):MuslimMigrantsinEurope:BetweenEuroIslamandGhettoiza tion, in: Al Sayyad, Nezar/ Castells, Manuel (Hrsg.): Muslim Europe or EuroIslam, New York.
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DieserEuroIslamkanndurchausvonaußengefördertwerden,indemdieeuro päische Zivilisation zu ihren demokratischen, liberalen Werten als Orientierung steht und diese verteidigt sowie die Wertebeliebigkeit jenseits des demokrati schen Bewusstseins zurückweist. Eine sich an diesem Konzept orientierende Integrationspolitik ist weit erfolgversprechender und verhält sich im Kampf ge gendenTerrorismuskomplementärzummilitärischenundpolizeilichenVorge hen. DieIntegrationspolitikmusssichprinzipiellaufzweiSzenarienvorbereiten, die ihrerseits unterschiedlicher Sicherheitsinstrumente und Strategien bedürfen. DaranentscheidetsichebenfallsdieFrage„MuslimEuropeorEuroIslam?17mitden Alternativen: IslamimSinnevonDjihadismusundSchari´aoder säkulareIslamkultur. Die Politik, der Staat und die Gesellschaft müssen durch Dialog auf die zweite Formhinarbeiten,denneindjihadistischerIslaminEuropagefährdetdieIdenti tätEuropasundführtineineeuropäischeKatastrophe. ZwischenderwestlichenundderislamischenWeltanschauunggibtesgroße Unterschiede,diehandfesteWertekonflikteproduzieren.Diesenehmenheutedie Form eines weltanschaulichen Zusammenpralls der Zivilisationen an.18 Da die GrenzenderZivilisationenauchinnerhalbnationalstaatlicherGrenzenverlaufen, muss sich die Politik auch mit diesen Konflikten auseinandersetzen. Damit ist nichtnurderinternationalagierendeTerrorismuseineGefahrfürdieSicherheit, sondern insbesondere der Islamismus als Geisteshaltung. Die Durchsetzung dieser Geisteshaltung, die die Welt in Dar al Islam / Haus des Islam und Dar al Harb/HausdesKriegesunterteilt,führtzurkomplettenEntkoppelungderMus limevondereuropäischenMehrheitsgesellschaft.
KritikamSystemoderdieEinbürgerungdesIslamalsZiel Die Identitätsangebote der modernen Gesellschaft wirken aufgrund ihrer kon kurrierendenVielzahlundUneindeutigkeitimmerwenigerharmonisch.Manche AlSayyad,Nezar/Castells,Manuel(Hrsg.)(2002):MuslimEuropeorEuroIslam?Politics, CultureandCitizenship,in:TheAgeofGlobalization,Berkeley,NewYork. 18Vgl.Tibi,Bassam(2003):DietransatlantischenBeziehungenseitdem11.September,S.61. 17
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Menschenkönnennichtdamitumgehen,dassdieIdentitätsomitwenigerdurch repressiveZuschreibungengebildetwird.Sietendierendazu,sichinAbgrenzung zum Fremden zu identifizieren, dabei determiniert die Hautfarbe, die ethnische HerkunftoderdieReligiondenFremdendurcheineReihevonZuschreibungen. Der Körper wirkt also als Oberfläche regulativer Diskurse. Somit bedarf es als FolgedessenderDekonstruktionallgemeingültigerVorstellungenvonRollenzu schreibungundderRekonstruktiondesBürgerbegriffsentlangeinerverfassungs rechtlich garantierten Bürgerschaft. Dies geschieht natürlich nicht durch eine Direktive der politischen Elite, vielmehr müssen zivilgesellschaftlich orientierte Kräfte den politischen Diskurs schrittweise zurückerobern, um verändernde Kräfte in der Gesellschaft entwickeln zu können. Mit Nachdruck müssen der Bürger und seine Freiheitsrechte wieder in das Zentrum ordnungspolitischer Überlegungengerücktwerden,damitervordemStaatsowievorAnderendurch denStaatgeschütztwird.DabeigehtesumdieradikaleBefreiungderFreiheit. Diese sind wichtige Elemente eines Prozesses, der die diskursive Entordnung der Gesellschaft voraussetzt. Also kann gewissermaßen nur durch die Anarchiesierung von gesellschaftlichen Dialogebenen und durch die De konstruktiondesGewohnteneinneuerordentlichergesellschaftspolitischerKon sens hergestellt werden, der die grundlegenden Kriterien einer liberal demokratischen, in sich höchst heterogenen Gesellschaft festigt. Die Grundprä misse ist, dass jede Handlung, die mit der Autonomie des Willens19 zusammen bestehen kann, erlaubt sein muss, während diejenige, die nicht damit überein stimmt, zurückgewiesen wird. 20 Heute ist eine der zentralsten Schwächen der demokratischen Kultur der Bundesrepublik, dass der politische Diskurs in den letzten Jahrzehnten zum Elitendiskurs deformiert ist. Gekoppelt mit der Tatsa che,dasssicheinKonsensföderalismusdurchgesetzthat,wirdjeglicheEvolution des Systems verhindert. Damit lässt sich erklären, wieso die Elite immer dann, wenn neuartige Herausforderungen auftreten, wenig Vertrauen in die reinigen denKräftederoffenenGesellschaftinvestiertundmassivreaktivhandelt. Die Angst vor der eigenen Gesellschaft oder das Misstrauen an ihren tat sächlichen demokratischen Werten bzw. am Grad der Verinnerlichung dieser WerteverursachteinenDrangzurKontrolle.DerStaatmisstrautsichselbstund 19FürKantistdieAutonomiedesWillensdasalleinigePrinzipallermoralischenGesetze undderihnengemäßenPflichten.FreiheitistdabeidieformaleBedingungallerMaximen. Vgl. Kant, I. (1968): Kritik der praktischen Vernunft (1788), Werkausgabe hrsg. v. Wilhelm Weischedel,BandVII,Frankfurta.Main,(Kant1788:I,§8). 20Frankfurt,H.(1971):FreedomoftheWillandtheConceptofaPerson.In:TheJournalof Philosophy68(1),S.520.
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kontrolliert seine Bürger. Aber auch andere Kreise der Gesellschaft verhindern offene Diskurse, denn Teile der bürgerlichen Gesellschaft misstrauen dem Staat undseinenSicherheitsorganen.EswirdeinvermeintlichunlösbarerWiderspruch zwischen der Gewährleistung von Sicherheit und der verfassungsmäßigen Ga rantievonFreiheitsrechtenkonstruiert.DerdialogischeDisputwirdeinerunhei ligenAllianzvonIdeologieverbissenheitundpoliticalcorrectnessgeopfert. Für den Identitätsbildungsprozess vieler in Deutschland lebender Muslime heißtdas,dassimRahmenderBekämpfungdesIslamismusdiepersönlicheIden titätderMuslimealswirkenderBestandteilderGesellschaftgewährleistetwird. In diesem Sinne muss die Integration neben der Anerkennung der Werte der Verfassung seitens der Muslime identitätsbildende Elemente beinhalten, die es denMuslimenermöglichen,faktischalsMuslimunddeutscherBürgerexistieren zukönnen.Eineetwaige,gefühlteoffensiveBekämpfungdermuslimischenIden tität wird naturgemäß bei jedem noch nicht integrierten Muslim eine für den Integrationsprozess kontraproduktive Abwehrhaltung bewirken auch bei den integrierten.SolangedieneuenWertederAufnahmegesellschaftnochnichtver innerlichtwordensind,wirdderBruchmitaltenWertennichtvollzogenwerden können. Wenn dies krampfhaft geschieht, so vergrößert sich die Gefahr, in Ext remideologienabzurutschen. Eine Gegenstrategie kann darin bestehen, dass eine Wiederbelebung des BürgerbegriffesodergarseineRekonstruktionangestrebtwird.WennmanMus limen das Angebot macht, sie entlang verfassungsrechtlicher Prinzipien als „gleichwertige“BürgeranzuerkennenunddiepolitischeKulturdes„Bürgers“im SinnevonCitoyengesamtgesellschaftlichdurchsetzt,sowirddenPopulistender HoheitsanspruchüberBegriffederReligionstreitiggemacht,andererseitsstünde einVerfassungspatriotismuseinerislamischenIdentitätnichtimWege. DieVorzügeeinerfreiheitlichenVerfassung müssenallenBürgerndeutlich gemacht werden. Muslime und NichtMuslime müssen erkennen können, dass diefreiheitlichliberaleGrundordnungderBundesrepublikdurchausauchreligi öse Entfaltungsoptionen bietet, die durch die verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte wirken. Erst durch die Diversität des Politischen kann Stabilität erzeugtwerdenunddieFreiheitvonStärkeundGewaltradikalgetrenntwerden. Damit wird die Dominanz der Mehrheit relativiert und Raum geschaffen um anzuerkennen, dass die Vielfalt der Gesellschaft die Rechte von Minderheiten ebensoschütztundnichtgefährdet. DabeiimpliziertdieFreiheitdaspotenzielle„Sichirren“.Freiheitkannnur sein, wenn man zwischen grundlegend verschiedenen Optionen wählen kann. Damit ist Pluralismus eine Grundvoraussetzung des Freiheitlichen, zumal be
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dachtwerdenmuss,dassesimmerwenneseineabsoluteWahrheitgibt,imExt remfall auch die Möglichkeit „die Anderen“ moralisch frei zu töten vorhanden ist. Zusammengefasst kann man feststellen, dass Gefahrenpotentiale für Deutschlanddarinliegen,dassinDeutschlandeinkulturellerWandelstattfindet, der scheinbar in seiner Reichweite nicht erkannt wird, und entsprechend keine Anstrengungenunternommenwerden,ihnzubewältigen. DieBringschuldderMuslimebeinhaltetdabeidieAnerkennungderTatsa che, dass eine islamische Identität, die auf bloße Abgrenzung zur Mehrheitsge sellschaftberuht,aufDauerzuschwachseinwirdunddennachfolgendenGene rationeneherschadenwird.VielmehrsolltensiesichaufeinenDialogeinlassen, dereinenzivilisiertenRahmenfürUneinigkeitbeinhaltenmussundnichtdurch denGeistvonToleranzalleinbegründetwerdendarf.Toleranzisttrügerischund istdortnotwendig,woetwasfehlt,dennsieimplizierteinMachtverhältniszwi schen den Tolerierenden und den Tolerierten. Das Ende der Toleranz wird er reicht, wenn der Dialog im Sinne einer pluralistischen Gesellschaft auf der GrundlagederindividuellenFreiheitsrechte,wiesiedasGrundgesetzbeschreibt, geführtwird.Zielwäredamit,dasAndersseinaufeinergemeinsamenGrundlage zurespektieren.DiesegemeinsameGrundlageistdievonTibieingebrachteLeit kultur21,diemedialmissverständlichineinendeutschnationalenDiskursumin terpretiertwurde,obwohlsiedocheineEinigungaufeinengemeinsamen,leiten denWertekanonbeschwor.
21 Bassam Tibi (1998): Europa ohne Identität. Die Krise der multikulturellen Gesellschaft, München,S.154.
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“KulturensindimmerlokaleEinheiten,währendZivilisationenGruppie rungenähnlichgelagerterKulturensind.(…)DieislamischeZivilisation revitalisiert ihre politischen Ordnungsprinzipien im Widerstand gegen diewestlichenVersuchederUniversalisierung.Ausderüberdiejeweilige zivilisatorische Region hinausgehenden beanspruchten Geltung folgt dannein»weltanschaulicherKriegderZivilisationen«.“ Bassam Tibi: Krieg der Zivilisationen, dritte erw. Ausgabe Mün chen2001(zuerstHamburg1995),S.313.
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MuslimeinEuropazwischenAnpassungund Abwehr–AnmerkungenzumThemaIslamund dersäkulareVerfassungsstaat MuslimeinEuropazwischenAnpassungundAbwehr
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Einleitung:„Culturematters“:Huntingtonsproduktive Provokation„KriegderZivilisationen“
Das Erscheinen vom „Kampf der Kulturen“, wie Samuel Huntingtons 1996 er schienenes Buch „Clash of Civilizations“ übersetzt wurde, hat unter Zeitgenos sinnen und Zeitgenossen, einschließlich zahlreicher Sozialwissenschaftler, ein erstaunliches, überwiegend kritisches Echo hervorgerufen. Dass ein Politologe miteinemrelativraschgeschriebenenBuchderzeiteinesogroßeöffentlicheRe sonanz erzielen konnte, war für mich – abgesehen vom Interesse am Thema indirektaucheineAufforderung,dieserBeunruhigungaufdenGrundzugehen. Je häufiger ich scharfe (aber meist nicht sehr scharfsinnige) Kritiken empörter Kollegen an dem Kulturalisten Huntington las, desto mehr verdichtete sich der Verdacht, dass die emphatische Empörung die unbewusste Kehrseite der Be fürchtung war, dass Huntington doch in Einem recht haben könnte: „culture matters“.Damitverstärkteerden„culturalturn“indenSozialwissenschaften,der drei Jahre später durch den Klassiker des USamerikanischen Historikers David Landes„WohlstandundArmutderNationen“neueNahrungerhielt. VorallemHuntingtonsSkepsisbezüglichderMöglichkeitenderfriedlichen Koexistenz zwischen fundamentalistisch gesinnten Muslimen und ihren Nach barn(„dieGrenzendesIslamssindblutigunddasInnereistesebenfalls“;Hun tington1997:415)beschäftigtendieGemüter.DieserUmstand–sovermuteich– erklärt ein Stück weit die Tatsache, dass Huntingtons Thesen weltweit gelesen undkontroversdiskutiertwurdenundwerden.Wieesscheint,hatteHuntington einenNervderglobalenZivilgesellschaftgetroffen(wenneserlaubtist,soeinmal die diversen Öffentlichkeiten in Industrie und Schwellenländern zu nennen). Dasmagdamitzusammenhängen,dasssichindenwestlichenIndustrieländern
M. Abou-Taam et al. (Hrsg.), Zwischen Konfrontation und Dialog, DOI 10.1007/978-3-531-93001-5_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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heuteinderRegelDiasporenvoneingewandertenMuslimengebildethaben,die mit wachsender Größe sichtbar und hörbar werden und erneut die Frage der Integrierbarkeit von koranbewussten Muslimen in säkulare westliche Verfas sungsstaatenaufwerfen.DieBefürchtungistweitverbreitet,dassesindenVor städtenderGroßstädteEuropasundwasDeutschlandbetrifft,speziellinBerlin, FrankfurtunddenStädtendesRuhrgebiets,zusogenanntenParallelgesellschaften kommenkönnte,odergarzuGegengesellschaften. Dies ist allerdings keine völlig neue Problematik; denn schon im 19. Jahr hundert hat der belgische Orientalist Henri Pirenne die Gemüter mit der These aufgeschreckt, dass islamische Araber auf Grund ihres Glaubens in europäische Verfassungsstaaten„unassimilierbar“seien.HeutehatsichinsoferndieDiskussi onverschoben,alsniemandmehrdiekulturelleAssimilationderImmigrantenin die Europäische Union fordert, also die Aufgabe ihrer kulturellen Praxis und religiösen Identität, wohl aber wird die Integrationsbereitschaft von denen einge fordert, die dauerhaft hier leben wollen. Was das bedeutet, soll im Spiegel der ForderungenvonBassamTibi,dersich„alsgeistigerBegründerundStreiterfür denEuroIslam“versteht(Tibi1998:XVII),reflektiertwerden. GestütztaufeigeneErfahrungen,dieichalsFeldforscherinmultireligiösen Ländern wie dem Sudan (30jähriger Bürgerkrieg zwischen dem islamischen Norden und dem christlich geprägten Süden), in Nigeria (häufige Kämpfe zwi schen Islamisten aus dem Norden und dem Rest des säkularen Bundesstaates, dersichgegendieEinführungderSchariawehrt),Südafrika(starkemuslimische Minderheit), Tansania (Sansibar), Elfenbeinküste (religiös gefärbter NordSüd Bürgerkrieg um politische Macht) oder Senegal (Casamance) gemacht hatte, brachte ich der Grundthese von Huntington, dass nämlich nach dem Ende des Kalten Krieges kulturelle und religiöse Differenzen zu primären Ursachen von KonfliktenundKriegenführenwürden,vielVerständnisentgegen.Indenoben genannten Fällen aus afrikanischen Ländern (auch in Indien nehmen die Span nungen zwischen Muslimen und Hindus stark zu) haben nämlich die üblichen VerteilungskonflikteumMacht,PrestigeundReichtumdurchkonstruiertereligi öse (und ethnische) Gegensätze eine unheimliche Dynamik und dauerhafte Schärfeerreicht(Tetzlaff2007). „Zivilisationszusammenstöße“dieserArtwobeidasErmordenpolitischer Gegner im Namen der Religion gerechtfertigt wird spielen sich heute haupt sächlichnichtzwischenStaatenundregionalenKulturkreisenstatt(hierirrteHun tington),sonderninnerhalbvonStaatenundkulturellfragmentiertenGesellschaf ten. Aber die Berufung auf den „wahren Gott“ – vorgeschoben und konstruiert odernicht–verleihtdenKonfliktendieserArteinenantagonistischenCharakter,
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weilzudenrealenVerteilungskonflikten(diemittelspolitischerVerhandlungen lösbar sind) konstruierte Identitätsgegensätze kommen, die vernünftige Konfliktlö sungenausschließen(Tetzlaff/Jakobeit2005).DiesenfürdieheutigeWeltgesell schaft sehr wichtigen Zusammenhang politikwissenschaftlich thematisiert zu haben,kannHuntingtonundseinenKritikernalsVerdienstangerechnetwerden.
