Dan Roberts
Thomas Jeffords kämpft allein Apache Cochise Band Nr. 8 Version 1.0
Prolog Als die weißen Amerikaner Mit...
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Dan Roberts
Thomas Jeffords kämpft allein Apache Cochise Band Nr. 8 Version 1.0
Prolog Als die weißen Amerikaner Mitte des 19. Jahrhunderts den Südwesten der USA zu besiedeln begannen, stießen sie auf ein indianisches Volk, das bereits die Spanier und Mexikaner hatte teuer dafür bezahlen lassen, daß sie unbefugt in ihre Jagdgründe eingedrungen waren. Die etwa ein Dutzend umfassenden Apachen-Gruppen und Großsippen, am gefürchtetsten die Chiricahua-Apachen, widersetzten sich der Niederwerfung durch die Weißen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie überfielen zunächst Postkutschen, Frachtwagenzüge, Armeepatrouillen, Farmen, abseits gelegene Ranches und kehrten anschließend wieder zu ihren Stützpunkten in den Bergen zurück, den sogenannten »Apacherias«, die bei den Weißen der damaligen Zeit als uneinnehmbar galten. Der Widerstand flammte zum blutigsten und grausamsten Grenzkrieg der Indianergeschichte auf, als Cochise von Mangas Colorados die Führung der Stämme übernahm. Cochises Weitblick ließ ihn letztlich erkennen, daß der Untergang der roten Rasse eine von den Weißen beschlossene Sache war, die Anspruch erhoben auf alles Land zwischen den Dragoon Mountains im Südosten, dem Mogollon-Rim im Westen und der Gran Desierto im Süden. Cochises Chiricahuas, die Kerntruppe seiner Streitmacht, blieb im Angesicht der unaufhaltsamen Flut weißer Siedler, Goldgräber und Desperados nur noch eine Devise: Raube, ohne erwischt zu werden, töte, ohne getötet zu werden. Ein Kampf ohne Erbarmen entflammte in den Canyons, Tälern und Wüsten. Ein Kampf, dessen Schilderung in dieser Serie nicht die ganze Brutalität wiedergeben kann, wie sie uns die Geschichte überliefert hat.
1871 gelang es Cochise, die meisten Stämme der Apachen zu einer einzigen Widerstandsfront gegen die Eindringlinge aus Nord und Süd, Weiße und Mexikaner, zu vereinen. Die blutigsten Massaker auf beiden Seiten waren die Folge. Auf ihren flinken Ponys überfielen die Krieger in kleinen Gruppen Wagenzüge und Posthaltereien im Norden, um am nächsten Tag schon Farmer und Goldgräber im Süden oder eine Patrouille der Army im Westen anzugreifen. Militär und Siedler waren macht- und hilflos und ohne eine Möglichkeit gezielten Widerstandes den ständigen Apachenangriffen ausgesetzt. Wenn 1870 General Sherman nach Washington schrieb: »Wir führten einen Krieg gegen Mexiko, um Arizona zu bekommen, wir sollten jetzt einen Krieg führen, um dieses Land wieder loszuwerden«, so kennzeichnen diese Worte die verzweifelte Hilflosigkeit des Militärs. Diese nach authentischen Überlieferungen verfaßte Serie soll dem größten aller indianischen Führer ein Denkmal setzen: Cochise. Dem Wirken dieses Mannes und seinem Weitblick für politische Veränderungen ist es zu verdanken, daß diese Story mit ihrer ganzen Dramatik wahrheitsnah niedergeschrieben werden kann. Unsere Autoren fühlen sich verpflichtet, neben der Herausstellung der abenteuerlichen Charaktere, die in jener Zeit Geschichte machten, auch der historischen Wahrheit die Ehre zu geben. Nichts soll verschwiegen, nichts hinzugefügt oder entstellt werden. Ihr Martin Kelter Verlag
*** »He, du sollst nicht schnarchen«, sagte Biff Kelford und stieß dem Beifahrer den Zeigefinger in die Seite. Slim Jackson brummelte etwas Unverständliches, ruckte hoch und riß die Greener an die Schulter. Mit verschwommenem Blick suchte er ein Ziel, die Gegner, denen er die Rehposten aufbrennen konnte. Aber Biffs meckerndes Lachen brachte Jackson schnell wieder zu sich »Oh, verdammt«, sagte Slim krächzend, »das Geschaukel hat mich müde gemacht. Laß doch die Gäule schneller laufen, sonst schlafe ich wieder ein.« Kelford schüttelte den Kopf. »Lieber nicht, die Pferde sind müde genug. Sie geben schon ihr Letztes, und der Weg zur Station auf dem Paß ist steil.« Die schwere Concord-Kutsche der Butterfield Overland war voll beladen. Auf dem Dach türmte sich das Gepäck der Passagiere. Biff und Slim hatten es mit Lederriemen gesichert. Im Wagen saßen sechs Fahrgäste, die einen Haufen Dollars dafür bezahlt hatten, auf dem schnellsten Wege nach Tombstone zu gelangen. Im Sattel eines halbwegs guten Pferdes war es ungleich bequemer, aber einen einsamen Reiter ließen die Apachen selten ungeschoren. Tombstone – diesem Wort haftete etwas an, das die meisten Männer dieser Zeit förmlich hochriß. Auch viele Frauen, vor allem diejenigen der leichteren Art, wollten in Tombstone ihr Glück machen. Die kleine Town im heißen Südwesten des Territoriums Arizona zog Abenteurer, Flittergirls, Kartenhaie und Digger an, wie das Licht in der Dunkelheit die Fliegen. Denn aus Tombstones Umgebung wurden neue Silber- und Goldfunde gemeldet. Die Gerüchte verbreiteten sich im menschenleeren
Land schneller als ein Buschfeuer. Jeder sah schon im Geiste die große Bonanza vor sich. Doch die wenigsten kratzten so viel aus dem Boden, daß sie menschenwürdig leben oder sich gar die Rückreise erlauben konnten. Gambler, leichte Mädchen, Betrüger aller Arten und Händler mit überhöhten Preisen machten das wahre Geschäft, den großen Profit. All das wußten die Menschen, die in das leere, heiße, staubige Land strömten, als wäre es das Paradies. Aber all das störte die Männer mit den fiebrigen Blicken nicht, denn jeder von ihnen war sicher, diesmal voll in den Topf zu langen und für alle Zeiten ausgesorgt zu haben Slim rutschte etwas zur Seite und schaute durch das Fenster in der Stirnwand der Concord. Die Passagiere hockten erschöpft auf den dicken Polstern und suchten aneinander Halt. »Narren«, murmelte Jackson und wollte ausspucken, doch sein Mund war zu trocken. »Alles verdammte Narren. Kommen wie eine Heuschreckenplage über dieses Land, wühlen alles um und um und verhungern dabei.« Slim Jackson schraubte vorsichtig die Wasserflasche auf und setzte sie an die Lippen. Es gluckerte leicht, als er trank. »Laß mich auch mal«, sagte Biff und streckte die Rechte aus. Als er die Canteen packte, zu sich herüberziehen wollte, geschah es. Mit einem dumpfen Klopfen bohrte sich ein Pfeil durch den Fellbezug in das Blech. Der gefiederte Schaft wippte hin und her. »Heiliger Moses!« rief Slim und sprang vom Kutschbock. In der Rechten hielt er die Greener. Mit der Linken umklammerte er die Winchester. Jackson federte den Aufprall ab, hüpfte wie ein Kinderball hoch und gelangte hinter einen Orgelpfeifenkaktus in Deckung. Biff Kalford zügelte das Gespann, ließ die Wasserflasche
fallen und trat gleichzeitig auf die Bremse. »Indianer!« brüllte der Kutscher. »Angriff, Leute! Holt die Colts raus! Es wird haarig!« Kelford packte die Winchester und sprang ebenfalls vom Bock. Unter dem Wagenkasten fand Biff Deckung. Er schlug das Gewehr an und feuerte, als der erste Krieger aus dem Wüstensand aufwuchs. Gleichzeitig entlud sich Jacksons Flinte krachend, und der Apache flog weit nach hinten. Überall schnellten Krieger hoch. Sie hatten sich hinter kleinen Steinbrocken, Mesquitebüschen und in Mulden verborgen. Ein paar Hände voll Sand und Staub vervollständigten die Tarnung. Kaum ein Weißer entdeckte einen Apachen in der Wüste. Ein geläufiges Sprichwort im Südwesten war: Einen Apachen siehst du erst, wenn er gesehen werden will, und dann ist es für dich zu spät. Staubfahnen wallten im grellen Licht der Mittagssonne, als immer mehr Apachen vom Wüstenboden förmlich ausgespuckt wurden. Sie feuerten und ließen sich wieder fallen, um mit der graubraunen Erde förmlich zu verschmelzen. Ein Dutzend Kugeln durchlöcherte den Wagenkasten der Concord. Die Krieger besaßen kaum Feuerwaffen, doch die wenigen Donnerrohre, die sie bei Überfällen erbeutet hatten, mußten mühsam nach jedem Schuß wieder mit Pulver und gepflasterten Kugeln erneut geladen werden. Doch die Apachen, die die traditionellen Waffen bevorzugten, waren in der Übermacht. Ein Hagel von Steinen, von Lederschleudern abgeschossen, hämmerte gegen das Holz der Kutsche, durchbrachen es und ließen die Passagiere schmerzvoll aufschreien. Pfeile zischten durch die Luft und bohrten sich mit dumpfen Schlägen in Holz und Lederpolster. Unter dem Wagen jagte Biff Kugel auf Kugel aus seinem Gewehr. Jedes Geschoß verwundete einen Krieger, aber immer neue Apachen spie die Wüste aus. Für bange Momente hatte
Kelford das Gefühl, sämtlichen Indianern des Südwestens gegenüberzustehen. Slims Greenerflinte machte Krach wie ein kleines Feldgeschütz. Der Beifahrer hatte selbstverfertigte Patronen mit gehacktem Blei geladen, und das Ergebnis seiner Schüsse war klagendes Heulen bei den Angreifern. Aber bevor Jackson seine Flinte wieder laden konnte, preschten mehr als 20 Reiter auf niedrigen Mustangs hinter einer Bodenwelle hervor. Die Krieger hockten wie festgewachsen auf den nackten Pferderücken, leiteten die Tiere mit den Beinen und ließen Pfeil auf Pfeil von den Bogensehnen schwirren. Eine Lanze sauste zwischen die Deichselpferde. Eines der Zugtiere wieherte grell vor Schmerz, stemmte sich mit aller Macht ins Geschirr, und die anderen fünf Pferde wurden ebenfalls nervös. Sie zerrten den Wagen trotz angezogener Bremse beinahe eine Länge weiter, bevor sie erschöpft aufgaben. Kelford stieß einen Fluch aus. Er lag ohne Deckung flach im Sand. Blitzschnell drehte sich der Kutscher auf die Seite, kniete sich hin, riß das Gewehr hoch und feuerte. Ein angreifender Apache fiel vom Pferderücken. Der Mustang galoppierte weiter. Das Weiße seiner Augen war zu sehen. Schaum flockte vom Maul des Tieres. Biff hatte nur eine Chance: er feuerte auf den Kopf des verrückten Pferdes – und fehlte! In diesem Moment schloß der Kutscher mit seinem Leben ab. Aber aus dem Wageninneren dröhnten drei Revolverschüsse. Das Pferd schien gegen eine unsichtbare Wand geprallt zu sein. Es knickte in den Vorderbeinen ein und brach kaum drei Handbreit vor Biff zusammen. Nun hatte er wieder eine Deckung. Er legte die Winchester auf den warmen Kadaver und feuerte. Die Apachen zogen sich zurück. Sie liefen geduckt davon
und waren nach wenigen Schritten nicht mehr vom Graubraun des Wüstenbodens zu unterscheiden. Aber Biff wußte genau, daß sie vorhatten, erneut anzugreifen. Denn eine Kutsche mit sechs Passagieren, die schwer beladen durch die Sandstrecken zog, versprach große Beute für die Krieger der Wildnis. »Oh, Leute, das war 'ne knappe Sache«, sagte ein Mann laut im Wagen. Biff sah, wie die Tür aufschwang und brüllte: »Drinbleiben, du Idiot! Sie kommen gleich wieder. Ladet die Waffen nach!« Die einzige Frau unter den Fahrgästen fragte entsetzt und mit vibrierender Stimme »Haben wir überhaupt 'ne Chance, Mister?« »So viele Chancen wie ein Frosch im Llano Estacado«, antwortete Biff kaum hörbar. Der Llano ist ziemlich die trockenste Gegend in den Staaten. Kelford lud mit flinken, geübten Bewegungen sein Gewehr auf und hütete sich, den heißen Lauf zu berühren. Als er die erste Patrone in die Kammer hebelte, entdeckte er eine Staubwolke im Südwesten. Ein Pferdepulk galoppierte dort durch den Sand. Er war noch zu weit entfernt, um die Reiter erkennen zu können. Verzweifelt wünschte Biff, daß es eine Kavalleriepatrouille war, die auf die Concord zuhielt. Aber er wußte, daß sein Wunsch ziemlich vermessen war, denn General Howard, der Kommandeur aller Truppen im Südwesten, fehlten ganze Schwadronen von Soldaten. »He, Biffboy«, rief Slim Jackson, der hinter einem Kaktus lag, dessen holziger Stamm mit Pfeilen gespickt war. Biff winkte ab, als Jackson nach Südwesten deutete. Kelford kniff die Lider etwas zusammen, als am Horizont dunkle Punkte erschienen, die sich langsam näherten. Fliegen – nur der Teufel wußte, woher sie plötzlich kamen, umschwirrten den Pferdekadaver und Kelfords Kopf. Die dunklen Punkte, die gemächlich durch die Luft segelten, waren Geier. Die wußten,
wann es für sie was zu holen gab. Der Kutscher stand auf, sah sich um und lief zu einen Saguarokaktus, der links von der Concord wuchs. Der Stamm war hart und zäh wie altes Leder. Biff ließ sich vorsichtig auf die Knie nieder. Eine kaum erkennbare Bewegung erregte seine Aufmerksamkeit. Mißtrauisch blickte Kelford auf eine Sandwelle, die kaum einen Fuß hoch und knapp zwei Yards lang war. Konnte dort ein Apache liegen? Warum hatte er sich bewegt? War das eine Falle, ein ganz verdammter Trick, um die Weißen reinzulegen? Wieder rieselte Sand von der Bodenwelle. Ein bräunliches Stück stieß durch die Oberfläche. Erleichtert grinste Biff. Schlängelnd arbeitete sich eine Krötenechse aus dem Sand. Das flache Tier saß reglos. Die im Sonnenlicht wie poliert schimmernden Augen durchforschten die Umgebung. Sicher witterte die Echse etwas. Das Tier spannte die Beine an, schnellte hoch und landete auf dem Rand der Bodenwelle. Die Krötenechse rutschte ab. Sie ruderte mit den Hinterbeinen, um Halt zu finden, aber in der nächsten Sekunde flog das kleine Tier beinahe drei Yards weit durch die Luft. Die Bodenwelle entpuppte sich als Apachenkrieger. Er schoß hoch wie der Korken aus einer Flasche. In der Rechten schwang er einen Tomahawk, dessen blanke Schneide im Sonnenlicht aufblitzte. Kelford feuerte aus der Hüfte, lud durch, drückte erneut ab und jagte wie ein Rasender Kugel auf Kugel aus dem Lauf. »Hör auf, Mann!« schrie Slim Jackson. »Er ist doch hin! Hör auf, Biff, wir brauchen die Kugeln noch.« Kelford kam zur Besinnung. Er beruhigte seinen keuchenden Atem und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, bevor er nachlud. Die Reitergruppe hielt direkt auf den Wagen zu. Inzwischen
unterschied Kelford einzelne Pferde. Es waren weit mehr als dreißig. Die Reiter lenkten die Mustangs auseinander, bildeten einen Kreis, umzingelten die Concord. Kelford ahnte, daß dies das Ende sein mußte. Sie hatten keine Chance mehr. Sie konnten nur noch so viele Apachen mit zur Hölle nehmen, wie sie eben schafften. Denn kampflos wollten die Weißen nicht sterben. Aber als Biff Kelford die beiden vordersten Reiter erkannte, schöpfte er Hoffnung. Er hatte die beiden großen Apachen schon einmal gesehen. Die Krieger trugen fast weiße Lederleggins. Die bronzefarbenen Oberkörper waren nackt, und der linke Indianer sah wie eine jüngere Ausgabe des anderen aus. Cochise und sein Sohn Naiche führten den Trupp von ungefähr dreißig berittenen Apachen. Und Cochise war der Freund des Postmeisters Thomas Jeffords, der für die Linien in diesem Gebiet verantwortlich war. Biff durchfuhr ein heißer Schreck. Wenn nun die Angreifer Chiricahuas waren? Und wenn der mächtige Chief des Stammes mit Verstärkung kam, was dann? Kelford biß die Zähne zusammen. Fest stand, daß sie in diesem Fall ihr Leben so teuer wie möglich verkaufen mußten. Aber die Reiter wandten der Concord die Rücken zu. Die modernen Gewehre wiesen mit den Mündungen in das karge Land. Die Wüste wurde lebendig. Bronzefarbene Gestalten liefen auf die Chiricahuas zu. Die Angreifer zählten mindestens noch dreißig Köpfe, stellte Biff fest »He, Kutscher, was passiert denn jetzt?« rief einer der Passagiere. »Keine Ahnung. Verhaltet euch ruhig«, antwortete Kelford. »Kann sein, daß wir mit einem blauen Auge davonkommen.« Die Angreifer blieben unmittelbar vor den berittenen Kriegern stehen und musterten die Chiricahuas feindselig. Ein Wortwechsel begann, dessen Tonfall Biff beunruhigte. Aber er
konnte nur abwarten. * Naiche schaute seinen Vater an. Dessen Gesicht wirkte nun völlig ausdruckslos. Aber der junge Krieger kannte Cochise und wußte das Funkeln der schwarzen Augen richtig zu deuten. Der Häuptling der Chiricahuas war zornig. Er sah, daß sich die anderen Jefes nicht an das Wort hielten, das er dem einarmigen General Oliver O. Howard gegeben hatte. Mindestens sechs Mondzeiten Frieden hatte Cochise dem hohen Offizier versprochen. Aber von den Kutschen der Butterfield Overland war dabei nicht die Rede gewesen. Doch inzwischen hatte Cochise die verbündeten Stammesführer wissen lassen, daß er keine Angriffe auf die Fahrzeuge wünschte, die unter der Verantwortung von Thomas Jeffords standen. Es waren Tontos, die sich ziemlich wütend vor dem großen Häuptling aufgebaut hatten. Ihre Waffen hielten die Krieger schußbereit. Es hatte den Anschein, als wollten die Tontos nicht einmal vor den Verbündeten haltmachen. »Santana weiß, was ich sagte«, rief der Chief laut und zornig. »Geht, bekämpft die Gelbhäutigen, die jenseits der Grenze leben! Dort sollt ihr töten, plündern und kämpfen, nicht hier. Warum mißachtet ihr die Befehle eures Häuptlings?« Ein älterer Krieger trat einen Schritt vor. Furchtlos blickte er Cochise an und erwiderte: »Santana weiß nichts davon. Dies ist unser Land, Apachenland. Und wir kämpfen gegen jeden Eindringling. Wir befolgen die Sitten unserer Vorväter. Sie kämpften gegen die eisernen Männer, gegen jeden Eindringling, und wir Tontos erkennen Schwäche, wenn wir sie sehen. Denn es ist Schwäche, nicht gegen die Bleichgesichter zu kämpfen. Es ist Schwäche, ihnen zu gestatten, mit rollenden Jacales unser Land zu durchqueren und das weiche gelbe
Metall aus dem Boden zu graben. Dieses Land ist unser Land, Cochise. Wir lassen uns nichts davon nehmen.« Naiche warf seinem Vater aus den Augenwinkeln einen Blick zu. Das Gesicht des Häuptlings schien unbewegt. Dennoch war darin so etwas wie Trauer zu erkennen. Cochise hatte nur einen Ausweg aus dieser Situation: er mußte kämpfen, gegen einen Krieger antreten, der seine Oberherrschaft ablehnte. Der Tonto war klug genug gewesen, seinen Häuptling Santana aus dem Spiel zu lassen, denn sonst wären die Stämme untereinander in Streit geraten. Cochise saß ab, trat einige Schritte von seinem Mustang weg und sagte: »So komm, Krieger! Kämpfe mit mir, wie es die Sitte verlangt. Sobald du besiegt bist, nehmen deine Freunde die Toten und Verwundeten und ziehen sich zurück.« Der Tonto war einen Kopf kleiner als Cochise, allerdings sehr muskulös. Er hatte nur ein Messer, dessen Klinge im Sonnenlicht aufblitzte, umfaßt. Auch Cochise legte alle übrigen Waffen ab und trat vor. Stolz stand der mehr als sechs Fuß große Häuptling der Chiricahuas vier Yards von dem Krieger entfernt. Der muskelbepackte Kämpfer stieß sich plötzlich ab, prallte zusammengerollt auf den Sand. Cochise wartete reglos ab. Als der Tonto sich streckte, den Arm vorschnellen ließ und einen halbkreisförmigen Hieb gegen Cochises Unterschenkel führte, trat der Chief gelassen einen Schritt zur Seite. Der Krieger stieß einen Schrei der Enttäuschung aus. Er begriff, daß Cochise ein erfahrener Kämpfer war und wurde vorsichtiger. Der Tonto wog den Dolch in der Hand. Es schien, als wollte der muskelbepackte Apache die rasiermesserscharfe Klinge werfen, aber auch das war ein Ablenkungsmanöver. Als Cochise mit dem Oberkörper zurückpendelte, sprang der Tonto bis dicht vor den Häuptling und holte aus. Drohend blinkte das Messer, sauste herab und sauste kaum zwei Finger
breit an Cochises Kopf vorbei. Der Häuptling riß den linken Arm hoch, schmetterte die Knochen des Unterarms gegen das Kinn des Tontos, stieß nach und ritzte mit der Messerspitze die Wange des Kriegers. Geschickt wich Cochise dem verzweifelten Gegenangriff des Apachen aus und stieß zu. Der Tonto war sofort tot. Cochise stand reglos vor dem Leichnam und blickte die Krieger an. Er brauchte kein Wort mehr zu sagen. Die Tontos verschwanden, als hätte es sie nie gegeben. Biff Kelford seufzte erleichtert. Cochise hatte ihm praktisch das Leben gerettet. »He, Kutscher!« rief einer der Fahrgäste. »Was ist das für ein Spiel? Kämpfen wir jetzt gegen die Rothäute hier oder nicht? Warum sind die anderen abgehauen?« Kelford trat hinter seinem Kaktus hervor und ging langsam auf den großen Häuptling zu, die Winchester unter den Arm geklemmt. »Cochise«, sagte der Fahrer in tadellosem Spanisch, »unser Leben gehört dir. Ich weiß von deinem Wort, das du General Howard gabst. Und ich weiß auch, daß du nicht von den Kutschen gesprochen hast.« Bevor Biff Kelford weiterreden konnte, unterbrach Naiche ihn und sagte: »Thomas Jeffords ist unser Freund. Wir sind auf dem Weg zu ihm. Du verstehst, weißer Mann?« Kelford nickte. Und ob er verstand. Der berühmte Häuptling verfolgte also einen ganz bestimmten Zweck. Wahrscheinlich kam ihm diese Situation gerade richtig. Wenn er Jeffords die gerettete Concord präsentierte, würde der Postmeister Cochises Bitten ganz sicher erfüllen. So dachte Biff Kelford, aber er wußte nicht, daß er sich irrte. Der Häuptling handelte nicht mit den Weißen, er hielt sein Wort. »He, Fahrer, was ist nun los?« rief ein anderer Passagier. »Geben wir den Rothäuten heißes Blei zu schmecken?« Biff fuhr herum, rannte zum Wagen. »Seid ihr
übergeschnappt? Das ist Cochise. Er hat uns allen das Leben gerettet, und ihr wollt ihn umbringen!« »Egal, wer der Mann ist«, sagte einer der Fahrgäste. »Alles, was rote Haut hat, gehört in die Hölle. Eines Tages stehen die Kerle doch irgendwo und holen sich unsere Skalps.« Kelford schüttelte den Kopf. Böse blickte er die Passagiere an. Er mußte an sich halten, um die Leute nicht zu beschimpfen. Aber sie waren ja alle Greenhorns, hatten keine Ahnung von der Situation im Südwesten. Schneller Reichtum – das war ihr Ziel. Alles andere interessierte diese Art von Menschen nicht. »Ihr benehmt euch gefälligst«, warnte Kelford seine Passagiere. »Am besten sagt ihr kein lautes Wort. Ein paar der Chiricahuas verstehen Englisch, und fast alle sprechen Spanisch.« »Soweit kommt das noch«, sagte ein scharfgesichtiger Typ in der schwarzen Kleidung der Kartenhaie, »daß wir vor ein paar Rothäuten kneifen. Wenn wir alle gleichzeitig feuern, schicken wir die Burschen zur Hölle.« »Mister«, sagte der Fahrer grimmig. »Sie sind der größte Narr, dem ich jemals begegnet bin. Diese Krieger haben uns das Leben gerettet. Sie haben gegen ihre Verbündeten gekämpft, und Sie wollen Cochise und seine Leute töten.« Kelford fixierte den Gambler sekundenlang scharf. Der Kerl wurde unsicher, rieb sein Kinn. »Sie werden nicht alt in diesem Land, wenn Sie so weitermachen«, warnte Kelford. »Aber das ist Ihre Sache, Mann.« Kelford winkte Slim Jackson. Der kam zum Wagen, warf seine Waffen auf den Kutschbock und ging zu den Deichselpferden. Wenig später war das verletzte Tier versorgt. Kelford blickte Cochise an. Der Häuptling nickte und deutete mit der Hand auf die Berge, in denen der einzige Übergang für einen Wagen lag: der Apachen-Paß.
