Eva Margarete Walter Zahlungsverhalten am stationären Point of Sale
GABLER RESEARCH
Eva Margarete Walter
Zahlungsv...
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Eva Margarete Walter Zahlungsverhalten am stationären Point of Sale
GABLER RESEARCH
Eva Margarete Walter
Zahlungsverhalten am stationären Point of Sale Empirische Befunde und Erklärungsmodelle Mit Geleitworten von Hon.-Prof. Dr. Ewald Judt und o.Univ.-Prof. Dr. Peter Schnedlitz
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation WU Wirtschaftsuniversität Wien, 2009
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2247-2
Geleitwort von Hon.Prof. Dr. Ewald Judt Der Zahlungsverkehr am stationären Point of Sale hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Wurde bis in die neunzehnhundertsechziger Jahre von privaten Konsumenten nahezu ausschließlich bar bezahlt, haben danach für rd. 20 Jahre eurocheque-Zahlungen mit Vorlage der eurocheque-Karte die Zeit der bargeldlosen Zahlung eingeleitet. Scheckzahlungen am Point of Sale dauerten jedoch nur rd. 20 Jahre an, da in Österreich Ende 2001 mit der Einführung des € das Phase-out des eurocheques und der eurocheque-Karte abgeschlossen war. Ersetzt wurde die bargeldlose Zahlung mit Scheck durch das bargeldlose Zahlen mit Karte und Code. Träger dieser Zahlungsform war und ist die bis dato in Österreich die Maestro Bankomatkarte. Diese Debitkarte, die von allen österreichischen Banken ausgegeben wird, und das Zahlen mir ihr führten zu einem Durchbruch des bargeldlosen Zahlens. Parallel mit den bargeldlosen Zahlungen vorerst mit eurocheque- und eurocheque-Karte sowie danach mit Maestro Bankomatkarte und Code hat sich das Zahlen mit Kreditkarten in Österreich über einen Nischenmarkt hinaus entwickelt. Obwohl Zahlungskarten und Kartenzahlungen am Point of Sale mittlerweile jahrzehntelang am Markt etabliert sind, hat sich die Wissenschaft der fundierten Aufbereitung dieser Thematik bisher ansatzweise gewidmet. Mit ihrer Studie „Zahlungsverhalten am stationären Point of Sale“, die auch als ihre Dissertation an der WU Wien approbiert wurde, versucht die Autorin Licht ins Dunkel bei der von ihr erkannten Forschungslücke zu bringen. Nach den theoretischen Grundlagen in den Kapiteln A (Einleitung – Problemstellung – Zielsetzung – Wissenschaftstheoretische Einordnung), B (Konsumentenverhalten im Kaufprozess – Zahlungsmittel – Zahlungsverhalten der Konsumenten) und C (Theory of planned Behaviour – Technology Acceptance Model – Transaktionskostentheorie) folgen im Hauptteil der Arbeit, Kapitel D, zwei Vorstudien und eine empirische Konsumentenbefragung. Kapitel E beinhaltet eine Zusammenfassung der Ergebnisse, die Implikationen für Wissenschaft und Praxis sowie die Limitationen der Arbeit. Klar formuliert die Verfasserin der Studie aufgrund der von ihr erkannten Forschungslücken ihre Forschungsfragen: 1 A.) Welche Zahlungsmittel werden am stationären PoS verwendet? 1 B.) In welchem Ausmaß werden diese Zahlungsmittel von KonsumentInnen am stationären PoS verwendet? 2 A.) Welche sind die wichtigsten Einflussfaktoren auf das Zahlungsverhalten am stationären PoS? 2 B.) Welche Theorien bzw. theoretischen Modelle eignen sich zur Erklärung des Zahlungsverhaltens am stationären PoS?
VI
Geleitwort von Hon.Prof. Dr. Ewald Judt
Zu den Forschungsfragen 1 A.) und 1 B.) gibt es bereits eine Reihe von Studien, die sich mit dem Ausmaß der bargeldlosen Zahlung am PoS (Anzahl Transaktionen, Höhe Umsatz) beschäftigen, jedoch das Verhältnis zur Barzahlung außer Acht lassen, oder sich mit den Zahlungsmitteln aus dem Blickpunkt der KonsumentInnen befassen (Haushaltsstudien). Es gibt jedoch bislang keine Studie, welche branchenorientiert alle Formen der Zahlung am stationären PoS untersucht. Die Forschungsfragen 2 A.) und 2 B.) werden in der Hauptstudie von der Verfasserin behandelt (S. 102ff.). Für die Beantwortung der Frage zu den Einflussfaktoren bei Zahlungsverhalten am stationären PoS wurde von ihr ein standardisierter Fragebogen erstellt und anhand dieses eine persönliche Konsumentenbefragung mit einer Stichprobe von 900 Personen, die mit Bargeld (300), Debitkarte (300) oder Kreditkarte (300) ihren soeben getätigten Einkauf bezahlt hatten. Die Frage nach der Eignung von Theorien wird im Zuge der Entwicklung eines Modells zur Erklärung des Zahlungsverhaltens gestellt. Alle ihre Forschungsfragen konnte Frau Dr. Walter theoretisch fundiert beantworten. • In zwei Vorstudien zu ihrer Hauptstudie (eine zum Einzelhandel und eine zu den unterschiedlichen Dienstleistungen) kann sie die Forschungsfragen 1 A.) und 1 B.) beantworten, indem sie die (unterschiedliche) Akzeptanz und Nutzung aller Zahlungsmittel im Einzelhandel und bei der Dienstleistung) ermittelt hat. • In ihrer umfassenden Hauptstudie ermittelt sie die wichtigsten Einflussfaktoren für das Zahlungsverhalten am stationären PoS unter Nutzung innovativer Auswertungsmethodik. Was die Theorien/theoretischen Modelle zur Erklärung des Zahlungsverhaltens am stationären PoS betrifft (Forschungsfrage 2 B.), so hat sie diese sowohl in ihrer theoretischen Analyse als auch in ihrer empirischen Studie in der Theory of planned Behavior, dem Technology Acceptance Model und der Transaktionskostentheorie als hiefür geeignet erkannt. Die Studie von Frau Dr. Walter liefert für das Zahlungsverhalten am stationären Point of Sale eine wissenschaftliche – theoretische und empirische – Fundierung und ist für alle, die am 4-Parteien-System des Kartenzahlens interessiert sind (kartenausgebende Bank:Issuer; Karteninhaber; Kartenakzeptant; akzeptantenabrechnende Bank:Acquirer) wertvoller Lesestoff. Dr. Ewald Judt Hon.-Prof. der WU Wien Geschäftsführer PayLife Bank
Geleitwort von o.Univ.-Prof. Dr. Peter Schnedlitz Die von Frau Eva Margarete Walter vorgelegte Dissertation untersucht die Forschungsfrage, welche Theorie(n) bzw. theoretischen Modelle sich zur Erklärung des Zahlungsverhaltens im stationären PoS eignen. Dabei wird als methodischer Approach das empirische Forschungsparadigma in Form eines „Mixed Methods“-Zugangs gewählt. Zu den überraschenden Erkenntnissen des vorliegenden Forschungsprojektes zählt die Tatsache, dass zum Zahlungsverhalten am PoS, ein auf den ersten Blick so bedeutendes Forschungsfeld, wenig theoretische Grundlagen und hochwertige Publikationen existieren. Die Autorin ist somit gezwungen, mit dem heuristischen Prinzip der Analogie zu arbeiten, indem sie die „Theory of planned Behavior“, ein Ansatz der in der psychologischen Einstellungsforschung entwickelt worden ist, als theoretisches Gerüst heranzieht. Dazu kommt noch eine kritische Reflexion des ökonomischen Transaktionskostenansatzes. Der empirische Teil besteht aus zwei unterschiedlichen Schwerpunkten. Einerseits wird am Beispiel von zwei Branchen, konkret dem Handel und der Dienstleistungsbranche, eine Bestandsaufnahme zur Ist-Situation im Zahlungsverhalten durchgeführt. Das zweite empirische Projekt bezieht sich dann auf konkrete Erhebungen am PoS bei konkreten KundInnen. Ein Stichprobenumfang von 900 belegt die hohe Ambition, mit der an die Dissertation herangegangen worden ist. Somit umfasst der empirische Apparat der vorgelegten Arbeit sowohl sekundärstatische als auch primärstatistische Datensätze. Die Autorin zieht dabei alle Register der modernen, manchmal vielleicht auch modischen, Auswertungsmethodik, indem sie den „Partial Least Squares“(PLS)-Schätzalgorithmus als Sonderform der Regressionsanalyse zur Ermittlung von Kausalmodellen bzw. Pfadmodellen einsetzt. Das PLS-Verfahren ist seit einigen Jahren wieder auf vielen Konferenzen und auch in der Marketingliteratur omnipräsent. Sowohl auf der EMACConference (European Marketing Academy Conference) als auch auf der EAERCD-Conference (European Association for Education and Research in Commercial Distribution), zwei große Europäische Konferenzen im Forschungsbereich Handel und Marketing, waren 2009 etliche Beiträge mit der PLS-Methode eingereicht und präsentiert worden (vgl. Beiträge bei der EMAC unter anderem von Fassnacht et al. 2009; Schramm-Klein et al. 2009; Temme/Hildebrandt 2009; Westerlund et al. 2009 und bei der EAERCD unter anderem von Castaldo et al. 2009; Pocsay et al. 2009; Scheer et al. 2009; Swoboda/Elsner 2009). Umgekehrt wurden auf der Statistik-Konferenz, der PLS 2009 in Beijing, auch Marketing-Projekte vorgestellt (vgl. Heim et al. 2009; Loureiro 2009; Maréchal et al. 2009; Skowron/Skowron 2009). Überdies veröffentlichen
VIII
Geleitwort von o.Univ.-Prof. Dr. Peter Schnedlitz
Top-Journals, wie das Journal of Marketing (Hennig-Thurau et al. 2007a; McFarland et al. 2008; Wagner et al. 2009), Journal of Consumer Research (Mathwick et al. 2008) und Journal of International Marketing (Brettel et al. 2008; Nijssen/Douglas 2008; Nijssen/Herk 2009) in den letzten Ausgaben verstärkt Artikel, in denen die PLS-Methode Anwendung findet. Dies zeigt eine steigende Akzeptanz gleichfalls bei Reviewern wie Editoren. Die praktische Relevanz der Untersuchungsergebnisse ist unmittelbar gegeben. So hat das Ergebnis, dass das Zahlungsverhalten am PoS sehr stark habitualisiert ist, Auswirkungen auf den Handel und die Anbieter von bargeldlosen Zahlungsvarianten. Nicht zuletzt ist auch zu bedenken, dass die „Warteschlange im Kassenbereich“ immer wieder bei empirischen Untersuchungen als Hauptkritikpunkt bei der Servicequalität des Handels angeführt wird. Die Optimierung des „Checkout-Bereichs“ im Handel stellt somit eine immerwährende Herausforderung dar. Ein möglicher Anreiz zur vermehrten Verwendung von bargeldlosen Zahlungsmitteln könnte in Zukunft von „Self Scanning“- und „Self Paying“-Lösungen kommen. Der Kassenbereich hat für den Händler jedenfalls große Bedeutung in Bezug auf Kundenzufriedenheit, aber auch aus wirtschaftlicher Perspektive unter anderem bezogen auf den Personalaufwand. Vor allem die Wartezeit an den Kassen soll verkürzt werden. Nach der Lektüre der vorgelegten Dissertation gewinnt man jedenfalls den fundierten Eindruck, dass eine Pionierarbeit im Bereich der Zahlungsverhaltens-Forschung gelungen ist. Die nächsten Schritte der Entwicklung von Forschungsdesigns können somit viel leichter auf ein methodisches konzeptionelles Gerüst aufbauen. o.Univ.-Prof. Dr. Peter Schnedlitz Vorstand Institut für Handel und Marketing (H&M) WU Wirtschaftsuniversität Wien
Vorwort Die Idee für die vorliegende Arbeit entstand während eines Projekts zum Thema Zahlungsverhalten mit Hon.Prof. Dr. Ewald Judt, Geschäftsführer der PayLife Bank GmbH (vormals Europay Austria Zahlungsverkehrssysteme GmbH). Die Forschung in diesem Bereich wird vornehmlich von Nationalbanken, vor allem in den Vereinigten Staaten geleitet. Der Beschreibung des Zahlungsverhaltens und den volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind einige, überwiegend anwendungsbezogene Studien gewidmet. Wenige Beiträge befassen sich jedoch mit der theoriegeleiteten Erklärung des Zahlungsverhaltens. Bislang wird diesem Thema in der Handels- und Marketingwissenschaft wenig Aufmerksamkeit zuteil. Diese Arbeit und die daraus resultierenden Erkenntnisse stellen einen ersten wissenschaftlichen Beitrag in diesem Forschungsfeld dar. Persönlich begeistert mich dieses Thema, seit ich vor etlichen Jahren in einem Geschäft bereits an der Kasse stehend den Kaufprozess abgebrochen habe, da das von mir bevorzugte Zahlungsmittel nicht als solches akzeptiert wurde. Welche Faktoren aber beeinflussen die Entscheidung, mit welchem Zahlungsmittel ein Kauf getätigt wird? Im Bereich Marketing gibt es viele Studien zu Themen wie Verkaufsförderung, Kundenbindung, Beschwerdemanagement und viele ähnliche Themen. Das Zahlungsmittel wurde bislang jedoch wenig untersucht, obwohl die Zahlung als Teilprozess des Kaufentscheidungsprozesses angesehen werden kann. Besonderer Dank gilt an dieser Stelle den Betreuern der Dissertation: o.Univ.-Prof. Dr. Peter Schnedlitz (Institut für Handel und Marketing) für die fortwährende Unterstützung in jedem Abschnitt des Dissertationsprozesses, die stets offene Tür und wertvollen Hinweise vor allem in kritischen Phasen. Sein Wissen, seine Ideen und sein kritisches Herangehen an theoretische wie praktische Sachverhalte haben mein Dissertationsvorhaben geprägt und vorangetrieben. Hon.Prof. Dr. Ewald Judt für seine fachlichen Anmerkungen und Anregungen, sowie der Förderung der Idee. Nicht nur sein Fachwissen, sondern auch sein wissenschaftliches Interesse an dem Thema waren eine maßgeblich Stütze für das Erstellen der Arbeit. o.Univ.-Prof. Dr. Fritz Scheuch (Institut für Marketing-Management), dem Zweitgutachter der Arbeit, für die Betreuung und Unterstützung bei wissenschaftlichen Fragestellungen.
X
Vorwort
Weiters bedanke ich mich bei meinen KollegInnen am Institut für Handel und Marketing für die inspirierende Arbeitsatmosphäre, die fortwährende Gesprächsbereitschaft und die zahlreichen wertvollen Anmerkungen. Schließlich gilt mein herzlicher Dank meinen Eltern, meinem Bruder und meinen Freunden, die vor allem in der Schlussphase oft auf mich verzichten mussten. Nicht zuletzt danke ich meinem Freund, der mich in jeder Phase gestärkt, unterstützt und entlastet hat. Eva Walter
Inhaltsverzeichnis Geleitwort von Hon.Prof. Dr. Ewald Judt .......................................................... V Geleitwort von o.Univ.-Prof. Dr. Peter Schnedlitz.......................................... VII Vorwort ............................................................................................................ IX Inhaltsverzeichnis ............................................................................................. XI Tabellenverzeichnis........................................................................................ XIII Abbildungsverzeichnis ................................................................................. XVII Formelverzeichnis ....................................................................................... XVIII 1 1.1 1.2 1.3
Einleitung .............................................................................................. 1 Problemstellung ..................................................................................... 1 Zielsetzung und Vorgehensweise der Untersuchung ............................. 3 Wissenschaftstheoretische Einordnung ................................................. 9
2 2.1 2.2 2.3 2.4
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen ....................................... 17 KonsumentInnenverhalten im Kaufprozess ......................................... 17 Zahlungsmittel ..................................................................................... 23 Zahlungsverhalten der Konsumenten .................................................. 29 Literaturüberblick zur Nutzung von Zahlungsmitteln ......................... 37
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3
Theoretische Fundierung ..................................................................... 41 Theory of planned Behavior und Technology Acceptance Model ...... 41 Einordnung, Entstehung und Weiterentwicklung ................................ 41 Begriffliche Grundlagen ...................................................................... 46 Anwendung der theoretischen Aspekte ............................................... 54 Transaktionskostenansatz .................................................................... 55 Einordnung, Entstehung und Weiterentwicklung ................................ 55 Begriffliche Grundlagen ...................................................................... 56 Anwendung der theoretischen Aspekte ............................................... 61
4 4.1 4.1.1 4.1.2
Empirischer Teil .................................................................................. 63 Vorstudien ........................................................................................... 63 Methodische Anlage und Durchführung .............................................. 63 Ergebnisse der Vorstudien ................................................................... 73
XII
Inhaltsverzeichnis
4.1.3 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3
Diskussion der Ergebnisse und kritische Reflexion ............................. 87 Hauptstudie .......................................................................................... 90 Methodische Anlage und Durchführung .............................................. 90 Ergebnisse der Hauptstudie ............................................................... 109 Diskussion der Ergebnisse ................................................................. 166
5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3
Zusammenfassung, Implikationen und Diskussion der Erkenntnisse 172 Synopse der Ergebnisse ..................................................................... 172 Implikationen ..................................................................................... 178 Unternehmerpraxis ............................................................................ 178 Handelsforschung .............................................................................. 181 Diskussion, Limitationen und Ausblick ............................................. 183
6
Literaturverzeichnis ........................................................................... 189
7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.2 7.2.1 7.2.2
Anhang .............................................................................................. 217 Anhang zum empirischen Design der Hauptstudie ............................ 217 Fragebogen ........................................................................................ 217 Verwendete Skalen für die Befragung ............................................... 220 Anhang zu den Auswertungen der Hauptstudie................................. 221 Kontrolle der Normalverteilung - Schiefe und Kurtosis .................... 221 Kreuzladungen ................................................................................... 223
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Besitz von Karten mit Zahlungsfunktion (außer Pre-Paid-Karten) .. 26 Tabelle 2: Gründe für Debitkartenbesitzer, mit Bargeld zu zahlen ................... 29 Tabelle 3: Nutzung von Debitkarten ................................................................. 31 Tabelle 4: Zahlungen mit Kreditkarten ............................................................. 32 Tabelle 5: Warenkorb in Österreich .................................................................. 33 Tabelle 6: Anteil der Zahlungsmittel am EH-Umsatz in Deutschland .............. 34 Tabelle 7: Aktuelle Studien zum Zahlungsverhalten ........................................ 39 Tabelle 8: Überblick über Studien mit TpB und TAM ..................................... 46 Tabelle 9: ÖNACE-Gliederung der untersuchten Branchen ............................. 73 Tabelle 10: Methodischer Steckbrief der beiden Vorstudien ............................ 74 Tabelle 11: Anteile der Zahlungsmittel aus Sekundärdaten .............................. 76 Tabelle 12: Hochrechnung getrennt nach EH und DL aus Unternehmersicht... 76 Tabelle 13: Ergebnisse aus den empirischen Vorstudien .................................. 77 Tabelle 14: Mann-Whitney-U für H1 mit Gruppenvariable Sektor ................... 79 Tabelle 15: Kruskal-Wallis-Test für H1 mit Gruppenvariable Branche im EH . 79 Tabelle 16: Kruskal-Wallis-Test für H1 mit Gruppenvariable Branche im DL . 79 Tabelle 17: Mann-Whitney-U für H2 mit Gruppenvariable Sektor ................... 80 Tabelle 18: Kruskal-Wallis-Test für H2 mit Gruppenvariable Branche ............ 80 Tabelle 19: Mittlere Ränge der Tests für H2 ..................................................... 81 Tabelle 20: Korrelationen für H3 ....................................................................... 81 Tabelle 21: Mann-Whitney-U, mittlere Ränge für H4 mit Gruppenvariable Sektor ............................................................................................ 83 Tabelle 22: Kruskal-Wallis-Test für H4 mit Gruppenvariable Branche ............ 83 Tabelle 23: Mittlere Ränge der Tests für H4 ..................................................... 84 Tabelle 24: Korrelationen für H5 ....................................................................... 84 Tabelle 25: Spearman-Rho-Koeffizient gesamt und je Sektor für H6 ............... 86 Tabelle 26: Zusammenfassung der Ergebnisse der Hypothesentests ................ 87 Tabelle 27: Einkaufsstraßen/-zentren in Wien (Herbst 2007) ........................... 98 Tabelle 28: Methodischer Steckbrief der Hauptstudie ...................................... 99 Tabelle 29: Indikatoren für Einstellung zum Zahlungsverhalten .................... 101 Tabelle 30: Indikatoren für die subjektive Norm ............................................ 102 Tabelle 31: Indikatoren für die wahrgenommene Verhaltenskontrolle ........... 102 Tabelle 32: Indikator für die Intention zur Zahlung ........................................ 103 Tabelle 33: Indikator für das tatsächliche Verhalten ....................................... 104 Tabelle 34: Indikatoren für den wahrgenommenen Nutzen ............................ 105 Tabelle 35: Indikatoren für die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit ...... 105 Tabelle 36: Indikatoren für die wahrgenommene Sicherheit .......................... 106 Tabelle 37: Indikatoren für die wahrgenommene Transaktionsdauer ............. 106 Tabelle 38: Indikatoren für die wahrgenommenen Kosten ............................. 107 Tabelle 39: Indikatoren für vergangenes Verhalten ........................................ 107
XIV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 40: Indikatoren für Reliabilität ........................................................... 108 Tabelle 41: Indikatoren für die finanzielle Situation ....................................... 109 Tabelle 42: Verteilung der Probanden auf die Befragungsorte ....................... 110 Tabelle 43: Altersverteilung in der Stichprobe und in Wien/Österreich ......... 111 Tabelle 44: Bildungsniveau der Probanden in der Stichprobe ........................ 111 Tabelle 45: Bildung der Probanden an den Befragungsorten .......................... 112 Tabelle 46: Verteilung nach Bildungsniveau je Zahlungsart .......................... 113 Tabelle 47: Verteilung nach Geschlecht je Zahlungsart .................................. 113 Tabelle 48: Nutzungshäufigkeit der einzelnen Zahlungsmittel ....................... 114 Tabelle 49: p-Werte des Mann-Whitney-U ..................................................... 115 Tabelle 50: Besitz von Zahlungskarten ........................................................... 116 Tabelle 51: Anzahl der Zahlungskarten bzw. Kreditkarten ............................. 117 Tabelle 52: Durchschnittliche Rechnungsbeträge je Zahlungsmittel in Euro . 120 Tabelle 53: Vergangenes Verhalten der Gruppe Barzahler ............................. 120 Tabelle 54: Vergangenes Verhalten der Gruppe Debitkartenzahler ................ 121 Tabelle 55: Vergangenes Verhalten der Gruppe Kreditkartenzahler............... 121 Tabelle 56: Durchschnittliche Wahrscheinlichkeit der Verwendung .............. 122 Tabelle 57: Vergleich der varianz- und kovarianzbasierten Methoden .......... 133 Tabelle 58: Gütebeurteilung von Messmodellen und Strukturmodell ............. 139 Tabelle 59: Evaluierung der Indikatorreliabilität ............................................ 142 Tabelle 60: Evaluierung der Konstruktreliabilität ........................................... 143 Tabelle 61: Evaluierung der Diskriminanzvalidität (Bargeld) ........................ 144 Tabelle 62: Evaluierung der Diskriminanzvalidität (Debitkarten) .................. 145 Tabelle 63: Evaluierung der Diskriminanzvalidität (Kreditkarten) ................. 145 Tabelle 64: Pfadkoeffizienten der Strukturmodelle......................................... 147 Tabelle 65: Ergebnis der Hypothesentests ...................................................... 148 Tabelle 66: Effektstärke f² der Konstrukte auf die Intention ........................... 152 Tabelle 67: R² und Q² der Intention ................................................................ 152 Tabelle 68: Effektstärke f² der Konstrukte auf die Einstellung ....................... 153 Tabelle 69: R² und Q² der Einstellung............................................................. 154 Tabelle 70: Effektstärke f² der Konstrukte auf die Verhaltenskontrolle.......... 154 Tabelle 71: R² und Q² der Verhaltenskontrolle ............................................... 155 Tabelle 72: Effektstärke f² der Konstrukte auf den Nutzen ............................. 156 Tabelle 73: R² und Q² des Nutzens ................................................................. 156 Tabelle 74: Ergebnis des Gruppenvergleichs .................................................. 158 Tabelle 75: Unterschied zwischen Männern und Frauen – Gruppe Barzahlung .................................................................................................... 160 Tabelle 76: R²-Werte in der Gruppe Barzahler (Gesamt/Männer/Frauen) ...... 161 Tabelle 77: Unterschied zwischen Männern und Frauen – Gruppe Debitkarten .................................................................................................... 162 Tabelle 78: R²-Werte in der Gruppe Debitkartenzahler (Gesamt /Männer /Frauen) ....................................................................................... 162
Tabellenverzeichnis
XV
Tabelle 79: Unterschied zwischen Männern und Frauen – Gruppe Kreditkarten .................................................................................................... 163 Tabelle 80: R²-Werte in der Gruppe Kreditkartenzahler (Gesamt/Männer/ Frauen) ........................................................................................ 164 Tabelle 81: Signifikante Unterschiede zwischen Männern und Frauen .......... 164 Tabelle 82: Übersicht über die Ergebnisse der Hypothesentests ..................... 171 Tabelle 83: Akzeptanz der einzelnen Zahlungsmittel in Prozent .................... 173 Tabelle 84: Nutzung der einzelnen Zahlungsmittel in Prozent ....................... 174 Tabelle 85: Kontrolle der NV für die Gesamtstichprobe und die Gruppe Barzahler ..................................................................................... 221 Tabelle 86: Kontrolle der NV für die Gruppen Debit- /Kreditkartenzahler .... 222 Tabelle 87: Kreuzladungen - Gruppe Bargeld................................................. 223 Tabelle 88: Kreuzladungen - Gruppe Debitkarten .......................................... 224 Tabelle 89: Kreuzladungen - Gruppe Kreditkarte ........................................... 225
