Wissensorientierte Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken Dissertation Karl Ritsch
Eingereicht im Juli 2004 an der Fak...
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Wissensorientierte Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken Dissertation Karl Ritsch
Eingereicht im Juli 2004 an der Fakultät für Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Graz
Herzlicher Dank gilt meinen akademischen Lehrern
o.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Josef W. Wohinz o.Univ.-Prof. Dr. Heinz Strebel
für die sorgfältige Betreuung meiner Arbeit und die stets kollegiale Beratung.
Weiters möchte ich meinen Dank an alle aussprechen, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben. Ganz besonders gilt dieser Dank meinen Kollegen am Institut für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung der Technischen Universität Graz sowie vom Wissensmanagement Forum Graz.
Abschließend möchte ich mich bei meiner Familie für die Unterstützung in all den Jahren meiner Ausbildung bedanken. Ganz besonderer Dank gilt meiner Frau Jutta für ihre Geduld und das Verständnis, das sie mir entgegengebracht hat. Ihr widme ich diese Arbeit.
Graz, im Juli 2004
Karl Ritsch
Geleitwort
I
Geleitwort Die Dynamik des Umfeldes bedingt, dass Organisationen ihre Wettbewerbsfähigkeit nur dann bewahren können, wenn sie sich den ständigen Veränderungen anpassen. Eine mögliche Option dazu ist die Leistungserstellung in Netzwerken; Wertschöpfungsnetzwerke entstehen. Auch nimmt die Bedeutung der Ressource Wissen als Basis für Leistungserstellungsprozesse allgemein zu. Dies legt nahe, bei der Bildung von Wertschöpfungsnetzwerken ein besonderes Augenmerk auf den Aspekt Wissen zu legen. Bei der Realisierung dieser Zielsetzung zeigt sich, dass Strategie, Struktur sowie Kultur sowohl der an einem Wertschöpfungsnetzwerk beteiligten Unternehmungen wie auch des Netzwerkes selbst einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg dieser Bemühungen haben. In der vorliegenden Arbeit wird zunächst eine gesamthaft konzipierte Analyse der relevanten Grundlagen zu Wertschöpfungsnetzwerken sowie anschließend zum Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken vorgenommen. Dabei konnten Strategie, Struktur sowie Kultur als die wesentlichen Gestaltungsdimensionen sowohl für Wissensmanagement als auch für Wertschöpfungsnetzwerke spezifisch interpretiert werden. Das darauf aufbauend konzipierte Vorgehensmodell bietet einen theoretisch gut abgesicherten und gleichermaßen anwendungsorientierten Weg zur wissensorientierten Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes. Dieser ist durch die Abfolge dreier Gestaltungsschritte derart ausgebildet, dass Wissensmanagement-Interventionen bestmöglich unterstützt werden. Die bearbeitete Themenstellung weist ein hohes Maß an Komplexität auf. Die Bildung des Gestaltungsansatzes ist nicht nur theoretisch gut fundiert, sondern durch die sequentielle Abfolge der einzelnen Schritte auch gut strukturiert. Durch die anwendungsorientierte Darstellung erscheint der vorgestellte Ansatz für die Praxis uneingeschränkt empfehlenswert. In diesem Sinn ist der Arbeit eine zahlreiche Leserschaft zu wünschen.
o.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Josef W. Wohinz
II
Kurzfassung
Kurzfassung Das Unternehmungsumfeld verändert sich stetig. Dadurch ist eine einzelne Unternehmung immer seltener in der Lage, alle zur Leistungserstellung notwendigen Ressourcen in der geforderten Zeit und Qualität alleine zur Verfügung zu stellen: Wertschöpfungsnetzwerke entstehen. Die Bedeutung von Wissen als zunehmend wichtigste Ressource in Wertschöpfungsnetzwerken verlangt ein adäquates Management dieser. Bevor aber ein effizientes und effektives Wissensmanagement betrieben werden kann, ist das Netzwerk so zu gestalten, dass WissensmanagementInterventionen bestmöglich unterstützt werden. Die Entwicklung eines geeigneten Ansatzes dazu ist Zielsetzung dieser Arbeit. Durch sachliche Aufarbeitung der relevanten Grundlagen zu Wertschöpfungsnetzwerken und deren Verknüpfung mit der Systemtheorie wurde eine Arbeitsdefinition für den Begriff Wertschöpfungsnetzwerk abgeleitet. Darauf aufbauend wurde das Management von Wertschöpfungsnetzwerken erörtert: Strategie, Struktur sowie Kultur wurden dabei als wesentliche Gestaltungsdimensionen identifiziert und näher betrachtet. Anschließend wurden die Aspekte eines Wissensmanagements in Wertschöpfungsnetzwerken im Kontext der Gestaltungsdimensionen erarbeitet. Für die wissensorientierte Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken wurde ein Ansatz entwickelt, der durch die Abfolge dreier Gestaltungsschritte (Analyse, Gestaltung, Entwicklung) Strategie, Struktur und Kultur des Netzwerkes unter Berücksichtigung der Anforderungen der Ressource Wissen ausbildet: Die Basis für die Gestaltung wird im Analyse-Schritt gelegt. Aufbauend auf einer Zielanalyse, einer Analyse der Wertschöpfungskette und des erforderlichen Wissens werden mögliche Netzwerkunternehmungen identifiziert. Strategische Aspekte stehen in diesem Schritt im Vordergrund. Im darauf folgenden Gestaltungs-Schritt wird das Netzwerk in seinen Grundzügen geformt, wobei strukturelle Aspekte im Mittelpunkt stehen. Begonnen wird dabei mit der Selektion der Partnerunternehmungen, mit welchen dann eine gemeinsame Zielabstimmung erfolgt und schlussendlich die Struktur gestaltet wird. Im abschließenden Entwicklungs-Schritt tritt die Kultur in den Vordergrund. Diese kann durch gezielte Interventionen auf Netzwerkebene beeinflusst werden. Fortgeführt wird dieser Schritt mit einer Überprüfung der Wirksamkeit von Wissensmanagement-Aktivitäten im Netzwerk. Den Schlusspunkt setzt eine Überprüfung, ob die anfänglich gesetzten Ziele erreicht wurden.
Abstract
III
Abstract In a time of ongoing economic changes, single enterprises are less capable to provide all the resources needed for the production of goods and services within a desired time and at a desired quality level. As a consequence, value-adding networks are formed. Due to the fact that knowledge increasingly becomes the most valuable resource for value-adding-processes, an adequate management of knowledge is needed. However, before starting effective and efficient knowledge management, the value-adding-network has to be designed in a manner that knowledge management interventions are supported. The development of a qualified design-approach is the aim of this work. At the beginning of this thesis, a working definition of value-adding-networks was developed. This was done by dealing with relevant basics and linking them with the system-theory. Afterwards, management of value-adding-networks was discussed. Strategy, structure and culture were identified as the essential design-dimensions and were specified more precisely. After that, the aspects of knowledge management in relation to value-adding-networks and to the design-dimensions were elaborated. Further on, a design approach for the knowledge oriented design of value-addingnetworks was developed. This forms strategy, structure and culture of a network and happens in a sequence of three steps (analysis, design, development) according to the requirements of knowledge and knowledge management. The analysis-step builds up the fundament for design. Based on analyses of the objectives, the value-adding-chain and the required knowledge, possible network partners are discovered. This step focuses on strategy. Within the following design step, the essential features of the network are outlined. Here structural aspects are in the centre of consideration. The design step starts with a selection of the network-enterprises. Afterwards, objectives are coordinated collectively and the network’s structure is designed. Culture comes into the fore in the concluding development step. On a network-level, culture can be influenced by specific interventions. This step continues with a review of effectiveness and efficiency of knowledge management activities within the network. The design approach ends up with a check whether intended goals have been achieved or not.
Inhaltsverzeichnis
V
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung.........................................................................................1 1.1
Ausgangssituation und Problemstellung .................................................. 1
1.2 Zielsetzung und Struktur der Arbeit........................................................... 5 1.2.1 Forschungsdesign .................................................................................. 5 1.2.2 Allgemeine Forschungsfragen und Struktur der Arbeit ........................... 6
2
Wertschöpfungsnetzwerke ............................................................9 2.1 Grundlegende Begriffe ................................................................................ 9 2.1.1 Wertschöpfung........................................................................................ 9 2.1.2 Wertschöpfungsprozess ....................................................................... 10 2.1.3 Die Wertkette nach PORTER ............................................................... 11 2.1.4 Wertschöpfungskette ............................................................................ 12 2.2 Unternehmungsnetzwerke ........................................................................ 14 2.2.1 Unternehmungsnetzwerke als Form der zwischenbetrieblichen Kooperation..................................................................................................... 14 2.2.2 Gründe für die Entstehung von Unternehmungsnetzwerken ................ 18 2.2.3 Kennzeichen von Unternehmungsnetzwerken...................................... 19 2.2.4 Arten von Unternehmungsnetzwerken.................................................. 21 2.2.5 Ziele von Unternehmungsnetzwerken .................................................. 23 2.2.6 Risiken der Netzwerkorganisation ........................................................ 25 2.3 Wertschöpfungsnetzwerke ....................................................................... 26 2.3.1 Wertschöpfungspartnerschaften ........................................................... 26 2.3.2 Kennzeichen von Wertschöpfungsnetzwerken ..................................... 28 2.3.3 Ziele von Wertschöpfungsnetzwerken .................................................. 29 2.3.4 Wertschöpfungsnetzwerke als Wertschöpfungssysteme...................... 32 2.3.5 Wertschöpfungsprozesse in Wertschöpfungsnetzwerken .................... 39 2.3.6 Spezielle Ausprägungen von Wertschöpfungsnetzwerken ................... 41 2.4
3
Zusammenfassung .................................................................................... 42
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken .............................44 3.1 Management von Unternehmungs- und Wertschöpfungsnetzwerken.. 44 3.1.1 Funktionen und Ebenen des Managements ......................................... 45 3.1.2 Management von Unternehmungsnetzwerken ..................................... 47 3.1.3 Management von Wertschöpfungsnetzwerken ..................................... 55 3.1.4 Dimensionen der Gestaltung von Netzwerken...................................... 60
VI
Inhaltsverzeichnis 3.1.5
Anforderungen an die Gestaltung ......................................................... 62
3.2 Strategie als Ausgangspunkt der Gestaltung ......................................... 64 3.2.1 Zum Begriff Unternehmungsstrategie ................................................... 64 3.2.2 Strategieansätze................................................................................... 67 3.2.3 Strategie und Wertschöpfungsnetzwerke ............................................. 71 3.3 Organisationsstruktur ............................................................................... 75 3.3.1 Der Begriff Organisation ....................................................................... 75 3.3.2 Grundlagen zur Organisationsstruktur .................................................. 77 3.3.3 Struktur von Wertschöpfungsnetzwerken ............................................. 81 3.4 Organisationskultur................................................................................... 87 3.4.1 Grundlagen zur Organisationskultur ..................................................... 87 3.4.2 Organisationskultur in Wertschöpfungsnetzwerken .............................. 92 3.5 Zusammenfassung und spezielle Forschungsfragen ...........................102 3.5.1 Zusammenfassende Betrachtung ........................................................102 3.5.2 Spezielle Forschungsfragen ................................................................104
4
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken ............105 4.1 Grundlagen und Begriffe zum Wissensmanagement ............................105 4.1.1 Wissen .................................................................................................105 4.1.2 Wissensmanagement ..........................................................................110 4.1.3 Zur Bedeutung von Wissen und Wissensmanagement .......................117 4.2
Zur Bedeutung von Strategie, Struktur und Kultur im Wissensmanagement .......................................................................................................119 4.2.1 Strategie ..............................................................................................119 4.2.2 Struktur ................................................................................................122 4.2.3 Kultur ...................................................................................................124 4.2.4 Lernen einer Organisation durch Struktur- und Kulturänderung ..........128
4.3
Wissensmanagement und Wissensorientierung in Wertschöpfungsnetzwerken .......................................................................................................129 4.3.1 Bedeutung von Wissensmanagement in Netzwerken..........................129 4.3.2 Aspekte eines Wissensmanagements in Unternehmungsnetzwerken.132 4.3.3 Systemorientiertes Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken .............................................................................................................137 4.3.4 Wissensorientierung in der Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken .............................................................................................................143
4.4
Zusammenfassung ...................................................................................143
Inhaltsverzeichnis
5
VII
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz ......................................................................145 5.1 Gestaltung des Wissenssystems eines Wertschöpfungsnetzwerkes..145 5.1.1 Anforderungen und Ziele .....................................................................145 5.1.2 Das Vorgehensmodell – ein Überblick.................................................149 5.1.3 Organisatorische Durchführung der Gestaltung...................................156 5.2 Analyse ......................................................................................................157 5.2.1 Zielanalyse...........................................................................................158 5.2.2 Prozessanalyse ...................................................................................160 5.2.3 Wissensanalyse...................................................................................163 5.2.4 Partnersuche .......................................................................................167 5.2.5 Zusammenfassung ..............................................................................169 5.3 Gestaltung .................................................................................................170 5.3.1 Soll-Zustand festlegen .........................................................................171 5.3.2 Partnerwahl..........................................................................................174 5.3.3 Klärung der Wissensziele ....................................................................182 5.3.4 Gestaltung der Struktur........................................................................183 5.3.5 Zusammenfassung ..............................................................................189 5.4 Entwicklung...............................................................................................189 5.4.1 Kulturentwicklung.................................................................................190 5.4.2 Evaluation der Wissensmanagement-Aktivitäten.................................193 5.4.3 Überprüfung der Zielerreichung ...........................................................194 5.4.4 Zusammenfassung ..............................................................................196 5.5
6
Zusammenfassende Betrachtung der Gestaltung .................................196
Zusammenfassung und Ausblick..............................................198 6.1
Zusammenfassung ...................................................................................198
6.2
Ausblick und weitere Fragestellungen ...................................................202
Abbildungsverzeichnis ......................................................................203 Tabellenverzeichnis ...........................................................................205 Literaturverzeichnis ...........................................................................206
Einleitung
1
1 Einleitung 1.1 Ausgangssituation und Problemstellung Zu Beginn des 21. Jahrhunderts setzt sich jener Trend fort, der bereits das Wirtschaftsleben im ausklingenden 20. Jahrhundert wesentlich geprägt hat: eine weiter zunehmende Dynamisierung der Veränderungen im Umfeld von Unternehmungen. Diese lassen sich im Wesentlichen zu drei großen Bereichen zusammenfassen, wie Abbildung 1.1 illustriert. Wertewandel in Wirtschaft und Gesellschaft Veränderung der Wettbewerbssituation • Globalisierung der Märkte • Steigende Renditeanforderung der Kapitalmärkte • Verknappung der Ressourcen • Innovationsdynamik bei Produkten und Prozessen • Konzentration auf Kernkompetenzen
• Einstellung zu Umwelt und Technik • Höheres Bildungsniveau • Selbständigkeit und Selbstverwirklichung • Steigende Ansprüche an den Arbeitsplatz • Käuferverhalten
Technologieentwicklung • Moderne IuK-Technologien • Neue Produkte und Prozesse • Kundenindividuelle Produkte und Leistungen • Reduktion der Wertschöpfungstiefe • Neue Formen der Arbeitsteilung
• Steigende Bedeutung der Ressource Wissen • Steigende Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmungen
Abbildung 1.1: Veränderungen im Unternehmungsumfeld1
Die Globalisierung der Märkte bringt mit sich, dass zum einen die Unternehmungen einem verschärften Wettbewerb ausgesetzt sind, zum anderen sich die Möglichkeit eröffnet, ebenso weltweit die notwendigen Ressourcen – sei es nun Arbeit, Material, Kapital oder auch Wissen – zu beschaffen. Ebenso ist eine zunehmende Konzentration auf die Kernkompetenzen feststellbar. Gleichzeitig werden die Kunden immer anspruchsvoller und verlangen immer mehr nach individuellen Produkten oder Leistungen; Qualität wird zusehends als selbstverständlich vorausgesetzt.
1
Vgl. PICOT, A.; REICHWALD, R.; WIGAND, R. T.: Die grenzenlose Unternehmung – Information, Organisation und Management, 5. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 2ff; TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 1ff.; BAUMGARTEN. H.; DARKOW, I.-L.; WALTER, S.: Die Zukunft der Logistik – Kundenintegration, globale Netzwerke und e-Business, in: HOSSNER, R. (Hrsg.): Jahrbuch der Logistik 2000, Düsseldorf 2000, S12ff.
2
Einleitung
Die unaufhaltsam fortschreitende technologische Entwicklung führt laufend zu neuen Produkten und Prozessen; Produkt- und Prozessinnovationen sind in immer kürzeren Zeitintervallen zu bewerkstelligen. Besonders dynamisch ist der technische Fortschritt im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien). Gleichzeitig kann sowohl in der Wirtschaft als auch in der Gesellschaft ein Wertewandel festgestellt werden. Die Einstellung zur Umwelt und zur Technik ändert sich, Selbständigkeit und Selbstverwirklichung gewinnen immer mehr an Bedeutung, das Bildungsniveau und die Ansprüche an den Arbeitsplatz steigen. Die oben erwähnten Veränderungen führen zu zwei Trends, die hier näher erläutert werden sollen: •
Steigende Bedeutung der Ressource Wissen
•
Steigende Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmungen
Steigende Bedeutung der Ressource Wissen Wissen gewinnt für die Wertschöpfung neben den klassischen Produktionsfaktoren Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe zunehmend an Bedeutung.2 So begreift beispielsweise der wissensorientierte Strategieansatz Wissen als die entscheidende Ressource für Unternehmungen.3 Besonders die Innovationsdynamik trägt dazu bei, dass die Bedeutung von Wissen steigt, und das macht den effizienten und effektiven Umgang mit dieser Ressource erforderlich. Neben der Darstellung finanziell bewertbarer Güter von Unternehmungen in der Bilanz wird in zunehmendem Maße auch die Darstellung von immateriellen Vermögenswerten – und hier insbesondere Wissen – im Zuge von Wissensbilanzen forciert, was als weiteres Indiz für die Bedeutung von Wissen als Produktionsfaktor gilt.4 Ein bestimmender Faktor im Zuge der steigenden Bedeutung der Ressource Wissen ist der Einsatz moderner IuK-Technologien. Dadurch wird Wissen über Prozesse der Dokumentation und Information leichter transferierbar. Dies fördert die Vernetzung,
2
3 4
Vgl. HOPFENBECK, W.: Allgemeine Betriebswirtschafts- und Managementlehre, 13. Aufl., Landsberg/Lech, 2000, S. 108ff. oder auch STEWART, Th.: Der vierte Produktionsfaktor – Wachstum und Wettbewerbsvorteile durch Wissensmanagement, München, Wien 1998 Vgl. MÜLLER STEWENS, G.; LECHNER, Ch.: Strategisches Management, 2. Aufl., Stuttgart 2003, S. 362f. Siehe dazu beispielsweise GRÜBEL, D.; NORTH, K.; SZOGS, G.: Intellectual Capital Reporting – ein Vergleich von vier Ansätzen, in: zfo 1/2004 (73), S. 19-27
Einleitung
3
von Menschen, aber auch von Organisationen, womit direkt zum zweiten Trend übergeleitet werden kann: Steigende Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmungen Die Konzentration auf die Kernkompetenzen und die Verringerung der Fertigungstiefe bringen mit sich, dass die Unternehmungen schlanker werden. Damit kann eine einzelne Unternehmung immer weniger alle notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen, um komplexe Leistungen und Produkte zu entwickeln, zu produzieren und auch zu vertreiben. Dieses Manko soll vermehrt durch Kooperationen und die Bildung von Unternehmungsnetzwerken wettgemacht werden.5 Durch gezielte Zusammenarbeit und Konzentration auf die jeweiligen Kernkompetenzen sollen somit Wettbewerbsvorteile erreicht werden.6 Auch der zunehmende Zeitdruck führt zur Zusammenarbeit von Unternehmungen. Müssen Defizite in den eigenen Fähigkeiten rasch ausgeglichen werden, ist der schnellste Weg dazu oftmals, die fehlenden Fähigkeiten außerhalb der Unternehmungsgrenzen zu suchen und mit anderen Unternehmungen zusammen zu arbeiten.7 Nachfolgende Liste zählt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne näher darauf einzugehen – einige in der Literatur diskutierte Begriffe auf, die Formen der Unternehmungszusammenarbeit darstellen:
5
6 7
•
Joint Ventures
•
Strategische Allianzen
•
Unternehmungsnetzwerke
•
Strategische Netzwerke
•
Wertschöpfungsnetzwerke
•
Wertschöpfungspartnerschaften
Vgl. BAUMGARTEN, H.; DARKOW, I.-L.; WALTER, S.: Die Zukunft der Logistik – Kundenintegration, globale Netzwerke und e-Business, in: HOSSNER, R. (Hrsg.): Jahrbuch der Logistik 2000, Düsseldorf 2000, S 12ff. Vgl. KALUZA, B.; BLECKER, T.: Technologiemanagement in Produktionsnetzwerken und Virtuellen Unternehmen, in ZfB-Ergänzungsheft 2/2000, S. 138 Vgl. DOZ, Y. L.; HAMEL, G.: Alliance Advantage – The Art of Creating Value through Partnering, Cambridge 1998, S 1f.
4
Einleitung
Wissensorientierte Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken Fasst man die beiden zuvor erläuterten Trends zusammen, ergibt sich daraus der Titel und somit der Forschungsschwerpunkt der vorliegenden Arbeit: Wertschöpfung wird in zunehmendem Maße in Unternehmungs- bzw. Wertschöpfungsnetzwerken erbracht, Wissen kommt dabei eine immer entscheidendere Rolle zu. Die steigende Bedeutung des Produktionsfaktors Wissen in Wertschöpfungsnetzwerken verlangt nun ein adäquates Management dessen. Bevor aber ein effizientes und effektives Wissensmanagement in einem Wertschöpfungsnetzwerk betrieben werden kann, ist dieses so zu gestalten, dass Wissensmanagementinterventionen bestmöglich unterstützt werden, nämlich wissensorientiert (Abbildung 1.2). Steigende Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmungen
Steigende Bedeutung der Ressource Wissen
Kooperationen und Bildung von
Wissen als die zunehmend wichtigste Ressource für
Wertschöpfungsnetzwerken
Wertschöpfung
Wissensorientierte Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken Abbildung 1.2: Synthese des Arbeitstitels
In diesem Zusammenhang stellt sich in weiterer Folge die Frage, welche Faktoren im Zuge einer Netzwerkgestaltung zu berücksichtigen sind: Nach BELLMANN8 sind die drei zentralen Objekte, die es im Zuge der Konfiguration eines Netzwerkes zu koordinieren gilt, die Strategie, die Struktur und die Kultur. SYDOW/VAN WELL9 weisen in ihren Ausführungen ebenfalls darauf hin, dass in einem Unternehmungsnetzwerk Kultur und Struktur von zentraler Bedeutung sind,
8 9
Vgl. BELLMANN, K.: Produktionsnetzwerke - ein theoretischer Bezugsrahmen, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 55ff. Vgl. SYDOW, J.; VAN WELL, B.: Wissensintensiv durch Netzwerkorganisation – strukturationstheoretische Analyse eines wissensintensiven Netzwerkes, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 108ff.
Einleitung
5
wobei letztere ganz wesentlich von der Strategie bestimmt wird. Auch SEMLINGER10 spricht die Wichtigkeit kultureller Aspekte im Zuge der Zusammenarbeit in Netzwerkstrukturen aus und weist auf den strategischen Gehalt von Netzwerken hin. Im Wissensmanagement kommt der Struktur und der Kultur einer Organisation ebenfalls große Bedeutung zu. Nach TUPPINGER11 und der dort zitierten Literatur können diese beiden Faktoren sowohl hemmend als auch fördernd für das Wissensmanagement sein. So lässt sich beispielsweise über eine adäquate Ausgestaltung der Organisationsstruktur der Wissenstransfer wesentlich unterstützen. Die Kultur wiederum wird als eine der wesentlichen Voraussetzungen für das Funktionieren des Wissensmanagements angesehen. Die obigen Ausführungen legen den Schluss nahe, dass im Zuge der wissensorientierten Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes der Strategie, der Struktur und der Kultur eine zentrale Bedeutung zukommt (Abbildung 1.3). Dies darzustellen, wird eine der wesentlichen Aufgaben dieser Arbeit sein. Strategie
Struktur
Kultur
Abbildung 1.3: Dimensionen der wissensorientierten Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
1.2 Zielsetzung und Struktur der Arbeit 1.2.1 Forschungsdesign Das zugrunde liegende Design dieser Arbeit wurde nach dem Ansatz von WOHINZ12 ausgerichtet. Die dort angeführte Grundstruktur ist in Abbildung 1.4 dargestellt.
10
11 12
Vgl. SEMLINGER, K.: Effizienz und Autonomie in Zulieferungsnetzwerken – Zum strategischen Gehalt von Kooperationen, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 29ff. Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 3ff. WOHINZ, J. W.: Industriewissenschaftliches Forschungsmanual, INDUREPORT, TU Graz 2003
6
Einleitung Einleitung und Problemstellung (Allgemeine Ziele)
Behandlung des Problems in der Literatur (Spezielle Ziele)
Problembearbeitung in theoretischer Modellbildung
Problembearbeitung in empirischer Erhebung relevanter Sachverhalte
Zusammenführung von Modellbildung und Erhebungsergebnissen zur Problemlösung
Zusammenfassender Ausblick
Abbildung 1.4: Forschungsdesign nach WOHINZ13
1.2.2 Allgemeine Forschungsfragen und Struktur der Arbeit Um die Grundlagen darzustellen und die zentralen Begriffe abzugrenzen, sind zunächst die folgenden zwei Forschungsfragen zu klären: •
Wodurch ist ein Wertschöpfungsnetzwerk gekennzeichnet?
•
Was kennzeichnet das Management von Wertschöpfungsnetzwerken und die Gestaltungsdimensionen Strategie, Struktur und Kultur?
Damit ergibt sich unmittelbar die Struktur dieser Arbeit, welche in Abbildung 1.5 dargestellt ist: Ausgehend von der Zielsetzung beginnt das Kapitel 2 mit einer Definition des Begriffs Wertschöpfung und den damit in Zusammenhang stehenden Begriffen. Danach werden Unternehmungsnetzwerke als spezielle Form der zwischenbetrieblichen Kooperation vorgestellt. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit grundlegenden Ausführungen über „Wertschöpfungsnetzwerke“ als einem zentralen Begriff dieser Arbeit.
13
WOHINZ, J. W.: Industriewissenschaftliches Forschungsmanual, INDUREPORT, TU Graz 2003, S. 10
Einleitung
7
Schwerpunktthema von Kapitel 3 ist die Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken. Dazu wird, basierend auf der funktionalen Sichtweise des Managements, zuerst auf das Management von Unternehmungsnetzwerken eingegangen. Anschließend werden die wesentlichen Aspekte, die es bei der Gestaltung von Unternehmungs- und daraus abgeleitet Wertschöpfungsnetzwerken zu berücksichtigen gilt, nämlich die Strategie als Ausgangspunkt sowie Kultur und Struktur, erläutert. Im vierten Kapitel wird das Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken betrachtet. Beginnend mit allgemeinen Erörterungen zum Wissensmanagement liegt der Schwerpunkt auf dem Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken im Kontext von Strategie, Struktur und Kultur. Dabei sollen vor allem die Besonderheiten gegenüber dem Wissensmanagement in einzelnen Unternehmungen herausgearbeitet und jene Aspekte aufgezeigt werden, die bei Wissensmanagement zwischen Unternehmungen von Bedeutung sind. Den Kern dieser Arbeit bildet Kapitel 5. Basierend auf den Erkenntnissen der vorangegangenen Abschnitte wird ein Ansatz zur wissensorientierten Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken vorgestellt. Die einzelnen Schritte dieses Vorgehensmodells werden abschnittsweise erläutert, weiters werden Empfehlungen zur Gestaltung von Strategie, Struktur und Kultur abgegeben. Im abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse zusammenfassend dargestellt. Ein Ausblick auf mögliche weiterführende Fragestellungen zum behandelten Thema beschließt dieses Forschungsvorhaben.
8
Einleitung Kap. 1
Einleitung • Ausgangssituation • Zielsetzung und Struktur
Allgemeine Zielsetzung Kap. 2
Wertschöpfungsnetzwerke • Wertschöpfung und abgeleitete Begriffe • Unternehmungsnetzwerke • Wertschöpfungsnetzwerke
Kap. 3
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken • Management von Netzwerken • Gestaltung von Strategie, Struktur und Kultur
Spezielle Zielsetzung Kap. 4
Kap. 5
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken • Wissen und Wissensmanagement • Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken • Zur Rolle von Strategie, Struktur und Kultur
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken ein Gestaltungsansatz • • • •
Vorstellung des Vorgehensmodells Gestaltung der Strategie Gestaltung der Struktur Gestaltung der Kultur
Kap. 6
Zusammenfassung und Ausblick
Abbildung 1.5: Struktur der Arbeit
Wertschöpfungsnetzwerke
9
2 Wertschöpfungsnetzwerke Der Begriff Wertschöpfungsnetzwerk findet in vielen Publikationen Verwendung, wird jedoch selten präzise definiert. Was dabei meist zu kurz kommt, ist eine Abgrenzung zum allgemeinen Begriff des Unternehmungsnetzwerkes sowie eine Herausarbeitung der besonderen Kennzeichen dieser Form der Zusammenarbeit. Aus diesem Grund soll im folgenden Abschnitt der Begriff Wertschöpfungsnetzwerk klar abgegrenzt werden. Dadurch soll eine Arbeitsgrundlage für die weiterführende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Begriff geschaffen werden. Zu Beginn werden grundlegende Begriffe, die in direktem Zusammenhang mit dem Wertschöpfungsbegriff stehen – wie Wertschöpfungsprozess, Wertkette oder Wertschöpfungskette –, definiert. Anschließend wird auf Unternehmungsnetzwerke als Form der zwischenbetrieblichen Kooperation eingegangen, deren Kennzeichen sowie Ziele werden herausgearbeitet, und unterschiedliche Ausprägungen von Unternehmungsnetzwerken werden vorgestellt. Schließlich folgt über Wertschöpfungspartnerschaften eine schrittweise Annäherung an den Begriff Wertschöpfungsnetzwerk, wobei systemtheoretische Überlegungen miteinbezogen werden. Abschließend wird auf Wertschöpfungsprozesse in Wertschöpfungsnetzwerken eingegangen, und spezielle Ausprägungen von Wertschöpfungsnetzwerken werden kurz erörtert.
2.1 Grundlegende Begriffe 2.1.1 Wertschöpfung Der Begriff Wertschöpfung wird sowohl in der Betriebswirtschaftslehre als auch in der Volkswirtschaftslehre verwendet. In der Betriebswirtschaftslehre wird unter Wertschöpfung jener Beitrag verstanden, den eine Unternehmung zum Sozialprodukt leistet. Die Wertschöpfung wird ermittelt, indem von der Gesamtleistung einer Unternehmung die Vorleistungen (Rohstoffe, Energie, Leistungen vorangegangener Produktionsstufen etc.) abgezogen werden.14 Eine wichtige Rolle spielt die Wertschöpfung, wenn im Zuge einer Bilanzanalyse eine Wertschöpfungsanalyse durchgeführt wird. Dabei wird ermittelt, wie die Wertschöp14
Vgl. LECHNER, K.; EGGER, A.; SCHAUER, R.: Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 19. Aufl., Wien 2001, S. 876
10
Wertschöpfungsnetzwerke
fung in einer Unternehmung zustande kommt (Abbildung 2.1), wobei in weiterer Folge auch von Interesse sein kann, wohin diese Werte geflossen sind (Mitarbeiter, Gesellschafter, Staat, Banken).15 Umsatzerlöse +/-
Bestandsveränderungen
+
aktivierte Eigenleistungen
+
sonstige betriebliche Erträge
=
Betriebsleistung
-
Materialaufwand und Aufwand für bezogene Leistungen
=
Rohertrag
-
Abschreibungen auf Sach- und immaterielles Vermögen
-
sonstige betriebliche Aufwendungen (exl. sonstige Steuern)
=
Wertschöpfung
-
Personalaufwand
=
Betriebsergebnis
sonstige Steuern (Steuern, soweit sie nicht unter Steuern von Einkommen und Ertrag fallen)
Abbildung 2.1: Berechnung der Wertschöpfung aus der Gewinn- und Verlustrechnung16
In der Volkswirtschaftslehre bezieht sich der Wertschöpfungsbegriff nicht nur auf eine einzelne Unternehmung, sondern bezeichnet die wirtschaftliche Leistung, die in den einzelnen Wirtschaftsbereichen (z. B. Handel und Verkehr, Baugewerbe, Landwirtschaft) erzielt wird. Die Ausgangsbasis bildet der Bruttoproduktionswert. Durch Subtraktion der Vorleistungen ergibt sich die Bruttowertschöpfung. Werden davon noch die Abschreibungen in Abzug gebracht, errechnet sich die (Netto-)Wertschöpfung. Eine Berechnung der Wertschöpfung für eine gesamte Volkswirtschaft ist ebenfalls möglich.17
2.1.2 Wertschöpfungsprozess Allgemein wird unter einem Prozess eine Abfolge von Aktivitäten verstanden, wobei diese über mehrere organisatorische (Teil-)Einheiten verteilt sein können. Ein Prozess bringt Leistungen hervor und benötigt dafür Ressourcen.18
15 16 17
18
Vgl. PROBST, H.-J.: Bilanzen lesen leicht gemacht, Wien, Frankfurt 2000, S. 133f. BAUER, U.: Betriebswirtschaftslehre, Vorlesungsskriptum an der TU Graz 2001/2002, S. 9-22 Vgl. RITTENBRUCH, K.: Makroökonomie, Wien, Oldenbourg 1980, S. 25f. und 46f. sowie HEINRICHSMEIER, W.; GANS, O.; EVERS, I.: Einführung in die Volkswirtschaftslehre, 10. Aufl., Stuttgart 1993, S. 328ff. Vgl. HAMMER, M.; CHAMPY, J.: Reengineering the Corporation, New York 1993, S. 35 und WOHINZ, J. W.: Industrielles Management – Das Grazer Modell, Graz, Wien 2003, S. 342
Wertschöpfungsnetzwerke
11
Der Wertschöpfungsprozess im Speziellen stellt eine Abfolge an Aktivitäten dar, die einem Produkt oder einer Dienstleistung Wert hinzufügen. Von Bedeutung ist dabei, dass das Prozessergebnis von einem Kunden nachgefragt wird. Dies können sowohl unternehmungsinterne als auch -externe Kunden sein, oder aber auch nachfolgende Prozesse. Die erbrachte Wertschöpfung ist schließlich das messbare Ergebnis eines derartigen Wertschöpfungsprozesses, in den die Ressourcen der Unternehmung einfließen.19
2.1.3 Die Wertkette nach PORTER20 Zwei Begriffe, die in der deutschsprachigen Literatur oft synonym verwendet werden, sind Wertschöpfungskette und Wertkette21. Für die vorliegende Arbeit sollen diese Begriffe jedoch klar voneinander abgegrenzt werden. Die Wertkette (Value Chain, Abbildung 2.2) wurde von PORTER Anfang der 80er Jahre des 20. Jhdts als analytisches Instrument zur Untersuchung der Ursachen von Wettbewerbsvorteilen vorgestellt. Sie „gliedert ein Unternehmen in strategisch relevante Tätigkeiten, um dadurch Kostenverhalten sowie vorhandene und potentielle Differenzierungsquellen zu verstehen.“22 Die Wertkette einer Unternehmung unterscheidet sich dabei von jener ihrer Konkurrenten, was eine entscheidende Ursache für Wettbewerbsvorteile sein kann. Dies können Kostenvorteile oder Vorteile aufgrund einer Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb sein. Gebildet wird die Wertkette aus den einzelnen Wertaktivitäten und der Gewinnspanne. Die Wertaktivitäten – PORTER unterscheidet derer neun – sind jene von einer Unternehmung durchgeführten Aktivitäten, die sich sowohl technologisch als auch physisch unterscheiden lassen und welche die Grundlage für ein Produkt oder eine Dienstleistung darstellen. Die Gewinnspanne ist die Differenz zwischen dem Gesamtwert (jener Betrag, den die Kunden für ein Produkt oder eine Dienstleistung bereit sind zu bezahlen) und den Gesamtkosten, die aufgrund der Durchführung der einzelnen Wertaktivitäten entstanden sind.
19 20 21
22
Vgl. PIBERNIK, R.: Flexibilitätsplanung in Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 2001, S. 142f. Vgl. PORTER, M. E.: Wettbewerbsvorteile – Spitzenleistungen erreichen und behaupten, 6. Aufl., Frankfurt, New York 2000, S. 63ff. Siehe z. B.: Gabler Wirtschaftslexikon, 14. Auflage auf CD-Rom, Wiesbaden 1997; SCHNECK, O. (Hrsg).: Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 1998; SYDOW, J.: Strategische Netzwerke – Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992 PORTER, M. E.: a. a. O., S. 63
12
Wertschöpfungsnetzwerke
Personalwirtschaft Technologieentwicklung Beschaffung
pan ne
Marketing Ausgangs- Kunden& Vertrieb logistik dienst
G e win ns
Eingangs- Operatiologistik nen
ne pan nns
Unterstützende Aktivitäten
wi Ge
Unternehmensinfrastruktur
Primäre Aktivitäten
Abbildung 2.2: Die Wertkette nach PORTER23
PORTER differenziert hinsichtlich der Wertaktivitäten weiters zwischen primären und unterstützenden Aktivitäten: Die primären Aktivitäten beschäftigen sich mit der physischen Erstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung, dem Verkauf, der Lieferung an den Kunden und schließlich dem Kundendienst. Die unterstützenden Aktivitäten halten die primären Aktivitäten und sich selbst dadurch aufrecht, indem sie für den Kauf von Ressourcen, Technologien und für verschiedene Funktionen für die gesamte Unternehmung Sorge tragen. Zur Diagnose von Wettbewerbsvorteilen ist die Wertkette einer Unternehmung im Wettbewerbsumfeld einer ausgewählten Branche zu definieren, und wettbewerbsrelevante Unterscheidungsmerkmale sind herauszuarbeiten. Für detaillierte Ausführungen zur Wertkette und deren Verwendung sei auf die Originalquelle verwiesen.
2.1.4 Wertschöpfungskette Nach JOHNSTON/LAWRENCE werden unter einer Wertschöpfungskette „[…] die Glieder (oder Stufen) des Transformationsprozesses, den ein Produkt oder eine Leistung durchläuft, vom Ausgangsmaterial bis zur endlichen Verwendung“24 verstanden. Dabei handelt es sich um eine sequentielle Verknüpfung von Aktivitäten (Wertschöpfungsprozessen), die einem Produkt oder einer Dienstleistung Wert hinzufügen. Dies
23 24
PORTER, M. E.: Wettbewerbsvorteile – Spitzenleistungen erreichen und behaupten, 6. Aufl., Frankfurt, New York 2000, S. 66 JOHNSTON, R.; LAWRENCE, P. E.: Vertikale Integration II: Wertschöpfungs-Partnerschaften leisten mehr, in: Harvard Manager 1/1989, S. 82
Wertschöpfungsnetzwerke
13
kann sowohl in einer Unternehmung als auch über Unternehmungsgrenzen hinweg erfolgen. Abbildung 2.3 zeigt beispielhaft die Wertschöpfungskette in der Automobilindustrie als Abfolge von Lieferanten-/Abnehmerbeziehungen. Ausgehend von den Rohstoffen durchläuft ein Fahrzeug dabei verschiedene Stufen der Wertschöpfung (Wertschöpfungsstufen). Abnehmer Rohstoffgewinnung, Fertigung von Halbzeug
Lieferant
Erzeugung von Einzelteilen Normteilen
Lieferant
Abnehmer Fertigung von Komponenten
Lieferant
Abnehmer Fertigung von Systemen
Abnehmer
Fahrzeugmontage
Lieferant
Abbildung 2.3: Wertschöpfungskette (vereinfacht) in der Automobilindustrie25
Aus den obigen Ausführungen ist folgender Schluss zulässig: Auch wenn die Wertschöpfungskette vielfach als Synonym für die Wertkette nach PORTER verwendet wird, lassen sich die beiden Begriffe klar voneinander abgrenzen (Abbildung 2.4):
25
•
Die Wertkette bezieht sich primär auf eine Unternehmung und gliedert diese in strategisch relevante Tätigkeiten – die so genannten Wertaktivitäten –, und sie ist ein Instrument zur Diagnose von Wettbewerbsvorteilen.
•
Die Wertschöpfungskette beschreibt die Abfolge an wertschöpfenden Tätigkeiten bzw. die einzelnen Wertschöpfungsstufen. Das betrachtete Objekt ist ein Produkt oder eine Dienstleistung bzw. ein Teil davon. Viele Unternehmungen können an dieser Wertschöpfungskette beteiligt sein; jedes davon hat eine eigene Wertkette und führt Wertaktivitäten aus.
Vgl. NATHUSIUS, K.: Partnerschaften und Wertschöpfung in der Automobilindustrie, in: WINAND, U.; NATHUSIUS, K. (Hrsg.) Unternehmungsnetzwerke und virtuelle Organisationen, Stuttgart 1998, S. 41
14
Wertschöpfungsnetzwerke
Wertkette nach PORTER Personalwirtschaft Technologieentwicklung
Marketing Ausgangs- Kunden& Vertrieb logistik dienst
Ge w inns pan ne
Eingangs- Operatiologistik nen
nne
Beschaffung
spa inn Gew
Unternehmensinfrastruktur
• Gliedert eine Unternehmung in strategisch relevante Aktivitäten • Dient als Instrument zur Diagnose von Wettbewerbsvorteilen
Wertschöpfungskette Abnehmer Rohstoffgewinnung, Fertigung von Halbzeug
Lieferant
Erzeugung von Einzelteilen Normteilen
Lieferant
Abnehmer Fertigung von Komponenten
Lieferant
Abnehmer Fertigung von Systemen
Abnehmer
Fahrzeugmontage
Lieferant
• Beschreibt die Abfolge an wertschöpfenden Tätigkeiten zur Erstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung • Mehrere Unternehmungen können an der Wertschöpfungskette beteiligt sein
Abbildung 2.4: Wertkette vs. Wertschöpfungskette
2.2 Unternehmungsnetzwerke Im folgenden Abschnitt wird der Begriff Unternehmungsnetzwerk definiert, und die Kennzeichen, Entstehungsgründe und Ziele dieser Kooperationsform werden herausgearbeitet. Weiters werden die für den Verlauf dieser Arbeit relevanten Formen von Unternehmungsnetzwerken kurz dargestellt.
2.2.1 Unternehmungsnetzwerke als Form der zwischenbetrieblichen Kooperation Für den Begriff der zwischenbetrieblichen Kooperation finden sich in der Literatur zahlreiche Interpretationen. Einen umfassenden Überblick gibt beispielsweise RUPPRECHT-DÄULLARY26. Eine Übersicht über Begriffsdefinitionen und verwandte Begriffe sowie eine Systematisierung findet sich bei BALLING27. Mögliche Motive für Kooperation und die daraus abgeleiteten Kooperationsformen nennt KLEIN28. In dieser Arbeit soll die zwischenbetriebliche Kooperation in Anlehnung an HESS29 und die dort zitierte Literatur definiert werden, da unmittelbar ein Bezug zu Unternehmungsnetzwerken hergestellt wird. Demnach ist eine zwischenbetriebliche Kooperation die Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehreren – zumindest vor der 26 27 28 29
Vgl. RUPPRECHT-DÄULLARY, M.: Zwischenbetriebliche Kooperation, Wiesbaden 1994, S. 5ff. Vgl. BALLING, R.: Kooperation, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1998, S. 5ff. Vgl. KLEIN, St.: Interorganisationssysteme und Unternehmensnetzwerke, Wiesbaden 1996, S. 14ff. Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 7ff.
Wertschöpfungsnetzwerke
15
Kooperation – rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmungen, wobei diese Zusammenarbeit •
auf stillschweigenden oder vertraglichen Vereinbarungen beruht,
•
die Verknüpfung von betrieblichen Aufgaben zur Folge hat und
•
die Erstellung eines am Markt verwertbaren Produktes oder einer Dienstleistung verfolgt.
Eine Unternehmung ist rechtlich selbständig, solange sie ihre eigene Rechtspersönlichkeit beibehält. Die wirtschaftliche Selbständigkeit ist gegeben, wenn eine Unternehmung Wahlentscheidungen aufgrund eigener Verantwortung, eigener Initiative, eigener Planung und eigener wirtschaftlicher Überlegungen treffen kann und somit autonom darüber entscheidet, ob sie einer Kooperation beitritt oder eine bestehende Kooperation auflöst.30 Charakteristisch für die Zusammenarbeit in Kooperationen ist, dass sich ungleiche Tauschbeträge innerhalb einzelner Transaktionen im Laufe der Zeit ausgleichen und so für eine stabile Beziehung gesorgt wird, was zu einer neuen Identität der gebildeten Gesamtorganisation führen kann.31 Dass Kooperationen weit verbreitet sind, hat eine 2003 in Österreich durchgeführte empirische Studie gezeigt.32 So gaben mehr als 80 % der antwortenden Unternehmungen an, dass sie Kooperationen mit anderen Unternehmungen haben. Als Gründe wurden „Erhöhung der Flexibilität“, „gemeinsamer Aufbau von Kompetenzen“, „Erhöhung der Kapazität“ sowie „Marktzugang erleichtern“ mit jeweils ca. 50 % am häufigsten genannt (Abbildung 2.5). Kooperationen werden demnach eher aus langfristig orientierten Gründen als aus kurzfristigen Interessen eingegangen. Wird die Anzahl der Kooperationspartner, die in die Auftragsabwicklung mit einbezogen werden, betrachtet, so hat die Erhebung ergeben, dass zum überwiegenden Teil mit weniger als fünf Kooperationspartnern zusammengearbeitet wird.
30 31 32
Vgl. JUSTUS, A.: Wissenstransfer in Strategischen Allianzen – Eine verhaltenstheoretische Analyse, Frankfurt a. M. 1999, S. 25f. und die dort zitierte Literatur Vgl. BELLMANN, K.: Produktionsnetzwerke – ein theoretischer Bezugsrahmen, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 51 Vgl. WOHINZ, J. W.; TUPPINGER, J.; LEITNER, W.; RITSCH, K.: Aktuelle Managementkonzepte in der Industrie – Auswertung der empirischen Erhebung, Graz 2003, S. 62ff.
16
Wertschöpfungsnetzwerke
Haben Sie Kooperationen mit anderen Unternehmungen?
nein 18,9%
ja 81,1%
Welche Gründe sind dafür maßgeblich? Erhöhung der Flexibilität
52,5%
Gemeinsamer Aufbau von Kompetenzen
50,0%
Erhöhung der Kapazität
49,2%
Marktzugang erleichtern
48,3%
Kosten teilen Risiko teilen Sonstiges
32,5% 16,7% 11,7%
Abbildung 2.5: Verbreitung und Gründe von Kooperationen33
Ein Unternehmungsnetzwerk stellt eine spezielle Form der zwischenbetrieblichen Kooperation dar (Abbildung 2.6): Dabei arbeiten mindestens drei Kooperationspartner zeitlich unbefristet zusammen, wobei sich diese Zusammenarbeit auf formlose oder schriftliche Vereinbarungen gründet.34 Zwischenbetriebliche Kooperationen
Joint Ventures
Strategische Allianzen
Unternehmungsnetzwerke
Abbildung 2.6: Unternehmungsnetzwerke als Form der zwischenbetrieblichen Kooperation35
Andere Formen der zwischenbetrieblichen Kooperation sind Joint Ventures (zeitlich unbefristete Gemeinschaftsunternehmungen von in der Regel zwei bis vier Partnern; in dieser Gemeinschaftsunternehmung werden Aufgaben zusammengelegt) und strategische Allianzen (geschäftsfeldbezogene Kooperationen, die zwischen aktuellen 33 34 35
WOHINZ, J. W.; TUPPINGER, J.; LEITNER, W.; RITSCH, K.: Aktuelle Managementkonzepte in der Industrie – Auswertung der empirischen Erhebung, Graz 2003, S. 62 Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 11 Vgl. HESS, Th.: a. a. O. S. 10
Wertschöpfungsnetzwerke
17
oder potentiellen Wettbewerbern eingegangen werden, z. B. in Forschung und Entwicklung oder im Marketing).36 Eine prägnante und vielfach zitierte Definition des Begriffes Unternehmungsnetzwerkes stammt von SYDOW37: „Ein Unternehmungsnetzwerk stellt eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen zielende Organisationsform ökonomischer Aktivitäten dar, die sich durch komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbständigen, wirtschaftlich jedoch zumeist abhängigen Unternehmungen auszeichnet.“ Unternehmungsnetzwerke begründen neue Wege der Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Herstellern, um damit den Anforderungen des Wettbewerbes zu entsprechen.38 Die Nachteile der einzelnen Unternehmungen können dabei kompensiert werden, da die einzelnen an einem Netzwerk beteiligten Unternehmungen jene Funktionen wahrnehmen, die sie besser als die Übrigen bewerkstelligen.39 Unternehmungsnetzwerke können scheinbare Gegensätze vereinen, nämlich die Eigenschaften einer über vielfältige Ressourcen verfügbaren Großunternehmung mit den Eigenschaften kleiner, selbständiger und flexibler Unternehmungen.40 Im Netzwerk können dann die Kompetenzen der Partner genutzt werden, ohne diese in der eigenen Unternehmung selbst aufbauen zu müssen. Weiters können gemeinsam zusätzliche Kompetenzen aufgebaut werden.41 Kapitalbeteiligungen und –beziehungen sind dabei möglich, sind jedoch nicht entscheidend für die Effizienz der Netzwerkverbindungen.42 Eine treibende Kraft in der Vernetzung von Unternehmungen ist die sich laufend weiter entwickelnde Informations- und Kommunikationstechnologie, welche die Zusammenarbeit entscheidend erleichtert.43
36 37 38 39 40 41 42 43
Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 10f. SYDOW, J.: Strategische Netzwerke – Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992, S. 79 Vgl. WILDEMANN, H.: Zulieferer: Im Netzwerk erfolgreich, in: Harvard Business Manager 4/1998, S. 93f. Vgl. WILDEMANN, H.: Koordination von Unternehmensnetzwerken, in: ZfB 67 (1997) H 4, S. 419 Vgl. BAUMGARTEN. H.; DARKOW, I.-L: Gestaltung und Optimierung von Logistiknetzwerken, in: HOSSNER, R. (Hrsg.): Jahrbuch der Logistik 1999, Düsseldorf 1999; S. 146 Vgl. WEBER, J.: Logistikkostenrechnung, 2. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York 2002, S. 21 Vgl. WILDEMANN, H.: Management von Produktions- und Zuliefernetzwerken, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 32 Vgl. SYDOW, J.: Management von Netzwerkorganisationen – Zum Stand der Forschung, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 304 sowie ausführlich PICOT, A.; REICHWALD, R.; WIGAND, R. T.: Die Grenzenlose Unternehmung – Information, Organisation und Management, 5. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 319ff.
18
Wertschöpfungsnetzwerke
2.2.2 Gründe für die Entstehung von Unternehmungsnetzwerken Ausschlaggebend für die Entstehung von Unternehmungsnetzwerken ist das Bestreben, sich an die geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Unternehmungsumfeld anzupassen. WEISSENBERGER-EIBL44 extrahiert aus der Literatur sieben wesentliche Motive als Auslöser für die Entstehung von Unternehmungsnetzwerken: Zeitvorteile, Know-how-Vorteile, Kostenvorteile, Kompetenzgewinn, Marktzutritt, Synergien sowie Flexibilität. SIEBERT45 nennt konkret vier Wettbewerbsfaktoren, die einen wesentlichen Einfluss auf die Entstehung von Unternehmungsnetzwerke haben: Innovationswettbewerb, Zeitwettbewerb, Qualitätswettbewerb sowie Kosten- und Preiswettbewerb:
44 45
•
Innovationswettbewerb: Bislang war es weithin möglich, als einzelne Unternehmung eine Innovationsstrategie zu verfolgen. Der zunehmende Anteil an multi-technologischen Innovationen macht Erneuerungen aus mehreren Wissensgebieten erforderlich – mehrere Kernkompetenzen sind gefragt. Diese können einzelne Unternehmungen immer seltener alleine aufbringen.
•
Zeitwettbewerb: Der Markt fordert eine hohe Lieferfähigkeit und kurze Entwicklungszeiten. Die Produkte werden immer differenzierter, Lagerfertigung („made to stock“) wird von Auftragsfertigung („made to order“) verdrängt. Die einzelnen Schritte im Produktentwicklungsprozess werden parallel statt sequentiell abgearbeitet, und die geforderten Lieferzeiten und somit die Durchlaufzeiten werden zusehends kürzer. Eine verstärkte Einbindung der Zulieferer wird erforderlich.
•
Qualitätswettbewerb: Die Entwicklung und Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte erfordert ein hohes Maß an Kompetenz. Diese Kompetenzen können von einzelnen Unternehmungen immer seltener kurzfristig aufgebaut oder erworben werden. Dieser Umstand erfordert die Einbindung von spezialisierten Unternehmungen in ein Netzwerk.
•
Kosten- und Preiswettbewerb: Unternehmungsnetzwerke ermöglichen die Ausschöpfung von Einsparungspotenzial in der Beschaffung, weiters ergeben sich Kostenvorteile durch die Arbeitsteilung im Netzwerk. So kann beispiels-
Vgl. WEISSENBERGER-EIBL, M.: Wissensmanagement als Instrument der strategischen Unternehmensführung in Unternehmensnetzwerken, München 2000, S. 56ff. Vgl. SIEBERT, H.: Ökonomische Analyse von Unternehmensnetzwerken, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 15ff.
Wertschöpfungsnetzwerke
19
weise das Entwicklungsrisiko teilweise an den Lieferanten weitergegeben werden. Sind unternehmungsinterne Rationalisierungspotenziale weitgehend ausgeschöpft, müssen diese in der interorganisationalen Zusammenarbeit gesucht werden.46
2.2.3 Kennzeichen von Unternehmungsnetzwerken Ein wesentliches Kennzeichen von Unternehmungsnetzwerken ist, dass die Zusammenarbeit formal unabhängiger Unternehmungen deutlich kooperativer gestaltet wird als dies für Austauschbeziehungen, welche den Gesetzen des Marktes gehorchen, üblich ist. Die beteiligten Unternehmungen verfolgen dabei ein gemeinsames Ziel und ordnen ihre individuellen Ziele zum Teil den gemeinsamen Zielen unter.47 Die Zusammenarbeit ist zeitlich sowie sachlich nicht befristet, die Partnerunternehmungen stimmen ihre betrieblichen Funktionen aufeinander ab und stellen am Markt verwertbare Produkte und/oder Dienstleistungen her.48 Bezüglich der im Zuge der Zusammenarbeit zum Einsatz kommenden Koordinationsmechanismen und Kontrollinstrumente erfolgt in Unternehmungsnetzwerken eine Verknüpfung von hierarchischen Elementen mit marktlichen Elementen. Netzwerke weisen keine übergeordnete Einrichtung auf; typische Kontrollinstrumente für hierarchische Strukturen (Zielvorgaben, Pläne, Weisungen etc.) treten schwächer in Erscheinung. Demgegenüber treten rein marktliche Koordinationsmechanismen, wie beispielsweise der Preis zugunsten kooperativer, auf längerfristige Zusammenarbeit ausgerichtete Verhaltensweisen, in den Hintergrund.49 Bei Unternehmungsnetzwerken handelt es sich jedoch nicht um eine Mischform von Markt und Hierarchie, sondern um ein eigenständiges Koordinationsmuster.50 Kennzeichnend für diesen teils hierarchischen, teils marktlichen Charakter von Unternehmungsnetzwerken sind nach SIEBERT51 Spezialisierung, marktliche Effizienz, Vertrauen und Verzicht auf Ausnutzung sowie elektronische Informationsintegration:
46 47 48 49 50
51
Vgl. WEBER, J.: Logistikkostenrechnung, 2. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York 2002, S. 20 Vgl. SIEBERT, H.: Ökonomische Analyse von Unternehmensnetzwerken, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 8 Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 12f. Vgl. WILDEMANN, H.: Koordination von Unternehmensnetzwerken, in: ZfB 67 (1997) H 4, S. 420f. Vgl. SEMLINGER, K.: Effizienz und Autonomie in Zulieferungsnetzwerken – Zum strategischen Gehalt von Kooperationen, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 50ff. Vgl. SIEBERT, H.: a. a. O., S. 10ff.
20
52 53
Wertschöpfungsnetzwerke •
Spezialisierung: Jedes Mitglied im Netzwerk beschränkt seinen Beitrag auf jene Aktivitäten, für die es die größte Kompetenz besitzt, vornehmlich also auf seine Kernkompetenzen. Der Begriff der Kernkompetenz wurde von HAMEL und PRAHALAD52 geprägt: Eine Kernkompetenz ist ein Bündel von Fähigkeiten und Technologien, welches einzigartig ist und von der Konkurrenz nur schwer imitiert werden kann; welches weiters eine Unternehmung befähigt, ihren Kunden einen herausragenden Nutzen zu bieten, und welches sich auf neue Produkte bzw. Produktfelder übertragen lässt.
•
Marktliche Effizienz: Die an einem Unternehmungsnetzwerk beteiligten Unternehmungen können jederzeit austreten (beispielsweise bei zu hohem Preisdruck), wodurch ein gewisses Bedrohungspotenzial gegenüber den beteiligten Partnerunternehmungen bestehen bleibt. Demgegenüber können jederzeit neue Unternehmungen in das Netzwerk eintreten, wodurch das Entstehen einer Monopolsituation verhindert werden kann. Netzwerke können weiters schneller und effizienter auf die Anforderungen rascher Marktentwicklungen reagieren, da aufgrund der losen Kopplung der Partnerunternehmungen das Leistungsprogramm rascher an Marktanforderungen angepasst werden kann.53
•
Vertrauen und Verzicht auf Ausnutzung: Zwischen den beteiligten Unternehmungen herrscht Vertrauen, und es besteht die gegenseitige Übereinkunft, dass eigene Vorteile nicht auf Kosten der anderen realisiert werden. Dieses Vertrauen kann hohe Ein- und Austrittsbarrieren bei Unternehmungsnetzwerken begründen und opportunistische Verhaltensweisen hintanhalten.
•
Elektronische Informationsintegration: Diese leistet einen Beitrag dazu, dass die an einem Unternehmungsnetzwerk beteiligten Unternehmungen einen vergleichbaren Informationsstand erreichen und somit gemeinsam den Wertschöpfungsprozess optimieren können.
Vgl. HAMEL, G.; PRAHALAD, C. K.: Competing for the Future, Boston 1994, S. 223ff. Vgl. WILDEMANN, H.: Management von Produktions- und Zuliefernetzwerken, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 32
Wertschöpfungsnetzwerke
21
2.2.4 Arten von Unternehmungsnetzwerken Zur Kategorisierung von Unternehmungsnetzwerken finden sich in der einschlägigen Literatur zahlreiche Möglichkeiten, die sich an der Zielsetzung der jeweiligen Publikation orientieren (einen Überblick über mögliche Typologisierungen gibt SYDOW54). An dieser Stelle sollen einige Arten von Unternehmungsnetzwerken angeführt werden, die für diese Arbeit von Bedeutung erscheinen. Für eine ausführliche Beschreibung der Netzwerktypen sei auf die zitierte Literatur verwiesen. Eine Variante ist die Gliederung gemäß der Wahrnehmung der Koordinationsaufgaben in Unternehmungsnetzwerken:55 •
Hierarchisch-pyramidale Netzwerke: Eine strategisch führende Unternehmung, auch als fokale Unternehmung bezeichnet, bildet den Kern des Netzwerkes; die anderen Partner richten ihre Ziele danach aus. Ein typisches Beispiel sind die Zuliefernetze der Automobilindustrie, welche von den Automobilherstellern geführt werden.
•
Polyzentrische Netzwerke: In diesen existieren relativ homogene Abhängigkeiten zwischen den beteiligten Unternehmungen. Häufig bilden Unternehmungen der gleichen Wertschöpfungsstufe ein derartiges Netzwerk.
Eine weitere Möglichkeit der Kategorisierung von Netzwerken kann nach der Form der Arbeitsteilung im Zuge des Wertschöpfungsprozesses erfolgen:56
54 55 56
•
Horizontale Netzwerke: In diesen schließen sich Unternehmungen der gleichen Wertschöpfungsstufe aus der gleichen Branche zusammen.
•
Vertikale Netzwerke: Diese Netzwerkform setzt sich aus Unternehmungen verschiedener Wertschöpfungsstufen zusammen, welche meist der gleichen Branche angehören (Bsp.: Automotive).
•
Laterale Netzwerke: Laterale Netzwerke bestehen aus Unternehmungen unterschiedlicher Branchen; umfassende Systemleistungen werden dadurch möglich.
Vgl. SYDOW, J.: Management von Netzwerkorganisationen – Zum Stand der Forschung, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 299 Vgl. WILDEMANN, H.: Koordination von Unternehmensnetzwerken, in: ZfB 67 (1997) H 4, S. 423ff. Vgl. WILDEMANN, H.: Zulieferer: Im Netzwerk erfolgreich, in: Harvard Business Manager 4/1998, S. 94 f.
22
Wertschöpfungsnetzwerke
Nach den in der Praxis in Netzwerkstrukturen durchgeführten Aufgaben unterscheidet WILDEMANN57 weiters: •
Entwicklungsnetzwerke: Die an einem Entwicklungsnetzwerk beteiligten Unternehmungen bündeln ihre Kernkompetenzen, um in möglichst kurzer Zeit ein marktreifes Produkt hervorzubringen.
•
Produktions- und Zuliefernetzwerke: Im Zentrum von Produktions- und Zuliefernetzwerken steht die Erzeugung eines bestimmten Produktes.
•
Vertriebsnetzwerke: Durch den Aufbau eines Vertriebsnetzwerkes ist es möglich, eine Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb durch Service zu erreichen.
•
Distributionsnetzwerke: Der Zweck von Distributionsnetzwerken ist die gemeinsame Durchführung der Güterverteilung, um auf diesem Weg den Güterfluss zu rationalisieren (Vermeidung von Doppelgleisigkeiten, Skaleneffekte).
