Georg Rubel
Erkenntnis und Bekenntnis Der Dialog als Weg der Wissensvermittlung im Johannesevangelium
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Georg Rubel
Erkenntnis und Bekenntnis Der Dialog als Weg der Wissensvermittlung im Johannesevangelium
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NEUTESTAMENTUCHE ABHANDLUNGEN
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Neue Folge 54
GEORGRUBEL
ERKENNTNIS UND BEKENNTNIS DER DIALOG ALS WEG DER WISSENSVERMITTLUNG IMJOHANNESEVANGELIUM
ASCHENDORFF MÜNSTER
NEUTESTAMENTLICHE ABHANDLUNGEN Begriindet von Augustinus Bludau, fortgeführt von Max Meinertz,Joachim Gnilka, herausgegeben von Martin Ebner
Neue Folge Band 54
© 2009 AschendorffVerlag GmbH & Co. KG, Münster
Das Werk ist urheberrechtlich geschülZt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auffotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsanspruche des § 54,Abs. 2, UrhGwerden durch die Verwertungsgesellschaft Wortwahrgenommen. GesamthersteUung: AschendorffDruck und Dienstleistungen GmbH & Co. KG, DruckhausAschendorff, Münster, 2009 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papiere ISBN 978-3402-11437-7
PARENTIBUS MEIS
Vorwort 'Ev &:pxfl ~v 0 i.,6yoc;. Wenn Johannes sein Evangelium mit der theologischen Vorstellung beginnt, dass am Anfang das Wort war, dann kann es demzufolge nichts geben, was VM" dem Wort war. Ist damit die Gattung Vor-Wort überhaupt vereinbar mit der johanneischen Theologie? Wie gut, dass der Begriff i.,6yoc; ein sehr breites Bedeutungsspektrum aufweist und nicht nur mit "Wort", sondern u. a. auch mit "Sammeln", "Lesen", "Rechnen", "Berechnung", "Vernunft" oder auch "Ruhm" übersetzt werden kann. So kommt diese Arbeit, die im Wintersemester 2007/2008 von der Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt als Inaugural-Dissertation angenommen wurde, doch noch zu einem Vorwort. Ein solches bietet dem Verfasser eine willkommene Gelegenheit, entsprechend dem Thema dieser Untersuchung mit den Personen in Dialog zu treten und zu kommunizieren, die maßgeblich am Entstehen dieser Arbeit beteiligt waren. Mein erster und aufrichtiger Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Lothar Wehr, der mir die Promotion bei ihm anbot und diese mit großer Gewissenhaftigkeit und Umsicht begleitete. Als seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neutestamentliche Wissenschaften in Bamberg und anschließend in Eichstätt gewährte er mir jederzeit den nötigen Freiraum zum. eigenständigen Forschen. Für seine Förderung sowie für die Erstellung des Erstgutachtens danke ich ihm sehr herzlich. Ich bedanke mich auch bei Herrn Prof. Dr. Burkard M. Zapff, der sich als Zweitgutachter zur Verfügung stellte und das entsprechende Gutachten verfasste. Ein besonderes Dankeschön gilt Frau Prof. Dr. Sabine Föllinger, die mir durch ihre Antrittsvorlesung in Bamberg wertvolle Anstöße zum Thema gab, stets bereit war, mit mir in den Dialog über den Dialog zu treten und mir ihre zu diesem Zeitpunkt noch unveröffentlichten Aufsätze zum Dialog in der Antike anvertraute. Prof. Dr. Martin Ebner sowie Prof. Dr. Hubert Frankemölle danke ich für die Aufnahme der Untersuchung in die Reihe "Neutestamentliche Abhandlungen". Meinem Heimatbistum Bamberg und der Diöze-
VI
Vorwort
se Eichstätt gilt mein Dank für die gewährten Zuschüsse zu den Druckkosten. Frau Irene Loch, Ht!rr Dr. Christian Schramm und Herr Georg Busse waren bereit, die Mühe des Kor~ekturlesens auf sich zu nehmen. Für ihre in gewohnt .akribischer und sorgfältiger Manier geleistete Arbeit danke ich ihnen sehr herzlich sowie für ihre aufmunternde Begleitung während der gesamten Promotion. Ein besonderer Dank gilt meinem Schwager Jürgen Weißerth, der mir jederzeit hilfsbereit und geduldig zur Verfügung stand, meine computertechnischen Probleme zu lösen, und der sämtliche Formatierungsarbeiten für die Veröffentlichung der Dissertation übernahm. Meinen Eltern Angelika und Siegbert Rubel, die mich bei allem, was ich bisher in meinem Leben getan habe, sowohl ideell als auch finanziell unterstützt und gefördert haben, ist diese wissenschaftliche Erstlingsfrucht in Liebe und Dankbarkeit gewidmet.
Neukenroth und Eichstätt, zum Fest der hl. Katharina von Alexandrien 2008
GeorgRubel
Inhaltsverzeichnis
A. Prolegomena 1.
Kommunikation .................... ........................... .... ....... ..... ................ 1 1. Was ist Kommunikation? ............................................................ 1 2. Wozu braucht der Mensch Kommunikation? ........................... 3 3. Welche Ebenen von Kommunikation gibt es? .......................... 5
11.
Gespräch und Dialog. ............................... ....................................... 8 1. Das Gespräch.............. ............................ .................................... 8 2. Der Dialog .................................................................................. 9
IH. Der literarische Dialog ................................................................... 11 1. Definition des literarischen Dialogs ........................................ 11 2. Kurzer Abriss der Geschichte des literarischen Dialogs im nichtchristlichen Bereich......................................................... 11 3. Form und Funktion des literarischen Dialogs ........................ 15
IV. DasJohannesevangelium als "Evangelium der Dialoge" .............. 18 1. Dialogische Elemente beiJohannes ........................................ 18 2. Die Einteilung der DialogeJesu imJohannesevangelium ...... 20
V.
Thematik und Methodik......................................... ....................... 22 1. Die Dialoge Jesu mit Einzelpersonen als Gegenstand der
Untersuchung ........................................................................... 22 2. Vorgehensweise und Aufbau der Untersuchung .................... 24 3. Textgrundlage und Methodik ................................................. 25
VIII
Inhaltsverzeichnis
B.· Die DialogeJesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium I.
Der DialogJesu mit Nathanael inJoh 1,47-51 .............................. 29 1. Joh 1,47-51 als Bestandteil der TexteinheitJoh 1,35-51 ......... 2. Die Abgrenzung der TexteinheitJoh 1,35-51 ......................... 3. Aufbau und Inhalt vonJoh 1,35-51 ......................................... 3.1. Die ersten beidenJüngerJesu Goh 1,35-39) .................... 3.2. Die Berufung des Simon durch seinen Bruder Andreas Goh 1,40-42) ...................................................................... 3.3. Die Berufung des Philippus durchJesus Goh 1,43f.) ...... 3.4. Die BegegnungJesu mit Nathanael Goh 1,45-51) ........... 4. Entstehung vonJoh 1,35-51 ..................................................... 4.1. Ludger Schenke: Die literarische Entstehungsgeschichte vonJoh 1,19-51. 4.2. Stefan Schreiber:Joh 1,43-51 als literarische Einheit.. .... 4.3. Eigener Ansatz: Joh 1,35-51 alsjohanneische Komposition ....................... 5. Exegetische Analyse zuJoh 1,47-51 ......................................... 5.1. Die Ausgangssituation ....................................................... 5.2. Der Aufbau des Dialogs ..................................................... 5.3. Der Verlauf des Dialogs .................................................... 5.3.1. Eröffnung des Dialogs: Der werbende RufJesu (V. 47c) und die erstaunte Frage Nathanaels (V. 48b) ............... 5.3.2. Vertiefung des Dialogs: Das wunderbare WissenJesu (V. 48d) ................... 5.3.3. Höhepunkt des Dialogs: Das doppelte Bekenntnis Nathanaels (V. 49) ....... 5.3.4. Abschluss des Dialogs: Das doppelte VerheißungswortJesu (V. 5Of.) ....... 5.4. Die johanneische Strategie der Wissensvermitdung........ 5.4.1. Die Skepsis des Nathanael als Ausgangspunkt ...... 5.4.2. Der Weg der Wissensvermitdung im Dialog zwischenJesus und NathanaeI .............. 5.4.3. Weiterführendes Wissen am Ende des Dialogs .....
30 31 33 33 36 38 38 40 40 41 43 46 46 47 49
49 51 53 56 64 64 65 66
Inhaltsverzeichnis
11.
IX
Der DialogJesu mit der Samaritanerin inJoh 4,7-26 ................... 69 1. Joh 4,7-26 als Bestandteil der TexteinheitJoh 4,1-42 ............. 73 2. Aufbau vonJoh 4,1-42 .............................................................. 74 3. Entstehung vonJoh 4,1-42 ....................................................... 75 3.1. RudolfBultmann ............................................................... 76 3.2. Andrea Link............................... ........................................ 76 3.3. Teresa Okure ..................................................................... 77 3.4. Eigener Ansatz ................................................................... 79 4. Exegetische Analyse zuJoh 4,7-26 ........................................... 80 4.1. Die Ausgangssituation ...................... ............................ ..... 80 4.2. Der Aufbau des Dialogs..................................................... 85 4.3. Literarkritische Beobachtungen am Dialog ..................... 87 4.4. Der Verlauf des Dialogs .................................................... 89 4.4.1. Eröffnung - Unterbrechung - Fortführung2. Unterbrechung des Dialogs: Der Jude Jesus und die samaritanische Frau (V.7-9) ..................... 89 4.4.2. Die Fortführung des Dialogs: Das lebendige Wasser (V. 10-15) ............................ 93 4.4.3. Themenwechsel: Der durchschauende und der durchschaute Mensch (V. 16-19) ........... 102 4.4.4. Der Dialog in vollem Gange: Anbetung in Geist und Wahrheit (V. 20-24) ....... 108 4.4.5. Der Höhepunkt des Dialogs: Die Selbstoffenbarung Jesu als Messias (V. 25f.). 115 5. Die Auswirkungen des Dialogs auf den Fortgang der Erzählung ........................................... 120 5.1. Das Weggehen der Samaritanerin zu ihren Landsleuten und das Kommen der Samaritaner zuJesus ................... 120 Exkurs: Diejüngerbelehrung inJoh 4,31-38 ....:......................... 122 5.2. Die Missionierung der Samaritaner und ihr Bekenntnis zuJesus als dem Retter der WeiL .. 124 6. Der Weg der Wissensvennittlung in Joh 4,1-42..................... 131 6.1. Der Weg der Wissensvennittlung innerhalb des Dialogs inJoh 4,7b-26 .............................. 132 6.2. Der Weg der Wissensvennittlung über den Dialog hinaus in der narratio ........................ 134
III. Der DialogJesu mit dem Blindgeborenen inJoh 9,35-38 .......... 136 1. Joh
9,35~38
als Bestandteil der TexteinheitJoh 9,1-41 ......... 137
x
Inhaltsverzeichnis
2. Abgrenzung der TexteinheitJoh 9,1-41 und Stellung im Evangelium ................................................. 3. Aufbau vonJoh 9,1-41 ............................................................ 4. EntstehungvonJoh 9,1-41 ..................................................... 4.1. Problemanzeigen zuJoh 9 und ihre Lösung in der Forschung ............................................................. 4.2. Matthias Rein: Entstehungsmodell zuJoh 9,1-41. .......... 4.3. Kritik an Rein und eigener Lösungsansatz .................... 5. Exegetische Analyse zuJoh 9,35-38.;: .................................... 5.1. Die Ausgangssituation ..................................................... 5.2. Der Aufbau des Dialogs................................................... 5.3. Der Verlauf des Dialogs .................................................. 5.3.1. Paukenschlag zur Eröffnung: Die GlaubensfrageJesu (V. 35) ............................ Exkurs: Der Menschensohn imJohannesevangelium ................ 5.3.2. Retardierendes Moment: Gegenfrage des Geheilten (V. 36) ....................... 5.3.3. Der Höhepunkt des Dialogs: Die SelbstoffenbarungJesu (V. 37) ..................... 5.3.4. Der Abschluss des Dialogs: Verbales und nonverbales Bekenntnis (V. 38) ........................... 6. Wissen und Nicht-Wissen inJoh 9,1-41 ................................. 6.1. Der Glaubensweg des Blindgeborenen .......................... 6.2. Der Unglaube der Pharisäer ........................................... 6.3. Die Entscheidung des Lesers ............................ ~.............
137 140 144 144 146 147 151 151 152 153 153 155 160 162 163 167 167 169 171
IV. Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27 ............................... 174 1. 2. 3. 4.
Joh 11,20-27 als Bestandteil der TexteinheitJoh 11,1-53 ..... Die Stellung von Joh 11 im Johannesevangelium ................. Der Aufbau vonJoh 11,1-53 ................................................... Entstehung vonJoh 11,1-53 - Literarkritische und traditionsgeschichtliche Überlegungen ................................ 5. Exegetische Analyse zuJoh 11,20-27 ..................................... 5.1. Die Ausgangssituation ............... ,..................................... 5.2. Der Aufbau des Dialogs................................................... 5.3. Der Verlauf des Dialogs .................................................. 5.3.1. Eröffnung des Dialogs: Martha und ihr Gottvertrauen (V. 2lf.) .............. 5.3.2. Die AntwortJesu: Eine offene Zusage (V. 23) ..... 5.3.3. Fortführung des Dialogs: Das vermeintliche Wissen der Martha (V. 24) ....
175 176 178 179 183 183 186 187 187 189 190
Inhaltsverzeichnis
5.3.4. Der Höhepunkt des Dialogs: Die SelbstoffenbarungJesu (V. 25f.) ................... Exkurs: Die Ich-bin-Worte desJohannesevangeliums ................ 5.3.5. Ende und Ziel des Dialogs: Das christologische Spitzenbekenntnis der Martha (V. 27) ................ 6. Der Weg derWissensvermittlung inJoh 11,20-27 ................. 7. Die Verortung des Dialogs innerhalb der Lazarusperikope. 8. Die Bedeutung des Dialogs für dasJohannesevangelium .... V.
XI 192 192 203 214 216 218
Der Dialog des Auferstandenen mit Maria Magdalena inJoh 20,15-17 und ihre Reaktion inJoh 20,18 .......................... 221 1. Joh 20,15-18 als Bestandteil der TexteinheitJoh 20,1-18 ..... 222 2. Die Abgrenzung der TexteinheitJoh 20,1-18 ....................... 223 3. Aufbau und Inhalt vonJoh 20,1-18 ....................................... 226 3.1. Die Entdeckung des leeren Grabes durch Maria Magdalena und ihre Berichterstattung an Simon Petrus und den Jünger, denJesus liebte (Joh 20,lf.) .... 226 3.2. Der Wettlauf der beidenjünger zum Grab .................... 228 3.3. Die Ostererfahrung Maria Magdalenas am Grab........... 230 3.4. Kommen - Sehen - Glauben inJoh 20,1-18 .................. 233 4. EntstehungvonJoh 20,1-18 ................................................... 236 4.1. Literarkritische Betrachtungen ...................................... 236 4.2. Traditionsgeschichtliche Analyse ................................... 238 4.3. Redaktionelle Bestrebungen desJohannesevangelisten 245 5. Exegetische Analyse zuJoh 20,15-18 ..................................... 250 5.1. Die Ausgangssituation ..................................................... 250 5.2. Der Aufbau des Dialogs ................................................... 251 5.3. Der Verlauf des Dialogs ................................................... 253 5.3.1. Eröffnung: Die beideri FragenJesu (V. 15bc) ..... 253 5.3.2. Retardierendes Moment: Die Verwechslungsszene (V. 15d-i) ...................... 256 5.3.3. Höhepunkt des Dialogs: Die Erkennungsszene (V. 16) .............................. 259 5.3.4. Abschluss des Dialogs: Der Auftrag des Auferstandenen (V. 17) ............ 265 5.4. Reaktion auf den Dialog: Die Auftragsausführung durch Maria Magdalena (V. 18) ..................................... 271 6. Die johanneische Strategie der Wissensvermittlung inJoh 20,1-18 .......................................................................... 274 6.1. Das Nichtwissen der Maria Magdalena als Ausgangspunkt ................................................................ 274
XII
Inhaltsverzeichnis
6.2. Der Weg der Wissensvennittlung im Dialog zwischen Jesus und Maria Magdalena ............................................ 275 6.3. Die Wissensweitergabe über den Dialog hinaus ............ 277 VI. Der Dialog des Auferstandenen mit Thomas inJoh 20,27-29 .... 279 1. Joh 20,27-29 als Bestandteil der TexteinheitJoh 20,24-29 ... 2. Das Verhältnis vonJoh 20,24-29 zuJoh 20,19-23 .................. 3. Aufbau und Inhalt vonJoh 20,19-29 ..................................... 3.1. Die Erscheinung des Auferstandenen vor den Zwölf Goh 20,19-23) .................................................................. 3.2. Die besondere Situation des Thomas Goh 20,24f.) ....... 3.3. Die Begegnung des Thomas mit dem Auferstandenen Goh 20,26-29) .................................................................. 4. Entstehung vonJoh 20,19-29 ................................................. 4.1.Joh 20,19-23 als traditionelle Vorgabe und ihre johanneische Bearbeitung.. ............................................ 4.2. Joh 20,24-29 als schöpferisches Produkt des Johannesevangelisten ...................................................... 5. Exegetische Analyse zuJoh 20,27-29 ..................................... 5.1. Die Ausgangssituation ...................................................... 5.2. Der Aufbau des Dialogs................................................... 5.3. Der Verlauf des Dialogs .................................................. 5.3.1. Eröffnung des Dialogs: Eingehen auf die Bedingungen des Thomas und GlaubensforderungJesu (V. 27) .......................... 5.3.2. Höhepunkt des Dialogs: Das Glaubensbekenntnis des Thomas (V. 28) .... 5.3.3. Abschluss des Dialogs: (Nicht-)Sehen und Glauben (V. 29) .................... 6. Der Weg der Wissensvennittlung inJoh 20,24-29 ................. 6.1. Das Nicht-Wissen des Thomas als Ausgangspunkt ......... 6.2. Der Weg der Wissensvennittlung im Dialog .................. 6.3. Zusammenfassendes und weiterführendes Wissen am Ende des Dialogs ........................................................
280 281 283 283 287 291 293 293 296 299 299 300 302
302 306 310 314 ·314 315 316
Inhaltsverzeichnis
XIII
c. Theologischer Ertrag: Der Dialog als Weg der Wissensvermittlung im Johannesevangelium 1.
Kriterien zum Vergleich der Dialoge jesu mit Einzelpersonen im j ohannesevangelium .................................... 319
1I. Vergleich der Dialogejesu mit Einzelpersonen im johannesevangelium .................................................................... 322 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Stellung des Dialogs imjohannesevangelium ....................... Länge des Dialogs............................................................. ...... Dialogpartner ......................................................................... Ausgangsbedingungen des Dialogs ......................... ........... ... Eröffnung des Dialogs............................................................ Verlauf des Dialogs ................................................................. Abschluss und Auswirkungen des Dialogs.............................
322 323 324 326 332 334 338
III. Der Dialog als Weg der Wissensvermittlung ..............................• 344 IV. Theologische Kommunikation und Kommunikative Theologie 351
Quellen- und Literaturverzeichnis ...................................................... 355 Register ................................................................................................ 377
A. Prolegomena Erkenntnis und Bekenntnis - Der Dialog als Weg der Wissensvermittlung im Johannesevangelium, so lautet der Titel der hier vorliegenden Untersuchung. Für die Bearbeitung dieses Themas bedarf es einleitend einiger Vorbemerkungen, die schrittweise zum Forschungsgegenstand hinführen und gleichzeitig dazu dienen, bestimmte Begriffe zu definieren und von anderen Begrifflichkeiten abzugrenzen. Insofern sich die folgenden Ausführungen auf den Dialog im vierten Evangelium beziehen, liegt es nahe, zunächst das Phänomen der Kommunikation als solches in den Blick zu nehmen und sodann den Dialog als spezielle Form von Kommunikation zu beleuchten. Nach einer Abgrenzung des Dialogs vom Gespräch und nach Ausführungen zu Wesen und Funktion des literarischen Dialogs ist der Boden für die Exegese im Rahmen der Themenstellung soweit bereitet, dass die DialogeJesu imJohannesevangelium angegangen werden können. Aus den verschiedenen Gruppen von DialogenJesu im vierten Evangelium werden die DialogeJesu mit Einzelpersonen als Gegenstand der Untersuchung benannt, bevor abschließende Bemerkungen zu Vorgehensweise und Methodik zum Hauptteil überleiten und die exegetische Analyse der einzelnen Dialoge beginnen kann.
I. KOMMUNIKATION
1. Was ist Kommunikation? Wer sich dieser Frage stellt, wird sehr bald zu der Einsicht gelangen, dass es alles andere äls leicht ist, eine treffende Antwort auf diese doch recht einfach klingende Frage zu geben. Offensichtlich handelt es sich bei dem Stichwort Kommunikation um einen komplexen Begriff bzw. Sachver!J.alt, der einer etwas genaueren, soweit im Rahmen dieser exegeti~chen Arbeit möglichen Betrachtung bedarf, ohne dass damit
2
Prolegomena
eine umfassende und jeden zufrieden stellende Antwort auf die eingangs formulierte Frage zu erwarten wäre. Merten hat sich schon vorjahren die Mühe gemacht, 160 Definitionen von Kommunikation zu sammeln l und diese nach verschiedenen Kriterien systematisch zu untersuchen. 2 Über die Struktur und die strukturellen Elemente der Definitionen hinaus lässt sich bei ihm aus der formalen und vor allem inhaltlichen Aufschlüsselung von Kommunikation die ganze Bandbreite dieses Feldes herauslesen. Wird Kommunikation in formaler Hinsicht weithin als Prozess verstanden3 , so ergeben sich bei der inhaltlichen Bestimmung von Kommunikation die unterschiedlichsten Ergebnisse: Kommunikation wird verstanden als Transmission von etwas, als Reiz-Reaktions-Handlung, als Interpretation, als Verständigung, als Austausch, als Teilhabe, als Beziehung, als Verhalten, als Interaktion, als Residualkategorie. 4 Allein dieser kurze Überblick vermag aufzuzeigen, dass es keine einheitliche Vorstellung von Kommunikation gibt und es schier unmöglich ist, das Phänomen Kommunikation umfassend zu definieren. Wenn es schon keine allgemeingültige Definition gibt, was lässt sich dann generell über Kommunikation sagen, wie lässt sie sich -beschreiben? Der Begriff "Kommunikation" geht auf das lateinische Substantiv communicatio zurück und bedeutet "Mitteilung". Eine Mitteilung kann zwischen Menschen, Lebewesen, maschinellen Systemen oder technischen Geräten erfolgen, indem ein Sender über einen Code einem Empfänger eine Nachricht, welcher Art auch immer, zukommen lässt. Für den Code kommen die verschiedensten Symbole und Zeichen, z. B. Sprache, Schrift, Mimik, Gestik, Bilder usw. in Frage, unter der Voraussetzung, dass alle an der Kommunikation Beteiligten diesen Code entschlüsseln können.5 Für die Kommunikation zwischen Menschen am meisten charakteristisch und auch leistungsfähigli ist die Sprache. 7 Diese hohe Bedeutung 1
2
3 4 5
6
Vgl. die Zusammenstellung bei K. MERTEN, Kommunikation 168-182. Nach der Darstellung seiner methodisch-hermeneutischen Vorgehensweise bei der Definitionsanalyse stellt Merten die wichtigsten Ergebnisse der Auszählung vor, um dann die analysierten Definitionen inhaltlich diskutieren zu können, vgl. K. MERTEN, Kommunikation 29-38. Vgl. die Übersicht bei K. MERTEN, Kommunikation 37. Vgl. K. MERTEN, Kommunikation 38. Jedoch hängt eine "gelingende" Kommunikation nicht nur von der potenziellen Fähigkeit zur Entschlüsselung des jeweiligen Codes, sondern auch noch von vielen anderen Faktoren ab, wie z. B. von der Beziehung der an der Kommunikation Beteiligten. So die Einschätzung von H.-D. BASTIAN, Kommunikation 100.
Kommunikation
3
der Sprache für die Kommunikation zeigt sich allein schon in der Tatsache, dass in Abgrenzung zur verbalen Kommunikation über Sprache alle anderen Formen als non-verbale Kommunikation bezeichnet und manche darüber hinaus noch mit Sprache direkt in Zusammenhang gebracht werden, wenn z. B. von Symbolsprache, Bildersprache oder Körpersprache die Rede ist und damit die "Sprache" als verbale Kommunikationsform in nonverbale .Kommunikationsformen eingetragen wird. s Umgekehrt darf dies aber nicht dazu führen, Sprache und Kommunikation miteinander gleichzusetzen und das komplexe Phänomen Kommunikation auf rein sprachliche Akte zu reduzieren. Kommunikation, ob verbal oder nonverbal, zwischen wem, in welchen Formen und zu welchen Zw~cken auch immer, eröffnet ein weites Feld und führt immer wieder zurück zur Ausgangsfrage: "Was ist eigentlich Kommunikation?" und darüber hinaus zu anderen Fragen, wie sie im Folgenden gestellt werden.
2. Wozu braucht der Mensch Kommunikation? Hartig .stellt zu Recht fest, dass es bei menschlichen Handlungen "keine kommunikationslosen Zeiten"9 gibt. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Unser Leben ist durch und durch geprägt von kommunikativen Strukturen, so dass die Kommunikation zu einem Hauptcharakteristikum der heutigen gesellschaftlichen Welt avanciert. lO Der Mensch, will er am gesellschaftlichen Leben partizipieren, ist demnach angewiesen auf Kommunikation. Aber selbst wenn er sich rein theoretisch dem entziehen möchte und sich jeglicher Form von Kommunikation verweigern möchte, so gilt doch das folgende metakommunikative Axiom von Watzlawick: "Man kann nicht nicht kommunizieren."11 Wie Verhalten kein Gegenteil hatl2 , so gibt es auch bei der Kommunikation, die laut Watzlawick Mitteilungscharakter hat und demnach Verhalten darstellt, keine Nicht.., Der Bedeutung der Sprache im verbalen Bereich entspricht die der Schrift für die nonverbale Kommunikation. S Vgl.]. RINKE, Kerygma 5. 9 So M. HARTIG, Kommunikation 13. 10 Ebd., wobei die absolute Feststelhing von Hartig: .Die Kommunikation ist das Hauptcharakteristikum unserer heutigen gesellschaftlichen WeIt" hier bewusst relativiert und die Bedeutung der Kommunikation ebenso bewusst noch in einem Prozess der weiteren verstärkten Durchdringung der Gesellschaft begriffen wird. 11 So die These von P. WATZLAWICK, Kommunikation 53. 12 Ich kann mich nicht nicht verhalten; auch das Nichtstun ist beispidsweise eine Form des Verhaltens.
4
Prolegomena
Kommunikation. Auch Schweigen ist beispielsweise eine Form der Kommunikation. Beim Schweigen kommuniziert deIjenige, der schweigt, mit seiner Umwelt, und die Umwelt kommuniziert umgekehrt mit demjenigen, der schweigt, indem sie sein Schweigen akzeptiert oder aber versucht, sein Schweigen zu durchbrechen und mit der betreffenden Person in direkten Kontakt zu treten. Allein schon aus diesem Beispiel geht deutlich hervor, dass es für den Menschen nicht möglich ist, nicht zu kommunizieren. Selbst wenn die Kommunikation nicht absichtlich bzw. unbewusst oder indirekt erfolgt, jeder Mensch ist dem Phänomen Kommunikation ausgesetzt und kann gar nicht anders, als mit seiner Umwelt zu kommunizieren.I 3 Diese Notwendigkeit zur Kommunikation begleitet den Menschen sein ganzes Leben lang. Bereits im Mutterleib kommuniziert das ungeborene Kind mit der Mutter und über die Mutter mit der Umwelt. Kommunikationsstörungen in den ersten Lebensjahren und darüber hinaus können beim betreffenden Menschen schwere körperliche und/ oder seelische Schäden hervorrufen.l 4 Der Mensch muss also kommunizieren, um leben zu können, oder noch radikaler ausgedrückt: Die Kommunikation macht den Menschen erst zum Menschen. Über die verschiedensten kommunikativen Formen tritt jeder Mensch mit anderen Menschen, mit der Gesell~chaft und mit der restlicheri Umwelt in Kontakt. Die Kommunikation mit dem Gegenüber beendet die Isolierung des Einzelnen und schafft eine Ich-Du-Beziehung, die das Ich am Du werden lässt und umgekehrt: "Beziehung ist Gegenseitigkeit. Mein Du wirkt an mir, wie ich an ihm wirke. "15 So erweist sich der Mensch in der kommunikativen Begegnung mit dem anderen Menschen laut dem jüdischen Philosophen Buber als "dialogisches Wesen" und entwickelt eine personale Beziehung: "Wer Du spricht, hat kein Etwas zum Gegenstand. Denn wo Etwas ist, ist anderes EtWas, jedes Es grenzt an andere Es, Es ist nur dadurch, dass es an andere grenzt. Wo aber Du gesprochen wird, ist kein Etwas. Du grenzt nicht. Wer Du spricht, hat keIn Etwas, hat nichts. Aber er steht in det Beziehung. "16 Menschliche Kommunikation hat demnach eine dialogisierende Funktion; sie ermöglicht den Dialog zwischen Menschen und schafft eine dialogische Beziehung zwischen Ich und Du.
13 14 15 16
Vgl. P. WATZLAWICK, Kommunikation 50-53. Vgl. R. A. SPITZ, Säugling 140-166. So M. BUßER, Prinzip 19. M. BUßER, Ich und Du 10r.
Kommunikation
5
Die Kommunikation mit mehreren Menschen in einer Gruppe gliedert das Individuum in einen Sozialverband ein und stellt eine IchWir-Beziehung her, die das Ich am Wir werden lässt und umgekehrt. Auch hier gilt: In der kommunikativen Begegnung mit den anderen Menschen zeigt der Mensch sein dialogisches Wesen und entwickelt eine soziale Beziehung. Menschliche Kommunikation hat demnach eine sozialisierende Funktion; sie bringt soziale Bindungen in Gruppen hervor und schafft eine Beziehung zwischen Ich und Du im Wir. 17 Die Kommunikation mit Menschen und mit der Gesellschaft verortet den einzelnen Menschen in der Welt als solcher und erschließt ihm seine Welt. Im kommunikativen Austausch mit seiner Umwelt wird der Einzelne zum aktiven Subjekt und gewinnt dadurch seine eigene Identität. Durch diese "kommunikative Entfaltung der Persönlichkeit"18 enolgt eine kommunikative Entfaltung der Wirklichkeit für den Einzelnen. Menschliche Kommunikation hat demnach eine identitätsstiftende Funktion, indem sie den Menschen durch den Austausch mit anderen Menschen und mit der Umwelt zur Entdeckung seiner Persönlichkeit verhilft, und eine wirklichkeitsstiftende Macht, indem sie durch Dialogisierung und Sozialisierung dem Individuum seine Wirklichkeit aufzeigt. 19
3. Welche Ebenen von Kommunikation gibt es? In seinem grundlegenden Werk über die menschliche Kommunikation unterscheidet Watzlawick zwei Ebenenjeglicher Form kommunikativen Handeins, eine Inhalts- und eine Beziehungsebene. 20 Auf der Inhaltsebene findet reine Informationsvermittlung statt, es werden Zahlen, Daten und Fakten übertragen, unabhängig davon, ob diese Informationen wahr oder falsch, gültig oder ungültig, von Bedeutung oder nicht von Bedeutung sind. Neben dieser leicht auszumachenden "Was-Ebene" zeichnet sich jede Kommunikation durch eine schwieriger zu fassende "Wie-Ebene" aus. Diese Ebene bringt zum Ausdruck, wie der Sender· dem Empranger eine Mitteilung übermittelt und lässt darauf schließen, welche Beziehung zwischen den Kommunibtionspartnem besteht.
17 Vgl. H.-D. BAsTIAN, Kommunikation 62f. 18 50 M. HARTIG, Kommunikation 13. 19 VgI. M. 5CHARER/B.J. HILBERATH, Theologie 34-36. 20
VgI. zum Folgenden P. WATZIAWICK, Kommunikation 53-56.
6
Prolegomena
Im Unterschied zum Inhaltsaspekt verhält es sich mit dem Beziehungsaspekt wesentlich komplexer, er stellt laut Watzlawick eine "Kommunikation über eine Kommunikation"21 und damit eine Metakommunikation dar. Was sein Verhältnis zum Ersteren betrifft, so beeinflusst der Beziehungsaspekt den Inhaltsaspekt derart, dass er über das Gelingen der Kommunikation entscheidet; bei einer gestörten Beziehung kann der beste Inhalt nicht transportiert werden; umgekehrt kann bei einer funktionierenden Beziehung der Inhalt sekundär sein. 22 Vereinfacht gesagt: Das "Wie" kann entscheiden über das "Was". Seine Überlegungen zu den verschiedenen Ebenen von Kommunikation fasst Watzlawick in folgendem Axiom zusammen: ,Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist. "23 Das soeben theoretisch Gesagte lässt sich in einem Bild gut veranschaulichen: Von einem Eisberg ist nur die Spitze sichtbar; der weitaus größere Teil befindet sich unsichtbar im Meer. Mit den beiden Ebenen der Kommunikation verhält es sich ähnlich: Die Inhaltsebene ist augenfällig und deshalb leicht auszumachen, während die Beziehungsebene im "Verborgenen" ruht und deshalb umso schwieriger wahrzunehmen, geschweige denn zu bestimmen ist. In Anlehnung an das zweistufige Schema von Watzlawick u. a. entwickelt Schulz von Thun ein Modell, das zwischen vier Seiten (Aspekten) einer Nachricht unterscheidet: Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Beziehung und Appell. 24 Dem Inhaltsaspekt bei Watzlawick entspricht bei Schulz von Thun der Sachinhalt. Jede Nachricht enthält eine Sachinformation, die mitgeteilt wird. Der Beziehungsaspekt bei Watzlawick untergliedert sich bei Schulz von Thun in die drei Bereiche Selbstoffenbarung, Beziehung im engeren Sinn und Appell. Durch diese Ausdifferenzierung lässt sich die "verborgene" Beziehungsebene leichter wahrnehmen und auch besser beschreiben. Neben Sachinhalten enthält jede Nachricht auch Informationen über die Person des Senders. Wenn der Sender eine Nachricht mitteilt, dann geschieht immer eine gewisse Selbstoffenbarung des Senders; der 21 So P. WATZIAWlCK, Kommunikation 55. 22
23 24
Die vorsichtige Formulierung soll andeuten, dass es bei Kommunikation auch auf den Inhalt ankommt, dieser aber durch den Beziehungsaspekt nochmals eine andere Klassifizierung erf"ahrt. P. WATZlAWlCK, Kommunikation 56. Vgl. F. SCHULZVONTHUN, Störungen 25-30.
Kommunikation
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Sender gibt etwas von sich selbst kund, sei es freiwillig als Selbstdarstellung, sei es unfreiwillig als Selbstenthüllung. Die Beziehung im engeren Sinne betrifft das Verhältnis zwischen Sender und Empfänger. Aus der Nachricht lässt sich schließen, wie der Sender zum Empfänger steht und was beide voneinander halten. Dadurch kommt in der Mitteilung eine zweifache Art von Beziehung zum Ausdruck, zum einen die Beziehung zum Empfänger, zum anderen die Beziehung zwischen sich und dem Empranger; im ersten Fall werden Du-Botschaften, im zweiten Fall Wir-Botschaften ausgetauscht. Die meisten Mitteilungen werden nicht einfach dahergesagt, sondern verfolgen ein bestimmtes Ziel. Der Sender will an den Empfänger appellieren und dadurch versuchen, auf ihn Einfluss zu nehmen und sein Verhalten zu ändern. Letztlich stehen die anderen drei Seiten der Nachrichten im Dienste des Appells und werden dahingehend funktionalisiert, beim Empranger eine bestimmte Wirkung zu erreichen. Der Sender appelliert über die Mitteilung an den Empfänger und versucht, ihn durch diesen Appell zu einer bestimmten Reaktion zu animieren. Wenn Kommunikation etwas erreichen soll - und ein bestimmtes Ziel liegt jedem kommunikativen Akt zugrunde - dann stellt dieser zuletzt genannte Aspekt des Appells die wichtigste Seite einer Nachricht dar und verdient eine besondere Beachtung bei menschlicher Kommunikation.
11. GESPRÄCH UND DIALOG Von den vielen Formen menschlicher Kommunikation sollen im Hinblick auf den weiteren Gang der Untersuchung das Gespräch und der Dialog besondere Aufmerksamkeit erfahren. Insofern beide Begriffe in der Alltagssprache oftmals synonym verwendet werden, empfiehlt es sich, jeweils eine spezifische Definition zu fonnulieren und dadurch beide Fonnen der Kommunikation voneinander abzugrenzen, so dass für die folgenden Ausführungen eine klare Trennung von Gespräch und Dialog vorliegt.
1. Das Gespräch Nach Brinker/Sager ist ein Gespräch "eine begrenzte Folge von sprachlichen Äußerungen, die dialogisch ausgerichtet ist und eine thematische Orientierung aufweist."1 Diese Definition lässt sich im Hiriblick auf ihre einzelnen Bestandteile folgendennaßen auswerten: Aus der Fonnulierung "begrenzte Folge" geht hervor, dass jedes Gespräch eine Anfangs- und eine Endphase mit entsprechenden Signalen hat und sich in eine abgrenzbare Abfolge von Äußerungen2 gliedern lässt. Wenn hier eigens von "sprachlichen Äußerungen" die Rede ist, dann wird dadurch der mündliche Charakter eines Gesprächs betont. Ein Gespräch - das Wort leitet sich ab von "sprechen" - besteht aus akustisch-verbalen Äußerungen und wird demzufolge mündlich geführt. Das Adjektiv "dialogisch" weist darauf hin, dass an einem Gespräch mindestens zwei Interaktanten beteiligt sind, die in einem Wechsel von Rede und Gegenrede miteinander kommunizieren und dabei wenigstens einmal einen Sprecherwechsel vollziehen. Im Gegensatz zu einer lockeren Konversation oder einem oberflächlichen Geplauder zeichnet sich ein Gespräch durch seine "thematische Orientierung" aus, d.h. ein Gespräch ist auf ein bestimmtes Thema ausgerichtet und besteht aus einem inhaltlich-logischen Zusammenhang der einzelnen Äußerungen. 3
1 So di~ Definition bei K. BRINKERjS. F. SAGER, Gesprächsanalyse 11. 2 Als .Außerung" wird in der Linguistik jeder beliebige Abschnitt Rede einer einzigen Person bezeichnet, vor und nach welchem die Person schweigt, ebd. 3 Vgl. zum Ganzen K. BRINKERjS. F. SAGER, Gesprächsanalyse 9-14.
Gespräch und Dialog
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Anders als beim schriftlich verfassten Text stehen beim mündlichen Gespräch die an der Kommunikation Beteiligten zeitlich in unmittelbarem Kontakt und führen ein direktes Gespräch. 4 Je nach Situation und Beziehung der Gesprächsteiln.ehmer lassen sich die verschiedensten Beispiele für solche face-to-face-Gespräche anführen, angefangen vom Unterrichtsgespräch in der Schule über das Dienstgespräch am Arbeitsplatz bis hin zum Stammtischgespräch in der Kneipe. Es entspricht unserer menschlichen Erfahrung, dass sich Gespräche oftmals auch ganz spontan ergeben und ebenso spontan zu Ende geführt werden, wie sie begonnen wurden. Man denke dabei nur an die ganz gewöhnlichen Gespräche im Alltag, wenn sich zwei Personen zufällig, z. B. beim Einkaufen, begegnen und miteinander ins Gespräch kommen. Linguisten bezeichnen alle diese erwähnten Gesprächsarten als "natürliche Gespräche"5, weil sie in natürlichen Kommunikationssituationen vorkommen. 6 Charakteristisch für alle solchen Gespräche ist der Aspekt der Mündlichkeit sowie der zeitlichen und räumlichen Unmittelbarkeit der an der Kommunikation Beteiligten.
2. Der Dialog Im Gegensatz zum Gespräch als mündlicher Wechselrede soll "Dialog" als schriftliche Wechselrede verstanden werden. Demnach lässt sich dieser· zunächst einmal als "schriftliche Wiedergabe eines Gespräches"7 definieren. Damit kommt bereits zum Ausdruck, dass der Aspekt der Schriftlichkeit konstitutiv zum Wesen des Dialogs gehört. Vom Begriff her geht unser deutsches Fremdwort "Dialog" auf das griechische Verb OLUAkYELV zurück, das wörtlich soviel wie "auseinander lesen" und dann "sondern", "zergliedern" bedeutet. Die mediale Form OLUA.EYE0'9uL bedeutet eigentlich "für sich zergliedern", "für sich auseinander lesen" und dann im übertragenen Sinn "klar und deutlich reden", "sich unterhalten", "etwas in der Rede erörtern". Das grie-
Beim Telefongespräch liegt die Besonderheit vor, dass die Gesprächsteilnehmer in räumlicher Hinsicht voneinander getrennt sind. 5 Vgl. K. BRINKER/S. F. SAGER, Gesprächsanalyse 13. 6 Hess-Liittich analysiert das transkribierte Gespräch zwischen einem Studenten und einem Dozenten am Institut der Universität und veranschaulicht daran sämtliche Merkmale eines natiirlichen Alltagsgesprächs, vgl. E. W. B. HESs-LÜ'ITICH, Interaktion 92-97. 7 So die vorläufige Definition von B. R. VOSS, Dialog 13. 4
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Prolegomena
chische Substantiv ÖLaA.oyo~ lässt sich demnach am ehesten mit "Erörterung" übersetzen. 8 Als Gegensatz zum Dialog wird pftmals und fast schon konventionell der Monolog angesehen. Ausgehend von der Anzahl der beteiligten Personen wird unterschieden zwischen dem Monolog, den eine einzige . Person hält, und dem Dialog, an dem mehrere Personen beteiligt sind und der sich durch einen Wechsel von Rede und Gegenrede auszeichnet. Dabei wird allzu leicht vergessen, dass auch am Monolog mehr als nur eine Person teilhat, insofern jeder Monolog nicht in einem luftleeren Raum gesprochen wird, sondern in einer bestimmten Gesprächssituation gehalten wird und sich an konkrete Adressaten richtet. 9 Der grundlegende Unterschied zum Dialog besteht darin, dass beim Monolog die Adressaten nicht selbst zu aktiven Sprechern werden, sondern passive Hörer bleiben. Dadurch findet beim Monolog kein Rednerwechsel statt, während sich der Dialog gerade darin auszeichnet, dass der angesprochene Adressat mindestens einmal selbst zum Sprecher wird und so eine wirkliche Erörterung zwischen den verschiedenen Dialogteilnehmern stattfinden kann,lO Nach diesen Überlegungen lässt sich mit Hirzel von Dialogen sprechen als "schriftlich fixierten (sic!) Erörterungen in Gesprächsform" 11. Der Begriff "Erörterung" weist über die formale Form hinaus inhaltlich darauf hin, dass zum Dialog ein "Thema von allgemeiner menschlicher Wichtigkeit" 12 gehört und dass der sich in die Gegenstände versenkende Dialog "nicht wie ein Schmetterling von einem zum andern flattern kann"13. Zum Wesen des Dialogs gehört also nicht nur seine formale, sondern auch seine inhaltliche Geschlossenheit.
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So die Übersetzungsvorschläge von Hirze1 in seiner aus dem jahre 1895 stammenden grundlegenden Abhandlung über den Dialog in. zwei Bänden, die bis in die Gegenwart noch als Standardwerk gilt und bisher von keinem Autor übertroffen wurde; vgl. R. HIRZEL, Dialog I 2f. . jede Form von Kommunikation hat grundsätzlich dialogischen Charakter, vgl. allein schon den Begriff der Kom-munikation. Vgl. zu diesen letzten Ausführungen F.jACQUES, Dialog 16lf. So die Definition von R. HIRZEL, Dialog I 6. Siehej. A. EBERHARD, Synonymik 11 436. So die Einschätzung von Hirze1 in Bezug auf die Abgrenzung des Dialogs von der Konversation in: R. HIRZEL, Dialog I 5.
III. DER UTERARISCHE DIALOG
1. Definition des literarischen Dialogs Neben Romandialogen, Dramendialogen und anderen dialogischen Elementen in literarischen Werken kennt die Literaturwissenschaft die Form des literarischen Dialogs, der laut Görgemanns als "eine Gattung der Prosalit. ( ... ), weIche in direkter Rede ein Gespräch zwischen mehreren Personenwiedergibt"l, definiert wird. Demnach stellt der Dialog eine eigenständige literarische Gattung in Prosa dar, die vor allem in der griechischen und lateinischen Literatur als Form der Erörterung für ethische, philosophische und politische Themen Verwendung findet und gerade in der Antike weit verbreitet ist. In einer bestimmten Situation werden über ein bestimmtes Thema geistige Auseinandersetzungen geführt, die sich entweder tatsächlich so zugetragen haben oder rein fiktiv vom Autor in dialogischer Rede und Gegenrede gestaltet sind; letzteres ist meistens der FalJ.l! Ein kurzer Gang durch die Geschichte des literarischen Dialogs im nichtchristlichen Bereich soll die Entstehung und Entwicklung dieser Gattung nachzeichnen und gleichzeitig die wichtigsten Beispiele aus der griechischen und römischen Literatur vorstellen.
2. Kurzer Abriss der Geschichte des literarischen Dialogs im nichtchristlichen
Bereich Der literarische Dialog ist keinesfalls erst ein "Sohn der Philosophie", sondern begegnet bereits weit vor den Griechen in den Literaturen des Alten Orients.3 In Ägypten lässt sich die Entstehung dieser Form aus Alltagsgesprächen heraus bis hin zu formvollendeten Dialogen beobachten. Die Bilder in den ägyptischen Gräbern mit Szenen aus dem Alltag von Bauern und Handwerkern werden mit Inschriften in Form von Wechselreden versehen.;; so dass sich dadurch Dialoge ergeben. Daneben werden typische Alltagsszenen in die Literatur aufgenommen und die 1
2 g
So die Definition von H. GöRGEMANNS, Art. Dialog 517. Vgl. A HERMANN, Art. Dialog 928. Vgl. hier und auch zum Folgenden A HERMANN/G. BARDY. Art. Dialog 929-955.
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Prolegomena
einfachen Gespräche des Volkes als Dialoge wiedergegeben. Im religiösen Bereich entwickeln sich das Fährmannsgespräch oder auch der Dialog des Toten mit den Türhütern der Unterwelt fast schon zu Standardtexten der Totenliteratur. Eng damit verbunden erscheint die Form des Dialogs im mythologischen Kontext und auch in der Weisheitsliteratur als Belehrungsgespräch des Vaters mit dem Sohn. Die spätere Zeit des Neuen Reiches bringt in den großen Tempeln niedergeschriebene Gespräche zwischen König und Gott oder Gespräche von Göttern untereinander hervor. Auch in der Fabel begegnen dialogische Elemente, so beispielsweise in der Fabel vom Kap/und den Gliedern oder im Rangstreit der Bäume Die aufgeführten Beispiele sollen verdeutlichen, dass der ägyptische Dialog seinen Sitz im Leben im Gespräch des Volkes hat und gewissermaßen die "Philosophie der einfachen Leute"4 darstellt. Ähnlich wie in Ägypten ist der Dialog auch in Mesopotamien im mythologischen Kontext verankert und wird als literarische Form für sumerische Mythen eingesetzt. Er begegnet in Streitgesprächen zwischen Göttern und Menschen, zwischen Menschen untereinander und zwischen Tieren, Pflanzen und unbelebten Gegenständen. So führen Baum und Schilfrohr oder Spitzhacke und Pflug einen dialogischen Austausch; auch die akkadische Fabel von der Dattelpalme und der Tamariske mit dem bekannten Überbietungstopos, welcher Baum denn den größeren Wert und Nutzen besitzt, steht in Dialogform. Den Ausgangspunkt für solche literarischen Produkte bilden auch hier die Alltagsgespräche der Menschen mit ihren ganz natürlichen Sorgen und Problemen. Auch in Israel gibt es in Anlehnung an die altorientalische Tradition den literarischen Dialog. doch stellt diese Gattung bei den Juden eher eine Randerscheinung dar. Die in die alttestamentlichen Bücher eingefügten Gespräche einzelner· Männer mit Gott, etwa die eines Mose oder umgekehrt die der Propheten als Sprachrohre Gottes mit dem Volk, sind hierfür als allgemeine Beispiele zu nennen. Ein Paradebeispiel für die Verwendung des literarischen Dialogs in Israel und damit gleichzeitig die große Ausnahme im jüdischen Bereich stellt das Buch Hiob dar, das bis auf die Rahmenerzählung gänzlich in Dialogform verfasst ist.5
4 5
So die Einschätzung von A HERMANN, Art. Dialog 933. Zu den Dialogen im Buch Hiob vgl. K. ENGLJÄHRINGER, Theologie im Streitgespräch. Studien zur Dynamik der Dialoge des Buches Ijob (SBS 198), Stuttgart 2003.