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DialogderKulturen–alsAuswegausdem„Kriegder Zivilisationen“?
Es konnte nicht ausbleiben, dass Bassam Tibi, der selbst in Harvard mit dem berühmtenUSamerikanischenKollegen(undanderen)überdieRollevonKultur und Religion in der Moderne diskutierte, zu diesen Fragen pointiert Stellung beziehenwürde.Im„KriegderZivilisationen“schrieber,dassesimislamischen Kulturkreis neben Gelehrten, die den multikulturellen Religionsdialog und die VerständigungmitdenNichtMuslimengutheißen,ebenauchMuslimegäbe,die garkeinenDialogwollen,weilsiekeinenBedarfanAufklärunghätten(Tibi1998: 45). Dies ist die Haltung von Fundamentalisten, und diese gibt es bekanntlich nicht nur unter Muslimen, sondern auch unter Christen und Juden. Gleichwohl widersprach er Samuel Huntingtons These von der Unvermeidbarkeit des Krie gesderZivilisationenundentwickelteeinenGegenentwurf: „ImGegensatzzuHuntingtonstelleichfest,dassFundamentalisteninallen Zivilisationen gerade die Weltanschauungen politisieren, womit sie einen welt anschaulichenKriegderZivilisationenermöglichen.AlsAlternativedazuplädie re ich für den Kulturdialog, auf dessen Basis eine internationale Moralität, d. h. ein Konsens über eine realpolitisch machbare begrenzte Universalität von Nor men und Werten erreicht werden kann. Demokratie und Menschenrechte sind die Alternative zum Fundamentalismus“ (Tibi 1998: 41). Und an gleicher Stelle wiederholterseinBekenntniszurInstrumentalisierungderDemokratieals„Brü ckezwischendenZivilisationen“(ebd.S.40).„DemokratiealsRegierungssystem und Lebensform sei zwar nicht universell, aber doch eine wichtige Brücke zwi schendenZivilisationen“(ebd.S.40). Mit großer Leidenschaft hat Bassam Tibi versucht, die Ideale einer freien demokratischen Gesellschaft (die er seit Jahrzehnten in seiner Wahlheimat Deutschland zu schätzen gelernt hat) mit den Grundlagen der Religion seiner Herkunftsregion (Syrien) zu versöhnen. Tibi glaubt an die Möglichkeit der Bil dung eines ethischen Minimalkonsenses zwischen den Zivilisationen, der Produkt
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der menschlichen Vernunft sein und der Toleranz und die Achtung der Men schenrechtezumKerninhalthabenmüsste. Anders gesagtgeht es dabeium die prinzipielle Frage, ob die Religiondes Islam, so wie sie heute mehrheitlich vom Mainstream der Ulama (der Gelehrten und Theologen) vertreten wird, mit den Grundsätzen eines säkularen Verfas sungsstaates westlicher Provenienz vereinbar sei. Allein wenn wir Deutschland betrachten, ein relativ tolerantes Land, dessen Gesellschaft es mehrheitlich zu lässt, dass allerorten Moscheen gebaut werden (oftmals gegen erbitterte Wider stände aus der Nachbarschaft), sind erhebliche Zweifel erlaubt. Die Integration der mehr als drei Millionen Muslime in Deutschland in unsere staatliche und gesellschaftliche Ordnung hat bisher nur geringe Erfolge aufzuweisen. Wenn man die türkischen Muslime nimmt, so hat sich herausgestellt, dass die dritte GenerationvonTürken,dieheuteinDeutschlandlebt,wenigerstarkintegriertist alsdieGenerationihrerGroßväter–dieersteGenerationvonArbeitsmigranten. DennochisteseinGebotderpolitischenVernunft,dassweiterhinvonallen Seiten Anstrengungen unternommen werden, die bestehenden politischen Ge gensätze zwischen Identitätskonstruktionen in der Praxis des Zusammenlebens zu verringern, und nach toleranten Umgangsformen zu suchen. Dabei gehe ich von der Hoffnung aus, dasswenn es irgendwo auf derWelt gelingenkann, die bestehendenSpannungenzwischenethnischoderreligiösaufgeladenenGemein schaften dauerhaft zu entschärfen, so dass eine friedliche Koexistenz zwischen heterogenenLebensundGlaubensgemeinschaftenmöglichwird,dannisteszur ZeitderwestlicheKulturkreis,vorallemdieLänderderEuropäischenUnion.Sie basierenbekanntlichaufdemPluralismus,DemokratieundFreiheitzulassenden Verfassungsstaat, der Politik und Religion trennt, ohne denGläubigen aller Rich tungen–allerdingsimRahmendesToleranzgebotes(Habermas2001)–einpri vatesLebeninFrömmigkeitzuversagen.DasalteEuropawirddabeiverschwin den, und ein neues Europa muss sich mit Beteiligung aller hier lebenden Men schenneuerfinden.
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DisembeddingalsFolgederGlobalisierungunddas BedürfnisnachreligiöserSelbstverortung
Die hier vorliegende Betrachtung geht von der Beobachtung aus, dass die öko nomischeundtechnologischeGlobalisierunginBezugaufdiekulturelleIdentität derBürger(derWeltgesellschaftsbürger)eineprägende,wennauchwidersprüch liche Wirkung hat (Bielefeldt/ Heitmeyer 1998). Zum einen wächst mit zuneh
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menderglobalerVernetzungderBedarfdesmodernenMenschenanSelbstveror tung,anSelbstvergewisserungineineralschaotischoderbedrohlichempfunde nenWelt,umsodaserlebte„Disembedding“zuverkraften.DerenglischeBegriff für die individuelle persönliche Dimension von Globalisierung „disembedding“ bedeutetsovielwie„ausdemBett,ausdenFederngeworfenwerden“oder„aus derVerankerunggerissenwerdendurchäußereEinwirkungen“.DieserVorgang istheutewohlüberallaufderWelt,vorallembeiGlobalisierungsverlierernund den Gruppen zu beobachten, die von den Früchten der Moderne sozial ausge schlossensindodersichalssozialExkludiertewahrnehmen. Dabei greiftder verunsicherte Mensch einzeln und lieber noch in Gruppen (wasdenstarkenZulaufvonreligiösenBewegungenundSektenwiedensoge nannten„Pfingstlern“erklärt)gerneaufdasReservoirvonethnischenInstitutionen undreligiösenWertenzurück,dieihmseineHerkunftsregion(Heimat)latentzur Verfügungstellt.DochdurchdieBetonungdereigenenkulturellreligiösenIden tität erhöht sich notwendigerweise die Erfahrung des Andersseins durch die Praxis der sozialen Exklusion. Denn die Gewinnung eines subjektiven Bewusst seins von kultureller Identität ist nur auf der Basis von Grenzziehung möglich, wobei es nicht notwendigerweise um physische Grenzen geht (territoriale Ab grenzung in Ghettos), sondern auch um mentale Grenzziehung zwischen dem „Wir“ und den „Anderen“. Unter äußeren Stresssituationen (relative Armut, permanente Arbeitslosigkeit, soziale Diskriminierung) entwickelt sich eine Hal tung,dieoftmalssoumschriebenwird:„Ichweißwerichbin,wennichweiß,wer ichnichtbin“(sieheHuntingtonsDistinktivitätsansatz,Huntington1997:95). DiesesozialgeschichtlicheDimensionderbeobachtetenZunahmeanReligi osität in multikulturellen Gesellschaften wird durch eine politische ergänzt: Bedingt durch die größere Mobilität der Menschen und die Erhöhung der Kon takt und Reibeflächen vonMuslimen und ihrem säkularen Umfeld istauch bei denGeistlicheneineTendenzerkennbar,sichals(nochbestehende)Minderheitin westlichen Gesellschaften alseigene Gemeinschaft zu etablieren und gegen eine kulturellaggressivesäkulareSpaßundLeistungsgesellschaftzubehaupten.Das vermehrtezurSchautragendesKopftuchesbeitürkischenStudentinnenkannin diesemKontextauchalseinedefensiveReaktionaufdieostentativePräsenzdes Christentums, zum Beispiel in den alltäglichen Fernsehbildern über Wohl und WehedesPapstes,verstandenwerden. Gefährlich werden Religionsvertreter dann, wenn sie gegenüber Anders gläubigenmiteinemÜberlegenheitsanspruchinderpolitischenÖffentlichkeitauf treten.ImplizitistdaswohlinallenmonotheistischenReligionenangelegt(Ass mann 2007). Die religiösen Schriften mit ihrer „Sprache der Gewalt“ (Assmann)
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machen es den Gläubigen schwer, göttlich verbürgte Überlegenheitsansprüche der eigenen Religion zu relativieren oder gar zu überwinden. Muslime können sichaufSure3,Vers110berufen:„Ihr(Muslime)seiddiebesteGemeinschaft,die je für die Menschen gestiftet wurde. Ihr gebietet, was recht ist, verbietet, was verwerflichist,undglaubtanAllah.WenndieSchriftbesitzerebenfallsglaubten, wäreesbesserfürsie.ZwargibteseinigeGläubigeunterihnen,aberdiemeisten vonihnensindFrevler“(zitiertnachNagel2008a:30).
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DasverflixteProblemdernotwendigenGeneralisierung trotzDifferenzierungimEinzelnen:Muslimein DeutschlandundEuropa
AlleAussagenüberbeispielsweise„MuslimeinDeutschland“oder„denIslamin derEuropäischenUnion“unterliegendemVerdachtunlautererGeneralisierung, unddaszuRecht.EsgibtbekanntlichinderwestlichenÖffentlichkeitzahlreiche Klischees über den Islam, Zerrbilder und Feindbilder, die das wechselseitige Verständnis schwer belasten (Rotter 1993). Gleichwohl kommen Sozialwissen schaftlernichtohnedenVersuchaus,überEinzelschicksalehinausüberprüfbare und plausible Aussagen über soziale Kollektive in politisch verfassten Gemein schaftenzumachen.DeshalbisthierderaufkulturelleOrientierungenvonInte ressenverbänden bedachte Politologe auf die einschlägigen Kultur und Religi onswissenschaftler angewiesen, um die notwendige Differenzierung vorzuneh men und den Muslimen nicht unrecht zu tun, die sich etwa abseits des MainstreamsumIntegrationundReformenbemühen. IchfolgehiereinerAufstellungdesIslamwissenschaftlersundJuristenMa thiasRohe,derinseinem2009publiziertemopusmagnum„DasislamischeRecht. GeschichteundGegenwart“folgendeEinteilungüberdie„Grundhaltungenvon MuslimenzurgeltendenRechtsordnung“als„ersteEinschätzungen…typischer Grundhaltungen“(Rohe2009:383)vonMuslimeninEuropavorgenommenhat. ErunterscheidetfünfGrundhaltungen: 1. Alltagspragmatiker: Es sind Muslime, die sich „in die Rahmenbedingungen des demokratischen Rechtsstaates problemlos ohne irgendwelche theoreti scheReflektioneneingefügthaben“(Rohe2009:384).Rohebezeichnetsieals die„beiweitemgrößteGruppevonMuslimeninDeutschlandundanderen kontinentaleuropäischenStaaten“(Rohe2009:384).
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Islamgegner: Dabei handelt es sich um eine relativ kleine Minderheit von Einzelpersonen, die „vor dem Hintergrund negativer persönlicher Erfah rungeneinesehrislamkritischeGrundhaltungpflegen“(Rohe2009:383). Islamisten: Diese Muslime, eine deutliche Minderheit, zeichnen sich durch eine „aggressive Ablehnung der Umgebungsgesellschaft und ihrer Werte“ aus. „Sie reichen von äußerlich gewaltfreier Indoktrination bis hin zur ge ringenZahlgewaltbereiterExtremisten“(ebd.).BedenklichhältRohevoral lem die vielfach verbürgte Meinung, die Gültigkeit der westlichen Verfas sungen nur solange anzuerkennen, bis eine neue Mehrheit sie durch die Scharia zu ersetzen wünschen würde. Dabei zitiert er den Alptraum eines „deutschenKalifats“(Rohe2009:385). Traditionalisten: Deutlich abgegrenzt vom islamistischen Extremismus sind Vertreter einer traditionalistischen Haltung. Sie stellen „eine beträchtliche MinderheitinnerhalbderMuslimeinderEUdarundverfügengegenwärtig insgesamt über die bestausgeformte Infrastruktur. Insbesondere in vielen Moscheevereinen dominiert eine ganz deutlich gegen Gewalt und auf Ver ständigung mit der Mehrheitsgesellschaft hin ausgerichtete, in wichtigen Fragen wie insbesondere dem Geschlechterverhältnis jedoch ausgeprägt traditionalistischeEinstellung“(Rohe2009:386). Und schließlich gibt es noch die Einheimischen Muslime: Es sind „Verfechter einereigenständigen,gleichwertigenPositiondesIslaminEuropa“,dieda für eintreten, „das Leben von Muslimen in Europa nicht als Ausnahmezu stand, sondern als neue Regel“ anzusehen (Rohe 2009: 387). Konsequenter weise plädieren sie, darunter Anhänger des EuroIslams, dafür (wie der bosnische OberImam in Deutschland Mustafa ef. Klanco), dass die islami schenGemeindenaufhörensollensichalsDiasporazubegreifen,umsoHin dernissefür„dieerwünschteIntegration“ausdemWegzuräumen.
Die Vielfalt dieser Rollenmuster macht deutlich, wie ungerecht und verfehlt es wäre,„denIslam“generellineinenGegensatzzudenGrundlageneuropäischer Staaten und Gesellschaften zu stellen. Freilich ist damit noch nicht die aktuell brennende Frage gelöst, in welche Richtung sich die tonangebenden Gruppen vonMuslimeninEuropaentwickelnwerden.Dassdiesganzwesentlichauchvon denAnstrengungenundEinsichtendererabhängt,dieindeneuropäischenStaa tendieSpielräumeechterIntegrationgestalten,istinzwischenpolitischesAllge meingut geworden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer Bemerkung, DeutschlandseieinEinwanderungsland,ebensowiederInnenministerWolfgang Schäuble mit der Einberufung einer „Deutschen IslamKonferenz“, die Bereit
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schaftsignalisiert,dieIntegrationderMuslimischenImmigrantenstaatlicherseits zufördern. SkeptischeralsRoheistderArabistundIslamwissenschaftlerTilmanNagel, der mit seiner 2008 erschienenen voluminösen MohammedBiographie großes AufsehenundBewunderungerregthat,undderdieHaltungderMoscheevereine in Deutschland wie folgt charakterisiert: „Den Vorstehern der Moscheevereine, den Leitungsgremien der vielfältigen muslimischen Vereinigungen wächst auf dieseWeiseeineöffentlicheBedeutungzu,denensiesichinihrenmuslimischen Ursprungsländern schwerlich erfreuen könnten. Es kommt dazu, dass man in den Ursprungsländern davon träumt, die Auswanderer seien die Vorhut einer IslamisierungdesbisweitindiezweiteHälftedes20.Jahrhundertsalsuneinhol bar überlegen bewunderten, gefürchteten und gehassten Westens. Seit dem be ginnenden 19. Jahrhundert war dieser Westen das schreckliche Menetekel des Scheiterns des muslimischen Überlegenheitsanspruchs… Jetzt, so hofft man, zeichnet sich eine tief greifende Wende ab: Man wird den Feind von innen her Schritt für Schritt in Besitz nehmen, und dann wird es sich erweisen, dass jene verheißungsvollenWorte[vonderÜberlegenheitderMuslimenachSure3,Vers 110]Wahrheitwerden“(Nagel2008a:2930). UndbezüglichderHaltungderImmigrantenindenwestlichenLändernanti zipiertTilmanNageleinewidersprüchlichePraxis,dieesausreligiöserÜberzeu gung ablehnt, die kulturellen Grundlagen des westlichen Verfassungsstaates im SinneLukasWickszuakzeptieren:„DereinfacheÄgypter,TürkeoderPakistaner magsichalsFolgedieserWendenichtsandereswünschen,alsdasserdielange vergeblich angestrebte Einreiseerlaubnis in ein westliches Land erhält, um end lichderMisereseinerislamischenHeimatzuentrinnen.Erwirdabernichtdaran zweifeln,dassalleindievomProphetenMohammedgestifteteReligionunddie StandhaftigkeitderGlaubensbrüderimWestenihmnuneinangenehmesLeben bescheren, ein Leben, in dem der Genuss der Errungenschaften der westlichen Zivilisation sich mit dem Stolz auf den Besitz der unüberbietbaren, von Allah selberverbürgtenWahrheitverbindet“(Nagel2008a:30). ImMomentdürftedieseSituationsschilderungderWahrheitfüreinenGroß teildereuropäischenMuslimesehrnahekommen.