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Typen von mehrgleisigen gemischten Untersuchungsdesigns ...... 6 Abbildung 2: Zusammenfassung der Forschungsziele und -fragen .................... 7 Abbildung 3: Aufbau der Arbeit ......................................................................... 9 Abbildung 4: Gliederung der Wissenschaftstheorie .......................................... 10 Abbildung 5: Forschungsansätze in der Konsumentenforschung ..................... 11 Abbildung 6: Einordnung des Zahlungsverhaltens ........................................... 13 Abbildung 7: Model of Consumer Behavior ..................................................... 20 Abbildung 8: Erweiterung des Stufenmodells der Kaufentscheidung ............... 21 Abbildung 9: Einteilung der Zahlungsmittel ..................................................... 23 Abbildung 10: Durchschnittliche Rechnungsbeträge in Deutschland ............... 35 Abbildung 11: Die „Theory of planned Behavior” ........................................... 43 Abbildung 12: Technology Acceptance Model (TAM) .................................... 45 Abbildung 13: Komponenten der Einstellung ................................................... 48 Abbildung 14: Entstehung von Transaktionskosten .......................................... 59 Abbildung 15: Zahlungsstruktur nach Branchen im Jahr 2005 ......................... 65 Abbildung 16: Verwendung verschiedener Zahlungsmittel im Internet ........... 65 Abbildung 17: Zusammenfassung der Hypothesen ........................................... 67 Abbildung 18: Zusammenfassung der Hypothesen ........................................... 97 Abbildung 19: Ablauf der Entwicklung des Erhebungsinstruments ............... 100 Abbildung 20: Finanzielle Situation - 1. Frage ............................................... 118 Abbildung 21: Finanzielle Situation - 2. Frage ............................................... 118 Abbildung 22: Finanzielle Situation - 3. Frage ............................................... 119 Abbildung 23: Multivariate Verfahren im Überblick ...................................... 123 Abbildung 24: PLS-Pfadmodell ...................................................................... 129 Abbildung 25: Reflektive vs. formative Indikatoren ....................................... 130 Abbildung 26: PLS-Algorithmus .................................................................... 132 Abbildung 27: Strukturmodell der Gruppe Barzahler ..................................... 149 Abbildung 28: Strukturmodell der Gruppe Debitkartenzahler ........................ 150 Abbildung 29: Strukturmodell der Gruppe Kreditkartenzahler ....................... 150 Abbildung 30: Gruppenunterschiede Bargeldzahlung (M/W) ........................ 165 Abbildung 31: Gruppenunterschiede bei Zahlung mit Debitkarte (M/W) ...... 166 Abbildung 32: Gruppenunterschiede bei Zahlung mit Kreditkarte (M/W) ..... 166 Abbildung 33: Self-Checkout-Lösung von Wincor Nixdorf ........................... 180 Abbildung 34: Elemente des realtheoretischen Ansatzes ................................ 183
XVIII
Formelverzeichnis
Formelverzeichnis Formel 1: Einstellung im Fishbein-Modell ....................................................... 49 Formel 2: Einstellung im Trommsdorff-Modell................................................ 49 Formel 3: Formel für subjektive Norm ............................................................. 50 Formel 4: Formel für Perceived Behavioral Control ......................................... 51 Formel 5: Multiple Regression ........................................................................ 126 Formel 6: Strukturgleichungssystem ............................................................... 129 Formel 7: Reflektives Messgleichungssystem ................................................ 130 Formel 8: Formatives Messgleichungssystem................................................. 130 Formel 9: Interne Konsistenz .......................................................................... 135 Formel 10: Cronbach's Alpha .......................................................................... 135 Formel 11: Average Variance Extracted (AVE) ............................................. 136 Formel 12: Effektstärke f² ............................................................................... 138 Formel 13: Stone-Geisser-Test-Kriterium Q².................................................. 138 Formel 14: t-Statistik für Gruppenvergleich ................................................... 157 Formel 15: Smith-Satterthwait-Test ................................................................ 158
1
Einleitung
Um Produkte und Dienstleistungen nutzen zu können, ist es seit jeher notwendig, im Austausch dafür den für ein Produkt oder eine Dienstleistung verlangten Preis zu zahlen. War dies vor der Erfindung des Münzgeldes vor ca. 2.700 Jahren und des Papiergeldes vor ca. 200 Jahren (vgl. Judt 2005, 229) in Naturalgeld üblich, mangelt es heute nicht an mannigfachen modernen bargeldlosen Zahlungsalternativen. Neben dem Euro, welcher seit dem 1. Jänner 2002 als gesetzliches Zahlungsmittel in der Republik Österreich gültig ist (vgl. Republik Österreich 2000, 767), verfügen bereits 78 Prozent der ÖsterreicherInnen ab dem 15. Lebensjahr über die Möglichkeit, mit einer Zahlungskarte bargeldlos zu zahlen (vgl. Mooslechner et al. 2006, 122). Bevor ein Produkt oder eine Dienstleistung zur Befriedigung von Bedürfnissen genutzt werden kann, sind zahlreiche Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen über die Wahl der Einkaufsstätte, die Produktwahl, die Markenwahl, den Kaufzeitpunkt, die Entscheidung über die benötigte Menge und wenn letztendlich diese und noch einige andere Entscheidungen vor Abschluss des Kaufprozesses getroffen sind, muss die Entscheidung getroffen werden, mit welchem Zahlungsmittel bezahlt werden kann und man will (vgl. Kotler et al. 2007, 303). Damit das gewählte Zahlungsmittel zur Zahlung genutzt werden kann, muss es am stationären Point of Sales (kurz PoS) als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Nur Bargeld unterliegt derzeit als einziges gesetzliches Zahlungsmittel dem Annahmezwang (vgl. Grill/Perczynski 2006, 109). Somit kann die Akzeptanz von unterschiedlichen Zahlungsmitteln am PoS als Attraktivitätsfaktor der Servicepolitik angesehen werden. Serviceleistungen weisen im Allgemeinen einen Ergänzungs- oder Zusatzcharakter auf und stehen mittelbar oder unmittelbar in Zusammenhang mit dem eigentlichen Mittelpunkt der jeweiligen Kaufentscheidung (vgl. Berekoven 1995, 165). 1.1
Problemstellung
In Österreich waren bis zum Ende des Jahres 2004 über 78.000 EFT-PoSKassen ("Electronic Funds Transfer at the Point of Sales") im Einsatz (vgl. Stix 2006, 44) und Ende 2008 war diese Anzahl bereits auf über 90.000 gestiegen (vgl. OeNB 2009b, 6). Statistiken über die weltweit im Einsatz stehenden PoSTerminals stehen leider nicht zur Verfügung, aber Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2004 ungefähr 40 Millionen installiert waren (vgl. Judt 2006, 28). Ende 2008 gab es in Österreich knapp 7,5 Mio. Maestro-Karten (auch Bankomatkarten) und somit hat statistisch gesehen jeder Österreicher zwischen 18 und 80 Jahren eine Maestro-Karte, mit welcher man an ebendiesen Terminals
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Einleitung
zahlen kann (vgl. OeNB 2009b, 2). Rund 87 Prozent der Besitzer dieser Karten nutzen diese auch zur Zahlung am PoS (vgl. Mooslechner et al. 2006, 124). Über 300 Mio. Zahlungen mit einem Wert der Zahlungstransaktionen von über 12 Mrd. Euro wurden 2008 über diese PoS-Terminals getätigt und diese Zahl steigt sukzessive an. Der Durchschnittsbetrag einer Transaktion beträgt 49,94 Euro (vgl. OeNB 2009b, 7). Wesentlich geringer ist die Anzahl der Kreditkarten in Österreich. Ende 2008 sind in Österreich 2,45 Mio. Kreditkarten (Visa, MasterCard, Diners Club und American Express) im Umlauf. Circa 67 Mio. Zahlungen wurden mit einem Gesamtwert von 7,4 Mrd. Euro mit diesen Kreditkarten im In- und Ausland durchgeführt. Der durchschnittliche Wert einer Transaktion lag bei 110 Euro (vgl. OeNB 2009a, 1). Den größten Anteil am Gesamtumsatz im Einzelhandel im Jahr 2008 hielt mit 67 Prozent das Bargeld, was jedoch erheblich je nach Branche differiert. Knapp 27 Prozent wurden mittels Debitkarte (in Österreich verwendete Produktnamen sind Maestro Bankomatkarte und VPay) und über 4,9 Prozent mit Kreditkarte getätigt (vgl. OeNB 2009c, 1). Fast jeder (95 Prozent) kennt die „Bankomatkarte“ und ungefähr 54 Prozent der Befragten bezahlen mindestens einmal pro Woche mit dieser (vgl. OeNB 2007, 3). Aber nicht nur Österreich ist noch ein Stück weit weg von der "cashless society". Auch in den USA werden noch 37 Prozent der täglichen Einkäufe (Produkte und Dienstleistungen) in bar gezahlt. 31 Prozent zahlen mit Debitkarte und 16 Prozent mit Kreditkarte, jedoch mit teilweise großen Unterschieden zwischen unterschiedlichen Alters-, Bildungs- und Einkommensklassen. 15 Prozent zahlen mit Checks. Die beiden Hauptgründe für Zahlungen mit Kreditkarte in den USA sind Bequemlichkeit und Verfügbarkeit für unerwartete Ausgaben (vgl. Taylor et al. 2007, 6 ff.). Durchschnittlich werden 16,1 PoSDebitkarten-Transaktionen pro Monat durchgeführt und der durchschnittliche Rechnungsbetrag liegt bei $ 41,53 (vgl. Cheney 2007, 3). Es wird zwischen "signature debit card transactions" (durchschnittlicher Rechnungsbetrag liegt bei $ 39,72) und "PIN debit card transactions" unterschieden. Vergleichbar zu Österreich sind die Zahlungen mit PIN-Eingabe. 2006 begannen die ersten Händler aus Sicherheits- und Convenience-Gründen nur mehr Kartenzahlung zu akzeptieren (vgl. Bolt/Chakravorti 2008, 13). Beispielsweise nimmt ein Café in Washington DC kein Bargeld mehr, weil die sichere Verwahrung zu teuer ist und das Vertrauen in die Mitarbeiter fehlt (vgl. Rafsanjani 2006). In Washington DC ist das legal, in Österreich wäre dies derzeit noch nicht möglich, da Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel am stationären PoS als Zahlungsmittel akzeptiert werden muss (vgl. Grill/Perczynski 2006, 107 ff.). Forschungsarbeit im Bereich Zahlungsverhalten ist im Wesentlichen deskriptiv und auf ein Zahlungsmittel, meist die Kreditkarte, fokussiert. Beschreibungen der Kreditkartenbesitzer, und wie sich diese von Nicht-Verwendern
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unterscheiden, finden sich bereits in den frühen 70er-Jahren (vgl. Mathews/Slocum 1969; Slocum/Mathews 1970; Plummer 1971; Awh/Waters 1974). Deskriptive Auswertungen über die Verwendung der unterschiedlichen Zahlungsmittel finden sich beispielsweise bei Mooslechner et al. (Mooslechner/Wehinger 1997; Mooslechner et al. 2002b; Mooslechner et al. 2006), Schreft (2006) und Klee (2006; 2008). Wissenschaftliche Beiträge zu einem Teilbereich der Zahlungsmittel, z. B. zum mobilen Zahlungsverhalten, wurden von Chen (2008) publiziert. Auch gibt es aktuelle wissenschaftliche Arbeiten zu einzelnen Zahlungsmitteln (Chakravorti/To 2007; Worthington/Stewart 2007; Ching/Hayashi 2008; Zinman 2009). Welche Faktoren aber beeinflussen die Entscheidung, mit welchem Zahlungsmittel der Einkauf abgeschlossen wird? Auf diese Frage gibt es in der wissenschaftlichen Literatur bislang nur unzureichende oder gar keine Antworten. Soman und Cheema (2002, 52), Schreft (2006, 5) sowie Kidwell und Jewell (Kidwell/Jewell 2008, 1156) machen auf Forschungsbedarf in diesem Gebiet aufmerksam und stellen auch die Wichtigkeit dieses Themas heraus. Auch darüber, welche Einflussgrößen die Wahl des Zahlungsmittels determinieren oder ob der Bezug zur Servicepolitik von KonsumentInnen überhaupt wahrgenommen wird, liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Die vorliegende Arbeit versucht einen Teilbereich dieser Forschungslücke abzudecken und zu erschließen. Sie kann folglich der Handelsforschung, aber insbesondere der KonsumentInnenforschung zugeordnet werden. Diese ist Teil der Marketingforschung (vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, 1) und eine angewandte Verhaltenswissenschaft (Behaviorismus), die das Ziel hat, Gesetzmäßigkeiten über das Verhalten von KonsumentInnen aufzudecken, zu überprüfen und diese in weiterer Folge an die Praxis weiterzugeben (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, 10) sowie Handlungsempfehlungen für ebendiese abzuleiten. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg begann in den USA die Entwicklung der KonsumentInnenverhaltensforschung und Mitte der 60er-Jahre erfolgte der Durchbruch mit Arbeiten von Howard und Sheth und Engel, Kollat und Blackwell sowie in den 70er-Jahren im deutschsprachigen Raum mit Kroeber-Riel (vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, 2). 1.2
Zielsetzung und Vorgehensweise der Untersuchung
Wie bereits in der Problemstellung erläutert, ist das primäre Ziel der KonsumentInnenforschung, das Verhalten der KonsumentInnen zu erklären (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, 10). Da in bislang veröffentlichten Studien lediglich die Auswirkung des Zahlungsverhaltens untersucht wurde, d. h. wie am PoS gezahlt wird, oder eine mögliche Marktsegmentierung der KreditkartenbenutzerInnen geprüft wurde (vgl. Adcock Jr et al. 1977; Hirschman et al. 1979) und
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Publikationen zu den Einflussgrößen auf das generelle Zahlungsverhalten am stationären PoS weitgehend fehlen, trägt das Forschungsvorhaben zur Beschreibung und Erklärung dieses Zahlungsverhaltens bei. Dieses Vorhaben wird im theoretischen Rahmen von der "Theory of planned Behavior" (im weiteren kurz TpB genannt) umgesetzt werden. Die Theorie wurde entwickelt, um menschliches Verhalten kontextbezogen vorherzusagen und zu erklären (vgl. Ajzen 1991, 179). Sie stellt eine Weiterentwicklung der "Theory of Reasoned Action" (das sogenannte erweiterte Fishbein-Modell, im weiteren kurz TrA genannt) dar. Für diese TrA dienen als Prädiktoren eine Einstellungskomponente und eine normative Komponente, welche beispielsweise zur Erklärung von spezifischen Formen menschlichen Verhaltens, wie dem Kaufverhalten, angewendet werden können (vgl. Schnedlitz 1985a, 9). Nach der TpB wird menschliches Handeln von einem weiteren Prädiktor geleitet, der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle (vgl. Bamberg et al. 2003, 175). Mit Ausnahme von diesem zusätzlich aufgenommenen Konstrukt unterschieden sich die beiden Theorien weder in Beschaffenheit noch in der Wirkung aller anderen Variablen (vgl. Vogel 1997, 2). Die drei Determinanten der TpB lassen sich mit "behavioral beliefs" (Überzeugung über die wahrscheinliche Konsequenz einer Handlung), "normative beliefs" (Überzeugung über die normativen Erwartungen anderer) und "control beliefs" (Überzeugung über das Vorhandensein von Faktoren, welche Handlungen behindern oder erleichtern. Diese können weiter in tatsächliche und wahrgenommene unterteilt werden.) beschreiben. Die Transaktionskostentheorie leistet vor allem im Bezug auf Transaktionskosten, die nicht nur monetär, sondern in Zeit und Sicherheit anfallen, einen wesentlichen Erklärungsbeitrag. Kroeber-Riel definiert Einstellung als "Motivation, die mit einer (kognitiven) Gegenstandsbeurteilung verknüpft ist“ (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, 56). Diese Ansicht liegt dem Modell der "means-end-analysis" zugrunde (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, 216). Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht demnach die empirische Überprüfung von Hypothesen zur einstellungsmäßigen Determination des Zahlungsprozesses, welcher eine Phase des Kaufprozesses darstellt und sich in einzelne Prozessschritte untergliedert (vgl. Teller 2002, 316). Kritisch gilt es anzumerken, dass kaum ein Kaufprozess in der Literatur zu finden ist, in welchem der Zahlungsprozess dezidiert eingegliedert ist (vgl. Kotler et al. 2007, 227). Zu Beginn steht die umfangreiche Aufarbeitung forschungsleitender Basiskonstrukte zum Konsumentenverhalten. Dem folgt die Identifikation der relevanten Determinanten des Zahlungsverhaltens auf Basis von theoretischen Erkenntnissen, welche von ähnlichen Entscheidungsprozessen, wie der Wahl eines Transportmittels, aus Mangel an für diese Thematik bestehenden abgeleitet werden müssen. Die Entwicklung und Überprüfung eines theoretisch fundierten Modells wird abschließend zur Beantwortung der Forschungsfrage leiten. Auf Basis der bisherigen Ausführungen und der identifizierten Forschungslücken können folgende Forschungsprobleme abgeleitet
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werden. Das erste Forschungsproblem ist die Beschreibung des Zahlungsverhaltens und das zweite die Erklärung des Zahlungsverhaltens. Folgende Forschungsfragen lassen sich für diese beiden Probleme formulieren: 1 A.) Welche Zahlungsmittel werden am stationären PoS verwendet? 1 B.) In welchem Ausmaß werden diese Zahlungsmittel von KonsumentInnen am stationären PoS verwendet? 2 A.) Welche sind die wichtigsten Einflussfaktoren auf das Zahlungsverhalten am stationären PoS? 2 B.) Welche Theorie(n) bzw. theoretischen Modelle eignen sich zur Erklärung des Zahlungsverhaltens am stationären PoS? Die Überprüfung der Forschungsfragen findet in drei Schritten statt. Die erste Vorstudie befasst sich mit dem Zahlungsverhalten im stationären Einzelhandel und die zweite mit dem Dienstleistungssektor. Zum Einsatz kommen dabei zwei unterschiedliche methodische Ansätze. Im Rahmen der Datenerhebung unterscheidet man zwischen Primär- und Sekundärdatenerhebung (vgl. Herrmann/Homburg 2000, 24 f.), wobei die Erschließung, Beschaffung und Aufbereitung neuer Daten zur Primärforschung ("Field research") und die Verwendung von bereits vorhandenem Datenmaterial der Sekundärforschung ("Desk research") zuzuordnen ist (vgl. Decker/Wagner 2002, 21; Bortz/Döring 2006, 370). Ein erheblicher Vorteil der Analyse von Sekundärdaten liegt im Kosteneinsparungspotenzial, da oftmals große Datenbestände ungenutzt in Unternehmungen brachliegen und es daher überlegenswert ist, ob man diese Quellen nutzen kann (vgl. Stier 1999, 232 f.). Für die beiden Studien wird jeweils ein "Mixed Methods"-Zugang in Bezug auf die Datenquellen gewählt. Dieser Zugang wird im angloamerikanischen Raum bereits als drittes Forschungsparadigma im Hinblick auf die kombinierte Anwendung von quantitativer und qualitativer Forschung diskutiert (vgl. Foscht et al. 2007, 249) und auch als „Convergent Methodology“, „Multitrait-Multimethod Research“, Konvergenzvalidierung oder Triangulation bezeichnet (vgl. Homburg et al. 2009, 175). Man unterscheidet zwischen paralleler, sequenzieller und datenkonvertierender Vorgehensweise.
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Schlussfolgerungs -phase
Empiriephase
Konzeptionsphase
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Quelle: in Anlehnung an Foscht et al. 2007, 254 Abbildung 1: Typen von mehrgleisigen gemischten Untersuchungsdesigns Sinnvoll für diese Arbeit sind sowohl die parallele als auch sequenzielle Vorgehensweise (siehe Abbildung 1). Die datenkonvertierende, welche von Foscht et al. (2007) ebenfalls erläutert wurde, kann nicht angewendet werden, weil es unmöglich ist, Sekundärdaten in Primärdaten zu konvertieren. Parallel können Fragestellungen mit Daten aus beiden Quellen überprüft und beantwortet werden. Der für die vorliegende Arbeit gewählte Ansatz ist grundsätzlich die sequenzielle Vorgehensweise. Das bedeutet, dass die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Vorstudien in die Konzeptionsphase der Hauptstudie einfließen (vgl. Foscht et al. 2007, 256). Jedoch wird gleichzeitig innerhalb der Vorstudien der parallele Ansatz übernommen. In den beiden Vorstudien wurden jeweils zuerst Hypothesen aus einer Sekundärdatenanalyse abgeleitet und im folgenden Schritt fand eine Primärerhebung zur Überprüfung dieser Aussagen statt. Die Erkenntnisse aus diesen beiden Vorstudien flossen in die Hauptstudie ein, was den dritten und abschließenden Schritt darstellt. Dieser Forschungsprozess ist in Abbildung 2 zusammengefasst. Zur Beantwortung der ersten beiden For-
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schungsfragen wurden zwei Vorstudien aus Unternehmersicht (Unternehmer aus dem Handels- und Dienstleistungssektor wurden befragt) durchgeführt und zur Beantwortung des zweiten Fragenblocks eine Hauptstudie aus Konsumentensicht (Konsumenten wurden am stationären PoS befragt).
Abbildung 2: Zusammenfassung der Forschungsziele und -fragen Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Abschnitte (siehe Abbildung 3). Der erste Abschnitt umfasst die Einleitung mit Problemstellung, Zielsetzung und Vorgehensweise der Untersuchung sowie die wissenschaftstheoretische Einordnung der Arbeit. Im zweiten Abschnitt werden die begrifflichen und konzeptionellen Grundlagen behandelt und das Thema des dritten Abschnitts ist die theoretische Fundierung der Arbeit. Der vierte umfasst den empirischen Teil, der sich in Vorstudien und Hauptstudie unterteilt. Der fünfte und letzte Abschnitt beinhaltet die Zusammenfassung der Ergebnisse und Implikationen für Unternehmerpraxis und Handelsforschung.
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Nachdem die Forschungsfrage zentrale Konstrukte enthält, werden diese zu Beginn im zweiten Abschnitt operationalisiert. Dies bedeutet, dass durch Angabe von Operationen zur Erfassung des bezeichneten Sachverhaltes bzw. durch Angabe von messbaren Ereignissen ein Begriff standardisiert wird (vgl. Bortz/Döring 2006, 63). Theoretische Begriffe werden dadurch messbar gemacht, also überführt in eine Beobachtungssprache (vgl. Franke 2002, 16 f.). Verwendet werden Realdefinitionen, diese verweisen direkt auf reale Sachverhalte (vgl. Bortz/Döring 2006, 61). Weiters ist die Definition von Begriffen eine Voraussetzung, um die Probleme der Theoriebildung zu verstehen (vgl. Schanz 1975, 34). Vordergründig werden dabei die Konstrukte Kaufprozess, Zahlungsprozess, Zahlungsalternativen und Einstellungen behandelt. Im Anschluss daran werden auf Basis der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur die Theory of planned Behavior (TpB), das Technology Acceptance Model (TAM) und der Transaktionskostenansatz diskutiert und in ein Untersuchungsmodell zusammengeführt. Da der interessierende Sachverhalt eine Entscheidung über ein zu verwendendes Zahlungsmittel darstellt, wird hierzu ein bereits empirisch überprüftes, theoretisches Modell, welches sich mit der Entscheidung über die Nutzung eines Transportmittels auseinandergesetzt hat, in Analogie herangezogen. Im Speziellen werden multiattributive Einstellungsmodelle behandelt, welche voraussetzen, dass sich die Einstellung zu einem Objekt aus einem kognitiven und affektiven Aspekt ergibt. Grundsätzlich werden jedoch nur wenige Attribute tatsächlich herangezogen, insbesondere aber solche, die kognitiv "aktiviert" sind, sogenannte saliente (accessibility) Attribute (vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, 73). Zum Abschluss des dritten Abschnittes wird das Untersuchungsmodell zur Erklärung des Zahlungsverhaltens aus dem bestehenden Modell der TpB in Verbindung mit dem TAM und der Transaktionskostentheorie abgeleitet. Der vierte Abschnitt, welcher den empirischen Teil umfasst, gliedert sich in zwei Unterkapitel. Das erste ist den beiden Vorstudien gewidmet und das zweite der Hauptstudie. Zu Beginn werden jeweils die methodische Anlage der Studien sowie die Durchführung der empirischen Arbeit dargelegt. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse der jeweiligen Studien erläutert, jeweils beginnend mit einer deskriptiven Analyse der Stichprobe, gefolgt von der Überprüfung der vorab formulierten Hypothesen und einer Diskussion der Ergebnisse. Die Beantwortung der Forschungsfrage anhand der im vierten Abschnitt überprüften Hypothesen ist das Kernthema des letzten Abschnitts. Zuerst erfolgen eine Synopse der Ergebnisse und eine kritische Reflexion der Studien, anschließend werden Implikationen für die Handelsforschung und die Unternehmerpraxis erläutert sowie Anregungen für weitere mögliche Ansatzpunkte für
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künftige Forschungsaktivitäten gegeben. Mit der Darstellung des Argumentationsprozesses in Abbildung 3 wird nochmals der Aufbau der Arbeit übersichtlich abgebildet.
Abbildung 3: Aufbau der Arbeit 1.3
Wissenschaftstheoretische Einordnung
Die Wissenschaftstheorie ist eine Theorie über das wissenschaftliche Handeln, welche zum Gegenstand das tatsächliche Verhalten von Wissenschaftlern und die Analyse von wissenschaftlichen Aussagen hat (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, 23). Die Wissenschaftstheorie besteht aus deskriptiven Aussagen, die die Wirklichkeit wiedergeben, oder normativen, die angeben, wie die Wirklichkeit aussehen soll (siehe Abbildung 4).
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Einleitung Wissenschaftstheorie (System von Aussagen über die Wissenschaft)
Deskriptive Aussagen
Über wissenschaftliche Aussagen
Über das Verhalten von Wissenschaftlern
Normative Aussagen
Über wissenschaftliche Aussagen
Über das Verhalten von Wissenschaftlern
Quelle: Kroeber-Riel et al. 2009, 23 Abbildung 4: Gliederung der Wissenschaftstheorie Die Betriebswirtschaftslehre zählt zu den Realwissenschaften, welche in Natur- und Sozialwissenschaften gegliedert werden können. Im Gegensatz zur Naturwissenschaft, welche sich mit den Gesetzmäßigkeiten auseinander setzt, hat die Sozialwissenschaft im Wesentlichen das menschliche Verhalten zum Thema, wobei sich die Grenzziehung fließend gestaltet (vgl. Schanz 1975, 27f). Das Ziel der Realwissenschaft ist es, Wissen über die Realität zu erlangen, welches aus Fragestellung der realen Welt durch falsifizierbare Aussagensysteme formalisiert wird und die, bis zum Zeitpunkt der Überprüfung, spekulativen Aussagen bestätigt oder verwirft (vgl. Franke 2002, 11). Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich somit um einen realwissenschaftlichen Zutritt für das vorliegende Forschungsvorhaben. Die vorangegangene Problemstellung wirft konkrete reale Probleme auf, welche substantielle Fragestellungen im Marketing eröffnet. Der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn vollzieht sich in kognitiven und somit fehlerhaften und unzulänglichen Prozessen, was sich als Problem für das wissenschaftliche Arbeiten auswirkt. Um trotzdem möglichst sichere Erkenntnisse zu erhalten, muss zum einen das Erkenntnisobjekt abgegrenzt werden und zum anderen müssen Methoden für das Vorgehen festgelegt werden, welche die Wissenschaftsauffassung konstituieren (vgl. Behrens 1991, 1ff.). Laut Behrens (1991) dominieren in der Konsumentenforschung die naturwissenschaftlicheempirische Wissenschaftsauffassung und die realwissenschaftliche Orientierung, welche messbare Eigenschaften des Erkenntnisobjektes "KonsumentIn" aus soziologischer und psychologischer Sicht untersucht (siehe Abbildung 5). Der kritische Rationalismus, begründet auf Sir Karl Popper, fordert, dass Theorien und Hypothesen falsifizierbar, d.h. empirisch überprüfbar, sein müssen und darauf zielt auch die positivistisch orientierte empirische Forschung ab (vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, 3f.), in welche sich die vorliegende Arbeit eingliedern lässt. Problemlösungen, die nicht falsifizierbar sind, sind demnach wertlos, da ein Scheitern in der Realität nicht möglich ist und damit auch nicht überprüf-
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bar ist (vgl. Lingnau 1995, 124). Die Möglichkeit einer Verifikation, der sicheren Begründung von Aussagen, wird damit abgelehnt. Ein Grundgedanke Poppers ist, dass sämtliches Wissen nur als vorläufig anzusehen ist, da es jederzeit als fehlerhaft identifiziert werden kann. Ist dies der Fall, müssen geeignete Maßnahmen zur Korrektur getroffen werden und das korrigierte Wissen kann wiederum überprüft werden. Zur Prüfungsinstanz wird die Realität, dies setzt eine objektiv vorhandene Wirklichkeit voraus. Fallibilismus (prinzipielle Fehlbarkeit menschlicher Vernunft), methodischer Rationalismus (Pflicht zur Fehlerkorrektur) und kritischer Realismus (Existenz einer objektiven Wirklichkeit) können somit als die drei Säulen des Kritischen Rationalismus bezeichnet werden (vgl. Lingnau 1995, 125) und die Anforderungen an die Konfrontation mit der Realität werden mit Operationalisierbarkeit und Falsifizierbarkeit bestimmt (vgl. Behrens 2000,42f). Im Sinne einer theoriegestützten Forschung wird in der vorliegenden Arbeit zunächst eine theoretische Grundlage für die Ableitung von Hypothesen geschaffen, welche im Verlauf einer teils mehrfachen empirischen Überprüfung unterzogen werden. Zu Beginn werden sekundärstatistische Daten ausgewertet auf deren Basis die Hypothesen für die ersten beiden Vorstudien abgeleitet werden. Im nächsten Schritt werden die Ergebnisse und vorliegende bereits bestätigte Theorien und theoretische Modelle zur Modellierung des Erklärungs- bzw. Prognosemodells herangezogen.