Der literarische Dialog
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Bei den Griechen haben Historiker wie Herodot6 oder Thukydides7 neben Reden auch Dialoge in ihre Werke eingebaut; Ion von Chios kleidet zumindest teilweise Anekdoten über berühmte Persönlichkeiten in Gesprächsform.8 Entscheidend auf die weitere Entwicklung des Dialogs als Literaturform haben sich die Dialoge der Sokratesschüler ausgewirkt. 9 Unter ihnen ragen Xenophon mit seinem Dialog Oikonomikos und Platon als der Vertreter schlechthin für den klassischen literarischen Dialog hervor; die Dialoge des zuletzt Genannten gelten als "Muster der Gattung"IO, an denen sich alle später Folgenden orientieren und auch gemessen werden . .Die 28 uns erhaltenen Dialoge Platons, von denen einige bis heute in ihrer Echtheit umstritten sind, lassen sich den verschiedenen Perioden seines Lebens zuordnen und geben eine deutliche Entwicklung zu erkennen. Zu den frühesten platonischen Dialogen, die noch etwas unreif erscheinen, zählen u. a. Protagoras, Gorgias und Alkibiades, unter den vollendetsten Dialogen der mittleren Schaffensphase finden sich beispielsweise Symposion, Phaidon oder der Staat, während die späteren Dialoge wie Phaidros oder Parmenides zu mehr oder weniger reinen Abhandlungen werden)l Als Propagandamittel und Werbung für die Philosophie schreibt Platon philosophische Erörterungen über die Person und Lehre des Sokrates. Im Unterschied zu den Lehrvorträgen der Sophisten kommt es ihm dabei allerdings nicht auf die magistrale Übermittlung von feststehendem und gesichertem Wissen an, sondern auf einen Weg zusammen mit dem Hörer bzw. Leser zur philosophischen Erkenntnis. Der Adressat der fiktiven platonischen Dialoge ist also nicht passiver Konsument von gelehrtem Wissen, sondern aktiv beteiligt am philosophischen Erkenntnisprozess und wird zu eigener Reflexion herausgefordert. Von daher ist es nur logisch und konsequent, dass die Dialoge eines Platon meistens mit keiner eindeutigen Lösung des Problems enden; vielmehr sind sie ergebnisoffen und lassen dadurch dem Adressaten genügend Spielraum für seine eigene
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Vgl. die Auflistung sämtlicher Dialoge bei Herodot von R HENI, Gespräche 189-191. Im Gegensatz zu Herodot finden sich bei Thukydides erstaunlich wenige Dialoge, vgl. R HENI, Gespräche 9. Heni macht auf die heiden einzigen von Thukydides ausgestalteten Dialoge aufmerksam und vergleicht sie mit den Dialogen bei Herodot. Vgl. H. GöRGEMANNS, Art. Dialog 517. Bardy und Görgemanns nennen Aischines von Sphettos, Aristippos, Antisthenes, Eukleides von Megara, Phaidon von Elis, von denen allerdings nur Fragmente überliefert sind; vgl. G. BARDY, Art. Dialog 938f. und H. GöRGEMANNS, Art. Dialog 517. So die Beurteilung von T. FRIEsjK. WEIMAR, Art. Dialog. 354. Vgl. G. BARDY, Art. Dialog 939-941.
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Prolegomena
philosophische Orientierung und Bewältigung des erörterten Problems. 12 Von den Nachfolgern P1.atons ist einzig und allein Aristoteles mit Namen zu nennen, dessen Dialoge jedoch leider verloren gegangen sind und von denen wir nur noch die Titel kennen. Aus den Werken anderer Schriftsteller lassen sich folgende Neuerungen eines Aristoieles gegenüber seinem Vorgänger erkennen: Zu Beginn seiner Dialoge stehen an den Leser gerichtete Proömien, es finden sich längere zusammenhängende Reden und Aristoteles tritt selbst als Sprecher, sogar als Hauptsprecher, auf.l 3 Im Unterschied zu den dialogisch ausgerichteten platonischen Dialogen tragen die aristotelischen einen stärker lehrhaft-systematischen Charakter und verstärken hinsichtlich des Wissens die Asymmetrie zwischen Autor und Leser, so dass ein typisches Lehrverhältnis entsteht und sich Aristoteles fast schon als Systematiker erweist. 14 Nach Platon und Aristoteles lassen sich in der griechischen Tradition erst wieder Plutarch 15 und Lukian 16 im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. als namhafte Vertreter des literarischen Dialogs anführen.l7 Bei den Römern stehen am Beginn der Dialogliteratur M. Iunius Brutus mit seinen drei Büchern De iure civile und Varro mit seinem dialogisch aufgebauten Lehrbuch Res rusticae. Den Höhepunkt des lateinischen Dialogs markiert Cicero als römisches Pendant zu Platon; er gilt als Meister des lateinischen Dialogs. Mit dem Ziel, der römischen Welt die griechische Philosophie zu erschließen und dann auch zu vermitteln, kann Cicero als Eklektiker in Anlehnung an seine griechischen Vorbilder geschickt auf den literarischen Dialog als Darstellungsform zurückgreifen. Inhaltlich steht er dabei Platon relativ nah l8 , formal orientiert er sich eher an Aristoteles. 19 Von den vielen Dialogen Ciceros seien hier nur die wichtigsten erwähnt: De oratore, De re publica, De legibu§.o, De finibus bonorum et maloru:m, Tusculanae disputationes, De natura deorum, De fato, De amicitia. 12
13 14 15 16 17 18 19 20
Vgl. S. FÖLUNGER, Lehren 463f. Hier findet sich auch weiterführende Literatur zu den platonischen Dialogen. Vgl. H. GÖRGEMANNS, Art. Dialog 518. Vgl. S. Föllinger, Lehren 466468. _ _ Von ihm stammen beispi«;lsweise die Dialoge Uber das Mondgesicht, Uber die gemeinsamen Begriffe oder Uber die Erzeugung der Seele nach dem Timaios. Er gilt als der Schöpfer des satirischen Dialogs in Prosa. Vgl. G. BARDY, Art. Dialog 942. Allein die Titel seiner Dialoge De Te publica und De legibus zeigen unverkennbar die inhaltliche Anlehnung an Platon. Vgl. H. GÖRGEMANNS, Art. Dialog 519. Diese drei bedeutenden Dialoge stammen aus den Jahren 55/51 v. Chr.
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Der literarische Dialog
Nach Cicero benutzen auch LiviuS 21 , Seneca22 und Tacitus23 die Dialogform in ihren Werken.
3. Form und Funktion des literarischen Dialogs Hinsichtlich der Form kann ein literarischer Dialog nach einer Eröffnungsszenerie aus einem Wechsel kürzerer oder längerer, fast schon monologartiger Redebeiträge besteheri oder durch ein FrageAntwort-Schema konstituiert sein. 24 Durch den SprecheIWechsel25 treten die Gesprächsteilnehmer miteinander in Beziehung in dem Sinn, dass eine "Polarität zwischen Ich und Du"26 und damit eine im Dialog aufzulösende Spannung zwischen den sprechenden Personen besteht, die jedem Dialog eine gewisse Dynamik und Prozesshaftigkeit verleiht. 27 Ein Dialog ist nicht, sondern er wird, in dem Sinn, dass er sich entwickelt, dass die Kommunikationspartner in Interaktion stehen und in gegenseitiger Reaktion den Dialog voranbringen. Doch zu welchem Zweck tun sie das? Beim literarischen Dialog geh~ es im Gegensatz zum Gespräch nicht um einen bloßen Austausch oder eine lockere Unterhaltung im Sinne eines Gespräches um des Gespräches willen, sondern um Informationsund hauptsächlich um Wissensvermittlung. Dadurch, dass zwischen den Dialogpartnern Informationen über ein bestimmtes Thema ausgetauscht werden und damit einhergehend eine Erörterung über dieses Thema stattfindet, wird ein anf"angliches Weniger an Wissen mit Fortschreiten des Dialogs ausgeglichen zugunsten eines Mehr-Wissens der an der Kommunikation Beteiligten. Gerade darin, Informationen zu liefern und Wissen zu vermitteln, liegt eine bedeutende Funktion des literarischen Dialogs. 28 Freilich könnte die Wissensvermittlung auch auf anderem Wege erfolgen, beispielsweise in einem systematisch konzipierten Lehrvortrag; der deduktiv vorgeht und die einzelnen Fakten von einer These 21
Von seinen Dialogen haben wir nur durch Seneca ep. 100,9 Kenntnis.
.
22 Seine Dialoge sind eher als Diatriben zu bezeichnen, z. B. De /»'utJidentia, De vita beata, De brevitate vitae. In Anlehnung an Ciceros De (ff(LWre verfasst Tacitus den Dialogus de oratoribus und schafft damit ein MeisteIWerk dieser Gattung. 24 Vgl. S. FÖWNGER, Lehren 455f. 25 Damit überhaupt von einem literarischen Dialog die Rede sein kann, sollte mindestens einmal ein SprecheIWechsel erfolgen. 26 So Mukarovsky nach R. KLOEPFER, Das Dialogische 317. 27 Ebd. 28 Vgl. S. FÖlLINGER, Lehren 456-458.
23.
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Prolegomena
her ableitet und der Reihe nach vorstellt;29 Doch offensichtlich bietet die Form des literarischen Dialogs besondere Vorteile für die Wissensvermittlung, die speziell von den antiken Autoren erkannt, in der Neuzeit jedoch nicht mehr gesehen wurden. 30 Heisenberg bildet mit seinem Werk "Der Teil und das Ganze. Gespräche im Unikreis der Atomphysik" insofern eine große Ausnahme im 20. Jahrhundert, als er für seine Darstellung die Dialogform wählt. 31 Im Vorwort zu diesem Buch schreibt Heisenberg: "Naturwissenschaft beruht auf Experimenten, sie gelangt zu ihren Ergebnissen durch die Gespräche der in ihr Tätigen, die miteinander über die Deutung der Experimente beraten. Solche Gespräche bilden den Hauptinhalt des Buches. An ihnen soll deutlich gemacht werden, dass Wissenschaft im Gespräch entsteht. (... ) Großer Wert wurde jedoch gelegt auf die korrekte und lebendige Schilderung der Atmosphäre, in der die Gespräche stattgefunden haben. Denn in ihr wird der Entstehungsprozeß der Wissenschaft deutlich, an ihr kann am besten verstanden werden, wie das Zusammenwirken sehr verschiedener Menschen schließlich zu wissenschaftlichen Ergebnissen von großer Tragweite führen kann. "32 Die entscheidende Aussage bei Heisenberg lautet, dass Wissenschaft im Gespräch entsteht. In die gleiche Richtung denken Henne und Rehbock, wenn sie in ihrer Einführung in die Gesprächsanalyse "dialogisches Sprechen als die Voraussetzung aller Wissenschaft"33 ansehen. Aus beiden Aussagen lässt sich folgern: Wissen fällt nicht vom Himmel, Wissen wird auch nicht im luftleeren Raum produziert, Wissen wird nicht von einer einzigen Person "hergestellt", sondern Wissen entwickelt sich prozesshaft im Austausch verschiedener Menschen. Aufgrund dieser Tatsache ist die Form des literarischen Dialogs mehr als geeignet, diesen Weg der Wissenserschließung nachzuzeichnen und zugleich als Medium der Wissensvermittlung zu fungieren.3 4 Im literarischen Dialog wird demnach dem Rezipienten Wissen nicht einfach vorgesetzt bzw. nolens volens aufoktroyiert, sondern dadurch, dass im Dialog selbst ein bestimmtes Wissen durch 29 Fast jedes Lehrbuch heute ist systematisch konzipiert; welcher Autor käme schon auf die Idee, für sein Buch die Dialogform zu wählen?
30 Noch im Mittelalter und auch wieder in der Renaissance findet der literarische Dialog 31 32 33 34
als DarstellungsCorm Verwendung, ab dem 18. Jahrhundert verliert er an Bedeutung und tritt bis auf wenige Ausnahmen ganz zurück. Vgl. bereits den Untertitel seines Buches, dann auch das Inhaltsverzeichnis und schließlich die Konzeption seines Werkes. So W. HEISENBERG, Teil 7C. H. HENNE/H.·REHBOCK, Einführung 4. Vgl. S. FÖLLINGER, Lehren 457C.
Der literarische Dialog
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den Austausch der an der Kommunikation Beteiligten untereinander allmählich erschlossen und weiteIVermittelt wird, kann der Leser des Dialogs den Weg der Wissenserschließung mitgehen und bekommt selbst dieses Wissen vermittelt. Diese Hauptthese Föllingers, dass der Dialog als Medium der Wissensvermittlung den Weg der Wissenserschließung reproduziert und dem Rezipienten eine bestimmte Erkenntnis vermittelt35 , soll im Folgenden auf das Johannesevangelium übertragen werden. Anhand kon': kreter Textbeispiele wird der Weg der Wissensvermittlung in den jahanneischen Dialogen nachgezeichnet, der über verschiedene Etappen letztlich zur Erkenntnis und zum Bekenntnis führt, mit dem Ziel, die Fähigkeit des vierten Evangelisten zu einer kommunikative Theologie zu erkennen und seine Strategie der christologischen Wissensvermittlung in Form von theologischer Kommunikation zu durchschauen.
35
Vgl. S. FÖUINGER, Lehren 458-460.
IV. DASJOHANNESEVANGELIUMALS "EVANGELIUM DER DIALOGE"
1. Dialogische Elemente bei Johannes Das Johannesevangelium unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den synoptischen Evangelien. Im Großen hebt es ·sich durch seinen Aufbau 79 , seinen InhaltBo , seine Sprache81 und seine Theologie82 von Markus, Matthäus und Lukas ab; auch im Kleinen gibt es zahlreiche Unterschiede zwischen Johannes und den Synoptikern, so z. B. dass im vierten Evangelium die Wunder Jesu als OTJiJ.ELa. bezeichnet werden83, dass nur beim vierten Evangelisten die Gestalt des Lieblingsjüngers in Erscheinung tritt84 oder dass Johannes den Heiligen Geist als Parakleten verheißtB5 • In formaler Hinsicht fällt auf, dass das Johannesevangelium im Vergleich zu den drei synoptischen Evangelien einen deutlich höheren Anteil an dialogischen Strukturen aufweist. Nicht von ungefähr wählt Demke für seinen Artikel zum J ohannesevangelium die viel verspre79
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Markus legt seinem Evangelium das Wegmotiv zugrunde:Jesus beginnt sein Wirken in Galiläa, zieht nach Jerusalern und stirbt dort am Kreuz. Matthäus und Lukas übernehmen diesen Aufbau, der sich an geographischen und darüber hinaus auch theologisch. gefüllten Orten (Galiläa als Ort des Erfolgs, Jerusalem als Stätte des Misserfolgs und Scheiterns Jesu) orientiert, als Grundgetüst für ihre jeweilige Schrift. Johannes dagegen durchbricht dieses synoptische Wegschema insofern, als sichJesus während seiner öffentlichen Wirksamkeit insgesamt dreimal inJerusalem aufhält und bereits in Joh 2,13, also schon am Anfang des Evangeliums und damit zu Beginn seines Auftretens, nachjerusalern kommt. Der synoptische Jesus verkündigt die ßIXOLAELIX 1:0U eEOU, der johanneische Jesus demgegenüber offenbart sich selbst und eröffnet den Menschen den einzigen Zugang zu Gott, vgl.Joh 1,18. Im Gegensatz zur einfachen, verständlichen Sprache der drei synoptischen Evangelien zeichnet sich das vierte Evangelium durch eine gewisse Sondersprache aus, eine Sprache, die rätselhaft, geheimnisvoll und verschlüsselt erscheint, aber gerade dadurch eine gewisse Faszination auf den Leser ausübt. Gegenüber den Synoptikern weist das später entstandene Johannesevangelium eine weiterentwickelte Theologie auf; als Beispiel sei hier nur auf die sog. "Hohe Christologie" desJohannes verwiesen, die sich in der Wirkeinheit von Vater und Sohn manifestiert (vgl.Joh 5,19ff.) und so weit geht, dass der Vater und der Sohn eins sind (vgl.Joh 10,30). Vgl.Joh 2,11.23; 3,2; 4,48.54; 6,2.14.26; 7,31; 9,16; 10,41; 11,47; 12,18.37; 20,30. An insgesamt fünf Stellen im Johannesevangelium ist vom ,Jünger, den Jesus liebte" die Rede:Joh 13,23; 19,26; 20,2; 21,7.20. Vgl.Joh 14,16.26; 1~,26; 16,7.
Das Johannesevangelium als "Evangelium der Dialoge"
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chende Überschrift "Das Evangelium der Dialoge"86. Allerdings geht er dann nicht näher inhaltlich auf die dialogischen Elemente im vierten Evangelium ein87, sondern stellt entsprechend dem Untertitel seines Artikels hermeneutische und methodologische Überlegungen an. Seiner Meinung nach gibt es nicht nur eine einzig richtige Interpretation der johanneischen Dialoge, sondern er plädiert für eine gewisse interpretatorische Offenheit analog zur sprachlichen Öffnung in der Rede von Jesus Christus bei Johannes, die wiederum nicht schlechthin zu entgrenzen ist, sondern den verschiedenen Lesern verschiedene Auslegungs- und Identifikationsmöglichkeiten bieten kann und bieten soll und so erst die Tradierung von Texten sicherstellt. 88 Unklar bleibt aber bei ihm weiterhin seine Hauptüberschrift "Evangelium der Dialoge", zumal er an keiner Stelle des Artikels das Johannesevangelium auf seine dialogische Struktur hin untersucht und darüber hinaus auch keinen Vergleich mit den synoptischen Evangelien anstellt, der zU der Aussage "Das Evangelium der Dialoge" berechtigen würde. Oder geht Demke stillschweigend davon aus, dass in den ersten drei Evangelit:!n der Dialog keine so wichtige Rolle spielt wie bei Johannes? Ein aufmerksamer Blick in die Evangelien genügt, um festzustellen, dass das Johannesevangelium mehr als die anderen drei Evangelien von Dialogelementen durchsetzt ist. Ein genauerer Vergleich auf der rein quantitativen Ebene zwischen dem ältesten und dem jüngsten Evangelium ergibt, dass der Dialoganteil im Johannesevangelium fast doppelt so hoch ist wie im Markusevangelium.89 Bei Markus konzentriert sich die dialogische Struktur hauptsächlich auf die Wundergeschichten90 sowie auf die Jünger- und Streitgespräche91 ; auch in der Passion finden sich Dialoge92 • Insgesamt dominiert im ältesten Evangelium die einfache Erzählung. Bei Johannes lässt sich aufgrund des hohen Dialoganteils im gesamten Evangelium leichter angeben, was nicht in Dialogform steht. Zu 86 C. DEMKE, Das Evangelium der Dialoge. Hermeneutische und methodologische 87 88 89 90 91 92
Beobachnmgen zur Interpretation desJohannesevangeliums, in: ZThK 97 (2000) 164182. Als Beispiele streift er die Kurzdialoge in Joh 2; ausführlicher behandelt er dann gegen Ende den Dialog zwischen Jesus und Petrus in Joh 13,6-10 im Kontext der Fußwaschung. Vgl. C. DEMKE, Evangelium 167-172. Nach meiner eigenen Auswertung liegt der Dialoganteil im Markusevangelium bei 42,9% und imJohannesevangelium bei 73,5%. Vgl. Mk 1,40-45; 2,5-12; 3,3-5; 5,6-13.30-34; 7,26-30; 8,23-26; 9,17-25.28f.; 10,46-52. Vgl. Mk 2,16-28; 7,5-15; 10,1-12; 11,28-33; 12,13-34; 14,3-9. Vgl. Mk 14,12-15.18-42.60-64.66-71; 15,2-5.9-15.
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Prolegomena
diesen nicht-dialogischen Passagen gehören der Prolog in Joh 1,1-18, der Epilog in Joh 20,30f., der zweite Buchschluss in Joh 21,24f., die Monologe Jesu93, Überleitungen und Summarien94 sowie erzählende Passagen außerhalb der Passion95 und innerhalb der Passion96• Der Rest des Johannesevangeliums und somit der Großteil der Schrift ist in Dialogform geschrieben. Der vierte Evangelist greift demnach mehr als die Synoptiker auf den Dialog zurück, weil ihm diese Darstellungsform offensichtlich geeignet erscheint, seine Botschaft lebendig zu transportieren. Er erkennt im Dialog ein effizientes literarisches Mittel, die Leser bzw. Hörer seines Evangeliums direkt anzusprechen und sie mit hinein zu nehmen in die verschiedenen Dialoge, die es nunmehr aufgrund ihrer Fülle zunächst einmal einzuteilen und zu klassifizieren gilt.
2. Die Einteilung der Dialoge jesu im johanneseuangelium Eine Möglichkeit, die johanneischen Dialoge zu systematisieren, besteht darin, sie nach ihrem Vorkommen im Verlauf des Buches zu ordnen. Übernimmt man die seit Bultmann klassische Zweiteilung des Johannesevangeliums in die Offenbarung der ö6~ vor der Welt und vor der Gemeinde aus seinem Johanneskommentar bzw. spricht man mit Brown vom "book of signs" inJoh 1-12 und vom "book of glory" inJoh 13-2097 , dann lassen sich die Dialoge innerhalb der Zeichen Jesu98 von denen im zweiten Buchteil99 und denen innerhalb der Passion lOO unter scheiden. Eine andere Möglichkeit zur Erfassung der Dialoge im vierten Evangelium ist ihre Einteilung nach den jeweiligen Teilnehmern, wie sie Theobald vorschlägt.lol Stets am Dialog beteiligt ist Jesus; es wechseln seine Dialogpartner. Theobald macht nun im Sinne einer Typologisierung dieser Dialoge folgende fünf Gruppen. aus, die mit dem johanneischen Jesus in Dialog treten: die Juden bzw. die Pharisäer, die
loh 5,19-47; 10,1-18; 15,1-27; 17,1-26. So z. B.]oh 4,1-4; 5,1-3; 6,16-24. 95 Beispielsweise]oh 12,12-18; 13,1-5. 96 loh 18,1-3.16; 19,1-5.16-20.23-25.28-42. 97 So R. E. BROWN,]oh I 39 und]oh 11 543. 98 So beispielsweise]oh 2,3-10; 4,48-53; 5,6-15; 6,5-10; 9,2-12; 11,7-16.21-27.32-44. 99 Als Beispiele seien]oh 13,6-10; 14,1-31; 16,1-33 genannt. 100 loh 18,4-8.17-23.25-27.29-40; 19,6-12.15.2lf. 101 Vgl. M. THEOBALD, Herrenworte 566. 93
94
Dasjohannesevangelium als "Evangelium der Dialoge"
21
Volksmenge, die gläubig gewordenen Juden, die Jünger und diverse Einzelpersonen. 102 Die Dialoge Jesu mit den Juden bzw. Pharisäern als offiziellen Vertretern der jüdischen Religionsgemeinschaft sind auf den ersten Buchteil beschränkt, finden hauptsächlich in Jerusalem statt und tragen großteils den Charakter von Streitgesprächen. 103 Mit der Volksmenge führt Jesus eigentlich nur zwei eigenständige Dialoge in Joh 6,26-40 und Joh 12,29-36, abgesehen von den ZusammentreffenJesu mit dem Volk in dialogisch verlassten Szenen.104 Zu den Dialogen mit gläubig gewordenenJuden zählt TheobaldJoh 3,1-15 und Joh 8,31-36. Im letzteren Fall ist ihm eindeutig Recht zU geben; der Text sagt es inJoh 8,30f. expressis verbis aus, dass die Juden zum Glauben an Jesus gekommen sind. Jedoch kann m. E. Joh 3,1-15 nicht zu den Dialogen Jesu mit gläubig gewordenen Juden gerechnet werden, weil Nikodemus gerade nicht zum Glauben an Jesus kommt, sondern ihn missverstehtl 05 und offensichtlich, zumindest was den Text Joh 3,1-15 angeht, in seinem Missverständnis verharrt. Auf jeden Fall spricht er kein Bekenntnis zuJesus aus lO6, sondern tritt einfach von der Bühne ab bzw. geht seine Person im Monolog Jesu unter. Demzufolge ist das sog. Nikodemusgespräch zunächst zu den Dialogen Jesu mit Einzelpersonen zu zählen, nimmt jedoch auch in dieser Gruppe eine Sonderstellung ein. 107 Während die Dialoge Jesu mit den Juden bzw. Pharisäern ausschließlich im ersten Buchteil vorkommen, finden sich die Dialoge Jesu mit den Jüngern im zweiten Buchteil in den Abschiedsreden Jesu in Joh 13-16. Sie sind dadurch bestimmt, dass sie keine durchgehenden Dialoge darstellen, sondern passagenweise aus reinen Monologen Jesu108 bestehen oder nur durch Zwischenfragen einzelner Jünger109 kurz unterbrochen werden. HO Eine letzte Gruppe bilden die Dialoge Jesu mit Einzelpersonen, die im Folgenden als Gegenstand dieser Untersuchung einer ausführlichen exegetischen Analyse unterzogen werden sollen. 102 Ygl. 103 Ygl.
auch im Folgenden. z. B. joh 2,18-22; 7,15-24; 8,12-29.48-59; 10,22-39. Mehr dazu bei M. THEOBALD, Herrenworte 566-572. 104 So beispielsweise injoh 7,12f.31. 105Ygl.joh 3,4. 106 Stattdessen stellt Nikodemus bei seinem letzten Dialogbeitrag in joh 3,9 gegenüber jesus eine Rückfrage und bringt darin sein Nicht-Yerstehen zum Ausdruck. lO7Ygl. S. 22f. 108 Ygl.joh 15,1-16,15. 109 So Thomas injoh 14,5 oder Philippus injoh 14,8. 110 Ygl. dazu ausführlicher M. THEOBALD, Herrenworte 575-579.
V. TfiEMATIK UND METHODIK
1. Die DialogeJesu mit Einzelpersonen als Gegenstand der Untersuchung Den Dialogen Jesu mit Einzelpersonen kommt m. E. eine besondere Bedeutung zu, insofern der Johannesevangelist mehr als die Synoptiker an Einzelpersonen interessiert ist, sie als individuelle Glaubensgestalten mit biographischen Zügen stilisiert und sie als solche in den Mittelpunkt seiner Darstellung rückt, so dass gerade hier ein tieferes Verständnis der johanneischen Theologie zu erwarten ist. Zu dieser Gruppe gehört der DialogJesu mit Nathanael inJoh 1,4751, mit Nikodemus in Joh 3,1-12111 , mit der Samaritanerin am Jakobsbrunnen in Joh 4,7-26, mit dem Blindgeborenen in Joh 9,35-38, mit Martha in Joh 11,20-27, mit Maria Magdalena in Joh 20,14-17 und schließlich mit Thomas inJoh 20,27-29. 112 Von diesen sieben Dialogen hebt sich einer in besonderer Weise von den anderen ab; es ist der DialogJesu mit Nikodemus. Dieser Dialog ist nicht wie die übrigen in sich geschlossen und klar abgrenzbar, sondern geht gewissermaßen fließend in einen Monolog Jesu über. Nach drei Redegängen ll3 mit der letzten Äußerung des Nikodemus in Joh 3,9 geht Nikodemus aus der Redeeinleitung Jesu in Joh 3,11 114 lediglich implizit noch als Dialogpartner hervor, spielt aber dann keinerlei Rolle mehr und klinkt sich stillschweigend aus dem Gespräch aus bzw. der Evangelist lässt ihn verstummen, damit der johanneische Jesus seine erste große Rede im Evangelium halten kann. Aufgrunddieser besonderen Konzeption mit dem unscharfen Übergang vom Dialog zum Monolog sowie aufgrund der oben bereits beschriebenen Tatsache, dass Nikodemus im Verlauf des Dialogs mitJesus nicht zum Glauben an Entgegen der Einteilung von M. THEOBALD, Herrenworte 573, der das Nikodemusgespräch zu den Dialogen Jesu mit gläubig gewordenen Juden rechnet; ihm gegenüber erfolgt auch eine andere Abgrenzung des Dialogs: Während Theobald den DialogJesu mit Nikodemus aufJoh 3,1-15 fes~egt, vollzieht sich m. E. bereits mit dem Stichwort "Menschensohn" inJoh 3,13 der Ubergang vom Dialog zum MonologJesu. 112 Die beiden dialogischen Szenen zwischen Jesus und Pilatus in Joh 18,33-38 und Joh 19,9-11 stellen insofern einen Sonderfall dar, als sie traditionsgeschichtlich in den Kontext der Passionserzählung gehören und Pilatus nicht als Glaubensgestalt, sondern als heidnischer Richter gezeichnet wird, der Jesus zunächst verhört und ihn sodann verurteilt. 113 Joh 3,2f./Joh 3,4-8/Joh 3,9-12. III
114 &!.L~v &1l~V AEYW GO\.
Thematik und Methodik
23
ihn kommt und kein Bekenntnis zu ihm ausspricht, wirdJoh 3,1-12 im weiteren Gang der Untersuchung nicht eigens behandelt, sondern nur zum Vergleich mit den anderen Dialogen herangezogen. Im Unterschied zum Nikodemusgespräch zeichnen sich alle anderen aufgeführten Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium übereinstimmend darin aus, dass die jeweiligen Dialogpartner Jesu zum Glauben an ihn kommen. Im Verlauf des Dialogs bekommen sie von Jesus ein bestimmtes Wissen vermittelt, das sie zur Erkenntnis seiner Person befähigt und ein christologisches Bekenntnis zu ihm aussprechen lässt. Im Hauptteil dieser exegetischen Studie soll die literaturtheoretische These Föllingers, dass der Dialog als Medium der Wissensvermittlung den Weg der Wissenserschließung reproduziert und dem Rezipienten eine bestimmte Erkenntnis vermittelt, auf die Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium angewandt und damit aus neutestamentlicher Sicht veranschaulicht und nachgeprüft werden.i 15 Dabei sind die Grenzen dieses Unterfangens von vornherein deutlich in den Blick zu nehmen. Bei den Dialogen Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium handelt es sich nicht um klassische literarische Dialoge, weil sie im Unterschied zu den Dialogen Platons oder Ciceros kein eigenständiges Werk, sondern Bestandteile eines narrativen Gesamtzusammenhangs darstellen. Dementsprechend bilden sie jeweils nur kurze dialogische Passagen, die es nach eigenen Gesetzen zu untersuchen und auszuwerten gilt. Aufgrund dieser Eigenheit ist es nicht nur nicht möglich, sondern m. E. auch gar nicht legitim, die Dialoge des Johannesevangeliums mit den klassischen literarischen Dialogen der Antike zu vergleichen, sondern sie für sich entsprechend ihrer Besonderheit zu behandeln. Anhand einer exegetischen Analyse der betreffenden Dialoge soll jeweils der Weg der Wissensvermittlung nachgezeichnet und für den Rezipienten des Textes, den damaligen wie den heutigen Leser, erschlossen werden, so dass er selbst, insofern er bei der Lektüre mit in den Dialog hinein genommen wird und direkt von Jesus Glaubenswissen vermittelt bekommt, zur Erkenntnis der Person Jesu und zum christologischen Bekenntnis gelangt.
115 Als
Altphilologin wählt Föllinger zur Veranschaulichung ihrer These natürlich Beispiele aus der klassischen antiken Literatur und b~~pricht dabei u. a. den Oikonomikos von Xenophon oder den Dialog von Plutarch Uber das Mondgmcht, vgl. S. FÖLUNGER, Lehren 465-470.
24
Prolegomena
2. Vorgehensweise und Aufbau der Untersuchung Die verschiedenen Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium werden im Hauptteil dieser Arbeit entsprechend ihrer Reihenfolge im Evangelium nacheinander behandelt. Die Darstellung beginnt demnach mit dem Dialog Jesu mit Nathanael in Joh 1,47-51, fährt fort mit dem DialogJesu mit der Samaritanerin inJoh 4,7-26, geht über zu den DialogenJesu mit dem Blindgeborenen inJoh 9,35-38 und mit Martha in Joh 11,20-27 und endet schließlich mit den beiden Dialogen Jesu im johanneischen Osterkapitel, zunächst mit Maria Magdalena in Joh 20,15-18 und sodann mit Thomas in Joh 20,27-29. Bei allen diesen Dialogen geht es nunmehr darum, sie nach einem möglichst einheidichen Schema zu besprechen und auszulegen. Da es sich bei den genannten Stellen nicht um eigenständige Dialoge handelt, sondern um Dialoge, die Bestandteile einer größeren Texteinheit sind, ist es unverzichtbar, diese Dialoge in einem ersten Schritt in ihrem jeweiligen Kontext zu verorten und ihre Stellung im Gesamtzusammenhang zu bestimmen. Auf der Basis dieser Kontexteinordnung gerät über den jeweiligen Dialog hinaus das gesamte Großkapitel in den Blick. In synchroner Lesart gilt es, den Aufbau der Perikope zu analysieren und den Text zu gliedern; in diachroner Lesart wird die Entstehung der Texteinheit beleuchtet und dazu verschiedene Erklärungsmöglichkeiten zur Genese des Textes vorgestellt. Diese notwendigen Beobachtungen am Gesamttext führen hin zum eigendichen Dialog, dessen exegetische Analyse im Zentrum eines jeden Kapitels steht und somit den meisten Raum einnimmt. Nach der Beschreibung der Ausgangssituation, wie es zu diesem Dialog bzw. zum Aufeinandertreffen der beiden Dialogpartner kommt und welche Umstände und Gegebenheiten damit verknüpft sind, geht es auch hier im Kleinen darum, den Aufbau des Dialogs detailliert zu untersuchen, die einzelnen Redegänge auszumachen und damit eine Gliederung des Dialogs zu erstellen. Der wichtigste Aspekt bei der exegetischen Analyse besteht darin, den Verlauf der jeweiligen Dialoge zu verfolgen, angefangen von der Eröffnung über den Fortgang des Dialogs mit der Vermitdung von christologischem Wissen bis hin zu seinem Abschluss und Ziel, dahingehend, dass der jeweilige Dialogpartner zur Erkenntnis der Person Jesu geführt wird und schließlich ein christologisches Bekenntnis ausspricht. In einem letzten Schritt soll noch einmal zusammenfassend der Weg der Wissensvermittlung dargestellt werden, den die Figuren auf der Textebene wie auch die Rezipienten des Textes zurückl~gen und dabei zu Erkenntnis und Bekenntnis geführt werden.
Thematik und Methodik
25
In einem die Arbeit abschließenden Teil mit weiterführenden Betrachtungen geht es darum, die im Hauptteil nacheinander untersuchten Dialoge nunmehr miteinander zu vergleichen. Dazu bedarf es zunächst einmal Kriterien, anhand d,erer ein solcher Vergleich überhaupt durchgeführt werden kann und die zu einer Typologisierung der Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium berechtigen. Aus dem Vergleich der einzelnen Dialoge ergeben sich allgemeine Aussagen über den Weg der Wissensvermittlung in den johanneischen Dialogen. In einer letzten Beobachtung lassen sich die Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium schließlich als Beispiele einer "Kommunikativen Theologie" klassifizieren, insofern sie auf verschiedenen kommunikativen Ebenen Theologie betreiben und damit einen mündigen Glauben bewirken.
3. Textgrundlage und Methodik
Bevor nun mit" der Auslegung der Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium begonnen werden kann, gilt es, noch ein Wort über die Textgrundlage zu verlieren. Zur Entstehungsgeschichte des vierten Evangeliums, die nach wie vor zu den Kernfragen der Johannesexegese zählt, gibt es die unterschiedlichsten Meinungen und Positionen; diese lassen sich zunächst grob in zwei Gruppierungen aufteilen. Während Thyen als Vertreter der einen Gruppe in seinem Kommentar vom Johannesevangelium als einem "kohärenten und hoch poetischen literarischen und auktorialen Text"116 ausgeht und damit Joh 1,1 bis Joh 21,25 in synchroner Lesart als einheitliches Ganzes auslegt, weist Dietzfelbinger als Repräsentant der anderen Gruppe auf "Differenzen innerhalb des Johannesevangeliums"117 hin und ebnet auf diese Weise einer diachronen Lesart den Weg. In der Tat fallen bei einer literarkritischen Betrachtung des vierten Evangeliums eine Reihe von Spannungen und Brüchen ins Auge, die es unwahrscheinlich machen, dass das Johannesevangelium im Unterschied zu den synoptischen Evangelien aus einem Guss entstanden ist und damit auf nur einen Verfasser zurückgeht. Folgende Beispiele seien an dieser Stelle genannt: Zwischen Joh 4,54 und Joh 5,1 sowie zwischen Joh 5,47 und Joh 6,1 lässt sich jeweils ein geographischer Sprung beobachten. Jesus, der nachJoh 4,43-54 ein Heilungswunder in 116 So H. THYEN.joh 4 (im Original kursiv). 117 So C. DIETZFELBINGER.joh I 12.
26
Prolegomena
Galiläa gewirkt hat, hält sich injoh 5 injerusalem auf, ehe er sich nach joh 6,1 wieder in Galiläa am See von Tiberias befindet. Diese abrupten Ortswechsellassen sich durch die einfache Annahme beheben, dass die Kapitel 5 und 6 vertauscht worden sind. Mit dem Ende der Abschiedsrede jesu in joh 14,30f. sind die weiteren Abschiedsreden in joh 15-17 unvereinbar. In joh 14,30 kündigt jesus den jüngern an, dass er nicht mehr viel zu ihnen sagen wird; dann hält er ihnen aber doch einen längeren Vortrag, der sich über drei Kapitel erstreckt. Zu dieser ausführlichen Redepassage passt auch nicht die Aufforderungjesu zum Aufbruch injoh 14,31, die unmittelbar zu joh 18,1 überleitet und die Passionserzählung folgen lässt. Aus diesen beiden Beobachtungen geht hervor, dass die Abschiedsreden jesu injoh 15-17 als nachträglicher Einschub zu bewerten sind, die den ursprünglichen Textzusammenhang unterbrechen. Innerhalb der Rede jesu über seine Vollmacht in joh 5,19-47 begegnen zwei unterschiedliche Konzeptionen von Eschatologie, die zueinander in Spannung stehen und schwerlich auf einen gemeinsamen Autor zurückzuführen sind. Während in joh 5, 24ff. eine präsentische Eschatologie zum Ausdruck kommt, die den Glaubenden das ewige Leben bereits in der Gegenwart verheißt, wird in joh 5,28f. das eschatologische Geschehen in die Zukunft verlagert und die Stunde der Auferstehung als futurisches Ereignis festgemacht. Analog zu diesen spannungsvollen Aussagen liegen in joh 13 zwei Deutungen der Fußwaschung vor, die völlig verschieden und in keinerlei Weise miteinander vereinbar sind. In joh 13,6-11 wird die Fußwaschung als einmaliges, von jesus selbst an seinen jüngern vollzogenes Ereignis gedeutet; als Liebesdienst soll es seinen bevorstehenden Tod am Kreuz vorwegnehmen, kann aber erst von daher für die jünger richtig verstanden werden. H8 Dagegen wird die Fußwaschungjesu injoh 13,12-17 als Beispiel für die jünger interpretiert, die aneinander so handeln sollen, wie jesus an ihnen gehandelt hat. H9 Durch die explizite Aufforderung jesu zur Nachahmung seines Verhaltens ist die Fußwaschung bei dieser zweiten Deutung im Unterschied zur ersten auf bewusste Wiederholung angelegt und soll aktiv von denjüngern vollzogen werden. Der Epilog in joh 20,30f. markiert eindeutig das Ende des johannesevangeliums und weist Kapitel 21 als späteren Nachtrag zum ursprünglichen Evangelium aus. Mit einer neuerlichen Schlussbemer118Ygl.joh 13,7. 119Ygl.joh 13,15.
Thematik und Methodik
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kung injoh 21,24f. wird das bereits beendete Werk ein zweites Mal abgeschiossen.l 20 Diese wenigen Beispiele weisen darauf hin, dass das johannesevangelium in seiner uns heute vorliegenden Form eine mehrstufige Entstehungsgeschichte durchlaufen hat. Wie diese im Einzelnen ausgesehen hat, lässt sich nicht mehr rekonstruieren, doch kann mit Becker prinzipiell von drei Schichten im vierten Evangelium ausgegangen werden. l2l Der Evangelist greift auf ihm zugängliches Material aus der Tradition zurück und verarbeitet die von ihm ausgewählten Quellen122 in seinem Evangelium, das er entsprechend seiner theologischen Ausrichtung als eigenständig agierender Autor inhaltlich geschlossen und formal abgerundet verfasst. Nach seiner Fertigstellung erfährt dieses Werk diverse Überarbeitungen durch die sog. Redaktion, die das bestehende Evangelium an manchen Stellen korrigierend ergänzt bzw. vor dem Hintergrund der aktuellen Gemeindesituation fortschreibt und theologisch erweitert. Während dieses Modell mit den drei Schichten Tradition, Evangelist und Redaktion für das johannesevangelium noch auf einen relativ breiten Konsens in der neutestamentlichen Exegese stößt, gehen die Meinungen darüber, welchen Umfang die jeweiligen Schichten ausmachen, weit auseinander. Weidemann teilt die verschiedenen Positionen dahingehend ein, welcher der drei Schichten die jeweils dominierende Rolle bei der formalen wie auch inhaltlichen Gestaltung des Evangeliums und damit innerhalb der johanneischen Theologie zukommt, sei es der vOIjohanneischen Tradition oder dem Evangelisten oder der nachträglichen Redaktion.l 23 Im Rahmen dieser Untersuchung ist es nicht möglich und auch gar nicht nötig, diese komplexe Diskussion im Hinblick auf das gesamte johannesevangelium weiterzuverfolgen. Die Analyse der Dialoge jesu mit Einzelpersonen bewegt sich auf der Ebene des vierten Evangelisten, weil er es ist, der diese Dialoge allesamt dank seiner literarischen Gestaltungskunst124 selbst verfasst und entsprechend seiner theologischen
120 Entgegen
der Mehrheitsmeinung der Exegeten sieht Thyen in joh 21 keinen sekundären Nachtrag, sondern rechnet das Kapitel zum ursprünglichen Teil des johannesevangeliums, vgl. H. THYEN,joh 4f. 121 Vgl.j. BECKER,johI 34f. 122 Becker sieht in der sog. Semeiaquelle und im Passionsbericht die beiden Hauptquellen für den Evangelisten, vgl.j. BECKER,joh I 35. 123 Vgl. die Einteilung der unterschiedlichen Positionen mit Nennungjeweils eines namhaften Vertreters bei H.-U. WEIDEMANN, Tod 70. 124 Vgl. U. WILCKENS,joh 7.
28
Prolegomena
Ausrichtung geprägt hat,125 Somit stehen der johannesevangelist und seine Theologie im Zentrum der folgenden Ausführungen. Fragen zu Tradition und Redaktion werden nur bei der Entstehung der jeweiligen Großkapitel gestreift, insofern sie für den eigentlichen Forschungsgegenstand relevant sind. Dieser betrifft die Christologie des vierten Evangelisten, wie sie in den von ihm literarisch wie theologisch komponierten Dialogen jesu mit Einzelpersonen in seinem Evangelium zum Ausdruck kommt. Der johanneische jesus führt seine Dialogpartner und zusammen mit ihnen die Leser des Evangeliums, die den Weg der Wissensvermittlung im Dialog mitgehen und sich dadurch das Glaubenswissen aneignen können, zur Erkenntnis seiner Person und zum anschließenden christologischen Bekenntnis. Wie dieser Weg der christologischen Wissensvermittlung bei den verschiedenen Personen im Einzelnen aussieht, soll aus der folgenden Untersuchung hervorgehen.
125 Vgl. M. THEOBALD, Herrenworte 579.
B. Die DialogeJesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium I. DERDIALOGJESU MITNATHANAELINJOH 1,47-51
Griechischer Text: 47
a b c
48
a b
c d
ELÖEV 0 'IT]oou!; tOV NIX8IXvlX~Ä EPXOIJ.EVOV 1TPO!; IXUtOV KIXL ÄeYEL 1TEPL IXUtOU, "IöE uÄT]8w!; 'IOPIXT]'A\.tT]!; EV ~ öDÄo!; OUK eonv. ÄeYEL IXUt4} NIX8IXVIX~Ä, IIo8Ev IJ.E YLVWOKEL!;; U1TEKpt8T] 'IT]oou!; KIXL EL1TEV IXUt4} , IIpo tOU OE cl)f.ÄL1T1TOV CPWvflOIXL ÖVtlX U1TO ~v OUKftV EtöDv OE.
49
a b
U1TEKpf.8T] IXUt4} NIX8IXVIX~Ä, ·PIXßßf., ou Et b utO!; tOU 8EOU, ou ßIXOLÄEU!; Er tOU 'IOPIX~Ä.
50
a b c
U1TEKpf.8T] 'IT]OOU!; KIXL EL1TEV IXUt4} , "On EL1TOV OOL ön ELöDv OE lJ1TOKIXtW tft!; OUKft!;, 1TLOtEUEL!;; IJ.Ef.(W tOUtwv öl\Iu.
51
a b c
KIXL AEYEL 1X111:4}, 'AIJ.~v UIJ.~V Äeyw UIJ.LV, ö1\IEo8E tOV OUPIXVOV UVE4lYOtlX KIXL tOU!; uyyE'AOU!; tOU 8EOU UVIXßIXf.vOVtlX!; KIXL KlXtlXßn:f.vOVtlX!; E1TL tOV utov tOU UV8pW1TOU.
Deutsche Übersetzung: 47
a b
c
Jesus sah Nathanael zu ihm kommen und sagte über ihn: Siehe, wahrhaft ein Israelit, in dem keine Falschheit ist.
30 48
49
Die Dialoge]esu mit Einzelpersonen im]ohannesevangelium
a b c d
Nathanael sagte zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sagte zu ihm: Bevor Philippus dich rief, sah ich dich unter dem Feigenbaum.
a
Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist König von Israel!
b
50
a b
c 51
a b
c
Jesus antwortete und sagte zu ihm: Weil ich dir gesagt habe, dass ich dich unter dem Feigenbaum sah, glaubst du? Du wirst Größeres als das sehen. Und er sagte zu ihm: Amen, Amen, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf- und absteigen über dem Menschensohn.
1. Joh 1,47-51 als Bestandteil der TexteinheitJoh 1,35-51
Der Dialog Jesu mit Nathanael in Joh 1,47-51 stellt den ersten Dialog Jesu mit einer Einzelperson im Johannesevangelium dar.! Er bildet den Abschluss und zugleich den Höhepunkt2 der johanneischen Berufungserzählungen, die ab Joh 1,35 geschildert werden. Nach den kurzen Berufungsepisoden der aller ersten Jünger wird die Berufung des Nathanael relativ breit und ausführlich dargeboten. 3 In einer dialogischen Begegnung überwindet Jesus die Skepsis des Nathanael und führt ihn durch sein wunderbares Wissen zum Glauben. Wie dieser Weg der Wissensvermittlung verläuft, soll aus der exegetischen Analyse des Dialogs zwischen Jesus und Nathanael hervorgehen. Zuvor bedarf es jedoch, diesen Dialog als Bestandteil der Texteinheit Joh 1,35-51 in seinem größeren literarischen Umfeld zu verorten. Nach einer Abgrenzung der Texteinheit vom Kontext gilt es, eine
In]oh 1,28f. führt]esus bereits einen kurzen Dialog mit den beiden]üngern; doch die erste Einzelperson als Dialogpartner ]esu ist NathanaeJ in]oh 1,47-51. 2 Vgl. R. SCHNACKENBURG,]oh I 307. 3 Die Berufung des Nathanael in loh 1,45-51 macht eindeutig den größten Teil der Texteinheit]oh 1,35-51 aus. I
Der DialogJesu mit Nathanael inJoh 1,47-51
31
Gliederung zuJoh 1,35-51 zu erstellen und sich Gedanken zu machen über die Entstehung dieser Verse.