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ZwischenAnpassunganundAblehnungdersäkularen Moderne:religiöslegitimierterPragmatismus
Damit lässt sich die Frage von Bassam Tibi, wie kann der „weltanschauliche Krieg der Zivilisationen“ innerhalb einer multireligiösen Gesellschaft abgewen detwerden(Tibi1998:45),aufdieKernfragereduzieren,obundwiedieislami sche Theologie mit dem demokratischen säkularen Verfassungsstaat versöhnt werdenkann. Daraufgibtes meinesErachtens,imBereichoptimistischerArgu mentationundHoffnung,zweimöglicheEntwicklungen:AnpassungundSäku larisierung. Die Bereitschaft zur Anpassung an die Rechtsvorschriften des Gastlandes oder desEinwanderungsstaates lässt sich auch im islamischen Diskurs mit dem pragmatischenHinweisauf„darura“(arabisch:Notwendigkeit)nachdemMotto „NotkenntkeinGebot“rechtfertigen.Damitlässtsichjegliche(wirklichjegliche?) Abweichung vom religiösen Mainstream rechtfertigen. Damit wird im Grunde derpermanenteAusnahmezustanderklärt–fürfrommeMuslimesicherlicheine schwierige Situation, die zu Gewissenskonflikten in vielen Alltagsfragen führen muss. Was macht das „MuslimSein“ aus, wenn der Koran nur noch selektiv gelten soll? Wird die Trennung zwischen Recht und Glaube, zwischen Politik undReligionanerkannt,wiesieinwestlichenGesellschaftenüblichgewordenist (einschließlichdesRechtsaufReligionsfreiheit)? MathiasRoheistindiesemPunktzuversichtlichundversichert:Dieseprag matische Grundhaltung „ermöglicht durchaus eine friedliche Koexistenz. Das islamische Recht hat seit vielen Jahrhunderten die Grundlagen geschaffen, aus denensicheineauchrechtlichreligiöseVerpflichtungvonMuslimenzurEinhal tungderim„Ausland“geltendenGesetzeergibt“(Rohe2009:386). Als Rechtfertigung für diesen heilsamen Pragmatismus, der allerdings von strengerenMuslimenangefochtenwird(wiekönnteesandersseinineinerWer tegemeinschaft ohne allseits anerkannte oberste Autorität, die verbindliche Ent scheidungentreffenkönnte?)giltderVertragvonalHudaibiyaimJahr6derisla mischen Zeitrechnung (bzw. 628 nach Chr.) mit den nichtmuslimischen Mekkanern (Krämer 1999: 275). Danach wurde es hingenommen, dass Muslime auffeindlichesnichtmuslimischesTerritoriumzurückkehrten.„EinsolcherAuf enthaltwarnachherrschenderAuffassungreligiösrechtlichzulässig,wenngleich grundsätzlich nicht erwünscht“ (Rohe 2009: 158). Dieser Vertrag von al HudaibiyaistimübrigenauchvonderAzharUniversitätinKairoinAnspruch genommen worden, um den Friedensvertrag Ägyptens mit Israel theologisch mittelseinerentsprechendenFatwazurechtfertigen(Krämer1999:275).
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Eskommtalsodaraufan,obsichdiePolitikalsdieKunstdesMöglichenge genüber der eher starren Haltung der islamischen Theologie durchsetzen kann. TheologieerhebtdenAnspruch,formuliertLukasWick–„dasAbsolute,Trans zendente, Wahre und Überzeitliche diskursiv zu ergründen. Veränderungen in ihremBereichsinddeshalbwederruckartignochhastig,sondernlangwierigund wohl reflektiert, sie sind aber, und dafür soll gerade die christliche Theologie beispielhaftstehen,möglich“ (Wick2009:16).Esisttröstlichundpolitischklug, andieWandelbarkeitreligiösbegründeterWahrheitenzuglauben;aberdasWe sen des religiösen Fundamentalismus besteht gerade darin, Argumenten der Ver nunft nicht zugänglich zu sein, weil man ja gar keine Revision der eigenen An schauungenfürnötigundwünschbaransieht.
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Inkompatibilitäten
Der Islamwissenschaftler Lukas Wick hat im Jahr 2009 in einer grundlegenden wissenschaftlichenArbeitmitdemTitel„IslamundVerfassungsstaat“einekriti scheSichtderDingezurSprachegebracht.ErverfolgtdietheologischeLeitfrage, wieislamischeTheologiedensäkularenStaatnichtnurtolerieren,sondernauch alswahrundgültigrespektierenkönne.DabeitriffterapriorieinewichtigeUn terscheidung,diedabeihelfenkann,dieFragezuklären,wemdennbeistrittigen Fragen der islamischen Lehre und des Glaubens alsauthentisch vertraut werden könne.InseinerStudiebeziehtsichWickausschließlichaufdenStandderTheo logen–derUlama–„weilsiedurchihrStudiumundihreFunktiondazuermäch tigt sind, die islamischen Quellen zu interpretieren“ (Wick 2009: 15). Es gäbe freilich auch „viele muslimische Intellektuelle und politisch motivierte Aktivis ten“, die sich „zum Verhältnis von Islam und politischer Moderne geäußert“ hätten und deren „Äußerungen teilweise auch klug und durchdacht seien und bisweilensogarerstaunlichtheologischeEinsicht“zeigenwürden.Siehättennur einen Mangel: Sie alle würden „der theologischen Legitimation ermangeln“ (Wick2009:15). Auf dieser methodischen Grundlage arbeitet Wick die so gut wirkenden theologischenGrenzenzwischenIslamischerOrthodoxieundsäkularem Verfas sungsstaatheraus.DieSäkularisierungwürdeentwederalsAusdruckvonGottlo sigkeitangesehen,weilimWestendieSouveränitätGottes(stattdesVolkes)und das Primat der Scharia nicht anerkannt würden, oder als lediglich christliche AntwortaufeinchristlichesProblemabgewehrt.DerKonstitutionalismus–sofasst ErnstWolfgangBöckenfördein einerBesprechungdervonihmals„exzellent“be
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zeichneten Studie die Erkenntnisse von Wick zusammen – würde „zwar als or ganisatorischformelles Modell hingenommen, aber in seinem Freiheitsgehalt nichtinnerlichakzeptiert.BewahrungbeziehungsweiseVerwirklichungdergött lichen Ordnung bleibt die grundsätzliche Aufgabe des Staates. Religionsfreiheit wirddeshalbnievollakzeptiertundinderRegelnurimislamischenDeutungs horizont der Toleranz für die Buchreligionen anerkannt – weitab also von einer menschenrechtlichen Fundierung in der Gleichheit des Menschseins. Toleranz gegenüber einer Abkehr vom Islam erscheint kaum legitimierbar, Apostasie gilt alsTreuebruchundVerrat:DieabweichendePositionfürdasLebeninderDias pora, die einen Religionswechsel für rechtlich möglich hält und vom Zentralrat der Muslime in Deutschland vertreten wird, ist durchaus strittig“ (Böckenförde 2009:35). LukasWickkommtzudemSchluss,dassnureinMentalitätswandelauseige nerEinsichtdenmuslimischenElitendieVersöhnungmitdemsäkularenfreiheit lichenRechtsstaaterlaubenwürde.Ohnediesenwäredienötigepolitischgewoll te Öffnung zu einem modernen Rechtsstaat kaum durchsetzbar. Der Iran der Mullahs und Ayatollahs – eine Schreckensherrschaft, die die eigene Jugend zu wütenden Protesten und deutlichen Sympathiekundgebungen für die westliche Moderne provoziert hat – gibt dafür reiches Anschauungsmaterial. Dieser auf Repression und Entmündigung der Bürger basierende Versuch, eine attraktive Alternative zum westlichen Rechtsstaat zu kreieren, darf als gescheitert gelten, nichtaberdieIdee,eineaufderSchariabasierendeidealeOrdnungderGemein schaft der Gläubigen zu etablieren. Wenn es aber – was Wick nicht ganz aus schließen möchte – doch noch später einmal zu einer Wende zum Verfassungs staatinislamischenGesellschaftenkommensollte,wäreeinemuslimischeTheo logie gefordert, die diesen Prozess hin zum Konstitutionalismus „sogar kataly tischbeschleunigen“könne(Wick2009:182).Allerdingsschränkterdiesepoten tielleEntwicklunggleichwiedereindurchdenVerweisaufseineBeobachtungen, die „allerdings Zweifel an ihrer Adaptierfähigkeit“ hervorgerufen hätten (Wick 2009:1182). Alle hier zitierten Islamwissenschaftler (Krämer, Nagel, Rohe, Wick) sind sichindemPunkteinig,dassnureineTrennungvonStaatundReligion,Wissen und Glauben die kulturellen Voraussetzungen schaffen könnte, von denen der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt, ohne sie selbst garantieren zu können. In BezugaufdenTeilderimmigriertenMuslimeinEuropa,dieeineIntegrationin den säkularen Verfassungsstaat ablehnen (und es ist nicht ganz klar, ob deren Zahlzunimmtoderabnimmt),kommtderehemaligeVerfassungsrichterBöcken förde zu der politischen Empfehlung an die Staatsregierungen der EU – „nicht
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zuletzt in Hinblick auf die Türkei“ – alles zu tun, damit die Angehörigen des Islam„inihrerMinderheitenpositionverbleiben“.DadurchwäreihnenderWeg verlegt, „über die Ausnutzung demokratischer politischer Möglichkeiten seine aufOffenheitangelegteOrdnungvoninnenheraufzurollen“.Underschließtdie Betrachtung mit dem resignativ gestimmten Gedanken ab: „Darin liegt nicht mehr als seine Selbstverteidigung, die der freiheitliche Verfassungsstaat sich schuldigist“(Böckenförde2009:35).
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BereitschaftzurSäkularisierungalsLackmustestfür Integrationsfähigkeit
MitBassamTibibinichderAnsicht,dassnurdieSäkularisierungdermuslimi schen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens die Versöhnung mit der politi schen Moderne möglich machen würde. Die sinn und heilstiftenden Orientie rungssystemevonIdentitätundReligionsind–wiedieGeschichtedesChristen tums in Europa zeigt – kontextabhängig und prinzipiell veränderbar. Auch die kulturellenreligiösen Minderheiten in Deutschland – die Diasporen der Immig ranten–verändernsich,wobeieskeineklarerkennbareTendenzinRichtungauf gewollte Integration oder im Gegenteil, auf kulturelle Selbstabschließung gibt. NochsindpolitischeGestaltungsräumevorhanden. Wenn sich allerdings in einigen muslimischen Gemeinden Deutschlands, Englands oder Frankreichs der heute erkennbare Trend durchsetzen würde, die SchariaalsGrundlagefürdassozialeundpolitischeLebenzupropagieren,wäre eine friedliche Koexistenz zwischen solch fundamentalistischen Muslimen und Christen, oder zwischen Gläubigen, Andersgläubigen und Ungläubigen nicht möglich(soauchGudrunKrämer).Die„Gottesherrschaft“istdas„Gegenmodell“ zurliberalen,pluralistischen,säkularenDemokratie–warnteTibiimmerwieder. NichtnurdieSchreckensherrschaftderMullahsimIranseitderMachtergreifung vonAyatollahKhomeiniimJahr1979,auchdieTalibanHerrschaftinAfghanis tan und das Regime der Islamisten im Sudan sind nicht gerade attraktive Aus hängeschildefürdenislamischenKulturkreis. Durch das doktrinäre Festhalten an einem „heiligen“ Text (Koran), der in seinerfundamentalistischenInterpretationalsoffenbartesWortGottesinseinem Kerngehaltwederveränderbarnochrelativierbarist(Nagel2008a:27f.),werden Religionsdialogesinnlos.WozunochmiteinanderredenundumWahrheitringen, wenndie„ewigeWahrheit“bereitsaufdemTischliegt.SozitiertTibizweiisla mistischeAutoren(DjarischaundZaibaq):
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„EinaufAnnäherungzwischenIslam,ChristentumundJudentumabzielen der Dialog kann nur auf Kosten des Islam erfolgen, weil der Islam die einzig richtige Religion ist und die anderen falsch sind. Die Annäherung würde dazu führen,aufdiesenAnspruchzuverzichten,unddasbedeutetdengrößtenScha denfürdenIslam“(Tibi1998:45).WodieseEinstellungvorherrscht,istdieParal lelgesellschaftderpraktischeAusweg:ihreExistenzbedeutetdasscheinbargleich gültigeNebeneinanderunversöhnbarerDaseinsentwürfe. Denken fromme katholische Bischöfe nicht (heimlich) genauso? Das Be kenntniszueinermonotheistischenReligion–dashatJanAssmannamBeispielder jüdischenDiasporasehrklargemacht(Assmann2007)–machtnotwendigerweise intolerant, wohl nicht zwingend in der konkreten Praxis, wohl aber im Denken und Fühlen des religiös gestimmten Gläubigen. Der monotheistisch sozialisierte Mensch kann nicht gleichzeitig und in gleichem Umfang seinen Glauben und andereGlaubensbekenntnisserespektieren,wohlaberinderAlltagswelttolerie ren. Wenn Säkularisierung als eine kulturelle Voraussetzung für das spirituelle AnkommeninderModerneinterpretiertwird,dann–someintGudrunKrämer– würdedieKluftzwischenmuslimischenIntellektuellenundpolitischenAktivis ten islamischer Staaten einerseits und dem Staats und Religionsverständnis westlicherIntellektuellerundPolitikerandererseitsehertiefer:“Inderarabischen WeltsinddieVerfechtereinerstriktenTrennungvonReligionundPolitikinden letzten Jahrzehnten selten geworden… Eine Säkularisierung von Staat und Ge sellschaft,dienichtnurstillschweigendhingenommen,sondernoffenbejahtund institutionell verankert wird, gilt muslimischen Intellektuellen und politischen Aktivistenmittlerweileweithinalstabu.Angesichtsdesgeistigenwiedespoliti schenEinflussesderislamischenStrömunghatdiesäkularistischeAlternativeseit der Mitte der siebziger Jahre deutlich an Boden verloren“ (Krämer 1999: 47). AllerdingsgäbeesauchAnzeicheneiner„verborgenenSäkularisierung“.
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Schluss:KeineToleranzfürdieFeindederVerfassung
Der Befund über die Entwicklung der Beziehungen zwischen islamischer und westlicherZivilisation,wieerhierimSpiegeljüngsterislamkundlicherPublikati onenreflektiertwurde,isternüchternd.Dauerhafte,belastbareKompromisseund allseitsakzeptierteLösungenalsErgebnisvongutgemeintenKulturundReligi onsdialogenwirdesinabsehbarerZeitwohlnichtgeben.Gleichwohlplädiereich nicht,wieHuntingtonesangedeutethat,aufeineSelbstverteidigungundSelbst
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abschließung der acht Kulturkreise in der Welt, um so Berührungs und Rei bungsflächenzwischenunversöhnlichscheinendenZivilisationenzuminimieren, sondernfürdieErarbeitungvongemeinsamakzeptiertenSpielregelndesZusam menlebensinFormvonUNKonventionenundUNPakten.Wasdie(durchKli maveränderung, Bevölkerungswachstum, Ressourcenerschöpfung, Religions wahn) höchst verwundbare Weltgesellschaft braucht, ist eine Art globale Ver kehrsordnung, um Unfälle zwischen Staaten und transnationalen Akteuren mög lichstzuvermeiden.Eswäreillusorisch,kurzfristigeineKonvergenzvonNormen und Werten in allen Kulturkreisen, Staaten und Religionsgemeinschaften zu erwarten. Aber eine Übereinkunft über rechtlich definierte Spielräume der Frei heitsentfaltung, einschließlich religiöser Praktiken, könnte ein realistisches Ziel von Global Governance sein (SEF 2006). Eine solche globale Verkehrsordnung – aufbauend auf dem schon erarbeiteten humanitären Völkerrecht – wird sich hoffentlichinRichtungaufdieHerausbildungeinesWeltinnenrechtsschrittweise undindemMaßerealisierenlassen,indemauchdieGesellschaftendermuslimi schenLänder„bestpractices“erkämpfenunderleben(Tetzlaff2006).Dazugehö renstaatlicheGewaltenteilungundMachtkontrolle,Rechtsstaatlichkeitundpoli tischePartizipationderWahlbevölkerung(Demokratie),individuelleMenschen rechteundSolidarität.DieBewohnerderEuropäischenUnionwerdenmehrheit lichamIdealdesdemokratischenVerfassungsstaatesfesthaltenwollen,unddie ser ist nur „in gelebter Praxis zukunftsfähig“. Freilich müssten „Muslime ihrer seitsindertäglichenPraxiserfahrenkönnen,dassdiezudenGrundrechtenzäh lendeReligionsfreiheitauchfürsiegilt“(Rohe2009:390). Hier sollte die Einsicht gewonnen werden, dass es in den multireligiösen GesellschaftenderEuropäischenUnionnichtzu„Einbahnstraßenderkulturellen Selbstbehauptung von Gruppen mit je eigener Identität“ kommen darf (Haber mas 2005: 276). Die gleichberechtigte Koexistenz verschiedener religiöser und areligiöser Lebensformen dürfe nicht zu einer Segmentierung der Gesellschaft führen, die ohne gemeinsame politische Rechtskultur auszukommen versuchen müsste. Jürgen Habermas (der unter dem inzwischen gescheiterten Reformpräsi dentenAyatollahKhatamizumDialognachTeheraneingeladenwordenwar)hat sich für die Realisierung von Toleranz als kulturelle Grundlage einer streitbaren Demokratiestarkgemacht.EineToleranzgewährendeVerfassungsordnungmüs se sich präventiv gegen die Feinde der Verfassung schützen. Dazu gehört die KonzeptiongleicherFreiheitenfüralleundeineFestlegungdesToleranzbereichs, die alle Betroffenen gleichmäßig überzeugt. Nur so könne der Toleranz „der StachelderIntoleranz“gezogenwerden(Habermas2005:260).