Kelford löste die Bremse, klatschte die Zügel auf die Pferderücken und rief: »Looos, ihr lahmen Ziegenböcke! Wollt ihr wohl laufen? Ihr habt euch lange genug ausgeruht. Es geht weiter!« Gehorsam zogen die Tiere an. Die Stage rollte wieder, aber sie sah kaum noch wie eine Kutsche aus. Zahllose Kugellöcher hatten das Holz zerfetzt und die Glasscheiben zertrümmert. Pfeile wippten noch immer, denn niemand hatte Zeit oder Lust, sie herauszuziehen. Cochise und seine Krieger bildeten einen Halbkreis um die Concord. Sie bewachten den Wagen und geleiteten ihn sicher zur Station. * Burt Kelly hantierte geschäftig mit Pfannen und Töpfen in der Küche der Station. Drei Kannen Kaffee standen bereit, und in wenigen Minuten war das Essen ebenfalls fertig. In den letzten Wochen hatte sich gezeigt, daß die meisten Passagiere hier auf dem Paß während des Pferdewechsels etwas essen wollten. Aus diesem Grund bereitete Kelly immer einige Mahlzeiten vor. »Wo bleibt die Kutsche nur?« fragte sich Burt halblaut. »Ich meine, sie müßte längst hier sein.« Auf sein Zeitgefühl konnte sich der Posthelfer verlassen. Er zog die Töpfe an den Rand der Herdplatte und ging zur Tür. Burt blinzelte zur Sonne hoch und runzelte die Stirn. Der Wagen war seit mindestens einer halben Stunde überfällig. Burt schaute sich um. Weder von Walker noch von Jeffords war eine Spur zu sehen. Wo trieben sich die beiden wieder herum? Eine halbe Stunde Verspätung war unter normalen Umständen nichts, das Burt Sorgen machte. Aber hier im Apachenland konnten dreißig Minuten sehr viel bedeuten, im
schlimmsten Fall den Unterschied zwischen Leben und Tod. »Sie kommt!« rief Walker. Burt blickte auf. Sein Freund hockte hoch oben zwischen den Felsen, an deren Fuß die Quellen hervorsprudelten, die das Plateau auf der Paßhöhe in ein grünes Paradies verwandelten. »Alles okay?« fragte Jeffords. Kelly drehte sich zweimal um sich selbst, aber er sah den Postmeister nicht. Jeffords' Stimme hatte geklungen, als wäre auch der Stationsboß nicht in der Nähe. »Ungefähr zwei oder drei Dutzend Indianer reiten hinter dem Wagen«, antwortete Walker. Steine prasselten herab. Burt wirbelte herum und betrachtete staunend den Postmeister, der in einer Staubwolke einen steilen Hang runterrutschte. Kopfschüttelnd sagte Kelly: »Wenn du nichts zu tun hast, benimmst du dich wie ein kleines Kind. Rutscht auf dem Hosenboden durch die Felsen. Mensch, Thomas, du könntest mir in der Küche helfen, statt zu spielen.« Jeffords grinste nur, als er an Burt vorbeilief und neben den Quellen zwischen die Felsen stieg. Sekunden später kam Walker von seinem Beobachtungsposten herunter. Der zweite Posthelfer beäugte seinen Freund wie einen seltenen Käfer und fragte: »Nichts zu tun, ha? Hast du noch nicht gemerkt, daß die Kutsche Verspätung hat? Weißt du nicht, daß es unser Job ist, für die Sicherheit der Butterfield Line zu sorgen? Und das nennst du spielen, wenn wir da oben in glühender Hitze hocken und uns vor Anstrengung bald die Augen aus dem Kopf fallen? Mann, Burt, hau ab zu deinen Steaks. Denen kannst du solch dummes Zeug erzählen.« Kelly plusterte sich auf wie ein Vogel und entgegnete: »Das ist noch mehr als spielen, lieber Norbert. Das ist Faulheit, nichts anderes. Ich möchte auch gern da oben liegen und mir die Sonne auf den Bauch scheinen lassen. Aber nein, ich bin ja
der Dummkopf, der in der Küche das Essen zusammenbrutzelt, das ihr hinterher runterschlingt wie die Tiere.« Walker grinste tückisch, als er sagte: »Anders geht's nicht, Partner. Wenn wir langsam essen, merken wir, wie schauderhaft das Zeug schmeckt. Und dann kommen wir in Versuchung, dir das Fell zu gerben. Das willst du doch nicht, oder? Außerdem bist du als Beobachter völlig ungeeignet. Kaum liegst du irgendwo, pennst du ein. Ich wette, du wirst nicht mal wach, wenn dir die Apachen den Skalp nehmen.« Burt war die Empörung in Person. Als er sich wieder gefaßt hatte, fingerte an an dem Knoten der blauen, knielangen Schürze, löste ihn und ging langsam auf Walker zu. Dabei setzte Burt sein freundlichstes Grinsen auf. Norbert ahnte nichts Böses. Aber als die Schürze durch die Luft flog und sich über Walkers Kopf ausbreitete, wich der Stationshelfer blitzschnell zur Seite aus. Burt sprang vor, schrie triumphierend auf, warf sich auf das blaue Tuch und dachte, Norbert wäre darunter. Aber Burt prallte auf den Felsboden und blieb reglos liegen. Besorgt trat Norbert Walker zu ihm, doch als er Kellys Gemurmel hörte, zog er sich vorsichtig zurück. Denn Burt stieß nicht wiederzugebende Flüche und Verwünschungen aus. Er versprach seinem Freund Walker Dinge, die nicht mal ein Apache seinem ärgsten Feind antat. Jeffords kletterte die Klippen herab und schüttelte den Kopf, als er seine beiden Helfer sah. »Ihr benehmt euch wie dumme Jungs«, sagte der Postmeister, »und unsere Kutsche wird von dreißig Apachen verfolgt.« Mit einem krächzenden Laut sprang Burt auf. Doch bevor er in die Station eilen und sein Gewehr holen konnte, hielt Jeffords ihn auf. »Laß es, Burt, Cochise, Naiche und ein Trupp Krieger begleiten die Concord«, sagte Jeffords. »Der Wagen sieht aus,
als hätte er einen schweren Angriff überstanden. Es kommt 'ne Menge Arbeit auf uns zu. Legt euer Werkzeug bereit, okay?« Die beiden nickten und gingen los. Wenig später vernahm Jeffords das Gebrüll des Kutschers, der die Pferde antrieb. Der Ehrgeiz eines jeden Fahrers im Westen war das Eintreffen mit rasender Geschwindigkeit. Die hartbeinigen Typen wollten so den Eindruck erwecken, daß die Stagecoach während der ganzen Zeit in diesem Tempo durch das Land gerast wäre. Aber die Pferde vor dem zerschossenen Wagen waren total ausgelaugt. Sie reagierten nicht mehr auf die anfeuernden Rufe und das Knallen der Peitsche. Biff Kelfords Lächeln wirkte verzerrt, als er die Bremse anzog. Er nickte Jeffords zu und sagte: »Da wären wir mal wieder. Um ein Haar hätte es nicht geklappt, Jeffords. Der Jefe kam uns zur Hilfe. Wir stehen alle in seiner Schuld. Aber er wird Ihnen das sicher selbst erzählen.« Kelford richtete sich auf, holte tief Luft und schrie: »Apachen-Paß-Station. Die Kutsche hat zwei Stunden Aufenthalt, Ladies und Gentlemen. Sie bekommen hier außer einem heißen Bad alles, was einen Reisenden erfreut.« Cochise verhielt seinen Mustang etwa zwanzig Yards hinter der beschädigten Concord. Der Häuptling blickte Thomas Jeffords an. Cochise schien zu lächeln, aber der Postmeister war nicht sicher. Genausogut konnte ihn das Sonnenlicht, das auf den markanten Zügen des Indianers seltsame Reflexe hervorrief, täuschen. Der Wagenschlag flog auf. Keiner der Passagiere dachte daran, der Frau den Vortritt zu lassen. Die sogenannten Gentlemen drängten ins Freie, und der schlanke Spieler sagte mürrisch zu Jeffords: »Wird Zeit, daß die Butterfield ihre Kutschen besser schützt. Mir paßt nicht, daß wir von Rothäuten begleitet wurden, Mister.« Jeffords zog die Brauen hoch. »Dann gehen Sie doch zurück, Mister. Wenn die anderen Apachen Sie ungeschoren lassen,
können Sie ja ohne Begleitung wieder herkommen. Na, wie ist es?« Der Gambler zischelte einen Fluch und drehte sich abrupt ab. Jeffords trat an den Wagenschlag heran und half der nicht mehr ganz jungen Frau heraus. Sie dankte ihm freundlich, bevor sie zum Stationsgebäude ging. Dann erst ließ Cochise sein Pferd näherkommen. »Hellauge«, sagte er, »ich bin sehr froh, dich zu sehen. Und ich bin sehr froh, zur rechten Zeit gekommen zu sein.« Thomas lächelte. Und dieses Lächeln drückte Zuneigung aus, als er den großen Apachenführer ansah. »Mein Freund, ich danke dir«, sagte der Postmeister. »Ich übernehme die Schuld dieser Menschen. Bist du einverstanden?« »Natürlich, Hellauge«, erwiderte Cochise, und es schien, als interessierte ihn das gar nicht. Jeffords brauchte keine Anweisungen zu geben. Walker und Kelly halfen den beiden Fahrern, den Wagen zur Schmiede zu schaffen und die Pferde auszuspannen. Wenig später waren die vier Männer an der Arbeit. Sie versuchten, die Concord wenigstens wieder notdürftig instand zu setzen. »Wir bleiben ein paar Stunden«, sagte Naiche, der Sohn des Jefe. »Die Krieger lagern bei den Quellen.« Thomas vollführte eine weit ausholende Handbewegung und sagte: »Dies ist immer noch euer Land, Freund.« Cochise lenkte seinen Mustang mit den Knien zum Corral und sprang ab. Der große Chief betrachtete die schweren Deichselpferde, die sich auf der Paßhöhe erholten. Dort oben versiegten die Quellen nie, nicht einmal in den trockensten Sommern. Gras und Bergkräuter wuchsen während des ganzen Jahres. Für die Butterfield Line und auch die Army war der Apachen-Paß einer der wichtigsten Stützpunkte im gesamten Südwesten. Jeffords betrat die Station. Er überzeugte sich, daß alles in
Ordnung war, ehe er zu Cochise und Naiche ging. »Sag mir, Hellauge«, begann Cochise, »was suchen diese Menschen in unserem Land? Es sind keine Männer wie du oder Falke, keine Soldaten oder Erdumgraber.« Jeffords nickte. Oh, ja, das Gesindel kam. Die Ströme der dollarhungrigen Männer und Frauen wuchsen immer mehr an. »Sie suchen schnellen Reichtum, Jefe«, erklärte Thomas dem Häuptling. »Es sind Betrüger, Kartenspieler und anderes Gelichter. Sie kommen zusätzlich zu denjenigen, die eine neue Heimat suchen.« »Und bringen Unheil und Tod«, sagte Cochise ernst. »Sie wollen, daß die Pferdesoldaten sie schützen. Wissen die Bleichgesichter nicht, daß die Apachen um ihr Land kämpfen?« »Ich denke, sie wissen es«, antwortete Jeffords. »Warum kommen sie denn? Suchen sie den Tod?« wollte Naiche wissen. »Vielleicht haben sie gehört, daß du ein halbes Jahr Frieden versprochen hast«, erwiderte Thomas. »Sie verlassen sich auf dein Wort und darauf, daß General Howard sie schützt.« Der Postmeister machte eine kurze Pause, räusperte sich und fuhr dann fort. »Gold und Silber, mein Freund, sind stärker als alles andere. Zumindest ist das bei den meisten Menschen so. Die Sucht nach diesem Metall läßt sie zu wilden Bestien werden.« Cochise nickte. Sein Blick schien in weite Fernen zu gehen. »Die alten Legenden«, sagte er, »berichten davon. Als die Eisenmänner kamen, wollten sie Gold, Gold und nochmals Gold. Die meisten starben in ihrem Eisen, das nach Jahren rot wurde. Aber das war kein Gold, Hellauge, das war Rost.« Jeffords wunderte sich darüber, wie lebendig die jahrhundertealte Überlieferungen bei den Apachen noch waren. Die »Eisenmänner« waren die Ritter der Spanischen Krone, die das neue Land erobern und ausplündern sollten, damit die Könige im alten Europa ihre Kriege führen konnten.
»Wir müssen miteinander sprechen, Hellauge«, fuhr Cochise fort. »Ich weiß keinen Rat mehr. Zu viele Weiße dringen in dieses Land ein. Sie sind schlimmer als Klapperschlangen. Ich kann nicht sagen, wie lange ich die Krieger zurückhalten kann. Heute waren die Tontos unterwegs. Morgen sind es vielleicht die Mimbrenjos, und in einer Woche reiten meine jungen Männer auf Raubzug, ohne daß ich eine Ahnung habe. Wie soll ich mein Versprechen halten?« »Ich weiß es nicht«, antwortete Jeffords nachdenklich. »Wir bleiben, bis die Kutsche weg ist«, entschied der Häuptling: »Die weißen Männer und die Frau stören. Sie sollten nichts hören, nichts erzählen können von dem, was wir besprechen.« Der Chief und sein Sohn zogen sich zu den Kriegern zurück. Thomas Jeffords kümmerte sich darum, daß die Kutsche möglichst schnell weiterfahren konnte. * Fast zur gleichen Zeit lagen zwei Chiricahua-Krieger Meilen entfernt auf der Lauer. Seit dem Morgengrauen beobachteten die beiden Apachen das kleine Farmhaus, das in einer weiten, flachen Senke stand. Ein Creek floß knapp fünfzig Yards am Haus vorbei. Wasser für einen Schollenbrecher war genug vorhanden. Mit einigem Geschick könnten diese Siedler ihr Gebiet in fruchtbares Ackerland verwandeln. Ein kaum fußbreiter Stichkanal leitete bereits Wasser am Haus entlang zu einer saftigen Wiese, auf der drei Milchkühe grasten. Die McLeods waren wirklich Ackerbauern und keine Rancher, die verbissen daran arbeiteten, großmächtige Rinderbarone zu werden. Patrick lieferte Milch nach Tombstone, brachte jede Woche einen ganzen Korb voll Eier in die aus allen Nähten platzende Minenstadt und freute sich zusammen mit seiner Frau Gwynn,
daß sie von mal zu mal mehr Geld für ihre Waren bekamen. Die McLeods waren sparsam. Und das hatte nichts damit zu tun, daß sie beide aus Schottland stammten. Aber sie erkannten, daß die hohen Einnahmen nicht alles waren. Brauchten sie ein Pfund Nägel, so mußten sie inzwischen das Dreifache von dem zahlen, was diese Waren noch vor einem halben Jahr gekostet hatte. Also schränkten sich die Farmer ein und kauften wirklich nur das Notwendigste. Patrick war mit dem kleinen Farmwagen in die Town gefahren. Gwynn arbeitete auf dem trockenen Stück Land hinter dem Haus, das einmal ihr Gemüsegarten werden sollte. Es war schon sehr heiß. Die junge Frau richtete sich auf und unterdrückte ein Stöhnen. Ihr Rücken schmerzte, und seit sie schwanger war, wurden die Schmerzen immer schlimmer. Gwynn stemmte sich die flache Hand in die Seite und entschloß sich, eine Pause einzulegen. Langsam ging sie auf das Haus zu und trat ein. Sie ahnte nicht, daß die beiden Chiricahuas nur auf diese Gelegenheit gewartet hatten. Die Krieger verließen ihre Deckung. Schlangengleich bewegten sie sich über den Boden, erreichten den Corral und verharrten lauschend, sahen sich dann an. Jeder wußte, was er zu tun hatte. Der Ältere schob sich unter der Stange durch, robbte auf die Kuh zu, die dem Gatter am nächsten stand, und sprang auf die Beine. Geschickt trieb er die Kuh in Richtung Tor, das der andere Chiricahua öffnete. Sofort nachdem die Kuh im Freien war, schloß der Apache das Gatter wieder. Eilig trieben die beiden Diebe ihre Beute davon. Aber die Milchkuh schien keine Lust zu haben, in die karge Sandlandschaft zu laufen. Sie muhte laut und unwillig. In der nächsten Sekunde öffnete sich die Tür des Farmhauses. Gwynn starrte die beiden halbnackten Apachen an und blieb reglos stehen. Bisher hatten wir unverschämtes Glück gehabt, dachte die
junge Frau. Aber jetzt ist es passiert. Im ersten Moment drängte es sie, mit der Parker auf die Kerle zu feuern, aber sie ließ die Flinte stehen. Sinnlos, dachte Gwynn, sie bringen mich nur um. Sollen sie doch mit Millie glücklich werden. Aber wahrscheinlich fressen sie die Ärmste auf. Die Siedlerfrau war vernünftig. Sie hatte gegen zwei Apachen nicht den Hauch einer Chance. Aber schade um die Milchkuh war es doch. Gwynn ging wieder in ihren Garten und arbeitete weiter. Etwa eine Viertelstunde später hörte sie lauten Gesang. Verblüfft lief Gwynn zur Hausecke und blickte nach Süden. Mindestens fünfzehn Männer umringten einen Farmwagen. Ein Fremder hockte auf dem Sitzbrett und hielt die Zügel. Gwynn McLeod war nicht leicht zu erschüttern. Aber für bange Sekunden dachte sie doch daran, daß Patrick vielleicht tot war. Doch so konnte es nicht sein, denn wenn die Fremden ihren toten Mann auf dem Wagen transportierten, hätten sie bestimmt nicht so vergnügt gesungen. Ahnungsvoll lief Gwynn um das Haus herum und wartete, bis die Reiter in gekrümmter Linie angetreten waren. Der dicke Kerl auf dem Kutschbock lüftete höflich einen alten Strohhut, dessen Krone kein Oberteil mehr besaß, und sagte: »Madam, wir bringen Ihnen den Gewinner. Ihr Mann Patrick ist der anerkannt trinkfesteste Mann in Tombstone. Er nahm Sammy Rickers Herausforderung an und soff ihn glatt unter den Tisch.« Gwynn bemühte sich vergeblich, eine böse Miene aufzusetzen. Sie schaffte es einfach nicht ihr Lächeln zu unterdrücken. »Würden Sie ihn bitte reinbringen?« fragte sie. »Und einen Whisky werden Sie doch wohl nicht abschlagen, oder?« Die Männer brüllten begeistert und rutschten aus den Sätteln. Alle diese Burschen hatten schon getrunken, aber sie waren
weit davon entfernt, eine Schnapsleiche wie Patrick zu sein, der im Wohnraum ein furchtbares Schnarchkonzert anstimmte. »Er war schon mal hier«, bemerkte jemand beinahe andächtig. »Hört mal, wie er sägt.« »Wieso?« fragte ein anderer, »hier gibt es doch kaum was zu sägen. Dies ist dürres Land, wo kaum ein Baum wächst.« »Eben, ich sagte ja, er war schon mal hier. Damals hat er ganze Arbeit geleistet.« »Du meinst, dieser verdammte Schotte ist schuld daran, daß es hier so aussieht?« fragte ein dritter Bursche grinsend. Aber da kam Gwynn mit dem Whisky und schenkte ein. Die Männer tranken, versuchten höflich zu sein und fragten nach dem Vieh und dem Wasser. Und da beging Gwynn McLeod eine Dummheit. Sie erzählte nämlich, daß vor kaum einer halben Stunde zwei Indianer eine Milchkuh gestohlen hatten. Plötzlich fluchten die Männer wild durcheinander. Ihre Fröhlichkeit und Unbekümmertheit war wie weggewischt. »Diese verdammten Rothäute«, schimpfte der Dicke mit dem merkwürdigen Strohhut. »Wir schicken sie zur Hölle, Madam, und bringen Ihnen Ihre Milchkuh zurück, das verspreche ich. Okay, Boys?« »Aber sicher!« »Darauf können Sie Gift nehmen, Lady!« »In 'ner Stunde sind wir wieder da!« Gwynn wurde blaß, schalt sich innerlich eine Närrin. Aber es war zu spat. Die angetrunkenen Männer aus Tombstone liefen schon hinaus. Sekunden später dröhnten die Hufe. Staub wallte auf, zog in dichten Schwaden vor dem Farmhaus hoch und verdeckte Gwynn die Sicht. Ein ausgemergelter Typ hatte sich an die Spitze des Trupps gesetzt. Die eisblauen Augen dieses Burschen nahmen jede Veränderung der Fährte wahr. Die Abdrücke der Rinderhufe
waren nicht zu übersehen. »Hier sind die Rothäute aufgesessen«, rief der Dürre und deutete auf den Sandboden. »Ich kann nichts sehen«, sagte der Dicke mit dem Strohhut. »Aber wenn du das sagst, Smiley, wird es schon stimmen.« »Und ob.« Der Dürre lächelte. »Verlaß dich drauf, daß wir die Halunken erwischen. Das sollen sie bereuen, einem anständigen Christenmenschen 'ne Milchkuh zu klauen. Ha, denen gerben wir das Fell.« Die Spuren wurden deutlicher. Smiley zügelte sein Pferd und blickte sich mißtrauisch um. »Was ist denn los?« fragte einer seiner Kumpane. »Ich wette, die roten Stinker hocken irgendwo und beobachten ihre eigene Fährte«, behauptete Smiley. »Das machen sie manchmal stundenlang. Wenn ihnen jemand folgt, bekommt er 'ne Kugel und wird ausgeplündert.« »Hoho, was wollen zwei lausige Apachen gegen uns ausrichten?« fragte der Dicke lachend. »Dann verschwinden sie in der Wüste«, erwiderte Smiley. »Wir müssen verdammt geschickt vorgehen, um die Kerle zu erwischen. Und das wollen wir doch, oder?« Alle stimmten zu. Keiner von ihnen dachte daran, daß Smiley seine Frau und seine beiden halbwüchsigen Söhne bei einem Angriff der Apachen auf einen Siedlertreck verloren hatte. Niemand kam auf die Idee, daß der dürre Wüstenläufer nur seine eigene Rache suchte. Denn es ging ja um McLeods Milchkuh. – »Paßt auf, wir teilen uns«, schlug der Dürre vor, »und bilden einen Halbkreis. Ich bleibe genau auf der Spur. Ihr müßt nur schnell genug sein, wenn die beiden Halunken abhauen wollen. Schießt ihnen die Gäule unterm Hintern weg, aber laßt sie um Himmels willen leben, bis ich dran bin. Okay?« »Was hast du vor?« wollte ein jüngerer Mann wissen, der seinen Colt ziemlich tief am Oberschenkel trug.