2. Die Abgrenzung der Texteinheit Joh 1,35-51 Nach dem Prolog in Joh 1,1-18 beginnt mitJoh 1;19 die narratio des Johannesevangeliums. Analog zu den Synoptikern steht auch beim vierten Evangelisten die Gestalt Johannes des Täufers am Anfang der Erzählung, allerdings nicht als Gerichtsprediger4, sondern als Zeuge für Jesus5, der zunächst indirekt6 und dann direkt7 auf Jesus hinweist und damit zu ihm als dem Protagonisten der Handlung überleitet. Der relativ lange PassusJoh 1,19-51 wird durch die inJoh 1,29.35.43 begegnende Zeitangabe EnQ:upLOv klar und deutlich in vier Abschnitte gegliedert, die jeweils das Geschehen eines Tages berichten und eng aneinander anschließen.8 Die erste Szene inJoh 1,19-28 schildert das Verhör Johannes des Täufers durch die Jerusalemer Gesandtschaft, ehe der 'täufer in der zweiten Szene in Joh 1,29-34 am folgenden Tag ein eindrucksvolles Zeugnis über Jesus ablegt. Hier verschiebt sich bereits die Perspektive vonJohannes dem Täufer aufJesus hin, der sodann in den beiden weiteren Szenen mit der Berufung der ersten Jünger inJoh 1,35-51 wie im restlichenJohannesevangelium im Mittelpunkt des Interesses steht. Hinsichtlich der konkreten Abgrenzung von Joh 1,35-51 zum vorherigen Text lassen sich folgende Beobachtungen machen: Auf der einen Seite istJoh 1,35-51 fest mit den Versen zuvor verbunden. Dies zeigt sich allein schon an dem kleinen Wort nIX,hv inJoh 1,35, welches eindeutig einen Rückbezug zum vorhergehenden Abschnitt herstellt. In der Tat wird in Joh 1,35 die gleiche Sz~nerie wie in Joh 1,29 entworfen. Als Handlungsträger fungiert beide Male Johannes der Täufer, der auf den vorübergehenden Jesus hinweist. 9 Auch der Ort des Ge-
'tu
Vgl. Mt 3,7-12. Vgl.Joh 1,6-8. 6 Vgl.Joh 1,19-28. 7 Vgl.Joh 1,29-34. 8 Vgl. S. SCHRElBER,Jüngerberufungsszene 6. 9 Ein kleiner, aber feiner Unterschied besteht jedoch darin, dass gegenüber Joh 1,29hier werden keine Adressaten des Täuferzeugnisses genannt, weil sich alles um Jesus selbst dreht - in Joh 1,35 zwei Jünger des Johannes mit ihm auftreten; dadurch kommen bereits von Anfang an die Jünger, die im Folgenden berufen werden, in den Blick und werden eingeführt, so dass die neue Handlung nunmehr ihren Lauf nehmenkann. 4
5
32
Die DialogeJesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
schehens hat sich nicht verändert: Die Szene Joh 1,35ff. spielt wie die vorherige auch in Bethanien lo an der Taufstelle desJohannes. ll Bei aller Kontinuität lässt sich auf der anderen Seite jedoch auch ein Bruch zwischen Joh 1,34 und Joh 1,35 konstatieren. Die Angabe 'ti.'l E1f(~UPLOV gleich zu Beginn von Joh 1,35 markiert einen zeitlichen Einschnitt im Handlungsverlauf und impliziert eine neue Handlung an einem neuen Tag. Johannes der Täufer weist zwar wie in der vorherigen Szene am vorherigen Tag auch aufJesus als das Lamm Gottes hin l2 , doch hat er nunmehr seine Zeugenfunktion erfüllt und kann den Platz auf der Bühne des Geschehens räumen für den, der nach ihm kommt, aber ihm voraus ist, weil er vor ihm war13 • So tritt ab Joh 1,38 Jesus als Protagonist aktivl4 auf den Plan und beruft die ersten Jünger, zunächst Andreas, den namenlosen Jünger und Simon l5 und dann am folgenden Tag Philippus und NathanaeI l6 • Dieses Thema der Berufung weist Joh 1,35-51 als Texteinheit aus und· hält die Verse inhaltlich zusammen. 17 Ist der Übergang vonJoh 1,34 zuJoh 1,35 aufgrund von Kontinuität und Diskontinuität eher als fließend zu bestimmen, so ist mitJoh 2,1 eine deutliche Zäsur im Textverlauf gegeben. Die Zeitangabe ti.'I ~IJ.Epq. 'ti.'l 'tPL'tD bringt einen Sprung von drei Tagen zum Ausdruck, der zudem mit einem Ortswechsel verbunden ist. Jesus, der bereits lautJoh 1,43 nach Galiläa aufbrechen wollte l8 , befindet sich nach Joh 2,lf. in Kana auf einer Hochzeit. Es zeigt sich also mehr als deutlich, dass in Joh 2,lf. eine ganz andere Szenerie geschildert wird und demnach gegenüber Joh 1,51 eine neue Texteinheit beginnt. Nach dieser Abgrenzung sowohl vom vorherigen als auch vom nachfolgenden Text lassen sich die VerseJoh 1,35-51 entsprechend der weitläufigen Meinung der Exegetenl9 als Texteinheit betrachten, die 10 . Dieses
11 12 13 14 15 16 17 18
19
Be!;hanien amJordan ist nicht zu verwechseln mit dem bekannteren Bethanien auf dem Olberg in der Nähe von Jerusalem, dem Heimatdorf der Geschwister Maria, Martha und Lazarus, vgl.Joh 11,1. Vgl.Joh 1,28. Vgl.Joh 1,36 mitJoh 1,29. Vgl.Joh 1,30. Bisjetzt war Jesus lediglich Objekt der Handlung, nun greift er als Subjekt aktiv in das Geschehen ein. Vgl.Joh 1,38-42. Vgl.Joh 1,43-51. Vgl.J. BECKER,Joh I 54. Diese Notiz hat natürlich bereits Joh 2,1 im Blick und soll den Ortswechsel vorzeitig motivieren. Vgl. J. BECKER, Joh I 54; R BULTMANN, Joh 68; R SCHNACKENBURG, Joh I 306; U. WILCKENS, Joh 45f. Schenke spricht in seinem Aufsatz zur literarischen Entstehungsgeschichte von Joh 1,19-51 von einer "Kompositionseinheit", vgl. L. SCHENKE, Ent-
Der DialogJesu mit Nathanael inJoh 1,47-51
33
einerseits eng mit dem Kontext verwoben und fest in den Gesamtzusammenhang eingefügt ist2O , aber andererseits ein eigenständiges Thema behandelt und gerade dadurch eine eigene Texteinheit darstellt.21
3. Aufbau und Inhalt vonJoh 1,35-51
tu
Die Zeitangabe haupLov in Joh 1,35 und Joh 1,43 erweist sich als Gliederungssignal für Joh 1,35-51 und teilt diese Texteinheit in die beiden Abschnitte Joh 1,35-42 und Joh 1,43-51. 22 Innerhalb dieser beiden Abschnitte lassen sich je zwei "verkettete Berufungsvorgänge"23 ausmachen. Im ersten Abschnitt ist von der Berufung der ersten beiden Jünger die Rede Goh 1,35-39), von denen der eine, Andreas, sodann seinen Bruder Simon zuJesus führt Goh 1,40-42). Im zweiten Abschnitt wird die Berufung des Philippus erzählt Goh 1,43f.), der analog zu Andreas jemand anderen auf Jesus aufmerksam macht und Nathanael zu Jesus bringt (Joh 1,45-51). Ein bestimmtes Kompositionsschema innerhalb vonJoh 1,35-51 ist hier schwerlich zu übersehen. Die beiden größeren Abschnitte sind symmetrisch zueinander aufgebaut, insofern sie jeweils aus zwei Einzelszenen bestehen, die wiederum eng miteinander verknüpft sind. Von den vier Einzelszenen wird die BegegnungJesu mit Nathanael am ausführlichsten geschildert. Sie stellt nicht nur den Abschluss der Berufungserzählungen, sondern zugleich deren Höhepunkt dar, wie die exegetische Analyse des Dialogs zwischen Jesus und Nathanael noch zeigen wird. 3.1. Die ersten beidenJüngerJesu Goh 1,35-39) Die erste der vier Einzelszenen berichtet inJoh 1,35-39 von den beiden Johannesjüngern, die auf das Zeugnis ihres Lehrers hin Jesus nachfolgen und bei ihm bleiben. Die Zeitangabe gleich am Anfang von Joh 1,35 tfI ElTaUpLOV macht deutlich, dass es sich im Folgenden um die Geschehnisse eines neuen
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stehungsgeschichte 25. Demgegenüber nimmt Schreiber in seinen Ausführungen nur Joh 1,43-51 in den Blick, vgl. S. SCHREIBER,Jüngerberufungsszene 5-28. Vgl. v. a. die o. a. Bezüge vonJoh 1,35-51 zuJoh 1,29-34. Vgl.J. BECKER,Joh I 54. Ganz analog dazu istJoh 1,19-34 durch die Zeitangabe tU emxupLov inJoh 1,29 zweigeteilt inJoh 1,19-28 undJoh 1,29-34, s. o. So die treffende Beschreibung vonJ. BECKER,Joh I 99.
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Die Dialoge Jesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
Tages handelt. Doch wiederholt sich in Joh 1,35f. 24 fast exakt die gleiche Szenerie wie am Vortag. 25 Johannes steht wieder an seiner Taufstelle; diesmal wird allerd~ngs im Blick auf den Fortgang der Handlung gegenüber Joh 1,29-3426 betont herausgestellt, dass zwei seiner Jünger bei ihm sind. Ebenso wie am Tag zuvor weist er aufJesus als das Lamm Gottes hin, aber diesmal in verkürzter Form; der Zusatz b II'Lpwv .~v IXlJlIp.LIIV 'OÜ KOOIJOU ausJoh 1,29 fehltinJoh 1,36. 27 Mit diesem Zeugnis hat Johannes der Täufer seine Funktion erfüllt28 und wird aus der Szene ausgeblendet. Die Perspektive verschiebt sich nunmehr vom "Ort des Johannes" hin zum "Ort Jesu"29: Die beiden Jünger des Johannes folgen Jesus. In Joh 1,37 noch Objekt des Geschehens, avanciertJesus inJoh 1,38 zum Subjekt der Handlung, indem er sich mit folgenden Worten an die beiden ihm nachfolgenden Jünger wendet: TL es ist das erste WortJesu imJohannesevangelium. Bezeichnenderweise handelt es sich dabei nicht um eine programmatische Aussage wie bei Markus und MatthäusSO und auch nicht um ein programmatisches Auftreten wie bei LukassI, sondern um eine einfache Frage, die trotz oder gerade wegen ihrer Schlichtheit ein existenzielles Suchen des Menschen nach dem Sinn des Lebens zum Ausdruck bringt. Es ist sicherlich alles andere als ein Zufall, dass ganz am Ende des Evangeliums in Joh 20,15 di~ Frage erneut begegnet, diesmal allerdings aus dem Mund des Auferstandenen. Durch diese Rahmung will Johannes sein Evangelium als einen Suchprozess nach Jesus verstanden wissen, stelltJesus doch nicht nur jeweils diese Frage, sondern ist zugleich auch die Antwort in Person.
'".e"L.e;
Vgl. den Rückbezug durch '!!lXALV inJoh 1,35, s. o. Vgl.Joh 1,29. Bereits hier sind wohl die Johanne~ünger als Adressaten des Täuferzeugnisses mitzudenken, doch bleiben sie auf der Textebene noch unerwähnt. 27 Das kurze Zitat reicht aus, um den Leser an den vollen Wortlaut in Joh 1,29 zu erinnern, vgl. H. 'THYEN, Johannes 129. Bei der Ergänzung "der die Sünde der Welt hinweg nimmt" inJoh 1,29 handelt es sich demnach nicht um einen späteren Zusatz, vgl. U. WILCKENS,Joh 46. 28 Vgl.Joh 1,7f. 29 So die Bezeichnungen bei L. SCHENKE, Entstehungsgeschichte 30. so Vgl. Mk 1,15; Mt 4,17. SI Vgl. Lk 4,16-30. 24 25 26
Der Dialogjesu mit NathanaeI injoh 1,47-51
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Die beiden Jünger, die Jesus nun als "Rabbi"32 anreden und ihn damit als ihren Lehrer ausweisen, antworten in Joh 1,38 mit einer Gegenfrage: 1TOU IlEVELC;;. Vordergründig bezieht sich diese Frage zunächst einmal auf den konkreten Wohnort Jesu, sein irdisches Haus. Im Sinne des Johannesevangelisten geht die Frage der Jünger wie die FrageJesujedoch tiefer und nimmt die unvergängliche BleibeJesu und damit seine eigentliche Heimat in den Blick. 33 Die Jünger wollen also wissen, wo Jesus wahrhaft daheim ist. Daraufhin bekommen sie von ihm in Joh 1,39 die Aufforderung: "EpXE09E Kat öl\tEo9E. Sogleich nehmen die beidenjünger die EinladungJesu an, sie kommen und sehen, wo Jesus wohnt; doch damit ist die Berufung noch nicht abgeschlossen. Als wesentliches drittes Moment kommt hinzu, dass sie bei Jesus bleiben. Die Formulierung 1Tap' au't4) EIlELVaV 't~v ~~pav EKELVTjV mit dem wichtigen Stichwort IlEVELV weist darauf hin, dass Nachfolge kein Blitzereignis, sondern ein Kontinuum darstellt; auf das ständige Bleiben beiJesus kommt es an. Die Zeitangabe wpa ~v WC; ÖEKti'tTJ, die inJoh 1,39 noch genannt wird, hat unterschiedliche Interpretationen bei den Exegeten hervorgerufen. Bultmann sieht in der zehnten Stunde die "Stunde der Erfüllung"34, Wilckens den Anbruch der Endzeit35 . Thyen verweist bei aller Vorsicht als weitere Vorschläge auf das zehnmalige "Und Gott sprach" der Genesiserzählung oder auf die zehn Worte des Dekalogs.36 Ob sich hinter dieser Zeitangabe tatsächlich ein symbolischer Sinn verbirgt, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen;37 wenn dem wirklich so sein sollte, dann lässt er sich jedenfalls nicht mehr in seiner ursprünglichen Bedeutung eruieren38, so dass sämtliche Vorschläge sich letztendlich als exegetische Spekulationen erweisen.
32 Der Evangelist liefert unmittelbar im Anschluss die griechische Übersetzung der im judentum gebräuchlichen Anrede von Lehrern durch ihre Schüler. Möglicherweise liegt darin ein Hinweis, dass es in der johaI]-neischen Gemeinde auch Milglieder gibt, die nur griechisch sprechen und auf eine Ubersetzung hebräischer oder aramäischer Ausdrucke angewiesen sind, vgl. K WENGSf,joh I 95. 33 Vgl. H. THYEN,joh 129. 34 So R. BULTMANN,joh 70. as Vgl. U. WILCKENS,joh 47. 36 Vgl. H. THYEN,joh 130. 37 Schnackenburg ist diesbezüglich skeptisch und erkennt hier "schwerlich einen symbolischen Sinn", vgl. R. SCHNACKENBURG,joh I 309. 38 Vgl. C. DIETZFELBINGER,joh I 55.
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Die DialogeJesu mi~ Einzelpersonen imJohannesevangelium
3.2. Die Berufung des Simon durch seinen Bruder Andreas Goh 1,40-42) Zu Beginn der zweiten Szene wird dem Leser in Joh 1,40 einer der beiden Erstberufenen mit Namen vorgestellt: "Hv 'AVÖpEIXe; 0 aöeloe; ~(~wvoe; IIhpou eIe; EK tWV Mo tWV aKouaaVtwv lTlXpa 'Iwavvou KlXt aKOAOu9TJaavtwv IXUt41. Durch diesen Rückverweis auf die gerade erfolgte Berufung wird die zweite Szene eng an die erste angebunden und gleichsam mit ihr verkettet. Gleichzeitig stellt die Charakterisierung des Andreas als "Bruder des Simon Petrus" einen Vorverweis auf die unmittelbar bevorstehende Berufung des Simon durch Andreas dar. 39 Wenn Andreas hier als Bruder des Simon Petrus eingeführt wird, dann lässt sich daraus schließen, dass Simon Petrus bei den Lesern bzw. Hörern des Johannesevangeliums nicht nur bekannt, sondern eben bekannter war als sein Bruder Andreas. 4o Im weiteren Evangelium begegnet Andreas noch in Joh 6,8 41 undJoh 12,2242 , beide Male interessanterweise in Verbindung mit Philippus, und tritt damit viel stärker in Aktion als bei den Synoptikern. 43 Der Name des zweiten Jüngers, der von Jesus berufen wird, wird nicht genannt. So stellt sich zwar die berechtigte Frage: "Wer war der andere?"44, doch da der Text keinerlei Anhaltspunkte zur Beap.twortung dieser Frage bietet, lässt sich ungeachtet der vielen Erklärungsversuche für diese Leerstelle im Text45 nur die Aussage machen, dass der Verfasser offensichtlich ganz bewusst den Namen des anderen Jüngers verschweigt und ihn somit in der Anonymität zurücklässt. In der weiteren Erzählung spielt er auch keine Rolle mehr; der Fokus liegt im Folgenden auf Andreas.
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Vgl. L. SCHENKE, Entstehungsgeschichte 30. Vgl. K. WENGST,Joh I 97. Im Kontext des Brotwunders weist Andreas Jesus auf den Knaben mit seinen fünf Gerstenbroten und zwei Fischen hin. Aufgrund seines griechischen Namens ist es nur allzu logisch, dass Andreas zusammen mit Philippus im Kontext der Hellenenrede die Griechen zuJesus führt. Vgl. K. WENGST,Joh I 97. Vgl. C. DIETZFELBINGER,Joh I 56. Die meisten Ausl~ger sehen nach wie vor den Lieblingsjünger hinter diesem anderen Jünger, vgl. die Ubersicht beiJ. KüGLER, Lieblingsjünger 421, der sich allerdings gegen diese Identifizierung ausspricht, oder die Diskussion bei H. THYEN,Joh 131-135.
Der DialogJesu mit NathanaeJ inJoh 1,47-51
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Andreas findet46 laut Joh 1,41 seinen Bruder Simon 47 und legt ihm gegenüber, ähnlich wie Johannes zuvor bei ihm selbst, ein Zeugnis für Jesus ab: EUP~KIXI.LEV MEool.lXv. Neben Joh 4,25 ist Joh 1,41 die einzige Stelle im gesamten Neuen Testament, an der das Wort Messias und seine Übersetzung ins Griechische vorkommt. Entgegen den Synoptikern ist es hier im Johannesevangelium nicht Petrus, der Jesus als Messias bekennt48, sondern Andreas, der seinen Bruder Simon auf Jesus als den Messias verweist. Auf dieses Zeugnis hin führt Andreas seinen Bruder zu Jesus. Von einer Reaktion oder von einem Verhalten des Simon ist im Text nicht die Rede. Stattdessen liegt das Gewicht auf dem Wort Jesu an Simon Petrus in Joh 1,42: ~u Er ~l.l.Lwv 6 utoc; 'Iwuvvou, ou KAlle~01J Kll naTpL, angegeben, der hier erstmals im Dialog genannt wird. In 160 Vgl.J. BECKER,Joh I 206. 161 Die Interpretation von Link, dass der johanneische Jesus mit dieser Aufforderung um das Vertrauen und den Glauben der Frau an Jesus Christus als den Offenbarer des Vaters wirbt, geht m. E. zu weit und lässt sich vom Kontext nicht halten, vgl. A. LINK, "Was redest du mit ihr?" 28l. 162 Hier begegnet sie zum einzigen Mal am Satzende und ist auch nicht wie an den anderen Stellen freundlich und höflich, sondern eher schroff und abweisend verwendet in Zusammenhang mit der vorwurfsvollen Formulierung ,l E~oL KaL ool, die Jesus an seine Mutter richtet und ihr damit zu verstehen gibt, dass es ihr nicht zusteht, die Stunde seines HandeIns festzulegen. 163Vgl. C. DIETZFELBINGER,joh I 107.
Der Dialogjesu mit der Samaritanerin injoh 4,7-26
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engem Zusammenhang mit der futurischen Dimension der wahren Gottesanbetung steht in Vers 21 die ebenfalls wie TIPOOKUV~OE't'E 't'c.i> TIn:'t'pL, den Vers 20 übersteigende Aussage epXE't'n:L wpn:. Aus diesen beiden Zusätzen geht die futurisch-esch~tologische Dimension der Aussage Jesu heIVor. Die kommende Stunde, die mit Vers 23 schon da ist, ist nicht als chronologische Angabe, auch nicht als kreuzestheologische Aussage im Hinblick auf die Erhöhung und Verherrlichung Jesu am Kreuz, sondern mit Bultmann, Schnackenburg und Link als eschatologische Zeit zu verstehen, die in der Person Jesu Christi anbricht. In ihm eröffnet sich eine neue Art und Weise der Gottesverehrung, und die lokale Bindung an eine bestimmte Kultstätte wird bedeutungslos. l64 Bevor diese neue Form der Gottesanbetung in den Versen 23 und 24 konkretisiert wird, begegnet mit dem Vers 22 die wohl schwierigste Äußerung innerhalb des Dialogs in J oh 4 und darüber hinaus eine der umstrittensten Aussagen im gesamten Johannesevangelium. Von der syntaktischen Struktur dieses Verses her ergeben sich noch die wenigsten Probleme. An einen antithetischen Parallelismus mit der Formulierung UIJ-ELC; TIPOOKUVEL't'E ö OUK O'(Ön:'t'E' ~IJ-ELC; TIPOOKUVOUIJ-EV Ö O'(Ön:IJ-EV schließt sich ein Begründungssatz mit ön an: ön ~ OW't'TlPLn: EX 't'WV 'IouliaLwv eo't'Lv. Die Schwierigkeiten beginnen bei der inhaltlichen Beurteilung dieses Verses. Bei der Bestimmung, wer hinter den beiden Personalpronomina steht, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder spricht Jesus in den UIJ-ELC; die Samaritanerin als Vertreterin ihrer Religionsgemeinschaft an und schließt sich selbst in den ~IJ-ELC; mit den Juden zusammen; damit stehen Samaritaner und Juden einander gegenüber. Oder aber sind Samaritaner und Juden in den UIJ-ELC; zusammengefasst undJesus spricht bereits aus christlicher Perspektive und meint mit den ~IJ-ELC; sich und die Christen. Dann würde jedoch die nachfolgende Begründung keinen Sinn ergeben. Vielmehr ergibt sich m. E. aus dem Kontext, dass der in den Versen 20 und 21 eröffnete Gegensatz zwischen Samaritanern und Juden in Vers 22 weitergeführt wird; auch die nachfolgende Begründung "denn das Heil kommt von den Juden" ist nur vor diesem Hintergrund sinnvoll. 165 Wie ist dann diese letzte Aussage zu. bewerten? Im unmittelbaren Zusammenhang mit dem ersten Versteil wird dadurch der heilsgeschichtliche Vorrang der Juden vor den Samaritanern zum Ausdruck gebracht. Weil das Heil aus dem jüdischen Volk heIVorgeht, können die Juden im Unterschied zu den Samaritanern das an164Vgl. R. BULTMANN,joh 139; R. SCHNACKENBURG,joh I 470; A. LINK, .Was redest du mit ihr?"281 in Anlehnung an F. PORSCH, Pneuma 147. 165 Vgl.J. BECKER,joh I 206f.
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Die Dialogejesu mit Einzelpersonen imjohannesevangelium
beten, was sie kennen. Damit sind sie die wahren und rechtmäßigen Gottesanbeter und die alte Streitfrage ist für sie entschieden. Im Gesamtkontext des Johannesevangeliums geht die Aussage "denn das Heil kommt von den Juden" weit über den Konflikt zwischen Samaritanern und Juden hinaus.Joh 4,22e stellt diejudenfreundlichste ,Aussage beiJohannes dar und bildet den stärksten Kontrast zuJoh 8,44; in diesem Vers werden die Juden als Söhne des Teufels verrufen. Aus diesen beiden Spitzenaussagen geht die ambivalente Sichtweise der Juden im Johannesevangelium pointiert hervor. Daneben findet sich bei Johannes auch eine neutrale Sicht der Juden.l 66 Diese unterschiedliche Wahrnehmung der Juden imJohannesevangelium lässt sich unmöglich auf einen einzigen Autor zurückführen. Selbst die Abkehr der johanrieischen Christen vom jüdischen Synagogenverband und die damit einhergehende veränderte Beurteilung der Juden vermag das Nebeneinander solch extremer Aussagen wieJoh 4,22 undJoh 8,44 nicht zu erklären. Demzufolge kommt als Lösung dieser Spannungen nur in Frage, dass das unterschiedliche Bild der Juden im Johannesevangelium auf unterschiedliche Autoren zurückgeht. Für Joh 4,22e muss deshalb entschieden werden, ob dieser Teilvers dem Evangelisten oder einem späteren Redaktor zuzuschreiben ist. Allein die sprachliche Formulierung deutet auf Letzteren hin, stellt doch der Ausdruck ~ OW1:"'lPLCX ein Hapaxlegomenon im Johannesevangelium dar167 und ist möglicherweise durch die abschließende Formulierung in Joh 4,42 oU'tOC; eonv u/..1l9wC; 0 OWTI!P 'tOU KOOfJ.OU in diesen Kontext eingefügt. Wichtiger noch ist die Tatsache, dass sichJoh 4,22e mit seiner extrem judenfreundlichen Tendenz nicht ganz unproblematisch in den Kontext johanneischer Theologie einfügt. Zwar ist und bleibt auch nach der Darstellung des Johannesevangeliums Jesus ein Jude, allerdings nur auf der anthropologischen Ebene, wenn es um seine natürliche Herkunft und sein Menschsein geht. In theologischer Hinsicht ist die AbstammungJesu aus dem Judentum beiJohannes sekundär, vielmehr geht es bei ihm primär um die Beziehung Jesu zum Vater, seine Sendung vom Vater in die Welt und seine Rückkehr zu ihm. Darin begründet sich sein Auftrag im Allgemeinen und sein Heilsangebot im Speziellen. Beides wird von den Juden durch die Ablehnung seiner Person nicht erkannt und nicht angenommen.l 68 Vor die166 So
beispielsweise injoh 7,11; 11,19; 12,9 oder bei der Kennzeichnungjüdischer Feste injoh 2,13; 5,1; 6,4 u. a. 167 Überhaupt begegnet der Ausdruck sehr selten im Neuen Testament, relativ häufig bei Lukas, vgl. Lk 1,69.71.77; 19,9; Apg 4,12; 7,25; 13,26.47; 16,17; 27,34. 168Vgl. nurjoh 1,l1f.
Der DialogJesu mit der Samaritanerin inJoh 4,7-26
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sem Hintergrund kannJoh 4,22e schwerlich vomJohannesevangelisten stammen, sondern von einem späterenjudenchristlichen Redaktor, der noch stark in der jüdischen Tradition verwurzelt ist und das Heil von denjuden erwartet. 169 Wenn qer Teilvers 22e also auf einen Redaktor zurückgeht, dann fällt auch auf den restlichen, vorherigen Vers ein redaktionelles Licht, ist doch 22e durch den Begründungssatz eng mit 22abcd verbunden,170 Dieser logische Rückschluss bestätigt sich durch die Steilung des Verses 22 im Kontext der Verse 21 und 23. In diesen Versen wird sowohl der samaritanische Kult auf dem Garizim als auch der jüdische Kult in Jerusalern für beendet erklärt zu Gunsten einer neuen, vom Ort unabhängigen Fonn der Gottesanbetung in Geist und Wahrheit. Demgegenüber stellt der Vers 22 einen Rückschritt dar, insofern hier den Juden ein Heilsvorrang gegenüber den Samaritanern eingeräumt wird. Rein von der Logik her lässt sich dieser Vers nicht einfach als "Zwischenbemerkung" abtun, die als Überleitung von der Ankündigung der es~ha tologischen Zeit in Vers 21 zu ihrer Erfüllung in Vers 23 fungiertl 71 , sondern er wirkt störend im Duktus der Argumentation, insofern das klare "Weder-Noch" der Verse 21 und 23 durchbrochen wird. Ohne den Vers 22, der von einem späteren judenchristlichen Redaktor "korrigierend, ergänzend und entschärfend"172 eingefügt wurde, ergibt sich eine stimmige und stringente Argumentation, die auf das "WederNoch" sofort ein "Sondern" folgen lässt. 173 Die Stunde der rechten Anbetung, die in Vers 21 futurisch verheißen wird, kommt mit der Aussage Jesu in Vers 23 präsentisch zu ihrer Erfüllung. Die Fonnulierung epXE't'IXL WPIX in Vers 23 ist direkt aus Vers 21 übernommen, aber durch den Zusatz KIXL vuv eonv wird das Kommen der Stunde nicht mehr auf unbestimmte Zeit vertagt, sondern es ereignet sich im Jetzt der Gegenwart. 174 Ebenso wird das 169Vgl. C. DIETZFELBINGER, Joh I 109f.; A. LINK, "Was redest du mit ihr?" 193-195; J. BECKER,Joh I 207f. . 170 Damit scheidet die hypothetische Variante bei Bultmann aus, dass der Vers 22 nur teilweise aufgrund einer falschen Interpretation des Vorherigen eine Glosse der Redaktion ist, vgl. R. BULTMANN,Joh 139. l7l Vgl. R. SCHNACKENBURG,Joh I 471. 172 So C. DIETZFELBINGER,Joh I 110. 173 Das IiH.o: zu Beginn von Vers 23 darf nicht mit "aber" übersetzt werden; es ist im Deutschen vielmehr mit "sondern" wiederzugeben. 174 Damit ergibt sich von c!.er Formulierung her ein deutlicher Bezug zu Joh 5,25.28, wenn hier in wörtlicher Ubereinstimmung mitJoh 4,21.23 die eschatologische Stunde zunächst für die Gegenwart angekündigt und dann für die Zukunft verheißen wird· Anders als im Fall der Eschatologie inJoh 5 stellen die Aussagen inJoh 4 allerdings keine inhaltliche Spannung, sondern eine stringente Weiterführung dar.
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Die Dialoge jesu mit Einzelpersonen im johannesevangelium
1TPOOKUv.10E't'E 't'4) 1Ta't'pL, aus Vers 21 in Vers 23 näher konkretisiert und spezifiziert. Als Subjekt dieser Gottesanbetung werden die UATj9LVOL 1TPOoKuVTj't'aL genannt. Die ßezeichnung 1TPOOKUVTj't'aL erscheiilt im ge-
samten Neuen Testament nur hier inJoh 4,23 und wird durch das Adjektiv UATj9LVOL 175 genauer bestimmt. Bei diesen echten Anbetern spielt der Kultort keine Rolle mehr, vielmehr kommt es bei ihnen auf die Art und· Weise der Gottesverehrung an. Das entscheidend Neue gegenüber allen bisherigen Formen des Kultes ist nunmehr die Anbetung Gottes ev 1TvEujJan KaL uATj9ELa, und als Begründung wird angegeben: yap 0 1Ta't'~p 't'OLOU't'OUt; 'Tj't'EL 't'OUt; 1TPOOKuvouv't'at; all't't)v. Der Vater ist demzufolge nicht nur das Objekt der Verehrung, er selbst sucht solche Anbeter, die ihn in Geist und Wahrheit anbeten.l 76 Mit dieser Doppelwendung l77 bringt Johannes die neue Form der Gottesanbetung "in unüberbietbarer Dichte und Prägnanz"178 zum Ausdruck. Was er darunter versteht, geht aus dem folgenden Vers 24 und darüber hinaus aus seinem Geist- und Wahrheitsverständnis im Evangelium her;vor. Mit der Formulierung 1TVEUjJIX 0 9EOt; in Vers 24 wird zwar keine Definition Gottes geliefert, die Gott mit Geist gleichsetzt und identifiziert, aber analog zu den formal ähnlichen Aussagen 0 9EOt; cjlWt; eonv in 1 Joh 1,5 und 0 9EOt; uytX1TT] eo't'Lv in 1 Joh 4,8.16 wird das Wesen Gottes näher beschrieben und sein besonderes Sein, seine Andersartigkeit gegenüber aller menschlicher Seinsweise, zum Ausdruck gebracht. Nachjohanneischem Verständnis veIWeist der Pneumabegriff im Unterschied zur fleischlich-irdisch orientierten Sarxvorstellung auf den göttlich-himmlischen Bereich. Wenn also Gott Geist ist und in der ihm entsprechenden Weise, also im Geist, angebetet werden will, dann scheidet jeder anthropologische Zugang zu Joh 4,23f. aus. Ausgangspunkt dieser Anbetung im Geiste ist vielmehr der Geist Gottes, dessen schöpferische Macht in Anlehnung an den alttestamentlichen Geistbegriff den Menschen durchwirkt und belebt.l79 Jesus wird dieser Geist bei seiner Taufe verliehen l80 und er ist alleiniger Geistträger, bis er den Geist an Ostern den Jüngern weitergibt.l 81 In der Taufe wird der 175 Man beachte das Wortspiel mit &~TJee(q:. Deswegen steht wohl auch der Doppelausdruck nGeist und Wahrheit", liegt doch im Folgenden der Schwerpunkt auf dem Geist. 176 Vgl. A. LINK, "Was redest du mit ihr?" 226. 177Vgl. andere Doppelwendungen beijohannes, z. B. xapL~ KIXL f) cXA."eELIX injoh 1,14.17 oder&A."eeLIX KIXL f) (CU" injoh 14,6. 178 So R. SCHNACKENBURG,joh I 471. 179 Vgl. Gen 1,2: Der Geist Gottes ist vor aller Schöpfung, d. h. er wird nicht geschaffen, sondern ist selbst Leben schaffendes Prinzip. 180Vgl.joh 1,32. 181 Vgl.joh 20,22.
Der Dialogjesu mit der Samaritanerin injoh 4,7-26
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Mensch mit dem Geist Gottes erfüllt182 und erhält damit die Voraussetzung, Gott, der Geist ist, aus diesem Geist heraus anzubeten. Neben der Anbetung im Geist, die von Gott ausgeht und auf ihn ausgerichtet ist, will Gott auch in der Wahrheit angebetet werden. Der Ausdruck iI &.l~geLQ: begegnet bei Johannes im Unterschied zu den synoptischen Evangelien bedeutend häufiger und bezeichnet laut Bultmann "die in Jesus offenbare Wirklichkeit Gottes"183. Dieser relativ abstrakte Begriff wird in Jesus Christus konkret und nimmt in seiner Person Gestalt an, wenn Jesus inJoh 14,6 von sich selbst sagt: 'EyuS eLjJ.L ~ OöOC; Kat ~ &.l~9ELa Kat ~ 'w~. Demzufolge kann die Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit nicht an Jesus, der die Wahrheit ist, vorbeigehen; vielmehr ist sie konstitutiv an seine Person gebunden. In Jesus Christus bricht die eschatologische Stunde der neuen Gottesanbetung in Geist und Wahrheit an. Damit werden sämtliche Kultstätten, sei es auf dem Garizim oder in Jerusalem oder sonst wo, bedeutungSIOS184, wahre Anbetung erfolgt nunmehr aus dem Geist Gottes heraus, der in Jesus Christus gegeben wurde, und ist aufJesus Christus, der die geoffenbarte Wahrheit Gottes darstellt, ausgerichtet. Die neue Form der Anbetung in Geist und Wahrheit enthält demnach gleichermaßen eine zutiefst theologische wie christologische Komponente. Jesus Christus ist nunmehr der neue Ort der Gottesanbetung. Zu dieser christologischen Erkenntnis will der johanneische Christus die Frau mit seinem kleinen Offenbarungsmonolog in den Versen 21-24 führen. Ob und wie dies ihm geglückt ist, zeigen die beiden letzten Verse des Dialogs zwischenJesus und der Samaritanerin inJoh 4,25f. 4.4.5. Der Höhepunkt des Dialogs: Die SelbstoffenbarungJesu als Messias (V. 25f.) Die offenbarungstheologischen Ausführungen Jesu bezüglich der wahren Gottesanbetung gehen an der Frau nicht spurlos vorbei. Mit ihrer Aussage in Vers 25: Ü!ÖIX ön MeaoLIXC; EPXE'tIXL b leyojJ.evoc; XPLOtOC;· Ö.IXV Ele1J EKelvoc;, &.vlXyyelE1 ~jJ.lv ä,1TIXV't1X bringt sie ihre religiöse Erwartung zum Ausdruck. Die Samaritanerin äußert ihre Vorstellung vom Kommen des Messias und projiziert diese in die Zukunft. Im unmittelbaren Anschluss an das WortJesu in Vers 21 lässt sich die Aussage der Frau in Vers 25 sinnvoll nachvollziehen, weil auch hier der 182joh 3,3.5f. 183 So R. BULTMANN,joh 140. , 184 Die Loslösung von bestimmten Kultorten impliziert allerdings nicht, dass beini Anbeten der konkrete Gestus des NiederfalIens keine Rolle mehr spielt, vgl. H. GREEVEN, Art. lTPOOKUvEW 765.
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Die Dialoge jesu mit Einzelpersonen im johannesevangelium
Blick in die Zukunft gerichtet ist. Durch die präsentischen Verse 23 und 24 erscheint die Frau in Vers 25 jedoch als Nicht-Verstehende. Sie hält weiterhin futurisch na~h dem Kommen des Messias Ausschau, während Jesus von der Gegenwart spricht; mit ihm ist die Heilszeit bereits angebrochen. Damit hat die Samaritanerin Jesus in seiner Bedeutung noch immer nicht erfasst.I 85 Die Formulierung OLM /Sn findet sich in verschiedenen Kontexten des Johannesevangeliums immer wieder186 und druckt jeweils ein sicheres Wissen und eine klare Erkenntnis aus. Die Samaritanerin ist vom Kommen des Messias überzeugt. Allerdings fällt der artikellose Gebrauch von "Messias" in ihrem Munde auf. Welches Messiasverständnis liegt hier vor? Aus der Sicht der samaritanischen Frau legt sich die Messiasvorstellung der Samaritaner nahe, die nach Dtn 18,18 den Taheb als Messias erwarten; dieser "Wiederkehrende" soll ähnlich jüdischen Messiaserwartungen die politische Ordnung, das Königtum Israel, und den wahren Kult wiederherstellen. 187 Dabei fragt sich nur, welchen Sinn es macht, dass der Johannesevangelist an dieser alten, überholten Vorstellung festhält und juden- wie heidenchrisdiche Ohren damit konfrontiert. Neben dieser samaritanischen Variante kommt auch die jüdische Messiaserwartung in Frage, die sich ebenfalls an Dtn 18,18 entzündet: "Einen Propheten wie dich will ich ihnen mitten unter ihren Brüdern erstehen lassen. Ich will ihm meine Worte in den Mund legen und er wird ihnen alles sagen, was ich ihm auftrage." Dass es sich in Vers 25 um eine jüdische Messiasvorstellung handelt, ließe sich folgendermaßen erklären. Der jüdische Titel "Messias" wird analog zu Joh 1,41 im unmittelbaren Anschluss für heidenchrisdiche Hörer bzw. Leser vom Evangelisten erklärt und damit auch ihnen verständlich gemacht. Weiterhin lässt sich der Nachsatz in Vers 25 ocav ~Ä.ell EKELVOC;, livaYYEAE'L ';j.LLV &1TaV1:a inhaldich in engen Zusammenhang mit Dtn 18,18 bringen, insofern beide Male von einer Verkündigungstätigkeit des prophetischen Messias die Rede ist. Ob diese Anspielung von Johannes intendiert ist, mag dahingestellt bleiben. Der Evangelist orientiert sich wohl eher am näheren Kontext. Die samaritanische Frau ist nachJoh 4,16-19 weiterhin ihrem Wunderglauben verhaftet; sie sieht in Jesus nicht nur den Propheten, der durch 185 Vgl. A. LINK, "Was redest du mit ihr?" 283. l86Vgl.joh 3,2; 4,42; 5,32; 8,37; 9,20.24.25.29.31; 11,22.24; 12,50; 16,30; 19,10; 21,15.16. 24. 187 Vgl. R. SCHNACKENBURG,joh I 475f.
Der Dialogjesu mit der Samaritanerin injoh 4,7-26
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sein wunderbares Wissen ihr Privatleben aufdeckt, sondern auch den Messias, der alles verkündet.l 88 Damit besteht ein innerer Zusammenhang zwischen diesen beiden Titeln, die freilich von der Frau in ihrer christologischen Tiefendimension so nicht wahrgenommen werden. Aber. der Evangelist hebt wahrscheinlich die eher allgemeinere Bezeichnung "Prophet" aus Vers 19 auf eine höhere Ebene und kommt in Vers 25 auf den "Messias" zu sprechen. Durch diese neue christologische Offenbarung gelingt es ihm, auf der Textebene die Perspektive der Samaritanerin zu wahren und ihren Vorstellungen zu entsprechen und gleichzeitig auch die jüdische Dimension im Hinblick auf judenchristliche Rezipienten des Evangeliums einzuhalten.l89 Für die Heidenchristen erfolgt die Erklärung: b Äey6~evoc; XpLa't6c;; damit können auch sie die stufenweise christologische Offenbarung weiter mitverfolgen und werden tiefer in die BedeutungJesu eingeführt. Nach den Versen 21-24 erübrigt sich eigentlich die Frage nach dem Me.ssiasverständnis von Vers 25, erteilt dochJesus dem samaritanischen wie dem jüdischen Kult in gleicher Weise eine Absage. Die neue Form der Gottesanbetung in Geist und Wahrheit ist konstitutiv an die Person Jesu gebunden, er ist der Messias, der nicht erst zu kommen braucht, weil er schon da ist. Diese speziell aus Vers 23 implizit hervorgehende Erkenntnis muss Jesus der Frau und den Lesern gegenüber noch explizit zum Ausdruck bringen, damit es mit dem Rätselraten um seine Person vorläufig zu einem Ende kommt und Klarheit darüber besteht, wer Jesus ist. In einer schlichten, aber doch gewichtigen Aussage erfolgt in Joh 4,26b die Selbstoffenbarung Jesu l90 : 'Eyc.S etJ.l.L, b ÄocÄwv aoL Damit wird der futurische Aspekt von Vers 25 hier in Vers 26 in die Gegenwart geholt. Jesus eIWeist sich der Frau als der von ihr erwartete Messias und gibt ihr das unmissverständlich zu erkennen. Im Unterschied zuJohannes dem Täufer, der auf die Frage der Jerusalemer Gesandtschaft nach seiner Person in Joh 1,20 mit: 'Eyw OUK etJ.l.L b XpLa't6c; antwortet und damit die Messianität für sich zurückweist, kehrtJesus inJoh 4,26 diese
J.
188 VgI. RINKE, Kerygma 88. 189 Gegen Becker, der den Messiastitel
in Vers 25 rur austauschbar hält durch einen anderen, der johanneischen Gemeinde bekannten Hoheitstitel, vgI. J. BECKER, joh I 211. 190 Schnackenburg betont, dass jesus im Unterschied zu joh 9,37 nicht durch die Situation zu dieser Aussage gezwungen wird, sondern sich der Frau aus freien Stücken als Messias offenbart, vgI. R SCHNACKENBURG,joh I 476. Allerdings kannjesus nach der Steilvorlage in Vers 25 gar nicht anders, als die MessiasvorsteIlung der Frau auf seine Person zu übertragen und damit am Ende des Dialogs endlich rur klare Verhältnisse zu sorgen.
118
Die Dialoge Jesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
Formulierung in ihr Gegenteil und gibt sich als der erwartete Messias zu erkennen. Auf diese Weise wird die Negativformulierung des Täufers im Munde Jesu positiv aufgelöst und auf seine eigene Person übertragen. Hier in Joh 4,26 begegnet damit zum ersten Mal bei Johannes die absolute Redeweise 'Eyc.S ElIJ.L, die sich auch noch an weiteren Stellen des Evangeliums findet. 191 Dadurch, dass es sich bei dieser ersten Stelle um ein Offenbarungswort Jesu handelt, lässt sich die Formulierung 'Eyc.S eLIJ.L. 6 AaWVaOL nicht einfach als bloße Selbstidentifikation abtun.l 92 Vielmehr gehört dieses absolute'Eyc.S EllJ.L neben den prädikativen Ich-bin-Worten 193 zu den offenbarungstheologischen Ich-binAussagen Jesu im Johannesevangelium. Diese sind nicht ausschließlich in Zusammenhang mit der johanneischen Sendungschristologie zu erklären l94, sondern sind vor dem Hintergrund alttestamentlicher Gottesrede zu verstehen.l 95 In Deuterojesaja wird mit dieser einfachen Formel die Einzigkeit und ErhabenheitJahwes zum Ausdruck gebracht, "damit ihr erkennt und mir glaubt und einseht, dass ich es bin ( ... ) Ich bin Jahwe, ich, und außer mir gibt es keinen Retter."196 Über die Septuaginta kommt wohl dieses absolute "Ich bin" in die Sprechweise des Johannesevangelisten, der mit dieser alttestamentlichen OffenbarungsformelJesus zum neutestamentlichen Offenbarer und Heilsbringer für die Menschen macht.l 97 Was aus den folgenden Stellen sicherlich noch deutlicher hervorgeht, ist allerdings schon in Joh 4,26 grundgelegt. In Anlehnung an die alttestamentliche Gottesoffenbarung gibt sichJesus der Frau mit seiner Selbstoffenbaruilg als Messias zu erkennen. Dies geschieht jedoch nicht in Form einer Christophanie, wie sie vielleicht analog zur Theophanie im Alten Testament zu erwarten wäre, sondern in einem Gespräch: 'Eyc.S ElIJ.L. 6 AaAWV aOL. Auf diese Weise bekommt Offenbarung eine kommunikative Komponente. sie ereignet sich nicht im luftleeren Raum, sondern lässt sich am konkreten Gegenüber erfahren. Die Samaritanerin hört es nunmehr unmissverständlich aus dem Munde Jesu, dass er selbst der Messias ist.
191 Vgl.Joh 6,20; 8,24.28.58; 13,19. 192 Gegen A. LINK, "Was redest du mit ihr?" 288f. 193Vgl.Joh 6,35.48.51; 8,12; 10,9; 11,25; 15,25. 194 Gegen]. BECKER,Joh I 249-251. 195 Vgl. R SCHNACKENBURG,Joh 11 253f. 196 Jes 43,IOf.; vgl. auchJes 41,4 und 45,18.12. 197 Zu den Ich-bin-Worten Jesu im Johannesevangelium folgt noch ein ausführlicher Exkurs im Rahmen der Analyse des Dialogs zwischenJesus und Martha.
Der DialogJesu mit der Samaritanerin inJoh 4,7-26
119
Mit dieser Selbstoffenbarung Jesu ist der Dialog Jesu mit der Samaritanerin an seinen Höhepunkt und an sein Ziel gelangt. Die samaritanische Frau weiß nunmehr, mit wem sie gesprochen hat und wer Jesus ist. Auf dieser offenbarungstheologischen Grundlage vonseiten Jesu und dieser erkenntnistheologischen Grundlage vonseiten der SamaritaneriD. ist die Voraussetzung geschaffen für den weiteren Fortgang der Erzählung. Denn mit dem Ende des Dialogs ist nicht das Ende der Erzählung erreicht, vielmehr bringt der Dialog die Erzählung erst in Gang und motiviert die folgende Handlung. 198 Umgekehrt bündelt sich in Joh 4,26 der gesamte Dialogverlauf, insofern der Dialog von Anfang an auf diese Selbstoffenbarung Jesu hinausläuft; demnach erweist sich der Dialog nicht als eine Aneinanderreihung von Einzelthemen, die voneinander isoliert sind und nacheinander behandelt werden, sondern als ein Weg, der nach und nach zum Glauben anJesus führt. Jesus ist Gabe und Geber des lebendigen Wassers; Jesus ist der "Ort" der neuen Gottesverehrung; Jesus ist der Messias. Damit werden im Laufe des Dialogs verschiedene Antworten auf die eine Frage gegeben, wer Jesus ist und welche Bedeutung er für die Menschen hat. Letztlich wird die Frau zusammen mit dem Rezipienten des Dialogs auf verschiedenen Stufen zu der christologischen Erkenntnis geführt, dassJesus der Messias ist. Damit weiß die samaritanische Frau inJoh 4 viel mehr über Jesus als Nikodemus in Joh 3. Überhaupt werden beide Gestalten als Kontrastfiguren gezeichnet: Der Mann, Jude, Ratsherr Nikodemus auf der einen Seite; die namenlose, einfache samaritanische Frau auf der anderen Seite. Jener suchtJesus bei Nacht auf; sie begegnetJesus am helllichten Mittag am Brunnen. Beide unterliegen Missverständnissen, aber mit dem bedeutenden Unterschied, dass Nikodemus in seinem Missverstehen verharrt und dann plötzlich als. Dialogpartner Jesu von der Bildfläche verschwindet, während der Dialog Jesu mit der Samaritanerin dahingehend zu Ende geführt wird, dass sich Jesus der Frau als Messias offenbart199 und sie daraufhin zum Glauben an ihn kommt. Damit wird die samaritanische Frau als Identitätsfigur für den Leser gezeichnet. Zusammen mit ihr soll er stufenweise zur chri~tologischen Erkenntnis geführt werden und schließlich zum Glauben an Jesus als Messias kommen.