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UmkeineIllusionenüberrascheErfolgevonReligionsundKulturdialogen aufkommenzulassen,thematisiertHabermasdie BürdederToleranzzumutungen. Die Bürde ergebe sich nicht aus einer Relativierung eigener Überzeugungen, „sondern aus der Einschränkung ihrer praktischen Wirksamkeit. Die Zumutung besteht in der Konsequenz, dass die von der eigenen Religion vorgeschriebene LebensweiseoderdasvomeigenenWeltbildeingeschriebeneEthoseinzigunter der Bedingung gleicher Rechte für jedermann praktiziert werden dürfen“ (Ha bermas2005:268).Undauchdasdürftenichtausreichen,ummöglicheKonflikte zwischen parallel sich entwickelnden EinbahnGemeinschaften zu regulieren, wenn nicht ein die heterogene Gemeinschaft tragender Grundkonsens hergestellt werden kann: in der Praxis des Alltagslebens gilt die Verfassung als oberstes Rechtsgut,demsichreligiöseVorschriftenunterzuordnenhaben. Literatur Assmann,Jan,2007:MonotheismusunddieSprachederGewalt.WienerVorlesungen,Wien Bielefeldt,HeinerundHeitmeyer,Wilhelm(Hrsg.),1998:PolitisierteReligion,Frankfurtam Main Böckenförde, ErnstWolfgang, 2009: Religionsfreiheit ist kein Gottesgeschenk. Besprechung des Buchs von Lukas Wick: „Islam und Verfassungsstaat“. Theologische Versöhnung mitderpolitischenModerne?Würzburg2009,in:SüddeutscheZeitung23.April2009, Nr.94,Seite35 Dawkins,Richard,2007:DerGotteswahn.AusdemEnglischenvonSebastianVogel,Berlin, 4.Auflage Habermas, Jürgen, 2005: Zwischen Natur und Religion, Kapitel 9: Religiöse Toleranz als SchrittmacherkulturellerRechte,S.259278,FrankfurtamMain Habermas, Jürgen, 2008: Ach, Europa, Kapitel 8: Europa und seine Immigranten, S. 8895, FrankfurtamMain Huntington, Samuel P., 1997: Der Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im21.Jahrhundert,MünchenundWien,6.Auflage Krämer,Gudrun,1999:GottesStaatalsRepublik.ReflexionenzeitgenössischerMuslimezu Islam,MenschenrechtenundDemokratie,BadenBaden Landes,David,1999:WohlstandundArmutderNationen.Warumdieeinenreichunddie anderenarmsind,Berlin Nagel, Tilman, 2008: Allahs Liebling. Ursprung und Erscheinungsformen des Mohammedglaubens,München Nagel,Tilman,2008:Mohammed.LebenundLegende,München Rohe,Mathias,2009:DasislamischeRecht.GeschichteundGegenwart,München
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Rotter, Gernot (Hrsg.) 1993: Die Welten des Islam. 29 Vorschläge, das Unvertraute zu ver stehen,FrankfurtamMain SEF(StiftungEntwicklungundFrieden),2006:GlobalGovernancefürEntwicklungundFrie den.PerspektivennacheinemJahrzehnt,Bonn Tetzlaff,Rainer,2005:EuropasislamischesErbe.OrientundOkzidentzwischenKooperation und Konkurrenz. Herausgegeben vom Institut für Friedensforschung und Sicher heitspolitik,Hamburg Tetzlaff, Rainer, 2006: Global Governance: Die lautlose Steuerung internationaler Interde pendenz, in: Stiftung Entwicklung und Frieden (Hrsg.), Global Governance für Ent wicklungundFrieden,Bonn,S.82103 Tetzlaff,Rainer,2007:KulturelleGlobalisierungoder„Doesculturematter“?Überlegungen zumZusammenhangvonKultur,EntwicklungundGlobalisierung,in:MirFerdowsi (Hrsg.),Weltprobleme.BundeszentralefürpolitischeBildung,Bonn,6.Auflage,S.63 100 Tetzlaff,Rainer,Jakobeit,Cord,2005:DasnachkolonialeAfrika.Politik–Wirtschaft–Gesell schaft,Wiesbaden Tibi, Bassam, 1998: Krieg der Zivilisationen. Politik und Religion zwischen Vernunft und Fundamentalismus.AktualisierteunderweiterteTaschenbuchausgabe,München Wick, Lucas: Islam und Verfassungsstaat. Theologische Versöhnung mit der politischen Moderne?Würzburg2009
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DieKrisederModerneisteineSinnkrise,dieengdamitzusammenhängt, dassdieModerneals„unvollständigesProjekt“(Habermas)einzuordnen ist.DamitmeintHabermas,derAutordesPhilosophischenDiskursesder Moderne,dassdieModerne,soemanzipatorischsieauchseinmag,ihren Ansprüchennichtvollständignachgekommenist.Mankannjedochauch andersverfahrenunddenHinweisaufdieMängelderModernealsLegi timationdafürverwenden,sich vonihrabzuwenden,jaihren Wertenin einerinModegekommenen,sprichpostmodernen,Manierabzuschwören. ManchenennesolcheModenPostmoderne,ichdagegen nennesieRück fallhinterdieErrungenschaftenderModerne,alsoPrämoderne. BassamTibi:ImSchattenAllahs.DerIslamunddieMenschenrech te.München1999(zuerst1996),S.165.
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JenseitsvonKulturkampfundRückkehrder Religionen.Tibi,HabermasundRatzinger JenseitsvonKulturkampfundRückkehrderReligionen
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KampfderKulturenoderModernisierung?
Seit meiner akademischen Antrittsverlesung an der MartinLutherUniversität HalleWittenberg im Jahre 1996 befasse ich mich systematisch mit dem Thema sozialwissenschaftlicherGegenwartsdiagnostik,dieimWesentlichenalsDiagnos tikderModernezuverstehenist.DieBegegnungmitPersonundWerk Bassam Tibis ist dabei ein wesentliches Element gewesen. In meinem Band „Politische Theorie heute. Neuere Tendenzen und Entwicklungen“1 habe ich ein ausführli ches Kapitel dem Vergleich zwischen Bassam Tibis „Krieg der Zivilisationen“ (1995) und Samuel Huntingtons „Clash of Civilizations“ (1996) gewidmet. Der Vergleichergab,dassHuntingtoneinewesentlichkulturalistischeTheorievertrat, derzufolge der Westen immer schon der Westen war, längst vor der Moderne, also auch in Antike und Mittelalter. Umgekehrt würde eine Modernisierung nichtwestlicherGesellschafteninAsienoderderarabischenWeltanihrerkultu rellen Ausrichtung nichts ändern. Bassam Tibi hat das genaue Gegenteil vertre ten. Sein hochdifferenzierter Modernisierungsbegriff ist an Max Horkheimer geschult,erhältdieModernisierungalsowederfüreinunausweichlichesResul tatderhistorischenEntwicklungnochleugneterderenSchattenseiten:entschei dend ist aber, dass sie notwendig ist, um insbesondere die islamische Welt zu öffnen für Demokratie und durch ökonomische Freiheit selbsterwirtschafteten Wohlstand. Der religiöse Fundamentalismus wird bei ihm erklärt als Versuch, ange sichts sich beschleunigender sozialer Veränderungsprozesse eine Art eigenstän dige Identität zu stabilisieren. Die Fundamentalisten wollen eine halbierte Mo derne, d.h. die Übernahme moderner westlicher Technologie unter Verzicht auf die gleichzeitige Übernahme westlicher Werte wie z.B. Menschenrechte, Tren 1
MünchenundWien2000,S.320335.
M. Abou-Taam et al. (Hrsg.), Zwischen Konfrontation und Dialog, DOI 10.1007/978-3-531-93001-5_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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nungvonReligionundStaatetc.DerFundamentalismusistalsoeinemenschen rechtsfeindliche DefensivKultur. Für Anhänger von Menschenrechten und De mokratieistdiesdereigentlicheGegner.2 TibisetztaufdieTrennung vonReligionundPolitik,d.h.aufdieMöglich keit, als deutscher Verfassungspatriot für eine säkulare Demokratie einzutreten undimreligiösenBereichgläubigerMuslimzusein.„NichtderIslamalssolcher verschließt sich der Demokratie, sondern die islamischfundamentalistischen Ideologien.”3 Tibis Feindbild ist der politisierte Islam der Fundamentalisten. Er vertritt keine modernisierungstheoretische Teleologie, d.h. er glaubt nicht, dass diesesProblem sichdurch die vollzogene technische Modernisierung von selbst erledigen wird. Hier folgt er Max Horkheimers Kritik, dass eine instrumentell ausgerichtete Technisierung des Lebens keinen Fortschritt im politischen Sinne bedeutenmüsse.DieseArtvonFortschrittsglaubenistihmfremd.4AnihreStelle setztereinenormativeVernunftorientierung,derenpolitischeKonsequenzdarin besteht,beimZusammenprallsichreligiösdefinierenderZivilisationendieMög lichkeit des Friedens darin zu sehen, potentielle und bestehende Frontlinien durch das Aufsuchen dessen zu entschärfen, was als in beiden Kulturbereichen vorstellbarerKonsensangesehenwerdenkann.5Menschenrechtesollenalsonicht von außen übertragen werden. Dann würden sie als imperialistischer Anspruch desWestenserscheinen.Vielmehrkommtesdaraufan,dasssiedurchAngehöri gederbetreffendenKulturselbstgefordertundeingebürgertwerden.6Diekultu rellen Widerstände hiergegen, die ihren Kern im Fehlen einer Ethik der Indivi dualrechte in außerwestlichen Kulturen haben, sieht Tibi deutlich, möchte dem abereineislamischeAufklärungentgegensetzen,diesichaufvernunftorientierte mittelalterliche islamische Gelehrte stützen und insofern auf eine respektable interneTraditionzurückgreifenkann. Auf der empirischen Ebene ist sein Konzept allerdings nicht ganz wider spruchsfrei, denn er konstatiert, dass der islamische Fundamentalismus mittler weile längst nicht mehr Angelegenheit weniger Extremisten ist. „Von zentraler Bedeutung ist die Beobachtung, dass der islamische Fundamentalismus für die Vgl. hierzu Peter Lohauß: Fundamentalismus und moderne Identität. Zu Martin Riesebrodts Analyse des Fundamentalismus als sozialer Protestbewegung. Prokla. Zeit schriftfürkritischeSozialwissenschaftHeft96,24.Jg.1996,H.3,S.477489,hierS.481. 3BassamTibi:KriegderZivilisationena.a.O.,S.285. 4 Ebenda, S. 186.Vgl. Max Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, in ders.: GesammelteSchriftenBd.6.Frankfurt1991. 5BassamTibi:KriegderZivilisationena.a.O.,S.191. 6Ebenda,S.159. 2
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gegenwärtige von der Mehrheit der Muslime geteilte Weltsicht steht und aus einer psychosozial bedingten kulturellen Sinnkrise resultiert. Obwohl die fun damentalistischenAktivistennureineMinderheitsind,reflektierenihreIdeendie politischenOptionenderMehrheitderMuslime.”7Wenndiesabersoist,dannist derKampfgegendenFundamentalismusderKampfgegendasBewusstseinder Mehrheit.EinZynikerwieAdamRobertswartetohnehinschonaufdenTag,an dem ein amerikanischer Präsident die Zeilen seines Teleprompters verwechselt und erklärt: „We have no quarrel with the government of X, but only with the people.”8 Die Differenz zwischen Fundamentalismus und Islam überhaupt be stehtdannnurnochaufderhistorischenundideellenEbene,istsozialabernicht mehr besonders relevant. Dieser defensivkulturelle Versuch einer Wiederver zauberungderWelt,wieTibidiesmitRichardFalkundanderencharakterisiert, macht im Grunde die Unterscheidung zwischen Fundamentalismus und Islam überhaupt obsolet.9 Zumindest ist der Sinn seiner These unklar, dass nicht der Islam als solcher sich der Demokratie verschließe, sondern nur die islamisch fundamentalistischen Ideologien, wenn das Bewusstsein der Mehrheit, welches doch nur eine derartige Demokratie würde tragen können, durch eben dieses Denken geprägt ist.10 Tibi wendet sich gegen die vulgärmodernistische Vorstel lung,dieVerbreitungvonCocaCola,JeansundwestlichenFernsehserienbedeu teeineVerbreitungderwestlichenKultur.11KulturundKonsumverhaltendürfen offensichtlich nicht miteinander verwechselt werden. Tibi teilt nicht den naiven FortschrittsglaubenandieVerbreitunguniversellerWertedurchdieglobaleAn gleichung des Konsums. Seine Kritik greift auf ein ausgewiesenes normatives Konzeptzurück,nämlichaufaufklärerischeEinheitderrationalenWissenschaft lichkeit und die politische Konzeption der Menschenrechte. Gestützt auf die DiskursethikvonKarlOttoApelsiehterdieNotwendigkeiteinerfürdiegesamte Menschheit gültigen ethischen Grundorientierung, die in demokratischer Form alsBrückefüreineninternationalenKonsenszwischendenstreitendenZivilisati onendienenkönnte.Tibiistnormativsoanspruchsvoll,dasshierzudieIdeeder offenenGesellschaftsowiediesiestützendefreieMarktwirtschaftgehörenmüss ten. Dennoch ist er der Ansicht, dass ein solcher ethischer Konsens nicht mehr Ebenda,S.254. AdamRoberts:Foreword,inDanielPatrickMoynihan:Pandaemonium.EthnicityinInter nationalPolitics.Oxford1993,S.XI. 9Vgl.RichardFalk:ReligionandPolitics:VergingonthePostmodern.In:AlternativesXIII, 1988,S.379394. 10BassamTibi:KriegderZivilisationena.a.O.,S.285. 11BassamTibi:KriegderZivilisationen,a.a.O.,S.302. 7 8
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vom westlich dominierten Universalismus geprägt sein würde, weil Vielfalt zu lässigwäre,ohneineinenWerterelativismuszumünden.12AndersalsHunting tonsiehtergeradeimjapanischenModellundindervonihmdamitassoziierten konfuzianischen Tugend der Nachahmung einen Weg, über den nichtasiatische Zivilisationen nur in erheblich geringerem Umfang verfügen: den Brückenbau durch Lernen und Akzeptieren von fremden Erfahrungen und deren AnverwandlungzuetwasEigenem. Eine wichtige Differenz zu Huntington besteht für Tibi darin, dass seine mitKarlMannheimsozukennzeichnendeSeinslageihnalsGrenzgängeroder MittlerzwischendenKulturenprädestiniert,weilerandersalsHuntingtonnicht ungebrochen für eine Verteidigung des Westens und schon gar nicht der USA eintreten kann, die in seinen Augen nicht wirklich eine freie Gesellschaft sind, weil der öffentliche Diskurs seiner kritischen Ansicht nach von einer politisch korrekten Wortpolizei kontrolliert wird und die freie Meinungsäußerung zumal fürjemanden,derungewöhnlichePerspektivenvertritt,miterheblichenRestrik tionenbelastetist.13 Bassam Tibis Seinslage als Muslim legt ihm zudem die Erkenntnis nahe, dass nicht die Trennungslinie zwischen Islam und Christentum Auslöser und LeitmotivimKriegderZivilisationenseinmuss,sondernesvielmehrdiePoliti sierung der religiösen Vorstellungen ist, welche unüberbrückbare Grenzen schafftundwelcherdiesäkulareDemokratieunddieMenschenrechteentgegen gestellt werden müssen.14 Entsprechend setzt er seine Hoffnungen auf einen offenen und integrativen EuroIslam als Alternative zum kulturkämpferischen GettoIslam.ErfordertkonsequenterweisedieinEuropalebendenMuslimedazu auf,„ihreIntegrationsbereitschaft(zu)zeigen,stattsichinihreislamischenGettos zurückzuziehen”undsichvomFundamentalismuszudistanzieren.15 Tibi spricht dafür, den Zivilisationskonflikt als Realität unserer Epoche nüchtern zur Kenntnis zu nehmen,16 allerdings durch dialogische Bemühungen nach Möglichkeit zu entschärfen. Er will „nicht frontal Stellung beziehen, son dern helfen, Brücken zu schlagen.”17 Die Verständigung soll hier wirklich ein interkultureller Dialog mit dem klaren Ziel der Etablierung einer gemeinsamen, diskursethischbegründeteninternationalenMoralitätsein. Ebenda,S.282. Ebenda,S.14. 14BassamTibi:KriegderZivilisationena.a.O.,S.16. 15Ebenda,S.53. 16BassamTibi:KriegderZivilisationena.a.O.,S.56. 17Ebenda,S.40. 12 13