•
Entsorgungsnetzwerke: Der immer höher werdende Stellenwert der Produktentsorgung und des Produktrecyclings führt dazu, dass Unternehmungen in der Entsorgung und beim Recycling ihrer Produkte zusammenarbeiten oder eine Kooperation mit einem Dienstleister eingehen.
hierarchisch Strategische Netzwerke
Regionale Netzwerke
Projektnetzwerke
Virtuelle Unternehmung
heterarchisch
stabil
dynamisch
Abbildung 2.7: Netzwerktypologie nach SYDOW/WINAND58
57 58
Vgl. WILDEMANN, H.: Zulieferer: Im Netzwerk erfolgreich, in: Harvard Business Manager 4/1998, S. 96 ff. SYDOW, J.; WINAND, U.: Unternehmungsvernetzung und -virtualisierung: Die Zukunft unternehmerischer Partnerschaften, in: WINAND, U.; NATHUSIUS, K. (Hrsg.): Unternehmungsnetzwerke und virtuelle Organisationen, Stuttgart 1998., S. 16
Wertschöpfungsnetzwerke
23
SYDOW/WINAND59 treffen eine Einteilung, indem sie neben der zeitlichen Komponente (stabil oder dynamisch) die Form der Netzwerksteuerung (heterarchisch oder hierarchisch) berücksichtigen und dies in einer Matrix darstellen (Abbildung 2.7). •
Strategische Netzwerke: Diese werden von einer oder mehreren zentralen Unternehmungen strategisch geführt. Beispiele finden sich in der Automobilindustrie, wo der Original Equipment Manufacturer (OEM) die Führung im Netzwerk übernimmt.
•
Regionale Netzwerke: Regionale Netzwerke werden aus kleineren und mittleren Unternehmungen gebildet und sind durch die räumliche Nähe der Netzwerkpartner gekennzeichnet.
•
Projektnetzwerke: Im Gegensatz zu regionalen und strategischen Netzwerken ist die Dauer der Zusammenarbeit für einen gewissen Zeitraum befristet.
•
Virtuelle Unternehmungen: Eine virtuelle Unternehmung ist ein Netzwerk mehrerer rechtlich unabhängiger Unternehmungen, Institutionen und/oder Einzelpersonen, das sich auf Basis interorganisationaler Informationssysteme aufgabenbezogen zum Zweck der Erstellung einer bestimmten kundenspezifischen Leistung temporär und für den Abnehmer der Leistung als Einheit auftretend zusammenschließt.60
2.2.5 Ziele von Unternehmungsnetzwerken Die Ziele, welche Unternehmungsnetzwerken verfolgen, können sehr unterschiedlich sein. Sie lassen sich zum Teil direkt aus den Gründen für die Entstehung von Unternehmungsnetzwerken (Kap. 2.2.2) ableiten und stehen auch in einem engen Zusammenhang mit den im Netzwerk durchgeführten Aufgaben (Kap. 2.2.4). So gibt WILDEMANN61 beispielsweise für Entwicklungsnetzwerke Ziele an wie die rechtzeitige Marktpräsenz, die Einhaltung der Lieferzeiten, die Zufriedenstellung der Kunden, welche zu anhaltenden Wettbewerbsvorteilen und höheren Gewinnen führen sollen.
59
60 61
Vgl. SYDOW, J.; WINAND, U.: Unternehmungsvernetzung und -virtualisierung: Die Zukunft unternehmerischer Partnerschaften, in: WINAND, U.; NATHUSIUS, K. (Hrsg.): Unternehmungsnetzwerke und virtuelle Organisationen, Stuttgart 1998, S. 15ff. Vgl. SYDOW, J.: Virtuelle Unternehmung: Erfolg durch Vertrauensorganisation? In: Office Management 44 (1996) 7-8, S. 10ff. Vgl. WILDEMANN, H.: Zulieferer: Im Netzwerk erfolgreich, in: Harvard Business Manager 4/1998, S. 97
24
Wertschöpfungsnetzwerke
SYDOW/WINAND62 geben als Ziel von Unternehmungsnetzwerken die Erzielung eines gemeinschaftlichen Vorteils an, wobei dies erreicht werden soll, „[…] indem durch unternehmungsübergreifende Zusammenarbeit Produktions- und/oder Kostenvorteile erzielt werden, die Nutzung von Ressourcen anderer Unternehmungen oder ein (schnellerer) Marktzutritt ermöglicht, technische Standards durchgesetzt oder wirtschaftliche Risiken begrenzt werden.“ HESS63 differenziert zwischen hierarchischen und polyzentrischen Netzwerken. In polyzentrischen Netzwerken steht die Maximierung des gemeinsamen Nutzens aller Partner im Vordergrund, wohingegen in hierarchischen Netzwerken der Schwerpunkt bei der Maximierung des Nutzens der fokalen Unternehmung liegt. Weiters können Netzwerkbeziehungen gezielt dazu genutzt werden, gemeinsam Kernkompetenzen aufzubauen.64 Ebenso wird in Unternehmungsnetzwerken oft beabsichtigt, zusammen die Innovationsfähigkeit zu steigern und die Effektivität zu erhöhen, indem durch den Zugriff auf fremde Ressourcen neue Handlungsmöglichkeiten eröffnet werden, die bei Beschränkung auf die eigenen Potenziale nicht erreichbar bzw. kurzfristig nicht aufbaubar wären. Dadurch erhofft man sich weiters auch eine Steigerung der Flexibilität.65 Werden die an einem Unternehmungsnetzwerk beteiligten Unternehmungen betrachtet, so streben diese eine Verbesserung der individuellen Wettbewerbssituation an, indem sie durch eine koordinierte Strategie gemeinsam mit den Netzwerkpartnern eine Effizienzsteigerung erreichen.66 Ein mögliches Ziel, das kleinere Unternehmungen im Rahmen von Netzwerken verfolgen, kann auch die Akquirierung von Aufträgen sein, die sie alleine nicht durchführen könnten.67
62
63 64 65
66 67
SYDOW, J.; WINAND, U.: Unternehmungsvernetzung und -virtualisierung: Die Zukunft unternehmerischer Partnerschaften, in: WINAND, U.; NATHUSIUS, K. (Hrsg.): Unternehmungsnetzwerke und virtuelle Organisationen, Stuttgart 1998, S. 13 Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 26 Vgl. SYDOW, J.: Management von Netzwerkorganisationen – Zum Stand der Forschung, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 318 Vgl. SEMLINGER, K.: Effizienz und Autonomie in Zulieferungsnetzwerken – Zum strategischen Gehalt von Kooperationen, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 57ff. Vgl. SIEBERT, H.: Ökonomische Analyse von Unternehmensnetzwerken, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 7 Vgl. NATHUSIUS, K.: Partnerschaften und Wertschöpfung in der Automobilindustrie, in: WINAND, U.; NATHUSIUS, K. (Hrsg.): Unternehmungsnetzwerke und virtuelle Organisationen, Stuttgart 1998, S. 38
Wertschöpfungsnetzwerke
25
2.2.6 Risiken der Netzwerkorganisation Neben all den Vorteilen, die Unternehmungsnetzwerke bieten, um im Wettbewerb bestehen zu können, birgt diese Organisationsform auch einige Risiken, welche nicht unerwähnt bleiben sollen. Einen Überblick gibt SYDOW68 (siehe Tabelle 2.1) und greift in weiterer Folge die drei wichtigsten Risiken heraus: •
Risiko der nur partiellen Systembeherrschung: Unternehmungsnetzwerke sind komplexe Gebilde. Auch wenn das Netzwerk durch eine Unternehmung strategisch geführt wird, lässt es sich nie von zentraler Stelle aus vollkommen steuern.
•
Risiko des Kompetenzverlustes: Dieses tritt vor allem dann auf, wenn Aufgaben rein aus Kostengründen an Netzwerkpartner ausgelagert und somit die eigenen Kompetenzen geschmälert werden, ohne die strategische Tragweite dieser Entscheidung zu berücksichtigen. Derartige Entscheidungen lassen sich später oft schwer wieder rückgängig machen.
•
Risiko der Abhängigkeit: Einseitige Abhängigkeiten der Netzwerkpartner sind eine latente Bedrohung für die Existenz eines Unternehmungsnetzwerkes. Der günstigere Fall ist eine gegenseitige Abhängigkeit
Verlust der Kernkompetenz Zurechnung von Verantwortlichkeit Erschwerung strategischer Steuerung Einbuße strategischer Autonomie Steigerung von Koordinationskosten Senkung des Commitments der Arbeitenden ob mangelnder Identifikationsmöglichkeit Unkontrollierter Abfluss von Wissen Verlust organisationaler Identität und damit z. B. abnehmende Möglichkeit zur Identifikation Tabelle 2.1: Risiken von Unternehmungsnetzwerken aus betriebswirtschaftlicher Sicht (aus: SYDOW69)
68 69
Vgl. SYDOW, J.: Management von Netzwerkorganisationen – Zum Stand der Forschung, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 305ff. Vgl. SYDOW, J.: a. a. O., S. 306
26
Wertschöpfungsnetzwerke
2.3 Wertschöpfungsnetzwerke Im Anschluss an die nunmehr erfolgte Klärung des Begriffes Unternehmungsnetzwerk soll auf Wertschöpfungsnetzwerke als spezielle Ausprägung von Unternehmungsnetzwerken eingegangen werden. Dabei soll vor allem der Bezug dieser Kooperationsform zu den eingangs definierten Begriffen Wertschöpfung und Wertschöpfungskette herausgearbeitet werden. Dazu werden zunächst Wertschöpfungspartnerschaften als Vorstufe zum Wertschöpfungsnetzwerk erläutert.
2.3.1 Wertschöpfungspartnerschaften Der Begriff Wertschöpfungspartnerschaft (Value-Adding Partnership) ist in direktem Zusammenhang mit dem Begriff der Wertschöpfungskette zu sehen. Von einer Wertschöpfungspartnerschaft wird dann gesprochen, wenn mindestens zwei Unternehmungen in aufeinander folgenden Stufen einem Produkt oder einer Dienstleistung Wertschöpfung hinzufügen.70 Die an einer Wertschöpfungspartnerschaft beteiligten Unternehmungen operieren dabei entlang der Wertschöpfungskette, zunächst auf unmittelbar benachbarten Stufen, wobei sich jeder Partner darauf konzentriert, einen Schritt in der Wertschöpfungskette durchzuführen. Jeder steuert nur einen Teil zur gesamten Wertschöpfung bei und stimmt seine Aktivitäten mit den übrigen Gliedern der Wertschöpfungskette ab. Dadurch wird es auch kleinen Unternehmungen möglich, Skaleneffekte – üblicherweise großen Unternehmungen vorbehalten – zu nutzen und dennoch nicht auf ihre Stärken wie Flexibilität und geringe Gemeinkosten zu verzichten.71 Ein wesentliches Merkmal von Wertschöpfungspartnerschaften ist, dass sich die Bereiche der Verantwortung, der Verursachung und des Risikos der beteiligten Partner nicht mehr klar voneinander trennen lassen. Die Wertschöpfungspartner verfügen über ein gemeinsames Produktions- und Produkt-Know-how sowie über gemeinsame System- und Problemlösungskapazität und gehen ein gemeinsames Risiko bei Produkt- und Prozessinnovationen ein; die Qualitätssicherung erfolgt kooperativ.72 Tabelle 2.2 gibt einen Überblick über weitere mögliche Kennzeichen von Wertschöpfungspartnerschaften, die aus der Literatur abgeleitet werden können.
70 71 72
Vgl. VON STENGEL, R.: Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 1999, S. 1 Vgl. JOHNSTON, R.; LAWRENCE, P. E.: Vertikale Integration II: Wertschöpfungs-Partnerschaften leisten mehr, in: Harvard Manager 1/1989, S. 81ff. Vgl. WILDEMANN, H.: Entwicklungsstrategien für Zulieferunternehmen, in: ZfB 62 (1992) 4, S. 398ff.
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Kooperative Zusammenarbeit mit einem hohen Grad an Vertrauen bei einer gleichzeitig hohen Kontrollintensität73 Langfristige Ausrichtung und gegenseitige Verpflichtung zum Know-how-Schutz 74 Ausrichtung der Aktivitäten auf ein gemeinsames Ziel75 Jede Unternehmung geht Beziehungen mit lediglich wenigen Lieferanten und Kunden ein76 Tabelle 2.2: Weitere Kennzeichen von Wertschöpfungspartnerschaften
Aufgrund des Operierens entlang der Wertschöpfungskette handelt es sich bei Wertschöpfungspartnerschaften um eine vertikale Form der Kooperation.77 JOHNSTON und LAWRENCE78 merken diesbezüglich an, dass diese Form der Zusammenarbeit eine Möglichkeit darstellt, die Vorteile einer vertikalen Integration zu erreichen, und vor allem für kleinere Unternehmungen einen Weg darstellt, neben den großen Konzernen am Weltmarkt zu bestehen. Ähnlich wie Unternehmungsnetzwerke lassen sich Wertschöpfungspartnerschaften nach Art der durchgeführten Aufgaben unterscheiden:79
73 74
75 76 77 78 79
•
Entwicklungspartnerschaften: Im Zuge von Entwicklungspartnerschaften wird die gemeinsame Entwicklung von Produkten durchgeführt. Dabei nehmen Design-to-Cost-Ziele und die Erschließung gemeinsamer Innovationspotenziale an Bedeutung zu.
•
Fertigungspartnerschaften: Bei Fertigungspartnerschaften steht das Erzielen von Vorteilen im Zuge der Fertigung durch die wechselseitige Spezialisierung der beteiligten Partner – jeder konzentriert sich auf Technologien, in denen er einen Wettbewerbsvorteil besitzt – und die Möglichkeit, einen Kapazitätsausgleich mit dem Partner durchzuführen, im Vordergrund.
•
Logistikpartnerschaften: Gegenstand von Logistikpartnerschaften ist die enge logistische Anbindung von Lieferanten oder Kunden. Dadurch wird hauptsächlich eine Verkürzung der Wiederbeschaffungszeiten bezweckt.
Vgl. WILDEMANN, H.: Koordination von Unternehmensnetzwerken, in: ZfB 67 (1997) 4, S. 421 Vgl. KRCAL, H.-C.: Koordination durch Wertschöpfungspartnerschaftlichkeit im Netzwerk Kompetenzzentrum, Discussion Paper Series, Department of Economics, Universität Heidelberg, No. 357, Juli 2001, S. 4 Vgl. JOHNSTON, R.; LAWRENCE, P. E.: Vertikale Integration II: Wertschöpfungs-Partnerschaften leisten mehr, in: Harvard Manager 1/1989, S. 86 Vgl. JOHNSTON, R.; LAWRENCE, P. E.: a. a. O., S. 87 Vgl. SYDOW, J.: Strategische Netzwerke – Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992, S. 64 Vgl. JOHNSTON, R.; LAWRENCE, P. E.: a. a. O., S. 88 Vgl. VON STENGEL, R.: Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 1999, S. 211ff.
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Wertschöpfungsnetzwerke
REICHWALD/PILLER80 verwenden den Begriff Wertschöpfungspartnerschaft in Zusammenhang mit der Integration des Kunden in die Leistungserstellung des Herstellers in Business-to-Consumer-Märkten, wobei diese Integration unterschiedliche Formen annehmen kann und vornehmlich die Erstellung kundenindividueller Produkte zum Ziel hat.
2.3.2 Kennzeichen von Wertschöpfungsnetzwerken Von einem Wertschöpfungsnetzwerk ist dann die Rede, wenn mehrere Unternehmungen aus aufeinander folgenden Stufen der Wertschöpfungskette miteinander kooperieren. Es handelt sich dabei um „Unternehmungsnetzwerke, in denen unternehmungsübergreifend Leistungen erstellt werden. Sie stellen Mehrfachverflechtungen von bilateralen Wertschöpfungspartnerschaften dar und unterscheiden sich von ihnen durch die Berücksichtigung, dass zur Erstellung einer Leistung die Zusammenarbeit mit mehreren Partnern erforderlich ist und in der Regel jede Unternehmung Leistungen für mehrere Abnehmer erstellt.“81 Die Wertschöpfungspartnerschaft stellt somit gleichsam die Vorstufe eines Wertschöpfungsnetzwerkes dar und ist Teil dieses Unternehmungsnetzwerkes, das sich aus mehreren selbständigen Unternehmungen zusammensetzt.82 Ein besonderes Merkmal von Wertschöpfungsnetzwerken ist der Leistungs- und Güterstrom entlang der Wertschöpfungskette. Jede darin involvierte Unternehmung ist für einen konkreten Prozess der Leistungserstellung verantwortlich. Planung und Organisation werden jedoch unternehmungsübergreifend durchgeführt.83 Im Zuge dessen werden die beteiligten betrieblichen Funktionen der Netzwerkunternehmungen entlang der Wertschöpfungskette abgestimmt, wobei Wertschöpfungsnetzwerke in der Regel fokale und stabile Netzwerke sind, und es sich folglich auch um strategische Netzwerke handelt.84
80
81 82
83
84
Vgl. REICHWALD, R.; PILLER, F. T.: Der Kunde als Wertschöpfungspartner: Formen und Prinzipien, in: ALBACH, H. et al. (Hrsg.): Wertschöpfungsmanagement als Kernkompetenz, Wiesbaden 2002, S. 27ff. VON STENGEL, R.: Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 1999, S. 18 KRCAL, H.-C.: Koordination durch Wertschöpfungspartnerschaftlichkeit im Netzwerk Kompetenzzentrum, Discussion Paper Series, Department of Economics, Universität Heidelberg, No. 357, Juli 2001, S. 4 SCHEER, C.; LOOS, P.: Internetbasierte Geschäftsmodelle – Neue Möglichkeiten der Wertschöpfungsorganisation in der Internet-Ökonomie. In: DANGELMAIER, W.; EMMRICH, A.; KASCHULA, D. (Hrsg.): Modelle im E-Business, Paderborn 2002, S. 29 Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 16f.
Wertschöpfungsnetzwerke
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VON STENGEL85 nennt sechs Vorzüge, die Wertschöpfungsnetzwerke als Kooperationsform kennzeichnen: •
Breiter Informationsfluss in der Definitionsphase: Die Potenziale der IuKTechnologie können zur unternehmungsübergreifenden Optimierung des Leistungserstellungsprozesses eingesetzt werden.
•
Konzentration der eigenen Wertschöpfung: Die Beteiligung an einem Netzwerk befähigt die Partnerunternehmungen, sich auf jene Bereiche im Leistungserstellungsprozess zu konzentrieren, in denen Vorteile gegenüber den anderen existieren.
•
Erhöhte Leistungsanreize: Der in einer unternehmungsübergreifenden Leistungserstellung herrschende Leistungsdruck ist höher als in der unternehmungsinternen, da die Zusammenarbeit jederzeit leicht aufkündbar ist.
•
Umfassende Problemlösung: Durch die Zusammenarbeit mehrerer Partner können dem Kunden Komplettleistungen angeboten werden.
•
Weltweites Leistungsangebot: Durch den Aufbau internationaler Partnerschaften wird es möglich, Leistungen – ohne Investitionen in ein eigenes Netzwerk – weltweit anzubieten.
•
Eignung zum ökologischen Wirtschaften: Eine längerfristige Zusammenarbeit in einem Wertschöpfungsnetzwerk eignet sich eher für eine Schonung der natürlichen Ressourcen, da eine Wertschöpfungsketten-übergreifende Kreislaufwirtschaft möglich wird.
2.3.3 Ziele von Wertschöpfungsnetzwerken Die Ziele, welche Wertschöpfungsnetzwerke verfolgen, sind jenen von allgemeinen Unternehmungsnetzwerken sehr ähnlich. Prinzipiell geht es darum, jene Vorteile auszuschöpfen, die sich aus der arbeitsteiligen Leistungserstellung ergeben. Die Erzielung kollaborativer Wettbewerbsvorteile steht dabei im Mittelpunkt.86 Konkrete Ziele können beispielsweise das Anbieten umfassender oder neuer Dienstleistungen und Produkte, die Nutzung des Know-how der Partnerunternehmungen
85 86
Vgl. VON STENGEL, R.: Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 1999, S. 18ff. Vgl. BACH, N.; BUCHHOLZ, W.; EICHLER, B.: Geschäftsmodelle für Wertschöpfungsnetzwerke – Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen, in: BACH, N.; BUCHHOLZ, W.; EICHLER, B. (Hrsg.): Geschäftsmodelle für Wertschöpfungsnetzwerke, Wiesbaden 2003, S. 3
30
Wertschöpfungsnetzwerke
oder das Erzielen von Größenvorteilen sein.87 Wesentlich ist auch die Bereitstellung von marktlich verwertbaren Produkten oder Dienstleistungen. Aus den Ausführungen von VON STENGEL88 und der dort zitierten Literatur lassen sich weitere Anhaltspunkte für mögliche Ziele von Wertschöpfungsnetzwerken ableiten, wobei diese in drei Kategorien eingeteilt werden können: •
Marketingorientierte Ziele: Marketingorientierte Ziele beziehen sich auf die Gestaltung des Outputs von Wertschöpfungsnetzwerken. Dabei steht der Kundennutzen im Mittelpunkt, und eine möglichst hohe Kundenzufriedenheit wird angestrebt. Das Ziel ist die Ausgestaltung einer kundennahen Leistung und die Ausrichtung des Leistungserstellungssystems am Kunden. Durch die Zusammenarbeit im Netzwerk sollen vor allem Systemlösungen, welche verschiedenste Kompetenzen erfordern, möglich werden. Dadurch will sich das Wertschöpfungsnetzwerk einen Wettbewerbsvorteil aus Sicht des Kunden verschaffen.
•
Ressourcenorientierte Ziele: Ressourcenorientierte Ziele setzen an den Inputfaktoren der Leistungserstellung und den damit in Verbindung stehenden Fähigkeiten an. Angestrebt wird das Erzielen eines Wettbewerbsvorteils durch die Kombination der von den Netzwerkunternehmungen gemäß ihrer Kernkompetenzen eingebrachten Ressourcen und die Übertragung auf Produkte und Leistungen. Dabei treten zunehmend Humanressourcen in den Mittelpunkt des Interesses.
•
Logistik- und produktionsorientierte Ziele: Diese betreffen die Transformation der Inputfaktoren in den Output. Aus Sicht der Produktion werden dabei das Erzielen von Skaleneffekten im Zuge einer vertikalen Arbeitsteilung und/oder die Bereitstellung einer hohen Variantenvielfalt vornehmlich durch horizontale Arbeitsteilung im Netzwerk bezweckt. Aus Logistik-Sicht wird eine optimale Koordination der Leistungserstellung zur Durchsetzung der Flussorientierung über die Unternehmungsgrenzen hinweg angestrebt.
Gerade der letzteren Gruppe von Zielen wird heute große Bedeutung beigemessen, beispielsweise in aktuellen Logistikkonzepten, wie dem Supply-Chain Management,
87
88
Vgl. SCHEER, C.; LOOS, P.: Internetbasierte Geschäftsmodelle – Neue Möglichkeiten der Wertschöpfungsorganisation in der Internet-Ökonomie. In: DANGELMAIER, W.; EMMRICH, A.; KASCHULA, D. (Hrsg.): Modelle im E-Business, Paderborn 2002, S. 29 Vgl. VON STENGEL, R.: Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 1999, S. 67ff.
Wertschöpfungsnetzwerke
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welche eine durchgängige Optimierung der Material-, Informations- und Kapitalflüsse entlang der Wertschöpfungskette anstreben.89 Supply-Chain Management ist die „Planung, Steuerung und Kontrolle des gesamten Material- und Dienstleistungsflusses, einschließlich der damit verbundenen Informations- und Geldflüsse, innerhalb eines Netzwerkes von Unternehmungen und deren Bereiche, die im Rahmen von aufeinander folgenden Stufen der Wertschöpfungskette an der Entwicklung, Erstellung und Verwertung von Sachgütern und/oder Dienstleistungen partnerschaftlich zusammenarbeiten, um Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen zu erreichen.“90 In Verbindung mit Wertschöpfungsnetzwerken kann Supply-Chain Management als die Planung, Steuerung und Kontrolle der Material- bzw. Dienstleistungs-, Informations- und Kapitalflüsse in einem Wertschöpfungsnetzwerk interpretiert werden.
Senkung von Kosten • Senkung der Logistikkosten durch logistikinterne Rationalisierung • Kostensenkung durch ganzheitliche Abstimmung des Material- und Warenflusses entlang der Logistikkette • Kostensenkung durch Berücksichtigung der Logistik in langfristigen Rahmenentscheidungen (z. B. Produktgestaltung)
Steigerung des Nutzen für den Kunden
• Kostensenkung durch Abstimmung längs der logistischen Kette zwischen den Beschaffungsund Absatzmarktpartnern • Schaffung von langfristigen Kooperationsmodellen
• Erhöhung der Lieferflexibilität (Art-, Zeit- und Mengenflexibilität) • Erhöhung der Liefersicherheit und -genauigkeit (Servicegrad) • Senkung von Transaktionskosten (z. B. bei Durchsteuerung) beim Kunden
Abbildung 2.8: Vorteile einer engen Koordination für die Partner einer Supply-Chain (nach WEBER91)
Abbildung 2.8 nach WEBER92 zeigt die Vorteile, die sich aufgrund der engen Koordination der Unternehmungen im Zuge des Supply-Chain Managements für diese er-
89 90 91 92
Vgl. DRUML, M.; RITSCH, K.: Supply Chain Management – Überlegungen aus der Praxis, in: WING Business 34 (2002) 3, S. 17 HAHN, D.: Problemfelder des Supply Chain Management, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Supply Chain Management, München 2000, S. 12 WEBER, J.: Logistikkostenrechnung, 2. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York 2002, S. 21 WEBER, J.: a. a. O., S. 21
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Wertschöpfungsnetzwerke
geben. In weiterer Folge lassen sich diese Vorteile auch als mögliche Ziele interpretieren, die im Zuge der Zusammenarbeit in Wertschöpfungsnetzwerken angestrebt werden können.
2.3.4 Wertschöpfungsnetzwerke als Wertschöpfungssysteme Um Wertschöpfungsnetzwerke präziser von Unternehmungsnetzwerken abzugrenzen, soll in weiterer Folge der Bezug zum Begriff Wertschöpfung, dem Wertschöpfungsprozess und somit zur Leistungserstellung hergestellt werden. In diesem Zusammenhang werden Wertschöpfungsnetzwerke als Wertschöpfungssysteme dargestellt. Dazu ist zunächst eine kurze Beschreibung der Grundbegriffe der Systemtheorie erforderlich (Für detaillierte Ausführung sei auf die einschlägige Literatur verwiesen). Anschließend werden die Überlegungen zur Leistungserstellung in Unternehmungen auf Wertschöpfungsnetzwerke ausgedehnt. Grundbegriffe der Systemtheorie Zur Beschreibung von Systemen kommen verschiedene Grundbegriffe zur Anwendung (Abbildung 2.9), die nach HABERFELLNER et al.93 definiert werden sollen. Systemgrenze Umsystem
Beziehung E1
E6
E 10
E8
E2
E5
Umfeldelement
E9 E3
Element
System E 3.3
Umfeld (Umgebung)
E4
E 3.2
E7
E 3.1
E 3.1
Subsystem
Abbildung 2.9: Grundbegriffe des Systemdenkens94
Ein System besteht aus einzelnen Bausteinen – den Elementen – welche zusammen eine Einheit bilden und untereinander durch Beziehungen verbunden sind. Dies kön93 94
Vgl. HABERFELLNER et al.: Systems Engineering – Methodik und Praxis, 10. Aufl., Zürich 1999, S. 4ff. Vgl. HABERFELLNER et al.: a. a. O., S. 5ff.
Wertschöpfungsnetzwerke
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nen z. B. Materialfluss-, Informationsfluss-, Lagebeziehungen, Wirkzusammenhänge sein. Jedes Element eines Systems kann wiederum als eigenes System betrachtet werden. Das aus Elementen und Beziehungen gebildete Gefüge wird als die Struktur eines Systems bezeichnet. Die mehr oder weniger willkürlich festgelegte Systemgrenze bildet die Abgrenzung des Systems zu seiner Umgebung bzw. zu seinem Umfeld. Dabei handelt es sich wiederum um Elemente oder auch Systeme, die das System selbst beeinflussen können bzw. durch dieses beeinflusst werden können – in diesem Fall wird von offenen Systemen gesprochen – und auch untereinander durch Beziehungen verbunden sein können. Kennzeichnend für ein System ist, dass das Maß an Beziehungen innerhalb der Systemgrenze größer ist als zwischen dem System und seinem Umfeld. Dies macht aus einem System eine Gesamtheit. Konkrete Arten von Systemen sind z. B. technische Systeme, gebildet aus Maschinen (Betriebsmittel, Computer) und Werkzeugen, oder auch soziale Systeme, die sich aus Personen zusammensetzen. Werden ein technisches System und ein soziales System zusammengeführt, entsteht ein soziotechnisches System.95 Eine Unternehmung stellt beispielsweise ein derartiges soziotechnisches Systeme dar. Die Grundüberlegung, die nun hinter der Betrachtung einer Unternehmung als soziotechnisches System steht, ist jene, dass bei der Gestaltung von soziotechnischen Systemen das technische und das soziale Subsystem mit gleicher Priorität zu behandeln und gemeinsam zu gestalten sind.96 Aus systemtheoretischer Sicht stellt ein Unternehmungsnetzwerk ein Subsystem im volkswirtschaftlichen Gesamtsystem dar, welches über spezielle Beziehungen zwischen den Systemelementen – den beteiligten Unternehmungen – konstituiert wird. Diese Beziehungen sind langfristig und resultieren aus einem gemeinsam verfolgten Zweck sowie aller daraus abgeleiteten und aufeinander abgestimmten Einzelmaßnahmen. Zu Unternehmungen außerhalb des Subsystems werden nur marktliche Austauschbeziehungen unterhalten.97
95 96 97
Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 34 Vgl. TSCHIRKY, H.: Konzept und Aufgaben des Integrierten Technologie-Managements, in: TSCHIRKY, H.; KORUNA, S. (Hrsg.): Technologie-Management, Zürich 1998, S. 213f. Vgl. HESS, Th. Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 104ff. sowie WOHLGEMUTH, O.: Management netzwerkartiger Kooperationen, Wiesbaden 2002, S. 68ff.
34
Wertschöpfungsnetzwerke
Wertschöpfungssysteme Wertschöpfungssysteme sind nach PIBERNIK98 offene und dynamische soziotechnische Systeme, in denen Wertschöpfung erbracht wird. Dazu werden Aktivitäten wie Beschaffung, Produktion oder Distribution ausgeführt. Die Wertschöpfung eines derartigen Systems kann als jener Wert bezeichnet werden, den dieses im Zuge von Wertschöpfungsprozessen den Vorleistungen, die von anderen Systemen übernommen wurden, hinzugefügt hat. Nach WOHINZ99 ist ein Wertschöpfungssystem ein soziotechnisches System, bestehend aus Leistungsträgern (den Personen im sozialen Subsystem) und Leistungseinrichtungen (den Tools – Maschinen, Werkzeuge – im technischen Subsystem) (Abbildung 2.10). In diesem Wertschöpfungssystem wird ein Input in einen Output transformiert, wobei ein Wirkfluss in zwei Richtungen identifiziert werden kann: •
Das Handeln der Leistungsträger führt zu einer zielorientierten Wirkung an den Leistungseinrichtungen.
•
Die Leistung der Leistungseinrichtungen wirkt auf die Leistungsträger zurück, indem diese die Ergebnisse ihres Handelns wahrnehmen.
Input
Leistungsträger
Wirkfluss
Leistungseinrichtungen
Output
Soziotechnisches Wertschöpfungssystem
Abbildung 2.10: Wertschöpfungssystem nach WOHINZ100
Bei den Inputfaktoren eines derartigen Wertschöpfungssystems kann auf die von GUTENBERG101 geprägte Differenzierung in die drei „Elementaren Produktionsfaktoren“ (menschliche Arbeitsleistung, Betriebsmittel und Werkstoffe), deren Kombination die eigentliche Leistungserstellung darstellt, und den „Dispositiven Faktor“ (Unternehmungsleitung, Planung, Betriebsorganisation), welcher die Faktorkombination 98 99 100 101
Vgl. PIBERNIK, R.: Flexibilitätsplanung in Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 2001, S. 142f. Vgl. WOHINZ, J. W.: Industrielles Management – Das Grazer Modell, Graz Wien 2003, S. 356 WOHINZ, J. W.: a. a. O., S. 356 Vgl. GUTENBERG, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre – Erster Band, Die Produktion, 24. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York 1983, S. 2ff.
Wertschöpfungsnetzwerke
35
bestimmt, zurückgegriffen werden. Ein weiterer wichtiger Inputfaktor für die Leistungserstellung ist Information. Diese wird hauptsächlich vom Dispositiven Faktor genutzt.102 Das Wertschöpfungssystem Wertschöpfungsnetzwerk In konsequenter Fortführung der systemischen Sichtweise bietet sich an, Wertschöpfungsnetzwerke ebenfalls als Wertschöpfungssysteme zu betrachten. Einen möglichen Ansatz dazu erläutert ausführlich PIBERNIK103: In diesem wird ein Wertschöpfungsnetzwerk als ein Modell realer Wertschöpfungssysteme betrachtet, wobei dieses aus den Ressourcen gebildet wird, welche für die Durchführung ortsgebundener Wertschöpfungsprozesse erforderlich sind. Diese Ressourcen stehen miteinander in Verbindung, wofür die Richtung des Güterflusses maßgeblich ist. Bei diesem Ansatz handelt es sich um die Weiterführung der Gedanken von KLEMM104, der einzelne Wertschöpfungsaktivitäten oder Gruppen von Wertschöpfungsaktivitäten, welche technologisch-physisch und im Verhalten voneinander unterscheidbar sowie räumlich nicht getrennt sind, als die Elemente eines Wertschöpfungsnetzwerkes betrachtet. Diese können je nach Sichtweise auf unterschiedliche Art verbunden sein, was jeweils andere Aspekte des Systems in den Vordergrund treten lässt. Am bedeutendsten ist nach KLEMM die Verbindung über Güter-, Geldund Signalströme. DE MIROSCHEDJI105 erweitert diese Sichtweise, indem er in seine Betrachtung noch die beteiligten Akteure mit einbezieht, deren organisatorische Struktur sich einem Netzwerk von Wertschöpfungsaktivitäten überlagert. Ein Begriff, der von KLEMM106 in Zusammenhang mit den Grenzen eines Wertschöpfungsnetzwerkes geprägt wurde, ist der Wertschöpfungshorizont. Dieser umschließt jene Wertschöpfungsaktivitäten, die für die jeweilige Betrachtung von Interesse sind. Wie nun dieser Wertschöpfungshorizont festgelegt wird, ist stark beobachterabhängig. Jene Wertschöpfungsaktivitäten, die im Zuge einer Fragestellung nicht relevant sind, liegen jenseits des Wertschöpfungshorizontes. Somit beschreibt dieser die Grenze zwischen wichtigen und weniger wichtigen Wertschöpfungsaktivitäten. 102 103 104 105 106
Vgl. VON STENGEL, R.: Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 1999, S. 34 Vgl. PIBERNIK, R.: Flexibilitätsplanung in Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 2001, S. 140ff. Vgl. KLEMM, W.: Wertschöpfungsnetzwerke international tätiger Unternehmen, München 1997, S. 72ff. Vgl. DE MIROSCHEDJI, S. A.: Globale Unternehmens- und Wertschöpfungsnetzwerke, Wiesbaden 2002, S. 208ff. Vgl. KLEMM, W.: a. a. O., S. 92ff.
36
Wertschöpfungsnetzwerke
Was bei den oben beschriebenen Sichtweisen jedoch fehlt, ist der Bezug zum Begriff Unternehmungsnetzwerk, so wie er in dieser Arbeit Verwendung findet. Den Ausführungen von KLEMM liegt beispielsweise der Gedanke zugrunde, dass alle Organisationen – auch einzelne Unternehmungen – als Netzwerke modelliert werden können. Ein Wertschöpfungsnetzwerk besteht demnach nicht aus einzelnen Unternehmungen, sondern aus verschiedenen Wertschöpfungsaktivitäten, welche auch in einer Unternehmung durchgeführt werden können. In eine ähnliche Richtung geht auch PIBERNIK, wenn er ein Wertschöpfungsnetzwerk aus den Ressourcen der Wertschöpfungsprozesse bildet. Diese können – müssen aber nicht – sich auf verschiedene Unternehmungen verteilen. Sowohl KLEMM als auch PIBERNIK bedienen sich im Zuge ihrer Ausführungen der Netzwerkanalyse. Diese begreift die Bausteine eines zu analysierenden Netzwerkes als Knoten (die Akteure des Netzwerkes), welche durch Kanten (die Beziehungen) miteinander verbunden sind, und versucht, die Netzwerkstrukturen zu erfassen und zu beschreiben.107 Diese Sichtweise soll hier nicht näher ausgeführt werden, da die systemische Betrachtung von Wertschöpfungsnetzwerken – vor allem in Hinblick auf die später erfolgende Verknüpfung mit dem Wissensmanagement – zweckmäßiger erscheint. An dieser Stelle bietet sich eine Weiterführung der institutionell-organisatorischen Perspektive von Wertschöpfungssystemen an, die PIBERNIK108 in seinen Ausführungen zwar erwähnt, auf welche er aber im Verlauf der Arbeit nicht mehr näher eingeht: Demnach setzt sich ein Wertschöpfungssystem aus den Unternehmungen, Gremien und Institutionen zusammen, die an der Erbringung der Wertschöpfung beteiligt sind. Zwischen diesen bestehen rechtliche und informatorische Beziehungen. Aufbauend auf diese Gedanken und die Überlegungen aus den vorangegangenen Abschnitten soll nun eine Definition des Begriffes Wertschöpfungsnetzwerk abgeleitet werden, so wie er im weiteren Verlauf dieser Arbeit Verwendung findet. Die Systemelemente eines Wertschöpfungsnetzwerkes sind einzelne Unternehmungen oder Institutionen, welche über Leistungs- bzw. Waren-, Informations- und Kapitalflüsse miteinander verbunden sind. Weiters stehen die Elemente in einer sachlogischen, technischen und zeitlichen Anordnung zueinander. Ausschlaggebend dafür ist
107
108
Vgl. KLEMM, W.: Wertschöpfungsnetzwerke international tätiger Unternehmen, München 1997, S. 72ff, sowie PIBERNIK, R.: Flexibilitätsplanung in Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 2001, S. 153ff. Vgl. PIBERNIK, R.: a. a. O., S. 142
Wertschöpfungsnetzwerke
37
die logische Abfolge der im Wertschöpfungsnetzwerk erbrachten Wertschöpfungsprozesse, die entlang der Wertschöpfungskette erfolgen. Abbildung 2.11 skizziert ein Wertschöpfungsnetzwerk als Wertschöpfungssystem. Dessen Ausgangspunkt ist die Wertschöpfungskette (hier – stark vereinfacht – die eines Kraftfahrzeuges). e ann n sp win Ge
Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft Technologieentwicklung Beschaffung
E9
inns pan ne
Marketing Ausgangs- Kunden& Vertrieb logistik dienst
Gew
Eingangs- Operatiologistik nen
E7
E3 Input
Systemgrenze
E 10
E1
E8
E4 E2
E 11
Output
E6
K U N D E
E5 E 12 Rohstoffgewinnung, Fertigung von Halbzeug
Erzeugung von Einzelteilen Normteilen
Wertschöpfungspartnerschaft Fertigung von Komponenten
Fertigung von Systemen
Fahrzeugmontage
Abbildung 2.11: Das Wertschöpfungssystem Wertschöpfungsnetzwerk
Basierend auf den bislang erörterten Grundlagen zu Wertschöpfungsnetzwerken und in Verbindung mit systemtheoretischen Überlegungen soll folgende Arbeitsdefinition des Begriffes Wertschöpfungsnetzwerk für die weitere Auseinandersetzung zur Anwendung kommen: Ein Wertschöpfungsnetzwerk als spezielle Form eines Unternehmungsnetzwerkes ist ein Wertschöpfungssystem, dessen Elemente rechtlich selbständige Unternehmungen sind. Diese kooperieren auf aufeinander folgenden Stufen der Wertschöpfungskette und stehen über Waren-, Daten- und Kapitalflüsse miteinander in Verbindung. Ziel eines Wertschöpfungsnetzwerkes ist die Herstellung und/oder Entwicklung von am Markt verwertbaren Produkten bzw. Dienstleistungen unter Ausschöpfung der Vorteile, die sich aus der arbeitsteiligen Leistungserstellung ergeben.
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Wertschöpfungsnetzwerke
Die Grenze eines derartigen Wertschöpfungssystems lässt sich beispielsweise durch den Ausschnitt aus der Wertschöpfungskette bestimmen, der im Zuge der Beschäftigung mit einem Wertschöpfungsnetzwerk betrachtet wird. So könnte beispielsweise auch nur der in Abbildung 2.11 grau hinterlegte Bereich Gegenstand der Betrachtungen sein, welcher dann das Wertschöpfungssystem der in Element E 4 fertig gestellten Komponente darstellen würde. Eine zusätzliche Möglichkeit zur exakteren Festlegung der Grenzen des Wertschöpfungssystems Wertschöpfungsnetzwerk ist der Übergang zu rein marktlichen Transaktionen: Sobald im Zuge der Zusammenarbeit mit einer Unternehmung auf einer vorgelagerten Wertschöpfungsstufe rein marktliche Koordinationsmechanismen zum Einsatz kommen, ist diese per Definition nicht mehr Teil des Unternehmungsnetzwerkes, und folglich ist die Grenze des Wertschöpfungsnetzwerkes erreicht. Zweckmäßig erscheint die Verknüpfung der beiden Möglichkeiten, da das Wertschöpfungssystem – bei der heutigen Komplexität der Produkte bzw. Dienstleistungen – bei einer Festlegung der Systemgrenze rein unter Zuhilfenahme der Wertschöpfungskette zu viele Elemente enthalten würde. Die Anzahl der Systemelemente kann dann unter Ausschluss jener Unternehmungen, die rein über marktliche Transaktionen an der Wertschöpfungskette beteiligt und somit nicht mehr Teil des Netzwerkes sind, verringert werden. Damit ist auch die Verbindung zur Definition des Begriffes Unternehmungsnetzwerk hergestellt. Die Grenzen eines Wertschöpfungsnetzwerkes lassen sich auch weiter fassen als durch die Wertschöpfungskette eines Produktes oder einer Dienstleistung vorgegeben. Dies ist dann zweckmäßig, wenn ein Wertschöpfungsnetzwerk die Zielsetzung verfolgt, ein Bündel von Leistungen anzubieten. Ein Beispiel dafür wäre das Systemgeschäft im Investitionsgütermarkt (im Sinne einer lateralen Zusammenarbeit). Schlussendlich bleibt die Festlegung der Systemgrenze aber dem Betrachter überlassen und wird sich am Zweck orientieren, der mit der Systembetrachtung verfolgt werden soll.109
109
Vgl. LAUMANN, E. O.; MARSDEN, P.; PRENSKY, D.: The boundary specification problem in network analysis, in: BURT, R. S; MINOR, M. J. (Hrsg.): Applied network analysis. A methodological introduction, Beverly Hills (CA) u.a., 1993, S. 18-34, zitiert in: DE MIROSCHEDJI, S. A.: Globale Unternehmens- und Wertschöpfungsnetzwerke, Wiesbaden 2002, S. 215
Wertschöpfungsnetzwerke
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2.3.5 Wertschöpfungsprozesse in Wertschöpfungsnetzwerken Von Interesse sind auch die einzelnen Wertschöpfungsprozesse und -aktivitäten, die in einem Wertschöpfungsnetzwerk durchgeführt werden. Dazu lassen sich die einzelnen Elemente eines Wertschöpfungsnetzwerkes wiederum als Input/OutputSysteme betrachten. In ihnen werden Inputfaktoren kombiniert, und Wertschöpfung wird erbracht. Mit vor- und nachgelagerten Systemelementen gehen sie Wertschöpfungspartnerschaften ein. Der Output eines Partners ist dabei Input für den vertikal nachfolgenden Wertschöpfungspartner.110 Auf diese Art wird schrittweise, in aufeinander folgenden Stufen, der Leistung entlang der Wertschöpfungskette Wert hinzugefügt. Zur Beschreibung und Analyse der Netzwerkelemente bietet sich die Wertkette nach PORTER (siehe Kap. 2.1.3) an. BELLMANN111 merkt in diesem Zusammenhang an, dass die Zusammenarbeit zwischen den Netzwerkpartnern nicht nur im direkten Leistungserstellungsprozess erfolgt, sondern auch in vor- oder nachgelagerten Prozessen wie Logistik, Distribution oder Forschung und Entwicklung. Schlussendlich entsteht im Wertschöpfungssystem Wertschöpfungsnetzwerk eine kollektive Leistung, indem partnerschaftlich verteilte Transformationsprozesse der beteiligten Unternehmungen, welche weitgehend einer individuellen Kontrolle unterstehen, zusammengeführt werden. Die Elemente des Wertschöpfungssystems stehen auch mit Umfeldelementen oder Umsystemen (beispielsweise andere Kunden oder andere Wertschöpfungssysteme) in Verbindung. Sie können sogar selbst Teil eines weiteren Wertschöpfungsnetzwerkes, z. B. dem eines anderen Produktes oder einer anderen Dienstleistung, sein. Auch andere Anspruchsgruppen bzw. Stakeholder aus dem Umfeld beeinflussen mehr oder weniger stark die Systemelemente (= Unternehmungen) und das gesamte Netzwerk. Dies können Anrainer, die öffentliche Hand, konkurrierende Unternehmungen, konkurrierende Wertschöpfungsnetzwerke etc. sein.
110 111
Vgl. VON STENGEL, R.: Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 1999, S. 35 Vgl. BELLMANN, K.: Produktionsnetzwerke – ein theoretischer Bezugsrahmen, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 53f.
40
Wertschöpfungsnetzwerke
Abbildung 2.12: Auflösung eines Wertschöpfungsnetzwerkes
Werden die Grenzen der Elemente eines Wertschöpfungsnetzwerkes aufgelöst und die Wertschöpfungsaktivitäten betrachtet, die in diesen Elementen ausgeführt werden, so lässt sich eine Verbindung zwischen der in dieser Arbeit gewählten Sichtweise und der Sichtweise nach KLEMM herstellen (Abbildung 2.12). Im Fokus der Betrachtung stehen dann einzelne Wertschöpfungsaktivitäten bzw. Gruppen von Wertschöpfungsaktivitäten. KLEMM112 weist berechtigterweise darauf hin, dass bei einer derartigen Auflösung ein sehr hoher Detaillierungsgrad – bis hin zu den einzelnen Arbeitsschritten – möglich ist, was aber mit dementsprechendem Aufwand verbunden ist und deshalb stets in Abhängigkeit des verfolgten Zweckes zu sehen ist. Diese zweistufige Betrachtung kann aber durchaus zielführend sein, wenn bedacht wird, dass die Akteure in einem Wertschöpfungsnetzwerk (institutionell betrachtet) die Wertschöpfungsaktivitäten übernehmen und auf diese Einfluss nehmen.113 In einem weiteren Schritt könnten auch die Ressourcen, die für die Durchführung der Wertschöpfungsaktivitäten von den Unternehmungen aufgebracht werden, betrachten werden, womit die Betrachtungsebene von PIBERNIK erreicht wäre.
112 113
Vgl. KLEMM, W.: Wertschöpfungsnetzwerke international tätiger Unternehmen, München 1997, S. 87 Vgl. VON STENGEL, R.: Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 1999, S. 31f.
Wertschöpfungsnetzwerke
41
2.3.6 Spezielle Ausprägungen von Wertschöpfungsnetzwerken Auch für Wertschöpfungsnetzwerke sollen abschließend spezielle Ausprägungen angeführt werden. Eine klare Trennung zwischen den einzelnen Ausprägungsformen ist nicht immer möglich, vielmehr erfolgt eine Einteilung nach den Tätigkeiten, welche die betrachteten Wertschöpfungsnetzwerke in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stellen. Einige dieser Ausprägungsformen wurden schon im Zuge der Auflistung möglicher Typen von Unternehmungsnetzwerken (siehe Kapitel 2.2.4) kurz genannt. An dieser Stelle sollen sie präzisiert und in Zusammenhang mit Wertschöpfungsnetzwerken und deren Zielen gebracht werden. Dabei handelt es sich auch teilweise um eine Weiterentwicklung der in Kapitel 2.3.1 angeführten Wertschöpfungspartnerschaften zu Wertschöpfungsnetzwerken.
114 115
•
Entwicklungsnetzwerke: Schwerpunkt von Entwicklungsnetzwerken ist die Entwicklung von Produkten bzw. Dienstleistungen (siehe Kapitel 2.2.4). Dabei stehen Konzepte wie das Simultaneous Engineering und Arbeitsteilung im Vordergrund.
•
Produktionsnetzwerke: Produktionsnetzwerke stellen die gemeinsame Produktion von Gütern in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten und verfolgen dementsprechend (neben evtl. marketing- und ressourcenorientierten Zielen) hauptsächlich produktionsorientierte Ziele. Dabei ist keinesfalls die Optimierung des Material- und Informationsflusses zwischen den Produktionsstätten zu vernachlässigen.114 Hier steht der Prozess der Faktorkombination im Mittelpunkt des Interesses.
•
Logistiknetzwerke: Logistiknetzwerke verfolgen – neben evtl. marketing- und ressourcenorientierten sowie produktionsorientierten Zielen – vorrangig logistikorientierte Zielsetzungen und beabsichtigen auf diese Weise, einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Hauptaufgabe dabei ist die Organisation des Waren- und Informationsflusses zwischen den Netzwerkstandorten. BAUMGARTEN/DARKOW interpretieren Logistiknetzwerke als Überbegriff von Produktions-, Beschaffungs- und Distributionsnetzwerken.115 Logistiknetzwerke sollen hier jedoch als Weiterentwicklung von Produktionsnetzwerken verstanden werden, welche vornehmlich um Logistikaspekte ergänzt wurden.
Vgl. BAUMGARTEN, H.; DARKOW, I.-L: Gestaltung und Optimierung von Logistiknetzwerken, in: HOSSNER, R. (Hrsg.): Jahrbuch der Logistik 1999, Düsseldorf 1999, S. 146 Vgl. BAUMGARTEN, H.; DARKOW, I.-L: a. a. O., S. 146
42
Wertschöpfungsnetzwerke •
Zuliefernetzwerke: Zuliefernetzwerke sind vor allem in der Automobilindustrie stark ausgeprägt. Über eine pyramidenförmige Zulieferstruktur werden die OEMs von ausgewählten Lieferanten mit Modulen und Systemen beliefert. Diese Lieferanten gehen mit dem Abnehmer eine enge Partnerschaft ein. Hier spielen vor allem Produktion und Logistik neben der Qualitätssicherung und der Übernahme von Koordinationsaufgaben im Zuge der Zusammenarbeit eine wichtige Rolle, weiters werden auch Entwicklungstätigkeiten von den Netzwerkpartnern mit übernommen.116 Dies erfolgt jedoch hauptsächlich vor Serienanlauf des Produktes. Somit kann ein Entwicklungsnetzwerk gleichsam die Vorstufe zu einem Zuliefernetzwerk darstellen. Als Beispiel sei die Entwicklung und Fertigung des BMW X3 bei MAGNA STEYR in Graz genannt: Zu Beginn der Zusammenarbeit mit BWM, MAGNA STEYR und den weiteren Zulieferunternehmungen wurden in erster Linie Entwicklungstätigkeiten (Produkt und Prozess) im Netzwerk durchgeführt. Seit Beginn der Serienfertigung liegt der Schwerpunkt der Zusammenarbeit bei Produktion und Logistik.
•
Verwertungsnetzwerke: Die an einem Verwertungsnetzwerk beteiligten Unternehmungen versuchen, die in der eigenen Unternehmung nicht verwertbaren, aber nicht vermeidbaren Rückstände innerhalb des Netzwerkes an anderer Stelle als Rohstoffe im Rahmen der technischen Möglichkeiten einzusetzen. Neben ökologischen Gesichtspunkten – die zum Teil vom Gesetzgeber vorgegeben werden – stehen jedoch hauptsächlich wirtschaftliche Überlegungen im Mittelpunkt der Zusammenarbeit. 117
2.4 Zusammenfassung Die Ziele dieses Kapitels waren, ein klares Verständnis für den Begriff Wertschöpfungsnetzwerk zu schaffen und jene Grundlagen herauszuarbeiten, die damit in Zusammenhang stehen. Kapitel 2 stellt die Basis für die weiteren Ausführungen dieser Arbeit dar. Dazu wurde zunächst der Begriff Wertschöpfung präzisiert, weiters wurde auf Wertschöpfungsprozesse eingegangen. Anschließend wurde eine Differenzierung zwischen der Wertkette (nach PORTER) und dem Begriff Wertschöpfungskette vorgenommen: Die Wertkette gliedert eine Unternehmung in strategisch relevante Tätigkeiten und ist ein Instrument zur Analyse von Wettbewerbsvorteilen, wohinge116 117
Vgl. WILDEMANN, H.: Management von Produktions- und Zuliefernetzwerken, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 24 Vgl. SCHWARZ, E. J.: Industrielle Verwertungsnetze, in: BELLMANN, K.; HIPPE, A.: (Hrsg.) Management von Unternehmensnetzwerken – Interorganisationale Konzepte und praktische Umsetzung, Wiesbaden 1996, S. 358ff.
Wertschöpfungsnetzwerke
43
gen die Wertschöpfungskette die Abfolge an Wertschöpfungsstufen beschreibt, die zur Erstellung einer bestimmten Leistung zu erbringen sind. Im Anschluss daran wurden Unternehmungsnetzwerke als spezielle Form der zwischenbetrieblichen Kooperation vorgestellt. Dabei handelt es sich um die zeitlich unbefristete Zusammenarbeit von Unternehmungen, welche die gemeinsame Erstellung marktlich verwertbarer Leistungen verfolgen. Die Entstehungsgründe sowie die Kennzeichen dieser Form der Zusammenarbeit als spezielles Koordinationsmuster zwischen Markt und Hierarchie wurden hervorgehoben, ausgewählte Ausprägungen von Unternehmungsnetzwerken wurden vorgestellt sowie die verfolgten Ziele und Risiken beschrieben. Im nächsten Abschnitt wurde, beginnend mit Wertschöpfungspartnerschaften als Zusammenarbeit von zwei Unternehmungen entlang der Wertschöpfungskette, der Begriff Wertschöpfungsnetzwerk vorgestellt, dessen Kennzeichen herausgearbeitet sowie auf die Leistungserstellung in Wertschöpfungsnetzwerken eingegangen. Dabei wurde eine systemische Betrachtungsweise gewählt.
44
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
3 Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken Bevor ein Wertschöpfungsnetzwerk seinen Aufgaben nachkommen kann, ist es zunächst zu gestalten. Die Gestaltung ist eine wesentliche Aufgabe im Zuge des Managements eines Wertschöpfungsnetzwerkes, darum soll hier zuerst der Begriff Management präzisiert und auf Unternehmungsnetzwerke ausgedehnt werden. Anschließend werden diese Überlegungen auf Wertschöpfungsnetzwerke übertragen. Als die Dimensionen, die es bei der Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes zu beachten gilt, werden Strategie, Struktur und Kultur identifiziert. Darüber hinaus werden die Anforderungen, die im Zuge der Gestaltung zu erfüllen sind, erörtert. In weiterer Folge werden die Gestaltungsdimensionen näher betrachtet, beginnend mit den begrifflichen Grundlagen. Diese werden von der Einzelunternehmung ausgehend auf Unternehmungs- und Wertschöpfungsnetzwerke angewendet, woraus sich konkrete Hinweise für die Gestaltung von Strategie, Struktur und Kultur ableiten lassen.
3.1 Management von Unternehmungs- und Wertschöpfungsnetzwerken Bevor auf das Management von Unternehmungs- und Wertschöpfungsnetzwerken eingegangen wird, soll der Begriff Management skizziert werden. Grundsätzlich lassen sich die institutionale und die funktionale Sichtweise von Management unterscheiden.118 Während die institutionale Sichtweise jene Personen betrachtet, die in einer Organisation mit Anweisungsbefugnissen beauftragt sind, setzt sich die funktionale Sichtweise mit den Handlungen auseinander, die zur Steuerung und Sicherstellung des Leistungserstellungsprozesses in einer Organisation erforderlich sind. Für diese Arbeit ist die funktionale Sichtweise von Bedeutung – und der Begriff Management wird in diesem Sinn verwendet. Aus diesem Grund sollen hier die Funktionen und Ebenen des Managements näher erläutert werden.
118
Vgl. STEINMANN, H.; SCHREYÖGG, G.: Management – Grundlagen der Unternehmensführung, 5. Aufl., Wiesbaden 2000, S. 5ff.
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
45
3.1.1 Funktionen und Ebenen des Managements BLEICHER119 verfolgt in seinem Konzept Integriertes Management eine funktionale Betrachtung des Management-Begriffes. Unter „Integriertem Management“ werden Ansätze verstanden, die sich durch eine ganzheitliche Sicht des Unternehmungsgeschehens auszeichnen. Sie gehen davon aus, dass das Management zur Bewältigung seiner Aufgaben einen Bezugsrahmen benötigt, welcher auf systemische Weise die wachsende Komplexität und Dynamik der Aufgabenteilung berücksichtigt.120
Management
Gestaltung eines institutionellen Rahmens, der es ermöglicht, eine handlungsfähige Ganzheit über ihre Zweckerfüllung überlebens- und entwicklungsfähig zu erhalten.
Lenkung
Entwicklung
durch das Bestimmen von Zielen und das Festlegen, Auslösen und Kontrollieren von zielgerichteten Aktivitäten des Systems und seiner Elemente.
ist teils das Ergebnis von Gestaltungs- und Lenkungsprozessen im Zeitablauf, teils erfolgt sie in sozialen Systemen eigenständig evolutorisch durch intergeneratives Erlernen von Wissen, Können und Einstellungen.
Abbildung 3.1: Funktionen des Managements nach BLEICHER121
Aufgrund der systemischen Sichtweise bietet sich dieses Konzept für die vorliegende Arbeit an. BLEICHER unterscheidet die Funktionen Gestaltung, Lenkung und Entwicklung (Abbildung 3.1). Gemäß ULRICH/PROBST122 müssen diese Funktionen in einer Unternehmung erfüllt werden, falls diese als zweckgerichtete Institution in einer sich laufend verändernden Umwelt lebensfähig sein soll, und lassen sich wie folgt verstehen: •
119 120 121 122
Gestalten bedeutet, eine Institution zu schaffen und als handlungsfähiges, zweckgerichtetes Ganzes aufrechtzuerhalten. Dazu ist ein Rahmen festzulegen, der die Ausbildung von Entwicklungsfähigkeiten ermöglicht. Das Gestal-
Vgl. BLEICHER, K.: Das Konzept Integriertes Management, 5. Aufl., Frankfurt, New York 1999 Vgl. TSCHIRKY, H.: Konzept und Aufgaben des Integrierten Technologie-Managements, in: TSCHIRKY, H.; KORUNA, S. (Hrsg.): Technologie-Management, Zürich 1998, S. 212 BLEICHER, K.: a. a. O., S. 54 Vgl. ULRICH, H.; PROBST, G. J. B.: Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln, Bern, Stuttgart 1988, S. 259ff.
46
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken ten hat nun zur Aufgabe, bestimmte Personen und Gegenstände auszuwählen und diese zu Elementen eines Systems zu machen, das die angestrebten Eigenschaften der Lebensfähigkeit aufweist. Gestaltung als Managementfunktion bedeutet das gedankliche Entwerfen eines Modells einer Institution, wozu das Bestimmen der angestrebten Eigenschaften dieser notwendig ist. •
Lenkung umfasst das Bestimmen von Zielen und das Festlegen, Auslösen und Kontrollieren zielgerichteter Aktivitäten des Systems und seiner Elemente. Die Lenkung ist demnach eine Funktion, die im System erfüllt werden muss, damit dieses seine Zwecke durch konkrete Handlungen unter wechselnden Bedingungen zielgerichtet erfüllen kann.
•
Entwicklung ist zum einen das Ergebnis von Gestaltungs- und Lenkungsprozessen im Zeitablauf, zum anderen erfolgt sie in sozialen Systemen eigenständig evolutorisch durch integratives Erlernen von Wissen, Können und Einstellung. Im Vordergrund steht dabei das Weiterentwickeln der Organisation im Sinne des qualitativen Lernens oder des ständigen Verbesserns. Die Entwicklung hat die Fähigkeit zur Selbstentwicklung der Unternehmung zu fördern und die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Im Konzept Integriertes Management nach BLEICHER123 werden dazu drei Ebenen unterschieden (Abbildung 3.2), in denen diese Funktionen zur Anwendung kommen:
123
•
Normatives Management: Das normative Management befasst sich mit den generellen Zielen der Unternehmung, mit Normen, Prinzipien und Spielregeln. Diese stellen die Voraussetzung für die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung dar.
•
Strategisches Management: Im Zuge des strategischen Managements geht es um den Aufbau, die Pflege und die Nutzung von Erfolgspositionen und Erfolgspotenzialen, wofür der Einsatz von Ressourcen erforderlich ist. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Identifizierung und Erschließung von neuen Potenzialen.
•
Operatives Management: Das operative Management ist auf die Umsetzung der Vorgaben des normativen und strategischen Managements in entsprechende Prozesse gerichtet. Damit wird die Unternehmungsentwicklung gelenkt.
Vgl. BLEICHER, K.: Das Konzept Integriertes Management, 5. Aufl., Frankfurt, New York 1999, S. 74ff.