198 Vgl.
den weiteren Fortgang der Handlung: Nach der Selbstoffenbaiung Jesu macht sich die Samaritanerin auf zu ihren Landsleuten und bringt sie zu Jesus; diese kommen schließlich zum Glauben an ihn als den Retter der Welt. 199 Vgl. C. DIETZFELBINGER,Joh I 106-109.
120
Die DialogeJesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
5. Die Auswirkungen des Dialogs auf den Fortgang der Err.ählung Mit der Selbstoffenbarung Jesu als Messias in Joh 4,26 ist zwar der Höhepunkt des Dialogs erreicht, aber damit ist die Erzählung von der samaritanischen Frau keineswegs zu Ende. Vielmehr stellt dieser gewichtige Einschnitt gewissermaßen die Zündschnur für den Fortgang der Handlung dar, wird doch die Samaritanerin durch ihre stufenweise gewonnene christologische Erkenntnis zu einer entscheidenden Figur für die weitere Erzählung, insofern sie ihre Landsleute zu Jesus führt, die sich daraufhin ihrerseits zu Jesus als dem "Retter der Welt"200 bekennen. 5.1. Das Weggehen der Samaritanerin zu ihren Landsleuten und das Kommen der Samaritaner zuJesus Durch die Rückkehr der Jünger wird der Dialog zwischenJesus und der Samaritanerin unterbrochen: So bleibt am Ende des Dialogs die Selbstoffenbarung Jesu als Messias unkommentiert als Höhepunkt stehen. Die Jünger, die laut Joh 4,8 zum Essenkaufen in den Ort gegangen sind, kehren in Joh 4,27 zurück und sind verwundert, dass Jesus mit einer Frau spricht. Keiner wagt es offen auszusprechen, aber Fragen wie TL CrrtE'i.c; ~ TL Aa.M'i.C; tJ.E't"' a.u't"fic;; werden stillschweigend gestellt, nicht nur von den Jüngern auf der Textebene, sondern auch von den Lesern bzw. Hörern des Textes. Nicht durch das Zurückkommen der Jünger motiviert, sondern um ihre Landsleute herbeizurufen, macht sich die Frau eilends auf den Weg in das Dorf. Ihr schnelles, spontanes Verhalten zeigt sich im Stehenlassen des Wasserkruges, was wiederum darauf hindeutet, dass die Samaritanerin zumjakobsbrunnen und damit auch zuJesus zurückkehrt. 201 Ein Vergleich mit den synoptischen Berufungserzähiungen202 zeigt, dass die Samaritanerin wie die Jünger auch ihre Tätigkeit für Jesus ruhen lässt und darüber hinaus ganz konkret als Vermittlerin zwischenJesus und ihren Landsleuten fungiert, so dass die Samaritaner zum Glauben anJesus kommen. In Joh 4,29 fordert sie die Samaritaner mit einem doppelten Imperativ auf: ßEU't"E 'LÖE't"E. Von dem ganzen Dialog mit Jesus muss die Samaritanerin am stärksten von der prophetischen Gabe Jesu beein200Vgl.Joh 4,42. 201 Vgl. C. DIETZFELBINGER,Joh I 113. 202Vgl. A. LINK, "Was redest du mit ihr?" 297.
Der DialogJesu mit der Samaritanerin inJoh 4,7-26
121
druckt sein, nimmt sie doch mit der Aussage &V9pW1TOV ÖC;; EL1TEV ~OL 1Tav't"a öaa E1TOLTjaa ganz gezielt aufJoh 4,16-19 Bezug und reagiert nur zögerlich auf die Selbstoffenbarung Jesu als Messias mit einem Schwellenbekenntnis in Frageform am Ende von Joh 4,29: ~~n ou't"OC;; Eanv 0 XpLa't"oc;;;.
.
Durch die Verwendung von ~~n20S wird eine vorsichtige Vermutung zum Ausdruck gebracht, die den Leser zum Nachdenken und auch zur eigenen Meinungsbildung anregen soll, wer Jesus für ihn ganz persönlich ist. 204 Möglicherweise soll mit diesem zaghaften Bekenntnis der samaritanischen Frau auch eine gewisse Spannung im Erzählbogen aufgebaut werden, die sich im universalen Bekenntnis von Joh 4,42 entladen soll. Demnach liefert Joh 4,29 die vorsichtige Fragestellung der Samaritanerin für die definitive Antwort der Samaritaner in Joh 4,42. 205 Allerdings ergibt sich dadurch eine gewisse Spannung im unmittelbaren Kontext. In Joh 4,26 offenbart sich Jesus der Samaritanerin unmissverständlich als Messias, in Joh 4,29 stellt die Samaritanerin die MessianitätJesu in Frage. Zeigt sich daran, dass die Frau doch noch nicht zum vollen und endgültigen Glauben an Jesus gekommen ist? Der weitere Gang der Handlung beweist auf jeden Fall, dass sie bei ihren Landsleuten mit ihrer Botschaft keineswegs auf Ablehnung oder Desinteresse stößt. Ganz im Gegenteil, aus dem Verhalten der Samaritaner lässt sich schließen, dass die Frau als glaubwürdige Zeugin aufgetreten ist, die zum Glauben an Jesus gekommen ist. Wie sonst hätte sie die Dorfbewohner auf Jesus aufmerksam machen und sie für ihn begeistern können? Damit erweist sich die Formulierung ~~n ou't"OC;; Eanv 0 XpLm;oc;;; doch mehr als rhetorische Frage, die die Neugier der Samaritaner wecken und sie zur persönlichen Begegnung mitJesus antreiben soll. Auf das persönliche Glaubenszeugnis der Frau und auf ihren missionarischen Aufruf hin machen sich die Samaritaner auf den Weg und gehen zuJesus. 206
kommt im gesamtenJohannesevangelium nur dreimal vor, hier inJoh 4,29 und darüber hinaus nur noch in Joh 8,22 und 18,35. Im Unterschied zu den beiden letztgenannten Stellen erfordert es hier in Joh 4 nicht unbedingt eine negative Antwort. 204 VgI. R. SCHNACKENBURG,Joh I 478. 205 VgI. A. LINK, »Was redest du mit ihr?" 300. 206 Die Aoristform ~fJÄ90v betont den punktuellen Aspekt des Aufbruchs (ingressiver Aorist), während die Imperfektform ~PXOVtO die Dauer des Unterwegsseins (duratives Imperfekt) zum Ausdruck bringt. 20S ILlln
122
Die Dialogejesu mit Einzelpersonen imjohannesevangelium
Exkurs: DieJüngerbelehrunginJoh 4,31-38
Die Zwischenzeit, während die Samaritaner unterwegs zu Jesus sind, nutzt der Evangelist auf geschickte Art und Weise, um einen Dialog zwischenJesus und seinen Jüngern einzubauen, der zu einem Monolog Jesu wird. Dieser AbschnittJoh 4,31-38 lässt sich formal und inhaldich in ·zwei Teile gliedern. In den dialogischen Versen 31-34 geht es um eine Speise, die die Jünger wörtlich im irdisch-konkreten Sinn verstehen, währendJesus seine Sendung als Speise betrachtet, die ihm die nötige Nahrung im himmlisch-übertragenen Sinn gibt. Die rein monologischen Verse 35-38 sprechen eine missionarische Sprache und lenken den Blick weg vom Wirken des Vaters und des Sohnes hin auf die Arbeit der Jünger. Die Aufforderung der Jünger an Jesus zu essen in Joh 4,31: <j>&YE entspricht der Bitte Jesu gegenüber der samaritanischen Frau, ihm zu trinken zu geben aus Joh 4,7: M~ f..LOL 1TELV. Und wie das Trinken als Stichwort für den folgenden Dialog mit allen seinen Missverständnissen fungiert, so liefert die Aufforderung "iss" das Thema der folgenden Verse und führt auch zu einem Missverständnis. Während die Jünger laut Vers 34 an irdisches Essen denken, das den physischen Hunger des Menschen stillt, spricht Jesus von einer Speise, die die Jünger nicht kennen. 207 Unmittelbar in Vers 34 erfolgt aus dem Munde Jesu die Erklärung, worin seine Speise besteht: 'Ef..LOV ßp EKa9E(Eto.
21
a b c
EL1rEV ouv ~ Mocp9a lTPOC; tOV 'I1laouv, KUPLE, Et 'lic; <SÖE OUK äv alTE9aVEV 0 aÖEA$oc; iJ.Ou·
22
a b c
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23
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0 'I1laOUC;, 0 aÖEA$oc; aou.
a
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b
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24
a b
AEYEL autci) ~ Mocp9a, otöa
25
a b c
EL1TEV aUtfl 0 'I1laOUC;, 'Eyw EtiJ.L ~ aVOCataaLC; KaL ~ (c..>~. 1TLatEuc..>v EtC; E!!E Käv alToMvn (~aEtaL,
a b
KaL 1TeXC; 0 (wv KaL 1TLatEuc..>v EtC; EiJ.E ou iJ.T] a1ToMvn EtC; tOV aLwva· lTLOtEUELC; tOUtO;
26
C
27
a b c
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Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
175
Deutsche Übersetzung: 20
a b
c d
21
a
b c 22
23 24
a
Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben.
a b
J esus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen.
a
Martha sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Letzten Tag.
c
26
a b c
Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.
a
Undjeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. Glaubst du das?
b
c 27
Da sagte Martha zu J esus: Herr, wenn du hier gewesen wärest, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.
b c
b
25
Als Martha nun hörte, dassJesus kommt, ging sie ihm entgegen; Maria aber blieb im Haus sitzen.
a b c
Sie sagte zu ihm: Ja, Herr, ich bin zu dem Glauben gekommen, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.
l.Joh 11,20-27 als Bestandteil der TexteinheitJoh 11,1-53
Analog zu den Dialogen Jesu mit Nathanael inJoh 1,47-51, mit der Samaritanerin inJoh 4,7-26 und mit dem Blindgeborenen inJoh 9,35-38 ist auch der Dialog Jesu mit Martha in Joh 11,20-27 Bestandteil einer längeren Texteinheit, die sich über die Verse 1-53 erstreckt. NachJoh 4 undJoh 9 handelt es sich demnach ebenso beiJoh 11 um ein Großka-
176
Die DialogeJesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
pitel des Johannesevangeliums, das nicht nur für sich betrachtet kunstvoll komponiert und aufgebaut ist, sondern dem auch darüber hinaus durch seine hervorgehobene Stellung imJohannesevangelium eine besondere Bedeutung zukommt. Genau diesen letzten Aspekt gilt es zunächst zu untersuchen, bevor J oh 11,1-53 in seinem Aufbau und seiner Entstehung und dann speziell der DialogJesu mit Martha inJoh 11,202'7 in den Blick genommen werden.
2. Die Stellung von joh 11 im johannesevangelium Die in Joh 11 erzählte Zeichenhandlung von der Auferweckung des Lazarus nimmt laut Wengst einen "wichtigen Platz in der Gesamtkomposition des Evangeliums"} ein. Zum einen stellt sie nach dem Weinwunder zu Kana in Joh 2, der Heilung des Sohnes des königlichen Beamten in Joh 4, der Heilung eines Gelähmten am Teich Bethesda in Joh 5, dem Brotwunder und dem Seewandel inJoh 6 und der Heilung des Blindgeborenen inJoh 9 das letzte und zugleich auch das größte der sieben Semeia Jesu im Johannesevangelium dar. Mit der Auferweckung des Lazarus von den Toten erweist Jesus am eindrucksvollsten und anschaulichsten seine Macht nicht nur über das Leben wie bei den vorangegangenen Zeichen, sondern hier inJoh 11 sogar über den Tod. Er ist damit auf dem Höhepunkt seines öffentlichen Wirkens angekommen; ein noch größeres Wunder als dieses kann Jesus nicht vollbringen. Deswegen lässt der Evangelist Johannes die Wundertätigkeit Jesu mit dieser Totenerweckung an ihr Ziel kommen und markiert auf diese Weise den Abschluss der öffentlichen Wirksamkeit Jesu. Eine interessante Beobachtung dazu liefert Wengst, wenn er die durchdachte, auf eine Klimax hinauslaufende Komposition des Johannesevangelisten an einem geographischen Detail festmacht: "Indem der Evangelist am Ende von Kap.l0 Jesus an den Ort seines ersten Auftretens zurückkehren und ihn so nun von dem einen Betanien zu dem anderen Betanien kommen lässt, umgreift er dessen ganzes bisheriges Wirken und lässt es in der Auferweckung des Lazarus ktilminieren"2. Zum anderen verweist die Auferweckung des Lazarus auch nach vorne, insofern sie nach der johanneischen Darstellung der Anlass für den Tötungsbeschluss der Juden istS und damit bereits die Ereignisse } So die Einschätzung von K. WENGST,Joh 11 17. Ebd. 3 Vgl.Joh 11,53. 2
Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
177
um das Schicksaljesu ihre Schatten vorauswetfen.jesus, der sich kurz vor dem Paschafest4 nahe bei jerusalern aufhältS, eIWeckt Lazarus von den Toten und nimmt dadurch sein eigenes Geschick von Tod und Auferstehung vOIWeg. Er, der hier in Joh 11 an einem Toten handelt, muss selbst bald in den Tod gehen. Aber wie Lazarus bleibtjesus nicht im Tod zurück, sondern wird vom Vater von den Toten aufeIWeckt und dadurch verherrlicht. Diese Verherrlichung jesu durch den Vater strahlt bereits in joh 11 auf, wenn der Sohn vom Vater durch die AufeIWeckung des Lazarus verherrlicht wird. Damit besteht ein enger Zusammenhang zwischen der ToteneIWeckung des Lazarus und der Passionjesu. Die ToteneIWeckung des Lazarus führt nicht nur zur Passion jesu6, sondern antizipiert bereits sein eigenes Schicksal von Tod und Auferstehung. Aus diesen beiden Überlegungen geht hervor, dass der Evangelist johannes den Aufbau seines Evangeliums kompositorisch durchdacht hat und die AufeIWeckung des Lazarus bewusst an dieser Stelle erzählt. Retrospektiv fungiertjoh 11 mit dem größten und wichtigsten Semeion jesu als krönender Abschluss des ersten Buchteils, des "book of signs". Prospektiv stelltjoh 11 eine Prolepse der Passion dar und nimmtjesu eigenes Geschick vOIWeg. .Mit dieser zweifachen Funktion, einmal zusammenfassend und zugleich vorausschauend, schafft der Evangelist mit joh 11 eine kunstvolle Klammer zwischen beiden Teilen seines Evangeliums. An diesem neuralgischen Punkt begegnet dann auch folgende, von johannes bewusst inszenierte Ironie in seinem theologischen Denken, dass jesus den Lazarus zum Leben eIWeckt und dadurch sein eigenes Todesurteil heraufbeschwört, oder, wie es Schnelle formuliert, dem "machtvollsten Zeichen" jesu die "größte Tat des Unglaubens"7 auf Seiten der juden gegenübersteht. Allein die Stellung vonjoh 11 in der Mitte desjohannesevangeliums macht deutlich, dass es sich hierbei um ein sehr bedeutendes, ja zentrales Kapitel handelt, dessen Aufbau im Folgenden untersucht werden soll.
Vgl.Joh 11,55. Vgl.Joh 11,18. Vgl.Joh 11,46-53. 7 So U. SCHNEllE,Joh 186, in Anlehnung an R. SCHNACKENBURG,Joh II 396.
4
5 6
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Die Dialoge jesu mit Einzelpersonen imjohannesevangelium
3. Der Aufbau vonJoh 11,1-53
Mit Gnilka empfiehlt es sich zunächst, den langen und komplexen Erzählabschnitt Joh 11,1-53 in drei größere Sinneinheiten zu unterteilen und damit eine erste Übersicht über den Gang der Handlung zu gewinnen8: 1.) Joh 11,1-16:
Die Nachricht vom Tod des Lazarus
2.) Joh 11,17-44:
Die Auferweckung des Lazarus als Zeichen
3.) Joh 11,45-53:
Der Tötungsbeschluss des Hohen Rates ~ Das prophetische Wort des Hohenpriesters.
Diese Grobgliederung gilt es nun mit Schnackenburg zu verfeinern, der im Gesamtaufbau vonJoh 11,1-53 folgende kleinere Einheiten und damit Einzelszenen ausmacht9 : 1.) Joh 11,1-5:
Die Vorgeschichte der Totenerweckung: Die Nachricht von der Erkrankung des Lazarus von Bethanien
2.) Joh 11,6-16:
Der Gang nachJudäa-Bethanien: Das GesprächJesu mit denjüngern
3.) Joh 11,17-27:
In Bethanien: GesprächJesu mit Martha
4.) Joh 11,28-32:
Die BegegnungJesu mit Maria
5.) Joh 11,33-41a:
Der Gang zum Grab und die Öffnung des Grabes
6.) Joh 11,41b-44:
Die Auferweckung des toten Lazarus
7.) Joh 11,45-53:
Der Todesbeschluss des Hohen Rates.
Schnackenburg gibt zu, dass diese Abgrenzung insofern zur weiteren Diskussion steht, als die Übergänge der einzelnen Stücke fließend und deshalb nicht einfach zu bestimmen sind. lo An zwei Punkten muss aus meiner Sicht eine kleine Korrektur gegenüber Schnackenburg vorgenommen werden: Zum einen ist es nicht nachvollziehbar, den Vers 6 bereits dem Unterabschnitt "GangJesu nachJudäa-Bethanien - GesprächJesu mit den Jüngern" zuzurechnen, weil sich die Redeeinleitung zu diesem Gespräch mitsamt der AufIorderungJesu nachJudäa zu gehen erst in Vers 8 9 10
Vgl. die Überschriften beij. GNILKA,joh 88.90.94. Vgl. den Gliederungsvorschlag von R. SCHNACKENBURG,joh II 397. Vgl. ebd.
Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
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7 findet. Im Vers {) dagegen ist ausdrücklich davon die Rede, dassJesus an dem Ort bleibt, wo er sich gerade aufhält; er nimmt also keinen Ortswechsel vor. So ist es nur logisch und konsequent, den Vers 6 als Abschluss der als Exposition angelegten ersten Einzelszene zu betrachten und mit Vers 7 eine neue Einheit, das Gespräch Jesu mit seinen Jüngern, beginnen zu lassen. Zum anderen wird in den Versen 33-37 noch nicht der Gang Jesu zum Grab erzählt, sondern erst in Vers 38. In den Versen 33-37 werden vielmehr die GefühlsregungenJesu auf das Weinen der Maria und der Juden hin beschrieben. Durch die PersonenkonstellationJesus - Maria - Juden legt es sich nahe, die Verse 28-37 als kleinere Einheit zu fassen und mit dem Ortswechsel,in Vers 38 eine neue Szene zu eröffnen, die bis Vers 44 reicht. Unter Einarbeitung dieser gegenüber Schnackenburg leicht modifizierten Abgrenzungen der einzelnen Erzähleinheiten ergibt sich für Joh 11,1-53 folgende Gliederung, die sich hauptsächlich an den Personen des Textes orientiert: 1.) Joh 11,1-6:
Exposition: Lazarus, Maria und Martha,Jesus
2.) Joh 11,7-16:
Dialog: Jesus und die Jünger
3.) Joh 11,17-27:
Dialog: Jesus und Martha
4.) Joh 11,28-37:
Begegnung: Jesus und Maria, die Juden
5.) Joh 11,38-44:
Zeichenhandlung: Jesus und Lazarus
6.) Joh 11,45-53:
Reaktionen: Glaube der Juden und Tötungsbeschluss des Hohen Rates.
4. Entstehung von Joh 11,1-53 - Literarftritische und traditionsgeschichtliche Überlegungen Dass die uns fortlaufend in Joh 11,1-53 überlieferte Perikope nicht in einem Guss entstanden ist, sondern mehrere Entwicklungsstufen durchlaufen hat, zeigen einfache literarkritische Beobachtungen, von denen die wichtigsten hier genannt sein sollen. Der Vers 2 unterbricht bereits die gerade begonnene Erzählung und weist über den Kontext von Joh 11 hinaus auf eine Begebenheit, die erst in Joh 12,3 erzählt wird. Dadurch gehört dieser Vers, wird er nun
180
Die Dialoge jesu mit Einzelpersonen im johannesevangelium
als nachträglich hinzugekommene Glosse ll oder als Erzählerkommentar12 bewertet, sicherlich nicht zur ältesten Traditionsstufe und damit nicht zum Grundstock der Erzählung. Auffällig im Verlauf von Joh 11,1-53 sind die Angaben über die beiden Schwestern, die dahingehend variieren, dass einmal Maria, das andere Mal Martha im Vordergrund der Erzählung steht. Gleich in Vers 1 wird Maria vor Martha genannt, in Vers 2 ist ausschließlich von Maria die Rede, die Begegnung zwischen Jesus und Maria wird in den Versen 28-33 geschildert und in Vers 45 wird wieder nur Maria angeführt. Dagegen steht in Vers 5 Martha an erster Stelle und Maria wird nur in ihrer Beziehung als Schwester zu Martha, nicht aber mit ihrem Namen bezeichnet; auch in Vers 19 ist Martha der Maria, dieses Mal namentlich erwähnt, vorgeordnet. Im Dialog mit Jesus in den Versen 20-27 nimmt Martha eine exponierte Stellung ein. Ohne ihre Schwester Maria begegnet Martha nochmals in Vers 39. Wie ist diese unterschiedliche Gewichtung der beiden Schwestern literarkritisch zu bewerten? Kremer stellt die interessante Beobachtung an, dass diejenigen Stellen, bei denen Martha im Vordergrund steht, den Gang der Handlung unterbrechen.l 3 Tatsächlich lässt sich diese Beobachtung an zwei Stellen konkret festmachen. -.". Zum einen stellt der Dialog zwischen Jesus und Martha in den Versen 20-27 keinen notwendigen Bestandteil der Erzählung von der Auferweckung des Lazarus dar, ganz im Gegenteil: Durch ihn wird die nachfolgende Handlung nicht mir verzögert, sondern streng genommen sogar überllüssig, ist doch mit der Selbstoffenbarung Jesu in Vers 25 der Höhepunkt vonJoh 11 erreicht und der Tod bereits in der Person Jesu Christi entmachtet. Daraus lässt sich folgern, dass dieser Dialog nicht von Anfang an zur Wundererzählung gehört hat, sondern erst nachträglich als Wortoffenbarung die Zeichenhandlung erweitert und verbaliter gedeutet hat. Für Becker steht klar fest, "dass Wundererzählung und Offenbarungswort zwei Erzählstufen in Joh 11 sein müssen."14 Wie sich der Dialog zwischen Jesus und Martha im Einzelnen zur Wundererzählung verhält und welche Intentionen der Verfasser dieser Verse verfolgt, soll aus der genaueren Betrachtung dieses Dialogteils hervorgehen.
II Vgl. R. BULTMANN,joh 302 und R. SCHNACKENBURG,joh 11 403. 12 SoJ. KREMER, Lazarus 83. 13 Ebd.84.
14
So J. BECKER,joh 11 404.
Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
181
Zum anderen lässt sich der Einwand der Martha in Vers 39b ebenso als retardierendes Moment in der Erzählung festmachen, insofern der Gang der Handlung dahingehend unterbrochen wird, dass der Befehl Jesu zum Steinwegnehmen in Vers .39a nicht sofort, sondern erst in Vers 41 ausgeführt werden kann. Somit lässt sich dieses Zwischenstück als nachträgliche Hinzufügung einordnen, das den ursprünglichen Handlungsablauf stört oder zumindest verzögert. Aus diesen Einzelüberlegungen geht hervor, dass die Stellen, bei denen Martha hervorgehoben ist, nicht zum ursprünglichen Textbestand gehören, sondern erst später Eingang in die Erzählung gefunden haben. Konkret ist Schnackenburg zuzustimmen, der Maria als Hauptperson der Quelle ansieht und den johannesevangelisten für die Hervorhebung Marthas verantwortlich macht.l 5 Dementsprechend ist es nUr konsequent, mit Kremer die Worte jesu an Martha als eine jüngere Schicht vom Text abzutragen I6 und diese Passagen dem Evangelisten zuzuschreiben. Damit entfallen die Verse 22-27.40.41 (ohne den Teilvers a) und 42 aufjohannes. Für den weiteren Gang dieser Untersuchung ist entscheidend, dass der Dialog zwischen Jesus und Martha anders als der Dialog zwischen Jesus und der Samaritanerin in Joh 4 en bloc auf den Evangelisten zurückgeht und von ihm als einheitliches Ganzes komponiert ist. Folglich erübrigen sich für Joh 11,22-27 sämtliche literar-, traditions- und redaktionskritischen Optionen. Spannend ist in diesem Zusammenhang lediglich die Frage, wie der Johannesevangelist an die Tradition anknüpft und seinen Dialog in die Erzählung narrativ einbaut und theologisch integriert. Bevor bei der Dialoganalyse darauf näher eingegangen wird, soll an dieser Stelle, zumindest in groben Zügen, eine mögliche Erklärung für die Entstehung von Joh 11,1-53 nachgezeichnetwerden. Die Verse 22-27 und die Verse 40-42 ohne den Teilvers 41a als die Worte jesu an Martha sind bereits dem Evangelisten zugewiesen worden. Wie der Dialog Jesu mit Martha, so geht auch das Gespräch jesu mit seinen jüngern in den Versen 7-16 auf johannes zurück. I7
15
16 17
Vgl. R. SCHNACKENBURG,Joh 11 401. Vgl.J. KREMER, Lazarus 86. Neben der Form des Dialogs begegnet inJoh 11,11-13 ein typischjohanneisches Missverstandnis, zudem wird in Joh 11,16 ähnlich wie in Joh 14,5 und Joh 20,24-29 Thomas vom Evangelisten besonders hervorgehoben. Diese drei Argumente mägen genügen, um diejohanneische Diktion vonJoh 11,7-16 aufzuzeigen.
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Die DialogeJesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
Außerdem lassen sich die Verse 418, 5 zusammen mit 35-3719, 1820 und schließlich 45 und 4621 dem Evangelisten zuschreiben. Nach dem Abtragen die!ler Verse bleibt eine wesendich kürzere Erzählung übrig, die allerdings im Vergleich mit den synoptischen Auferweckungsgeschichten immer noch relativ ausführlich erscheint. Lukas berichtet sehr knapp von der Auferweckung des Jünglings von Nain 22 und kann deswegen schwerlich als unmittelbare Parallele zuJoh 11 herangezogen werden. Die markinische Darstellung von der Auferweckung der Tochter des Jairus 23 eignet sich demgegenüber besser für die Erhellung eines traditionsgeschichtlichen Zusammenhangs, auch wenn sie gegenüber der johanneischen Fassung wesentlich kürzer ist. Beiden Erzählungen liegen, so zeigt ein Vergleich zwischen Mk 5 und Joh 11, typische Merkmale in Form von bestimmten Topoi und Motiven zugrunde, die konstitutiv zur Gattung von Auferweckungserzählungen gehören. Dazu zählen die Nachricht von der Erkrankung24, das Unverständnis angesichts des Klagens und Weinens25, im Zentrum das Befehlswort26 und abschließend eine Anordnung nach der Erweckung27• Über diese Gemeinsamkeiten hinaus zeichnet sichJoh 11 gegenüber Mk 5 allerdings auch durch einige Besonderheiten aus. Während Jesus nach Mk 5,24 sofort mit dem Vater zu dessen Tochter geht, bleibt Jesus lautJoh 11,6 erst noch zwei Tage an seinem Aufenthaltsort, bevor er sich nach Bethanien zu Lazarus aufmacht. Ein weiteres retardierendes Moment findet sich inJoh 11,39, wenn Martha mit ihrem Einwand den Gang der Handlung unterbricht bzw. hinauszögert. Hinter beiden Stellen lässt sich ein und dieselbe Intention vermuten, durch Retardierung die Spannung zu erhöhen und dadurch das Wunder christologisch zu steigern. Jesus wartet bewusst noch den Tod des Lazarus ab, Das Stichwort »Verherrlichung" und der christologische Titel »Sohn Gottes" lassen eindeutigJohannes als VeIfasser erkennen. 19 Das Detail von der Liebe Jesu zu Lazarus und seinen Schwestern gehört wohl nicht der älteren Tradition an, sondern ist erst nachträglich in die Erzählung gekommen, um deren Stellenwert zu erhöhen. 20 Als einen neuerlichen Anklang an die Passion Jesu betont Johannes nach Vers 4 in Vers 18 die Nähe Bethaniens zuJerusalem. 21 Analog zuJoh 2,11 und den anderen ZeichenJesu im Johannesevangelium wird auch in Joh 11,45 zunächst die positive Reaktion auf das Wunder Jesu geschildert, bevor mitJoh 11,46 eine negative Wendung eingeleitet wird, vgl. die Tempelreinigung in Jerusalem im unmittelbaren Anschluss an die Hochzeit in Kana inJoh 2. 22 Vgl. Lk 7,11-17. 23 Vgl. Mk 5,22-24.3543. 24 Vgl. Mk 5,23 undJoh 11,3. 25 Vgl. Mk 5,39 undJoh 11,33. 26 Vgl. Mk 5,41 undJoh 11,43. 27 Vgl. Mk 5,43 undJoh 11,44. 18
Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
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damit er ihn auch von den Toten auferwecken kann. Aus dem Einwand der Martha, Lazarus rieche schon, geht die erzählerische Absicht hervor, die folgende Totenerweckung noch anschaulicher und drastischer zu gestalten. Diese beiden dramaturgischen Elemente gehören sicherlich nicht der ältesten Überlieferungsstufe an, sondern sind im Laufe des Traditionsprozesses aufgrund besagter Absicht in den Text gekommen. Vielmehr lässt sich für den ursprünglichen Textbestand eine einfache und relativ kurze Erzählung vermuten, die in ihrem Minimalbestand die Verse 1.3.17.39a.41a.43bc.4428 als logische Handlungskette umfasst und dann im Laufe der Tradition mehr und mehr erweitert, ausgeschmückt und gesteigert wurde. Es ist m. E. nicht möglich und auch für unsere Zwecke nicht nötig, den exakten Entstehungsprozess von Joh 11,1-53 zu rekonstruieren und im Einzelnen nachzuzeichnen; dafür ist dieses Großkapitel zu komplex. 29 Für den weiteren Gang der Untersuchung ist es lediglich von Bedeutung, dass der Dialog zwischen Jesus und Martha in Joh 11,23-27 formal aufgrund seiner sperrigen Stellung zum Kontext und inhaltlich aufgrund seiner verbalen Prolepse der im Anschluss erzählten Totenauferweckung auf den Johannesevangelisten zurückgeht und von ihm bewusst an dieser Stelle und in dieser Form in die Erzählung eingefügt wurde. Aus der folgenden Einzelanalyse soll hervorgehen, wie der Evangelist den Dialog in die narratio einbaut und v. a. welche Intention er mit diesem Dialogeinschub verfolgt.
5. Exegetische Analyse zuJoh 11,20-27 5.1. Die Ausgangssituation Die Nachricht von der Erkrankung des Lazarus durch seine beiden Schwestern Maria und Martha ist der Anlass und die Motivation für Jesus, nach Bethanien zu kommen. In einfachen, aber deutlichen Worten, ähnlich wie in Joh 3,1 oder 5,5, erfährt der Leser in Joh 11,1 von der Tatsache, dass ein Mann
28 Vgl. die ähnliche Rekonstruktion der Urform der Erzählung bei J. KREMER, Lazarus 29
BBf. So auch die Einschätzung von Schnackenburg, wenn er feststellt, dass die literarkritischen, traditionsgeschichdichen und historischen Fragen für Joh 11 schwierig zu beurteilen sind, vgl. R. SCHNACKENBURG,joh II 396.
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Die Dialogejesu mit Einzelpersonen imjohannesevangelium
krank ist: "Hv öE 'CLC; aagevwvso, und erst im Nachhinein werden sein Name und seine Herkunft genannt: A&Ca:poc; aTToBT)9a:VLa;c;. Der Name Lazarus als grj.echische Kurzfonn des hebräischen Namens Eleasar mit der Bedeutung "Gott hilft" bzw. "Gott hat geholfen" begegnet hier inJoh 11,1 zum ersten Mal im Johannesevangelium und über Joh 11 hinaus nur noch in Joh 12, aber auch an dieser Stelle in Rekurs auf die in Joh 11 erzählte Totenerweckung des Lazarus. SI In den synoptischen Evangelien findet er sich lediglich bei Lukas im Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus in Lk 16,20.32 Unabhängig von dieser möglichen, aber nicht zwingenden Verbindungslinie zu Lukas ist inneIjohanneisch die Tatsache interessant, dass Joh 11 das einzige Semeion im Johannesevangelium darstellt, bei dem deIjenige, an dem sich das Wunder vollzieht, mit Namen genannt wird; in allen vorangehenden Wundererzählungen bleiben die Personen namenlos und damit in der Anonymität. Durch die Verwendung des Namens Lazarus in Joh 11 bekommt das erzählte Wunder demgegenüber konkrete, fast schon biographische Züge, wird doch der Name Lazarus durch die Ortsangabe Bethanien auch noch näher bestimmt und in der Lokaltradition verortet. S3 Allerdings tritt die Person Lazarus nur ein einziges Mal aktiv in der Erzählung auf, ganz am Ende in Vers 44, und zwar ohne ein Wort zu sagen. Demzufolge lässt sich Lazarus mit Wengst als "passiver Mittelpunkt"34 vonJoh 11 bezeichnen. Obwohl sich alles um ihn dreht, greift er nie selbst aktiv in die Erzählung ein; vielmehr wird stets der Blick von ihm weg auf Jesus gerichtet, weil er deIjenige ist, der an ihm handelt, indem er ihn von den Toten auf30 31
32
SS
S4
Über die näheren Umstände der Erkrankung werden keine Angaben gemacht. ygl.joh 12,1.2.9.10.17. Uber die Beziehung zwischen dem lukanischen und johanneischen Lazarus ist in der Forschung viel gerätselt worden und in diesem Zusammenhang auch über die gegenseitige Beeinflussung von Lk 16,19-31 undjoh 11,1-51, ob das lukanische Gleichnis in der johanneischen Darstellung narrativ entfaltet und historisiert worden ist oder ob umgekehrt die Erzählung beijohannes Einfluss auf das Gleichnis bei Lukas ausgeübt hat, insofern Lukas an ein konkretes Ereignis anknüpft, vgl. die Diskussion bei W. E. S. NORTH, Lazarus 119ft". oder bei R. SCHNACKENBURG,joh 11 429f. Fakt ist, dass beijohannes mit dem Namen Lazarus eine Ortsangabe verbunden ist und damit gegenüber Lukas, der hier das einzige Mal im gesamten Neuen Testament einen Namen in einer Gleichniserzählung verwendet, eine konkretere Angabe gemacht wird. Inwieweit diese Beobachtung ausreicht, um eine Verbindung vom lukanischen zum johanneischen oder umgekehrt vom johanneischen zum lukanischen Lazarus herzustellen, mag dahingestellt bleiben, zumal aufgrund des häufigen Vorkommens dieses Namens (vgl. die vielen Belege im Alten Testament und auch außerbiblisch bei Flavius josephus) überhaupt nicht mit letzter Sicherheit ausgesagt werden kann, dass es sich bei den beiden um ein und dieselbe Person handelt. Vgl. R. SCHNACKENBURG,joh 11 402f. SO K. WENGST,joh 11 19.
Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
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eIWeckt. Durch diese Beobachtung zeigt sich schon das christologische Interesse der johanneischen Darstellung, das im Dialog zwischen Jesus und Martha noch sehr viel deutlicher zum Ausdruck kommt. Mit der Ortsangabe Bethanien, die die Herkunft des Lazarus in Joh 11,1 angibt und ihn dadurch näher beschreibt, ist nicht das Bethanien jenseits desjordan gemeint, woJohannes tauft35 undJesus sich zur Zeit der Nachricht authält36, sondern das Bethanien nahe Jerusalem 37, östlich vom Ölberg bei Betfage gelegen.!18 Dieses offensichtlich unbekannte, biblisch bislang bedeutungslose Bethanien erfährt durch die Apposition EK 'tf)c; KWlJ.llC; MapLac; Kat Map9ac; 'tf)c; aÖEMI>iic; au'tf)c; eine nähere Bestimmung. Die beiden Schwestern Maria und Martha müssen demnach den Lesern bekannt sein39, andernfalls würde ihre Erwähnung nicht viel Sinn ergeben. Durch sie wird Bethanien im Bewusstsein der Leser zu einem bekannten Ort und damit letztlich auch der aus Bethanien stammende Lazarus zu einer bekannten Gestalt. 40 Im Laufe der Erzählung spielen Maria und Martha noch eine viel wichtigere Rolle. Beide Schwestern begegnen Jesus und treten in Dialog mit ihm; allerdings legt der Johannesevangelist hier inJoh 11,1-53 ganz klar den Schwerpunkt auf Martha und hebt sie im Unterschied zur lukanischen Tradition besonders hervor. 41 Ihr Dialog mitJesus inJoh 11,20-27 stellt ohne Zweifel nicht nur formal die Mitte, sondern auch inhaltlichtheologisch den Höhepunkt innerhalb der PerikopeJoh 11,1-53 dar. 35 36 37
!18 39
40 41
Vgl.Joh 1,28. Vgl.Joh 10,40. Vgl.Joh 11,18. Vgl.J. KREMER, Lazarus 52f. Auch im lukanischen Sondergut begegnet das Schwesternpaar. Laut Lk 10,38-42 wird Martha als diejenige gezeichnet, die Jesus bewirtet und für ihn sorgt, während Maria sich tatenlos dem Herrn zu Füßen setzt und ihm zuhört. Für die Erhellung eines traditionsgeschichtlichen ZusanImenhangs ist folgende Beobachtung interessant: Zwischen Lukas u~d Johannes lässt sich jeweils in Bezug auf Martha und auf Maria eine signifikante Ubereinstimmung feststellen. Bei beiden Evangelisten erscheint Martha als Dialogpartnerin Jesu, die ihn mit "Herr" anredet. Maria legt heide Male ein ähnliches Verhalten an den Tag. In Lk 10,39 setzt sie sich dem Herrn zu Füßen und in Joh 11,32 fällt sie Jesus zu Füßen, vgl. auch Joh 12,3. Allerdings ist in der lukanischen Darstellung nicht von Lazarus die Rede; diesen Bezug stellt erst der Johannesevangelist her, der möglicherweise auf eine lukanische Tra:dition zurückgreift und diese in seinem Sinne weiter verarbeitet, dahingehend, dass er unter Beibehaltung bestimmter, gerade dargestellter Motive die Rollen genau anders verteilt, insofern bei ihm im Gegensatz zu Lukas nicht Maria als positive Identifikationsfigur geschildert, sondern Martha und ihr Glaube in den Vordergrund gerückt wird. Vgl. C. DIETZFELBINGER,Joh I 340. Dafür ist Maria inJoh 12,3-8 bei der SalbungJesu die Protagonistin, während Martha inJoh 12,2 nur eine Nebenrolle am Rande des Geschehens zugewiesen wird.Joh 11,2 weist ja bereits auf dieses Ereignis voraus und nimmt dadurch auch den PassionskontextfürJoh 11 vorweg.
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Die DialogeJesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
Zu diesem Dialog kommt ~s dadurch, dass die beiden Schwestern Jesus von der Krankheit des Lazarus informieren42 und ihn dadurch indirekt bitten, seinen Freund, und ihren Bruder zu heilen. 4lI Daraufhin44 gehtJesus nach Bethanien.45 Bei seiner Ankunft ist Lazarus bereits verstorben und liegt lautJoh 11,17 schon vier Tage im Grab. In Joh 11,20 werden die unterschiedlichen Reaktionen der beiden Schwestern auf das Kommen Jesu geschildert, die sich gut mit dem lukanischen Bild in Einklang bringen lassen. 46 Maria wird als die Passive geschildert; sie bleibt im Haus. Martha dagegen wird aktiv und geht Jesus entgegen. Dadurch kann es zur Begegnung mit Jesus kommen. Diese Begegnung schildert der Evangelist mit einem Dialog in Joh 11,21-27. 5.2. Der Aufbau des Dialogs Der Dialog zwischen Jesus und Martha erstreckt sich über sieben Verse und lässt sich in zwei Redegänge untergliedern. Der erste Redegang in den Versen 21-23 besteht aus einer doppelten Äußerung Marthas und einem Beitrag von Jesus. Mit Vers 21 eröffnet Martha den Dialog und spricht Jesus direkt und unmittelbar auf den Tod ihres Bruders an. Ihre in verschiedene Richtungen interpretierbare Aussage - sei es als Vorwurf, als Resignation oder als Vertrauensbeweis - wird mit dem zweiten Teil ihrer Aussage in Vers 22 eindeutig als grenzenloses Vertrauen in Gott und zugleich als eine versteckte Bitte anJesus erkennbar. Jesus antwortet darauf in Vers 23 mit einer Zusage, die den Dialog eigentlich bereits beenden und zu Vers 28 überleiten
42
43 44
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46
Vgl.Joh 11,3. Vgl. R. SCHNACKENBURG,Joh 11 403. Für die ursprüngliche Erzählung ist wohl anzunehmen, dass ~ch Jesus sogleich auf den Weg nach Bethanien macht. In einer späteren Stufe der Uberlieferung wird das Wunder dahingehend gesteigert, dass Jesus erst noch zwei Tage wartet, bevor er zu Lazarus geht. Durch dieses retardierende Moment wird sichergestellt, das Lazarus bei der Ankunft Jesu bereits tot ist und im Folgenden keine Krankenheilung, sondern eine ToteneIWeckung erzählt wird. Nach der näheren Bestimmung Bethaniens als Dorf der Maria und Martha inJoh 11,1 wird inJoh 11,18 eine weitere Angabe gemacht: Bethanien liegt nahe beiJerusalem. Diese Notiz ist aber nicht nur rein geographisch zu verstehen, dahingehend, dass viele Juden kommen können, um die Schwestern zu trösten, so die gängige Meinung in den Kommentaren bei Schnackenburg, Schnelle, Wengst u. a. zur Stelle. Vielmehr ist darin auch und vor allem eine theologische Implikation des Johannesevangelisten enthalten: Die NennungJerusalems weist über die Erzählung auf den Passionskontext hinaus und verklammert die Lazarusgeschichte mit dem SchicksalJesu. Der Tod und die AuferstehungJesu stehen kurz bevor. Vgl. E. REINMUTH, Lazarus 131.
Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
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könnte. 47 Stattdessen fungiert dieser Vers im Gesamt des Dialogs als Überleitung vom ersten zum zweiten Redegang, insofern er das Thema der Auferstehung für die folgenden Verse vorgibt und vorbereitet. Diese Verse 24-27 bilden den zweiten Redegang und beinhalten im Zentrum ein zweiteiliges Offenbarungswort Jesu, das am Anfang und am Ende von einer Äußerung Marthas gerahmt wird. In Vers 24 spricht Martha den Glauben an die allgemeine Auferstehung der Toten aus, bevor sichJesus ihr in den Versen 25 und 26 zunächst in einem Ich-binWort als Auferstehung und Leben und anschließend in einem doppelten Verheißungswort offenbart. Schließlich beantwortet Martha in Vers 27 die Selbstoffenbarung Jesu mit einem vollen und vollgültigen Glaubensbekenntnis, in dem sie Jesus als Messias und Sohn Gottes bekennt. 48 5.3. Der Verlauf des Dialogs 5.3.1. Eröffnung des Dialogs: Martha und ihr Gottvertrauen (V.2lf.) Der Dialog zwischen Jesus und Martha in Joh 11,21-27 beginnt in zweierlei Hinsicht recht ungewöhnlich. Zum einen verzichtet der Johannesevangelist auf jegliche Form der Begrüßung der beiden Dialogpartner; nicht einmal ein kurzes Grußwort wird gewechselt.49 Zum anderen wäre es der Situation nur angemessen, wenn Jesus den Dialog dahingehend eröffnen würde, dass er sich nach dem Befinden der ihm nahestehenden Martha50 erkundigt und sie angesichts des Todes ihres Bruders und seines Freundes Lazarus zu trösten versucht. Stattdessen ist es Martha, die nach der nüchternen Redeeinleitung EtlTEV ouv ti Map9a lTPOC; 1:0V 'ITJoOUV die ersten Worte von sich gibt und Jesus direkt und ohne große Vorrede auf den Tod ihres Bruders anspricht. KUPLE, Et ~C; cSÖE OUK iiv O:lTE9aVEV 0 O:ÖEÄ<jlOC; j.LOU. Die Kyriosanrede begegnet innerhalb vonJoh 11,1-53 bereits inJoh 11,3 bei der Übersendung der Nachricht an Jesus, in Joh 11,12 im Mund der Jünger, innerhalb des Dialogs nochmals inJoh 11,27 erneut von Martha gesprochen und schließlich inJoh 11,32 bei Maria. Ähnlich wie in Joh 4 und Joh 9 handelt es sich dabei jeweils um eine höfliche Form der Anrede, die allerdings durch die Nähe zu anderen Hoheits..
47 So die ÜberlegungvonJ. BECKER,Joh II 420. 48 Vgl.J. BECKER,Joh II 42Of. und C. DIETZFELBINGER,Joh I 344f. 49 Vgl.J. KREMER, Lazarus 65. 50 Vgl.Joh 11,5.
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Die Dialogejesu mit Einzelpersonen imjohannesevangelium
titeln den Charakter einer christologischen Titulatur für Jesus bekommt.51 Die folgende Aussage kann für sich genommen in verschiedene Richtungen interpretiert werden. Aus dem Bedingungssatz eL ..;C;; eS&: lässt sich ein Vorwurf, fast schon eine Anklage herauslesen. Warum war Jesus nicht da, hätte er doch durch seine Anwesenheit den Tod des warus verhindern können. Dieser resignative Tonfall von Joh 11,21 kann umgekehrt auch positiv verstanden werden, insofern dadurch das Vertrauen auf die heilende Kraft Jesu zum Ausdruck kommt. 52 Jesus hätte Lazarus heilen können, aber er war Jlicht anwesend. In Joh 11,32 begegnet die Formulierung von Joh 11,21 bis auf die unterschiedliche Stellung des Possessivpronomens53 wortwörtlich im Munde der Maria, wodurch die Begegnungen beider Schwestern mit Jesus zunächst parallelisiert werden sollen, bevor sie sich dann stark voneinander abheben. Während Maria nichts weiter zu Jesus sagt und damit kein Dialog mit ihm zustande kommt, belässt es Martha nicht bei dieser singulären Aussage, sondern f"ahrt mit einer weiteren Äußerung fort und bringt damit den Dialog mit Jesus ins Rollen. Aus dem Kontext der beiden Stellen lässt sich demnach die jeweilige Aussageintention ableiten. Das Weinen der Maria in Joh 11,33 deutet darauf hin, dass ihre im Vers zuvor gemachte Aussage eher unter negativen Vorzeichen als Hoffnungslosigkeit zu verstehen ist. Demgegenüber lässt Joh 11,22 als Fortführung von Vers 21 erkennen, dass dieses Wort der Martha positive Implikationen enthält. Martha hat ihre Hoffnung noch nicht begraben, stattdessen kommt ihr Vertrauen auf die Hilfe Jesu54 dadurch zum Ausdruck, dass sie ihm gegenüber die versteckte Bitte äußert: Kul vuv otöu ön öou .xv ULtTjOU 'tov geov Öc.lOEL OOL 0 geoc;;. Damit fordert Martha Jesus indirekt auf, ihren Bruder vom Tod zu erwecken. 55 Aber sie tut es eben nicht in Form einer Bitte, sondern als Bekenntnis. 56 Diese Tatsache zeigt sich bereits in der Einleitung, insofern die Wendung ol:öu ön analog zu Joh 3,2; 4,25.42; 16,30 das 51
52 53 54 55 56
Dies gilt v. a. für joh 11,27. Die beiden Hoheitstitel .Messias" und .Sohn Gottes" lassen auf die kurz vorher veIWendete Anrede .Herr" ein christologisches Licht fallen, das den Rahmen höflicher Umgangsformen übersteigt. Den Ausschlag für die Interpretation von Kyrios gibt also stets der jeweilige Kontext; dabei gilt generell: "Herr" in der Anrede lässt sich als Höflichkeitsform bestimmen (vorosterliche Perspektive), während es im Bekenntnis eindeutig als christologischer Hoheitstitel auszuweisen ist (nachösterliche Reflexion). Vgl. R. BULTMANN,joh 306. Injoh 11,32 ist es vor- und injoh 11,21 nachgestellt. Vgl. R. SCHNACKENBURG,joh 11 413. Gegen K. WENGST,joh 11 30. Vgl. R. BULTMANN,joh 306.
Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
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Folgende als Glaubenswissen auszeichnet.57 Martha wird an dieser Stelle bereits als Glaubende dargestellt58 oder zumindest, wie es Schnackenburg etwas vorsichtiger formuliert, als "eine zum Glauben bereite Frau"59. Sie weiß, dass Jesu!! jede Bitte von Gott erfüllt bekommt, steht er doch als der Sohn in einer ganz engen Verbindung zum Vater. Und tatsächlich wird sie in ihrem Glauben nicht enttäuscht: InJoh 11,4lf. als Pendant zuJoh 11,22 wird Jesus vom Vater erhört. In diesem Glauben der Martha, der über die Hilfe Jesu hinaus auch und vor allem auf seine Person abzielt, spiegelt sich ganz deutlich die Theologie des Johannesevangelisten wider. Ihm geht es hierbei darum, in aller Kürze und Prägnanz die Wirkeinheit zwischen Gott undJesus zum Ausdruck zu bringen, die es nicht zulässt, dass eine Bitte Jesu von Gott unerhört bleibt. 60 Diese theologische Aussageabsicht, die in der johanneischen Gemeinde wohl zum festen Bestandteil des christlichen Credos gehört, kleidet der Evangelist in eine Glaubensaussage der Martha, die dadurch nicht nur zu einem Sprachrohr johanneischer Theologie wird, sondern auch zu einem Vorbild für jeden christlichen Leser, weil sie genau diesen Glauben ausspricht und bekennt. 61 5.3.2. Die AntwortJesu: Eine offene Zusage (V. 23)
Das in den Versen 21 und 22 zum Ausdruck gebrachte Gottvertrauen der Martha beantwortet Jesus in Vers 23 mit einer offenen Zusage: Jesus versichert der Martha, dass ihr Bruder auferstehen wird. Auf eine Redeeinleitung, deren Prädikat nicht wie in Vers 21 im Aorist, sondern im Präsens steht62, folgt die ÄußerungJesu: 'Avaa't~aE'taL
57 VgI.J. WAGNER, Auferstehung 216.
58 Damit liegt hier eine ganz andere Ausgangssituation vor als beispielsweise im Dialog
Jesu mit der Samaritanerin, die von Jesus erst nach und nach zum Glauben geführt werden muss. 59 So R SCHNACKENBURG,Joh 11 413. 60 Die Einschätzung von Frey, dass MarthaJesus lediglich als frommen Wunderheiler, als ausgezeichneten Gerechten erfasst, der von Gott erhört wird, aber dessen Kräfte angesichts des Todes versagen, greift m. E. sowohl vom Kontext als auch von der universalistischen Formulierung in Joh 11,22 seIbst zu kurz, kommt doch hier ihr uneingeschränktes, grenzenloses Gottvertrauen zum Ausdruck, dahingehend, dass Jesus von Gott alles, worum er Gott bittet, erhört bekommt und sie mit dieser Aussage eine indirekte Bitte um Auferweckung ihres toten Bruders ausspricht; gegenJ. F'REY, Eschatologie III 433. 61 Joh 11,22 ist erst der Anfang dieser Entwicklung, die sich über den ganzen Dialog erstreckt und mit dem Glaubensbekenntnis der Martha inJoh 11,27 ihren absoluten Höhepunkt erreicht. 62 Das Präsens ÄkYEL ist als praesens historicum zu verstehen.
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o &ÖEA,$6c;
oou. Trotz oder gerade wegen ihrer Kürze 63 kann diese Aussage Jesu verschiedentlich interpretieI1 werden. Die einfache Futurfonn &VUanlOE'tUL ohne weitere temporale Ergänzung lässt den genauen Zeitpunkt der Auferstehung offen. Er kann bereits in der nahen, aber auch erst in der fernen Zukunft liegen. Im ersteren Fall drängt sich der konkrete Bezug zu der im unmittelbaren Anschluss erzählten ToteneIWeckung des Lazarus auf; im letzteren Fall ist mehr allgemein an die jüdische Vorstellung von der AufeIWeckung der Toten am Ende der Zeit zu denken. Durch die offene Fonnulierung lässt der Evangelist beide Möglichkeiten zu, ja mehr noch: Die Antwort Jesu ist von Johannes "bewusst mehrdeutig fonnuliert"54. Diese Mehrdeutigkeit, die nicht nur Martha, sondern mit ihr auch den Leser zum Nachdenken bringen soll, verlangt nämlich nach einer Auflösung im Laufe des Dialogs. Genau darum geht es auch demJohannesevangelisten: Durch die offene Fonnulierung will er den Dialog voranbringen, um im Folgenden die Spannung dahingehend aufzulösen, was es mit der Auferstehung des Lazarus auf sich hat, vor allem, wann sie geschieht. Mit der Verbfonn &vuO'tftOE'tUL ausJoh 11,23 liefert er das thematische Stichwort für die folgenden Verse 65, die die offene Zusage des Faktums der Auferstehung näher konkretisieren sollen. 66
5.3.3. Fortführung des Dialogs: Das venneintliche Wissen der Martha (V. 24) Joh 11,24 gibt Aufschluss darüber, dass Martha die zuvor gemachte offene Aussage Jesu im Sinne der traditionellen jüdisch-christlichen Auferstehungshoffnung versteht und demnach die Auferstehung ihres Bruders am Ende der Zeit eIWartet: Otliu on &vuo'tftonuL EV 'tfl &vuo't&.OEL EV 'tfl EOX&.tlJ ~~Ep~.
Nach einer analog zuJoh 11,23 formulierten kurzen Redeeinleitung spricht Martha ihren Glauben an die eschatologische ToteneIWeckung aus. 67 Wie in Joh 11,22 begegnet auch hier in Joh 11,24 die Wendung otliu on, die die folgende Aussage der Martha als Glaubenswissen ausweist und sie selbst als gläubige Frau ihrer Zeit zeichnet. Sie vertritt den 63 Bestehend aus vier Wörtern ist die Hauptaussage genau so lang bzw. kurz wie die Redeeinleitung. 54 So das klare Urteil von U. SCHNELLE,Joh 189. 65 Die Verbform «VW'tT]~L begegnet nochmals in Joh 11,24 und das dazugehörige Substantiv «v&.a,;run~ steht in Joh 11 ,24 und 25. Damit bildet Joh 11 ,23-25 eine Einheit zum Thema ,,Auferstehung". 66 Vgl. C. DIETZFELBINGER,Joh I 345. 67 Vgl. E. REINMUTH, Lazarus 131.
Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
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jüdischen Auferstehungsglauben, dass Gott die Toten in der Endzeit aufeIWecken wird. 68 Diese Vorstellung hat sich seit Dan 12,2 und 1 Mak 9,7 im Judentum etabliert69, sie ist zur ZeitJesu bei den Pharisäern und Apokalyptikern, nicht aber bei den .Sadduzäern70, vorherrschend und auch noch zur Abfassungszeit des Johannesevangeliums im Volk weit verbreitet. 71 Das Urchristentum hat diesen Glauben an die eschatologische ToteneIWeckung vom Judentum adaptiert72 und dann christologisch eIWeitert. Martha erscheint hier inJoh 11,24 als Repräsentantin dieser jüdischchristlichen Überzeugung schlechthin. Allerdings lässt sie laut der Einschätzung von Becker der Evangelist nicht mehr als Jüdin, sondern bereits als "Kronzeugin der christlichen Hoffnung"73 auftreten, was auch im Hinblick auf die christlichen Adressaten des Johannesevangeliums nur sinnvoll ist. Ihre traditionell-konventionelle, christlich verbreitete Glaubensaussage bezüglich einer eschatologischen Totenerweckung dient demJohannesevangelisten als Anknüpfungspunkt74 und zugleich 75 als Kontrast zu seiner eigenen Theologie, die er in den folgenden Versen klar zum Ausdruck bringt. 76 Dabei stehen sich vor allem der präsentische Charakter von Joh 11,25f. und die klar in die Zukunft weisende Zeitangabe EV tij EOXatl1 ";fLEP~, die betont am Ende vonJoh 11,24 platziert ist, gegenüber. Hierbei f'allt auf, dass die Formulierung "am Letzten Tag" aus Joh 11,24 nur im Johannesevangelium im Kontext der eschatologischen ToteneIWeckung begegnet77 , nicht aber bei den Synoptikern und auch nicht bei Paulus. Dieser Befund deutet darauf hin, dass es sich bei dieser Formulierung um eine genuin johanneische Sprechweise handeln könnte. Zumindest hier inJoh 11,24 geht sie ganz klar auf den Johannesevangelisten zurück, der sie bewusst veIWendet, um von dieser tradi68 Vgl. die Futurform avaOnlaEta.L in Joh 11,24, die das Geschehen der Totenauferweckung auch auf der Tempusebene in die Zukunft verlagert.
69 Zur Entwicklung des Auferstehungsglaubens im Alten Testament vgl. K. BIEBERSTEIN, Auferstehung 3-16 und U. B. MÜLLER, Entstehung 55-60.
70 Vgl. Mk 12,18-27 als neutestamentliches Beispiel für die Leugnung der Auferstehung durch die Sadduzäer.
n So die Einschätzung von R. SCHNACKENBURG,Joh II 413f. 72 Vgl. Mk 13,24-27; Mt 25,3lf.; 1 Thess 4,15f.; 1 Kor 15,51-57. 73 SO J. BECKER,Joh 11 421. 74 Vgl. K. WENGST,Joh II 30. 75 Die Sichtweise von Wengst muss nicht unbedingt der Einschätzung von Schnelle widersprechen; beide Meinungen sind miteinander verträglich, wenn sie auch unterschiedliche Schwerpunkte setzen. 76 Vgl. U. SCHNELLE,Joh 189. Mit dieser Einschätzung ist auch die vieldiskutierte Spannung zwischen präsentischer und futurischer Eschatologie aufgelöst und erklärt. 77 NebenJoh 11,24 auch noch inJoh 6,39.40.44.54; 12,48.
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tionellen Sichtweise einer AufeIWeckung der Toten ·am Letzten Tag seine ihm eigene präsentische Eschatologie abzusetzen und besonders zu betonen. 78 Vor diesem Hintergrund entpuppt sich das Glaubenswissen der Martha in Joh 11,24 als vermeintliches Wissen, das durch die Worte Jesu im Folgenden auf eine ganz neue Ebene gehoben wird. 5.3.4. Der Höhepunkt des Dialogs: Die SelbstoffenbarungJesu (V. 25f.) Weist die Äußerung Marthas in Joh. 11,24 mit der Futurform &VII01;~OE'tIIL eindeutig in die Zukunft und darüber hinaus mit der temporalen Präzisierung ev 'tu eo;x:&'t'1l ~IJ.EPQ: in eine alles andere als unmittelbare, vielmehr ultimative Zukunft, so sind demgegenüber die Worte Jesu in Joh 11,25f. durch das präsentische ELIJ.L und die beiden Partizipien im Präsens mo't'Euwv und (wv in der Gegenwart verhaftet und lassen das Gesagte bereits gegenwärtig wirksam werden. Als Kontrast zu dem von Martha ausgesprochenen traditionellen Glaubenswissen kommt die Selbstoffenbarung Jesu dadurch umso deutlicher zum Ausdruck79 und bildet den christologischen Höhepunkt des Dialogs zwischenJesus und Martha. Diese SelbstoffenbarungJesu erfolgt in einem typischjohanneischen Ich-bin-Wort, dem ein zweiteiliger Aufbau zugrunde liegt. Auf die übergeordnete Selbstprädikation des Offenbarers, bestehend aus der Formulierung 'Eyw ELIJ.L und der Nennung seiner soteriologischen Heilsfunktion mit bestimmtem Artikel, schließt sich ein "Ruf zur Entscheidung"80 an, der aus einer Aufforderung und einer Verheißung besteht und das eigentliche Ich-bin-Wort expliziert und interpretiert. Für die weitere Auslegung von Joh 1l,25f. ist es unerlässlich, einen Blick auf die Ich-bin-Worte des Johannesevangeliums zu werfen und damit den Kontext auszuloten, in dem diese Stelle steht.
Exkurs: Die Ich-biTirWone des Johanneseoangeliums Die Formel 'Eyw ELIJ.L im MundeJesu begegnet bei Johannes bedeutend häufiger als in den synoptischen Evangelien,s1 Dieser rein quantitative
78 Vgl. R. SCHNACKENBURG.Joh 11 414. 79 Vgl. U. SCHNELLE.Joh 189. 80 So J. BECKER.Joh 11 422. 81 I-mal bei Mt. 2-mal bei Mk. 2-mal bei Lk und 26-mal beiJoh.
Der Dialogjesu mit Martha injoh 11,20-27
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Befund lässt auf eine spezielle Verwendung dieser Formel im vierten Evangelium schließen, der es im Folgenden nachzugehen gilt. Zunächst sind beim Vorkommen der Formel im Johannesevangelium zwei unterschiedliche Formen voneinander zu unterscheiden: Der absolute Gebrauch von 'Eyw eLIlL und·die Verwendung der Formel mit einem Bildwort. 82 In Joh 6,20; 8,24.28.58; 13,19; 18,5.6.8 wird die Formel 'Eyw etllL absolut, d.h. ohne jeden Zusatz gebraucht. In dieser Verwendung geht sie laut Zimmermannss auf die alttestamentliche Offenbarungsformel zuruck84, die über die LXX in das Neue Testament kommt und Jesus zum neutestamentlichen Offenbarer macht. Für den johanneischen Kontext lassen sich im Alten Testament die beiden Stellen Ex 3,14 und Jes 43,10f. als deutliche Bezüge festmachen. Die Offenbarung des Gottesnamens am Dornbusch bildet für Schnackenburg den Hintergrund für Joh 8,58, und bei Joh 8,24.28 kommt seiner Meinung nach der alttestamentliche Bezug zu Jesaja noch deutlicher zum Ausdruck, weil nicht nur die Formulierung, sondern auch der Inhalt übereinstimmen. 85 MitJes 43,lOf. beschreibt Deuterojesaja die Einzigkeit und Erhabenheit Jahwes und schärft den Israeliten seine machtvolle Größe ein. Analog dazu spricht der johanneische Jesus mit dem absoluten 'Eyw eLIlL in Joh 8,24.28 seine exklusive Bedeutung aus und offenbart seine göttliche Würde. 86 Dieser Aspekt einer hoheitsvollen und mächtigen Redeweise, die Jesus als den exklusiven Offenbarer Gottes auszeichnet, gilt sicherlich auch für die Formel mit einem Bildwort, die im Grunde nichts anderes als eine Erweiterung des absoluten Gebrauchs von 'Eyw etllL darstellt.87 Mit dieser Formel 'Eyw etllL offenbart sich der johanneische Jesus in
82
83 84 85 86 87
joh 4,26; 8,18.23 weichen sprachlich durch die Verbindung mit einem substantivierten Partizip bzw. einer präpositionalen Bestimmung von der Formel ab und lassen sich dadurch nur sehr bedingt der Formel 'Eyw eLI1L zuordnen. Vgl. H. ZIMMERMANN, Offenbarungsformel 270-276. So auch M. THEOBALD, Herrenworte 329. Vgl. R. SCHNACKENBURG,joh II 64f. Vgl. H.-C. KOLLMANN, Kreuzigung 168f. Gegen Becker, der die absoluten Ich-bin-Aussagen traditionsgeschichtlich aus den konkreten Ich-bin-Worten entwickelt sieht und deswegen auch für die Erklärung dieser Aussagen ohne einen Bezug zum Alten Testament auskommt, ja sich sogar dagegen ausspricht, weil im Alten Testament die spezielle Sendungschristologie, wie sie für johannes typisch ist und gerade bei den absoluten Ich-bin-Aussagen vorkommt, fehlt und damit der kontextuelle Zusammenhang nicht gegeben ist, vgl. J. BECKER, johI 347f.
194
Die Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium
Joh 6,3588 als das Brot des Lebens, inJoh8,12 als das Licht der Welt, in Joh 10,7.9 als die Tür, inJoh 10,11.14 als der gute Hirt, inJoh 11,25 als die Auferstehung und das Leben, inJoh 14,6 als der Weg, die Wahrheit und das Leben und schließlich inJoh 15,1.5 als der (wahre) Weinstock. Nach Theobald geht nicht nur das 'Eyw EtllL auf biblische Überlieferung zurück, sondern auch die Bilder der Logien sind jüdischer Herkunft. Er verortet sie speziell im Diasporajudentum und denkt dabei konkret an Philo oder Joseph und Aseneth.B9 Diese Bezüge lassen sich sicherlich herstellen, allerdings bietet das Alte Testamente selbst genügend Vorlagen für diese johanneischen "Bilder. Das Heil, das die Propheten verkündigen, wird in Bildern wie Brot und Wein in Fülle oder fruchtbarer Weinberg anschaulich gemacht. 90 Natürlich greift eine religionsgeschichtliche Herleitung der Ich-bin~ Worte allein aus dem alttestamentlichjüdischen Bereich zu kurz, steht doch seit dem bahnbrechenden Werk von Norden fest, dass solche Ichbin-Worte im Orient weit verbreitet waren und auf die dortige semitisch-orientalische Rede im religiösen Bereich zurückgehen. 91 Zunächst nur als Gottesformel verwendet, wird das 'Eyw EtllL auf die Repräsentanten der Götter, die Könige, übertragen und mit zahlreichen Würdenamen und Verdiensten von ihnen angereichert und aufgefüllt. Gegenüber dieser ausufernden und überladenen Form erscheint die johanneische Variante sehr kurz und schlicht und besticht im Kontrast zu ihren orientalischen Vorlagen gerade aufgrund dieser Knappheit und Prägnanz. 92 Der johanneische Jesus offenbart sich mit dieser einfachen Form umso wirkmächtiger und bringt in dieser Dichte unüberbietbar seine Heilsbedeutung, die durch das 'Eyw EtllL exklusiv und untrennbar an seine Person gebunden ist, zum Ausdruck. Norden spricht in diesem Zusammenhang von einem "soteriologischen Redetypus"93, der bei den Synoptikern keine direkte Parallele besitzt und damit innerhalb des Neuen Testaments eine theologische Meisterleistung des Johannesevangelisten darstellt. Für Johannes bilden diese Ich-bin-Worte einen Eckpfeiler seiner Christologie, zumal sie sich hervorragend in sein theologisches Kon88
89
90 91 92 93
Hier legt sich der ZusanImenhang zwischen absoluter und erweiterter Redeweise besonders nahe, begegnet doch in Joh 6,20 der absolute Gebrauch von 'Eyc.l dILL und kurz daraufinJoh 6,35 tritt das Bild vom Brot des Lebens hinzu. Vgl. M. THEOBALD, Herrenworte 330f. Neben Deuterojesl9a als Hauptquelle vgl. auch Am 9,1345; Hos 14,7f.;Jer 31,12; Ez 34,12. Vgl. E. NORDEN, Theos 177-179. Vgl. M. THEoBALD, Herrenworte 331. So E. NORDEN, Theos 191.
Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
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zept der Sendungschristologie integrieren lassen. Der johanneische Jesus oder besser der johanneische Christus94 als der Gesandte Gottes offenbart mit dieser Formel sich selbst und das an seine Person gebundene und damit exklusive Heilsangebot Gottes für die Gläubigen. 95 In dieser Funktion dürfen die Ich-bin-Worte mit Theobald zu Recht als "Signale johanneischer Hochchristologie"96 bezeichnet werden; "unübertreffl,ich"97 drücken sie die Heilsbedeutung Jesu Christi aus und sind deshalb ein fester und zentraler Bestandteil johanneischer Christoiogie und Soteriologie. Der Sitz im Leben dieser Sprüche dürfte kultischer bzw. liturgischer Art sein. Bei den gottesdienstlichen Versammlungen der Gemeinde spricht der erhöhte Christus durch den Mund von Propheten immer wieder aufs Neue seine exklusive Heilsbedeutung an die Gläubigen aus und versichert den johanneischen Christen dadurch seine bleibende und heilsstiftende Gegenwart. 9B Nach diesen eher grundsätzlichen Überlegungen zur religionsgeschichtlichen Herleitung der Ich-bin-Worte und zu ihrer allgemeinen Bedeutung für die johanneische Christologie und für die johanneischen Christen stellt sich an diesem Punkt die Frage, was diese Formel eigentlich zum Ausdruck bringt und welche Vorstellungen sie konkret transportiert. Bultmann unterscheidet in seinem Johanneskommentar in einer Fußnote zu den Ich-bin-Worten vier verschiedene Formen dieser Formel und gibt zahlreiche Beispiele aus der Antike und auch aus der Modeme an. 99 Er nennt als erstes die Präsentationsformel, mit der sich der Sprechende als "XY" vorstellt und dabei eine Antwort auf die Frage gibt: "Wer bist du?" Eine solche Präsentationsformel kann erweitert sein durch eine Qualifikationsformel, die die Frage "Was bist du?" beantwortet und die verschiedenen Taten der Gottheit aufzählt; sie kann aber auch allein gebraucht werden. Bei der Identifikationsformel identifiziert sich der Sprechende mit einer an94
95 96 97 9B 99
Schließlich ist es nicht der historische Jesus, der hier spricht, sondern der erhöhte Christus, der auf diese Weise seine exklusive Vollmacht und seine einzigartige Würde zum Ausdruck bringt. Der johanneische Christus ist Gabe (Heilsgut, deswegen die nommale EIWeiterung mit soteriologischem Impetus) und Geber (Heilspender, deswegen die vorangestellte Selbstprädikation im Ich-pin-Stil) zugleich. So M. THEOBALD in der Uberschrift zum Fazit der Ich-bin-Worte desJohannesevangeliums, Herrenworte 329. So die Einschätzung von R. SCHNACKENBURG,Joh 11 70. Vgl. M. THEOBALD, Herrenworte 332. ygl. R. BULTMANN,Joh 167; allerdings räumt Bultmann gleich zu Beginn ein, dass die Ubergänge zwischen den einzelnen Fonnen fließend sein können und oftmals keine eindeutige Zuordnung möglich ist.
196
Die Dialogejesu mit Einzelpersonen imjohannesevangelium
deren Person oder Größe und setzt sich mit ihr gleich. Allen drei Formen ist gemeinsam, dass das EYw jeweils das Subjekt darstellt; während es bei der vierten Form, der Rekognitionsformel, als Prädikat fungiert. Letztere antwortet auf die Frage "Wer ist der Erwartete, der Erfragte, der Besprochene?" mit: "Ich bin es." Diese Rekognitionsformelliegt laut Bultmann bei den Ich-bin-Worten Joh 6, 35.41.51; 8,12; 10,7.9.11.14; 15,1.5 vor; für Joh 11,25 und wohl auch für Joh 14,6 vermutet er die Identifikationsformel. Mit Bultmann scheidet sicherlich die Präsentations- und die Qualifikationsformel für das Johannesevangelium aus. Bei den beiden übrigen Formen ist m. E. keine eindeutige Zuweisung zu den johanneischen Ichbin-Worten nicht nur nicht möglich, sondern auch gar nicht nötig. Dadurch, dass der johanneische Christus Gabe und Geber zugleich ist, lassen sich die Ego-eimi-Aussagen des Johannesevangeliums meiner Meinung nach als eine Mischform aus Identifikations- und Rekognitionsformel beschreiben. Die Identifikationsformel liegt insofern vor, als sich der johanneische Christus jeweils mit einer bestimmten Heilsgabe identifiziert; dabei liegt der Schwerpunkt auf dem jeweiligen Bildwort. Zugleich lässt sich jedes Ich-bin-Wort auch als Rekognitionsformel ausweisen, ist doch die Heilsgabe an den Geber und damit exklusiv an die Person Jesu Christi zurückgebunden; hier wird das 'E'yw etllL betont. Erst beide Aspekte zusammen, Heilsgabe und ihr Geber, und das vereinigt in ein und derselben Person, machen das Besondere der Ich-bin-Worte desJohannesevangeliums aus. Was die formale Gestaltung dieser Aussagen anbelangt, so teilt Theobald die SprücheJoh 6,35; 8,12; 10,9 und 14,6 in zwei Gruppen ein.Joh 6,35 und 8,12 gehören insofern zusammen, als hier auf das eigentliche Ich-bin-Wort eine Einladung in Form eines Partizips und eine Verheißung folgen, die das Bildwort in seiner Bedeutung explizieren. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf dem jeweiligen Bildwort und damit auf der Heilsgabe: Ich bin das Brot des Lebens bzw. ich bin das Licht der Welt. Demgegenüber bilden Joh 10,9 und Joh 14,6 ein Paar, weil nur an diesen beiden Stellen die Formulierung ÖL' EIlOU begegnet und dadurch der Fokus auf Jesus als den exklusiven Heilsgeber gelegt wird: Ich bin die Tür bzw. Ich bin der Weg und sonst niemand.l 00 Analog zur obigen Argumentation ist auch in diesem Fall m. E. eine scharfe Trennung nicht möglich und auch für eine Schwerpunktsetzung ist Vorsicht angeraten. Die Bildworte der ersten Gruppe von Theobald sind in dem Maße auf das "Ich-bin" zurückverwiesen wie das exklusive 100 Vgl.
M. 'I'HEOBAlD, Herrenworte 330.
Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
197
"Ich-bin" der zweiten Gruppe vom folgenden Bildwort abhängt. Beides bedingt sich einander und ist notwendigerweise aufeinander verwiesen; eine Gabe ohne einen Geber ist ebenso sinnlos wie ein Geber ohne eine Gabe. Will man die Bildworte des Johannesevangeliums voll und ganz erlassen, so gehören beide Aspekte zusammen und dürfen trotz kleinerer formaler Unterschiede in der Aussage nicht voneinander getrennt oder gar gegeneinander ausgespielt werden. Schaut man sich die Ich-bin-Worte nun in ihren inhaltlichen Aussagen an, so wird man unschwer feststellen, dass die meisten Bilder der Alltagswelt entnommen sind und dementsprechend bei den Adressaten konkrete Assoziationen und greifbare Eindrücke hervorrufen. Das Brot spielt -im täglichen Leben ebenso wie das Licht und die Tür eine bedeutende, aus dem Leben der Menschen nicht wegzudenkende Rolle. Im agrarischen Palästina und darüber hinaus sind der Hirt mit seiner Herde und der Weinstock mit seinen Reben konkrete Phänomene im Umfeld der Menschen, die jüdischen Ohren vertraut sind. Gegenüber diesen dem Alltag der Menschen entnommenen Bildworten muten "die Auferstehung und das Leben" in Joh 11,25 und "der Weg, die Wahrheit und das Leben" inJoh 14,6 eher abstrakt und unanschaulich an. Schnackenburg vermutet deshalb, dass diese letzteren Bildworte künstlicher Natur und speziell für die johanneische Theologie entwickelt worden sind. 101 Unabhängig von ihrem mehr alltäglichen oder eher abstrakten Bildcharakter ist allen johanneischen Ich-bin-Worten gemeinsam, dass sie allesamt einen Bezug zur (w~ aufweisen. InJoh 6,35 geht das-expressis verbis aus dem angefügten Genitiv hervor: 'Eyc.> Etf.LL 0 &p'toc; 'tiic; (wiic;. Noch deutlicher zeigt sich der Bezug bei Joh 11,25 'Eyc.> Etf.LL ~ , , ta.<JLC; Ka.L, TJ, .,WTJ r ' un d J0 h 146 a.Va.<J' , 'E yw" ELf.LL TJ'1.,,' uuOC; Ka.L"TJ"a.A.TJ'9ELa. Ka.L" TJ (w~, wenn die (w~ auf gleicher Ebene mit dem vorangehenden Bildwort bzw. den Bildworten steht. Für Joh 8,12 ergibt sich der Rekurs auf das Leben in der sich dem eigentlichen BiIdwort anschließenden Verheißung: E~EL 'to c3c; 'tiic; (wiic;. BeiJoh 10,9 findet er sich im folgenden Vers 'Lva. (w~v EXW<JLV Ka.t 'ITEPL<J<JOV EXW<JLV und bei Joh 10,11 nicht direkt ausgesprochen, aber indirekt angedeutet in den imep-Wendungen, die sich auf das "Leben" der Schafe beziehen. Am wenigsten deutlich zeigt sich die Verbindung zur (w~ beiJoh 15,1; stattdessen ist hier ständig vom "bleiben" die Rede, das implizit die "Leben"sverbundenheit der Reben mit dem Weinstock verdeutlichen SOll.102 101 Vgl. R 102 Ebd.
SCHNACKENBURG,Joh 11 60.
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Die Dialoge jesu mit Einzelpersonen im johannesevangelium
Dieser permanente, wenn auch nicht immer gleich starke Bezug zur bei den johanneischen Ego-eimi-Sprüchen ist alles andere als Zufall; vielmehr kommt dadun;h der eigentliche Sinngehalt dieser Worte klar und deutlich zum Vorschein: Jesus ist der Lebensspender schlechthin und er schenkt dieses Leben allen, die an ihn glauben. !Os Diese soteriologische Implikation der Ich-bin-Worte des Johannesevangeliums kommt m. E. gerade in Joh 11,25 sowohl durch das Bildwort als solches als auch durch den Kontext prägnant und unüberbietbar zum Ausdruck. 'c..>~
"Ich bin die Auferstehung und das Leben... "
Ganz im Stile der anderen Ich-bin-Worte I04 offenbart sich Jesus in Joh 11,25b folgendermaßen: 'Eyw eLIJ.L ~ &vao't"aOLt; KaI. ~ 'c..>~; und doch geht von diesem Bildwort eine ganz eigentümliche Wirkung aus. Durch den Kontrast zur futurischen Aussage in Joh 11,24, der bei den anderen Sprüchen allesamt so nicht gegeben ist, kommt das präsentische 'Eyw eLIJ.L noch viel deutlicher zum Ausdruck und hat dementsprechend eine stärkere Tiefenwirkung. Auferstehung ist kein Ereignis der Zukunft, das es für den Letzten Tag zu erwarten gilt; nein, sie ereignet sich im Jetzt der Gegenwart. Diese theologische Konzeption einer präsentischen Eschatologie stellt das Werk des Johannesevangelisten dar, der damit die traditionelle futurische Eschatologie umbiegt und im Zuge seiner Christologie korrigiert105, wie er es bereits in Joh 5,24-27106 getan hat und auch an anderen Stellen des Evangeliums immer wieder tU.t. 107 Auch wenn mit Thyen Vorsicht angemahnt ist, aus einzelnen, über das Evangelium verstreuten Äußerungen Jesu die Eschatologie des Johannes ableiten zu wollen 108 , so lässt sich doch inneIjohanneisch die präsentische Eschatologie des vierten Evangelisten als logische Folge seiner Christologie verstehen. Jesus Christus ist nach der theologischen Konzeption des Johannesevangelisten der einlOS Vgl.
joh 10,10. Diese Aussage jesu steht genau zwischen den beiden Ich-bin-Worten von der Tür injoh 10,9 und vom guten Hirten injoh 10,11. 104 Bezeichnend für joh 11,25 ist lediglich, dass hier im Vergleich zu den früheren Ichbin-Worten im Evangelium erstmals zwei Prädikatsnomen auftreten, die zudem nicht aus der Lebenswelt der Menschen entnommen sind, sondern zwei Abstrakta darstellen. 105 Vgl.J. WAGNER, Auferstehung 210f.; gegen U. SCHNELLE,joh 190, der die präsentische Eschatologie nur durch das folgende Wunder veranlasst sieht und damit eine Korrektur jeglicher futurischen Eschatologie ablehnt. 106 joh 5,24-27 bildet die grundlegende Folie dafür, was in joh 11,25f. prägnant zum Ausdruck kommt. . 107Vgl.joh 3,18.36; 6,40. 108 Vgl. H. THYEN,joh 524.
Der Dialogjesu mit Martha injoh 11,20-27
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zige Offenbarer Gottes109 , der vom Vater dazu in die Welt gesandt wird, die Welt zu retten llO • Mit seiner Sendung ist somit das universale Heilsangebot Gottes an die Menschen verbunden,ja mehr noch:jesus Christus in persona ist der exklusive Heilsmittler. Umgekehrt formuliert bedeutet dies, dass das Heil an die Person jesu Christi gebunden ist. Der Glaube an ihn schenkt den Menschen das Leben in Fülle. lll Vor diesem christologischen Hintergrund kommtjohannes gar nicht an einer präsentischen Eschatologie vorbei, er muss notwendigerweise die Heilsgabe des ewigen Lebens an der Person jesu Christi festmachen. In der Begegnung mit ihm erfahren die Menschen gegenwärtig Heil. Aufjoh 11,25 bezogen bedeutet dies: jesus ist die "Verkörperung von Aufer~ stehung und Leben"ll2 und er schenkt diese Heilsgaben hic et nunc allen, die an ihn glauben. Diesen personalen und deswegen auch präsentischen Bezug bringt auf einzigartige Weise die Formel 'Eyw Etf,LL zum Ausdruck: "Ich bin die Auferstehung und das Leben." Bei dieser Formulierung geht es nicht um eine ontologische Wesensaussage, wer denn jesus ist. Vielmehr dient sie, wie alle anderen Ich-bin-Worte auch, als Funktionsbeschreibung, weIche Bedeutung, speziell weIche Heilsbedeutung jesus hat. ll3 Die beiden Prädikatsnomina ,,Auferstehung und Leben" stellen laut Schnackenburg keinen Pleonasmus dar. 114 Das Stichwort ,,Auferstehung" geht aus dem Kontext von joh 11 hervor und steht notwendigerweise auch am Anfang der Verbindung. In einigen wenigen und zudem unbedeutenden Handschriften fehlt der Zusatz Kat ~ (W~115, der jedoch textkritisch fester Bestandteil dieses Verses ist. Auf der inhaltlichen Ebene kommt mit dem "Leben" nichts Neues zur ,,Auferstehung" hinzu. Der erste Begriff wird lediglich durch den zweiten dahingehend näher expliziert und interpretiert, dass durch die Auferstehung Leben ermöglicht wird, aber gleichzeitig wird dadurch der für alle Ich-bin-Worte typische Bezug zur 'w~ hergestellt. In formaler Hinsicht erfolgt auf diese Weise ein nahtloser Übergang zum zweiten Teil des Offenbarungswortes, bei dem sich die beiden Verben "leben" und "sterben" einander gegenüberstehen. In keinem der Kommentare wird darauf hingewiesen, dass die Prädikatsnomina bei allen Ich-bin-Worten jeweils mit dem bestimmten l09Vgl.joh 1,18. 110Vgl.joh 3,17. III Vgl.joh 10,10. 112 So die treffende Fonnulierung bei C. DIETZFELBINGER,joh I 346. 113 Vgl.j. BECKER,joh II 422. 114 V§'l. R SCHNACKENBURG,joh II 415. 115
P ; 1 sy'; Cyp.
200
Die DialogeJesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
Artikel verbunden sind. Offensichtlich wird dies als grammatikalische Bedeutungslosigkeit angesehen, aber genau darin steckt m. E. ein weiterer Zugang zu diesen Ego-eimi-Aussagen. Beispielhaft für alle wieteren Ich-bin-Worte heißt es in Joh 11,25 eben nicht "Ich bin Auferstehung und Leben", sondern "Ich bin die Auferstehung und das Leben". Genau darin kommt ein Heilsexklusivismus zum Ausdruck, der durch das Ego eimi an die Person Jesu Christi gebunden ist. Jesus Christus ist nicht irgendeine Form der Auferstehung, sondern er ist die Auferstehung schlechthin; eine andere Auferstehung gibt es nicht. Analog dazu ist er nicht irgendeine Form des Lebens, sondern er ist das Leben schlechthin; ein anderes Leben gibt es nicht. Durch diese Umschreibungen wird klar, dass der bestimmte Artikel bei diesen Aussagen keine unbedeutende Rolle spielt, vielmehr werden durch ihn die im Folgenden genannten Heilsgaben als exklusiv und einzigartig artikuliert, die Jesus Christus in und mit seiner Person den Gläubigen vermittelt. So ergibt sich über diese kleine, aber feine Beobachtung eine Grundaussage johanneischer Christologie, die auch für alle anderen Ich-bin-Worte Gültigkeit besitzt. Die Selbstprädikation Jesu als die Auferstehung und das Leben wird analog zu Joh 6,35 mit einem Doppelvers in typisch johanneischverklausuliertem Duktus entfaltet. 116 Dabei handelt es sich entgegen der Mehrheitsmeinung der Exegeten nicht um einen synonymen Parallelismus, bei dem beide Verse positiv und negativ das Gleiche aussagenm, sondern um einen synthetischen oder, dadurch wird der Unterschied noch deutlicher zum Ausdruck gebracht, um einen klimaktischen Parallelismus, bei dem der zweite Vers eine Steigerung gegenüber dem ersten darstellt. 118 An der Parallelität bei der Verse gibt es keinen Zweifel. Auf einen Partizipialsatz folgt jeweils eine in die Zukunft gerichtete Verheißung. Die Partizipialkonstruktion 6 mO"t"ElJWV ELC;; EilE aus dem ersten Vers wird wortwörtlich im zweiten Vers wiederholt, allerdings durch das vorangestellte Partizip 6 (wv ergänzt. Auf diese Weise wird ein Kettenschluss bzw. ein Stichwortanschluss hergestellt, der beide Verse miteinander verbindet: Die futurische Verbform (~OEtC:tL am Ende von Vers 25 wird am Anfang von Vers 26 im Partizip 6 (wv aufgegriffen. Die parallele Verbindung beider Verse zeigt sich auch daran, dass die Aoristform CXtroe&VU sowohl in Vers 25 als auch in Vers 26 begegnet, wenn auch 116 Vgl. R. BULTMANN,Joh 307. 117 Gegen R. BULTMANN,Joh 307; R. SCHNACKENBURG,Joh 11 415;]. BECKER,Joh 11 422;]. KREMER, Lazarus 68 u. a. 118Vgl. H. THYEN,Joh 527.
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einmal bejahend in einem untergeordneten Einschub und das andere Mal verneint als Prädikat des Hauptsatzes. Gänzlich ohne Parallele ist die Formulierung ELC; tOV aLwva in Vers 26b. Durch dieses überschießende Element zeigt sich bereits auf der formalen Ebene die Steigerung von Vers 26 gegenüber dem vorhergehenden Vers 25, die inhaltlich noch viel deutlicher zum Ausdruck kommt. Der "kunstvoll gebaute[r] Zweizeiler"119 erhält seine innere Dynamik durch den Gegensatz der beiden Verben "sterben" und "leben" und ist insofern als Paradoxon formuliert, als sie beide Male mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet werden. In Joh 11,25 meint "sterben" den irdischen Tod des Menschen und "leben" die Heilsgabe des ewigen Lebens. In Joh 11,26 verhält es sich genau anders herum: "leben" bezeichnet die Lebenszeit des Menschen bis zu seinem Tod und "nicht sterben" zielt, noch verstärkt durch den Zusatz "bis in Ewigkeit", auf die Perspektive des ewigen Lebens ab.l 20 Durch die chiastische Verwendung beider Verben ergibt sich aber für jeden Vers die gleiche Denkstruktur. Zu Beginn steht jeweils die irdische Existenz des Menschen, die unweigerlich zu seinem Tode führt. Durch den Glauben an Jesus Christus als die Auferstehung und das Leben wird allerdings die Macht des Todes gebrochen und ein neuer Zugang zum Leben, zum ewigen Leben eröffnet. Die notwendige Voraussetzung des Glaubens geht in Joh 11,25 aus dem konditionalen Partizipialstil und in Joh 11,26 zusätzlich durch die Stellung des Partizips 1TLOtEUWV ELC; E!!E zwischen "leben" und "nicht sterben" hervor. Daraus ergibt sich die Bedeutung des Glaubens als "Übergang aus der Vergänglichkeit zum ewigen Leben"121: Der Glaubende wird leben bzw. der Glaubende wird in Ewigkeit nicht sterben. Bezieht sich das '~OEtaL in Joh 11,25 durch den konkreten Kontext vonJoh 11 auf das Leben des Lazarus nach, dem Tod 122, so lässt sich das Nichtsterben in Joh 11,26 mehr in einem spirituellen, übertragenen Sinn verstehen. Zwar ist die Realität des leiblichen Todes dadurch nicht beseitigt, aber die Bedrohung durch den ewigen Tod ist jedem Glaubenden ein für allemal genommen.l 23 Entscheidend ist der Glaube an Jesus Christus als die Auferstehung und das Leben, der.in und mit
119 So die Einschätzung von R. SCHNACKENBURG,Joh II 415. 120 Vgl.J. BECKER,Joh II 423.
121 Ebd.
122 Frey spricht in diesem Zusammenhang von einem ,,Aufleben" nach dem leiblichen
Tod, vgl.J. FREY, Eschatologie 1I 451.
123 Vgl.J. FREY, Eschatologie III 450f.
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Die Dialoge Jesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
seiner Person die Teilhabe an diesen Heilsgaben sicherstellt und gewährleistet.
"Glaubst du das?"
Am Ende seiner Selbstoffenbarung richtet Jesus an Martha in Joh 1l,26c die vergewissernde Frage: lTL(J'tElJELC; 'toO'to;. Mit dem Stichwort mu'tEUeLV knüpft der Evangelist an das vorhergehende Wort Jesu an 124 und leitet gleichzeitig zum folgenden Bekenntnis der Martha über. Im Gegensatz zum Substantiv lTLunc;, . das im gesamten Johannesevangelium kein einziges Mal vorkommt und im restlichen Corpus Ioanneum nur in 1 Joh 5,4125, begegnet das Verbum lTLU'tEUELV bei Johannes sehr oft. 126 Es wird unterschiedlich konstruiert, am häufigsten mit EtC; und Akkusativ127 oder absolut l28, daneben mit Dativl29 oder mit ön l30 . In einem Exkurs zum johanneischen Glauben geht Schnackenburg auf diese verschiedenen Konstruktionen mit ihrem je spezifischen Bedeutungsgehalt ein 131 und kommt zu dem Ergebnis, "daß für Joh Jesus Christus der einzige »Gegenstand« und »Inhalt« des Glaubens ist."132 Allgemein gesprochen zielt das johanneische "glauben" auf die "Annahme der chr Botschaft von Jesus"133 als Grundoption für den Menschen im Zusammenhang mit der entscheidenden Fragestellung Heil oder Unheil und ist nicht so stark wie bei den Synoptikern an einen konkreten Anlass, z. B. eine Wunderheilung, gebunden. 134 Ein spezieller Gebrauch liegt in Joh 11,25c vor, insofern das lTLU'tEUELV nur hier neben 1 Joh 4,16 mit einem Akkusativobjekt verbunden ist. Muss bei sämtlichen anderen Stellen das Objekt des Glaubens
124 An den Inhalt des Offenbarungswortes als solches und ganz speziell an die beiden Partizipien TTLO'tEUWV Ek EIJ,E inJoh 11,25f. 125 Vgl. dagegen das gehäufte Vorkommen bei Paulus mit insgesamt 142 Belegen im Corpus Paulinum. 126 Insgesamt 98 Belege beiJohannes, zum Vergleich 11 bei Mt, 14 bei Mk und 9 bei Lukas. 127 So z. B. inJoh 1,12; 2,11; 3,16; 4,39; 6,29; 7,5; 8,30; 9,35; 10,42; 11,25.26; 12,11; 14,1; 16,9; 17,20. 128 Beispielsweise inJoh 1,7; 4,41; 5,44; 6,36; 9,38; 10,25; 11,15; 12,39; 14,11; 16,31; 19,35; 20,8. 129Vgl.Joh 2,22; 4,21; 5,24; 6,30; 8,31; 12,38 oder 14,11. 130 Oftmals in Verbindung mit einem Bekenntnis, so z. B. inJoh 6,69; 11,27; 20,31. 131 Vgl. R. SCHNACKENBURG,Joh I 508-524. 132 Ebd. 513. 133 So R. BULTMANN, Art. TTLOtEUw 224. 134 Vgl. die Wendung am Ende einer Wundergeschichte: "Dein Glaube hat dir geholfen", z. B. Mk 5,34 oder 10,52, die gegenüber der radikalen Glaubensentscheidung beiJohannes einen Vertrauensglauben in einer konkreten Situation zum Ausdruck bringt.
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nicht extra genannt werden 135 , so erscheint hier das tOl)"C"Q umso auffälliger und hervorgehobener. Es bezieht sich als Demonstrativpronomen im Neutrum Singular auf das Offenbarungswort Jesu als Ganzes zurück und vermeidet damit auf der formalen Ebene eine Wiederholung. Inhaltlich fragtJesus damit Martha, ob sie an ihn als die Auferstehung und das Leben glaubt, oder wenn man die ursprüngliche Bedeutung von mOtEUeLv noch in den Blick nimmt, ob sie sich aufJesus verlässt und seinem Wort vertraut. 5.3.5. Ende und Ziel des Dialogs: Das christologische Spitzenbekenntnis der Martha (V. 27) Auf die Selbstoffenbarung Jesu und seine Frage mOtEUeLC; tOUtO antwortet Martha in Joh 11,27 mit folgenden Worten: Na.t KUPLE, eyw lTEiTLOtEUKa. ön ou EL 0 XPLOtOC; 0 utoc; tOU SEOU 0 EtC; tOV KOOf.LOV epxof.LEvOC;. Mit diesem christologischen Spitzenbekenntnis der Martha kommt der Dialog zwischen Jesus und ihr in Joh 11,21-27 nicht nur an sein Ende, sondern darüber hinaus auch an sein Ziel, insofern damit der intendierte Weg der Wissensvermittlung erfolgreich abgeschlossen wird und Martha und mit ihr der Leser durch die Selbstoffenbarung Jesu zu einem unüberbietbaren christologischen Glaubenswissen geführt werden. Rein theoretisch hätte Martha die Entscheidungsfrage Jesu auch mit einem "Nein" beantworten oder zumindest ihre Zweifel gegenüber Jesus hinsichtlich seines zuvor erhobenen Anspruches, die Auferstehung und das Leben zu sein, anmelden können. In beiden Fällen wäre der Dialog damit möglicherweise an sein Ende, aber sicherlich nicht an sein beabsichtigtes Ziel gelangt. Stattdessen bejaht Martha die Frage Jesu und sie belässt es auch nicht bei einem einfachen ,Ja" oder bei einer zu der Frage Jesu "Glaubst du das?" analogen Antwort ,Ja, ich glaube das", sondern fügt ein Bekenntnis zuJesus als Messias und Sohn Gottes an. Dieses christologische Spitzenbekenntnis aus Marthas Mund wirft m. E. ein ganz besonderes Licht auf das einfache Va.L am Anfang ihrer Antwort. Es ist kein laxes oder gar unüberlegt gesagtes ,Ja", sondern durch das Folgende handelt es sich hierbei um ein ganz bewusstes und entschiedenes ,Ja", das Martha im Brustton der tiefsten Glaubensüberzeugung ausspricht. In diesem Zusammenhang dürfte auch die Anrede KUPLE für Jesus "weit über die anfänglich (sic) Nachricht der Schwestern: KUPLE, 'LliE OV 135
Für denJohannesevangelisten gibt es nur ein Objekt des Glaubens, und das istJesus Christus, vgl. R. SCHNACKENBURG,Joh I 513.
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Die Dialoge jesu mit Einzelpersonen im johannesevangelium
IjlLAE'LC; ao9EvE'L, hinausgehen und Jesus proleptisch bereits als den
Erhöhten anreden. "136 Dieser Einschätzung von Thyen ist nur zuzustimmen, geht doch spätestens aus den beiden christologischen Hoheitstiteln "Messias" und "Sohn Gottes" die nachösterliche Perspektive klar und deutlich hervor. Martha richtet dieses Bekenntnis nicht an den irdischen Jesus 137, sondern an den erhöhten Christus, den Kyrios. Erst nach der Auferstehung Jesu und der damit verbundenen Geistsendung138 lässt sich ein solches Bekenntnis aussprechen, und genau darum geht es mit Becker auch dem Johannesevangelisten: Er will damit keine "vorösterliche Historie" festhalten, sondern "nachösterliche Wirklichkeit für die Gemeinde" auslegen,139 Vor diesem Hintergrund lässt sich die Kyriosanrede in Joh 11,27 nicht als förmliches oder höfliches Verhalten der Martha verstehen, vielmehr als ehrenvolle Titulierung für Jesus als den erhöhten Herrn und damit als Ausdruck nachösterlicher Christologie. Das Stichwort mO'tEUELV aus der Frage Jesu greift Martha in ihrer Antwort direkt auf, allerdings übernimmt sie nicht die präsentische Form aus Joh 1l,26c, sondern sie verwendet in Joh 1l,27b die Perfektform 1TE1TLO'tEUKCX. Diese Tempuswahl durch den Evangelisten verdient insofern besondere Beachtung, als im Unterschied zum klassischen Griechisch das Perfekt im Neuen Testament relativ selten vorkommt und stattdessen der Aorist überwiegt. HO Wenn also vereinzelt eine Perfektform im Neuen Testament begegnet, ist davon auszugehen, dass sie bewusst verwendet wird und damit durch die temporale Form auch ein bestimmter inhaltlicher Aspekt zum Tragen kommen soll. Mit dem Perfekt wird im Griechischen ein Zustand als Ergebnis eines Vorgangs in der Vergangenheit zum Ausdruck gebracht, oder anders formuliert: Ein Ereignis der Vergangenheit hat noch Auswirkungen auf die Gegenwart (Resultat) ,141 Im konkreten Fall von 1TE1TLO'tEUKCX soll also durch die gewählte Perfektform einerseits der Vorgang des Zum-Glauben-Kommens und andererseits das Ergebnis des Glaubens betont werden. Beide Aspekte 136 So H. THlIEN,Joh 529. 137 Auch
wenn Martha auf der Textebene natürlich dem historischen jesus und nicht dem erhöhten Kyrios begegnet. 138 Bei johannes erfolgt die Geistsendung entgegen der lukanischen Darstellung (und auch entgegen der liturgischen Feierpraxis der katholischen Kirche) am üstertag, vgl. Joh 20,19-23. 139 Vgl. J. BECKER,joh 11 426. 140 Im johannesevangelium kommt das Perfekt wegen seines "feierlichen, nachdrucklichen Stils" häufiger vor als bei den Synoptikern, vgl. F. BLASSIA. DEBRUNNER/F. REHKOPF, Grammatik 279. 141 Vgl. M. WHITTAKER u. a., Einführung 100.
