GRUNDRISSE ZUM NEUE.,... TESTAMEI'-T
Textbuch zur
neutestamentlichen Zeitgeschichte llaP ' l """ II G K~""'G.A"'."=
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GRUNDRISSE ZUM NEUE.,... TESTAMEI'-T
Textbuch zur
neutestamentlichen Zeitgeschichte llaP ' l """ II G K~""'G.A"'."=
Textbuch zur neutestamentlichen Zeitgeschichte
Herausgegeben von Hans G.Kippenberg und Gerd A. Wewers
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Göttingen . Vandenhoeck & Ruptecht . 1979
•
eayerlaa'le lta.taolbllOthek " MOfiCflel\
TtJtlbNch tur ntutulamenlliehtn ZtilgtJchkhtt I hrsg. von HallJ G. Kippcnbcrg u. ~rd A. W~cn. - GÖflingcn : Vandcnhocck und Rupn:chl, 1979. (Grundrisse lum NCllCn Talamenl; Bd. 8) 1S8N J·S25·5 1357-7 NE: KippmberJ, Han5 G. fHrsg.!
C Vandcnhoec:k & Ruprcdll, Göttin&crI 1979. _ Prinlnt m ~rmany. Alle R«hlC vorbchallcrl. Ohne ausdrücltlkht ~chmllUn& da Verbg" .r a nkhr lalattn, du Buch oder Tnk dualIS aulloco- oder akuuom«hanlSChtm Wegc zu VCTVld'ilugen. Ge5,md~nICUUn&: Huben & Co., Göttmlcn.
Vorwort Die Anfänge des frühen Christentums sind eng mit der wirrschaftlichen Situation, mit den politischen Gegebenheiten und den religiösen Ideen Palä· stinas verbunden. Obgleich über diesen fast schon banalen Sachverhalt übereinstimmung besteht, gehen doch über die Wege, dies an zeitgenössi· sehen Texten zu zeigen, die Ansichten weit auseinander. Solange die neu- ' testamendichen Texte von sich aus explizit auf Zeitgenössisches hinweisen auf die römischen Statthalter, auf Pharisäer, auf Samaritaner, auf Sadduzäer und so weiter - wird man sich über die in Frage kommenden Texte im großen und ganzen einig sein. Anders ist es, wo nur implizite Übereinstimmungen auszumachen sind. Soll man hier zu einem direkten Vergleich zwischen bibli· sehern und nichrbiblischem Text einladen? Wir haben uns nicht dazu überwinden können. Wer so verfährt, der läßt sich den inhaltlichen Rahmen vom neutestamentlichen Schrifttum vorgeben. Er reißt auf diese Weise das Verglichene aus seinem Kontext, in dem es seine Bedeutung erlangt hat. Feinere übereinstimmungen, die mehr in einer ähnlichen Sicht von Problemen als in einer ähnlichen Lösung bestehen, fallen durch ein so grobes Netz ziemlich unbemerkt hindurch. Und schließlich muß man auch Zweifel haben, ob es gut ist, die Ideen des frühen Christentums von den sozialen Zwängen, unter denen sie entwickelt worden sind, zu trennen. Aus allen diesen Gründen haben wir uns zu einem anderen Vorgehen entschlossen. Wir möchten in einem ersten Abschnitt den materialen Geschichtsprozeß vorführen, von dem auch die frühe christliche Gemeinde betroffen war. Und wir möchten uns dann darauf konzentrieren, das theologische Denken zweier jüdischer Gruppen zu rekonstruieren, auf die das Neue Testament explizit Bezug nimmt: die Samaritaner und das rabbinische Judentum. Es sind nicht nur diese expliziten Hinweise, weshalb wir uns auf diese Gruppen beschränkt haben. Sie verdienen deshalb besondere Beachtung, weil sie beide - darin dem Christentum vergleichbar die schwere Krise des Judentums in der hellenistischen und römischen Kaiserzeit überlebt und auch überstanden, das heißt theologisch verarbeitet haben. Die zeitgeschichtlichen Hinweise, die im Schrifttum von Qumran und den Apokryphen/Pseudepigraphen enthalten sind, haben wir im Teil I aufgenommen. Es sind insgesamt nicht viele, da die diesbezüglichen Gruppen nur geringes Interesse an der geschichtlichen Wirklichkeit hatten. Zum Schluß darf der Hinweis nicht fehlen, daß dieses zeitgeschichtliche Textbuch durch ein religionsgeschichtliches ergänzt wird. Beide zusammen sind nötig, um die Beziehungen des Neuen Testaments zur Geschichte und Religion seiner Zeit zu dokumenrieren. Groningen / Salzgitter
Hans G. Kippenberg/Gcrd A. Wewers
Inhalt •
5
Hans G. Kjp~nbcrg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • . • ..