»Nichts anderes, als was die mit uns machen würden«, antwortete Smiley und lächelte so brutal, daß ihn keiner der anderen mehr ansehen konnte. Die gnadenlose Hitze trieb den Männern den Whisky schneller durch die Adern. Sie kamen sich unbesiegbar vor, waren die Rächer auf der Spur der Schurken, die ein Verbrechen begangen hatten. Aber auch im nüchternen Zustand wären diese Männer hinter den Apachen hergehetzt. Denn diese Reiter gehörten nicht zu den Pionieren, zu den eigentlich friedlichen Menschen, die sich eine Heimat aufbauen wollten. Nein, sie waren alle irgendwie gezeichnet und gehörten zum Troß des wilden Rudels, das Tombstone überschwemmte. Sie standen ganz am Ende der langen Kette von Glücksrittern, die hinter dem schnellen Geld her waren. Und nun wollten sie zeigen, daß sie doch ganze Kerle waren, die nicht einmal vor zwei Apachen zurückschreckten. Lediglich Smiley bildete die Ausnahme. Aber wer ihn näher kannte, hielt ihn für leicht verrückt. Und wer seine Geschichte kannte, verstand sogar, daß er nicht mehr normal denken konnte, wenn es um Apachen ging. Der dürre Mann ritt genau auf der Fährte. Eine Sanddüne versperrte ihm den Weg. Er roch förmlich, daß die Apachen oben lauerten, sich hinter dem Dünenkamm verbargen und nur auf ihre Chance warteten. Aber unbeirrbar ritt Smiley weiter. Er zügelte lediglich sein Pferd etwas und verfolgte, wie die Zange aus Reitern weiter vorstieß. Lautes Muhen. Eine Milchkuh stemmte alle viere in den rieselnden Sand und rutschte voll Angst brüllend die Düne herab. Zwei Schüsse krachten. Nicht die Indianer hatten abgedrückt, sondern zwei Weiße. Sie hatten die Kuh tödlich getroffen. Das Tier brach zusammen und glitt auf dem Sand hinunter. Smiley sprang aus dem Sattel. Der Dürre wußte, wie er eine
Düne zu erklettern hatte. Im Zickzack, das Gewicht behutsam verlagernd, lief er dem Kamm zu. Eine bronzefarbene Gestalt schnellte hoch. Orangerot blitzte es auf. Der Gewehrschuß peitschte, aber das Blei sirrte harmlos an Smiley vorbei. Er arbeitete sich weiter die Düne hoch. Verdammt, was war mit den anderen? Sie mußten die Rothäute doch sehen. Warum feuerten die Kumpane nicht? Im gleichen Moment dröhnten die Revolver- und Gewehrschüsse auch schon. Die beiden Apachen konnten sich nur noch mit den Armen voranziehen, aber sie verbissen ihren Schmerz. Nur die Augen zeigten die Qual. »Okay, das hätten wir«, sagte der Dicke. »Drei Mann reiten voraus und holen den Wagen der McLeods. Wir laden das tote Rind auf. Ich habe versprochen, es zurückzubringen. Ob lebend oder tot, darüber habe ich kein Wort gesagt.« Die Kerle lachten scheppernd. Und als Gwynn nach einer Stunde die Augen, die Gesichter der Männer aus Tombstone sah, war sie zutiefst entsetzt. Doch sie ließ sich nichts anmerken, bedankte sich und blickte ihnen nach, als sie losritten. Als am Nachmittag Patrick zu sich kam, hörte er seiner Frau zu. Schlagartig fiel der Rest der Trunkenheit von ihm ab. Innerhalb von Minuten hatte er das Pferd gesattelt und galoppierte davon. Und als Patrick zurückkam, erwähnte er nichts von dem, was er gefunden hatte. »Ich muß zur Army«, sagte er nur. »Die Soldaten sollen erfahren, wozu weiße Menschen fähig sind. Gott beschütze uns vor solchen Freunden, Gwynn. Sie werden uns das Leben kosten. Hoffentlich bekommen wir keinen Ärger mit den Chiricahuas. Am liebsten würde ich zu diesem Jeffords reiten, um das alles zu erzählen. Er kennt doch den Chief der Chiricahuas gut, wie man behauptet.« Angstvoll schaute Gwynn ihrem Mann nach. So hatte sie ihn
noch nie erlebt. Er war von Zorn erfüllt. Hoffentlich tat er nichts, was ihnen schaden konnte, dachte Gwynn. * John Haggerty stand in der Kommandantur neben Colonel Walmann. In dem gepolsterten Sessel vor General Howards Schreibtisch saß Patrick McLeod. Der schottische Farmer hatte gerade erzählt, was sich vor wenigen Stunden nördlich von Tombstone zugetragen hatte. »Verstehen Sie mich richtig. Sir«, sagte McLeod zu Howard, »ich möchte keinen Schutz. Ich komme nicht um zu betteln. Meine Frau und ich schaffen es auch so. Da bin ich ganz sicher. Es geht mir um das Verhalten dieser verdammten Kerle aus Tombstone. Sie haben die beiden Apachen auf grausame Weise umgebracht, General. Und das ist etwas, bei dem mir die Galle überkocht.« Der einarmige Kommandeur der Südwest-Truppen war beeindruckt. Dieser Schotte schien eine grundehrliche Haut zu sein. Seine Empörung war nicht gespielt. Offenbar machte sich der Farmer Gedanken über die Situation in diesem Gebiet. Er wußte, daß die Soldaten es kaum schafften, die Indianer ruhig zu halten. Howard schlug mit der Faust auf die Tischplatte. Der schwarze Bart des Generals schien sich zu sträuben, und die Augen des Offiziers funkelten. »Verdammte Zivilisten«, fauchte Howard entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten. »Wir sollten nicht gegen die Apachen antreten, sondern dieses Gesindel davonjagen. – Walmann, Vorschläge bitte.« Haggerty blickte den Colonel an und fragte: »Mr. McLeod, welchem Stamm gehörten die beiden Krieger an?« »Es waren Chiricahuas, ganz eindeutig«, erklärte der Farmer. »Das regt mich ja so auf. Sie, General, haben mit Cochise
einen Frieden ausgehandelt. Und jetzt benehmen sich weiße Männer wie die Verrückten. Ich befürchte, daß die Indianer zurückschlagen werden. Dann leiden wir darunter, wir Siedler und Farmer. Die in den Städten fühlen sich sicher.« Forschend sah der General seinen Chiefscout an. Was hatte Haggerty vor? Er war Cochises Freund, ja. Aber ging diese Freundschaft so weit, daß der Häuptling den Tod zweier Krieger verzieh, die von Weißen umgebracht worden waren? »Lieutenant, wie denken Sie darüber?« wollte Howard wissen. Haggerty zog die Brauen hoch und antwortete: »Es gibt nur eine Möglichkeit, Sir, ich muß zu Cochise. Aber vorher werde ich mit Jeffords sprechen. Der sitzt schließlich auch mitten im Kochtopf. Er hört und sieht eine Menge. Vielleicht finden wir gemeinsam eine andere Lösung. Denn, offen gesagt, behagt es mir nicht, dem Jefe mit einer solchen Nachricht gegenüberzutreten.« Howard nickte. Er konnte sich vorstellen, was in Cochises Apacheria geschah, wenn der Tod der beiden Krieger bekannt wurde. »Walmann, Sie reiten mit einer halben Schwadron Patrouille«, befahl Howard. »White soll ebenfalls mit sechzig Reitern aufbrechen. Teilen Sie das Gebiet unter sich auf. Ich will, daß Sie beide ständig jede Farm, jede Ranch besuchen. Sie müssen alle Weißen beobachten, die durch das Land reiten. Die Apachen sollen erkennen, daß wir auch unsere eigenen Leute kontrollieren. Vielleicht hilft das etwas.« Oberst Walmanns Gesicht blieb ausdruckslos. Aber wer den Offizier kannte, wußte, was er dachte. »Ja, ja, ich weiß, Walmann«, sagte Howard gereizt. »Sie halten das alles für Unsinn, Zeitverschwendung. Aber ich sehe keinen anderen Weg. Sie wissen so gut wie ich, daß Fort Buchanan total unterbesetzt ist. Wenn Sie und White mit je einer halben Schwadron losreiten, können wir nur beten, daß
uns niemand angreift. Aber es ist wichtiger, die Weißen und die Apachen ruhig zu halten.« »Ich habe nichts gesagt, Sir«, verteidigte sich der Oberst, der Howard oft als Ratgeber nützliche Dienste erwiesen hatte. »Das brauchen Sie auch nicht, Sie nicht«, entgegnete der einarmige General. »Ich kenne Sie so gut wie mich selbst. Allein Ihre Haltung verrät mir, daß Sie meinen Befehl für unsinnig halten.« Walmann sah den Scout an, der grinste. »Scheint so, als ob ich vorsichtiger werden müßte, was Haggerty?« John nickte nur, während der schlanke Oberst die Kommandantur verließ. Howard bedankte sich bei McLeod für die Warnung, die Nachricht und sagte abschließend: »Leider haben wir keinen Einfluß auf Ansiedlungen wie Tombstone. Solange überall Gold oder Silber gefunden wird, drängen die Abenteurer und Galgenvögel in das Territorium, Mr. McLeod. Und solange sich diese Kerle hier herumtreiben, ist an wirklichen Frieden nicht zu denken. Ich wünschte wahrhaftig, es gäbe mehr Menschen von Ihrer Art in Arizona, dann hätten wir alle eine Menge Probleme weniger.« Der Schotte lächelte, nahm das Lob hin, ohne sich etwas darauf einzubilden. »General, ich muß mich verteidigen, wenn die Apachen angreifen«, sagte der Farmer, »aber ich werde niemals einen Menschen töten, nur weil er Indianer ist. Ich glaube, darin liegt die Ursache für die Überfälle. Irgendwann finden sich die Apachen damit ab, nicht mehr das ganze Land zu besitzen. Sie wissen, daß wir Weißen in der Übermacht sind. Aber dieser Prozeß kann auch ohne Grausamkeiten ablaufen, denke ich. Und nicht immer sind es die Indianer, die brutal werden.« McLeod hatte gesagt, was er loswerden wollte. Er verließ das Gebäude, stieg auf sein Pferd und ritt davon. »Haggerty?« fragte der General. »Ich reite sofort zu Jeffords«, antwortete der Scout. »Lassen
Sie Walmann und White ruhig die Gegend durchstreifen. Vielleicht hilft es doch was. Auch wenn sich die Apachen darüber amüsieren, so halten sich vielleicht die Weißen zurück, die sonst verrückt spielen würden.« Howard nickte. Der Scout hatte begriffen, was der Kommandeur bezweckte. John ließ sein Pferd satteln, überprüfte die Waffen und die Wasserflasche und saß auf. Die Posten zogen das Tor aus mächtigen Balken auf, als Chiefscout John Haggerty Fort Buchanan verließ und dann auf den Apachen-Paß zuritt. Dort oben lebte Thomas Jeffords, der auch ein Freund des großen Cochise war. Vielleicht fanden Haggerty und der Postmeister gemeinsam die Lösung für die schwelende Situation, die sich innerhalb von Stunden in einen Feuerbrand verwandeln konnte, der auf den gesamten Südwesten übergriff. Voller Bitterkeit dachte Haggerty unterwegs daran, daß die wenigen vernünftigen Menschen in der Minderzahl waren. Selbst Cochise, der doch nach Mangas Coloradas der größte Anführer der Apachen war, kämpfte gegen Männer seiner Rasse, um Frieden zu halten. Der Häuptling wußte um die Macht der Weißen. Ganz sicher war er davon überzeugt, daß die Zeiten des freien Umherschweifens für die Apachen dem Ende zugingen. Cochise wollte den Frieden mit den Bleichgesichtern, aber immer wieder flackerten Kämpfe auf, die in zügellose Grausamkeiten ausarteten, die Vergeltung forderten. John lenkte seinen Schecken vom Fahrtweg ins freie Land, als er die Kutsche erkannte, die den Paß herunterkam. Es war viel zu spät für die Concord, aber als das schwere Fahrzeug vorbeifuhr und Haggerty die Schäden sah, wußte er, was geschehen war. Seine Besorgnis steigerte sich noch. Er trieb das Pferd an, wollte so schnell wie möglich zu Jeffords, um mit ihm zu sprechen.
Auf halber Höhe beschlich den Scout ein unangenehmes Gefühl. Er spürte, daß er beobachtet wurde. Unauffällig blickte er sich um; entdeckte aber nichts. Als er oben war, sah er die Krieger an den Quellen. Es waren Chiricahuas. Also mußte Cochise in der Nähe sein. Der Scout war besorgt und erfreut zugleich. Er zügelte den Schecken vor der Station und saß ab. Die Tür schwang auf. Thomas Jeffords lächelte Haggerty an und fragte: »Haben Sie gerochen, daß der Jefe hier ist?« »Nein, das nicht, aber es ist gut, daß ich ihn treffe«, antwortete John. »Es gibt böse Dinge, die ich mit Cochise besprechen muß.« Der Apachenhäuptling begrüßte seinen Blutsbruder nach Art der Weißen mit Handschlag. Prüfend blickte Cochise seinen Freund an. »Du trägst Kummer in deinem Herzen, Falke«, sagte der Chief zu Haggerty. Der Scout nickte bekümmert und reichte Naiche die Hand. »Was führt dich hierher?« fragte John den Häuptling. Cochises Gesicht wirkte hart und ausdruckslos. Nur die dunklen Augen verrieten die Besorgnis des Jefe. »Das Land kommt nicht zur Ruhe«, begann er. »Die Krieger gehorchen mir, aber immer wieder stehlen sich einzelne Männer davon. Ihr Blut rinnt heiß durch ihre Körper. Ich höre jede Nacht das Gemurmel der Krieger. Sie reden vom Töten, Falke.« Haggerty preßte die Lippen zusammen. Nun war der Zeitpunkt gekommen. »Zwei deiner jungen Krieger kehren nicht zurück, Cochise«, sagte der Scout. Naiche richtete sich auf. Unwillkürlich umklammerte er den Messergriff. »Sprich, Falke!« forderte der Chief. John Haggerty berichtete, was nördlich von Tombstone geschehen war.
Cochise schwieg lange. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht. »Sie brachen mein Wort«, sagte der Häuptling schließlich. »Der weiße Farmer hat nichts zu befürchten, Falke. Ich zweifle nicht daran, daß er wahr gesprochen hat. Diese Menschen sind nicht unsere Feinde. Aber die anderen, die Mordwölfe, sie sind die Gegner. Darum bin ich hier, Bruder.« Cochise schwieg wieder. Naiche ließ den Dolchgriff los und atmete tief. »Vater, vergiß dein Wort nicht«, mahnte er. »Nein, niemals«, antwortete Cochise entschieden, »für sechs Mondzeiten halten wir Frieden. Aber die Bleichgesichter tragen Streit, Haß und Mord in unser Land. Denn dies ist unser Land, und ihr seid die Eindringlinge.« Haggerty hatte den Eindruck, daß der Chief sein Friedensversprechen bereute. Der Scout blickte Jeffords an. Die Miene des Postmeisters drückte Besorgnis aus. »Mein Freund«, sagte Thomas, »du weißt, daß wir die Apachen respektieren. Du weißt auch, daß weder Haggerty noch ich jemals einen Kampf mit euch beginnen. Aber wenn wir angegriffen werden, verteidigen wir unser Leben. Ja, wir sind die Eindringlinge, doch wir bleiben nicht allein. Du weißt es, auch wenn du es nicht wahrhaben willst.« Cochise lächelte hart. »Wir kennen unser Gebiet. Wir leben seit Jahrhunderten hier und wissen, wie wir überleben können. Ihr Weißen überlebt nur solange, wie die rollenden Jacales Nahrung bringen, wie ihr Wasser aus den Flüssen auf die trockenen Felder leitet. Und wenn eines Tages das Mondmetall und das weiche gelbe Metall zu Ende ist, werdet ihr vielleicht wieder davonziehen. Denn was hält euch dann noch?« Haggertys Grinsen wirkte etwas gezwungen, als er die Rechte hob. »Du kennst die Weißen noch nicht richtig, mein Freund«, sagte der Scout. »Was sie einmal besitzen, geben sie nicht
mehr her.« »Sie haben Angst vor uns«, stellte Naiche fest. »Sie haben Angst vor jedem Indianer, Falke. Vielleicht gehen sie doch.« Jeffords schüttelte den Kopf. »Du irrst dich, Naiche«, sagte der Postmeister. »Sie bleiben und kämpfen, rufen nach den Pferdesoldaten, wollen Schutz, und sie machen den kargen Boden urbar.« »Du willst damit sagen, Hellauge«, fragte Cochise, »daß die Zeit der Apachen vorbei ist?« Jeffords nickte zögernd. »Vielleicht nicht heute oder morgen«, schwächte Haggerty ab, »aber in ein oder zwei Generationen leben auch die Chiricahuas nicht mehr in den Dragoon Mountains.« »Der Einarmige gab sein Wort«, fuhr Naiche auf. »Wir dürfen in unserer Apacheria leben. Wer will uns vertreiben?« Cochise legte seinem Sohn die Hand auf den Arm. Sofort schwieg Naiche. »Es wird anders sein«, sagte der Häuptling. »Niemand vertreibt uns. Aber sie jagen uns, wenn wir aus dem Süden zurückkommen, Sohn. Immer mehr Krieger sterben, der Stamm wird immer schwächer. Und eines Tages haben die Chiricahuas keine andere Wahl mehr. Sie müssen ins Reservat. Ja, wir haben der Macht der weißen Eindringlinge nichts entgegenzusetzen. Doch kampflos geht mein Volk nicht unter.« Jeffords registrierte, daß sich der Ton zuspitzte, Bitterkeit vorherrschte. Der Postmeister hoffte, daß auch nach den sechs Monaten Frieden die Kämpfe nicht erneut aufflammten. Er wollte vorbauen und sagte: »Das alles liegt in weiter Ferne. Aber bereits jetzt kommen ständig mehr Goldsucher ins Land. Die sind verrückt nach Gold und bringen sich sogar gegenseitig um.« »Vielleicht brauchen wir nur zu warten«, warf Naiche ein, »und die Bleichgesichter rotten sich selbst aus.« Haggerty lächelte gequält. »Darauf könnt ihr lange warten.
Denn solange Apachen unterwegs sind, bringen die Goldsucher die Krieger um. Sie haben Angst, sie hassen die Indianer und schießen, bevor sie selbst erschossen werden.« Cochise nickte bedächtig. Der Häuptling wußte all das, aber er durfte seine Rasse, sein Volk nicht untergehen lassen. »Es gibt keinen Krieg«, sagte er, »doch wenn Apachen angegriffen werden, töten sie.« Der Jefe dachte an die Mexikaner jenseits der Grenze, die für die Apachen noch nie ein Hindernis war. Im Süden konnten die Krieger ihre Raubzüge durchführen. Die alte Feindschaft zwischen Mexikanern und Apachen war noch nicht erloschen. Cochise dachte an den Ruf der Krieger, wenn sie angriffen: Zastee – Töte! Ja, er wollte seine Chiricahuas wieder nach Süden führen. Die Beute lockte, und noch immer galt es, die Gelbhäutigen zu bekämpfen, die für jeden Apachenskalp blanke Pesos bezahlten. »Ich weiß keinen Rat«, sagte John Haggerty. »Wir können nur versuchen, die weißen Glücksritter und Abenteurer aufzuhalten. Der Friede ist gefährdet, doch es darf keinen weiteren Krieg zwischen den Apachen und uns geben. Wenn Indianer angegriffen werden, müssen sie sich wehren. Aber dieses Recht wirst du auch den Weißen zugestehen, Cochise.« Der nickte. Vielleicht gab es wirklich keinen anderen Ausweg, als einen langen Kriegszug nach Mexiko zu organisieren. Aber in der Zwischenzeit konnten die Eindringlinge schon das Land überschwemmt haben, denn die Weißen waren zahlreich wie die Sandkörner der Wüste. Der Häuptling stand auf. Weitere Worte waren sinnlos. Jeffords und Haggerty wußten genauso wenig Rat wie Cochise. Der Jefe war jedoch entschlossen, sein Wort zu halten: Sechs Monate keinen Krieg im Südwesten. Minuten später ritten Cochise und Naiche an der Spitze der Kriegerhorde davon. Haggerty und Jeffords blickten ihnen
nach. »Er will Frieden«, sagte der Scout, »aber er kann nicht aus seiner Haut, Jeffords. Cochise ist ein Apache, ein Mann dieses harten, erbarmungslosen Landes. Jeder Sonnenaufgang bedeutet neuen Kampf ums Überleben, Kampf um Nahrung und Wasser. Jetzt sehen sie ihre Existenz gefährdet und schlagen um sich. Stellen Sie sich vor, Jeffords, irgendwelche Kerle kämen und nähmen uns einfach alles weg. Was würden wir machen?« Der Postmeister nickte und antwortete: »Uns wehren, ganz klar.« Thomas Jeffords seufzte. »Ich weiß das alles, Haggerty«, fuhr er fort, »habe mir das schon so oft überlegt. Es gibt eben ein Naturgesetz, wonach die Schwachen den Starken weichen müssen.« »Aber nicht so, auf diese Art«, entgegnete der Scout grimmig. »Warum können wir den Apachen nicht ihr Stammesgebiet lassen? Amerika ist so groß, so weit. Müssen wir unbedingt in dieser Halbwüste siedeln? Was bringt uns der heiße Sand, die Sonnenglut und kochende Wind, wenn die Goldfunde erschöpft sind, wenn kein Gramm Silber mehr gefunden wird?« Darauf wußte auch Thomas Jeffords keine Antwort. Haggerty verließ das Stationsgebäude, stieg in den Sattel, lächelte müde und sagte: »Ich reite zu General Howard und melde ihm, daß weder Sie noch Cochise einen Rat wissen. Der General befaßt sich nämlich mit dem gleichen Problem: wie schaffen wir es, Frieden zu halten.« Der Scout hob die Rechte, zupfte mit der anderen Hand am Zügel und ließ den Rappen angehen. * Die Town hieß Fort Huachuca. Als die Spanier von Mexiko
aus nach Norden drängten, die sagenumwobenen sieben goldenen Städte suchten, gründeten die Eroberer überall Niederlassungen. Aus einem Grund, den in Cochises Zeit niemand mehr kannte, hatten die Spanier in Huachuca eine gewaltige Befestigung erbaut. Daher rührte der Name Fort, den die Amerikaner nach der Eroberung dieses Landes dem Kastell aus der Kolonialzeit gaben. Huachuca war inzwischen eine unbedeutende Ansiedlung, nur fünfzehn Meilen von der Grenze entfernt. Die unbenutzten Befestigungen boten zahllose Schlupfwinkel und Lagermöglichkeiten für Schmuggelgut aller Art. Es blieb nicht aus, daß die Apachen darauf aufmerksam wurden. Die Söhne der Halbwüste lauerten unsichtbar an jedem Weg, an den meisten Wasserstellen und sahen, was vorging. Vier Mimbrenjo-Krieger hatten sich mit Erlaubnis ihres Chiefs Chato auf den langen Weg nach Süden gemacht. Die Vier kamen aus der San Carlos Indian Reservation, und ihr Ziel war das alte Fort der Spanier. Die Mustangs versteckten die Apachen ein paar Meilen vor der Ansiedlung in einem unwegsamen Hochtal, in dem es genügend Wasser und Gras gab. Schlangengleich arbeiteten sich die Mimbrenjos zwischen den gewaltigen Steinmassen voran. Ihr Ziel waren dunkel gähnende Öffnungen, die in die Tiefe der Befestigung führten. Der vorderste Krieger hob den Kopf. Ein schwaches Geräusch hatte den Apachen gewarnt. Reglos lagen die vier Indianer und beobachteten. Wieder klang das leicht schleifende Geräusch auf. Aus der linken Höhle kam ein weißhaariger, knorriger Typ gehumpelt. Das Haar stand in wirren Büscheln von seinem Kopf ab. Unter dem Arm trug der Alte ein Gewehr, das er im Bruchteil einer Sekunde schußfertig haben konnte. Er ging in den zweiten Eingang, rumorte eine Weile im
Innern des Felsenraumes und erschien wieder. Ein Wächter, dachten die Mimbrenjos. Der vorderste Krieger bewegte seinen rechten Arm ganz behutsam. Die Fingerspitzen ertasteten den hölzernen Griff. Aber als der Apache den Dolch gezogen hatte und mit seinem Arm ausholte, um die Klinge zu werfen, marschierte der Weißhaarige davon. Sekunden später hörten die Krieger die brüchige Stimme des Wächters. »Komm schon, du Mistvieh, los, du hast dich lange genug ausgeruht. Wir reiten zur Stadt.« Hufschlag klang auf. Die Krieger wandten die Köpfe. Gegen den hellen Himmel zeichnete sich die Silhouette eines Maultieres ab, auf dessen Rücken der Wächter saß. Das Stampfen der Hufe verlor sich allmählich. Wieselflink schob sich der erste Krieger vor, erreichte die Dunkelheit der ersten Höhle und glitt hinein. Sekunden später folgten ihm seine Gefährten. »Feuer!« befahl der Anführer des kleinen Trupps kehlig. Eine winzige Flamme flackerte auf. Die Mimbrenjos staunten nicht schlecht, als sie die langen, flachen Kisten sahen. Sie enthielten moderne Gewehre. Das war eine Beute, die sie zu berühmten Kriegern machen würde! Die Apachen verloren keine Zeit. Gebückt trugen sie die Holzkisten hinaus, etwa 100 Yards weit, und verbargen die Beute unter einem gewaltigen Felsbrocken, der eine Grube verdeckte, von der nur die Krieger wußten. Fieberhaft schufteten die vier Mimbrenjos, denn sie wollten die Waffen in Sicherheit bringen, bevor der Alte oder ein anderer Wächter zurückkam. Sie ahnten nicht, daß der Weißhaarige sie entdeckt hatte. Jubal Granger trieb sein Muli mit Faustschlägen an. Die eisblauen Augen des Oldtimers funkelten grimmig. Denn Granger ließ sich nicht von vier verdammten Rothäuten in die Suppe spucken. Der Oldtimer war der Kopf einer Schmugglerbande, die in Huachuca ihr Hauptquartier hatte.
Auf Bestellung lieferten die verwegenen Kerle den Mexikanern alles, was sie haben wollten. Natürlich nur gegen harte Dollars oder Pesos, das verstand sich von selbst. Das beste Geschäft waren Waffen. Und gerade hinter diesen Waffen waren auch die Apachen her. Jubal riß hart am Zügel, als er ein verwittertes Holzhaus im Kolonialstil erreichte. Der Bogengang vor der eigentlichen Wand beschattete die Frontseite. »He, Boß, was ist denn los?« fragte jemand und löste sich aus dem Halbdunkel. Der schlanke Bursche sah gefährlieh aus. Seine Rechte schwebte dicht über dem Kolben des Revolvers. »Sid, hol die anderen!« befahl Granger. »Jage sie zur Festung! Sieh zu, daß dreißig oder vierzig Leute zusammenkommen. Ein paar Apachen machen sich über unsere Waffen her. Ich habe die Kerle nur zufällig gesehen. Wir sollten uns beeilen.« Sid wirbelte herum. Mit einem großen Schritt erreichte er die Haustür, stieß sie auf und verschwand im Innern. Es dauerte nicht mal eine Minute, bis ein halbes Dutzend Männer herauskam. Drei von ihnen waren abenteuerlich aussehende Mexikaner mit schwarzen Schnauzbärten. Sie alle wußten, was sie zu tun hatten. Auch Huachuca hatte in der Vergangenheit unter den Apachen zu leiden gehabt. Fast alle Bürger beteiligten sich bestimmt mit Freuden an einer Jagd auf die paar Krieger. Die sechs Burschen liefen von Haus zu Haus. Wenig später trieb Jubal sein Muli an und rief laut: »Hört mich an, Leute! Ihr alle habt die verdammten Rothäute in mächtig schlechter Erinnerung, denke ich. Im alten Fort treiben sich vier Apachen rum. Abgesehen davon, daß dort mein Lager ist, und sie sicher dabei sind, meine Waren zu stehlen, habt ihr doch alle noch 'ne Rechnung mit diesen verlausten Brüdern zu begleichen. Oder irre ich mich da?«
»Du hast recht, Granger«, rief jemand aus der Menge. »Los, ziehen wir den Kerlen das Fell ab.« Auch die anderen Bürger stimmten spontan zu, als sie Jubals Worte hörten. Sie haßten die Apachen wie die Pest. Keiner der Weißen dachte darüber nach, daß sie doch die Eindringlinge waren. Sie betrachteten das Land als ihr Eigentum und die Indianer als eine Geißel. »Los, gehen wir!« rief ein junger Mann. »Aber achtet darauf, daß die Halunken nicht zu schnell zur Hölle fahren. Sie sollen was davon haben.« Die meisten Männer lachten. Sie hatten von der Grausamkeit der Apachen gehört, die gefolterten Weißen gesehen und waren begierig darauf, sich auf die gleiche Weise zu rächen. »Halt, halt, so geht es nicht!« rief Jubal Granger. »Holt eure Pferde, nehmt Gewehre mit! Wir müssen das Fort umzingeln, sonst entkommen uns die verdammten Bastarde. Ihr wißt doch, daß sie sich unsichtbar machen können. Wir laufen einen halben Yard an ihnen vorbei, ohne sie zu sehen. Aber vom Sattel aus stehen unsere Chancen besser.« Die Männer eilten in alle Richtungen. Granger hatte recht. Aber niemand dachte darüber nach, daß die Apachen wegen ihrer besonderen Fähigkeiten den Weißen überlegen waren. Wenig später trabten mehr als dreißig Pferde aus der Town. Jubals Leute teilten die Truppe auf. Zehn Minuten danach war das Fort umzingelt. Schußbereit lagen die Gewehre über den Oberschenkeln der Männer. Aber kein Apache ließ sich blicken. Im Zickzack lenkten die Weißen ihre Pferde auf die Mauern zu. Jubal winkte seinen Männern. Sie bildeten einen Halbkreis vor den drei Höhlen. Der Alte saß ab, stemmte den Kolben der Winchester gegen den Hüftknochen und ging langsam auf den ersten Eingang zu. Sid folgte seinem Boß. Der schlanke Halunke riß ein Schwefelholz an und entzündete eine Fackel, die er mit gestrecktem Arm von sich hielt.
Als die beiden noch drei Schritte vom Eingang entfernt waren, zuckte etwas Flirrendes durch die Luft. Blitzschnell duckten sich die Männer. Das Messer landete hinter ihnen auf dem Boden. »Oben«, brüllte Sid, »sie hocken auf den Felsen! Holt sie runter!« Die anderen Kerle schlugen mit den Zügeln, und die Pferde preschten los. Von beiden Seiten galoppierten die Reiter die schrägen Rampen hinauf, die auf das Felsmassiv führten und das Dach der Höhlen bildeten. Vier bronzefarbene Gestalten sprangen hoch. Eine Schleuder drehte sich rasend schnell. Der Stein traf eines der Pferde. Grell wiehernd steilte das Tier. Der plötzliche Schmerz machte es verrückt. Es krachte mit den Hufen herab, sprang vor und verlor den Halt. Gerade noch rechtzeitig löste der Reiter die Füße aus den Steigbügeln. Er rollte sich ab, als das Pferd vor der mittleren Höhle aufprallte und dann ganz reglos liegenblieb. Schüsse krachten über Jubal Granger. Längst hatte Sid die Fackel weggeworfen und den Colt gezogen. Der Revolvermann stürmte mit langen Schritten die Schräge hinauf. Eine Gestalt schnellte hinter einem Geröllhaufen hervor. Mit einem Schnappschuß erwischte Sid den Apachen an der Schulter. Der Krieger ließ das Messer fallen. Haßerfüllt funkelte er den Weißen an. Granger beobachtete, daß Sid weiterlief. Der Apache bückte sich, nahm den Dolch in die Linke und wollte werfen, aber da drückte Jubal ab und schickte den Krieger zum Großen Manitu. Die Bürger trieben ihre Pferde an. Keiner wollte etwas versäumen, immerhin ging es darum, vier Apachen auszuschalten. Mengen heißen Bleis flogen durch die Luft. Jubals erfahrene Kumpane leisteten den Hauptteil der Arbeit. Als drei Mimbrenjos tot auf dem Dach der Höhlen lagen, hob
Granger die rechte Hand. Sofort stellten seine Leute das Feuer ein. »Den vierten haben wir noch nicht, Boß!« rief einer der Mexikaner von oben herab. »Fangt ihn ein, ich will den Kerl lebend!« befahl Jubal. »Wir knüpfen ihn auf. Er soll spüren, daß er anständige weiße Männer nicht einfach bestehlen kann. Er lernt unser Gesetz kennen.« Die drei Mexikaner aus Jubals Truppe trieben den Krieger aus seinem Versteck. Er hatte sich zwischen Geröllbrocken verborgen, die aus der Festungsmauer herausgebrochen waren. Blut rann aus einigen Wunden, und der linke Arm des Apachen hing leblos herab. Die dunklen Augen wirkten stumpf. Der Krieger hatte mit seinem Leben abgeschlossen. Gnade erwartete er von den Bleichgesichtern nicht. Er bedauerte nur, daß sein Stamm nicht in den Besitz der Gewehre gelangen konnte. Granger löste das Wurfseil und knüpfte eine Schlinge. Sid kletterte zwischen die Felsbrocken und schlang die Riata um einen Stein, der fest verkeilt saß. Sekunden später packten die Mexikaner den Krieger, schleiften ihn zur Schlinge und streiften sie über seinen Kopf. Mit stoischer Miene ließ der Mimbrenjo alles über sich ergeben. Er wußte, daß sein Leben vorbei war. Manitu wartete auf ihn. Die Mexikaner stießen den Indianer über die Kante. Das Seil straffte sich. Triumphgeschrei brach aus. Weiß Gott, die Bürger von Huachuca konnten wirklich stolz sein auf ihre »Heldentat«. In ihrem Haß aber hatten sie alle Skrupel hinweggewischt. Jubal Granger hatte scharfe Ohren. Er lauschte, ging zu seinem Muli und saß auf. Ein Schenkeldruck genügte, um den Maulesel angehen zu lassen. Sekunden später verhielt der Weißhaarige auf einer Anhöhe.