Quelle: Behrens 1991, 13 Abbildung 5: Forschungsansätze in der Konsumentenforschung Diese theoretische Grundlage findet sich im Konsumentenverhalten. Dieses stellt seit den 60er-Jahren einen Bereich des modernen Marketings dar. In den 70er-Jahren wird dieser Bereich vor allem im deutschen Sprachraum durch Kroeber-Riel sehr vorangetrieben; dieses verhaltensorientierte Marketing stellt seitdem eine tragende Säule der Marketinglehre dar (vgl. Trommsdorff 2009, 17). Die Verhaltenswissenschaft ist der Theorie des Konsumentenverhaltens
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übergeordnet. Die Konsumentenforschung kann als interdisziplinär bezeichnet werden, da sie vor allem den sozialwissenschaftlichen Fächern wie Sozialpsychologie, Soziologie und Ökonomie entspringt. Ihr Erkenntnisobjekt ist das Individuum (vgl. Trommsdorff 2009, 15 und 18). Das Konsumentenverhalten, speziell aber das Zahlungsverhalten kann vor allem schwerpunktmäßig dem Handelsmarketing zugeordnet werden. Erst wenn im Austausch für Produkte und Dienstleistungen ein Preis zu zahlen ist, kann von Zahlungsverhalten im Sinne der vorliegenden Arbeit gesprochen werden. Ohne Handel wäre somit der Zahlungsprozess selbst nicht notwendig. Aus diesem Grund kann als Basis das Handelsmarketings erkannt werden. Die Geburtsstunde des Handelsmarketing kann mit dem einsetzenden Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt gesehen werden. Als Verkäufermarkt wird ein Markt bezeichnet, indem dem Verkäufer eine überlegene Position obliegt. Der Wandel hin zum Käufermarkt fand erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts statt (vgl. Ahlert/Kenning 2007, 11). Der Konsument kann heute meist zwischen einer Vielzahl von Anbietern wählen und erst dadurch wurde Handelsmarketing notwendig. Die Marketingaktivitäten des Handels werden demnach als Handelsmarketing subsumiert. In der Praxis wird oftmals auch das handelsbezogene Marketing von Herstellern als Handelsmarketing bezeichnet. Der Begriff umfasst jedoch laut Definition von Olbrich (2006, 289) „alle an den Marketingzielen orientierten Maßnahmen eines Handelsunternehmens, die sowohl auf eine gezielte Beeinflussung der Kaufentscheidungen potenzieller Abnehmer als auch auf eine Beeinflussung der Verkaufsentscheidungen potenzieller Lieferanten gerichtet sind“. Folglich stellt das (Handels-) Marketing die theoretische Grundlage der vorliegenden Arbeit dar. Die Spezialisierung erfolgt in einem Teilbereich der Konsumentenforschung, dem Forschungsbereich Zahlungsverhalten (siehe Abbildung 6).
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Abbildung 6: Einordnung des Zahlungsverhaltens In der Wissenschaftstheorie unterscheidet man drei Untersuchungsbereiche (vgl. Reichenbach 1952, 7; Atteslander 2003, 19 und 56 ff.), in welche auch der Argumentationsprozess der vorliegenden Arbeit eingegliedert werden kann: x Entdeckungszusammenhang x Begründungszusammenhang x Verwendungszusammenhang Reichenbach (1952, 7) unterscheidet zwischen Entdeckungszusammenhang (context of discovery) und Begründungszusammenhang (context of justification). Man versteht unter Entdeckungszusammenhang den Anlass, der zu einem Forschungsprojekt geführt hat (vgl. Friedrichs 1990, 50). Warum dieses Problem überhaupt untersucht werden soll, ist eine der wichtigsten Fragen in dieser Phase. Einen wesentlichen Anteil daran, wie umfangreich ein Problem untersucht werden kann, sind die zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln. Im Rahmen dieser muss versucht werden, das Problem sinnvoll und exakt zu untersuchen (vgl. Friedrichs 1990, 52). Der Abschnitt A kann somit dem Entdeckungszusammenhang zugeordnet werden. In diesem Abschnitt wurde das Forschungsproblem dargestellt und die Forschungsfragen formuliert. Auch die Vorgehensweise wurde dargelegt. Der Begründungszusammenhang umfasst die methodologische Vorgehensweise, welche zur genauen Untersuchung des wissenschaftlichen Problems notwendig ist. Die Hypothesen sollen möglichst genau, nachvollziehbar und objektiv überprüft werden. Vorab muss geprüft werden, ob und welche Studien zum vorliegenden Problem bereits durchgeführt wurden und ob bereits Theorien
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oder Modelle zur Erklärung des Problems existieren. Hypothesen werden aus diesem bereits vorliegenden Material oder exploratorisch abgeleitet. Dies erfordert die Definition von relevanten Begriffen (Operationalisierung). Nachdem über die geeignete(n) Methode(n) entschieden wurde, werden Entscheidungen über Stichprobe und etwaige Prüfverfahren getroffen. Abschließend folgen die Feldphase sowie die Durchführung der Auswertungen (vgl. Friedrichs 1990, 52 ff.). Die Abschnitte B, C und D dieser Arbeit können somit dem Begründungszusammenhang zugeordnet werden. In diesen Abschnitten erfolgen die Erläuterung der begrifflichen und konzeptionellen Grundlagen und die Aufarbeitung von Theorien und theoretischen Modellen, die als Ansatz zur Erklärung des Zahlungsverhaltens geeignet sind. Abschnitt D umfasst die Erklärung und Durchführung der Feldphase sowie die Ableitung, Formulierung und Überprüfung der Hypothesen. Betrachtet man nun Entdeckungs- und Begründungszusammenhang wird augenscheinlich, dass der Verwertungszusammenhang ergänzt werden muss (vgl. Friedrichs 1990, 50). So finden sich in der Literatur zahlreiche Verweise, dass der Verwertungszusammenhang, vor allem der praxisorientierte oftmals nicht erkennbar ist oder gänzlich fehlt (vgl. Nicolai 2004; Simon 2008; Fincham/Clark 2009). Zwar begreift sich die betriebswirtschaftliche Forschung als angewandte Wissenschaft, dennoch wird gegenwärtig international eine kritische Diskussion zum immer tiefer werdenden Graben zwischen der wissenschaftlichen Qualität (rigour) und der Relevanz für die Praxis (relevance) geführt (vgl. Nicolai 2004; Zell 2005; Oesterle 2006). Im Abschnitt E dieser Arbeit wird auf ebendiesen Verwertungszusammenhang im Detail eingegangen. Der Abschnitt umfasst die Beantwortung der Forschungsfragen, die Ableitung von Implikationen für Forschung und Praxis sowie einen Ausblick auf weitere Forschungstätigkeiten in diesem Bereich. Auch etwaige Limitationen der durchgeführten Studien werden dem Verwertungszusammenhang zugerechnet und somit in diesem Abschnitt behandelt. In der vorliegenden Arbeit wird ein Strukturgleichungsmodell zur Erklärung des KonsumentInnenverhaltens herangezogen. Strukturmodelle sind S-OR-Modelle, die versuchen, Vorgänge, die im Organismus (Individuum) ablaufen, über hypothetische Konstrukte zu ordnen und zu strukturieren (vgl. Meffert 1992, 29). Es wird versucht, das Zusammenwirken von relevanten Konstrukten in eine logische, empirisch überprüfbare Struktur zu bringen und damit im Individuum ablaufende Prozess zu beschreiben, zu erklären und zu messen. Zuvor jedoch müssen alle verwendeten theoretischen Konstrukte eindeutig operationalisiert werden. Nur dann ist eine Verwendung solcher Modelle sinnvoll (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, 35 f.). Indikatoren für die Güte der durchgeführten Operationalisierungen sind Validität, Reliabilität und Objektivität (vgl. Berekoven et al. 2006, 87 f.). Nur unter Berücksichtigung und Offenlegung
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dieser Güteindikatoren kann man sich der Kritik des mangelnden Begründungszusammenhangs zwischen den verwendeten Konstrukten und dem tatsächlichen Verhalten entziehen. Der Stimulus-Organismus-Response-Ansatz (S-O-RAnsatz) nimmt in der empirischen Konsumentenforschung eine zentrale Rolle ein und wird auch als neobehavioristisches Forschungsparadigma bezeichnet (vgl. Behrens 1991, 17 f.). Der Neobehaviorismus ist die Weiterentwicklung des Behaviorismus, dessen Grundlage das Stimulus-Response-Konzept (S-RKonzept) mit dem Organismus als Blackbox ist (vgl. Trommsdorff 2009, 152). Mit Strukturgleichungsmodellen wird versucht kausale Zusammenhänge aufzudecken. Die Kausalanalyse ist ein Verfahren zur Untersuchung komplexer Wirkungszusammenhänge und die Besonderheit dabei ist, dass simultan das Strukturmodell und die Messmodelle geschätzt werden können (vgl. Simon 2008, 75). Um Forschungsergebnisse adäquat interpretieren zu können, ist es außerdem notwendig, die einschränkenden Annahmen der Forschungsansätze zu kennen sowie die inhaltlichen Auswirkungen zu erfassen (vgl. Behrens 1991, 2). Mit diesem Kapitel wird dieser Forderung nachgekommen. Die Bedeutung für Forschung und Praxis kann als hoch erachtet werden. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es nahezu keine Erkenntnisse über das Zahlungsverhalten (vgl. Judt 2005, 229; Schreft 2006, 18). Über das Verhältnis von Bargeld und den bargeldlosen Zahlungsmodalitäten gibt es umfangreiche Studien von Mooslechner, Stix und Wagner aus den Jahren 2006, 2002 und von Mooslechner und Wehinger aus dem Jahr 1997 (Mooslechner/Stix/Wagner 2006 und 2002; Mooslechner, Peter/Wehinger, Gert 1997). Diese wählen den Ansatz der Analyse von Zahlungstagebüchern und betrachten somit den Prozess aus Käufersicht. Für die letzte dieser drei Studien wurden Daten von 1.204 Personen gesammelt. Diese Personen haben im Untersuchungszeitraum von einer Woche 14.075 Zahlungstransaktionen in einem Wert von 375.559 Euro getätigt (vgl. Mooslechner et al. 2006, 127). In den beiden Vorstudien dieser Arbeit wird ein neuer Zugang gewählt und die Daten werden aus Unternehmersicht erhoben. Auch in diesem Fall kann man einen Mixed-Methods-Zugang (ebenfalls sequenziell) orten, da sich die Hauptstudie mit dem Erkenntnisgewinn aus der Unternehmersicht wieder an die KäuferInnen wendet. Auch wird mit diesem Ansatz gleichzeitig eine Vielzahl an KundInnendaten erhoben, und zwar mehr als direkt befragbar wären. Ein Unternehmen hat täglich viele KundInnen, die den Zahlungsvorgang am stationären PoS abschließen. Werden nun die Unternehmer befragt, wie ihre KundInnen zahlen, werden somit gleichzeitig Daten von allen Kunden, die im letzten Jahr dort gezahlt haben, erhoben. Damit kann davon ausgegangen werden, dass dieser Zugang einen höheren Erkenntnisgewinn in Bezug auf die Beschreibung des Zahlungsverhaltens bringen kann.
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Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Die begrifflichen und konzeptionellen Grundlagen dienen als formaler Bezugsrahmen für die vorliegende Arbeit. Die theoretische Basis wird in diesem Kapitel aufbereitet und zentrale Begriffe und Konstrukte werden bestimmt. 2.1
KonsumentInnenverhalten im Kaufprozess
Es liegen unterschiedliche Kategorisierungsansätze zur Analyse des Kaufverhaltens vor, welche je nach Art der Problemstellung zu wählen sind. Eine traditionelle Differenzierungsmöglichkeit folgt unterschiedlichen Güterkategorien, welche nach der nachfragenden Einheit, private Haushalte oder Organisationen, eingeteilt werden. Von privaten Haushalten werden dem folgend grundsätzlich Konsumtiv- bzw. Konsumgüter nachgefragt, während Organisationen Produktiv- bzw. Industriegüter nachfragen. Die Konsumgüter lassen sich weiter in Geund Verbrauchsgüter aufteilen und die Industriegüter in Produktions- und Investitionsgüter (vgl. Foscht/Swoboda 2007, 19). Die Konsumgüter, die oft auch als materielle Güter bezeichnet werden, können weiter nach Kaufgewohnheiten in Convenience Goods, Shopping Goods, Speciality Goods und Unsought Goods oder im Handel auch Fashion Products unterteilt werden (vgl. Meffert 1992, 44; McCarthy/Perreault 1993, 260 ff.; Boone/Kurtz 1999, 374 ff.; Gilbert 2003, 61; Kotler/Keller 2006, 374) oder nach Art der Kaufentscheidung, welche nach dem Grad der kognitiven Steuerung, d.h. nach echten und habitualisierten Kaufentscheidungen (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, 410) gegliedert sind. Unter echten Kaufentscheidungen versteht man extensive, vereinfachte und limitierte Entscheidungen. Habituelle sowie impulsive Entscheidungen spiegeln das Gewohnheitsverhalten wider (vgl. Foscht/Swoboda 2007, 20). Somit lassen sich diese Typologien nach den drei voneinander abhängigen Kriterien kognitiv, affektiv und reaktiv charakterisieren. Die dominanten Prozesse bei extensiven Kaufentscheidungen sind affektiver und kognitiver Natur, während bei limitierten Entscheidungen kognitive Prozesse überwiegen. Habitualisierte wiederum werden von reaktiven und impulsive Entscheidungen vorwiegend von affektiven und reaktiven Prozessen beeinflusst (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, 411). Dieser Gliederung folgt die Literatur weitgehend (vgl. Meffert 1992; Blackwell et al. 2001; Bänsch 2002; Kotler et al. 2007; Kroeber-Riel et al. 2009; Trommsdorff 2009). Da der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit das Konsumentenverhalten privater Haushalte ist, wird auf das Kaufverhalten von Organisationen in diesem Zusammenhang nicht weiter eingegangen. Näheres dazu bei Webster (1972), Baker (2001), Lewin/Donthu (2005), Borghini et al. (2006), u. v. m. Im Zentrum
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Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
der verhaltenswissenschaftlichen Analyse des Konsumentenverhaltens steht nun die individuelle (komplexe) Kaufentscheidung. Der Kaufentscheidungsprozess selbst kann als Total- oder Partialmodell dargestellt werden. Grundsätzlich dienen Modelle zur Beschreibung bzw. Abbildung und Analyse von Strukturen und Abläufen und zeichnen sich durch Abstraktion aus, in welcher systematisch ausgewählte Variablen zueinander in Beziehung gesetzt werden. Die historisch jüngeren, abbildungsmächtigeren Totalmodelle (Mazanec 1978, 40) versuchen das Konsumentenverhalten möglichst als Ganzes zu erfassen und abzubilden. Die Modelle von Blackwell et al. (2001) und Howard und Sheth (1969) repräsentieren solche Totalmodelle (vgl. Foscht/Swoboda 2007, 25). Im Gegensatz dazu bilden Partialmodelle nur einen situationsbezogenen Realitätsausschnitt ab und werden überwiegend zur Abbildung des Einflusses von bestimmten Determinanten auf die Phasen des Kaufentscheidungsprozesses angewendet (vgl. Scheuch 2007, 74 f.). An beiden gibt es etliche Kritikpunkte in der Literatur zu finden. Zum einen, dass Totalmodelle meist von extensiven Kaufentscheidungen ausgehen und Faktoren wie Gefühl außer Acht lassen (vgl. Trommsdorff 2009, 26 f.), zum anderen die hohen, kaum verwirklichbaren Anforderungen an die Datenbeschaffung (vgl. Mazanec 1978, 41). Der Vorteil eines Totalmodells liegt darin, dass die Ausgliederung möglicher Teilsysteme und deren getrennte Betrachtung möglich ist und diese später auch wieder integrierbar sind (vgl. Mazanec 1978, 44). Sie integrieren verhaltenswissenschaftliche Konzeptionen und Theorien, die anderen falls unverbunden nebeneinander bestehen, und bieten damit einen Bezugsrahmen für empirische Erkenntnisse über das Konsumentenverhalten (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, 417 f.). Es besteht allerdings Konsens darüber, dass Partialmodellen wegen der Möglichkeit, situationsgerecht auf die Kaufentscheidung einzugehen, der Vorzug gegenüber Totalmodellen zu geben ist (vgl. Foscht/Swoboda 2007, 28). Die Kritik wiederum an Partialmodellen resultiert eben genau daraus, dass sie nur einen kleinen Abschnitt der Wirklichkeit abbilden können und so eventuelle wichtige Faktoren außer Acht lassen. Beispiele für sogenannte Partialmodelle sind kompositionelle Modelle wie das Fishbein-Modell (Fishbein/Ajzen 1975) und seine Erweiterungen (siehe nachfolgend „Theory of reasoned Action“, „Theory of planned Behavior“) oder das Ideal-Punkt Modell (Trommsdorff 2009, 150 ff.). Kompositionell bedeutet, dass einzelne Attribute getrennt beurteilt und diese Teilbeurteilungen anschließend zu einer Gesamtbeurteilung zusammengefasst werden. Dagegen wird bei dekompositionellen Modellen eine ganzheitliche Beurteilung vorgenommen bzw. werden diese in eine Rangreihenfolge gebracht. Es erfolgt anschließend eine Dekomposition des Globalurteils in einzelne Merkmalsurteile, sodass sie sich aus den angenomme-
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
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nen merkmalsbezogenen Urteilen möglichst genau wieder berechnen lassen (Schnedlitz 1985b; Sattler 1998; Kroeber-Riel et al. 2009; Trommsdorff 2009). Ein Beispiel dafür stellt die Conjoint-Analyse dar. Kritik an den kompositionellen Modellen wird dahingehend geübt, dass der Konsument im realen Kaufentscheidungsprozess für eine Dienstleistung oder ein Gut vollständige Produktalternativen miteinander vergleicht und nicht nur einzelne Merkmalsausprägungen. Auch beeinflusst die Anzahl der zu bewertenden Eigenschaften stark das Gesamturteil. Während der Konsument bei kompositionellen Verfahren immer nur eine Eigenschaft bewerten muss, ist bei dekompositionellen Verfahren die hohe kognitive Anforderung an den Probanden ein Kritikpunkt, auch die eventuell vorhandene Interaktion zwischen einzelnen Produkteigenschaften ist nur mehr schwer einschätzbar (zu Darstellungen von umfangreichen Conjoint-Studien siehe Hennig-Thurau et al. 2007b; Zopf 2008). Etliche Autoren haben sich dem empirischen Vergleich der beiden Methoden gewidmet. Eine chronologische und nach Gütemaß sortierte Auswahl von Vergleichsstudien sowie eine ausführliche Diskussion zum Thema kompositionelle vs. dekompositionelle Methoden findet sich bei Christl (2007, 161) sowie auch bei Hensel-Börner (2000, 33 ff. und 45 ff.), die empirische Vergleiche zwischen dekompositionellen Verfahren und zwischen der ConjointAnalyse und der Self-Explicated-Methode vornimmt. Grundsätzlich gilt es anzumerken, dass je nach Problemstellung und Forschungsschwerpunkt abzuwägen ist, welches Modell geeigneter zur Anwendung erscheint. In der vorliegenden Arbeit wurde die Entscheidung für ein kompositionelles Partialmodell getroffen. Die Theorien hinter diesen Modellen werden in den folgenden Kapiteln (siehe Abschnitt 2) im Detail erläutert. Da sich die Arbeit mit einem Teilprozess der Kaufentscheidung auseinandersetzt und diesen versucht bestmöglich zu erklären, fiel die Wahl zugunsten eines Partialmodells. Kurios ist allerdings, dass dieser Teilprozess oder diese Teilphase, die als "Entscheidung über das Zahlungsmittel" bezeichnet werden kann, kaum in den geläufigen Abbildungen des Kaufentscheidungsprozesses Erwähnung findet. Kotler und Keller (2006, 214 f.). haben erst in der letzten englischsprachigen Auflage die "Payment method" (siehe Abbildung 7) im "Model of Consumer Behavior" unter der "Purchase Decision"-Phase eingefügt. Im Stufenmodell der Kaufentscheidung von Homburg/Krohmer (2007, 103) werden nur die vorgelagerten Entscheidungsstufen, nicht aber die Entscheidung über das Zahlungsmittel erwähnt. Kotler und Keller (2006, 214 f.) beschreiben, dass in der Ausführungsphase der Kaufabsicht der Konsument nach der Produktentscheidung bis zu fünf weitere Sub-Entscheidungen treffen muss. Dies könnte bei einem Computer die Marke "Apple" sein, der Händler „A“, die Menge "ein Stück", der Zeitpunkt "Samstagvormittag" und das Zahlungsmittel "Kreditkarte".
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Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Quelle: Kotler/Keller 2006, 184 Abbildung 7: Model of Consumer Behavior Nach Meinung der Autorin ist gerade diese Stufe eine essenzielle. Hat sich der/die KäuferIn zum Kauf entschieden, kann aber den Kauf nicht abschließen, weil er/sie beispielsweise die notwendigen Bargeldressourcen, die zum Kauf der gewünschten Dienstleistung oder des gewünschten Gutes notwendig sind, nicht mit sich führt, kann der ganze Kaufentscheidungsprozess vergebens gewesen sein. Der Kauf wird dann entweder gar nicht getätigt, erfolgt in einer anderen Einkaufsstätte oder der/die KäuferIn muss zuerst Bargeld beim nächsten Geldautomat oder in der nächsten Bank abheben. Letzteres trägt unter keinen Umständen zu einer höheren Zufriedenheit mit der Einkaufsstätte bei, auch wenn sich der nächste Automat unmittelbar vor dem Geschäftslokal befindet. Kritisch anzumerken ist deshalb, dass eine wesentliche Phase des Kaufprozesses bislang in der Theorie wenig Berücksichtigung gefunden hat. Das Stufenmodell der Kaufentscheidung sollte somit um diese Stufe, wie in Abbildung 8 vorgeschlagen, erweitert werden. Derzeit erfasst es vier Stufen der Kaufentscheidung. Zu Beginn steht die Grundsatzentscheidung über Kauf oder Nichtkauf unter Berücksichtigung von endlichen Ressourcen. Dem folgt die Entscheidung über die Produktkategorie und dann die Auswahl eines konkreten Produktes bzw. einer bestimmten Marke. Die letzte Stufe betrifft die Entscheidung über die Menge (Homburg/Krohmer 2007, 103 f.). Im Anschluss an diese Entscheidung ist allerdings noch die Entscheidung über das gewünschte Zahlungsmittel zu treffen. In diesem Schritt ist es durchaus noch möglich, dass der Prozess vorzeitig abgebrochen und der Kauf nicht getätigt wird. Gründe dafür können sein, dass das gewünschte Zahlungsmittel nicht akzeptiert wird und der/die KäuferIn nicht genug Bargeld mit sich führt bzw. kein anderes Zahlungsmittel wie zum Beispiel eine Debitkarte zur Verfügung hat. Folglich kann der Kauf nicht sofort abgeschlossen werden, sondern es muss zuerst für die notwendigen Bargeldmittel gesorgt werden. Dadurch kann der Kaufprozess erst zu einem späteren Zeitpunkt abgeschlossen werden oder der Kauf wird in einer anderen Einkaufsstätte durchgeführt, die das bevorzugte Zahlungsmittel akzep-
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
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tiert. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Einkauf gar nicht getätigt wird und somit alle Bemühungen der kompletten Prozesskette vergeblich waren. Dabei ist natürlich die Art der Kaufentscheidung zu berücksichtigen. Bei einer extensiven Kaufentscheidung, bei welcher vor allem das kognitive Involvement hoch ist, wird unter Umständen anders gehandelt, als bei einer habitualisierten Kaufentscheidung, welche eher niedrigen kognitiven Involvement bedarf (Homburg/Krohmer 2007, 105 f.).
Erweitert von Homburg/Krohmer 2007, 103 Abbildung 8: Erweiterung des Stufenmodells der Kaufentscheidung In diesem Kaufentscheidungsprozess ist die Beteiligung von mehreren Personen möglich. Sheth/Mittal (2004, 275 ff.) unterscheiden Buyer (KäuferIn), User (VerwenderIn) und Payer (ZahlerIn), während Kotler et al. (2007, 291 f.) fünf mögliche Rollen in den Prozess mit einbeziehen. Diese sind der Initiator (InitiatorIn), Influencer (EinflussnehmerIn), Decider (EntscheidungsträgerIn), Buyer (KäuferIn) und User (BenutzerIn). In letzterer Einteilung ist der/die KäuferIn die Person, die den Kauf tatsächlich ausführt und auch die Entscheidung über die Zahlungsalternative treffen muss. Auch der Zahlungsprozess lässt sich in mehrere einzelne Prozessschritte einteilen. Teller (2002, 315 ff.) hat in seiner Arbeit über Bargeldlogistik in Form eines Beobachtungsprotokolls ein Prozessdiagramm eines idealtypischen Transaktionsablaufs bei Zahlung mit Bargeld erstellt. Am Anfang steht die Berechnung des zu zahlenden Rechnungsbetrages, dann die Entscheidung des Kunden, ob er mit Bargeld oder einer Zahlungskarte den offenen Betrag begleicht. Bei Zahlung mittels Bargeld erfolgt dann vom Kassenpersonal die Übernahme des gegebenen Bargeldbetrages, die Berechnung des Rückgeldes, die Übergabe des Rückgeldes und die Übergabe der Rechnung. Bei Entscheidung des Kunden für ein bargeldloses Zahlungsmittel kann primär zwischen Prepaid-, Debit-, Kreditkarte oder Quickfunktion unterschieden werden. Debitkarten werden wie alle Kartenzahlungen über ein PoS-Terminal abgewickelt, das die Gültigkeit der Karte und die Richtigkeit der vom Karteninhaber eingegebenen persönlichen Identifikationsnummer (PIN) prüft. Es wird auch geprüft, ob der Nutzer der Karte berechtigt ist, über den Zahlungsbetrag mit seiner Karte zu verfügen (vgl. PayLife 2009a, 30). Bei der Zahlung mit QuickFunktion wird zuerst kontrolliert, ob die elektronische Geldbörse ausreichend geladen ist, um die gewünschte Zahlung abzuwickeln. Wenn dies der Fall ist,
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Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
kann die Zahlung ohne Eingabe von PIN oder einer Unterschrift erfolgen (vgl. PayLife 2009a, 36). Bei der Zahlung mit Kreditkarte kann der Kunde bei Zahlung zwischen Eingabe einer PIN oder mittels Unterschrift wählen. Bei letzterem Verfahren sollte grundsätzlich vom Kassenpersonal geprüft werden, ob der Unterschriftsstreifen auf der Rückseite der Karte die Unterschrift des Karteninhabers trägt, ob das Verfallsdatum bereits überschritten ist und ob die Kreditkartennummer auf der Sperrliste aufscheint. Je nachdem, ob der Zahlvorgang über einen Imprinter oder ein PoS-Terminal durchgeführt wird, sind Kontrollschritte notwendig (vgl. PayLife 2009a, 12 f.). Nach der durchgeführten Zahlung ist die Transaktion abgeschlossen. Dem Kauf folgen Nutzung und die Bewertung des gekauften Produktes nach dem Kauf. Diese Bewertung der Kaufalternativen nach dem Kauf führt zu Zufriedenheit oder zu Unzufriedenheit. Diese Phase findet man unter anderem bei Blackwell et al. (2001, 83). Das Erklärungsmodell von Blackwell et al. (2001) stellt ein Totalmodell dar, dass das Zusammenwirken der psychischen Vorgänge zur Entscheidungsfindung beschreibt. Für Beschwerden von unzufriedenen Kunden ist ein geeignetes Beschwerdemanagement von Vorteil. Beschwerden können angesehen werden als „Artikulationen von Unzufriedenheit, die gegenüber Unternehmen oder auch Drittinstitutionen mit dem Zweck geäußert werden, auf ein subjektiv als schädigend empfundenes Verhalten eines Anbieters aufmerksam zu machen, Wiedergutmachung für erlittene Beeinträchtigungen zu erreichen und/oder eine Änderung des kritisierten Verhaltens zu bewirken“ (Stauss/Seidel 2007, 49). Nach einer Beschwerde eines Kunden, kann es unter Umständen auch zu einer Rückzahlung des bezahlten Rechnungsbetrages kommen, wenn der Unternehmer beispielsweise eine Geld-zurückGarantie ausgesprochen hat (vgl. Hinterhuber/Bieger 2004, 245). Dabei kommt es meist auf das von Kunden gewählte Zahlungsmittel an, ob der Betrag bei Bezahlung mit Zahlungskarte wieder rücküberwiesen oder der Betrag in bar ausbezahlt wird. Auch diese Zahlungstransaktion hat die gleichen Möglichkeiten wie die Transaktion von Kunde zum Unternehmen. Wie bereits zu Beginn erwähnt, ist es äußerst schwierig, diesen gesamten Entscheidungsprozess in allen Einzelschritten abzubilden und somit ein Totalmodell zur Erklärung zu entwickeln. Außerdem wird das Modell für den Zahlungsprozess komplex, auch wenn es sich dabei bereits um ein Partialmodell handelt, da es nur mehr eine Phase eines übergeordneten Prozess erklärt. Das Zahlungsverhalten ist wie jedes menschliche Verhalten zu komplex, um es in seiner Gesamtheit abzubilden. Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit nicht der Anspruch erhoben, ein Totalmodell zur Erklärung des Zahlungsverhaltens zu entwickeln. Vielmehr soll darauf Wert gelegt werden, die
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
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einflussreichsten Determinanten des Zahlungsverhaltens zu identifizieren und diese möglichst detailliert darzustellen. Dazu werden im Abschnitt 3 mögliche theoretische Ansätze diskutiert, die zur Beantwortung der Forschungsfrage und somit zur Erklärung des Zahlungsverhaltens beitragen können. Vorab erfolgt im nächsten Kapitel die Operationalisierung des Begriffes „Zahlungsmittel“, da eine eindeutige Definition für das Verständnis dieser Arbeit wesentlich ist. 2.2
Zahlungsmittel
Funktionsfähige Zahlungsverkehrssysteme sind notwendige Voraussetzungen innerhalb einer Volkswirtschaft, welche sich, historisch gesehen, von der Tauschwirtschaft über die Geldwirtschaft hin zur Kreditwirtschaft entwickelt haben (vgl. Nentwich et al. 1993, 21; Obst/Hintner 2000, 72). Unter dem Begriff Zahlungsverkehr werden alle Zahlungstransaktionen subsumiert, die eine einzelne Person tätigt, und man unterscheidet je nach eingesetztem Zahlungsmittel (siehe Abbildung 9) zwischen bar, halbbar oder bargeldlos (vgl. Krumnow et al. 2002, 1439).