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. . . . . . ... . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort
I
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POLITISCHE UND ÖKONOMISCHE ORDNUNG jUDÄA5 IN HELLENISTISCHER UND RÖMISCHER ZEIT
Einl~itung
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,
1. Der Tempelstaat .
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a) Die Hierokratie
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I. Organisation der Provinz Judäa 17
b) Die priesterlichen Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
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2.. Vertthnrung untcr Jobannes Hyrkanos J8 J. Priester als Empfänger dN Zehnten J8 4. G~hsamC' Eintreibung des Zehnten 18 5. Differenzrn über den Empfänger cb Zehnten J9 6. Veruhntung samaritanischer Produku 19 7. Ober die Geltung des Zehnten 19 8. Thrologisc~ Ikgründung der Veruhn· tung 19
c) Tempelschan
.....
•
9. Trolpd als Gdd Dieses Worr bezeichnet eigentlich "Korallen oder "PerlenM. Es haI den gleichen Stamm wie die heiden Worte, die in der folgenden Deutung das Allerheiligste des Tempels bezeichnen. I
M
30. Dienst der Leviten
Mischna Thamid VII,4: Das Lied, das die Leviten im Heiligtum gesungen haben. Am ersten Tag (der Woche = Sonntag) haben sie gesungen I: dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und was darauf wohnt (Ps. 24, I). Am zweiten (Tag) haben sie gesungen: groß ist der Herr und sehr zu preisen in der Stadt unseres Gottes sein heiliger Berg (Ps.48,2). Am dritten (Tag) haben sie gesungen: Gott steht da in der Gottesversammlung, inmitten der Götter richtet er (Ps. 82,1). Am vierten (Tag) haben sie gesungen: Gott der Rache, Herr, Gott der Rache, erscheine (Ps. 94,1)! Am fünften (Tag) haben sie gesungen: freut euch an Gott, unserer Kraft! jauchzt dem Gott Jakobs zu (Ps. 81,2)! Am sechsten (Tag) haben sie gesungen: der Herr ist König. Mit Hoheit hat er sich umkleidet usw. (Ps. 93, 1). Am Sabbat haben sie gesungen: ein Psalm, ein Lied für den Sabbattag (Ps. 92, I). Ein Psalm, ein Lied für die kommende Zukunft, für den Tag, der ganz Sabbatruhe ist im Leben der Ewigkeiten 2. I
Im folgenden wird zur Kennzeichnung immer nur der Anfang des
betreff~nd~n
Psalms
zilierl.
: Vgl. Text 111.196.
31. Die jährlichen Wallfahrten
Mischna Chagiga 1,1-2 Jeder ist zum Erscheinen (im Tempel) I verpflichtet außer dem Tauben, dem Blöden, dem Unmündigen, dem .. tumtum"2, dem Zweigeschlechtigen, Frauen, nicht freigelassenen Sklaven, dem Lahmen, dem Blinden, dem Kranken, dem Ahen und jedem, der nicht auf seinen (eigenen) Füßen (den Tempclberg) hinaufsteigen kann. Was ist ein Unmündiger? Jeder, der nicht auf den Schultern seines Vaters reiten kann, um (so) von Jerusalem zum Tempclberg hinaufzusteigen 9
Kippcnbtrg, Telffburh
130
111. Das rabbinische JudcnNrn
Worte von Schammais (T. um 30 v.ehr.) Schule. Aber HilIeIs (T. um 20 v.ehr.) Schule sagt: jeder, der nicht die Hand seines Vaters anfassen kann, um (so selbst) von Jerusalem zum Tempelberg hinaufzusteigen. Wie gesagt ist: drei Fußwa/lfahrten (2.Mose 23, 14)3. Schammais Schule sagt: das Erscheinungsopfer (beträgt mindestens) zwei Silber(mea) 4, und das Fesropfer (beträgt mindestens) einen Silbermea. Aber HilIeIs Schule sagt: das Erscheinungsopfer (beträgt mindestens) einen Silbermea, und das Festopfer (beträgt mindestens) zwei Silber(mea). I
Bei den drei großen Fwen. Siehe Tex! 111 JJ.
l Ein Mensch mit lugewachsC'nen Genitalien. J
Er muß 31so selbst gehen können.
4
KleineSil~rmünztn.