Granger stieß einen lästerlichen Fluch aus, als er die blauen Uniformen der Reiter sah. Die Kavallerie hatte ihm gerade noch gefehlt. Jubal riß am Zügel, hetzte das Tier zurück zu den anderen und rief: »He, Leute, die Army kommt mit 'ner halben Schwadron! Möchte wissen, was die hier suchen. Laßt euch nur nicht einschüchtern. Ich rede. Verstanden?« Sie nickten. Ihre Gesichter zeigten noch Spuren der Erregung. Sie fühlten sich stark, unbesiegbar. Das hatten sie ja gerade bewiesen. Und die verdammte Patrouille konnte ihnen den Buckel runterrutschen. * Colonel Walmanns Tagesziel war Fort Huachuca. Von dort aus wollte er mit den Soldaten entlang der Grenze reiten und in weitem Bogen wieder nach Norden schwenken. Als der Oberst die Schüsse hörte, richtete er sich steil im Sattel auf. »Galopp, Sergeant!« befahl der Colonel. O'Bannion wiederholte den Befehl laut und vergewisserte sich, daß die Dragoner in ordentlicher Doppelreihe ritten. Seufzend musterte der Ire die beiden Texaner. Natürlich, diese verdammten Kerle konnten sich wieder nicht an den Befehl halten. Sie ließen ihre Gäule weiterhin im Trab dahinzockeln, als hätten sie alle Zeit der Welt. O'Bannion zerrte am Zügel. Sein Pferd drehte auf der Hinterhand und jagte los, als es die Absätze in den Flanken spürte. Der Sergeant erreichte die Texaner und wollte sie zur Minna machen. Aber als er nur noch eine halbe Länge entfernt war, glaubte er seinen Augen nicht trauen zu können. Die disziplinlosen Kerle aus dem Lone Star-Staat schliefen in den Sätteln! O'Bannion kochte innerlich. Er hatte schon davon gehört, daß
die Cowboys des Südens diese seltsame Kunst beherrschten. Aber, zum Teufel, Stafford und Miller waren bei der Kavallerie und nicht auf der Lohnliste eines Ranchers! Der irische Sergeant überlegte ein paar Sekunden. Als er grinste, daß die Sommersprossen auf seiner Nase zu tanzen schienen, hatte er die Lösung. Vorsichtig lenkte er sein Pferd neben das von Stafford und beobachtete den Schlafenden. Zacks Kopf war nach vorn gesunken. Das Kinn lag auf der Brust, und das Käppi beschattete Stirn und Augenpartie. Mit beiden Händen, durch die der Zügel lief, stützte sich der Soldat auf dem Sattelhorn ab. O'Bannion hatte vor Monaten eine große Klapperschlange erlegt. Die trockenen Hornrasseln vom Schwanzende hatte er als Trophäe mitgenommen. Nun zog er vorsichtig diese Rassel aus der Tasche. Dicht neben Zack Staffords Ohr ließ der Sergeant das scharfe Geräusch ertönen, das eine angreifende Klapperschlange mit Hilfe ihrer Schwanzspitze erzeugte. Der Erfolg war überwältigend! Zack brüllte lauthals, sprang mit einem Satz aus dem Sattel, prallte hart auf den Boden, drehte sich um sich selbst und kam mit gezogenem Revolver wieder auf die Beine. Aus schlaftrunkenen Augen stierte der Dragoner um sich. Drohend kreiste die Coltmündung, aber Zack fand kein Ziel. Schließlich sah er O'Bannions breites Grinsen. Brad Miller war durch Zacks Geschrei wach geworden. Er ruckte herum. Als Brad sah, daß keine Gefahr bestand, setzte er sich locker in den Sattel. »Mann, hast du 'ne merkwürdige Auffassung von Spaß«, stieß Zack hervor. »Um ein Haar hätte ich dich abgeknallt, weil ich dich für 'ne Klapperschlange hielt, Sergeant.« O'Bannions Grinsen erlosch schlagartig. »Reiter Stafford«, sagte der Unteroffizier, »vor zehn Minuten habe ich Galopp befohlen. Sei froh, daß ich dich weckte. Wenn der Colonel euch schlafend erwischt hätte, kämt ihr in den
nächsten zehn Tagen aus der Arrestzelle nicht mehr raus.« »Wieso schlafen?« fragte Zack empört. »Ich habe darüber nachgedacht, warum der Colonel Galopp befahl. Wally hat ja manchmal so merkwürdige Einfälle. Und ich konnte mich nicht entschließen, diesen Unsinn mitzumachen. Schließlich ist mein Gaul müde.« Der Sergeant grinste breit. »Du hast doch gepennt, Mr. Texas. Wir alle haben die Schüsse gehört. Darum befahl der Colonel Galopp. Und nenne ihn nicht wieder Wally, sonst sperre ich dich in Fort Buchanan in den Käfig.« Brad mischte sich ein und sagte. »Dann beschwere ich mich bei Howie. Entweder kommen Zack und ich gemeinsam in den Bau oder keiner von uns. Das solltest du wissen, Sergeant.« O'Bannion verdrehte die Augen, blickte zum Himmel und stöhnte. »Der Mann heißt General Howard und nicht Howie!« rügte er nachdrücklich. »Warum regst du dich so auf?« fragte Zack verwundert. »Okay, ich habe ein bißchen gepennt. Was ist schon dabei? Ihr seid achtundfünfzig Mann. Wie kannst du denn auf uns beide angewiesen sein, he? Was ihr nicht schafft, reißen wir beide auch nicht mehr raus.« Der Ire zählte langsam bis zehn und verstaute die Rassel. »Wenn ihr so weit zurückbleibt und dabei noch pennt«, sagte er, »schnappen euch eines Tages die Apachen. Ich wette, ihr werdet nicht mal wach, wenn sie euch skalpieren.« »Hoffentlich«, bemerkte Brad grinsend. »Ich habe mir sagen lassen, daß es eine mächtig unangenehme Prozedur ist.« Kopfschüttelnd hieb der Ire seinem Pferd die Absätze in die Seiten. »Los, Galopp, wir müssen die anderen einholen!« rief der Sergeant. »In der Nähe von Huachuca wurde geschossen. Wer weiß, was passiert ist.« Brad und Zack gaben ihren Pferden die Zügel frei. In
gestrecktem Galopp jagten sie hinter O'Bannions Pferd her. Als sie Anschluß an die halbe Schwadron gefunden hatten, sagte Zack: »Geschossen – soso. Vielleicht hat jemand Geburtstag, was?« Die Vordermänner der Texaner wandten sich in den Sätteln um und antworteten: »Hörte sich eher wie ein Gefecht an, Freunde. Was ist los mit euch? Habt ihr nichts gehört?« Die Texaner schwiegen. Sie hatten noch mit ihrem Innenleben zu kämpfen. Denn in weiser Voraussicht hielten sie immer eine Wasserflasche voll Whisky bereit. Sobald der Befehl zum Aufbruch in Fort Buchanan kam, nahm einer von ihnen diese Canteen und der andere normales Wasser mit. Aber diesmal, am Abend zuvor im Camp, war der große Durst über die total disziplinlosen Burschen gekommen. Nun war die Whiskycanteen leer, aber die beiden hatten mächtige Brummschädel. Colonel Walmann erreichte die alten Befestigungen und trieb sein Pferd über den noch erkennbaren Weg in das Innere des ehemaligen Forts. Hart zügelte der Oberst sein Pferd, als er sich einer Gruppe von mehr als dreißig Reitern gegenübersah. Der Offizier musterte die Männer, die Umgebung und sah schließlich die toten Apachen und den Gehängten. Walmann mußte sich gewaltsam beherrschen. Mehr als dreißig Weiße gegen vier Indianer. In dieser Überzahl wurden die Weißen richtig mutig. Wie es aussah, waren die Apachen in krankhaftem Haß umgebracht worden. »Ich bin Colonel Walmann aus Fort Buchanan«, erklärte der Offizier. »Ich möchte wissen, was hier geschah.« Ein paar der Zivilisten lachten. Einer rief: »Warum sind Sie nicht 'ne Stunde früher gekommen, Mister? Dann hätten wir Ihnen den Job überlassen. Aber die Kavallerie im Südwesten scheint aus Sonntagsschülern zu bestehen, wenn es gegen die verdammten
Rothäute geht. Ihr drückt euch immer irgendwo rum, wo ihr weit vom Schuß seid.« Walmanns Gesicht lief dunkelrot an. Er war Berufssoldat und ein guter Truppenführer. Diese Beleidigung eines Zivilisten traf ihn hart. »Wenn ihr alle eure Steuern zahlen würdet«, entgegnete der Oberst zornig, »hätten wir auch Geld genug, mehr Soldaten zu besolden. General Howard bekommt keine Verstärkung. So sieht das aus. Und jetzt will ich wissen, was hier los war.« »Sehen Sie das nicht?« fragte Jubal Granger. »Wir haben vier Rothäute zur Hölle geschickt.« Der Weißhaarige trieb sein Pferd etwas vor. »Warum?« »Weil sich die Kerle an meinen Waren vergriffen haben«, antwortete Granger. »Ich habe sie gesehen, als sie auf der Lauer lagen. Diese Männer hinter mir sind alles ordentliche Bürger in Huachuca. Aber sie mögen es nicht, wenn was gestohlen wird. Komisch, eh?« »Und darum mußten Sie diese Männer so zurichten und einen noch hängen?« fragte der Colonel. Staunend blickte Granger den Offizier an. »Männer? Welche Männer? Ich sehe nur vier rote Dreckskerle, Mr. Offizier. Wir haben oft genug unter den verdammten Apachen zu leiden gehabt. Es ist gut, daß die Hundesöhne tot sind. Ich wünschte, es wären vierzig oder vierhundert oder noch mehr. Dann kehrte endlich Ruhe in dieses Land ein. Und niemand brauchte mehr in der Nacht um seinen Skalp zu zittern.« Walmann schüttelte den Kopf. Voller Grimm dachte er daran, daß die Weißen zum großen Teil selbst die Schuld an den Grausamkeiten der Apachen trugen. Cochise hatte Frieden versprochen. Aber sobald Weiße ein Stück Indianerhaut sahen, drehten sie durch. »Ein ganz schöner Spinner, was, Partner?« tönte Brad Miller und lenkte sein Pferd weiter zur Seite und nach vorn.
Zack Stafford folgte seinem Freund und antwortete: »Das ist noch ziemlich milde ausgedrückt, Brad. Ich bin gespannt, wann Victorio dieses Drecksnest dem Erdboden gleichmacht. Ob die Kerle dann auch noch so die Klappe aufreißen?« Walmann betrachtete die beiden Texaner. Der Colonel fühlte deutlich den Zorn der Männer und ließ sie gewähren. – »Ihr fehlt uns gerade noch«, sagte Granger. »Zwei Großschnauzen aus Texas und einen Haufen Irrer in blauer Uniform, das haben wir uns schon lange gewünscht. Seid ihr alle übergeschnappt. Die Rothäute rauben und morden, wie es ihnen gerade paßt. Und wenn wir mal ein paar dieser Hurensöhne schnappen und zur Hölle befördern, jammert ihr wie alte Weiber. Auf wessen Seite steht ihr eigentlich?« Zack und Brad sahen sich an. Dann wanderten ihre Blicke zum Colonel. »Sir, wir bitten um eine Stunde Urlaub«, sagte Zack. »Ja, als Zivilisten können wir diesem hirnverbrannten Graukopf vielleicht etwas Verstand in seinen Schädel hämmern«, pflichtete Brad bei. »Abgelehnt«, sagte Walmann lächelnd, »obwohl ich die Idee für gar nicht so schlecht halte.« »Sie sind wahrhaftig übergeschnappt«, entfuhr es Jubal Granger. »Wir dürfen uns nicht wehren, wenn die Apachen kommen. Am besten erschießen wir uns selbst, sobald wir 'ne Rothaut sehen.« Dem Offizier fiel es immer schwerer, sich zu beherrschen. »Menschen wie Sie sind es, die immer wieder dafür sorgen, daß der Kleinkrieg weitergeht«, entgegnete er scharf. »Es hätte genügt, wenn Sie die Krieger verprügelt und davongejagt hätten. Aber nein, Sie mußten sich wohl als Held und großer Kämpfer aufspielen. Glauben Sie denn, die Apachen nähmen den Tod dieser vier Krieger einfach hin?« »Jetzt ist ja die Army hier, um uns zu schützen«, antwortete Granger spitz.
»Wir sollten ihn mal fragen, was er denn hier für Waren lagert«, ließ sich Zack Stafford vernehmen. »Vielleicht hatten die Apachen einen Grund, herzukommen.« Granger wurde um einiges blasser. Das Gespräch nahm eine Wendung, die gefährlich wurde. »Hier ist Platz, es ist trocken und nicht weit von der Town entfernt«, sagte Jubal. »Außerdem kann ich meinen Kram lagern, wo ich will. Das geht die Armee überhaupt nichts an.« Walmann winkte ab. Er ahnte, daß dieser Alte Dreck am Stecken hatte. Doch der Colonel besaß nicht das Recht, die Überreste des alten Forts zu durchsuchen. »Im Norden haben entschlossene Männer Apachen erledigt, die 'nem Farmer die Milchkuh stahlen«, rief Sid. »Das ist der einzig richtige Weg: sobald du 'ne Rothaut siehst, mußt du ihr 'ne Kugel geben. Wenn alle so handelten, gäbe es bald keinen Krieg und keine Überfälle mehr.« »Und keine Apachen«, warf Walmann grimmig ein. »Ja und? Wem liegt denn an den roten Teufeln?« fragte Sid verächtlich. »Euer General Sherman hat doch selbst gesagt, daß nur ein toter Indianer ein guter Indianer ist.« Walmann merkte, daß es sinnlos war. Diese Männer fühlten sich im Recht und als Verteidiger des Gesetzes. »Wir lagern hier«, entschied der Colonel. »Sergeant, im Morgengrauen reiten wir weiter.« Jubal Granger zupfte am Zügel und ritt davon, gefolgt von denen, die für ihn arbeiteten, und den Bürgern. * General Howards Versuche scheiterten fast alle. So sehr sich der einarmige Bürgerkriegsheld auch bemühte, Frieden zu schaffen und zu erhalten, die neuen Einwanderer arbeiteten gegen diese Absicht. Aus dem stark unterbesetzten Fort Buchanan ritten täglich
Patrouillen aus. Die Strecken der Soldaten wechselten ständig. Howard versuchte, seine Männer überall erscheinen zu lassen. Aber meistens kamen sie zu spät. Immer wieder stießen die Dragoner auf niedergebrannte Farmen, ausgeplünderte und skalpierte Goldsucher und tote Apachen aller Stämme. Der General startete eine Kampagne, in deren Verlauf den Zuwanderern klargemacht werden sollte, daß die Indianer genau wie die Weißen Frieden wollten, daß jede Auseinandersetzung das Friedensversprechen Cochises unterhöhlte. Es war vergeblich. Nach den ersten beiden Versammlungen erschien niemand mehr am Troßwagen der Kavallerie, der östlich von Tombstone stand. Colonel Walmann wurde verbittert und fragte sich, aus welchen Gründen nur zuerst der Abschaum der Menschen in ein neues Land strömten, warum sich die Männer wie Bestien gegenüber den Apachen benahmen. Die meisten Zuwanderer töteten einen Indianer, sobald sie ihn entdeckten. Als ob es gegolten hätte, eine Brut zu vernichten. Es gärte im Südwesten, auf beiden Seiten. Die Stämme in der San Carlos Reservation lebten einigermaßen in Sicherheit. Aber immer wieder versuchten Siedler, in die fruchtbaren Täler des San Carlos vorzustoßen. Denn wo es Wasser gab, wuchsen auch Mais und Weizen. General Howard machte sich Feinde unter den Weißen, als er diese Siedler durch seine Soldaten vertreiben ließ. Howard hatte keine andere Wahl. Er mußte den Apachen beweisen, daß er sein Wort hielt. Aber was nutzte dies schon? Statt eines ständigen Krieges kam es täglich zu Kämpfen, die genauso erbittert geführt wurden wie eine militärische Auseinandersetzung, Thomas Jeffords und John Haggerty versuchten alles, was in ihrer Macht lag. Sie trafen oft mit Cochise oder seinem Sohn Naiche zusammen und beschworen die beiden, nicht nachzugeben,
keinen neuen Krieg anzufangen. Sie verstanden, daß es dem Jefe schwerfiel, sein Wort zu halten. Denn die neuen Einwanderer, angelockt vom Gold, brachten erbarmungslos alle Apachen um, die ihnen über den Weg liefen. Der U. S. Postinspektor in Tombstone vertraute auf Jeffords' Geschick im Umgang mit den Indianern. Ron »Fatty« Ballard war zugleich der Postmeister der Butterfield Overland Mail für Arizona, also Thomas Jeffords' direkter Vorgesetzter. Der kleine, fette Ballard wollte sich verändern, aus der Butterfield-Gesellschaft ausscheiden. Und da er ein bekannter Mann war, hielt er es für seine Pflicht, aus diesen Anlaß ein Fest zu geben. Noch war es zwar nicht soweit, daß er den Dienst der Butterfield quittierte, aber nun erreichte er all seine Freunde und Bekannten. Und es lag ihm daran, alle als seine Gäste zu begrüßen. Schnaufend wies Fatty seinen Buchhalter Richard Tichy an, Einladungen zu schreiben und zu verschicken. Der dürre Schreiber machte sich an die Arbeit. Als praktisch und sparsam veranlagter Mensch gab er die Einladungen den Kutschern mit, statt sie offiziell mit der Post befördern zu lassen. Zufällig befand sich Jeffords in Fort Buchanan, als die Nachrichten bei General Howard eintrafen. Der Postmeister saß mit Haggerty in der Offizierskantine. Da sie beide Cochises Freunde waren, suchten sie wieder einmal nach einem Ausweg aus der derzeitigen Situation, die unweigerlich zu einem offenen Krieg führen mußte wenn es so weiterging. »Wir können nichts tun«, sagte der Scout verärgert, »gar nichts, solange wir nicht die verdammten Zuwanderer unter Kontrolle bringen.« »Stellt doch neben jeden neuen Mann, der nach Arizona kommt, einen Doppelposten auf«, empfahl Jeffords sarkastisch. »Wenn wir so viele Reiter hätten, löste sich das Problem von
selbst. Soweit ich den Zahlen traue, sind jetzt zehnmal soviele Weiße wie Indianer im Südwesten. Es ist das Gold, das sie alle anlockt. Dieses verfluchte gelbe Zeugs.« Eine Ordonnanz stieß die Tür auf und rief: »Lieutenant Haggerty und Mr. Jeffords zu General Howard bitte! Befehl vom General!« Der Scout erhob sich und verzog mißmutig das Gesicht. »Er hat sich wieder was ausgedacht. Und ich muß es ihm ausreden. Kommen Sie, Jeffords, helfen Sie mir dabei.« Gemeinsam überquerten die Männer den großen Innenhof Fort Buchanans und ließen sich von dem Posten vor der Kommandantur anmelden. »Also, wie sieht's aus?« fragte der General, nachdem er seinen Chiefscout und Thomas Jeffords begrüßt hatte. »Es gibt nur drei Möglichkeiten«, antwortete Haggerty stirnrunzelnd. »Entweder verbieten wir Einwanderungen, oder wir erhalten genügend Verstärkung, oder wir schicken die Apachen zur Hölle, Sir.« »Es sei denn, wir bringen die Zuwanderer zur Vernunft«, bemerkte Jeffords. Howard winkte ab. Auch seine Miene hatte sich verdüstert. Er wußte, daß dies die einzigen Möglichkeiten für einen dauerhaften Frieden waren. Aber solange Schmuggler, Gesetzlose und haßerfüllte Siedler und Digger in das Land strömten und Unfrieden stifteten, blieb die Situation heiß. »Mr. Ron Ballard gibt sich die Ehre«, sagte der General, »die führenden Offiziere des Forts – Mr. Haggerty und Mr. Jeffords – zu einem Fest einzuladen. Sie wissen ja, daß ›Fatty‹ bald aus dem Dienst der Butterfield ausscheidet. Er will wohl die Gelegenheit wahrnehmen, um sich glanzvoll zu verabschieden.« »Abwechslung tut uns allen gut«, sagte Haggerty und beäugte den General mißtrauisch. »Das scheint nicht alles zu sein, Sir. Sie haben doch noch etwas auf Lager.«
Lächelnd erwiderte Howard: »Sie haben recht, Lieutenant. Ich habe mir gedacht, daß die Gelegenheit günstig ist. Mr. Jeffords, bitten Sie in meinem Namen den Postmeister darum, auch die Jefes der Apachenstämme einzuladen. Wir haben eine große Chance, unsere Beziehungen zu verbessern. Die Häuptlinge sollen uns mal von einer anderen Seite kennenlernen. Bisher sprachen wir immer nur während schwieriger Verhandlungen mit ihnen. Jetzt können wir ihnen zeigen, daß wir Weißen keine Ungeheuer sind.« Haggerty blickte Jeffords besorgt an. Der Posthalter der Apachen-Paß-Station schüttelte energisch den Kopf. »General«, sagte er, »ich rate dringend davon ab. Zwischen Victorio und Cochise herrscht große Rivalität: Der Mimbrenjo will der größte, bekannteste Anführer der Apachen werden. Immerhin war auch Mangas Coloradas von Victorios Stamm.« Howard wischte Jeffords' Einwand mit den Worten hinweg: »Mister, wir wollen die beiden nicht verbrüdern. Das sollen sie unter sich ausmachen.« »Sir«, sagte John Haggerty, »auch ich rate ab. Sie wissen doch, wie weiße Männer reagieren, wenn sie getrunken haben. Sie fühlen sich stark und mutig und verlieren leicht die Beherrschung. In diesem Moment werden sie die Indianer verächtlich ansprechen und mit ihrer Überlegenheit prahlen. Der Schaden ist größer als der Nutzen, General.« Aber der hohe Offizier war von seiner Idee nicht abzubringen. Er sah die einmalige Chance, Weiße und Apachen an einen Tisch zu bringen und versprach sich viel davon. Resignierend gab Haggerty schließlich nach. »Okay, Sir«, sagte er, »ich schicke Boten zu den Stämmen. Doch ich glaube gar nicht, daß die Jefes kommen.« »Und ich regele die Sache mit Ballard«, versprach Jeffords. Sie verließen die Kommandantur. Verdrossen ging Haggerty zu den Scouts und gab seine Befehle. Fünf Apachen-
Fährtensucher machten sich mit schnellen Ponys auf den Weg. Sie hatten nur die Botschaften auszurichten. Die Zusagen der Häuptlinge Cochise, Victorio, Nana, Chato und Loco sollten durch deren Boten erfolgen. »Es geht nicht gut, selbst wenn die Jefes kommen«, sagte Haggerty zu Jeffords. »Beten Sie, Thomas, daß die Chiefs ablehnen.« Thomas holte sein Pferd und saß auf. »Ich reite zur Station zurück«, sagte er. »Ballard schreibe ich, was der General vorhat. Sicher ist ›Fatty‹ einverstanden. Hoffentlich sehen Sie nicht zu schwarz, Haggerty.« Jeffords verließ Fort Buchanan und ritt zum Paß hinauf. Zunächst schrieb der Postmeister den Brief an Ballard. Als er das Schreiben am Nachmittag dem Kutscher mitgab, atmete er auf. Schon einen Tag später erhielt Thomas die Antwort seines Vorgesetzten. Ballard teilte Haggertys und Jeffords Befürchtungen, war aber einverstanden. Eine Woche verging. Die Kutschen der Butterfield Line durchquerten unangefochten das Land. Die anderen Stämme respektierten Cochises Wunsch, die schwerfälligen Fahrzeuge nicht zu überfallen. An einem Nachmittag, die Kutsche war schon seit einer Stunde unterwegs, saß Burt Kelly auf der obersten Corralstange und drehte sich eine Zigarette. Am Absatz riß der Posthelfer das Schwefelholz an und setzte den Tabak in Brand. Kellys Kopf ruckte hoch. Drei Indianer standen kaum ein Dutzend Schritte von ihm entfernt. Die Apachen trugen außer den Ulmenholzbogen moderne Gewehre. Burt erkannte Naiche, den Sohn Cochises, und seufzte erleichtert. »Ich hole den Boß«, sagte er und rutschte von der Stange. Krampfhaft darum bemüht, nicht zu rennen, ging Burt mit gemischten Gefühlen auf das Stationsgebäude zu.
»He, Thomas. Besuch für dich!« rief der Helfer in den Raum, nachdem er die Tür geöffnet hatte. Jeffords trat ins Freie, erkannte Naiche und eilte auf ihn zu. Nach Art der Weißen begrüßte der Krieger den Freund des Häuptlings. »Hellauge«, erklärte Naiche, »mein Vater und ich nehmen die Einladung zur Fiesta an. Wir wollen zeigen, daß wir die Art des weißen Mannes respektieren. Haben die anderen Jefes schon zugesagt?« Thomas dankte Naiche und antwortete: »Keiner der anderen Häuptlinge schickte bisher seinen Boten.« »Sie werden nicht erscheinen«, sagte der Krieger überzeugt. »Sie sind unversöhnliche Feinde eurer Rasse. Mein Vater hingegen steht zu seinem Wort. Wir kommen in die Stadt, die ihr Tombstone nennt.« »Vielleicht ist es besser, wenn wir uns hier oder im Fort der Pferdesoldaten treffen«, gab Jeffords zu bedenken. »Sicher, es ist bekannt, daß ihr Gäste seid, aber vielleicht weiß dies der eine oder andere in Tombstone nicht und greift die Apachen an.« Naiche war einverstanden. Die Chiricahuas wollten zum Fort und gemeinsam mit den Pferdesoldaten zur Fiesta reiten. Jeffords beobachtete, wie die Apachen zwischen den Felsen verschwanden und fragte sich wieder einmal, wie diese Menschen es nur geschafft hatten, sich so vollkommen ihrer Umgebung, der kargen, harten Natur des Südwestens anzupassen. * Ein paar Tage später war es soweit. Auf der Plaza der Silvertown schleppten Männer lange Tische heran. Wie durch Zauberei entstand unter den Bäumen ein Festplatz unter freiem Himmel.