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
47
MANAGEMENTPHILOSOPHIE Vorgaben
NORMATIVES MANAGEMENT
UNTERNEHMUNGSVERFASSUNG
UNTERNEHMUNGSPOLITIK
UNTERNEHMUNGSKULTUR
Missionen
STRATEGISCHES MANAGEMENT ORGANISATIONSSTRUKTUREN
Programme
MANAGEMENTSYSTEME
PROBLEMVERHALTEN
OPERATIVES MANAGEMENT ORGANISATORISCHE PROZESSE DISPOSITIONSSYSTEME
Aufträge
STRUKTUREN
LEISTUNGS- UND KOOPERATIONSVERHALTEN
VERHALTEN AKTIVITÄTEN
INNERE UE
UNTERNEHMUNGSENTWICKLUNG ÄUSSERE UE INNERE UND ÄUSSERE UE
Abbildung 3.2: Konzept des Integrierten Managements nach BLEICHER124
3.1.2 Management von Unternehmungsnetzwerken Das Management von Unternehmungsnetzwerken ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die sich umso schwieriger gestaltet, je komplexer ein Unternehmungsnetzwerk ist.125 Ziel dieses Abschnitts ist es, die wesentlichen Grundlagen dazu aufzubereiten. In der einschlägigen Literatur wird theoretischen Ansätzen zur Erklärung der Entstehung von (Unternehmungs)Netzwerken, welche wesentliche Anhaltspunkte für das Management von Netzwerken beisteuern, viel Platz eingeräumt (für einen umfassenden Überblick siehe beispielsweise SYDOW126). Die größte Aufmerksamkeit im Schrifttum widerfährt dabei der Transaktionskostentheorie127 sowie dem Resource
124 125 126 127
BLEICHER, K.: Das Konzept Integriertes Management, 5. Aufl., Frankfurt, New York 1999, S. 82 Vgl. SYDOW, J.: Management von Netzwerkorganisationen – Zum Stand der Forschung, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 310 Vgl. SYDOW, J.: Strategische Netzwerke – Evolution und Organisation, S. 127-235 Vgl. COASE, R. H.: The Nature of the Firm, in: Economica Jg. 4 (1937) Nr. 11, S. 386-405 bzw. WILLIAMSON, O.: The Economic Institutions of Capitalism, 11. Aufl., New York 1985
48
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Dependence-Ansatz128. An dieser Stelle soll auf eine Diskussion dieser Ansätze jedoch verzichtet werden, für detaillierte Ausführungen sei auf die Literatur verwiesen. Von besonderem Interesse für die vorliegende Arbeit sind jedoch ressourcenorientierte Erklärungsansätze. Diese stammen aus dem strategischen Management und werden aufgrund ihrer Bedeutung für diese Arbeit in Abschnitt 3.2.2 sowie 3.2.3 aufgegriffen und ausführlicher erörtert. Als Basis für das Netzwerkmanagement kann das Kooperationsmanagement angesehen werden. Aus der Gegenüberstellung ausgewählter Phasenmodelle, welche versuchen, die Managementaufgaben im Verlaufe einer Kooperation zu strukturieren, leitet beispielsweise KRAEGE129 ein Fünf-Phasen-Schema (Strategische Initiierung, Partnersuche und -bewertung, Kooperationsentscheidung und -einrichtung, Implementierung und Realisierung, Weiterentwicklung oder Auflösung) eines Kooperationsmanagements ab. Dieses Schema muss nicht auf Kooperationen bestehend aus zwei Partnern beschränkt bleiben und kann somit auch für Netzwerke als spezielle Form der Kooperation angewendet werden. Die wesentlichen Aufgaben des Managements von Unternehmungsnetzwerken sind der Aufbau, die Erhaltung und die Pflege der Netzwerkbeziehungen und -strukturen und deren Koordination zur Nutzung von Synergien. Es kommt somit jenen Aufgaben nach, die zur Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen den Netzwerkunternehmungen aus sachlicher, zeitlicher und sozialer Sicht erforderlich sind; und zwar während der gesamten Dauer der Zusammenarbeit, von der Initiierung, Abwicklung bis hin zu einer etwaigen Beendigung der Kooperation.130 Ein besonderes Augenmerk hat das Netzwerkmanagement auf die Risiken dieser Organisationsform zu richten (siehe Kap. 2.2.6). Es kann einen wesentlichen Betrag dazu leisten, diese Risiken in Grenzen zu halten.131 Mit der partnerschaftlichen Kooperation von Unternehmungen wachsen auch die Probleme, mit denen das Mana-
128 129 130 131
Vgl. SYDOW, J.: Strategische Netzwerke – Evolution und Organisation, S. 196ff. oder auch HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 43 Vgl. KRAEGE, R.: Controlling strategischer Unternehmungskooperationen – Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering 1997, S. 84ff. Vgl. WILDEMANN, H.: Management von Produktions- und Zuliefernetzwerken, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 30 Vgl. SYDOW, J.: Management von Netzwerkorganisationen – Zum Stand der Forschung, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 307
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
49
gement konfrontiert wird. So ist ein Konsens unter Partnern zu finden, welche unter unterschiedlichen Bedingungen und Situationen zusammenkommen.132 Für die weiteren Überlegungen zum Management von Unternehmungsnetzwerken soll zunächst zwischen den Funktionen des Managements von Unternehmungsnetzwerken und des Managements der Leistungserstellung in Unternehmungsnetzwerken unterschieden werden. Eine ähnliche Differenzierung nimmt HESS133 vor, wenn er zwischen einer auftragsübergreifenden und einer auftragsbezogenen Ebene unterscheidet. Auf den Überlegungen von HESS aufbauend unterscheidet WOHLGEMUTH134 zwischen einer Beziehungsebene und einer Leistungsebene und spricht in diesem Zusammenhang von einer Zwei-Ebenen-Architektur eines Unternehmungsnetzwerkes. Diese beiden Ebenen sollen im Folgenden dargestellt werden, Abbildung 3.3 fasst die dabei verwendeten Begriffe zusammen. Analyse der Umwelt
Management des Unternehmungsnetzwerkes
Management der Leistungserstellung
Selektion
Allokation
Regulation
Evaluation
Auflösen
Akquirieren
Durchführen
Konfigurieren
Abbildung 3.3: Management in Unternehmungsnetzwerken135
132
133 134 135
Vgl. BLEICHER, K.: Der Strategie-, Struktur- und Kulturfit Strategischer Allianzen als Erfolgsfaktor, in: BRONDER, CH.; PRITZL, R. (Hrsg.): Wegweiser für Strategische Allianzen, Franfurt a. M., Wiesbaden 1992, S. 269 Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 18ff. Vgl. WOHLGEMUTH, O.: Management netzwerkartiger Kooperationen, Wiesbaden 2002, S. 18f. Vgl. HESS, Th.: Unternehmungsnetzwerke: Abgrenzung, Ausprägung und Entstehung, Arbeitspapiere der Abt. Wirtschaftsinformatik II, Universität Göttingen 4/1998, Göttingen, S. 20 sowie SYDOW, J.; WINDELER, A.: Über Netzwerke, virtuelle Integration und Interorganisationsbeziehungen, in: SYDOW, J.; WINDELER, A. (Hrsg.): Management interorganisationaler Beziehungen, Wiesbaden 1994, S. 4ff.
50
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Funktionen des Managements von Unternehmungsnetzwerken In das Zentrum des Managements interorganisationaler Netzwerke lassen sich nach SYDOW/WINDELER136 vier zentrale Funktionen stellen (Abbildung 3.4): •
Selektion von Netzwerkpartnern
•
Allokation von Aufgaben und Ressourcen
•
Regulation der Zusammenarbeit im Netzwerk
•
ökonomische Evaluation der Netzwerkunternehmungen, der Netzwerkbeziehungen oder des gesamten Unternehmungsnetzwerkes
Diese vier Managementfunktionen sind rekursiv miteinander verbunden. Die praktische Wahrnehmung einer Funktion führt zu speziellen Bedingungen für die anderen drei, deren konkrete Ausgestaltung wirkt wiederum auf die Wahrnehmung der einen Funktion zurück.
Selektion Wer und was soll ins (im) Netzwerk aufgenommen werden (verbleiben)?
Regulation Wie und worüber soll die Erledigung der Aufgaben aufeinander abgestimmt werden?
Managementpraktiken
Allokation Wie sollen die Aufgaben und Ressourcen im Netzwerk verteilt werden?
Evaluation Wie sollen Kosten und Nutzen im Netzwerkzusammenhang bestimmt und verteilt werden?
Abbildung 3.4: Funktionen des Managements interorganisationaler Netzwerke nach SYDOW/WINDELER137
136
137
Vgl. SYDOW, J.; WINDELER, A.: Über Netzwerke, virtuelle Integration und Interorganisationsbeziehungen, in: SYDOW, J.; WINDELER, A. (Hrsg.): Management interorganisationaler Beziehungen, Opladen 1994, S. 4ff. SYDOW, J.; WINDELER, A.: Komplexität und Reflexivität in Unternehmungsnetzwerken, in: AHLEMEYER, H. W.; KÖNIGSWIESER, R. (Hrsg.): Komplexität managen, Wiesbaden 1997, S. 151
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
51
Die Selektionsfunktion138 Entscheidend für den Erfolg eines Unternehmungsnetzwerkes ist die Wahl geeigneter Partner. Diese sollen hinsichtlich ihrer Kompetenzen und Absichten dazu geeignet sein, einen Beitrag zur Erfüllung der Netzwerkziele zu leisten. Entscheidend ist, dass die Ziele der Netzwerkunternehmungen kompatibel sind, ansonsten wird die Koordination im Netzwerk mitunter sehr aufwändig; es kann sogar zu einem Nichtzustandekommen oder zur Auflösung der Kooperation im Netzwerk kommen. Eine Aufgabe im Zuge der Selektion ist auch die Bestimmung des Arbeitsgebietes, in denen eine Leistung erbracht werden soll. Die Selektion ist nicht nur bei der Bildung eines Unternehmungsnetzwerkes durchzuführen, sie hat vielmehr im Zuge des Managements des Netzwerkes laufend stattzufinden. Dabei sind ungeeignete Netzwerkunternehmungen auszusortieren und bei Bedarf neue in das Netzwerk aufzunehmen. Bei der Selektion sollte auch im Zuge einer netzwerkbezogenen Personalwirtschaft auf die Auswahl geeigneter Personen geachtet werden, die dazu in der Lage sind, eine Art „Brücke” zwischen den Netzwerkunternehmungen zu bilden, was in weiterer Folge zu personellen Verflechtungen führen kann. Die Allokationsfunktion139 Im Rahmen der Allokation geht es hauptsächlich um die Verteilung von Ressourcen, Aufgaben und Zuständigkeiten – wie z. B. IuK-Technologien, Marketing oder Wissen – auf die einzelnen Unternehmungen des Netzwerkes. Diese Verteilung sollte gemäß den Kompetenzen bzw. Wettbewerbsvorteilen (siehe Wertkette von PORTER – Kostenvorteil oder Differenzierung) der jeweiligen Netzwerkunternehmung erfolgen und entweder im Zuge eines Verhandlungsprozesses oder im Rahmen eines mehr oder weniger abgeschwächten Wettbewerbes (Markt vs. Hierarchie) durchgeführt werden. Auch die Allokation erfolgt – wie die Selektion – nicht einmalig bei der Bildung des Netzwerkes, sondern kontinuierlich. Die erneute Allokation (Re-Allokation) von Ressourcen, Aufgaben und Zuständigkeiten bildet eine wesentliche Grundlage für die strategische Flexibilität von Unternehmungsnetzwerken.
138 139
Vgl. SYDOW, J.: Management von Netzwerkorganisationen – Zum Stand der Forschung, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 312f. Vgl. SYDOW, J.: a. a. O., S. 313f.
52
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Die Regulationsfunktion140 Im Zuge der Regulationsfunktion werden Regeln der Zusammenarbeit zwischen den Unternehmungen des Netzwerkes entwickelt und durchgesetzt. Dies wären beispielsweise •
vertragliche Vereinbarungen,
•
Regeln zur Konflikthandhabung oder die
•
Festlegung auf ein interorganisationales Informationssystem.
Gerade im Rahmen der Regulationsfunktion geht es darum, eine Balance zwischen Markt und Hierarchie zu finden und dahingehend Anreizsysteme zu entwickeln. Ein derartiges Anreizsystem sollte das Finden von Win-Win-Situationen belohnen und die in einem Netzwerk tätigen Mitarbeiter (Manager und operative Mitarbeiter) dazu anspornen, partnerschaftliche Beziehungen im Netzwerk aufzubauen und zu pflegen. Gleichzeitig muss es aber verhindern, dass Wissen hinsichtlich der Kernkompetenzen beliebig weitergegeben wird. Auch die Regeln der Zusammenarbeit dürfen nicht statisch sein, sie haben sich permanent weiterzuentwickeln. Gerade die Forderung nach Flexibilität von Unternehmungsnetzwerken verlangt nach ständigen Verhandlungen zwischen – und auch in – den Unternehmungen des Netzwerkes. Die Evaluationsfunktion141 Zentrale Fragestellungen der Evaluationsfunktion sind die Bestimmung und Verteilung von Kosten und Nutzen im Netzwerkzusammenhang. Sie umfasst das gesamte Netzwerk, einzelne bilaterale Beziehungen sowie den Beitrag der einzelnen Netzwerkunternehmungen zum Erfolg des gesamten Netzwerkes. Zusätzlich kann die Evaluation auch •
bestimmte Regeln der Zusammenarbeit,
•
die eingebrachten Ressourcen und
•
Verfahren der Selektion der Partner
enthalten.
140 141
Vgl. SYDOW, J.: Management von Netzwerkorganisationen – Zum Stand der Forschung, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 314f. Vgl. SYDOW, J.: a. a. O., S. 315
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken Grundprobleme Funktionen
53
Reproduktion der Interorganisationsbeziehung bezogen auf Domäne, Grenze, Polyzentralität und Spannungsverhältnisse
Selektion
• Bezugsquellenanalyse • Vergleich alternativer Distributionskanäle • Stärken/Schwächen-Analyse horizontaler Kooperationspartner • Redundanzbestimmung im Netzwerk •…
Regulation
• Vertragsgestaltung • Einrichtung interorganisationaler Gremien • überbetriebliches Projektmanagement • Gestaltung der Multiplexität der Beziehung • Festlegung von Abstimmungs- und Konfliktlösungsprozeduren • Regulierung unternehmungsübergreifender Feedback-Prozesse • Implementierung interorganisationaler Informationssysteme • Fremdregulierung selbstorganisierender Prozesse (insbesondere durch die Ausgestaltung spezieller Gratifikationsstrukturen) •…
Allokation
• Verteilung z. B. von Aufgaben, Wissen, Technik • Organisation von Unterstützungsleistungen (inkl. materielle Ressourcen) • Verteilung von Netzwerkerfolg/-slack •…
Evaluation
• Lieferantenbewertungsverfahren • betriebsübergreifende Durchlaufzeitenanalyse • netzwerkbezogene Kosten-/Nutzenrechnung • Wertkettenanalyse • Transaktionsrechnung •…
Abbildung 3.5: Funktionen, Grundprobleme und Instrumente des Managements interorganisationaler Beziehungen (SYDOW/WINDELER142)
Abbildung 3.5 zeigt eine Reihe von Instrumenten, die zur konkreten Wahrnehmung dieser vier zentralen Funktionen Verwendung finden können, wobei deren Anwendung mit speziellen Grundproblemen des Managements interorganisationaler Beziehungen konfrontiert wird, was die praktische Handhabung prägt:143
142
143
•
Festlegung der Domäne interorganisationaler Zusammenarbeit
•
Ziehung und Erhaltung der Grenzen organisationaler und interorganisationaler Systeme, obwohl infolge der Zusammenarbeit Organisationsgrenzen verwischen
•
Koordination eines prinzipiell polyzentrischen sozialen Systems
SYDOW, J.; WINDELER, A.: Über Netzwerke, virtuelle Integration und Interorganisationsbeziehungen, in: SYDOW, J.; WINDELER, A. (Hrsg.): Management interorganisationaler Beziehungen, Opladen 1997, S. 7 Vgl. SYDOW, J.; WINDELER, A.: a. a. O., S. 6
54
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken •
Bewältigung spezifisch ausgeprägter Spannungsverhältnisse (Differenzierung und Integration, Kooperation und Wettbewerb, Autonomie und Abhängigkeit, Vertrauen und Kontrolle)
Neben diesen vier zentralen Managementfunktionen findet sich in der Literatur noch die Analyse der Umwelt als weitere Aufgabe im Zuge des Managements von Kooperationen bzw. Netzwerken.144 Aufbauend auf Markt- und Wettbewerbsanalysen – anfänglich durchgeführt von der Unternehmung, die eine Kooperation initiiert – werden nach KRAEGE145 dabei die in einer Unternehmung vorhandenen bzw. entwickelbaren Potenziale den erforderlichen Ressourcen, Fähigkeiten und Erfolgspotenzialen gegenübergestellt. Das dabei ermittelte Defizit ist Ausgangspunkt für die Suche nach Partnerunternehmungen und bildet somit den Anstoß für die Selektionsfunktion im Sinne einer strategischen Initiierung der Netzwerkbildung. Management der Leistungserstellung Während sich das zuvor beschriebene Management des Unternehmungsnetzwerkes mit dem Aufbau des Netzwerkes und der Entwicklung der Zusammenarbeit befasst, liegt der Schwerpunkt im Zuge des Managements der Leistungserstellung bei der Modellierung des Leistungserstellungsprozesses. Hier kommt es darauf an, konkrete Aufträge auszuführen und damit die Potenziale des geschaffenen Netzwerkes zu nutzen. Dabei lässt sich ein geschlossener Managementprozess definieren, und die vier Managementaufgaben Akquisition, Konfiguration, Durchführung und Auflösung (Abbildung 3.3) können unterschieden werden:146
144
145 146
•
Akquisition: Im Rahmen der Akquisition werden – üblicherweise basierend auf mittels einer groben Konfiguration kalkulierten Angeboten – konkrete Aufträge für das Netzwerk gewonnen.
•
Konfiguration: Im Anschluss an die Akquisition ist das Netzwerk für die Auftragsdurchführung zu konfigurieren. Die erforderlichen Partner sind aus den
Vgl. HESS, Th.: Unternehmungsnetzwerke: Abgrenzung, Ausprägung und Entstehung, Arbeitspapiere der Abt. Wirtschaftsinformatik II, Universität Göttingen 4/1998, Göttingen, S. 19 und ähnlich KRAEGE, R.: Controlling strategischer Unternehmungskooperationen – Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering 1997, S. 86ff. Vgl. KRAEGE, R.: a. a. O., S. 89ff. Vgl. HESS, Th.: Unternehmungsnetzwerke: Abgrenzung, Ausprägung und Entstehung, Arbeitspapiere der Abt. Wirtschaftsinformatik II, Universität Göttingen 4/1998, Göttingen, S. 20ff., und HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 19ff.
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
55
Netzwerkunternehmungen auszuwählen, und der Leistungserstellungsprozess ist zu modellieren (Abbildung 3.6). •
Durchführung: Auf Basis der Konfiguration wird schließlich die Leistung gemäß des Auftrages erstellt, die einzelnen daran beteiligten Teilprozesse werden von den Netzwerkunternehmungen in eigener Verantwortung ausgeführt.
•
Auflösung: Ist der Auftrag abgearbeitet, wird die dafür geschaffene Konfiguration wieder aufgelöst.
Unternehmung D
Unternehmung C
Leistungserstellungsprozess
Unternehmung A
Unternehmung B
Abbildung 3.6: Gestaltung des Leistungserstellungsprozesses in Netzwerken147
3.1.3 Management von Wertschöpfungsnetzwerken Die Ausführungen über das Management von Unternehmungsnetzwerken allgemein im vorangegangenen Abschnitt sollen nun auf Wertschöpfungsnetzwerke angewendet werden und dabei um die speziellen Aspekte, die sich aus der in dieser Arbeit verwendeten Definition von Wertschöpfungsnetzwerken ergeben, ergänzt werden. Die Aufgaben des Managements von Wertschöpfungsnetzwerken sind – in Anlehnung an die Funktionen des Managements, siehe Kapitel 3.1.1 – die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung des Wertschöpfungssystems, welches dieses Netzwerk darstellt. Gestaltungsgegenstände sind gemäß VON STENGEL148 der Leistungser-
147 148
Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 19 Vgl. VON STENGEL, R.: Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 1999, S. 64
56
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
stellungsprozess und seine Aufteilung auf die einzelnen Netzwerkunternehmungen sowie die unternehmungsübergreifende Zusammenarbeit. Es bietet sich also auch hier eine Aufteilung der Ausführung in zwei Abschnitten mit unterschiedlichen Schwerpunkten an, welche auch in Verbindung zu den Ausführungen über die Auflösung eines Wertschöpfungsnetzwerkes in Kapitel 2.3.5 gebracht werden können (Abbildung 3.7): Das Management des Wertschöpfungsnetzwerkes befasst sich mit Wertschöpfungsnetzwerken, so wie in dieser Arbeit definiert, nämlich als Wertschöpfungssysteme, bestehend aus einzelnen Unternehmungen. Dazu gehört auch die Wertschöpfungskette der zu erstellenden Leistungen, da diese den Ausgangspunkt für die Bildung eines Wertschöpfungsnetzwerkes darstellt. Im Vordergrund des Managements des Wertschöpfungsprozesses stehen der Leistungserstellungsprozess und die in den Unternehmungen ausgeführten Wertschöpfungsaktivitäten. Analyse der Umwelt
Selektion
Allokation
Regulation
Evaluation
Auflösen
Akquirieren
Durchführen
Konfigurieren
Abbildung 3.7: Management von Wertschöpfungsnetzwerken
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
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Management des Wertschöpfungsnetzwerkes Die vier Funktionen des Managements interorganisationaler Beziehungen nach SYDOW/WINDELER lassen sich auch auf das Management des Wertschöpfungssystems Wertschöpfungsnetzwerk anwenden. Die primäre Aufgabe in diesem Zusammenhang ist dabei zunächst die Gestaltung des Wertschöpfungsnetzwerkes,149 welches in weiterer Folge zu lenken und zu entwickeln ist. Die einzelnen Elemente des Systems – die Unternehmungen – sind zunächst einmal auszuwählen (Selektion). Anschließend ist die Zusammenarbeit selbst zu gestalten. Ressourcen, Aufgaben und Zuständigkeiten sind zu verteilen, und Regeln der Zusammenarbeit sind zu vereinbaren (Allokation, Regulation). Schließlich ist noch der Nutzen zwischen den Netzwerkunternehmungen aufzuteilen (Evaluation). Das Ergebnis sollte ein entsprechendes Leistungspotenzial des gebildeten Wertschöpfungsnetzwerkes sein. Der Entscheidung, aus welchen Leistungseinheiten ein Netzwerk gebildet wird, liegt eine Analyse der Wertschöpfungskette jener Leistungen zugrunde, deren Erstellung geplant ist;150 auch wenn ein Wertschöpfungsnetzwerk gestaltet wird, bevor die Leistung vollständig definiert ist.151 Im Zuge der Netzwerkbildung schließen sich Unternehmungen zusammen, die wechselseitig von den Kernkompetenzen der anderen profitieren, und bündeln ihre Ressourcen, um in einem nächsten Schritt Leistungen zu erstellen.152 Dabei ist zu beachten, dass gerade bei Wertschöpfungsnetzwerken eine Ausrichtung des Leistungserstellungssystems auf den Markt und somit auf den Kunden erfolgt. Bei der Auseinandersetzung mit Netzwerken dürfen jedoch die von den beteiligten Netzwerkpartnern eingebrachten Kernkompetenzen nicht isoliert betrachtet werden. Deren Weiterentwicklung und Aufrechterhaltung hängt in hohem Maße davon ab, ob es dem Netzwerk auch gelingt, diese Kernkompetenzen entsprechen zu nutzen.153
149 150 151 152 153
Vgl. PIBERNIK, R.: Flexibilitätsplanung in Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 2001, S. 163 Vgl. BELLMANN, K.: Produktionsnetzwerke – ein theoretischer Bezugsrahmen, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 54 Vgl. VON STENGEL, R.: Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 1999, S. 34 Vgl. VON STENGEL, R.: a. a. O., S. 77f. Vgl. SYDOW, J. et al.: Organisation von Netzwerken – Strukturationstheoretische Analyse der Vermittlungspraxis in Versicherungsnetzwerken, Opladen 1995, S. 44
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BELLMANN154 führt diesbezüglich aus, dass bei den Netzwerkmitgliedern neben den Kernkompetenzen weitere Kompetenzen vorhanden sein müssen, welche die Vernetzung unterstützen, und spricht dabei von Komplementaritätskompetenzen. Dazu zählen beispielsweise Koordinations- und Kommunikationskompetenz sowie Logistikkompetenz. Bei der Auswahl der Partnerunternehmungen spielen – neben den eingebrachten Kompetenzen – auch langfristige Aspekte wie Lern- und Entwicklungspotenziale, Kundenorientierung oder die finanzielle Stabilität eine Rolle.155 Es ist nun Aufgabe des Netzwerkes, die individuellen Kernkompetenzen mit Hilfe der Komplementaritätskompetenzen zusammenzuführen. Nach BELLMANN156 entwickelt sich dabei aufgrund der Kompetenz- und Leistungsverflechtung eine hierarchische Struktur in der Wertschöpfung, wobei eine Netzwerkunternehmung die Führerschaft aufgrund umfassender Komplementaritätskompetenzen übernehmen wird. Management des Wertschöpfungsprozesses Nach Abschluss der Gestaltung des Wertschöpfungsnetzwerkes ist die Ausgestaltung des Leistungserstellungsprozesses vorzunehmen. War bei der Gestaltung des Wertschöpfungsnetzwerkes die zu erstellende Leistung noch nicht vollständig definiert, so sollte sie jetzt zur Gänze definiert werden. Dabei kommt es darauf an, die im Zuge der Gestaltung des Wertschöpfungsnetzwerkes geschaffenen Leistungspotenziale zu nutzen. Die von den an der Leistungserstellung beteiligten Partnern in das Netzwerk eingebrachten Wertschöpfungsaktivitäten treten in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die für die Auftragsdurchführung konkret erforderlichen Netzwerkunternehmungen sind auszuwählen, und der Leistungserstellungsprozess ist aus den beigesteuerten Wertschöpfungsaktivitäten zu konfigurieren. Dazu können die Überlegungen zum Management der Leistungserstellung in Netzwerken allgemein (Akquisition, Konfiguration, Durchführung und Auflösung) direkt auf Wertschöpfungsnetzwerke übertragen werden. Die am Leistungserstellungsprozess beteiligten Personen und technischen Einrichtungen bilden dann gleichsam ein Subsystem des Wertschöpfungsnetzwerkes. In diesem Subsystem läuft der Leistungserstellungsprozess ab. Da Wertschöpfungsnetzwerke in dieser Arbeit aus der organisationalen Perspektive betrachtet werden, soll das Management des in einem Wertschöpfungsnetzwerk ab154 155 156
Vgl. BELLMANN, K.: Produktionsnetzwerke – ein theoretischer Bezugsrahmen, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 54f. Vgl. WEBER, J.: Logistikkostenrechnung, 2. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York 2002, S. 21 Vgl. BELLMANN, K.: a. a. O., S. 55
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laufenden Wertschöpfungsprozesses nicht mehr näher ausgeführt werden. Der Schwerpunkt liegt vielmehr in der Gestaltung des Wertschöpfungsnetzwerkes als System, bestehend aus Unternehmungen. Aspekte aus dem Management des Wertschöpfungsprozesses fließen jedoch dann mit ein, wenn es darum geht, die Anforderungen an die Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes abzuleiten. Näheres dazu wird in Kap. 3.1.5 erörtert. Ebenen des Managements in Wertschöpfungsnetzwerken Um die Ausführungen über Management in Wertschöpfungsnetzwerken abzuschließen, soll kurz eine Verbindung zu den am Beginn dieses Abschnittes erläuterten Managementebenen sowie den Kenngrößen des Managements hergestellt werden. Das normative Management befasst sich neben den generellen Zielen einer Unternehmung mit den Normen, Prinzipien und Spielregeln, welche die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit einer Unternehmung gewährleisten sollen. Dies findet sich zum Teil in der Regulationsfunktion nach SYDOW/WINDELER, welche sich mit dem Entwickeln und Durchsetzen von Regeln der Zusammenarbeit befasst und auf diese Weise die Beziehungen im Netzwerk formt. Im Zuge des strategischen Managements werden strategische Erfolgspositionen und -potenziale aufgebaut, gepflegt und genutzt. Die Potenziale eines Netzwerkes ergeben sich nach HESS157 aus dem Partnerpool sowie durch aufeinander abgestimmte, auftragsübergreifende Aktionen. Dazu zählen beispielsweise der Aufbau einer gemeinsamen IuK-Infrastruktur oder die gemeinsame Ausbildung von Mitarbeitern. Ausschlaggebend für die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Netzwerkes ist schließlich die Qualität der Vernetzung der Kompetenzen, welche die Netzwerkpartner einbringen.158 Diesen Aufgaben würden die Selektionsfunktion sowie die Allokationsfunktion nach SYDOW/WINDELER entsprechen, welche die Auswahl geeigneter Netzwerkpartner und die Verteilung von Aufgaben, Zuständigkeiten und Ressourcen zum Inhalt haben. Aber auch die Regulationsfunktion kann zum Teil der strategischen Ebene zugeordnet werden, wenn man beachtet, dass sie beispielsweise auch die Festlegung auf ein interorganisationales Informationssystem umfasst.
157 158
Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 20 Vgl. BELLMANN, K.: Produktionsnetzwerke – ein theoretischer Bezugsrahmen, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 55
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Ebenso kann die Evaluationsfunktion prioritär zur strategischen Ebene gezählt werden, da diese gleichsam eine Erfolgskontrolle darstellt und auch die anderen Funktionen umfasst. Auch die Analyse der Umwelt kann der strategischen Ebene zugeordnet werden, da damit Defizite in den Erfolgspotenzialen herausgearbeitet werden sollen und eine strategische Initiierung des Netzwerkes erfolgt. Das operative Management hat nun die normativen und strategischen Vorgaben in Prozesse umzusetzen. Die Leistungserstellung im Zuge des Managements des Wertschöpfungsprozesses kann dieser Ebene zugeordnet werden – eine Zuordnung, die auch von HESS159 vorgenommen wird. In Zusammenhang mit dieser Arbeit, welche sich mit der Gestaltung des Wertschöpfungsnetzwerkes als System von Unternehmungen auseinandersetzt, sind prioritär die normative sowie die strategische Ebene von Bedeutung.
3.1.4 Dimensionen der Gestaltung von Netzwerken Die Koordination derartiger unternehmungsübergreifend ineinander verzahnter Leistungserstellungsprozesse wie in einem Wertschöpfungsnetzwerk erfordert einen erhöhten Führungsaufwand.160 Bezogen auf die Managementfunktion nach BLEICHER kann daraus abgeleitet werden, dass die Lenkung und Entwicklung eines Wertschöpfungsnetzwerks sehr anspruchsvoll ist. Demnach sollte bereits bei der Gestaltung eines derartigen Wertschöpfungssystems darauf Rücksicht genommen werden. Welche Dimensionen dabei besonders zu berücksichtigen sind, wird im folgenden Abschnitt erörtert. Nach KRAEGE161 ist ein wichtiges Kriterium für das Zustandekommen einer Kooperation, dass Strategie, Struktur und Kultur der Partnerunternehmung dies ermöglichen. BELLMANN162 wieder führt aus, dass Netzwerke durch die drei Elemente Strategie, Struktur und Kultur zusammengehalten werden.
159
160 161 162
Vgl. HESS, Th.: Unternehmungsnetzwerke: Abgrenzung, Ausprägung und Entstehung, Arbeitspapiere der Abt. Wirtschaftsinformatik II, Universität Göttingen 4/1998, Göttingen, S. 20, und HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 20 Vgl. VON STENGEL, R.: Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 1999, S. 41 Vgl. KRAEGE, R.: Controlling strategischer Unternehmungskooperationen – Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering 1997, S. 160 Vgl. BELLMANN, K.: Produktionsnetzwerke – ein theoretischer Bezugsrahmen, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 55f.
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
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Nach BLEICHER163 ergibt sich aus der Integration von Strategie, Struktur und Kultur eine komplexe Aufgabe im Zuge einer Partnerschaft von mehreren Unternehmungen. Dabei kommt es darauf an, verschiedene strategische Absichten, unterschiedliche Unternehmungsstrukturen und unterschiedliche Unternehmungskulturen miteinander zu vereinen. Unvereinbarkeiten bei den Strategien, Strukturen und Kulturen stellen in weiterer Folge potenzielle Konfliktfelder der Kooperation dar. Aus den obigen Ausführungen kann abgeleiten werden, dass Strategie, Struktur und Kultur einerseits unternehmungsübergreifend – also im Netzwerkzusammenhang – von großer Bedeutung für den Erfolg sind, dass aber anderseits auch Strategie, Struktur und Kultur der einzelnen Netzwerkpartner selbst harmonieren müssen. Diese drei Begriffe bilden demnach die drei wesentlichen Dimensionen im Zuge der Gestaltung von Unternehmungs- und Wertschöpfungsnetzwerken (Abbildung 3.8). BELLMANN164 bezeichnet diese auch als Meta-Elemente von Netzwerken. Welche Aspekte bei der Gestaltung der drei Dimensionen Strategie, Struktur und Kultur zu beachten sind sowie grundlegende Erläuterungen zu diesen drei Begriffen erfolgen in den Kapiteln 3.2 (Strategie), 3.3 (Struktur) sowie 3.4 (Kultur).
Strategie
Struktur
Kultur
Abbildung 3.8: Dimensionen der Gestaltung von Unternehmungs- und Wertschöpfungsnetzwerken
Zuvor soll noch kurz erörtert werden, welche Anforderungen an die Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes prinzipiell gestellt werden. Dabei sollen auch operative Aspekte beleuchtet werden, da diese vor allem für die Struktur von Wertschöpfungsnetzwerken von Bedeutung erscheinen. 163
164
Vgl. BLEICHER, K.: Der Strategie-, Struktur- und Kulturfit Strategischer Allianzen als Erfolgsfaktor, in: BRONDER, CH.; PRITZL, R. (Hrsg.): Wegweiser für Strategische Allianzen, Franfurt a. M., Wiesbaden 1992, S. 269ff. Vgl. BELLMANN, K.: Produktionsnetzwerke – ein theoretischer Bezugsrahmen, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 55
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3.1.5 Anforderungen an die Gestaltung Aus der Literatur zu Wertschöpfungsnetzwerken im Speziellen und zu Unternehmungsnetzwerken im Allgemeinen lässt sich eine Vielzahl an Anforderungen an die Gestaltung ableiten. Im folgenden Abschnitt soll ein Überblick darüber gegeben werden, wobei eine exakte Trennung zwischen Anforderungen an die Gestaltung des Netzwerkes selbst und an die Gestaltung des Leistungserstellungsprozesses nicht immer möglich ist und deswegen hier auch explizit nicht vorgenommen wird. Das einem Wertschöpfungsnetzwerk zugrunde liegende Wertschöpfungssystem ist nach PIBERNIK165 derart zu gestalten, dass es die Fähigkeit besitzt, auf sowohl systeminterne (beispielsweise produktionstechnische Störungen) als auch systemexterne Veränderungen (beispielsweise Wechselkursschwankungen) zielgerecht reagieren zu können. Diese Fähigkeit wird als Flexibilität bezeichnet. Nach WILDEMANN166 und der dort zitierten Literatur lassen sich drei Flexibilitätsdimensionen unterscheiden, die zu berücksichtigen sind:
165 166 167
•
Organisatorische Flexibilität: Diese strebt die Flexibilität in den beteiligten Netzwerkunternehmungen selbst an: Beabsichtigt wird eine hohe Lieferflexibilität der Netzwerkunternehmungen, sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht. 167
•
Interorganisatorische Flexibilität: Ein flexibles Netzwerk soll geschaffen werden, wobei die Beziehungen zwischen den Netzwerkmitgliedern im Mittelpunkt stehen. Diese sind so zu gestalten, dass eine gemeinsame Strategie und eine gemeinsame Problemsicht die Organisationskultur fördern, und dass die Fähigkeit, sich veränderten Wettbewerbssituationen anpassen zu können, unterstützt wird. Darüber hinaus sollte die Bürokratisierung minimiert werden. Lose und flexible Strukturen sollen Kreativität und gegenseitiges Lernen unterstützen.
•
Strategische Flexibilität: Diese hat eine modulare Ausgestaltung des Netzwerkes zum Ziel. Demnach soll es aus organisatorisch in sich geschlossenen, relativ lose gekoppelten Modulen – den Netzwerkpartnern – bestehen. Da-
Vgl. PIBERNIK, R.: Flexibilitätsplanung in Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 2001, S. 139 sowie S. 49 Vgl. WILDEMANN, H.: Management von Produktions- und Zuliefernetzwerken, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 39f. Vgl. SEMLINGER, K.: Effizienz und Autonomie in Zulieferungsnetzwerken – Zum strategischen Gehalt von Kooperationen, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 39
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durch kann schneller und effizienter auf die Anforderungen turbulenter Marktentwicklungen reagiert werden. Um die geforderte Flexibilität zu erreichen und mit gravierenden Änderungen in der Umwelt fertig zu werden, muss ein System allgemein über einige Teilsysteme verfügen, die ein gewisses Maß an Autonomie aufweisen.168 Unter Autonomie wird dabei die Wahrscheinlichkeit verstanden, mit der ein Systemelement (Individuum oder Organisation) die Trennung vom übergeordneten/umfassenderen System überleben könnte.169 Daraus lässt sich nun ableiten, dass zumindest einige Unternehmungen eines Wertschöpfungsnetzwerkes über einen bestimmten Grad an Autonomie verfügen und als eigenständige Unternehmungen wettbewerbsfähig sein sollten. Konkrete Anforderungen an die Strukturen und Prozesse im Wertschöpfungsnetzwerk stellt VON STENGEL170: Diese müssen sich am Kunden orientieren. In seinen weiteren Ausführungen werden die Anforderungen an die Gestaltung des Leistungserstellungsprozesses in Wertschöpfungsnetzwerken präzisiert:171
168
169 170 171 172
•
Flussorientierung der Leistungserstellung: Diese soll für eine Einhaltung der logistischen Ziele, nämlich die Versorgung mit dem richtigen Produkt im richtigen Zustand, zur richtigen Zeit sowie am richtigen Ort zu minimalen Kosten, sorgen.172 Dabei kommt vor allem dem unternehmungsübergreifenden Datenaustausch eine wichtige Rolle zu.
•
Wandelbarkeit der Leistungserstellungsstrukturen: Abhängig von der zu erstellenden Leistung kann es notwendig werden, die Leistungserstellungsstrukturen anzupassen, neue Partner zu integrieren und somit neues Wissen für das Netzwerk verfügbar zu machen. Auf diese Weise kann sich ein umfangreiches Netzwerk potenzieller Partner bilden.
•
Steigerung des Unternehmungswertes: Die Steigerung kann erfolgen, indem entweder die Rendite der Aktivitäten gesteigert wird, die Aktivitäten, die überdurchschnittlich gut beherrscht werden, ausgedehnt werden, oder das
Vgl. GOULDNER, A. W.: Reciprocity and Autonomy in Functional Theory, New York 1959, S. 261ff., zitiert in: SEMLINGER, K.: Effizienz und Autonomie in Zulieferungsnetzwerken – Zum strategischen Gehalt von Kooperationen, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 39 Vgl. GOULDNER, A. W.: a. a. O., S. 254 Vgl. VON STENGEL, R.: Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 1999, S. 88 Vgl. VON STENGEL, R.: a. a. O., S. 20ff. Vgl. PFOHL, H.-Ch.: Logistiksysteme – Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 5. Aufl., Berlin Heidelberg New York 1996, S. 12
64
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken dem Geschäft innewohnende Risiko und damit der vom Markt geforderte Risikozuschlag verringert wird.
WILDEMANN173 führt weiters an, dass eine möglichst geringe Anzahl an bilateralen Verbindungen im Netzwerk angestrebt werden sollte, da Schnittstellen immer die Gefahr eines Effizienzverlustes mit sich bringen und darüber hinaus die Koordinationskosten erhöhen. Auch sollte eine hohe Verfügbarkeit der erforderlichen Daten an jeder Stelle im Netzwerk gewährleistet sein.
3.2 Strategie als Ausgangspunkt der Gestaltung Im folgenden Abschnitt sollen der Strategiebegriff ausführlich erörtert und die grundsätzlichen Strategieansätze vorgestellt werden. Anschließend werden diese Überlegungen in Zusammenhang mit Netzwerken gebracht.
3.2.1 Zum Begriff Unternehmungsstrategie Der Ursprung des Begriffes „Strategie“ geht auf den militärischen Bereich zurück. Im alten Griechenland wurde das Wort „strategoi“ für einen General verwendet, Carl von CLAUSEWITZ verwendet den „Strategie“-Begriff in seinem Werk „Vom Kriege“ und versteht darunter die Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zweck des Krieges.174 MOLTKE präzisiert in diesem Zusammenhang den Strategiebegriff wie folgt: „Die Strategie ist die Fortbildung des ursprünglich leitenden Gedankens entsprechend den stets sich ändernden Verhältnissen.“175 In der Managementlehre versteht man unter einer Strategie „die grundsätzliche Umschreibung, Charakterisierung und/oder Kennzeichnung von Verfahrensweisen, mit denen sich eine Organisation gegenüber ihrem Umfeld zu behaupten versucht.“176 Sie muss dazu geeignet sein, die Vorgaben des normativen Managements zu konkretisieren und zielt auf die langfristige Entwicklung von strategischen Erfolgspositionen ab.177 Die Strategie soll Unternehmungen Antworten auf die Fragen geben, in welchen Geschäftsfeldern man in Zukunft tätig sein soll, wie der Wettbewerb in die-
173
174 175 176 177
Vgl. WILDEMANN, H.: Management von Produktions- und Zuliefernetzwerken, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 39 und WILDEMANN, H.: Koordination von Unternehmensnetzwerken, in: ZfB 67 (1997), H4, S. 419 Vgl. ABPLANALP, P. A.; LOMBRISER, R.: Unternehmensstrategie als kreativer Prozess, München 2000, S. 7f. MOLTKE, H. v.: Militärische Werke, Berlin 1892-1912, S. 292, zitiert in: HINTERHUBER, H. H.: Wettbewerbsstrategie, 2. Aufl., Berlin, New York 1990, S. 50 Gabler Wirtschaftslexikon, 14. Auflage auf CD-Rom, Wiesbaden 1997 Vgl. BLEICHER, K.: Das Konzept Integriertes Management, 5. Aufl., Frankfurt, New York 1999, S. 276ff.
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
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sen Geschäftsfeldern bestritten werden soll und was die längerfristige Erfolgsbasis ist.178 Ebenen der Strategieformulierung Eine Strategieformulierung findet auf zwei Ebenen statt: •
Die Gesamt- oder Unternehmungsstrategie auf Ebene der Gesamtunternehmung ist nach HINTERHUBER179 ein Portfolio von Kernkompetenzen, die eine oder mehrere strategische Geschäftseinheiten umfassen und die bestimmt, in welchen Märkten, Marktsegmenten oder Marktnischen die Unternehmung aus welchen Gründen tätig sein will. Weiters legt sie fest, wie die strategischen Geschäftseinheiten, die in diesen operieren, zu führen sind, damit eine langfristige Steigerung des Unternehmungswertes herbeigeführt werden kann.
•
Auf Ebene der strategischen Geschäftseinheiten wird dann mit der Wettbewerbsstrategie bestimmt, wie der Wettbewerb im jeweiligen Geschäftsfeld bestritten werden soll. Bei Unternehmungen mit mehreren strategischen Geschäftseinheiten kann dies zu unterschiedlichen Wettbewerbsstrategien führen.180
Komponenten einer Strategie Nach HINTERHUBER181 setzt sich eine Strategie aus vier Komponenten zusammen (Abbildung 3.9): •
178 179 180 181 182
Analyse der strategischen Ausgangsposition: Bei der Strategieformulierung wird mit einer Analyse der Ausgangssituation begonnen. Diese umfasst – gerichtet auf die interne Ressourcensituation – die Stärken und Schwächen einer Unternehmung bezüglich der einzelnen Geschäftseinheiten sowie die Chancen und Risiken, die sich aus der Umwelt ergeben. Dies betrifft jedoch nicht nur das nähere Geschäftsumfeld mit den Kunden und Mitbewerbern, sondern auch allgemeine Entwicklungen und Trends in der weiteren Umgebung (Politik, Wertewandel, technologische Entwicklung etc.).182
Vgl. STEINMANN, H.; SCHREYÖGG, G.: Management – Grundlagen der Unternehmensführung, 5. Aufl., Wiesbaden 2000, S. 152f. Vgl. HINTERHUBER, H. H. Strategische Unternehmungsführung, Teil I: Strategisches Denken, 6. Aufl., Berlin, New York 1996, S. 198 sowie S. 174ff. Vgl. STEINMANN, H.; SCHREYÖGG, G.: a. a. O., S. 154 Vgl. HINTERHUBER, H. H.: a. a. O., S. 19ff. Vgl. STEINMANN, H.; SCHREYÖGG, G.: a. a. O., S. 156
66
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken •
Zukünftige Stellung der Unternehmung als Ganzes sowie der strategischen Geschäftseinheiten in der Umwelt: Eine Unternehmung muss gegenseitig akzeptierbare Beziehungen mit ihren Stakeholdern (Kunden, Mitarbeitern, Kapitalgebern, Lieferanten, verbündeten Unternehmungen, Gesellschaft) einrichten und auf Dauer auch aufrechterhalten. So ist beispielsweise den ArbeitnehmerInnen ein sinnvoller Arbeitsplatz bei einer gerechten Entlohnung anzubieten, oder den Eigentümern ist die vereinbarte oder eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals in Aussicht zu stellen. Zukünftige Stellung der Unternehmung als Ganzes sowie der strategischen Geschäftseinheiten in der Umwelt
Analyse der strategischen Ausgangsposition
Strategie Konzentration auf die Kernkompetenzen und Zuteilung der Ressourcen an die strategischen Geschäftseinheiten
Festsetzung von Kriterien und Standards
Abbildung 3.9: Elemente einer Strategie (nach HINTERHUBER183)
183
•
Konzentration auf die Kernkompetenzen und Zuteilung der Ressourcen an die strategischen Geschäftseinheiten: Die Konzentration auf wenige Bereiche soll nach außen zur Schaffung dauerhafter Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz führen und nach innen Synergieeffekte fördern. Durch eine dementsprechende Zuteilung der Ressourcen an die strategischen Geschäftseinheiten sowie die Festlegung der wichtigsten Schritte sollen die Geschäftseinheiten und die Unternehmung als Ganzes in die gewünschte Richtung bewegt werden.
•
Festsetzung von Kriterien und Standards: Diese letzte Komponente der Strategie soll sicherstellen, dass der Erfolg der Strategie gemessen werden und den geplanten Zielerreichungsgraden gegenübergestellt werden kann.
Vgl. HINTERHUBER, H. H.: Strategische Unternehmungsführung, Teil I: Strategisches Denken, 6. Aufl., Berlin, New York 1996, S. 19ff.
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
67
3.2.2 Strategieansätze Grundsätzlich lassen sich marktorientierte Ansätze sowie ressourcenorientierte Ansätze unterscheiden, welche im Folgenden kurz beschrieben werden.184 Marktorientierte Ansätze Diese Ansätze sind extern orientiert und erklären den Erfolg anhand verschiedener Umweltmerkmale wie beispielsweise der Struktur einer Branche oder der Wettbewerbsintensität. So identifiziert PORTER185 in diesem Zusammenhang fünf Wettbewerbskräfte – Bedrohung durch neue Konkurrenten, Verhandlungsmacht der Abnehmer, Verhandlungsstärke der Lieferanten, Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste sowie Rivalität unter den bestehenden Unternehmungen – und leitet drei in sich geschlossene strategische Ansätze ab, um im Spannungsfeld dieser Wettbewerbskräfte bestehen zu können und andere Unternehmungen in der Branche zu übertreffen (Abbildung 3.10):
Branchenweit Beschränkung auf ein Segment
Strategisches Zielobjekt
Strategischer Vorteil Singularität aus der Sicht des Käufers
Kostenvorsprung
Differenzierung
Umfassende Kostenführerschaft
Konzentration auf Schwerpunkte
Abbildung 3.10: Die drei Strategietypen nach PORTER186
•
184 185 186
Strategie der umfassenden Kostenführerschaft: Diese Strategie besteht darin, durch eine Reihe von Maßnahmen einen umfassenden Kostenvorsprung in einer Branche zu erreichen (effiziente Produktionsanlagen, Ausnutzung erfahrungsbedingter Kostensenkungseffekte, niedrige Gemeinkosten,
Vgl. HOPFENBECK, W.: Allgemeine Betriebswirtschafts- und Managementlehre, 13. Aufl., Landsberg/Lech, 2000, S. 596ff. sowie die dort zitierte Literatur Vgl. PORTER, M. E.: Wettbewerbsstrategie – Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten, 10. Aufl., Frankfurt a. M., New York 1999, S. 33ff. sowie S. 71ff. PORTER, M. E.: a. a. O., S. 75
68
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken Kostenminimierung in Bereichen wie Service, Werbung etc.). Bereiche wie Qualität, Service und andere dürfen dabei jedoch nicht vernachlässigt werden. Niedrige Kosten – im Vergleich zu den Konkurrenten – werden zum zentralen Element der Strategie und ermöglichen auch dann noch Gewinne, wenn diese bei den Konkurrenten durch etwaige Rivalität bereits weggefallen sind. Weiters schützen diese niedrigen Kosten auch vor mächtigen Abnehmern sowie vor mächtigen Lieferanten. •
Strategie der Differenzierung: Ziel dieser Strategie ist es, die Leistungen gegenüber den Mitbewerbern so zu differenzieren, dass etwas in der Branche Einzigartiges geschaffen wird, beispielsweise durch das Design, die Technologie, den Kundendienst etc., wodurch sich die Unternehmung von den restlichen abhebt und für den Kunden attraktiv wird. Das schirmt gegen den Wettbewerb ab und verringert die Preisempfindlichkeit. Die Differenzierung ermöglicht höhere Ertragsspannen, was den Umgang mit Zulieferern und mächtigen Abnehmern erleichtert. Mit ihr ist häufig auch ein Hauch von „Exklusivität“ verbunden, und sie kann eventuell einen hohen Marktanteil ausschließen.
•
Strategie der Konzentration auf Schwerpunkte: Bei dieser Strategie werden die Aktivitäten auf Marktnischen (bestimmte Abnehmergruppen, Teile des Produktprogramms, bestimmte geografische Regionen) konzentriert. Dadurch geht man bewusst einem branchenweiten Wettbewerb aus dem Weg. Auch diese Strategie kann zu überdurchschnittlichen Erträgen in der jeweiligen Branche führen, entweder aufgrund eines Kostenvorteils oder eines hohen Differenzierungsgrades. Auch eine Kombination von beidem ist denkbar.
Ressourcenorientierte Ansätze Ressourcenorientierte Ansätze setzen in der Unternehmung selbst an und gehen davon aus, dass der dauerhafte Erfolg einer Unternehmung auf strategische Ressourcenvorteile im Vergleich zur Konkurrenz zurückzuführen ist (siehe Abbildung 3.11). Die Ressourcen einer Unternehmung lassen sich wie folgt klassifizieren:187 •
187
Physische Ressourcen: (z. B. Anlagen, Ausstattung, Zugang zu Rohstoffen): Diese sind kapazitätsmäßig nur begrenzt vorhanden, nutzen sich bei Gebrauch ab und sind unterschiedlich flexibel.
Vgl. BAMBERGER, I.; WRONA, Th.: Der Ressourcenansatz im Rahmen des strategischen Managements, in: WiSt 8/1996, S. 386f.
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
69
•
Intangible Ressourcen: Dazu gehören beispielsweise Patente, Marken, der Firmenruf oder das Wissen der Mitarbeiter. „Intangibles“ sind kapazitätsmäßig kaum beschränkt und nutzen sich auch weniger ab. So kann ein Mitarbeiter sein Wissen beispielsweise vielfach einsetzen.
•
Finanzielle Ressourcen: Finanzielle Ressourcen wie beispielsweise freie Liquidität oder nicht ausgeschöpftes Fremdkapital sind begrenzt vorhanden und gehen nach Gebrauch sofort unter. Sie sind jedoch relativ flexibel einsetzbar.
•
Organisationale Ressourcen: Darunter sind die Managementsysteme einer Unternehmung zu verstehen, wie z. B. das Informationssystem, das Planungsund Kontrollsystem, aber auch die Unternehmungskultur und die Unternehmungsstruktur. Diese sind begrenzt vorhanden, nutzen sich bei Gebrauch nicht ab und sind relativ flexibel einsetzbar. Physische Ressourcen
Intangible Ressourcen • • • •
Finanzielle Ressourcen
Organisationale Ressourcen
Geringe Abnutzbarkeit Schlechte Transferierbarkeit Schwere Imitierbarkeit Schwere Substituierbarkeit
Nachhaltiger Wettbewerbsvorteil Abbildung 3.11: Der Ressourcenansatz188
Die Nachhaltigkeit der aus den Ressourcen abgeleiteten Wettbewerbsvorteile ergibt sich nun aus deren Abnutzbarkeit, Transferierbarkeit, Imitierbarkeit sowie Substituierbarkeit:189
188 189
•
Abnutzbarkeit: Je geringer die Abnutzbarkeit einer Ressource, desto dauerhafter sind daraus abgeleitete Wettbewerbsvorteile.
•
Transferierbarkeit: Wettbewerbsvorteile aufgrund von leicht transferierbaren Ressourcen – beispielsweise Ressourcen, die auf Faktormärkten erworben werden können, – sind offensichtlich nur von kurzer Dauer.
Vgl. BAMBERGER, I.; WRONA, Th.: Der Ressourcenansatz im Rahmen des strategischen Managements, in: WiSt 8/1996, S. 386ff. Vgl. BAMBERGER, I.; WRONA, Th.: a. a. O., S. 387f.
70
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken •
Imitierbarkeit: Wettbewerbsvorteile basierend auf Ressourcen, welche nur schwer imitierbar sind – aufgrund eines Patentes beispielsweise – sind als dauerhafter anzusehen.
•
Substituierbarkeit: Können wettbewerbsrelevante Ressourcen nicht erworben oder imitiert werden, besteht noch die Möglichkeit, den Wettbewerbsvorteil durch deren Substituierung nachzuahmen. Für dauerhafte Wettbewerbsvorteile ist es demnach vorteilhaft, wenn die zugrunde liegenden Ressourcen nicht oder nur sehr schwer substituierbar sind.
Das Kernkompetenz-Konzept Eine Weiterentwicklung hat der ressourcenorientierte Ansatz durch das Kernkompetenz-Konzept erfahren. Durch die Konzentration auf wesentliche Kernkompetenzen soll eine signifikant bessere Kosten- und Qualitätsposition erreicht werden.190
Laserkopierer Farbkopierer Farblaserkopierer
Einfachpapierkopierer
Batteriekopierer
Geschäftseinheit Kopierer Geschäftseinheit Video
Geschäftseinheit Drucker Kernprodukt Kopierer
Kernkompetenz Mikroelektronik
Kernkompetenz Genaue Optik
Kernprodukt Kamera
Kernkompetenz Genaue Feinmechanik
Abbildung 3.12: Der Kernkompetenz-Baum191
Ein diversifizierter Konzern lässt sich in diesem Konzept als Baum illustrieren (Abbildung 3.12). Die Wurzeln als Geflecht einzelner Kompetenzen stellen gleichsam die Kernkompetenz dar, sie sollen ein stabiles Fundament bilden. Der Stamm und
190 191
Vgl. HOPFENBECK, W.: Allgemeine Betriebswirtschafts- und Managementlehre, 13. Aufl., Landsberg/Lech 2000, S. 736f. Vgl. GELBMANN, U.; LEITNER, W.; RITSCH, K. et al.: Innovationsleitfaden – Der Weg zu neuen Produkten, Graz 2003, S. 28; in Anlehnung an: PRAHALAD, C. K.; HAMEL, G.: Nur Kernkompetenzen sichern das Überleben, in: HarvardManager, 2/1991, S. 68ff.
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die dicken Äste symbolisieren die Kernprodukte, welche aus der Kernkompetenz abgeleitet werden können. Die dünneren Zweige sind die einzelnen Geschäftseinheiten und die Blätter und Früchte schließlich die Endprodukte. Ein derartig aufgebauter Konzern kann sowohl mit seinen Endprodukten als auch mit seinen Kernprodukten auf einem Markt präsent sein. Bisweilen kann der Marktanteil bei den Kernprodukten sogar wesentlich höher sein als bei den Endprodukten.192 Nach HAMEL/PRAHALAD193 geht es nun im Wesentlichen darum, langfristig schneller und billiger als der Wettbewerb jene Kompetenzen aufzubauen, aus denen dann überraschende Produkte resultieren können. Ein strategischer Vorteil kann demnach dann erreicht werden, wenn es gelingt, Technologien und Produktionsfertigkeiten (konzernweit) zu Kernkompetenzen zu bündeln. Dadurch werden die Geschäftseinheiten stark genug, um auf Chancen, welche der Markt bietet, reagieren zu können.
3.2.3 Strategie und Wertschöpfungsnetzwerke Prinzipiell kann angenommen werden, dass die Ausführungen zum Strategiebegriff sowie zu den Strategieansätzen auch für Unternehmungsnetzwerke im Allgemeinen und für Wertschöpfungsnetzwerke – als spezielle Ausprägung von Unternehmungsnetzwerken – im Speziellen Gültigkeit haben. So führen HAMEL und PRAHALAD194 beispielsweise aus, dass ein wichtiger Aspekt im Zuge des Aufbaus von Kernkompetenzen auch die Suche nach geeigneten Kooperationspartnern ist, wodurch in der eigenen Unternehmung fehlende Teilbereiche abgedeckt werden können. Dabei spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle. Der Zusammenhang zwischen dem Erzielen eines strategischen Vorteils aufgrund von Differenzierung bzw. herausragender Kostenposition nach PORTER wird beispielsweise von RUPPRECHT-DÄULLARY195 dargestellt. Demnach können Effekte wie Kostensenkungen, Zeitverkürzungen, Qualitätsverbesserungen, Flexibilitätserhöhungen, Steigerungen der Innovationsfähigkeit, Verbesserung der Wettbewerbsposition allgemein sowie generelle branchenweite Belebungen, welche sich durch zwischenbetriebliche Kooperationen erzielen lassen, sowohl Wettbewerbsvorteile aufgrund einer Kostenführerschaft als auch einer Differenzierung hervorbringen.
192 193 194 195
Vgl. PRAHALAD, C. K.; HAMEL, G.: Nur Kernkompetenzen sichern das Überleben, in: HarvardManager, 2/1991, S. 73ff. Vgl. PRAHALAD, C. K.; HAMEL, G.: a. a. O., S. 69 Vgl. PRAHALAD, C. K.; HAMEL, G.: a. a. O., S. 71 Vgl. RUPPRECHT-DÄULLARY, M.: Zwischenbetriebliche Kooperation, Wiesbaden 1994, S. 91ff.
72
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Soll eine Kooperationsstrategie nun dazu dienen, sich eine Verbesserung der Wettbewerbsposition zu verschaffen, identifizieren PORTER/FULLER196 folgende strategischen Vorteile dieser: •
Erzielung von Skalenvorteilen und Voranschreiten auf der Lernkurve
•
Zugriff auf Technologie und Know-how des Kooperationspartners
•
Verringerung des unternehmerischen Risikos
•
Einflussnahme auf die Wettbewerbsstruktur
Die Strategie spielt jedoch bereits eine Rolle, bevor es zur Bildung eines Netzwerkes kommt. So kann beispielsweise der Entschluss, ein Unternehmungsnetzwerk zu formen, das Resultat einer gewählten Strategie sein. Die Strategie wird damit zum Ausgangspunkt für die Bildung eines Netzwerkes:197 „Auslöser für das Eingehen derartiger zwischenbetrieblicher Zusammenarbeitsverhältnisse ist fast immer die Erkenntnis, dass auf diesem Weg strategische Möglichkeiten jenseits der eigenen Möglichkeiten erschlossen werden können.“198 Dies gilt beispielsweise dann, wenn aufgrund der eingeschlagenen Strategie notwendige Ressourcen und Fähigkeiten in der eigenen Unternehmung nicht vorhanden sind und über den Weg der Kooperation erworben oder aufgebaut werden müssen, um auf diese Weise die eigene Ressourcenbasis zu verbessern.199 Aus einer marktorientierten Perspektive betrachtet können Kooperationen gezielt dazu eingesetzt werden, eine Internationalisierungsstrategie abzusichern und abzustützen, indem beispielsweise über die Kooperationspartner der Marktzugang erleichtert wird oder Handelshindernisse überwunden werden können.200 Weiters ist denkbar, dass eine geplante Strategie, das Produktprogramm auszuweiten, nur mit Kooperationspartnern verwirklicht werden kann.201
196
197
198 199 200 201
Vgl. PORTER, M. E.; FULLER, M. B.: Coalitions and Global Strategy, in: PORTER, M. E. (Hrsg.): Competition in Global Industries, Boston 1986, S. 315-343, zitiert in: BALLING, R.: Kooperation, Frankfurt a. M., 2. Aufl., 1998 Vgl. SEMLINGER, K.: Effizienz und Autonomie in Zulieferungsnetzwerken – Zum strategischen Gehalt von Kooperationen, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 33ff. Vgl. BLEICHER, K.: Das Konzept Integriertes Management, 5. Aufl., Frankfurt, New York 1999, S. 545f. Vgl. KLEIN, St.: Interorganisationssysteme und Unternehmensnetzwerke, Wiesbaden 1996, S. 28 Vgl. KLEIN, St.: a. a. O., S. 27 BLEICHER, K.: Der Strategie-, Struktur- und Kulturfit Strategischer Allianzen als Erfolgsfaktor, in: BRONDER, CH.; PRITZL, R. (Hrsg.): Wegweiser für Strategische Allianzen, Franfurt a. M., Wiesbaden 1992, S. 272
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
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SEMLINGER202 wiederum führt diesbezüglich aus, dass auch aus dem Bestreben, die Strategie der Kostenführerschaft mit der Strategie der Differenzierung zu verbinden und in weiterer Folge Effizienz und Flexibilitätsziele in der Produktion gleichermaßen zu verwirklichen, die Strategie resultieren kann, ein Unternehmungsnetzwerk zu konstituieren. Beschäftigt man sich in weiterer Folge mit Überlegungen zur Strategie in Zusammenhang mit Netzwerken, so gilt es nun, Strategien nicht mehr nur auf Ebene der Einzelunternehmung, Geschäftsfelder oder Funktionsbereiche zu entwickeln und zu implementieren. Vielmehr ist die Formulierung und in weiterer Folge dann Implementierung kollektiver Unternehmungsstrategien erforderlich.203 Hinzu kommt, dass sich jede der beteiligten Netzwerkunternehmungen im Netzwerk strategisch zu positionieren hat. Gemäß SYDOW204 ist die Bildung einer kollektiven Strategie stets das Ergebnis kollektiver Handlungen. Aber auch bei einer sehr ungleichmäßigen Machtverteilung im Netzwerk kann eine Unternehmung, welche das Netzwerk strategisch führt – beispielsweise die fokale Unternehmung in einem hierarchisch-pyramidelen Netzwerk – den übrigen Netzwerkpartnern keine Strategie vollends aufzwingen. Nach SYDOW bleibt der Einfluss in Strategiefragen zumindest so stark wie der Einfluss von Tochtergesellschaften auf die Mutterunternehmung in multinationalen Konzernen. Die strategische Führerschaft könnte aber auch von einer „Netzwerkkoordinierungsunternehmung“ übernommen werden.205 Dies scheint sich jedoch eher bei polyzentrischen Netzwerken mit einer annähernd gleichmäßigen Machtverteilung anzubieten, wenn es nicht ohnehin notwendig ist, um eine konsequente Ausrichtung auf gemeinsame Ziele zu gewährleisten. So verwenden GERPOTT/BÖHM206 den Begriff „Integrator“ für Unternehmungen, die strategische Managementkompetenz in virtuellen Unternehmungen übernehmen und die strategischen Ziele festlegen, strategische Analysen durchführen, Strategiealter-
202
203 204 205
206
Vgl. SEMLINGER, K.: Effizienz und Autonomie in Zulieferungsnetzwerken – Zum strategischen Gehalt von Kooperationen, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 33ff. Vgl. SYDOW, J.: Management von Netzwerkorganisationen – Zum Stand der Forschung, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 310 Vgl. SYDOW, J.: Strategische Netzwerke – Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992, S. 270f. Vgl. SCHWARZ, E. J.: Industrielle Verwertungsnetze, in: BELLMANN, K.; HIPPE, A.: (Hrsg.) Management von Unternehmensnetzwerken – Interorganisationale Konzepte und praktische Umsetzung, Wiesbaden 1996, S. 360 Vgl. GERPOTT, T. J.; BÖHM, S.: Strategisches Management in Virtuellen Unternehmen, in: ZfB Ergänzungsheft 2/2000, S. 21ff.