32. Ehrfurcht vor dem Tempel
•
Babli ]ebamorh 6b, Und welches ist jene Ehrfurcht vor dem Heiligtum? Ein Mensch betritt nicht den Tempelberg mit seinem Stab, mit seinem Schuhwerk, mit seinem Geld· gürtel und mit Staub an seinen Füßen, und er macht ihn nicht zu einem Durchgang, und das (Verbot des) Ausspucken(s ergibt sich) aus (einem Schluß vom) Gering(en auf das) Gewichtig(e). Aber (hieraus) habe ich es nur für die Zeit, wo das Haus des Heiligtums bestand. Woher für die Zeit, wo das Haus des Heiligtums nicht besteht? Die Schrift lehrt: meine Sabbate sollt ihr bewahren und mein Heiligtum fürchten (3. Mose 19,30)! Wie das Bewahren, das über den Sabbat gesagt ist, ewig ist, (so) ist auch die Ehrfurcht, die über das Heiligtum gesagt ist, ewig.
33. Erhebung der Tempelsteuer
Mischna Scheqalim 111, J a: Zu drei Abschnitten im Jahr erhob man (die eingegangenen Steuerbeträge) aus der Schatzkammer I: einen halben (Monat) vor dem Passafest, einen halben (Monat) vor dem Wochenfest, einen halben (Monat) vor dem Laubhüttenfest 2 • 1
1
Hi~rin war~n si~
vorher deponiert worden. Dassind die drei großen WalJfahrtsfcste. Vgl. 2. Mose 23, 14-17 und Text 111.31.
34. Verwendu,rg der TempeJsteuer
Mischna Scheqalim IV,I-4a: Was machte man mit der Hebe I? Man kaufte davon die beständigen Opfer und die Zusatzopfer (für die Festtage) und ihre Trankopfer, dic Schwinge· garbe 2 und dic zwei Brote,) und die Schaubrote und alle Darbringungen der Gemeinde. Die Wächter der Nachwüchse im Sicbcmjahr 4 empfingcn ihren Lohn von der Hcbe aus der Schatzkammer. Rabbi Josc (T. um 150) sagt: wer als freiwilliges Gelübde Wächter sein will, ist es uncntgeltlich. Man hat zu
Das rt:ligiöse Ltbtn
1J1
ihm gesagt: auch du sagst (doch), daß die (Schwingegarben) nur als Gemeindeabgabe kommt 5!? Die rote Kuh 6 und der hinausgeschickce Bock 7 und der Glanzstoffsrreifen 8 kommen von der Hebe aus der Schatzkammer. Der Steg der roten Kuh 9 und der Steg des hinausgeschickten Bocks 10 und der Streifen zwischen seinen Hörnern. der Wasserkanal (des Tempelbergs) und die Mauem der Stadt (Jerusalern) und ihre Türme und alle Bedürfnisse der Stadt kommen von den Resten aus der Schatzkammer 11. Abba Schaul (T. um 150) sagt: den Steg der roten Kuh machten die Hohepriester zu ihrer eigenen Abgabe. übrig blieben (dabei Beträge von den) Reste(n) aus der Schatzkammer. Was machte man mit ihnen? Man kaufte davon Wein, 01 und Mehl. und der Gewinn 12 war für das Heiligtum - Worte von Rabbi ]ischmael (T. gest. um 135). Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) sagt: man hat keinen Gewinn aus einer Abgabe für das Heiligtum! Auch nicht aus der Abgabe der Armen! übrig blieben (dabei Beträge von der) Hebe. Was machte man damit? (Man ließ) Goldplarren zum Belegen des Allerheiligsten (anfertigen). Von den Steue~trägen aus derSchattkammer Erhobents. J 3. Most 23,9 ff. J J. Most 23, 17ft. • J. Most 25, I ff. Aus ditsen Nachwüchstn wurde die Schwingegarbe entnommen. $ Also dürfte keine persönliche ldStung daran haften wie etWa das gt:lobte unenlgt:ltliche Btwachcn. '''.Most 19,1ff. 1 J.Most 16, IO.20ff. • •. Mosc 19,6. , Auf ihm schaffte man dit rolt Kuh vom Ttmpdbt:rg lum Olbtrg. 10 Auf ihm wurdt der Bock vom Ttmpd ins Frtlt gdühn. 11 Also nicht aus dtr Hebt. I l Aus ihrem Vtfkauf an dit Darbringer von Pri\·atopfern. I