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Tibi dagegen betont den normativen Anspruch auf eine gemeinsame Sprachebene,dieeinesolcheVerständigungüberhaupterstermöglicht.Erweist immer wieder darauf hin, dass dazu auch gemeinsame Begriffe von Krieg und Frieden gehören sowie Normen und Werte, die den gemeinsamen Umgang re geln.18DieseÜberlegungbeziehtsichdarauf,dassderBegriffWeltfriedefürviele Muslime die vollständige Islamisierung der Welt voraussetzt.19 Auch wenn er nicht an die Durchsetzung westlicher Werte auf dem Wege gemeinsamen Kon sumverhaltens glaubt, so spricht er den wirtschaftlichen, kommunikativen und politischen Globalisierungsprozessen doch nicht jegliche Wirkung ab. Wissen schaft benötigt allgemeingültiges Wissen es gibt keine besondere islamische oderhinduistischeWissenschaft.HierdurchsetzensichStandardsderRationali tätdurch.DerinternationaleAustauschunddieglobaleinterkulturelleKommu nikationbedürfenderAnerkennungderUniversalitätderMenschenrechte.Tibis Normativismus in dieser Frage ist anders als der von Huntington deutlich von seinenanalytischenAussagenzutrennen.EshandeltsichumForderungenohne eingebaute Selbstaffirmation. Gerade das Fehlen eines Weltethos gilt ihm als Merkposten dafür, dass nur eine nichtreligiöse, säkulare Vernunft den Zusam menprallderZivilisationenbeendenkann.20 Die Voraussagen, die aus Tibis modernisierungstheoretischem Konzept ab zuleiten sind, laufen darauf hinaus, dass der islamische Fundamentalismus die Defensivreaktion auf einen Modernisierungsschock ist.21 Daraus würde folgen, dass bei vollzogener und etablierter Modernisierung derartige Übergangsprob leme überstanden wären und auch die islamischen Gesellschaften sich in den allgemeinenProzessderDemokratieentwicklungundmenschenrechtlichenZivi lisation einordnen würden. Allerdings lässt sich auf der Basis seiner Theorie hierfürkeinklarerZeitindexangeben,sodassessichnichtumeinePrognoseim überprüfbarenSinnehandelt. Tibi ist aufklärerisch orientiert. Gemeinsame konfliktvermeidende Bezugs punkte sollen im Diskurs gesucht werden.Dazu müssten übergreifende Grund orientierungen gesucht werden, um auch solchen ostasiatischen Positionen ent gegenzukommen,diedie„westlichgeprägtenDichotomienzwischenindividuel BassamTibi:KriegderZivilisationena.a.O.,S.59. Ebenda,S.16. 20Ebenda,S.186. 21 Das ist aus sozialwissenschaftlicher Sicht Standard. Schon 1942 hat Talcott Parsons den Fundamentalismusbegriff in diesem Sinne zur Erklärung des deutschen Nationalsozialis mus verwendet: Talcott Parsons: Democracy and Social Structure in PreNazi Germany (1942).EssaysinSociologicalTheory.RevisedEdition.NewYorkundLondon1954,S.123. 18 19
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lenundGruppenrechten,formellemRechtundMoralität,zwischenÖffentlichkeit und Privatheit und schließlich zwischen individueller Freiheit und gemein schaftsorientierter Verantwortung” überwinden möchten.22 Das liefe dann auf eine Entwestlichung von Demokratie hinaus. Es ergibt sich die Frage, wie weit eine solche Entwestlichung gehen könnte, ohne den Kernbereich dessen, was Demokratieausmacht,inFragezustellen.DieVermutungTibishierzuläuftda rauf hinaus, dass unter dem Aspekt der Demokratisierung ein islamischer Got tesstaatundeineDemokratiesichnichtvertragenkönnen,während„derKonfu zianismus für Demokratie offener ist als der Islam”.23 Gesellschaften mit islami scher Tradition bringen schlechtere Demokratisierungsvoraussetzungen mit als die asiatischkonsensuale Tradition. Diese Differenz zwischen den beiden größ tennichtwestlichenKulturenistinseinerSichtaucheinHinweisdarauf,dassdas von Huntington prognostizierte konfuzianischislamische Bündnis gegen den Westeneherwenigerwahrscheinlichist.LeidersindTibisÜberlegungenzuden asiatischen Kulturen weniger durchgearbeitet als seine luziden Auseinanderset zungen mit den verschiedenen Schattierungen islamischer Traditionen und Denkweisen.DarüberhinausbewegensiesichaufderproblematischenGrenzli niezueinerUmdefinitionvonDemokratie,beiderdieGefahrbesteht,dasswe sentlicheliberaleundindividualistischeElementeeinemübergreifendensozialen Ziel geopfert und die Selbstbestimmung nur als solche von kulturell organisier ten Gruppen verstanden wird. Sein Plädoyer für eine „von allen Zivilisationen geteilteMoralität,vorallemimBereichderDemokratieundderMenschenrech te”trägterdeshalbauchmiteinerausgeprägtenSkepsisgegenüberderMöglich keit vor, dies als tatsächliches Heilmittel anzusehen.24 Sein ironisch gebrochener Aufklärungsfundamentalismus bleibt damit eine regulative Idee, die es ermög licht, einen normativen Maßstab anzulegen, ohne doch als effektiver praktisch politischerLösungsvorschlaggeltenzukönnen. Tibis menschenrechtsorientierter Ansatz ist deshalb befriedigender, weil er auf rational ausgewiesenen normativen Voraussetzungen beruht, während HuntingtonsThesedaranleidet,dassdaskulturelleSchemaletztlichnuralsheu ristischesGruppierungsmittel,nichtaberalssozialwissenschaftlichhaltbareDeu tung plausibelist.DerHinweisaufdieStabilitätderkulturellenOrientierungen überdieJahrhundertehinwegwirktnuraufdenerstenBlickbeeindruckend.Es sollte nämlich dabei nicht übersehen werden, wie massiv die Kulturtraditionen BassamTibi:KriegderZivilisationena.a.O.,S.285. Ebenda. 24Ebenda,S.63. 22 23
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durch den rein gesellschaftlichpolitischen OstWestKonflikt überlagert werden konntenundinwelchemMaßeeinheitlicheKulturkreisewiedereuropäischebis 1945 und der arabische bis heute von inneren Spannungen und Gegensätzen durchzogen sind, deren Polemogenität die kulturellen Gemeinsamkeiten gerade in den entscheidenden Momenten der Entwicklung in den Hintergrund treten undverblassenlässt.ZumindesteinTeilderpolitischenDifferenzenhatsichim Vergleich zu den kulturellen als stärker und prägender erwiesen. Das spricht dafür,dasskünftigeKonfliktlinienehersolchezwischenDemokratienundAuto kratienseinwerden,wenigerdagegenzwischenunterschiedlichenKulturen. Nachhaltige Konflikte zwischen westlichen Demokratien sind derzeit nicht zubefürchten.DerhäufigvorgebrachteEinwand,auchdasEuropavor1914habe friedlichgeschienen,istfehlamPlatze,weilderzeitkeinWettrüstenvonwestli chenLänderngegeneinanderfestzustellenist.AuchdieserAspektisteinstarkes Argumentdafür,dassdemmodernisierungstheoretischenParadigmadiegrößere Plausibilität und die größere Erklärungskraft zukommt. Das Konzept darf aller dings nicht in naiver, unterkomplexer Weise verallgemeinert werden, wie man dasinden60erJahrengernetat,alsinvielenarabischenGesellschafteneinmo derner Elitennationalismus westlichen Typs die Glaubenswelt durchschüttelte und die baldige Entwicklung von Selbstbestimmung und Demokratie erwarten ließ.GeradeauchinderReflexiondieserErfahrungliefertTibieinedifferenzierte, selbstreflektierte Modernisierungstheorie, die es erlaubt, den Modernisie rungsprozessalsGegeneinanderverschiedenerWellenundSchübezuverstehen, bei denen es besonders in den islamischen Ländern keineswegs selbstverständ lichist,dassdasnormativetelosaucherreichtwirdStagnationoderZurückblei ben in der Unterentwicklung oder ein Überflügeltwerden durch andere Gesell schaften,diewieIndonesiendurcheinenmehrasiatischenTypdesIslamgeprägt sind,istpermanentmöglich.TibisAnsatzerlaubtes,diekulturellenHindernisse gegenüber der Durchsetzung liberaler Demokratie ernst zu nehmen, ohne zu gleich den Gedanken der auch normativ legitimierten Modernität zugunsten eines Verständnisses der Prävalenz von Kulturkreisen auf mittlere oder längere Sichtaufzugeben.Eristdasumfassendereunddeshalbaucherklärungskräftigere Modell, welches zudem klar seine rational begründete Normativität auch als solcheausweistundvonderFaktenanalysezutrennenerlaubt.
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EntwickeltsichheuteeinepostsäkulareGesellschaft?Die HabermasRatzingerDiskussion
Eine wesentliche Gemeinsamkeit zwischen Bassam Tibi und mir besteht in der kritischkonstruktivenBezugnahmeaufdasWerkvonJürgenHabermas.Hierzu habenwirvorallemindenJahren2005und2006eineganzeReihevonDiskussi onengeführt,undTibihateinigeSkepsisgegendiezunehmendpositivePositio nierung von Habermas zur Persistenz des Religiösen in Europa und weltweit geäußert. Im Folgenden will ich meine eigene Auseinandersetzung mit Haber mas’ThesevonderpostsäkularenGesellschaftdarlegen. Als Habermas im Jahre 2001 bei der Verleihung des Friedenspreises des deutschenBuchhandelsseineRede„GlaubenundWissen“hielt,wurdefüreine breiteÖffentlichkeitsichtbar,wieintensiversichfürFragenderReligioninteres sierte.EswärejedocheinIrrtumzumeinen,eshandelesichumdasspäterwachte Interesse eines Siebzigjährigen. Denn schon seit seiner Assistentenzeit am Lehr stuhlvonTheodorW.AdornohaterbemerkenswerteAufsätzeüberdenmessia nischenGlutkerndesDenkensderFrankfurterSchuleveröffentlicht,soinseiner Auseinandersetzung mit der Aktualität Walter Benjamins im Jahre 1972 oder seinerWürdigungGershomSholemsunterdemTitel„DieverkleideteTora“von 1978.25JohannBaptistMetzistüberJahrehinwegeinwichtigerGesprächspartner fürHabermasgewesen,wasdieserinseinemAufsatz„IsraeloderAthen?Johann BaptistMetzzurEinheitindermultikulturellenVielfalt“offengelegthat.26Daher hatteichinmeinerzuerst1991veröffentlichtenDarstellungderTheorievonHa bermasaucheinKapitelmitdemTitel„EinehabermasianischeTheologie?“auf genommen und bei ihm eine Art nachreligiöse Soziotheologie verbunden mit einer Konzeption der Versprachlichung des Sakralen und Ansätzen zu einer ekstatischen Sprachverwendung ausgemacht.27 Aber auch die theologische Re zeptionderPhilosophievonHabermasistumfassenddokumentiert.28 Habermas hat den Begriff der Kommunikation nicht nur in das Zentrum seinesDenkensgestellt,erhatdiesesauchimpermanentenDiskursmitanderen Positionenentwickelt.SowareseinnaheliegenderSchrittderMünchnerkatholi schen Akademie und der dortigen Jesuitenhochschule, am 19. Januar 2004 ein Gespräch zwischen Jürgen Habermas und dem damaligen Kardinal Joseph Rat Habermas(1972)undHabermas(1981),S.377391. Habermas(1997),S.98111. 27ReeseSchäfer3.Aufl.2001,ersteAufl.1991,S.157ff. 28Arens(1989). 25 26
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zingeralsdembedeutendstenTheologenderkatholischenKirchezuarrangieren. Dort wurden keine diplomatischen Floskeln ausgetauscht, sondern es wurden auf höchstem intellektuellen Niveau einige Grundprobleme im Verhältnis von Politik und Religion verhandelt. Hier trafen sich als gleichrangige Gesprächs partnerderagnostische,nachmetaphysischePhilosophdesProjektsderModerne undderTheologedesPrimatsderVernunft.29 Am Ursprung dieses Treffens stand der HabermasVortrag aus dem Jahre 2001. Die Überschrift lautete „Glauben und Wissen“, das wirkliche Thema war abernichtsoweitgefasst,sondernesgingumdenpolitischenUmgangmitreli giösenDenkundVerhaltensweisensowiereligiösenGruppenineinerangeblich säkularisierten,aber,wieHabermasinderRedefünfmalbetonte,inWirklichkeit postsäkularen Gesellschaft. Spannungen zwischen Religion und organisierter Wissenschaftwarenseitlangemzukonstatierengewesen,besondersinderFrage derGentechnik.JedochseidieseSpannung,merkteHabermasinseinerDiagnose des Anschlags vom 11. September 2001 an, nun auf ganz andere Weise explo diert. Habermas vermerkte in den ersten Reden von Präsident Bush nach dem Attentat einen alttestamentarischen Klang der Vergeltung und stellte fest, dass sichdieSynagogen,KirchenundMoscheenwiedergefüllthätten,soalsseihier durch eine der religiösen Saiten der Gesellschaft wieder in Schwingungen ver setztworden. Habermas betont, wie die meisten Zeitdiagnostiker, dass religiöser Funda mentalismus ein ausschließlich modernes Phänomen sei, nämlich eine Reaktion auf den Zerfall traditionaler Lebensformen, eine Modernisierungsreaktion also, die selber durchaus auf moderne Mittel zurückgreift. Die Idee der Säkularisie rung enthielt einen geschichtsphilosophischen Zug. Der Prozess der Verdrän gung der Kirchen und der Religion aus der nunmehr aufgeklärten modernen Alltagsweltwürdesichmehrundmehrbeschleunigenbishinzueinemvollends säkularenZustand,indemReligiositätallenfallsnochinNischenüberlebenkön ne.Nunhatsichabergezeigt,dassreligiöseGemeinschaftenineinemsäkularen Umfeldfortbestehen,dasssie,sozialwissenschaftlichgesprochen,einehartnäcki ge Persistenz aufweisen. Es kommen sogar neue hinzu, die auch auf staatliche Anerkennung in Deutschland zielen, wie sich zuletzt wieder bei der Gründung des„KoordinierungsratsderMuslime“(EndeMärz2007)zeigt.Siewerdendarü ber hinaus noch vom Staat ermuntert, da dieser nach verbindlichen Ansprech Zur Theologie des Logosprimats vgl. Benedikt XVI./Ratzinger (2003), bes. S. 112130. PositivkommentierendGesineSchwan:MutzurWeitederVernunft.BrauchtWissenschaft Religion?inBenediktXVI,GlaubeundVernunft,Freiburgu.a.2006,S.3376.