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Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
nativen bewerten, Strategien implementieren und schließlich Kontrollaufgaben wahrnehmen. Neben einer kollektiven Unternehmungsstrategie – für welche durchaus der Begriff Netzwerkstrategie verwendet werden kann – ist aber auch von Bedeutung, dass ebenfalls die individuellen Strategien der Netzwerkunternehmungen – welche ja rechtlich und wirtschaftlich selbständig sind und zunächst ihre eigenen Ziele verfolgen – vereinbar sind. Für die konzeptionelle Vereinbarkeit der strategischen Aktivitäten mehrerer Unternehmungen findet der Begriff „Strategie-Fit“ Verwendung.207 Die Strategien müssen jedoch nicht deckungsgleich sein, es kommt primär darauf an, dass sie miteinander vereinbar sind. Bei deckungsgleichen markt- oder produktspezifischen Strategien besteht eine höhere Gefahr, dass sich die Unternehmungen im Netzwerk später konkurrieren.208 SYDOW209 schließt Wettbewerb in Netzwerken jedoch nicht aus, da die kooperierenden Unternehmungen in Funktionsbereichen, die nicht die Zusammenarbeit im Netzwerk betreffen, weiterhin in Wettbewerb stehen können. Nach HESS210 führt ein netzwerkinterner Wettbewerb zu einer Erhöhung des Leistungsniveaus. BLEICHER211 führt aus, dass Unvereinbarkeiten bei der Strategie – das gleiche gilt auch für Struktur und Kultur, dazu aber mehr in den nachfolgenden Abschnitten – mögliche Konfliktfelder der Zusammenarbeit in Kooperationen darstellen, und verweist auf die Bedeutung einer Strategieharmonisierung, was insbesondere für strategische Partnerschaften wie strategische Allianzen gilt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die beteiligten Unternehmungen ihre kritischen strategischen Ressourcen, welche Sie in die Kooperation einbringen, zunächst auch weiterhin unter Kontrolle behalten. Würde ein Partner seinen strategischen Vorteil sehr schnell Preis geben, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten, könnte er rasch das Interesse an der Zusammenarbeit verlieren.
207 208 209 210 211
Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 14. Auflage auf CD-Rom, Wiesbaden 1997 Vgl. KRAEGE, R.: Controlling strategischer Unternehmungskooperationen – Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering 1997, S. 165 Vgl. SYDOW, J.: Strategische Netzwerke – Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992, S. 94 Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 261f. Vgl. BLEICHER, K.: Der Strategie-, Struktur- und Kulturfit Strategischer Allianzen als Erfolgsfaktor, in: BRONDER, CH.; PRITZL, R. (Hrsg.): Wegweiser für Strategische Allianzen, Franfurt a. M., Wiesbaden 1992, S. 269
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
75
3.3 Organisationsstruktur 3.3.1 Der Begriff Organisation Bevor auf die Begriffe Struktur und anschließend Kultur eingegangen wird, soll noch der Organisationsbegriff näher erläutert werden, da dieser gleichsam eine Klammer über diese beiden Begriffe bildet. Nach GROCHLA212 können zwei unterschiedliche Verständnisse des Begriffs Organisation unterschieden werden (Abbildung 3.13): zum einen der instrumentelle Organisationsbegriff – die Tätigkeit des Organisierens –, zum anderen der institutionelle Organisationsbegriff – das Ergebnis dieser Tätigkeit, also das entstandene Gebilde. Organisationsbegriffe
Instrumenteller Organisationsbegriff Funktionaler Organisationsbegriff
Institutioneller Organisationsbegriff
Konfigurativer Organisationsbegriff
Abbildung 3.13: Organisationsbegriffe213
Instrumenteller Organisationsbegriff Innerhalb des instrumentellen Begriffsverständnisses können nach SCHREYÖGG214 und der dort zitierten Literatur das funktionale und das konfigurative Konzept unterschieden werden (siehe Abbildung 3.13):
212 213 214
•
Funktionaler Organisationsbegriff: Dieser versteht Organisation als Aufgabe der Unternehmungsführung, die wahrzunehmen ist, damit die Zweckerfüllung der Organisation gewährleistet werden kann.
•
Konfigurativer Organisationsbegriff: Hier wird Organisation als eine dauerhafte Strukturierung von Arbeitsprozessen (Konfiguration) gesehen. Diese entsteht, indem die zu erfüllende Aufgabe einer Organisation in Teil- und Elementaraufgaben zerlegt und zu einer zweckmäßigen Gestalt zusammengesetzt wird.
Vgl. GROCHLA, E.: Grundlagen der organisatorischen Gestaltung, Stuttgart 1982, S. 1 Vgl. GROCHLA, E.: a. a. O., S. 3 sowie SCHREYÖGG, G.: Organisation, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 4ff. Vgl. SCHREYÖGG, G.: Organisation, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 5ff.
76
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Institutioneller Organisationsbegriff Der institutionelle Organisationsbegriff rückt das gesamte System – die Institution – in den Blickpunkt und ist durch drei Elemente gekennzeichnet (SCHREYÖGG215): •
Spezifische Zweckorientierung: Organisationen sind auf spezifische Zwecke ausgerichtet.
•
Geregelte Arbeitsteilung: Um den Organisationszweck effizient zu erreichen, ist die (Gesamt-)Aufgabe zu teilen und zu koordinieren, eine Organisationsstruktur entsteht.
•
Beständige Grenzen: Organisationen haben Grenzen, welche bewusst hergestellt sind und es ermöglichen, zwischen einer Innen- und einer Außenwelt zu unterscheiden.
Der institutionelle Organisationsbegriff bezieht sich nicht nur auf die formelle Ordnung, wie die instrumentelle Sichtweise, sondern betrachtet auch ungeplante Prozesse, Funktionalitäten und Dysfunktionalitäten, die Entstehung und die Veränderung von Strukturen sowie die Ziele und ihre Widersprüche. Eine Organisation ist demnach mehr als nur eine Menge formeller Regeln.216 Neben einer formellen Organisation existiert auch noch eine informelle Organisation, welche erstere sogar stützt, indem sie ihre Schwächen kompensiert und sie flexibler macht als sie nach ihrem formellen Regelwerk eigentlich wäre.217 Diesen informellen Strukturen bzw. Regelungen wird eine hohe Bedeutung beigemessen, und sie werden nach STAERKLE218 maßgeblich durch Verhaltensnormen und Werthaltungen bestimmt, also durch die Organisationskultur. TUPPINGER219 leitet daraus ab, dass einerseits die (formelle) Organisationsstruktur derart zu gestalten ist, dass genügend Freiräume für die Entstehung informeller Strukturen gegeben sind und andererseits eine Organisationskultur angestrebt werden soll, welche die Entstehung dieser informellen Organisation fordert und fördert.
215 216 217 218
219
Vgl. SCHREYÖGG, G.: Organisation, 4. Aufl., Wiesbaden 203, S. 9ff. Vgl. SCHREYÖGG, G.: a. a. O., S. 11 Vgl. SCHREYÖGG, G.: a. a. O., S. 15 Vgl. STAERKLE, R.: Wechselwirkungen zwischen Organisationskultur und Organisationsstruktur, in: PROBST, G.; SIEGWART, H. (Hrsg.): Integriertes Management – Bausteine des systemorientierten Managements, Bern, Stuttgart 1985, S. 531 Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 62
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
77
PROBST220 wiederum definiert Organisation sinngemäß mit dem Schaffen eines Gestaltungsrahmens, welcher vor allem als Struktur und Kultur in Erscheinung tritt und für die Mitglieder den Zustand eines Systems als Gestaltungsergebnis darstellt.
3.3.2 Grundlagen zur Organisationsstruktur Der Strukturbegriff – Allgemeines und Definition Die Definitionen zum Begriff (Organisations-)Struktur sind vielfältig: So bezeichnen beispielsweise STEINMANN/SCHREYÖGG221 als Organisationsstruktur eine durch Regeln geschaffene Ordnung eines sozialen Systems. PROBST222 sieht darin die „Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen und Entscheidungsbefugnissen auf verschiedene Teile eines sozialen Systems“. An dieser Stelle soll auf den Ausführungen von TUPPINGER223 aufgebaut werden, welcher beginnend mit einer Erörterung des Zwecks von Strukturen aus obigen und zahlreichen anderen Definitionen ableitet, dass unter der formellen Struktur einer Organisation ein System von geltenden Regelungen zu verstehen ist, „die für die Steuerung der Handlungen und des Verhaltens der Organisationsmitglieder eingesetzt werden, um die Ziele der Organisation zu erreichen“. Dimensionen der Organisationsstruktur nach KIESER/KUBICEK KIESER/KUBICEK224 verwenden für die Beschreibung einer Organisationsstruktur fünf Dimensionen – Spezialisierung, Koordination, Konfiguration, Entscheidungsdelegation, Formalisierung –, welche hier kurz beschrieben werden sollen (für detaillierte Ausführungen sei auf die zitierten Quellen verwiesen):
220 221 222 223 224
Vgl. PROBST, G.: Organisation – Strukturen, Lenkungsinstrumente, Entwicklungsperspektiven, Landsberg/Lech 1992, S. 43 Vgl. STEINMANN, H.; SCHREYÖGG, G.: Management – Grundlagen der Unternehmensführung, 5. Aufl., Wiesbaden 2000, S. 393 PROBST, G.: a. a. O., S. 44 TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 63 Vgl. KIESER, A.; KUBICEK, H.: Organisation, 3. Aufl., Berlin, New York 1992
78
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Spezialisierung225 Um eine wirtschaftliche Zielerreichung sicherzustellen, gliedern Organisationen die dafür notwendigen Aktivitäten auf – es entstehen Teilaufgaben unterschiedlicher Art – und verteilen diese auf die einzelnen Mitglieder. Diese Aufteilung und die anschließende Zuordnung werden als Stellenbildung bezeichnet. Die Spezialisierung bezieht sich jedoch in größeren Organisationen nicht nur auf einzelne Stellen, es werden vielmehr mehrere Stellen zu größeren organisatorischen Einheiten zusammengefasst; es entstehen je nach Größe Gruppen, Abteilungen, Bereiche usw. Man spricht in diesem Fall von Abteilungsbildung. Werden sehr viele Stellen bzw. Abteilungen mit spezifischen Aufgaben unterschieden, wird von einer hohen Spezialisierung gesprochen. Den so entstandenen organisatorischen Einheiten werden Vorgesetztenstellen oder Leitungsstellen zugeordnet, welche als Instanzen bezeichnet werden. Während Stellen Ausführungsaufgaben verrichten, nehmen Instanzen Entscheidungs- und Leitungsaufgaben wahr, ihnen kommen Entscheidungsbefugnisse, Weisungsbefugnisse und Verantwortung zu. Die Abteilungsbildung und die Einrichtung von Instanzen soll die Organisationsführung als oberste Instanz von ihren eigenen Entscheidungs- und Leitungsaufgaben entlasten und durch die Entstehung relativ geschlossener Verantwortungsbereiche die Abstimmung zwischen den Stellen vereinfachen. Koordination226 Die Arbeitsteilung und Aufteilung der Aktivitäten auf die Organisationsmitglieder erzeugt einen Koordinationsbedarf, da die Leistungen dieser auf das Gesamtziel der Organisation ausgerichtet werden müssen. Die Regelungen, die zur Koordination zwischen organisatorischen Einheiten herangezogen werden, werden als Koordinationsmechanismen oder -instrumente bezeichnet. KIESER/KUBICEK unterscheiden hier in Koordination
225 226
•
durch persönliche Weisung,
•
durch Selbstabstimmung,
•
durch Programme sowie
Vgl. KIESER, A.; KUBICEK, H.: Organisation, 3. Aufl., Berlin, New York 1992, S. 75ff. Vgl. KIESER, A.; KUBICEK, H.: a. a. O., S. 95ff.
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken •
79
durch Pläne,
welche alle auf organisatorischen Regelungen beruhen und daher auch als strukturelle Koordinationsinstrumente bezeichnet werden. Zusätzlich zu diesen vier strukturellen Koordinationsinstrumenten unterscheiden KIESER/KUBICEK227 drei weitere Koordinationsinstrumente, welche nur zu einem geringen Grad auf organisatorische Regeln zurückgeführt werden können und als nicht strukturelle Koordinationsinstrumente bezeichnet werden: •
Koordination durch organisationsinterne Märkte
•
Koordination durch Organisationskultur
•
Koordination durch Standardisierung von Rollen
Konfiguration228 Mit dem Begriff Konfiguration wird die äußere Form des Stellengefüges bezeichnet. Dieses wird durch ein Organisationsschaubild (Organigramm) dargestellt. Dabei wird den mit Entscheidungs- und Weisungskompetenzen ausgestatteten Instanzen besonderes Augenmerk geschenkt, wodurch diese Dimension auch als Leitungssystem bezeichnet werden kann. Die dadurch entstehenden – mitunter mehrstufigen – Unter- und Überordnungsverhältnisse im Stellengefüge drücken sich im Organigramm durch die Unterscheidung verschiedener Ebenen und die Einordnung der Stellen in diese Ebenen aus. Entscheidungsdelegation229 Bei der Entscheidungsdelegation geht es um die Zuweisung von Aufgaben, die Vorgabe von Zielen für die Aufgabenerfüllung, die Ausstattung mit den dazu notwendigen Rechten sowie die Zuweisung von Verantwortung. Liegen alle Entscheidungsbefugnisse bei der obersten Instanz, spricht man von Entscheidungszentralisation. Werden die Entscheidungsbefugnisse auf die unteren Hierarchieebenen verteilt, handelt es sich um Entscheidungsdezentralisation. Im Zuge der Entscheidungsdelegation wird auch geregelt, inwieweit einzelne Organisationsmitglieder bei Entscheidungen – beispielsweise in Form von Beratungen, Anhörungen etc. – mitwirken können (Partizipation).
227 228 229
Vgl. KIESER, A.; KUBICEK, H.: Organisation, 3. Aufl., Berlin, New York 1992, S. 118ff. Vgl. KIESER, A.; KUBICEK, H.: a. a. O., S. 126ff. Vgl. KIESER, A.; KUBICEK, H.: a. a. O., S. 153ff.
80
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Formalisierung230 Unter Formalisierung wird der Einsatz schriftlich fixierter Regelungen verstanden. Sie darf nicht mit den formellen organisatorischen Regeln verwechselt werden. Formelle Regeln können schriftlich fixiert sein, müssen es aber nicht. Die Formalisierung kann unter folgenden Aspekten betrachtet werden: •
Schriftliche Fixierung organisatorischer Regelungen
•
Formalisierung des Informationsflusses
•
Leistungsdokumentation
Wirkung und Funktion von Organisationsstrukturen Organisationsstrukturen werden dazu geschaffen, das Handeln der Organisationsmitglieder im Sinne der Organisation auszurichten. Die Meinungen darüber, inwieweit formale Organisationsstrukturen tatsächlich das Handeln der Organisationsmitglieder beeinflussen, gehen jedoch weit auseinander. Sie reichen von „sehr stark“ (die Organisationsstruktur lässt den Mitgliedern kaum Spielraum für eigenverantwortliche Handlungen) bis zu „sehr schwach“ bzw. „kein Einfluss“ (strukturelle Regeln sagen nicht viel über tatsächliches Handeln aus).231 Nach ULRICH/PROBST232 erlauben oder verhindern Strukturen ein bestimmtes Verhalten, welches andererseits wiederum zur Bewahrung oder Entwicklung von Strukturen führt und somit die Struktur bestimmt. Strukturelle Ordnungsmuster schränken die Freiheit ein. TUPPINGER233 kommt in seinen Ausführungen zum Schluss, dass eher Ideologien, Werte, Sinnsysteme, Symbole usw. anstelle der formalen Organisationsstruktur analysiert werden sollten, um zu wissen, was das Handeln in Organisationen bestimmt bzw. wie Regelmäßigkeiten im Handeln der Organisationsmitglieder erklärt werden können. Die Bedeutung derartiger oft unbewusster Regeln – häufig als Unternehmungskultur bezeichnet – wird auch von ULRICH/PROBST234 hervorgehoben. Dem Thema „Organisationskultur“ widmet sich ausführlich Kap. 3.4.
230 231 232 233 234
Vgl. KIESER, A.; KUBICEK, H.: Organisation, 3. Aufl., Berlin, New York 1992, S. 159f. Vgl. KIESER, A.; KUBICEK, H.: a. a. O., S. 153ff. Vgl. ULRICH, H.; PROBST, G. J. B.: Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln, Bern, Stuttgart 1988, S. 70 Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 88 Vgl. ULRICH, H.; PROBST, G. J. B.: a. a. O., S. 70
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
81
3.3.3 Struktur von Wertschöpfungsnetzwerken Unternehmungsnetzwerke und Strukturdimensionen Die zuvor angeführten Strukturdimensionen nach KIESER/KUBICEK lassen sich in mehr oder weniger abgewandelter Form auch auf Unternehmungsnetzwerke anwenden.235 Spezialisierung Die Spezialisierung der beteiligten Netzwerkunternehmungen auf jene Aktivitäten, für die sie die größte Kompetenz besitzen, ist eines der wesentlichen Kennzeichen dieser Kooperationsform (siehe Kap. 2.2.3). Welche Ressourcen die Partnerunternehmungen im Rahmen eines konkreten Auftrags nun in das Netzwerk tatsächlich einbringen, ist von der jeweiligen Situation abhängig.236 Koordination Unternehmungsnetzwerke können als Koordinationsform zwischen Markt und Hierarchie charakterisiert werden (siehe Kap. 2.2.3). Die in herkömmlichen Organisationen zum Einsatz kommenden, strukturellen Koordinationsinstrumente wie Pläne, Weisungen und Programme treten dabei schwächer in Erscheinung. Dies gilt ebenso für rein marktliche Koordinationsinstrumente wie beispielsweise den Preis. HESS237 unterscheidet bezüglich Netzwerken zwischen einem Prozess der Koordination und dem Ergebnis dieses Koordinationsprozesses. Der Prozess der Koordination kann von einem Partner dominiert werden (hierarchisch) oder gleichberechtigt erfolgen (heterarchisch). Die auftragsbezogene Koordination – die Koordination der Leistungserstellung – erfolgt in Netzwerken heterarchisch über einen internen Markt. Das Ergebnis ist ein Plan, der zur Koordination der Auftragsabwicklung herangezogen wird. Auch auf auftragsübergreifender – und somit auf Netzwerkebene – werden die Abstimmungsergebnisse in Form von Plänen, welche konkrete gemeinsame Aktivitäten beschreiben, und Regeln, welche Verhaltensnormen definieren, festgehalten.238
235 236 237 238
Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 23ff. Vgl. HESS, Th.: a. a. O., S. 23 Vgl. HESS, Th.: a. a. O., S. 23f. Vgl. HESS, Th.: a. a. O., S. 24
82
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Einige besonderen Aspekte hinsichtlich der Koordination ergeben sich in hierarchisch-pyramidalen Netzwerken sowie in polyzentrischen Netzwerken – eine Typologisierung, welche direkt aufgrund der Wahrnehmung der Koordinationsaufgaben erfolgt (siehe auch Kap. 2.2.4):239 •
Hierarchisch-pyramidale Netzwerke: Die am Netzwerk beteiligten Unternehmungen sind stark von der fokalen Unternehmung abhängig und richten ihre Ziele danach aus. Hier kommen vornehmlich hierarchische Koordinationsinstrumente (Vorgaben, Kontrollen) zum Einsatz; Ausgangspunkt ist die zentrale Unternehmung. In derem Ermessen liegt es auch, in welchem Maße Koordinationsaufgaben an die übrigen Netzwerkteilnehmer abgegeben werden. Ein typisches Beispiel für hierarchisch-pyramidale Netzwerke sind die Zuliefernetze der Automobilindustrie. Diese werden von den OEMs geführt, welche auch festlegen, wie viel an Koordinationsverantwortung in Entwicklung und Produktion an die Lieferanten delegiert wird.
•
Polyzentrische Netzwerke: In polyzentrischen Netzwerken erfolgt die Aufteilung der Koordinationsaufgaben nach der jeweiligen Spezialisierung der beteiligten Netzwerkpartner. So ist es beispielsweise denkbar, dass eine Unternehmung die Koordination der Beschaffungstätigkeiten allein verantwortlich übernimmt, wobei diese dann von den anderen mit den dafür notwendigen Informationen zu versorgen ist.
Konfiguration Die Konfiguration beschreibt die äußere Form des Stellengefüges und somit die Anordnung der organisatorischen Einheiten und deren Beziehung zueinander. HESS240 identifiziert dabei drei idealtypische Rollen in Unternehmungsnetzwerken (Abbildung 3.14), wobei in hierarchischen Netzwerken die fokale Unternehmung einen wesentlichen Einfluss bei der Besetzung dieser Rollen hat (Ein ähnliches Rollenmodell mit zwei Ausprägungen für polyzentrische und fokale Netzwerke beschreibt WOHLGEMUTH241):
239 240 241
Vgl. WILDEMANN, H.: Koordination von Unternehmensnetzwerken, in: ZfB 67 (1997) H4, S. 423ff. Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 24f. Vgl. WOHLGEMUTH, O.: Management netzwerkartiger Kooperationen, Wiesbaden 2002, S. 118ff.
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken Netzwerkkoordinator
unterstützt
83 Steuerungsgremium wird vertreten durch
Partnerunternehmungen
Auftragskoordinator koordiniert
Ausführender
Ausführender
Ausführender pro Auftragstyp
Abbildung 3.14: Rollen in Unternehmungsnetzwerken242
•
Steuerungsgremium: Dieses entscheidet über alle auftragsübergreifenden Fragen (auf Netzwerkebene).
•
Auftragskoordinator: Dieser wird vom Steuerungsgremium eingesetzt und koordiniert die Abwicklung eines Auftrags. Der Auftragskoordinator hat jedoch keine Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse gegenüber den ausführenden Unternehmungen, sondern organisiert vielmehr deren Zusammenarbeit.
•
Netzwerkkoordinator: Der Netzwerkkoordinator unterstützt das Steuerungsgremium in seiner Arbeit. Dazu gehören auch die Außendarstellung des Netzwerkes und das Anwerben neuer Mitglieder. Er ist damit oft die treibende Kraft, was die Weiterentwicklung des Netzwerkes betrifft.
Entscheidungsdelegation Aus den Ausführungen von HESS243 zur Konfiguration lässt sich die Form der Entscheidungsdelegation in Netzwerken ableiten, wobei generell festzuhalten ist, dass die Netzwerkunternehmungen letztlich autonom handeln. Entscheidungen auf Netzwerkebene sind eher als eine Aufgabe von Instanzen wie beispielsweise des Steuerungsgremiums bzw. des Netzwerkkoordinators anzusehen. Die Entscheidungsbefugnisse eines Auftragskoordinators dürften sich nur auf jene Aktivitäten beschränken, die den/die entsprechende(n) Auftrag/Aufträge betreffen.
242 243
HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 25 Vgl. HESS, Th.: a. a. O., S. 26
84
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Die konkreten Teilprozesse, welche die Unternehmungen im Zuge der Leistungserstellung durchführen, nehmen die beteiligten Netzwerkunternehmungen in Eigenverantwortung wahr. Formalisierung Der Grad der Formalisierung in Unternehmungsnetzwerken ergibt sich ebenfalls aus den Ausführungen zur Koordination, vor allem für die Koordinationsinstrumente.244 Demnach dürfte vor allem in hierarchischen Netzwerken die Formalisierung deutlich ausgeprägter sein als in polyzentrischen Netzwerken, da hier die fokale Unternehmung einen wesentlichen Einfluss ausübt und ihre Interessen gewahrt wissen will. Interorganisationsstruktur von Netzwerken nach SYDOW SYDOW245 schlägt zur Beschreibung der Interorganisationsstruktur von Netzwerken Formalisierung, Zentralisierung und strukturelle Komplexität vor und zählt darüber hinaus eine Reihe weiterer struktureller Dimensionen auf (Tabelle 3.1), welche den zuvor angeführten ähnlich sind. Dimension
Ausprägungsmöglichkeiten (von/bis)
Intensität des Leistungsaustausches
gering/groß
Richtung des Leistungsaustausches
einseitig/wechselseitig
Machtstruktur
verteilt/konzentriert
Formalisierungsgrad
hoch/niedrig
Standardisierungsgrad
hoch/niedrig
Kommunikation
zentralisiert/dezentralisiert
Hierarchische Verankerung
hoch/niedrig
Räumliche Distanz
groß/gering
Verfügbare Ressourcen für die Koordination
wenig/viel
Personaltransfer
häufig/selten
Vertragsgestaltung
weich/hart
Tabelle 3.1: Strukturelle Dimensionen von Netzwerken nach SYDOW246
244 245 246
Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 27 Vgl. SYDOW, J.: Strategische Netzwerke – Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992, S. 85 SYDOW, J.: a. a. O., S. 85
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
85
Bezüglich Wertschöpfungsnetzwerken ist anzumerken, dass bei diesen der Leistungsaustausch prinzipiell nur einseitig verläuft, da entlang der Wertschöpfungskette operiert wird und somit die Richtung des Leistungsstroms vorgegeben ist. Strukturelle Aspekte in Wertschöpfungsnetzwerken Die Schaffung einer strategiegerechten Organisationsstruktur wird als eine der wesentlichen Bedingungen für die Umsetzung einer Strategie angesehen.247 Demnach ist nach BELLMANN248 der erste Schritt im Zuge der Gestaltung249 eines Netzwerkes, dieses durch die Koordination von Strategie und Struktur zu konfigurieren. Potenzielle Netzwerkpartner entscheiden selbständig über das Einbringen ihrer Kernkompetenzen, wodurch sich mit der Zeit ein Kreis an kompetenten Netzwerkmitgliedern herauskristallisiert. Eines dieser Mitglieder – im Einzelfall auch mehrere – positioniert sich als fokale Unternehmung, indem es aufgrund seiner ausgeprägten Komplimentaritätskompetenzen die Netzwerkführerschaft übernimmt. In weiterer Folge positioniert sich jede Netzwerkunternehmung als zugleich autonomes und kooperatives Element des gebildeten Wertschöpfungssystems, wobei eine Ausrichtung auf die gemeinsamen Ziele erfolgt. Durch die Aufgabenteilung im Zuge des Wertschöpfungsprozesses bilden sich dann Kunden-Lieferanten-Beziehungen im Netzwerk nach dem Prinzip „Structure follows Process“.250 Die Position einer Unternehmung im Netzwerk bestimmt in weiterer Folge die Einflussnahme auf Strategie, Kultur und Struktur.251 Dabei ist zu beachten, dass die Position zu einem gewissen Maß durch die Stellung der Unternehmung in der Wertschöpfungskette vorbestimmt ist. Da in einem Wertschöpfungsnetzwerk die beteiligten Unternehmungen entlang der Wertschöpfungskette kooperieren, ist anzunehmen, dass sich die strukturellen Verflechtungen auch an dieser orientieren werden. Bestimmend dafür dürfte auch die geforderte Flussorientierung der Leistungserstellung sein (siehe Kap. 3.1.5). Das schließt jedoch nicht die Existenz horizontaler Verflechtungen aus; diese sind vielmehr notwendig, vor allem, wenn es darum geht, die Beziehung der beteiligten 247 248 249 250 251
Vgl. STEINMANN, H.; SCHREYÖGG, G.: Management – Grundlagen der Unternehmensführung, 5. Aufl., Wiesbaden 2000, S. 227 Vgl. BELLMANN, K.: Produktionsnetzwerke – ein theoretischer Bezugsrahmen, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 56 BELLMANN spricht von Entwicklung, aus seinen Ausführungen lässt sich aber ableiten, dass diese dem Begriff der Gestaltung so wie von BLEICHER definiert entspricht. Vgl. BELLMANN, K.: a. a. O., S. 56ff. Vgl. BELLMANN, K.: a. a. O., S. 59
86
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Organisationen auf Netzwerkebene aufrecht zu erhalten und Netzwerkaktivitäten zu koordinieren. Im Zuge der Gestaltung des Wertschöpfungsnetzwerkes sind demnach sowohl horizontale als auch vertikale Verflechtungen von Bedeutung. Bei der Konfiguration des Leistungserstellungsprozesses selbst und in weiterer Folge dessen Management treten vornehmlich vertikale Verflechtungen entlang der Wertschöpfungskette in den Vordergrund (siehe Kap. 3.1.3). Den Ausführungen von BLEICHER252 kann entnommen werden, dass Strukturen derart gestaltet werden sollen, dass zum einen die Zusammenarbeit stabilisiert wird, wobei Spielraum für Anpassungen gelassen wird, und diese zum anderen flexibel, effizient sowie innovationsfördernd sind. Struktur und Wahl von Netzwerkpartnern Die Struktur spielt – wie die Strategie – nicht nur bei der Gestaltung des Wertschöpfungsnetzwerkes selbst eine Rolle, sondern ist auch bei der Auswahl möglicher Partnerunternehmungen zu berücksichtigen (siehe auch Kap. 3.1.4). Bei der Partnerwahl ist auch darauf zu achten, dass die jeweiligen Strukturen miteinander harmonieren. Ausschlaggebend dafür ist, dass das Verhalten der Mitarbeiter im gegenseitigen Umgang durch die Organisationsstruktur mitbestimmt wird. Der Grad der strukturellen Übereinstimmung wird mit dem Begriff „Struktur-Fit“ umschrieben.253 SYDOW254 weist ebenfalls darauf hin, dass strukturelle Merkmale – und auch kulturelle, mehr dazu in Kap. 3.4.2 – wie beispielsweise der Spezialisierungsgrad oder die Unternehmungsgröße der einzelnen Netzwerkunternehmungen für deren Verhalten im Netzwerk von Relevanz sind. Was jedoch nicht festgestellt werden kann, ist, dass die Partner in Unternehmungsnetzwerken dann besonders erfolgreich zusammenarbeiten, wenn diese in etwa gleich groß, gleich stark und gleich leistungsfähig sind.255
252
253 254 255
Vgl. BLEICHER, K.: Der Strategie-, Struktur- und Kulturfit Strategischer Allianzen als Erfolgsfaktor, in: BRONDER, CH.; PRITZL, R. (Hrsg.): Wegweiser für Strategische Allianzen, Franfurt a. M., Wiesbaden 1992, S. 276ff. Vgl. BLEICHER, K.: a. a. O., S. 276ff. Vgl. SYDOW, J.: Strategische Netzwerke – Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992, S. 296ff. Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 265f.
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3.4 Organisationskultur In diesem Abschnitt soll die dritte Gestaltungsdimension – die Organisationskultur – näher beleuchtet werden. Dazu ist es zunächst erforderlich, sich mit der Organisationskultur im Allgemeinen auseinanderzusetzen. Anschließend werden diese Überlegungen auf Wertschöpfungsnetzwerke ausgedehnt und um spezielle Aspekte, die sich aus dieser Organisationsform ergeben, ergänzt.
3.4.1 Grundlagen zur Organisationskultur Der Kulturbegriff – Allgemeines und Definition Der Kulturbegriff ist der Ethnologie256 entliehen und bezeichnet allgemein ein System von Wertvorstellungen, Denk- und Handlungsweisen sowie Verhaltensnormen, welches von einer Gruppe von Individuen erlernt und akzeptiert worden ist und bewirkt, dass sich diese Gruppe deutlich von anderen sozialen Gruppen unterscheidet.257 Werden Unternehmungen betrachtet, finden sich dazu in der Literatur eine Vielzahl an Begriffen wie Firmenkultur, Betriebsklima, Unternehmungskultur, Corporate Culture usw., wobei in der Organisationstheorie hauptsächlich der Begriff Organisationskultur verwendet und in der Managementlehre hauptsächlich von der Unternehmungskultur gesprochen wird.258 In dieser Arbeit wird bewusst von Organisationskultur gesprochen, da Netzwerke als Organisation (Zusammenschluss mehrerer Unternehmungen) verstanden werden können und die Organisationskultur der übergeordnete Begriff ist. Im Zuge der Aufbereitung der begrifflichen Grundlagen werden die beiden Begriffe jedoch nebeneinander verwendet. Für den Begriff Organisationskultur findet sich in der einschlägigen Literatur eine Vielzahl an Definitionen. KROEBER/KLUCKHOHN259 analysieren beispielsweise mehr als 150 Begriffsdefinitionen und fassen die wesentlichsten Definitionsbestandteile zusammen.
256 257 258 259
Vgl. SCHREYÖGG, G.: Organisation, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 449 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 14. Auflage auf CD-Rom, Wiesbaden 1997 Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 89f. KROEBER, A.; KLUCKHOHN, C.: Culture: A Critical Review of Concepts and Definitions, New York 1952, zitiert in: SCHOLZ, CH.; HOFBAUER, W.: Organisationskultur: Die vier Erfolgsprinzipien, Wiesbaden 1990, S. 17
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Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Da für diese Arbeit die Ausführungen von TUPPINGER260, welcher den Begriff Organisationskultur in Verbindung mit Wissensmanagement und organisationalem Lernen bringt, eine wesentliche Basis darstellen, soll hier ebenso die Definition nach SCHEIN261, wie auch von TUPPINGER verwendet, als Arbeitsdefinition übernommen werden: Die Kultur einer Organisation ist „[...] ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Organisation bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird“.262 Das Ebenenmodell nach SCHEIN Zur Analyse der Organisationskultur verwendet SCHEIN drei Ebenen (Abbildung 3.15), wobei sich der Begriff Ebene auf den Grad der Sichtbarkeit eines kulturellen Phänomens für den Betrachter bezieht.
Artefakte
Sichtbare Strukturen und Prozesse in der Organisation (leicht zu beobachten, aber schwer zu entschlüsseln)
Bekundete Werte
Strategien, Ziele, Philosophien (bekundete Rechtfertigungen)
Grundprämissen
Unbewusste, selbstverständliche Anschauungen, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle (Ausgangspunkt für Werte und Handlungen)
Abbildung 3.15: Ebenen der Kultur nach SCHEIN263
260 261 262 263
Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 89ff. SCHEIN, E. H.: Unternehmenskultur – Ein Handbuch für Führungskräfte, Frankfurt, New York 1995 SCHEIN, E. H.: a. a. O., S. 25 Vgl. SCHEIN, E. H.: a. a. O., S. 30
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Grundprämissen (1. Ebene) Die tiefste Ebene einer Kultur, die Ebene der Grundprämissen bzw. Basisannahmen, beinhaltet die grundlegenden Orientierungs- und Verhaltensmuster, welche die Wahrnehmung sowie das Handeln leiten.264 Diese unsichtbaren, meist unbewussten Annahmen sind so etwas Selbstverständliches geworden, dass innerhalb eines kulturellen Verbandes (Gruppe, Abteilung, Organisation) nur geringe Unterschiede festgestellt werden können und davon abweichende Meinungen abgelehnt werden.265 Bekundete Werte (2. Ebene) Die in der ersten Ebene enthaltenen Grundprämissen führen zu konkreten Wertvorstellungen und Verhaltensstandards, der zweiten Ebene. Es formen sich meist ungeschriebene Verhaltensrichtlinien, Verbote usw. (z. B. „Kritisiere deine Kollegen niemals öffentlich!“ oder „Uns braucht niemand zu belehren!“), welche von den Organisationsmitgliedern in mehr oder weniger großem Umfang geteilt werden.266 Artefakte (3. Ebene) Die Grundprämissen und die bekundeten Werte finden schließlich in den Artefakten ihren Niederschlag. SCHREYÖGG267 spricht in diesem Zusammenhang von einem Symbolsystem. Diese stellen den sichtbaren und somit den am einfachsten zugänglichen Teil der Organisationskultur dar und haben die Aufgabe, die schwer fassbaren Annahmen, Interpretationsmuster und die Wertvorstellungen lebendig zu erhalten, weiter auszubauen und an neue Mitglieder der Organisation weiterzugeben. Die hier dargestellten Ebenen stehen in einer hierarchischen Wechselbeziehung zueinander. Die Grundannahmen beeinflussen Werte und Normen, welche andererseits Einfluss auf die Gestaltung der organisatorischen Umgebung haben. Umgekehrt wirken aber auch Einflüsse aus der Umgebung auf das Werte- und Normengefüge und somit auch auf die Grundannahmen zurück.268
264 265 266 267 268
Vgl. SCHREYÖGG, G.: Organisation, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 452 Vgl. SCHEIN, E. H.: Unternehmenskultur – Ein Handbuch für Führungskräfte, Frankfurt, New York 1995, S. 29ff. Vgl. SCHREYÖGG, G.: a. a. O., S. 455 Vgl. SCHREYÖGG, G.: a. a. O., S. 457 Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 94
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Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Die Dimensionen der Organisationskultur Für das Verstehen einer Organisationskultur sind alle drei Ebenen von Bedeutung. Hervorzuheben sind jedoch die Grundannahmen, denn die Artefakte können nicht richtig interpretiert und die artikulierten Werte nicht angemessen beurteilt werden, wenn die Struktur der grundlegenden Annahmen nicht entschlüsselt werden kann.269 Diese Grundannahmen können mittels der Dimensionen der Organisationskultur beschrieben werden. In Anlehnung an SCHEIN270 sowie SCHREYÖGG271 und die dort zitierte Literatur können fünf Dimensionen unterschieden werden, welche für das Verstehen einer Kultur von Bedeutung sind: •
Annahmen über die Umwelt
•
Vorstellungen über Wahrheit, Zeit und Raum
•
Annahmen über die Natur des Menschen
•
Annahmen über die Natur des menschlichen Handelns
•
Annahmen über die Natur zwischenmenschlicher Beziehungen
Will man die Kultur einer Organisation verstehen bzw. beschreiben, so müssen alle Grundprämissen und auch deren Zusammenwirken ermittelt werden. Erst wenn sich die Grundannahmen zu festen Paradigmen und kohärenten Strukturen zusammenschließen und ein schlüssiges System ergeben, kann von einer Kultur als festes, übergeordnetes Paradigma gesprochen werden.272 Schlüssigkeit heißt beispielsweise, dass man, wenn man davon überzeugt ist, dass Probleme letztlich nur durch Anstrengung des Einzelnen gelöst werden können und dass Ideen und Kreativität eigentlich stets auf Einzelne zurückgehen, nicht gleichzeitig die Prämisse vertreten kann, dass Zusammenarbeit und Konsensbereitschaft die beste Form der Beziehung zwischen den Mitgliedern der Organisation darstellt.273 Erst, wenn die begriffliche Erfassung der komplexen Wechselbeziehungen zwischen den Prämissen gelingt, lässt sich ein tieferes Verständnis für die Gründe und Formen
269 270 271 272 273
Vgl. SCHEIN, E. H.: Unternehmenskultur – Ein Handbuch für Führungskräfte, Frankfurt, New York 1995, S. 33 Vgl. SCHEIN, E. H.: a. a. O., 1995 Vgl. SCHREYÖGG, G.: Organisation, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 452ff. Vgl. SCHEIN, E. H.: a. a. O., S. 124ff. Vgl. SCHEIN, E. H.: a. a. O., S. 125
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der Abläufe in einer Organisation gewinnen. Sind nicht alle Prämissenbereiche analysiert, sollten keine Aussagen zur Kultur gemacht werden. Auch bei einer Veränderung von Organisationskulturen ist zu beachten, dass diese ein zusammenhängendes Prämissensystem sind.274 Organisationskultur und Subkultur Die zu einem Subsystem gehörenden Personen stehen in einem besonders intensiven Gedankenaustausch und demnach auch in vielfältigen Interaktions- und Sozialisationsprozessen miteinander, was zur Entstehung von Subkulturen in einer Organisation führen kann.275 Subkulturen sind also die Kultur eines Subsystems einer Organisation und folgen derselben Entwicklungs- und Aufbaulogik wie Gesamtkulturen. Sie entwickeln eigenständige Standards, Wertvorstellungen und Symbole, bleiben aber dennoch ein Teil der Hauptkultur und haben einige Elemente mit dieser gemeinsam.276 Nach SCHREYÖGG277 begünstigen neben Faktoren wie Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Gewerkschaftszugehörigkeit etc. folgende Faktoren die Entstehung von Subkulturen: •
Organisationsstrukturen: die Art, wie Abteilungen gebildet werden, die Anzahl der Hierarchieebenen etc.
•
Aufgaben und professioneller Hintergrund: die Art der Aufgaben und die zu deren Erfüllung erforderliche Qualifikation (z. B. eigene Kultur im IuK-Bereich)
•
Gemeinsame Erfahrungen: gemeinsame Erlebnisse wie z. B. die Gründung einer Unternehmung oder das gemeinsame Durchstehen einer Krise
Kultur und Strategie Kultur und Strategie einer Organisation sind untrennbar miteinander verbunden. Die Personen in einer Organisation, die strategische Entscheidungen treffen, sind in die Organisationskultur eingebunden. Dadurch werden strategische Entscheidungen
274 275
276 277
Vgl. SCHEIN, E. H.: Unternehmenskultur – Ein Handbuch für Führungskräfte, Frankfurt, New York 1995, S. 125ff. Vgl. DILL, P.; HÜGLER, G.: Unternehmenskultur und Führung betriebswirtschaftlicher Organisationen, in: HEINEN, E.: Unternehmenskultur: Perspektiven für Wissenschaft und Praxis, München, Wien 1987, S. 152 Vgl. SCHREYÖGG, G.: Organisation, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 467 Vgl. SCHREYÖGG, G.: a. a.O., S. 467ff.
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durch die Kultur mit beeinflusst, da diese die Erfassung der Problemstellung beeinflusst und zu Präferenzen bei der Wahl einer Strategie führt.278 Von Bedeutung ist weiters, dass Strategie und Kultur einer Organisation miteinander harmonieren. Je deutlicher dies der Fall ist, desto eher wird die Kultur zu einer unterstützenden Kraft für die Realisierung einer Strategie. Besteht hingegen eine Diskrepanz zwischen strategischem Wollen und der kulturellen Prägung einer Organisation, weckt dies Akzeptanzwiderstände, welche nur schwer zugänglich sind.279 Wird beispielsweise vom Top-Management eine offensive Wachstumsstrategie innerhalb einer defensiven („beamtenähnlichen“) Unternehmungskultur verfolgt, wird dies zu Schwierigkeiten und im extremsten Fall zum Scheitern der Strategie führen.280
3.4.2 Organisationskultur in Wertschöpfungsnetzwerken Sichtet man die Literatur zum Thema Netzwerke, so wird immer wieder darauf hingewiesen, dass kulturelle Faktoren eine wesentliche Voraussetzung für den Netzwerkerfolg darstellen. Dabei wird vor allem auf die Verträglichkeit der Kulturen der beteiligten Partnerunternehmungen hingewiesen. Darum soll zunächst auf diesen Umstand näher eingegangen werden, anschließend werden kulturelle Aspekte im Netzwerkzusammenhang erörtert. Kulturverträglichkeit der Netzwerkunternehmungen Oben wurde bereits SYDOW281 erwähnt, der darauf hinweist, dass kulturelle Merkmale einer Netzwerkunternehmung für ihr Verhalten im Netzwerk relevant sind. Im Zuge der Bildung eines Unternehmungsnetzwerkes gilt es nun, unterschiedliche, mit der Zeit gewachsene Kulturen miteinander in Einklang zu bringen. Für Überlegungen zu diesem Thema wird in der gängigen Literatur der Begriff „Kultur-Fit“ verwendet. Darunter versteht man ganz allgemein die Verträglichkeit der Kulturen der an einer Kooperation oder einem Netzwerk beteiligten Unternehmungen.282 Die Kulturen von kooperierenden Unternehmungen haben Einfluss auf den Erfolg der Kooperation, wobei jedoch ein präkooperativer „Fit“ zwischen den Kulturen keine 278 279 280 281 282
Vgl. BLEICHER, K.: Organisation, 2. Aufl., Wiesbaden 1991, S. 783ff. Vgl. BLEICHER, K.: a. a. O., S. 787 Vgl. HINTERHUBER, H. H.: Wettbewerbsstrategie, 2. Aufl., Berlin, New York 1990, S. 224f. Vgl. SYDOW, J.: Strategische Netzwerke – Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992, S. 300 Vgl. BLEICHER, K.: Der Strategie-, Struktur- und Kulturfit Strategischer Allianzen als Erfolgsfaktor, in: BRONDER, CH.; PRITZL, R. (Hrsg.): Wegweiser für Strategische Allianzen, Franfurt a. M., Wiesbaden 1992, S. 276ff.
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Erfolgsvoraussetzung darstellt. Jedoch vermindert ein hohes Maß an kultureller Verträglichkeit Anpassungsprobleme und erleichtert auch den Vertrauensbildungsprozess. 283 Auch ZIMMERMANN284 führt aus, dass ein kultureller Grundkonsens bereits vor der Entstehung, ebenso wie in der Weiterentwicklung eines Netzwerkes herrschen muss, damit das erforderliche Vertrauen aufgebaut werden kann. Auf die Bedeutung des Begriffs Vertrauen im Netzwerkzusammenhang wird später noch gesondert eingegangen. Wenngleich stark unterschiedliche Kulturen also nicht unbedingt schädlich für das Gelingen eines Kooperationsvorhabens sein müssen, kann in diesem Fall jedoch angebracht sein, sich mit den Netzwerkpartnern Gedanken darüber zu machen, wie die Kulturentwicklung im Kooperationsumfeld verlaufen sollte. Folgende Alternativen bieten sich – bei zwei Partnerunternehmungen – prinzipiell an:285 •
Die Kultur einer Netzwerkunternehmung setzt sich durch: Dabei können Misstrauen, Missverständnisse und ein Austreten aus der Partnerschaft der abgekoppelten Unternehmung die Folge sein.
•
Ein Subkultursplit im Kooperationsfeld tritt auf: Bestimmte Bereiche der einen Unternehmung übertragen ihre Kultur in das Kooperationsfeld, ebenso die anderen Bereiche der zweiten Unternehmung. Daraufhin besteht die Gefahr, dass kulturelle Gegensätze im Kooperationsfeld zum Tragen kommen und die Partnerschaft nicht mehr regierbar ist.
•
Eine eigenständige Kultur im Kooperationsfeld entwickelt sich: Ausschlaggebend dafür ist die Lernfähigkeit der in die Kooperation entsandten Mitarbeiter.
Nach BLEICHER286 sollte die letzte Variante – die Entwicklung einer eigenen Kultur im Kooperationsfeld – gelten, wenn Unternehmungen mit zwei unterschiedlichen Kulturen eine langfristige Zusammenarbeit anstreben. Bei der Beschäftigung mit Kulturunterschieden ist auch zu beachten, dass branchenspezifische und länderspezifische Kulturmerkmale eine Rolle spielen und die kulturelle Problematik wächst, wenn Unternehmungen unterschiedlicher Branchen angehören und/oder aus unterschiedlichen Regionen bzw. Ländern stammen. Vor allem die 283 284 285
286
Vgl. KAUFMANN, L.: Strategisches Sourcing, in: zfbf 47 3/1995, S. 294 Vgl. ZIMMERMANN, F.-O.: Betriebliche Informationssysteme in virtuellen Organisationen, Wiesbaden 1999, S. 47 Vgl. BLEICHER, K.: Der Strategie-, Struktur- und Kulturfit Strategischer Allianzen als Erfolgsfaktor, in: BRONDER, CH.; PRITZL, R. (Hrsg.): Wegweiser für Strategische Allianzen, Franfurt a. M., Wiesbaden 1992, S. 282f. Vgl. BLEICHER, K.: a. a. O., S. 283
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nationale Kultur mit ihren Sitten, Gebräuchen und ihrer Mentalität ist am tiefsten und dauerhaftesten in den Mitarbeitern verankert; Differenzen dürften somit auch am schwierigsten zu überwinden sein.287 Weiters ist auch damit zu rechnen, dass unterschiedliche Managementstile miteinander in Einklang zu bringen sind.288 Es kann nun angenommen werden, dass die zu bewältigenden Herausforderungen mit der Zahl der Unternehmungen, die in ein Kooperationsvorhaben integriert werden sollen, steigen. Im Zuge der weiteren Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff und Unternehmungsnetzwerken bieten sich nun zwei Aspekte an, die einer Klärung zuzuführen sind: zum einen die Überwindung von Kulturunterschieden und zum anderen der Aufbau einer eigenen Netzwerkkultur. Diesen beiden Themen sind die nächsten Abschnitte gewidmet. Überwindung von Kulturunterschieden Ein detaillierter Überblick, wie mit Kulturunterschieden im Zuge des Managements von Kooperationsvorhaben wie beispielsweise Unternehmungsnetzwerken umzugehen ist, kann hier aus Platzgründen nicht gegeben werden; es muss auf die entsprechende Literatur verwiesen werden (Bsp.: STÜDLEIN289, MEYER290). An dieser Stelle sollen lediglich ausgewählte Aspekte aufgegriffen werden, die für diese Arbeit von Bedeutung erscheinen. Aus den Ausführungen von STÜDLEIN291 lässt sich ableiten, dass sich die Kulturen zweier oder mehrerer Unternehmungen primär hinsichtlich der bekundeten Werte und Artefakte unterscheiden und die Grundprämissen nur dann verschieden sind, wenn die Unternehmungskulturen durch unterschiedliche nationale Kulturen geprägt wurden. SCHEIN292 legt jedoch dar, dass die Grundprämissen einer Unternehmungskultur auch von anderen Einflüssen abhängen wie zum Beispiel den Gründern, welche eine Unternehmung nachhaltig prägen können. Somit können sich die Kulturen zweier 287 288 289 290 291 292
Vgl. RUPPRECHT-DÄULLARY, M.: Zwischenbetriebliche Kooperation, Wiesbaden 1994, S. 154ff. Vgl. NORTH, K.; BLANCO, A.: Wissen Fusionieren – Wie Wissensintegration den Erfolg von Mergers & Acquisitionen unterstütz, in: new management 4/2003, S. 37 STÜDLEIN, Y.: Management von Kulturunterschieden – Phasenkonzepte für internationale strategische Allianzen, Wiesbaden 1997 MAIER, M.: Kooperationsmanagement im deutsch-französischen Kontext, in: SCHERTLER, W.: Management von Unternehmenskooperationen, Wien 1995 Vgl. STÜDLEIN, Y.: a. a. O., S. 34 ff. sowie 52ff. Vgl. SCHEIN, E. H.: Unternehmenskultur – Ein Handbuch für Führungskräfte, Frankfurt, New York 1995, S. 34ff.
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Organisationen sehr wohl auf allen drei Ebenen unterscheiden, selbst wenn diese Teil derselben nationalen Gruppen sind. Es kann jedoch angenommen werden, dass nationale Kulturen einen wesentlichen Einfluss auf die Grundprämissen als die am tiefsten liegende Ebene der Organisationskultur ausüben. Zur Überwindung kultureller Unterschiede ist ein wichtiger Schritt sicherlich bereits gesetzt, wenn im Zuge der Bildung eines Netzwerkes erkannt wurde, dass unterschiedliche Unternehmungskulturen zu erwarten sind. Eine Möglichkeit wäre, die Kulturen der beteiligten Unternehmungen gezielt zu verändern und näher aneinander heranzuführen (Abbildung 3.16), um so die kulturellen Gemeinsamkeiten zu erhöhen. Dies ist ein Prozess, der sehr behutsam anzugehen ist und mitunter sehr viel Zeit benötigt,293 denn Mitglied in einem Netzwerk zu werden, bedeutet, einen Teil der eigenen Identität, die über Jahre gewachsen ist, zugunsten der Gemeinsamkeit abzugeben.294 Unternehmungskultur A
Kulturelle Gemeinsamkeiten
Kulturveränderung
Unternehmungskultur B
Unternehmungskultur C
Abbildung 3.16: Transfer der Unternehmungskulturen der Partner in die Kooperation295
Sollen Kulturveränderungen296 herbeigeführt werden, so müssen die individuellen Kulturen der einzelnen Netzwerkunternehmungen zunächst analysiert werden, um verstanden werden zu können. Dabei treten dann auch die kulturellen Unterschiede
293 294 295
296
Vgl. SACKMANN, S.: Unternehmenskultur, Neuwied, Kriftel 2002, S. 156ff. Vgl. PRIBILLA, P.: Führung in virtuellen Untenehmen, in: ZfB-Ergänzungsheft 2/2000, S. 3 BLEICHER, K.: Zum Management zwischenbetrieblicher Kooperation: Vom Joint Venture zur Allianz, in: BÜHNER, R. (Hrsg.): Führungsorganisation und Technologiemanagement, Berlin 1989, S. 85 Für einen umfassenden Überblick siehe beispielsweise SACKMANN, S.: Unternehmenskultur, Neuwied, Kriftel 2002, S. 117ff.
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im Detail zum Vorschein. Für eine derartige Kulturanalyse bietet sich der Einsatz einer Reihe von Methoden an wie Interviews, Fragebögen, Beobachtungen etc. Anschließend wird die erhobene IST-Kultur einer gewünschten SOLL-Kultur, welche auf Basis der eingeschlagenen Strategie bestimmt wird, gegenübergestellt. Im Sinne einer höheren Übereinstimmung sollten sich die SOLL-Kulturen der beteiligten Netzwerkunternehmungen ähnlicher sein als es die IST-Kulturen sind. Daraus lassen sich anschließend gezielte Interventionen zur Veränderung der Kultur ableiten.297 Kulturanalyse, Bestimmung der SOLL-Kultur, Vergleich und Bewertung werden unter dem Begriff Kultur-Assessment zusammengefasst.298 Netzwerkkultur Auch Netzwerke können – so wie einzelne Unternehmungen – eine eigene Kultur entwickeln, die das Handeln der Akteure – Netzwerkunternehmungen und deren Mitarbeiter – mitbestimmt.299 Es ist anzunehmen, dass auch eine Netzwerkkultur prinzipiell jene Merkmale aufweist, die allgemein für Organisationskulturen gelten (siehe Kap. 3.4.1).
Dimension
Ausprägungsmöglichkeiten (von/bis)
Zielkongruenz
gering/groß
geteilte Werte
wenig/viel
Erwartungen
unklar/klar
Vertrauen
gering/groß
Identitäten
eigene/gemeinsame
Kohäsion
niedrig/hoch
Konfliktniveau
niedrig/hoch
Tabelle 3.2: Kulturelle Dimensionen von Netzwerken nach SYDOW300
SYDOW301 führt eine Reihe spezifischer Dimensionen an, mit denen sich die Kultur von (strategischen) Netzwerken beschreiben lässt (Tabelle 3.2). Sie geben Auf-
297 298 299
300 301
Ausführlich dazu: SACKMANN, S.: Unternehmenskultur, Neuwied, Kriftel 2002, S. 156ff. Vgl. SACKMANN, S.: a. a. O., S. 118 Vgl. STABER, U.: Steuerung von Unternehmensnetzwerken: Organisationstheoretische Perspektiven und soziale Mechanismen, in: SYDOW, J.; WINDELER, A. (Hrsg.): Steuerung von Netzwerken, Opladen 1999, S. 66 SYDOW, J.: Strategische Netzwerke – Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992, S. 85 SYDOW, J.: a. a. O., S. 85ff.
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schluss darüber, wie groß der kulturelle Organisationsgrad eines Netzwerkes ist. Ein Netzwerk mit einem hohen Organisationsgrad ist gekennzeichnet durch vertrauensvolle Beziehungen, eine ausgeprägte gemeinsame Identität, ein vornehmlich konsensorientiertes Konfliktmanagement sowie einen hohen Zusammenhalt. STABER302 weist nach, dass es nicht möglich ist, eine klare Aussage darüber zu treffen, ob eine Netzwerkkultur homogen sein soll oder nicht. Auf der einen Seite kann eine homogene Netzwerkkultur die Entstehung einer kollektiven Identität begünstigen, eine gemeinsame Sprache ermöglichen, wodurch die Entscheidungsfindung in komplexen Situationen erleichtert wird, sowie gegenseitiges Vertrauen aufbauen. Dadurch kann die Koordination des Netzwerkes wesentlich erleichtert werden. Auf der andern Seite kann eine homogene Kultur zu einem Erstarren der Strukturen führen; jede Änderung in einem Teil des Netzwerkes würde Anpassungen im Gesamtsystem erfordern, wodurch die Steuerungsfähigkeit des Netzwerkes eingeschränkt wird. Die Netzwerkkultur bleibt jedoch solange unwirksam, solange sie sich nicht in konkreten Handlungen niederschlägt.303 Unterschiedliche Kulturen der Partnerunternehmungen werden zumeist auch bei der Entstehung einer gemeinsamen Kultur im Kooperationsfeld erhalten bleiben.304 Vertrauen in Netzwerken Ein Begriff, der sich in der Literatur oft in Zusammenhang mit der Zusammenarbeit in Kooperationen und Netzwerken305 findet und oben auch bereits verwendet wurde, ist Vertrauen, welches auf den Erfolg einer Zusammenarbeit großen Einfluss hat. Darum soll der Vertrauensbegriff hier präzisiert und seine Bedeutung in Netzwerken schlaglichtartig erörtert werden. Für detailliertere Ausführungen muss jedoch auf die zitierte Literatur verwiesen werden. 302
303
304 305
Vgl. STABER, U.: Steuerung von Unternehmensnetzwerken: Organisationstheoretische Perspektiven und soziale Mechanismen, in: SYDOW, J.; WINDELER, A. (Hrsg.): Steuerung von Netzwerken, Opladen 1999, S. 66ff. Vgl. KASPER, H.; HOLZMÜLLER, H. H.; WILKE, C.: Unternehmenskulturelle Voraussetzungen der Kooperation, in: ZENTES, J.; SWOBODA, B.; MORSCHETT, D. (Hrsg.): Kooperationen, Allianzen und Netzwerke, Wiesbaden 2003, S. 869 Vgl. KAUFMANN, L.: Strategisches Sourcing, in: zfbf 47 3/1995, S. 294 Zum Beispiel: LOOSE, A.; SYDOW, J.: Vertrauen und Ökonomie in Netzwerkbeziehungen, in: SYDOW, J.; WINDELER, A. (Hrsg.): Management Interorganisationaler Beziehungen, Opladen 1994, S. 160-193; WURCHE, S.: Vertrauen und ökonomische Realität in kooperativen Netzwerken, in: SYDOW, J.; WINDELER, A. (Hrsg.): Management Interorganisationaler Beziehungen, Opladen 1994, S. 142-159; BACHMANN, R.; LANE, Ch.: Vertrauen und Macht in zwischenbetrieblichen Kooperationen, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 75-106
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Zu Vertrauen gibt es in der Wissenschaft eine Vielzahl an Begriffskonzeptionen, je nach gewählter Perspektive und den Zielen des jeweiligen Forschungsvorhabens.306 In Zusammenhang mit Unternehmungsnetzwerken bietet sich eine Definition des Begriffs Vertrauen an, die aus der Soziologie stammt: Vertrauen ist „eine generalisierte Erwartungshaltung dahingehend, dass ein Interaktionspartner sich situationsübergreifend kooperativ verhalten wird, nicht opportunistisch.“307 Vertrauen ist von großer Bedeutung für die Entstehung und die Zusammenarbeit in einem Netzwerk und spielt eine zentrale Rolle für Kommunikation und Kooperation.308 Ein Netzwerkakteur muss darauf vertrauen können, dass gemachte Zusagen von den anderen Akteuren auch eingehalten werden sowie oft nur gering spezifizierte und danach kaum zu kontrollierende Leistungen auch tatsächlich erbracht werden. Dieses Vertrauen bezieht sich dabei nicht nur unmittelbar auf Personen, sondern ist auf das gesamte Netzwerk gerichtet (Systemvertrauen). Vertrauensvolle Beziehungen erleichtern das Management von Unternehmungsnetzwerken.309 Die Basis für Vertrauen und Motivation bilden gegenseitiges Verstehen und Anerkennung sowie Verlässlichkeit und Berechenbarkeit.310 Durch Vertrauen kann das Klima der Unsicherheit, welches durch die hohe Komplexität sozialer Systeme und die Unvorhersehbarkeit der Zukunft erzeugt wird, in subjektive Sicherheit verwandelt werden.311 Vertrauen zwischen den Netzwerkpartnern ist jedoch nicht von Beginn an gegeben, sondern muss erst im Zuge der Zusammenarbeit aufgebaut werden.312 Vertrauen trägt dazu bei, Komplexität zu reduzieren, Ängste abzubauen, Offenheit und Kooperation sowie Kommunikation zu fördern, Qualität und Quantität ausgetauschter Information zu erhöhen, Arbeitsmotivation und Leistung zu steigern, Stress
306 307 308 309 310 311 312
Vgl. PIEPER, J.: Vertrauen in Wertschöpfungspartnerschaften – Eine Analyse aus der Sicht der Neuen Institutionenökonomie, Wiesbaden 2000, S. 61 WILLKE, H.: Systemisches Wissensmanagement, 2. Aufl., Stuttgart 2001, S. 277 Vgl. BIERHOFF, H. W.: Vertrauen in Führungs- und Kooperationsbeziehungen, in: KIESER, A; REBER, G.; WUNDERER, R. (Hrsg.): Handwörterbuch der Führung, Stuttgart 1991, Sp. 2152 Vgl. LOOSE, A.; S YDOW, J.: Vertrauen und Ökonomie in Netzwerkbeziehungen, in: SYDOW, J.; WINDELER, A. (Hrsg.): Management Interorganisationaler Beziehungen, Opladen 1994, S. 162f. Vgl. BELLMANN, K.: Produktionsnetzwerke – ein theoretischer Bezugsrahmen, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 56 Vgl. BIERHOFF, H. W.: a. a. O., Stuttgart 1991, Sp. 2149 Vgl. KRAEGE, R.: Controlling strategischer Unternehmungskooperationen – Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering 1997, S. 84
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zu vermindern, nonkonformes Gruppenverhalten zu erleichtern und stärkt die Problemlösungsfähigkeit im Team.313 Vertrauen kann ein vertragskonformes Verhalten begünstigen, wenn schriftliche Vereinbarungen und Verträge zwischen Netzwerkpartnern geschlossen werden. Da dieses jedoch erst aufgebaut werden muss – vor allem bei Unternehmungen, die bislang noch nicht oder nur selten zusammengearbeitet haben –, sollten Anreize für ein vertragskonformes Verhalten in Verträge eingebaut werden, wie beispielsweise Sanktionsmöglichkeiten oder eine vertragliche Sicherung der Vorteilhaftigkeit der Zusammenarbeit für alle Beteiligten.314 (Ein konkretes Beispiel, welche Inhalte eine schriftliche Vereinbarung umfassen kann, findet sich bei BRÜTSCH315). Organisationen, in welchen ein hohes Maß an Vertrauen herrscht, können nach PICOT et al.316 höhere Kooperationsgewinne erzielen. BLEICHER317 führt folgende Merkmale für eine Vertrauenskultur einer Organisation an: •
Offenheit, Umweltorientierung
•
Änderungsfreundlich
•
Basisorientierung
•
Subkulturelle Prägung
•
Entwicklungsorientierung
•
Nutzenorientierung
•
Mitglieder als Akteure, nicht Mitarbeiter
•
Individuelle Kulturprägung
In Kooperationen dürfen die verbale Betonung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit und die tägliche Praxis nicht auseinanderklaffen, da sonst kein vertrauensbilden-
313 314 315 316 317
Vgl. PRIBILLA, P.: Führung in virtuellen Untenehmen, in: ZfB-Ergänzungsheft 2/2000, S. 7 sowie NEUBAUER, W.: Organisationskultur, Stuttgart 2003, S. 114f. Vgl. KRAEGE, R.: Controlling strategischer Unternehmungskooperationen – Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering 1997, S. 99 Vgl. BRÜTSCH, D.: Virtuelle Unternehmen, Zürich 1999, S. 165ff. Vgl. PICOT, A.; REICHWALD, R.; WIGAND, R. T.: Die grenzenlose Unternehmung, 5. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 124 Vgl. BLEICHER, K.: Der Strategie-, Struktur- und Kulturfit Strategischer Allianzen als Erfolgsfaktor, in: BRONDER, CH.; PRITZL, R. (Hrsg.): Wegweiser für Strategische Allianzen, Franfurt a. M., Wiesbaden 1992, S. 282f.