35. Wirkungell der Tempelzerstöru1Ig Mischna Sota IX, 12-15: Rabban Schimcon-ben-Gamliel (T. um 140) sagt im Namen von Rabbi ]ehoschua (T. um 90): von dem Tag an, da das Haus des Heiligtums zerstört ist, gibt es keinen Tag, an dem kein Fluch ist, und der Tau fällt nicht zum Segen, und der Geschmack der Früchte ist weggenommen. Rabbi lose (T. um 150) sagt: auch das Mark der Früchte ist weggenommen. Rabbi Schimeonben EJeasar (T. um 190) sagt: die Reinheit ist weggenommen mü dem Geschmack und mit dem Geruch, die Zehnten sind weggenommen mit dem Mark des Getreides. Und die Weisen sagen: Hurerei und Zauberei haben alles verenden lassen. Im Krieg des Vespasian I hat man über die Bräutigamskränze und über die HandtrommeP (das Verbot) beschlossen. Im Krieg des Tirus J hat man über die Brautkränze und (darüber), daß ein Mensch seinen Sohn nicht Griechisch lehren soll, (das Verbot bzw. Gebot) beschlossen. Im letzten Krieg 4 hat man
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11I. Das rabbinisch~ Judtntum
beschlossen, daß die Braut nicht in einer Sänfte minen durch die Stadt ziehen soll. Aber unsere Lehrer haben (später) erlaubt, daß die Braut in einer Sänfte minen durch die Stadt zieht. Mit dem Tod von Rabbi Meir (f. um 150) haben die Spruchdichter (oder: Gleichnisdichter) aufgehört. Mit dem Tod von 8en·Assai (T. um 110) haben die fleißigen (Schüler) aufgehört. Mir dem Tod von Ben-Soma (T. um 110) haben die Ausleger (der Thora) aufgehört. Mit dem Tod von Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) hat die Ehrung der Thora aufgehörr. Mit dem Tod von Rabbi Chanina-ben-Dosa (T. um 70) haben die Männer der Tat aufgehört. Mit dem Tod von Rabbi Jose Qetantha (T. um ?) sind die Frommen verschwunden. Und warum wird sein Name Qetantha genannt? Weil er der Jüngste (.. qetantha") der Frommen gewesen ist. Mit dem Tod von Rabbi Jochanan·ben·Sakkai (T. gest. um 80) hat der Glanz der Weisheit aufgehört. Mit dem Tod von Rabban Gamliel dem Alten (T. um 30/40) hat die Ehrung der Thora aufgehört, und es starben die Reinheit und die Absonderung (= das Pharisäertum?). Mit dem Tod von Rabbi Jischmael·ben-Pabi (T. um ?) hat der Glanz der Priesterschaft aufgehört. Mit dem Tod von Rabbi (T. gest. 217) haben Demut und Sündenscheu aufgehört. Rabbi Pinchas-ben·Jair (T. um 200) sagt: seitdem das Haus des Heiligtums zerstört ist, sind die Genossen (= Gelehrten) und die Vornehmen beschämt und verhüllen ihr Haupt. Und verkümmert sind die Männer der Tat, und stark geworden sind die Menschen der Faust und die Menschen der Zunge. Niemand forscht, und niemand sucht, und niemand fragt. Auf wen sollen wir vertrauen? Auf unseren Vater im Himmel! Rabbi Elieser der GroBe (T. um 90) sagt: von dem Tag, da das Haus des Heiligtums zerstört ist, gleichen die Weisen den Kinderlehrern, die Kinderlehrer den Synagogendienem und die Synagogendiener (den Ungebildeten aus) dem Landvolk, und (die Ungebildeten aus dem) Landvolk gehen dahin und verkümmern. Niemand forscht, und niemand sucht. Auf wen sollen wir vertrauen? Auf unseren Vater im Himmel! An.5 den Fußspuren des Messias wird die Frechheit wachsen und die Teuerung (oder: Hochachtung) drückend werden, der Weinstock wird seine Früchte geben, aber der Wein wird teuer sein, und 6 die Herrschaft (= Rom) wird sich zur Ke[7.erei hinwenden, und eine Zurechtweisung wird nicht mehr sein; das Lehrhaus wird zum Hurenhaus werden, Galiläa wird zerstört werden, und Gablan 7 wird verödet sein, die Männer des Grenzgebiets werden von Stadt zu Stadt wandern und werden nicht Erbarmen finden, die Weisheit der Schriftgelehrten wird sinnlos werden, die Sündenscheuen werden verachtet werden, und die Wahrheit wird vermißt werden; Junge werden das Gesicht der Alten beschämen, und Alte werden vor Unmündigen aufstehen, der Sohn wird den Vater entehren, die Tochter tritt auf gegen ihre Mutter, die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter, die Feinde eines Mannes werden Männer seines Hauses sein, das Aussehen der Generation wird wie das Aussehen eines Hundes sein, der Sohn wird sich nicht vor seinem Vater schämen. Und auf was sollen wir vertrauen? Auf unseren Vater im Himmel!