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partnernsucht,dieauchbereitsind,sichdemPrimatdesStaatesundderZivilität zu unterwerfen. Das Gründungsdokument des islamischen Koordinierungsrats bekennt sich ausdrücklich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und erklärterstanschließend,dassKoranundSunnadesProphetenMohammeddie GrundlagefürdieArbeitdiesesRatesseien. Aus der Sicht des liberalen Staatsdenkens erwirbt eine Religionsgemein schaft auf solche Weise das Prädikat „vernünftig“, wie Habermas mit einer ge wissenDistanzvondieserPositionreferiert.AuseigenerEinsichtsollendieReli gionsgemeinschaften „auf eine gewaltsame Durchsetzung ihrer Glaubenswahr heiten und auf den militanten Gewissenszwang gegen die eigenen Mitglieder, erstrechtaufeineManipulationzuSelbstmordattentatenVerzichtleisten.“30Die indersäkularenWeltüberlebendenbzw.neusicheinlebenwollendenReligionen müssen nämlich drei Grunderfahrungen verarbeiten: 1. Sie müssen die kognitiv dissonanteBegegnungmitanderenKonfessionenundanderenReligionenverar beiten,2.SiemüssensichaufdieAutoritätvonWissenschafteneinstellen,diedas gesellschaftlicheMonopolanWeltwisseninnehaben,und3.Siemüssensichauf die Prämissen des demokratischen Verfassungsstaates einlassen, die sich aus seinerprofanen,nichtreligiösenMoralbegründen.31 HierzeigtsichdasausreligiöserSichtanstößigeFaktumdesweltanschauli chenPluralismus,dasverarbeitetwerdenmuss,ohneinderManiervonKonfes sions und Religionskriegen das soziale Band des politischen Gemeinwesens zu zerreißen.UndandiesemPunktbringtHabermaseinenneuenundvonvielenals überraschend empfundenen Ton in die Debatte, weil er hier ein wenig von der klassischenLehredespolitischenLiberalismusabweicht. Der klassische Liberalismus hatte nämlich die fortschreitende Verlagerung des Religiösen in die Privatsphäre und damit ihre Entpolitisierung postuliert, ganzimSinnederSäkularisierungsthese.UnddiesimdoppeltenSinne:alsfakti scher Prozess, aber auch als Forderung an die Religiosität, sich aus der Politik herauszuhalten.DermoderneLiberalismusvonRawlsundanderen,denHaber mas hier übernimmt und zuspitzt, ist dagegen postsäkular. Das heißt in diesem Zusammenhang: der Staat soll selbstverständlich ein weltanschaulich neutraler und in diesem Sinne säkularer Staat bleiben, seine Aufgabe wird aber anders verstanden.DaerfüralleBürgerdaist,auchfürdiereligiösen,bedeutetNeutra lität nunmehr auch, dass er nicht ohne weiteres die Partei des Säkularismus er Habermas(2001),S.14.ErbeziehtsichhieraufRawls(1998),S.132141undForst(2000), S.144161. 31Habermas(2001),S.14. 30
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greifendarf,sonderngenötigtistzurgleichmäßigenDistanzvonstarkenTraditi onenundweltanschaulichenInhalten.Erdarfsichalsoauchnichtohneweiteres auf die Seite von naturwissenschaftlichen Moralansprüchen oder Ideologien stellen. An dieser Stelle geht Habermas über von einer Theorie des Staates zu einerTheoriederZivilgesellschaft,oderfastschonhegelianisch,zueinerTheorie der pluralisierten Vernunft des Staatsbürgerpublikums: diese folge einer Dyna mik der Säkularisierung nur insofern, als es osmotisch nach beiden Seiten hin geöffnet bleibe – weil natürlich im zivilgesellschaftlichen Diskurs jede Meinung sich Gehör verschaffen kann, ohne deshalb schon politischstaatliches Handeln zubeeinflussenodergarzusteuern. DaHabermaseinTheoretikernichtsosehrdesStaatesalsvielmehrderZi vilgesellschaftist,hateresandiesemPunktetwaseinfacherinderArgumentati on, denn die Zivilgesellschaft ist anders als der liberale Staat nicht der weltan schaulichen Neutralität verpflichtet. „Die Zivilgesellschaft setzt sich aus jenen mehr oder weniger spontan entstandenen Vereinigungen, Organisationen und Bewegungen zusammen, welche die Resonanz, die die gesellschaftlichen Prob lemlagenindenprivatenLebensbereichenfinden,aufnehmen,kondensierenund lautverstärkend an die politische Öffentlichkeit weiterleiten.“32 Sie übt Einfluss ausaufeineinöffentlichenDebatten,alsoimKontroversstil,sichherausbildende öffentliche Meinung, ohne jedoch direkten Zugang zu den organisatorischen Herrschaftsstrukturenzugewinnen. AllerdingsistinderZivilgesellschaftnichtjedebeliebigeexzentrischereligi ösePositionierungakzeptabel.VielmehrkannsiesichohneeinegewisseÖffnung undOffenheitfürwissenschaftlicheArgumentationenundForschungsergebnisse nicht weiterentwickeln: „Natürlich muss sich der Commonsense, der sich über die Welt viele Illusionen macht, von den Wissenschaften vorbehaltlos aufklären lassen.“33SieunterliegtalsoeinerSelbstbegrenzung.34AuchihrSelbstverständnis entwickelt sich mit der Entwicklung der naturwissenschaftlichen Episteme: „WennwirüberdieWelt,undüberunsalsWeseninderWelt,etwasNeuesler nen, verändert sich derInhalt unseres Selbstverständnisses.“Allerdingszieht er eine philosophische Grenze dieser Veränderung. Sobald es nicht mehr um na turwissenschaftliche Erklärung sondern um Rechtfertigung moralischen Han delnsgeht,werdendieWissenschaftenunzuständig.DasgiltselbstfürdieHirn forschung mit ihrer Naturalisierung des Geistes, wie Habermas mit einem Habermas(1992),S.443. Habermas(2001),S.15. 34Habermas(1992),S.450. 32 33
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sprachtheoretischen Argument zu belegen versucht: das Sprachspiel der Recht fertigung lässt sich nicht auf die bloße Beschreibung reduzieren, denn die Not wendigkeit, anderen Gründe für das Handeln anzugeben, erschließt sich nicht aus der Außenperspektive und der objektivierenden Beschreibung, sondern nur ausderPerspektivedesBeteiligten.Oderkurz:GründesindkeineUrsachen.Das Sprachspiel der Begründung im moralischen Diskurs unterscheidet sich grund sätzlichvonderwissenschaftlichenUrsachenanalyseimkognitivenDiskurs.„Der szientistischeGlaubeaneineWissenschaft,dieeinesTagesdaspersonaleSelbst verständnis durch eine objektivierende Selbstbeschreibung nicht nur ergänzt, sondernablöst,istnichtWissenschaft,sondernschlechtePhilosophie.“35 DennderdemokratischaufgeklärteCommonsense,soHabermas,stelltauch in Richtung der Religion die Frage, ob sie denn Gründe angeben könne, „die nichtnurfürAngehörigeeinerGlaubensgemeinschaftakzeptabelsind“.Dasführt beidenGläubigendannzudemArgwohn,„dassdieabendländischeSäkularisie rung eine Einbahnstraße sein könne, die die Religion am Rande liegen lässt.“36 Hier kommt Habermas auf eine Kehrseite der Säkularisierung, nämlich auf die ungleichen Folgelasten, die die Befriedung des weltanschaulichen Pluralismus für die Religion und die nichtreligiösen Menschen hatte. „Bisher mutet ja der liberale Staat nur den Gläubigen unter seinen Bürgern zu, ihre Identität gleich saminöffentlicheundprivateAnteileaufzuspalten.Siesindes,dieihrereligiö senÜberzeugungenineinesäkulareSpracheübersetzenmüssen,bevorihreAr gumenteAussichthaben,dieZustimmungvonMehrheitenzufinden.“37Wennes z.B. um eine Eizelle außerhalb des Mutterleibs geht, muss der Versuch unter nommen werden, die theologische These von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen in die säkulare Sprache des Grundgesetzes zu übersetzen. Würden ausschließlichsäkulareArgumentegelten,würdedasjedocheinenunfairenAus schluss der Religion aus der Öffentlichkeit bedeuten. Die säkulare Gesellschaft selbst würde sich darüber hinaus von wichtigen Ressourcen der Sinnstiftung abschneiden. Um dem vorzubeugen, müsste „sich auch die säkulare Seite einen SinnfürdieArtikulationskraftreligiöserSprachen“bewahren.38Dasistderm.E. entscheidendeSchrittvonHabermasindasReichdesPostsäkularen.DieÖffent lichkeitist ja ein plurales Gebilde. Wenn sich Menschen in ihren Glaubensüber zeugungenverletztfühlen,dürftensäkulareMehrheitenkeineBeschlüssefassen, Habermas(2001),S.20 Habermas(2001),S.21. 37Habermas(2001),S.21. 38Habermas(2001),S.22. 35 36
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sondernsolltendasalsEinspruchmitaufschiebendemVetobetrachten.39Haber mashatdiesvordemStreitumdiedänischenMohammedKarikaturengeschrie ben.Esscheintmiraberoffensichtlich,dasseinenichtaufrationaleFundierung angewiesenereligiöseEmpörungsredejederzeitdeneigenenIrrationalismusoder die eigene Aufgeregtheit im politischen Spiel instrumentell einsetzen kann. Ein derart weitgefasster, postsäkularer Liberalismus hätte dem nichts weiter entge genzusetzen als die geduldige Prüfung der Gründe. Habermas fällt an dieser Stelle hinter Einsichten einer wehrhaften Demokratie zurück, die in der Ausei nandersetzung mit den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts gewonnen worden sind.40 Immerhin,HabermashattewohlanetwasanderesalsandiekünstlicheEm pörung religiöser Aktivisten gedacht. Als Beispiel nennt er Kants kategorisches Sollen,welcheszugleicheinesäkularisierendeundrettendeDekonstruktionvon Glaubenswahrheiten gewesen sei. Kants Autonomievorstellung zerstörte das traditionelle Modell der Gotteskindschaft. Oder in den Worten von Kant selbst: „DieMoral,sofernsieaufdemBegriffedesMenschenalseinesfreien,ebenda rum auch sich selbst durch seine Vernunft an unbedingte Gesetze bindenden Wesens,gegründetist,bedarfwederderIdeeeinesandernWesensüberihm,um seinePflichtzuerkennen,nocheinerandernTriebfederalsdesGesetzesselbst.“41 Als zweites Beispiel nennt Habermas einen Gedanken Adornos aus „Vernunft undOffenbarung“:„NichtsantheologischemGehaltwirdunverwandeltfortbe stehen; ein jeglicher wird der Probe sich stellen müssen, ins Säkulare, Profane einzuwandern.“42AlsnegativesGegenbeispiel,indemdieAndachtzumAnden ken mutiert, nennt er den Posthumanismus seines Erzfeindes Heidegger. Die RückkehrzudenarchaischenAnfängenvorSokratesundvorChristusistfürihn die„StundedesreligiösenKitsches.“43 Die Entzauberung, die ja immer mit Säkularisierungsprozessen einhergeht, erscheintihmunvermeidlich.SiehabejaimGrundeauchschondurchdieWelt religionenselbstbegonnen,diedieMagieentzaubert,denMythosüberwunden, das Opfer sublimiert und das Geheimnis gelüftet hätten. Das Geschichtsmodell von Habermas geht hier ganz deutlich von einem Dreistufenmodell Mythos – Religion – Philosophie aus. „Die postsäkulare Gesellschaft setzt die Arbeit, die Habermas(2001),S.22. Vgl.dazuReeseSchäfer(2007). 41Kant(1793),S.3. 42Adorno(1969),S.20. 43Habermas2001,S.28. 39 40
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dieReligionamMythosvollbrachthat,anderReligionselbstfort.“44 Allerdings nicht mehr in der hybriden Absicht der feindlichen Übernahme, wie einst die politischenReligionendesTotalitarismus,sondernumdemSchwindenvonSinn ressourcenentgegenzuwirken,undzwarimModusvonrettendenFormulierun gen bzw. der Übersetzung. Diesen Gedanken wendet Habermas dann zu einer Schlussformel,betreffenddieUnverfügbarkeitdergenetischenDisposition:„Nun – man muss nicht an die theologischenPrämissen glauben, um die Konsequenz zu verstehen“, wenn die im Schöpfungsbegriff angenommene Differenz ver schwände und nunmehr ein anderer Mensch über die genetische Ausstattung nacheigenemBeliebenentscheidet.DenneswürdedieFreiheitunterEbenbürti genzerstört,wenn„einMenschnacheigenenPräferenzenindieZufallskombina tion von elterlichen Chromosomensätzen eingreifen würde, ohne dafür einen KonsensmitdembetroffenenAnderenwenigstenskontrafaktischunterstellenzu dürfen.“45 InderdirektenBegegnungmitKardinalRatzinger,alsoinseinemMünchner Vortragvon2004hatHabermasdasThemaderpostsäkularenGesellschafterneut aufgegriffen, diesmal verbunden mit dem oft zitieren BöckenfördeParadoxon aus dem sechziger Jahren, demzufolge der freiheitliche, säkularisierte Staat von normativen Voraussetzungen zehre, die er selbst nicht garantieren könne.46 Da hinter steht die Vermutung, dass er ein kaltes Projekt sei, das selber nicht die kommunikative Intensität erbringen könne, die zur Bildung tiefgreifender ethi scher Verbindlichkeiten erforderlich sei. Der moderne Staat müsse daher auf ethische Überlieferungen traditionaler, vor allem religiöser Art zurückgreifen, deneneraberdurchdasweltanschaulicheNeutralitätsgebotständigzugleichden Bodenentzieht.WennPluralismuseinbloßermodusvivendiist,dannkönnendie Quellen einer Solidarität der Staatsbürger nicht mehr reproduziert werden. Die Säkularisierungentgleist,weilihregesellschaftlichenQuellenversiegen. Habermas selbst übernimmt diese Gedanken nur mit einer gewissen Zu rückhaltung:dieseDiagnoseseizwarnichtvonderHandzuweisen,dieGebilde tenunterdenVerteidigernderReligionkönntendarausaberkaumeinenbeson deren argumentativen Gewinn ziehen. Er empfiehlt stattdessen, ganz im Sinne derschoninderFriedenspreisredevorgetragenenArgumentation,einendoppel ten, nämlich beidseitigen Lernprozess, in dem die Traditionen der Aufklärung (ganz im Sinne der selbstreflexiven Aufklärungskritik Horkheimers und Habermas(2001),S.29. Habermas(2001),S.31. 46Böckenförde(1967),S.112.Vgl.Habermas(2005),S.1837. 44 45
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Adornos) und die religiösen Lehren sich zur Selbstreflexion auf ihre jeweiligen Grenzennötigen. HabermasverteidigtdenpolitischenLiberalismus,wieerselbstsagt,inder Form eines Kantischen Republikanismus. Im Gegensatz zum Böckenförde ParadoxongibtereineradikalandereAntwortaufdieFrage,wiesichdiestaats bürgerlicheSolidaritätreproduziert:nämlichselbstgenügsam,ausdenkognitiven Beständen eines nicht nur von religiösen, sondern auch von metaphysischen Überlieferungen unabhängigen Argumentationshaushaltes. Ein Zweifel aller dingsbleibtinderFragedermotivationalenGrundlagen.Bekanntlichgibtesfünf Probleme einer gegenwärtigen politischen Ethik, nämlich das Begründungsprob lem, das Applikationsproblem, das Motivationsproblem, das Institutionenproblem so wie das Ausdifferenzierungs und Reintegrationsproblem.47 Während die Frage der Institutionalisierung, wenn wir einmal von der Notwendigkeit einer adaptiven Föderalismusreform absehen, einigermaßen überzeugend gelöst zu sein scheint, dasBegründungsprobleminerträglicherWeisepragmatischheruntertransformiert werden kann, das Applikationsproblem mit zunehmender Erfahrung demokrati scher Systeme im Sinne gegenseitiger Lernprozesse z.B. in dem nie abzuschlie ßendenFeldderKorruptionsbekämpfungdochimmerwiederganzerfrischende neueLösungenfindet,sinddasAusdifferenzierungsundReintegrationsproblemund vor allem das Motivationsproblem die schwierigsten Felder einer gegenwärtigen Ethiktheorie. Das erstere, weil es in seinen Dimension bislang kaum verstanden worden ist, das zweite, weil unter den Prämissen einer rationalen Entscheidungstheorie und einer zunehmenden Durchökonomisierung gerade auch des Alltagslebens und der Entscheidungsstrukturen des Einzelnen die Frage, warum man also eigentlichmoralischseinsolleundnichtvielmehrdasEigeninteresseindenVor dergrundstellenmüsse,warummanbesondereOpferfürmoralischesVerhalten zu erbringen habe, immer schwieriger zu beantworten ist. Es war immer klar, dass eigenes moralisches Verhalten mit der Inkaufnahme von Nachteilen ver bundenist–andernfallswärederSinndesMoralischennichterkennbar.Wärees vorteilhafter als anderes Verhalten, dann bräuchte man keine Moral. Die Parole „der Ehrliche ist der Dumme“ gibt das gängige Bewusstsein einigermaßen tref fendwieder. EssindalsodieMotive.DieBürger„sollenihreKommunikationsundTeil nahmerechteaktiv,undzwarnichtnurimwohlverstandeneneigenenInteresse, sondernauchgemeinwohlorientiertwahrnehmen.Dasverlangteinenkostspieli 47
Vgl.ReeseSchäfer(2007),S.26ff.