100
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
der Prozess aufrechterhalten werden kann.318 Nach LOOSE/SYDOW319 kann der Prozess der Vertrauensbildung in Unternehmungsnetzwerken durch •
häufige und offene interorganisationale Kommunikation,
•
geringe Anzahl an Netzwerkunternehmungen und Gleichartigkeit derer Strukturmerkmale,
•
Austausch einer hohen Anzahl an unterschiedlichen Inhalten im Netzwerk (Produkte, Dienstleistungen, Informationen etc.) und ein
•
ausbalanciertes Verhältnis von Autonomie und Abhängigkeit
gefördert werden. Zwei-Ebenen-Architektur der Kultur in Wertschöpfungsnetzwerken Bringt man die Ausführungen zur Organisationskultur im Allgemeinen und zur Kultur in Netzwerken im Speziellen in Verbindung mit der Sichtweise von Wertschöpfungsnetzwerken, wie sie hier Verwendung findet, so lässt sich für die Kultur in Wertschöpfungsnetzwerken eine zweistufige Sichtweise ableiten (siehe Abbildung 3.17), wobei beide Stufen die Zusammenarbeit im Netzwerk beeinflussen:
318 319
•
Zum einen bildet sich im Zuge der Gestaltung der Zusammenarbeit eine unternehmungsübergreifende Kultur mit eigenständigen Merkmalen auf Netzwerkebene aus, gleichsam eine Meta-Kultur;
•
zum anderen verfügen die Netzwerkunternehmungen auch über kulturelle Gemeinsamkeiten, die sich aus geteilten Werten, Normen sowie Verhaltensweisen der individuellen Kulturen der Netzwerkunternehmungen zusammensetzen, welche bereits vor der Zusammenarbeit vorhanden waren. Dazu kommen noch jene kulturellen Merkmale hinzu, welche den beteiligten Netzwerkunternehmungen eigen sind und sich voneinander unterscheiden.
Vgl. KAUFMANN, L.: Strategisches Sourcing, in: zfbf 47 3/1995, S. 294 Vgl. LOOSE, A.; SYDOW, J.: Vertrauen und Ökonomie in Netzwerkbeziehungen, in: SYDOW, J.; WINDELER, A. (Hrsg.): Management Interorganisationaler Beziehungen, Opladen 1994, S. 184ff.
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Netzwerkkultur
101
Netzwerkkultur Kulturelle Gemeinsamkeiten Individuelle Kultur
Abbildung 3.17: Zwei-Ebenen-Architektur der Kultur in Wertschöpfungsnetzwerken
Da die Netzwerkunternehmungen Subsysteme des Wertschöpfungsnetzwerkes darstellen, sind deren individuelle Kulturen gleichsam Subkulturen jener Kultur, die aus der Netzwerkkultur und den kulturellen Gemeinsamkeiten der Partnerunternehmungen gebildet wird (Hauptkultur). Auf Netzwerkebene ist nun eine gemeinsame Identität anzustreben, um eine Ausrichtung auf die gemeinsamen Ziele zu gewährleisten und die einzelnen Netzwerkunternehmungen zusammenzuhalten. Das ist vor allem dann der Fall, wenn sich eine starke Netzwerkkultur herausbildet.320 Starke Kulturen bauen auf ein System von Kernüberzeugungen auf.321 Nach SCHREYÖGG322 haben sich Prägnanz, Verbreitungsgrad sowie Verankerungstiefe als die bedeutsamsten Dimensionen herauskristallisiert, um zu beschreiben, ob eine Kultur als stark bzw. schwach bezeichnet werden kann:
320 321 322
•
Prägnanz: Darunter ist die Klarheit der Orientierungsmuster und Werthaltungen, die von der Organisationskultur vermittelt werden, zu verstehen. Diese Standards, Werte und Symbolsysteme müssen einerseits relativ eindeutig sein und andererseits umfangreich gültig und nicht nur in speziellen, sondern in vielen Situationen anwendbar sein.
•
Verbreitungsgrad: Der Verbreitungsgrad ist ein Maß dafür, wie viele Organisationsmitglieder die Werte und Orientierungsmuster teilen. Starke Kulturen zeichnen sich dadurch aus, dass sich das Handeln sehr vieler – idealerweise
Vgl. PRIBILLA, P.: Führung in virtuellen Untenehmen, in: ZfB-Ergänzungsheft 2/2000, S. 9 Vgl. SCHEIN, E. H.: Unternehmenskultur – Ein Handbuch für Führungskräfte, Frankfurt, New York 1995, S. 127 Vgl. SCHREYÖGG, G.: Organisation, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 464ff.
102
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken aller – Organisationsmitglieder an den gleichen Normen und Wertvorstellungen orientiert.
•
Verankerungstiefe: Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, inwieweit die kulturellen Muster tatsächlich internalisiert sind. In starken Kulturen ist ein kulturkonformes Verhalten das Ergebnis einer vollständigen Internalisierung. Bei schwachen Kulturen hingegen hat man es nur mit einer Kulturanpassung zu tun.
Werden diese Überlegungen zur Kulturstärke in Verbindung mit den Ausführungen zum Kultur-Fit sowie zu Subkulturen gebracht, lässt sich ableiten, dass •
bei schwachen Unternehmungskulturen sowie bei großen kulturellen Unterschieden der Netzwerkunternehmungen die Entwicklung einer starken Netzwerkkultur anzustreben ist, um auf diese Weise die Entwicklung einer gemeinsamen Identität zu fördern und
•
bei starken Unternehmungskulturen der Kulturverträglichkeit der Netzwerkunternehmungen besondere Bedeutung zukommt.
Wird berücksichtigt, dass in einem Wertschöpfungsnetzwerk die beteiligten Unternehmungen entlang der Wertschöpfungskette kooperieren, wird es vor allem auf den Fit der Kulturen bei jenen Unternehmungen ankommen, die in direkter Leistungsbeziehung entlang der Wertschöpfungskette stehen, um die Koordination dieser Leistungsbeziehung zu erleichtern. Handelt es sich dabei um Unternehmungen mit ausgeprägten Subkulturen, so ist spezielles Augenmerk auf jene Organisationseinheiten zu legen (Bsp.: Einkauf und Vertrieb), die am engsten Zusammenarbeiten. Um die notwendige Flexibilität des Wertschöpfungsnetzwerkes sicherzustellen, sollte die Netzwerkkultur wandlungsfähig und jederzeit offen für die Aufnahme neuer Partnerunternehmungen sein. Deren Integration dürfte sich umso schwieriger gestalten, je größer die Verankerungstiefe der Kultur ist.
3.5 Zusammenfassung und spezielle Forschungsfragen 3.5.1 Zusammenfassende Betrachtung Ziel des vorangegangenen Kapitels war die Darlegung von Grundlagen zur Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken. Dazu wurde zunächst der Begriff Management dargestellt, welcher in diesem Zusammenhang funktional zu sehen ist und die grundlegenden Funktionen Gestaltung, Lenkung und Entwicklung umfasst, welche auf normativer, strategischer und operativer Ebene zum Einsatz kommen.
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
103
Da Wertschöpfungsnetzwerke Unternehmungsnetzwerke sind, wurde zuerst auf das Management in Unternehmungsnetzwerken eingegangen, welches in zwei Ebenen untergliedert werden kann: in das Management des Unternehmungsnetzwerkes selbst (Analyse der Umwelt, Selektion, Allokation, Regulation und Evaluation) und in das Management der Leistungserstellung (Akquirieren, Konfigurieren, Durchführen und Auflösen). Diese Ebenenbetrachtung wurde auf Wertschöpfungsnetzwerke ausgedehnt: Das Management des Wertschöpfungsnetzwerkes befasst sich – ausgehend von einer Analyse der Wertschöpfungskette der zu erstellenden Leistungen – mit der Auswahl der Systemelemente, der Gestaltung der Zusammenarbeit, der Vereinbarung von Regeln und der Verteilung des Nutzens. Das Management des Wertschöpfungsprozesses hat das geschaffene Leistungspotenzial umzusetzen, den Leistungserstellungsprozess zu konfigurieren und die in den beteiligten Unternehmungen durchgeführten Wertschöpfungsprozesse zu koordinieren. Die Strategie, die Struktur und die Kultur wurden in weiterer Folge als die zentralen Gestaltungsdimensionen im Zuge des Managements von Wertschöpfungsnetzwerken identifiziert. Diese drei Dimensionen wurden anschließend ausführlich erörtert, beginnend mit der Strategie. Dazu wurden zunächst marktorientierte und ressourcenorientierte Strategieansätze vorgestellt und der Strategiebegriff im Zusammenhang mit Unternehmungsnetzwerken erörtert. Dabei wurde gezeigt, dass sehr wohl beide Ansätze für die Vernetzung von Unternehmungen relevant sind und dass die Vereinbarkeit der Strategien der Partnerunternehmung von Bedeutung ist. Der Strukturbegriff wurde unter Zuhilfenahme der Dimensionen der Organisationsstruktur nach KIESER/KUBICEK erörtert, weiters wurden die Überlegungen in Zusammenhang mit Netzwerken gebracht, wobei auch auf die entstehenden Verflechtungen hingewiesen wurde. Auch hier spielt der „Fit“ der Strukturen der Partnerunternehmungen eine Rolle. Schließlich wurde der Begriff der Organisations- bzw. Unternehmungskultur auf Basis der Ebenen und Dimensionen nach SCHEIN dargestellt. Darauf aufbauend wurde die Rolle der Organisationskultur in Wertschöpfungsnetzwerken erörtert. Dabei wurde identifiziert, dass diese einen wesentlichen Erfolgsfaktor für das Gelingen der Zusammenarbeit darstellt und dass neben dem kulturellen „Fit“ der Netzwerkunternehmungen ein verstärktes Augenmerk auf die Überwindung von Kulturunterschieden
104
Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
gelegt werden muss. Als ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Netzwerkerfolg wurde schließlich Vertrauen identifiziert. Abgeschlossen wurde dieses Kapitel mit einer Darstellung der Zwei-EbenenArchitektur der Kultur eines Wertschöpfungsnetzwerkes.
3.5.2 Spezielle Forschungsfragen Aus den Ausführungen der vorangegangenen Kapitel, welche prioritär die Aufarbeitung der relevanten Grundlagen zum Inhalt hatten, und unter Einbeziehung der allgemeinen Forschungsfragen lassen sich folgende spezielle Forschungsfragen für die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema ableiten: •
Wodurch ist ein gekennzeichnet?
•
Welche Aspekte ergeben sich aus Sicht des Wissensmanagements für die Gestaltungsdimensionen Strategie, Struktur und Kultur?
•
Lässt sich ein Vorgehensmodell entwickeln, mit dem ein Wertschöpfungsnetzwerk wissensorientiert gestaltet werden kann?
Wissensmanagement
in
Wertschöpfungsnetzwerken
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
4 Wissensmanagement netzwerken
in
105
Wertschöpfungs-
Dieses Kapitel widmet sich dem Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken, dem zweiten Schwerpunkt der Arbeit. Dazu werden zunächst die relevanten Grundlagen aufgearbeitet und die erforderlichen Begriffsabgrenzungen vorgenommen, wozu wiederum die Systemtheorie herangezogen wird. Anschließend wird spezifisch auf die Bedeutung von Strategie, Struktur und Kultur im Zusammenhang mit Wissen und Wissensmanagement eingegangen, wodurch eine Verbindung zu den Gestaltungsdimensionen von Netzwerken hergestellt wird. Abgeschlossen wird mit einem Abschnitt über Wissensmanagement und Wissensorientierung in Wertschöpfungsnetzwerken, wiederum spezifisch im Kontext der Gestaltungsdimensionen und aufbauend auf die zuvor erörterten Sachverhalte.
4.1 Grundlagen und Begriffe zum Wissensmanagement Ziel dieses Abschnittes ist, die notwendigen Grundlagen zum Thema Wissensmanagement aufzubereiten. Dabei soll nicht den unzähligen Begriffsdefinitionen zu Wissen oder Wissensmanagement eine weitere hinzugefügt werden, sondern es soll vielmehr an die bislang am Institut für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung der TU Graz eingereichten Dissertationen angeknüpft werden.
4.1.1 Wissen Grundlegende Definition Mit dem Begriff „Wissen“ haben sich unzählige Wissenschaftler der unterschiedlichsten Disziplinen und Fachrichtungen wie beispielsweise der Philosophie, Psychologie oder der Soziologie beschäftigt.323 Dementsprechend vielfältig sind auch die Zugänge zu diesem Begriff und die daraus abgeleiteten Definitionen. Einen Überblick über unterschiedliche Definitionen zum Begriff Wissen geben beispielsweise ROMHARDT324 oder auch HARTLIEB325.
323 324 325
Vgl. WILLFORT, R.: Wissensmanagement mit Innovationsdienstleistungen – Externe Leistungspotenziale zur Stärkung der Wissensbasis, Wiesbaden 2001, S. 51ff. Vgl. ROMHARDT, K.: Die Organisation aus der Wissensperspektive, Wiesbaden 1998 Vgl. HARTLIEB, E.: Wissenslogistik – Effektives und effizientes Management von Wissensressourcen, Wiesbaden 2002, S. 44f.
106
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Dieser Arbeit soll die folgende Definition zugrunde gelegt werden, die von PERITSCH326 ausgearbeitet wurde: „Wissen umfasst sämtliche kognitive Strukturen, d.h. theoretische Kenntnisse, Erfahrungen, praktischen Hausverstand, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die in das Verhalten und Handeln einfließen und dieses mitbestimmen. Wissen entsteht als individueller Prozess durch Veränderung kognitiver Strukturen und wird für einen Beobachter nur in konkreten Handlungen sichtbar.“ Wissen ist nur ein Abbild der Realität, es ist immer an Personen gebunden, vom jeweiligen Kontext abhängig und entsteht durch Tun.327 Daten, Information und Wissen Begriffe, die – gerade, wenn es um den Einsatz von IuK-Technolgien geht – klar vom Begriff „Wissen“ abgegrenzt werden müssen, sind „Daten“ und „Information“. Daten328 Daten können aus einzelnen Zeichen oder aus einer Folge von Zeichen (Buchstaben, Ziffern, Sonderzeichen) bestehen, die in einem sinnvollen (bekannten oder unterstellten) Zusammenhang stehen und einer Ordnungsregel (einem Code oder einer Syntax) folgen. Daten sind noch nicht interpretiert, es kann noch keine Aussage über den Verwendungszweck getroffen werden. Information und Wissen Im Zuge der Differenzierung von Wissen und Information können eine statische Sichtweise sowie eine prozessuale Sichtweise unterschieden werden:329 Statische Sichtweise von Information und Wissen330 Der statische Ansatz betrachtet Wissen als Objekt und Information als eine Zustandsgröße, wodurch eine Hierarchie der Begriffe „Daten“, „Information“ und „Wissen“ aufgestellt werden kann (Abbildung 4.1).
326
Vgl. PERITSCH, M.: Wissensbasiertes Innovationsmanagement – Analyse – Gestaltung – Implementierung, Wiesbaden 2000, S. 30 sowie die dort zitierte Literatur 327 Vgl. HARTLIEB, E.: Wissenslogistik – Effektives und effizientes Management von Wissensressourcen, Wiesbaden 2002, S. 50 328 Vgl. REHÄUSER, J.; KRCMAR, H.: Wissensmanagement im Unternehmen, in: SCHREYÖGG, G.; CONRAD, P. (Hrsg.): Wissensmanagement, Berlin, New York 1996, S. 3f. sowie NORTH, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, 3. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 38 329 Vgl. HARTLIEB, E.: a. a. O., S. 40ff. 330 Vgl. REHÄUSER, J.; KRCMAR, H.: a. a. O., S. 38f.
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Aktionär wählt zwischen den Optionen Kaufen, Verkaufen und Halten
Intelligentes Handeln
107
Durch das Einbeziehen von Wissen in eine Entscheidungssituation verfügt man über einen größeren Handlungsspielraum
Wissen Marktmechanismen des Aktienmarktes, Situation der Unternehmung XY etc.
Information
Aktienkurs der Unternehmung XY = 1,70
Daten 1,70
Zeichen "1", "7", "0" und ","
Informationen werden mit gespeicherten Wissenselementen vernetzt und in einen Erfahrungskontext eingebaut Die codierten Beobachtungen werden im jeweils situativen Handlungskontext interpretiert Beobachtungen werden unter Anwendung von Syntax-Regeln codiert Zeichenvorrat
Abbildung 4.1: Zeichen – Daten – Information – Wissen331
Prozessuale Sichtweise von Information und Wissen332 Die prozessuale Sichtweise sieht Information als einen Prozess des Informierens, der aus Daten durch Einordnung in einen individuellen Kontext Wissen entstehen lässt. Wissen ist demnach nicht ein Objekt, sondern das Ergebnis eines Prozesses. Diese Arbeit schließt sich der prozessualen Sichtweise der Begriffe Daten, Information und Wissen an. Demnach gibt es lediglich eine Unterscheidung zwischen den Begriffen Wissen und Daten. Daten werden durch den Prozess der Information und durch die Einordnung in einen Kontext in Wissen übergeführt. Strukturierung von Wissen Eine systematische Strukturierung von Wissen kann nach vielerlei Kriterien durchgeführt werden (siehe dazu beispielsweise PERITSCH333). In Anlehnung an TUPPINGER334 und die dort zitierte Literatur soll hier Wissen nach der Wissenspsychologie, der Artikulierbarkeit und dem Wissensträger strukturiert werden (Abbildung 4.2):
331 332 333 334
PERITSCH, M.: Wissensbasiertes Innovationsmanagement – Analyse – Gestaltung – Implementierung, Wiesbaden 2000, S. 13, in Anlehnung an REHÄUSER, J.; KRCMAR, H.: a. a. O., S. 3ff. Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 45 Vgl. PERITSCH, M.: a. a. O., S. 18ff. Vgl. TUPPINGER, J.: a. a. O., S. 23ff. und die dort zitierte Literatur
108
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken Wissenspsychologie Wissensträger
Prozedurales Wissen („Können“) Deklaratives Wissen („Kennen“)
Kollektives Wissen Individuelles Wissen Implizites Wissen
Explizierbares Wissen
Artikulierbarkeit
Abbildung 4.2: Strukturierung des Wissens (in Anlehnung an SCHEUBLE335)
Strukturierung nach der Wissenspsychologie •
Deklaratives Wissen bezieht sich auf Tatsachen (Vorgänge, Sachverhalte etc.) und wird auch als kenntnisgebundenes Wissen (Kennen) oder als „Knowing that“ bezeichnet.
•
Prozedurales Wissen hingegen betrifft die Art, wie kognitive Prozesse ausgeführt werden, es wird auch als Prozesswissen (Können) bzw. auch als „Knowing how“ bezeichnet.
Strukturierung nach der Artikulierbarkeit •
Explizierbares Wissen ist Wissen, das bewusst und artikulierbar ist. Der Wissende weiß darüber und kann darüber sprechen.
•
Implizites Wissen ist dem Wissenden unbewusst und ist nicht bzw. nur mit sehr hohem Aufwand (bspw. durch spezielle Frage- oder Beobachtungstechniken) erfassbar und somit artikulierbar.
Strukturierung nach dem Wissensträger
335
•
Individuelles Wissen ist das Wissen eines einzelnen Menschen, welches von einem spezifischen Kontext weitestgehend losgelöst ist und dessen Verfügbarkeit vom jeweiligen Wissensträger abhängig ist.
•
Kollektives Wissen ist im Gegensatz dazu Wissen, das nur innerhalb einer gewissen Umgebung bzw. Organisation (Team, Unternehmung etc.) von Bedeutung ist. Dazu zählt einerseits Wissen unterschiedlicher Menschen, das
Vgl. SCHEUBLE, J. R.: Wissen und Wissenssurrogate – eine Theorie der Unternehmung, Wiesbaden 1998
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
109
nur in Kombination zu zielgerichteten Handlungen führt, und anderseits Wissen, das allen Mitgliedern eines Kollektivs eigen ist. Die organisationale Wissensbasis336 In Zusammenhang mit individuellem und kollektivem Wissen ist auch der Begriff der organisationalen Wissensbasis von Bedeutung (siehe Abbildung 4.3). Zunächst kann von organisationalem Wissen gesprochen werden, wenn Organisationsmitglieder ihr Wissen als Einzelne (individuelles Wissen) oder in Kombination mit anderen Mitgliedern (kollektives Wissen) zu Handlungen im Sinne der Organisationsziele einsetzen.
von allen geteiltes Wissen
kollektives Wissen durch Kombination von individuellem Wissen der Organisation zugänglich
individuelles Wissen der Organisation nicht zugänglich
Abbildung 4.3: Die organisationale Wissensbasis337
Die organisationale Wissensbasis stellt eine Erweiterung dar und ist als ein Potenzial zu verstehen, welches eingesetzt werden könnte. Dazu zählen auch jenes individuelle Wissen, das der Organisation nicht zugänglich ist, sowie Kombinationen von individuellem Wissen, die noch nicht bestehen. Der Datenbestand, der in einer Organisation vorhanden ist, zählt nicht zur organisationalen Wissensbasis.
336 337
Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 26f. TUPPINGER, J.: a. a. O., S. 27
110
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
4.1.2 Wissensmanagement Auf Basis der im vorangegangenen Abschnitt gegebenen Definition des Begriffs Wissen soll an dieser Stelle der Begriff Wissensmanagement präzisiert werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Wissensmanagement nicht das Management von Wissen ist; es handelt sich dabei vielmehr um ein Führungsinstrument zur zielgerichteten Gestaltung, Lenkung und Entwicklung einer Organisation unter dem speziellen Aspekt „Wissen“. Wissensmanagement hat Rahmenbedingungen zu schaffen, damit individuelles Wissen entsteht, vernetzt wird und in entsprechende Handlungen umgesetzt wird. Systemorientierung im Wissensmanagement In weiterer Folge soll auch für das Wissensmanagement die Systemorientierung zur Anwendung kommen. Dazu soll zunächst der Begriff Wissenssystems eingeführt werden.
T2
P2
P1 T3 T1
P3
Systemgrenze
P1, P2, P3
... Personen als Wissensträger
T1, T2, T3
... Tools als datentechnische Einrichtungen
Abbildung 4.4: Das Wissenssystem nach WOHINZ338
338
Vgl. WOHINZ, J. W.: Knowledge Systems Design, in: BORNEMANN, M.; SAMMER, M. (Hrsg.): Anwendungsorientiertes Wissensmanagement, Wiesbaden 2002, S. 37
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
111
Das Wissenssystem nach WOHINZ339 (Abbildung 4.4) als spezifische Ausprägung eines (industriellen) Arbeitssystems ist ein soziotechnisches System. Als Zweck eines Wissenssystems kann die Bereitstellung jenes Wissens, das zur Erfüllung einer Arbeitsaufgabe im Wertschöpfungssystem erforderlich ist, gesehen werden.340 In einem Wissenssystem stehen Personen und technische Systemelemente zueinander in Beziehung, es kann somit in ein technisches und in ein soziales Teilsystem untergliedert werden: Das technische Subsystem Das technische Subsystem repräsentiert die Summe aller datentechnischen Einrichtungen. Es umfasst die gesamte IuK-Infrastruktur sowie alle anderen technischen Einrichtungen wie Betriebsmittel etc. Das soziale Subsystem Das soziale Subsystem wird durch die Personen als Wissensträger gebildet, welche miteinander und mit dem technischen Subsystem in Verbindung stehen. Dieses soziale Subsystem stellt in einem soziotechnischen System den eigentlichen Unsicherheits-(Unbestimmbarkeits-)Faktor dar, da bei einem gegebenen Input der Output nicht vorhergesagt werden kann.341 Der Entwerfer sozialer Systeme hat es nämlich mit „Menschen als Elemente zu tun, die selbst lebensfähige Systeme mit hoher Verhaltensvarietät sind und überdies einen Selbstwert besitzen, der es nicht zulässt, dass ihre Selbstbestimmung des Verhaltens auf Null reduziert wird.“342
In Anwendung der Systemtheorie kann Wissensmanagement nach WOHINZ als „das Management von Wissenssystemen“343 verstanden werden, wobei der Begriff Management in den Funktionen Gestaltung, Lenkung und Entwicklung zu sehen ist. Diese Definition soll im Zuge der vorliegenden Arbeit angewendet werden.
339 340 341
342 343
Vgl. WOHINZ, J. W.: Knowledge Systems Design, in: BORNEMANN, M.; SAMMER, M. (Hrsg.): Anwendungsorientiertes Wissensmanagement, Wiesbaden 2002, S. 37 Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 40 Siehe dazu das Prinzip der nicht trivialen Maschine, beispielsweise bei Janes: JANES, A.: Abschied von der trivialen Maschine – über Kausalität und Objektivität bei der Steuerung betrieblicher Leistungsprozesse, WING (10) 1992, S. 18-23 ULRICH, H.; PROBST, G. J. B.: Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln, Bern, Stuttgart 1988, S. 260 Vgl. WOHINZ, J. W.: a. a. O., S. 37
112
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Das Modell überlappender Systeme nach WOHINZ344 Für weiterführende Überlegungen zum Wissensmanagement kann nun das System Unternehmung in die beiden Teilsysteme Wissenssystem und Wertschöpfungssystem untergliedert werden: Das Wertschöpfungssystem (siehe dazu auch Kap. 2.3.4) wird durch Personen – als Aufgabenträger – in einem sozialen Subsystem und Tools – als technische Einrichtungen – in einem technischen Subsystem gebildet. In diesem Wertschöpfungssystem können die Prozesse einer Unternehmung abgebildet werden, und ein Input wird in einen Output übergeführt. Im Zuge der Kombination der Produktionsfaktoren im Wertschöpfungssystem ist auch der Einsatz von Wissen erforderlich. Wissen kann somit als eigenständiger Produktionsfaktor betrachtet werden, der ebenfalls als Input in die Leistungserstellung eingeht.345 (Eine ausführliche Darstellung zur Rolle von Wissen als Produktionsfaktor und eine Gegenüberstellung findet sich bei REHÄUSER/KRCMAR346).
WISSENSSYSTEM T2 T1 P2
P1, P2 ......... Wissensträger T1, T2, T3 ... Informationstechnische Einrichtungen
T3
Systemgrenzen
P1
P1, P3 ......... Aufgabenträger T3, T4, T5 ... Leistungseinrichtungen
T4
T5
P3
WERTSCHÖPFUNGSSYSTEM
Abbildung 4.5: Das Modell überlappender Systeme nach WOHINZ347
344 345
346 347
Vgl. WOHINZ, J. W.: Knowledge Systems Design, in: BORNEMANN, M.; SAMMER, M. (Hrsg.): Anwendungsorientiertes Wissensmanagement, Wiesbaden 2002, S. 38ff. Vgl. REHÄUSER, J.; KRCMAR, H.: Wissensmanagement im Unternehmen, in: SCHREYÖGG, G.; CONRAD, P. (Hrsg.): Wissensmanagement, Berlin, New York 1996, S. 9ff. oder auch NORTH, K.: NORTH, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, 3. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 65 Vgl. REHÄUSER, J.; KRCMAR, H.: a. a. O., S. 9ff. WOHINZ, J. W.: a. a. O., S. 41
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
113
Das Wertschöpfungssystem steht nun mit dem zuvor beschriebenen Wissenssystem in Verbindung, da dieses das zur Erfüllung der Arbeitsaufgabe erforderliche Wissen bereitstellt. Dabei werden einzelne Personen bzw. technische Einrichtungen sowohl im Wertschöpfungssystem als auch im dafür relevanten Wissenssystem enthalten sein – beispielsweise, wenn der Aufgabenträger auch Wissensträger ist –, was in der Bezeichnung „überlappende Systeme“ zum Ausdruck gebracht wird und in Abbildung 4.5 durch die Schnittmenge der beiden Ellipsen dargestellt wird. Diese Überlappung wird zumeist nicht vollständig, sondern nur partiell festzustellen sein. Das ist auf jene Systemelemente zurückzuführen, die spezifisch nur einem der beiden Systeme zuzuordnen sind. Für die Gestaltung von Wissenssystemen sind in weiterer Folge die Beziehungen zwischen den Systemelementen sowohl im Wissenssystem selbst als auch zwischen Wissenssystem und dem überlappenden Wertschöpfungssystem von Interesse. Transferbeziehungen im Wissenssystem Im Wissenssystem lassen sich zunächst vier Arten direkter bilateraler Beziehungen identifizieren (siehe Abbildung 4.6), welche hier näher erörtert werden sollen:
nach
Datentransfer
Information
Dokumentation
Face to faceKommunikation
von
Abbildung 4.6: Direkte, bilaterale Beziehungen zwischen den Elementen eines Wissenssystems
114
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Datentransfer348 Die Transferbeziehung zwischen zwei datentechnischen Einrichtungen wird durch den Begriff „Datentransfer“ beschrieben. Dieser kann über verschiedenste Trägermedien (Sprache, Schrift, Zeichnungen, elektronische Medien etc.) erfolgen, der modernen IuK-Technologie kommt dabei eine wesentliche, unterstützende Rolle zu. Dokumentation349 Der Prozess der Dokumentation beschreibt die Transferbeziehung von einer Person zu einer datentechnischen Einrichtung. Im Zuge dessen wirkt ein Individuum auf eine datentechnische Einrichtung ein (beispielsweise durch Sprache oder durch mechanische Kräfte zum Bedienen einer Tastatur), und es werden Daten in Form von Zahlen, Sprache, Text oder Bildern etc. erzeugt; dabei wird Wissen externalisiert. Diese Daten können im technischen Subsystem gespeichert und/oder transferiert werden. Information350 Der umgekehrte Fall wird durch den Prozess der Information beschrieben: Daten in beliebiger Form werden in Signale codiert, von einer Person wahrgenommen und lösen den persönlichen Prozess der Information aus. Durch Einordnung der Daten in den individuellen Kontext kann auf diese Weise Wissen entstehen. Face to face-Kommunikation351 Treten zwei Personen direkt miteinander in Kontakt, wird von „face to face“ bzw. direkter zwischenmenschlicher Kommunikation gesprochen.
Zwei Individuen können im Wissenssystem jedoch auch indirekt über das technische Subsystem in Kontakt treten:352 •
348 349
350 351 352
Das kann einerseits zeitlich und eventuell auch örtlich entkoppelt durch die Prozesse der Dokumentation und Information erfolgen; eine Person als Sender wirkt auf das technische Subsystem ein, und Daten werden erzeugt. Diese
Vgl. HARTLIEB, E.: Wissenslogistik – Effektives und effizientes Management von Wissensressourcen, Wiesbaden 2002, S. 86 Vgl. HARTLIEB, E.: a. a. O., S. 86; TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 45 sowie die dort zitierte Literatur Vgl. HARTLIEB, E.: a. a. O., S. 86 sowie TUPPINGER, J.: a. a. O., S. 45 Vgl. HARTLIEB, E.: a. a. O., S. 90ff. sowie die dort zitierte Literatur Vgl. HARTLIEB, E.: a. a. O., S. 94ff.
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
115
Daten können gespeichert und transferiert werden und vom Empfänger anschließend im Zuge der Information wahrgenommen werden. •
Andererseits kann diese indirekte Transferbeziehung rein örtlich entkoppelt ablaufen, dann kommt der Begriff der Telekommunikation (Telefongespräch, Videokonferenz etc.) zur Anwendung.
Wissenstransfer Aus der Sicht des Wissensmanagements ist nun von Interesse, ob im Zuge des Kontaktes zweier Individuen – sei es direkt oder auch indirekt – Wissen „transferiert“ wird. HARTLIEB definiert den Begriff Wissenstransfer wie folgt: „Durch einen Wissenstransfer wird ein Wissens-Bedarf durch das vorhandene Wissens-Angebot befriedigt. Ein Wissenstransfer hat stattgefunden, wenn der WissensEmpfänger ein prinzipiell ähnliches Verständnis vom Wissens-Inhalt hat wie der Wissens-Sender.“353 In weiterer Folge führt HARTLIEB354 eine Differenzierung zwischen direktem und indirektem Wissenstransfer ein, welche hier kurz erläutert werden soll – für weiterführende Überlegungen sei auf die Originalquelle verwiesen: Direkter Wissenstransfer Voraussetzung für einen direkten Wissenstransfer ist das Stattfinden einer Face to face-Kommunikation. Dabei wird das zu transferierende Wissen von der sendenden Person in Form von Signalen codiert, diese werden vom Empfänger wahrgenommen. Der Empfänger kann daraus nun Wissen generieren, indem er die Signale decodiert. Darunter ist die persönliche Interpretation der Signale in Abhängigkeit vom individuellen Kontextwissen zu verstehen. Indirekter Wissenstransfer Der indirekte Wissenstransfer findet nicht im Zuge einer Face to face-Kommunikation statt, sondern läuft über das technische Subsystem ab. Analog zu der oben beschriebenen indirekten Beziehung zwischen zwei Personen über das technische Subsystem kann hier zwischen •
353 354
Wissenstransfer durch Dokumentation und Information sowie
HARTLIEB, E.: Wissenslogistik – Effektives und effizientes Management von Wissensressourcen, Wiesbaden 2002, S. 84 Vgl. HARTLIEB, E.: a. a. O., S. 87ff.
116 •
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken Wissenstransfer durch Telekommunikation
unterschieden werden. Beziehungen zwischen Wissenssystem und Wertschöpfungssystem Da das Wissenssystem das für die Erfüllung der Arbeitsaufgabe im Wertschöpfungssystem erforderliche Wissen bereitzustellen hat, sollen hier die Beziehungen zwischen dem Wissens- und dem Wertschöpfungssystem erörtert werden. Nach WOHINZ355 sind diese beiden unmittelbar miteinander verknüpft, und es kann eine enge Wechselbeziehung festgestellt werden (Abbildung 4.7): Einerseits setzt zielorientiertes Handeln im Wertschöpfungssystem entsprechendes Wissen voraus, andererseits ergeben sich aus dem konkreten Handeln heraus Anstöße für Lernprozesse, sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene.
WISSENSSYSTEM
INPUT
OUTPUT
WERTSCHÖPFUNGSSYSTEM
WISSEN KÖNNEN ermöglicht zielorientiertes HANDELN
HANDELN ermöglicht individuelles organisationales LERNEN
Abbildung 4.7: Der Zusammenhang zwischen Wertschöpfungs- und Wissenssystem356
Wenn das für Handlungen erforderliche Wissen im Wertschöpfungssystem vorhanden ist, sind Wissenssystem und Wertschöpfungssystem deckungsgleich.357 Ist dies jedoch nicht der Fall, so ist Wissen vom Wissenssystem in das Wertschöpfungssystem zu transferieren. Da ein Wissenstransfer nur zwischen zwei Personen stattfinden kann, sind die beteiligten Systemelemente die gleichen wie beim Wissenstransfer im Wissenssystem selbst. Damit kommen dieselben Gedanken zur Anwendung, wie zuvor erörtert.
355 356 357
Vgl. WOHINZ, J. W.: Industrielles Management – Das Grazer Modell, Graz, Wien 2003, S. 314 WOHINZ, J. W.: a. a. O., S. 314 Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 40.
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
117
4.1.3 Zur Bedeutung von Wissen und Wissensmanagement Zum Abschluss der Grundlagen über Wissen bzw. Wissensmanagement sollen noch ausgewählte empirische Ergebnisse vorgelegt werden, welche die praktische Relevanz dieser beiden Begriffe speziell in Industrieunternehmungen belegen. Eine empirische Erhebung, die 2003 unter Österreichs Industrieunternehmungen – unter anderem mit dem Ziel, den Status quo im Wissensmanagement zu ermitteln – durchgeführt wurde, hat ergeben, dass Wissensmanagement eine hohe Bedeutung zugesprochen wird (Abbildung 4.8). Über 80 % der befragten Unternehmungen messen dem Wissensmanagement eine hohe bzw. sehr hohe Bedeutung bei.
45,1% 37,3%
15,7% 2,0% sehr hoch
niedrig
Abbildung 4.8: Bedeutung des Themas Wissensmanagement358
Wird die Bedeutung des Produktionsfaktors Wissen über ausgewählte Bereiche selbst betrachtet, so ist erkennbar, dass dem Wissen über diese Bereiche generell eine hohe Bedeutung eingeräumt wird, wobei dem Wissen über Kunden und die eigenen Produkte bzw. Dienstleistungen ein besonders hoher Stellenwert zuerkannt wird (Abbildung 4.9).
358
WOHINZ, J. W.; TUPPINGER, J.; LEITNER, W.; RITSCH, K.: Aktuelle Managementkonzepte in der Industrie – Ergebnisse einer empirischen Erhebung, Graz 2003, S. 21
118
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken Bedeutung von Wissen Verfügbarkeit von Wissen Kunden Eigene Produkte und Dienstleistungen Markttrends Eigene Stärken / Schwächen Interne Abläufe und Arbeitsverfahren Mitbewerber Neue Technologien sehr hoch
niedrig
Abbildung 4.9: Bedeutung und Verfügbarkeit des Produktionsfaktors „Wissen“359
Deutlich erkennbar ist aber auch die in allen Bereichen vorhandene Diskrepanz zwischen Bedeutung und Verfügbarkeit von Wissen. Diese ist bei Kunden, Markttrends und Mitbewerbern besonders ausgeprägt. Alle drei Faktoren betreffen direkt den Markt und sind somit Ausgangspunkt der unternehmerischen Aktivitäten. Über die eigenen Produkte bzw. Dienstleistungen wissen die Unternehmungen hingegen sehr gut Bescheid; daraus lässt sich schließen, dass das Wissen über die (internen) Prozesse bzw. über die eigenen Stärken und Schwächen vorhanden und bewusst ist.360 Eine Studie von McKinsey hat ergeben, dass Wissensmanagement wesentlich zum Erhalt und zur Entwicklung der immateriellen Werte einer Unternehmung und zum Unternehmungserfolg beiträgt. Demnach ist der Unternehmungswert von Unternehmungen mit einem „guten“ Wissensmanagement im Schnitt um 50 % höher als bei Unternehmungen mit einem wenig erfolgreichen Wissensmanagement. Erstere weisen eine durchschnittlich höhere Rendite sowie ein stärkeres Rendite- und Umsatzwachstum auf.361
359 360 361
WOHINZ, J. W.; TUPPINGER, J.; LEITNER, W.; RITSCH, K.: Aktuelle Managementkonzepte in der Industrie – Ergebnisse einer empirischen Erhebung, Graz 2003, S. 20 Vgl. LEITNER, W.; RITSCH, K.: Aktualität von Managementkonzepten – Auszug aus einer empirischen Erhebung in der Industrie, in : WING business 3/2003, S. 11 Vgl. STEIN, W.: Best Practice im Wissensmanagement – Ergebnisse einer internationalen Untersuchung und Erfahrungen aus dem Berateralltag, in: HUNGENBERG, H.; MEFFERT, J. (Hrsg.): Handbuch Strategisches Management, Wiesbaden 2003, S. 867f.
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
119
4.2 Zur Bedeutung von Strategie, Struktur und Kultur im Wissensmanagement In Kapitel 3 wurden Strategie, Struktur sowie Kultur als die wesentlichen Gestaltungsdimensionen von Wertschöpfungsnetzwerken identifiziert und vorgestellt. Ziel dieses Abschnitts ist es zu zeigen, dass diese Dimensionen auch für ein erfolgreiches Wissensmanagement von grundlegender Bedeutung sind. So ist die erfolgreiche Einführung von Wissensmanagement in einer Unternehmung nach BULLINGER/WÖRNER/PRIETO362 zu 80 % organisatorischen und kulturellen und lediglich zu 20 % technologischen Ursprungs. BLEICHER363 weist darauf hin, dass der Übergang zur Wissensgesellschaft neue Strategien, Strukturen und Kulturen erfordert und stellt diese drei Dimensionen damit ebenfalls in den Vordergrund. Einen empirischen Beleg liefern BAUMGARTEN/THOMS364. Im Zuge einer 2002 in Deutschland durchgeführten Studie wurde ermittelt, dass klare Zieldefinitionen – und damit die Strategie –, Wissensmanagement-Strukturen und -Prozesse, Top-Management-Unterstützung sowie die Unternehmungskultur als die vier wichtigsten Faktoren für ein erfolgreiches Wissensmanagement angesehen werden.
4.2.1 Strategie Mit der Entscheidung für eine bestimmte Strategie wird festgelegt, in welchen Geschäftsfeldern, wie und mit welchen Ressourcen eine Organisation tätig sein wird. (siehe Kap. 3.2). Damit werden auch grundlegende Festlegungen getroffen, welches Wissen dafür erforderlich sein wird.
362 363
364
Vgl. BULLINGER, H.-J.; WÖRNER, K.; PRIETO, J.: Wissensmanagement – Modelle und Strategien für die Praxis, in: BÜRGEL, H. D. (Hrsg.): Wissensmanagement, Berlin et al. 1998, S. 38 Vgl. BLEICHER, K.: Paradigmawechsel zur Wissensgesellschaft – Veränderte Spielregeln erfordern neue Strategien, Strukturen und Kulturen, in: BLEICHER, K.; BERTHEL, J. (Hrsg.): Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft: Veränderte Strategien, Strukturen und Kulturen, Frankfurt 2003, S. 57ff. Vgl. BAUMGARTEN, H.; THOMS, J.: Trends und Strategien in der Logistik – Supply Chains im Wandel, Berlin 2002, S. 91
120
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Wissen als strategische Ressource und Wettbewerbsfaktor Wird die Rolle, die Wissen im Wertschöpfungsprozess spielt, betrachtet, wird Wissen damit gleichsam zur strategischen Ressource365 und zu einem strategischen Wettbewerbsfaktor.366 Diesbezüglich lassen sich zwei Sichtweisen – der umweltbezogene Ansatz und der ressourcenorientierte Ansatz – unterscheiden, welche in Anlehnung an NORTH367 und die dort zitierte Literatur wie folgt beschrieben werden können: •
Der umweltbezogene Ansatz postuliert, dass sich Wettbewerbsvorteile dadurch ergeben können, dass einzelne Unternehmungen Informations- und Wissensvorsprünge gegenüber der Konkurrenz haben, wodurch sie Marktchancen früher als diese erkennen können und – da sie über die dafür notwendige Kompetenz verfügen – auch in Geschäfte umsetzen können.
•
Der ressourcenorientierte Ansatz hingegen geht davon aus, dass sich ein Wettbewerbsvorteil aufgrund von Ressourcen ergeben kann, die nicht oder nur eingeschränkt mobil und/oder imitierbar sind. Das trifft auch auf die Ressource Wissen zu, welche sich beispielsweise – in dokumentierter Form – mittels Patenten schützen lässt oder an Personen – hier vor allem das implizite Wissen – gebunden ist, welcher einer Organisation angehören.
Der ressourcenorientierte Ansatz fügt sich unmittelbar in die ressourcenorientierten Erklärungsansätze für die Entstehung von Unternehmungsnetzwerken ein und lässt sich direkt aus den ressourcenorientierten Strategieansätzen und dem Kernkompetenz-Konzept ableiten (siehe Kap. 3.2.2). Diese Weiterentwicklung bzw. Abwandlung des ressourcenorientierten Ansatzes wird auch als der wissensbasierte (Strategie-)Ansatz (Knowledge based view) bezeichnet.368 Der strategische Vorteil wird im Zuge dieser Sichtweise zum überwiegenden Teil auf die schwere Imitierbarkeit und schwere Transferierbarkeit der Ressource Wissen – die bekanntlich an Personen gebunden ist – zurückgeführt.369 365
366 367 368 369
Vgl. VON KROGH, G.; GRAND, S.: Vom Wissensmanagement zur Wissensstrategie, in: HUNGENBERG, H.; MEFFERT, J. (Hrsg.): Handbuch Strategisches Management, Wiesbaden 2003, S. 846 sowie Vgl. NORTH, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, 3. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 65 Vgl. NORTH, K.: a. a. O., S. 65f. Vgl. MÜLLER STEWENS, G.; LECHNER, Ch.: Strategisches Management, 2. Aufl., Stuttgart 2003, S. 362 Vgl. WIRTZ, B. W.: Wissensmanagement und kooperativer Transfer immaterieller Ressourcen in virtuellen Organisationsnetzwerken, in: ZfB Ergänzungsheft 2/2000, S. 102f.
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
121
Der wissensbasierte Ansatz postuliert weiters, dass strategische Entscheidungen einer Unternehmung unter Beachtung ihrer Wissensbasis zu treffen sind und Wissen die zentrale und oft einzige strategische Ressource einer Organisation ist.370 Strategische Wissensziele und strategisches Wissensmanagement Wurde Wissen zuvor als strategische Ressource in einer Organisation identifiziert, erscheint es angebracht, sich im Zuge strategischer Überlegungen damit auseinanderzusetzen. Das Wissensmanagement bekommt eine strategische Komponente – das strategische Wissensmanagement. In diesem Zusammenhang hebt WILDEMANN371 die Bedeutung von Wissensmanagement als gezielte Auseinandersetzung mit der Ressource Wissen als strategischen Erfolgsfaktor hervor; Wissen wird durch Wertgenerierung beim Kunden, durch Seltenheit, durch schwere Imitierbarkeit und durch schwere Transferierbarkeit zum Wettbewerbsfaktor. Den Anfang machen dabei die strategischen Wissensziele. Diese sollen eine bewusste Ergänzung herkömmlicher Planungsaktivitäten sein und •
definieren das organisationale Kernwissen,
•
legen fest, welches Portfolio an Fähigkeiten in Zukunft angestrebt wird und
•
ermöglichen eine strategische Orientierung der Organisationsstrukturen sowie der Managementsysteme.372
Mit den strategischen Wissenszielen wird somit neben dem Wissen, das zu bewahren ist, auch der zukünftige Wissensbedarf beschrieben und festgelegt, welches Wissen aufgebaut bzw. erworben werden muss. Die Wissensstrategie bringt dann zum Ausdruck, wie die angestrebten Wissensziele erreicht werden sollen.373 Mit der strategischen Orientierung des Wissensmanagements soll weiters sichergestellt werden, dass alle Wissensmanagement-Aktivitäten mit den allgemeinen Unter-
370 371 372 373
Vgl. AL-LAHAM, A.: Transfer organisationalen Wissens als Bestimmungsfaktor des internationalen Markteintritts, in: WiST H1 (2004), S. 3 Vgl. WILDEMANN, H.: Wissensmanagement – Ein neuer Erfolgsfaktor für Unternehmen, München 2003, S. 6ff. Vgl. PROBST, G.; RAUB, St.; ROMHARDT, K.: Wissen managen, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 40 u. 48 Vgl. HINTERHUBER, H. H.; RENZEL, B.: Die strategische Dimension des Wissensmanagements, in: BORNEMANN, M.; SAMMER, M. (Hrsg.): Anwendungsorientiertes Wissensmanagement, Wiesbaden 2002, S. 23
122
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
nehmungszielen konform gehen und eine kontinuierliche Verbesserung und Institutionalisierung der Wissensmanagement-Prozesse erzielt werden.374 So schlägt NORTH375 diesbezüglich vor, bei der Implementierung von Wissensmanagement zunächst eine wissensorientierte Strategie zu entwickeln. Diese soll unter anderem beantworten, welche strategischen Ziele durch die Ressource Wissen primär unterstützt werden sollen, welches Wissen in Zukunft benötigt wird – das findet sich auch in den Wissenszielen –, wie mit der Ressource Wissen umgegangen werden soll und wie der Wettbewerb in einem wissensintensiven Umfeld in Zukunft bestritten werden soll. STEIN376 führt drei strategische Stoßrichtungen an, die mit Wissensmanagement beabsichtigt werden können: •
Bessere Nutzung vorhandenen Wissens
•
Herausarbeiten eines Wettbewerbsvorsprungs gegenüber Mitbewerbern („andere aus dem Rennen werfen“)
•
Wissen als Produkt neu auf den Markt bringen
4.2.2 Struktur Organisationsstrukturen sollen die Handlungen der Organisationsmitglieder unterstützen, auch hinsichtlich Wissensmanagement; eine ideale Struktur lässt sich dafür jedoch nicht festlegen. So schafft beispielsweise Dezentralisierung Freiräume und kann sich positiv auf die Wissensentwicklung auswirken. Im Gegensatz dazu kann diese aber die Transparenz und die Nutzungsmöglichkeiten verstreuter Wissensbestände erschweren und somit zur Entstehung von „Wissensinseln“ führen.377 Generelle Regelungen, wie sie Bestandteil von Strukturen sind, setzen gemäß STEINMANN/SCHREYÖGG378 eine gewisse Gleichförmigkeit voraus, die nicht so häufig – gerade in wissensintensiven Umgebungen – vorzufinden ist. Es ist ineffizient, betriebliche Tatbestände, welche eine hohe Variabilität aufweisen, generell 374 375 376
377 378
Vgl. WISSENSMANAGEMENT FORUM (Hrsg.): Praxishandbuch Wissensmanagement, Graz 2000, S. 11 Vgl. NORTH, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, 3. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 249ff. STEIN, W.: Best Practice im Wissensmanagement – Ergebnisse einer internationalen Untersuchung und Erfahrungen aus dem Berateralltag, in: HUNGENBERG, H.; MEFFERT, J. (Hrsg.): Handbuch Strategisches Management, Wiesbaden 2003, S. 879f. Vgl. PROBST, G.; RAUB, St.; ROMHARDT, K.: Wissen managen, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 239f. Vgl. STEINMANN, H.; SCHREYÖGG, G.: Management – Grundlagen der Unternehmensführung, 5. Aufl., Wiesbaden 2000, 395
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
123
regeln zu wollen, da die Regelungen und Verfahren auf andere Situationen zugeschnitten sind. Starre Strukturen können somit die Umsetzung geplanter Wissensziele verhindern.379 Wird die Wirkung von Organisationsstrukturen auf den Wissenstransfer betrachtet, lassen sich nach SCHÜPPEL380 eine Reihe kollektiv-struktureller Wissens- und Lernbarrieren identifizieren, welche den personen- und gruppenübergreifenden Wissenstransfer in sozialen Systemen blockieren:
379 380
•
Vertikale, horizontale und laterale Informationsfilter: Die vertikale, horizontale und laterale Weitergabe kritischen Wissens wird durch die organisatorische Distanz, welche durch hierarchische Strukturierung und funktionale Differenzierung entsteht, behindert. Hierzu reicht oft räumliche Distanz aus.
•
Spezialisierung und Zentralisierung: Die funktionale und strukturelle Differenzierung in Organisationen führt zur Entstehung spezialisierter Kontexte, die zum Teil nicht vergleichbar oder konkurrierend sind. Das kann dazu führen, dass Problemstellungen aus einer sehr spezifischen Sichtweise interpretiert werden und unzureichend fundierte kollektive Handlungen zur Folge haben.
•
Machtverteilung und Partizipationsregeln: Der Wissensfluss in einer Organisation wird durch den Zugang zu den relevanten Entscheidungsarenen und die Machtverteilung strukturiert. Eine Einengung des Verhaltensspielraums der anderen Organisationsmitglieder und eine nicht immer dem Problem entsprechende Fundierung von Entscheidungen aufgrund der Dominanz einzelner Wissensträger ist die Folge.
•
Kooperationskonflikte: Interpersonale Konflikte lassen das Gemeinschaftsinteresse gegenüber Einzelinteressen in den Hintergrund treten. Die Externalisierung und Internalisierung von Wissen wird unmöglich, da Konflikte heruntergespielt bzw. unterdrückt werden und die offene Konfrontation unterbleibt.
•
Defensive Routinen: Dies sind verdeckte Handlungsstrukturen, welche ein Kollektiv vor dem Erleben unangenehmer Situationen schützen sollen. Mit diesem „Selbstschutz“ schottet sich das Kollektiv von externen Einflüssen ab, die Verfolgung von Fehlerursachen wird verhindert, und Widersprüche werden mit viel Phantasie „ausgebügelt“.
Vgl. PFEIFER, T.; STRINA, G.; URIBE, J.; BETZOLD, M.: Wissen wir, was wir wissen?, in: io new management 10/2003, S. 39 Vgl. SCHÜPPEL, J.: Wissensmanagement – Organisatorisches Lernen im Spannungsfeld von Wissens- und Lernbarrieren, Wiesbaden 1996, S. 151ff.
124
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Ein wichtiger Aspekt in Zusammenhang mit der Institutionalisierung von Wissensmanagement und seiner strukturellen Verankerung in einer Organisation ist die Zuordnung der Verantwortlichkeiten. Im Zuge der oben bereits erwähnten Erhebung wurde ermittelt, dass der Schwerpunkt überwiegend in den oberen Managementebenen (Geschäftsführung/Vorstand, Bereichs- bzw. Divisionsleitung) liegt. Erfreulich ist auch die intensive Einbeziehung der Mitarbeiter, welche ebenso Verantwortung übernehmen (Abbildung 4.10).381
Geschäftsführung / Vorstand
63,8%
Jeder Mitarbeiter
32,5%
Bereichs- bzw. Divisionsleitung
31,3%
Abteilungsleitung
28,8%
Ein Wissensmanagement-Team (bzw. Projektteam)
26,3%
Stabsstelle Ein "Wissensmanager" Gruppenleitung Sonstiges
20,0% 5,0% 3,8% 12,5% Mehrfachnennungen möglich
Abbildung 4.10: Verantwortlichkeiten für Wissensmanagement in der österreichischen Industrie382
4.2.3 Kultur Wird die Literatur zum Thema Wissensmanagement gesichtet, so wird als ein – wenn nicht der – wesentliche Faktor für den Erfolg oder Misserfolg von Wissensmanagement die Unternehmungskultur genannt. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sollen hier ausgewählte Aspekte dazu erörtert werden. Für detailliertere Ausführungen muss auf die zitierte Literatur verwiesen werden.
381 382
Vgl. WOHINZ, J. W.; TUPPINGER, J.; LEITNER, W.; RITSCH, K.: Aktuelle Managementkonzepte in der Industrie – Ergebnisse einer empirischen Erhebung, Graz 2003, S. 30f. WOHINZ, J. W.; TUPPINGER, J.; LEITNER, W.; RITSCH, K.: a. a. O., S. 31
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
125
Aus Sicht des Wissensmanagements lassen sich zunächst einige Forderungen aus der Literatur ableiten, welche eine Organisationskultur offensichtlich erfüllen sollte: Die Kultur in einer Organisation sollte derart beschaffen sein, dass Wissen nicht mehr als der Besitz des Einzelnen angesehen wird. Die Teilung des Wissens mit anderen muss sich lohnen.383 Weiters sollte die Unternehmungskultur für ein erfolgreiches Wissensmanagement Lernbereitschaft, Konfliktfähigkeit, Handlungsfähigkeit und Problemlösungsorientierung unterstützen.384 Ergänzend dazu sollte eine Kultur des Vertrauens aufgebaut werden, welche unter anderem die Weitergabe von Wissen unterstützt.385 So muss im Zuge eines Wissenstransfers der Sender beispielsweise darauf vertrauen können, dass das „gesendete“ Wissen vom Empfänger nicht missbraucht wird. Dazu muss Vertrauen jedoch sichtbar sein, d.h. die Organisationsmitglieder müssen für die Weitergabe von Wissen Anerkennung bekommen. Vertrauen muss immer und überall gegeben sein und bei der Spitze der Organisation beginnen, d.h. die obersten Führungskräfte müssen eine Vorbildfunktion ausüben.386 Damit Vertrauen aufgebaut werden kann, ist es auch wichtig, einen Wissensnachfrager mit jener Person zusammenzubringen, die auch wirklich kompetent Auskunft geben kann.387 Wird der Wissenstransfer – ein wichtiger Aspekt im Wissensmanagement – betrachtet, so ist eine gemeinsame Sprache als ein wesentliches Ausdrucksmerkmal kultureller Gemeinsamkeiten von Vorteil. Auch kulturspezifisches körpersprachliches Verhalten wie z. B. das Grußverhalten oder die körperliche Distanz im Zuge einer Unterhaltung wirkt sich auf die Kommunikation und somit den Wissenstransfer aus – und kann bei kulturellen Unterschieden zu Problemen führen.388
383
384 385
386 387 388
STEIN, W.: Best Practice im Wissensmanagement – Ergebnisse einer internationalen Untersuchung und Erfahrungen aus dem Berateralltag, in: HUNGENBERG, H.; MEFFERT, J. (Hrsg.): Handbuch Strategisches Management, Wiesbaden 2003, S. 877 Vgl. WILDEMANN, H.: Wissensmanagement – Ein neuer Erfolgsfaktor für Unternehmen, München 2003, S. 18 Vgl. HINTERHUBER, H. H.; RENZEL, B.: Die strategische Dimension des Wissensmanagements, in: BORNEMANN, M.; SAMMER, M. (Hrsg.): Anwendungsorientiertes Wissensmanagement, Wiesbaden 2002, S. 26 Vgl. DAVENPORT, T. H.: Wenn Ihr Unternehmen wüsste, was es alles weiß …, Landsberg/Lech 1998, S. 83f. Vgl. WEBER, J.: Logistik- und Supply Chain Controlling, 5. Aufl., Stuttgart 2003, S. 206f. Vgl. RUPPRECHT-DÄULLARY, M.: Zwischenbetriebliche Kooperation, Wiesbaden 1994, S. 152f.
126
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Eine Studie von PFEIFER389 et al. kommt aber zum Ergebnis, dass die kulturellen Fragen – die Etablierung einer „Wissenskultur“ – weitgehend ungelöst erscheinen. Aus Sicht des Wissensmanagements – das gilt übrigens auch für die Organisationsstruktur – kann die Organisationskultur auch als von allen Organisationsmitgliedern geteiltes Wissen betrachtet werden, welches somit Teil der organisationalen Wissensbasis ist.390 Kulturbedingte Barrieren im Wissensmanagement Für ein erfolgreiches Wissensmanagement ist es auch erforderlich, Barrieren wie Wahrnehmungsbarrieren, Fähigkeitsbarrieren oder Willensbarrieren, welche ebenfalls mit der Unternehmungskultur in Verbindung gebracht werden können, abzubauen.391 SCHÜPPEL392 geht konkreter darauf ein, indem er zunächst eine Reihe individuell-kultureller Wissens- und Lernbarrieren identifiziert: •
Kollektiver Rollenzwang: Dieser schränkt individuelles Verhalten ein.