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in einer Formulierung zu berücksichtigen, ist freilich schwierig und deshalb legen die verschiedenen Übersetzungen jeweils ihren Schwerpunkt auf den einen oder anderen Gesichtspunkt. Das Münchener Neue Testament142 und auch Beckerl43 übersetzen lTElTLO'tEUKII mit "ich bin zum Glauben gekommen" und stellen damit den Weg zum Glauben in der Vergangenheit heraus. In eine ähnliche Richtung geht die etwas freiere Übersetzung von Dietzfelbinger, der lTElTLO'tEUKII mit "ich habe glauben gelernt" übersetztl44 und damit den Glauben als Lernprozess versteht. Demgegenüber betonen die meisten Kommentare145 und auch die Einheitsübersetzung mehr das Ergebnis des Glaubensweges, den Glauben als solches, indem sie die Perfektform präsentisch mit "ich glaube" wiedergeben. Auch diese Übersetzung ist einseitig und enthält nicht den vollen Aussagegehalt vom griechischen lTElTLO'tEUKIX. Da jede Übersetzung bereits eine Interpretation des Originaltextes darstellt und sich für eine Variante mit einem bestimmten Aussageschwerpunkt entscheiden muss, kann es gar nicht die Übersetzung schlechthin geben, die einzig und allein richtig und zutreffend ist. Deshalb empfiehlt sich zum besseren Verständnis von Joh 11,27 und darüber hinaus für den gesamten Dialog eine Paraphrase von lTElTLO'tEUKII, die beide Aspekte des griechischen Perfekt, den Vorgang in der Vergangenheit und das Endergebnis der Gegenwart, zum Ausdruck bringt und etwa folgendermaßen lauten könnte: "Ich bin zum Glauben gekommen und nun fest im Glauben verwurzelt" oder wie es Dietzfelbinger formuliert146: "Ich bin den Weg des Glaubens gegangen, der mich zu der Erkenntnis geführt hat, daß du bist..... .l47 Vor diesem Hintergrund wird klar, dass das lTElTLO'tEUKII inJoh 11,27b nicht nur auf diesen einen Vers beschränkt ist, sondern vielmehr auf den gesamten Dialog zwischen Jesus und Martha vor verweist und gewissermaßen seinen End- und Zielpunkt darstellt. Im Laufe des Dialogs wird das anfängliche Vertrauen der Martha und ihr (vermeintliches) Glaubenswissen von Jesus vertieft und bis hin zu seiner Selbstoffenbarung gesteigert, so dass Martha nach und nach zum Glauben kommt. Das Resultat dieses Vorgangs der Glaubensvermittlung besteht im festen Glauben der Martha, der eindrucksvoll in ihrem Bekenntnis am Ende des Dialogs zur Sprache kommt. Damit gelangt auch der gesamte 142 Vgl. Münchener Neues Testament 205. 143 Vgl.j. BECKER,joh 11 402. 144 Vgl. C. DIETZFELBINGER,joh 11 344. 145 So z. B.j. GNILKA,joh 91; R. SCHNACKENBURG,joh 11 412 oder H. THYEN,joh 521.
146Vgl. C. DIETZFELBINGER,joh 11 347. 147 Es ist sicherlich kein Zufall, dass johannes beim Bekenntnis des Petrus in joh 6,69 auch die Perfektform lTElTLOtEVKalLEV verwendet.
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Die Dialoge Jesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
Dialog an sein Ziel: Martha ist nun fest im Glauben verwurzelt; sie spricht ein volles und vollgültiges Glaubensbekenntnis aus. Daran äußert die Mehrheit der Exegeten l48 keinerlei Zweifel, nur Moloney vertritt eine andere Meinung. In seinem Aufsatz "The Faith of Martha and Mary. A Narrative Approach to John 11,17-40"149 stellt er den Glauben der Martha dem der Maria gegenüber und kommt zu dem Ergebnis, dass nicht Martha, sondern ihre Schwester Maria die zentrale Glaubensgestalt der Lazarusperikope ist, die sowohl durch ihre Worte 150 als auch und vor allem durch ihr Verhalten 151 ihren Glauben an Jesus zum Ausdruck bringt.l 52 Demgegenüber wertet er den Glauben ihrer Schwester Martha ab und bezeichnet Joh 11,27 als "partial confession of faith"153. Laut Moloney hat die SelbstoffenbarungJesu in Joh 11,25f. bei Martha weder ein tieferes Verstehen der Person Jesu noch den Glauben an ihn bewirkt, so dass das Wunder einen nötigen Versuch Jesu darstellt, sie und mit ihr die Jünger zum wahren Glauben zu führen. 154 Dass Martha inJoh 11,27 nicht nur zu einem "Teilglauben" kommt, sondern ein christologisches Spitzenbekenntnis ausspricht, das auch auf die Selbstoffenbarung Jesu in den beiden Versen zuvor Bezug nimmt, ist hoffentlich schon aus den obigen Ausführungen hervorgegangen, soll aber auch durch das Folgende noch deutlicher zum AtiSdruck kommen. Auf der formalen Ebene lässt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Selbstoffenbarung Jesu und dem darauffolgenden Bekenntnis der Martha erkennen. Das ou Et aus dem Mund der Martha in Joh 11,27c entspricht genau dem EYW EtllL Jesu inJoh 11,25bl55 , d.h. das Bekenntnis der Martha ist die adäquate Antwort auf die Selbstoffenbarung Jesu. Und wenn sich Jesus mit diesem "Ich bin" besonders würde- und hoheitsvoll offenbart, dann fällt dieses Licht auf die ihm entsprechende Antwort Marthas. Es ist nicht irgendein, sondern ein ganz besonderes und feierliches Bekenntnis, das Martha hier ausspricht. Diese Beobachtung gilt nicht nur in formaler, sondern auch 148 So z. B. Bultmann, Haenchen, Gnilka, Becker, Schnackenburg, Dietzfe1binger, Schnelle, Wengst, Kremer u. a. in ihren Kommentaren zur Stelle. in: Biblica 75 (1994) 471-493. 150 In Joh 11,32 sieht Moloney ein Glaubensbekenntnis der Maria, übersieht aber, dass zuvor in Joh 11,21 Martha exakt die gleichen Worte zu Jesus spricht. 151 Moloney verweist in diesem Zusammenhang aufJoh 11,29.32. 152 Vgl. F.J. MOLONEY, Faith 482f. 153 Ebd. 480. 154 Vgl. ebd. 484. 155 Vgl. H. THYEN,Joh 528. 149 Erschienen
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und vor allem in inhaltlicher Hinsicht. Jesus offenbart sich in Joh 11,25b als "die Auferstehung und das Leben" und macht damit eine soteriologisch-eschatologische Spitzenaussage über sich selbst. Diese Doppelprädikation im Munde Jesu hat eine analoge Entsprechung in den beiden christologischen Hoheitstiteln "Messias" und "Sohn Gottes" im Bekenntnis der Martha, die durch den Zusatz "der in die Welt kommen soll" in Joh 11,27c äußerlich gesprengt, aber im Kern verstärkt wird. Den beiden Würdeprädikaten "Messias" und "Sohn Gottes", mit denen Martha den Inhalt ihres Glaubens benennt und bekennt, soll im Folgenden etwas näher nachgegangen werden hinsichtlich ihres Vorkommens und ihrer Bedeutung im J ohannesevangelium. Von den 531 Belegen für XpLa'toc; im gesamten Neuen Testament entfallen gerade einmal 19 auf das Johannesevangelium;156 dafür finden sich die bei den einzigen neutestamentlichen Stellen mit dem Titel MEaa(a;c; beiJohannes inJoh 1,41 und 4,25.1 57 Von diesen insgesamt 21 Belegen für "Messias/Christus" ist allerdings weniger ihr quantitatives Vorkommen als· vielmehr ihre gezielte Verwendung innerhalb des Johannesevangeliums von Interesse. Der Titel begegnet im Prolog inJoh 1,17 und im Epilog inJoh 20,31 und rahmt dadurch das gesamte Evangelium. Bis auf Joh 17,3158 kommt "Christus" ausschließlich im ersten Buchteil vor, erstmals inJoh 1,20 als erster Hoheitstitel der narratio l59 , sodann relativ gleichmäßig verteilt über das "book of signs" in Joh 1,20.25.41; 3,28; 4,25.29; 7,26.27.31.41.42 160; 9,22; 10,24; 11,27 und letztmals in Joh 12,34, wodurch auch hier im ersten Teil der narratio eine Inklusion hergestellt wird und dem Christustitel dadurch im Kontext der Zeichen Jesu offensichtlich eine große Bedeutung zukommt. Allen diesen Belegen innerhalb der Erzählung ist gemeinsam, dass sie ausschließlich in wörtlicher Rede vorkommen, sei es bei den Anhängern Jesu im Munde von Johannes dem 1:'äufer (Joh 1,20; 3,28), Andreas (Joh 1,41), Martha (Joh 11,27) und der Samaritanerin (Joh 4,25. 29), oder von seinen Gegnern artikuliert (Joh 1,25; 7,26.27. 31.41.42; 156 Rinke berechnet jeweils den prozentualen Anteil des Titels in den einzelnen neu-
testamentlichen Schriften, vgl. J. RINKE, Kerygma 81. Daraus geht hervor, dass die Christus-Belege in den synoptischen Evangelien ähnlich niedrig wie im Johannesevangelium sind und der Hauptanteil eindeutig auf das Corpus Paulinum entfällt. 157 An beiden Stellen wird die hebräische Bezeichnung sofort ins Griechische übersetzt, vgl.Joh 1,41: EUp~KIXJ.1EV 'tov MeooLuv, 0 ~O'tLV ~eepll1]VE~VOV XpLo't6~ undJoh 4,25: Oröa on MEOOLa~ epxe'tuL b ÄEy6~vo~ XpLo't6~. 158 Dieser Vers geht laut Schnackenburg u. a. nicht auf den Evangelisten zurück, sondern stellt eine redaktionelle Glosse dar, vgl. R. SCHNACKENBURG,Joh III 195. 159 Diese Tatsache weist bereits auf die Bedeutung dieses christologischen Titels für den lohannesevangelisten hin. 160 AhnIich wie inJoh 1 tritt auch hier inJoh 7 der Christustitel relativ gedrängt auf.
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Die Dialoge Jesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
9,22; 10,24; 12,34).161 Für unseren Zusammenhang ist die Beobachtung interessant, dass der Christustitel in der narratio neben den "Sätzen der Messiasdogrnatik"162 nur in Bekenntnissen begegnetl63 , entweder negativ im Bekenntnis des Täufers vor deiJerusalemer Gesandtschaft Uoh 1,20), bei der Wiederaufnahme dieses Bekenntnisses vor den Täuferjüngern Uoh 3,28) und beim Bekenntnisverbot der Juden Uoh 9,22) oder positiv beim Bekenntnis des Andreas Uoh 1,41), der Samaritanerin Uoh 4,29) und der Martha Uoh 11,27). Bei den drei letztgenannten Bekenntnissen, die eigentlich auch nur als solche fungieren, lässt sich eine aufsteigende Entwicklung beobachten. Im Kontext der johanneischen Berufungsgeschichten spricht Andreas in Joh 1,41 gegenüber seinem Bruder Simon das Bekenntnis zuJesus als dem Messias aus, um ihn für die Nachfolge zu gewinnen. In Joh 4,29 konfrontiert die samaritanische Frau in noch recht unbestimmter Weise Jesus mit diesem Titel, der sich ihr daraufhin indirekt als Messias offenbart. Schließlich bekennt Martha in Joh 11,27 Jesus direkt164 und unmissverständlich 165 als Messias. Damit ist der "christologische" Höhepunkt nicht nur des ersten Buchteils, sondern darüber hinaus des gesamten Johannesevangeliums erreicht. 166 Von den insgesamt neun Belegen für den Sohn-Gottes-Titel im Johannesevangelium 167 entfallen sieben auf den ersten Buchteil l68, einer steht im Kontext der Passion 169 und der letzte Beleg schließlich findet sich im Epilog des Evangeliums l70 . Analog zum Messiastitel gilt auch hier, dass der Titel ULOt; 'tOU 9EOU innerhalb der narratio ausschließlich in wörtlicher Rede begegnet, sei es bei den Anhängern Jesu im MundeJohannes des Täufers Uoh 1,34), NathanaeIs Uoh 1,49) und Marthas Uoh 11,27), sei es im Munde Jesu selbst Uoh 3,18; 5,25; 10,36;
161 Vgl.J. RINKE, Kerygma 82. 162 Ebd. 163 Dieser Titel stellt offensichtlich für den Johannesevangelisten die Form und den Inhalt des Bekenntnisses zu Jesus schlechthin dar und spielt demnach im christologischen Disput der johanneischen Gemeinde eine nicht zu unterschätzende Rolle, vgl.J. RINKE, Kerygma 79-136. 164 Vgl. die Formulierung ou eI, mit der sich Martha unmittelbar anJesus wendet und ihn persönlich anspricht. 165 Gegenüber dem Schwellenbekenntnis der Samaritanerin äußert Martha ein vollgültiges Bekenntnis zuJesus als Messias. 166Vgl. die folgende VerhältnisbestimmungvonJoh 11,27 zuJoh 20,31. 167 Sieht man die absolute Redeweise vom Sohn als Verkürzung zum Sohn-Gottes-Titel an und zählt diese Belege dazu, so kommt man insgesamt auf 26 Stellen. 168 Joh 1,34.49; 3,18; 5,25; 10,36; 11,4.27. 169 Joh 19,7. 170 Joh 20,31.
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11,4)171 oder bei den Gegnern Jesu im Munde seiner Ankläger im Pilatusprozess Uoh 19,7). Für unseren Kontext ist die erstgenannte Gruppe von besonderem Interesse, weil hier der Sohn-Gottes-Titel ausschließlich in Bekenntnissen Verwendung findet. Zum Abschluss seines Zeugnisses für Jesus 172 bekenntJohannes der Täufer ihn inJoh 1,34 als Sohn Gottes l73; allerdings spricht er dieses Bekenntnis nicht direkt im Du-Stil gegenüber Jesus aus, sondern er legt dieses Zeugnis über ihn ab. Dagegen bekennt Nathanael im Kontext der Jüngerberufungen in Joh 1,49 Jesus direkt und unmittelbar als Sohn Gottes l74 , nachdem Jesus zuvor sein wunderbares Wissen über ihn offenbart hat. Außerdem begegnet hier mit "König von Israel"175 eine zweite christologische Titulierung, die das Bekenntnis des NathanaeI in Joh 1,49 wie das Bekenntnis der Martha inJoh 11,27 zu einem Doppelbekenntnis machen. Für den Messiastitel, der sich von Joh 1,45 her nahe legen würde, ist hier zu Beginn der narratio entsprechend dem programmatischen Epilog am Ende des Evangeliums noch nicht der "theologische Kairos" gekommen,176 Er tritt zusammen mit dem Sohn-Gottes-Titel erst am Ende des ersten Buchteils zum Abschluss der ZeichentätigkeitJesu im Glaubensbekenntnis der Martha inJoh 11,27 auf.
l7I Bis aufjoh lO,36 gehören alle diese Stellen in den Kontext von Eschatologie: Injoh 3,18 geht es um das Gericht, injoh 5,25 um die Auferstehung der Toten (bei diesen beiden Stellen fällt auch die gehäufte absolute Redeweise vom "Sohn" auf) und injoh 11,4 um die Auferweckung des Lazams. Deshalb spricht Rinke in diesem Zusammenhang auch vom Sohn Gottes als eschatologischem Bevollmächtigten Gottes, vgl. J. RINKE, Kerygma 149-160. 172 Im Zentrum dieses Zeugnisses steht die Vision des johannes von der Taufe jesu, die jesus als Geistträger qualifiziert und zum abschließenden christologischen Bekenntnis· motiviert. Der johannesevangelist schafft damit ein Pendant zur synoptischen Tauftradition, der Sache nach deutlich an sie anknüpfend, aber genauso deutlich von ihr unterschieden in eigenem, johanneischem Stil, vgl. u. a. die Tatsache, dass die synoptische Erzählung von der Taufe jesu als solche in das Zeugnis johannes des Täufers integriert ist und speziell die Verwendung des Sohnestitels. 173 In Mk 1,11 parr. wird jesus von der Himmelsstimme als "Sohn" proklamiert. Diese Vorgabe aus der Tradition greift der johannesevangelist auf, ändert sie aber dahingehend um, dass jesus m~nmehr von johannes als "Sohn Gottes" bezeugt wird. Mit dieser "christologischen Uberhöhung des Gottesworts" (so j. RINKE, Kerygma 139) gelingt es dem johannesevangelisten, unter der theologischen Voraussetzung der Geistbegabungjesus als Sohn Gottes in sein Evangelium einzuführen und vor diesem Hintergrund das einzigartige Verhältnis zwischen Vater und Sohn zu begründen. 174 Dieses Sohn-Gottes-Bekenntnis stellt die antithetische Rezeption von joh 1,45 dar. Während die Bezeichnung jesu als "Sohn losers" die irdische Herkunft jesu verrät, bringt der Titel "Sohn Gottes" die wahre Herkunftjesu zum Ausdruck und seine Beziehung zu Gott als seinem Vater. 175 Dieser Titel passt treIDich zu joh 1,47, wo jesus Nathanael als "echten Israeliten" charakterisiert. 176 Vgl.j. RINKE, Kerygma HOf.
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Durch die Kombination der beiden Hoheitstitel "Christus" und "Sohn Gottes" inJoh 11,27 wie auch in 20,31 lässt sich zwischen diesen beiden Stellen ein Bezug herstellen l77 , der zwar in den meisten Kommentaren erkannt l78 , aber nicht weiter theologisch ausgewertet wird. Schaut man sich die beiden Stellen genauer an, so ergeben sich über diebeiden christologischen Titel hinaus noch weitere Verbindungen, die die Beobachtung stützen, dass Joh 11,27 und 20,31 zusammen zu lesen sind. Das Glaubensmotiv in Joh 20,31 taucht auch in Joh 11,27 und in den beiden Versen zuvor auf. 179 Das Stichwort (w~ ausJoh 20,31 begegnet zwar nicht direkt in Joh 11,27, dafür im unmittelbaren Kontext davor in den Versen 25 und 26. Einzig die Formulierung EV 'ttlJ 6voiJ.a:n a:u'tou aus Joh 20,31 hat keine Entsprechung in Joh 11,27 wie umgekehrt die Ergänzung 6 ELc; 'tov K00iJ.0V EPX0iJ.EVOC;180 aus Joh 11,27 in Joh 20,31 analogielos bleibt. Abgesehen von dieser zuletzt genannten Abweichung ist eine bewusste Abhängigkeit zwischen Joh 11,27 und 20,31 nicht zu übersehen, die es nicht nur erlaubt, sondern auch theologisch nötig macht, beide Stellen aufeinander zu beziehen und voneinander her zu interpretieren. Auf die Selbstoffenbarung Jesu in Joh 11,25 als "die Auferstehung und das Leben" erfolgt in Joh 11,27 das Bekenntnis der Martha zu Jesus als "Christus" und "Sohn Gottes". Nach dem Tod und der AuferstehungJesu soll der Leser lautJoh 20,31 zum Glauben kommen, dass Jesus der Christus und Sohn Gottes ist und in seinem Namen das Leben haben. Durch diesen analogen inhaltlichen Bezug, einmal Tod und Auferweckung des Lazarus, das andere Mal Tod und Auferstehung Jesu, ergibt sich eine soteriologisch-eschatologische Füllung der beiden christologischen Titel. Jesus ist insofern der Christus und Sohn Gottes, 177 Denn nur in Joh 11,27 und 20,31 treten diebeiden Titel "Christus" und .Sohn Gottes" imJohannesevangelium gemeinsam auf und beide Male in einem Bekenntnis. 178Vgl. z. B. R. BULTMANN,Joh 309, Anm. 1; R. SCHNACKENBURG,Joh 11416f.;]. BECKER, Joh II 426;]. KREMER, Lazarus 70 u. a. 179 In Joh 11,25.26.27 begegnet viennal eine Fonn des Verbums lTLO'tEUHV und in Joh 20,31 zweimal. Am deutlichsten entsprechen sich natürlich das 1TE1TLO'tEUKIt aus Joh 11,27 und das 1Tw'teu[oITJ'tE ausJoh 20,31, die jeweils mit ön konstruiert sind und ein Bekenntnis gleichen Inhalts zuJesus als Christus und Sohn Gottes einleiten. 180 Dafür begegnet diese Apposition in Joh 6,14 im Kontext des Speisungswunders zum Prophetentitel. Mit Bultmann geht es m. E. zu weit, in der Fonnulierung 6 elc; 'tov KOOflOV ~PXOflEVOC; inJoh 11,27 neben "Messias" und "Sohn Gottes" einen dritten Titel zu erkennen, der zudem noch den bedeutsamsten dieser eschatologischen Titel darstellt, vgl. R. BULTMANN,Joh 309. Wenn es wirklich ein eigenständiger Titel mit einer besonderen Relevanz wäre, müsste erklärt werden, warum er gerade in der Schlussnotiz inJoh 20,31 fehlt. Stattdessen werden am Ende des Evangeliums nur die beiden zentralen christologischen Hoheitstitel aufgegriffen, nicht aber diese Ergänzung.
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weil er die Auferstehung und das Leben Goh 11,25) bzw. der Auferstandene und der Lebensspender Goh 20,31) ist. Beide Titel sind also im Kontext der Ostersprache zu lesen bzw. im Lichte des Osterglaubens zu interpretieren.181 Als Christus und Sohn Gottes erfahrt Jesus die Auferstehung nicht nur am eigenen Leib, sondern er schenkt die Gabe des Lebens allen, die an ihn als die Auferstehung und das Leben glauben. Was ](!sus in Joh 11 der Martha verheißt und an Lazarus konkret bewirkt, solllautJoh 20 für alle Glaubenden gelten. InJoh 20,31 wird nicht der Inhalt des gesamten Evangeliums zusammengefasst, sondern der Zweck des Evangeliums angegeben.1 82 Johannes will den Leser zum Glauben führen, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist. Als Mittel zu diesem Zweck benennt der Evangelist die Zeichen Jesu, die dieser vor den Augen seiner Jünger getan hat. Diese Notiz lässt an die konkreten Wundertaten Jesu denken l83, auch an das Evangelium als Ganzes l84, oder an beidesl85 • Roose stellt in ihrem Aufsatz Joh 20,30f.: Ein (un)passender Schluss?" ihre eigene These dahingehend auf, dass sie Joh 9 und Joh 11 als primäre Verweisstellen der Schlussnotiz ansieht, die sekundär auf alle Wunderberichte und tertiär auf das ganze Evangelium verweist.1 86 Diese These ist in ihrem Kern richtig, allerdings stellt sich m. E. die Frage, wie die Autorin gerade auf Joh 9 als eine der beiden primären Verweisstellen der Schlussnotiz kommt.1 87 Ich möchte diese These leicht modifizieren, insofern ich ausschließlich Joh 11,27 als primäre Verweisstelle der Schlussnotiz betrachte. Das Glaubensbekenntnis der Martha stimmt nicht nur prospektiv fast wörtlich mit der Schlussnotiz des Evangeliums überein, sondern bildet auch retrospektiv den abschließenden Höhepunkt der ZeichentätigkeitJesu und fasst damit sein gesamtes Wunderwirken zusammen. Demzufolge lässt es ·sich gut nachvollziehen, dass 181 Vgl.J. RINKE, Kerygma 93f. 182 Dieser Aspekt geht aus der finalen Konjunktion 'LVIX inJoh 20,31 hervor. 18S Damit würde hier der Abschluss der sog. Semeiaquelle vorliegen, der allerdings
keinen passenden Schluss für das gesamte Johannesevangelium darstellt, besteht dieses vierte Evangelium doch nicht nur aus ZeichenJesu. 184 Hier muss allerdings erklärt werden, warum der Johannesevangelist seinen speziell auf die Wundertaten Jesu hin angelegten Zeichenbegriff nunmehr allgemein für das ganze WirkenJesu verwendet. 185 Vgl. die verschiedenen Positionen bei H. ROOSE, Schluss 326f. 186 So die These von H. ROOSE, Schluss 328f. 187 Sie begründet dies damit, dass Joh 9 eine Wundererzählung darstellt, die das .ZumGlauben-Kommen" eines Menschen oder, wie sie es auch ausdrückt, die .Bekehrung" bzw. die HHinwendung eines Menschen zuJesus Christus· eigens thematisiert, vgl. H. ROOSE, Schluss 330f. Allerdings liegt darin genau das Proprium aller johanneischen Zeichenberichte, dass die Menschen durch das Wunder zum Glauben gekommen, vgl. beispieihaftJoh 2,11 und alle weiteren ZeichenJesu.
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dieser letztgenannte Aspekt ganz am Ende des Evangeliums noch einmal aufgegriffen wird und Joh 20,30f. damit einen passenden Schluss für das Johannesevangelium .darstellt. Trotz aller aufgezeigten Parallelen zwischenJoh 11,27 undJoh 20,31 gibt es doch einen entscheidenden Unterschied bei den beiden Stellen: Hinter der Formulierung 'Cva 1TLOtEU[Ol11tE inJoh 20,31 verbirgt sich dn kommunikatives Signal, insofern der Johannesevarigelist seine Leser bzw. Hörer direkt in der 2. Person Plural anspricht und sie zum Glauben an Jesus als den Christus und Sohn Gottes führen will. Was hier im Epilog des Evangeliums als Wurisch- und Zielvorstellung des Autors für die Zukunft ausgesprochen wird, hat sich bereits in der narratio exemplarisch in Martha erfüllt. Nach der Selbstoffenbarung Jesu als die Auferstehung und das Leben spricht sie ein der Intention des Johannesevangelisten völlig entsprechendes und vollgüJtiges Bekenntnis zu Jesus als den Christus und Sohn Gottes aus und avanciert dadurch zur Musterfrau johanneischen Glaubens. Mit ihrem 1TE1TI.OtEUKa inJoh 11,27b liefert sie die "perfekte indikativische Vorgabe"l88 für das imperativische Lva 1TLOtEUOVtEt; am Ende des Evangeliums und wird so zur paradigmatischen Glaubensgestalt des J ohannesevangelisten schlechthin, weil sie genau das Bekenntnis ausspricht, das er von seiner Gemeinde und darüber hinaus von allen Lesern bzw. Hörern seines Evangeliums erwartet. Mit diesem christologischen Spitzenbekenntnis lässt der Johannesevangelist den Dialog zwischen Jesus und Martha enden. Über eine Reaktion von Seiten Jesu wird nichts berichtet, auch Martha hat ihrem gewaltigen Glaubensbekenntnis nichts hinzuzufügen. So bleibt dieses Wort der Martha in Joh 11,27 eindrucksvoll und nachhaltig als abschließender Höhepunkt des Dialogs zwischen Jesus und Martha stehen und kann seine vom Verfasser intendierte Wirkung nach verschiedenen Seiten hin entfalten. Auf der Textebene schließt der Johannesevangelist mit Joh 11,27 den Dialog zwischen Jesus und Martha ab und bringt ihn gleichzeitig an sein Ziel. Der im Dialog nachgezeichnete Glaubensweg der Martha erfährt in ihrem christologischen Spitzenbekenntnis seinen unüberbietbaren Höhepunkt. Auf die Selbstoffenbarung Jesu als die Auferstehung und das Leben hin bekennt sie ihn als den Christus und Sohn Gottes und wird so auch über Joh 11 hinaus zur paradigmatischen Glaubensgestalt des Johannesevangeliums schlechthin. Retrospektiv lässt der Johannesevangelist durch seine Stellung am Ende des "book 188 So J. RINKE.
Kerygma 94 (Kursivdruck auch im Original).
Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
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of signs" die gesamte Zeichen tätigkeit Jesu auf dieses mustergültige Glaubensbekenntnis der Martha hinauslaufen und in ihm als neuralgischen Punkt johanneischen Glaubens kulminieren. In Joh 11,27 spricht Martha stellvertretend für alle, die durch die ZeichenJesu zum Glauben an ihn als den Christus und Sohn Gottes gekommen sind. Prospektiv nimmt der Johannesevangelist mitJoh 11,27 innerhalb der narratio die Grundintention seines Evangeliums vorweg, die er im Epilog inJoh 20,30f. zum Ausdruck bringt. Nach der Lektüre des Evangeliums soll der Leser mit den Worten Marthas in das Bekenntnis zu Jesus als den Christus und Sohn Gottes einstimmen und damit seinen Glauben explizieren. Durch eine solch durchdachte und geschickte Komposition gelingt es dem Johannesevangelisten mit dem Glaubensbekenntnis der Martha, sein gesamtes Evangelium zu umreißen. Bewusst in der Buchmitte platziert, fasst er mit Joh 11,27 rückblickend den ersten Teil seines Evangeliums zusammen und stellt gleichzeitig vorausschauend den Bezug zum Ende seines Werkes her. Für Johannes ist Jesus der Christus und Sohn Gottes und genau zu diesem Glauben soll der Leser durch die Zeichen Jesu geführt werden. Als schillerndes Beispiel dafür stellt er ihm Martha vor Augen, die paradigmatisch für jeden Glaubenden dieses christologische Spitzenbekenntnis ausspricht. Vor diesem Hintergrund geht die Bedeutung von Joh 11,27 weit über den unmittelbaren Kontext der Lazarusperikope hinaus, dahingehend, dass dieses Glaubensbekenntnis der Martha einen Dreh- und Angelpunkt des Johannesevangeliums darstellt und eine Spitzenaussage johanneischer Christologie beinhaltet. Deshalb ist dem Urteil von Dietzfelbinger nur zuzustimmen, dass Joh 11,27 innerhalb der anderen Bekenntnisse des Johannesevangeliums 189 einen "hohen Rang"190 einnimmt; nach den angestellten Beobachtungen lässt sich diese Aussage sogar noch dahingehend steigern, dass mitJoh 11,27 das absolute Spitzenbekenntnis des J ohannesevangeliums vorliegt. 191
189Vgl.Joh 1,49; 4,19; 4,42; 6,69; 9,38; (16,30); 20,28. 190 So C. DIETZFELBINGER,Joh I 347. 191 Alle anderen Bekenntnisse stellen gewissermaßen eine christologische Variation dieses johanneischen Zentralbekenntnisses zu Jesus als den ·Christus und Sohn Gottes dar.
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Die DialogeJesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
6. Der Weg der Wissensvcrmittlung inJoh 11,20-27
Mit ihrem Glaubensbekenntnis inJoh 11,27 drückt Martha in unüberbietbarer Dichte und Prägnanz ihr christologisches Wissen aus, zu dem sie im Laufe des Dialogs mit Jesus gekommen ist. Dass es sich bei diesem WissenselWerb um einen Weg bzw. um einen Prozess handelt, dafür findet sich ein versteckter Hinweis im Dialog selbst, und zwar an seinem Ende. Die vom Autor bewusst gewählte Perfektform iTE'rrLO,EUKa inJoh 11,27 soll zwei Aspekte zum Ausdruck bringen: Zum einen den Vorgang des Zum-Glauben-Kommens und zum anderen das Ergebnis bzw. das Resultat dieses Vorgangs, den gewonnenen Glauben. Beide Elemente lassen sich dann auch im Dialog festmachen, und so stellt sich rückblickend und zusammenfassend die Frage, wie denn dieser Glaubensweg der Martha aussieht bzw. aus der Perspektive Jesu formuliert, welchen Weg der Wissensvermittlung Jesus einschlägt, dass Martha zum Glauben an ihn kommt und sich zu ihm als den Christus und Sohn Gottes bekennt. Die Ausgangssituation beim Dialog zwischen Jesus und Martha in Joh 11 lässt sich am besten durch einen Vergleich mit dem Dialog zwischenJesus und der Samaritanerin inJoh 4 erfassen. InJoh 4,7 ist es Jesus, der mit einer einfachen Bitte um Wasser den Dialog mit der samaritanischen Frau eröffnet, um so mit ihr in Kontakt zu kommen und damit die kommunikative Basis für den weiteren Dialog legt. Hier bereits und dann auch im weiteren Fortgang des Dialogs zeigt sich rückwirkend, dass Jesus bei der Frau keinerlei christliches Glaubenswissen voraussetzen kann. Schließlich ist sie Samaritanerin und hat als solche ihre Vorbehalte gegenüber der jüdischen Religion 192 und schon gar keine Verbindung zu Christus. Dementsprechend schwierig gestaltet sich auch der Weg der Wissensvermittlung in Joh 4 und letztendlich kommt die Samaritanerin in Joh 4,19 lediglich zu einem Schwellenbekenntnis. Ganz anders dagegen verhält es sich bei Martha in Joh 11. Sie ist es, die in Joh 11,21 Jesus mit "Herr"193 anspricht und ihm sogleich ihre Hoffnung auf die heilende KraftJesu verrät; im Falle seiner Anwesenheit hätte er den Tod ihres Bruders verhindern können. Bereits mit dieser Aussage ganz zu Beginn des Dialogs wird das 192 Die Samaritaner teilen zwar den Pentateuch als gemeinsame Schrift mit den Juden und berufen sich wie sie auf die Stammväter; jedoch ist das Verhältnis zwischen Juden und Samaritanern von erbitterter Feindschaft bestimmt, so dass die samaritanische Frau auf ihre eigene Religion fixiert ist. 193 Im Unterschied zu Joh 11,27 fungiert die Kyriosanrede hier wohl noch nicht als christologischer Hoheitstitel, sondern lediglich als höfliche Anrede; allerdings wirft natürlichJoh 11,27 seine Schatten aufJoh 11,21 voraus.
Der DialogJesu mit Martha inJoh 11,20-27
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vorherrschende Verhältnis zwischen Martha und Jesus beleuchtet. Martha kennt Jesus194 und vertraut auf seine Hilfe. Noch bevor Jesus ein Wort sagen kann, geht Martha in Joh 11,22 noch einen Schritt weiter und bringt über ihr Vertrauen zu Jesus hinaus ihr grenzenloses Gottvertrauen zum Ausdruck. Bezeichnend hierbei ist die Einleitung mit otöex ön, die die folgende Aussage der Martha als Glaubenswissen klassifiziert. Im Gegensatz zur Samaritanerin ist bei Martha demnach bereits ein Glaubensfundament gelegt, auf dem Jesus auf- und weiterbauen kann. So muss Jesus seinen Weg der Wissensvermittlung nicht ganz von vorne beginnen, sondern er kann auf das Glaubenswissen der Martha reagieren. In Joh 11,23 macht er ihr deswegen sogleich die feste Zusage, dass ihr Bruder auferstehen wird; allerdings lässt er den genauen Zeitpunkt und die genauen Umstände der Auferstehung offen. Durch diese Offenheit, die im Folgenden nach einer Konkretisierung verlangt, wird der Dialog auf der literarischen Ebene vorangetrieben. Prompt nimmt Martha auf die Aussage Jesu im vorausgehenden Vers Bezug und vertritt in Joh 11,24 die traditionelle jüdisch-christliche Auferstehungshoffnung. Analog zu Joh 11,22 begegnet auch hier die Formulierung otoo ön, mit der Marthas Glaubenswissen zum Ausdruck gebracht und sie als gläubige Frau ihrer Zeit gezeichnet wird. Diesem allgemein im Juden- und Christentum verbreiteten Glauben, wie ihn Martha ausspricht, setzt nunmehr Jesus etwas Neues gegenüber: Er offenbart sich inJoh 11,25b als die Auferstehung und das Leben. Mit dieser Selbstoffenbaning geht Jesus den entscheidenden Schritt auf dem Weg der Wissensvermittlung und bringt diese gleichzeitig zu ihrem abschließenden Höhepunkt. Die in die Zukunft gerichtete eschatologische Hoffnung der Martha verlagert Jesus in die Gegenwart, ja mehr noch: Er knüpft sie. an seine eigene Person. Mit diesem präsentisch-personalen Bezug überbietet er das bisherige Glaubenswissen der Martha auf einmalige und einzigartige Weise und offenbart ihr neues christologisches Wissen. Diese christologische Wissensvermittlung durch die Selbstoffenbarung Jesu gilt natürlich nicht nur der Martha, sondern mit ihr zusammen dem Leser bzw. Hörer des Evangeliums. Auch zu ihm spricht Jesus: "Ich bin die Auferstehung und das Leben" und offenbart dadurch seine grundlegende soteriologisch-eschatologische Bedeutung für jeden, der an ihn glaubt. Auch die anschließende Frage Jesu "Glaubst du das?" ist keineswegs nur 194 Zwischen
heiden herrscht lautJoh 11,5 wie auch zwischen Jesus und Maria und Lazarus ein inniges freundschaftliches Verhältnis.
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Die DialogeJesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium
an Martha gerichtet, sondern auch und vor allem an den Leser bzw. Hörer des Johannesevangeliums, der dadurch zu einer Antwort herausgefordert wird. Und wie Martha die Selbstoffenbarung Jesu in Joh 11,27 mit ihrem christologischen Spitzenbekenntnis beantwortet, so soll auch der gläubige Leser bzw. Hörer Jesus als den Christus und Sohn Gottes bekennen. Martha wird ihm dabei vom Johannesevangelisten als paradigmatische Glaubensgestalt vor Augen geführt. In ihr mustergültiges Bekenntnis, das nach dem Epilog des Evangeliums voll und ganz der Intention des Autors entspricht, soll er bereits jetzt oder spätestens nach der Lektüre des gesamten Evangeliums einstimmen. Damit kommt der Weg der christologischen Wissensvennittlung durch die Offenbarung Jesu nicht nur bei Martha, sondern auch bei den gläubigen Lesern bzw. Hörern des Evangeliums an sein Ziel. Über die Form des literarischen Dialogs kann der Leser bzw. Hörer die verschiedenen Stationen dieses Glaubensweges der Martha mitgehen und wird mit ihr stufenweise zur christologischen Erkenntnis geführt, die sich als Ergebnis bzw. Resultat in einem vollgültigen Glaubensbekenntnis ausdrückt. Somit hat das 1TE1TL 'Eßpa"LOtL, PaßßouvL (ö AEye-.aL LhoaoKaAE).
a
AEYEL autn 'ITjooupaKa 'Cov KUPLOV 96 Dadurch sind die Engel bei Johannes zu funktionslosen Statisten degradiert; sie sind eigentlich gänzlich überflüssig. Doch offensichtlich kann und darf die Szene mit den Engeln nicht komplett wegfallen;97 stattdessen wird die Angelophanie rumpfartig der Christophanie vorangestellt. Aufgrund der Tatsache, dass inJoh 20,11-18 zwei verschiedene, voneinander unabhängige Traditionen zusammengeführt und blockweise hintereinander gestellt werden, erklären sich die auffälligen Doppelungen in diesem Abschnitt. Die doppelte Frage rUvaL, 'CL daLELe;; in Joh 20,13 und 15 sowie das zweifache Umwenden Marias inJoh 20,14 und 16 gehen also jeweils einmal auf die Tradition und einmal auf die Redaktion zurück. Lediglich bei der entsprechenden Zuweisung gehen die Meinungen der Exegeten auseinander. Ebenso wie Brown sieht auch Schnackenburg die Engelszene als spätere Hinzufügung und bekommt durch den Sprung vonJoh 20,l1a zuJoh 20,14b einen glatten Text. Die redaktionelle Komposition lässt sich aus Wendungen des Kontextes ableiten und deshalb gut nachvollziehen; allerdings stellt sich Schnackenburg selbst die berechtigte Frage, "was einen Redaktor dazu bewogen haben sollte, diese Szene einzufügen. "98 Schließlich werden hier keine neuen Inhalte in den Text eingetragen, sondern lediglich bereits Bekanntes wieder aufgegriffen99 oder noch Ausstehendes vorweggenommen 100, so dass der 93 Bei Markus und Matthäus ist es jeweils ein Engel, bei Lukas und johannes sind es jeweils zwei, vgl. Mk 16,5; Mt 28,2; Lk 24,4;joh 20,12. Vgl. Mk 16,6f.; Mt 28,5-7; Lk 24,5-7. 95 Vgl.joh 20,13. 96 Vgl. M. EBNER, Wer liebt mehr? 4l. 97 Die Begründung hierfür geht aus den folgenden Ausführungen zum Verhältnis von Angelophanie und Christophanie hervor. 98 So R. SCHNACKENBURG,joh III 360. 99 joh 20,13 wiederholt fast wörtlichjoh 20,2. 94
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Die DialogeJesu mit Einze1personen imJohannesevangelium
Sinn dieser Einfügung schwerlich einleuchten kann. Mit Fortna101 ist es m. E. logischer, den umgekehrten Weg zu beschreiten und in der Engelszene die traditionelle Vorgabe für das Vorhergehende und speziell für das Nachfolgende' zu sehen. Dabei lässt sich die Überlegung anstellen, ob nicht die Engel in der hier vorliegenden Form ihrer traditionellen Funktion der Verkündigung der Osterbotschaft beraubt worden sind, d.h. die Engelszene einfach abbricht, um der anschließenden Christophanie Raum zu geben und die Funktion der Engel auf Maria Magdalena dahingehend zu übertragen, dass die jüngerin als erste Zeugin der Auferstehung auch als erste diese Auferstehungsbotschaft verkündet. Nach dieser Logik fungiert die Angelophanie gewissermaßen als traditionelles Vorspiel für die Christophanie. Letztere setzt deutlich bei der gleichen Ausgangssituation an, hebt sich aber dann auch genauso deutlich von ihr ab und setzt ihren eigenen theologischen Schwerpunkt. Umgekehrt ist es schwerlich nachvollziehbar, dass ein späterer Redaktor in Anlehnung an die Christophanie die Engelszene aus der Tradition hervorkramt, aber im Unterschied zu ihr die Engel als Statisten ohne irgendwelche Funktion in den Text einträgt. Eine solche Redaktion ist nicht nur sinnlos, sondern darüber hinaus auch absurd. Wie die vorangehende Angelophanie traditionelle Züge aufweist, so hat auch die folgende Christophanie ihre Wurzeln in der Tradition.102 johannes kann schwerlich eine Erscheinung des Auferstandenen erfinden und braucht es auch nicht, schließlich finden sich im Neuen Testament unzählige Erscheinungsberichte, die auf eine breite derartige Tradition schließen lassen,lo3 Aus dieser Fülle von Erzählungen, in denen der Auferstandene einzelnen oder mehreren Personen erscheint, ergibt sich von joh 20,14-18 eine deutliche Parallele zu Mt 28,9f.104 Nach der Darstellung des Matthäus erscheint jesus zwei Frauen, von denen Maria Magdalena als erste genannt wird; bei johannes ist Maria Magdalena die alleinige Empfängerin der Christophanie. Das johanneische IJ.~ lJ.ou &1T1;OU injoh 20,17b kann als Relikt einer Tradition verstanden werden, die sich in Mt 28,9 stärker erhalten hat und von 100 Die Frage der Engel inJoh 20,13 antizipiert wortwörtlich die FrageJesu inJoh 20,15. 101 Vgl. R. T. FORTNA, Gospe1198. 102 Der Sache nach ist es natürlich nur logisch, dass hier verschiedene und voneinander
unabhängige Traditionen vorliegen; im einen Fall erscheinen Engel, im anderen Fall erscheint der Auferstandene. Damit ist das Verhältnis oder besser gesagt das NichtVerhältnis zwischen Angelophanie und Christophanie deutlich geklärt. 103 Vgl. die Zusammenstellung der neutestamentlichen Erscheinungstraditionen bei C. DIETZFELBINGER, Osterglaube 19-22. 104 Vgl. P. BENOIT, Maria Magdalena 365f.
Der Dialog des Auferstandenen mit Maria Magdalena inJoh 20,15-17
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einer Berührung des Auferstandenen durch die Frauen berichtet. Schließlich dürfte die übereinstimmende, aber jeweils bei Matthäus undJohannes singuläre Bezeichnung der Jünger Jesu als aÖEMJlo( lJ.ou in Mt 28,10 bzw.Joh 20,17 auf eine gemeinsame Tradition hinweisen, die Matthäus und Johannes unabhängig voneinander105 verwendet und dementsprechend auch verschieden überliefert haben,l06 Im Kern lassen sich folgende zwei Wesensmomente dieser Tradition ausmachen: Zum einen die Erscheinung des Auferstandenen vor Frauen und zum anderen sein Auftragswort an sie. Aus diesen beiden Grundelementen besteht also mit großer Sicherheit das traditionelle Fundament für Joh 20,14-18, auf dem der Johannesevangelist weiterbaut. Schwieriger wird es dagegen, die verschiedenen Einzelmomente der Tradition bzw. einer späteren Bearbeitung zuzuordnen. Schnackenburg geht m. E. viel zu weit, wenn er Joh 20,14b-16 komplett der Quelle zuschreibt107 und lediglich für Joh 20,17 "stärkere Eingriffe des Evangelisten"l06 annimmt. Demnach wäre der Großteil der Christophanie dem Evangelisten bereits vorgegeben und es stellt sich die berechtigte Frage, worin denn noch seine Arbeit besteht, abgesehen davon, dass er für Joh 20,17 verantwortlich z1TOV tu!jl.wv EK YEVE't'ilC;; in Joh 9,1 sein Leiden hervor. Unter den vier mit Namen vorgestellten Dialogpartnern Jesu finden sich zwei Männer, NathanaeI und Thomas, sowie zwei Frauen, Martha und Maria Magdalena. Ein Mann, der Blindgeborene, und eine Frau, die Samaritanerin, bilden'die kleinere Gruppe der namenlosen Dialogpartner Jesu. Die Symmetrie, die sich bereits oben hinsichtlich des Geschlechts angedeutet hat, wird hier nun weiter fortgeführt und konsequent durchgehalten. Dies ist sicherlich kein Zufall, sondern verdankt sich vielmehr der johanneischen Komposition. Der vierte Evangelist setzt die Dialoge nicht nur an eine ganz bestimmte Position in seinem Evangelium und gibt ihnen eine ganz bestimmte Länge, sondern legt darüber hinaus genau fest, mit wem er Jesus in Dialog treten lässt, ob mit einem Mann oder mit einer Frau, ob er dieser Person einen Namen verleiht oder nicht. Diese Vorgehensweise lässt darauf schließen, dass der Johannesevangelist bei der Auswahl der Dialogpartner Jesu seine Gemeinde im Blick hat, die neben Männern gleicher-
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Mann inJoh 1 - Frau inJoh 4 - Mann inJoh 9 - Frau inJoh 11 - Frau inJoh 20Mann inJoh 20. Dadurch, dass auf Martha in Joh 11 zunächst Maria Magdalena und erst dann Thomas in Joh 20 folgt, wird die Kette mit dem Wechsel zwischen Mann und Frau bei den Dialogpartnern Jesu durchbrochen. Allerdings wird auf diese Weise eine andere Symmetrie hergestellt, insofern der erste und der letzte Dialog Jesu im Johannesevangelium jeweils mit einem Mann stattfinden und damit in Bezug auf das Geschlecht eine Rahmung vollzogen wird.