Quelle: in Anlehnung an Obst/Hintner 2000, 72 ff.; Grill/Perczynski 2006, 109 Abbildung 9: Einteilung der Zahlungsmittel Eine Barzahlung stellt die Übergabe von Banknoten und Münzen dar, halbbare Zahlungen werden geleistet, wenn nur ein Beteiligter ein Bankkonto unterhält und bargeldlose Zahlungen erfolgen durch Überweisung oder Lastschriftverfahren sowie durch Zahlung mit Zahlungskarte (vgl. Grill/Perczynski
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Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
2006, 109). Ein Kriterium zur Einteilung von Zahlungskarten ist die unterschiedliche Liquiditätswirkung, die sie für den Konsumenten haben. Demnach kann man zwischen Debit- und Kreditkarten sowie Wertkarten (auch Pre-PaidKarten genannt) unterscheiden (vgl. Obst/Hintner 2000, 68). Debitkarten unterscheiden sich von Kreditkarten dahingehend, dass bei Debitkarten das Konto des Inhabers umgehend belastet wird, wohingegen bei Zahlung mit Kreditkarte grundsätzlich eine monatliche Abbuchung erfolgt (vgl. Obst/Hintner 2000, 69 und 81; Hartmann, 2000, 35). Es gibt zwei Arten von Kreditkarten. Bei der Chargekarte kann der Besitzer den offenen Betrag innerhalb einer vereinbarten Frist begleichen und bei der Revolving Card wird der Betrag in Raten abbezahlt (vgl. OeNB 2009c). Bereits seit 1980 werden Debitkarten in Österreich ausgeben (vgl. PayLife 2007). Beispiel für eine Debitkarte in Österreich ist die Maestro-Karte. Die Bekanntheit dieser Debitkarten unter der Bezeichnung „Bankomatkarte“ ist mit 95 Prozent sehr hoch. Unter den Marken „Maestro“ bzw. „Visa Electron“ (jetzt V-Pay) kennen immerhin noch 71 Prozent (vgl. OeNB 2007, 3) diese Debitkarten. Das Jahr 1950 kann als das Geburtsjahr der Kreditkarte bezeichnet werden. Als der New Yorker Geschäftsmann Frank McNamara in einem Restaurant seine Rechnung begleichen wollte, stellte er fest, dass er zu wenig Bargeld mit dabeihatte. Aus dieser peinlichen Situation heraus entstand das Konzept der T&E card (travel and entertainment) mit jährlicher Gebühr, Disagio, Zahlung am Ende der Abrechnungsperiode und ohne vorgegebener Ausgabenobergrenze (vgl. Worthington 2001, 486 f.). Zwölf Jahre später (1962) wurde die Diners Club als erste Kreditkarte am österreichischen Markt eingeführt (vgl. DinersClub 2007a). Die Kreditkarte Mastercard startete 1980 fast 20 Jahre später als Eurocard (vgl. PayLife 2007). Im April 1980 folgten Visa-Kreditkarten und die Zentralsparkasse (heute Bank Austria Creditanstalt AG) beginnt mit der Akquisition von Vertragspartnern (vgl. CardComplete 2007). 1985 folgte American Express mit seiner ersten Kreditkarte am österreichischen Markt (vgl. AmericanExpress 2007). Diese vier Kreditkarten dominieren heute den österreichischen Kreditkartenmarkt und haben hohe Bekanntheitswerte. 87 Prozent der, im Rahmen einer von der OeNB beauftragten Monitoring-Studie im zweiten Quartal 2007 Befragten kennen die Kreditkarte Visa und 82 Prozent kennen MasterCard. Die Kreditkarten Diners Club und American Express folgen mit einer Bekanntheit von 71 und 70 Prozent (vgl. OeNB 2007, 3). Pre-Paid-Karten kennzeichnet, dass die Bezahlung vor der Leistungserbringung liegt (vgl. Nentwich et al. 1993, 102). Ein bestimmter Geldbetrag wird auf die Karte aufgeladen und kann in kleineren Teilbeträgen je nach Höhe des Rechnungsbetrages abgebucht werden. Prepaid-Cards finden beispielsweise
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
25
Verwendung als (Mobil-) Telefonwertkarten (vgl. Wenninger/Laster 1995, 1), als Geschenkkarten, welche im ausgebenden Handelsunternehmen eingelöst werden können (vgl. Furletti 2004, 2), oder sie werden von Unternehmen als Kundenbindungsinstrument genutzt. Auch von Veranstaltern werden diese zu Werbezwecken ausgegeben, wie beispielsweise von den Veranstaltern des FIFA World Cup 2006. Die Anzahl der ausgegebenen Pre-Paid-Karten kann nur sehr ungenau geschätzt werden, da dieser Bereich der Zahlungskarten so mannigfaltig ist. Statistiken zu Debit- und Kreditkarten sind jedoch vorhanden. In Österreich werden grundsätzlich zwei Debitkarten ausgegeben. Die am weitesten verbreitete ist die Maestro-Debitkarte. Die zweite Debitkarte ist von Visa, die V-Pay Card. Sie ist in Österreich zahlenmäßig noch nicht relevant. Die Ausgabe dieser Debitkarte soll allerdings in den kommenden Jahren forciert werden. Visa ist zweifellos daran interessiert und mit dem Jahr 2009 wird am deutschen Markt bereits damit begonnen. 84 Prozent der ÖsterreicherInnen ab 15 Jahren besitzen eine Zahlungskarte. Nahezu alle davon haben eine Karte mit Bankomatfunktion. Nur ein Viertel hat eine Kreditkarte und 21 Prozent wissen um die Nutzungsmöglichkeit der Quick-Funktion. Handelskundenkarten mit Zahlungsfunktion besitzen laut eigenen Angaben 12 Prozent der Befragten (siehe Tabelle 1). Auf Grundlage der Studie der OeNB (vgl. OeNB 2008a) liegt die Vermutung nahe, dass demografische Merkmale Einfluss darauf haben, ob jemand eine Zahlungskarte besitzt. Das Segment zwischen 30 und 44 Jahre mit Matura oder Hochschulabschluss und einem monatlichen Nettoeinkommen über 1200 Euro besitzt jeweils die höchste Anzahl an Zahlungskarten. Auch haben 10 Prozent mehr Männer als Frauen Kreditkarten. Zwischen 18 und 35 Prozent, je nach Altersgruppe, geben an, eine Kreditkarte zu besitzen. Vergleicht man diese Angabe mit der Anzahl ausgegebener Kreditkarten ist offensichtlich, dass einige Personen in Österreich mehrere Kreditkarten besitzen müssen. Es leben ungefähr 8,3 Mio. Menschen in Österreich. Umgelegt auf 2,45 Mio. Kreditkarten müssten somit 30 Prozent eine Kreditkarte besitzen. Laut Studie sind es 26 Prozent (siehe Tabelle 1). In der Altersgruppe 30 bis 44 Jahre besitzen 93 Prozent der Befragten eine Zahlungskarte, hingegen in der Altersgruppe über 60 Jahre nur 68 Prozent. Auch beim Bildungsniveau ist die Verteilung ähnlich. 58 Prozent der Befragten, die als höchste abgeschlossene Ausbildung die Pflichtschule angaben, besitzen eine Zahlungskarte, während 96 Prozent der Maturanten bzw. Hochschulabsolventen eine Zahlungskarte haben. Weiters haben nur 6 Prozent der ersten Gruppe eine Kreditkarte, aber 48 Prozent der zweiten.
26
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
in Prozent
Zahlungskarte
Bankomatkarte
Kreditkarte
Kundenkarte
QuickFunktion
Total
84
82
26
12
21
Männer
87
85
31
12
22
Frauen
81
79
21
13
20
15-29 Jahre
86
85
18
12
28
30-44 Jahre
93
91
35
16
26
45-59 Jahre
89
88
29
13
19
Ab 60 Jahre
68
65
21
8
11
Geschlecht
Alter
Ausbildung Pflichtschule
58
57
6
8
12
Lehre
86
84
21
10
21
Fachschule Matura/ Hochschule
89
87
25
15
18
96
94
48
16
28
Nettoeinkommen (EK) Kein EK
58
56
7
9
14
bis 600 €
77
75
17
12
26
bis 900 €
73
70
12
11
16
bis 1200 €
88
87
17
14
23
bis 1650 €
94
93
27
12
18
über 1650 €
94
91
56
17
30
Quelle: OeNB 2008a, 1; 1. Quartal 2008 in Prozent; n=2000 Tabelle 1: Besitz von Karten mit Zahlungsfunktion (außer Pre-PaidKarten) Sehr ähnlich dieser Verteilung ist auch die Verteilung zwischen der niedrigsten bzw. höchsten Einkommensgruppe (siehe Tabelle 1). 58 Prozent der Probanden ohne Einkommen gaben an, eine Zahlungskarte zu besitzen, und 94 Prozent derer, die ein Nettoeinkommen über 1650 Euro erreichen. Mit 56 Prozent Kreditkarteninhabern ist die Gruppe mit einem Nettoeinkommen über 1650 Euro auch die Gruppe mit den meisten Kreditkartenbesitzern. Somit kann ein Einfluss demografischer Faktoren nicht zurückgewiesen werden. Die wesentlichsten Faktoren für den Besitz einer Zahlungskarte sind Alter, Schulbildung und Einkommen (vgl. OeNB 2008b, 1). Borzekovski und Kiser (2008, 901) bestätigen in ihrer Studie den Einfluss von Alter und Bildung nicht nur auf den
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
27
Besitz, sondern auch auf die Nutzung. Der Einfluss des Einkommens ist jedoch wesentlich geringer. Der Besitz einer Zahlungskarte bietet seinen BesitzerInnen jedoch nur die Möglichkeit, mit dieser zu zahlen. Es bedeutet nicht, dass diese Möglichkeit auch tatsächlich genutzt wird. Nur 56 Prozent der BesitzerInnen einer Debitkarte verwenden diese regelmäßig (zumindest einmal pro Woche). Unter 45Jährige benutzen dieses Zahlungsmittel deutlich häufiger als ältere Personen. Rund 75 Prozent der MaturantInnen und AkademikerInnen zahlen mindestens einmal pro Woche mit Debitkarte, allerdings nur 30 Prozent der PflichtschulabsolventInnen. 23 Prozent der Befragten geben an, zumindest einmal wöchentlich mit Kreditkarte zu zahlen, weitere 30 Prozent tun dies wenigstens einmal im Monat (vgl. OeNB 2008a, 2). Angesprochen auf die Gründe, warum sie trotz Verfügbarkeit einer Debitkarte mit Bargeld zahlen, antworten 66 Prozent der Befragten, dass es vor allem bei kleineren Beträgen praktisch und schneller ist (vgl. OeNB 2008b, 3). Dass dieses subjektive Gefühl über die Transaktionsdauer durchaus trügen kann, zeigen Studien. Wehrle (Wehrle/Schneider 2009) erzählt in seinem Vortrag zur Einführung einer VfB-Fankarte als Bezahlkarte auf dem Zahlungskartenkongress 2009, dass eine Bargeldtransaktion an der Kasse im Durchschnitt 10 Sekunden benötigt, während die im VfB-Stadium verfügbare Pre-Paid-Karte nur mehr 3,5 Sekunden zum Abschluss der Zahlung braucht. Bereits 1996 beschäftigten sich Schnedlitz/Waidacher (1996, 24) mit den Kosten der Bargeldlogistik. In der von ihnen präsentierten Formel ist ein Faktor die durchschnittliche Dauer des Zahlungsvorganges. Zellekens und Rüter (1996, 94) haben empirisch überprüft, dass die Geldbearbeitungszeit an der Kasse bei höheren Rechnungsbeträgen höher ist als niedrigeren. Begründet wurde die Hypothese mit der erhöhten Sorgfalt und Vorsicht des Kassierpersonals und auch der KäuferInnen. Beide Studien kamen damals zu dem Ergebnis, dass der Nachteil bargeldloser Zahlungssysteme im längeren Zeitaufwand bei der Transaktionsabwicklung liegen würde (vgl. Schnedlitz/Waidacher 1996, 18; Raab 1998, 64). Die Abwicklungsdauer an der Kasse bei einer Bezahlung mit Bargeld dauert im Durchschnitt 32,6 Sekunden. 16,6 Sekunden davon beträgt die Dauer für die reine Zahlungsabwicklung. Diese besteht aus der Geldübergabe und der Wechselgeldrückgabe. Die Branchenunterschiede sind sehr groß und liegen zwischen 13,8 Sekunden beim Elektroeinzelhandel und 20,3 Sekunden im Lebensmitteleinzelhandel. Generell wurde beobachtet, dass die Transaktionsdauer wesentlich von der Höhe des Einkaufs- bzw. Wechselgeldbetrages abhängt (vgl. Schnedlitz/Waidacher 1996, 10 ff.). Mit den neuen Technologien scheint jedoch auch dieser Vorgang beschleunigt worden zu sein. Borzekowski und Kiser (2008, 895 und 900) schätzen für vier gekaufte Artikel in einem Supermarkt
28
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
eine Transaktionszeit von mindestens 34,75 Sekunden bei Zahlung mit Bargeld, 50,43 Sekunden bei Zahlung mit Debitkarte, 55,13 Sekunden bei Zahlung mit Kreditkarte und 77,53 Sekunden bei Zahlung mit Scheck. Experimentell testen sie den Einfluss einer kontaktlosten Debitkarte und kommen auf eine Transaktionszeit von 20 Sekunden. Dies ist um ungefähr 15 Sekunden schneller als bei traditionellen Zahlungskarten (vgl. Borzekowski/Kiser 2008, 900). Als einen weiteren Grund für Barzahlungen gaben 58 Prozent Gewohnheit an. 46 Prozent haben eine bessere Übersicht über die eigenen Finanzen, wenn sie mit Bargeld zahlen. Anonymität ist nur für ein Viertel aller Befragten ein Grund, um mit Bargeld zu zahlen (siehe Tabelle 2). 51 Prozent der ÖsterreicherInnen geben an, dass sie je nach Situation das für sie günstigste Zahlungsmittel wählen. Dabei spielt beispielsweise die Höhe des Rechnungsbetrages eine Rolle. Kleinbeträge unter 30 Euro zahlen InhaberInnen einer Debitkarte trotzdem meist mit Bargeld, ab 50 Euro ist aber die Debitkarte das beliebteste Zahlungsmittel der Befragten. Ab ungefähr 100 Euro spielt die Kreditkarte eine zunehmend wichtige Rolle (vgl. OeNB 2008b, 3). Aber auch Gewohnheit und Unsicherheit beim Management der eigenen Finanzen werden als Gründe von Besitzern von Debitkarten für die Zahlung mit Bargeld genannt (siehe Tabelle 2). Auch die Attribute schneller, praktischer und einfacher werden dem Bargeld zugerechnet, obwohl dies wie bereits erwähnt nicht unbedingt der Realität entsprechen muss. Bei der mittlerweile großen Akzeptanz von Debitkarten im Einzelhandels- und Dienstleistungsbereich überrascht auch die Begründung, dass es zu wenige Möglichkeiten gibt, mit der Debitkarte zu zahlen. Dieser Grund wurde von 8 Prozent der Befragten genannt. Bei einer Stichprobengröße von n=2.000 sind dies immerhin ungefähr 160 Personen. Die Bargeldhaltung in der Geldbörse in Österreich ist in den letzten Jahren relativ konstant geblieben. Durchschnittlich befinden sich 59 Euro darin (vgl. OeNB 2008a, 3). Die Hälfte der Bankomatkartenbesitzer hebt durchschnittlich einmal pro Woche Geld vom Automaten ab. Die durchschnittliche Summe, die abgehoben wird, bewegt sich in einer relativ geringen Bandbreite von rund 160 bis 170 Euro. Bei einem durchschnittlichen Bargeldbestand von 32 Euro wird wieder Geld behoben. Es gibt allerdings signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Altersgruppen (vgl. OeNB 2008b, 2). Der von Frauen mitgeführte Betrag von 54 Euro ist wesentlich geringer als der der Männer. Der mitgeführte durchschnittliche Geldbetrag von Männern liegt bei 68 Euro (vgl. OeNB 2008b, 4).
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen Prozent
Gründe für Zahlung mit Bargeld
66
„das ist vor allem bei kleineren Beträgen praktischer und schneller“
58
„mache das aus Gewohnheit“
46
„habe da eine bessere Übersicht über die eigenen Finanzen“
39
„ist generell schneller“
37
„ist generell praktischer und einfacher“
34
„keine Bearbeitungsspesen bei den Zahlungen“
33
„gebe so weniger Geld aus“
25
„weil es anonym ist“
22
„Bargeld ist sicherer als eine Zahlungskarte“
17
„weil es die VerkäuferInnen lieber haben“
8
„es gibt zu wenig Möglichkeiten, mit Bankomatkarte zu zahlen“
29
Quelle: OeNB 2008b, 3 Tabelle 2: Gründe für Debitkartenbesitzer, mit Bargeld zu zahlen Der Vorteil der Liquidität gilt als zentraler Grund für den Besitz von Zahlungskarten. Darunter versteht man sowohl die Zahlungsfähigkeit im Ausland als auch die Möglichkeit der bargeldlosen Zahlung insgesamt. Eine eher untergeordnete Rolle spielen Zinsvorteile durch verzögerte Rechnungslegung, Serviceleistungen, Sicherheit und Versicherungen (vgl. Raab 1998, 64). Mittels vier Experimenten untersuchte Feinberg (1986, 354) den Einfluss von Kreditkarten auf das Kaufverhalten. Er konnte einen Anstieg der Ausgabenhöhe und der Kaufwahrscheinlichkeit feststellen sowie eine Verkürzung der Zeit des Kaufentscheidungsprozesses. Auch die Bereitschaft, höhere Preise für gleiche Produkte zu zahlen, steigt. Der bedeutendste negative Aspekt ist die Schwierigkeit der Ausgabenkontrolle, da aufgrund der zeitlichen Verzögerung der Aufstellung über die Ausgaben nicht von einer nachträglichen Kontrolle ausgegangen werden kann (Bebbington et al. 1991, 237). 2.3
Zahlungsverhalten der Konsumenten
Bargeld dominiert mit einem Anteil von 86 Prozent an den Zahlungstransaktionen und 70 Prozent Anteil am Zahlungsvolumen weiterhin als Zahlungsmittel in Österreich, aber bei deutlich sinkendem Anteil am Gesamtvolumen der Zahlungen. Die Debitkarte konnte in den letzten Jahren deutliche Zuwächse verzeichnen und hat mit einem Anteil von 12 Prozent an den Zahlungstransaktionen und 22 Prozent am Zahlungsvolumen, den zweitgrößten Anteil am gesamten Zahlungsmarkt (vgl. Mooslechner et al. 2006, 128). Diese Ergebnisse stammen aus einer Erhebung aus dem Jahr 2005 (n=2.000). Da in den letzten Jahren ein
30
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Trend Richtung Debitkarte erkennbar war, kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil der Debitkarte weiter gestiegen ist. 2008 gaben 35 Prozent der Befragten (n=1.597) an, dass sie mehrmals pro Woche mit Debitkarte bezahlen würden. 27 Prozent gaben an, dass sie ca. einmal pro Woche mit Debitkarte zahlen, und weitere 13 Prozent zahlen zumindest einmal pro Monat damit. 13 Prozent zahlen seltener und nur 11 Prozent zahlen nie mit Debitkarte (vgl. IFES 2008, 26). Zwischen Männern und Frauen gibt es nur geringfügige Unterschiede, während die Unterschiede zwischen den Altersgruppen teilweise sehr groß sind. Beispielsweise im Vergleich der beiden Gruppen 45 bis 59 Jahre und über 60 Jahre. 24 Prozent der über 60-Jährigen geben an, nie mit Debitkarte zu zahlen, während dies in der Gruppe 45 bis 59 Jahre nur 7 Prozent sind (siehe Tabelle 3). Nahezu doppelt so viele 45- bis 59-Jährige als über 60-Jährige führen an, mehrmals pro Woche mit Debitkarte zu zahlen. Fast die Hälfte der 30- bis 44-Jährigen bestätigen das ebenfalls. Auch hinsichtlich der verschiedenen Bildungsniveaus gibt es Unterschiede. Während nur 12 Prozent der Pflichtschüler angeben, mehrmals pro Woche mit Debitkarte zu zahlen, zahlen 51 Prozent der Maturanten bzw. Hochschulabsolventen mehrmals pro Woche mit Debitkarte. Jeweils ein Drittel der beiden anderen Gruppen geben ebenfalls an, mehrmals pro Woche die Debitkarte zur Zahlung zu verwenden. 31 Prozent der Pflichtschüler geben weiters an, gar nie mit Debitkarte zu zahlen, aber nur 5 Prozent der Maturanten bzw. Hochschulabgänger dies behaupten. Auch beim Nettoeinkommen kann dieser Unterschied beobachtet werden. Nur 15 Prozent der befragten Personen ohne Einkommen nutzen ihre Debitkarte mehrmals pro Woche, aber 43 Prozent der Personen mit einem Einkommen über 1650 Euro. Die jeweiligen Randgruppen liegen im Nutzungsverhalten weit auseinander (siehe Tabelle 3).
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
31
in Prozent
n=
Mehrmals pro Woche
Ca. 1 x pro Woche
Mind. 1 x pro Monat
Seltener
Gar nie
Keine
Total
1597
35
27
13
13
11
1
Männer
827
35
27
15
11
10
2
Frauen
770
36
26
12
15
12
1
Geschlecht
Alter 15-29 Jahre
382
42
25
12
10
8
2
30-44 Jahre
477
46
28
11
7
7
2
45-59 Jahre
425
30
29
17
16
7
1
Ab 60 Jahre
314
18
23
14
22
24
-
Pflichtschule
204
12
22
13
19
31
3
Lehre
606
32
26
15
14
11
2
Fachschule Matura/ Hochschule
294
33
32
16
15
4
*
493
51
25
10
8
5
*
Kein EK
105
15
31
14
21
16
3
Ausbildung
Einkommen bis 600 €
109
38
24
6
8
23
1
bis 900 €
166
33
21
11
14
20
1
bis 1200 €
185
30
27
17
13
11
*
bis 1650 €
337
37
29
15
10
9
-
über 1650 €
295
43
25
15
11
7
*
Quelle: IFES 2008, 26 f.; 2. Quartal 2008 in Prozent; n=2000 Tabelle 3: Nutzung von Debitkarten Am österreichischen Kreditkartenmarkt konnte im Jahr 2008 ein moderates Wachstum festgestellt werden. Ende Dezember 2008 waren insgesamt 2,45 Millionen Kreditkarten von Paylife, card complete, Diners Club und American Express ausgegeben (vgl. OeNB 2009a). Somit konnte ein Zuwachs von 85.708 Kreditkarten (+3,4 Prozent) gegenüber Ende 2007 verzeichnet werden. 2007 betrug der Anstieg rund 90.000 Karten oder 3,9 Prozent. 67 Millionen Mal (siehe Tabelle 4) wurden Zahlungen mit österreichischen Kreditkarten im Jahr 2008 durchgeführt (+ 4,47 Millionen Transaktionen oder +7,1 Prozent gegenüber dem Jahr 2007).
32
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Im Vergleich zum Jahr 2007 stieg die Zahl der Transaktionen um 4,47 Millionen (+7,1 Prozent). Durchschnittlich betrachtet wurden pro Transaktion 110 Euro mit Kreditkarten bezahlt (Jahr 2007: 109 Euro). Das gesamte Zahlungsvolumen 2008 betrug 7,40 Milliarden Euro. Dies bedeutete einen Anstieg um 590 Milliarden Euro oder 8,7 Prozent gegenüber dem Jahr 2007 (vgl. OeNB 2009a). Mit den ausgegebenen Kreditkarten wurden im Jahr 2008 4,53 Millionen Bargeldbehebungen getätigt. Dabei beschafften sich die Besitzer einer Kreditkarte Bargeld in Höhe von 885 Millionen Euro. Im Vergleich dazu wurde im Jahr 2007 4,06 Millionen Mal Bargeld behoben und zwar in einem Gesamtwert von 809 Millionen Euro (siehe Tabelle 4). Damit erhöhte sich die Anzahl der Abhebungen 2008 um fast eine halbe Million Euro oder 11,6 Prozent. Beim Volumen an behobenem Geld konnte ein Zuwachs von rund 80 Millionen Euro oder 9,4 Prozent festgestellt werden (vgl. OeNB 2009a). Der Anstieg der Bargeldbehebungen mit Kreditkarte bestätigt, dass Bargeld in Österreich immer noch das meistverwendete Zahlungsmittel im Einzelhandel ist (vgl. OeNB 2009c). Zahlungen mit Kreditkarten
2007
Veränderung in %
2008
Ausgegebene Karten gesamt in Mio. (Ende Dez)
2,37
3,4
2,45
Anzahl Transaktionen in Mio.
62,75
7,1
67,22
Betragssumme Transaktionen in Mio.
6,805,36
8,7
7,399,8
Durchschnittlicher Wert pro Transaktion in EUR
109
110
Bargeldbehebungen mit Kreditkarten Ausgegebene Karten gesamt in Mio. (Ende Dez.)
2,37
3,4
2,45
Anzahl Transaktionen in Mio.
4,06
11,6
4,53
Betragssumme Transaktionen in Mio.