Es war heiß, denn der Juni ist der heißeste Monat in Südarizona. Trotz dieser Hitze lachten und scherzten die Menschen, die das Fest vorbereiteten. Weiße Decken lagen auf den Tischen. Mexikanische Jungen und Mädchen trugen Berge von Speisen herbei. Zwischen den Schalen mit den unterschiedlichsten Gerichten standen Weinflaschen, Gläser und Behälter mit Zigarren. Am Nordende des Platzes entfachten zwei Männer ein Feuer und bauten einen Spieß auf. Ein Kalb sollte dort gebraten werden, um den Gästen am Abend erneut eine Stärkung zu bieten. Die ersten Gaukler hasteten zwischen den Holzhäusern und Adobegebäuden hin und her. Musikanten nahmen Aufstellung. Zwei mexikanische Kapellen sorgten für fröhliche Stimmung. Ron Ballard verließ die Posthalterei. Der dicke ButterfieldMann hatte sich in eine enge, spanische Kleidung gezwängt und sah aus wie ein Frosch im Frack. Der enge Hemdkragen mit der weißen Schleife schnürte Ballards Hals derart ein, daß sein Gesicht puterrot war. Die Jacke ließ kaum Armbewegungen zu, und die seitlich an den Beinen geknöpfte Hose saß so stramm, daß eine unvorsichtige Bewegung eine Katastrophe bedeuten konnte. Die ersten Gäste trafen ein, fast alle in spanischer Tracht. Die Männer mit offenen Bolero-Jacken, die reich verziert und bestickt waren, um die Hüften hatten sie die traditionellen Schärpen geschlungen, und auf den Köpfen trugen sie wagenradgroße Sombreros. Die Damen trugen Spitzenkleider und kunstvolle Mantillas. Die einzelnen Kapellen spielten unterschiedliche Melodien, und der Lärm war unbeschreiblich. Der sanfte Klang der Gitarren ging im Getöse der Trompeten und Tubas völlig unter. Die Leute lachten, unterhielten sich lauthals und gestikulierten. »Fatty« nahm als Gastgeber an der Stirnseite eines Tisches
unter einem mächtigen Hickorybaum Platz. Die weite Krone spendete Schatten und Kühlung. Ballard beobachtete die Gäste, die sich prächtig zu amüsieren schienen. Keiner der Männer trug Waffen. Das hatte der Postmeister zur Bedingung gemacht. Ich sehe zumindest keine Waffen, dachte der Dicke. Ob die Burschen wirklich »nackt« gekommen sind, stellt sich dann heraus, wenn sie genügend Wein und Whisky geschluckt haben und zu stänkern anfangen. Eine schöne Mexikanerin tänzelte heran und fragte: »Senor Ballard, werden die furchtbaren Wilden kommen? Ich hörte, daß Sie auch die Jefes der Apachen einluden.« Ron beherrschte sich und schluckte eine scharfe Antwort herunter. »Senora«, sagte er, »sprechen Sie bitte nicht von Wilden. Sagen Sie einfach Apachen. Wir müssen hier mit ihnen leben und das Beste daraus machen. Aber nun zu Ihrer Frage. Ich weiß, daß Cochise mit seinem Sohn erscheinen wird. Sie nahmen meine Einladung an. Die anderen Häuptlinge ließen nichts von sich hören.« Zufrieden rauschte die Mexikanerin davon. Ballard beobachtete, wie sie die Nachricht unters Volk brachte. Aber der Postmeister stellte auch fest, daß sich die Gesichter einiger Gäste verfinsterten. Der Dicke war gewarnt. Er wußte, daß sie aufpassen mußten. Aber General Oliver O. Howard brachte sicherlich ein oder zwei Züge Soldaten als Begleiter mit, die notfalls für Ordnung sorgen konnten. Es dauerte nicht lange, bis der einarmige Kommandeur aller Südwest-Truppen eintraf. Ron Ballard stemmte sich ächzend auf und ging den neuen Gästen entgegen. Er schoß einen unwilligen Blick auf Haggerty und Jeffords ab, die ungeniert grinsten, als sie sahen, mit welcher Vorsicht »Fatty« sich bewegte. »Sir, ich freue mich, Sie hier begrüßen zu dürfen«,
trompetete Ballard und streckte Howard die Rechte entgegen. In Begleitung des Generals waren die Colonels White und Walmann. Cochise und Naiche standen an Howards linker Seite. Dicht dabei acht ausgesucht kräftige Krieger. Der berühmte Häuptling und sein Sohn überragten fast alle anderen Gäste. Sie sahen großartig aus in den weißen Rehleder-Leggins und den Wildlederhemden. Die vielen Menschen auf dem Platz spürten, daß der hochgewachsene Cochise etwas Besonderes ausstrahlte. Er war ein Mann, dem andere Respekt zollten. Als Weißer hätte er es sicherlich weit gebracht. Aber die Natur hatte ihn als Apache zur Welt kommen lassen, und damit war sein Schicksal vorgezeichnet. »Nehmt Platz, Freunde«, rief Ron Ballard und watschelte zum Tisch unter der Baumkrone. »Laßt es euch schmecken. Es ist für alles gesorgt: für Unterhaltung, Essen, Trinken und Musik.« Cochise setzte sich. So neugierig er auch war, er beherrschte sich. Auch sein Sohn und die acht Krieger blickten sich nur verstohlen um, zeigten keine Verwunderung und keine Neugierde über das Gebaren der Weißen. Ein Geologe, zwei Minenbosse und der Besitzer des General Stores nahmen ebenfalls an Ballards Tisch Platz. Der Dicke hatte dafür gesorgt, nur solche Gäste in Cochises Nähe zu haben, die das Spanische beherrschten. Es dauerte nicht lange, bis Weiße und Apachen ihre Scheu überwanden und miteinander redeten. General Howard war zufrieden. Er blickte zu seinem Chiefscout und zu Jeffords hinüber. Die beiden schienen immer noch besorgt zu sein. Aber der General war davon überzeugt, daß dieses Fest ein voller Erfolg für die Verständigung zwischen den verschiedenen Rassen wurde. »Aber, Jefe«, sagte der Geologe gerade verwundert, »ich verstehe nicht, daß Sie dem Gold so wenig Bedeutung zumessen.«
Cochise entgegnete lächelnd: »Und wir begreifen nicht, warum die meisten Weißen das gelbe Metall so lieben. Meine Freunde Hellauge und Falke sind Ausnahmen. Sie werden nicht verrückt, wenn sie Gold sehen. Was macht dieses Metall so wertvoll? Es taugt nichts, es ist weich, läßt sich kaum schmieden und schmilzt in unseren Feuern nicht.« Haggerty beobachtete den Geologen genau. Der Mann krauste seine Stirn. Aber er schien zu überlegen, ob er dem Chief die Wahrheit sagen sollte. Hoffentlich lügt er nicht, dachte Haggerty inbrünstig, denn Cochise weiß verdammt genau, warum die Leute hinter Gold her sind wie der Teufel hinter einer armen Seele. »Nun, Jefe, es ist so«, begann der Geologe umständlich, »Gold ist sehr selten, das macht es wertvoll. Dann läßt es sich bei großer Hitze doch schmieden. Es bleibt immer so, wie es ist, es kann nicht rosten oder zerfallen. Das macht es wertvoll. Wir brauchen es für viele Zwecke. Unsere Ärzte fertigen künstliche Zähne aus Gold, wir verzieren Dinge damit, die uns lieb sind, und wir tragen es als Schmuck.« Cochise lächelte zufrieden und sagte: »Du bist ein guter Mensch. Ich glaube dir.« Haggerty atmete auf. Er schaute zu Ballard, der unmerklich blinzelte. Also hatte der Dicke schon vorher die richtige Auswahl getroffen, was die Gäste an diesem Tisch anging. »Doch sage, weißer Mann«, fragte Cochise, »warum sollten sich die Apachen mit Gold schmücken? Es ist schwer. Wir brauchen unsere Kraft für die Waffen, die wir tragen. Für Felle und Decken und Nahrung. Ein Messer aus Gold schneidet dem Luchs nicht die Kehle durch, schneidet nicht den Kaktus, dessen Fleisch wir essen.« Da lächelte der kluge Mann. »Du hast sicher recht, Jefe. So, wie die Apachen leben, brauchen sie kein Gold. Auch wir Weißen brauchen es nicht unbedingt zum Leben. Wir lieben es, weil es selten und darum wertvoll ist. Das ist auch der Grund,
weshalb wir Münzen daraus prägen. Ich verstehe, was du sagen willst, Jefe. Aber glaubst du nicht auch, daß die Apachen etwas von den Weißen lernen können? Genauso gibt es Dinge, die wir von euch übernehmen müßten. Ich rede jetzt nicht vom Gold, aber es hängt damit zusammen. Ich glaube, daß sich eure Lebensweise in den nächsten Jahrzehnten verändern wird.« Cochise schien in weite Fernen zu blicken. Kaum hörbar sagte er in der Sprache der Apachen: »Wir töten hundert Bleichgesichter, und tausend treten an ihre Stelle.« Haggerty und Jeffords waren die einzigen, die Cochises Worte verstanden hatten. »Du magst recht haben«, stimmte der Häuptling dem Geologen zu, »aber ist es falsch, so wie wir zu leben?« Verwirrt schüttelte der Weiße den Kopf. Er wußte keine Antwort, denn sicherlich war die Lebensweise der Apachen nicht falsch. Sie waren Meister des Überlebens in den kargen Halbwüsten und Trockengebieten. John Haggerty mischte sich ins Gespräch: »Mein Freund«, sagte er, »ich habe die Erklärung.« Cochise nickte. »So sprich, Falke.« »Wenn zwei verschiedene Völker, die auf andere Art und Weise leben, die andere Götter verehren und unterschiedliche Tugenden haben, wenn diese Völker zusammentreffen, so nimmt ein jedes Volk Dinge vom anderen an. Die Lebensweisen sind nicht mehr die gleichen wie früher.« Cochise nickte, und der Geologe betrachtete den breitschultrigen Scout mit Erstaunen. Niemals hätte der Gelehrte vermutet, daß ein Mann der Wildnis so viel Bildung haben konnte. General Howard hörte zu, wie die Apachen und Weißen allmählich miteinander ins Gespräch kamen. Obwohl die Ansichten der beiden Rassen sehr unterschiedlich waren, schien es doch Möglichkeiten der Verständigung zu geben. Abermals beglückwünschte sich Howard zu der Idee, Cochise
eingeladen zu haben. Naiche stand auf und ging zu Haggerty, der einen Stuhl heranzog. »Ich habe Grüße zu bestellen«, flüsterte Cochises Sohn. »Tla-ina sagt, daß sie die selben Sterne sieht wie du. Es ist keine Dankbarkeit, Falke, es ist mehr, viel mehr. Und es macht mich traurig, denn niemand weiß, was wird.« Haggerty schluckte unwillkürlich. Er dachte an Cochises schöne Schwester, deren Name übersetzt »Sanfter Wind« lautete. Er hatte ihr das Leben gerettet. Doch das allein war es nicht. »Naiche, es ist schwer«, murmelte der Scout. »Soll ich Tla-ina von dir grüßen, Falke?« »Ja. Egal, wie sinnlos es ist«, erwiderte John, »grüße sie und sage ihr, daß ich ständig an sie denke.« Howard stellte eine Frage. Verwirrt blickte der Scout auf. Der General wiederholte die Frage, und ein neues Gespräch begann. Die Kapellen veranstalteten abwechselnd einen Höllenlärm. Als die Abenddämmerung hereinbrach, spielten die beiden Mexikaner mit den Gitarren eine merkwürdige Melodie. Einige Männer und Frauen sprangen auf, eilten auf die freie Tanzfläche und bewegten sich mit seltsamen, abgehackt wirkenden Schritten. Ein Geiger und zwei Trompeter gesellten sich zu den Gitarristen. Drei Männer und drei Frauen nahmen seitlich der Gruppe Aufstellung. Sie trugen einen klagend wirkenden Gesang vor. Zusammen mit der Musik und den Tänzern wurde die Vorführung des Fandangos ein großartiger Erfolg. Am Rande des Platzes drängten sich die Bürger von Tombstone. »Fatty« Ballard hatte sich nicht lumpen lassen. In den Saloons und Bars wurden Bier und Whisky auf seine Kosten ausgeschenkt. Vielleicht war nur so zu erklären, wieso es an
Aufmerksamkeit fehlte und ein gefährlicher Verbrecher diese Nacht zum Ausbruch aus Tombstones Jail nutzen konnte. * »He, alter Knochen, was ist denn in dem Nest los?« fragte Atkins, der auf dem Strohsack in der Zelle lag. Lesli Carter hob den Kopf. Der alte Gefangenenwärter musterte den Killer und konnte einen Angstschauer nicht unterdrücken. Dieser Atkins war ein besonders brutaler, skrupelloser Typ. »Hat dir jemand das Maul zugenäht?« erkundigte sich Atkins. »Ich will wissen, was in Tombstone vorgeht.« Carter gab sich einen Ruck, erhob sich, ging langsam auf das Gitter zu und nahm den Wassereimer auf. »Ich sollte dich ersäufen, du Bandit«, brummte der Wärter. »Und wenn du nicht anständig fragst, bekommst du keine Antwort von mir.« Atkins zügelte mühsam seinen Zorn. Dieser verdammte alte Bastard spielte sich mächtig auf. Wenn er nur den dürren Hals des Kerls zwischen die Hände bekommen hätte… »Okay, Mr. Lesli Carter«, fragte der Mörder, »kannst du mir sagen, was in Tombstone geschieht?« Der Alte lachte meckernd. »Du wirst ja schon 'ne ganze Nummer kleiner, was? Warte nur, bis sie dir den Strick um den Hals legen, dann fühlst du dich wie ein Zwerg, wette ich.« Atkins sprang geschmeidig von der Pritsche und stand nach einem weiten Satz dicht vor den eisernen Stäben. Carter prallte einen Schritt zurück und ließ den Henkel des Eimers los. Atkins trat zwischen den daumendicken Stäben hindurch und traf den Eimer. Er kippte um, und das Wasser ergoß sich über die zerrissenen Schuhe des alten Wärters. Carter fluchte.
»Zieh dir trockene Socken und richtige Schuhe an«, riet Atkins grinsend, »sonst holst du dir 'ne Lungenentzündung und verreckst dran. Bei alten Knochen wie dir ist das schnell passiert.« »Verdammte Ratte«, knurrte Carter und wandte sich um. Aus dem Schrank im Office nahm er ein paar Putzlappen und wischte das Wasser auf. Die nassen Fetzen warf er in den Eimer. »So, Killer«, sagte der Alte verächtlich, »das war dein Wasser für heute. Lutsch doch die Lumpen aus, wenn du Durst hast. Ich gehe jetzt und genehmige mir einen Schluck auf Ron Ballards Kosten. Der Postmeister gibt ein Fest und läßt auch in den Saloons Whisky und Bier umsonst ausschenken. Hoffentlich bekommst du 'nen trockenen Hals, wenn du daran denkst.« Atkins verzog wütend den Mund und zischelte: »Erstick an dem Zeug, du alter Narr!« Der Mörder stand am Gitter und sah zu, wie Lesli Jail und Office verließ. Lag hier seine Chance? Er wußte, daß der Alte gern einen zur Brust nahm. Und daß er nun einfach verschwand, war gegen den ausdrücklichen Befehl des Marshals. Ron Ballard – das ist doch der Oberbriefträger der Butterfield, dachte Claude Atkins. Wenn der ein Fest gibt, hocken doch bestimmt alle bei ihm, die mir gefährlich werden können. Atkins ging zur Pritsche und setzte sich. Er überlegte lange, bis er endlich einen Ausweg fand. Ein etwas böses Lächeln huschte über sein Gesicht, als er den Strohsack von der Pritsche zerrte. »Das ist es, was ich brauche«, flüsterte Atkins und starrte auf die breiten Gurtbänder zwischen dem Bretterrahmen. Er sprang mit beiden Beinen zugleich auf die Riemen. Immer wieder hüpfte der Mörder auf und nieder, bis sich schließlich
die Nägel aus dem ausgedörrten Holz des Gestells lösten. Lauschend verharrte Atkins. Der Lärm auf dem Platz draußen hatte das Krachen und Knirschen übertönt. Wenn sich der Schlüssel im Schloß der Bürotür drehte, mußte Claude das hören, denn das Schloß quietschte jämmerlich. Atkins machte sich an die Arbeit. Geschickt verknotete er die Gurtbänder miteinander und stellte eine Art Halfter her, das er an den Gitterstäben befestigte. Anschließend hing sich der Bandit mit seinem ganzen Gewicht an das Riemenwerk. Die Knoten zogen sich noch enger zusammen. Zufrieden betrachtete der Mörder sein Werk. Es sollte ihm den Weg in die Freiheit, die Möglichkeit zur Flucht eröffnen. Der Bandit rückte die Pritsche von der Wand. Das Kopfende schloß nun mit der Wand der Fensterlücke ab. Anschließend fingerte Atkins den Leibriemen aus den Hosenschlaufen, machte eine Schlinge und knotete das Leder um einen Gitterstab, der das Fenster verschloß. Wenn der alte Lesli Carter allein kam, mußte es gelingen. Atkins zog die Jacke und das Hemd aus, schnürte sich die verknoteten Gurtbänder um den Oberkörper und straffte die Riemen. Probehalber kletterte er auf die Pritsche, nahm den Gürtel und befestigte die Schlinge im Riemenwerk. Es mußte klappen. Fast eine Stunde wartete Atkins. Er saß auf der Kante der Pritsche. Schritte klangen auf dem Brettergehsteig vor dem Office auf. Die Musiker machten eine Pause. Überlaut drang das Stimmengewirr der Menschen ins Jail. Allmählich setzte die Dämmerung ein. Besorgt blickte Atkins zur Tür. Es war noch zu hell für einen Fluchtversuch. Wenn Lesli vorzeitig zurückkam, war alles in Frage gestellt. Aber die Schritte entfernten sich wieder. Atkins atmete auf. Als es völlig dunkel war, verspürte er Ungeduld. Jede Minute der Nacht bedeutete einen Vorsprung. Wo, zum Teufel, blieb der alte Trottel von Gefangenenwärter?
Der Mörder wanderte ruhelos in seiner Zelle auf und ab. Plötzlich blieb er stehen und lauschte. Schritte! Metall stieß gegen Metall, und ein halblauter Fluch ertönte. Mit einem katzenhaften Satz gelangte Atkins zur Pritsche, kletterte hinauf und schlang das Stück Gurtband um den Leibriemen. Vorsichtig verlagerte der Outlaw sein Gewicht, bis er mit den Beinen frei in der Luft hing. Atkins neigte den Kopf etwas zur Seite. Das Schloß quietschte. Die Tür flog auf, prallte gegen die Wand und schwang zurück. »Dachtest du, ich hätte dich vergessen?« fragte Carter mit leicht lallender Stimme. »Das passiert mir nicht, du Ratte. Ich passe auf dich auf, damit dir nichts zustößt, bevor sie dich hängen, Mistkerl..« Unsicher tastete der Alte im Dunkeln nach seinen Schwefelhölzern. Als er eins fand, riß er es mit dem Daumennagel an und ging auf den Schreibtisch des Marshals zu, auf dessen Platte die Kerosinlampe stand. Glas klirrte, und dann erhellte der Schein der Öllampe den Raum. Carter drehte den Docht höher und schloß die Tür, bevor er sich umdrehte. »Na, wo versteckst du dich?« fragte er und hob die Laterne hoch. Ihm stockte der Atem, als er die hängende Gestalt sah. »Allmächtiger!« stieß Lesli hervor und stürmte zur Zelle. Er fingerte den Schlüssel aus der Hosentasche und sperrte auf. »Wenn der Marshal erfährt, daß ich einen getrunken habe, feuert er mich«, stammelte der Alte. »Wie bringe ich ihm das nur bei?« Er stellte die Laterne auf den Zellenboden und ging zu dem reglos baumelnden Atkins: Als Carter nach den Beinen des vermeintlich Toten greifen
wollte, winkelte der Killer kurz die Beine an und trat mit den Füßen zu. Er traf den Alten genau am Kinn. Lesli taumelte zurück und fiel rücklings auf den harten Boden. In fieberhafter Eile löste der Verbrecher den Riemen und sprang herunter. Mit zwei Schritten war er bei dem Wärter und beugte sich über ihn. Carter blickte den Gefangenen mit verschwommenem Blick an. Er war für eine Sekunde aus seiner Bewußtlosigkeit aufgetaucht und wußte nicht, was geschah. Atkins handelte sofort. Als er seine Hände vom faltigen Hals des Alten löste, war der tot. Der Mörder streifte seine Kleidung ab und löste die Riemen, bevor er sich wieder vollständig anzog. Er vergaß auch den Hosengurt nicht. Lautlos glitt Atkins ins Office. In einem unverschlossenen Schrank fand er seinen Revolver samt Holster und Gurt. Und in der Mittelschublade des Schreibtisches lag der Schlüssel für den Gewehrhalter. Der Outlaw überprüfte seelenruhig die Waffen, versorgte sich mit ausreichend Munition und fand eine Wasserflasche, die er aus dem zweiten Eimer füllte, der in einer Ecke stand. Jetzt brauche ich nur noch einen guten Gaul und Proviant, dachte der Bandit. Vorsichtig glitt er auf die Tür zu und öffnete sie einen Spalt weit. Überall brannten Kerosinlampen. Auf dem Platz loderten zwei große Feuer, und in den Ästen der Bäume schaukelten bunte Papierlampions. Eine der Kapellen setzte wieder mit Getöse ein. Drei Betrunkene schwankten mitten auf der Straße am Jail vorbei. Angespannt wartete der Mörder, bis sie verschwunden waren, und glitt ins Freie. Behutsam zog Atkins die Tür hinter sich ins Schloß. Das Geräusch ging völlig im Dröhnen der Musik unter. Zehn, zwölf Yards ging der Bandit über den Sidewalk, ehe er sich umschaute. Weiter links entdeckte er eine ausgebleichte Schrift auf einem Schild, das an zwei kurzen Ketten pendelte.
General Store… Diese Worte formte der Killer lautlos mit seinen Lippen. Zufrieden grinsend überquerte er die Straße, drückte sich in den Schatten des Holzhauses und sah sich lauernd um. Niemand interessierte sich für ihn. Mit einem langen Schritt trat Claude Atkins in den schmalen Durchgang zwischen Store und Nebenhaus und schlich zur Rückseite der Gebäude. Lange wartete der Flüchtende lauschend ab. Nichts rührte sich in der näheren Umgebung. Langsam glitt er an der Holzwand entlang, bis er ein Fenster erreichte. Beinahe hätte Atkins laut geflucht, als er die dicken Eisenstäbe ertastete. Dieser Ladenbesitzer hatte sich vor Dieben geschützt. Claude Atkins erreichte die Hintertür und preßte die Lippen zusammen. Die Glasscheiben waren ebenfalls mit Stäben gesichert. Auf einmal grinste der Halunke. Er zog den Revolver, wartete eine Sekunde und schmetterte den Lauf gegen das Glas, als die Trompeten auf dem Platz laut schmetterten. Das Klirren des Glases war kaum zu hören. Sorgsam stieß Atkins mit der Coltmündung die Splitter aus dem Rahmen, dann griff er mit der linken Hand durch die Öffnung. Er seufzte unwillkürlich, als er den Schlüssel zwischen den Fingerspitzen fühlte. Nach ein paar vergeblichen Versuchen gelang es ihm, daß Schloß der Hintertür zu öffnen und stieß die Tür auf. Wie ein Schatten verschwand er im Store. Im schwachen Schein von Schwefelhölzern raffte Atkins Proviant zusammen und packte alles in einen leeren Zuckersack, den er fand. Nur wenige Minuten später verließ der Mörder den Laden und huschte über Schleichwege zum Mietstall. Im Corral hinter dem Stall standen mehr als zwanzig Pferde. Atkins glitt zwischen die Stangen. Beruhigend flüsterte er auf die Tiere ein, die tänzelnd zurückwichen. Claude packte einen
zäh wirkenden Grauen und führte ihn zum Gattertor. Als das Pferd außerhalb des Corrals stand, folgte es Atkins. Der legte den Kopf an die Rückwand des Stalles und lauschte. Im Innern blieb alles still. Der Outlaw stemmte den Lauf der Winchester unter die Bretter und hebelte eine Planke los. Erschrocken hielt er inne, als der Nagel knirschend aus dem Holz glitt. Aber niemand wurde aufmerksam. Kein Mensch bemerkte den Halunken, der beinahe schon gewonnen hatte. Das zweite Brett schob Atkins zur Seite und zwängte sich durch die Öffnung in den Stall. Eine kleine Öllampe spendete karges Licht. Aber der Schimmer reichte für den Banditen. Er fand Sattel, Zaumzeug und ein Wurfseil, das er durch die Öffnung schob. Minuten später saß der Killer im Sattel und ließ den Grauen angehen. Weiter südlich mußte der die Straße überqueren. Atkins verfluchte die Tatsache, daß er keinen Hut mitgenommen hatte. Dann hätte er sein Gesicht etwas verdecken können. Zwei Männer blickten auf, als der Outlaw an ihnen vorbeiritt. Den beiden kam wohl merkwürdig vor, daß schon so früh einer der Gäste das Fest verließ. Atkins hielt das Gesicht so gut es ging abgewandt und atmete auf, als er hinter den Gebäuden der anderen Straßenseite wieder in Deckung war. Ihm machte es nichts aus, wenn die zwei Männer seine Fluchtrichtung verrieten, sobald sein Ausbruch entdeckt war. Claude Atkins hatte nicht vor, sich wieder einfangen zu lassen. Er mußte nach Süden, denn im Norden durchstreiften zu viele Armeepatrouillen das Land. * Cochise und Naiche hatten sich beim Trinken zurückgehalten. Wie auch ihre Eskorte von acht Kriegern begnügten sich der Jefe und sein Sohn mit zwei Gläsern Wein. Als Bewohner der
Wüste benötigten sie nicht viel Flüssigkeit, und den Whisky verachteten die Krieger. General Howard unterhielt sich mit dem Chief. Es war ein schon freundschaftliches Gespräch. Der Offizier war sicher, an diesem Tag die Grundlage für einen dauerhaften Frieden, für bessere Verhandlungen geschaffen zu haben. Aber Haggerty und Jeffords verbargen ihre Besorgnis kaum noch. Die Mexikaner tanzten immer wilder, gerieten in Ekstase. Der Alkohol hatte das Blut der Männer in Wallung gebracht. Ab und zu wurden Stimmen laut, übertönten die Musik, wurden Beleidigungen und Schimpfworte ausgetauscht. An Ron Ballards Tisch benahmen sich die Gäste normal. Der Postmeister überlegte sich, das Fest zu beenden, zumindest für die an seinem Tisch, denn Ballard verspürte plötzlich ein merkwürdiges Unbehagen. Wenig später entdeckte John Haggerty drei Mexikaner, die sich gegenseitig stützten. Ihre Kleidung war staubig und verschmutzt. Sicher hatten sich die Burschen richtig ausgetobt. Aber was beabsichtigten sie jetzt? Aufmerksam folgte Haggerty den Kerlen mit seinen Blicken. Die drei verschwanden hinter dem mächtigen Stamm der Hickory und waren nicht mehr zu sehen. Unauffällig erhob sich der Scout und legte Jeffords eine Hand auf die Schulter. Sofort folgte Thomas dem Fährtensucher. Außerhalb der Lampionlichter blieb Haggerty stehen und legte den Zeigefinger auf die Lippen. Jeffords nickte nur und horchte. »Das ist die beste Gelegenheit«, sagte ein Mann mit trunkener Stimme auf Spanisch. »Wann kriegen wir den Hundesohn sonst zu sehen?« Ein zweiter Mexikaner lachte krächzend. »Nur dann, wenn er uns den Skalp nimmt.« »Amigos, wir gehen zu ihm und sagen ihm die Meinung«, schlug eine dritte Person vor. »Dieser verdammte Indio soll
wissen, daß wir zornig sind, daß wir uns nicht länger die Raubzüge der Apachen gefallen lassen.« »Und die Soldaten, die acht Indsmen?« gab einer der Männer zu bedenken. »Die Rothäute sind ohne Waffen gekommen«, bekam er zur Antwort. »Die Soldaten schießen doch nicht auf uns. Wir greifen ja niemanden an. Wir wollen dem Kerl nur richtig die Meinung sagen. Er versteht Spanisch sehr gut.« Das Gespräch wurde leiser, war nicht mehr zu verstehen. John Haggerty setzte sich in Bewegung. Jeffords folgte ihm. »Das fehlt uns gerade noch«, flüsterte Thomas dicht hinter dem Scout. »Wir müssen Howard warnen.« John sah keine Gelegenheit, zum General vorzudringen. Er sprach mit einigen angesehenen Bürgern aus Tombstone. Der Scout ging zur Seite. Hinter den Nebentischen saßen die Dragoner, die Howard begleitet hatten. Sergeant O'Bannion war ihr Vorgesetzter. Der rothaarige Ire blickte Haggerty an und stand ruckartig auf. O'Bannion sah dem Scout wohl an, daß es Ärger gab. »Hören Sie, Sergeant«, sagte John, »drei betrunkene Mexikaner wollen zu Cochise vordringen und ihm die Meinung sagen. Die Typen sind bis zur Halskrause voll mit Mescal und Baconora. Schaffen Sie die Burschen weg, okay?« »Okay, Sir«, lautete das dreifache Echo. Verwundert blickte sich Haggerty um und entdeckte die beiden verrückten Texaner Zack Stafford und Brad Miller. »Sie können sich auf uns verlassen«, versprach Zack. »Wenn wir dem irischen Truthahn helfen, schafft er es schon.« O'Bannion seufzte, sagte aber nichts. Sicher hob er sich den Anpfiff für später auf. »Da, sie kommen!« sagte Haggerty und deutete mit der Rechten auf die Mexikaner. Die schwankten ganz bedenklich, stützten sich gegenseitig, aber sie steuerten auf den Tisch des Postmeisters zu.