Das religiöse Leben
l3J
Gemeint ist der Krieg 66-73, in dessen enter Periode Vespasian ~ldMrr Neros war. 1 Bei einer HocmeilSfeier. ) Di~ Lesart des Namens ist nicht gesichtrt_ TiIUs, \kr Sohn Vnpasians, regierte 79-81 und wurde 69nO von snncm Vater mit der Fonfiihrung des Kampfs g~en die AulsLändiscMn ~aufll':llgt, der zur Zerstörung des Tempds führte_ Andere Texneugen lesen ..Quierus", der als ~ldMrr Trajans (98-117) und Stanhalter von Judäa sich durch blutige Niederwerfung von Aufstän\kn hervortat. Nach P.Billerlxdc I 508 u.a. ist diese Usart vonuziehen und die Zeit 115-117 gemdnt. • Gemeint ist wohl ckr Aufstand Ben-Komas unter Hadrian in den Jahren 132-1 J5. S Vgl. Tut IU. 185. 6 Dieser San ist mit der Mischna des Thatmud Jeruschalmi zu ergäTlZC'n. Vgl. die Parallele Text 111.185. 7 Ein unbekannter Ort oder möglicherweise der Grenzbezirk zwischen Israd und Syrien (Gaulaniris). I
b) Die Synagoge Zunächst hatten die Synagogen als Häuser der Zusammenkunft für Gottesdienst und Schulbetrieb eine große Bedeutung für die ürte außerhalb Israels, in denen eine größere Judenschaft ansässig war (Text 111.36). Doch schon bald finden sich in Orten Palästinas und in Jerusalem Synagogen (Text 111.37). Ihre theologische Bedeutung war nach der Zerstörung des Tempels gewachsen: wo Israel sich versammelte, war GOtt gegenwärtig (Text 111.38). Zum Synagogengottesdienst war eine Mindestanzahl von zehn Männern vorgeschrieben (Text 111.39), die Sinordnung war gemäß der Rangordnung in der G~m~inde genau feslgelegt (Text 111.39). Geleitet wurde die Synagoge von dem Synagogenvorstand (Text 111.41, 126), die Rabbinen hatten hier kein Msonderes Amt. Ein besonderes Amt hatte der Vorbt'ter (Text 111.42), denn die Hauptmomeme des Synagogengottesdienste5 waren das Gebet, die Lesung aus der Thora (hier: 1.-5. Mose) und die zweite lesung aus den Prophtten oder dtn übrigen Schrift..-n (Text 111.43). Ikreits frÜh lassen sich Predigten in Form von Schriftauslegungen beobachten, wobei die Ikurteilung einer Predigt durchaus erlaubt und angemessen war (Text 111.44). Die btiden ausgewählttn Prtdigten (T"-Xlt 111.45, 46) sind aus einer ausgesprochen großen Anzahl von Beispiden ausgewählt. B~ide haben exemplarischen Charakter. Di~ frühe Predigt (Text 111.45) über Verse aus 5.Mose und Prediger ist in dieser Form sicher nichl so gehalten worden, sondern als Hörerwiedergabe zu verstehen, die nur das Wichtigste enthäh. Die Predigt wurde zum Teil mit hohcr Schriftgelehrsamkeit verbunden, wie die genaue Auslegung von Jes. 10,30 zeigt (Texi 111.46). Dic Veräußerung von $ynagogeneigclltum, was etwa bei Beschädigung denkbar war, wu rde verschieden beurteilt (Text 111.47). E. Lohse I 15-121; 1'. BiIll'rbcck IV 115-188.
36. Die Synagoge von AJexalldriell Thosephlha Sukka IV,6 (M.S.Zuckermandel 198): Rabbi ]ehuda (T. um 150) hat gesagt: jeder. der nicht den Doppelsäulengang (der Synagoge) von Alexandria gesehen hat, der hat all sein Lebtag nicht die große Herrlichkeit von Israel gesehen. Nach Art einer großen Basilika (war sie gebaut und) harte einen Säulengang innerhalb (noch) eines Säulengangs. Manchmal sind in ihr doppelt soviel (Menschen) gewesen wie aus Ägypten ausgezogen waren I. Und einundsiebzig Goldsessei sind in ihr gewesen ent-
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111. Das rabbinische Judentum
sprechend den einundsiebzig Altesten (lsraels}2, und jeder einzelne war angefertigt von fünfundzwanzigtausend (Golddenaren). Und eine Holztribüne (= Rednerpult) ist in der Mitte gewesen, und der Synagogendiener stand an der Ecke, und Tücher waren in seiner Hand. Hat einer (mit dem Segensspruch) angefangen (, seine Schriftlektion) zu lesen, hat jener die Tücher geschwenkt, und das ganze Volk antwortete: Amen. Bei jedem einzelnen Segensspruch hat jener die Tücher geschwenkt, und das ganze Volk antwortete: Amen. Und sie haben nicht durcheinander gesessen, sondern die Goldschmiede (saßen) für sich, und die Silberschmiede (saßen) für sich, und die Grobschmiede (saßen) für sich. und die Weber (saßen) für sich, und die Kunstweber (saßen) für sich, damit, wenn ein Fremder kam, er sich an sein Handwerk 3 wendete, und von ihm ging sein Lebensunterhalt aus. 1 1
3
Also nach 2. Mose 12.37 zweimal 600000. Vgl. Tex! 111. 89. Gemeint sind zunftanige Zusammenschlüsse von Handwerkern.