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Theologischer Ertrag
maßen aus Frauen besteht11 und die sich nicht nur aus namentlich bekannten, sondern auch anonymen Christen zusammensetzt.1 2
4. Ausgangsbedingungen des Dialogs Hösle unterscheidet bei seinen Ausführungen zu den Ausgangsbedingungen des Gesprächs zwischen einem verabredeten und einem zufälligen Gespräch. 13 Ein Gespräch kann von den Gesprächsteilnehmern fest ausgemacht sein mit dem Ziel, sich über ein bestimmtes Thema auszutauschen und zu unterhalten. Im Fall des philosophischen Dialogs geht es den Menschen darum, sich an einem bestimmten Ort zum gemeinsamen Philosophieren zu verabreden.l 4 Ein Gespräch kann sich aber auch spontan ergeben aufgrund einer zufälligen Begegnung. 15 So ist es möglich, dass sich aus einer belanglosen Alltagsunterhaltung eine philosophische Debatte entwickelt, die vorher nicht im Geringsten abzusehen war. Wie verhält es sich nun bei denjohanneischen Dialogen? Auf der einen Seite gibt es Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium, deren Ausgangspunkt auf der Textebene ein spontanes, rein zufälliges Aufeinandertreffen zweier Personen darstellt. Bei der Begegnung Jesu mit der Samaritanerin am Jakobsbrunneri in Joh 4 handelt es sich definitiv nicht um eine vereinbarte Verabredung. Jesus ist lautJoh 4,6 müde von der Reise und setzt sich um die Mittagszeit zur Erholung an den Brunnen. Die Samaritanerin geht entsprechendJoh 4,7 ihrer täglichen Arbeit nach und kommt zum WasserhoIen an den Brunnen. Auf diese Weise geraten beide zufällig aneinander und treten in einen gemeinsamen Dialog ein. Analog dazu verhält es sich auch inJoh 9. Jesus begegnet dem Blindgeborenen laut Joh 9,1 unteIWegs und trifft ihn dann nachJoh 9,35 spontan wieder, so 11
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Die HeIVOrhebung von Maria Magdalena als erste Osterzeugin in joh 20 lässt sogar darauf schließen, dass die Frauen in der johanneischen Gemeinde eine besondere Stellung haben. Aufgrund der bedrängten Situation der johanneischen Gemeinde lässt sich dieses Faktum gut nachvollziehen, vgl. Nikodemus, der lautjoh 3,U. nachts zujesus kommt, oder josefvon Arimathäa, der gemäBjoh 19,38 aus Furcht vor den juden nur heimlich einjüngerjesu ist. Vgl. V. HÖSLE, Dialog 283-291. Hösle velWendet hier im Gegensatz zu meiner eigenen Terminologie die Bezeichnung "Gespräch" und unterscheidet demnach nicht zwischen Gespräch und Dialog. Als Beispiele für das verabredete Gespräch zum Philosophieren führt Hösle die beiden Dialoge Platons Sophistes und Politikos an, vgl. V. HÖSLE, Dialog 283. Als klassisches Beispiel bei Platon für den "Dialog des Zufallsgesprächs" nennt Hösle den Euthyphron, bei dem sich beide Dialogpartner zmallig begegnen, vgl. V. HÖSLE, Dialog 286.
Vergleich der Dialoge
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dass es zum Dialog zwischen den beiden kommt. Das beste Beispiel für einen zufälligen Dialog im Rahmen der behandelten Stellen ist das Aufeinandertreffen von Jesus und Maria Magdalena in Joh 20. Völlig unverhofft begegnet Maria Magdalena dem Auferstandenen und erkennt ihn zuerst gar nicht, bevor er sich ihr offenbart und sie zur Erkenntnis seiner Person führt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium, bei denen das Aufeinandertreffen der beiden Dialogpartner nicht dem Zufall überlassen, sondern gezielt forciert wird, sei es von einer außen stehenden Person oder von der am Dialog beteiligten Person selbst. Für die Begegnung zwischen Nathanael und Jesus in Joh 1 am Ende der johanneischen Berufungserzählung ist Philippus verantwortlich. Laut Joh 1,45 weist er zunächst Nathanael aufJesus hin und führt ihn sodann nachJoh 1,46 zu ihm. Diese Vermittlung durch Philippus stellt somit die Ausgangsbedingung dar, dass es überhaupt zum Dialog zwischenJesus und Nathanael kommt. In Joh 11 ist Martha selbst daran beteiligt, dass sie auf Jesus trifft und beide in einen Dialog eintreten. Zusammen mit ihrer Schwester Maria lässt sie Jesus in Joh 11,3 die Nachricht von der Krankheit des Lazarus überbringen, der daraufhin nach Bethanien kommt und Martha begegnet. Somit liegt in dieser Bitte der beiden Schwestern die eigentliche Ausgangsbedingung für das Zustandekommen des Dialogs zwischen Jesus und Martha. Am deutlichsten kommt in Joh 20 zum Ausdruck, dass die beiden Dialogpartner alles andere als zufällig, sondern vielmehr durch gezielte Steuerung aufeinander treffen. Thomas, der auf das Zeugnis der anderen Jünger hin nicht zum Osterglauben kommt, stellt in Joh 20,25 Bedingungen, um glauben zu können, und fordert damit eine neuerliche Erscheinung des Auferstandenen heraus. Der Dialog zwischen Jesus und Thomas verdankt sich somit der hartnäckigen Haltung des Thomas; er selbst provoziert die dialogische Begegnung mit Jesus. Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass sich bei den Dialogen Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium sowohl zufällige als auch geplante Dialoge ausfindig machen lassen. Der vierte Evangelist variiert zwischen diesen beiden Möglichkeiten und suggeriert damit dem Leser verschiedene Ausgangsbedingungen für das Aufeinandertreffen zweier Personen zum Dialog. Im Kontext seiner Ausführungen zu den Ausgangsbedingungen des Gesprächs macht Hösle auch auf den Unterschied zwischen symmetrischen und asymmetrischen Gesprächen aufmerksam und sieht
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Theologischer Ertrag
darin "eine der wichtigsten Einteilungen der Gesprächsfonnen"16. Bei einem symmetrischen Gespräch handelt es sich laut Hösle um einen Dialog zwischen gleichen Partnern, die eine gemeinsame Untersuchung anstellen oder etwas voneinander lernen wollen. Dagegen stehen sich in einem asymmetrischen Gespräch zwei oder mehrere ungleiche Dialogpartner gegenüber. Einer davon ist der Wissende, der (im dualen Dialog) dem anderen einen Lehrvortrag hält oder auch im ironischen Unterton sein Unwissen vor Augen führt.l 7 Wie die Religionsgespräche allesamt asymmetrische Dialoge darstellen - der Wissende hat den richtigen Glauben und versucht durch Argumentation, den Ungläubigen vom rechten Glauben zu überzeugen 18 - so zeichnen sich auch alle DialogeJesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium durch ihre Asymmetrie im Hinblick auf das Wissensgeralle aus. In allen sechs Dialogen erscheint Jesus stets als der Wissende, der seinem Dialogpartner jeweils ein bestimmtes Wissen vennittelt und ihn dadurch zum Glauben an seine Person führt. Während Jesus in allen Dialogen durchgehend als der Wissende schlechthin gezeichnet wird, unterscheiden sich seine Dialogpartner vor allem durch ihren christologischen Wissensstand voneinander. Alle sechs Dialogpartner Jesu verfügen jeweils zu Beginn des Dialogs über ein anderes Glaubensvorwissen. Diese unterschiedliche Glaubensstufe der einzelnen Dialogpartner am Anfang des Dialogs hat logischerweise entscheidende Auswirkungen auf seinen Verlauf, hängt doch die Wissensvennittlung durch Jesus maßgeblich vom Vorwissen seines jeweiligen Gegenübers ab. Deswegen ist es erforderlich, bei den Ausgangsbedingungen des Dialogs das jeweilige Glaubensvorwissen der einzelnen Dialogpartner Jesu zu beleuchten und so gut es geht zu untersuchen.l 9 Bei Nathanael in Joh 1 lässt sich seine Ausgangssituation in Bezug auf sein christologisches Wissen zu Beginn des Dialogs mitJesus recht eindeutig beschreiben. Zwar geht es aus dem Text nicht explizit her16 So v. HÖSLE, Dialog 292. 17
Vgl. ebd. 292-306.
18 Vgl. ebd. 293. 19
Gerade aus henneneutischer Sicht gestaltet sich dieses Unterfangen sehr schwierig, machen doch die Texte selbst keine expliziten Aussagen darüber, ob bei den jeweiligen Dialogpartnem Jesu ein bestimmtes Glaubenswissen vorhanden ist, und wenn ja, in welcher Intensität dies ausgeprägt ist. Um zumindest eine grobe Aussage über den Glaubensstand der einzelnen Personen machen zu können, bedarf es des Kontextes bzw. des Dialoges an sich, um von bestimmten Aussagen innerhalb des Dialogs Rückschlüsse auf den Ausgangsglauben der jeweiligen Person zu Beginn des Dialogs zu machen.
Vergleich der Dialoge
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vor, dass er ein Jünger Johannes des Täufers ist20, aber mit Backhaus lässt sich vermuten, dass Nathanael, ebenso wie Simon und Philippus, dem Jüngerkreis Johannes des Täufers angehört. 21 Infolge der dialogischen Begegnung mit Jesus wird Nathanael von einem Jünger Johannes des Täufers zu einem Jünger Jesu; Jesus selbst beruft Nathanae1 in seine Nachfolge und macht damit aus dem Juden einen Judenchristen. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass Nathanae1 noch über keinerlei christliches Glaubenswissen verfügt bzw. noch gar nicht verfügen kann; er steht gerade erst am Anfang seines Glaubensweges. 22 Es versteht sich von selbst, dass die Samaritanerin inJoh 4 der samaritanischen und damit ihrer eigenen Volksreligion angehört. Wie aus dem Text hervorgeht23, grenzen sich die Samaritaner von den Juden ab und umgekehrt und beharren jeweils auf der Eigenständigkeit und Legitimität ihrer jeweiligen Glaubensrichtung. Während die Samaritaner Gott auf dem Berg Garizim anbeten, befindet sich das jüdische Kultzentrum in Jerusalem. Die im Monotheismus beheimatete Samaritanerin verfügt vor der Begegnung mit Jesus über keinerlei christliches Glaubenswissen, so dass sie einen längeren Weg der Wissensvermittlung vor sich hat, bis sie allmählich zur Erkenntnis Jesu gelangt. Bei dem Blindgeborenen in Joh 9 handelt es sich um einen Juden, bei dem ein bestimmter Glaubenshintergrund vorhanden ist. Nach seiner Heilung durch Jesus wird der namenlose Mann vor die jüdischen Autoritäten gebracht und zur Heilung verhört. Auf die Frage der Pharisäer nach seiner Meinung über den Wundertäter verwendet der Geheilte in Joh 9,17 den Propheten titel und stellt Jesus damit in die Reihe jüdischer Propheten. Im zweiten Verhör durch die Pharisäer argumentiert der Geheilte in Joh 9,3lf. mit seinem jüdischen Glaubenswissen und bringt damit seine religiöse Verwurzelung im Judentum zum Ausdruck. So kann Jesus beim .Blindgeborenen an dessen jüdischen Glaubenshintergrund anknüpfen und ihn im Vergleich zu der Samaritanerin ohne größere Schwierigkeiten zum christlichen Glauben hinführen. Nur Andreas und der ungenannte jünger gehen expressis verbis als Täufeljünger aus dem Text hervor, vgl.joh 1,35.40. 21 Vgl. K. BACKHAUS,jüngerkreise 242f. Backhaus führt folgende Argumente an, dass Simon, Philippus und NathanaiH zum Täuferkreis gehören: 1. Als Galiläer halten sie sich am Ostufer des jordan auf (vgl.joh 1,28). 2. Andreas und Simon (vgl.joh 1,45) sowie Philippus und NathanaiH (vgl.joh 1,45) haben denselben theologischen Hintergrund. 3. Die plurale Fonn EUp1jKIXIJ.EV (vgl.joh 1,41.45) verweist auf eine "Gemeinschaft der Suchenden". 4. Die Verbindung der Berufungserzählung zur Kana-Perikope injoh 2,1-12. 22 Vgl.joh 1,50. 23 Vgl.Joh 4,9.20. 20
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Theologischer Ertrag
Martha wird in Joh 11 als die Schwester von Maria und Lazarus vorgestellt. Jesus ist diesen Geschwistern laut Joh 11,5 in freundschaftlicher Liebe zugetan. Die beiden Schwestern vertrauen auf die Hilfe Jesu und benachrichtigen ihn von der Krankheit ihres Bruders Lazarus. Sie sind fest davon überzeugt24, dass Jesus ihren Bruder gesund machen kann. Als Jesus schließlich nach Bethanien kommt, geht Martha ihm laut Joh 11,20 entgegen, obwohl Lazarus bereits gestorben ist. Diese Geste verdeutlicht bereits, was sodann im Dialog verbalisiert wird, nämlich, dass Martha trotz allem den Glauben an Jesus nicht verloren hat, sondern ganz im Gegenteil unerschütterliches Vertrauen in ihn setzt. Martha verfügt mehr als die anderen Dialogpartner J esu vor ihr und auch nach ihr über ein fundiertes Glaubenswissen 25 und ist fest im jüdischen Glauben verwurzelt. Aufgrund dieser optimalen Ausgangsbedingungen hat es Jesus bei ihr sehr leicht, sie vom jüdischen zum christlichen Auferstehungsglauben zu führen und sich ihr selbst als die Auferstehung und das Leben zu offenbaren. 26 Bei Maria Magdalena in Joh 20 handelt es sich um eine treue Jüngerin Jesu. Sie folgt Jesus nach Jerusalem, harrt mit den anderen F~uen unter dem Kreuz Jesu aus27 und macht sich am Ostermorgen allein 28 zum Grab auf. Bevor es zur dialogischen Begegnung mit dem Auferstandenen kommt, wird Maria Magdalena in doppelter Weise als Nicht-Wissende geschildert. Aus ihrem Weinen am Grab 29 geht implizit hervor, dass sie nicht weiß, wo sich der LeichnamJesu befindet. Explizit kommt dieses Nicht-Wissen der Maria Magdalena in ihrer Antwort auf die Frage der Engel nach dem Grund ihres Weinens inJoh 20,13 zum Ausdruck. Obwohl Maria Magdalena als treue Jüngerin Jesu ihm bis unter das Kreuz nachgefolgt ist und sich selbst als seine Schülerin versteht30, fehlt ihr noch das österliche Wissen, zu dem sie vom Auferstandenen selbst durch die dialogische Begegnung mit ihm geführt wird. Thomas wird in Joh 20,24 als ete; EK 't"wv öwöeKCI vorgestellt und gehört somit als Apostel zu den engsten Jüngern und Vertrauten Jesu. Bei der Erscheinung des Auferstandenen vor den Jüngern am Oster24 25 26 27 28 29 30
Vgl.Joh 11,21.32. Vgl. das zweimalige otoo inJoh 11,22.24. Vgl.Joh 11,25. Vgl.Joh 19,25. Vgl.Joh 20,1 im Gegensatz zu Mk 16,1 parr. Vgl.Joh 20,11.13. In der Anrede "Rabbuni" für Jesus inJoh 20,16 kommt das Lehrer-Schwer-Verhältnis zwischen dem irdischenJesus und Maria Magdalena zum Ausdruck, das freilich durch Ostern eine ganz neue Qualität erhält.
Vergleich der Dialoge
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sonntag ist er nicht anwesend. sI Dem Osterzeugnis der Jünger 'EWpa.Ka:iJ.EV 'tov KUPLOV in Joh 20,25 schenkt er keinen Glauben; stattdessen stellt Thomas eigene Forderungen auf, um glauben zu können und führt dadurch eine neuerliche Erscheinung des Auferstandenen herbei. Paradoxerweise braucht gerade Thomas als einer der Zwölf einen handfesten Beweis für die Auferstehung Jesu. Er, der als Jünger und Vertrauter Jesu eigentlich glauben müsste, kann nicht glauben, weil ihm das nötige Glaubenswissen erst in der dialogischen Begegnung mit dem Auferstandenen vermittelt wird und er dadurch zum Osterglauben gelangt. Wie dieser kurze Durchgang beweist, liegt in allen Dialogen eine andere Ausgangssituation in Bezug auf das Glaubenswissen des jeweiligen Dialogpartners Jesu vor. Zu den Dialogpartnern Jesu zählt interessanterweise kein Heide, den Jesus von Grund auf Glaubenswissen vermitteln und ihn auf einem langen Weg zur Erkenntnis seiner Person führen müsste. Eine Sonderstellung innerhalb der sechs Dialogpartner Jesu nimmt die Samaritanerin inJoh 4 ein, gehört sie doch im Unterschied zu den anderen nicht der jüdischen, sondern der samaritanischen Religion an. Aufgrund dieser besonderen Ausgangssituation wird klar, dass der Weg der Wissensvermittlung bei der Samaritanerin länger dauert als bei den jüdischen Dialogpartnern Jesu, auf deren Glaubensvorwissen Jesus leichter aufbauen und sie schneller zur Erkenntnis seiner Person führen kann. Die anderen fünf Dialogpartner Jesu sind zwar allesamt Juden, doch stellen sie keineswegs eine homogene Gruppe hinsichtlich ihres Glaubenswissens dar; vielmehr sind sie verschiedenen Gruppierungen des Judentums zuzuordnen. Nathanael in Joh 1 ist wohl durch Johannes den Täufer in seinem jüdischen Glauben geprägt, und beim Blindgeborenen in Joh 9 zeigt sich deutlich seine Verwurzelung im Judentum. Im Gegensatz zu den anderen jüdischen DialogpartnemJesu verfügen diese beidenjedoch noch über keinerlei christliches Glaubenswissen. Demgegenüber gehören Martha in Joh 11, Maria Magdalena und Thomas in Joh 20 dem Jüngerkreis Jesu an. Durch ihre Nähe zu Jesus haben sie bereits eine christliche Prägung ihres jüdischen Glaubens erhalten, aber ihnen fehlt noch der volle christliche Glaube, zu dem sie von Jesus selbst in der dialogischen Begegnung mit ihm geführt werden. Es versteht sich von selbst, dass solche unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in Bezug auf das Glaubenswissen der Dialogpartner Jesu unmittelbare Auswirkungen haben auf den Dialog selbst und auf seinen Verlauf. Je weniger christliches SI
Vgl.Joh 20,24.
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Theologischer Ertrag
Glaubenswissen beim jeweiligen Dialogpartner Jesu vorhanden ist, desto länger dauert der Weg der Wissensvermittlung. Umgekehrt werden diejenigen, die bereits zum Jüngerkreis Jesu gehören, sehr schnell zur christologischen Erkenntnis geführt.
5. Eröffnung des Dialogs Die Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium entstehen - wie alle anderen Dialoge auch - dadurch, dass sich die beiden am Dialog beteiligten Personen begegnen und eine davon den Dialog mit einer verbalen Äußerung gegenüber der anderen Person beginnt. Von den sechs untersuchten Dialogen bei Johannes ist es in fünf Fällen Jesus, der die Initiative ergreift und den Dialog mit seinem Gegenüber eröffnet. In Joh 1,47 stellt die Äußerung Jesu den Motor für den weiteren Fortgang des Dialogs dar. Jesus charakterisiert Nathanael als einen Israeliten ohne Falschheit, ohne ihn vorher zu kennen. Der überraschte Nathanael kann kaum anders, als auf den werbenden Ruf Jesu zu reagieren und in den Dialog mit ihm einzutreten. Gegenüber der samaritanischen Frau spricht Jesus in Joh 4,7 einleitend die einfache Bitte .Me;; j.10L TIELV aus und nimmt mit diesem "anthropologischen Einstieg"32 bereits das theologische Thema vom lebendigen Wasser33 vorweg. Die Samaritanerin, will sie sich dem Dialogangebot Jesu nicht gänzlich verweigern, kommt nicht umhin, auf die AufforderungJesu zu reagieren. Im Unterschied zur harmlosen Dialogeröffnung in Joh 4 beginnt der Dialog inJoh 9 mit einem christologischen Paukenschlag. 34 Der Geheilte wird ihn Joh 9,35 von Jesus gefragt, ob er an den Menschensohn glaubt, und wird durch diese direkte Frage zu einer Stellungnahme herausgefordert. Diese Dialogeröffnung Jesu mit der Glaubensfrage an den Geheilten zielt somit medias in res und stellt den Blindgeborenen bereits zu Beginn des Dialogs vor die entscheidende Alternative Glaube oder Unglaube, die das gesamte Johannesevangelium wie ein roter Faden durchzieht. Mit einer doppelten Frage eröffnet Jesus in Joh 20,15 den Dialog mit Maria Magdalena. Zunächst greiftJesus die Worte der Engel ausJoh 20,13 auf, die sich bei Maria 32 Jesus nutzt die konkrete Situation amJakobsbrunnen aus und bittet die Samaritanerin 33 34
um Stillung seines menschlichen Grundbedürfnisses nach etwas zu trinken. Vgl.Joh 4,10-15. Dieser unvermittelte Dialogeinsatz erklärt sich aus der Gesamtkomposition von Joh 9. NachdemJesus den Blindgeborenen geheilt hat, trifft er ihn wieder und kann ihn vor dem Hintergrund der Heilung direkt mit der Glaubensfrage konfrontieren.
Vergleich der Dialoge
333
Magdalena nach dem Grund ihres Weinens erkundigen. Mit dieser Einstiegsfrage gelingt es dem 10hannesevangelisten auf einfache, aber effektive Weise, an den Kontext anzuknüpfen und den Dialog zwischen 1esus und Maria Magdalena geschickt in die Erzählung zu integrieren. Sodann wird durch die zweite Frage 1esu tLVO: '1)tEi.C;; an die ersten Worte 1esu im 10hannesevangelium angeknüpft, die dieser zu Beginn der johanneischen Berufungserzählung an die beiden 1ünger richtet. 35 Somit geht bereits aus der Dialogeröffnung in 10h 20,15 hervor, dass die dialogische Begegnung zwischen 1esus und Maria Magdalena als österliche Berufungserzählung verstanden werden will, bei der Maria Magdalena vom Auferstandenen in seine Nachfolge gerufen wird und ihn vor den 1üngern als den zum Vater Zurückgekehrten bezeugen soll.36 Ähnlich wie in 10h 9 erfolgt auch in 10h 20 der Einstieg in den Dialog zwischen 1esus und Thomas sehr unvermittelt und direkt. Der Auferstandene geht gleich zu Beginn des Dialogs in10h 20,27 exakt auf die zuvor von Thomas in 10h 20,25 gestellten Bedingungen ein und fordert ihn schließlich explizit zum Glauben auf. Damit geht auch dieser Dialog wie 10h 9 ohne irgendwelche Anlaufzeit"Sofort in seine entscheidende Phase. In der Reihe der Dialoge1esu mit Einzelpersonen im10hannesevangelium wird das soeben aufgezeigte Schema, dass 1esus stets deIjenige ist, der den Dialog eröffnet, ein einziges Mal durchbrochen. In 10h 11,21 ist es gerade nicht 1esus, sondern Martha, die die Initiative ergreift und den Dialog mit 1esus beginnt. Als sie hört, dass 1esus nach Bethanien kommt, geht sie ihm laut10h 11,20 entgegen37 und spricht ihn auf den Tod ihres Bruders Lazarus an; daraus entwickelt sich sodann der Dialog zwischen 1esus und Martha. Während in den übrigen Dialogen aufgrund der Tatsache, dass1esusjeweils den Dialog eröffnet, der Schwerpunkt von Anfang an auf1esus.1iegt, wird hier in10h 11 der Fokus auf den Dialogpartner 1esu gerichtet. Durch diese Besonderheit nimmt Martha eine Sonderstellung unter den Dialogpartnern 1esu ein und damit auch der gesamte Dialog in 10h 11,20-27, was sich bereits durch die Stellung dieses Dialogs im 10hannesevangelium angedeutet hat und was sich jetzt noch im Hinblick auf den Verlauf sowie den Abschluss und das Ziel dieses Dialogs weiter zeigen wird.
35
Vgl.Joh 1,38.
36 Vgl.Joh 20,17. 37
Martha sucht also regelrecht die dialogische Begegnung mitJesus.
334
Theologischer Ertrag
6. Verlauf des Dialogs Allen untersuchten DialogeIl Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium ist gemeinsam, dass Jesus im Verlauf des Dialogs ein bestimmtes christologisches Wissen vermittelt und dadurch den jeweiligen Dialogpartner zur Erkenntnis seiner Person, d.h. zum Glauben an ihn, führt. Dieser Weg der Wissensvermittlung sieht jedoch von Dialog zu Dialog ganz unterschiedlich aus, hängt er doch entscheidend vom jeweiligen Dialogpartner Jesu und speziell von dessen bereits vorhandenem Glaubenswissen ab. Der Verlauf des Dialogs zwischenJesus und Nathanael inJoh 1,47-51 wird vom Motiv des wunderbaren Wissens Jesu bestimmt. Bereits bei der Eröffnung des Dialogs inJoh 1,47 machtJesus von seiner Herzenskenntnis Gebrauch, indem er Nathanael, ohne ihn vorher zu kennen, als Israeliten ohne Falschheit charakterisiert. Damit versetzt er seinen Dialogpartner in Erstaunen und zieht ihn von Anfang an in seinen Bann. In seiner Antwort auf die verwunderte Frage des NathanaeI in Joh 1,48 kommt erneut das wunderbare Wissen Jesu zum Ausdruck, dieses Mal noch eindeutiger und dezidierter als zuvor. 3B Auf diese Weise gelingt es Jesus, seinen Dialogpartner von sich zu überzeugen und zur Erkenntnis seiner Person zu führen. Paradoxerweise geschieht dies nicht, indem Jesus über sich selbst spricht und sich dabei direkt mit einer Ich-bin-Aussage o. Ä. offenbart, sondern indirekt durch sein Wissen über NathanaeI. Von dieser Herzenskenntnis Jesu ist NathanaeI dermaßen beeindruckt und überwältigt, dass er nunmehr von einem Jünger Johannes des Täufers zu einem Jünger Jesu wird. Beim Dialog zwischen Jesus und der Samaritanerin inJoh 4,7-26 lässt sich der Weg der Wissensvermittlung sehr schön nachvollziehen und für den Leser Schritt für Schritt mitgehen. In einem ersten Stadium in Joh 4,10-15 versucht Jesus, der samaritanischen Frau ein bestimmtes theologisches Wissen zu vermitteln, doch sie versteht den tieferen Sinn seiner Aussagen über das lebendige Wasser nicht. Bedingt durch ein doppeltes Missverständnis der Samaritanerin 39 istJesus gezwungen, das Thema zu wechseln, um auf einfachere Weise auf dem Weg der Wissensvermittlung voranzukommen. So spricht Jesus in Joh 4,16-18 die Frau nunmehr auf ihr Privatleben an und offenbart ihr sein wun38 39
Im Unterschied zur eher allgemeinen Aussage inJoh 1,47 spieltJesus inJoh 1,48 auf eine ganz konkrete Situation an. Die Frau denkt rein von der anthropologischen Ebene her, Jesus dagegen macht theologische Aussagen; deswegen kann die Wissensvermittlung durch Jesus gar nicht funktionieren, vgl.Joh 4,11.15.
Vergleich der Dialoge
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derbares Wissen über ihre Ehe. Im Unterschied zu seinen vorherigen theologischen Ausführungen gelingt Jesus damit ein erster Durchbruch. Aufgrund seiner Herzenskenntnis kommt die Samaritanerin in Joh 4,19 zu der Einsicht, dass Jesus ein Prophet ist. Mit diesem Bekenntnis ist jedoch der Weg der Wissensvermittlung noch nicht abgeschlossen. Die samaritanische Frau ordnet zwar Jesus in die jüdische Prophetentradition ein, doch seine eigentliche Bedeutung hat sie noch nicht erkannt. 40 Deswegen hält ihr Jesus in Joh 4,21-24 eine theologische Rede über das wahre Wesen und die richtige Anbetung Gottes, woraufhin die Samaritanerin in J oh 4,25 ihr Wissen über den Messias kundtut. Demzufolge weiß sie, dass der Messias kommt und dass er alles verkünden wird, aber sie weiß nicht, dass dieser Messias in Jesus vor ihr steht und mit ihr spricht. Diese christologische Erkenntnis bekommt sie vonJesus selbst mitgeteilt, der sich ihr zum Abschluss des Dialogs in Joh 4,26 mit den Worten 'Eyw ELIlL, b MM3v aOL offenbart. Mit dieser Selbstoffenbarung Jesu erreicht der längste Weg der Wissensvermittlung bei den Dialogen Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium vorerst sein Ende. Das Schwellenbekenntnis der samaritanischen Frau, zu dem sie nach Ab- und Umwegen letztendlich in Joh 4,29 kommt, sowie das universale Bekenntnis der Samaritaner in Joh 4,42 finden sich außerhalb des Dialogs und sind als seine Auswirkungen zu betrachten. Im Gegensatz zu dem relativ langen und komplizierten Weg der Wissensvermittlung inJoh 4 bei der Samaritanerin führtJesus den Geheilten in Joh 9 sehr schnell und direkt zur christologischen Erkenntnis. Dieser Umstand verdankt sich der Tatsache, dass der Blindgeborene im Judentum verwurzelt ist, und bei ihm nur noch ein kleiner Schritt vom jüdischen zum christlichen Glauben fehlt,4l So stellt Jesus gleich zu Beginn des Dialogs in Joh 9,35. die Frage an den Geheilten, ob er an den Menschensohn glaubt. Aus der Antwort des blindgeborenen Mannes in Joh 9,36 geht hervor, dass ihm die Vorstellung vom Menschensohn nicht fremd ist und dass er zum Glauben an ihn bereit ist, doch dass· er nicht weiß, wer dieser Menschensohn ist. Diese Wissenslücke des Geheilten schließt Jesus unmittelbar mit seiner Selbstoffenbarung inJoh 9,37. Damit wird der blindgeborene Mann ohne irgendwelche Umwege zur christologischen Erkenntnis geführt, dass Jesus, der ihn geheilt hat, der Menschensohn ist. 40 41
Vgl.Joh 4,20. Vgl. Joh 9,27. Aus dieser Aussage des Geheilten geht implizit hervor, dass sich der blindgeborene Mann bereits als Jünger dessen versteht, der ihm das Augenlicht geschenkt hat.
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Theologischer Ertrag
Von allen DialogenJesu mit Einzelpersonen imJohannesevangelium lässt sich beim Dialog zwischen Jesus und Martha in Joh 11 der Weg der Wissensvermittlung am deutlichsten erkennen und nachvollziehen. Dies liegt an der Tatsache, dass Martha im Verlauf des Dialogs ihr fundiertes jüdisches Glaubenswissen explizit zum Ausdruck bringt und Jesus dementsprechend darauf eingehen und direkt mit der Transformierung des jüdischen Glaubenswissens in christliches Glaubenswissen reagieren kann. Bereits zu Beginn des Dialogs, noch bevor Jesus das Wort ergreift, spricht Martha inJoh 11,2lf. ihr festes Vertrauen auf die Hilfe Jesu aus, der durch seine Beziehung zu Gott alle Bitten von ihm gewährt bekommt. Dieses Wissen der Martha42 wird nicht enttäuscht, sondern sie bekommt von Jesus in Joh 11,23 ihre zuvor indirekt geäußerte Bitte erfüllt. Auf die Zusage Jesu hin, dass ihr Bruder Lazarus auferstehen wird, bringt Martha inJoh 11,24 ihre jüdische Auferstehungshoffnung durch die Einleitung mit einem erneuten otöoc43 als sicheres Glaubenswissen zum Ausdruck. Daran knüpft Jesus unmittelbar an und überträgt ihre Auferstehungshoffnung für die Zukunft auf seine eigene Person in der Gegenwart, indem er sich der Martha inJoh 11,25 als die Auferstehung und das Leben offenbart. Hier geschieht zum ersten und auch zum einzigen Mal im Rahmen eines Dialogs Jesu mit einer Einzelperson im Johannesevangelium die Selbstoffenbarung Jesu durch ein Ich-bin-Wort. Diese Besonderheit lässt sich wohl damit erklären, dass Jesus auf das dezidierte Glaubenswissen der Martha direkt Bezug nimmt und ihre jüdische Auferstehungshoffnung verchristlicht, indem er sie unmissverständlich an seine eigene Person bindet. Diese eindeutige Selbstoffenbarung Jesu führt die bereits gläubige Martha zur vollen Erkenntnis Jesu. Im Gegensatz zu den Dialogen inJoh 4 undJoh 11 ist es bei den beiden Dialogen inJoh 20 sehr schwierig, einen Weg der Wissensvermittlung auszumachen, weil die Dialoge zum einen sehr kurz sind44 und zum anderen der Weg zur Erkenntnis Jesu nicht nur durch verbale, sondern auch und vor allem durch nonverbale Offenbarung erfolgt. 45 Anstatt durch einen schrittweisen Prozess der Wissensvermittlung wie 42 43 44
45
Vgl. olM inJoh 11,22. Vgl.Joh 11,24 nachJoh 11,22. Der Dialog Jesu mit Maria Magdalena in Joh 20,15-17 umfasst gerade einmal zwei kurze Redegänge und ein abschließendes Wort Jesu; aus nur einem einzigen Redegang und einem abschließenden Wort Jesu besteht der Dialog zwischen Jesus und Thomas inJoh 20,27-29. Dies ergibt sich aus dem Kontext, handelt es sich doch bei beiden Dialogen inJoh 20 um Erscheinungen des Auferstandenen, der sich seinen Jüngern in einer dialogischen Begegnung zu erkennen gibt und sie damit zum Osterglauben führt.
Vergleich der Dialoge
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bei den anderen Dialogpartnern Jesu werden Maria Magdalena und Thomas durch die dialogische Begegnung mit Jesus als solcher zur christologischen Erkenntnis geführt; dazu genügt in beiden Fällen ein kurzer Anstoß. Bei Maria Magdalena geschieht die verbale Wissensvermittlung durch ein einziges Wort. Jesus, der unerkannt vor ihr steht und den sie in ihrer Verzweiflung für den Gärtner hält46, spricht sie in Joh 20,16 mit ihrem Namen Maria an und löst dadurch auf Anhieb die christologische Erkenntnis bei ihr aus. Von einem Moment auf den anderen weiß Maria Magdalena, dass es sich bei der Person vor ihr um den Auferstandenen handelt. Auch bei Thomas ist es ähnlich. Anstatt einer stufenweisen Wissensvermittlung gehtJesus inJoh 20,27 gleich zu Beginn des Dialogs direkt und ohne jeglichen Umweg auf die Forderungen des Thomas ein und führt ihn damit unmittelbar zum Osterglauben. Durch die Erscheinung Jesu und speziell durch die dialogische Begegnung mit ihm erkennt Thomas schlagartig, dass der Gekreuzigte auferstanden ist und mit seinen Wundmalen behaftet als der Auferstandene vor ihm steht. Wie diese Beobachtungen zum Verlauf der Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium beweisen, kann der Weg der Wissensvermittlung je nach Dialogpartner Jesu und Ausgangssituation des Dialogs ganz unterschiedlich sein. Die beiden letzten Beispiele haben gezeigt, dass Maria Magdalena und Thomas sehr schnell zur christologischen Erkenntnis kommen, dagegen dieser Weg für die Samaritanerin sehr viel länger ist. Während Jesus sich dem Nathanael indirekt durch sein wunderbares Wissen offenbart, bekommt Martha eine direkte Selbstoffenbarung Jesu mit einem Ich-bin-Wort. Im johanneischen Osterkapitel liegt der Sonderfall vor, dass Jesus nicht nur auf verbale, sondern auch auf nonverbale Art und Weise christologisches Wissen vermittelt, indem er Maria Magdalena und Thomas als der Auferstandene erscheint und sie durch die dialogische Begegnung mit ihm zum Osterglauben führt. Auch wenn der Weg der christologischen Wissensvermittlung je nach Dialogkonstellation variiert, so führt er doch immer zur Erkenntnis Jesu. Die Gemeinsamkeit bei allen diesen Dialogen liegt darin, dass Jesus die treibende Kraft in diesem Prozess der Wissensvermittlung ist und dass er jeweils durch seine Offenbarertätigkeit sein Gegenüber zum Glauben an ihn bringt.
46
Mit dieser Szene liegt ein Paradebeispiel johanneischer Ironie vor. Maria Magdalena suchtJesus und erkennt nicht, dass der Gesuchte vor ihr steht; stattdessen hält sie ihn für den Gärtner.
338
Theologischer Ertrag
7. Abschluss und Auswirkungen des Dialogs
Die christologische Erken~tnis, die ihnen von Jesus im Verlauf des Dialogs vermittelt wird, bringen die Dialogpartner Jesu zusammenfassend am oder gegen Ende des Dialogs in einem Bekenntnis zum Ausdruck und bezeugen damit ihren Glauben, zu dem sie gekommen ·sind. An dieses christologische Bekenntnis schließt sich in der Regel noch ein WortJesu an, der damit den Dialog endgültig beendet und an sein Ziel führt. Je nach dessen Stellung im Kontext kann es sogar sein, dass der Dialog Auswirkungen hat auf den weiteren Fortgang der Erzählung. Durch das wunderbare Wissen Jesu kommt Nathanael inJoh 1,47-51 zur christologischen Erkenntnis und spricht in Joh 1,49 folgendes Bekenntnis zu Jesus aus: 'Pa.PP(, ou EI 0 ULOC; .ou 9EOU, ou Pa.OLA.eUC; Er 'OU '1opa.~A.. Mit diesem christologischen Doppelbekenntnis, bestehend aus dem Sohn-Gottes-Titel und der Bezeichnung "König von Israel", bringt der Johannesevangelist unmissverständlich zum Ausdruck, dass Nathanael zum Glauben an Jesus gekommen ist und nunmehr in seine Nachfolge eintreten kann. Allerdings stellt dieses eindrucksvolle Bekenntnis nicht das Ende des Dialogs zwischen Jesus und Nathanael dar, sondern es folgt noch ein doppeltes VerheißungswortJesu, das die Bedeutung des zuvor von Nathanael ausgesprochenen Glaubensbekenntnisses relativiert und ins rechte Licht rückt. Aus der Verheißung Jesu an Nathanael inJoh 1,50 geht hervor, dass dieser erst am Anfang seines Glaubensweges steht und er noch größeres Wissen vermittelt bekommt. Worin dieses größere Wissen besteht, lässt sich aus dem zweiten VerheißungswortJesu herauslesen, das über Nathanael hinaus an die Leser bzw. Hörer des Johannesevangeliums gerichtet ist und in einem Bildwort auf die Offenbarung Gottes inJesus Christus verweist47 , wie sie das folgende Evangelium zum Ausdruck bringen und damit den Glauben seiner Adressaten, einschließlich des Nathanael, weiterführen und vertiefen will. Der Abschluss des Dialogs zwischenJesus und Nathanael inJoh 1,4951 ist von seinem kompositorischen Aufbau gesehen kein Einzelfall im Johannesevangelium, sondern wiederholt sich auf analoge Weise beim Dialog zwischen Jesus und Thomas inJoh 20,27-29. Auch hier folgt auf ein christologisches Doppelbekenntnis ein zweifaches Verheißungswort Jesu, mit dem er sich zunächst an seinen Dialogpartner und dann über ihn hinaus an einen weiteren Adressatenkreis wendet. Nachdem er 47
Vgl. auchJoh 1,18.
Vergleich der Dialoge
339
vom Auferstandenen selbst in der Begegnung mit ihm das nötige christologische Wissen vermittelt bekommen hat, um glauben zu können, spricht Thomas in Joh 20,28 mit '0 KUPLOC; !l0U KO:L 0 SEOC; !l0U ein sehr persönliches Bekenntnis zu Jesus aus und artikuliert damit seinen Osterglauben. Dieses christologische Doppelbekenntnis wird ihm vom Johannesevangelisten in den Mund gelegt. Der Kyriostitel ist in den johanneischen Ostererzählungen fest verankert48 und schließt diese. in Joh 20,28 ab, während Johannes mit der Bezeichnung 0 9EOC; !l0U für Jesus den Bezug zum Anfang seines Evangeliums49 herstellt und damit seinem Werk eine »theologische" Rahmung verleiht. Mit diesem wohlüberlegten christologischen Spitzenbekenntnis könnte der Dialog zwischen Jesus und Thomas sehr schön zu Ende sein; doch analog zu Joh 1 folgt auch hier inJoh 20 ein doppeltes WortJesu, das in diesem besonderen Fall nicht nur den Dialog zwischen Jesus und Thomas, sondern die gesamte narratio des Johannesevangeliums abschließt. 5o Zunächst sprichtJesus inJoh 20,29b Thomasallein an, wie er sich auch in Joh 1,50 erst ausschließlich an Nathanael wendet, und hält ihm seinen Weg über das Sehen zum Glauben vor Augen, bevor er sich sodann in Joh 20,29c analog zu Joh 1,51 an die Leser bzw. Hörer des Johannesevangeliums richtet und sie selig preist, die sie nicht sehen und doch glauben. Mit diesem aufmunternden und hoffnungsvollen Schlusswort schlägt der Johannesevangelist die Brücke in die nachapostolische Zeit und verheißt allen Lesern seines Evangeliums die Möglichkeit des Osterglaubens, indem er ihnen Thomas als positive Identifikationsfigur51 wie auch als negative Kontrastfigur52 vor Augen stellt. Wie Nathanael inJoh 1,49 und Thomas inJoh 20,28 so spricht auch Martha inJoh 11,27 ein doppeltes Bekenntnis zuJesus aus: Nut KUPLE, eyw lTElTl.a1:EUKU ön ou EI 0 XPLO'tOC; 0 uLOC; 'tou 9EOU 0 ELC; 'tov KOO!lOV epxO!lEVOC;. Es besteht aus den beiden christologischen Hoheitstiteln
"Messias" und "Sohn Gottes", die in dieser Kombination noch einmal im Epilog desJohannesevangeliums inJoh 20,31 begegnen und an bei48 49 50
51 52
Vgl.joh 20,2.13.18.20.25; (21,7.12). Vgl.joh 1,1.18. Aus diesem Grund wird auch verständlich, warum das johannesevangelium nicht mit dem eindrucksvollen Thomasbekenntnis zu Ende geht; das allerletzte Wort gebührt jesus als dem Protagonisten des Evangeliums..· Die Leser desjohannesevangeliums sollen mit Thomas zur Erkenntnis des Auferstandenen gelangen und mit ihm in sein Osterbekenntnis einstimmen. Im Unterschied zu Thomas haben die Leser gerade nicht mehr die Möglichkeit einer handfesten Erscheinung des Auferstandenen; doch gerade deswegen sind sie selig zu preisen, weil sie nicht sehen und doch glauben (können).
340
Theologischer Ertrag
den Stellen den Osterglauben zum Ausdruck bringen. 53 Im Zielsatz54 am Ende seines Evangeliums fonnuliert Johannes für seine Leser, zu welchem Glauben sie nac1;t der Lektüre des Evangeliums kommen sollen, nämlich, dass Jesus der Messias, der Sohn Gottes ist. Wenn Martha bereits in der Mitte des Evangeliums zu diesem Glauben gelangt, so nimmt sie exemplarisch das Zielbekenntnis des Johannesevangelisten vorweg und wird mit ihrem christologischen Spitzenbekenntnis dem Leser als positive Identifikationsfigur vor Augen geführt. 55 Dieser soll in das mustergültige Glaubensbekenntnis der Martha mit einstimmen und darin das "Evangelium im Evangelium" erkennen. Dem vollen und vollgültigen Bekenntnis der Martha hat Jesus nichts mehr hinzuzufügen, und so endet der Dialog zwischen Jesus und Martha nicht wie bei Nathanael und Thomas mit einem Wort Jesu, sondern mit dem zentralen Glaubensbekenntnis der Martha. Damit ist er der einzige von den wissensvennittelnden Dialogen Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium, der direkt mit einem verbalen Bekenntnis abschließt. Aufgrund dieser Besonderheit bekommt das Bekenntnis der Martha eine noch größere Bedeutung für den Dialog und darüber hinaus für das gesamte Johannesevangelium. Im Unterschied zum christologischen Spitzenbekenntnis der Martha in Joh 11,27 mit den beiden zentralen christologischen Hoheitstiteln des Johannesevangeliums fällt das Glaubensbekenntnis des Geheilten in Joh 9,38 sehr viel kürzer und schlichter aus. Es besteht gerade einmal aus den beiden Worten IILotEUW, KUPLE, mit denen der Geheilte seinen Glauben an Jesus als den Menschensohn auf ganz einfache Weise zum Ausdruck bringt. Mit diesem verbalen Bekenntnis ist der Dialog zwischen Jesus und dem Geheiltenjedoch noch nicht zu Ende. Die kurze Glaubenszusage des Mannes wird verstärkt durch ein nonverbales Bekenntnis. Nachdem der Geheilte seinen Glauben an Jesus als den Menschensohn ausgesprochen hat56 , wirft er sich vor ihm nieder und bekundet mit dieser sinnfälligen Geste, dass er ihn anbetet und verehrt. Mit diesem nonverbalen Bekenntnis am Ende zur Bekräftigung des unmittelbar zuvor geäußerten verbalen Glaubensbekenntnisses nimmt der Dialog zwischenJesus und dem Geheilten inJoh 9,35-
53
54 55 56
Vgl. den Kontext beider Stellen: In Joh 11,25 offenbart sich Jesus selbst als die Auferstehung und das Leben; der Epilog inJoh 20,3Of. schließt sich unmittelbar an das johanneische Osterkapite1 mit den Erscheinungen des Auferstandenen an. Vgl. die finale Konjunktion -(VII inJoh 20,31. Vgl.J. RINKE, Kerygma 94. Mit seinem Bekenntnis in Joh 9,38 antwortet der Geheilte auf die Frage Jesu in Joh 9,35.
Vergleich der Dialoge
341
38 eine Sonderstellung innerhalb der untersuchten Dialoge jesu mit Einzelpersonen im johannesevangelium ein. Die beiden verbleibenden Dialoge zwis~hen jesus und der Samarita:p.erin in joh 4 und zwischen jesus und Maria Magdalena in joh 20 heben sich dadurch von den anderen Dialogen ab, dass sich das christologische Bekenntnis jeweils außerhalb des Dialogs befindet und in dem einen Fall gar nicht vom unmittelbaren Dialogpartner jesu ausgesprochen wird. Der Dialog zwischen jesus und Maria Magdalena in joh 20,15-17 ist sehr wortkarg gestaltet. Die Erkennungsszene besteht gerade einmal aus zwei Worten. Nachdem der Auferstandene sie in joh 20,16 mit ihrem Namen anspricht, antwortet Maria Magdalena mit "Rabbuni". Aus dieser Reaktion geht hervor, dass Maria Magdalena den Auferstandenen erkannt hat und ihn gleichzeitig als ihren Meister bekennt. 57 Doch damit ist der Dialog zwischen den beiden noch nicht zu Ende, auch das eigentliche Bekenntnis christologischer Art58 steht noch bevor. Den Abschluss des Dialogs bildet injoh 20,17 ein Auftragswort des Auferstandenen an Maria Magdalena. Dieses hat unmittelbare Auswirkungen auf den weiteren Fortgang der Erzählung. Denn sogleich führt Maria Magdalena die Weisungjesu aus und verkündet den jüngern injoh 20,18 die Osterbotschaft mit den Worten: 'EWpttKtt tOV KUpLOV. Damit spricht sie das eigentliche christologische Bekenntnis aus und bezeugt jesus als den auferstandenen Herrn. 59 Das Besondere an diesem Bekenntnis besteht darin, dass es zwar streng genommen außerhalb des Dialogs zwischen jesus und Maria Magdalena liegt, aber doch so eng mit dem vorangehenden Dialog verbunden ist und deshalb auch, zumindest im weiteren Sinne, zu ihm gehört. Beim Dialog zwischen jesus und der Samaritanerin in joh 4,7-26 lassen sich sehr schön die verschiedenen Stationen der Wissensvermittlung aufzeigen. Injoh 4,19 kommt die s~aritanische Frau zu der Einsicht, dassjesus ein Prophet ist und injoh 4,25, in ihrer letzten Äußerung unmittelbar vor dem Ende des Dialogs, spricht sie ihr religiöses Wissen über das Kommen des Messias aus. Allerdings bezieht sie es nicht direkt auf jesus, sondern formuliert es allgemein ohne konkrete Zuweisung an eine bestimmte Person und Zeit, weil sie noch nicht zur vollen christologischen Erkenntnis gelangt ist. Anstelle eines persön57 58
59
In dem einen Wort fallen somit Erkenntnis und Bekenntnis zusammen. Bei "Rabbuni" handelt es sich für sich genommen nicht um einen christologischen Hoheitstitel, sondern um eine Anrede, die jedoch hier durch ihren Kontext Bekenntnischarakter verliehen bekommt. Mit dem Kyriostitel in Joh 20,18 liegt nunmehr eindeutig eine christologische Hoheitsbezeichnung vor.