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geren Motivationsaufwand, der legal nicht erzwungen werden kann.“48 Aller dingsmussmandazunichtnotwendigerweiseaufdasreligiöseErbezurückgrei fen.Habermasmeint,gutrepublikanisch(deshalbderRückbezugaufdenlibera lenRepublikanismus),dassdiegemeinsamausgeübtekommunikativePraxisdes demokratischenProzessesselbstdaseinigendeBandunddasmotivationaleEle mentdarstellenmüsste.IndieSprachederReligionübersetzthießedasjawohl: derVollzugdesdemokratischenundkommunikativenRitussollauchdieMoti vationzuraktivenBeteiligungschaffen.NiedrigeWahlbeteiligungwäredannso etwas wie geringer Zulauf zum Gottesdienst. Rousseau hatte geradezu eine de mokratische Zivilreligion postuliert, mit wenigen einfachen, aber verbindlichen Dogmen, und war überzeugt, dass der demokratische Staat zusammenbrechen müsse,wennderBürgernichtständigfreudigzudenVersammlungeneile.Diese AssoziationversuchtHabermaszuvermeiden,indemerseinenRepublikanismus statt an Rousseau lieber an Immanuel Kant bindet, also an einen stärker indivi dualistischen, antitotalitären Liberalismus, während man Rousseaus Demokra tiekonzept ob nun zu Recht oder zu Unrecht eine totalitäre Basisorientierung nachsagt. Zwar wird niemand bereit sein, „für Nizza zu sterben“, aber das ist eben keinArgumentgegeneinegemeinsameeuropäischeVerfassung.Einziviltheolo gischesGrundelementsiehtHabermasindenpolitischethischenDiskursenüber denHolocaustundandereimNamendereigenenRegierungbegangeneMassen verbrechen: die Gedächtnispolitik zeigt, wie sich nicht zuletzt auch außerhalb Deutschlands„verfassungspatriotischeBindungenimMediumderPolitikselbst bildenunderneuernkönnen“.49Verfassungspatriotismusheißtbeiihmentgegen einem weit verbreiteten reduktiven Missverständnis keineswegs nur eine Bin dung an abstrakte Prinzipien, sondern an den konkreten Kontext der eigenen Geschichte und insbesondere der herausragenden Ereignisse, die zu beklagen oderzufeiernsind.Habermasgestehtzu,dieweltweiteÜbereinstimmunginder moralischenEmpörungübermassiveMenschenrechtsverletzungenwürdeallein „nurfürdiehauchdünneIntegrationderBürgereinerpolitischverfasstenWelt gesellschaftgenügen(wennessiedenneinesTagesgebensollte)“,50meintaber, dass das dichtere Geflecht kultureller Wertorientierungen in einer z.B. europäi schenGesellschaftdurchauseinegrößereVerbindlichkeitgewinnenkann.
Habermas(2005),S.22. Habermas,ebendaS.24. 50EbendaS.25. 48 49
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DiesäkulareModernisierungallerdingskann„entgleisen“,wenndiesesge meinsame Staatsbürgerbewusstsein nicht entsteht und so etwas stattfindet wie „die Verwandlung der Bürger wohlhabender und friedlicher liberaler Gesell schaften in vereinzelte, selbstinteressiert handelnde Monaden, die ihre subjekti venRechtenurnochwieWaffengegeneinanderrichten.“51DasistdieGefahr,die ja auch von Kommunitariern wie Amitai Etzioni52 und Mary Ann Glendon („Rights Talk“)53 sehr präzise herausgearbeitet worden sind. Wie Habermas ar beiten sie an der Rekonstruktion des gemeinsamen, sozialethischkulturellen Bandes von Gesellschaften, auf die sie angewiesen sind. Rechte allein können auchtrennendundisolierendwirken.Darüberhinaus:wennMärkte,diejanicht wie staatliche Verwaltungen demokratisiert werden können, zunehmend Steue rungsfunktionen übernehmen, wenn also bisher normativ oder durch vorpoliti sche Kommunikation integrierte Bereiche nunmehr marktmäßig integriert wer den,dieöffentlichenLegitimationszwängedamitschrumpfen,dannkanndaszur Entmutigung und zum Funktionsverlust demokratischer Meinungs und Wil lensbildungführen.WennimmermehrEntscheidungsprozesseaufsupranationa len Ebenen stattfinden und dort auch eher von ökonomischen statt von politi schen Instanzen (Weltwährungsfonds, Welthandelsorganisation) getroffen wer den, dann kann das eben auch den staatsbürgerlichen Privatismus und die Ent fremdungvompolitischenProzessverstärken. Die Säkularisierungsdiskussion kulminiert in der sogenannten Teheraner Frage,dieeindortigerKollegeanHabermasgerichtethat:istnichtmöglicherwei se der europäische Säkularisierungsprozess im weltweiten Maßstab gesehen ein Sonderweggewesen,dernunmehreinerKorrekturbedürfe?54Habermashatzwei AntwortenaufdieTeheranerFrage:einmalschlägtervor,aufeinevernunftkriti sche Dramatisierung zu verzichten und es schlicht als eine offene empirische Frageanzusehen,obdieambivalenteModernesichalleineaussäkularenKräften einerkommunikativenVernunftstabilisierenkann.Undzweitenskannmandie RedevonderpostsäkularenGesellschaftauchsointerpretieren,dasssieeineArt konservativgewordenesBewusstseinimVerfassungsstaatnahelegt,konservativ insofern,alssieeinenschonendenUmgangmitdenkulturellenQuellenundden normativen Ressourcen der sozialen Integration empfiehlt.55 An dieser Stelle verwendetHabermas–soweitichsehenkann,zumerstenMalinseinemWerk– EbendaS.26. Vgl.ReeseSchäfer(2001),S.53. 53Glendon(1991). 54DazuHabermas(2005),S.28. 55Habermas(2005),S.32f. 51 52
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das Wort „konservativ“ unpolemisch und beinahe wertfrei, weil er in dieser schonenden Haltung dem Herkommen gegenüber jenem religiös unverfängli chen Sinn sieht, den man dem BöckenfördeParadoxon geben könnte. Mit dem Begriff„postsäkular“verbindetHabermasnunmehrdienormativeEinsicht,dass der Umgang von ungläubigen mit gläubigen Bürgern einen komplementären Lernprozessdarstellenkann,indembeideSeitensichgegenseitigernstnehmen. DazugehörtdurchausaucheinBlickinuralteTraditionen,z.B.aufdiegegensei tigeDurchdringungvonChristentumundgriechischerMetaphysikimHellenis mus, durch die eine Art rationale Übersetzung der Gottesebenbildlichkeit des Menschen in die gleiche und unbedingt zu achtende Menschenwürde zustande gekommensei.DiesisteinModellfürdierettendenÜbersetzungen,an dieHa bermas im Geiste Walter Benjamins denkt, und die den Sinn haben, den Gehalt biblischerbzw.religiöserBegriffeeinemgenerellenPublikumvonAndersgläubi genundUngläubigenverständlichundzugänglichzumachen. Esistvielleichtsinnvoll,dieseÜberlegungennocheinmalaufdiepolitikwis senschaftlicheGrundbegrifflichkeitzurückzubeziehen.Wirkennendreitypisierte gesellschaftlicheIntegrationsmedien,nämlichdenkoerzivenTypus,dasistdiein der politischen Sphäre verkörperte staatliche bzw. administrative Macht, den utilitären Typus,dersichin den Märkten manifestiert, und den normativen Ty pus, der sich in den Werten, dem Ethos und dem verständigungsorientierten Sprachgebrauch zeigt.56 Das Problem, das Habermas bewegt, besteht nun darin, dass zwischen diesen drei Sphären eine zunehmende Unausgewogenheit sich einstellt:derkoerziveTypusverliertanBindungskraft,wennernichtwertmäßig legitimiertist,derutilitäreTypusvergrößertseinenEinflussbereich,tendiertaber dazu, durch den Konkurrenzprozess und die Orientierung nicht am Gemein wohl, sondern am Eigennutz sozial sprengend zu wirken, und der normative TypusverliertseinetraditionaleBasis,währenderimNeuaufbauzuabstraktund zuwenigmotivationalansprechendwird.HiersetztHabermas’neuerKonserva tivismuseinerSchonungdernormativintegrativenDiskursressourcenein. Esistdaherkeineswegsverwunderlich,dassJosephRatzingerimAnschluss an Habermas’ Vortrag sofort erklärt hat: „Hinsichtlich der praktischen Konse quenzenbefindeichmichinweitgehenderÜbereinstimmungmitdem,wasJür genHabermasübereinepostsäkulareGesellschaft,überdieLernbereitschaftund dieSelbstbegrenzungnachbeidenSeitenhinausgeführthat.“57Dietheoretischen undtheologischenUnterschiedesparterandieserStelleaus,denndaessichum 56 57
Vgl.ReeseSchäfer(2001),S.5168. Ratzinger(2005),S.56.
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eine Begegnung in der Welt der praktischen Philosophie und Politik handelt, könnensieinderTatzurückstehen. Um noch einmal zu verdeutlichen, was Habermas mit dem Begriff Postsäkularitätmeint,undworinerübervielereligionssoziologischeÜberlegun gen,diediesenBegriffebenfallsverwenden,deutlichhinausgeht:esgehtkeines wegs nur um die faktische Konstatierung, dass die Religionen überlebt hätten, und auch nicht bloß um eine Anerkennung der sozialfunktionalen Integrations leistungvonReligionundKirche,sondernumdasnormativePostulat,wiegläu bige und ungläubige Bürger miteinander umzugehen hätten. Hierstützt Haber mas sich weitgehend auf den politischen Liberalismus, wie er im Spätwerk von John Rawls entwickelt wird. Die weltanschauliche Neutralität des modernen politischenSystems(alsPolitikwissenschaftlerhalteichdenandieserStellemeist eingesetzten Staatsbegriff für zu eng und auch ein wenig zu autoritär) stellt ge wisskeineSymmetriezwischenGläubigenundUngläubigenher–daszeigtsich schon an den mehr oder weniger liberalen Abtreibungsregelungen. Zweifellos wirddenGläubigenmehrzugemutet,weildiesejadenAnsprucherheben,nicht nur das Verhalten der Glaubensanhänger, sondern auch das Verhalten der Un gläubigenzukontrollieren,seiesinderAbtreibungsfrageoderderKontrolleder wissenschaftlichenGenforschung.AberauchaufderSeitederUngläubigenoder der Säkularisten wird „die Einübung in einen selbstreflexiven Umgang mit den Grenzen der Aufklärung erwartet“58, nämlich die Akzeptanz, dass es bei einem dauerhaften,vernünftigenDissensbleibenkann.EntscheidendistandieserStelle dasWort„vernünftig“.RawlshattevondenBürdenderVernunft,theburdensof reason,gesprochen,diedarinbestehen,dassausverschiedenenGründen,zude nen die Unvollständigkeit der Information, weite Ermessensspielräume und die nie wirklich auszuräumende Unschärfe der Begrifflichkeit gehören, im politi schen Raum ein begründeter und nicht auflösbarer Dissens bestehen bleiben kann, dass also nicht alle politischen Probleme rational vollständig auflösbar sind.59 Habermas weitet diesen Gedanken auf die postsäkulare Gesellschaft aus: „Die Erwartung einer fortdauernden NichtÜbereinstimmung von Glauben und Wissen verdient nämlich nur dann das Prädikat ‚vernünftig’, wenn religiösen ÜberzeugungenauchausderSichtdessäkularenWissenseinepistemischerSta tuszugestandenwird,dernichtschlechthinirrationalist.“60Underfolgert,dass Habermas(2005),S.35. Rawls(1998),S.127132. 60Habermas(2005),S.35 58 59
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naturwissenschaftliche Weltbilder deshalb keineswegs von vornherein in der ÖffentlichkeitdenVorrangvorreligiösenoderanderenkonkurrierendenweltan schaulichen Auffassungen genießen dürfen. Er geht sogar noch weiter: „Die weltanschaulicheNeutralitätderStaatsgewalt,diegleicheethischeFreiheitenfür jeden Bürger garantiert, ist unvereinbar mit der politischen Verallgemeinerung einersäkularistischenWeltsicht.“61 Joseph Ratzinger hat in seinem Antwortvortrag auf Habermas den Punkt der Selbstreflexion der wissenschaftlichen Kultur noch präziser und schärfer bezeichnetalsjener:zwarkanndieWissenschafteinsozialesEthos,insbesondere eine Art Weltethos, wie Hans Küng es sich vorstellt, nicht hervorbringen. Ihre Selbstreflexion aber sollte sich darauf richten, ihre Verallgemeinerungen, ihre voreiligen Schlussfolgerungen oder Scheingewissheiten kritisch zu durchleuch ten, um unterscheiden zu können, was wirklich wissenschaftlich erhärtetes Er gebnisundwasnichtwissenschaftlichesElementist,dasmitdiesemsichunzuläs sig vermengt hat. So ist es möglich, „den Blick auf das Ganze, auf die weiteren DimensionenderWirklichkeitdesMenschenoffenzuhalten,vondemsichinder WissenschaftimmernurTeilaspektezeigenkönnen.“62
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RückkehrderReligionen?
NachdiesenÜberlegungenzurpolitischenSeitederKonzeptioneinessäkularen politischenSystemsmöchteichjetzteinenBlickaufdieempirische,diereligions soziologischeDiskussionderSäkularisierungsfragenwerfen,umdieUnterschie dezumnormativenAnsatzvonHabermasherauszuarbeiten:WelcherealenIndi zien sprechen eigentlich dafür, den Begriff einer postsäkularen Gesellschaft zu verwenden?WennmanvoneinerRückkehrderReligionenspricht,wasistgenau damitgemeint?IstnichtderRückgangderKirchgängerzahlen,derKirchensteu erzahler weiterhin ein deutliches Indiz für die Säkularisierung unserer Gesell schaft?IstnichtdiegeringeMitgliedszahlindenMuslimrätenundentsprechen den Organisationen sowie deren mangelnde Repräsentativität ein Hinweis da rauf,dassorganisierteGläubigkeitindiesemBereichgarnichtunbedingtgewollt wird? Ist nicht auch Joseph Ratzingers etwas überraschender und aus seinem Munde gewichtiger Hinweis, dass die christliche Kultur im Westen gegenüber dernaturwissenschaftlichsäkularenindieMinderheitspositiongeratensei,eben 61 62
EbendaS.36. Ratzinger(2005),S.41.
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fallseinIndizdafür?DennindengängigenrelativistischeninterkulturellenDis kursenwirddemeuropäischenAbendlanddochgeradedessenchristlicheDomi nanz kritisch vorgehalten. Wobei ich die argumentative und psychologische KomfortabilitätderSelbstzuschreibungeinerMinderheitspositionselbstverständ lichsoforteinräumenwill. NeuerdingswirdinderReligionssoziologiegelegentlicheineurozentrischer Provinzialismuskonstatiert:dieSäkularisierungseieineuropäischerSonderweg, der nicht einmal für den Westen insgesamt gelte, denn in den USA halte sich weiterhineinhohesMaßanreligiösemBewusstsein.FürdieübrigenKontinente geltedasohnehin,insbesonderenatürlichinderislamischenWelt. MartinRiesebrodthatargumentiert,dassdiebeidenProzessederSäkulari sierung und der globalen Revitalisierung von Religionen nicht nur empirisch stattgefunden haben, sondern empirisch aufeinander bezogen sind.63 Es haben sich neue Dimensionen von Ungewissheit, Machtlosigkeit und Orientierungslo sigkeitaufgetan,indiereligiöseDeutungsangeboteeindringenkönnen.Verunsi cherteBewusstseinsformen,einScheiternanderModernisierungkanndurchaus, wie vielfach in der islamischen Welt zu beobachten, zu einer Reislamisierung führen. Sayid Qutb, der Chefideologe der Muslimbruderschaft in Ägypten (auf dessenWerkmichBassamTibiwiederundwiederaufmerksamgemachthat),hat sich bei einem Studienaufenthalt in den USA 1947/48 radikalisiert, und seinen WeghabenseitdemvieleStudentenausislamischenLändernnachvollzogen.Aus der Muslimbruderschaft ist auch die HAMAS, arabisch für Eifer, hervorgegan gen. Es geht dabei nicht zuletzt um Geschlechterbeziehungen und Sexualmoral. „DieRepatriarchalisierungderGeschlechterbeziehungen,symbolisiertdurchdie Verschleierung der Frau sowie das Tragen von Vollbart und Dschelaba64 beim Mann, wird zunächst an den Universitäten durchgesetzt und von dort in die Gesellschafthineingetragen.“65 In den USA ist die Religiosität nach allen Umfragen weiterhin deutlich in tensivergebliebenalsinEuropa.FürdiesesinderSichtvielerSozialwissenschaft ler erstaunliche und erklärungsbedürftige Phänomen werden eine Reihe von Erklärungenangeboten: 1. Die Religionsfreiheit in den USA habe zu einem freien religiösen Markt geführt, auf dem die unterschiedlichen Religionen wie auch andere Waren Riesebrodt(2000),S.49. TraditionelleBeduinenkleidung,hellesGewand. 65RiesebrodtebendaS.81. 63 64
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3. 4.