•
Audience Learning: Der individuelle Erfahrungshorizont wird durch die beschränkte Wirksamkeit individueller Handlungen auf kollektive Handlungen beschränkt. Dies bewirkt, dass die Bildung eines Erfahrungswissens durch „Glaubensvorstellungen“ substituiert wird.
•
Superstitious Learning: Reaktionen der Umwelt auf bestimmte Handlungen werden aus dem „Aberglauben“ an bestimmte Ursache-Wirkungsbeziehungen interpretiert und nicht hinreichend geprüft.
•
Kulturell bedingte Wahrnehmungsverzerrung: Mehrdeutige Umweltreaktionen auf Handlungen werden aufgrund individuell vorgeprägter Wahrnehmungsmuster vom Individuum aufgenommen und interpretiert, im Extremfall jedoch vollständig „um-interpretiert“.
Zusätzlich können noch kollektiv-kulturelle Wissens- und Lernbarrieren identifiziert werden: 393
389
390 391 392 393
Vgl. PFEIFER, T. et al.: Wahrnehmung und Realität in der WM Praxis, new Management 10/2001, S. 28-36; zitiert in: AMANN SCHOCH, R. et al.: Wissensinitiativen: Überall, aber wo genau?, in: io new management 10/2003, S. 31 Vgl. ROMHARDT, K.: Die Organisation aus der Wissensperspektive, Wiesbaden 1998, S. 41 Vgl. WILDEMANN, H.: Wissensmanagement – Ein neuer Erfolgsfaktor für Unternehmen, München 2003, S. 14ff. Vgl. SCHÜPPEL, J.: Wissensmanagement – Organisatorisches Lernen im Spannungsfeld von Wissens- und Lernbarrieren, Wiesbaden 1996, S. 142ff. Vgl. SCHÜPPEL, J.: a. a. O., S. 169ff.
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
127
•
Überbetonung einer Einheitskultur und Binnenorientierung: Dies kann dazu führen, dass beispielsweise das Denken in Alternativen vermieden wird, dass neue Orientierungsmuster blockiert werden und dass sich die Organisation zunehmend mit sich selbst beschäftigt.
•
Kulturelle Diversität: Bei starker subkultureller Prägung einer Organisation können unterschiedliche Verhaltensmuster aufeinanderprallen und in einer Wettbewerbshaltung der einzelnen Gruppen münden, wodurch der Wissensfluss in einer Organisation gehemmt wird.
•
Mythen, Tradition und Groupthink: Mythen und Traditionen können in einer Organisation das verfügbare Wissen einschränken. Komplexe Zusammenhänge werden vereinfacht, nicht mehr hinterfragt, und differenzierte Betrachtungen werden somit durch die Einfachheit der Tradition ersetzt.
Normative Wissensziele Die Kultur hält in das Wissensmanagement konkret mit den normativen Wissenszielen Einzug. Die normativen Wissensziele als Basis für Wissensziele auf strategischer sowie operativer Ebene sollten primär die Schaffung einer wissensbewussten bzw. wissensfreundlichen Organisationskultur bezwecken. Die Aufgabe, diese Ziele überzeugend zu kommunizieren, fällt der Führung zu.394 Eine Möglichkeit, die normativen Wissensziele in einer Organisation zu verankern, ist beispielsweise die Formulierung eines Wissensleitbilds.395 Leitbilder dienen in einer Organisation als Orientierungsgrundlage und enthalten die grundsätzlichen, allgemeingültigen, aber abstrakten Vorstellungen über die angestrebten Ziele und Verhaltensweisen der Organisation.396 Dieses Wissensleitbild kann grundlegende Aussagen darüber liefern, welche Bedeutung Wissen in einer Organisation hat und wie damit umgegangen wird, und soll somit die Berücksichtigung von Wissensaspekten im Zuge strategischer und operativer Entscheidungen fördern.397
394 395 396
397
Vgl. PROBST, G.; RAUB, St.; ROMHARDT, K.: Wissen managen, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 41f. Vgl. PROBST, G.; RAUB, St.; ROMHARDT, K.: a. a. O., S. 43f. BRAUCHLIN, E.: Schaffen auch Sie ein Unternehmungsleitbild, in: io management Zeitschrift 53 (7-8/1984), S. 313-317, zitiert in: BLEICHER, K.: Das Konzept integriertes Management, 5. Aufl., Frankfurt a. M., New York 1999, S. 264 Vgl. PROBST, G.; RAUB, St.; ROMHARDT, K.: a. a. O., S. 43
128
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Bezüglich Organisationskultur soll abschließend noch festgehalten werden, dass diese demnach einen großen Einfluss darauf ausübt, wie eine Unternehmung mit ihrer Wissensbasis – die Kultur ist auch ein Teil davon – umgeht.
4.2.4 Lernen einer Organisation durch Struktur- und Kulturänderung Lernen bildet das Fundament für eine breite Wissensbasis in der Unternehmung.398 Dieses Lernen spielt sich jedoch nicht nur auf individueller Ebene ab, auch Gruppen bzw. Organisationen können lernen. Aus einer Analogiebetrachtung zwischen Individuum und Organisation leitet TUPPINGER399 ein Modell für das Lernen einer Organisation ab, bestehend aus einer prozeduralen und einer deklarativen Lernebene (Abbildung 4.11). neues Verhalten (Leistungen) der Organisation
prozedurales Lernen
Wahrnehmung von Signalen aus der Umwelt
Organisationsstruktur
Organisationskultur (neue) Werte und Normen
deklaratives Lernen
Interpretation in vorh. Kultur (Kontext)
Abbildung 4.11: Lernmodell einer Organisation nach TUPPINGER400
In diesem Modell stellt die Organisationsstruktur das prozedurale Wissen einer Organisation dar, welches Organisationen befähigt, Handlungen auszuführen und auf die Umwelt einzuwirken (in Form von Leistungen, Werbung, Berichten etc.). Prozedurales Lernen einer Organisation findet demnach durch eine Änderung der Struktur statt.
398 399 400
Vgl. WILDEMANN, H.: Wissensmanagement – Ein neuer Erfolgsfaktor für Unternehmen, München 2003, S. 14 Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 126ff. TUPPINGER, J.: a. a. O., S. 132
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
129
Im Gegensatz dazu lässt sich die Organisationskultur als das deklarative Wissen einer Organisation interpretieren, da die Kultur jenes Wissen ist, welches sich bei der Problemlösung bewährt hat und auf das bei zukünftigen Handlungen zurückgegriffen wird. Deklaratives Lernen einer Organisation vollzieht sich somit durch die Änderung der Kultur. Der Prozess des Lernens einer Organisation wird durch das Wahrnehmen von Signalen aus der Umwelt (Kundenanfragen, Gesetze, Reklamationen usw.) angestoßen. Diese werden unter Zuhilfenahme der vorhandenen Kultur interpretiert und verarbeitet; neues Verhalten wird generiert, wobei dies durch rein strukturelle oder kulturelle Veränderungen stattfinden kann. Dabei wirkt sich jedoch das eine immer wieder auf das andere aus, organisationales Lernen vollzieht sich also stets durch eine Kulturund Strukturänderung.401
4.3 Wissensmanagement und Wissensorientierung in Wertschöpfungsnetzwerken Die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung des Wissenssystems einer Unternehmung ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Diese erweist sich jedoch als noch anspruchsvoller, wenn das betrachtete Wissenssystem nicht an den Unternehmungsgrenzen endet und auch Kooperationspartner, Kunden, Lieferanten etc. eingebunden werden sollen. Im folgenden Abschnitt sollen, aufbauend auf den zuvor erörterten Grundlagen, die besonderen Aspekte des Wissensmanagements in Unternehmungsnetzwerken und in weiterer Folge in Wertschöpfungsnetzwerken abgeleitet werden. Zunächst soll jedoch anhand von empirischem Datenmaterial die Praxisrelevanz der Auseinandersetzung mit dieser Problemstellung belegt werden.
4.3.1 Bedeutung von Wissensmanagement in Netzwerken WILDEMANN402 führt aus, dass Wissensmanagement nicht an den Unternehmungsgrenzen enden sollte. Vielmehr kann auch externes Wissen als strategische Ressource begriffen und eingesetzt werden, wodurch sich die Möglichkeit ergibt, fremdes Wissen gezielt zur Verbesserung der eigenen strategischen Ausrichtung zu nutzen.
401 402
Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 126ff. Vgl. WILDEMANN, H.: Wissensmanagement – Ein neuer Erfolgsfaktor für Unternehmen, München 2003, S. 8
130
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Hinzu kommt, dass für erfolgreiches Interagieren mit der Unternehmungsumwelt Wissen über die relevanten Akteure (Kunden, Lieferanten, Wettbewerber, Kooperationspartner), über die Beziehung zu diesen und über die Beziehungen dieser untereinander von Bedeutung ist.403 Dass Wissensmanagement nicht an den Unternehmungsgrenzen enden sollte, wird auch durch empirische Befunde belegt. So wird die Einbindung anderer wie Kunden, Lieferanten oder Kooperationspartner in die Wissensmanagement-Aktivitäten in der österreichischen Industrie überwiegend als wichtig bis sehr wichtig eingestuft (Abbildung 4.12). Befragt über die Intensität der Einbeziehung, ergab die Auswertung der Antworten, dass dies jedoch nur mittelmäßig ausgeprägt ist. Hier ist man sich offensichtlich (noch) nicht bewusst, welches Potenzial die Einbindung von Kunden, Lieferanten sowie Kooperationspartnern bietet bzw. ist diese Einbindung (noch) mit Schwierigkeiten verbunden.404
40,3%
39,0%
Lieferanten Kunden
18,2% 2,6% sehr wichtig
nicht wichtig
Bedeutung der Einbindung anderer in das Wissensmanagement
Kooperationspartner intensive Einbeziehung
keine Einbeziehung
Einbindung externer in Wissensmanagement-Aktivitäten
Abbildung 4.12: Bedeutung unternehmungsübergreifender WissensmanagementAktivitäten405
Zum überwiegenden Teil erfolgt die Einbindung der Kooperationspartner in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Produktion. Aber auch in Bereichen wie Qualitätsmanagement, Einkauf sowie Distribution und Vertrieb ist die Einbindung bereits verbreitet (Abbildung 4.13).
403
404 405
Vgl. DEISER, R.: Vom Wissen zum Tun und zurück – Die Kunst des strategischen Wissensmanagements, in: SCHNEIDER, U. (Hrsg.): Wissensmanagement – die Aktivierung des intellektuellen Kapitals, Frankfurt a. M. 1996, S. 59f. Vgl. WOHINZ, J. W.; TUPPINGER, J.; LEITNER, W.; RITSCH, K.: Aktuelle Managementkonzepte in der Industrie – Ergebnisse einer empirischen Erhebung, Graz 2003, S. 34 WOHINZ, J. W.; TUPPINGER, J.; LEITNER, W.; RITSCH, K.: a. a. O., S. 34
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
131
Forschung und Entwicklung
51,3%
Produktion
47,5%
Qualitätssicherung / Qualitätsmanagement
36,3%
Einkauf
36,3%
Distribution und Vertrieb
30,0%
Marketing
26,3%
Informationstechnologien
22,5%
Controlling / Finanzen Energie und Umwelt Sonstige
13,8% 7,5% 1,3% Mehrfachnennungen möglich
Abbildung 4.13: Bereiche der Einbindung der Kooperationspartner in Wissensmanagement406
Eine in Deutschland von BAUMGARTEN/THOMS407 durchgeführte Studie zeigt ein vergleichbares Ergebnis: So gaben 39 % der antwortenden Unternehmungen an, einen unternehmungsübergreifenden Wissenstransfer durchzuführen, hauptsächlich mit Lieferanten (33 %) sowie mit Kunden (26 %). Bis zum Jahr 2005 sollte dieser Wert auf 62 % gesteigert werden. Gestützt auf eine Expertenbefragung führt WEISSENBERGER-EIBL408 aus, dass erfolgreiche Unternehmungsnetzwerke Wissensmanagement nicht als einmaliges Projekt – mit einem wie für Projekte üblich definierten Ende –, sondern als laufende Aktivität verstehen.
406 407 408
WOHINZ, J. W.; TUPPINGER, J.; LEITNER, W.; RITSCH, K.: Aktuelle Managementkonzepte in der Industrie – Ergebnisse einer empirischen Erhebung, Graz 2003, S. 35 Vgl. BAUMGARTEN, H.; THOMS, J.: Trends und Strategien in der Logistik – Supply Chains im Wandel, Berlin 2002, S. 95 Vgl. WEISSENBERGER-EIBL, M.: Interaktionsorientiertes Agentensystem – Referenzmodell zur Handhabung von Wissen in Unternehmensnetzwerken, ZfB 71(2001) H 2, S. 217
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Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
4.3.2 Aspekte eines Wissensmanagements in Unternehmungsnetzwerken Wird die Literatur zu Wissensmanagement in Unternehmungsnetzwerken gesichtet, fällt auf, dass die meisten Arbeiten auf den Bausteinen des Wissensmanagement nach PROBST/RAUB/ROMHARDT409 (Wissensziele, Wissensidentifikation, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissens(ver)teilung, Wissensbewahrung, Wissensnutzung, Wissensbewertung) oder ähnlichen eher operativ orientierten Wissensmanagement(prozess)-Modellen aufbauen. Da im Zuge dieser Arbeit Strategie, Struktur und Kultur als wesentliche Dimensionen sowohl im Management von Netzwerken als auch im Wissensmanagement identifiziert wurden, sollen hier die Aspekte eines Wissensmanagements in Unternehmungsnetzwerken jedoch hinsichtlich dieser drei Begriffe erörtert werden, wobei eine exakte Trennung nicht immer möglich ist und auch nicht zielführend erscheint. Operative Aspekte sollen (siehe die Abgrenzung in Kap. 3.1.3) nur dann berücksichtigt werden, wenn Auswirkungen auf diese drei Dimensionen zu erwarten sind. Dies gilt vor allem für die Beziehungen im Wissenssystem eines Netzwerkes, da ein funktionierender Wissens- und Datentransfer als ein wesentliches Effizienzkiterium für die Leistungserstellung angesehen wird.410 Zu Beginn sei noch festgehalten, dass das Konzept des Wissensmanagements selbst zur Entstehung eines Netzwerkes führen kann. 411 Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn eine Unternehmung im Zuge ihrer Wissensmanagement-Aktivitäten – beispielsweise im Rahmen der Formulierung von Wissenszielen – feststellt, dass für die Erstellung bestimmter Leistungen nicht das gesamte dafür notwendige Wissen in der Unternehmung selbst vorhanden ist, und sich darum entschließt, Kooperationsbeziehungen mit anderen Organisationen einzugehen und dadurch ein Netzwerk entsteht. KRÜCK412 bezeichnet beispielsweise die Kooperation als eine attraktive Strategieoption, um Zugang zu aktuellem Wissen zu erhalten, ohne langwierige und teure Investitionen tätigen zu müssen. 409 410 411 412
Vgl. PROBST, G.; RAUB, St.; ROMHARDT, K.: Wissen managen, 4. Aufl., Wiesbaden 2003 Vgl. BAUMGARTEN, H.; HOFFMANN, B.: Wissenstransfer in Unternehmensnetzwerken, Industrie Management 19 (2003) 3, S. 34f. Vgl. WILDEMANN, H.: Wissensmanagement – Ein neuer Erfolgsfaktor für Unternehmen, München 2003, S. 10f. Vgl. KRÜCK, C. P.: Wissensarbeit in Unternehmenskooperationen: Das Beispiel der Halbleiterindustrie, in: WILLKE, H.: Systemisches Wissensmanagement, 2. Aufl., Stuttgart 2001, S. 274
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
133
Strategie WILDEMANN413 wirft – berechtigterweise – die Frage auf, ob im Zuge eines unternehmungsübergreifenden Wissensmanagements mit Partnerunternehmungen, Lieferanten und Kunden in einem Netzwerk nicht eine gemeinsame Strategieausrichtung sinnvoll wäre. Durch den Aufbau einer gemeinsamen Wissensbasis kann die Marktstellung der Netzwerkpartner mehr gestärkt werden als dies bei der Nutzung der individuellen Wissensbasen möglich wäre. Eine Hilfestellung dazu leistet der aus dem ressourcenorientierten Ansatz abgeleitete wissensorientierte Strategieansatz, der die Ressource Wissen als wesentliche Quelle für nachhaltige Wettbewerbsvorteile begreift und diese in den Mittelpunkt der Überlegungen rückt. Die Wissensmanagement-Aktivitäten in einem Unternehmungsnetzwerk müssen für alle Unternehmungen einen klar erkennbaren Nutzen liefern, was bereits bei der Zielfindung als eine konkrete Aktivität im strategischen Wissensmanagement zu berücksichtigen ist. Die Wissensziele sind darum in einem kooperativen Verhandlungsprozess zu bestimmen und leiten sich aus den gemeinsamen Netzwerkzielen ab. Damit kann insbesondere festgelegt werden, welche Kompetenzen in Zukunft von Bedeutung sind. Dies kann als zentrale Steuerungsgröße für die Aufnahme neuer Partner herangezogen werden.414 Wird ein aufgrund der Wissensziele ausgelöster Wissenserwerb jedoch nicht durch die Aufnahme neuer Partner bewerkstelligt, sondern tätigt eine der Partnerunternehmungen selbst Investitionen in Wissen, so besteht vor allem dann ein Konfliktpotenzial, wenn dieses Wissen von allen Partnern genutzt werden kann.415 Klare Regelungen, wie mit einer derartigen für eine gemeinsame Nutzung zur Verfügung gestellten Ressource („Poolressource“) umzugehen ist, können dieses Konfliktpotenzial jedoch entschärfen.416 Vorhandenes Wissen zugänglich zu machen bzw. die Förderung des netzwerkweiten Wissensaustausches, sind die Herausforderungen und Hauptziele für das Wissensmanagement in Unternehmungsnetzwerken. Ein intensiver Transfer von Wissen ist 413 414
415 416
Vgl. WILDEMANN, H.: Wissensmanagement – Ein neuer Erfolgsfaktor für Unternehmen, München 2003, S. 10 Vgl. SCHMALTZ, R.; HAGENHOFF, S.: Wissensmanagement in unternehmensübergreifenden Kooperationen, Arbeitsbericht Nr. 9/2003 des Institutes für Wirtschaftsinformatik der Universität Göttingen, Göttingen 2003, S. 26 Vgl. SCHMALTZ, R.; HAGENHOFF, S.: a. a. O., S. 28 Vgl. WIRTZ, B. W.: Wissensmanagement und kooperativer Transfer immaterieller Ressourcen in virtuellen Organisationsnetzwerken, in: ZfB Ergänzungsheft 2/2000, S. 106
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Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
insbesondere zur Steigerung der Effizienz von Unternehmungsnetzwerken erforderlich.417 In diesem Zusammenhang gilt es vor allem, das Wissen von Experten durch eine entsprechende Organisation als Netzwerkressource zur Verfügung zu stellen.418 Im Zuge eines netzwerkweiten Wissensmanagements ist jedoch aus Sicht der einzelnen Netzwerkunternehmung zu beachten, dass die Abwanderung von Wissen – um genau zu sein von Wissensträgern – zu Kunden und Lieferanten, also zu den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, bzw. zur Konkurrenz zu einem Kompetenzverlust führen und dadurch die eigene Wettbewerbsfähigkeit schwächen kann.419 Dies ist jedoch kein Spezifikum von Netzwerken, sondern vielmehr ein generelles Risiko, das mit dem Abgang von Wissensträgern aus einer Organisation verbunden ist. Struktur Während in traditionellen Organisationen Wissen oft mit Macht in Verbindung gebracht wird und hierarchische Strukturen oft genutzt werden, den Wissens- und Daten-„Strom“ gezielt zu kanalisieren, bieten Netzwerke – und hier vor allem polyzentrische – die Möglichkeit, horizontale Kommunikationsstrukturen aufzubauen.420 Nach SCHMALTZ/HAGENHOFF421 lässt sich Wissensmanagement in Unternehmungsnetzwerken nicht durch hierarchische Koordination erzwingen, sondern benötigt den Konsens aller Beteiligten. Der Umkehrschluss daraus ist, dass hierarchische Strukturen aus Sicht des Wissensmanagements wenn möglich vermieden werden und auf Gemeinsamkeit Wert gelegt werden sollte.422 WEISSENBERGER-EIBL423 führt aus, dass sich die Organisationsstruktur des Netzwerkes, wenn sich dieses mit Wissensmanagement zu beschäftigen beginnt, zu-
417 418
419 420 421
422 423
Vgl. HOFFMANN, B.; ZADEK, H.: Zukunftorientiertes Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken, in: wissensmanagement 1/03, S. 12f. Vgl. SYDOW, J.; VAN WELL, B.: Wissensintensiv durch Netzwerkorganisation – strukturationstheoretische Analyse eines wissensintensiven Netzwerkes, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 121 Vgl. HOFFMANN, B.; ZADEK, H.: a. a. O., S. 15 Vgl. WILDEMANN, H.: Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken, in: HANDLBAUER, G. et al. (Hrsg.): Perspektiven im Strategischen Management, Berlin, New York 1998, S. 415f. Vgl. SCHMALTZ, R.; HAGENHOFF, S.: Wissensmanagement in unternehmensübergreifenden Kooperationen, Arbeitsbericht Nr. 9/2003 des Institutes für Wirtschaftsinformatik der Universität Göttingen, Göttingen 2003, S. 40 Vgl. NORTH, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, 3. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 92 Vgl. WEISSENBERGER-EIBL, M.: Wissensmanagement als Instrument der strategischen Unternehmensführung in Unternehmensnetzwerken, München 2000, S. 226
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
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nächst auf die Schaffung der Grundlagen für ein netzwerkweites Wissensmanagement konzentriert; das Wissensmanagement ist an zentraler Stelle im Netzwerk institutionalisiert. Mit zunehmendem Vertrauen in das Wissensmanagement erfolgt eine Dezentralisierung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten hinsichtlich des Wissensmanagements. Diese Dezentralisierung darf aber nicht den Zugang zu den Wissensbeständen im Netzwerk erschweren (siehe Kap. 4.2.2), denn im Sinne der Partnerunternehmungen ist es erforderlich, für einen netzwerkweiten Überblick über das vorhandene Wissen zu sorgen – und dieses auch zugänglich zu machen –, da dessen Kombination im Leistungserstellungsprozess den strategischen Wettbewerbsfaktor darstellt.424 Durch einen regelmäßigen Wissensaustausch zwischen den Netzwerkpartnern ist es nun möglich, dezentral vorhandenes Expertenwissen zu bündeln und auch Redundanzen zu vermeiden.425 Letzteres gilt vor allem auch für die Entwicklung neuen Wissens: Wird von den Netzwerkpartnern Wissen entwickelt, so erfolgt dies zunächst auf Basis der eigenen Zielsetzungen. Damit es nicht zu unerwünschten Überschneidungen auf Netzwerkebene kommt, sollte diese Wissensentwicklung koordiniert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Kommunikation von Spezialisten unterschiedlicher Fachgebiete, welche auf mehrere Unternehmungen verteilt sind, durch geeignete Maßnahmen unterstützt wird.426 Kultur Gehen zwei oder mehrere Unternehmungen eine Partnerschaft ein und beschäftigen sich dabei mit Wissensmanagement, so ist anzunehmen, dass diese aufgrund ihrer meist unterschiedlichen Kulturen auch unterschiedlich mit ihren Wissensbasen – wovon die Kultur selbst ja ein Bestandteil ist – umgehen und unterschiedliche Zugänge zu Wissen und Wissensmanagement haben.427 Die Bereitschaft, Wissen im Netzwerk zu teilen und auszutauschen, ist ein erster wichtiger Schritt hin zu einem netzwerkweiten Wissensmanagement. Gegenseitiges Vertrauen, sowohl auf individueller Ebene als auch Vertrauen in das Netzwerk als
424
425 426 427
Vgl. SCHMALTZ, R.; HAGENHOFF, S.: Wissensmanagement in unternehmensübergreifenden Kooperationen, Arbeitsbericht Nr. 9/2003 des Institutes für Wirtschaftsinformatik der Universität Göttingen, Göttingen 2003, S. 26f. Vgl. HOFFMANN, B.; ZADEK, H.: Zukunftorientiertes Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken, in: wissensmanagement 1/03, S. 13 Vgl. SCHMALTZ, R.; HAGENHOFF, S.: a. a. O., S. 29f. Siehe dazu auch NORTH, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, 3. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 114f.
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Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Organisation („Systemvertrauen“), ist ein wesentliches kulturelles Element, das hierzu von Vorteil ist.428 Was nicht passieren darf, ist, dass weitergegebenes Wissen missbräuchlich verwendet wird oder die Partnerunternehmung(en) ihrerseits Wissen nicht weitergeben. Die Weitergabe von Wissen an die Netzwerkpartner kann nun selbst dazu dienen, Vertrauen aufzubauen und die Beziehung zu stabilisieren.429 Vertrauen setzt Kommunikation voraus, und diese wiederum wirkt sich auf das Vertrauen zwischen den Kommunikationspartnern aus.430 Vertrauen ist demnach auf Netzwerkebene von großer Bedeutung für das Wissensmanagement. WEISSENBERGER-EIBL431 entwirft ein idealtypisches Lebenszyklus-Modell eines Wissensmanagements in Netzwerken, bestehend aus drei Phasen und dem Grad an Vertrauen als Parameter. In der ersten Phase, der Annäherungsphase, wird primär Vertrauen zwischen den Netzwerkakteuren aufgebaut; die Intensität, mit der Wissensmanagement in Unternehmungsnetzwerken durchgeführt wird, steigt. In der zweiten Phase, der Vertrauensphase, ermöglicht das gewonnene Vertrauen einen (intensiven) Wissenstransfer im Netzwerk; die Ressource Wissen wird in Leistungen umgesetzt. In der letzten Phase, der transformierenden Phase, kann die Intensität des Wissensmanagements entweder mit abnehmendem Vertrauen wieder sinken (negative Transformation) oder aber das Wissensmanagement wird weiter intensiviert und internalisiert (positive Transformation). Im Zuge der Zusammenarbeit ist darauf zu achten, begriffliche Differenzen zwischen den Partnerunternehmungen zu überbrücken und für ein gemeinsames Begriffsverständnis zu sorgen.432 Unterschiedliche Kontexte – und dazu gehören auch die Struktur und die Kultur der jeweiligen Netzwerkunternehmungen – erschweren die Kommunikation, die Dokumentation sowie die Information.
428 429 430 431 432
Vgl. SCHÖNE, R.; FREITAG, M.: Wissensmanagement in KMU-Netzwerken – Grundlagen und erste Befunde, Beitrag zu den Dresdner Innovationsgesprächen, Dresden 2000 Vgl. VETSCHERA, R.: Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken, Wien 2002, S. 5ff. Vgl. PICOT, A.; REICHWALD, R.; WIGAND, R. T.: Die grenzenlose Unternehmung, 5. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 131f. Vgl. WEISSENBERGER-EIBL, M.: Wissensmanagement als Instrument der strategischen Unternehmensführung in Unternehmensnetzwerken, München 2000, S. 210ff. Vgl. SCHMALTZ, R.; HAGENHOFF, S.: Wissensmanagement in unternehmensübergreifenden Kooperationen, Arbeitsbericht Nr. 9/2003 des Institutes für Wirtschaftsinformatik der Universität Göttingen, Göttingen 2003, S. 30f.
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
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Barrieren eines Wissensmanagements in Unternehmungsnetzwerken Für ein erfolgreiches Wissensmanagement in einem Unternehmungsnetzwerk sind die organisatorischen und kommunikativen Barrieren zwischen den Netzwerkpartnern abzubauen.433 Gestützt auf die Ergebnisse einer Studie weisen REETZ/WUNRAM434 darauf hin, dass in einem unternehmungsübergreifenden Wissensmanagement menschliche Barrieren, wie z. B. Sprache, Arbeitsweise, Vorurteile, Richtigkeit, Zuverlässigkeit, Angst vor Bestrafung oder Angst vor Imageverlust – welche also mit der Kultur in Verbindung gebracht werden können –, sowie Barrieren aus dem Bereich Organisation, beispielsweise unterschiedliche Arbeitszeiten, rechtliche Implikationen, Gefahr der Kostentransparenz, Erreichbarkeit von Wissensträgern, Einhaltung der Kommunikationswege oder der Verlust von Alleinstellungsmerkmalen, als die wesentlichen Hindernisse für ein erfolgreiches Wissensmanagement identifiziert werden können. Die eingesetzte Technologie hingegen führt zu wesentlich weniger Behinderungen. Durch eine offene, barrierefreie Kultur im Netzwerk sollten die Weitergabe und die Teilung von Wissen, aber auch die Anwendung fremden Wissens („Not invented here“-Syndrom) gefördert werden. Die Weitergabe von Wissen darf jedoch nicht dazu führen, dass das Gefühl eines Macht- oder Statusverlustes entsteht.435
4.3.3 Systemorientiertes Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken Wird das Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken als spezielle Ausprägung von Unternehmungsnetzwerken betrachtet, soll im Kontext dieser Arbeit die Systemorientierung fortgeführt werden. Unter Wissensmanagement in einem Wertschöpfungsnetzwerk sind demnach die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung des Wissenssystems eines Wertschöpfungsnetzwerkes zu verstehen. Somit ist es angebracht, zunächst das Wissenssystem eines Wertschöpfungsnetzwerkes näher zu betrachten und anschließend auf die
433 434 435
Vgl. HOFFMANN, B.; ZADEK, H.: Zukunftorientiertes Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken, in: wissensmanagement 1/03, S. 14 Vgl. REETZ, U.; WUNRAM, M.: Barrieren des Wissensmanagements in der unternehmensübergreifenden Produktentwicklung, in: Wissensmanagement 4/01, S. 6 Vgl. BAUMGARTEN, H.; HOFFMANN, B.: Wissenstransfer in Unternehmensnetzwerken, Industrie Management 19 (2003) 3, S. 35
138
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Transferbeziehungen sowie die Wissensbasis eines Wertschöpfungsnetzwerkes einzugehen. Das Wissenssystem eines Wertschöpfungsnetzwerkes Wie eine einzelne Unternehmung kann auch ein Wertschöpfungssystem in die beiden überlappenden Teilsysteme Wissenssystem und Wertschöpfungssystem untergliedert werden. Das Wissenssystem (Abbildung 4.14) soll das Wissen, das zur Erfüllung der Leistungserstellung im Wertschöpfungsnetzwerk erforderlich ist, zur Verfügung stellen.
Systemgrenze Unternehmung 1 Unternehmung 7
Unternehmung 2 Unternehmung 6
Unternehmung 5
Unternehmung 3 Unternehmung 4
Abbildung 4.14: Das Wissenssystem eines Wertschöpfungsnetzwerkes
Die Personen und datentechnischen Einrichtungen dieses Wissenssystems sind nun selbst Teil unterschiedlicher Unternehmungen. Die Wissenssysteme dieser Unternehmungen sind demnach Subsysteme des Wissenssystems eines Wertschöpfungsnetzwerkes; dieses stellt wiederum eine Vernetzung mehrerer soziotechnischer Systeme – den Netzwerkunternehmungen – dar. Aus der Wissensperspektive ist von besonderem Interesse, wo in diesem System, d. h. in welchen Unternehmungen (Subsystemen), die einzelnen Wissensträger zu bestimmten Wissensgebieten anzutreffen sind.
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
139
Wird das Wertschöpfungsnetzwerk unter diesem Aspekt betrachtet, und treten somit die in einem Wertschöpfungsnetzwerk vernetzten Wissensgebiete in den Mittelpunkt, kann in Anlehnung an SAMMER436 von einem wissensbasierten Wertschöpfungsnetzwerk gesprochen werden (Abbildung 4.15.), wobei hier konsequenterweise nur die Wissensträger einbezogen werden.
Systemgrenze 4 Wissensgebiet B 3 3 2
6 4 Wissensgebiet A 1 2 5
5 5 Wissensgebiet G 4 3 3
7 7 Wissensgebiet C 1 6 2
6 2 Wissensgebiet F 4
6
6 4 7 Wissensgebiet E 4 3 7
5
Wissensgebiet D 3
5
1
Unternehmungszugehörigkeit eines Wissensträgers
Abbildung 4.15: Wertschöpfungsnetzwerk, betrachtet unter dem Aspekt „Wissensgebiete“
Die Personen, die diesen Wissensgebieten zugeordnet werden können, stehen zunächst mit Wissensträgern anderer Wissensgebiete in ihrer eigenen Unternehmung in Verbindung. Im Fall der Betrachtung der Wissensgebiete ist es aber von Interesse, die Wissensträger aus einem bestimmten Wissensgebiet, die auf mehrere Unternehmungen verteilt sind, über die Unternehmungsgrenzen hinweg zu vernetzen und zusammenzufassen. Auf diese Weise kann eine Bündelung der Ressource Wissen zu eben diesen Wissensgebieten herbeigeführt werden. Die Vernetzung der Wissensträger kann nun sowohl auf persönlicher Ebene – also direkt (Face to face) – als auch über das technische Subsystem erfolgen, wodurch die Transferbeziehungen in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken. Diesem Aspekt ist der folgende Abschnitt gewidmet.
436
Vgl. SAMMER, M.: Vernetzung von Wissen in Organisationen – Gestaltung von Rahmenbedingungen, Wiesbaden 2000, S. 87ff.
140
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Transferbeziehungen im Wissenssystem eines Wertschöpfungsnetzwerkes Werden die Transferbeziehungen im Wissenssystem eines Wertschöpfungsnetzwerks betrachtet, lassen sich die gleichen direkten bilateralen Beziehungen identifizieren wie in Einzelunternehmungen, nämlich jene zwischen zwei Tools (Datentransfer), zwischen einem Tool und einer Person (Dokumentation, Information) sowie zwischen zwei Personen (Face to face-Kommunikation). Im Gegensatz dazu können die beteiligten Systemelemente jedoch Teil unterschiedlicher Unternehmungen sein. Da das Wertschöpfungsnetzwerk-übergreifende Wissenssystem wesentlich mehr Systemelemente enthält als die Subsysteme – die beteiligten Unternehmungen – ist auch die Anzahl möglicher Beziehungen und somit die Komplexität wesentlich höher. Wissenstransfer zwischen zwei Netzwerkpartnern Für das Wissensmanagement kommt nun auch in Wertschöpfungsnetzwerken dem Wissenstransfer eine besondere Bedeutung zu; an dieser Stelle vor allem dann, wenn er zwischen Personen stattfindet, die unterschiedlichen Unternehmungen angehören (Der besondere Stellenwert des Wissenstransfers in Unternehmungsnetzwerken wurde auch durch eine Expertenbefragung bestätigt.437) Dies soll hier anhand des direkten Wissenstransfers erörtert werden (Abbildung 4.16). Kollektives Kontextwissen
Kollektives Kontextwissen
Kontextwissen
Kontextwissen Signalstrom
Signalstrom Empfänger
Sender
Wissenstransfer
Unternehmung A
Unternehmung B
Abbildung 4.16: Direkter Wissenstransfer in einem Wertschöpfungsnetzwerk
437
Vgl. WEISSENBERGER-EIBL, M.: Wissensmanagement als Instrument der strategischen Unternehmensführung in Unternehmensnetzwerken, München 2000, S. 56ff.
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
141
Der Empfänger nimmt die Signale des Senders wahr und ordnet diese zunächst in den individuellen Kontext ein. Dies führt zur Generierung von Wissen. Der Empfänger ist jedoch Teil einer anderen Unternehmung (Subsystem) als der Sender, mit einer anderen Kultur und einer anderen Struktur (Aus Sicht des Netzwerkes handelt es sich dabei um eine Subkultur bzw. eine Substruktur). Diese beiden Faktoren beeinflussen ebenfalls die Wahrnehmung der Signale und deren Kontexteinordnung. Die Struktur und die Kultur einer Netzwerkunternehmung können somit auch als kollektives Kontextwissen bezeichnet werden, da diese mitbestimmen, wie Signale von den Mitgliedern der Netzwerkunternehmungen aufgenommen und verarbeitet werden. Analog dazu findet der indirekte Wissenstransfer über das technische Subsystem des Wertschöpfungsnetzwerkes über die Prozesse der Dokumentation und Information statt. Werden die Ausführungen zum Wissenstransfer im Allgemeinen in Kap. 4.1.2 mit berücksichtigt, kann ein Wissenstransfer in einem Wertschöpfungsnetzwerk auf zwei Ebenen ablaufen: •
Netzwerkebene: Die am Wissenstransfer beteiligten Personen gehören unterschiedlichen Unternehmungen an, geprägt durch unterschiedliche Kulturen und Strukturen (Subkultur bzw. Subkultur aus Netzwerksicht)
•
Unternehmungsebene: Die am Wissenstransfer beteiligten Personen gehören derselben Unternehmung an.
Vor diesem Hintergrund ist der Definition von Wertschöpfungsnetzwerken (siehe Kap. 2.4) konsequenterweise noch hinzuzufügen, dass diese auch durch Wissensflüsse in Verbindung stehen. Diese sind – neben den Datenflüssen – aus der Sicht des Wissensmanagements von besonderem Interesse. Die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen für den netzwerkweiten Wissenstransfer ist nun eine der wesentlichen Aufgaben, die im Zuge der wissensorientierten Gestaltung des Wertschöpfungsnetzwerkes zu erfüllen ist. Für die notwendigen Rahmenbedingungen bei den Netzwerkpartnern selbst zu sorgen, ist primär deren eigene Aufgabe. Das Netzwerk, und hier – wenn vorhanden – die Netzwerkführung, kann jedoch Unterstützung leisten.
142
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Wissensbasis eines Wertschöpfungsnetzwerkes Ist die Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes abgeschlossen, steht ein umfangreiches Wissen zur Leistungserstellung zur Verfügung. Diese Wissensbasis ist – in Weiterführung der Gedanken zur organisationalen Wissensbasis – gleichsam als ein Potenzial zu verstehen, das eingesetzt werden kann (Abbildung 4.17). von allen im Netzwerk geteiltes Wissen
Netzwerkwissen
durch Kombination von individuellem und/oder kollektivem Wissen von allen in der Unternehmung geteiltes Wissen durch Kombination von individuellem Wissen der Unternehmung zugänglich
kollektives Wissen
individuelles Wissen
der Unternehmung nicht zugänglich
A
B C D Unternehmungen
…
Abbildung 4.17: Organisationale Wissensbasis eines Wertschöpfungsnetzwerkes Zu diesem Potenzial zählt zunächst das individuelle Wissen der Mitarbeiter der einzelnen Netzwerkunternehmungen, wobei ein Teil dieses Wissens den Unternehmungen nicht zugänglich ist. Dazu kommt das kollektive Wissen auf Unternehmungsebene hinzu, das sich zum einen aus von allen geteiltem Wissen zusammensetzt sowie zum anderen aus Kombinationen von individuellem Wissen, die noch nicht bestehen. Das Netzwerkwissen schließlich beinhaltet neben dem von allen Netzwerkmitgliedern geteilten Wissen auch jene Wissensbestände, die sich aus der Kombination von kollektivem und/oder individuellem Wissen der Netzwerkunternehmungen bzw. Mitarbeiter ergeben.
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
143
4.3.4 Wissensorientierung in der Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken Aus den bislang erörterten Sachverhalten zum Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken und zur Rolle von Strategie, Struktur und Kultur sowohl in einem Netzwerk allgemein als auch im Zuge des Wissensmanagements in Wertschöpfungsnetzwerken kann folgendes „Verständnis“ für die Wissensorientierung in der Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken abgeleitet werden: Wissensorientierung bedeutet zunächst, dass ein Wertschöpfungsnetzwerk unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen, welche die Ressource Wissen an das Management von Wertschöpfungsnetzwerken stellt, gestaltet wird und somit das Wissenssystem ins Zentrum der Betrachtungen rückt. Dabei kommt es darauf an, Rahmenbedingungen zu schaffen, die garantieren, dass Wissen im Netzwerk bestmöglich generiert, transferiert, vernetzt und angewendet wird. Im Speziellen bedeutet Wissensorientierung nun, dass die drei Gestaltungsdimensionen von Wertschöpfungsnetzwerken, nämlich Strategie, Struktur und Kultur, unter Berücksichtigung jener Anforderungen, die sich aus Sicht der Ressource Wissen und des Wissensmanagements ergeben, gestaltet werden. Dadurch kann gewährleistet werden, das Wissensmanagement-Interventionen bestmöglich unterstützt werden. Was dies im Detail für die Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes bedeutet und wie in weiterer Folge im Zuge der wissensorientierten Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes vorgegangen werden kann, wird ausführlich in Kapitel 5 erörtert.
4.4 Zusammenfassung Ziele dieses Kapitels waren zunächst die Aufarbeitung der notwendigen Grundlagen zum Thema Wissensmanagement und weiters, diese in Verbindung mit den Gestaltungsdimensionen Strategie, Struktur und Kultur sowie Wertschöpfungsnetzwerken zu bringen. Dazu wurde der Begriff Wissen vorgestellt und Wissensmanagement als das Management von Wissenssystemen interpretiert. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die Transferbeziehungen im Wissenssystem – Kommunikation, Dokumentation, Information, Datentransfer – eingegangen. Anschließend wurde Wissensmanagement im Kontext der drei Gestaltungsdimensionen Strategie, Struktur sowie Kultur erörtert. Dabei wurden zunächst Wissen als
144
Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
strategische Ressource identifiziert und die strategischen Aspekte des Wissensmanagements angesprochen. Anschließend wurden Struktur- und Kulturaspekte dargestellt, wobei auf den notwendigen Abbau von Barrieren hingewiesen wurde, und insbesondere eine geeignete Organisationskultur als einer der Erfolgsfaktoren für das Wissensmanagement hervorgehoben wurde. Schließlich wurde Wissensmanagement im Kontext von Wertschöpfungsnetzwerken erörtert. Dabei wurde zunächst auf die Besonderheiten eines Wissensmanagements in Unternehmungsnetzwerken hinsichtlich der Gestaltungsdimensionen eingegangen: Strategische Überlegungen bilden wiederum die Basis für ein erfolgreiches Wissensmanagement in Unternehmungsnetzwerken. Weiters wurde der Zusammenhang zwischen Struktur und Wissensmanagement in Netzwerken dargestellt; die wichtige Rolle der Kultur – und hier insbesondere die Rolle des Vertrauens – wurde hervorgehoben. Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken wurde in weiterer Folge wiederum systemorientiert betrachtet. Dazu wurde das Wissenssystem eines Wertschöpfungsnetzwerkes präsentiert, wobei festgestellt wurde, dass die Transferbeziehungen grundsätzlich dieselben sind wie in einer Einzelunternehmung. Basierend auf der organisationalen Wissensbasis wurde anschließend die Wissensbasis eines Wertschöpfungsnetzwerkes skizziert. Als Überleitung zum abschließenden Kapitel 5 wurde hervorgehoben, was zusammenfassend unter Wissensorientierung im Zuge der Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes zu verstehen ist.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
145
5 Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz In diesem Kapitel, welches den inhaltlichen Abschluss der Arbeit darstellt, soll aus den bislang erörterten Sachverhalten ein Ansatz zur wissensorientierten Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken abgeleitet werden. Dazu werden zunächst die Ziele, welche die wissensorientierte Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes verfolgt, dargelegt. Anschließend wird der Gestaltungsansatz in seinen Grundzügen vorgestellt. Die Ausgangsbasis für dieses Vorgehensmodell stellt der Knowledge Systems DesignAnsatz nach WOHINZ438 dar. In diesen fließen die Gedanken zum Management von Wertschöpfungsnetzwerken sowie die in den vorangegangenen Kapiteln erörterten Überlegungen zu den drei Gestaltungsdimensionen Strategie, Struktur sowie Kultur ein und werden in eine Reihenfolge gebracht. Damit soll jenen Personen, die mit der Aufgabe betraut sind, ein Wertschöpfungsnetzwerk unter besonderer Berücksichtigung der Ressource Wissen zu gestalten, ein Wegweiser in die Hand gegeben werden, welche Aktivitäten im Zuge dessen durchzuführen sind. Darauf folgen drei Abschnitte, in welchen die Grundschritte des Vorgehensmodells und die darin enthaltenen Aufgabeninhalte detailliert beschrieben werden. Dazu ist anzumerken, dass sich dieser Gestaltungsansatz primär auf die Netzwerkebene bezieht und operative Aspekte – die Ebene der Leistungserstellung im Netzwerk – hintangestellt werden. Beendet wird dieses Kapitel mit einer kurzen Zusammenfassung, welche einen abschließenden Überblick über den Gestaltungszyklus geben soll.
5.1 Gestaltung des Wissenssystems eines Wertschöpfungsnetzwerkes 5.1.1 Anforderungen und Ziele Bevor der Gestaltungsansatz beschrieben wird, sollen zunächst kurz die Anforderungen und Ziele dargelegt werden, die sich aus einer wissensorientierten Perspektive an die Gestaltung von Strategie, Struktur sowie Kultur eines Wertschöpfungsnetz-
438
Vgl. WOHINZ, J. W.: Industrielles Management – das Grazer Modell, Graz, Wien 2003, S. 362ff.
146
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
werkes ergeben. Dabei ist anzumerken, dass sich letztere nicht immer klar voneinander trennen lassen und somit im selben Abschnitt erörtert werden. Eine kurze Zusammenfassung der Gestaltungsziele leitet zur Vorstellung des Gestaltungsansatzes über. Strategie Ausgangspunkt für die Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes ist die Strategie. Wird eine wissensorientierte Gestaltung angestrebt, tritt die Ressource „Wissen“ in den Vordergrund. Für einen nachhaltigen Netzwerkerfolg ist es zunächst erforderlich, die beteiligten Akteure für die strategische Relevanz der Ressource Wissen zu sensibilisieren.439 Darauf aufbauend kann das Wertschöpfungsnetzwerk gezielt unter besonderer Berücksichtigung der Ressource Wissen gestaltet werden. Der ressourcenorientierte Strategie-Ansatz und der darauf aufbauende wissensorientierte Ansatz stehen somit im Mittelpunkt strategischer Überlegungen zur wissensorientierten Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken. Durch die gezielte Kombination der Ressource Wissen im Netzwerk und die Übertragung auf Produkte und Dienstleistungen soll ein Wettbewerbsvorteil erzielt werden. Den strategischen Wissenszielen kommt im Zuge der Gestaltung eine besondere Bedeutung zu, denn diese legen fest, welches Wissen in Zukunft erforderlich sein wird. Das kann zur Identifizierung aktueller Defizite führen, und die strategischen Wissensziele können auf diese Weise mit ausschlaggebend für die Suche nach (neuen) Kooperationspartnern und den Aufbau eines Wertschöpfungsnetzwerkes sein. Sie können somit gleichsam den eigentlichen Anstoß zur Gestaltung bzw. Erweiterung eines Wertschöpfungsnetzwerkes liefern (siehe dazu auch Kap. 3.2.3). Prinzipiell wäre denkbar – und eine mögliche strategische Zielsetzung der Systemgestaltung – dass die geschickte Verknüpfung der Wissensbasen der beteiligten Netzwerkunternehmungen zum Aufbau einer eigenen, gemeinsamen Kernkompetenz führt, welche das Netzwerk befähigt, sich gegenüber konkurrierenden Organisationen (Einzelunternehmungen oder anderen Netzwerken) am Markt durchzusetzen.
439
Vgl. HOFFMANN, B.; ZADEK, H.: Zukunftorientiertes Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken, in: wissensmanagement 1/03, S. 14
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
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Schließlich ist es nicht nur wichtig, Wissen im Netzwerk zu entwickeln und/oder additiv zusammenzufügen, sondern es kommt vielmehr darauf an, das Wissen synergetisch zu verknüpfen und beispielsweise Mehrfachnutzungen zu ermöglichen.440 Ein weiterer Aspekt im Zuge strategischer Überlegungen ist auch die Positionierung des Netzwerkes in seiner Umwelt gegenüber den Stakeholdern (siehe Kap. 3.2.1). Für eine Wissensorientierung ist jedoch wesentlich, dass Wissensmanagement in der Strategie des Wertschöpfungsnetzwerkes verankert wird und die Netzwerkunternehmungen gemeinsam strategische Wissensziele formulieren. Diese sollen den Stellenwert von Wissen für das Netzwerk verdeutlichen und stellen die Basis für weitere Handlungen bezüglich Wissensmanagement im Kontext des Netzwerkes dar. Darauf aufbauend kann dann gemeinsam eine Strategie erarbeitet werden, wie die Wissensziele erreicht werden sollen. Struktur und Kultur Ein zentrales Gestaltungsziel aus Sicht von Struktur und Kultur muss sein, dass netzwerkübergreifend sowohl strukturelle als auch kulturelle Wissens- und Lernbarrieren erst gar nicht aufgebaut werden (siehe Kap. 4.2.2 sowie 4.2.3). Auf Ebene der Einzelunternehmung kann dieser Aspekt im Zuge der Auswahl im Sinne eines Kriteriums bereits berücksichtigt werden. Auf Netzwerkebene sollte die Struktur nach Möglichkeit derart gestaltet werden, dass rasch auf die Wissensbestände im Netzwerk zugegriffen werden kann, wobei sich die Struktur primär an der Wertschöpfungskette orientieren wird. Ähnliches gilt auch für die Kultur. Diese sollte Wissensmanagement bestmöglich unterstützen und die Entstehung von Vertrauen begünstigen. In Anwendungen der Überlegungen zur Zwei-Ebenen-Architektur der Kultur in Wertschöpfungsnetzwerken (Kap. 3.4.2) lässt sich für die wissensorientierte Gestaltung der Kultur ebenfalls eine zweistufige Sichtweise ableiten: 1.) Die Netzwerkkultur als „Meta-Kultur“ der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit. Diese ist – wenn möglich – aktiv im Sinne von Wissensmanagement zu gestalten und dann zu entwickeln.
440
Vgl. SYDOW, J.; VAN WELL, B.: Wissensintensiv durch Netzwerkorganisation – strukturationstheoretische Analyse eines wissensintensiven Netzwerkes, in: SYDOW, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, 3. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 120
148
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
2.) Die Kulturverträglichkeit der beteiligten Netzwerkunternehmungen sowie die „Wissensmanagement-Freundlichkeit“ der einzelnen Unternehmungskulturen: Bei letzteren kann lediglich Kulturentwicklung betrieben werden, da im Zuge des Eingehens der Zusammenarbeit die gewachsenen Kulturen zunächst als gegeben hingenommen werden müssen; die Kultur ist mitunter jedoch ein Auswahlkriterium bei der Partnerwahl. Sinngemäße Überlegungen können auch zur Struktur im Netzwerk abgeleitet werden. Auch diese ist sowohl auf Netzwerkebene als auch auf Ebene der Einzelunternehmung von Bedeutung: zum einen als Gestaltungsobjekt, welches bewusst im Sinne von Wissensmanagement geformt werden kann, und zum anderen als mögliches Selektionskriterium im Zuge der Partnerwahl. Wenn nun Kultur und Struktur im Zuge der wissensorientierten Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes im Mittelpunkt stehen, werden dabei jene organisationalen Ressourcen berücksichtigt, die sich im Gebrauch nicht oder nur wenig abnutzen – auf beide kann das Netzwerk im Zuge seiner Handlungen wiederholt zurückgreifen – sowie nur schwer transferierbar sind und somit dauerhaft für Wettbewerbsvorteile sorgen können.441 Letzteres hängt damit zusammen, dass Wettbewerber nur schwer in der Lage sind, die Struktur und die Kultur einer Organisation zu kopieren.442 Zusammenfassende Gestaltungsziele Wissensorientierte Gestaltung bedeutet also nicht nur, dass die Netzwerkpartner umfassende Kompetenz bezüglich ihres jeweiligen Leistungsbeitrags im Netzwerk aufweisen – das kann durchaus auch als gegeben im Sinne eines K.O.-Kriteriums vorausgesetzt werden und ist auch einer der wesentlichen Entstehungsgründe für Kooperationen und Netzwerke –, sondern bedeutet vor allem, das Netzwerk derart zu gestalten, dass die „Erfolgswahrscheinlichkeit“ eines netzwerkübergreifenden Wissensmanagements möglichst hoch ist. Dabei spielen Strategie, Struktur und Kultur eine entscheidende Rolle. Bevor das Vorgehensmodell in seinen Grundzügen vorgestellt wird, seien hier zusammenfassend die wesentlichen Ziele, die mit einer wissensorientierten Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes verfolgt werden, angeführt:
441 442
Vgl. BAMBERGER, I.; WRONA, Th.: Der Ressourcenansatz im Rahmen des strategischen Managements, in: WiSt 8/1996, S. 386f. Vgl. PRAHALAD, C. K.; HAMEL, G.: Nur Kernkompetenzen sichern das Überleben, in: HarvardManager, 2/1991, S. 76f.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz •
Umfassendes Wissen über Leistungen und Prozesse
•
Umfassende Problemlösungskompetenz
•
Wissensmanagement als wesentliches Element der Netzwerkstrategie
•
Wissensmanagementfreundliche Netzwerkkultur
•
Wissensmanagementfreundliche Netzwerkstruktur
149
Abschließend sei noch angemerkt, dass in einem Wertschöpfungsnetzwerk auch ein Koordinationsbedarf entsteht, wofür ebenfalls Wissen erforderlich ist. Dies sollte im Zuge der Gestaltung ebenfalls berücksichtigt werden.
5.1.2 Das Vorgehensmodell – ein Überblick In diesem Abschnitt sollen das Vorgehensmodell in seinen Grundzügen dargestellt werden, die Abfolge der Gestaltungsschritte sowie Inhalte im Überblick vorgestellt sowie die Zusammenhänge der Schritte dargelegt werden. Das Vorgehensmodell zur wissensorientierten Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken ist an das Vorgehen im „Knowledge Systems Design (KSD)“-Ansatz zur Gestaltung von Wissenssystemen nach WOHINZ443 angelehnt. Der Kern dieses Modells ist ein Gestaltungszyklus, der durch die Abfolge dreier Schritte geprägt ist: 1.) Analyse-Schritt 2.) Gestaltungs-Schritt 3.) Entwicklungs-Schritt Innerhalb dieser Schritte sind entsprechende Teilaufgaben wahrzunehmen. Im Anschluss an jeden Schritt wird beurteilt, ob der nächste Schritt eingeleitet wird. Durch die sequentielle Abfolge der einzelnen Schritte soll eine höchstmögliche Wahrscheinlichkeit für das Erreichen der Gestaltungsziele gegeben sein. In den KSD-Ansatz wurden nun die Funktionen des Managements von Wertschöpfungsnetzwerken an geeignet erscheinender Stelle eingearbeitet, unter spezieller Berücksichtigung der Gestaltungsdimensionen Strategie, Struktur und Kultur und den Aspekten des Wissensmanagements. Abbildung 5.1 zeigt den dadurch entstandenen Gestaltungszyklus mit den Teilaufgaben in den drei Grundschritten.
443
Vgl. WOHINZ, J. W.: Industrielles Management – das Grazer Modell, Graz, Wien 2003, S. 362ff.
150
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz Anstoß
Analyse-Schritt
• Zielanalyse • Prozessanalyse • Wissensanalyse • Partnersuche
Gestaltungs-Schritt
• Soll-Zustand festlegen • Partnerwahl • Klärung der Wissensziele • Gestaltung der Struktur
Entwicklungs-Schritt
• Kulturentwicklung • Evaluation der Wissensmanagement-Aktivitäten • Überprüfung der Zielerreichung
Abschluss Abbildung 5.1: Ansatz zur wissensorientierten Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken
Mit dem vorgeschlagenen Gestaltungsansatz wird der Versuch unternommen, die in den vorangegangenen Kapiteln erörterten Aspekte zu den Gestaltungsdimensionen Strategie, Struktur und Kultur sowohl bezüglich Wertschöpfungsnetzwerken als auch hinsichtlich Wissensmanagement in eine Reihenfolge zu bringen. Dadurch soll die „operative“ Abwicklung des Gestaltungsvorhabens erleichtert werden, da die vorgeschlagenen Aktivitäten sukzessive abgearbeitet werden können. Dieser Ansatz soll jedoch nicht als starre Abfolge von Schritten und Teilschritten gesehen werden, sondern ist vielmehr als flexibler Rahmen zu interpretieren, der dazu dienen soll, die Komplexität der Gestaltungsaufgabe zu reduzieren.444
444
Siehe dazu auch KRAEGE, R.: Controlling strategischer Unternehmungskooperationen – Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering 1997, S. 87
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
151
Weiters muss der Gestaltungsansatz nicht notwendigerweise nur bei der erstmaligen Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes durchlaufen werden, sondern kann durchaus verwendet werden, um ein bestehendes Wertschöpfungsnetzwerk wissensorientiert neu zu gestalten bzw. weiterzuentwickeln. Er kann dazu je nach Bedarf modifiziert und um spezifische (Teil-)Schritte ergänzt bzw. vermindert werden. Anstoß zur Gestaltung Bevor mit dem Gestaltungszyklus begonnen wird, stellt sich zunächst die Frage, wer (Individuum oder Organisation) die Gestaltung auslöst und warum diese erfolgen soll. Die angesprochene Frage nach dem „Warum“ impliziert, dass eine Organisation – eine Unternehmung oder ein bestehendes (Wertschöpfungs-)Netzwerk – die Notwendigkeit einer Veränderung erkennt (oder zu erkennen glaubt) und ein Wertschöpfungsnetzwerk – oder ein neu gestaltetes Wertschöpfungsnetzwerk – das Ergebnis dieser Veränderungen sein soll.445 Somit stellt sich unmittelbar die nächste Frage: Was kann dazu führen, dass ein System „Organisation“ die Notwendigkeit von Veränderungen sieht? – und zwar von Veränderungen, die sich nicht nur im Inneren des Systems abspielen, sondern auch das Umfeld betreffen und zur Entstehung eines neuen, größeren Systems – eines Übersystems – führen (siehe dazu Abbildung 5.2).
Strategiefindungsprozesse
Persönliche Kontakte
Impulse vom Markt (Kundenbedürfnisse …)
Veränderung der Wettbewerbssituation
…
Anstoß Abbildung 5.2: Möglichkeiten des Anstoßes zur Gestaltung
445
Oben wurde erwähnt, dass dieser Ansatz dazu verwendet werden kann, erstmalig ein Wertschöpfungsnetzwerk wissensorientiert zu gestalten oder ein bestehendes Wertschöpfungsnetzwerk wissensorientiert neu zu gestalten bzw. weiterzuentwickeln. Wegen der besseren Lesbarkeit soll der zweite Aspekt von hier an jedoch vernachlässigt werden. Ein bestehendes Wertschöpfungsnetzwerk würde in diesem Fall die Stelle der initiierenden Unternehmung einnehmen.