342
Theologischer Ertrag
lichen Bekenntnisses zu Jesus im Stil eines au EL wie beispielsweise in Joh 1,49 oder Joh 11,27 kommt es deshalb in Joh 4;25 nur zu einer unpersönlichen und in die Zukunft gerichteten Glaubensaussage der Samaritanerin, die Jesus durch seine anschließende Selbstoffenbarung auf seine eigene Person bezieht und damit in die Gegenwart vor verlagert. Mit dem wissensvermittelnden Wort Jesu in Joh 4,26 kommt der Dialog zwischen Jesus und der Samaritanerin als solcher zu seinem Abschluss. Von einer direkten verbalen Reaktion der Frau auf die· Selbstoffenbarung Jesu wird nichts berichtet; somit gibt es kein christologisches Bekenntnis innerhalb des Dialogs. Stattdessen hat der Dialog unmittelbare Auswirkungen auf den weiteren Fortgang der Erzählung. Nach der Selbstoffenbarung Jesu geht die Samaritanerin zu ihren Landsleuten und spricht ihnen gegenüber inJoh 4,29 ein Schwellenbekenntnis zu Jesus aus. Sein wunderbares Wissen verleitet die Samaritanerin zu der vorsichtigen Vermutung60, dass es sich beiJesus um den Messias handeln könnte. Ungeachtet dieser unsicheren Erkenntnis kommen lautJoh 4,39 auf das Wort der Frau hin viele Samaritaner zum Glauben an Jesus. Noch mehr Menschen werden allerdings durch die direkte und unmittelbare Begegnung mit Jesus und seinem Wort zur christologischen Erkenntnis geführt und wissen nunmehr: oU'tOC; ea-rLv IXATJ9wC; (, aw'ti]p 'tOU KOaiJ.Ou. Auf dieses universale Bekenntnis in Joh 4,42, das bezeichnenderweise nicht von der Samaritanerin als der Dialogpartnerin Jesu allein ausgesprochen wird, sondern von all den Samaritanern, die zum Glauben an Jesus kommen 61 , läuft das gesamte Kapitel Joh 4 zielgerichtet hinaus und erreicht mit ihm seinen abschließenden Höhepunkt. Von daher erklärt es sich, dass der Dialog zwischen Jesus und der Samaritanerin kein christologisches Bekenntnis enthält. Eine Doppelung würde das universale Bekenntnis in Joh 4,42 nur abschwächen und in seiner Bedeutung relativieren; so steht es allein und exponiert am Ende der Erzählung. Zusammenfassend lassen sich folgende Beobachtungen hinsichtlich des Abschlusses und der Auswirkungen der Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium machen: Während der Dialog Jesu mit Martha inJoh 11,27 mit einem christologischen Spitzenbekenntnis endet, enthält der Dialog Jesu mit der Samaritanerin in Joh 4 überhaupt kein christologisches Bekenntnis; dieses wird erst ganz am Ende 60 61
Vgl. die Frageform des Schwellenbekenntnisses inJoh 4,29. Das inhaltlich universal ausgerichtete Bekenntnis inJoh 4,42 bekommt dadurch, dass es nicht von einer einzigen Person, sondern von mehreren Menschen geäußert wird, einen noch umfassenderen Charakter.
Vergleich der Dialoge
343
der Erzählung von den Samaritanern und nicht von der Samaritanerin als der DialogpartnerinJesu ausgesprochen. Auch inJoh 20 findet sich das eigentliche christologische Bekenntnis nicht innerhalb des Dialogs zwischen Jesus und Maria Magdalena, sondern im Anschluss daran als unmittelbare Auswirkung des Dialogs auf die fortlaufende Erzählung. In beiden Fällen gehört das Bekenntnis unabdingbar zum jeweiligen Dialog; dadurch kommt er erst zu seinem eigentlichen Abschluss. Am Ende des Dialogs zwischen Jesus und dem Geheilten in Joh 9,38 liegt der Sonderfall vor, dass das verbale Bekenntnis des Geheilten von ihm nonverbal bestätigt und bekräftigt wird. Die beiden Dialoge zwischen Jesus und Nathanael inJoh 1 und zwischenJesus und Thomas inJoh 20 lassen die Gemeinsamkeit erkennen, dass abschließend jeweils auf das christologische Doppelbekenntnis des Nathanael bzw. des Thomas ein zweifaches WortJesu folgt, das sich zunächst an den jeweiligen Dialogpartner und sodann an die Leser bzw. Hörer des Johannesevangeliums richtet. Aufgrund dieser Beobachtung lässt sich vermuten, dass der Johannesevangelist den ersten und den letzen Dialog Jesu mit einer Einzelperson in seinem Evangelium in analoger Weise aufgebaut und gestaltet hat. Neben diesen beiden Dialogen am Anfang und am Ende des Johannesevangeliums enthält nur noch der Dialog zwischen Jesus und Maria Magdalena in der Buchmitte ein christologisches Doppelbekenntnis. Auch diese Anordnung ist m. E. kein Produkt des Zufalls, sondern verdankt sich der bewussten Komposition des vierten Evangelisten. An den neuralgischen Punkten seiner Schrift, am Anfang, in der Mitte und am Ende, setzt Johannes deutliche christologische Akzente und baut in den Bekenntnissen jeweils zwei seiner wichtigsten Hoheitstitel für Jesus ein. Damit unterstreicht er die christologische Ausrichtung seines Evangeliums. Jesus ist für ihn der Christus, der Sohn Gottes.
III. DER DIALOG ALS WEG DER WISSENSVERMITTLUNG Wie sehr sich auch die untersuchten Dialoge im Einzelnen voneinander unterscheiden hinsichtlich der Stellung im johannesevangelium, der Länge, der Dialogpartner, der Ausgangsbedingungen, der Eröffnung, des Verlaufes, des Abschlusses und des Zieles, so lässt sich bei ihnen doch durchgehend ein einheitliches Schema der Wissensvermittlung erkennen und festmachen l : Bei allen Dialogen ist es jesus, der seinem Gegenüber, entsprechend der jeweiligen Ausgangssituation, nach und nach ein bestimmtes christologisches Wissen vermittelt und ihn bzw. sie damit sukzessive zum Glauben an ihn führt. Der letzte Schritt auf diesem Weg zur christologischen Erkenntnis erfolgt jeweils durch die Selbstoffenbarung jesu. Durch sie macht jesus seinem Gegenüber unmissverständlich klar, wer er ist und worin die Bedeutung seiner Person liegt. Damit bekommt der Dialogpartner absolute Sicherheit über jesu Identität und gelangt so zu einer verlässlichen Erkenntnis. Diese soeben erworbene Erkenntnis behält er nicht für sich, sondern spricht sie offen in einem christologischen Bekenntnis aus und bezeugt damit den Glauben, zu dem er vonjesus selbst geführt wurde. Erkenntnis und Bekenntnis lauten demnach die beiden Schlüsselbegriffe zur Charakterisierung der Dialoge 1
In dieser Arbeit wird bewusst auf die Bezeichnung "Mystagogie", wie sie beispielsweise von Meyer als Perspektive von Textauslegung veIWendet wird (vgl. A. MEYER, Mystagogie 2-19) bzw. "mystagogische Christologie" (vgl. K. SCHOLTISSEK, Christologie 412-426) verzichtet, weil sie für die johanneischen Dialoge m. E. nicht nur ungeeignet, sondern auch aus folgenden Gründen ziemlich problematisch ist: Der Begriff "Mystagogie" kommt im gesamten Neuen Testament und damit auch im Johannesevangelium nicht vor, sondern "wird von außen in die Exegese eingetragen. Sein ursprünglicher Sitz im Leben sind die hellenistisch-römischen Mysterienkulte, bei denen Mysten durch die Führung eines Mystagogen nach und nach in die Geheimnisse des Kultes eingeweiht werden und somit Anteil am göttlichen Leben erhalten. Nun istJesus Christus nicht irgendein Mystagoge (gegen A. MEYER, Mystagogie 347), der unter Wahrung der Arkandisziplin irgendwelche kultischen Geheimnisse lüftet, sondern lautJoh 1,18 der einzige Offenbarer Gottes, der seine Dialogpartner in der öffentlichen Begegnung mit ihm zur Erkenntnis seiner Person und zum christologischen Bekenntnis führt. Auch der christliche Kontext des Begriffs "Mystagogie", die frühkirchliche Sakramentenkatechese, v. a. bei der Taufe, lässt sich nicht auf das Johannesevangelium übertragen, geht es doch beim vierten Evangelium allgemein (es ist kein Missionsevangelium) und speziell bei den johanneischen Dialogen nicht darum, die Leser bzw. Hörer in den Glauben an Jesus Christus einzuführen (kein einziger der sechs Dialogpartner Jesu ist ein Heide!), sondern die bereits gläubigen Christen zu stärken, damit sie die Bedeutung der Person Jesu immer wieder neu erkennen und bekennen.
Der Dialog als Weg der Wissensvennittlung
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jesu mit Einzelpersonen im johannesevangelium, stellen sie doch die beiden wichtigsten Etappen auf dem Weg der Wissensvermittlung dar. Dieser Weg der Wissensvermittlung wird vom johannesevangelisten in Dialogform beschrieben. Nunmehr gilt es die entscheidende Frage zu beantworten, warum der vierte Evangelist hierfür gerade auf den Dialog und nicht auf andere Formen narrativer Gestaltung wie beispielsweise eine monologartige Rede zurückgreift. Föllinger legt in ihrem Aufsatz "Lehren im Gespräch: Der literarische Dialog als Medium antiker Wissensvermittlung" verschiedene Grunde dar, die ihrer Meinung nach die Wahl der Dialogform für Wissensvermittlung in der Antike veranlasst haben. 2 Als ersten und wichtigsten Grund führt sie an, dass der Dialog als Medium der Wissensvermittlung den Weg der Wissenserschließung reproduziert. 3 Im Gegensatz zum systematischen Lehrvortrag bekommt der Rezipient ein bestimmtes Wissen nicht einfach vorgesetzt, sondern er hat die Möglichkeit, den Weg der Wissensvermittlung selbst mitzugehen und so Stück für Stück als einer, der in den Denkprozess involviert ist, zur Erkenntnis zu gelangen; auf diese Weise kann er das erworbene Wissen eigenständig nachvollziehen und auch gegenüber Außenstehenden argumentativ vertreten. Diese Hauptthese Föllingers bildete den Ausgangspunkt meiner Untersuchung und wurde auf die wissensvermittelnden Dialoge jesu mit Einzelpersonen im johannesevangelium angewendet. Nach der exegetischen Analyse der einzelnen Dialoge lässt sich nunmehr zusammenfassend feststellen: Der johannesevangelist wählt bewusst die Form des Dialogs, weil er damit den Weg der christologischen Wissensvermittlung literarisch aufzeigen und darstellen kann. Die Erkenntnis, zu der Nathanael, die Samaritanerin, der Blindgeborene, Martha, Maria Magdalena und Thomas kommen, und das Bekenntnis, das sie jeweils aussprechen, werden von ihm nicht "theoretisch" in einem. Lehrvortrag jesu vorgestellt, sondern "praktisch" in einem Dialog entwickelt. Diese Darstellungsweise hat für den Leser bzw. Hörer des johannesevangeliums den unschätzbaren Vorteil, dass er ein bestimmtes Glaubenswissen nicht einfach dogmatisch aufoktroyiert bekommt und damit möglicherweise theologisch vor den Kopf gestoßen wird, sondern dass er den Weg dorthin selbst mitgehen und somit auch nachvollziehen kann. Laut Hösle liegt es im Wesen des Dialogs begründet, dass er von Lesern rezipiert werden will. 4 Durch die Rezeption des Textes wird der Leser in den Dialog hinein genommen und in das Dialoggeschehen Vgl. S. FÖU.INGER. Lehren 458-463. Ebd. 458-460. 4 Vgl. V. HÖSLE. Dialog 418.
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verwickelt. 5 Wie sieht eine solche Verwicklung in den behandelten Textbeispielen konkret aus? Durch Imperative wie beispielsweise inJoh 4,7 und Joh 20,27 oder durch Prohibitive wie in Joh 20,17 gelingt es dem Johannesevangelisten, seine Leser bzw. Hörer direkt anzusprechen. Der Leser bzw. Hörer bleibt damit kein unbeteiligter Zuschauer des Dialoggeschehens, sondern wird durch diesen einfachen Kunstgriff unmittelbar in den Dialog einbezogen und zum aktiven Handeln herausgefordert, bekommt er doch das Gefühl vermittelt, dass sich die Aufforderung im Text an seine Adresse richtet und er den Auftrag ausführen soll. Die Verheißungen, wie sie z. B. in Joh 1,50f., Joh 11,23 undJoh 20,29 vom johanneischen Jesus ausgesprochen werden, richten sich nicht nur an den jeweiligen Dialogpartner Jesu, sondern über diesen hinaus an den Rezipienten des Textes. Durch die Verwendung der zweiten Person Plural in Joh 1,51 wird der Leser bzw. Hörer sogar direkt angesprochen und avanciert damit textpragmatisch zum unmittelbaren Empfänger der Verheißung; das, was hier verheißen wird, soll sich bei ihm selbst erfüllen. Durch solche großen und positiven Verheißungen hat der vierte Evangelist den Rezipienten des Textes schnell für sich und den Text eingenommen und verwickelt ihn in den gesamten Dialog. Mit den Fragen, die Jesus beispielsweise in Joh 9,35 oder in Joh 11,26 an seine jeweiligen Dialogpartner stellt, wendet sich der Johannesevangelist über die reine Textebene hinaus, an die Leser bzw. Hörer seines Evangeliums. Diese werden insofern in den Dialogprozess involviert, als auch und gerade von ihnen eine Antwort auf die Fragen Jesu erwartet wird. Sie haben demnach gar nicht die Möglichkeit, sich dem Dialoggeschehen zu entziehen, sondern werden durch das dialogische Frage-Antwort-Schema fest in den Text eingebunden und sind zu einer klaren Stellungnahme herausgefordert. Neben diesen sprachlichen Möglichkeiten, den Leser in den Dialog zu verwickeln, bieten sich hierfür auch und geradezu die Personen des Textes selbst an. Der Rezipient der johanneischen Dialoge soll sich in ihnen wieder finden und in der Situation der Dialogpartner Jesu seine eigene existentielle Lebenslage erkennen, so dass die Dialogpartner Jesu für ihn zu Identifikationsfiguren werden. Mit dem Blindgeborenen inJoh 9,1-41, der aufgrund seines mutigen Zeugnisses für Jesus in Schwierigkeiten mit der jüdischen Autorität gerät, können sich die jahanneischen Christen wohl problemlos identifizieren, spiegelt sich doch in ihm ihr eigenes Schicksal wider. Trotz aller äußeren Schwie5
Vgl. den Titel der Untersuchung von D. F. GNIESMER: In den Prozeß verwickelt. Erzähltextanalytische und textpragmatische Erwägungen zur Erzählung vom Prozeß Jesu vor Pilatus (Joh 18,28-19,16a.b).
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rigkeiten - die Pharisäer verhören ihn und machen ihm den Prozess 6 lässt er sich von Jesus die Augen öffnen und kommt zum Glauben an ihn. Damit wird er für die Leser als Vorbild gezeichnet, dessen Beispiel zur Nachahmung einlädt. Zur Identifikationsfigur schlechthin wird Thomas in Joh 20,24-29 stilisiert. Mit den Bedingungen, die er in Joh 20,25 für seinen Glauben stellt, werden ihm vom Johannesevangelisten sympathische Züge verliehen, die die Rezipienten des Textes teilen und in denen sie sich wieder finden können. Wie die Bedingungen des Thomas von Jesus selbst in Joh 20,27 erfüllt werden, so werden durch die Identifikation mit dem Apostel die Glaubenszweifel der Leser ausgelöscht; diese bekommen vom Johannesevangelisten in Thomas eine positive Identifikationsfigur vor Augen geführt, deren Glaubensweg sie mitzugehen eingeladen sind. Lässt sich der Rezipient der johanneischen Dialoge auf dieses Angebot ein und lässt er sich vom vierten Evangelisten in den Dialog verwickeln, so wird er zusammen mit Thomas und den anderen Figuren auf der Textebene von Jesus zur Erkenntnis seiner Person geführt und kann dann mit ihnen einstimmen in ihr christologisches Bekenntnis. Der Glaubensweg der Personen auf der Textebene ist somit nichts anderes als ein Spiegel für die Leser bzw. Hörer des Johannesevangeliums, der ihnen ihren eigenen Glaubensweg vor Augen halten und sie durch die Vermittlung christologischen Wissens im Glauben bestärken und festigen soll. Die Adressaten des Johannesevangeliums müssen nicht erst zum christlichen Glauben bekehrt werden. Entgegen der vereinzelten Meinung einiger Forscher7 handelt es sich beim vierten Evangelium gerade nicht um eine missionarische Schrift. Dagegen sprechen laut Zumstein die johanneische Sprache in ihrer Symbolik und die das Evangelium prägende Ironie, die nur Gemeindemitglieder in ihrer Bedeutung erfassen können und die für Außenstehende vollkommen unverständlich bleibt,s Vielmehr hat der Johannesevangelist eine glaubende Gemeinde vor sich, deren Glaube allerdings aufgrund ihrer aktuellen geschichtlichen Situation geschwächt ist und erst wieder neu buchstabiert und belebt werden muss. Nach dem Ausschluss aus der jüdischen Synagoge9 und den damit verbundenen schmerzlichen Erfahrungen für die johanneische Gemeinde lo kommt es zu einer Glaubenskrise. Die johanGniesmer vergleicht Joh 9,1-41 mit der Prozesserzählung Jesus vor Pilatus in Joh 18,28-19,16a.b und weist auf viele Gemeinsamkeiten, aber auch auf Unterschiede beider Darstellungen hin, vgl. D. F. GNIESMER, Prozeß 382f. 7 So z. B. Bornhäuser, Okure, Robinson. S Vgl.J. ZUMSTEIN, Strategie 36. 9 Vgl.Joh 9,22; 12,42; 16,2. 10 Vgl. K. WENGST, Gemeinde 75-104. 6
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neischen Christen, von ihrem jüdischen Umfeld als "Ketzer"ll verachtet und dementsprechend in religiöser, aber auch in sozialer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht isoliert, müssen einerseits den Bruch mit der Synagoge verarbeiten und andererseits eine neue Identität entwickeln, um unter den neuen Voraussetzungen als eigenständige Gemeinde überleben und weiterexistieren zu können. Vor dem Hintergrund dieser schwierigen, für die Gemeinde existentiellen Situation verfasst Johannes sein Evangelium mit dem Ziel, "den Glauben der Glaubenden zu wecken"12. Auf den ersten Blick erscheint diese Formulierung von Zumstein paradox, doch in der Sache trifft sie wohl genau die Intention des vierten Evangelisten. Johannes geht es mit seiner Schrift darum, den von Abschwächung bis hin zu Verfall 13 bedrohten Glauben seiner Gemeinde zu retten, indem er ihn neu zu wecken versucht und damit die christliche Identität seiner Adressaten wieder stärkt. Den Glauben der Glaubenden wecken meint also in diesemjohanneischen Kontext nicht, einen neuen Glauben angesichts der neuen Gemeindesituation zu entfachen, sondern den bereits vorhandenen Glauben zu vertiefen und vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen die johanneischen Christen in ihrem Glauben zu festigen. Zumstein spricht in diesem Zusammenhang von der ,Johanneische[n] Strategie des Glaubens"14 und führt mehrere Beispiele an, die die Absicht des Johannesevangelisten aufzeigen, seine Leser von einem elementaren hin zu einem vertieften Glauben zu führen. Bereits der Prolog am Anfang des Evangeliums stellt für Zumstein ein "markantes Beispiel der joh Strategie des Glaubens"ls dar, gelangt doch der Leser vom ersten Abschnitt in Joh 1,5-13 zum zweiten Abschnitt in Joh 1,14-18 zu einem vertieften Glauben, insofern er durch den Numeruswechsel von der dritten zur ersten Person und durch die Identifikation des Logos mit der Person Jesu Christi in Jesus Christus den präexistenten und inkarnierten Logos erkennt und dadurch zur Fülle des Heiles kommt. Innerhalb der narratio des Johannesevangeliums macht Zumstein folgende drei Beispiele für die johanneische Strategie des Glaubens aus: 11
Ebd.lOl.
12 So J. Zumstein, Strategie 36 (im Original auch kursiv gedruckt). 13 Es ist wohl davon auszugehen, dass sich die Zahl der johanneischen Christen in dieser 14 15
bedrohlichen und bedrängenden Zeit verringert hat; allerdings gibt es hierfür keine Belege. So J. ZUMSTEIN, Strategie 37; vgl. auch den Titel seines Aufsatzes .Das johannesevangelium: Eine Strategie des Glaubens·. Ebd.
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Das ZeugnisJohannes des Täufers wird vom ersten Tag inJoh 1,1928 zum zweiten Tag in Joh 1,29-34 dahingehend gesteigert, dass der Leser vom synoptischen zum johanneischen Zeugnis vordringt und schließlich erfährt, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Ein weiteres Beispiel für die johanneische Stufenhermeneutik16 findet sich in den johanneischen Berufungsgeschichten in Joh 1,35-51. Die Jesus nachfolgenden Jünger bekennen ihn mit den klassischen christologischen Titeln (Messias inJoh 1,41; Sohn Gottes und König von Israel inJoh 1,49), die laut Zumstein nur eine erste Stufe auf ihrem Glaubensweg darstellen; mit der Verheißung von Größerem in Joh 1,50 und mit dem Offenbarungswort Jesu in Joh 1,51 werden die Jünger von ihrem elementaren hin zu einem vertieften Glauben geführt, der sie Jesus in seiner ständigen Verbindung zum Vater erkennen lässt. Als drittes Beispiel weist Zumstein auf die verschiedenen Stufen des Glaubens im Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus hin, der in Jesus zunächst einen von Gott gesandten Lehrer sieht17 und sodann vonJesus zur Erkenntnis der irdischen und der himmlischen Dinge und somit zu einem vertieften Glauben geführt wird. 18 In die Reihe dieser Beispiele lassen sich hervorragend die im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Dialoge Jesu mit Einzelpersonen im Johannesevangelium einordnen. Gemäß seiner Strategie des Glaubens führt der Johannesevangelist die Dialogpartner Jesu auf der Textebene und mit ihnen seine Leser von einem elementaren zu einem vertieften Glauben. Durch die Wissensvermittlung im Dialog schreiten sie stufenweise in der Erkenntnis Jesu voran und sprechen schließlich ein christologisches Bekenntnis als verbalen Beweis ihres nunmehr gefestigten Glaubens aus. Die Dialogform begünstigt es für den Rezipienten, den Weg dorthin mitzuverfolgen und mitzugehen, um selbst zu einer tieferen christologischen Erkenntnis zu gelangen und in das abschließende Bekenntnis einzustimmen. Dadurch, dass der Leser mit in den Dialog hinein genommen und in den Dialog verwickelt wird, bekommt er vom vierten Evangelisten kein fertiges Glaubenswissen vorgesetzt, das er nur anzunehmen und in einem reinen Lippenbekenntnis zu wiederholen bTäuchte; vielmehr ist er aktiv herausgefordert, den Weg
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Diesen Begriff entlehnt Zumstein von Theißen und verankert ihn in seinem Konzept von der johanneischen Strategie des Glaubens, wird doch der Leser des johannesevangeliums in verschiedenen Stufen von einem elementaren hin zu einem vertieften Glauben geführt. Vgl.joh 3,2. Vgl. zu den skizzierten Textbeispielenj. ZUMSTElN, Strategie 37-40.
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der Wissensvermittlung im Dialog zu reproduzieren und damit eigenständig zu einem vertieften Glauben zu kommen. Genau darum geht es dem Johannesevangelisten, seine Leser zu einem mündigen Glauben 19 zu führen. Vor dem Hintergrund der Umbruchsituation der johanneischen Gemeinde mit den daraus resultierenden bedrängenden und schmerzlichen Erfahrungen der Christen, bedarf es für den vierten Evangelisten eines solChen reifen und erwachsenen Glaubens, der den aktuellen Herausforderungen gewachsen ist und sie bewältigen kann. Die johanneischen Christen brauchen in ihrer bedrohten Lage einen starken Glauben, der ihnen nach innen ihre eigene Identität vermittelt und sie nach außen als Gemeinde eint. Auch für die heutigen Christen ist es unverzichtbar, dass sie in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels und der Anfeindung von außen immer wieder neu in ihrem Glauben gefestigt werden und auf dieser Basis ihr Leben verantwortet gestalten können. Mit dem Dialog als Weg der christologischen Wissensvermittlung gelingt es dem Johannesevangelisten, seine Leser damals wie heute zu einem mündigen Glauben zu führen und sie in ihrer christlichen Identität zu bestärken. 20 In der Erkenntnis der Person Jesu und im christologischen Bekenntnis sind ihnen zwei grundlegende Momente einer gereiften christlichen Existenz gegeben, die esjedoch, will der Glaube lebendig sein und bleiben, immer wieder neu zu entdecken und im Leben zu verwirklichen gilt.
19 20
Vgl. den Titel des Aufsatzes von K SCHOLTISSEK: "Mündiger Glaube. Zur Architektur und Pragmatikjohanneischer Begegnungsgeschichten:Joh 5 undJoh 9". Vgl. K SCHOLTISSEK, Glaube 103-105.
IV. THEOLOGISCHE KOMMUNIKATION UND KOMMUNIKATIVE THEOLOGIE "Was ist Kommunikation?" Zu Beginn dieser Untersuchung habe ich diese Frage gestellt und darauf hingewiesen, dass es aufgrund der Komplexität des Phänomens nicht möglich ist, eine umfassende Antwort darauf zu geben. Am Ende dieser exegetischen Studie will ich nunmehr eine fachspezifische Eingrenzung vornehmen und nach dem Verhältnis von Theologie und Kommunikation fragen. Haben beide Bereiche überhaupt etwas miteinander zu tun? Wenn ja, wie verhalten sich Theologie und Kommunikation zueinander? "Man kann nicht nicht kommunizieren." Diese eingangs zitierte metakommunikative Aussage von Watzlawick hat allgemeingültigen Charakter und gilt demzufolge als Axiom auch für die Theologie. In der Theologie kann man nicht nicht kommunizieren, oder positiv formuliert: In der Theologie muss man kommunizieren. Wenn Professoren eine Vorlesung oder einen Vortrag halten, dann leiten sie ihr theologisches Fachwissen in einem Akt der Kommunikation an andere weiter. Wenn der Priester predigt, dann kommuniziert er mit den Gläubigen über theologische Themen und Inhalte. Wenn sich Christen beim Bibelkreis über ihren Glauben unterhalten, dann betreiben sie eine theologische Kommunikation. Diese drei Beispiele sollen verdeutlichen, dass sich Theologie und Kommunikation nicht gegenseitig ausschließen, sondern dass sie sich vielmehr bedingen und in einer engen Wechselwirkung zueinander stehen. Dabei ist es jedoch keineswegs so, dass die Kommunikation als "Magd der Theologie" fungiert und lediglich dazu dient, die Inhalte der Theologie zu transportieren und medial weiterzuvermitteln. Gegen dieses Missverständnis von Kommunikation als Anwendung der Theologie wenden sich Scharer und Hilberath und weisen mit ihrem Ansatz der Kommunikativen Theologie darauf hin, dass die Theologie selbst ein kommunikatives Geschehen ist und von ihrem Wesen her auf Kommunikation ausgerichtet ist: "Theologie ist nicht ,etwas', das dann auch kommuniziert werden kann; Kommunikation ist vielmehr zentraler Inhalt der Theologie. Kommunikation ist also weder etwas, was als Anwendung zur Theologie hinzukommt, noch ein Ersatz für das, was ,eigentlich' Theologie sein soll. Theologie ist selbst ein
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kommunikatives Geschehen, und wenn sie dies nicht mehr ist, hört sie auf, Theologie zu sein. "1 In der Bezeichnung "Tpeo-Iogie" ist bereits der kommunikative Aspekt von Theologie grundgelegt; als "Rede von Gott" hat sie von sich aus kommunikativen Charakter und muss sich in Kommunikation vollziehen, will sie ihrem eigenen Wesen treu bleiben und authentische Theologie sein. Wenn Scharer und Hilberath ihren Ansatz als "Kommunikative Theologie" bezeichnen, so handelt es sich hierbei nicht um eine überflüssige Verdoppelung, sondern um eine bewusste Verdeutlichung. Mit dem Adjektiv "kommunikativ" betonen sie den kommunikativen Aspekt von Theologie und bringen damit dezidiert zum Ausdruck, dass es sich bei der Theologie um ein umfassendes I}ommunikationsgeschehen handelt, das in und aus lebendigen Kommunikationsprozessen besteht. 2 Diese Auffassung von Theologie als einem kommunikativen Prozess lässt sich in eindrücklicher Weise am Johannesevangelium aufzeigen. Im Vergleich zu den Synoptikern zeichnet sich der vierte Evangelist dadurch aus, dass er Theologie in kommunikativer Form betreibt und sein Evangelium als Kommunikationsprozess anlegt, das den Glauben zu reflektieren und zu vermitteln versucht. 3 Sein Werk kann zu Recht als "Evangelium kommunikativer Theologie" bezeichnet werden, geht es doch dem Johannesevangelisten darum, in eine theologische Kommunikation mit seiner Gemeinde einzutreten und auf diese Weise den johanneischen Christen seine Theologie kommunikativ zu entfalten. Das Paradebeispiel kommunikativer Theologie im Johannesevangelium stellen IIi. E. die Dialoge Jesu mit Einzelpersonen dar. An ihnen zeigt sich besonders deutlich, dass Theologie für den Johannesevangelisten kein theoretisches und einseitiges Unterfangen am Schreibtisch in der Studierstube, sondern einen lebendigen und wechselseitigen Prozess in der kommunikativen Begegnung zwischen Jesus und den Menschen darstellt. In diesen Dialogen führt der johanneische Jesus eine theologische Kommunikation mit seinem jeweiligen Gegenüber und vermittelt dabei ein bestimmtes christologisches Wissen, bis der Dialogpartner zur Erkenntnis Jesu kommt und diese Erkenntnis in einem Bekenntnis offen ausspricht. Theologie etweist sich hier im wahrsten Sinn des Wortes als ein kommunikatives Geschehen. Allein schon durch die Gattung "Dialog" kommt zum Ausdruck, dass Theologie bei den Dialogen Jesu mit Einzelpersonen im Johannes1
2 3
So M. SCHARER/B.J. HILBERATH, Theologie 17. Vgl. ebd. 15-17. Vgl.Joh 20,31.
Theologische Kommunikation und Kommunikative Theologie
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evangelium in und aus Kommunikation geschieht. Der Johannesevangelist schreibt nicht etwa über die Dialoge Jesu mit diversen Einzelpersonen, beispielsweise in Form eines narrativen Berichts in indirekter Rede, sondern er verfasst als bewusstes Gestaltungsmerkmal seiner Theologie Dialoge mit Rede und Gegenrede in wörtlicher Rede und schafft damit eine lebendige Kommunikation, die sich auf verschiedenen Ebenen abspielt. Auf der Textebene lässt der vierte Evangelist seinen Jesus in eine theologische Kommunikation mit seinem jeweiligen Dialogpartner eintreten. Nathanael, die Samaritanerin, der Blindgeborene, Martha, Maria Magdalena und Thomas bekommen nicht einfach ein bestimmtes christologisches Wissen durch einen dogmatischen Lehrakt vorgesetzt, sondern dieses wird ihnen von Jesus selbst in einem dialogischen Prozess vermittelt. Der johanneische Jesus geht auf die Fragen4, Missverständnisses, Bedingungen6 und sonstigen Äußerungen seiner Dialogpartner ein; er betreibt mit dieser theologischen Kommunikation kommunikative Theologie und führt sein jeweiliges Gegenüber schließlich zum Glauben an seine eigene Person. Über die Textebene hinaus kommuniziert der Johannesevangelist mit seinen Lesern, mit den damaligen vor knapp 2000 Jahren sowie mit den heutigen in der Gegenwart. Mit dem Dialog als literarischem Kunstgriff gelingt es dem vierten Evangelisten, seine Leser in den Kommunikationsprozess auf der Textebene einzubinden und sie mitzunehmen auf den Weg der Wissensvermittlung, der sie zusammen mit den Figuren auf der Textebene in einem Akt kommunikativer Theologie zur Erkenntnis der Person Jesu und zum christologischen Bekenntnis führt. Durch die Rezeption des Textes werden die Leser selbst zu Dialogpartnern Jesu und bekommen von ihm direkt Schritt für Schritt den christlichen Glauben kommuniziert. Dieser erweist sich somit nicht als ein fertiges Produkt; er entsteht vielmehr in einem wechselseitigen Prozess von Theologie und Kommunikation und zeichnet sich dadurch als lebendig aus, dass er nie abgeschlossen ist und sich ständig zu erneuern hat. Wenn durch die Reproduktion und Verinnerlichung der christologischen Wissensvermittlung in den johanneischen Dialogen bei den Rezipienten ein mündiger und verantworteter Glaube erwächst, dann kann er die Menschen damals wie heute in ihrer jeweils existentiellen Lebenssituation bestärken und ermutigen. Aus der theologischen Kommunikation wird somit eine kommunikative 4 S 6
Vgl.Joh 1,48. Vgl.Joh 4,11-15. Vgl.Joh 20,27.
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Theologischer Ertrag
Theologie, deren Ziel darin besteht, den Glauben theologisch zu reflektieren und ihn kommunikativ zu vermitteln.
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Register
I. BIBELSTELLENREGISTER (in Auswahl)
1. Altes Testament
Genesis
Psalmen
2,7 285,286 27,35f. 50 28,12 61,62
32,2 50,52
Exodus
Weisheit 15,11 285
3,14 193
Jesaja
Deuteronomium
43,IOf. 118, 193 44,6 56
18,15 106, 107 18,18 106, 107, 116 1 Könige 17,21 285
2 Könige 17,24ff. 104
1 Makkabäer 9,7 191
Ezechiel 37,9 285
Daniel 12,2 191
Zefanja 3,15 56
378
Register
2. Neues Testament
Matthäus 2;2 109
16,17f. 37 16,19 286,287 18,18 287 26,64 60,61 28,9 109,242,249,267 28,10 243,249,266
1,29 31,130 1,33 286 1,34 54,209 1,35 30, 31, 33, 34, 64 1,37 34 1,38 34,35,254,263 1,39 35 1,40 36 1,41 37, 41, 44, 47,55, 116, 207,208
Markus
2,14 5,24 8,31 16,2 16,4 16,7
44 182 157 239,246 239 266
Lukas
209,338,339,342
7,39 107
10,39 16,20 17,11 24,12 24,24 24,36 24,40
1,42 37, 49, 261 1,43 33,38,40,41,44,47 1,44 38 1,45 39, 46, 55, 64, 209, 327 1,46 39, 46, 65, 327 1,47 46, 49, 50-52, 66, 332, 334 1,48 47-49,51,53,54,58, 334 1,49 47, 48, 52, 53, 55, 56, 66,
185 184 82 239, 240, 244 239, 240, 244 294 295
24,52 109
Johannes 1,1 310 1,17 207 1,18 310
1,19 31 1,20 117 1,26 255
1,50 56-58, 67,338,339,349 1,51 32, 40, 43, 45, 47, 48, 50,. 57-64, 67, 68, 339, 346, 349 2,1 32, 38, 45 2,4 110
2,9 96 3,11 21 3,13 268 3,14 157 3,17 130,131 3,22 80,81 4,1 80,81 4,4 81,82 4,5 82 4,6 96, 97, 326 4,7 83,88-90, 122,214,325, 326, 332, 346 4,8 88
379
Bibelstellenregister
4,9 4,10 4,11 4,12 4,13
88, 90-92, 135 86,93-95,132 95,96, 132 97,135 97
4,14 97-100 4,15 100 4,16 89, 102, 103 4,17 103 4,18 104 4,19 86, 105, 106, 117, 135,
214, 335, 341 4,20 108, 109 4,21 110,111,113 4,22 89, 111-113 4,23 113, 114, 116 4,24 114, 116 4,25 86,115-117, 133, 135, 207,335,341,342
4,26 87, 117-121, 123, 133, 134, 162, 163,335,342 4,27 120 4,29 120, 121, 208, 335, 342
4,31 122 4,34 122, 4,35 123 4,37 123 4,38 123, 4,39 107, 4,40 125 4,41 125 4,42 126, 342
123
285 124, 342
128-131, 135, 335,
6,20 6,35 6,38 6,51 6,62
193 194, 196, 197, 200 268 98 268
6,69 205
7,39 286 8,12 138, 150, 194, 196, 197 8,24 193 8,28 193 8,58 193 8,59 138 9,1 137, 141,325,326 9,3 150 9,4 139, 150 9,5 150 9,6 141,143 9,7 141, 145, 150 9,11 167 9,14 145 9,17 168,329 9,18 145 9,22 143,144,171 9,24 145, 149 9,28 149 9,33 168 9,34 149 9,35 151-154, 159, 160, 165, 168,326,332,335,346 9,36 153, 160, 161,335 9,37 162, 163, 166,335 9,38 163-166, 169,340,343 9,39 164, 165
4,48 290, 291
10,1
5,14 152 5,15 272 5,24ff. 113, 198 5,28 113 6,5 38 6,8 36,288
10,7 194, 196 10,9 194 10,11 194, 196, 197 10,14 194
140
10,19 140 10,21 140
6,14 106 6,15 109
11,1 183, 184-186 11,2 179, 180
380 11,3 327 11,6 179, 182, 289 11,7 179 11,9f. 139 11,16 296 11,18 186 11,20 330,333 11,21 186-188, 214,333 11,22 186, 188, 189, 215 11,23 186,189, 190,215,336 11,24 187,190-192, 198,215 11,25 180,191,192,194,196202, 206, 207, 215, 217, 219 11,26 98,200-202,204,206, 217,219 11,27 54, 188, 203-206,208214, 216, 219, 308, 311, 339, 340,342 11,32 185, 188 11,33 188 11,38 179 11,39 181, 182 11,44 184 12,21 38 12,22 36 12,42 143, 171 13,17 312 13,19 193 13,23 288 14,5 289, 296 14,6 115, 194, 196, 197 l4,8f. 38,49 14,16 286 14,26 286 14,30 26 14,31 26 15,1 194, 196, 197 15,5 194, 196 15,26 286 16,2 143, 171 16,7 286 16,20 231
Register
17,18 285 18,1 26 18,5 193 18,6 193 18,8 193 19,25 226 19,26 110 19,34 295 19,40 224 19,41 224, 257 19,42 223, 224 20,1 223,225,227,234,236, 238,239,244-246,251,281 20,2 224, 232, 236, 237, 258, 275 20,3 229, 237 20,4 229, 237 20,5 234 20,7 .234 20,8 230,235,237,273,298 20,9 237 20,10 240 20,11 225, 230, 231, 233, 236, 237, 240, 250 20,12 231, 234, 237 20,13 110, 224, 231, 232, 238, 241, 249, 250, 251, 253, 258, 264, 275, 330, 332 20,14 233, 234, 238, 241, 243, 250,251,253,262,267 20,15 34, 110,224,249,252259, 262, 272, 276, 332, 333 20,16 225,238,241,250-252, 259-265,272,341 20,17 238,242, 243, 252, 265271,274,277,341,346 20,18 225,233,235,238,241, 243, 252, 258, 265, 271, 272, 274, 284, 295, 309, 341 20,19 225,281-283,288,292, 294,295 20,20 282, 284, 295
381
Bibelstellenregister
284 285, 286 286, 287
20,21 20,22 20,23 20,24
288-290, 296, 297, 299, 314,330,336 20,25 272, 282, 291, 297, 300306, 315, 327, 331, 333, 336,
347 20,26 281, 282, 291, 292, 297-
9,1 272 14,25 109 15,5 293 2 Korinther
9,15 94
Epheser
300
20,27 282, 292, 298, 300-306, 315,316,333,337,346,347 20,28 289, 297, 300, 301, 305311,316,339 20,29 298-303,306,310-317, 339 20,30f. 26, 54,207, 210-213, 339,340
Apostelgeschichte 2,38 8,20 10,25 20,7
1 Korinther
94 94
3,7 94 4,7 94
Philipper 3,20 127 1 Johannes
1,5 4,8 4,14 4,16
114 114 127 114, 202
109
292
Römer 5,15 94
Offenbarung
1,10 292
382
Register
11. STICHWORTREGISTER (in Auswahl)
Abschiedsrede(n) 26,322 Anagnorisis 259,260 Anbetung/Proskynese 80, 89, 109-111, 113, 114, 117, 142, 165, 166, 169,340 Angelophanie 60,232,241, 242,244,250,253
Apokalyptik 157 Auferstandener 225,231,234, 238, 242, 243, 246, 249, 251, 253, 259, 265, 272,281-316, 327, 330, 333, 337 Auferstehung/Auferweckung 157, 176, 177, 180, 182, 187, 190, 192, 197-201,203, 204, 207,210-212, 215, 217, 219, 224,230,231,241,269,270, 273, 277, 278, 280, 286, 289, 293-294, 303, 304 Aufstieg 243, 250, 266-269,
271,277 Bekenntnis 23, 28, 39, 47, 5254, 60, 65, 66, 103, 108, 110, 121, 124, 126, 129, 132-134, 148, 149, 163, 164, 166, 167, 169, 170, 172, 173, 187,204206, 209, 211-214, 216, 218220, 264, 274, 289, 293, 301, 307-311,316,324,338,340-
344, 349-353 Berufung 30-33, 36, 37, 42, 44, 64, 65, 261, 333, 349 Bethanien 183-185 Christologie 28, 62, 118, 122, 128, 131, 150, 158, 194, 195, 198, 200, 210, 212, 213, 216; 219, 220, 268, 310
Christophanie 118,232,241243, 246, 249-251, 253, 271 Dialog 9-16, 19-24, 27-30,39, 46-50, 53, 66, 85-91, 108110, 119-122, 124, 134, 135, 137, 141, 148, 149, 151-153, 160, 162-165, 173, 180, 181, 183, 185,205, 212, 214, 218, 219,223,233,244,251-262, 275-278,280,293,300-302, 306, 307, 315, 317-35,3
Diasporajudentum 194 Einzelperson 245,297,319342, 345, 349, 352 Engel 59-64, 67, 231-234, 237, 238,240,242,249,253,254,
266,272 Epilog 20, 26, 207, 208, 211213, 219, 338 Erhöhung 63, 111, 157-159, 162, 269, 304 Erkenntnis 23,28,39,65, 66, 86, 87, 93, 99, 100, 103, 105, 107, 108, 115, 116, 119, 120, 126, 129, 132-134, 143, 154, 167, 169, 170, 172, 173, 216, 246, 250, 253, 259-262, 276, 278,324,335-338,341-345, 349-353 Erscheinung 225, 230, 234, 238, 242, 245, 247, 249, 251, 266, 270, 281-283, 288, 290, 294, 296, 299, 327, 330, 337 Eschatologie 26, 101, 131, 157,191, 192, 198, 199,207, 210, 215, 271 Feigenbaum 51,52
Stichwortregister
Frieden 282-284, 292, 299, 300 Fußwaschung 26, 322 Galiläa 81 Garten 224 Geist/Paraklet 18, 80, 114, 115, 117,272,282,284-288 Gericht 130, 138, 150, 159, 160, 164, 170 Gespräch 8,9,83,84,326-328 Glaube 21-23,30,57, 65-6, 79, 103, 110, 119, 121, 124-126, 132, 133, 139, 142, 143, 148150, 152, 153, 160-162, 164168, 170, 172, 173, 187, 189191,201-206,209-220,230, 234-237, 248, 258, 270-273, 277, 280, 288-293, 297-317, 324-353 Glaubensweg 66 Glaubenszeugnis 53,56,121, 125 Gnosis 157 Grab 186, 223-240, 244-248, 257, 262, 275, 281 Heil 112, 199, 219 Heilung 141, 142, 147, 148, 167 Herr 105, 132, 161, 165, 187, 203, 204, 214, 232, 250, 258, 260,262,264,272,273,290, 301, 308, 309, 312, 315, 317, 339,341 Herrenmahl 292 Herrentag 292 Himmel 60-63, 67 Ich-bin-Wort 192-200,206 Identifikationsfigur 65, 119, 171-173,230, 246, 248,315, 325,340,346,347 Immanenz 123 Ironie 250, 255, 257, 259, 275
383
Jakobsbrunnen 79, 81-84, 9698, 105, 109, 120, 123 Jerusalem 81, 92, 109, 113 Johannesevangelium 18,19, 23, 25, 27, 30, 31, 34, 36, 39, 49, 53, 54, 58-62, 64, 67, 68, 74, 76-78, 85, 97, 99, 109, 112, 116, 127, 129, 130, 137, 143, 149, 152, 154, 157, 165, 171,172, 176, 184, 191, 196, 197,208,213,216-220,226, 227, 245, 246, 254, 260, 266, 272, 282, 286, 289, 290, 296, 298, 301, 305, 306, 309, 311352 Judäa 81 Juden 21, 85, 91, 108, 112, 113, 132, 138, 144, 145, 147, 149, 176, 177, 292, 295, 329, 331 Jünger 30-33, 35, 44, 58, 80, 90, 120, 122, 124, 145, 225, 227-230, 233, 237, 239, 240, 243,244,247,254,257,261, 270-274, 277, 281-290, 293, 294, 300-304, 312-314, 317, 323, 329-333, 349 Kaiser 128, 129, 131, 309 König von Israel 39, 53, 55, 56, 66, 209, 338 Kommunikation 1-8,17,43, 79,84,262,351-353 Kosmos 130, 131, 199,268, 285 Kreuz 26, 83, 223, 224, 269, 287, 294, 304 Lamm Gottes 32, 34, 287 Leben 176, 187, 197-201,203, 207,210-212,215,217,219 - ewiges ... 99-101 Leser 87, 90, 91, 93, 110, 119, 132, 133, 167-169, 171-173,
384
226, 230, 234, 237, 246, 250259, 263, 270, 278, 289, 296, 310, 311, ~13-317, 325, 334, 339, 340, 343-353 Licht 138, 139, 159, 160, 185, 189,211-213, 216, 219, 220 Lieblingsjünger 18 Makarismus 312,313,317 Menschensohn 59,62-64, 67, 68,139,142, 154-168,332, 335,340 Messias 86, 106, 107, 115-121, 134, 187,204,207-210,213, 214,216,339-343 Mission 77, 78, 123, 124, 347 Missverständnis 87, 95, 96, 100, 101, 119, 122, 132,257, 334 Monolog 10,22, 122 Mystagogie 343 Nachfolge 35, 38, 50, 54, 64, 65,329,333 Offenbarung 20,58-60,87, 95, 99, 100, 102, 103, 105, 110, 115, 117-120, 124, 126, 129, 131-135,143, 161; 163, 166,167, 169, 173, 180, 187, 192, 193, 198, 203, 205, 206, 210,215,217-219,312,323, 335, 336, 338, 342, 344, 349 Ostern 219,233,234,247, 249, 261, 266, 269, 273, 276, 280-306, 323, 327 Passion 20, 55, 61, 177, 208, 219, 223, 224, 322 Pharisäer 81, 138-151, 154, 164, 168-172,329 Prolog 20, 31, 207, 310, 348 Prophet 86, 106, 107, 11 0, 116,117, 133, 135,329,335 Rabbi 263-265, 338
Register
Retter der Welt 107, 120, 124, 126-131, 134, 135, 342 Sabbat 139, 142, 145, 146, 148, 169 Samaria 79, 81, 82 Schöpfung 286 Sehen 248, 273, 290-293, 297303, 312-317, 339 Sendung 112, 118, 122, 130, 150, 195, 199, 268, 284, 285, 287, 288 Sohn Gottes 39, 53, 54, 56, 63, 66, 154, 155, 187, 204, 208210, 213, 214, 216, 338-340, 343,349 Soteriologie 101, 131, 194, 195, 198,207, 210, 215, 219, 271 Stunde 83, 111, 113, 115 Sündenvergebung 282, 284, 286-288 Sychar 79, 81, 82 Synagoge 144, 149, 171 Synoptiker 18, 20, 22, 38, 41, 46,53,59,60,63,107,148, 154,157,227,241,245,248, 249, 266, 269, 292, 312 Theologie 351-353 Theophanie 118 Tod 26, 176, 177, 188, 200, 210, 224, 231, 287 Unglaube 139,143, 150, 169, 170, 172, 177, 258, 298, 305, 316,332 Verheißung 37, 43, 57, 58, 61, 67, 68, 106, 187, 192, 196 Verherrlichung 63, 111, 158, 159, -177,304 Vertrauen 186, 188, 189, 215 VeIWechslung 249, 257, 259, 262,276
385
Stichwortregister
Wahrheit 80, 114, 115, 117, 197 Wasser 79, 87-89, 93, 94, 9699,101, 102, 119, 133, 214 Weinen 188,231,241,250, 253,275 WiSsen 30, 49,51,54,55, 66, 67,103, 105, 107, 116, 117, 170, 190, 192, 209, 215, 223,
246,250,275-278,314,316-
324,328-347,352,353 Wissensvermittlung 15-17, 2325, 28, 65, 131, 132, 135, 163, 167, 170, 173, 203, 214216,274,277,297,315,316, 321, 323-329, 331, 335-337, 341,344,349,350,353
Zeichen 176