809,03
9,4
885,01
Durchschnittlicher Wert pro Transaktion in EUR
199
195
Quelle: OeNB 2009a Tabelle 4: Zahlungen mit Kreditkarten Repräsentativ für das aktuelle Konsumentenverhalten der privaten Haushalte wird im Fünf-Jahres-Rhythmus erhoben, wofür Konsumenten zahlen, und jährlich hochgerechnet. Die Auswahl der einbezogenen Waren soll ein durchschnittliches Verbrauchsverhalten repräsentieren. Im Verbraucherpreisindex (VPI) von 1958 waren 197 Güter erfasst. Im neuen VPI 2005 sind es bereits 770
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
33
Waren und Dienstleistungen. Diese Waren und Dienstleistungen des aktuellen Warenkorbs wurden nach dem Verwendungszweck in 12 Verbrauchsgruppen eingeteilt. Anhand dieser Gruppen kann man ablesen, wofür der Konsument heute bezahlt bzw. wofür das Einkommen aufgewendet werden muss. Waren und Dienstleistungsgruppe
Prozent
Verkehr
15,10
Restaurants und Hotels
14,59
Wohnung, Wasser, Energie
14,25
Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke
12,90
Freizeit und Kultur
11,58
Hausrat und laufende Instandhaltung des Hauses
7,89
Verschiedene Waren und Dienstleistungen
6,66
Bekleidung und Schuhe
5,67
Gesundheitspflege
5,22
Alkoholische Getränke und Tabak
2,96
Nachrichtenübermittlung
2,16
Erziehung und Unterricht
1,02
Quelle: Statistik Austria 2009 Tabelle 5: Warenkorb in Österreich Mit über 15 Prozent sind die höchsten Ausgaben für Verkehr. In dieser Gruppen werden Kosten für den Kauf von PKW, Motorrad, Mofa und Fahrrad erfasst sowie Kosten für den Betrieb von privaten Verkehrsmitteln, aber auch von Verkehrsdienstleistungen wie Schienen- und Luftpersonenverkehr (vgl. Statistik Austria 2009, 11 f.). Mit knapp 15 Prozent folgen an zweiter Stelle die Ausgaben für Restaurants und Hotels. In diese Kategorie fallen Kosten für Bewirtungsdienstleistungen in Restaurants, Cafés und dergleichen sowie Beherbergungsdienstleistungen (vgl. Statistik Austria 2009, 16). Erst an dritter Stelle kommen die Ausgaben für Wohnung, Wasser und Energie gefolgt von Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken. In Deutschland hat sich der Bargeldanteil bei den Einzelhandelsumsätzen innerhalb der letzten 14 Jahre um über 18 Prozent verringert. Diese Veränderung wirkte sich zu gunsten von Debitkarten aus. Als Debitkarten gelten in Deutschland die Verfahren „electronic cash“ (kurz ec-cash), ecLastschriftverfahren (ELV), Maestro und V-Pay. Das Verfahren ec-cash ist PINbasiert und zahlungsgarantiert durch die Kreditwirtschaft. ELV ist unterschriftsbasiert und nicht zahlungsgarantiert. Maestro ist eine internationale Marke von
34
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
MasterCard, die derzeit in Deutschland nur für ausländische Kunden zur Verfügung steht. V-Pay ist eine europäische Marke von Visa. 2007 hat ec-cash ELV als dominierendes Verfahren in Deutschland abgelöst (siehe Tabelle 6). Diese Untersuchung, die jährlich vom EHI-Research durchgeführt wird, findet im Untersuchungszeitraum Jänner bis April statt und im Erhebungspanel sind 406 Unternehmen mit ungefähr 55.000 Betrieben aus 30 verschiedenen Branchen vertreten. Diese Unternehmen haben gemeinsam einen Anteil von 49,3 Prozent des Einzelhandelsumsatzes mit einer Umsatzbedeutung von 177,6 Milliarden Euro (exkl. Kfz, Mineralöl, Apotheken, Versandhandel). Zahlungsmittel Anteil in Prozent
1994
2007
2008
Bargeld
78,7
61,4
60,4
Scheck
8,3
-
-
Rechnung
6,5
3,0
3,0
EC-Lastschrift
1,7
12,7
12,0
EC-Cash (inkl. Maestro/V-Pay)
0,8
16,4
18,1
Kreditkarte
3,3
5,1
5,2
Handelskarte
0,4
0,9
0,8
Geldkarte (Quick)
-
0,0
0,0
Quelle: Rüter 2009, 7 f. (EH-Umsatz 1994 340 Mrd., 2007 355 Mrd., 2008 360 Mrd.) Tabelle 6: Anteil der Zahlungsmittel am EH-Umsatz in Deutschland Auch die Kreditkarten gewinnen zwar langsam, aber kontinuierlich an Umsatzanteil. Die Höhe des Anteils ist vergleichbar mit der Bedeutung von Kreditkarten in Österreich. Die unterschiedlichen Rechnungsbeträge in den einzelnen Branchen lassen auch den Schluss zu, dass je nach Branche unterschiedliche Zahlungsmittel verstärkt zum Einsatz kommen. Um dies zu überprüfen, wird in den Vorstudien näher darauf eingegangen. Die Rechnungsbeträge scheinen aber sehr divergierend über alle untersuchten Branchen. In der Abbildung 10 sind die durchschnittlichen Rechnungsbeträge von 11 verschiedenen Branchen in Deutschland abgebildet. Dazu die jeweils höchsten bzw. niedrigsten Durchschnittsbeträge je Branche. Ein homogenes Bild zeigen beispielsweise die Drogeriemärkte. Die durchschnittlichen Rechnungsbeträge befinden sich zwischen 9 und 11 Euro, während der Textileinzelhandel mit Rechnungsbeträgen zwischen 10 und 401 Euro wesentlich größere Unterschiede aufweist.
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
35
120€ 100€ 80€ 60€ 40€ 20€
Quelle: Rüter 2009, 14 (Min., gew. Ø, Max.) Abbildung 10: Durchschnittliche Rechnungsbeträge in Deutschland Der durchschnittliche Bargeldbestand im deutschen Geldbeutel liegt bei ca. 118 Euro, der Median liegt bei ca. 90 Euro (vgl. Hoffmann et al. 2009, 40). Beim Besitz von Zahlungskarten unterscheiden sich Deutsche nicht wesentlich von Österreichern. 91 Prozent besitzen eine Debitkarte und 46 Prozent nutzen sie auch. 27 Prozent besitzen eine Kreditkarte, aber nur 8 Prozent nutzen diese. Von Interesse sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Während hinsichtlich Besitz und Nutzung der Debitkarte keine signifikanten Abweichungen zu beobachten sind, zeigen sich beim Kreditkartenbesitz deutliche Unterschiede. Männer besitzen mit 35 Prozent fast doppel so viele Kreditkarten wie Frauen mit nur 19 Prozent. Auch Bildung scheint Einfluss auf Besitz und Nutzung in Deutschland zu haben. Der Besitz von Zahlungskarten steigt tendenziell mit dem Grad der Bildung (vgl. Hoffmann et al. 2009, 42 ff.). Auch verringert sich der Anteil der Barzahlungen an den Gesamtausgaben mit steigendem Einkommen, während der Anteil von Zahlungskarten steigt (vgl. Hoffmann et al. 2009, 56). Im Vergleich dazu hatte die Hälfte der Familien in den USA bereits 1970 eine oder mehrere Kreditkarten und 1998 trifft dies bereits auf drei Viertel der Familien zu (vgl. Devlin et al. 2007, 89). Im Jahr 2004 hatte ein durchschnittlicher Konsument in den USA 5,5 Kreditkarten und der durchschnittliche Konsument in Südkorea 3,6. In UK sinkt der Wert bereits auf durchschnittlich 2,4
36
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Kreditkarten je Person. Die Unterschiede zu den USA werden in Anbetracht dieser Zahlen offensichtlich. Dennoch, auch in den USA werden immerhin noch 37 Prozent der täglichen Einkäufe mit Bargeld bezahlt, allerdings erfolgen bereits 31 Prozent der Zahlungen mit Debitkarten und 16 Prozent mit Kreditkarte. Wie auch aus der Studie aus Deutschland können in dieser Studie teilweise große Unterschiede zwischen Alters-, Bildungs- und Einkommensklassen beobachtet werden (vgl. Taylor et al. 2007, 6 ff.). Vor allem bezüglich der Generalisierbarkeit der Ergebnisse aus den bereits vorliegenden Studien, aber auch aus dieser Arbeit muss dies Berücksichtigung finden.
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen 2.4
37
Literaturüberblick zur Nutzung von Zahlungsmitteln
Stango erklärte 2005 bezogen auf das Zahlungsverhalten der Konsumenten auf einer Konferenz in Boston, dass „private industry has done a much better job figuring out how consumers make decisions than have economic researchers“ (Crowe et al. 2006, 23) und auch Zinman (2004, 1) postuliert, dass die Determinanten der Kartennutzung bislang weitgehend einer wissenschaftlichen Prüfung entgangen sind. Der Stand der Forschung in diesem Bereich lässt sich somit der Anwendungsforschung zuordnen und wird vor allem von (Zentral-) Banken getrieben (vgl. Boeschoten/Fase 1989; Boeschoten/Fase 1992; Mooslechner/Wehinger 1997; Boeschoten 1998; Worthington 1998; Worthington 2000; Stavins 2001; Worthington 2001; Mooslechner et al. 2002b; Klee 2004; Zinman 2004; Bolt 2006; Hayashi 2006; Klee 2006; Mooslechner et al. 2006; Schreft 2006; Taylor et al. 2007; Bolt/Chakravorti 2008; Borzekowski et al. 2008; Borzekowski/Kiser 2008; Klee 2008; Zinman 2009 usw.) Mögliche Einflussgrößen auf das Zahlungsverhalten könnten demografische Kriterien (vgl. Kennickell/Kwast 1997; Boeschoten 1998; Carow/Staten 1999; Mantel 2000; Stavins 2001; Carow/Staten 2002; Borzekowski et al. 2008), Technologieaffinität (vgl. Hayashi/Klee 2003), Transaktionskosten, Zeit, Convenience (vgl. Jonker 2007; Borzekowski/Kiser 2008) und vieles mehr sein. Weder verhaltensbezogene noch traditionelle Erklärungsansätze wurden bis dato überprüft (vgl. Zinman 2004, 2). Worthington und Stewart (2007, 249) konnten in einer Studie in China belegen, dass für Kleinbeträge unter $ 30 bereits 38 Prozent der Befragten mit Kreditkarte zahlen, während Beträge darüber von 84 Prozent mit Kreditkarte beglichen werden (vgl. Worthington/Stewart 2007, 249); auch Prelec und Simester (2001) widmeten sich der Höhe des Rechnungsbetrags, während Feinberg (1986) und Soman (2001) eine erhöhte Bereitschaft zum Kauf und zur Zahlung von höheren Beträgen bei der Zahlung mit Kreditkarten beobachtet haben (vgl. Prelec/Simester 2001, 5). Die Verlagerung von Papier- zu Plastikgeld ist deutlich spürbar, vor allem die Debitkarten finden immer mehr Verwendung. Die jährlichen Debitkartentransaktionen sind auf über 20 Prozent in den U.S. gestiegen und überholen somit die Kreditkartentransaktionen (vgl. Borzekowski/Kiser 2008, 889). Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch in Österreich ab. Debitkartenzahlungen stellen bereits 11,5 Prozent der Transaktionen und 23 Prozent des Transaktionsvolumens im Jahr 2005 dar, was eine Verdoppelung des Anteils gegenüber dem Jahr 2000 bedeutet (vgl. Mooslechner et al. 2006, 130). Im Vergleich zu den USA sind allerdings die Kreditkartenzahlungen auf einem sehr geringen Niveau und Barzahlung überwiegt. Vor dem Hintergrund der Euro-Bargeldeinführung erfolgte von Teller (2002, 277 ff.) eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Wechselgeldbe-
38
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
darf von Unternehmen, vor allem in den ersten Tagen der Bargeldeinführung, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Erfahrungswerte vorliegen. Dieses bargeldlogistische Problem war vornehmlich für den Einzelhandel relevant, aber auch Teile des Großhandels und des Gewerbes waren betroffen. Teller (2002, 395 ff.) stellt in seiner Arbeit die Software EuroCalculus vor, die Unternehmer als logistisches Instrument zur Entscheidungsfindung unterstützen kann. Sie errechnete anhand von Heuristiken den Wechselgeldbedarf während der dualen Währungsphase. Die genaue Planung der dualen Phase war damals auch deshalb notwendig, weil die Barzahlungen den höchsten Anteil an Umsatz und Transaktionsvolumen im Einzelhandel hatten und immer noch haben (vgl. Mooslechner/Wehinger 1997; Mooslechner et al. 2006). Schnedlitz/Waidacher (1996) führten bereits 1996 eine Studie zur Zahlungsabwicklung mittels Bargeld in Österreich durch. Für die Akzeptanz von Zahlungskarten spricht laut ihren Ergebnissen die Risikominimierung, da Bargeld einen hohen Risikofaktor darstellt, sprechen des Weiteren internationale Kunden, Zusatzkäufe und geringere Handlingkosten, da das mehrmalige Zählen der Bargeldbestände reduziert wird. Bei Bargeld liegen außerdem die Gesamtkosten der Bargeldabwicklung meist unter 0,6 Prozent des Umsatzes. Disagosätze sind oftmals wesentlich höher. Auch sprechen die teilweise hohen Investitionskosten bei Akzeptanz von Zahlungskarten für das Bargeld (vgl. Schnedlitz/Waidacher 1996, 37 f.). Da Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel akzeptiert werden muss (vgl. Grill/Perczynski 2006, 109 ff.), ist eine gänzliche Wegrationalisierung von Bargeld grundsätzlich nicht möglich. Autoren
Jahr*
Land
Bolt
2006
Niederlande
Mooslechner/ Stix/Wagner Klee
2006 2006
Österreich US
Schreft
2006
US
Franses/ Kippers
2007
Niederlande
Jonker
2007
Niederlande
Taylor/Funk/ Clark Worthington/ Stewart
2007
US
2007
China
Befragungsmethode/ Stichprobe Zahlen der DNB (De Nederlandsche Bank) Zahlungstagebuch n=1.204 Survey of Consumer Finances (SCF) n=4.422 Haushalte
Fragebogen Beobachtung n=272 Fragebogen n=2.019 Fragebogen n=2.000 Fragebogen n=196
und
Thema Retail Payments in the Netherlands: Facts and Theory Wie wird in Österreich bezahlt? Families’ Use of Payment Instruments During a Decade of Change in the U.S. Payment System How and Why Do Consumers Choose Their Payment Methods? An empirical Analysis of Euro Cash Payments Payment instruments as perceived by consumers - Results from a household survey What Americans Pay For – and How? The adoption and usage of credit cards by urban-affluent consum-
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Borzekowski/ Kiser
2008
US
Fragebogen, n=1.501
Borzekowski/ Kiser/Ahmed
2008
US
Chen
2008
US
Klee
2008
US
Treiblmaier/ Pinterits/Floh Wang
2008
Österreich Taiwan (China)
Michigan Surveys of Consumers n=1.501 Haushalte Onlineumfrage n=425 Scannerdaten n>10 Millionen Transaktionen aus 99 Einzelhandelsfilialen Onlineumfrage n=631 Fragebogen, n=312
Hoffmann al. Rüter
et
2008
2009 2009
Deutschland Deutschland
Zahlungstagebuch n=2.217 Jährliches Panel n=406 Unternehmer
Vathsala/ Anurudh
2009
Sri Lanka
Fragebogen n=177
Zinman
2009
US
Survey of Consumer Finances (SCF) n=4.422 Familien
39 ers in China The choice at the checkout: Quantifying demand across payment instruments Consumers' Use of Debit Cards: Patterns, Preferences, and Price Response A model of consumer acceptance of mobile payment How people pay: Evidence from grocery store data
Success Factors of Internet Payment Systems Determinants Affecting Consumer Adoption of Contactless Credit Card: An Empirical Study Zahlungsverhalten in Deutschland Karten-Entwicklung aus Handelssicht. EHI-Research: Zahlung und Kundenbindung per Karte Consumer credit card ownership and usage practices: empirical evidence from Sri Lanka Debit or credit?
* Jahr der Publikation Tabelle 7: Aktuelle Studien zum Zahlungsverhalten Weltweit gibt es einige Publikationen, vor allem von (Zentral-) Banken veröffentlichte Studien, die sich mit dem Thema Zahlungsverhalten, meist aus volkswirtschaftlicher Sicht, befassen. Um einen raschen Überblick über die Studien zu bekommen, wird in Tabelle 7 eine Auswahl an aktuellen Studien aufgelistet. Auffallend ist, dass die meisten Studien sehr große Stichprobenumfänge haben, im Gegensatz zu oftmals sehr kleinen studentischen Stichproben, wie sie durchaus in anderen Bereichen der Wirtschaftswissenschaften üblich sind. Nur eine dieser Studien enthält eine studentische Stichprobe mit unter 200 Befragten. Dies mag daran liegen, dass diese Studien von (Zentral-) Banken finanziert wurden und nicht den monetären Einschränkungen unterliegen, wie sie oftmals an Universitäten vorherrschen. Damit einher geht auch der vorherrschende Praxisbezug, wofür meist der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit untergeordnet wird. Die aktuelle Theorie-Praxis-Debatte muss in diesem Bereich somit von der anderen Seite diskutiert werden (vgl. Nicolai 2004). Ein Großteil
40
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
diese Studien ist nicht hypothesenprüfend oder theoretisch fundiert, sondern hat überwiegend deskriptiven Charakter. Weiters ist auffallend, dass nur aus drei europäischen Ländern überhaupt Studien vorliegen. Dies ist damit zu erklären, dass diese Studien zumeist nur in der jeweiligen Landessprache veröffentlicht werden und somit der Verfasserin der vorliegenden Arbeit nicht zugänglich sind. In Großbritannien gibt es ein auf das Zahlungsverhalten spezialisiertes Marktforschungsinstitut (Retail Banking Research), das umfangreiche Studien zu diesem Thema durchführt. Diese Studien sind jedoch nicht öffentlich zugänglich und werden aus diesem Grund nicht in der Übersicht in Tabelle 7 angeführt. Darüber hinaus gibt es ein europäisches Jahrbuch (European Payment Cards Yearbook), das ein Profil aller Zahlungskarten in den 27 EU-Staaten und anderen Ländern (Island, Lichtenstein, Norwegen, Schweiz usw.) ausweist. Auch diese Studie wurde nicht in die Aufstellung aufgenommen, da diese ebenfalls nicht öffentlich zugänglich ist. Es kann vermutet werden, dass dies für das Thema Zahlungsverhalten häufig der Fall ist und wesentlich mehr Studien existieren, als öffentlich publiziert werden. Im folgenden Kapitel soll nun auf mögliche Theorien bzw. theoretische Modelle eingegangen werden, die Unterstützung bei der Erklärung des Zahlungsverhaltens leisten können.
3
Theoretische Fundierung
Die Aufarbeitung der Theorie für die vorliegende Fragestellung ist Thema dieses Kapitels. Zu Beginn steht eine Einführung in die Einordnung, Entstehung und Weiterentwicklung der Theory of planned Behavior (TpB) und des Technology Acceptance Model (TAM). Im Weiteren wird auf die begrifflichen Grundlagen eingegangen und im letzten Teil auf die Anwendung der zuvor erläuterten theoretischen Aspekte auf das Zahlungsverhalten am stationären PoS. Darauf folgt mit gleicher Struktur eine Einleitung in die Transaktionskostentheorie. Den Abschluss bildet die Entwicklung eines Modells zur Erklärung des Zahlungsverhaltens. 3.1
Theory of planned Behavior und Technology Acceptance Model
In diesem Kapitel werden die grundlegenden Modelle für die vorliegende Arbeit näher erläutert und auf das Zahlungsverhalten im Speziellen umgelegt. Die Unterkapitel widmen sich der Einordnung, Entstehung und Weiterentwicklung dieser theoretischen Modelle sowie der detaillierten Erklärung der verwendeten Basiskonstrukte. Abschließend wird auf die Anwendung der theoretischen Aspekte auf das Zahlungsverhalten eingegangen. 3.1.1
Einordnung, Entstehung und Weiterentwicklung
Die „Theory of planned Behavior“ (im folgenden TpB genannt) ist eine Verhaltenstheorie, welche eine Erweiterung der „Theory of reasoned Action“ (im folgenden TrA genannt) darstellt (vgl. Ajzen/Fishbein 1980; Fishbein/Ajzen 1975). Galt lange Zeit (20er- bis Mitte der 60er-Jahre) die Einstellung als maßgebliche Determinante des Verhaltens, so zeigte die Studien-Analyse von Wicker den fehlenden oder zumindest nur schwachen Zusammenhang auf (Wicker 1969, 65). Dies wiederum haben über 10 Jahre später Bentler und Speckart mit ihren Ergebnissen mit der Einschränkung widerlegt, dass es auf die Art der Handlung ankommt (Bentler/Speckart 1981, 236). Ajzen und Fishbein erklären, dass eine präzise Prognose und ein stärkerer Zusammenhang erst mit der Messung der Einstellung nicht nur zu einem Objekt, sondern zu einem bestimmten Verhalten gegenüber diesem Objekt erreicht werden kann. In weiterer Folge wurde daraus die TrA entwickelt. Diese basiert auf der Annahme, dass Menschen grundsätzlich rational denken und systematisch die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen nützen. Sie sind vernunftgesteuert und verhalten sich in Übereinstimmung mit dem von ihnen subjektiv wahrgenommenen Nutzen. Wenn eine Person raucht, kann das somit durchaus eine überlegte Handlung in diesem Sinne sein. Für diese Person ist der Nettoeffekt des Rauchens
42
Theoretische Fundierung
höher als der des Nichtrauchens (Jonas/Doll 1996, 19). Dieses Verhalten findet unter willentlicher Kontrolle statt (Ajzen/Fishbein 1980, 5). Letztere Annahme ist gleichzeitig einer der häufigsten Kritikpunkte der Theorie und bereits Wicker sah dies 1969 als Forschungslücke an, personen- und situationsbezogene Faktoren, die als Gründe für die Einstellungs-Verhaltensinkonsistenz genannt wurden, genau zu operationalisieren und zu testen (Wicker 1969, 67). Es können Umstände eintreten, in denen die Person zwar eine Handlung ausführen möchte, aber Ressourcen oder Informationen fehlen und somit die Handlung, trotz positiver Einstellung und sozialem Druck, nicht ausgeführt werden kann. Entweder können diese Faktoren internaler, das sind personenbezogene Faktoren wie der Besitz einer Kreditkarte, oder externaler, das sind situative Faktoren wie die fehlende Akzeptanz der Kreditkarte in einer Einkaufsstätte, Natur sein (Wicker 1969, 67; Bamberg et al. 2003, 176). Ajzen (1985) ging auf diese Kritik ein und entwickelte das Modell weiter. Postuliert die TrA einen linearen funktionalen Zusammenhang zwischen der Einstellung und der subjektiven Norm einerseits sowie der Intention andererseits, wird für die TpB ein weiteres Element eingefügt. Die Intention hängt nun nicht mehr nur von zwei, sondern von drei Faktoren ab. Aufgrund der Restriktion des ursprünglichen Modells wurde sie durch eine explizite Berücksichtigung handlungshemmender Einflüsse um die wahrgenommene Verhaltenskontrolle (vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, 81) ergänzt. Die TpB ist vielseitig anwendbar und gilt als dominierendes Modell zur Erklärung von Verhaltensabsichten (vgl. Krueger Jr/Brazeal 1994, 93). Wie bereits in der TrA ist auch in diesem Fall ein zentrales Konstrukt die Intention des Individuums, eine Handlung auszuführen. Generell kann gesagt werden, dass je stärker die Intention zu einem Verhalten ist, desto wahrscheinlicher wird sie auch ausgeführt (vgl. Ajzen 1991, 181; Jonas/Doll 1996, 19). Dieses Verhalten kann jedoch nur dann umgesetzt werden, wenn die Person alleinige Kontrolle darüber hat, ob die Handlung ausgeführt wird oder nicht. Wie bereits erwähnt, ist das Verhalten jedoch häufig von Faktoren abhängig, welche außerhalb des Einflussbereiches der Person liegen, wie beispielsweise die (tatsächliche oder wahrgenommene) Verfügbarkeit der erforderlichen Ressourcen in Form von Geld, Zeit, Fähigkeiten usw. (vgl. Bamberg 1996, 25; Ajzen 1991, 182). Diese Verhaltenskontrolle bildet Ajzen nun als Erweiterung der TrA im Modell der TpB ab. Die Intention selbst wird von der Einstellung zum Verhalten bzw. zur Handlung, dem wahrgenommenen sozialen Druck und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle beeinflusst (siehe Abbildung 11). Diese drei Faktoren wirken auch wechselseitig aufeinander. Andere Faktoren beeinflussen die Intention nicht direkt, sondern nur indirekt über diese drei Konstrukte (vgl. Bamberg/Schmidt 1994, 99). Dieser Suffizienzanspruch wird kritisiert und von Ajzen (1991) für die TpB auch nicht mehr aufrechterhalten (vgl. Jonas/Doll 1996, 23 f.).
Theoretische Fundierung
43
Quelle: in Anlehnung an Ajzen 2005, 135 Abbildung 11: Die „Theory of planned Behavior” Die TpB liefert Antworten auf Fragen, wie Entscheidungen zwischen verschiedenen Handlungsalternativen zustande kommen und warum sich ein Individuum auf eine gewisse Art und Weise verhält (vgl. Braunstein et al. 2005, 189). Sie wurde bereits vielfach empirisch getestet in unterschiedlichen Verhaltenskategorien, wie zum Beispiel in Bezug auf die Transportmittelwahl (vgl. Bamberg 1996; 2003), beim Lebensmittelkauf (vgl. Shaw et al. 2000; Shaw/Shiu 2003; Smith et al. 2008), in der Gründungsforschung (vgl. Tegtmeier 2006; Zumholz 2002), zur Kundenbindung (vgl. Braunstein et al. 2005), zum Freizeitverhalten (vgl. Hrubes et al. 2001), zur Umwelterziehung (vgl. Erten 2000), im Gesundheitsbereich (vgl. McCaul et al. 1993) und auch gemeinsam mit dem TAM in Bezug auf Technologieakzeptanz (vgl. Pavlou/Fygenson 2006; Legris et al. 2003; Venkatesh et al. 2003; Taylor/Todd 1995) und im Mobile Marketing und Commerce (vgl. Nysveen et al. 2005; Scharl et al. 2005; Walter/Reutterer 2009). Während der Geltungsbereich der TrA auf einfache, ausschließlich motivationsabhängige Handlungen beschränkt ist, erstreckt sich das Anwendungsgebiet der TpB zusätzlich auf Handlungen, die eingeschränkter willentlicher Kontrolle unterliegen, und macht somit die Untersuchung von solchem Verhalten zugänglich, dessen Realisierung nicht nur von motivationalen Faktoren, sondern auch von internen und externen Ressourcen abhängig ist (vgl. Jonas/Doll 1996, 19 ff.). Sie erhebt somit den Anspruch, eine allgemeine Verhaltenstheorie zu sein (vgl. Bamberg/Lüdemann 1996, 33). Etliche Studien bestätigen, dass die Erweiterung mit dem Konstrukt der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle die Erklärung und Vorhersage von Intention und Verhalten verbessert (siehe beispielsweise Bamberg/Lüdemann 1996, 42; Braunstein et al. 2005, 204).
44
Theoretische Fundierung
Außerhalb des Einsatzbereiches der TpB liegt das spontane Verhalten, welches nicht über die Intention zum Verhalten führt bzw. ein Verhalten darstellt, das von affektiven Impulsen abhängt (vgl. Jonas/Doll 1996, 22). Konzipiert wurde die Theorie grundsätzlich zur Vorhersage von konkretem, beobachtbarem Verhalten. Ein weiterer Kritikpunkt an der TpB ist die Vernachlässigung von Prozessgesichtspunkten. Kendzierski kritisiert, dass zwar die Einflussgrößen der Intention zur Ausführung einer Handlung abgebildet werden, nicht aber die Phase der Umsetzung dieser Intention in eine Handlung (vgl. Kendzierski 1990). Die Konfliktforschung zeigt, dass negative Aspekte einer Handlung im Verhältnis zu positiven umso mehr Bedeutung bekommen, je näher der Zeitpunkt der Handlung rückt. Dies erklärt auch, weshalb bisweilen Intentionen vor der Handlung widerrufen werden (vgl. Jonas/Doll 1996, 26). Das „Technology Acceptance Model“ (im folgenden TAM genannt) wurde von Davis (1986) entwickelt und stellt eine Adaption des TrA-Modells dar, welches speziell für die Erklärung des Computer-Nutzungs- und Akzeptanzverhaltens gebildet wurde (vgl. Davis et al. 1989, 983). Bereits mehrfach wurde es gemeinsam mit der TpB zur Erklärung und Prognose von Verhalten herangezogen, vor allem in Bezug auf neue Medien (siehe beispielsweise bei Cheung et al. 2005; Hsieh et al. 2008). Es erklärt die Einflussgrößen auf die Technologieakzeptanz sowie das Benutzerverhalten von einer breiten Auswahl an Endgeräten und stellt trotzdem ein sparsames und theoretisch begründetes Modell dar. Überdies war es notwendig, eine Grundlage für den Einfluss von externen Faktoren auf Überzeugungen, Einstellungen und Handlungsabsichten zu erstellen (Davis et al. 1989, 985). Da Zahlungskarten als technische Produkte gelten können, kann das TAM auf das Zahlungsverhalten umgelegt und somit als Teil der Grundlage des Erklärungsmodells verwendet werden. Das Model postuliert zwei Haupteinflussfaktoren auf das Verhalten, nämlich den „wahrgenommenen Nutzen“ (Perceived Usefulness; PU) und die „wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit“ (Perceived Ease of Use; PEoU). Der „wahrgenommene Nutzen“ wird definiert als „the degree to which a person believes that using a particular system would enhance his or her job performance“ (Davis 1989, 320) und die „wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit“ als “the extent to which an individual believes that using the technology requires little effort” (Davis 1989, 320; Schillewaert et al. 2005, 324). Diese beiden Faktoren wirken auf die „Einstellung zur Nutzung“ (Attitude toward Using) und diese weiter auf die „Handlungsabsicht“ (Behavioral Intention to Use). Die Handlungsabsicht wiederum hat Einfluss auf die „tatsächliche Handlung bzw. Verwendung“ (Actual System Use). Die Beziehung zwischen Einstellung und Handlungsabsicht impliziert, dass Individuen Handlungsabsichten und Verhalten ausführen, wenn sie diesen positiv gegenüber eingestellt sind. Dies wird bei der TrA vorausgesetzt und gilt auch in diesem Fall als Basisannahme. Der „wahrgenommene Nutzen“ hat außerdem nicht nur einen indirekten Effekt durch die Einstellung, sondern auch
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einen direkten Effekt auf die Handlungsabsicht (vgl. Kulviwat et al. 2007, 1075). Die „wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit“ beeinflusst auch den „wahrgenommenen Nutzen“ (vgl. Sánchez-Franco 2006, 31). Das Modell kann wie in Abbildung 12 dargestellt zusammengefasst werden.