37. Synagogeninschrift in ]erusalem Corpus Inscriptionum ludaicarum 1404 1: Theodotos, des Vettenos Sohn, Priester und Synagogen vorsteher, Sohn eines Synagogen vorstehers, Enkel eines Synagogenvorstehers, erbaute die(se) Synagoge zur Vorlesung des Gesetzes und zum Unterricht in den Geboten, ebenso auch das Fremdenhaus und die Kammern und die Wasseranlagen für die (Pilger) aus der Fremde, die eine Herberge brauchen. Den Grundstein dazu hatten gelegt seine Väter und die Ältesten und Simonides. Die übersenung wurde entnommen C. K. Barrett, Die Umwel! dl'S Neuen TestamenlS, Tübingen 1959.5.61. I
38. Gottes Gegenwart in der Synagoge Pesiqtha de Rab Kahana 28,8 (B. Mandelbaum 431 1.), Rabbi Judan (Po um 350) im Namen von Rabbi Jizchaq (P. um 300): zu jeder Zeit, wenn die Israeliten sich in den Synagogen und in den Lehrhäusern versammeln, läßt der Heilige (= Gott) seine Gegenwart sich mit ihnen versammeln. Und was ist der Grund? Versammle dich doch, so wolle" wir dir ei" Ziege"böckchen bereiten (Richter 13,15)! Rabbi Chaggai (P. um 330) im Namen von Rabbi Jizchaq (P. um 300): zu jcder Zeit, wenn die Israeliten in den Synagogen und in den Lehrhäusern harren, läßt der Heilige, gepriesen sei cr, seine Gegenwart mit ihnen harren. Und was ist der Grund? Ich harrte, harrte auf den Her"" und er neigte sich zu mir (Ps 40,2).
39. Die Zeh"zahl Mischna Megilla 1II,3a: Manspricht nicht die Segenssprüche beim .. Hörc" I, und man tritt nicht (als Vorbeter) vor die Lade l , und man erhebt nicht seine Hände (zum Segen), und
Das religiöse Leben
135
man liest nicht aus der Thora (vor), und man beschließt nicht (die Lesung) mit einem (Abschnitt aus einem) Propheten, und man veranstaltet (bei einer Trauerfeier) kein (abwechselndes) Stehen und Sitzen, und man spricht nicht den Trauersegen, die Trostworte an die Trauernden und den Hochzeitssegen, und man spricht nicht (nach einem gemeinsamen Mahl die Danksagung) mit (Nennung des Gottes)namen(s) bei weniger als zehn (anwesenden Personen). Das tägliche Gebet bestehend aus 5.Mose 6,4-9; I t, 13-21; 4.Mose 15,37-41, einleitenden und abschließenden Segenssprüchen. l Siehe Text 111.42. 1
40. Sit,ordnung Thosephtha Megilla IV,21 b (M.S. Zuckermandel227): Wie haben die Ältesten gesessen? Ihr Gesicht gegen das Volk und ihr Rücken gegen das Heilige 1. Und wenn man die Lade (vor der Gemeinde) niedersetzt, ist ihre Vorderseite gegen das Volk und ihre Rückseite gegen das Heilige. Und wenn die Priester ihre Hände (zum Segen) erheben, ist ihr Gesicht gegen das Volk und ihr Rücken gegen das Heilige. Und der Synagogendiener? Sein Gesicht ist gegen das Heilige. Und das ganze Volk? Ihr Gesicht ist gegen das Heilige. Wie gesagt ist: und die Gemeinde versammelte sich ,um Eingang des Offenbarungs,eltes hin (3. Mose 8,4). I
Der Raum für die Lade mit den Thorarollen.