152
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
Nach ULRICH/PROBST446 setzt sich eine Unternehmung als zweckorientiertes System bewusst mit ihrer Umgebung auseinander – beispielsweise mittels regelmäßig durchgeführten Markt- und Wettbewerbsanalysen – und kann sich gegenüber Veränderungen der Umwelt durch eine Veränderung ihrer Struktur und ihres Verhaltens anpassen. In diesem konkreten Fall können die in Kap. 2.2.2 angeführten Wettbewerbsfaktoren als Entstehungsgründe von Unternehmungsnetzwerken Aufschlüsse darüber geben. Dies setzt jedoch voraus, dass Defizite hinsichtlich eines oder mehrerer der dort angeführten Faktoren auftreten und auch erkannt werden, und dass mit der Bildung eines Netzwerkes den geänderten Rahmenbedingungen im Umfeld Rechnung getragen werden soll. Denkbar ist weiters, dass im Zuge des Strategiefindungsprozesses eine Organisation zur Auffassung gelangt, dass ein Alleingang nicht mehr möglich und darum ein Netzwerk zu bilden ist oder neue Partner in ein bestehendes Netzwerk aufgenommen werden sollten, um die gewünschte Strategie zu realisieren. Für eine ausführliche Darstellung der strategischen Initiierung, der dabei durchzuführenden Aktivitäten und zum Einsatz von Methoden, Verfahren und Instrumenten eines Kooperationsvorhabens sei stellvertretend an KRAEGE447 verwiesen. Der Anstoß zur Bildung eines Wertschöpfungsnetzwerkes kann auch von Führungskräften bzw. Aufsichtsräten aufgrund ihrer Erfahrung oder ihrer persönlichen Kontakte („Netzwerke“) ausgelöst werden bzw. von extern an eine Unternehmung herangetragen werden (z. B. von potenziellen Partnerunternehmungen oder Beratern).448 HESS449 vertritt die Ansicht, dass ein Netzwerk in der Regel von einer Gruppe von Unternehmungen gegründet wird. Dies würde bedeuten, dass jene Aktivitäten in diesem Gestaltungsansatz, die mit der Identifikation und Auswahl der Partnerunternehmungen befasst sind, entfallen, es sei denn, es sollen zusätzlich zu den gründenden Unternehmungen weitere aufgenommen werden. Da ein Wertschöpfungsnetzwerk die Erstellung von marktlich verwertbaren Leistungen verfolgt, ist anzunehmen, dass vielfach auch vom Markt ausgehende Impulse – 446 447 448 449
Vgl. ULRICH, H.; PROBST, G. J. B.: Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln, Bern, Stuttgart 1988, S. 55f. Vgl. KRAEGE, R.: Controlling strategischer Unternehmungskooperationen – Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering 1997, S. 147ff. Vgl. KRAEGE, R.: a. a. O., S. 147 Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 259
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
153
beispielsweise ein konkretes Kundenbedürfnis – die Initialzündung zur Bildung eines Netzwerkes darstellen. Die Gestaltung wird dann von jener Unternehmung ausgelöst, die dieses Kundenbedürfnis erkennt. Dabei wird es sich zum überwiegenden Teil um eine Unternehmung handeln, die über einen direkten Zugang zum Markt verfügt, beispielsweise einem OEM in der Automobil- oder Konsumgüterindustrie. Ebenso wäre denkbar, dass die Auslösung durch einen Komponenten-, Modul- oder Systemlieferanten erfolgt. Der „relevante Markt“ ist dann der Markt für diese Komponente, das Modul oder das System. In all diesen Fällen ist anzunehmen, dass die initiierende Unternehmung zunächst auch die strategische Führerschaft im Netzwerk übernehmen wird. Die Gestaltungsschritte Analyse-Schritt Zunächst gilt es, die Ziele zu formulieren, die mit der Systemgestaltung primär verfolgt werden (Zielanalyse). Anschließend werden durch Analyse des Wertschöpfungssystems jene Prozesse bestimmt, die zur Leistungserstellung erforderlich sind und deren Durchführung durch das zu gestaltende Wissenssystem unterstützt werden soll (Prozessanalyse). Mit der darauf folgenden Wissensanalyse wird das zur Leistungserstellung erforderliche Wissen bestimmt, vorhandenes Wissen wird identifiziert und Defizite, die im Zuge der Gestaltung behoben werden sollen, können ermittelt werden. Es folgt die Partnersuche, welche dazu dienen soll, mögliche (neue) Netzwerkpartner zu identifizieren. Ist der Analyse-Schritt abgeschlossen, sollte beurteilt werden, ob die erhobenen Sachverhalte bereits für den anschließenden Gestaltungsschritt ausreichen oder ob noch ergänzende Analysen vorzusehen sind. Gestaltungs-Schritt Aufbauend auf den Prozessen im Wertschöpfungssystem soll nun das Wissenssystem des Wertschöpfungsnetzwerkes derart gestaltet werden, dass Wissensmanagement-Interventionen bestmöglich unterstützt werden. Dazu ist zunächst der Soll-Zustand zu definieren, der mit der Systemgestaltung angestrebt wird. Dieser beinhaltet alle drei Gestaltungsdimensionen. Anschließend werden auf Basis der zuvor durchgeführten Partnersuche potenzielle (neue) Partnerunternehmungen ausgewählt (Partnerwahl). Mit diesen gemeinsam können dann die Wissensziele festgelegt werden (Klärung der Wissensziele). Darauf aufbauend
154
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
kann die Struktur des Netzwerkes gestaltet werden (Strukturgestaltung). Dazu sind Aufgaben, Ressourcen und Verantwortlichkeiten zuzuweisen und Regeln der Zusammenarbeit aufzustellen. Entwicklungs-Schritt Mit der Entscheidung, im Gestaltungszyklus fortzufahren, gilt es nun, eine entsprechende Kultur im Sinne des Wissensmanagements zu entwickeln (Kulturentwicklung). Anschließend sollten die Wissensmanagement-Aktivitäten im Netzwerk beurteilt werden (Evaluation der Wissensmanagement-Aktivitäten), um – wenn nötig – Veränderungen einzuleiten. Beendet wird der Gestaltungszyklus mit einer Überprüfung, ob die angestrebten Gestaltungsziele erreicht wurden oder nicht (Überprüfung der Zielerreichung). Schwerpunkte im Gestaltungsansatz Wird dieser Gestaltungszyklus in Verbindung mit den Anforderungen hinsichtlich der Gestaltungsdimensionen gebracht, lässt sich ableiten, dass im Zuge des Durchlaufens der einzelnen Phasen der Schwerpunkt jeweils auf einer anderen der drei Gestaltungsdimensionen liegt. Abbildung 5.3 versucht, diesen Zusammenhang schematisch darzustellen. Im ersten Schritt – der Analyse – steht die Strategie im Mittelpunkt. Diese bildet den Ausgangspunkt der wissensorientierten Gestaltung; Ziele und die gewünschte Entwicklungsrichtung des zu gestaltenden Wertschöpfungsnetzwerkes werden vorgegeben, das Netzwerk wird strategisch positioniert. Struktur und Kultur werden jedoch insofern mit einbezogen, als sie bei der Festlegung der Ziele eine Rolle spielen und auch bei den einzelnen Analyseschritten zu berücksichtigen sind. Im Zuge des Gestaltungsschrittes wird der Fokus auf die Struktur gelegt. Diese – als Set formeller Regelungen – kann nun aufbauend auf die gemeinsam festgelegte Strategie aktiv gestaltet werden. Die Kultur kann im Gestaltungsschritt insofern mit einbezogen werden, als versucht werden kann, die Netzwerkkultur als „Meta-Kultur“ in Hinblick auf Wissensmanagement über die Formulierung dementsprechender normativer Wissensziele auf Netzwerkebene zu beeinflussen.
155
Entwicklung
KU LT UR
ST
Gestaltung
RU KT U
R
ST
Analyse
RA TE G
IE
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
Abbildung 5.3: Schematische Darstellung der Schwerpunkte im Gestaltungsansatz
Im abschließenden Entwicklungsschritt wird ein vermehrtes Augenmerk auf die Kultur des Wertschöpfungsnetzwerkes gelegt. Die Kultur, welche sich in einer Unternehmung über Jahre und Jahrzehnte hinweg entwickelt, ist ein „Phänomen“, das mit der Zeit wächst. Werden also Netzwerkunternehmungen ausgewählt, muss deren Kultur zunächst als gegeben hingenommen werden, und in einem ersten Schritt kann lediglich die Netzwerkkultur gestaltet werden. Diese kann im Laufe der Zeit (weiter)entwickelt werden. Im Zuge der Entwicklung besteht aber sehr wohl auch die Möglichkeit, bei den Netzwerkunternehmungen Kulturveränderungen und somit Lernprozesse einzuleiten. Eine Veränderung kann natürlich auch für die Struktur nicht ausgeschlossen werden. Zu Beginn der Zusammenarbeit (Gestaltung) sollen also formelle Regelungen die Komplexität reduzieren. Mit Fortdauer der Zusammenarbeit und dem Aufbau von Vertrauen treten immer mehr informelle Regelungen an deren Stelle. In den einzelnen Teilaktivitäten des Gestaltungsansatzes lassen sich die Aspekte zu den Dimensionen Strategie, Struktur und Kultur nicht immer klar voneinander trennen, da viele der vorgeschlagenen Aktivitäten zum Teil auf zwei oder auch alle drei Dimensionen abzielen. Aus diesem Grund soll in den Ausführungen auch auf eine Trennung verzichtet werden.
156
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
5.1.3 Organisatorische Durchführung der Gestaltung Die „Abarbeitung“ des Gestaltungsansatzes mit seinen Aufgabeninhalten ist ein umfangreiches Vorhaben, für dessen Durchführung organisatorische Vorüberlegungen erforderlich sind (Dies kann prinzipiell auch erst nach der Zielanalyse erfolgen). Aufgrund der Besonderheit dieses Vorhabens empfiehlt es sich, dieses zunächst als Projekt zu betrachten, zumindest so lange, bis das Netzwerk operativ tätig wird und die dafür erforderliche Organisation geschaffen ist. Ausführliche Erörterungen zum Thema Projekt bzw. Projektmanagement können an dieser Stelle nicht erfolgen, es wird dazu auf die einschlägige Literatur verwiesen (z. B. MADAUSS450, PATZAK/RATTAY451). Zu beachten ist auch, dass es sich hier um kein „klassisches“ Projekt wie beispielsweise einen einzelnen Kundenauftrag handelt, sondern eine Organisation gestaltet werden soll; ein derartiges Projekt unterscheidet sich deutlich von klassischen Projekten. Eine ausführliche Erörterung der Unterschiede sowie eine Diskussion von Organisationsprojekten soll hier nicht erfolgen, es sei wiederum auf die Literatur verwiesen (z. B. FRIESS/SCHMIDT452, JANES/PRAMMER/SCHULTER-DERNE453, KÖNIGSWIESER/EXNER454) Im Zuge der Auseinandersetzung mit der organisatorischen Durchführung sind auch Überlegungen über den Einsatz externer Berater zur Unterstützung zweckmäßig. Dies wird jedoch stark von der spezifischen Situation abhängig sein und wahrscheinlich in den einzelnen (Teil-)Schritten sehr unterschiedlich ausgeprägt sein.455 Denkbar wäre beispielsweise der Einsatz von Beratern zur methodischen Unterstützung im Analyse-Schritt oder bei der Partnerselektion. Weiters bietet sich externe Kapazität zur Durchführung einer Kulturanalyse möglicher Netzwerkpartner sowie der eigenen Organisation an, da die Wahrnehmung einer anderen Kultur immer unter
450 451 452
453 454 455
MADAUSS, B.: Handbuch Projektmanagement, 6. Aufl., Stuttgart 2000 PATZAK, G.; RATTAY, G.: Projektmanagement, 4. Aufl., Wien 2004 FRIESS, P. M.; SCHMIDT, A.: Fortschrittliches Organisations-Projektmanagement: Projekterfolg steigern mit systemischen Konzepten, http://gpm-ipma.de/main/download/04-1_wege/fly_friess2. pdf, Abruf 14.03.04, S. 3ff. JANES, A.; PRAMMER, K.; SCHULTE-DERNE, M.: Transformations-Management, Wien 2001 KÖNIGSWIESER, R.; EXNER, A.: Systemische Intervention, Stuttgart 1998 Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 134f. sowie die dort zitierte Literatur
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
157
Zuhilfenahme des eigenen Werte- und Normgefüges geschieht und somit durch externe Unterstützung eine gewisse Objektivierung erreicht werden kann.456
5.2 Analyse In diesem Abschnitt werden die einzelnen Teilaufgaben, die im Rahmen des Analyse-Schrittes zu erledigen sind, ausführlicher beschrieben. Dabei muss jedoch vorausgeschickt werden – und das gilt auch für den Gestaltungs- und EntwicklungsSchritt –, dass vor allem bei den zum Einsatz kommenden Methoden auf die zitierte Literatur für detailliertere Ausführungen verwiesen werden muss. Dies gilt speziell für Methoden, die nicht mit den spezifischen Aspekten einer wissensorientierten Gestaltung zusammenhängen und unabhängig davon im Zuge des Managements von Kooperationen und Netzwerken zur Anwendung kommen. Abgeschlossen wird mit einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse des Analyse-Schrittes als Basis für den darauf folgenden Gestaltungs-Schritt. Die Hauptaufgabe im Analyse-Schritt ist, eine fundierte Basis für die anschließende Systemgestaltung und die strategische Positionierung des Netzwerkes zu erhalten. Dementsprechend sorgfältig sollten die Aktivitäten durchgeführt werden. Abbildung 5.4 gibt einen Überblick über jene Fragen, die schwerpunktmäßig im Zuge der Abarbeitung der Teilaufgaben im Analyse-Schritt zu beantworten sind. Bevor damit begonnen wird, sollten jedoch die „Hausaufgaben“ gemacht werden. Wenn Wissensmanagement in der betreibenden Organisation selbst bereits Probleme bereitet – beispielsweise aufgrund ausgeprägter kultureller Barrieren – sollte gut überlegt werden, ob dieser Schritt gewagt werden und ein unternehmungsübergreifendes Wissensmanagement verwirklicht werden soll.
456
Vgl. KASPER, H.; HOLZMÜLLER, H. H.; WILKE, C.: Unternehmenskulturelle Voraussetzungen der Kooperation, in: ZENTES, J.; SWOBODA, B.; MORSCHETT, D. (Hrsg.): Kooperationen, Allianzen und Netzwerke, Wiesbaden 2003, S. 862ff.
158
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz Zielanalyse Welche Ziele sollen mit dem Wertschöpfungsnetzwerk verfolgt werden?
Prozessanalyse Welche Prozesse sind zur Leistungserstellung erforderlich?
Wissensanalyse Welches Wissen ist für die Prozesse notwendig? Welches Wissen ist bereits vorhanden?
Partnersuche Welche Unternehmungen kommen für das Netzwerk in Frage?
Abbildung 5.4: Schwerpunktfragestellungen im Analyse-Schritt
5.2.1 Zielanalyse Zu Beginn ist festzulegen, welche Ziele mit der nachfolgenden Systemgestaltung verfolgt werden. Die grundlegenden Ziele ergeben sich dabei unmittelbar aus jenen Sachverhalten, die zur Einleitung des Gestaltungszyklusses führten (siehe Kap. 5.1.2). Generell sind Ziele für die nachfolgenden Aktivitäten festzulegen, die in weiterer Folge mit den (neu) gewählten Partnerunternehmungen abzustimmen sind. Bei der Formulierung von Zielen ist nach HABERFELLNER et al.457 darauf zu achten, dass gewisse Anforderungen erfüllt werden:
457
•
Wertorientierung: Neben (objektiven) Fakten sind auch (subjektive) Wertvorstellungen zu berücksichtigen.
•
Lösungsneutralität: Ziele sollen das „Was“, d.h. die erwünschten und/oder unerwünschten Wirkungen der Lösung bezeichnen, und nicht das „Wie“.
•
Vollständigkeit hinsichtlich der Zielinhalte: Ziele sollen möglichst umfassend sein, d.h. verschiedene Zielinhalte (finanzielle, funktionelle, personelle sowie soziale und gesellschaftliche) sind zu berücksichtigen.
Vgl. HABERFELLNER et al.: Systems Engineering – Methodik und Praxis, 10. Aufl., Zürich 1999, S. 142ff.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
159
•
Berücksichtigung aller relevanten Wissensquellen und Interessenslagen: Das Wissen über Stärken/Schwächen und Chancen/Gefahren ist zu berücksichtigen, und alle von einer Lösung betroffenen Personen sind miteinzubeziehen.
•
Feststellbarkeit der Zielerfüllung: Das Ausmaß der Zielerreichung soll durch Vorgabe eindeutig feststellbarer Bedingungen oder Zielrichtungen mit/ohne Restriktionen definiert werden können.
•
Prioritätensetzung: Durch eine Klassifizierung in beispielsweise Muss- und Soll-Ziele soll die Wichtigkeit und Strenge zum Ausdruck gebracht werden, mit der die Ziele zu betrachten bzw. einzuhalten sind.
•
Widerspruchsfreiheit von Teilzielen: Durch Prioritätensetzung, Streichung von Teilzielen oder Zielkompromissen können Widersprüche im Zielsystem beseitigt werden.
•
Überblickbarkeit und Bewältigbarkeit des Zielkatalogs: Durch Selektionsund Reduktionsmechanismen (Strukturierung der Ziele, Prioritätensetzung etc.) sollen der Überblick gewahrt und die Realisierung sichergestellt werden.
Im Zuge der Zielanalyse lassen sich nun zwei Stoßrichtungen identifizieren, die zu beachten sind: •
Zum einen sind es die generellen Ziele, die mit der Gestaltung des Wertschöpfungsnetzwerkes verfolgt werden sollen. Diese lassen sich unmittelbar aus jenen Sachverhalten ableiten, welche die Gestaltung ausgelöst haben – wie z. B. ein konkretes Kundenbedürfnis (Kap. 5.1.2) – und sind primär darauf gerichtet, den gewünschten Leistungsumfang zu präzisieren. Weitere Anhaltspunkte für mögliche Gestaltungsziele liefern auch die Ziele von Wertschöpfungsnetzwerken, die in Kap. 2.3.3 erörtert wurden, sowie die Anforderungen an die Gestaltung (Kap. 3.1.5). Denkbar wäre beispielsweise das Anbieten bestimmter Systemlösungen oder die flussorientierte Ausgestaltung des Leistungserstellungsprozesses über Unternehmungsgrenzen hinweg.
•
Zum anderen sind es die Wissensziele, die aus Sicht des Wissensmanagements von Bedeutung sind. Diese betreffen das Wissenssystem des Wertschöpfungsnetzwerkes und sind hier von besonderem Interesse.
160
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
An den Beginn der Zielformulierung sind aus einer wissensorientierten Perspektive die normativen Wissensziele zu stellen, welche gleichsam das Netzwerk legitimieren und die Basis für den sorgfältigen Umgang mit der Ressource Wissen legen. In Anlehnung an PROBST at al.458 ließe sich beispielsweise folgender Leitsatz formulieren: „In unserem Netzwerk ist Wissen das zentrale Element unserer Wertschöpfung und unseres Erfolgs“. Mit einer derartigen Zielformulierung wird die Bedeutung, die Wissen für das zu gestaltende Netzwerk spielen soll, hervorgehoben, und ein normativer Rahmen für die weitere Systemgestaltung und -entwicklung wird geschaffen. Auf diesen kann bei der Formulierung der strategischen und operativen Wissensziele zurückgegriffen werden; er zielt auf die Schaffung einer wissensmanagementfreundlichen Kultur ab. Grundlegende strategische Wissensziele lassen sich in weiterer Folge bereits aus den generellen Netzwerkzielen ableiten, da damit auch im Groben bereits feststeht, welche Fähigkeiten dazu erforderlich sind. Damit verbunden ist hier auch das Bekenntnis, dass die Wissensorientierung bei strukturellen Fragen von Bedeutung ist. Eine Präzisierung der strategischen Wissensziele kann jedoch erst nach erfolgter Prozess- und Wissensanalyse erfolgen. Die endgültige Festlegung sollte dann gemeinsam mit den Netzwerkpartnern durchgeführt werden.
Mit Abschluss der Zielanalyse ist nun festgelegt, welchen grundsätzlichen Zweck das zukünftige Wertschöpfungsnetzwerk verfolgen wird, d.h. welcher Leistungsumfang angestrebt werden und wie mit der Ressource Wissen umgegangen werden soll. Die konkrete Ausformulierung der Ziele wird hier jedoch noch nicht sehr präzise sein. Eine Konkretisierung kann erst zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam mit den selektierten Unternehmungen vorgenommen werden.
5.2.2 Prozessanalyse Im Anschluss an die erfolgte Zielanalyse ist es nun erforderlich, die Wertschöpfungskette der gewünschten Leistung(en) zu analysieren, um dadurch die notwendigen Wertschöpfungsstufen zu identifizieren und zu spezifizieren, welche Wertschöpfungsaktivitäten zur Leistungserstellung nötig sind.
458
Vgl. PROBST, G.; RAUB, St.; ROMHARDT, K.: Wissen managen, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 42
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
161
Dazu ist in Abstimmung mit den Zielen auch festzulegen, welche Wertschöpfungsstufen in die Analyse mit einbezogen werden sollen, da, wenn zu weit in die Tiefe gegangen wird, der zusätzliche Nutzen den Aufwand – in diesem und in allen folgenden Teilschritten des Gestaltungsansatzes – oft nicht rechtfertigt.459 Somit wird hier die Grenze des Wertschöpfungssystems im Wesentlichen auch mit festgelegt. Bei einem gegenständlichen Produkt können erste Ansatzpunkte aus der Produktstruktur (Systeme, Module, Baugruppen, Unterbaugruppen, Teile etc.) abgeleitet werden. Ist die Leistung noch nicht exakt vorherbestimmt – was bei der Neugestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes oft der Fall sein kann – können eventuell ähnliche Leistungen oder eine Beschreibung der gewünschten Leistung zur Prozessanalyse herangezogen werden. Zur Abbildung der dadurch entstehenden Architektur der – verzweigten – Wertschöpfungskette können beispielsweise Flow-Charts, Balkendiagramme, Netzpläne oder ähnliche Darstellungsmethoden verwendet werden (siehe auch Abbildung 5.5). Je komplexer und umfangreicher die gewünschte Leistung, desto umfangreicher wird diese Darstellung ausfallen. Erzeugung von Einzelteilen Normteilen … Feder Welle
Fertigung von Komponenten
Fertigung von Systemen
… Fahrwerk Vorderachse
Getriebe
Fahrzeugmontage Antriebseinh.
Zahnrad Lichtanl. ….
…
…
Abbildung 5.5: Mögliche Darstellung des Ergebnisses der Prozessanalyse einer Wertschöpfungskette am Beispiel eines KFZ (vereinfachter Auszug, kein Anspruch auf Vollständigkeit)
Zum Zweck einer übersichtlichen Dokumentation der Analyseergebnisse sollten die Wertschöpfungsprozesse (Leistung(en), Input, Output etc.) und auch ihre Beziehung
459
Siehe dazu auch KAUFMANN, L.; GERMER, Th: Controlling internationaler Supply Chains – Positionierung, Instrumente, Perspektiven, in: ARNOLD, U.; MAYER, R.; URBAN, G. (Hrsg.): Supply Chain Management, Bonn 2001, S. 184
162
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
zueinander wie Lieferanten- und Kundenbeziehungen (vor- und nachgelagerte Prozesse) entlang der Wertschöpfungskette beschrieben werden. In einem nächsten Schritt können die einzelnen Wertschöpfungsstufen detaillierter betrachtet und die dort stattfindenden Wertschöpfungsprozesse in ihre einzelnen Teilprozesse bis hin zu den einzelnen Tätigkeiten aufgegliedert werden Dabei ist jedoch zu beachten, dass mit zunehmendem Detaillierungsgrad der Aufwand – auch in den nächsten Schritten – zunimmt.
Generell bietet sich im Rahmen dieses Teilschrittes der Einsatz jener Methoden und Instrumente an, die in der einschlägigen Literatur in Zusammenhang mit Prozessmanagement – hier vor allem mit der Prozessanalyse – und dem Supply Chain Management genannt werden. 460 Wichtig ist an dieser Stelle die Beschreibung461 der einzelnen Wertschöpfungsprozesse (diese Beschreibung umfasst die vor- und nachgelagerten Stufen, die Anforderungen, die Tätigkeiten usw.), denn dadurch wird die Ausgangsbasis für die nachfolgende Wissensanalyse geschaffen. Für die Prozesse, die in der bestehenden Organisation durchgeführt werden, bietet sich das Qualitätsmanagementhandbuch, in welchem üblicherweise die Prozesse mit ausreichendem Detaillierungsgrad – wenn für diese Phase der Gestaltung nicht sogar zu detailliert – dokumentiert sind, als Basis an. Bei Aktivitäten, die außerhalb der Unternehmung durchgeführt werden und somit für potenzielle Partnerunternehmungen in Frage kommen, könnte auf bereits bestehende Geschäftsbeziehung zurückgegriffen werden, um an die erforderlichen Daten zu kommen. Um sich diesbezüglich einen detaillierten Überblick über die Verteilung der Wertschöpfungsaktivitäten in einer Branche und jener Bereiche daraus, die selbst durchgeführt werden, zu verschaffen, bietet sich auch der Einsatz der von SCHNEIDER/BAUR/HOPFMANN462 vorgeschlagenen Wertketten-Landkarte an (In der Terminologie der vorliegenden Arbeit sollte eigentlich von einer „Wertschöpfungsaktivitä-
460 461
462
Zum Überblick vgl. WOHINZ, J. W.: Industrielles Management – Das Grazer Modell, Graz, Wien 2003, S. 348ff. oder auch THALER, K.: Supply Chain Management, Köln 1999, S. 202ff. Dazu und zu den Vorteilen einer klaren Prozessbeschreibung vgl.: KLEINSORGE, P.: Geschäftsprozesse, in: MASING, W. (Hrsg.): Handbuch Qualitätsmanagement, 4. Aufl., München, Wien 1999, S. 49ff. Vgl. SCHNEIDER, B.; BAUER, C.; HOPFMANN, L.: Re-Design der Wertkette durch Make or Buy, Wiesbaden 1994, S. 14ff.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
163
ten-Landkarte“ gesprochen werden). Damit können mögliche erste Kooperationspartner bereits im Zuge der Prozessanalyse identifiziert werden. Endprodukte
Rohstoffe
A1
A2
A3
A4
U1
U2
U3
Unternehmungen
Abbildung 5.6: Darstellung der Aufteilung von Wertschöpfungsaktivitäten zwischen Unternehmungen mittels „Wertketten-Landkarte“463
Ist die Prozessanalyse abgeschlossen, besteht ein Überblick über jene Wertschöpfungsstufen und -aktivitäten, die zur Erstellung der gewünschten Leistung erforderlich sind und welche davon in der eigenen Unternehmung – bzw. im bereits bestehenden Netzwerk – abgedeckt werden. Das heißt jedoch nicht, dass nicht auch Teile dieser eigenen Aktivitäten in Zukunft von Netzwerkpartnern durchgeführt werden, sollte sich herausstellen, dass (eine) andere Unternehmung(en) einige bzw. eine davon besser beherrscht bzw. beherrschen.
5.2.3 Wissensanalyse Im Zuge der Wissensanalyse ist nun aufbauend auf die Prozessanalyse zu ermitteln, welches Wissen für die in den Wertschöpfungsstufen durchgeführten Wertschöpfungsaktivitäten erforderlich ist und welches Wissen dafür bereits in der bestehenden Organisation vorhanden ist.
463
Vgl. SCHNEIDER, B.; BAUER, C.; HOPFMANN, L.: Re-Design der Wertkette durch Make or Buy, Wiesbaden 1994, S. 14
164
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
Identifizierung wissensintensiver Aktivitäten Um den Arbeitsaufwand im Rahmen der Abarbeitung der weiteren Aufgaben des Gestaltungszyklusses einzuschränken, empfiehlt es sich, den Fokus auf jene Prozesse und Aktivitäten zu legen, welche als wissensintensiv einzustufen sind und denen folglich im Rahmen eines Wissensmanagements besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.
Routineprozesse • • • • • • • • • • •
geringe Komplexität häufige Wiederholung Kontextwissen vorhanden ausreichend vorherbestimmbar geringer Neuigkeitsanteil kaum Erfahrungswissen von Experten erforderlich Daten ausreichend verfügbar betrifft überschaubare Anzahl vertrauter Wissensgebiete erforderliches Wissen ist gut kodifizierbar vergangenheitsorientiert aufgrund mehrmaliger Wiederholung mehrere Wissensträger im Unternehmen
Wissensintensive Prozesse • • • • • • • • • • •
hohe Komplexität kaum Wiederholungen Kontextwissen kaum vorhanden kaum vorherbestimmbar hoher Neuigkeitsanteil Erfahrungswissen von Experten erforderlich Daten kaum verfügbar Verknüpfung von vielen, oft neuen Wissensgebieten erforderliches Wissen ist schwierig bis kaum kodifizierbar zukunftsorientiert aufgrund häufiger Einmaligkeit wenige Wissensträger im Unternehmen
Abbildung 5.7: Routineprozesse versus wissensintensive Prozesse464
Dazu bieten sich die von HARTLIEB vorgeschlagenen Merkmale zur Gegenüberstellung an, womit eine Differenzierung in Routineprozesse und wissensintensive Prozesse vorgenommen werden kann (Abbildung 5.7). Ermittlung von Wissensdefiziten Wurden die wissensintensiven Wertschöpfungsprozesse auf den einzelnen Wertschöpfungsstufen auf Basis der in der jeweiligen Stufe durchgeführten Aktivitäten identifiziert, ist in weiterer Folge zu bestimmen, welches Wissen zu deren Durchführung erforderlich ist – der Wissensbedarf.
464
HARTLIEB, E.: Wissenslogistik – Effektives und effizientes Management von Wissensressourcen, Wiesbaden 2002, S. 143
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
165
Anschließend ist zu ermitteln, welches Wissen in der bestehenden Organisation vorhanden ist – das Wissensangebot. Dabei ist es von Vorteil, bereits zu diesem Zeitpunkt die Wissensträger zu erfassen, die über dieses Wissen verfügen. Darauf kann später im Zuge der Gestaltung zurückgegriffen werden. Wird das Wissensangebot dem Wissensbedarf – beispielsweise tabellarisch – gegenübergestellt, ist ersichtlich, in welchen Bereichen Defizite bestehen. Prinzipiell sind zwei Arten an Wissensdefiziten möglich: •
Wissen, das für bestimmte Wertschöpfungsstufen bzw. -aktivitäten nicht vorhanden ist, und
•
Wissen, welches für bestimmte Wertschöpfungsstufen bzw. -aktivitäten nicht in ausreichendem Maß vorhanden ist.
Für jene Prozesse und Aktivitäten, die nicht als wissensintensiv eingestuft wurden, ist zu überlegen, ob im Sinne einer Komplexitätsreduktion wirklich Partnerunternehmungen gesucht werden sollen. Für die Zusammenarbeit mit diesen würde Wissensmanagement keine große Rolle spielen, dadurch kann hier durchaus auch auf rein marktliche Transaktionen zurückgegriffen werden. Dadurch würde die Zahl der späteren Netzwerkunternehmungen eingeschränkt und die Systemgrenze somit enger gefasst werden. Zukünftiger Wissensbedarf Ein Aspekt, der im Zuge der Wissensanalyse aufgrund seiner strategischen Bedeutung nicht vernachlässigt werden darf, ist die Auseinandersetzung mit der Frage, welches Wissen zusätzlich zum derzeit erforderlichen in Zukunft vonnöten sein wird – beispielsweise für die Entwicklung neuer Leistungen für (zukünftige) Kunden –, da ein wissensorientiertes Wertschöpfungsnetzwerk langfristig am Markt erfolgreich sein sollte und die Ressource Wissen die Basis dafür bildet. Diese Überlegungen sind in weiterer Folge bei der Partnersuche und -wahl ebenso relevant. Als Instrument zur Unterstützung bietet sich hierzu beispielsweise das von HINTERHUBER465 angeregte Kompetenz-Portfolio an: Um diese Darstellung zu erhalten, wird eine Organisation zunächst hinsichtlich ihrer Kompetenzen mit den stärksten Wettbewerbern verglichen; daraus wird die relative Kompetenzstärke bei den einzelnen Kompetenzen abgeleitet. Diese wird anschließend dem aktuellen bzw. potenziel-
465
Vgl. HINTERHUBER, H. H.: Strategische Unternehmungsführung, Teil I: Strategisches Denken, 6. Aufl., Berlin, New York 1996, S. 125ff.
166
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
len Kundenwert der jeweiligen Kompetenz gegenübergestellt und kann in einem Portfolio visualisiert werden. Jene Kompetenzen, die aus Sicht der Kunden von großer Bedeutung sind, bei welchen die Organisation aber eine geringe Kompetenzstärke gegenüber dem Wettbewerb besitzt (Kompetenz-Gaps), sind in Zukunft von besonderer strategischer Relevanz; deshalb ist auf diese verstärkt zu achten. Sind Kompetenz-Lücken identifiziert, können daraus jene Wissensgebiete abgeleitet werden, die für das Netzwerk noch zusätzlich von Bedeutung sind bzw. sein werden. Quadrant II
hoch
Quadrant IV Produktentwicklung
Kompetenz-Gaps
Kernkompetenzen
Kundenwert
Montage Auftragsabwicklung
Distribution
Quadrant I
Quadrant III
Kompetenz-Standards
Kompetenz-Potenziale
FacilitiesManagement
niedrig
Herstellung der Komponente A
niedrig
hoch
Relative Kompetenzstärke Abbildung 5.8: Kompetenz-Portfolio (HINTERHUBER466)
Auch die klassische SWOT-Analyse (Strengths/Weaknesses, Opportunities/Threats) kann zur Identifizierung zukünftig erforderlicher Wissensbedarfe herangezogen werden. Damit lassen sich auch Chancen und Gefahren aus der Netzwerkumwelt identifizieren, was für die strategische Positionierung des Netzwerkes von Vorteil ist. Generell bieten sich zur Identifikation zukünftig relevanten Wissens alle weiteren Instrumente der strategischen Unternehmungsführung an (zum Überblick siehe z. B. HINTERHUBER467):
466
•
Produkt-Markt-Matrix
•
Portfolio-Analysen
HINTERHUBER, H. H.: Strategische Unternehmungsführung, Teil I: Strategisches Denken, 6. Aufl., Berlin, New York 1996, S. 130 467 Siehe dazu HINTERHUBER, H. H.: a. a. O.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz •
Szenariotechnik
•
GAP-Analyse
•
…
167
Beim Einsatz dieser Instrumente sollte jedoch stets abgewogen werden, ob der zu erwartende Nutzen den zum Teil beträchtlichen Aufwand der Anwendung rechtfertigt. Ableitung strategischer Wissensziele Aus den aktuellen Wissensdefiziten und jenem Wissen, das in Zukunft notwendig sein wird, können nun erste strategische Wissensziele für das Netzwerk abgeleitet werden, um damit festzulegen, welche Fähigkeiten das Netzwerk umfassen soll. Diese Wissensziele sind anschließend eine wesentliche Grundlage der Suche möglicher Partnerunternehmungen. Die endgültige Ausformulierung der Wissensziele sollte dann jedoch gemeinsam mit den Netzwerkpartnern erfolgen. Dies gilt insbesondere für Ziele, die jenes Wissen betreffen, das nicht im Netzwerk vorhanden ist und somit erworben oder entwickelt werden muss. Mehr dazu in Abschnitt 5.3.3.
5.2.4 Partnersuche Die Auswahl geeigneter Partnerunternehmungen ist essentiell für den Netzwerkerfolg. Bevor jedoch eine Selektion erfolgen kann, sind jene Unternehmungen zu identifizieren, die generell für das Wertschöpfungsnetzwerk in Frage kommen. Abgeschlossen wird der Analyse-Schritt demnach mit der Suche nach potenziellen Partnerunternehmungen. Dabei sollen auf Basis der zuvor identifizierten Wissensdefizite Unternehmungen ausfindig gemacht werden, welche in der Lage sind, diese Lücken zu schließen. Dieser Schritt hat somit den Charakter einer Vorselektion. Berücksichtigung bestehender Geschäftsbeziehungen Um mögliche Kooperationspartner zu identifizieren, kann zunächst auf bereits bestehende Geschäftsverbindungen – sei es ein herkömmliches Kunden-LieferantenVerhältnis oder eine Kooperation in einem anderen Bereich – zurückgegriffen werden. Dies ist insbesondere von Vorteil, da ein partnerschaftliches Verhältnis in der Regel nur im Rahmen einer längerfristigen Geschäftsbeziehung aufgebaut werden
168
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
kann.468 Somit besteht ein Startvorteil, vor allem auch, weil die gebotenen Leistungen und die handelnden Akteure bereits bekannt sind. Identifizierung möglicher Partnerunternehmungen War die Suche unter den bereits bestehenden Geschäftsverbindungen nicht erfolgreich, können in überregionalen Tageszeitungen oder Fachpublikationen Kooperationsinserate gesucht oder aufgegeben werden sowie Kooperationsbörsen in Anspruch genommen werden. Damit können primär Unternehmungen ausfindig gemacht werden, die selbst an Kooperationen interessiert sind.469 Derartige Kooperationsbörsen – heute großteils online über das Internet verfügbar – werden überwiegend von Interessensvertretungen und öffentlichen Institutionen betrieben, wie zum Beispiel die Kooperationsbörse der Wirtschaftskammer Wien (http://www.yen.at/KOOP). Es existieren auch branchenspezifische Kooperationsbörsen (z. B. http://www.doit-online.de/kooperationsboerse, eine Kooperationsbörse für die IT- und Medienbranche) oder solche, die sich auf eine bestimmte Region spezialisieren (z. B. http://www.ahk.com.br/brasilien/2a.htm, eine Kooperationsbörse der Deutsch-Brasilianischen Industrie- & Handelskammer Rio de Janeiro für Brasilien). Schlussendlich kann auch noch gezielt auf Unternehmungen zugegangen werden, die selbst noch kein Interesse an Kooperationen signalisiert haben. Diese können beispielsweise in Branchenverzeichnissen identifiziert oder auf Fachmessen persönlich angesprochen werden.470 Wissen als Auswahlkriterium Dass das primäre Auswahlkriterium für eine wissensorientierte Netzwerkgestaltung die Fähigkeit, identifizierte Wissenslücken zu schließen, ist, wurde bereits erwähnt. In Weiterführung der in Kap. 3.1.3 angesprochenen, zur Unterstützung der Vernetzung erforderlichen Komplementaritätskompetenzen lässt sich die Forderung ableiten, dass die Netzwerkpartner neben dem Wissen über ihren Leistungsbeitrag selbst auch noch über weiteres Wissen zur Förderung der Zusammenarbeit im Netzwerk verfügen sollen.
468 469 470
Vgl. BOGSCHEWSKY, R.: Kollaborative Abstimmung in Supply Networks über virtuelle Plattformen, S. 35 Vgl. WOHLGEMUTH, O.: Management netzwerkartiger Kooperationen, Wiesbaden 2002, S. 257 Vgl. WOHLGEMUTH, O.: a. a. O., S. 257f.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
169
Zu diesem Komplementaritätswissen gehört beispielsweise Wissen über die Realisierung kurzer Durchlaufzeiten oder entsprechendes Wissen im Bereich des Marketings. Zur diesbezüglichen Analyse in Frage kommender Organisationen bietet sich die Wertkette (siehe Kap. 2.1.3) an, da diese eine systematische Erfassung und Analyse der Aktivitäten in einer Unternehmung ermöglicht und dieses Komplementaritätswissen auch bei den unterstützenden Aktivitäten zu suchen ist. Dabei ist der Detaillierungsgrad jedoch an den erwarteten Nutzen anzupassen. Streng genommen stellen auch die Struktur und die Kultur als prozedurales bzw. deklaratives Wissen einer Organisation ein derartiges Komplementaritätswissen dar. Im Zuge der Partnersuche ist es erforderlich, dass mögliche Netzwerkpartner über ihr Wissen Auskunft erteilten.471 Das bedeutet jedoch nicht, dass sie in dieser Phase ihr Wissen offen legen sollen. Hier ist es lediglich erforderlich, das Meta-Wissen (Wissen über Wissen) weiterzugeben, damit ermittelt werden kann, ob die Organisation in der Lage wäre, durch ihr in das Netzwerk einzubringendes Wissen eine oder mehrere der identifizierten Lücken zu schließen. Die Gegenüberstellung mehrerer Organisationen kann nun beispielsweise mittels eines Sichtungsprofils erfolgen; dabei ist auch eine Gewichtung der bewerteten Punkte möglich.472 Dadurch ist es möglich, eine Reihung der in Frage kommenden Unternehmungen zu erstellen. Prinzipiell kann es auch vorkommen, dass für eine bestimmte Wertschöpfungsaktivität keine Organisation identifiziert werden kann, die über das erforderliche Wissen verfügt. Dieses muss dann im Zuge der Zusammenarbeit im Netzwerk erst aufgebaut werden. Überlegungen dazu sind im Gestaltungs-Schritt vorzunehmen.
5.2.5 Zusammenfassung Bevor mit der eigentlichen Systemgestaltung begonnen wird, sollte überprüft werden, ob die erhobenen Sachverhalte dafür ausreichen. Wenn nicht, sind weiterführende Analysen durchzuführen. Zusammenfassend seien die wichtigsten Ergebnisse des Analyse-Schrittes noch einmal angeführt:
471
472
Vgl. SCHMALTZ, R.; HAGENHOFF, S.: Wissensmanagement in unternehmensübergreifenden Kooperationen, Arbeitsbericht Nr. 9/2003 des Institutes für Wirtschaftsinformatik der Universität Göttingen, Göttingen 2003, S. 27 Vgl. HINTERHUBER, H. H.; AICHNER, H.; LOBENWEIN, W.: Unternehmenswert und Lean Management: wie ein Unternehmen den Nutzen für alle Stakeholders erhöht, Wien 1994, S. 126ff.
170
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
•
Die grundlegenden Ziele, die mit dem Wertschöpfungsnetzwerk verfolgt werden sollen, sind formuliert.
•
Normative Wissensziele zur Schaffung eines Rahmens für den Umgang mit der Ressource Wissen sind identifiziert.
•
Die Wertschöpfungsstufen, -prozesse und -aktivitäten, welche zur Leistungserstellung erforderlich sind, sind identifiziert.
•
Die Wissensinhalte, die nicht bzw. nicht im gewünschten Ausmaß vorhanden sind, sind identifiziert; die Wissensdefizite sind bekannt.
•
Das Wissen, das in Zukunft noch erforderlich sein wird, ist bekannt, und die strategischen Wissensziele sind grob umrissen.
•
Jene Unternehmungen, die prinzipiell für die Schließung der identifizierten „Wissenslücke(n)“ in Frage kommen, sind identifiziert.
Aufbauend auf das zur Verfügung stehende – wahrscheinlich umfangreiche – Datenmaterial kann nun mit der eigentlichen Systemgestaltung begonnen werden.
5.3 Gestaltung Abbildung 5.9 gibt einen Überblick über die wesentlichen Fragestellungen, die im Zuge des Gestaltungs-Schrittes beantwortet werden sollen. Hauptaufgabe ist die Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerks unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen an das Management der Ressource Wissen. Die Beschreibung der dazu vorgeschlagenen Aktivitäten erfolgt in diesem Abschnitt.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
171
Soll-Zustand festlegen Welcher Zustand soll mit der Systemgestaltung angestrebt werden?
Partnerwahl Welche Unternehmungen sollen in das Netzwerk eingebunden werden?
Klärung der Wissensziele Welche gemeinsame Strategie und welche gemeinsamen Ziele sollen verfolgt werden?
Gestaltung der Struktur Wie sollen Aufgaben, Zuständigkeiten und Ressourcen bezüglich Wissensmanagement verteilt werden und wie sehen die Regeln der Zusammenarbeit aus?
Abbildung 5.9: Schwerpunktfragestellungen im Gestaltungs-Schritt
5.3.1 Soll-Zustand festlegen Zu Beginn des Gestaltungs-Schrittes empfiehlt es sich, den angestrebten SollZustand hinsichtlich der drei Gestaltungsdimensionen Strategie, Struktur und Kultur aufbauend auf den Ergebnissen des Analyse-Schrittes festzuhalten. Dieser umfasst: •
die Wissensziele auf strategischer Ebene und damit das angestrebte Kompetenz-Portfolio,
•
die Struktur (strukturelle Aspekte, die Wissensmanagement unterstützen) und
•
die Kultur (kulturelle Aspekte zur Unterstützung von Wissensmanagement).
Konkrete Hinweise dafür können direkt den Ausführungen von Kap. 4.3.2 bzw. den Hinweisen zu den Gestaltungszielen (siehe Kap. 5.1.1) entnommen werden und ergeben sich auch aus den Gründen, die zur Einleitung der Systemgestaltung führten (siehe Kap. 5.1.2). Die wesentlichen Hinweise seien hier im Kontext des Gestaltungszyklusses angeführt: •
eine Strategie, die Wissen als die wichtigste Ressource begreift und gemeinsam von den Netzwerkunternehmungen erarbeitet wird und welche die Basis für weitere Aktivitäten wie Wissenserwerb und -aufbau darstellt sowie abbildet, wie mit Wissen im Netzwerk umzugehen ist, welche Fähigkeiten in Zukunft er-
172
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz forderlich sein werden und welche strategischen Ziele durch die Ressource Wissen unterstützt werden sollen;
•
eine Struktur, die den Anforderungen des Wissensmanagements gerecht wird, die rasche Identifikation und Verteilung von Wissen im Netzwerk unterstützt und die Bündelung des netzwerkweiten Wissens ermöglicht;
•
eine Kultur, welche die Bedeutung der Ressource Wissen hervorhebt und die Mitarbeiter in den Netzwerkunternehmungen ermutigt, ihr Wissen zu teilen.
Bei der Festlegung des Soll-Zustands wird die initiierende Organisation einen starken Einfluss ausüben. Die endgültige Ausprägung der drei Gestaltungsdimensionen kann jedoch erst gemeinsam mit den Partnerunternehmungen bestimmt werden. Dies sollte vor allem in Hinblick auf eine möglichst hohe Akzeptanz erfolgen. Ansätze zur Wissensbilanzierung als Unterstützung Hilfestellung bei der Ausformulierung des Soll-Zustands können die in der Literatur diskutierten und auch in der Praxis durchgeführten Ansätze zur Wissensbilanzierung geben.473 An dieser Stelle sollen zwei Ansätze kurz vorgestellt werden, für detaillierte Ausführungen sei auf die Literatur verwiesen: Der Intangible Assets Monitor von SVEIBY474 ist ein Instrument zur Bewertung und Steuerung immaterieller Vermögenswerte (Intangible Assets). Diese werden in drei Kategorien differenziert, nämlich Kompetenz (Fähigkeiten der Fachkräfte wie Ausbildung, Erfahrung, Werte, Social Skills), interne Struktur (von den Mitarbeitern geschaffene Elemente wie Patente, Konzepte, Modelle, IT-Systeme sowie administrative Systeme etc., auf welche die Organisation zurückgreifen kann) und externe Struktur (Kunden- und Lieferantenbeziehungen, Warenzeichen, Markennamen, Reputation). Der Ansatz von ARC-Seibersdorf475 bietet sich insofern an, als dieser aufbauend auf die Vision und die Ziele der Organisation zunächst Wissensziele ableitet und das intellektuelle Kapital mittels Indikatoren in den Bereichen Humankapital (die Wissensträger), Strukturkapital (Betriebsabläufe, Patente, Kommunikationsstrukturen, Organisationskultur etc.) und Beziehungskapital (die Einbindung der Organisation in die 473
474 475
Für einen Überblick vgl. LEITNER, K.-H. et al: Entwicklung eines Wissensbilanzierungssystems, Forschung Austria Report A.03-08/00 2000 sowie GRÜBEL, D; NORTH, K.; SZOGS, G.: Intellectual Capital Reporting – ein Vergleich von vier Ansätzen, in: zfo 1/2004 (73), S. 19-27 Vgl. SVEIBY, K. E.: The new organizational Wealth – managing & measuring knowledge-based assets, San Francisco 1997 Vgl. LEITNER, K.-H. et al: a. a. O.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
173
Umwelt) abbildet und damit auch die strategische Komponente berücksichtigt. Diese Indikatoren werden mittels geeigneter Kennzahlen gemessen. Das intellektuelle Kapital wird in Leistungsprozessen – welche ebenfalls mittels geeigneter Kennzahlen gemessen werden – umgesetzt, die zu Ergebnissen (Produkte und Dienstleistungen) mit einer dementsprechenden Wirkung – beispielsweise zufriedenen Kunden – führen. Abbildung 5.10 zeigt beispielhaft die Grundstruktur für den Aufbau einer Wissensbilanz. Rahmenbedingungen
Intellektuelles Vermögen
Unternehmungspolitik
Humankapital
Unternehmungsstrategie Unternehmungsziele
Strukturkapital Beziehungskapital Input Input
Leistungsprozesse Leistungsbestimmung Leistungserstellung
Wirkung
Zufriedenheit von Kunden …
Leistungsverwertung Output Output
Impact Impact
Abbildung 5.10: Die Grundstruktur für den Aufbau einer Wissensbilanz476
In Zusammenhang mit Netzwerken eröffnen sich für die Wissensbilanzierung zwei Blickwinkel: •
Aus der Sicht der beteiligten Unternehmung sind die Netzwerkpartner Teil des Beziehungskapitals und die internen Strukturen das Strukturkapital.
•
Aus der Sicht des Netzwerkes sind die Netzwerkbeziehungen das Strukturkapital, und das Beziehungskapital gibt die Einbindung des Netzwerkes in sein Umfeld wieder.
Eine Wissensbilanz kann in weiterer Folge im Zuge der Entwicklung des Netzwerkes die Strategieumsetzung unterstützen, da es dadurch möglich ist, die Wirksamkeit von Wissensmanagement-Aktivitäten anhand der Veränderung der Kennzahlen zu beurteilen. Kennzahlen, die sich dazu anbieten, sind beispielsweise:
476
•
Anzahl der eingerichteten Expertengruppen, Communities
•
Durchschnittliche Treffen pro Expertengruppe und Jahr
WOHINZ, J. W.: Industrielles Management – das Grazer Modell, Graz, Wien 2003, S. 367
174
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
Im Zuge der Festlegung des Soll-Zustands sind auch Überlegungen anzustellen, ob im Netzwerk ein Wissensbroker eingesetzt werden soll. Wissensbroker sind Personen, die eine Mittlerfunktion zwischen Wissensanbietern und Wissensnachfragern in einer Organisation übernehmen. Sie verfügen über ein fundiertes Wissen („MetaWissen“), über jenes Wissen, das in einer Organisation vorhanden ist. Aufgabe von Wissensbrokern ist es, •
Wissensträger und Wissensnutzer zusammenzubringen,
•
Transparenz hinsichtlich des organisationalen Wissensbestandes zu schaffen und
•
Barrieren der Nutzung vorhandenen Wissens zu eliminieren.477
Ist der Einsatz eines Wissensbrokers vorgesehen, sollte auch gezielt nach einer Partnerunternehmung gesucht werden, die diese Rolle übernehmen kann, es sei denn, die betreibende Organisation will diese Rolle übernehmen.
5.3.2 Partnerwahl Kriterien der Partnerwahl Mögliche Partnerunternehmungen werden bereits im Schritt „Umfeldanalyse“ identifiziert, wobei das primäre Auswahlkriterium – neben dem Komplementaritätswissen – die Fähigkeit einer Unternehmung war, die festgestellten „Wissenslücken“ zu füllen. Um jedoch eine wissensorientierte Gestaltung des Netzwerkes gewährleisten zu können und den Anforderungen des Wissensmanagements Rechnung zu tragen, bieten sich folgende weiterführende Kriterien zur endgültigen Partnerwahl an:
477
•
Kooperationserfahrung: Unternehmungen, die bereits erfolgreich an Kooperationen teilgenommen haben, lassen sich leichter in ein Netzwerk integrieren.
•
Wissensmanagementerfahrung: Unternehmungen, die (intern) nur wenig Erfahrung mit Wissensmanagement aufweisen, könnten mit einem netzwerkweiten Wissensmanagement zunächst überfordert sein.
•
Strategie: Hier kommt es auf den Strategie-Fit an. Dazu zählt auch die strategische Verankerung von Wissensmanagement.
Vgl. SCHÜPPEL, J.: Wissensmanagement – Organisatorisches Lernen im Spannungsfeld von Wissens- und Lernbarrieren, Wiesbaden 1996, S. 201
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
175
•
Kultur: Die Vereinbarkeit der Kulturen wurde bereits ausführlich erörtert. Entscheidend ist nun die „Wissensmanagementfreundlichkeit“ dieser.
•
Struktur: Auch die Strukturen der Partnerunternehmungen sollten Wissensmanagement bestmöglich unterstützen und miteinander harmonieren.
Abbildung 5.11 zeigt eine Möglichkeit, mehrere Unternehmungen anhand dieser Kriterien gegenüberzustellen. Weist die schlussendlich ausgewählte Unternehmung Defizite in dem einen oder anderen Bereich auf, so sollten diese im Entwicklungsschritt verbessert werden. Das Netzwerk selbst kann dazu nur Hilfestellung leisten, die Durchführung bleibt der jeweiligen Unternehmung selbst überlassen. Zwang sollte jedoch keiner ausgeübt werden. Die hier angeführten Kriterien sind als flexibel und jederzeit erweiterbar anzusehen. Die spezifische Ausprägung der jeweiligen Situation und die Ergebnisse des Analyseschrittes können es erforderlich machen, zusätzlich zu den hier angeführten weitere aufzunehmen. Die Bewertung der Kandidaten hinsichtlich der vorgeschlagenen Kriterien kann mittels herkömmlicher qualitativer Bewertungsverfahren wie beispielsweise Checklisten oder Sichtungsprofilen visualisiert werden.478 Unternehmung A Unternehmung B Strategie
Unternehmung C
Kooperationserfahrung
Wissensmanagementerfahrung
Struktur
Kultur
Abbildung 5.11: Visualisierung der Kriterien bei der wissensorientierten Partnerwahl
478
Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling – Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung, Wiesbaden 2002, S. 267ff.
176
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
Selbstverständlich sollten potenzielle Partnerunternehmungen auch ihre Bereitschaft, in einem Netzwerk mitzuarbeiten, kundtun. Andernfalls scheint eine Einbeziehung wenig sinnvoll. Bereitschaft könnte auch als sechstes Kriterium in die oben angeführte Liste aufgenommen werden. Nach Meinung des Verfassers sollte diese Bereitschaft jedoch als K.O-Kriterium verstanden werden. Die Bereitschaft zur Mitarbeit in einem Netzwerk wird primär davon abhängen, ob dadurch Vorteile bzw. zumindest keine Nachteile zu erwarten sind, und dürfte umso ausgeprägter sein, je höher ein möglicher strategischer Vorteil auch für die in Betracht kommende Partnerunternehmung ist.479 Bei Bedarf ist der potenziellen Partnerunternehmung also die Möglichkeit und damit auch die erforderliche Zeit einzuräumen, ihre strategische Ausgangsposition zu analysieren und Für und Wider eines Netzwerkbeitritts abzuwägen. Kann die Vorteilhaftigkeit einer Netzwerkteilnahme durch fundierte Analysen belegt werden, wird auch die Integration in das Netzwerk leichter vonstatten gehen. Für eine ausführliche Darstellung von im Zuge der Partnerselektion einsetzbaren Methoden bzw. für einen Überblick sei stellvertretend auf WOHLGEMUTH480 bzw. KRAEGE481 verwiesen. Analyse möglicher Partner Anhaltspunkte zur Analyse anderer Organisationen können aus der einschlägigen Literatur zum Thema „Due Diligence“ gewonnen werden. Unter Due Diligence ist die sorgfältige Analyse und Bewertung eines Objektes in Hinblick auf eine angestrebte geschäftliche Transaktion zu verstehen, mit dem Ziel, Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen. Diese wird beispielsweise bei Fusionen, Übernahmen, Privatisierungen etc. durchgeführt.482 Umfangreiche Checklisten dazu sind im Internet (Bsp.: http://www.diegruender.at/vc/download/Checkliste_Due_Diligence.pdf) oder in der Literatur verfügbar. Voraussetzung zur Durchführung derart umfangreicher Analysen ist jedoch, dass die ausgewählten Unternehmungen bereit sind, Auskünfte zu erteilen.
479 480 481 482
Siehe dazu auch KRAEGE, R.: Controlling strategischer Unternehmungskooperationen – Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering 1997, S. 95 Vgl. WOHLGEMUTH, O.: Management netzwerkartiger Kooperationen, Wiesbaden 2002, S. 269ff. Vgl. KRAEGE. R.: a. a. O., S. 16ff. Vgl. SCOTT, C.: Organisatorische Aspekte der Due Diligence, in: SCOTT, C. (Hrsg.): Due Diligence in der Praxis, Wiesbaden 2002, S. 14ff.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
177
KRAEGE483 führt an, dass mit potenziellen Partnern, mit denen Verhandlungen aufgenommen werden sollen, in der Regel Absichtserklärungen über das weitere Vorgehen geschlossen werden. Dies wird auch hier als zielführend erachtet, da anzunehmen ist, dass die in Frage kommenden Unternehmungen nur dann bereitwillig Auskunft über Interna geben werden, wenn für sie ein Nutzen erkennbar ist. Mit einer Absichtserklärung gibt die betreibende Organisation ihre Haltung kund, dass es ihr mit der Zusammenarbeit auch ernst ist. Interessante Anregungen im Kontext dieser Arbeit bietet auch die von NORTH/BLANCO484 vorgeschlagene „Knowledge Base Due Diligence” zur Erfassung und Bewertung der Wissensbasis von Unternehmungen (Abbildung 5.12). Dieses an den Intangible Assets Monitor von SVEIBY angelehnte Analyseraster soll auch dazu dienen, die Wissensträger in der analysierten Organisation zu identifizieren.
Elemente der Wissensbasis 1
Mitarbeiter
1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7
Ausbildungsniveau Einstellungen/Wertvorstellungen Produkt-/Prozesskompetenz Informations- und Kommunikationskompetenz unternehmerische Kompetenz Entwicklungsteams, Kundenteams Experten
2
Interne Struktur
2.1 2.2 2.3 2.4
Technologien Prozesse Informations- und Kommunikations-Infrastruktur Kultur
3
Externe Struktur
3.1 3.2 3.3
Kundenbeziehungen Lieferantenbeziehungen Beziehungen zu externen Wissensträgern
Mengengerüst
Indikatoren
Abbildung 5.12: Grundstruktur einer Knowledge Base Due Diligence485
483 484 485
Vgl. KRAEGE, R.: Controlling strategischer Unternehmungskooperationen – Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering 1997, S. 94 Vgl. NORTH, K.; BLANCO, A.: Wissen fusionieren – Wie Wissensintegration den Erfolg von Mergers & Acquisitionen unterstützt, in: new management 4/2003, S. 40f. NORTH, K.; BLANCO, A.: a. a. O., S. 40
178
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
Hinsichtlich der hier zu analysierenden und gestaltenden Dimensionen Strategie, Struktur und Kultur geht dieses Modell jedoch nicht weit genug und folgt auch nicht der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung. Deshalb soll im nächsten Abschnitt noch gesondert auf die drei genannten Dimensionen eingegangen werden. Analyse der drei Gestaltungsdimensionen Strategie Aus einer wissensorientierten Sicht sollte an dieser Stelle hinterfragt werden, wie eine mögliche Partnerunternehmung mit der Ressource Wissen umgeht. Mögliche Fragestellungen einer Analyse können sein: •
Ist sich die Unternehmung ihres intellektuellen Kapitals bewusst?
•
Ist Wissensmanagement in der Unternehmungsstrategie verankert?
•
Welche strategischen Wissensziele wurden formuliert?
•
Existiert ein strategisches Wissensmanagement?
Die Adressaten derartiger Fragen sind die relevanten Entscheidungsträger wie Vorstände, Geschäftsführer oder Aufsichtsräte der jeweiligen Unternehmung. Struktur Zur Analyse der Struktur bezüglich Wissensmanagement kann auf eine von TUPPINGER486 konzipierte Methodik zurückgegriffen werden. Diese analysiert die Organisationsstruktur anhand der fünf Dimensionen nach KIESER/KUBICEK (siehe dazu Kap. 3.3.2) und stellt diese in einem Sichtungsprofil dar (Abbildung 5.13). Zur Erhebung der Struktur können dabei folgende Methoden eingesetzt werden (für eine ausführliche Darstellung dieser Vorgansweise sei auf die Originalquelle verwiesen): •
Schriftliche Befragung
•
Mündliche Interviews
•
Beobachtung
•
Dokumentenanalyse
Aus der Sicht des Wissensmanagements sollte das Strukturprofil eher am rechten Rand der Skala angesiedelt sein. Im Zuge der Strukturanalyse potenzieller Partner486
Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 159ff.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
179
unternehmungen sollte auch bereits darauf geachtet werden, ob eventuell strukturelle Barrieren identifiziert werden können, welche sich später auf die Zusammenarbeit im Netzwerk auswirken könnten. Dies kann beispielsweise mittels entsprechender Formulierungen im Zuge einer Befragung erfolgen. spezialisiert
generalisiert
Spezialisierung Spezialisierung
unpersönlich
persönlich
hierarchisch
heterarchisch
Koordination Koordination
Konfiguration Konfiguration
EntscheidungsEntscheidungsdelegation delegation
zentral
bürokratisch
dezentral
unbürokratisch
Formalisierung Formalisierung
Abbildung 5.13: Beispiel für ein Strukturprofil einer Organisation nach TUPPINGER487
In weiterer Folge kann diese Darstellung auch Hilfestellung bei der Netzwerkentwicklung leisten, wenn es erforderlich werden sollte, Strukturveränderungen in einer der Netzwerkunternehmungen durchzuführen. Aus einer Gegenüberstellung mit einer Soll-Struktur lassen sich dabei gezielt Lücken identifizieren, welche Ausgangspunkte für die Ableitung von Interventionsmaßnahmen darstellen. Basis für die Soll-Struktur ist der zuvor festgelegt Soll-Zustand, ergänzt um für die jeweilige Unternehmung spezifische Elemente. Diese können bei der Erfassung des Ist-Zustands mit erhoben werden oder lassen sich aus einem Vergleich mit anderen Organisationen – am besten anderen Netzwerkpartnern – ableiten. Kultur Aufgrund der Bedeutung der Unternehmungskultur für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmungen zielen spezielle Ausprägungen der Due Diligence auf deren Analyse ab. Diese wird insbesondere bei internationalen Akquisitionen und Fusionen
487
Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 167
180
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
durchgeführt und betrachtet damit auch die jeweilige Landeskultur.488 Umfangreiche Ausführungen zum Thema Kulturanalyse finden sich auch bei SACKMANN489. Auf die Ermittlung des kulturellen Fits (oder Misfits) und den Umgang damit geht STÜDLEIN490 ausführlich ein. Zur Analyse der Kultur aus einer wissensorientierten Perspektive kann wiederum auf eine von TUPPINGER491 entwickelte Vorgangsweise zurückgegriffen werden. Diese baut auf dem Modell der Organisationskultur nach SCHEIN auf (siehe dazu Kap. 3.4.1) und erfasst die Organisationskultur anhand der dort angeführten Dimensionen. Das Ergebnis wird anschließend wiederum mittels eines Sichtungsprofiles dargestellt (Abbildung 5.14). Zur Erfassung der Kultur bieten sich dabei generell die gleichen Methoden wie zur Erhebung der Struktur an. Für eine ausführliche Darstellung der Methodik muss wiederum auf die zitierte Quelle verwiesen werden. Sichtweise Sichtweise über über die die Umwelt Umwelt
Einstellung Einstellung zu zu Wahrheit, Wahrheit, Zeit, Zeit, Raum Raum
Ansicht Ansicht zur zur Natur Natur des des Menschen Menschen
Annahmen Annahmen über über das das menschl. menschl. Handeln Handeln
Ausdruck Ausdruck sozialer sozialer Beziehungen Beziehungen
Bedrohung
Herausforderung
Zahlen/Fakten; „nie” Zeit
Versuch; „immer” Zeit
starr; Theorie X
wandelbar; Theorie Y
passiv; Kontrolle
geregelt; Wettbewerb
aktiv; Vertrauen
ungeregelt; Kooperation
Abbildung 5.14: Beispiel für ein Kulturprofil einer Organisation nach TUPPINGER492
488
489 490 491 492
Vgl. SCOTT, C.: Die kulturelle Due Diligence, insbesondere im Hinblick auf internationale Unternehmensakquisitionen, in: SCOTT, C. (Hrsg.): Due Diligence in der Praxis, Wiesbaden 2002, S. 168ff. SACKMANN, S.: Unternehmenskultur, Neuwied, Kriftel 2002, S. 118ff. STÜDLEIN, Y.: Management von Kulturunterschieden – Phasenkonzepte für internationale strategische Allianzen, Wiesbaden 1997, S. 252ff. Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 169ff. Vgl. TUPPINGER, J.: a. a. O., S. 175
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
181
Je weiter rechts auf der Skala eine Dimension zu liegen kommt, desto eher unterstützt deren Ausprägung das Wissensmanagement. Aus einer Gegenüberstellung mit einer gewünschten Soll-Kultur (analog zur Strukturanalyse) kann dieses Instrument auch im Zuge der Kulturentwicklung nützlich sein. Bei der Erhebung der Kultur möglicher Netzwerkunternehmungen sollte – wie bei der Struktur – ebenfalls auf die Identifizierung kultureller Barrieren geachtet werden und dies bereits bei der Planung der Kulturanalyse Berücksichtigung finden, beispielsweise bei der Auswahl von Fragen für Interviews. Daraus ergeben sich dann konkrete Ansatzpunkte für Interventionsmaßnahmen auf Unternehmungsebene und lassen sich auch Rückschlüsse auf die Zusammenarbeit im Netzwerk ziehen. Zusammenfassende Beurteilung der Analyse und Auswahl Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass im Zuge der Selektion der Netzwerkpartner umfangreiche Analysen durchzuführen sind. Im Sinne einer effizienten Abwicklung dieser Analysen empfiehlt es sich, konsequent vom Groben ins Detail vorzugehen. Auf diese Weise kann Schritt für Schritt die Anzahl möglicher Partnerunternehmungen – sofern mehrere zur Auswahl stehen – eingeschränkt werden. Mit jedem weiteren Schritt ist dann der Detaillierungsgrad zu erhöhen. Hat die Partnersuche ergeben, dass lediglich eine Unternehmung in Frage kommt, können hier lediglich die Unterschiede hinsichtlich der Auswahlkriterien ausgearbeitet werden. Bei der Auswahl der Partner kommt es auch darauf an, zu identifizieren, wo in der Organisation das Wissen, das im Zuge der Wissensanalyse bestimmt worden ist, vorhanden ist. Können beispielsweise gewisse Wissensinhalte schon konkreten Personen zugeordnet werden, ist es im Zuge der Zusammenarbeit dann wesentlich leichter und rascher möglich, auf dieses Wissen zuzugreifen. Es reicht jedoch nicht, nur die möglichen Partnerunternehmungen hinsichtlich der drei Gestaltungsdimensionen zu beurteilen; es ist auch notwendig, dass die betreibende Organisation über die eigene Strategie, Struktur und Kultur Bescheid weiß, da erst dann beurteilt werden kann, inwieweit ein „Fit“ gegeben ist und wo Handlungsbedarf besteht. Zur Gegenüberstellung und Identifizierung von Unterschieden bieten sich ebenfalls Sichtungsprofile an (siehe Abbildung 5.13 bzw. Abbildung 5.14). Da in einem Wertschöpfungsnetzwerk die Unternehmungen entlang der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten, sollte ein „Fit“ vor allem zwischen jenen Unternehmungen herrschen, die in direkter Leistungsbeziehung zueinander stehen, und hier vor allem zwischen jenen Abteilungen, die von der Zusammenarbeit betroffen sind.