Der Dicke stemmte die Hände auf die Tischplatte und fragte laut: »Senores, was kann ich für Sie tun?« »Sie nicht, Senor Ballard, überhaupt nichts«, antwortete der mittlere Mexikaner. »Wir wollen zu Cochise, haben mit ihm was zu besprechen.« »Ja, es wird Zeit, daß wir dem Kerl mal die Meinung sagen«, rief der kleinste der Betrunkenen. »Wir sind nämlich diese Überfälle, das Rauben und Morden endgültig leid.« O'Bannion bahnte sich eine Gasse durch die Menschen, die plötzlich um den großen Tisch herumstanden. Howard sprang auf, donnerte die Faust auf die Platte und rief etwas, das im lauten Stimmengewirr niemand verstand. Hinter dem Sergeanten machten die beiden unverwüstlichen Texaner einen Weg für ihre Kameraden frei. Cochise, Naiche und die acht Krieger saßen reglos, waren jedoch auf alles gefaßt. Als Jeffords den Häuptling anblickte, erkannte er für Sekunden Verachtung, die sich in dessen Gesicht widerspiegelte. Die Soldaten drängten die Krakeeler zur Seite hin ab und trieben sie zwischen den nächsten beiden Tischen durch. Aber die Burschen gaben nicht so schnell auf. Sie waren starrsinnig. Sicher hatte der Alkohol ihren Mut angestachelt. Und was konnte ihnen hier, inmitten von Weißen und Soldaten schon geschehen? Blitzschnell drehten die Mexikaner ab, umrundeten den Stamm der Hickory und rissen Ron Ballard von seinem Stuhl. Dicht nebeneinander standen die Betrunkenen an der Stirnseite des Tisches. »Paß auf, du räudige Wüstenratte«, keifte der kleinste Mexikaner den Häuptling an, »ich werde dir jetzt dein rotes Fell gerben. Wir haben nämlich genug von dir und deinen stinkenden Kriegern. Wir sind es leid, immer wieder ausgeplündert zu werden. In ganz Sonora gibt es keine Familie, die nicht irgend jemand durch eure Angriffe und
Mordbrennereien verloren hat.« Wieselflink sprang der kleine Mex auf den Tisch und auf die Apachen zu. Haggerty rammte General Howard, stieß ihn zur Seite und vollführte eine halbkreisförmige Bewegung mit dem Arm über der Tischplatte. Dieser Hieb schlug dem Mexikaner die Beine weg. Er fiel lang hin, prallte mit dem Gesicht in leere Weingläser und schrie gellend vor Schmerz. Sechs angetrunkene Mexikaner drängten sich durch die Zuschauermenge. Drei, vier Schüsse krachten. Die Frauen kreischten schrill und hasteten davon. Inzwischen hielten acht Mexikaner Colts in den Fäusten und feuerten wild um sich. »Tötet die Apachen!« brüllte der letzte Mann, der am Kopfende der Tafel noch aufrecht stand. Thomas Jeffords trat dem Kerl die Beine weg und gab ihm mit der Stiefelspitze einen Stoß in die Seite, als der Bursche am Boden lag. Alles wirbelte durcheinander. Es war kaum möglich festzustellen, wer plötzlich Waffen besaß, so wogte die Menge hin und her. Sergeant O'Bannion brüllte mit seiner Stentorstimme Befehle in die Dunkelheit. Sekunden später hämmerten Hufe über den Platz. Berittene Dragoner drängten rücksichtslos ihre Pferde in die Menge. Die Menschen wichen zurück, rannten auseinander, denn keiner wollte einen Huftritt erwischen. Im entstehenden Durcheinander krochen die drei betrunkenen Mexikaner davon. Sie wurden nie wieder in Tombstone gesehen. Der Marshal winkte seinen Deputies und lief zum Office. Falls General Howard die übelsten Radaubrüder einsperren lassen wollte, sollte das Gefängnis bereit sein. Wenige Minuten danach rannte der Sternträger wieder zum Platz. Die Bürger hatten sich wieder beruhigt. Nur die erregte Unterhaltung übertönte noch den Marshal, der vergeblich um
Ruhe bat. Schließlich wußte sich der Gesetzesbeamte nicht mehr anders zu helfen, als in die Luft zu feuern. Das Dröhnen der Revolverschüsse ließ alle Stimmen ganz schlagartig verstummen. »Der Mörder Claude Atkins ist aus dem Jail ausgebrochen«, rief der Marshal. »Er hat den Wärter umgebracht. Ich will wissen, ob jemand etwas gesehen hat.« Niemand antwortete. Haggerty und Jeffords blickten sich an. Dann suchten sie Cochise und dessen Anhang. Der Jefe war verschwunden. »Oh, verdammt, ich hab's ja gesagt«, rief der Scout erbittert. »Aber nein, Howard wußte es ja besser. Jetzt haben wir den Mist.« Der einarmige General blickte seinen Chiefscout besorgt an. »Eine schöne Grundlage für weitere Verhandlungen mit Cochise«, sagte Haggerty ächzend. »Die Kerle haben sich wie die Schweine benommen, die in einer Whiskybrennerei die Rückstände fressen. Ich wette um meinen Kopf, daß der Häuptling von den Sitten und Festen der Weißen hellauf begeistert ist, General.« Howard fuhr sich erregt mit den Fingern durch den Bart. »Lieutenant«, sagte er, »ich hatte die beste Absicht. Es war falsch, das sehe ich jetzt ein. Walmann, White – wir brechen sofort auf. – Haggerty, was haben Sie vor?« Jeffords blickte den Scout an und nickte ihm zu. »Wir setzen uns auf Atkins' Fährte«, antwortete John. »Der Kerl ist gefährlich wie eine Klapperschlange. Er muß wieder dingfest gemacht werden.« »Ich gebe Ihnen zwei Deputies mit«, sagte der Marshal. »Mann, wenn Sie und Mr. Jeffords es nicht schaffen, bringt keiner den verdammten Killer zurück.« Ron Ballard beendete das Fest. Der dicke Postmeister zog sich grollend in seine Station zurück, haderte mit sich und der
Welt und verfluchte alle betrunkenen Mexikaner. Die Soldaten brachen nach wenigen Minuten auf. Ihr Ziel war Fort Buchanan am Fuß des Apachen-Passes. * Cochise und Naiche ritten schweigend auf die Dragoon Mountains zu. Dort, inmitten eines vollkommen unzugänglichen Geländes lag die Apacheria der Chiricahuas. Die Zuflucht war für den Stamm groß genug, bot Gras, Wasser und Jagdbeute in den umliegenden Bergen. Es war eine uneinnehmbare Festung inmitten bizarrer Felsgebilde, die nur von einem einzigen Weg durchschnitten wurden. Die acht Krieger folgten ihrem Jefe ebenfalls schweigend. »Howards Absicht war gut«, sagte Naiche nach einer langen Zeit. »Ich glaube, er hat nicht mit dem Zwischenfall gerechnet, Vater.« Cochise lächelte. »Bestimmt nicht. Aber er weiß nicht, was wir wissen, obwohl er ein Weißer ist, Sohn.« »Und was wissen wir, Vater? Was weiß ich, das ich nicht kenne?« »Wenn Bleichgesichter beisammen sind, wenn sie das brennende Wasser trinken, wenn dazu noch Mexikaner kommen, dann gibt es immer irgendwie Streit«, antwortete der Jefe. »Sie können sich nicht beherrschen. Sie trinken immer mehr. Und dann übernimmt die verwirrende Gewalt des brennenden Wasser ihr Denken und Fühlen.« Naiche dachte nach. »Unsere Krieger, Vater«, sagte er, »trinken Tizwin. Sie sind auch berauscht, kommen sich unüberwindlich vor und achten die Gefahr nicht. Ist das besser als die Trunkenheit der Weißen?« Der Häuptling lächelte wieder.
»Ein Apache trinkt Tizwin vor dem Kampf«, sagte er. »Er trinkt nicht, um seinen Geist zu verwirren und dann Streit zu suchen. Ich weiß nicht, ob das die Absicht der Bleichgesichter ist, wenn sie ihr brennendes Wasser verschlucken. Vielleicht sind sie zu feige und brauchen diese Art von Mut, um sich einem Feind zu stellen oder ihn herauszufordern. Vielleicht liegt es aber auch in der Natur der Bleichgesichter, sich den Kopf zu verwirren und dann zu prahlen.« »Dann sind sie keine Krieger«, stellte Naiche nachdrücklich fest. »Ein Krieger besitzt Mut, ist listig, schnell und stark. Und ein Krieger prahlt erst, wenn er seine Beute in das Jacale gebracht hat.« Cochise pflichtete seinem Sohn bei. »Die meisten Weißen sind keine Krieger«, erklärte der Chief nach einer Weile. »Sie schießen auf uns, weil sie Angst haben. Sie verstehen uns nicht und versuchen auch nicht, uns zu verstehen. Die Bleichgesichter wissen ja, daß sie unser Land stehlen. Darum schießen sie zuerst, Sohn. Aber sie kennen auch viele Dinge, die für uns gut sind. Und vergiß nicht, daß es unter den Weißen wie auch unter den Indianern gute und schlechte Menschen gibt.« Naiche wußte, wen sein Vater meinte. Cochise dachte an Haggerty und Jeffords und vielleicht auch an den einarmigen Soldatenführer Howard. Aber was konnten diese wenigen ehrlichen Männer ausrichten, wenn unzählige Schurken westwärts strömten. Den Apachen blieb nur der Kampf ums Überleben. Sie mußten listig sein wie der Fuchs, schnell wie die Klapperschlange und geschickt wie der Luchs, der stundenlang seine Beute belauerte und für seinen Angriff den günstigsten Moment wählte. Nur so konnte es den Apachen gelingen, noch eine Weile an der althergebrachten Lebensweise festzuhalten. »Was ist mit den Gelbhäutigen, Vater?« fragte Naiche. »Sie sind unsere Feinde«, antwortete Cochise hart. »Ich
bekämpfe sie, bis mein Arm zu schwach ist, den Bogen zu spannen. Ihre Vorfahren zogen mordend durch das Land, das unser Land ist. Noch heute sind die Gelbhäutigen hinterhältig und tückisch. Die Feindschaft zwischen ihnen und uns wird niemals enden.« Die Apachen vergaßen nicht, daß die Mexikaner sie ganz gnadenlos verfolgten und ermordeten, als die Spanier den gesamten Südwesten in Besitz nahmen. Die Mexikaner blieben immer die Erzfeinde aller Apachenstämme. * Haggerty und Jeffords holten ihre Waffen aus der Poststation und gingen zum Gefängnis. Zwei noch junge Männer überprüften mit grimmigen Gesichtern Gewehre und Revolver. »Atkins muß dem alten Carter vorgetäuscht haben, daß er sich erhängt hat«, sagte der Marshal. »Dieser Lump ist mit allen Wassern gewaschen. Aus den Gurten der Pritsche knotete er sich ein Halfter, an dem er sich aufhängte. Als Lesli in die Zelle kam, brachte Atkins ihn um.« Schritte auf dem Stepwalk. Die Tür zum Office flog auf. Der Ladenbesitzer stürmte herein, rang nach Luft und stammelte: »Bei mir ist der Kerl eingebrochen. Das Glas der Hintertür ist zerschlagen.« »Sie haben doch Gitter davor«, wandte der Marshal ein. »Ich habe den Schlüssel innen steckenlassen«, erklärte Slaughter. »Er zerschlug das Glas, faßte durch die Öffnung und sperrte auf.« »Was fehlt?« fragte Haggerty ruhig. »Proviant, ungefähr zwei Pfund«, antwortete der Storekeeper, »und ein alter Zuckersack.« »Zu Fuß kommt er nicht weit«, sagte der Scout. »Marshal, haben Sie jemandem zum Mietstall geschickt?« In diesem Moment trat ein hagerer Typ in den Raum und
meldete: »Ein kräftiger Grauer fehlt auf der Koppel des Stallmannes. Außerdem holte sich Atkins einen Sattel und Zaumzeug. Zwei Leute haben den Killer gesehen. Sie können nicht beschwören, daß er's war, aber auf jeden Fall ritt ein Mann während des Festes in Richtung Süden. Er trug keinen Hut und hielt sein Gesicht abgewandt. Ich wette, das war Atkins.« »Schon gewonnen«, sagte Jeffords, »er hat keinen anderen Ausweg. Im Norden sind zu viele Armeepatrouillen unterwegs. Wenn der Strolch Glück hat, erreicht er die Wüste vor uns, und dann erwischen wir ihn nicht mehr.« »Also los, Männer, setzen wir uns auf die Fährte«, drängte Haggerty. »Vergeßt nicht Proviant und Wasser. Es wird trocken, Leute.« Der Marshal legte die Stirn in Falten und fragte nachdenklich: »Wie wollen Sie jetzt in der Dunkelheit die Spur finden, Mr. Haggerty? Ist es nicht sinnvoller, im Morgengrauen aufzubrechen?« »Es gibt nur eine Route für ihn«, antwortete der Scout. »Wenn wir uns ranhalten, wird sein Vorsprung nicht zu groß. Es ist wichtig, daß wir dranbleiben. Vielleicht schnappen wir Atkins vor den Apachen. Er muß durch den Teufelscanyon. Das ist die Hölle, Marshal. Das nächste gute Wasser findet er in der Tmaja Laguna del Muerto. Dort warten wir auf den Killer und kassieren ihn.« Staunend blickten die Gesetzeshüter den hochgewachsenen Scout an. »Und wie kommen wir durch diesen Teufelscanyon?« fragte einer der Deputies. »Oder fliegen wir vielleicht drüber weg?« John Haggerty lächelte und erwiderte »Ich kenne noch einen anderen Weg, Gentlemen. Er ist gefährlich, und möglicherweise stoßen wir auf Apachen, aber ich denke, wir sollten es riskieren.« »Was ist, wenn Atkins diesen Trail auch kennt?« wollte der
Marshal wissen. Entschieden schüttelte der Scout den Kopf. »Kein Weißer kennt den Pfad, nur die Apachen. Sie benutzen ihn für ihre Kriegszüge nach Mexiko. Er ist sehr schmal. Ein einziger Fehltritt eines Pferdes genügt, und Gaul und Reiter sausen in den Abgrund. Wie ist es? Riskieren Sie das?« Die beiden Deputies nickten und packten Munition in die Satteltaschen. »Mr. Slaughter«, wandte sich der Marshal an den Storekeeper, »stellen Sie bitte Proviant zusammen und geben Sie jedem Mann eine weitere Wasserflasche mit. Die Stadt bezahlt das.« »Viel Glück«, sagte der Gesetzesbeamte von Tombstone und drückte den Männern die Hände. »Bringt diesen verdammten Killer zurück. Er soll hängen.« Kaum eine Viertelstunde später ritten Haggerty, Jeffords und die beiden Sternträger los. Der Scout übernahm die Spitze, der Posthalter machte den Schlußmann. Die Pferde waren ausgeruht und wollten losstürmen, aber John hielt sein Tier zurück und sagte: »Langsam, du brauchst deine Kraft noch.« Haggerty kannte das Land wie kaum ein zweiter Weißer. Vielleicht war der Scout sogar den Apachen ebenbürtig. Die Pferde schritten gleichmäßig aus. Allmählich wurde der Weg steiler. Ab und zu ragte ein schlanker Bergwacholderbusch auf und zeichnete sich als dunkler Schatten vor dem Nachthimmel ab. Der Mond schwamm als geneigte Silbersichel vor den Sternen. Das Licht reichte gerade aus, um das Nötigste zu erkennen. »Vorsicht, ein enger Durchgang!« warnte Haggerty. Er zog den Kopf ein, als er sein Pferd in einen Tunnel lenkte. Sekunden später war es vollkommen finster. Nur das Prusten der Pferde war überlaut zu hören. »Wir sind gleich durch«, sagte der Scout. »Vielleicht haben
wir Glück und treffen keinen Apachen am anderen Ende.« Die Deputies Ed Brown und Glenn Dark atmeten schneller. Sie wußten, daß dies Indianerland war, daß die Krieger überall sein konnten, aber die Sternträger wollten Claude Atkins wieder einfangen. Um den Outlaw zu stellen, nahmen sie jede Gefahr auf sich. »Wartet hier«, raunte Haggerty, »ich reite voraus. Wenn ihr die Eule hört, kommt ihr nach.« Es dauerte nicht lange, aber den Männern im Felsenschlund kam es wie eine kleine Ewigkeit vor, bis der Ruf der Bergeule aufklang. Erleichtert preßten sie ihren Pferden die Absätze in die Flanken. »Wir haben Glück, großes Glück sogar«, sagte der Scout. »Nirgendwo brennt ein Feuer der Apachen. Die Krieger scheinen auf einem anderen Trail zu reiten.« Nun wurde die Strecke erst wirklich gefährlich. Haggerty hatte nicht übertrieben, als er von einem kaum fußbreiten Pfad gesprochen hatte. Die Pferde setzten langsam Huf vor Huf. Immer wieder scheuerten die Beine der Reiter an der steilen Felswand entlang. Sie wagten keinen Blick in den Abgrund der anderen Seite und waren froh, daß Dunkelheit herrschte. So hatten sie die gähnende Tiefe nicht ständig vor Augen. Stunde um Stunde verging. Die Pferde prusteten schwer. Sie waren ziemlich erschöpft und benötigten die letzten Kraftreserven, um den beschwerlichen Weg hinter sich zu bringen. Endlich verhielt der Scout sein Pferd auf einer breiten Felsfläche, die von bizarren Steingebilden umsäumt war. »Wir haben es geschafft«, sagte John Haggerty. »Jetzt gönnen wir uns und den Tieren eine Ruhepause. Trinkt nicht zuviel, Männer, ihr schwitzt es nachher wieder aus, wenn die Sonne brennt.« Verwundert sahen die Deputies und Jeffords zu den Sternen auf. Die Nacht war bald vorbei. In weniger als zwei Stunden würde der erste graue Streifen Helligkeit im Osten über den
Horizont ziehen und den Tag ankündigen. Die Männer lockerten den Pferden die Bauchgurte und machten ein kaltes Camp. »Wann reiten wir weiter?« fragte Jeffords müde. »Dieser See muß doch Treffpunkt aller Apachen sein, John. Wo Wasser ist, sind auch Apachen. Oder stimmt das hier vielleicht gar nicht mehr?« Haggerty nickte und antwortete: »Doch, so ist es. Aber ich hoffe, daß wir Glück haben. Wir besitzen genügend Wasser und brauchen nicht zum See, um unseren Vorrat zu ergänzen. Ich möchte versuchen, Atkins vor der Tmaja abzufangen und durch den Teufelscanyon zurückzubringen.« Ed Brown fragte: »Schaffen wir das mit unserem Wasser? Die Pferde haben sicher auch Durst.« »Gegen Mittag einen Hut voll für die Gäule und zwei Schlucke für uns«, erwiderte der Scout. »Am Abend das gleiche. So wird es schon klappen.« Jeffords kannte den Scout lange und gut genug, um zu wissen, daß der etwas verbarg. Thomas stand auf und schlenderte zu einer der verwitterten, von Wind und Sand zerfressenen Steinsäulen hinüber. Kurz darauf folgte Haggerty dem Postmeister. »Was ist los?« fragte Jeffords. »Sie verschweigen doch etwas.« »Schauen Sie nach Süden«, flüsterte der Scout. »Sehen Sie die Sternenkette dicht über dem Horizont?« »Ja. Was ist damit?« »Das sind Feuer, keine Sterne«, gab John leise zurück. »Wir müssen schon verdammtes Glück haben, wenn wir ungerupft davonkommen wollen. Sobald es hell wird, sind uns die Späher der Apachen auf den Fersen, wenn sie uns nicht jetzt schon beobachten.« Haggerty murmelte: »Warum hat sich dieser verdammte Killer nicht richtig aufgehängt? Dann wären wir diese Sorge
los.« »Ja. Wir hetzen hinter dem Mistkerl her, damit er keinen Unfug anstellt, nicht wieder eine Bande den Feuerbrand ins Land trägt«, sagte Thomas Jeffords grimmig. »Was die weißen Banditen bisher angerührt haben, reicht für eine Weile.« Die wenigen Weißen, die sich verantwortlich für ein gutes Verhältnis zwischen Indianern und Einwanderern fühlten, hatten keine andere Wahl, als die schlimmsten Schurken selbst zu bekämpfen und dingfest zu machen. Denn Banditenhorden brachten das Land innerhalb von Tagen wieder in Aufruhr, daß es kurz vor dem Überkochen stand. Und diesmal ging es um Claude Atkins, den steckbrieflich gesuchten Killer, der seiner Liste in Tombstone ein weiteres Opfer hinzugefügt hatte. * Der Mörder jagte den Grauen nach Süden. Das Pferd war kräftig. Atkins hatte Glück gehabt bei der Auswahl des Tieres. Der Outlaw kannte die Gegend kaum. Er wußte nur, daß seine einzige Chance im Süden lag. Vage erinnerte sich der Bandit an Erzählungen über eine Wüste, die sich meilenweit erstreckte. Noch sah er rings um sich die Kronen von Pinien als dunkle Flecke gegen den Nachthimmel. Die Wasserflasche hing schwer am Sattelhorn. Atkins war sicher, daß seine Flucht gelang. Ein Blick zu den Sternen zeigte ihm, daß es Mitternacht sein mußte. Claude kniff die Lider zusammen und öffnete sie wieder. Links und rechts auf den Bergkämmen tauchten neue »Sterne« auf. »Oh, verflucht«, entfuhr es dem Halunken, »Indianer!« Er drehte sich im Sattel um. Auch hinter ihm flammten Feuer auf. Ich bin mitten im Apachenland, dachte Atkins wütend. Nur
ein Wunder kann mich retten. Die Kerle riechen einen Weißen doch auf zehn Meilen. Er verspürte ein unangenehmes Jucken in seiner Kopfhaut und drückte dem Grauen die Absätze in die Flanken, um ihn zu schnellerer Gangart anzutreiben. Nach einigen Sekunden hörte Atkins dumpfes Trommeln und zuckte zusammen. Das monotone Geräusch machte ihn verrückt. Er parierte sein Pferd und sah sich um. Überall Feuer. Wenn er weiterritt, landete er noch mitten in einem Indianerlager. Der Killer bekam vor Furcht eine Gänsehaut. Sein Blick hetzte hin und her. Er brauchte ein Versteck, groß genug für ihn selbst und den Grauen. Plötzlich verdunkelte eine Felsplatte ein Stück des Himmels. Instinktiv glitt der Outlaw aus dem Sattel, zog den Revolver und ging vorsichtig auf die dunkle Fläche zu. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, nickte er zufrieden. Die Platte ragte wie ein Dach vor. Für die Nacht war er darunter einigermaßen sicher. Atkins führte den Grauen unter das Steindach und lockerte ihm den Gurt. Anschließend verzehrte der Bandit die Hälfte seines Proviants und trank die Canteen zu einem Drittel leer. Irgendwo mußte es Wasser geben, denn wie wollten sonst die Apachen das karge Land durchqueren. Er vergaß nur eins bei seinen Überlegungen: Daß an den Wasserstellen die Krieger lauerten. Immer wieder versank der Mörder in eine Art Dämmerschlaf, und immer wieder schreckte er hoch. Er wußte, daß er dringend ausruhen mußte, aber das dumpfe Pochen der zahllosen Trommeln ließ ihn einfach nicht schlafen. Endlich schimmerte im Osten der Morgen über dem Bergkamm. Atkins atmete erleichtert auf, weil er bei Tageslicht besser voranzukommen glaubte. Aber als es völlig hell geworden war, stieß er einen
lästerlichen Fluch aus. Er hatte keine Wahl, denn er saß in einem Canyon, zu dessen beiden Seiten die Felswände unüberwindlich aufragten: Verdorrtes Gras, verwelkte Blätter von Kräutern bedeckten den Boden. Hier gab es keine offene Wasserstelle. Ein kaum vernehmbares Schaben ließ Atkins erstarren. Vor dem Schatten des Felsdaches glitt eine oberarmdicke Klapperschlange vorbei. Das Reptil bewegte sich noch gemächlich. Die Kühle der Nacht hatte seinen Körper steif werden lassen. Aber einige Minuten in der Sonne brachten der Schlange Schnelligkeit und Geschmeidigkeit zurück. Langsam stand Atkins auf und griff nach dem Revolver. Aber sofort ließ er die Waffe wieder los, als hätte er glühende Kohlen angefaßt. Ein Schuß lockte unweigerlich die Apachen an. Und daran war ihm auf keinen Fall gelegen. Der Killer bemühte sich, kein Geräusch zu verursachen, als er sich in Bewegung setzte. Von der Klapperschlange war nichts mehr zu sehen. Die hatte sich einen anderen Platz zum Sonnen ausgesucht. Erleichtert seufzte Atkins. Er zog dem Grauen den Bauchgurt fest und betrachtete zum erstenmal das gestohlene Pferd genauer. Es war wirklich gut, stellte er fest. Er saß auf und packte die Zügel. Mit eingezogenem Kopf ritt er bis zur Kante des Felsüberhanges und wartete. Lange beobachtete er die Umgebung. Er sah nichts – keinen Feind, keinen Verfolger und keinen Apachen. Als er dem Grauen die Zügel freigeben wollte, huschte etwas dicht an seinem Kopf vorbei. Entsetzt ruckte Atkins herum. Aber es war nur eine Eidechse. Nach einer Stunde brannte die Sonne so heiß auf den ungeschützten Kopf des Verbrechers, daß er stöhnte. Er nahm einen großen Schluck Wasser und fühlte sich besser. Nach einer weiteren Stunde wurde das Pferd langsamer. Die erbarmungslose Hitze lag wie glühendes Blei auf Mensch und
Tier. Gegen Mittag war die Flasche leer. Atkins hatte immer wieder getrunken, um seinen Kopfschmerz zu vertreiben. Entsetzt schüttelte der Flüchtende die Wasserflasche und wollte nicht glauben, daß sie leer war. Der Graue wurde immer langsamer, sein Prusten immer lauter und gequälter. Der feine Staub setzte sich in den Nüstern des Tieres fest und peinigte es. Die Sonne stand senkrecht am Himmel. Die Landschaft war öde und tot. Ein heißer Wind fächelte und wirbelte die Sandkörner auf Atkins' Gesicht und Hände. Die feinen Partikel wirkten wie Schmirgel, schrammten die Haut und ließen die Wunden brennen. Ich muß hier weg, dachte der Outlaw verzweifelt. »Irgendwo gibt es Wasser. Ich weiß es. Lauf, du Mistvieh, los, lauf schon!« Er hieb dem erschöpften Pferd die Absätze in die Flanken, hämmerte ihm die geballte Linke zwischen die Ohren, aber der Graue ging im gleichen Trott weiter. Hitzeschleier waberten durch das Tal wie ein verschwommener Vorhang. Atkins blickte zu den Hängen hinauf. Manchmal sah er die Silhouetten von Reitern, die sich gegen den stahlblauen Himmel abhoben. Aber er vermochte nicht zu sagen, ob er wirklich diese Reiter sah, oder ob er Halluzinationen hatte. Erst als ihm der Nacken brannte, merkte er, daß es Nachmittag geworden war. Noch immer führte der Todescanyon genau nach Süden. Es gab in der Schlucht nur Hitze, glühenden Sand und heißen Wind. Kein Baum spendete Schatten, kein Strauch verriet, daß in seiner Nähe ein Wasserlauf fließen mußte. Gräser und Kräuter waren vertrocknet und zerfielen unter den Huftritten des Pferdes zu Staub. Die Sonne wanderte weiter nach Westen. Inzwischen warfen
die Felswände etwas Schatten. Aber selbst in diesem Dämmerlicht schien die Luft vor Hitze zu brodeln. Atkins blinzelte durch die entzündeten Lider. Täuschte er sich, oder verbreiterte sich der Canyon wirklich? Der Mörder wischte diesen Gedanken beiseite. Zusammengesunken hockte er auf dem Pferd. Das Kinn war auf seine Brust gesunken, und die Hände umklammerten nur noch mechanisch das Sattelhorn. Plötzlich holte der Graue tief Luft und prustete. Atkins schreckte hoch, als er das ungewohnte Geräusch hörte, und blickte sich gehetzt um. Aus halbblinden Augen stierte er grün schimmernde Büsche an. Er wollte lachen, denn er wußte, daß dies der Anfang vom Ende war, wenn er Dinge sah, die es nicht gab. Aber nicht mal ein trockenes Krächzen drang über seine aufgesprungenen Lippen. Der Graue ging schneller. Schwankend hing Atkins im Sattel. Als er wieder einmal die Augen öffnete, sah er eine blau schimmernde Wasserfläche und hörte sogar das Plätschern, als der Graue mit tiefen Zügen trank. Alles nur Unsinn, dachte Atkins in beinahe hysterischer Heiterkeit. Aber als er die verhaßten Worte hörte, gab er sich noch mal einen Ruck. »Hände hoch, Killer!« rief jemand. »Keine Bewegung, oder ich jage dir 'ne Kugel in die Schulter!« Unsicher, fahrig tastete der Outlaw nach seinem Revolver. Dabei verlor Atkins den Halt und fiel vom Pferd. Es klatschte laut, als er im Wasser landete. Der Schock brachte ihn halbwegs zur Besinnung. Aber er war zu schwach, um sich gegen seine Verfolger zur Wehr zu setzen. Er senkte den Kopf und trank, trank, bis er voll mit Wasser war. Erst danach richtete er sich auf und kroch ans Ufer. Willenlos ließ er zu, daß ihn die Männer entwaffneten und ihm Handschellen anlegten.