41. Der Synagogenuorsteher Thosephtha Megilla IV,21 a (M.S. Zuckermandel227): Der Synagogen vorsteher lese nicht (aus der Schrift) vor, bis es ihm andere gesagt haben, denn kein Mensch gibt sich selbst die Ehre 1. Danaus ist zu schlidkn, daß es sonst die Aufgabe des SynagogenvotStt."ht."tS ist, andt."rt:n Anwesenden die Ehre dt."r Schriftlesung zuzuteilen. I
42. Der Vorbeter Thosephtha Rasch ha'schana IV, 12 (M.S.Zuckerrnandel214): Rabban Garnliel (T. um 90) sagt: der Bote der Gemeinde I entbindet die Menge von ihrer Verpfliehrung (zum Gebet). Aber die Weisen sagen: jeder einzelne entbindet für sich. Er hat zu ihnen gesagt: wenn es so ist, warum läßt man ihn dann vor die Lade treten? Sie haben zu ihm gesagt: um den zu entbinden, der nicht kundig ist. Er hat zu ihnen gesagt: wie er den enrbindet, der nicht kundig ist, so entbindet er den, der kundig ist! Sie haben zu ihm gesagt: wenn es so ist, warum betet jeder einzelne (dann auch noch)? Man hat gesagt: damit der Bote der Gemeinde (das Gebet) für sich ordnet. Der Vorbett."r, der aus dt."r gonesdienstlicht."n Gt."mt."indt." von dieser nach vorn (als Bott." vor Gott) geschickt wird. 1
U1. Das f21bbinisch~ Jucknrum
136
43. Gottesdienstordnung Schir ha-schirim Rabba 8, 13 (Wilna 41 b): So beschäftigen sich die lsrachten die ganzen sechs Tage mit ihrer Arbeit. Aber am Sabbanag stehen sie früh auf und kommen in die Synagoge. Und sie lesen das .. Höre" I, und sie treten (als Vorbeter) vor die Lade 1, und sie lesen aus der Thora (vor) und beschließen (die Lesung) mit einem (Abschnitt aus einem) Propheten. I
l
Siehe Text 111.39 Anm.I. Siehe Text IlIAI.
44. Prediger lind Hörer Schir ha-schirim Rabba 4, 1 t (Wilna 28 a): Rabbi Eleasar (P. um 270) und Rabbi Jose-bar-Chanina (P. um 270) und die Gelehrten. Rabbi Eleasar sagt: jeder, der Worte der Thora vor der Menge sagt, und sie gefallen ihren Hörern nicht wie dieses Feinmehl, das am Sieb klebt, für den wäre es besser, wenn er sie nicht gesagt härte. Rabbi jose sagt: jeder, der Worte der Thora vor der Menge sagt, und sie gefallen ihren Hörern nicht wie dieser Honig, der aus dem (frischen Honig)f1uß kommt, für den wäre es besser, wenn er sie nicht gesagt härte. Die Gelehrten haben gesagt: jeder, der Worte der Thora vor der Menge sagt, und sie gefallen ihren Hörern nicht wie Honig und Milch, die miteinander vermischt sind, für den wäre es besser, wenn er sie nicht gesagt härte. Rabbi Jochanan (P. gCSl. 279) und Resch-Laqisch (P. um 250). Rabbi jochanan hat gesagt: jeder, der Worte der Thora vor der Menge sagt, und sie gefallen ihren Hörern nicht wie diese Braut, die den Menschen unter dem Traubaldachin gefällt, für den wäre es besser, wenn er sie nicht gesagt härte. Resch-Laqisch hat gesagt: jeder, der Worte der Thora vor der Menge sagt, und sie gefallen ihren Hörern nicht wie diese Braut, die ihrem Mann in der Stunde, wo sie untet dem Traubaldachin steht, gefällt, für den wäre es besser, wenn er sie nicht gesagt härte.