182
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
Ein „Fit“ über mehrere Wertschöpfungsstufen hinweg – beispielsweise zwischen Rohmateriallieferant und OEM – scheint nicht von vorrangiger Bedeutung. Im Zuge der Fokussierung auf Wissensmanagement-relevante Auswahlkriterien darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die wirtschaftliche Situation der Partnerunternehmungen ebenfalls überprüft werden sollte, da eine Unternehmung in wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu erheblichen Problemen im Netzwerk führen kann.493 Mit Beendigung dieses Teilschrittes sollte nun der Pool an geeigneten Netzwerkunternehmungen feststehen. Abschließend sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Partnerwahl aufgrund der hohen Bedeutung für den Netzwerkerfolg mit großer Sorgfalt durchzuführen ist.
5.3.3 Klärung der Wissensziele Im Anschluss an die Auswahl der Netzwerkunternehmungen sind in einem nächsten Schritt die Wissensziele im Kollektiv zu klären und im Sinne der Netzwerkziele aufeinander abzustimmen. Dies ist insbesondere erforderlich, als die einzelnen Partnerunternehmungen zunächst ihre eigenen, individuellen Wissensziele verfolgen, und sollte sowohl auf normativer als auch auf strategischer Ebene durchgeführt werden. Strategie und Kultur treten in diesem Teilschritt also wieder in den Vordergrund. An dieser Stelle bietet sich zunächst an, gemeinsam ein „Wissensleitbild“ für das Netzwerk – wie von PROBST/RAUB/ROMHARDT494 für Unternehmungen vorgeschlagen – zu formulieren. Dieses Leitbild soll Aussagen darüber liefern, welchen Visionen und Idealen sich das Netzwerk im Umgang mit der Ressource Wissen verpflichtet fühlt, und die Berücksichtigung von Wissensaspekten bei strategischen und operativen Entscheidungen unterstützen. Es soll somit zur Entwicklung einer Wissenskultur auf Netzwerkebene beitragen. Dies wird natürlich umso leichter sein, je ausgeprägter die Wissens(management)freundlichkeit der individuellen Kultur der Partnerunternehmungen ist. Ein konkretes Beispiel für ein Wissensleitbild findet sich bei ROMHARDT495.
493
494 495
Vgl. HESS, Th.: Netzwerkcontrolling, Wiesbaden 2002, S. 264ff. sowie KRAEGE, R.: Controlling strategischer Unternehmungskooperationen – Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering 1997, S. 166ff., insbesondere zur methodischen Unterstützung Vgl. PROBST, G.; RAUB, St.; ROMHARDT, K.: Wissen managen, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 43f. Vgl. ROMHARDT, K.: Die Organisation aus der Wissensperspektive, Wiesbaden 1998, S. 98
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Darauf aufbauend können nun gemeinsam in einem kooperativen Verhandlungsprozess die strategischen Wissensziele für das Netzwerk abgestimmt und in Einklang mit den individuellen strategischen Wissenszielen der Unternehmungen gebracht werden. Hier ist wiederum zu beachten, dass diese Abstimmung vor allem zwischen Unternehmungen erforderlich ist, die in einer bilateralen Leistungsbeziehung zueinander stehen. Dabei ist von Vorteil, dass, wenn Unternehmungen entlang der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten, diese nach NORTH496 jenes Wissen, das für die Gestaltung ihres jeweiligen Abschnitts der Wertschöpfungskette erforderlich ist, weitgehend für sich behalten. Somit ist das Risiko einer Abwanderung von Wissen in vertikaler Richtung zur direkt vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungsstufe nicht überzubewerten, und damit einhergehend das Risiko des Verlustes eines individuellen strategischen Wettbewerbsvorteils. Dies ist jedoch den Netzwerkpartnern bewusst zu machen. Bei der Abstimmung der strategischen Wissensziele ist auch auf jenes Wissen Rücksicht zu nehmen, das noch nicht vorhanden ist und somit erworben oder entwickelt werden muss. Weiters ist damit die Entscheidung verbunden, welche Unternehmung – falls beabsichtigt – die strategische Führerschaft im Wissensmanagement übernehmen wird. Für umfassende Ausführungen zur kollektiven Zielbildung und Koordination kollektiver Strategien und der dabei einsetzbaren Methoden sei stellvertretend auf WOHLGEMUTH497 verwiesen.
5.3.4 Gestaltung der Struktur Aufgabe dieses Teilschrittes ist es, die Struktur des Netzwerkes unter Bedachtnahme der Anforderungen des Wissensmanagements, basierend auf den nunmehr abgestimmten Zielen, zu gestalten. Dazu soll zunächst auf die strukturellen Verflechtungen eingegangen werden; anschließend werden die Aspekte der Strukturgestaltung, die sich aus den Dimensionen der Organisationsstruktur verknüpft mit Wissensmanagement ergeben, herausgearbeitet (siehe dazu auch Kap. 3.3.3., 4.2.2 sowie 4.3.2). Zunächst muss an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen werden, dass eine ideale Struktur für Wissensmanagement nicht existiert.
496 497
Vgl. NORTH, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, 3. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 115f. WOHLGEMUTH, O.: Management netzwerkartiger Kooperationen, Wiesbaden 2002, S. 140ff. sowie S. 203ff.
184
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
Strukturelle Verflechtungen Da die Wertschöpfungskette der zu erstellenden Leistung(en) die Ausgangsbasis für die Netzwerkgestaltung bildet, werden sich die Leistungsverflechtungen primär auch an dieser orientieren. Auf die Leistungsverflechtungen soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden, Gegenstand der Überlegungen sind vielmehr strukturelle Verflechtungen aus der Sicht des Wissensmanagements. Nach WILDEMANN498 lassen sich vier grundsätzliche Arten an Verflechtungen in Netzwerken feststellen (Abbildung 5.15).
Personelle Verflechtung
Informatorischkommunikative Verflechtung
Finanzielle Verflechtung
Verflechtung auf Sachmittelebene
Abbildung 5.15: Strukturelle Verflechtungen in Netzwerken499
Aus wissensorientierter Sicht sind die personell-organisatorischen Verflechtungen sowie die informatorisch-kommunikativen Verflechtungen von Interesse, welche WILDEMANN wie folgt charakterisiert:
498 499
•
Personell-organisatorische Verflechtungen: Diese bestehen vor allem in der unternehmungsübergreifenden Teamarbeit (Erfahrungsaustauschrunden, KVP-Teams etc.). Eine weitere Möglichkeit stellen der Austausch von Führungskräften oder verschachtelte Aufsichtsratsmandate dar. Job-Rotation oder der Austausch von Personal bieten sich auch auf Manager- oder Technikerebene an.
•
Informatorisch-kommunikative Verflechtungen: Die Unternehmungen sind so zu vernetzen, dass an jeder Stelle im Netzwerk eine hohe Verfügbarkeit der für die jeweiligen Geschäftsprozesse relevanten Daten sichergestellt ist. Hier kommt der IuK-Technologie entscheidende Bedeutung zu, ebenso der direkten Kommunikation der beteiligten Personen im Unternehmungsnetzwerk.
Vgl. WILDEMANN, H.: Management von Produktions- und Zuliefernetzwerken, in: WILDEMANN, H. (Hrsg.): Produktions- und Zuliefernetzwerke, München 1996, S. 30ff. in Anlehnung an: WILDEMANN, H.: a. a. O., S. 31
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
185
Ebenso wie die Leistungsverflechtungen sollten sich auch die Kommunikationsstruktur und damit die informatorisch-kommunikativen Verflechtungen an der Wertschöpfungskette orientieren. Aufgrund der hier vertretenen Auffassung von Wissen und Wissensmanagement („Wissen ist an Personen gebunden“) ist die personelle Verflechtung jedoch am bedeutendsten. Diese sollte derart beschaffen sein, dass an jeder Stelle im Netzwerk eine hohe Verfügbarkeit des für die jeweiligen Prozesse relevanten Wissens gegeben ist und dass auf das im Netzwerk vorhandene Wissen bestmöglich zugegriffen werden kann. Weiters sollte diese Verflechtung auch die Entstehung struktureller Barrieren verhindern. Dazu ist es erforderlich, dass die Wissensträger zu einem Wissensgebiet – insbesondere die Experten – möglichst gut vernetzt werden und sich regelmäßig austauschen können, um auf diese Weise ihr netzwerkweit verstreutes Wissen bündeln und im Netzwerk transferieren zu können (siehe auch Abbildung 4.15). Eine in der Literatur dafür häufig vorgeschlagene Methode ist die Einrichtung von so genannten „Communities of Practice“ oder von Expertennetzwerken500, welche nach Möglichkeit im Wertschöpfungsnetzwerk institutionalisiert werden sollten. Ein derartiges Personennetzwerk führt regelmäßig Treffen zu bestimmten Themen durch, um Wissen netzwerkübergreifend zu identifizieren, zu entwickeln und zu transferieren. Neben der Nutzung der IuK-Technologie sind dabei persönliche Treffen unverzichtbar, um das für eine effiziente und effektive Zusammenarbeit erforderliche Vertrauen aufzubauen. Um die Transparenz der Daten- und Wissensbestände im Netzwerk zu steigern und den Zugriff darauf zu erleichtern, empfiehlt sich der Einsatz von Wissenskarten. Wissenskarten sind grafische Verzeichnisse von Wissensträgern, Wissensbeständen, Wissensquellen, Wissensstrukturen oder Wissensanwendungen.501 Die Basis für eine derartige Wissenskarte bilden die Ergebnisse der Prozessanalyse und die in der darauf aufbauenden Wissensanalyse identifizierten wissensintensiven Aktivitäten. Anschließend kann das Wissen, welches die Partnerunternehmungen einbringen, mit den Prozessen bzw. Aktivitäten verknüpft und Wissensgebieten zugeordnet werden, da letzteres aus der Stellung in der Wertschöpfungskette nicht di-
500 501
Vgl. ROLAND, W.-A.: Weltweiter Wissenstransfer in Expertennetzwerken, in: wissensmanagement 8/03, S. 23ff. Vgl. PROBST, G.; RAUB, St.; ROMHARDT, K.: Wissen managen, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 67ff. sowie HARTLIEB, E.: Wissenslogistik – Effektives und effizientes Management von Wissensressourcen, Wiesbaden 2002, S. 143
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Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
rekt ersichtlich ist. Nicht zu vergessen ist bei der Wissenskartenerstellung das Komplementaritätswissen. IuK-Technologie Im Zuge der Gestaltung der Zusammenarbeit sind auch Festlegungen hinsichtlich der zum Einsatz kommenden IuK-Technologien – die Verflechtung im technischen Subsystem – zu treffen. Diese sollte den netzwerkweiten Zugriff auf die erforderlichen Datenbestände bestmöglich unterstützen – ideal wäre eine Punkt-zu-PunktÜbertragung der erforderlichen Datenbestände direkt zwischen Nachfrager und Quelle der Daten – und die Identifizierung der Wissensträger erleichtern (z. B. „Yellow Pages“ bzw. die oben angesprochenen Wissenskarten). Einen Überblick über IuK-Technologien zur Unterstützung von WissensmanagementAktivitäten bietet das WISSENSMANAGEMENT FORUM502. Im Kontext von Wertschöpfungsnetzwerken erscheinen vor allem folgende als geeignet: •
Kommunikationstechnologien: Diese unterstützen den Wissenstransfer.
•
Kollaborationstechnologien: Diese vereinen verschiedene Kommunikationsinstrumente mit weiteren Werkzeugen und lassen sich zur Unterstützung des Wissenstransfers und der Wissensgenerierung einsetzen.
•
Dokumentenmanagement und Content Management-Systeme: Diese können zur Unterstützung der Dokumentenverwaltung und des Dokumententransfers im Netzwerk eingesetzt werden.
•
Netzwerktechnologien: Diese sind als zugrunde liegende Infrastruktur für den Datentransfer von Bedeutung.
•
Formate und Standards: Insbesondere beim Austausch von Daten über Unternehmungsgrenzen hinweg ist es erforderlich, diese festzulegen.
Da die eingesetzte Technologie jedoch eine untergeordnete Rolle hinsichtlich der Barrieren eines Wissensmanagements spielt, soll hier nicht weiter in die Tiefe gegangen werden.
502
Vgl. WISSENSMANAGEMENT FORUM (Hrsg.): Praxishandbuch Wissensmanagement, Teil 2, Graz 2002, S. 36ff.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
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Aspekte der Organisationsstruktur Zur Bewältigung der Komplexität im geschaffenen System ist Koordination erforderlich. Aus wissensorientierter Sicht sind dafür die persönliche Weisung sowie die Selbstabstimmung geeignet: Diese basieren auf einer unmittelbaren persönlichen Kommunikation zwischen den Organisationsmitgliedern und können auch als personenorientierte Koordinationsinstrumente bezeichnet werden. Die Koordinationsentscheidungen sind dabei das Ergebnis der Handlungen genau identifizierter Personen; Macht, Konflikte und dergleichen spielen eine große Rolle. Personenorientierte Koordinationsinstrumente können wie folgt beschrieben werden:503 •
Koordination durch persönliche Weisung: Diese ist durch einen vertikalen Kommunikationsfluss gekennzeichnet; die Koordination wird durch eine Abfolge von Entscheidungen und Weisungen über die einzelnen Instanzen bewerkstelligt. Sie ist leicht zu gestalten, da lediglich die Entscheidungskompetenz vorzugeben ist, wodurch die Koordination sehr flexibel wird, sie erfordert aber eine entsprechende Qualifikation der Stelleninhaber.
•
Koordination durch Selbstabstimmung: Hier erfolgt die Koordination nicht durch eine hierarchisch übergeordnete Instanz, sondern wird von der Gesamtheit der nachfolgenden Stellen wahrgenommen.
Der Vorzug sollte aber der Organisationskultur (als nicht strukturelles Koordinationsinstrument) gegeben werden, da diese bei komplexen Aufgaben besser für die Koordination geeignet ist. Die Organisationskultur stellt den Schwerpunkt im Entwicklungsschritt dar und wird in Kap. 5.4.1 näher behandelt. Im Zuge der Strukturgestaltung ist weiters zu bestimmen, welche Unternehmung die Rolle des Netzwerkkoordinators übernehmen soll, falls diese Funktion beabsichtigt ist. Diese Rolle kann bereits konkret mit einer Person besetzt werden. Aus einer Wissensperspektive heraus sollte diese Person auch die Aufgaben eines Wissensbrokers übernehmen. Mit einer derartigen Wissensfunktion kann auch ein erheblicher symbolischer Einfluss auf die Wissenskultur im Netzwerk ausgeübt werden.504 Grundsätzlich wird die strategisch führende Unternehmung des Wertschöpfungsnetzwerkes diese Rollen übernehmen bzw. eine Unternehmung, die einen möglichst
503 504
Vgl. KIESER, A.; KUBICEK, H.: Organisation, 3. Aufl., Berlin, New York 1992, S. 103ff. Vgl. PROBST, G.; RAUB, St.; ROMHARDT, K.: Wissen managen, 4. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 45
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Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
guten Zugang zum Endkunden hat. Damit ist gewährleistet, dass die Kundenanforderungen möglichst gut und vollständig in das Wertschöpfungsnetzwerk transferiert werden. Eine der wesentlichen Aufgaben im Zuge der Koordination wird es dann sein, den Erwerb und die Entwicklung von Wissen zu koordinieren und zu regeln, um Doppelund Mehrgleisigkeiten zu vermeiden, sowie Regeln festzulegen, wie mit diesem Wissen im Netzwerkzusammenhang umzugehen ist. Dazu gehören insbesondere Regelungen, unter welchen Voraussetzungen dieses neu erworbene oder neu entwickelte Wissen den anderen Netzwerkpartnern zur Verfügung gestellt werden kann bzw. zur Verfügung zu stellen ist. Einen Beitrag zur Koordination des Wissenserwerbs und der -entwicklung können sicherlich auch die oben angeführten Communities of Practice oder Expertennetzwerke leisten. Werden schriftliche Vereinbarungen und Verträge zwischen den Netzwerkpartnern geschlossen, so sollten – vor allem zwischen Unternehmungen, zwischen denen noch keine oder erst eine geringe Vertrauensbasis besteht – auch Anreize für ein Verhalten im Sinne des Wissensmanagements in die Verträge eingebaut werden. Dies sind beispielsweise Sanktionsmöglichkeiten, wenn Wissen im Netzwerk nicht weitergegeben wird oder weitergegebenes Wissen missbräuchlich verwendet wird, aber auch Belohnungen, wenn Wissen bereitwillig anderen Netzwerkakteuren zur Verfügung gestellt wird. Strukturelle Aspekte zur Netzwerkkultur Mit der Gestaltung der Struktur kann auch die Netzwerkkultur beeinflusst werden (Auf den Einfluss auf die Wissenskultur im Netzwerk durch die Schaffung einer Stelle „Wissensmanagement“ wurde weiter oben bereits hingewiesen). Hier ist es primär erforderlich, für das notwendige Systemvertrauen (das Vertrauen in das Netzwerk) zu sorgen. Das Vertrauen auf individueller Ebene zwischen den Akteuren in den Netzwerkunternehmungen ist im Laufe der Zeit zu entwickeln – es sei denn, die Personen haben bereits ein Vertrauensverhältnis aus früheren Geschäftsbeziehungen. Konkret bietet sich hier der von RUPPRECHT-DÄULLARY505 vorgeschlagene Einsatz so genannter Kultur-Dolmetscher an, um kulturellen Unterschieden – besonders auch auf internationaler Ebene – zu begegnen. Dabei handelt es sich um Personen, die mit den unterschiedlichen Kulturen der Kooperationspartner vertraut sind und somit eine Übersetzungs- bzw. Verbindungsfunktion wahrnehmen können. Idealer505
Vgl. RUPPRECHT-DÄULLARY, M.: Zwischenbetriebliche Kooperation, Wiesbaden 1994, S. 161ff.
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weise sollte ein derartiger Kultur-Dolmetscher mit beiden Kulturen aufgewachsen sein, es bietet sich aber auch an, ausgewählte Mitarbeiter durch gezielte Förderungsund Weiterbildungsmaßnahmen mit den entsprechenden Fähigkeiten auszustatten. Ein derartiger Kultur-Dolmetscher könnte auf Netzwerkebene beispielsweise im Steuerungsgremium angesiedelt sein. Zur kulturellen Integration der Partnerunternehmungen sollte auch gezielt nach Personen in den Netzwerkunternehmungen Ausschau gehalten werden, die eine Art „Brückenfunktion“ zwischen den Unternehmungen ausüben können („Boundary Spanners“), weil diese beispielsweise bereits über Erfahrung in der Zusammenarbeit unterschiedlicher Kulturen oder mit dem jeweiligen Kooperationspartner verfügen.
Mögliche Aktivitäten und Aufgabeninhalte im Zuge der Strukturgestaltung, die jedoch nicht unmittelbar mit Wissen bzw. Wissensmanagement zusammenhängen, lassen sich aus den Ausführungen zur Allokation und Regulation (siehe Kap. 3.1.2) ableiten und können auch Abbildung 3.5 entnommen werden. Dazu gehört z. B. die Festlegung von Verrechnungspreisen für Leistungen innerhalb des Netzwerkes.506
5.3.5 Zusammenfassung Mit Beendigung des Gestaltungs-Schrittes existiert ein wissensorientiertes Wertschöpfungsnetzwerk in seinen Grundzügen, welches bereits mit der Abarbeitung konkreter Kundenaufträge beginnen kann: •
Der Pool an Partnerunternehmungen wurde anhand von Kriterien wie einer wissensmanagementfreundlichen Kultur bzw. Struktur etc. zusammengestellt.
•
Die Wissensziele wurden gemeinsam abgestimmt.
•
Die Struktur der Zusammenarbeit wurde gestaltet.
5.4 Entwicklung Im Anschluss an die eigentliche Systemgestaltung treten im nun abschließenden Entwicklungs-Schritt jene Fragestellungen in den Vordergrund, die erst im Zuge einer engeren Zusammenarbeit behandelt werden können. Dazu zählen insbesondere Fragen, welche die Netzwerkkultur betreffen.
506
Vgl. KRAEGE, R.: Controlling strategischer Unternehmungskooperationen – Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering 1997, S. 177
190
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
Im Entwicklungs-Schritt rücken auch die am Netzwerk beteiligten Organisationen – die Subsysteme eines Wertschöpfungsnetzwerkes – wieder in den Blickpunkt. Die Zusammenarbeit kann Veränderungen in ihnen erforderlich machen, beispielsweise eine Veränderung der Kultur oder der Struktur (aus der Netzwerkperspektive: Kultur bzw. Struktur eines Subsystems). Abbildung 5.16 gibt einen Überblick über die Schwerpunkte im Entwicklungs-Schritt, die Beschreibung erfolgt in den nächsten Abschnitten. Kulturentwicklung Welche informellen Regelungen sollen das Wissensmanagement im Netzwerk unterstützen?
Evaluation der Wissensmanagement-Aktivitäten Wie verlaufen die Wissensmanagement-Aktivitäten im Netzwerk?
Überprüfung der Zielerreichung Wurden die gesetzten Ziele erreicht?
Abbildung 5.16: Schwerpunktfragestellungen im Entwicklungs-Schritt
5.4.1 Kulturentwicklung Eine der wesentlichen Aufgaben der Kultur im Wertschöpfungsnetzwerk ist die Übernahme der weiter oben bereits angesprochenen Koordinationsfunktion – sie soll dadurch die Koordination im Netzwerk vereinfachen: Denn in jenem Ausmaß, in dem sich die Organisationsmitglieder mit übereinstimmenden Werten und Normen identifizieren, kann eine Abstimmung ihrer Aktivitäten auch ohne strukturelle Vorgaben erfolgen.507 Die Koordination durch Organisationskultur ist insbesondere bei unsicheren und komplexen Aufgaben effizienter als strukturelle Mechanismen und zeigt sich durch drei Merkmale:508
507 508
Vgl. KIESER, A.; KUBICEK, H.: Organisation, 3. Aufl., Berlin, New York 1992, S. 118f. Vgl. WILKINS, A. L.; OUCHI, W. G.: Efficient Cultures – Exploring the Relationship Between Cultures and Organizational Performance, ASQ, Vol. 28, S. 477 zitiert in: KIESER, A.; KUBICEK, H.: a. a. O., S. 122 sowie KIESER, A.; KUBICEK, H.: a. a. O. S. 118ff.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
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•
Durch die geteilten Werte und Normen haben die Organisationsmitglieder übereinstimmende Zielvorstellungen und Präferenzen, die zu gleichen Handlungen und Prioritäten in komplexen Situationen führen.
•
Die Organisationskultur enthält Beispiele (Geschichten etc.), die auf neue Situationen übertragen werden können.
•
Die Organisationskultur erzeugt Vertrauen, dass kulturkonforme Aktivitäten auch belohnt werden.
Eine weitere wichtige Funktion, welche die Kultur im Netzwerk zu erfüllen hat, ist die Unterstützung der Integration der Netzwerkunternehmungen (Integrationsfunktion): Die Netzwerkkultur kann mit dazu beitragen, die Partnerunternehmungen zusammenzuhalten und zu verhindern, dass einzelne Netzwerkunternehmungen – die Subsysteme eines Netzwerkes – abdriften und ihre Ziele nicht mehr am Oberziel des Gesamtsystems ausrichten.509 Diese Gefahr besteht vor allem bei stark voneinander abweichenden Subkulturen und ist demnach umso größer, je größer die kulturellen Unterschiede der Netzwerkunternehmungen sind. Gezielte Interventionen in die Kultur im Sinne einer Kulturentwicklung – und hier speziell auf Ebene der Netzwerkunternehmungen – sind jedoch erst dann möglich, wenn die Netzwerkunternehmungen ausgewählt worden und wenn deren strukturelle Integration erfolgt ist. Dass im Zuge der Gestaltung die Netzwerkkultur dennoch bereits mit beeinflusst werden kann, wurde in Kap. 5.3.4 besprochen. Einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Netzwerkkultur kann der Aufbau einer gemeinsamen Sprache im Netzwerk mit einheitlicher Begrifflichkeit leisten. Dazu ist es zunächst erforderlich, Unterschiede zwischen den Begriffen der verschiedenen Fachsprachen zu identifizieren. Die Mitarbeiter müssen erkennen, welche Dinge oder Sachverhalte mit unterschiedlichen Begriffen belegt sind oder welche identischen Begriffe Unterschiedliches bezeichnen.510 Werden Schwierigkeiten zwischen zwei oder mehreren Unternehmungen erkennbar, die auf die Kultur zurückzuführen sind, können basierend auf einer in die Tiefe gehenden Analyse Interventionen abgeleitet werden. Das setzt jedoch die Bereitschaft
509
510
DILL, P.; HÜGLER, G.: Unternehmenskultur und Führung betriebswirtschaftlicher Organisationen, in: HEINEN, E.: Unternehmenskultur: Perspektiven für Wissenschaft und Praxis, München, Wien 1987, S. 147 ff. Vgl. SCHMALTZ, R.; HAGENHOFF, S.: Wissensmanagement in unternehmensübergreifenden Kooperationen, Arbeitsbericht Nr. 9/2003 des Institutes für Wirtschaftsinformatik der Universität Göttingen, Göttingen 2003, S. 42
192
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
der involvierten Unternehmungen voraus. Dabei kann wiederum auf die von TUPPINGER511 entwickelte Methodik zur Kulturanalyse und Kulturgestaltung zurückgegriffen werden. Aus Sicht der beteiligten Netzwerkunternehmungen handelt es sich dabei um deklaratives Lernen. Unterstützung bei der Kulturentwicklung und bei der Überwindung von Kulturunterschieden leisten auch Communities of Practice (CoP). So wusste ein Teilnehmer eines Workshops zum Thema „Identifizierung von Experten in der Unternehmung“ zu berichten, dass eine CoP bestehend aus Experten aus Forschung und Entwicklung zu einem Themengebiet von zwei selbstständig handelnden Tochterunternehmungen in verschiedenen europäischen Staaten eines Konzerns aus der Grundstoffindustrie wesentlich dazu beitragen konnte, kulturelle Differenzen und Ressentiments zu überbrücken. Durch die regelmäßige Zusammenarbeit wurde der Umgang miteinander offener, und es wurden Einblicke in die andere Unternehmung gewährt, die zuvor nicht möglich waren. Dadurch gelang es in weiterer Folge, die zuvor oftmals stattfindenden Parallelaktivitäten in den Entwicklungsabteilungen zu reduzieren und damit ein Ziel zu erreichen, das häufig mit der Einführung von Wissensmanagement in einer Organisation bezweckt wird. Entwicklung einer Vertrauenskultur Ein wirklich effizienter Wissenstransfer kann erst durchgeführt werden, wenn zwischen den beteiligten Individuen das notwendige Vertrauen aufgebaut worden ist. Konkrete Hinweise, wie eine Vertrauenskultur – insbesondere hinsichtlich des (Ver)Teilens von Wissen – geschaffen werden kann, können aus den Ausführungen von HINTERHUBER/RENZEL512 abgeleitet werden, wobei diese Maßnahmen zum Teil in den Netzwerkunternehmungen selbst anzusetzen sind: So können beispielsweise Foren zum Austausch von Wissen eingerichtet werden oder die Mitarbeiter ermutigt werden, ihre Ergebnisse in führenden Zeitschriften zu veröffentlichen. Denkbar ist auch das gezielte Hervorheben der kognitiven Auswirkungen des Wissensaustausches und die Messung der Wissens- und Produktivitätsfortschritte der Organisation mittels geeigneter Indikatoren – auch hier lässt sich wiederum die Wissensbilanz einsetzen.
511 512
Vgl. TUPPINGER, J.: Wissensorientierter Organisationswandel – Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden 2003, S. 169ff. Vgl. HINTERHUBER, H. H.; RENZEL, B.: Die strategische Dimension des Wissensmanagements, in: BORNEMANN, M.; SAMMER, M. (Hrsg.): Anwendungsorientiertes Wissensmanagement, Wiesbaden 2002, S. 26
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
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Von besonderer Bedeutung ist der Aufbau von Vertrauen zwischen jenen Akteuren (= Personen), die direkt zusammenarbeiten. Dazu sind intensive persönliche Kontakte unabdingbar.
5.4.2 Evaluation der Wissensmanagement-Aktivitäten Im Zuge des Entwicklungs-Schrittes erscheint es auch angebracht, die Wissensmanagement-Aktivitäten im Netzwerk näher zu betrachten, um auf diese Weise den Verlauf der vorangegangenen Schritte beurteilen zu können. Darauf aufbauend kann anschließend die eine oder andere Verbesserung eingeleitet werden. Eine zentrale Fragestellung wird dabei sein, ob jeder Partner jenen Beitrag zur Wissensbasis des Netzwerkes leistet, der von ihm erwartet wird. Weiters interessiert die Fragestellung, ob die Netzwerkunternehmungen auch wie vorgesehen an Wissensmanagement-Aktivitäten teilhaben. Wenn nicht, ist zu ergründen, ob das auf ein Nicht-Wollen oder ein Nicht-Können zurückzuführen ist. Daraus sind dann entsprechende Maßnahmen abzuleiten. Das können beispielsweise Veränderungen in den Strukturen oder Kulturen der betroffenen Unternehmungen sein oder auch in der Beziehung der betroffenen Unternehmung zu den anderen Unternehmungen im Netzwerk. Im Extremfall kann das jedoch sogar soweit führen, dass die Wahl der einen oder anderen Partnerunternehmung neu beurteilt werden muss. Die Wissensmanagement-Aktivitäten können weiters zur Bewertung der Partner herangezogen werden und somit ein Kriterium bei der Zuteilung des Netzwerkerfolgs und des Nutzens aus den netzwerkweiten Wissensmanagementaktivitäten – beispielsweise den Zugriff auf Netzwerkwissen – darstellen. Zur gegenseitigen Unterstützung der Partnerunternehmungen bieten sich ein netzwerkweites Benchmarking und der Transfer von Best-Practices im Netzwerk an. Dadurch ist es möglich, dass die Unternehmungen voneinander lernen und sich gegenseitig dabei helfen, besser zu werden. Durch die Definition geeigneter Kennzahlen – sowohl auf Unternehmungs- als auch auf Netzwerkebene – lässt sich dann ein Wissenscontrolling einrichten, welches eine systematische Planung von Wissensmanagement-Aktivitäten und deren Überprüfung gestattet. Beides hat jedoch – bezogen auf das Netzwerk – eher operativen Charakter. Im Zuge der Evaluation ist auch die Wirksamkeit der strukturellen und informellen (kulturellen) Regelungen zu überprüfen. In diesem Zusammenhang wäre auch zum Beispiel zu überprüfen, ob ein eingesetzter Wissensbroker seinen Aufgaben nach-
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Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
kommt oder ob sich das beabsichtigte Vertrauen zwischen den Netzwerkunternehmungen tatsächlich gebildet hat. Um den Aufbau und in weiterer Folge den Erhalt einer Vertrauenskultur zu unterstützen, kann ein Vertrauenscontrolling, beispielsweise mittels regelmäßiger gegenseitiger Befragungen der Netzwerkunternehmungen – möglichst von einem unabhängigen Dritten –, aufgebaut werden, so wie von WEBER513 vorgeschlagen. Werden niedrige Vertrauenswerte identifiziert, kann der Grund dafür bei einer der Partnerunternehmung liegen oder auf strukturelle Probleme der Beziehung zurückgeführt werden. An dieser Stelle sollte ebenfalls untersucht werden, ob Wissensbarrieren – sowohl struktureller als auch kultureller Natur – im Netzwerk vorhanden sind. Das kann einerseits das gesamte Netzwerk betreffen, andererseits auch einzelne bilaterale Beziehungen. Um das herauszufinden, könnten beispielsweise die handelnden Personen direkt dazu befragt werden. Die in diesem Teilschritt erhobenen Sachverhalte können nun unter anderem dazu führen, dass strukturelle oder kulturelle Veränderungen bei Netzwerkunternehmungen erforderlich werden. Dies bedeutet, dass ein Lernprozess eingeleitet wird.
5.4.3 Überprüfung der Zielerreichung Während sich der vorhergehende Teilschritt mit den Netzwerkunternehmungen und deren Beziehung zueinander aus Sicht des Wissensmanagements befasste, liegt der Schwerpunkt in diesem abschließenden Teilschritt des Gestaltungszyklusses auf dem gesamten Netzwerk. Im Mittelpunkt steht die Überprüfung, ob die anfänglich gesetzten und im Laufe des Gestaltungszyklus definierten Ziele auch tatsächlich erreicht wurden. Dies betrifft zunächst die generellen Ziele, die mit der Systemgestaltung verfolgt wurden und hauptsächlich den gewünschten Leistungsumfang betreffen. Von primärem Interesse sind an dieser Stelle jedoch die Überprüfung des gebildeten Wissenssystems und die Überprüfung, ob die gesetzten Wissensziele, sowohl auf normativer als auch auf strategischer Ebene, erreicht wurden (Abbildung 5.17). Diese Überprüfung ist jedoch keine einmalige Angelegenheit, sondern ist als laufend durchzuführender Prozess im Sinne eines Controllings zu sehen und sollte im Netzwerk institutionalisiert werden.
513
Vgl. WEBER, J.: Logistik- und Supply Chain Controlling, 5. Aufl., Stuttgart 2002, S. 206f.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz Generelle Ziele
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Normative Wissensziele
Überprüfung der Zielerreichung
Soll-Zustand
Strategische Wissensziele
Abbildung 5.17: Elemente der Überprüfung der Zielerreichung
Grundlage für die Überprüfung sind zunächst jene Ziele, die in der Zielanalyse, welche den Gestaltungszyklus einleitete, bestimmt wurden (Ziele des Wertschöpfungsnetzwerkes und normative Wissensziele, Kap. 5.2.1) sowie die im Zuge der Wissensanalyse abgeleiteten strategischen Wissensziele (Kap. 5.2.3) und die in weiterer Folge mit den Partnerunternehmungen gemeinsam abgestimmten Wissensziele (Kap. 5.3.3). Mit einzubeziehen ist auch der zu Beginn des Gestaltungs-Schrittes festgelegte Soll-Zustand (Kap. 5.3.1). Hilfestellung können die bereits erwähnten Ansätze zur Wissensbilanzierung geben, welche helfen können, Abweichungen aufzuzeigen. Wurden konkrete Abweichungen festgestellt, sollten diese zum Anlass genommen werden, Veränderungen im Netzwerk einzuleiten. Das kann zum einen die Ziele umfassen und somit eine Änderung des Soll-Zustands bewirken, was unmittelbar auch Auswirkungen auf die Strategie hat; zum anderen kann das Veränderungen in der Struktur oder Kultur des Netzwerkes notwendig machen. Wird das in Kap 4.2.4 dargestellte Lernmodell einer Organisation angewendet, handelt es sich dabei um ein prozedurales bzw. deklaratives Lernen des Netzwerkes, da die Netzwerkstruktur als das prozedurale Wissen des Netzwerkes und die Netzwerkkultur als das deklarative Wissen des Netzwerkes interpretiert werden können. Schlussendlich können die Ergebnisse dieses Teilschrittes dazu führen, dass der Gestaltungszyklus vollständig oder zumindest zum Teil von neuem durchlaufen wird – diesmal jedoch nicht mit dem Ziel, ein neues Wertschöpfungsnetzwerk zu gestalten, sondern ein bestehendes Wertschöpfungsnetzwerk weiterzuentwickeln. Das Netzwerk lernt.
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Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
5.4.4 Zusammenfassung Mit Beendigung des Entwicklungs-Schrittes ist der Gestaltungszyklus abgeschlossen. Es liegt ein Wertschöpfungsnetzwerk vor, das unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen des Wissensmanagements und somit wissensorientiert gestaltet wurde. Gegenstand war zunächst die Entwicklung der Kultur, wobei der Aufbau von Vertrauen eine wichtige Rolle spielte. Anschließend wurde das Wissensmanagement im Netzwerk beurteilt, um daraus Verbesserungsmaßnahmen ableiten zu können. Den Abschluss bildete eine Überprüfung, ob die Ziele, welche mit der Systemgestaltung verfolgt wurden, auch tatsächlich erreicht werden konnten. Die Ergebnisse daraus können schließlich den Anstoß dazu liefern, dass der Gestaltungszyklus erneut in Angriff genommen wird und sich das Netzwerk weiterentwickelt.
5.5 Zusammenfassende Betrachtung der Gestaltung Ziel des vorangegangenen Kapitels war, einen Ansatz zur wissensorientierten Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken zu entwickeln. In diesen fließen die Überlegungen zum Management von Wertschöpfungsnetzwerken, zu den Gestaltungsdimensionen Strategie, Struktur und Kultur sowie zum Wissensmanagement ein. Am Beginn wurde der Gestaltungszyklus in seinen Grundzügen vorgestellt, wobei zunächst die Anforderungen und Ziele der Systemgestaltung erörtert wurden. Als ein wesentlicher Auslöser der Systemgestaltung wurde das Bestreben von Organisationen, sich an Veränderungen in der Umwelt anzupassen, identifiziert. Eines der grundlegenden Merkmale des Gestaltungszyklusses ist, dass sich das wissensorientierte Netzwerk immer klarer abzeichnet und die einzelnen Gestaltungsschritte unterschiedliche Schwerpunkte aufweisen. Im Analyse-Schritt, welcher die Grundlage für die Systemgestaltung liefert, liegt der Schwerpunkt auf der Strategie. Umfassende Analysen, sowohl des Wertschöpfungssystems als auch des Wissenssystems, sind erforderlich, um strategische Wissensziele abzuleiten und mögliche Partnerunternehmungen zu identifizieren. Im Gestaltungs-Schritt steht die Struktur im Vordergrund. Zunächst sind jedoch geeignete Partnerunternehmungen anhand ihres Wissens, ihrer Wissensmanagementund Kooperationserfahrung sowie ihrer Strategie, Struktur und Kultur auszuwählen.
Wissensorientierung von Wertschöpfungsnetzwerken – ein Gestaltungsansatz
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Anschließend können die Ziele gemeinsam abgestimmt und die Struktur des Netzwerkes gestaltet werden. Im abschließenden Entwicklungs-Schritt liegt der Fokus auf der Kultur. Diese kann erst dann entwickelt werden, wenn der Partnerpool und die Struktur des Netzwerkes feststehen. Schließlich ist es noch notwendig, das Wissensmanagement im Netzwerk zu überprüfen und Veränderungen einzuleiten. Abgeschlossen wird der Gestaltungszyklus mit einer Überprüfung, ob die anfänglich angestrebten Gestaltungsziele auch erreicht wurden. Gegebenenfalls ist der Gestaltungszyklus dann erneut anzustoßen. Im Zuge der Beschreibung des Ansatzes wurden auch einige dazu geeignet erscheinende Methoden vorgestellt. Zur vertiefenden Erörterung über das Management von und in Netzwerken – unabhängig vom Wissensaspekt – und dem Einsatz entsprechender Methoden sei der interessierte Leser stellvertretend auf die Arbeiten von WOHLGEMUTH514 und ZUNDEL515 verwiesen.
514 515
WOHLGEMUTH, O.: Management netzwerkartiger Kooperationen, Wiesbaden 2002 ZUNDEL, P.: Management von Produktionsnetzwerken, Wiesbaden 1999
198
Zusammenfassung und Ausblick
6 Zusammenfassung und Ausblick In diesem Kapitel, welches die vorliegende Arbeit beschließt, soll zusammenfassend eine Antwort auf die gestellten Forschungsfragen gegeben werden. Den Abschluss bildet ein Ausblick auf weitere mögliche Fragestellungen, die in zukünftigen Forschungsvorhaben einer Klärung zugeführt werden könnten.
6.1 Zusammenfassung Die hohe Dynamik im Unternehmungsumfeld erfordert immer häufigere und raschere Anpassungen der Unternehmungen und stellt diese vor große Herausforderungen. Immer seltener ist es möglich, diesen Herausforderungen im Alleingang zu begegnen; Kooperationen werden notwendig, die Vernetzung mit mehreren Partnerunternehmungen wird erforderlich, um kundengerechte Leistungen in der geforderten Qualität, der geforderten Zeit und zum gewünschten Preis herzustellen. Daneben werden die klassischen Ressourcen wie Arbeit oder Rohstoffe in Wertschöpfungsprozessen zusehends von der Ressource Wissen verdrängt. Das macht den gezielten Umgang mit dieser Ressource im Sinne des Wissensmanagements erforderlich. Diese Entwicklungen legen nahe, Wertschöpfungsnetzwerke als eine Form der unternehmungsübergreifenden Leistungserstellung unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen an das Management der Ressource Wissen – also wissensorientiert – zu gestalten. Aufbauend auf diesen Gedanken wird in der vorliegenden Arbeit unter Berücksichtigung der relevanten Grundlagen von Wertschöpfungsnetzwerken, Management und Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken sowie Wissensmanagement ein Ansatz zur wissensorientierten Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken entwickelt. Dabei sind einige Fragen zu beantworten: Wodurch ist ein Wertschöpfungsnetzwerk gekennzeichnet? Bei einem Wertschöpfungsnetzwerk als spezielle Form eines Unternehmungsnetzwerkes handelt es sich um ein Wertschöpfungssystem, dessen Elemente rechtlich selbständige Unternehmungen sind. Diese kooperieren auf aufeinander folgenden Stufen der Wertschöpfungskette und stehen über Waren-, Daten-, Wissens- und Kapitalflüsse miteinander in Verbindung. Wertschöpfungsnetzwerke beabsichtigen die Erstellung und/oder Entwicklung von am Markt verwertbaren Leistungen unter Ausschöpfung der Vorteile einer arbeitsteiligen Leistungserstellung.
Zusammenfassung und Ausblick
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Was kennzeichnet das Management von Wertschöpfungsnetzwerken und die Gestaltungsdimensionen Strategie, Struktur und Kultur? Im Zuge des Managements von Wertschöpfungsnetzwerken sind geeignete Unternehmungen auszuwählen (Selektion), die Zusammenarbeit ist zu gestalten, Aufgaben, Zuständigkeiten und Ressourcen sind zuzuweisen und Regeln der Zusammenarbeit sind zu vereinbaren (Allokation, Regulation). Schließlich sind noch Kosten und Nutzen im Netzwerkzusammenhang zu verteilen (Evaluation). Die drei wesentlichen Gestaltungsdimensionen im Zuge des Managements von Wertschöpfungsnetzwerken sind die Strategie, die Struktur sowie die Kultur. Der „Fit“ dieser drei Faktoren ist ein wichtiges Erfolgskriterium: Die individuellen Strategien der Partnerunternehmungen müssen harmonieren, und eine gemeinsame Netzwerkstrategie ist festzulegen. Ebenso ist auf die Strukturverträglichkeit der Netzwerkunternehmungen zu achten; eine dementsprechende Netzwerkstruktur ist zu bilden, welche sich an der Wertschöpfungskette der erstellten Leistung(en) orientiert. Schließlich ist ein besonderes Augenmerk auf die Kulturverträglichkeit der Netzwerkpartner zu legen. Dabei ist es erforderlich, eventuelle Kulturunterschiede zu überwinden und vor allem auf den Aufbau von Vertrauen im Netzwerk zu achten. Aufbauend auf die Erörterung der relevanten Grundlagen und die daraus abgeleiteten Zusammenhänge ergaben sich die speziellen Forschungsfragen, welche unmittelbar miteinander verbunden sind: Wodurch ist ein Wissensmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken gekennzeichnet? Welche Aspekte ergeben sich aus Sicht des Wissensmanagements für die Gestaltungsdimensionen Strategie, Struktur und Kultur? Lässt sich ein Vorgehensmodell entwickeln, mit dem ein Wertschöpfungsnetzwerk wissensorientiert gestaltet werden kann?
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Zusammenfassung und Ausblick
Die ersten beiden dieser speziellen Forschungsfragen wurden in Kapitel 4 behandelt: Aufbauend auf den Grundlagen zu Wissen („Wissen ist an Personen gebunden“) und Wissensmanagement („Wissensmanagement ist das Management von Wissenssystemen“) wurden zunächst die Aspekte von Wissensmanagement allgemein und anschließend konkret in Wertschöpfungsnetzwerken im Kontext der drei Gestaltungsdimensionen Strategie, Struktur sowie Kultur erarbeitet. Wissen ist dabei als strategische Ressource und als ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor zu verstehen, deshalb ist es erforderlich, sowohl strukturelle als auch kulturelle Wissens- und Lernbarrieren abzubauen bzw. erst gar nicht entstehen zu lassen. Von hoher Wichtigkeit ist auch, eine „Wissenskultur“ und eine Kultur des Vertrauens aufzubauen, welche einen netzwerkweiten Wissenstransfer unterstützt. In Zusammenhang mit Wertschöpfungsnetzwerken war es dann erforderlich, das Wissenssystem eines Wertschöpfungsnetzwerkes zu skizzieren. Dieses wird aus den (Teil-)Wissenssystemen der beteiligten Organisationen gebildet und kann auch unter dem Aspekt Wissensgebiete betrachtet werden. Dabei tritt die Vernetzung der Wissensträger bestimmter Wissensgebiete in den Vordergrund. Die Transferbeziehungen zwischen den Wissensträgern können sowohl direkt (Face to face-Kommunikation) oder indirekt über das technische Subsystem ablaufen. Die Struktur und Kultur der Organisationen, welchen die am Transfer beteiligten Personen angehören, können in diesem Zusammenhang als kollektives Kontextwissen bezeichnet werden und beeinflussen die Wahrnehmung von Signalen im Zuge des Wissenstransfers. Die abschließende Forschungsfrage wurde schließlich in Kapitel 5 einer Klärung zugeführt. Zur Bildung des Gestaltungsansatzes wurden die Grundlagen zum Management von Wertschöpfungsnetzwerken, zu Strategie, Struktur und Kultur sowie zum Wissensmanagement in Netzwerken mit dem KSD-Ansatz nach WOHINZ verknüpft. Der Gestaltungsansatz selbst besteht aus drei Schritten – Analyse, Gestaltung und Entwicklung –, wobei in jedem dieser Schritte der Schwerpunkt auf jeweils einer der drei Gestaltungsdimensionen liegt, die anderen beiden werden aber sehr wohl miteinbezogen: Im Analyse-Schritt steht die Strategie im Vordergrund, die Ziele für die Systemgestaltung aus Sicht des Wissensmanagements werden festgelegt. Im Gestaltungs-Schritt wird anschließend die Struktur des Netzwerkes gestaltet, im abschließenden Entwicklungs-Schritt folgt die Entwicklung der Kultur. Dem Wertschöpfungsnetzwerk steht nach Abschluss der Gestaltung ein umfangreiches Wissen als Leistungspotenzial zur Verfügung. Diese Wissensbasis setzt sich aus individuellen und kollektiven Wissensbeständen sowie dem Netzwerkwissen zusammen.
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Im Zuge der Abarbeitung des Gestaltungsansatzes ist eine pragmatische Vorgangsweise zu empfehlen. Diese sollte geprägt sein von der Überlegung, den Aufwand möglichst gering zu halten und dennoch einen hohen Nutzen zu erzielen. Als eine der wichtigsten Erfolgsfaktoren wurde die Wahl geeigneter Netzwerkpartner hervorgehoben, welche als mehrstufiger Prozess gesehen werden kann. Zunächst wurde im Analyse-Schritt die Zahl möglicher Partnerunternehmungen eingeschränkt, aus denen dann im Gestaltungs-Schritt die geeignetsten ausgewählt und in das Netzwerk eingebunden wurden. Ähnliches passiert bei der Strategie: Zunächst wird die Strategie recht allgemein formuliert, erst wenn die Partnerunternehmungen ausgewählt sind, kann die Netzwerkstrategie endgültig ausformuliert werden, und die individuellen Strategien können aufeinander abgestimmt werden. Ebenso kristallisiert sich die Struktur erst im Laufe des Gestaltungszyklusses heraus. Erste Anhaltspunkte dafür liefert bereits die Analyse der Wertschöpfungskette. In Verbindung mit der Wissensanalyse und der Identifizierung möglicher Partnerunternehmungen besteht dann eine gewisse Vorstellung, wie die Struktur aussehen könnte. Erst wenn die Netzwerkpartner endgültig ausgewählt wurden, kann die strukturelle Gestaltung des Netzwerks erfolgen. Die Kultur schließlich entwickelt sich zu guter Letzt, auch wenn bereits zu Beginn ein klares Bekenntnis zu einer wissens(management)freundlichen Organisationskultur abgelegt wird und die Kultur eines der Kriterien bei der Partnerwahl ist. Vertrauen kann erst im Zuge der Zusammenarbeit im Netzwerk aufgebaut werden, es sei denn, es war zuvor bereits vorhanden. Der hier vorgestellte Ansatz soll als Richtschnur verstanden werden. Durch seine offene Konzeption lassen sich die Aspekte, die primär auf das Thema Wissensmanagement gerichtet sind, auch in andere Vorgehensschemata zur Gestaltung von Kooperationen und Netzwerken integrieren. Dieser Ansatz zielt jedoch darauf ab, den Fokus auf die Ressource Wissen – die wichtigste strategische Ressource zu Beginn des 21. Jahrhunderts – zu legen. Der wichtigste der drei Gestaltungsschritte scheint dabei der Analyse-Schritt zu sein, da in diesem die Grundlage für die weiterführende Systemgestaltung festgelegt wird. Mit Beendigung des Entwicklungs-Schrittes ist die Arbeit jedoch noch nicht zu Ende. Nunmehr gilt es, laufend Struktur, Kultur und Strategie den sich unaufhaltsam ändernden Rahmenbedingungen anzupassen und das Netzwerk kontinuierlich weiterzuentwickeln.
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6.2 Ausblick und weitere Fragestellungen Es ist anzunehmen, dass sich die Dynamik der Veränderungen im Unternehmungsumfeld weiter verstärkt. Organisationen müssen zunehmend plötzlich eintretende Ereignisse globaler Dimensionen, welche das Wirtschaftsleben beeinflussen und deren Auswirkungen oft noch Jahre später zu spüren sind, bewältigen. Hinzu kommt die fortschreitende Öffnung der Grenzen, vor allem in Europa. Ein Trend, der sich immer mehr abzeichnet und bereits Gegenstand zahlreicher Forschungsprojekte516 ist, ist die zunehmende Virtualisierung der Wertschöpfung. Verstärkt wird dieser Trend durch die rasche Entwicklung der IuK-Technologie, welche jetzt schon die weltweite Vernetzung in Echtzeit ermöglicht. Die Wissenschaft ist in diesem Kontext gefordert, laufend neue Konzepte zur Unterstützung von Unternehmungen und Organisationen bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu liefern. Vor diesem Hintergrund und den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit drängt sich eine Reihe von Fragen auf, die in zukünftigen Forschungsvorhaben einer Klärung zugeführt werden sollten: Wie kann im Anschluss an die wissensorientierte Gestaltung des Netzwerkes ein Wissensmanagement zur Unterstützung der Leistungserstellung auf operativer Ebene konzipiert werden? Welche Ansätze kann das Controlling zum Wissenscontrolling in Wertschöpfungsnetzwerken beisteuern? Lässt sich in den vorgestellten Gestaltungsansatz ein Wissenscontrolling integrieren? Wie kann das Wissen von und über die relevanten Anspruchsgruppen eines Wertschöpfungsnetzwerkes in das Netzwerk transferiert werden?
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An der TU Graz wurde beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Industrie ein Kompetenzzentrum zum Thema „Virtuelles Fahrzeug“ eingerichtet: http://www.vif.tugraz.at, Kompetenzzentrum – Das virtuelle Fahrzeug Forschungsgesellschaft mbH
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1: Veränderungen im Unternehmungsumfeld ......................................................1 Abbildung 1.2: Synthese des Arbeitstitels ................................................................................4 Abbildung 1.3: Dimensionen der wissensorientierten Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken .............................................................................................5 Abbildung 1.4: Forschungsdesign nach WOHINZ....................................................................6 Abbildung 1.5: Struktur der Arbeit ............................................................................................8 Abbildung 2.1: Berechnung der Wertschöpfung aus der Gewinn- und Verlustrechnung .......10 Abbildung 2.2: Die Wertkette nach PORTER.........................................................................12 Abbildung 2.3: Wertschöpfungskette (vereinfacht) in der Automobilindustrie ........................13 Abbildung 2.4: Wertkette vs. Wertschöpfungskette................................................................14 Abbildung 2.5: Verbreitung und Gründe von Kooperationen..................................................16 Abbildung 2.6: Unternehmungsnetzwerke als Form der zwischenbetrieblichen Kooperation 16 Abbildung 2.7: Netzwerktypologie nach SYDOW/WINAND ...................................................22 Abbildung 2.8: Vorteile einer engen Koordination für die Partner einer Supply-Chain (nach WEBER) .........................................................................................................................31 Abbildung 2.9: Grundbegriffe des Systemdenkens ................................................................32 Abbildung 2.10: Wertschöpfungssystem nach Wohinz ..........................................................34 Abbildung 2.11: Das Wertschöpfungssystem Wertschöpfungsnetzwerk ...............................37 Abbildung 2.12: Auflösung eines Wertschöpfungsnetzwerkes...............................................40 Abbildung 3.1: Funktionen des Managements nach BLEICHER ...........................................45 Abbildung 3.2: Konzept des Integrierten Managements nach BLEICHER.............................47 Abbildung 3.3: Management in Unternehmungsnetzwerken..................................................49 Abbildung 3.4: Funktionen des Managements interorganisationaler Netzwerke nach SYDOW/WINDELER ......................................................................................................50 Abbildung 3.5: Funktionen, Grundprobleme und Instrumente des Managements interorganisationaler Beziehungen (SYDOW/WINDELER) ............................................53 Abbildung 3.6: Gestaltung des Leistungserstellungsprozesses in Netzwerken .....................55 Abbildung 3.7: Management von Wertschöpfungsnetzwerken ..............................................56 Abbildung 3.8: Dimensionen der Gestaltung von Unternehmungs- und Wertschöpfungsnetzwerken ...........................................................................................61 Abbildung 3.9: Elemente einer Strategie (nach HINTERHUBER)..........................................66 Abbildung 3.10: Die drei Strategietypen nach PORTER ........................................................67
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Abbildung 3.11: Der Ressourcenansatz.................................................................................69 Abbildung 3.12: Der Kernkompetenz-Baum...........................................................................70 Abbildung 3.13: Organisationsbegriffe ...................................................................................75 Abbildung 3.14: Rollen in Unternehmungsnetzwerken ..........................................................83 Abbildung 3.15: Ebenen der Kultur nach SCHEIN .................................................................88 Abbildung 3.16: Transfer der Unternehmungskulturen der Partner in die Kooperation .........95 Abbildung 3.17: Zwei-Ebenen-Architektur der Kultur in Wertschöpfungsnetzwerken ..........101 Abbildung 4.1: Zeichen – Daten – Information – Wissen .....................................................107 Abbildung 4.2: Strukturierung des Wissens (in Anlehnung an SCHEUBLE)........................108 Abbildung 4.3: Die organisationale Wissensbasis................................................................109 Abbildung 4.4: Das Wissenssystem nach WOHINZ.............................................................110 Abbildung 4.5: Das Modell überlappender Systeme nach WOHINZ ....................................112 Abbildung 4.6: Direkte, bilaterale Beziehungen zwischen den Elementen eines Wissenssystems...........................................................................................................113 Abbildung 4.7: Der Zusammenhang zwischen Wertschöpfungs- und Wissenssystem........116 Abbildung 4.8: Bedeutung des Themas Wissensmanagement............................................117 Abbildung 4.9: Bedeutung und Verfügbarkeit des Produktionsfaktors „Wissen“..................118 Abbildung 4.10: Verantwortlichkeiten für Wissensmanagement in der österreichischen Industrie........................................................................................................................124 Abbildung 4.11: Lernmodell einer Organisation nach TUPPINGER ....................................128 Abbildung 4.12: Bedeutung unternehmungsübergreifender Wissensmanagement-Aktivitäten .....................................................................................................................................130 Abbildung 4.13: Bereiche der Einbindung der Kooperationspartner in Wissensmanagement .....................................................................................................................................131 Abbildung 4.14: Das Wissenssystem eines Wertschöpfungsnetzwerkes ............................138 Abbildung 4.15: Wertschöpfungsnetzwerk, betrachtet unter dem Aspekt „Wissensgebiete“ .....................................................................................................................................139 Abbildung 4.16: Direkter Wissenstransfer in einem Wertschöpfungsnetzwerk ....................140 Abbildung 4.17: Organisationale Wissensbasis eines Wertschöpfungsnetzwerkes ............142 Abbildung 5.1: Ansatz zur wissensorientierten Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken .....................................................................................................................................150 Abbildung 5.2: Möglichkeiten des Anstoßes zur Gestaltung ................................................151 Abbildung 5.3: Schematische Darstellung der Schwerpunkte im Gestaltungsansatz ..........155 Abbildung 5.4: Schwerpunktfragestellungen im Analyse-Schritt ..........................................158
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Abbildung 5.5: Mögliche Darstellung des Ergebnisses der Prozessanalyse einer Wertschöpfungskette am Beispiel eines KFZ (vereinfachter Auszug, kein Anspruch auf Vollständigkeit) .............................................................................................................161 Abbildung 5.6: Darstellung der Aufteilung von Wertschöpfungsaktivitäten zwischen Unternehmungen mittels „Wertketten-Landkarte“ ........................................................163 Abbildung 5.7: Routineprozesse versus wissensintensive Prozesse...................................164 Abbildung 5.8: Kompetenz-Portfolio (HINTERHUBER) .......................................................166 Abbildung 5.9: Schwerpunktfragestellungen im Gestaltungs-Schritt....................................171 Abbildung 5.10: Die Grundstruktur für den Aufbau einer Wissensbilanz .............................173 Abbildung 5.11: Visualisierung der Kriterien bei der wissensorientierten Partnerwahl ........175 Abbildung 5.12: Grundstruktur einer Knowledge Base Due Diligence .................................177 Abbildung 5.13: Beispiel für ein Strukturprofil einer Organisation nach TUPPINGER .........179 Abbildung 5.14: Beispiel für ein Kulturprofil einer Organisation nach TUPPINGER ............180 Abbildung 5.15: Strukturelle Verflechtungen in Netzwerken ................................................184 Abbildung 5.16: Schwerpunktfragestellungen im Entwicklungs-Schritt................................190 Abbildung 5.17: Elemente der Überprüfung der Zielerreichung ...........................................195
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1: Risiken von Unternehmungsnetzwerken aus betriebswirtschaftlicher Sicht (aus: SYDOW).........................................................................................................................25 Tabelle 2.2: Weitere Kennzeichen von Wertschöpfungspartnerschaften...............................27 Tabelle 3.1: Strukturelle Dimensionen von Netzwerken nach SYDOW .................................84 Tabelle 3.2: Kulturelle Dimensionen von Netzwerken nach SYDOW ....................................96
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In den Literaturzitaten verwendete Abkürzungen: ASQ
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Über den Autor
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Dipl.-Ing. Dr. Karl Ritsch ist derzeit Universitätsassistent am Institut für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung der Technischen Universität Graz. Nach Abschluss seines Studiums Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau im Jahre 1999 war er zunächst in einem obersteirischen Industriebetrieb tätig. Seit 2001 ist der Autor an der TU Graz und setzt sich intensiv mit dem Thema Wissensmanagement auseinander. Seine Schwerpunkte liegen dabei in strategischen und organisationalen Überlegungen zum Thema sowie in der Verknüpfung zum Netzwerkmanagement. Darüber hinaus war Karl Ritsch im Wissensmanagement Forum Graz – einer interdisziplinären Arbeitsgruppe von Praktikern und Wissenschaftlern zum Thema Wissensmanagement – aktiv, davon zwei Jahre (2003 – 2005) als Obmann.