Atkins war fertig, total erschöpft, ausgetrocknet. * »Donnerwetter, wir haben ihn wahrhaftig«, sagte Ed Brown begeistert. »Ich wünschte«, entgegnete Haggerty, »wir hätten ihn schon in Tombstone, Mister. Er ist ziemlich am Ende. Wenn wir sofort losziehen, geht er uns unterwegs ein. Bleiben wir aber hier, erwischen uns die Apachen todsicher.« »Was machen wir?« fragte Glenn Oark. »Wir lassen die Pferde trinken, füllen alle Wasserflaschen und reiten zum Teufelscanyon«, antwortete der Scout. »In der Abenddämmerung brechen wir auf. Vorher trinken wir alle noch und lassen die Pferde saufen. Wenn die Flaschen leer sind, holt einer von uns Wasser aus der Tinaja. Die anderen decken ihn mit den Gewehren. Mit etwas Glück greifen die Apachen jetzt noch nicht an.« Ängstlich sahen sich die Deputies um. Von Indianern keine Spur. »Verlassen Sie sich darauf, die Späher beobachten uns schon«, sagte John Haggerty düster. »Es sind bestimmt keine Chiricahuas, denn die würden sich melden, wenn sie mich erkennen. Vielleicht handelt es sich um Yaquis oder Nednis aus Mexiko, die nach Norden ziehen. Aber das erfahren wir noch früh genug.« Atkins erholte sich allmählich. Einmal ging Jeffords zum Wasser und füllte die Flaschen. Als die Abenddämmerung hereinbrach, ging Glenn Dark ans Ufer und kam mit gefüllten Canteens zurück. »In einer Stunde brechen wir auf«, sagte John Haggerty. »Wir müssen versuchen, den Teufelscanyon während der Dunkelheit mindestens zur Hälfte hinter uns zu bringen.« Der Outlaw stemmte sich hoch, starrte den Scout an und
zischelte: »Du bist verrückt, Mann. Ich war während der Nacht in diesem verdammten Loch. Überall auf den Bergen brannten die Feuer der Apachen. Wenn sie uns wittern, bringen sie uns um. Nein, du mußt mich schon bewußtlos schlagen, wenn du da nachts durchreiten willst.« »Das kannst du haben, Killer«, knurrte Ed Brown und zog seinen Revolver, den er in der Hand wog. »Lassen Sie den Unsinn«, sagte Jeffords. »Ein Bewußtloser behindert uns nur.« Die Zeit schien unendlich langsam zu vergehen. Schließlich war es dunkel genug. Die Männer saßen auf. Claude Atkins nahmen sie in die Mitte. Beim geringsten Fluchtversuch konnten sofort zwei Mann eingreifen. John Haggerty übernahm wieder die Spitze. Der erfahrene Scout fühlte sich unwohl in seiner Haut. Er spürte förmlich, daß irgendein Unheil in der Luft lag. Die Pferde waren kaum eine Meile gegangen, als es geschah. Auflodernde Flammenbündel fielen von den Seiten der Berge herab und beleuchteten die fünf Reiter gut genug für gezielte Schüsse. Vier, fünf Winchestergewehre entluden sich peitschend. Pfeile sirrten durch die Luft und trafen Pferdeleiber. Die Tiere wieherten grell vor Angst und Schmerz und gingen durch. Haggerty riß das Gewehr aus dem Scabbard und eine Wasserflasche an sich, bevor er aus dem Sattel sprang. Er hoffte, daß auch die anderen so handelten, denn sonst waren sie verloren. Atkins lebte noch, denn er stieß einen gepfefferten Fluch aus, der weithin zu hören war. Ein wahrer Pfeilhagel ging auf die fünf Weißen nieder, und immer wieder blitzten an den Hängen Mündungsfeuer auf. »Jeffords«, rief der Scout, »wo sind Sie?« »Weiter nach Osten«, meldete der Postmeister. »Ich habe mein Gewehr und eine Canteen.«
»Okay, Brown zuerst. Wo hocken Sie?« fragte John weiter. Er bekam keine Antwort. »Dark, was ist mit Ihnen?« Ein heiseres Stöhnen antwortete Haggerty. Atkins lachte hämisch und rief: »Pech für euch, was, Leute? Einer der Blechsterne ist tot, schätze ich. Auf jeden Fall steckt in seiner Brust ein Pfeil. Und der andere macht's auch nicht mehr lange. Hauptsache, ich habe den Schlüssel der Handschellen. Waffen finde ich auch noch. Adios, Amigos! Mich fangt ihr nicht mehr ein.« Der Bandit hatte zu lange geredet. Ein Gewehrschuß krachte, und gleich darauf stieß Atkins einen Schmerzenslaut aus. »Verdammt, der Hurensohn hat mich erwischt. Aber es ist nur am Arm. Ich verschwinde, Freunde.« Haggerty preßte die Lippen zusammen. Schlimmer hätte es nicht kommen können. Die Deputies waren tot. Atkins bekam erneut eine Chance, und Jeffords und er hockten in der Falle. Wo die Pferde waren, wußte nur der Teufel. Ein schwaches Geräusch ließ den Scout aufmerken. »Ich bin's nur«, sagte der Postmeister. »Ich sehe das Mündungsfeuer oben in den Felsen. Vielleicht kann ich den Kerl ausschalten.« Ehe Haggerty abraten konnte, feuerte der Apache mit der Winchester erneut. Jeffords jagte in rasender Folge Kugel um Kugel aus dem Lauf. Aber statt zu treffen traf es ihn. »Oh, verdammt«, gurgelte er und gab keinen Laut mehr von sich. Haggerty arbeitete sich weiter vor. Flasche und Gewehr nahm er mit. Er wußte, daß er beides brauchte, wenn er durchkommen wollte. Aber so leise er sich auch bewegte, die Krieger bemerkten es. Das Geschoß bohrte sich dicht vor Haggertys Gesicht in den Sand und schleuderte eine Fontäne hoch. Der Scout stand auf, setzte alles auf eine Karte. Mit weiten
Zickzacksprüngen rannte er los. Jaulende Kugeln umschwirrten ihn. Aber er hatte Glück und wurde nicht verwundet. John erinnerte sich an eine Nische in einer Felswand, die ihm tagsüber aufgefallen war. Dort konnte er Deckung finden und abwarten, weil er sich dann in einer guten Position befand. Und John war sicher, von der Spalte aus die Angreifer zuerst zu sehen. Die Nacht verging. Ab und zu strich ein Windhauch über den See und brachte kühle Luft mit sich. Hoffentlich finden wir die Pferde wieder, dachte John Haggerty besorgt. Denn ohne Tiere waren sie so gut wie verloren. Zu Fuß schafften sie es niemals, den Teufelscanyon zu durchqueren. An den Sternen sah Haggerty, daß es in weniger als einer Stunde hell wurde. Wahrscheinlich waren die Apachen abgezogen. Er hatte keinen Laut vernommen, doch vermutlich war die unmittelhare Gefahr vorbei. Endlich schob sich die Sonne grell über den östlichen Horizont. Sorgfältig suchte der Scout die Umgebung ab. Den See konnte er nicht mehr erkennen. Die Entfernung war schon zu groß. Hinter einem Dornbusch löste sich eine Gestalt. Gebeugt kam Thomas Jeffords auf Haggerty zu. Der Postmeister schleppte Gewehr und Wasserflasche mit. Das Hemd starrte vor getrocknetem Blut. Sein Atem ging aber regelmäßig. »Wie schlimm hat Sie's erwischt?« fragte John. Thomas winkte ab und erwiderte: »Scheint nicht ans Leben zu gehen, John. Wie ist es, können wir verschwinden, oder lauern die Apachen noch immer auf unsere Skalps?« Der Scout blickte sich um. Weiter hinten entdeckte er eine Bewegung. Sofort glitt John an die Felsen heran. Zwei Pferde, Jeffords' und Haggertys, trabten auf die Männer zu.
»Das nenne ich Glück«, flüsterte der Postmeister. »Sie haben sogar noch die Reserveflaschen an den Sätteln«, sagte der Scout. Wenigstens etwas. »Wie sieht es mit Ihrem Wasser aus, Jeffords?« Thomas schwenkte die leere Canteen. Auch John hatte während der Nacht getrunken und sagte nun: »Ich gehe zum See und fülle die Flaschen. Es ist Juni und verdammt heiß. Wir brauchen jeden Tropfen, wenn wir es schaffen wollen. Passen Sie auf die Gäule auf?« »Okay, das schaffe ich schon«, antwortete Thomas. Er hätte am liebsten noch einen Schluck getrunken. Denn Haggerty kam ja bald mit den gefüllten Ersatzflaschen zurück. Aber Jeffords beherrschte sich und verzichtete. »Nichts wie weg«, sagte der Scout, als er wieder bei den Pferden anlangte. »Am See wimmelt es von Nedni-Apachen. Ich bin nicht ans Wasser gekommen.« Prüfend blickte der Scout den verwundeten Postmeister an. »Wir haben einen verdammt harten Tag vor uns. Schaffen Sie es? Halten Sie durch, Thomas?« Jeffords lächelte schwach: »Sicher, alles ist besser, als den Nednis in die Hände zu fallen. Ich möchte meinen Skalp noch eine Weile behalten.« Von Atkins war keine Spur zu sehen. Weiter links lagen die beiden toten Deputies. Es gab keine Möglichkeit, sie zu begraben, denn alles konnte die Aufmerksamkeit der Apachen erregen. Und dann war es auch um Jeffords und Haggerty geschehen. »Dieser verfluchte Killer«, stieß der Postmeister wütend hervor. »Er muß mit dem Satan im Bunde sein. Er hat es wieder geschafft.« »Wenn ihn nicht die Apachen in der Nacht erwischt haben«, warf Haggerty ein. Vorsichtig stieg Thomas in den Sattel und gab dem Pferd die Zügel frei. Der Scout blickte dem Verwundeten nach und saß
ebenfalls auf. John preßte die Lippen zusammen, denn er wußte, daß ein Höllentrail in mörderischer Hitze vor ihnen lag. * Heißer Sand. Das gleißende Sonnenlicht wurde von den glitzernden Körnern reflektiert und stach wie mit tausend Nadeln in die Augen der beiden Reiter. Sie hatten die Hüte tief in die Stirn gezogen, aber gegen den grellen Schein nützte das nicht viel. Der Atem der Männer ging schwer und rasselnd. Mit jedem Luftholen drangen winzige Staubpartikel in Mund, Nase und Hals, wanderten in die Lunge und reizten zum Husten. Speichel hatten sie längst nicht mehr. Die heiße, trockene Staubluft dörrte ihre Münder noch mehr aus. John Haggertys Lippen wirkten wie borkige Baumrinde. Thomas Jeffords erging es, wenn man so will, etwas hesser. Er war halb besinnungslos. Sein Kopf hing weit nach vorn. Das Kinn berührte fast die Brustwunde. Die tagealten Bartstoppeln schabten bei jeder Bewegung, bei jedem Ruck des Pferdes etwas von dem getrockneten Blut ab und ließen es als roten Staub davonfliegen. Der heiße Wüstenwind nahm an Stärke zu. Schmerzhaft peitschten die Sandkörner die ungeschützten Hautflächen, die schon seit Stunden keinen Schweiß mehr abgaben. Zum hundertsten Male schraubte Haggerty die Canteen auf, setzte die Flasche in einer automatischen Bewegung an die aufgeplatzten Lippen, aber kein Tropfen Wasser rann aus der Flasche. Der Scout wollte sprechen, hob den Kopf, aber als er das Geflirre der Sonne und die Hitzewellen sah, ließ er ihn wieder sinken. John wußte nicht, wie weit sie bereits in den Camino del Diablo, den Teufelscanyon, eingedrungen waren. Er wußte
auch nicht, welche Strecke sie zurückgelegt hatten und was noch vor ihnen lag, auf die erschöpften Männer und Pferde wartete. Nur Narren und Apachen durchquerten dieses Wüstengebiet im Juni, dem heißesten Monat Südarizonas. Die Pferde hoben die Köpfe. Was witterten die Tiere? Sie versuchten, schneller zu gehen, brachten aber nicht mehr die Kraft auf. Matt trotteten sie in unsicherem Schritt in eine neue Richtung. Der heiße Wind packte sie und ihre Reiter von der Seite. Haggertys braunes Haar schien, durch den Staub wie gepudert, so hell wie Jeffords' Schopf zu sein. Jeffords lockerte den Griff um das Sattelhorn. Er war sich dessen nicht bewußt, denn er befand sich an der Grenze zur Besinnungslosigkeit. Bisher hatten seine Reflexe dafür gesorgt, daß er nicht aus dem Sattel gefallen war. Aber nun flackerte der Lebensfunke nur noch schwach, und auch die Muskeln gehorchten nicht mehr. Langsam neigte sich Jeffords zur Seite. Die Füße rutschten aus den Steigbügeln, und der Postmeister fiel bewußtlos in den heißen Sand. Haggertys Rappe hatte zwei Längen mehr geschafft. Zitternd verharrte das Pferd des Scouts. Noch einmal nahm es alle Kraft zusammen, denn es witterte die Rettung, aber es war zu spät. John riß die Augen weit auf, fand sich in Schräglage wieder und zerrte fieberhaft den rechten Fuß aus dem Steigbügel. Er schaffte es, bevor der Gaul zusammenbrach. Der Scout rollte sich dicht am Sattel zusammen und schlief übergangslos ein. Es war ein tiefer Erschöpfungsschlaf, und der Leib des sterbenden Pferdes bot kaum Schatten. Noch einige Stunden in der Sonnenglut, und den beiden Männern war nicht mehr zu helfen. *
Gus und Lanky trieben die beiden Esel zwischen die dichten Büsche des Tales. Die Langohren knabberten an den Blättern, ehe sie die Augen schlossen und sich einer Lieblingsbeschäftigung der Esel hingaben: dem Dösen. »Wir sind verdammt dicht am Ausgang des Tales«, sagte Gus und kratzte sich unter dem alten Hut. »Gefällt mir nicht, Partner, gefällt mir wirklich nicht.« Lanky blickte zum Himmel. Bevor er wieder davon anfangen konnte, daß sie etwas übersehen hatten, atmete er tief ein. Er hob die Rechte, deutete hinauf und sagte: »Sieh mal, Partner.« Gus verrenkte sich fast den Hals, denn er war zu faul, den breitrandigen alten Hut abzunehmen. »Geier«, sagte Gus nur, »und? Wird wohl was verreckt sein, oder?« »Oh, Mann, bist du schlau«, sagte Lanky bewundernd, »darauf wäre ich nicht gekommen, nie im Leben!« »Schon gut, bist eben ziemlich dumm«, sagte Gus und stand auf. Er sah seine Waffen nach, hängte sich die Wasserflasche am Riemen um den Hals und stöhnte, als litte er furchtbar. »Was hast du vor?« fragte Lanky und erhob sich ebenfalls. »Hingehen, nachschauen«, erwiderte Gus mundfaul. »Denkst du, es ist 'n Digger mit 'ner Karte von 'ner Bonanza unterm Hut?« spottete Lanky. »Nein«, lautete die kurze Antwort. »Manchmal machst du mich mit deinem pausenlosen Gequassel richtig verrückt«, giftete Lanky. »Paß nur auf, daß dir nicht die Lippen eines Tagen ausfransen.« Gus grinste nur. Aber als er davonging, war nichts Lahmes mehr an ihm zu erkennen. Der Digger glitt schattengleich durch die Büsche, bewegte sich wie ein Indianer und schien dann ganz mit der Umgebung zu verschmelzen. Lanky ging auf der anderen Seite des Tales genauso geschickt vor.
Sie erreichten das Ende vom Valley. Eine etwa zwei Yards breite Sandzunge leckte in das grüne Tal hinein. Aber noch hatte es die Wüste nicht geschafft, diesen Canyon in Besitz zu nehmen. Die beiden Goldsucher kniffen die Lider zusammen und spähten durch, die schmalen Schlitze in das flirrende Licht. Sie entdeckten zwei große und zwei kleine dunkle Punkte auf dem grellen Sand. »Gäule und Reiter«, sagte Gus und stampfte los. »He, bist du übergeschnappt?« kreischte Lanky. »Wenn das 'ne Falle der Indsmen ist, was dann?« »Skalp weg«, antwortete Gus und lachte leise vor sich hin. »Ein Irrer«, schimpfte Lanky zwei Schritte hinter seinem Partner, »ich bin mit 'nem Irren in die Wüste gezogen. Oh, großer Moses, was soll nur aus mir werden? Was ist, wenn der liebe Gus völlig durchdreht?« Der mundfaule Digger wandte den Kopf, fletschte die Zähne und sagte mit tiefer Stimme: »Hackfleisch, mein Sohn. Das wird aus dir. Denn ich schlage dich tot, wenn du mit der Quatscherei nicht aufhörst.« Verblüfft starrte Lanky seinen Partner an. So viel hatte Gus schon lange nicht mehr hintereinander gesagt. Zumindest nicht, was ihre privaten Dinge betraf. »Mist!« knurrte Lankys Partner, zog den Revolver und feuerte zweimal. Die beiden Pferde waren erlöst. Wenn er jetzt die armen Kerle auch erschießt, würde ich mich gar nicht wundern, dachte Lanky. Erschrocken hielt er inne. Es wurde Zeit für ihn, ein paar Tage in der Zivilisation zu verbringen. Er merkte es ganz deutlich; denn immer, wenn er so seltsame Gedanken hatte, mußte er aus der Einsamkeit heraus. Gus kniete nieder und pfiff schrill durch die Zähne, als er die Brustwunde sah. Vorsichtig drehte er den Mann auf den
Rücken und rieb ihm Gesicht und Lippen mit Wasser ein. Einige Tropfen ließ er in den leicht geöffneten Mund laufen. Sofort schluckte der Bewußtlose krampfhaft. So schlimm war es also noch nicht, aber die beiden Burschen hatten allerhand durchgemacht. Gus goß dem Fremden den Mund voll. Das Wasser wirkte Wunder. Für Sekunden schlug der Mann die blauen Augen auf, musterte den Diggger, dann schloß er sie wieder, weil das grelle Licht ihn blendete. »Schon gut.« Gus winkte ab. »Kannst du laufen?« Er stützte den Verletzten und führte ihn langsam zum Tal, in dem die beiden Esel dösten. Lanky hatte bei Haggerty den gleichen Erfolg wie Gus bei dem anderen Mann. John stand auf und sagte. »Verdammt, ich habe schlappgemacht. Wo ist mein Pferd?« Lanky deutete auf den Kadaver. »Nichts mehr zu machen?« fragte der Scout, und der Digger schüttelte den Kopf. »Okay, Wasserflaschen und Gewehre nehme ich mit.« Kurz darauf ging Haggerty neben Lanky her, der auf einmal auch nicht mehr viel zu sagen wußte. Vielleicht lag es daran, daß der breitschultrige Fremde etwas ausstrahlte, das Lanky Achtung einflößte. Die Wildlederjacke und die Hirschlederhose wiesen auf einen Fallensteller, einen Mountainman hin. Für Sekunden glaubte sich Lanky am Ziel. Wenn dieser Trapper derjenige war, der die Ader gefunden hatte, zeigte er sich doch bestimmt dankbar. Innerlich schüttelte der Digger den Kopf über sich selbst. Was hatte der Trapper denn in der Wüste verloren, wenn er eine dicke Goldader zum Ausbeuten besaß? Nein, dieser Fremde war nicht der Gesuchte. Möglicherwiese war alles nur ein Gerücht, wie so vieles im Südwesten. Vielleicht sollten Gus und er es doch endlich aufgeben, die sagenhafte Ader zu
suchen. Aber was sie zwischendurch fanden, brachte ihnen immer gute Dollars ein. »Na, haben Sie mich lange genug betrachtet?« fragte Haggerty lächelnd. »Was? Wieso?« stammelte Lanky. »Sie sahen so aus, als versuchten Sie mich einer bestimmten Sorte Menschen zuzuordnen«, ewiderte der Scout. »Warten Sie, bis wir bei Ihrem Partner sind, dann werde ich erzählen.« Aber Gus hatte noch keine Zeit, sich die Geschichte der beiden Fremden anzuhören. Der schweigsame Digger hatte Jeffords' Hemd geöffnet und wusch den blutverkrusteten Oberkörper ab. »Schwein gehabt«, sagte Gus und deutete mit seinem schmutzigen Zeigefinger auf das Kugelloch. John beugte sich vor. Das Geschoß war schräg eingedrungen und von einer Rippe abgeglitten. Nun steckte es irgendwo hinter diesem Knochen. Staunend verfolgte der Scout, wie sich Gus umständlich die Hände wusch und dabei eine Menge Wasser verschwendete. Schließlich holte der Digger seinen Esel aus dem Gebüsch, schnallte eine flache Tasche ab und legte sie auf ein großes Tuch, das er vorher ausgebreitet hatte. Haggertys Staunen wurde noch größer, als er die blanken Instrumente sah, die verteufelt denjenigen des Militärarztes in Fort Buchanan glichen. »Sie sind Arzt?« fragte John. »Früher mal«, sagte Gus, »jetzt digge ich.« John hütete sich, weiter zu fragen. Das galt im Westen als ungehörig. Es ging nur einen Mann selbst was an, was hinter ihm lag. Aber Haggerty fand, daß Gus ein sehr guter Arzt gewesen war, denn er holte mit Hilfe von zwer Instrumenten die Kugel aus der Brustwunde, ohne daß es erneut blutete. Und Jeffords hatte nicht mal gezuckt!