Quelle: Davis et al. 1989, 985 Abbildung 12: Technology Acceptance Model (TAM) Zahlreiche empirische Studien haben gezeigt, dass das TAM durchwegs einen substanziellen Beitrag zur Erklärung von Handlungsintention und Verhalten liefert (vgl. Venkatesh/Davis 2000, 186). Über etliche Studien hinweg zeigt sich das Konstrukt „wahrgenommener Nutzen“ mit einem konstant starken Effekt auf die Handlungsintention, typischerweise mit einem standardisierten Regressionskoeffizienten von ungefähr 0,6 (vgl. Venkatesh/Davis 2000, 187; Brown et al. 2002, 288 f.). Folglich kann der „wahrgenommene Nutzen“ als Haupteinflussfaktor auf die individuelle Handlungsintention gesehen werden und die „wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit“ als zweitwichtigste Determinante (vgl. Shih 2004, 720). Die „wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit“ erklärt meist einen hohen Anteil der Varianz des „wahrgenommenen Nutzens“ und der Nutzen ist auch ein signifikanter Prädiktor für die Einstellung (vgl. Ngai et al. 2007, 261). Die TpB und das TAM wurden, wie bereits erwähnt, mehrfach gemeinsam in einem Modell erfolgreich getestet. Einen Überblick über einige empirische Studien zu diesem Bereich gibt Tabelle 8.
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Theoretische Fundierung
Autoren Davis et al.
Jahr 1989
Mathieson
1991
Taylor/Todd
1995
Brown et al.
2002
Legris et al.
2003
Venkatesh et al. Cheung et al.
2003 2005
Hsieh et al.
2008
Chen/Chen
2009
Title User Acceptance of Computer Technology: A Comparison of two Theoretical Models Predicting User Intentions: Comparing the Technology Acceptance Model with the Theory of Planned Behavior Understanding Information Technology Usage: A Test of Competing Models Do I really have to? User acceptance of mandated technology Why do people use information technology? A critical review of the technology acceptance model User Acceptance of Information Technology: Toward a unified view A Critical Review of Online Consumer Behavior: Empirical Research Understanding Digital Inequality: Comparing Continued Use Behavioral Models of the Socio-Economically Advantaged and Disadvantaged The empirical Study of Automotive Telematics Acceptance in Taiwan: Comparing three Technology Acceptance Models
Journal Management Science
Information Research
Systems
Information Systems Research European Journal of Information Systems Information & Management MIS Quarterly Journal of Electronic Commerce in Organizations MIS Quarterly
International Journal of Mobile Communications
Tabelle 8: Überblick über Studien mit TpB und TAM Das folgende Kapitel befasst sich mit den wichtigsten Begriffen aus den beiden theoretischen Modellen. 3.1.2
Begriffliche Grundlagen
Im Folgenden werden alle Begriffe, welche in der „Theory of planned Behavior“ und im „Technology Acceptance Model“ verwendeten werden ausführlich diskutiert. In der TpB handelt es sich dabei um „Attitude Toward the Behavior”, „Subjective Norm”, „Perceived Behavioral Control”, „Intention” und „Behavior”. Die im TAM verwendeten Konstrukte sind „Perceived usefulness”, „Perceived Ease of Use”, „Attitude”, „Behavioral Intention” und „Actual Behavior”.
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Attitude (Toward the Behavior) – Einstellung (zu einem bestimmten Verhalten) Sowohl für die betriebswirtschaftliche Forschung als auch für die Praxis besitzt die Einstellungsforschung einen hohen Stellenwert. Sie trägt wesentlich zur Entwicklung, Umsetzung und Überprüfung von Marketingstrategien bei, hat eine hohe Relevanz beim Erkennen und Erschließen von neuen Märkten bzw. Marktnischen, bei der Entwicklung von Positionierungsstrategien sowie bei der Prognose von Konsumentenverhalten (vgl. Hammann/Erichson 2006, 337; Kuß/Tomczak 2007, 51 ff.). Die Einstellung gilt als Schlüsselvariable zur Erklärung des Käuferverhaltens und weist meist eine hohe zeitliche Stabilität auf, da sie sich im erst im Zeitablauf verfestigt (vgl. Lord et al. 2004, 733 ff.; Cohen/Reed Ii 2006, 3). Unter Einstellung zum Verhalten wird die affektive Bewertung der Handlung verstanden, welche ein positives oder negatives Empfinden über das Zielverhalten widerspiegelt (vgl. Venkatesh et al. 2003, 456). Es drückt die Prädisposition des Individuums aus, auf ein Objekt, eine Person, eine Institution oder ein Ereignis in konsistenter Weise zu reagieren (vgl. Berekoven et al. 2006, 80). Dieses hypothetische Konstrukt ist eine nicht direkt beobachtbare psychische Größe, welche daher aus messbaren Indikatoren rückgeschlossen werden muss (vgl. Ajzen 2005, 3). Traditionell wird zwischen affektiven, kognitiven und konativen oder intentionalen Komponenten der Einstellung unterschieden (vgl. Berekoven et al. 2006, 80 f.; Hammann/Erichson 2006, 334 ff.). Dies wird als Dreikomponententheorie bezeichnet und kann in die drei bedeutendsten Sphären der menschlichen Psyche „fühlen“, „denken“ und „handeln“ übersetzt werden (siehe Abbildung 13). Diese drei bilden ein System aufeinander bezogener Komponenten, welche sich gegenseitig beeinflussen (vgl. Berekoven et al. 2006, 80). Der Ursprung dieser dreiteiligen Klassifikation ist keineswegs neu, sondern hat seine Ursprünge im Deutschland des frühen 18. Jahrhunderts in der Periode zwischen Leibniz (1646-1716) und Kant (1724-1804), ebenso bei Brett (1920), der die Ursprünge sogar bereits bei Aristoteles sah (vgl. Hilgard 1980, 107 ff.).
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Kognitive Gegenstandsbeurteilung (kognitive Komponente)
Bewertung (affektive Komponente)
Einstellung Verhalten (konative Komponente) Quelle: Kuß/Tomczak 2004, 51; Kuß/Tomczak 2007, 51 Abbildung 13: Komponenten der Einstellung Das semantische Differenzial (Osgood et al. 1957) und die Likert-Skala (Likert 1932), welche auch „Methode der summierten Ratings“ genannt wird, sind die am häufigsten verwendeten Multi-Item-Skalen zur Messung von Einstellung (vgl. Bohner/Wänke 2002, 27). Beide sind personenzentrierte Skalierungen, das bedeutet, dass sich die Messung auf die Zuordnung von Werten zu Personen richtet, um Unterschiede in der Einstellung zwischen diesen Personen anzuzeigen (vgl. Friedrichs 1990, 174 f.). Bei der Likert-Skala werden die Probanden gebeten, das Ausmaß ihrer Zustimmung oder Ablehnung zu einer Aussage anhand einer fünfstufigen Antwortskala abzugeben. Diese kann beispielsweise wie folgt aufgebaut sein: x Trifft voll und ganz zu x Trifft überwiegend zu x Trifft teilweise zu und teilweise nicht zu x Trifft überwiegend nicht zu x Trifft überhaupt nicht zu (vgl. Reith 2007, 168 ff.; Weijters et al. 2007, 18 f.; Bortz/Döring 2006, 224; Hammann/Erichson 2006, 343 f.). Eines der bekanntesten kompensatorischen Modelle der Einstellungsmessung ist das Fishbein-Modell. Es betrachtet die Einstellung zu einem Produkt, einer Person oder einer Handlung als Funktion der Einschätzung verschiedener Eigenschaften dieses Produktes, der Person oder des Handelns. In formaler Schreibweise kann das Modell wie folgt dargestellt werden:
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Eij
n
¦W
ijk
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Bik
k 1
Quelle: Kuß/Tomczak 2004, 54 Formel 1: Einstellung im Fishbein-Modell Wijk bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, mit der Person i die Eigenschaft k für die Handlung j vorhanden glaubt, und Bik steht für die Bewertung der Eigenschaft k durch die Person i. Die Summe der Produkte ergibt dann die Einstellung der Person i zur Handlung j und wird als Eij in der formalen Schreibweise dargestellt. Als Indikator für die positive oder negative Wahrnehmung einer Eigenschaft kann der Eindruckswert Wijk x Bik angesehen werden (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, 247). Die Einstellung der Person i zur Handlung j stellt somit die Summe aller Eindruckswerte dar. Das Fishbein-Modell wird in der Literatur kontrovers diskutiert, vor allem die Übertragbarkeit auf das Marketing. Trommsdorff (2009, 150 f.) vertritt die Meinung, dass Konsumenten eher in Produkteigenschaften denken als in Wahrscheinlichkeiten, und merkt weiterhin an, dass die Multiplikation von (immer fehlerbehafteten) Ratings im Ergebnis diese Fehler zum Quadrat mit abbildet. Er schlägt daher seinerseits ein ebenfalls kompensatorisches Modell vor (siehe Formel 2). Als Eindruckswert werden die summierten Differenzen benannt, können aber gleichermaßen wie beim Fishbein-Modell interpretiert werden. Große Differenzen weisen auf ungünstige Einstellungen hin (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, 248). Eij bezeichnet wieder die Einstellung, Bijk die von der Person i wahrgenommene Ausprägung der Eigenschaft k der Handlung j und Iik die von der Person i an anderen Handlungen als ideal empfundene Ausprägung der Eigenschaft k. n
Eij
¦B
ijk
I ik
k 1
Quelle: Kroeber-Riel et al. 2009, 248 Formel 2: Einstellung im Trommsdorff-Modell Bei beiden Modellen handelt es sich um kompensatorische Verfahren. Das bedeutet, dass die einzelnen Handlungseigenschaften getrennt beurteilt und diese Teilurteile dann zu einem Gesamtwert zusammengefasst werden. Dies heißt unter anderem auch, dass sich positive und negative Bewertungen gegenseitig ausgleichen können (vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, 80). Im Gegensatz dazu wird bei den Dekompositionsverfahren ein Pauschalurteil zu einer Handlung abgegeben. Meist geschieht dies in Form einer Rangfolge (vgl. KroeberRiel et al. 2009, 248). Eine Kritik an multiattributiven Einstellungsmodellen ist,
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dass unterstellt wird, dass die untersuchte Handlung ausschließlich vom Willen der handelnden Person abhängt, nicht aber von anderen Ressourcen wie Zeit, Geld usw. (vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, 80). Ajzen (1995) erweiterte die „Theory of reasoned Action“ um eben diesen Einflussfaktor in der „Theory of planned Behavior“. Subjective Norm – Subjektive Norm Subjektive Norm bildet das soziale Umfeld eines Handelnden ab. Das Verhalten wird vom Wunsch beeinflusst, in einer Art und Weise zu handeln, wie die persönliche Meinung der Person über die an sie gestellten Handlungserwartungen der für sie wichtigen Personen oder Gruppen ist. Auch die Motivation, diesen Erwartungen gerecht zu werden, spielt eine wesentliche Rolle. Die subjektive Norm reflektiert somit die Wahrnehmung, ob eine gewisse Handlung entweder akzeptiert, bestärkt oder sogar verlangt wird (vgl. Pavlou/Fygenson 2006, 119). Es handelt sich hierbei um die subjektive Einschätzung der sozialen Erwünschtheit und nicht um die tatsächliche Meinung des relevanten Umfeldes über die beabsichtigte Handlung (Bauer et al. 2004, 221). Ein positiver Zusammenhang zwischen subjektiver Norm und der Handlungsintention konnte bereits mehrmals auch empirisch nachgewiesen werden (vgl. Taylor/Todd 1995; Januszewska/Jacques 2001; Brown et al. 2002; Bauer et al. 2004). Als mögliche Gewichtungskomponente wird die Motivation, diese Erwartungen von anderen Personen oder Gruppen zu erfüllen, herangezogen. Diese wird mit der normativen Überzeugung zum Verhalten multipliziert (siehe Formel 3) und in der Formel mit ni bezeichnet und die Übereinstimmungsmotivation mit mi.
SN
¦n
i
u mi
Quelle: Pavlou/Fygenson 2006, 117 Formel 3: Formel für subjektive Norm Perceived Behavioral Control – Wahrgenommene Verhaltenskontrolle Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle drückt die subjektiv wahrgenommenen Hindernisse bei der Durchführung einer bestimmten Handlung aus, ergo ob es für eine Person leicht oder schwierig ist, eine Aktion auszuführen. Die internalen wie externalen Faktoren spielen eine bedeutende Rolle (Bamberg et al. 2003, 176). Die Verfügbarkeit über Geld und/oder Zeit, kann die Intention essenziell beeinflussen. Beispielsweise in einer Einkaufssituation, in der der Konsument seine Debitkarte nicht einsetzen kann, weil das Unternehmen diese nicht als Zahlungsmittel akzeptiert, der Konsument aber nicht genug Bargeld bei sich führt. Dies stellt eine erhebliche externale Einflussgröße für die Handlungsintention dar. Oder wenn der Konsument einen Einkauf tätigen möchte, aber
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keine Zeit findet, um diesen auch auszuführen. Je mehr Handlungsmöglichkeiten eine Person glaubt zur Verfügung zu haben, umso stärker wird sie die Verhaltenskontrolle wahrnehmen (Frey et al. 1993, 367). Diese wahrgenommene Verhaltenskontrolle wird gewichtet mit der wahrgenommenen Stärke des Einflusses auf die tatsächliche Handlung (siehe Formel 4). Die Verhaltenskontrolle selbst wird in der Formel mit ci und die wahrgenommene Stärke derselben mit pi bezeichnet.
PBC
¦c
i
u pi
Quelle: Pavlou/Fygenson 2006, 117 Formel 4: Formel für Perceived Behavioral Control Ajzen (1991) postuliert, dass die wahrgenommene Verhaltenskontrolle nicht nur die Intention direkt beeinflusst, sondern auch auf das Verhalten selbst einen direkten Einfluss hat. Past Behavior – Vergangenes Verhalten Kang et al. (2006, 858) wiesen in ihrer Studie zum Nutzungsverhalten von ECoupons nach, dass (selbstberichtetes) vergangenes Verhalten einen signifikanten Einfluss auf die Handlungsintention hat. Generell ist das vergangene Verhalten ein starker Prädiktor unabhängig vom Kontext. Dies wurde bereits mehrfach empirisch nachgewiesen (vgl. Orbell et al. 1997; Albarracín/Wyer 2000; Soman 2001; Kidwell/Jewell 2003; Kidwell/Jewell 2008). Ajzen (2005, 89 ff.) gibt zu bedenken, dass vergangenes Verhalten kein besserer Prädiktor ist, wenn Personen genug Zeit haben, über Ihr Verhalten nachzudenken. Hingegen hat bei spontanem oder oftmals wiederholtem Verhalten bzw. bei Verhalten unter Zeitdruck das vergangene Verhalten einen großen Einfluss. Da das Zahlungsverhalten eher Letzteren zuzuordnen ist, wird dieses latente Konstrukt in das Modell mit aufgenommen. Generell sind die Kritikpunkte wie auch die Studien über den Prädiktionswert von vergangenem Verhalten mannigfaltig. In der Diskussion geht aber klar hervor, dass vergangenes Verhalten unbestritten zwar einen hohen Erklärungswert hat (vgl. Kidwell/Jewell 2008, 1162), sich das Verhalten aber oft im Laufe der Zeit verändert und durchaus variiert (vgl. Ajzen 2005, 91). De Cannière et al. fassen als Ergebnis ihrer Studie zusammen, dass bei Verwendung der TpB die Einstellung neben der subjektiven Norm, der Verhaltenskontrolle und Intention den größten Erklärungsbeitrag liefert sowie auch das vergangene Verhalten. Sie schlagen vor, dass Modelle zur Prognose des Kaufverhaltens alle drei Arten von Variablen beinhalten sollten, einstellungsbezogene, Kaufintention sowie vergangenes Verhalten (vgl. De Cannière et al. 2009, 90).
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Intention (INT) Die Absicht einer Person, ein bestimmtes Verhalten bzw. eine bestimmte Handlung auszuführen, wird als Intention im Bezug auf die TpB bezeichnet. Je stärker diese Intention zu einer bestimmten Handlung ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie ausgeführt wird (vgl. Ajzen 1991, 181), oder anders ausgedrückt, kann man von der Stärke der Intention auf den Grad der Anstrengung schließen, mit der eine Peron versuchen wird, das gewünschte Verhalten auch tatsächlich auszuführen (vgl. Zumholz 2002, 80), im Gegensatz zur Auffassung der Intention in der TrA, wo sie als subjektive Wahrscheinlichkeit einer Person verstanden wird, mit der diese Person annimmt, das Verhalten zu einem späteren Zeitpunkt auszuführen (vgl. Jonas/Doll 1996, 22 f.). Die Intention wirkt maßgeblich durch die positive oder negative persönliche Einstellung gegenüber dem Verhalten sowie die subjektive Norm und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle, die sich in Berücksichtigung der Ressourcen, der Kompetenz und Handlungsmöglichkeit der Person ausdrückt. Diese Faktoren beeinflussen einander auch wechselseitig, mögliche andere Faktoren wirken nicht direkt auf die Intention, sondern nur indirekt über diese drei Konstrukte (vgl. Bamberg/Schmidt 1994, 98). Dieses Suffizienzprinzip wurde in der TrA jedoch oftmals kritisiert und diese Kritik findet in der TpB Berücksichtigung, da diese Einschränkung nicht dem Charakter der TpB als algebraisches Strukturmodell entspricht, welches sich ohne Weiteres um Regressoren erweitern lässt (Jonas/Doll 1996, 24). Die Intention selbst stellt grundsätzliche eine notwendige Antezedenz zur Prognose des tatsächlichen Verhaltens dar. (Actual) Behavior – (tatsächliches) Verhalten/Handlung Das Verhalten ist die offensichtliche, beobachtbare Reaktion auf eine gegebene Situation bezogen auf eine bestimmte Vorgabe. In der TpB ist das Verhalten eine Funktion aus Intention und wahrgenommener Verhaltenskontrolle, wobei eine positive Intention nur dann ein Verhalten begründet, wenn die wahrgenommene Verhaltenskontrolle stark ist. In anderen Worten, kann man davon ausgehen, dass Individuen machen, was sie beabsichtigen zu tun, abgesehen von unvorhersehbaren Vorkommnissen (vgl. Ajzen 2005, 99 ff.). Perceived usefulness – Wahrgenommener Nutzen Die beiden Haupteinflussfaktoren der TAM auf die Handlungsintention und die Adoption sind der wahrgenommene Nutzen und die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit. Der wahrgenommene Nutzen bezieht sich auf die subjektive Einschätzung des Individuums zum gebotenen Nutzen von Technologien (vgl. Zhang/Mao 2008, 789). Im Konsumentenkontext bedeutet dies die wahrgenommene Wahrscheinlichkeit, dass eine Technologie der Person hilft eine Handlung auszuführen (vgl. Kulviwat et al. 2007, 1063). Da man auch Debit-
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und Kreditkarte als eine Technologie einordnen kann, werden diese Konstrukte der TAM in das Erklärungsmodell zum Zahlungsverhalten übernommen. Perceived Ease of Use - Wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit Die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit ist das Ausmaß, zu welchem ein Individuum annimmt, dass eine Technologie oder im vorliegenden Fall beispielsweise eine Zahlungskarte einfach anzuwenden ist (vgl. Gefen et al. 2003, 54). Der wahrgenommene Nutzen wie auch die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit wirken auf die Einstellung zu einem Verhalten und die Einstellung weiter auf die Handlungsintention. Dies war die Annahme, welche aus der TrA von Davis (1989) abgeleitet wurde und welche auch in etlichen Studien belegt werden konnte (beispielsweise bei Venkatesh/Davis 2000, 197; Kulviwat et al. 2007, 1075; Ngai et al. 2007, 261; Weijters et al. 2007,12). Einige Studien haben auch einen direkten Effekt dieser beiden Konstrukte auf die Intention (vgl. Gefen et al. 2003, 71; Zhang/Mao 2008, 797) nachweisen können. In der vorliegenden Studie wird von einem indirekten Einfluss der beiden Konstrukte auf die Handlungsintention über die Einstellung ausgegangen. Reliability - Zuverlässigkeit Weijters et al. (2007, 5) verwenden in ihrem Beitrag über das Nutzungsverhalten von Self-Service-Technologien das TAM und erweitern dieses unter anderem um die wahrgenommene Reliabilität. Die bereits vorliegende Literatur zur Evaluation von Self-Service-Technologien (vgl. Dabholkar 1996; Pratibha et al. 2003) und zur Servicequalität (vgl. Parasuraman et al. 1988) unterstützt diese Vorgehensweise. Weijters et al. (2007, 10 und 16) weisen mit ihrer Studie nach, dass die Einstellung des Konsumenten zu Self-Service-Technologien signifikant von der wahrgenommenen Reliabilität, dem wahrgenommenen Nutzen und der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit beeinflusst wird. Unter Reliabilität wird der Grad verstanden, zu dem erwartet wird, dass das gemessene Objekt fehlerlos und gut funktioniert (vgl. Weijters et al. 2007, 5). Die erwartete Zuverlässigkeit bezieht sich ebenso auf die Erwartungen des Konsumenten, wie genau seine Aufträge von beispielsweise einer Software ausgeführt werden (vgl. Dabholkar 1996, 39). Sowohl bei Zahlung mit Bargeld als auch mit Zahlungskarte kann es zu Problemen kommen, welche sich eventuell auf die wahrgenommene Zuverlässigkeit eines Zahlungsmittels auswirken können. Bei Bargeld kann der Fall eintreten, dass nicht ausreichend Wechselgeld zur Herausgabe auf den tatsächlichen Rechnungsbetrag vorhanden ist oder der Restbetrag falsch herausgegeben wird. Bei Zahlungskarten wäre eine Möglichkeit, dass der EFT-PoS-Terminal
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nicht funktioniert, der Rechnungsbetrag vom Kassenpersonal falsch eingetippt wird oder der Rechnungsbetrag doppelt abgebucht wird. In allen Fällen gibt es diverse Möglichkeiten, warum ein Konsument den Grad an Zuverlässigkeit für ein Zahlungsmittel höher oder geringer beurteilt. 3.1.3
Anwendung der theoretischen Aspekte
Es kann angenommen werden, dass die TpB ein bestimmtes Verhalten erfolgreich erklären und vorhersagen kann. Der Grund dafür ist, dass sie als eine der am besten operationalisierten und empirisch am umfangreichsten getesteten Theorien bezeichnet werden kann. Dies wurde bereits im vorangegangenen Kapitel mit einer Aufzählung von empirischen Arbeiten zu diesem Thema, die nicht den Anspruch der Vollständigkeit erhebt, begründet. Sie ist von hohem heuristischem Wert und stellt ein relativ sparsames Modell dar. Ihre Konstrukte sind theoretisch relevant und relativ einfach operationalisierbar. Gleichzeitig bietet die Analyse der kognitiven Überzeugungen eine Grundlage zur Ableitung von Handlungsempfehlungen (vgl. Bamberg 1996, 32) und sie kann, mit entsprechender theoretischer Fundierung, durch andere Konstrukte ergänzt werden, beispielsweise mit dem TAM (siehe dazu Tabelle 8). Bislang wurde das Zahlungsverhalten noch nicht im theoretischen Bezugsrahmen der in diesem Kapitel vorgestellten theoretischen Ansätze überprüft. Die TpB erscheint aufgrund ihrer bereits umfangreichen empirischen Evidenz und der bereits mehrmaligen Überprüfung von ähnlichen Zusammenhängen geeignet. So wurde bereits die Transportmittelwahl mit dieser Theorie überprüft (vgl. Bamberg et al. 2003). Es können durchaus Ähnlichkeiten in der Entscheidungsfindung gegenübergestellt werden. Es stehen beispielsweise wie bei der Entscheidung für ein Zahlungsmittel nur einige wenige mögliche Transportmittel zur Verfügung. Die Akzeptanzstellen könnte man mit dem Netz der öffentlichen Verkehrsmittel vergleichen. Dort, wo kein öffentliches Verkehrsmittel hinfährt, kann der Konsument nur (Motor-) Rad oder PKW benützen, gleich wie bei der Akzeptanz von Zahlungsmitteln. Nur solche Zahlungsmitteln können vom Konsumenten verwendet werden, die auch vom Händler als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Eine weitere Ähnlichkeit ist die Unterschätzung der Kosten für die Nutzung des eigenen PKWs, gleich wie die Verwendung von Bargeld (Teller 2002, 197). Diese Kosten setzen sich aus grundsätzlich monetär direkt messbaren Größen und aus subjektiv bewertbaren Kosten wie Zeit und Mühe zusammen, welche in der Transaktionskostentheorie einen möglichen Erklärungsansatz finden. Wie die TpB ist auch das TAM bereits oftmals empirisch validiert worden und auch schon mehrere Male erfolgreich in Zusammenhang mit der TpB (siehe Tabelle 8). Dies und die Tatsache, dass es sich bei den bargeldlosen Zahlungs-
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mitteln um technische Innovationen handelt, stellen die Kernargumente für die Verwendung des TAM in diesem Forschungsbezug dar. Auch in Hinblick auf zukünftige Innovationen in diesem Bereich, wie Zahlung mit Mobiltelefon oder biometrische Verfahren, sind die Verwendung dieses Modells und die Verknüpfung mit der TpB zu bevorzugen. Die erste Ebene der theoretischen Konstrukte wird unverändert übernommen. Um jedoch für die Befragten die Komplexität zu reduzieren und das Model so sparsam wie möglich zu gestalten, wurden die jeweiligen Gewichtungsfaktoren der Konstrukte „Attitude towards the Behavior“, „Subjective Norm“ und „Perceived Behavioral Control“ nicht mit eingebunden. Der Informationsverlust dieser Gewichtungsfaktoren kann als relativ gering eingeschätzt werden und so wurde dieser Weg zugunsten der reduzierten Interviewzeit und des sparsameren Modells gewählt. 3.2
Transaktionskostenansatz
Dieses Kapitel widmet sich der Transaktionskostentheorie als weiteren theoretischen Bezugspunkt. Wie bereits im ersten Kapitel folgt auch in diesem zuerst eine Einleitung in das Thema mit einem kurzen Überblick über die Einordnung, Entstehung und Weiterentwicklung der Theorie. Dem folgen die Erläuterungen der begrifflichen Grundlagen und die Anwendung der theoretischen Aspekte auf das Zahlungsverhalten. 3.2.1
Einordnung, Entstehung und Weiterentwicklung
Ronald H. Coase, Nobelpreisträger 1991, konzipierte in seiner Arbeit „The Nature of the Firm“ die Grundgedanken für den Transaktionskostenansatz (vgl. Coase 1937). Dieser stellt mit der Property-Rights-Theorie und der PrincipalAgent-Theorie den Kern der Neuen Institutionenlehre innerhalb der Institutionen der Wirtschaft dar (vgl. Dorow/Weiermair 1984, 191; Kaas/Fischer 1993, 686; Richter et al. 2003, 40). Ein Wesensmerkmal dieser ist der Fokus auf die Kostspieligkeit von Transaktionskosten. Diese sind das Resultat von ineffizientem Handeln von Individuen, jedenfalls im Vergleich zum „Homo oeconomicus“ des neoklassischen Ansatzes (vgl. Richter et al. 2003, 53 f.). Diese Ineffizienz entsteht durch Beschränkungen wie begrenztes Wissen. Der Transaktionskostenansatz beschäftigt sich deshalb mit der effizienten Koordination von ökonomischen Aktivitäten (vgl. Kaas/Fischer 1993, 686). Einige Jahrzehnte lang war der Ansatz nicht beachtet wurden, aber in den 70er-Jahren von Williamson wieder aufgegriffen. Dieser wies, wie auch vor ihm schon Alchian und Demsetz (1972, 783 f.), auf den tautologischen Charakter der Argumentation hin, was für ihn der Grund ist, warum dieser Ansatz nicht genutzt wurde (vgl.