WalterReeseSchäfer konkurrieren mussten. Das persönliche Engagement, ja auch das Charisma derPrediger,auchdiehoheProfessionalitätdesMarketingsseiendieErklä rung dafür, warum die Religionszugehörigkeit noch so stark verbreitet sei (Angebotstheorien). Dieses Modell hat ein älteres Erklärungsmodell abgelöst, das sich etwa bei Tocquevillefindet:dasMomentderFreiwilligkeitseifürdeneinzelnensehr vielansprechenderundüberzeugenderalsdieeuropäischeSituation,inder manineineArtStaatskirchehineingeborenwird(liberaleTheorie). Max Weber hatte in seiner Studie über die protestantischen Sekten zudem aufdenAspektderAbsicherungundStärkungdessozialenStatus,auchder Kreditwürdigkeithingewiesen(Netzwerktheorie). Die neueste und stärkste Erklärung ist der Verweis auf die Korrespondenz von Einwanderung und Religiosität. In der neuen Welt angekommen, fan dendieEinwanderervorallemdieKirchen,diesichumsiekümmerten,wo manihnenVertrauenundZuwendungentgegenbrachte.Dabeikönnenpoli tische und ökonomische Motive durchaus die genuin religiösen überlagert haben. In einem Auswandererkontinent wie Europa vollzog sich dagegen dieSäkularisierung(Immigrationsthese).66
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden strikte Einwanderungsquoten eingeführt. DanachvollzogsichindenUSAwieüberalleinSäkularisierungsprozess.Abca. 1960wurdendieTorefürdieEinwanderungwiedergeöffnet.DieRedevonder postsäkularen Gesellschaft korreliert also mit Einwanderungswellen. Das ist vermutlichauchinEuropaderFall,woeineIslamisierungmuslimischerImmig ranten stattfindet, offenbar auch solcher, die in ihren Heimatländern eher laue Gläubige gewesen waren. Nach der amerikanischen Erfahrung überrascht das nicht. Man könnte nun natürlich fragen, ob die Islamisierung in Europa nicht auchzueinerchristlichenGegenreaktion,zueinerstärkerenRückbesinnungauf die christlichen Wurzeln und die eigene Zugehörigkeit geführt hat oder führen konnte. Bislang sind dafür keine Anzeichen erkennbar. Nachdem sich zunächst die protestantischen Milieus säkularisiert hatten, ist nun auch die katholische Welterfasst.ImHerbst2002habensichnurnoch19%von2700befragtenKatho likenalsgläubigundmitihrerKircheengverbundenbezeichnet.Voneinerkriti schenVerbindungsprachenweitere35%.Beidenjüngeren,unter30,warennur noch7%kirchennah.InzwischenschlägtdasschonaufdietheologischenFakultä tensogarinBayerndurch.DasgiltlängstfürganzEuropa,alsoauchfürItalien, 66
Lehmann(2004),S.1619.
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SpanienundsogarIrland,womandasniefürmöglichgehaltenhätte.DieSäku larisierungisteingesamteuropäischerProzess,derdaherauch–nebenbeigesagt –aufeinedurchausgemeinsameeuropäischeKulturschließenlässt. HartmutLehmann,derGöttingerHistoriker,vermutet,derGrundfehlerha be dort gelegen, wo es in Europa seit dem 18. Jahrhundert nicht gelungen sei, authentische Religiosität mitsozialem Fortschritt sowiedem wissenschaftlichen, ökonomischen und technischen Fortschritt zu verbinden. In Lateinamerika oder AfrikaseidasingewisserWeiseanders,daherseidasChristentumdortstärker, undauchdietraditionalejapanischeReligiositäthabesichimmermitdemFort schritt verbinden lassen.67 Ich halte das für spekulativ, weil die Modernisierung desKatholizismusetwamitdem2.VatikanischenKonzilhierjaauchkeineWen degebrachthat. Möglicherweise hat Gilles Kepel mit seiner Interpretation des radikalen Is lamismusrecht,dassdieserzumUntergangverurteiltseiundnureineArtletzte Abwehrreaktion junger Männer gegen den Modernisierungsprozess und die Gleichberechtigung der Geschlechter darstelle, der spätestens dann abebben werde,wenndermassiveGeburtenüberschussundinsbesonderederÜberschuss jungerMännerindennahöstlichenLändernüberwundensei.Eineähnlichegene rationelle Deutung hatte Samuel Huntington in seinem „Clash of Civilizations“ der ersten, stark kulturalistischen Erklärung nachgeschoben. Wenn Europa zu nehmend zum Einwanderungskontinent wird, dann wird es einerseits Prozesse derIslamisierungerleben,andererseitsaberauchzumSchauplatzderMissions anstrengungenderverschiedenstenaußereuropäischenReligionenwerden.Hin zu können jederzeit Krisenmomente kommen, die ebenfalls zur Revitalisierung religiöserOrientierungenbeitragenkönnen. Esgiltalso,deutlichdiereligionssoziologischeThesevonderpostsäkularen GesellschaftunddietheologischpolitikwissenschaftlicheVerwendungdesselben Begriffs durch Habermas und Ratzinger zu unterscheiden. Bei Habermas und JohnRawlshandeltessichumReflexionsprozessedespolitischenLiberalismus, einwiehohesMaßanVerzichtaufeigeneGrundüberzeugungenreligiösenMen schenundGruppenineinerimPrinzipsäkularenGesellschaftzugemutetwerden kann. Sie plädieren für einen größeren Respekt vor religiösen Überzeugungen, allerdings nur insoweit, als sich diese in rationale, säkulare Argumentationsfor men übersetzen lassen. Religiöse Empörung wird als Intuition wahrgenommen, argumentativ allerdings erst dann respektiert, wenn sie auch ein rationales Ar gumentanführenkann,dasfürjedermannakzeptabelist.ZummodernenLibera 67
Ebenda,S.27.
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lismus fügt Habermas aus dem geschichtsphilosophischen Erbe der Frankfurter Schule die Idee der rettenden Kritik hinzu: „Der Glaube behält für das Wissen etwasOpakes,daswederverleugnetnochbloßhingenommenwerdendar.Darin spiegelt sich das Unabgeschlossene der Auseinandersetzung einer selbstkriti schen und lernbereiten Vernunft mit der Gegenwart religiöser Überzeugungen. DieseAuseinandersetzungkanndasBewusstseinderpostsäkularenGesellschaft fürdasUnabgegolteneindenreligiösenMenschheitsüberlieferungenschärfen.“68 Bei Joseph Ratzinger liegt, vom gegensätzlichen Ausgangspunkt her, ein komplementäres Bewusstsein vor. In einer im Prinzip säkularen Gesellschaft verstehensichdieChristenalsMinderheit,dieihrerseitsdenAnsprucherheben, Vernunft und Glauben vereinbaren zu können, und in einer weltlichen Gesell schaftmitVernunftargumentenüberzeugenzukönnen.Dasmachtdasüberzeu gendeintellektuelleProfildiesesPapstesaus,undistauchderGrunddafür,wes halb die Begegnung mit Habermas zu einer so weitgehenden Übereinstimmung führenkonnte.DennesistkeineSelbstverständlichkeit,dasseinalskonservativ geltenderTheologeundHabermas,fürdenfrüherschondieleiseAndeutung,ein ArgumententhaltekonservativeZüge,einvernichtendesWerturteildarstellte,in zentralenPunkteneinesoweitgehendeÜbereinstimmungherstellenkonnten,die offensichtlichvonradikalunterschiedlichenAusgangspunktenherrührteunddie ebenso offensichtlich nicht bloß auf einem freundlichen Formelkompromiss ba sierte,sondernderArgumentationinderSacheselbstgeschuldetwar. Eine Übereinstimmung in bestimmten praktischen Fragen ist aber keines wegsaufeinegrundlegendeÜbereinstimmunginderBegrifflichkeitangewiesen. HiergehtesvorallemumdenfürHabermaswiefürdenheutigenPapstzentra lenBegriffderVernunft.IndieserRedehatervomLogosausgehend,derjaWort undVernunftzugleichbedeutet,einenweitenVernunftbegriffentwickelt.Dieser zielt auf eine harmonische Verbindung von Vernunft und Glauben, von antiker Philosophie und christlicher Innovation. Diese Verbindung habe sich seit Duns Scotus,alsoseit1300gelockert,dieReformatorenundPascalhättensiezerstört, KanthabeschließlichdieTrennungaufdieSpitzegetrieben.DerVernunftbegriff des Papstes hat also einen klassischen, modernitätskritischen Zug. Die Aus gangsbestimmunginseinerRegensburgerVorlesungbestehtineinerpraktischen Unterscheidung: der Glaube an einen vernünftigen Gott wird sich friedlich, durchArgumenteverbreiten.GewalttätigesHandelndagegenwärevernunftwid rigunddamitauchgegendasWesenGottesgerichtet.
68
Habermas(2008),S.29.
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InseinerReaktionaufdieRegensburgerVorlesung„GlaubenundVernunft“ ausdemJahre2006bestehtHabermasdarauf,dassBenediktXVI.dieWendezu einem modernen säkularen Vernunftbegriff nicht mitvollzogen habe und damit letztlich einer vor dem heutigen naturwissenschaftlichen Denken verharrenden, christlichhellenischenVernunftverpflichtetgebliebensei.DiedreivonBenedikt kritisierten Enthellenisierungsschübe des Nominalismus, der kritischen kanti schenPhilosophieunddesHistorismushättenebenauchpositiveZügeinnerhalb des Projekts Moderne: der erstere haben den Weg zu den modernen Naturwis senschaften geöffnet, Kants Kritizismus sei die Bedingung der Möglichkeit von Autonomie, Rechtsstaat und Demokratie, und der Historismus schütze vor der Überverallgemeinerung kontextunabhängiger Urteile.69 DieModernitätskritik ist fürHabermasalsoimmernochdieDifferenzlinie. DieentscheidendeDifferenzzuBenediktscheintinderentschlossenenVer teidigungsrede von Habermas für das „Projekt der Moderne“ zu liegen, auch wenndiesesdurcheineSelbstkritikbereitschaftdermodernenVernunftunddas Selbstverständnis der Postsäkularität aufgebrochen ist. Diese Selbstkritikbereit schaftistgeradeinderkritischenPhilosophieImmanuelKantsverankert,sodass vondieserSeitedieEinreihungKantsindiemoderneTrennungsgeschichtenicht akzeptiertwird.IndiesemSinnedefiniertHabermasseinVerständnisvonpost säkularer Säkularisierung noch einmal neu als Transformationsprozess, der den Strom der Tradition nicht etwa ausfiltert und ausscheidet, sondern vielmehr produktivumwandelt.70Unddashatmitdemvonihmkritisierten„herablassen den Wohlwollen einer säkularisierten Obrigkeit“ gegenüber diskriminierten Minderheitennichtszutun.71 Allerdings hatBenedikt in Regensburg ausdrücklich erklärt, die „Selbstkri tikdermodernenVernunftschließtganzundgarnichtdieAuffassungein,man müsse nun wieder hinter die Aufklärung zurückgehen und die Einsichten der Moderneverabschieden.“72ErerklärtdenWillen„zumGehorsamgegenüberder Wahrheit“73 als wesentlich christlich, vertritt aber einen insofern postpositivisti schen Vernunftbegriff, als er ihre Beschränkung auf das im Experiment Falsifizierbare überwinden und damit ihre ganze Weite wiedergewinnen will, weil dann auch wieder im universitären und wissenschaftlichen Kontext die Habermas(2008),S.35,ähnlichpointiertRicken(2008). Habermas(2008),S.29f.ErsprichtmetaphorischvonderSäkularisierungalsTransforma tor,nichtalsFilter. 71Habermas(2005b),S.125. 72Benedikt(2006),S.29. 73Benedikt(2006),S.29. 69 70
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FragenachderVernunftdesGlaubensgestelltwerdenkönne.SeineModernitäts kritikzieltdemnachvoralleminzweiRichtungen:gegeneinzuengespositivisti sches Vernunftkonzept und gegen einen modernen Relativismus, der die Frage nach der Wahrheit nicht mehr zu stellen in der Lage ist.74 Sowohl in der Positi vismuswieinderRelativismuskritikisteinepartielleÜbereinstimmungmitder FrankfurterSchulezukonstatieren. Der nachmetaphysische Vernunftbegriff von Habermas ist ebenso hoch komplex wie mehrschichtig und bis heute in der theologischen Diskussion, so weit ich sehen kann, kaum nachvollzogen worden.75 In Analogie zu den drei Kritiken Kants tritt bei Habermas neben die kognitive und die praktische Seite der Rationalität ihre ästhetischexpressive Funktion. Bei dieser Dreispaltung der Rationalitätbleibterabernichtstehen,denninderkommunikativenRationalität, alsoim„Wort“,könnendiesedreiSchichtenintegriertwerden,jedenfallssofern vongelingenderKommunikativitätdieRedeseinkann.76InseinemAufsatz„Die EinheitderVernunftinderVielfaltihrerStimmen“hatteer1988entwickelt,wie in der Sprache sowie der Nichthintergehbarkeit einer symmetrischen Perspekti venstruktur, wie sie in jeder Gesprächssituation angelegt ist, letztlich doch eine schwache, transitorische Einheit der Vernunft ausgemacht werden kann. Was übrig bleibt, sind begründende Redeformen, die keinen Exkluvitätsanspruch mehrerheben:SolangediekommunikativeVernunft„imMediumbegründender Rede für das, was Religion sagen kann, keine besseren Worte findet, wird sie sogar mit dieser, ohne sie zu stützen oder zu bekämpfen, enthaltsam koexistie ren.“77 Denn die großen Gesten radikaler Weltveränderung (das „ganz Andere“ von Herbert Marcuse) oder Weltverneinung (Adornos These, das Ganze sei das Unwahre)frühererFormenderkritischenTheoriehatHabermasbeiseitegescho benzugunstenseinerKonzeptionumfassenderDialogizität. 74DiesvoralleminseinenSchriftenzurEnzyklika„FidesetRatio“,inRatzinger(2003),S. 148ff. 75Dagegen:Arens(1989). 76Vgl.ReeseSchäfer(2001a),S.5060,bes.S.53. 77Habermas(1988),S.185.
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WalterReeseSchäfer
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Dr.AbouTaam,Marwan;RegierungsangestellterbeimLandeskriminalamtRhein landPfalzundassoziierterPartneramVolkswagenForschungsprojekt„Hybride europäischmuslimischeIdentitätsModelle(HeyMAT)“. Prof.Dr.Fetscher,Iring;seit1988emeritierterProfessorderPolitikwissenschaftan derUniversitätFrankfurt. Dr. Foroutan, Naika; Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt UniversitätBerlin und Leiterin des VolkswagenForschungsprojektes „Hybride europäischmuslimischeIdentitätsModelle(HEyMAT)“ Hasche, Thorsten; Promotionsstudent an der Göttinger Graduiertenschule Gesell schaftswissenschaften und Promotionsstipendiat der Studienstiftung des deut schenVolkes. Dr. HeuerVogel, Daniela; Lehrbeauftragte an der Abteilung für Internationale Beziehungen am Seminar für Politikwissenschaften an der GeorgAugust UniversitätGöttingen. Prof. Dr. Kelman, Herbert; emeritierter Professor der Sozialethik an der Harvard Universität. Prof. Dr. Lewis, Bernhard; emeritierter Professor an der Universität Princeton; HistorikerundPublizistmitdemSchwerpunktOrientalistikundGeschichtedes Islam. Prof.Dr.ReeseSchäfer,Walter;ProfessorfürpolitischeTheorieundIdeengeschich teanderGeorgAugustUniversitätGöttingen. Prof.Dr.Tetzlaff,Rainer;bis2006ProfessorderPolitikwissenschaftanderUniver sitätFrankfurt. Prof.Dr.Wolffsohn,Michael;ProfessorfürneuereGeschichteanderBundeswehr universitätMünchen.
M. Abou-Taam et al. (Hrsg.), Zwischen Konfrontation und Dialog, DOI 10.1007/978-3-531-93001-5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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DieHerausgeber Dr. Marwan AbouTaam ist Politologe, Volkswirt und Islamwissenschaftler. Er arbeitet beim Landeskriminalamt in Mainz und ist zuständig für den Bereich politischmotivierteKriminalität/Islamismus.EristassoziierterProjektpartnerim VWForschungsprojekt Hybride Europäischmuslimische IdentitätsModelle/ HEYMAT. Jost Esser, M.A. ist Politologe und Kommunikationswissenschaftler. Nach dem StudiuminGöttingenundBerkeleywarerAssociateamWeatherheadCenterfor InternationalAffairs,HarvardUniversity(SpringTerm2000).EristInhaberder WerbeagenturTRIALOGconcept. Dr.NaikaForoutanistPolitologinamInstitutfürSozialwissenschaftenderHum boldtUniversität zu Berlin. Sie ist dort Leiterin des VWForschungsprojektes HybrideEuropäischmuslimischeIdentitätsModelle/HEYMAT.
M. Abou-Taam et al. (Hrsg.), Zwischen Konfrontation und Dialog, DOI 10.1007/978-3-531-93001-5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011