»Danke, Mister«, sagte der Postmeister. »Wir müssen weg von hier«, forderte Lanky und zog seinen Esel aus dem Gestrüpp. »Wir ziehen uns tiefer in den Canyon zurück.« Haggerty und Jeffords saßen auf den Grautieren und kamen sich irgendwie komisch vor. Aber es war erholsamer, als zu laufen. Erst am frühen Abend war Lanky zufrieden und sammelte dürres Holz für ein Lagerfeuer. »Die Apachen lassen uns hier in Ruhe«, erklärte er. »Dieses fruchtbare Tal liegt inmitten der Halbwüste. Sie halten den Ort für gefährlich, für verflucht. Deshalb meiden sie ihn. Wir holen uns an Gold, was wir so brauchen. Ist 'ne mühsame Schinderei, Gentlemen. Eine richtig dicke Ader wäre uns willkommen.« John und Thomas lächelten. Die beiden Digger machten nicht den Eindruck, dem Goldfieber verfallen zu sein. Sie sahen die Sache wohl ganz nüchtern als Broterwerb an und schienen gut damit zurechtzukommen. Erst als der Kaffee in den Blechbechern dampfte, als John und Thomas jeder eine Pfanne Bohnen mit Speck geleert hatten, begannen sie zu erzählen. »Oh, verflucht«, sagte Lanky, als die beiden Fremden schwiegen, »und dieser Atkins treibt sich in dieser Gegend herum?« »Ich denke ja«, antwortete der Scout, »es sei denn, die Nedni-Apachen erwischten ihn und zogen ihm das Fell über die Ohren.« »Was am besten für alle wäre«, bemerkte Jeffords bissig. Gus wechselte einen Blick mit seinem Partner. Der nickte. »Wir bringen Sie zu einem Weg, der nach Norden führt«, sagte Lanky. »Aber wir können nur nachts trailen. Am Tag müssen wir uns totstellen, sonst erwischen uns die Rothäute. Sind Sie einverstanden?« Und ob die beiden einverstanden waren.
In der Dunkelheit brachen die vier Männer auf. Abwechselnd ritten sie auf den Eseln. Pferde besaßen die beiden Digger nicht. In der Wildnis kamen sie mit den genügsamen Langohren besser zurecht. Zwei Tage hockten die Männer in Verstecken und unterhielten sich. Zwei Nächte lang marschierten sie nach Norden. Im Morgengrauen der zweiten Nacht versorgten die Goldsucher ihre Schützlinge mit Proviant und Wasser. Munition hatten Haggerty und Jeffords noch genügend. »Macht's gut, Freunde«, sagte Lanky. »Und wenn ihr mal was von 'ner Goldader hört, die ein alter Trapper in seinem abgelegenen Tal fand, so sagt uns Bescheid. Denn nach dieser Ader suchen wir, damit wir endlich ausgesorgt haben.« * John Haggerty, Chiefscout von General Howard und Thomas Jeffords, Postmeister vom Apachen-Paß, marschierten nach Nordosten. Zwei Tage waren sie schon unterwegs. Wasser fanden sie inzwischen genügend. Die Canteens waren immer gefüllt. Und das Trockenfleisch der Trapper reichte den Männern als Nahrung. Jeffords dachte an das Erlebnis, das er in jenem Tal hatte, das er nur durch Zufall gefunden hatte. Apachen hatten ihn angegriffen. Aber in der Nacht zuvor war ein Ute-Indianer ans Feuer gekommen, der sich ebenfalls in der Felsenwildnis verirrt hatte. Dem Roten Elch hatten sie es schließlich zu verdanken gehabt, daß die Apachen ihren Angriff abgebrochen hatten und davongestürmt waren, als wäre der Teufel hinter ihnen hergewesen. Dort im Tal war Thomas auf die Hütte eines Trappers gestoßen. Fallen und Pelze hatten noch herumgelegen. Und das
Skelett eines Mannes hatten Jeffords und Roter Elch begraben. Thomas beschloß, dieser Sache weiter nachzugehen, sobald er Zeit dazu fand. Denn ein Gerücht über eine Goldader brachte wieder nur neue Unruhe über das Land und lockte die Glücksritter und Desperados an. Es war immer noch heiß, aber mit Wasser und Nahrung ließen sich die Strapazen halbwegs überstehen. Haggerty hob den Kopf und witterte wie ein Jagdhund. »Was ist los?« fragte Jeffords und warf einen Blick in die Runde. Nichts wies auf Gefahr, einen Feind hin, aber Thomas vertraute dem erfahrenen Scout, der den Südwesten beinahe so gut wie seine Hosentasche kannte. »Apachen«, behauptete Haggerty. »Sehen wir uns nach einer Deckung um.« Jeffords unterdrückte einen Fluch. Er hatte gehofft, auf einen Treck oder eine Patrouille zu stoßen, nicht jedoch auf Indianer. »Nedni-Apachen?« fragte der Postmeister. »Sind uns die Burschen bis hierher gefolgt?« John schüttelte den Kopf und erwiderte: »Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber wir werden ja bald feststellen, mit welchen Kriegern wir es zu tun haben.« Der Scout deutete auf Felstrümmer, die wie eine Brustwehr dicht nebeneinander lagen. Eine Riesenpalmlilie, die über 30 Fuß hoch aufragte, spendete Schatten. Die Männer schritten schneller aus und eilten auf die Deckung zu. Jeffords kletterte etwas mühsam über die Steine, denn er mußte sich wegen seiner Brustwunde noch schonen. Als Haggerty über die Felsen flankte, kam Hufschlag auf. Eine Rotte von drei Dutzend Kriegern jagte auf kräftigen Mustangs heran. »Zastee!« brüllten die Apachen. »Töte!« Bedächtig hob der Scout die Winchester an die Schulter und feuerte. Das vorderste Pferd brach zusammen. In hohem Bogen
flog der Indianer über die wehende Mähne, landete auf dem Boden und rollte sich blitzschnell ab, um nicht von den Hufen der folgenden Pferde zerschmettert zu werden. Aber der zusammenbrechende Mustang richtete eine Menge Verwirrung an. Vier, fünf Ponys prallten gegen den Kadaver, stolperten und warfen ihrerseits die Reiter ab. Die anderen Krieger zerrten an den einfachen Zügeln, rissen ihre Tiere zur Seite und hetzten sie an dem Pulk vorbei. Die Apachen wollten sich die vermeintlich sichere Beute nicht entgehen lassen. Ein Krieger fing es besonders schlau an. Er ließ sein Pferd unberechenbare Sprünge ausführen, die es allmählich immer näher an die Deckung der Bleichgesichter heranführte. Aber Jeffords war auf der Hut. Er drückte ab, als das Pony noch knapp zehn Yards entfernt war. Das Wutgeheul des Apachen übertönte fast das Peitschen der Schüsse. Der Krieger hatte sein wertvolles Pferd verloren, dem er diesen Trick in monatelanger Arbeit beigebracht hatte. Wie besessen stürmte der Indianer auf die Brustwehr zu. In seiner Rechten wirbelte die Schleuder, öffnete sich, und mit häßlichem Pfeifen sauste ein walnußgroßer Stein dicht an Haggertys Kopf vorbei. Jeffords hatte, keine andere Wahl mehr. Er feuerte, und der Krieger brach tot zusammen. Pfeile sirrten durch die Luft, prallten gegen Steine, schlitzten an drei Stellen Haggertys Wildlederjacke auf und zerfetzten Jeffords' Hutkrempe. Mit dumpfen Schlägen gruben sich die Metall- und Flintsteinspitzen in den zähen Stamm der Palmlilie. »Tontos«, rief Haggerty. »Schauen Sie sich die Pfeile an, Jeffords.« Dazu hatte Thomas wirklich keine Zeit, denn die Krieger verteilten sich, bildeten einen weiten Halbkreis und jagten auf ihren Mustangs heran. Der Abstand zwischen den einzelnen
Pferden blieb so groß, daß die Verteidiger nach jedem Schuß neu zielen, die Waffen schwenken mußten. Hier lag die Chance der Tonto-Krieger. Allein durch ihre Überzahl mußte es ihnen gelingen, die beiden Bleichgesichter niederzukämpfen. Ganz sicher hatten die Apachen den Scout erkannt. Auch der Postmeister konnte ihnen nicht fremd sein. Sowohl Jeffords als auch Haggerty waren oft genug mit Cochise und den anderen Häuptlingen zusammengetroffen. Bei den Tontos und Mimbrenjos galten diese beiden Männer sicherlich als Feinde Nummer eins, da sie dem großen Cochise einen Frieden aufzuschwatzen versuchten, den die anderen nicht wollten. Kugel auf Kugel jagten Jeffords und Haggerty aus den Gewehren. Sie verteidigten ihr Leben, aber sie versuchten, die Krieger nur zu verwunden, kampfunfähig zu machen. Das durchdringende Geheul der Tontos gellte John und Thomas schmerzhaft in den Ohren. Aber was war das? Ein neuer, fremder Ton mischte sich in das Kriegsgeschrei der Apachen. Es war das Angriffssignal der Kavallerie. Der Hornist schmetterte die Trompetenstöße. Dann dröhnten die Hufe laut auf. Ein Zug Soldaten preschte im gestreckten Galopp heran. Der führende Offizier hatte seinen Säbel gezogen und hielt ihn steil in die Luft gestreckt. »Attacke!« gellte die Stimme des Anführers, und die Soldaten fuhren wie ein Ungewitter zwischen den Tontos, die ihre flinken Ponys herumrissen, sich weit aus den Sätteln beugten und die Toten und Verwundeten zu sich hinauf zerrten und dann davonjagten. »Hinterher, jagt sie bis zum Nordpol!« brüllte der Offizier mit der ganzen Kraft seiner Lungen. »Captain Henderson«, bemerkte Haggerty grinsend und lud die Winchester auf. Der Hauptmann trat an die Brustwehr heran und zupfte an
der dunklen Augenklappe, die er links trug. »Gentlemen, die Kavallerie ist immer rechtzeitig zur Stelle«, sagte der Captain nicht ohne Stolz. Er umfaßte einen Pfeilschaft, zerrte ihn aus dem Stamm einer Yucca und betrachtete das Geschoß interessiert. »Ha, wir graben uns selbst unser Grab«, sagte Henderson und schnaubte. »Hier, eine Metallspitze. Woher haben die Apachen das Metall? Von uns Weißen. Wir sind doch ziemlich blöd, stelle ich fest.« Henderson war in den Anblick des Pfeiles versunken. Er bemerkte offensichtlich nicht, daß zwei Krieger noch einmal angriffen. Die beiden Apachen mußten einen Halbkreis geritten sein, denn sie kamen hinter Haggertys und Jeffords Deckung herausgerast und hielten die Maulbeerholzbogen schußbereit. »Los, zugleich!« rief Haggerty und schlug die Winchester an. Jeffords drückte ab, repetierte, aber das war seine letzte Kugel gewesen. Er zerrte Patronen aus den Gurtschlaufen, preßte sie in die Ladeklappe des Gewehrs, doch es war unnötig. Die Tontos drehten ab, verschwanden zwischen den hoch aufragenden Felsformationen. Der verblüffte Captain schüttelte den Kopf. »Üble Burschen, diese Krieger«, sagte Henderson, »geradezu hinterhältig. Ein entsetzliches Land, Gentlemen, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten.« Jeffords kannte den Hauptmann nicht näher. Er hatte ihn nur in Fort Buchanan ab und zu gesehen. Aber John Haggerty grinste breit. Er wußte, daß Captain Henderson in England aufgewachsen und erzogen worden war. Daher stammten seine manchmal sonderbaren Manieren, die im rauhen Südwesten meistens fehl am Platz waren. »Noch etwas Entsetzliches geschieht jetzt«, verkündete der Offizier. Mitleidig betrachtete er Haggerty und Jeffords. »Gentlemen, ich kann Ihnen leider nur die Packpferde
anbieten. Wir verfügen bei dieser Patrouille leider nicht über Reservetiere. Doch dafür bin ich bereit, meine erhaltenen Befehle eigenmächtig abzuändern und sofort nach Fort Buchanan zurückzureiten.« »Mann, Captain«, sagte Haggerty, »wir würden sogar auf 'nem Stachelschwein reiten, um schneller vorwärts zu kommen.« Henderson sah ihn etwas ungläubig an und sagte: »Also, Sir, alles was recht ist, das nehme ich Ihnen nicht ab. Auf einem Puma vielleicht, nun gut, aber nicht auf einem Stachelschwein.« Jeffords grinste über diesen seltsamen Hauptmann. Aber als die Dragoner zurückkamen, bewies Henderson seine Qualitäten als Offizier. Innerhalb von drei Minuten waren die Formation umgestellt und die beiden Packtiere entladen. Das Gepäck verteilte sich auf alle sechs Pferde der Soldaten. »Anreiten!« befahl Henderson und gab seinem Pferd die Zügel frei. Der Zug folgte dem Offizier in Doppelreihe. Als letzte ritten der Chiefscout und Jeffords. Sie waren froh, schneller voranzukommen, obwohl sie in Packsätteln hockten. Am späten Nachmittag sichtete der Postmeister den Apachen-Paß in der Ferne. In weniger als zwei Stunden hatte er es geschafft. Zuerst wollte er ein kühles Bad in der Pferdetränke nehmen, beschloß Jeffords. Es juckte ihn am ganzen Körper. Die feinen Sandkörner hatten sich überall im Gewebe der Kleidung festgesetzt und schrammten bei jeder Bewegung auf der Haut. »Gentlemen, Fort Buchanan und der Apachen-Paß«, verkündete Henderson mit großartiger Handbewegung, als hätte er diese Dinge extra erschaffen. »Ich möchte sofort zur Station hoch«, sagte Jeffords zu Haggerty. »Das Pferd schicke ich mit der nächsten Kutsche runter, okay?«
Der Scout nickte und fragte: »Setzen Sie den Bericht für den Marshal in Tombstone auf? Sie können ihn ja runterschicken ins Fort, und ich unterschreibe ihn dann.« Thomas grinste. Haggerty wollte sich wohl vor dem umständlichen Schriftkram drücken. Aber Jeffords war es recht. Die Pferde erreichten die relativ glatte Paßstraße und fielen in Trab. »Reiter vor uns«, meldete ein Soldat. »Es sind Indianer, Captain. Welche Befehle haben Sie?« »Weiterreiten«, antwortete Henderson und murmelte: »Warum habe ich es immer mit Schwachköpfen zu tun? Als ob die Apachen zu sieben oder acht angriffen, wenn Fort Buchanan nur einen Steinwurf weit weg ist!« »Cochise, Naiche und die Ehrengarde«, sagte Haggerty. »Wem gilt das, Jeffords, Ihnen oder mir?« »Wahrscheinlich beiden«, erwiderte der Postmeister. »Aber ich habe noch etwas Spezielles für den Chief. Wahrscheinlich wird er mit mir für ein paar Tage verschwinden, um die Sache zu klären.« John verbarg seine Neugier gut. »Adios!« rief der Scout und winkte Jeffords zu. Der Postmeister schwenkte seinen Hut, dessen von Pfeilspitzen zerfetzte Krempe traurig herabhing. * Spott schwang in Cochises Stimme mit, als er zu Jeffords sagte: »Hellauge, du reitest in einem kostbaren Sattel.« Thomas Jeffords verzog schmerzlich das Gesicht. »Ich bin froh, überhaupt auf einem Pferd zu sitzen, Jefe. Tagelang gingen wir zu Fuß, Haggerty und ich.« »Sprich, was ist geschehen?« forderte der Häuptling seinen weißen Freund auf.
»Wir überholten den Mörder, der in Tombstone während der Fiesta den Gefangenenwärter umbrachte und floh«, begann Jeffords. Er sah Naiches besorgtes Gesicht und fügte hinzu: »Außer mir und John Haggerty weiß niemand von dem Felsenweg. Und Haggerty ist euer Bruder.« »Es ist gut«, sagte Cochise. »Berichte weiter.« »Wir stellten den Bandit an der Laguna del Muerto…« Präzise aber knapp erzählte Jeffords bis zu dem Treffen mit den zwei merkwürdigen Goldsuchern. Thomas zögerte. Durfte er die beiden Männer nun an Cochise verraten? Schickte der Jefe dann seine Krieger los, um Gus und Lanky töten zu lassen? Immerhin hatten die Digger Haggerty und ihm selbst das Leben gerettet. »Zurück seid ihr also durch den Camino del Diablo geritten«, stellte der Jefe fest. »Jeder mit einer Wasserflasche.« Scheinbar verwundert blickte der Häuptling den Postmeister an und sagte mit feinem Spott: »Eine großartige Leistung. Du bist besser als der beste meiner Krieger, Hellauge. Warum sprichst du nicht weiter? Ich kenne die beiden Männer, die nach Gold suchen. Kein Apache wird sie je anrühren. Der Schweigsame ist ein großer Medizinmann. Er und sein Freund stehen unter meinem Schutz.« Thomas blickte verlegen zu Boden. »Ich wollte lieber nichts sagen, statt zu lügen«, erklärte er schließlich. »Die zwei haben uns das Leben gerettet, Jefe.« »Es sind gute Menschen«, sagte Cochise. »Sie töten keinen Apachen. Sie stehlen nichts, was wir brauchen, und sie stören nicht die Natur. Sie halfen Falke und dir also weiter, Hellauge?« »Ja, und anschließend gingen wir zwei Tage zu Fuß, bis wir auf Tonto-Krieger stießen, die uns angriffen«, fuhr Jeffords fort. »Wir verschanzten uns und wehrten den Angriff ab. Die Pferdesoldaten kamen zur rechten Zeit. Daher sitze ich in diesem Packsattel, Jefe.«
Cochise nickte nachdenklich und betrachtete Jeffords mit seinen dunklen Augen. Der Häuptling spürte, daß sein Freund ihm noch etwas zu sagen hatte. »Ich fragte dich nach dem alten Trapper, der in einem abgelegenen Canyon lebte«, begann Jeffords. Cochise schien wachsam zu werden. »Was ist mit dem? Ich denke, du hast seine Knochen nach eurer Sitte bestattet?« »Das stimmt«, antwortete Thomas. »Aber von den beiden Goldsuchern hörte ich, daß dieser Trapper eine große Goldader gefunden haben soll. Sie suchen schon lange nach dem Tal, Jefe. Weißt du von diesem Gold?« Prüfend blickte der Häuptling den Weißen an und fragte: »Hat dich auch die Gier nach dem gelben Metall gepackt, Hellauge? Oder warum fragst du mich nach der Fundstätte?« Jeffords lächelte und winkte ab. »Nein, es geht um was anderes. Diese Geschichte über eine gewaltige Goldader hat schon die Runde gemacht. Sicherlich dichtete jeder, der sie hörte und weitererzählte, etwas hinzu. Inzwischen wird sicher behauptet, daß die Ader so dick wie ein Hirsch sei und oben auf dem Boden liegt wie ein umgestürzter Baumstamm.« »So machen sich die Bleichgesichter selbst verrückt«, warf Naiche ein. »Das ist gleichgültig«, sagte Jeffords. »Aber die Weißen drängen in dieses Land. Sie werden vor den Dragoon Mountains nicht plötzlich haltmachen, Jefe. Wenn sie vermuten, daß dort, in den unübersichtlichen Tälern, die Ader liegt, stürmen sie die Berge, egal wie viele Opfer es kostet, egal wie viele Tote die Felsen mit ihrem Blut tränken. Und das will ich verhindern.« Cochise dachte nach. »Ich fühle, daß du recht hast, Hellauge«, sagte der Chief schließlich. »Aber was kannst du dagegen unternehmen?«
»Wir müssen beweisen, daß es keine Goldader in den Dragoons gibt«, antwortete Jeffords entschlossen. »Es ist das Gerücht, die Sage von dem großartigen Fund, das die Goldhyänen anlockt. Die Kerle durchstreifen die Canyons, lassen keinen Stein auf dem anderen und zerstören dein Land, Cochise.« Der Häuptling straffte sich. Stolz und in würdevoller Haltung saß er auf dem Mustang. Seine dunklen Augen blickten drohend und warnend zugleich. »Wenn das geschieht, Hellauge«, sagte Cochise, »töten meine Krieger die Eindringlinge.« Thomas Jeffords seufzte. Genau diese Antwort hatte er befürchtet. »Jefe, du gabst dein Wort, sechs Monde Frieden zu halten«, sagte der Postmeister nachdrücklich. »Läßt du die weißen Goldsucher töten, so brichst du dein Versprechen, und nie wieder wird jemand deinem Wort glauben können.« Jeffords machte eine Pause und beobachtete den Häuptling. Bedauerte Cochise, daß er General Howard Frieden versprochen hatte? Sehnte er sich nach den wilden Kämpfen zurück? Aber auch die Chiricahuas würden Kriegszüge nach Mexiko unternehmen und ihre wilde Gier so befriedigen. »Jefe«, fuhr der Postmeister fort, »deine Berge werden brennen. Ich sehe ungeheure Ladungen von Pulver und Dynamit, die keinen Stein der Dragoon Mountains aufeinander lassen. Denn wenn die Weißen Gold wittern, wenn sie nur das Gerücht von Gold hören, packen sie mit Zähnen und Klauen zu. Dieses Land wird den furchtbarsten Krieg erleben, den es je gab. Ich beschwöre dich: hilf mir, diese Gefahr abzuwenden!« Naiche sagte ein paar Worte in der Stammessprache. Er redete so schnell, daß Thomas kein Wort verstand. Cochise hob die Rechte und sagte: »Hellauge, ich glaube dir. Ich habe die Gefahr nicht ernst genug genommen. Wir reiten in zwei Tagen. Komm in meine Berge. Ein Krieger erwartet dich
und führt dich zu mir. Gemeinsam reiten wir in das kleine Tal des weißen Pelztierjägers. Ich danke dir für deine Warnung, deine Hilfe und deinen Starrsinn. Denn ohne ihn hättest du mich nicht überzeugt.« Der Häuptling zupfte am Zügel. Das Pferd drehte nach links. Naiche hob die Rechte und folgte seinem Vater. Die Krieger beachteten den Weißen nicht, der ihnen minutenlang nachblickte, bevor er sein Packpferd die Paßstraße hinauftrieb. »In zwei Tagen also«, sagte Jeffords halblaut. »Gut, hoffentlich finden wir nicht wirklich Gold. Dann bricht die Hölle auf.« * Der hölzerne Packsattel stieß Thomas empfindlich in sein verlängertes Rückgrat und drückte in die Oberschenkel. Nur noch wenige Minuten bis zu seinem Ziel spürte Jeffords die Unbequemlichkeit. Geduld, dachte er. Gleich liege ich in der Pferdetränke und ziehe mir anschließend frische Kleidung an. Als der Postmeister endlich das spitzgiebelige Dach des Stationshauses sah, atmete er auf. Burt Kelly stand vor der Tür und starrte seinen Boß an, als sähe er ein Kalb mit zwei Köpfen. Norbert Walker kam aus der Schmiede. Er konnte sein Grinsen nicht unterdrücken und rief: »He, Burt, lade mal das Packpferd ab! Den alten Sack kannst du hinten in den Schuppen werfen. Wir brauchen ihn nicht mehr.« Jeffords richtete sich auf. So ging das ja nun doch nicht. Er schenkte seinen beiden Helfern keinen Blick, sondern stieg steifbeinig vom Packgaul, streckte sich und riß sich die Kleider vom Leib, während er zur Pferdetränke hinüberging. »Nein!« brüllte Kelly, »nicht, Boß! Nicht einsteigen, Thomas!«
Aber Jeffords hörte nicht. Er achtete auch nicht auf Walkers feixende Miene, als er tief Luft holte, in das kalte Quellwasser stieg und die Kleider langsam unter die Oberfläche drückte. Wohlig drehte sich der Stationsleiter um sich selbst, tauchte unter und wischte sich Staub und Schweiß vom Gesicht und aus den Haaren. »Jetzt geht's mir besser«, sagte er zu Walter, der heranschlenderte. »Dieser feine Sand aus der Wüste kriecht überallhin. Er scheuert wie ein Reibeisen und setzt sich in Hemden und Hosen fest.« »Dir wird es gleich noch besser gehen«, sagte Walker, noch immer breit grinsend. Er holte aus der Gesäßtasche seiner Hose eine flache, zerbeulte Blechflasche hervor und schraubte sorgfältig den Verschluß ab. »Hier, nimm einen kräftigen Schluck, Boß«, sagte Norbert. »Du wirst ihn nötig haben.« Verwundert schüttelte Jeffords den Kopf und fragte: »Warum sollte ich?« »Das soll dir unser Wunderknabe selbst erzählen«, antwortete Walker und deutete mit der Hand, in der er die Flasche hielt, auf Burt Kelly, der zögernd herankam. »Ich rief dir doch zu, daß du nicht ins Wasser steigen sollst«, sagte Burt vorwurfsvoll. »Jetzt kann ich nichts mehr machen, Thomas.« Mißtrauisch schaute der Postmeister von Walker zu Kelly, dessen Gesicht beachtlich lang wirkte. »Was ist los? Raus mit der Sprache!« forderte Jeffords energisch. »Nun, Boß, es waren so viele Fliegen hier«, begann Burt zögernd. »Und die Biester schwirrten überall rum, setzten sich aufs Essen und so weiter. Ich habe Kerosin verbrannt, aber die Viecher sind nicht verreckt. Da kam nun gestern ein gelehrter Mann mit der Mittagskutsche. Er gab mir eine Flasche von
einem neuen Mittel aus dem Osten. Ich sollte das Zeug vorsichtig überall verteilen. Das hab' ich gemacht, aber danach stank alles derart, daß ich den ganzen Nachmittag putzen und scheuern mußte.« »Was hat das mit meinem Bad zu tun?« fragte Jeffords argwöhnisch. »Es wurde nicht besser, als ich geputzt hatte«, antwortete Kelly. »Ich stellte fest, daß der Gestank in alle Stoffe eingedrungen war. Und da habe ich eben heute morgen alles gewaschen, was wir besitzen. Auch die Pferdedecken.« Jeffords starrte Burt an und fragte leise: »Willst du damit sagen, daß ich entweder nackt rumlaufen oder hier drin sitzen bleiben muß, bis meine Sachen trocken sind?« Kelly kratzte sich am Kopf, druckste herum und murmelte schließlich: »Nun ja,, Boß, stimmt so, wie du's sagst.« Fassungslos blickte Jeffords seinen Helfer an und streckte die Hand aus. Ohne ein Wort zu sagen, legte Walker die Blechflasche hinein. Und Sekunden später roch es sehr stark nach gutem Whisky.
ENDE