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Williamson 1975, 3). Für Williamson waren folgende Attribute der Theorie von speziellem Interesse für die Analyse (vgl. Williamson 1975, 4): x x
Die Transaktionen und die dazugehörigen Kosten Unsicherheit und begrenzte Rationalität
Die Übernahme dieser Konzepte bedingte die Änderung der Grundannahmen der Neoklassik, welche Handeln mit vollkommenen Informationen bzw. am vollkommenen Markt impliziert (vgl. Dorow/Weiermair 1984, 191 f.). Von Bedeutung sind zwei wesentliche Elemente. Einerseits das Individuum als derjenige, der in eine ökonomische Aktivität involviert ist, und andererseits die Transaktion, ergo der Austausch eines Gutes oder einer Dienstleistung als ökonomische Aktivität selbst (vgl. Jost 2001, 10). Coase (1937) untersuchte die Frage, warum Unternehmungen überhaupt als hierarchische Gebilde mit interner Arbeitsteilung bestehen und einerseits selbst Vorprodukte und Dienstleistungen erzeugen und andererseits Vorleistungen vom Markt extern beziehen (vgl. Picot 1992, 80). Divergent zur Neoklassik befindet er, dass der Preis kein kostenloses Koordinationsinstrument für Markttransaktionen ist, sondern dass die Verwendung des Preismechanismus mit Kosten verbunden ist, genauso wie Information, Kommunikation und Koordination nicht kostenlos zur Verfügung stehen (vgl. Coase 1937, 387). Die Höhe dieser Kosten ist ein Entscheidungskriterium, ob eine Leistung intern erstellt oder am Markt zugekauft wird („make or buy“-Entscheidung). Unternehmensintern müssen weniger Verträge abgeschlossen werden und somit kommt es zu einer Senkung von Transaktionskosten. Als Konsequenz daraus könnte man interpretieren, sollten alle Teilleistungen intern erbracht werden. Jedoch erhöhen sich die Kosten unternehmensinterner, hierarchischer Koordination überproportional mit der Anzahl übernommener Markttransaktionen und dadurch steigen wiederum die Organisationskosten. Im Sinne der Transaktionskostentheorie soll diejenige Organisationsform für den Leistungsaustausch gewählt werden, die die geringsten Transaktionskosten verursacht (vgl. Coase 1937, 391 f.). In Anlehnung an Coase werden diese Kosten der Vereinbarung und Verwirklichung einer arbeitsteiligen Leistungserstellung Transaktionskosten genannt (vgl. Picot 1992, 80). 3.2.2
Begriffliche Grundlagen
Über eine der wohl ersten Definitionen von Transaktion als Begriff diskutierte bereits in den frühen 30er-Jahren Commons (1931, 652 f.) und verstand darunter nicht den physischen Güteraustausch, sondern die Veräußerung und Anschaffung von Verfügungsrechten zwischen Personen, worüber die Parteien im Vor-
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feld entweder der Produktion, des Gütertausches oder des Konsums verhandeln müssen. Er stellte somit die vorgelagerte Übertragung der Eigentumsrechte in den Mittelpunkt seiner Ausführungen zur Transaktion. Williamson (1987, 1) hingegen postuliert, dass eine Transaktion stattfindet, wenn ein Gut oder eine Leistung über eine technisch trennbare Schnittstelle hinweg übertragen wird, und betont somit eher die physische Übertragung. Transaktionskosten stellen keine marginalen Erscheinungen des Wirtschaftslebens dar, sondern sind ein großer Teil aller wirtschaftlichen Aktivitäten. Deren Senkung ist einer der Hauptgründe der Entstehung und des Wandels von Institutionen, die wiederum den technischen Wandel beeinflussen (vgl. Picot 1992, 80). Um die Abwicklung ökonomischer Aktivitäten effizient zu gestalten, ist es notwendig, die Einflussfaktoren auf die Transaktionskosten zu analysieren und zu operationalisieren. Transaktionskosten können aber auch als Kosten der Kunden definiert werden, die über den Preis für das Produkt oder die Leistung hinausgehen (vgl. Posselt/Gensler 2000, 183). Picot (1982, 270) teilt die Transaktionskosten in vier Kostenarten ein, die sich an die Phasen einer Transaktion anlehnen: x Anbahnungskosten x Vereinbarungskosten x Kontrollkosten x Anpassungskosten Die ersten beiden Kostenarten können den ex ante Transaktionskosten zugerechnet werden, die Kontroll- und Anpassungskosten den ex post. Die ex ante Transaktionskosten gehen grundsätzlich dem Vertragsabschluss voraus, während die ex post dem Vertragsabschluss folgen (vgl. Picot 1982, 270; Williamson 1987, 20 f.). Die meisten Transaktionskosten werden als Opportunitätskosten bewertet und sind als theoretische Konstrukte nicht direkt beobachtbar. Die Beurteilung erfolgt subjektiv durch den Konsumenten (vgl. Kaas/Fischer 1993, 237). Anbahnungskosten können als Kosten für die Informationssuche und beschaffung sowie als Vergleichskosten gesehen werden (vgl. Picot 1982, 270). Die Planungs- und Zeitkosten spielen dabei eine wichtige Rolle. Analog zur Anbahnungsphase sind diese Kosten auch in der Vereinbarungsphase ein wesentlicher Bestandteil und der Zeitaufwand hat über die Wartezeit als Servicebestandteil einen essenziellen Einfluss (vgl. Kreller 2000, 68). Übersichtliche Warenplatzierung und kurze Wartezeiten an der Kasse reduzieren den Zeitaufwand und die Möglichkeit der Zahlung mit Zahlungskarte verringert Zeit- und Planungskosten. Ein Umweg über ein Geldinstitut oder Geldausgabeautomaten
58
Theoretische Fundierung
ist nicht notwendig, wenn zu wenig Bargeld verfügbar - beispielsweise in der Geldbörse - ist. Kontrollkosten entstehen für die Sicherstellung der Einhaltung von Termin-, Qualitäts-, Mengen- und Preisvereinbarungen und die Anpassungskosten können als Kosten für die Durchsetzung nachträglicher qualitativer, mengenmäßiger, preislicher oder terminlicher Änderungen aufgrund von veränderten Rahmenbedingungen subsumiert werden (vgl. Picot 1982, 270). Kontrollkosten können vonseiten des Händlers Kosten der Restgeldkontrolle, der Transport des Bargeldes zur Bank, aber auch das zu zahlende Disagio sein. Aufseiten des Konsumenten wären diese Kosten beispielsweise die Kosten bei der Kontrolle der Kreditkartenabrechnung oder des Kontoauszugs. Ursache für die Entstehung von Transaktionskosten sind menschliche und Umweltfaktoren, die das „organizational failures framework“ bilden. Die Höhe wiederum hängt von transaktionsspezifischen Faktoren ab. Menschliche Faktoren beeinflussen Transaktionskosten durch eingeschränkte Rationalität und opportunistisches Verhalten des Individuums. Der Mensch verfügt über beschränktes Können, Wissen und Zeit zur Informationsverarbeitung (vgl. Kaas/Fischer 1993, 687). So kommt es zustande, dass Menschen trotz Verfügbarkeit einer Debitkarte mit Bargeld zahlen, weil sie der Überzeugung sind, bei Zahlung mit Debitkarte den Überblick über die eigenen Ausgaben zu verlieren, während andere genau aus diesem Grund die Zahlung mit Debitkarte bevorzugen (vgl. OeNB 2008b, 3). Unter Umweltfaktoren versteht Williamson (1975, 9) im Allgemeinen die Umweltunsicherheit und die Anzahl der Marktteilnehmer. Sogenannte „small numbers“-Situationen entstehen dann, wenn nur wenige oder gar nur ein Marktteilnehmer und damit Transaktionspartner zur Verfügung steht (Michaelis 1985, 146). Umgelegt auf das Zahlungsverhalten bedeutet das entweder, dass nur wenige Akzeptanzstellen zur Verfügung stehen, oder dass nur wenige Kunden die Zahlungsmittel besitzen und nutzen können. Je mehr Akzeptanzstellen ein Zahlungsmittel aufweist, desto mehr Möglichkeiten hat der Kunde, dieses zu verwenden. Beispielsweise kann die Kreditkarte MasterCard auf über 31 Mio. und Visa auf über 24 Mio. Akzeptanzstellen weltweit verweisen (vgl. PayLife 2008, o.S.), was eine relativ geringe Barriere für die Verwendung darstellt. Diese weite Verbreitung von einigen wenigen Kreditkarten stellt andererseits aber auch eine Markteintrittsbarriere für neue Kartenanbieter dar, da die Marktmacht und das bereits gute ausgebaute Akzeptanzstellennetz nur mit sehr hohem Kostenaufwand innerhalb kurzer Zeit für neue Anbieter aufzubauen ist. Somit schaffen die hohen Investitionen eine gewisse Abhängigkeit, was auch zu opportunistischem Verhalten führen kann. Dies könnte man kritisch betrachtet in den teilweise hohen Disagio-Sätzen erkennen. Während die Kreditkartenbesitzer eine Jahresgebühr für ihre Karte leisten müssen, müssen die Akzeptanzstellen
Theoretische Fundierung
59
Disagio-Sätze zahlen. Das Zusammenwirken dieser beschriebenen Faktoren behindert den Ablauf von Transaktionen und verursacht damit Transaktionskosten. Dies führt zu einer Situation, die Williamson „Informationsverkeilung“ („Information Impactedness“) nennt (vgl. Williamson 1975, 40). Diese wird hauptsächlich durch Unsicherheit und Opportunismus hervorgerufen. Auch die beschränkte Rationalität spielt eine Rolle, wenn auch nur indirekt (siehe Abbildung 14). Die „Informationsverkeilung“ wiederum wirkt sich auf die bestehende Marktstruktur aus.
Quelle: Beck 2004, 54 in Anlehnung an Williamson, Oliver E. 1975, 40 Abbildung 14: Entstehung von Transaktionskosten Für die Untersuchung des Zahlungsverhaltens wurden vor allem aus den Anbahnungs- und Vereinbarungskosten drei latente Konstrukte abgeleitet. Diese ex ante Transaktionskosten werden im Folgenden kurz erläutert. Jonker (2007, 290) berichtet von vier Determinanten mit großem Einfluss darauf, ob und wie häufig ein bestimmtes Zahlungsmittel verwendet wird. Diese Aspekte sind Sicherheit, Dauer einer Transaktion, Kosten und Benutzerfreundlichkeit. Die ersten drei Konstrukte wirken auf die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit des Zahlungsmittels. Perceived Safety - Wahrgenommene Sicherheit Bargeld wird als relativ unsicheres Zahlungsmittel wahrgenommen, während Debitkarten als modern, einfach und praktisch gelten (vgl. Humphrey et al. 1996, 916). Generell werden Zahlungskarten als sicherer und zuverlässiger als Bargeld angesehen (vgl. Jonker 2007, 276). Die Sicherheit eines Zahlungsmittels kann somit als ein Fehlen von materieller Gefahr und finanziellem Risiko bei der Verwendung des Zahlungsmittels interpretiert werden (vgl. Jonker 2007, 291). Die wahrgenommene Sicherheit eines Zahlungsmittels kann zu den Anbahnungskosten der Transaktionskostentheorie gezählt werden.
60
Theoretische Fundierung
Perceived Transaction Speed - Wahrgenommene Transaktionsdauer Die wahrgenommene Transaktionsdauer bezeichnet die Zeit, die notwendig ist, um eine Transaktion durchzuführen. Zwischen den einzelnen Zahlungsmitteln werden von Konsumentenseite Unterschiede wahrgenommen. Beispielsweise sagen 66 Prozent der Befragten einer Studie der OeNB, dass Bargeld „vor allem bei kleineren Beträgen praktischer und schneller“ (OeNB 2008b, 3) zur Verfügung steht, und 39 Prozent behaupten sogar, dass Bargeld „generell schneller“ (OeNB 2008b, 3) ist. Diese subjektiv wahrgenommene Dauer einer Zahlungstransaktion spielt somit eine Rolle bei der Wahl des Zahlungsmittels (vgl. Jonker 2007, 292). Die wahrgenommene Transaktionsdauer kann den Vereinbarungskosten der Transaktionskostentheorie zugeordnet werden. Perceived Costs - Wahrgenommene Kosten Effektive Transaktionskosten sind bei Zahlungen mit Debitkarte am stationären PoS von Konsumentenseite keine zu tragen, während die Händler Disago zahlen müssen. Dadurch entstand beispielsweise in den Niederlanden ein schnelles Wachstum des Debitkartenmarktes. Mit dieser Preisgestaltung ist die Zahlung mit Debitkarte für Konsumenten tatsächlich günstiger, wenn Opportunitätskosten der Geldhaltung in die Kalkulation einbezogen werden (vgl. Jonker 2007, 274 f.). Dieses Konstrukt wird als Kosten für den Konsumenten für den Besitz und die tatsächliche Verwendung eines Zahlungsmittels definiert (vgl. Jonker 2007, 291). Es zählt zu den Anbahnungskosten der Transaktionskostentheorie.
Theoretische Fundierung 3.2.3
61
Anwendung der theoretischen Aspekte
Die Transaktionskostentheorie hat sich in der Betriebswirtschaft seit Jahren besonders im Bereich Marketing etabliert. Williamson (1987, ix) hält fest: „Any problem that can be formulated, directly, or indirectly, as a contracting problem can be investigated to advantage in transaction cost terms.“ Aus Marketingperspektive wird hauptsächlich die Anbieterseite beleuchtet, beispielsweise im Rahmen der Distributionspolitik die Wahl unterschiedlicher Absatzkanäle und Vertriebsformen (vgl. Müller-Hagedorn 1990, 453 ff.; Klein 2008, 147). Rindfleisch und Heide (1997, 32 ff.) teilten die publizierten empirischen Studien aus diesem Gebiet in vier kontextabhängige Bereiche ein. Diese sind die vertikale Integration, vertikale organisationsübergreifende Beziehungen, horizontale organisationsübergreifende Beziehungen und Überprüfungen von Thesen zur Transaktionskostenanalyse. Eine Literaturübersicht über die empirischen Studien aus den jeweiligen Bereichen ist im Journal of Marketing veröffentlicht worden (Rindfleisch/Heide 1997, 33 ff.). Obwohl sich der Transaktionskostenansatz grundsätzlich mit Koordinationsmechanismen sozioökonomischer Austauschbeziehungen beschäftigt und vorwiegend auf Koordinationsformen industrieller Märkte angewendet wird, kann er ebenso auf Konsumenten-Anbieter-Beziehungen übertragen werden (vgl. Klingenberg 2000, 46). Das Entscheidungsproblem des Konsumenten zur Wahl der Einkaufsstätte wurde bereits aus Transaktionskostensicht untersucht (vgl. Posselt/Gensler 2000; Klein 2008). Im Rahmen einer ökonomischen Analyse kann der Begriff der Transaktionskosten ebenso auf die Entscheidung über ein Zahlungsmittel verwendet werden, da er sehr weit gefasst ist (vgl. Klein 2008, 148). Der Konsument kauft ein Produkt oder eine Dienstleistung, weil die Differenz aus dem zu erwartenden Nutzen und den Kosten zur Erlangung des Produktes oder der Dienstleistung zu maximieren versucht wird. Somit kann der gesamte Einkaufsprozess von der Planung über die Einkaufsstättenwahl, den Kaufakt selbst, der Zahlung bis hin zum Transport nach Hause respektive der Auslieferung und der anschließenden Nutzung als Übertragungsphase für die Verfügungsrechte an diesem Produkt interpretiert werden. Die konsumentenseitige Präferenz ergibt sich aus dem Vergleich der jeweiligen Nettonutzen durch den dabei entstehenden relativen Nutzenvorteil (vgl. Klein 2008, 148 f.). So können beispielsweise die drei Faktoren der Transaktionskostentheorie auf diese Entscheidung umgelegt werden. Der menschliche Faktor kann über Einstellungen zu einem Zahlungsmittel definiert werden, über die Benutzerfreundlichkeit und den Nutzen der verschiedenen Zahlungsmittel. Die Umweltfaktoren bestehen aus Wechselbarrieren, wie Jahresgebühren für Zahlungskarten, der finanziellen Lage des Konsumenten oder auch der Verfügbarkeit von Akzeptanzstellen.
62
Theoretische Fundierung
Transaktionsspezifische Faktoren könnten als die Häufigkeit der Zahlungshandlung verstanden werden oder der Höhe des Rechnungsbetrags, die gefühlte Sicherheit und Dauer der Transaktion. Im Hinblick auf die vier Kostenarten wird in der vorliegenden Arbeit nur auf die ex ante Transaktionskosten eingegangen. Diese können als Akzeptanz und Höhe des Rechnungsbetrags seitens der Unternehmer betrachtet werden oder als finanzielle Situation, wahrgenommene Sicherheit, Kosten und Transaktionsdauer der Zahlung. Ein Teil des theoretischen Fundaments für das zu erklärende Verhalten kann somit die Übertragung der Transaktionskostentheorie auf die Entscheidung über das Zahlungsmittel darstellen. Da der Erwerb von Waren oder Dienstleistungen und die Zahlung unmittelbar miteinander verbunden sind, kann die Zahlung gleich wie beispielsweise die Einkaufsstättenwahl (vgl. Beck 2003, 89) als Bestandteil des Vertragsproblems betrachtet werden.
4
Empirischer Teil
Im empirisch-methodischen Teil wird den einzelnen Forschungsfragen aufgrund der Ausführungen im theoretisch-konzeptionellen Teil nachgegangen und diese in Hypothesen übergeleitet. Diese Hypothesen werden einer empirischen Überprüfung unterzogen und tragen so zur Beantwortung der übergeordneten Forschungsfrage bei. Dieser Teil ist in zwei Hauptkapitel untergliedert. Das erste Kapitel widmet sich den beiden Vorstudien und das zweite befasst sich mit der Hauptstudie. 4.1
Vorstudien
Zu Beginn werden die methodische Anlage und die Details zur Durchführung der beiden Vorstudien erläutert. Es erfolgt die Ableitung und Formulierung der einzelnen zu überprüfenden Hypothesen und die Operationalisierung der zentralen Konstrukte. Im anschließenden Teil findet zuerst eine deskriptive Aufarbeitung der Ergebnisse der Vorstudien statt und im Weiteren die Auswertung der Hypothesen. Abschließend erfolgen die Diskussion der Erkenntnisse und eine kritische Reflexion der Studien. 4.1.1
Methodische Anlage und Durchführung
Im ersten Teil werden die Hypothesen für die beiden Vorstudien formuliert und alle relevanten Konstrukte operationalisiert. Die Hypothesen werden anschließend in einem Modell zusammengefasst, die vorgenommenen Operationalisierungen werden dargestellt und den jeweiligen Fragen aus dem Fragebogen zugeordnet. Abschließend wird das Untersuchungsdesign vorgestellt. 4.1.1.1 Ableitung und Formulierung der Hypothesen Die Vorgehensweise bei der Ableitung und Formulierung der Hypothesen ist geleitet durch die im ersten Kapitel aufgezeigten Teilfragen der Forschungsfrage. Diese Teilfragen werden schrittweise beantwortet. Um die Einflussfaktoren der Entscheidung über die Zahlungsmittel am stationären PoS zu ermitteln, stellt sich zu Beginn die Frage, welche Zahlungsmittel am stationären PoS verwendet werden. Sowohl im Einzelhandel als auch im Dienstleistungssektor kann vom stationären PoS gesprochen werden. Diese beiden Sektoren gliedern sich in jeweils unterschiedliche Branchen. Diese Branchen sind grundsätzlich heterogen. Es ist notwendig, einen Gesamtüberblick über beide Sektoren zu bekommen, jedoch muss berücksichtigt werden, dass es Unterschiede zwischen den
64
Empirischer Teil
einzelnen Sektoren und im Weiteren auch zwischen den einzelnen Branchen der jeweiligen Sektoren geben kann. Dies zeigt auch eine Studie des Instituts für Empirische Sozialforschung (IFES), welche sich im Auftrag der Österreichischen Nationalbank (siehe Mooslechner et al. 2006) mit der Frage nach der Zahlungsstruktur in Österreich beschäftigt hat. Als Datengrundlage diente ein Zahlungstagebuch, welches von 1.204 Personen im Zeitraum einer Woche in den Monaten September bis November 2005 geführt wurde. Insgesamt wurden 21 verschiedene Handels- und Dienstleistungsbranchen untersucht. Das Ergebnis der Studie ist in Abbildung 15 dargestellt. in % Gasthaus, Hotel LEH, Supermarkt Warenhaus, Baumärkte Haushaltsgeräte, Glas, Metallwaren Trafik Kleider, Textilien Schuhe, Lederwaren Apotheke, Drogerie, Parfümerie Möbel, Heimtextilien Fahrzeugh., -zubehör Tankstellen Verkehrsmittel, Nachrichtenüberm. CD, DVD, Tonträger Elektrohandel, Computer Optiker, Fotohandel Uhren, Schmuck Bücher, Papier, Schreibwaren Spielwaren, Sportartikel
Anteil Branche
Bargeld
Debitkarte
Kreditkarte
Kundenkarte
Quick
Scheck
Internet
9,4
94,7
2,0
3,3
0,0
0,0
0,0
0,0
25,0
78,8
20,4
0,4
0,1
0,3
0,0
0,0
4,9
62,5
31,2
3,4
0,5
0,2
1,6
0,5
1,9
85,1
14,6
0,0
0,0
0,0
0,3
0,0
3,8
95,1
4,9
0,0
0,0
0,0
0,0
0,0
6,9
44,7
38,7
15,6
0,0
0,8
0,1
0,0
2,8
67,7
26,6
5,7
0,0
0,0
0,0
0,0
5,5
81,9
14,5
2,9
0,0
0,7
0,0
0,0
3,0
22,6
62,8
14,6
0,0
0,0
0,0
0,0
4,3
67,5
24,1
1,4
0,0
0,0
7,0
0,0
7,9
57,0
28,8
8,5
5,3
0,2
0,0
0,2
1,6
62,2
26,1
7,7
0,1
0,4
3,2
0,4
1,0
61,4
25,3
2,7
0,0
0,0
0,0
10,6
2,7
58,1
33,8
6,3
0,3
0,2
1,0
0,4
1,4
62,4
35,8
1,6
0,0
0,0
0,0
0,2
0,3
47,4
47,5
0,0
0,8
0,0
4,4
0,0
2,2
66,9
27,9
3,3
0,0
0,0
0,0
1,9
1,0
47,0
38,3
5,1
3,8
0,0
0,0
5,8
Empirischer Teil Blumenhandlung, Gärtnerei Kunst, Sport, Unterhaltung Wohnkosten Urlaub, Flugtickets, Reisebüro Anderes
65 1,2
93,1
5,6
0,4
0,0
0,0
0,0
0,9
3,3
84,8
9,8
3,3
0,0
0,0
0,6
1,6
5,4
45,5
33,1
0,4
1,3
0,0
10,1
9,6
1,6
42,5
20,1
35,1
0,0
0,0
2,3
0,0
2,2
86,6
5,5
0,7
0,0
0,0
1,7
5,5
Keine Angabe
0,6
87,7
11,5
0,8
0,0
0,0
0,0
0,0
Insgesamt
x
70,2
22,6
4,3
0,6
0,2
1,1
1,0
Transaktionen
x
11663
1558
176
51
32
30
37
Quelle: Mooslechner et al. 2006, 145 Abbildung 15: Zahlungsstruktur nach Branchen im Jahr 2005 Bis auf den Punkt Wohnkosten sind alle ausgewerteten Branchen entweder dem Einzelhandel (17 Branchen) oder dem Dienstleistungssektor (4 Branchen) zuordenbar. Die Daten zeigen bezogen auf die Zahlungsalternativen deutliche branchenspezifische Unterschiede. Der Umsatzanteil der Bargeldzahlungen in den Branchen „Gasthaus, Hotel“, „Trafik“ und „Blumenhandlung, Gärtnerei“ liegt über 90 %, während der Anteil von Barzahlungen bei „Möbel, Heimtextilien“ unter 23 % liegt (siehe Abbildung 15). Somit wird als Hypothese für die Vorstudie postuliert: H1:
Es besteht eine signifikante Divergenz in der Nutzung von Zahlungsalternativen zwischen den einzelnen Sektoren und innerhalb der jeweiligen Sektoren zwischen den einzelnen Branchen.
Explizit ausgeschlossen für die OeNB-Studie wurden alle getätigten Banküberweisungen und Zahlungen mit Erlagschein (vgl. Mooslechner et al. 2006, 126). Untersucht wurden von Stix und Wagner (2006, 94) Banküberweisungen nur in Bezug auf das Medium Internet. Dabei gaben im Jahr 2006 42 % der Befragten (siehe Abbildung 16) an, Waren und Dienstleistungen im Internet bestellt und mittels Banküberweisung bezahlt zu haben (vgl. Stix/Wagner 2006, 94). in % der Befragten
Banküberweisung
Kreditkarte
Nachnahme
Mobiltelefon
andere
2002 (Q1 + Q2)
43
32
23
0,5
8
2005 (Q3 + Q4)
46
38
21
0,3
6
2006 (Q1 + Q2)
42
40
24
0,3
6
Quelle: Stix/Wagner 2006, 94 Abbildung 16: Verwendung verschiedener Zahlungsmittel im Internet
66
Empirischer Teil
Eine Studie des EHI Retail Institutes im Jahr 2006 ergab, dass rund 14 % des Umsatzes mit ELV, OLV und PoZ (ELV steht für „Elektronisches LastschriftVerfahren“, OLV für „Online-LastschriftVerfahren“ und PoZ für „Point of Sale ohne Zahlungsgarantie“ (vgl. Kretschmar 2005, 31 ff.) im Einzelhandel getätigt werden sowie 3 % Rechnungsverkäufe sind. ELV, OLV und PoZ können grundsätzlich mit Überweisungen gleichgesetzt werden. Eine Überweisung wie auch ein Lastschriftverfahren stellt die Übertragung von Buchgeld dar, jedoch löst bei der Überweisung der Zahlungspflichtige und beim Lastschriftverfahren der Zahlungsempfänger den Zahlungsvorgang aus (vgl. Grill/Perczynski 2006, 112 ff.). Auch Rechnungen werden üblicherweise im Nachhinein mittels Überweisung beglichen. Laut Studienergebnissen des EHI Retail Institutes ist der Anteil von Überweisungen am Umsatz für Branchen wie Lebensmitteldiscounter und Drogeriemärkte geringer als bei Branchen wie Textilkaufhäusern/-fachgeschäften oder Baumärkten (vgl. Rüter 2007, 12). Den erstgenannten Branchen kann ein geringerer durchschnittlicher Rechnungsbetrag unterstellt werden als den letztgenannten. Dies mündet in folgende Hypothese: H2:
Es besteht eine signifikante Divergenz in der Höhe des durchschnittlichen Rechnungsbetrages zwischen den einzelnen Sektoren und innerhalb der jeweiligen Sektoren zwischen den einzelnen Branchen.
Weltweit gibt es 31 Mio. Vertragspartner der Kreditkarte MasterCard und mehr als 24 Mio. Visa-Akzeptanzstellen (vgl. PayLife 2008, o.S.). Mit Diners Club kann bei rund 15 Mio. Vertragspartner bezahlt werden (vgl. DinersClub 2007b, o.S.). Maestro wird von über 10 Mio. Vertragspartnern als Zahlungsmittel anerkannt (vgl. PayLife 2008, o.S.). Der Hauptgrund für die Akzeptanz von Kreditkarten liegt im Kundenservice (vgl. Rüter 2007, 23). Die Akzeptanz ist vor allem aber Voraussetzung dafür, dass der Kunde überhaupt die Möglichkeit hat, mit der von ihm gewünschten Zahlungsalternative zu bezahlen. Daraus resultiert ein Einfluss der Akzeptanz auf die Nutzung von Kundenseite. Somit ergeben sich folgende Hypothesen: H3:
Die Akzeptanz von Zahlungsalternativen am stationären Point of Sale hat einen signifikanten Einfluss auf deren Nutzung.
H4:
Die Sektoren und Branchen haben einen signifikanten Einfluss auf die Akzeptanz von Zahlungsalternativen am stationären Point of Sale.
H5:
Die Höhe des durchschnittlichen Rechnungsbetrages hat einen signifikanten Einfluss auf die Akzeptanz von Zahlungsalternativen am stationären Point of Sale.
Empirischer Teil
67
95 % des Zahlungsvolumens mit einem Zahlungsbetrag von unter 5 Euro werden mittels Barzahlung beglichen. Dieser Anteil nimmt mit steigender Größe laut Studie von Mooslechner, Stix und Wagner stark ab (vgl. Mooslechner et al. 2006, 135). Shy und Tarkka (2002) haben ähnliche Ergebnisse mit ihrer Studie erzielt. Die Haupteinsatzgebiete für Zahlungen mit Münzen sind Kleinstbeträge, generell für Zahlungen mit Bargeld sind mittlere Beträge, Kleinbeträge werden mit der elektronischen Geldbörse (hier Quick) bezahlt und für große Beträge werden Zahlungskarten verwendet (vgl. Shy/Tarkka 2002, 313). Somit wird als Hypothese postuliert: H6:
Die Höhe des durchschnittlichen Rechnungsbetrages hat einen signifikanten Einfluss auf die Nutzung der Zahlungsalternative.
Zusammenfassend werden die formulierten Hypothesen in grafischer Form in Abbildung 17 dargestellt. Die Hypothesen bilden den ersten grundlegenden Teil, welcher die Basis für die Vorstudien darstellt. Sie wurden aus überwiegend sekundärstatistischem Datenmaterial abgeleitet und werden im zweiten Schritt mittels Primärdaten einer empirischen Überprüfung unterzogen. Der Zugang über den Konsumenten wäre eine Möglichkeit der Datenerhebung im Bereich der Konsumentenforschung. Die Daten aus Unternehmersicht zu erheben bietet den Vorteil, dass in einem Unternehmen eine Vielzahl von Kunden bezahlen und dadurch eine höhere Abdeckung zu erzielen ist. Somit wird für die Vorstudien, welche als Basis für die Modell-Entwicklung neben der theoriegeleiteten Entwicklung fungieren, dieser Ansatz gewählt. Die relevanten Operationalisierungen folgen im nächsten Kapitel.
Abbildung 17: Zusammenfassung der Hypothesen 4.1.1.2 Messkonzeption Damit eine Überprüfung der dargestellten Hypothesen möglich wird, müssen die verwendeten Begriffe direkt beobachtbaren Größen zugeordnet werden (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, 33). Diesen Vorgang nennt man Operationalisierung,
68
Empirischer Teil
der ursprünglich auf physikalische Operationen zugeschnitten wurde, auf Bridgman (1927) zurückgeht und später erweitert wurde, wo er auch für die Sozialwissenschaften anwendbar wurde (vgl. Bortz/Döring 2006, 62 f.). Im Folgenden werden die relevanten Begriffe aus den zuvor formulierten theoretischen Aussagen operationalisiert. Da sich sowohl Akzeptanz als auch Nutzung auf die Zahlungsalternativen beziehen, müssen diese zuerst detailliert betrachtet werden. Zahlungsalternativen Um Produkte und Dienstleistungen bezahlen zu können, benötigt der Konsument ein Zahlungsmittel, mit welchem die Zahlung und damit die Begleichung des offenen Rechnungsbetrages getätigt werden kann. Je nach Zahlungsalternative unterscheidet man zwischen Bar-, halbbaren oder bargeldlosen Zahlungen (siehe Abbildung 9). Während Barzahlungen durch formlose Übergabe von Bargeld erfolgen, benötigt bei halbbaren Zahlungen entweder der Zahlungspflichtige oder der Zahlungsempfänger ein Bankkonto (vgl. Grill/Perczynski 2006, 109). Bargeldlose Zahlungen können in Form von Überweisungen, Lastschriftverfahren oder Zahlungen mittels Karte erfolgen. Bei Karten unterscheidet man Debit- und Kreditkarten (vgl. Nentwich et al. 1993, 68). Debitkarten unterscheiden sich von Kreditkarten dahingehend, dass bei Debitkarten das Konto des Inhabers umgehend belastet wird (vgl. Judt/Waldock 2004, 74), wohingegen bei Zahlung mit Kreditkarte eine spätere Abbuchung erfolgt (vgl. Nentwich et al. 1993, 69 und 81; Hartmann 2000, 35). Beispiel für eine Debitkarte in Österreich ist Maestro (vgl. PayLife 2006) und in Deutschland die EC (eurocheque)-Karte (vgl. Obst/Hintner 2000, 647). Wert- oder Pre-paid-Karten kennzeichnet, dass die Bezahlung vor der Leistungserbringung liegt (vgl. Nentwich et al. 1993, 102; Judt/Waldock 2004, 179. Als (Mobil-) Telefonwertkarten (vgl. Wenninger/Laster 1995, 1) oder als Geschenkkarten (vgl. Furletti 2004, 2) werden Wertkarten unter anderem genutzt. Akzeptanz von Zahlungsalternativen Die Akzeptanz von Zahlungsalternativen bezeichnet die Annahme von bestimmten Zahlungsmitteln im Austausch zu Produkten und Dienstleistungen. Derzeit unterliegt nur Bargeld dem gesetzlichen Annahmezwang, vor allem Banknoten, wie die Euro-Banknote, die unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel sind (vgl. Grill/Perczynski 2006, 107 ff.). Alle anderen verfügbaren Zahlungsalternativen müssen von Händlern oder Dienstleistern nicht als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Die Akzeptanz wurde mit folgenden Fragen ermittelt:
Empirischer Teil
69
1.
Ich werde Ihnen jetzt bare und bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten vorlesen. Welche von diesen bieten Sie Ihren Kunden zur Bezahlung in Ihrem Geschäft an?
2.
Gibt es, außer den eben genannten, noch andere Zahlungsmöglichkeiten, die Sie akzeptieren?
Die Antwortkategorien wurden von der jährlich durchgeführten Studie des EHI „Kartengestützte Zahlungssysteme im Einzelhandel 2007“ übernommen und an die nationalen Gegebenheiten angepasst. Die Zahlungsalternativen wurden wie folgt abgefragt: Barzahlung Maestro/Bankomat Quick Mastercard Visa American Express Diners Club eigene Kundenkarte mit Zahlungsfunktion Überweisung/Rechnung/Lastschriftverfahren (im Folgenden bei den Auswertungen subsumiert unter Überweisungen) Scheck andere Nutzung von Zahlungsalternativen Als Nutzung wird die Verwendung einer Zahlungsalternative von Konsumenten zur Bezahlung von Produkten und Dienstleistungen verstanden. Es kann zwischen Zahlungstransaktionen und Umsätzen differenziert werden. Sowohl die Fragestellung als auch die Antwortkategorien wurden von der Studie des EHI übernommen und wie folgt erhoben:
70
Empirischer Teil
1.
Welche Anteile am Umsatz entfallen derzeit auf die genannten Zahlungsmöglichkeiten in Ihrem Unternehmen?
2.
Welche Anteile an Zahlungstransaktionen, also einzelne Kaufakte, entfallen derzeit auf die genannten Zahlungsmöglichkeiten in Ihrem Unternehmen?
3.
Welche stellt für Sie die wichtigste Zahlungsmöglichkeit für Ihr Unternehmen dar?
Die Antwortkategorien wurden wie im Frageblock Akzeptanz dargestellt auch für diese Frage verwendet und für die Auswertung wurden folgende Kategorien gebildet: x x x x x x
Barzahlung Maestro/Bankomatkarte (Debitkarte) Quick Kreditkarten Überweisungen Sonstige, wie Scheck und Kundenkarten mit Zahlungsfunktion, wurden wegen ihrer geringen Fallzahlen nicht in die Auswertungen einbezogen
Sektor/Branche Die beiden untersuchten Sektoren sind der klassische Einzelhandel und der Dienstleistungsbereich. Der Einzelhandel gehört zu den dynamischsten Teilbereichen der Wirtschaft und umfasst in seinem Funktionsfeld alle Aktivitäten des Verkaufs von Produkten und Dienstleistungen direkt und ohne weitere Handelsstufen zwischenzuschalten an die Endverbraucher zu deren persönlicher Verwendung (vgl. Kotler et al. 2007, 898 f.). Immer wenn in dieser Arbeit Bezug auf Einzelhandel genommen wird, wird darunter der klassische Einzelhandel verstanden. Der Einzelhandel mit Produkten und der Einzelhandel mit Dienstleistungen lassen sich nun weiter in unterschiedliche Branchen segmentieren. Das Gliederungsmodell dazu lehnt sich an die Gliederung nach ÖNACE 2003 an, nach welchem die Statistik Austria auswertet und jährlich Studien zur Verfügung stellt, welche somit als Vergleichswerte herangezogen werden können. Die ÖNACE 2003 ist die österreichische Version der NACE (abgeleitet von der französischen Bezeichnung der europäischen Wirtschaftstätigkeitenklassifikation: „Nomenclature générale des activités économiques dans le communautés européennes“), welche seit 1. Jänner 2003 von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbindlich anzuwenden ist. Der Grund für diese Normierung der statistischen Kennzahlen ist
Empirischer Teil
71
die Notwendigkeit der Vergleichbarkeit der einzelnen Volkswirtschaften innerhalb der Europäischen Union. Weiters wurde damit, um die internationale Vergleichbarkeit der Statistiken zu gewährleisten, auch eine Harmonisierung mit der ISIC Rev. 4 (International Standard Industrial Classification of All Economic Activities) erreicht. Da diese weltweit für alle Länder anwendbar sein soll, ist die hierarchisch strukturierte Gliederung stark reduziert. In den nationalen Kennzahlsystemen der Wirtschaftstätigkeiten ist der Detailgrad wesentlich tiefer, wie beispielsweise in der ÖNACE. Die einzelnen Wirtschaftszweige sind in die Abschnitte A-Q eingeteilt (Statistik Austria 2008b). Die, für diese Arbeit, relevanten Abschnitte sind der Abschnitt G, Unterabschnitt A, Abteilung 52 für den klassischen Einzelhandel und Teile der Abschnitte H, I, K und O für den Dienstleistungssektor. Ersterer steht für Einzelhandel ohne Handel mit Kraftfahrzeugen und ohne Tankstellen sowie Reparatur von Gebrauchsgütern. Per Definition von Statistik Austria sind die Abschnitte H-O dem Dienstleistungssektor zuzurechnen, allerdings werden nur die Abschnitte H-K in der Leistungs- und Strukturstatistik erhoben. Der Abschnitt H überspannt das Beherbergungs- und Gaststättenwesen, I den Verkehr und die Nachrichtenübermittlung, J das Kredit- und Versicherungswesen, K das Realitätenwesen, Vermietung beweglicher Sachen und Erbringung von unternehmensbezogenen Dienstleistungen, L fasst die öffentliche Verwaltung, Landesverteidigung und Sozialversicherung zusammen, M das Unterrichtswesen und N das Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen und der Abschnitt O die Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen. Die Abschnitte J, L, M und N wurden nicht in die Studie einbezogen, da es sich bei Zahlungstransaktionen in diesen Bereichen nicht um klassische stationäre PoSTransaktionen handelt. Da ein Einbeziehen aller Branchen in den jeweiligen Sektoren zu umfangreich wäre, wurden neun Einzelhandels- und 21 Dienstleistungsbranchen für die Studien ausgewählt. Die Branchen, die in die Studien eingeflossen sind, werden in Tabelle 9 dargestellt. Der ÖNACE-Code des Unternehmens wurde aus der Firmendatenbank „Aurelia“ entnommen und im Fragebogen eingetragen.
72 ÖNACE
Empirischer Teil Bezeichnung
Einzelhandel
GA 52.3
EH mit Waren verschiedener Art, Warenhäuser sowie mit Nahrungs- und Genussmitteln, Getränken und Tabak Apotheken, Parfümerien, Drogerien
GA 52.41-43
EH mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren
GA 52.44
EH mit Möbeln, Einrichtungsgegenständen und Hausrat EH mit elektrischen Haushalts-, Rundfunk/Fernsehgeräten, Musikinstrumenten EH mit Metallwaren, Anstrichmitteln, Bau-/ Heimwerkerbedarf EH mit Büchern, Zeitschriften, Zeitungen, Schreibwaren, Bürobedarf Sonstiger Einzelhandel EH mit Antiquitäten, Gebrauchtwaren, Reparaturen und Sonstiges
GA 52.1 u 2
GA 52.45 GA 52.46 GA 52.47 GA 52.48 GA 52.5-7 Dienstleistungen HA 55.1/2 HA 55.3/5
Hotels, Gasthöfe, Pensionen und sonstige Beherbergungswesen Restaurants, Gasthäuser, Cafehäuser, Kantinen und Caterer
HA 55.4 IA 60.1 IA 60.21-01/02 IA 60.21-03 IA 60.22 KA 71.10-02 IA 62.1
Sonstiges Gaststättenwesen Eisenbahnen; U-Bahn-, Straßen- und Schnellbahnverkehr, Autobus Seilbahn-, Sessel- und Schleppliftverkehr
Linienflugverkehr
IA 63.3
Reisebüros und Reiseveranstalter
IA 63.4
Spedition, sonstige Verkehrsvermittlung
IA 63.21-01
Parkhäuser und Parkgaragen
IA 63.21-02
Mautstraßen
IA 64.2
Fernmeldedienste
KA 71.40-03
Videotheken
Taxis und Autovermietung
Empirischer Teil
73
KA 74.85-03
Copy-Shops; Lichtpaus- und Fotokopieranstalten
OA 92.13/31
Kinos, künstlerische u. schriftst. Tätigkeiten (Theater)
OA 92.71
Casino, Wett-, Toto- und Lotteriewesen
OA 93.01
Wäscherei und chem. Reinigung
OA 93.02
Frisöre, Kosmetiker und Fußpfleger
OA 93.04-01/02
Massage- und Fitnesszentren
OA 92.34-01
Tanzschulen
MA 80.41-01 Fahrschulen Tabelle 9: ÖNACE-Gliederung der untersuchten Branchen Durchschnittlicher Rechnungsbetrag Der durchschnittliche Rechnungsbetrag bezeichnet das Entgelt einer Rechnung, welche die Kosten des gekauften Warenkorbes darstellt. Wie hoch schätzen Sie den durchschnittlichen Rechnungsbetrag pro Ein1. kauf in Ihrem Unternehmen? 4.1.2
Ergebnisse der Vorstudien
Dieses Kapitel widmet sich der deskriptiven Auswertung der Vorstudien und der Überprüfung der vorab formulierten Hypothesen. In den einführenden Überlegungen zu Beginn werden die Stichprobe sowie die Details der Durchführung der Vorstudien näher beschrieben. Dies wird in einem methodischen Steckbrief übersichtlich zusammengefasst. 4.1.2.1 Einführende Überlegungen Die erste Vorstudie wurde 2006 im Einzelhandel und die zweite 2007/2008 im Dienstleistungssektor durchgeführt. Die Erhebung findet mithilfe eines standardisierten Fragebogens in Form von telefonischen Befragungen statt. Die Auswahl der Probanden erfolgt mittels Random-Sample aus der Grundgesamtheit aller Unternehmen der jeweiligen ÖNACE. Die Stichprobengröße umfasst 277 Befragte im Handel und nochmals 277 im Dienstleistungssektor. Dies bedeutet eine Schwankungsbreite der Ergebnisse um ungefähr +/-5 Prozent. Befragt wurden Führungskräfte und Entscheider in den ausgewählten Unternehmen (siehe Tabelle 10). 13 bzw. 8 befragte Personen wurden persönlich interviewt. An diesen Personenkreis, der aus Führungskräften von den je Branche markt-
74
Empirischer Teil
führenden Filialisten besteht, werden einige detaillierte Fragen gestellt, welche einer aufwendigeren Vorbereitung bedurften und deshalb nur diesen wenigen Personen gestellt wurden. Der restliche Fragebogen ist identisch mit dem allgemeinen Fragebogen. Einzelhandel
Dienstleistungen
Erhebungsform
Telefonische (persönliche) Befragung
Grundgesamtheit Auswahlmodus
Alle Unternehmen aus Alle Unternehmen aus 9 Einzelhandelsbereichen 21 Dienstleistungsbereichen Random-Sample aus der Grundgesamtheit
Erhebungszeitraum
KW 19-25/2006
Erhebungsinstrument
Standardisierter Fragebogen mit offenen und geschlossenen Antwortkategorien 277 (13) Führungskräfte/ 277 (8) Führungskräfte/ EntEntscheider scheider
Stichprobenumfang
KW 49/2007-KW8/2008
Tabelle 10: Methodischer Steckbrief der beiden Vorstudien Es erfolgt im nächsten Kapitel zuerst eine kurze deskriptive Auswertung der erhobenen Daten und im Weiteren werden die vorab formulierten Hypothesen überprüft. 4.1.2.2 Deskriptive Datenanalyse Grundsätzlich erfolgen in Österreich Zahlungen von Unternehmen an öffentliche Haushalte, von Privaten an öffentliche Haushalte und jeweils umgekehrt sowie von Unternehmen an Private in nahezu 100 % der Fälle bargeldlos. Konträr dazu erfolgen Zahlungen von Privaten an Unternehmen noch überwiegend in bar. Der genaue Anteil der jeweiligen Zahlungsalternativen ist nicht bekannt, da es weder Statistiken über die Gesamtheit der Zahlungen noch über die Anzahl der Barzahlungen gibt (vgl. Judt 2005, 229). Umfassende Studien liegen von Mooslechner et al. (1997; 2002b; 2006) vor. In diesen drei Studien führen die Befragten über eine Woche ein Zahlungstagebuch, in welchem persönliche Ausgaben mit einigen Ausnahmen erfasst werden. Die Autoren betrachten den Zahlungsprozess demzufolge aus der Sicht des Käufers. Mit den beiden Vorstudien wird nun das Zahlungsverhalten aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und es werden unterschiedliche Datenquellen zur Auswertung herangezogen. Zu Beginn erfolgte die Sammlung von sekundärstatistischem Material, welches zur Formulierung der Hypothesen herangezogen wurde. Die wesentlichen Vorteile dieser Daten liegen in dem meist geringeren Zeit- und Kostenaufwand sowie in der schnelleren Verfügbarkeit. Die Daten
Empirischer Teil
75
wurden jedoch in einem anderen Kontext erhoben und somit kann die Eignung für die formulierte Fragestellung nicht vorausgesetzt werden, ebenso wie die Qualität kaum geprüft werden kann (Churchill/Iacobucci 2005, 169 f.). Hierzu wurden für die vorliegende Studie unter anderem Daten von Statistik Austria, Paylife Austria, Diners Club, EHI Retail Institut, OeNB und einige mehr herangezogen. Im nächsten Schritt erfolgt die Primärdaten-Erhebung im Rahmen zweier empirischer Studien. Diese Vorstudien behandeln das Thema aus Unternehmersicht, wie dies bereits auch beim sekundärstatistischen Material der Fall war. Da Unternehmerdaten in diesem Fall eine Vielzahl von Konsumenten repräsentieren, die täglich am stationären PoS ihre Rechnungsbeträge bezahlen, sind diese Daten an Information somit umfangreicher einzustufen. Das erste Subziel des Forschungsprozesses wurde mit der Beschreibung des Zahlungsverhaltens definiert und befasst sich mit der Frage, wie der Konsument im Einzelhandel und im Dienstleistungsbereich nun tatsächlich zahlt. Die erste der beiden Vorstudien widmet sich dem Einzelhandel. Wie bereits in Kapitel 4.1.1.2 im Detail ausgeführt, wird der Einzelhandel in der vorliegenden Arbeit mit der ÖNACE GA 52 definiert. Die Umsatzerlöse für diese ÖNACE im Jahr 2005 belaufen sich auf rund 45 Mrd. Euro exkl. Umsatzsteuer (vgl. Hackl/Zachariasen 2007, 395). Die zweite Vorstudie beschäftigt sich mit dem Dienstleistungssektor. Dieser umfasst Umsatzerlöse für die erfassten ÖNACEKategorien im Jahr 2006 von rund 53. Mrd. Euro exkl. Umsatzsteuer (Sonderauswertung der Statistik Austria aus der Konjunkturstatistik 2006). Als Grundlage für die Beantwortung der Forschungsfrage mittels sekundärstatistischem Materials aus Konsumentensicht kann die Verteilung für den Einzelhandel und den Dienstleistungssektor gesamt wie aus Tabelle 11 ersichtlich angenommen werden. Erkennbar ist die deutliche Steigerung des Umsatzvolumens der Debitkarte zwischen den drei Studien, die zulasten des Bargeldumsatzes gegangen ist. Diese Anteile der Zahlungsalternativen, erhoben aus Konsumentensicht, können nun mit Sekundärdatenmaterial aus anderen Quellen eine erste Überprüfung finden. Die Datenbasis besteht aus flächendeckenden Realdaten der PayLife Austria, welche für die Debitkarte Maestro und die Quick-Funktion eine nahezu Vollerhebung darstellt und für die Kreditkarte Mastercard eine Teilerhebung von rund 92 %. Der Datenumfang beträgt knapp 200 Mio. Transaktionen aus dem Jahr 2005. In diesem Bereich waren somit exakte Berechnungen möglich. Für alle weiteren Zahlungsalternativen wurden Heuristiken für die Hochrechnungen gebildet, welche mit Daten der Statistik Austria errechnet wurden. Die Ergebnisse dieser Hochrechnung finden sich in Tabelle 12.
76
Empirischer Teil 1996
2000
2005
in Prozent
Trx
Umsatz
Trx
Umsatz
Trx
Umsatz
Bargeld
94,9
84,4
92,9
81,5
86,1
70,2
Debitkarte
1,2
2,5
5
11,1
11,5
22,6
Quick
0,1
0
0,1
0,1
0,2
0,2
Kreditkarte
1
4,3
1
2,6
1,3
4,3
Sonstiges
2,8
8,8
1
4,7
0,9
1,7
Quelle: Mooslechner et al. 2006, 129 Tabelle 11: Anteile der Zahlungsmittel aus Sekundärdaten Die Ergebnisse wurden mithilfe von anderen statistischen Quellen, wie beispielsweise der Leistungs- und Strukturdatenstatistik und der Konjunkturstatistik der Statistik Austria errechnet. Zwei Problemfelder wurden bei der Hochrechnung evident. Zum einen die Unterschiede in der Angabe der Umsatzerlöse, teilweise mit Umsatzsteuer, teilweise ohne. Zum anderen die mangelnde Möglichkeit zur Abgrenzung zwischen Einzel- und Großhandel sowie zwischen Handel und Dienstleistung wie auch innerhalb der Branchen, da Unternehmen zuweilen in mehreren Branchen tätig sind. Letzteres gilt auch für die empirische Untersuchung. Der Blick auf die Umsätze mit Bargeld zeigt deutlich ein anderes Bild als die Konsumentenstudie. Dies kann damit begründet werden, dass in der Konsumentenstudie von Mooslechner et al. sämtliche Überweisungen explizit ausgeschlossen wurden, diese aber in der Hochrechnung Berücksichtigung fanden (unter „Sonstiges“). Diese Hochrechnung wird nun mittels zweier empirischer Studien einer Überprüfung unterzogen und gilt somit als eine der wesentlichen Hypothesen für die beiden Vorstudien. in Prozent
Einzelhandel
Dienstleistung
Zahlungsmittel
Umsatzerlöse 2005
Umsatzerlöse 2006
Bargeld und Sonstiges
80,8
94,7
Debitkarte
15,2
1,6
Quick
0,2
0,02
Kreditkarte
3,7
3,6
Tabelle 12: Hochrechnung getrennt nach EH und DL aus Unternehmersicht Die Ergebnisse der empirischen Vorstudien für die Umsatzanteile der verschiedenen Zahlungsalternativen sind nunmehr in Tabelle 13 abgebildet. Es
Empirischer Teil
77
zeigt sich vor allem, dass die in der Konsumentenstudie nicht berücksichtige Zahlungsalternative „Überweisung“ in beiden Sektoren einen wesentlichen Anteil hat. Die Zahlungsalternative „Debitkarte“ deckt im Einzelhandel genau die Hochrechnung ab, allerdings wurde sie bei den Dienstleistungen weit unterschätzt. Dies resultiert aus den oben genannten Abgrenzungsproblemen, die im Dienstleistungssektor verstärkt aufgetreten sind. Ähnliches gilt für die Zahlungsfunktion „Quick“ und die „Kreditkarten“, die in beiden Sektoren unterschätzt wurden. Umsatzanteile in %
Einzelhandel
Dienstleistung
Bargeld
60,3
53,3
Debitkarte
15,2
6,2
Quick
0,5
0,2
Kreditkarte
5,4
10,8
Überweisung
18,6
29,1
Tabelle 13: Ergebnisse aus den empirischen Vorstudien Im Folgenden werden nun die anderen vorab formulierten Hypothesen überprüft. Im Anschluss daran finden eine Diskussion der Ergebnisse sowie eine kritische Reflexion der beiden Vorstudien statt. 4.1.2.3 Überprüfung der Hypothesen Unzählige statistische Verfahren setzten die Normalverteilung der betrachteten Variablen sowie die Gleichheit der Varianzen innerhalb der Gruppen in der Grundgesamtheit voraus. Aus diesem Grund werden zuerst diese beiden Kriterien in den Daten untersucht. Die Annahme der Normalverteilung muss zurückgewiesen werden, da die Signifikanzwerte des Shapiro-Wilks-Tests überwiegend kleiner 0,01, alle aber unter 0,05 sind. Der Shapiro-Wilks-Test wird statt des Kolmogorov-SmirnovTests bei Stichproben mit weniger als 50 Beobachtungen herangezogen (vgl. Brosius 2006, 399 ff.). Die Hypothese der Varianzhomogenität, welche mithilfe des Levene-Tests überprüft werden kann, ist ebenfalls abzulehnen, da auch in diesem Fall nahezu alle Signifikanzwerte kleiner 0,01 sind. Daher sind nichtparametrische bzw. verteilungsfreie Verfahren besser zur Überprüfung der Hypothesen geeignet, da diese geringere Anforderungen an die Daten stellen (vgl. Bortz 2005, 141). Beispielsweise kann der Kruskal-WallisTest zum Vergleich mehrerer unabhängiger Stichproben angewendet werden (vgl. Brosius 2006, 855, Ott/Longnecker 2001, 410). Er stellt eine leistungsstar-
78
Empirischer Teil
ke Alternative zum t-Test dar (vgl. Wilson/Sherrell 1993, 106; Amos et al. 2008, 220) und rechnet wie der Mann-Whitney-Test, der für den Vergleich von zwei unabhängigen Stichproben verwendet werden kann (Howell 2007, 496), mit den durchschnittlichen Rangwerten. Als Prüfgröße wird der Kruskal-WallisH-Wert berechnet, welcher einer Chi-Quadrat-Verteilung folgt. Dementsprechend werden diese Tests zur Überprüfung der Hypothese angewendet, welche zu Beginn (im Detail Kapitel 4.1.1.1) formuliert wurden. H1:
Es besteht eine signifikante Divergenz in der Nutzung von Zahlungsalternativen zwischen den einzelnen Sektoren und innerhalb der jeweiligen Sektoren zwischen den einzelnen Branchen.
Zuerst wird der erste Teil der Hypothese untersucht, ob Unterschiede zwischen dem Einzelhandel und dem Dienstleistungssektor vorliegen. Es wird dazu der Mann-Whitney-Test für zwei unabhängige Stichproben herangezogen. Aus dem Ergebnis in Tabelle 14 ist ersichtlich, dass je nach Zahlungsalternative Unterschiede festgestellt werden können. Aufgrund des Wilcoxon-W wird eine Signifikanz für die Nullhypothese, dass keine Unterschiede vorliegen, errechnet. Für die Zahlungsalternativen Maestro und Überweisung ist diese mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner 0,05 % zurückzuweisen. Auch die Zahlungsalternativen Quick und Visa weisen sehr geringe Wahrscheinlichkeiten auf, welche als signifikant (p