45. Eine Predigt aus früher Zeit
Thosephlh. SOl. VII. 9-12 (M. S. ZuckermandeI307): Es geschah bei Rabbi jochanan-ben-Beroqa (T. um 110) und Rabbi Eleasar· Chasma (T. um 110). Die gingen von Jabne I nach Lydda und haben (ihren Lehrer) Rabbi Jehoschua (T. um 90) in Peqiin besucht. Er hat zu ihnen ge· sagt: welche Neuigkeit gab es heute für euch im Lehrhaus? Sie haben zu ihm gesagt: deine Schüler sind wir, und von deinem Wasser trinken wir l ! Er hat zu ihnen gesagt: es ist unmöglich, daß im lehrhaus keine Neuigkeit war! Wessen Sabbat war es 3 ? Sie haben zu ihm gesagt: es war der Sabbat von Rabbi Eleasar·ben·Asarja (T. um 100). Er hat zu ihncn gesagt: und über was hat er vorgetragcn? Sie habcn zu ihm gcsagt: lJersammle das Volk, die Männer und die Fral~en und die Ki"der (5. Mose J I, 12)! Er hat zu ihnen gesagt: was
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hat er darüber vorgetragen? Sie haben zu ihm gesagt: Rabbi, er hat so darüber vorgetragen: wenn die Männer kommen, um zu lernen, die Frauen kommen, um zu hören, warum kommen die Kinder? Um Lohn für die zu empfangen, die sie bringen. Und ferner hat er vorgetragen: du hast den He"n heute sagen lassen, und der He" hat dich heute sagen lassen (5. Mose 26, 17f.). Der Heilige, gepriesen sei er, hat zu den Israeliten gesagt: wenn ihr mich zu einer Verherrlichung in dieser Welt macht, werde ich euch zu einer Verherrlichung in der zukünftigen Welt machen. Und ferner hat er vorgetragen: die Worte der Weisen sind wie Stacheln (Prediger 12,1l). Wie dieser Stachel 4 die Kuh in gerader Richtung lenkt, um Leben in die Welt zu bringen, so bringen die Worte der Thora Leben in die Welt. Sind etwa, wie dieser Stachel beweglich ist, auch die Worte der Thora beweglich (= veränderlich)? (Nein,) die Schrih lehrt: und wie eingepflalllte (= feste) Nägel (Prediger 12,11). Werden sie nicht weniger und nicht mehr? (Doch,) die Schrift lehrt: eingepflanzte {Prediger 12,11)5. Die Versammelten (Prediger 12, t 1). Das sind die Schriftgelehrten, die versammelt sitzen und zu Unreinem "unrein" und zu Reinem "rein" sagen. Nicht sage ein Mensch bei sich: wenn jene (Gelehrten) verbieten und jene (Gelehrten) erlauben, warum lerne ich 6 ? (Nein,) die Schrift lehrt: sie sind gegeben von eir,em Hirten (Prediger t 2, 11). Ein Hirte (= Mose) hat sie empfangen, ein Gott hat sie erschaffen. (So) mache auch du dein Herz wie (offene) Kammern und laß darin eintreten die \'(forte derer, die für unrein erklären, und die Worte derer, die für rein erklären! Er (= Rabbi Jehoschua) hat zu ihnen gesagt; Das Geschlecht verwaist nicht, das Rabbi Eleasar-bcn-Asarja in seiner Mitte weilen hat. Siehe Tex( 11I.11 Anm.5. J D. h. was können wir, die wir von dir lernen, dir Neues S3gen? J Wer Irug:Jn diesem Sabbat vor? • Im Ochsenstecken eines Treibers. J Das WOrt läßI ein Wachsrum oder eine Minderung des gönlichen Wons durch die Auslegung der Gelehrten zu . .. Ist es nichl sinnlos? I
46. Eine exegetische Predigt Eka Rabbathi Einleitung 1 (S. Buber I a): Rabbi Abba-b:u-Kahana (p. um 310) hat eröffnet: dein Geschrei luiehere. Tochter der Steinhaufen (Jes. 10,30)! Jesaja hat zu Israel gesagt: solange ihr Lieder und Gesänge vor dem Götzendienst sagt (, gilt): dein Geschrei wiehere durch die Worte der Thora, de;" Geschrei wiehere in den Versammlungs· häusern. Tochter der Steinhaufeu ("gallim") (Jes. IO,30). Wie jene Wellen ("gal. lim"') im Meer hervorstechend sind, so sind ihre Väter in der Welt hervor· stechend.
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Eine andere Auslegung. Tochter der Steinhaufen. Töchter der Verbannungen (..gelojae"). Die Tochter von jenem Abraham, über den geschrieben steht: und es kam eine Hungersnot über das Land, und Abram zog nach Agypten hinab (1.Mose 12,10). Die Tochter von Isaak, über den geschrieben steht: und Isaak ging zu Abime/ech. dem König der Philister. nach GeraT (1.Mose26.1). Die Tochter von Jakob. über den geschrieben steht: und er ging nach Mesopotamien (I.Mose 28,S). Horche auf (jes. 1O,30)! Horche auf die Gebote, horche auf die Worte Jer Thora, horche auf die Worte der Prophezeiung, horche auf die Gerechtigkeiren und Wohltaten! l..Ajescha (jes. 10,30). Aber wenn nicht: der Löwe (.. Iajisch"). Dieser Löwe ..seliq" (= die Seleukiden) ist über dir! Das ist der Frevler Nebukadnezar, denn es steht über ihn geschrieben: herauf steigt der Löwe aus seinem Dickicht (Jet. 4,7). Amworte ihr (jes. 1O,30)! Amworte ihr von den Gerechten, antworte ihr von den Worten der Prophezeiung, anrworte ihr von den Geboten und Wohltaten! Anathoth (jes. 10,30). Aber wenn nicht: Anathoth. Dieser aus Anathoth 1 wird kommen und über dich prophezeien. Denn es steht geschrieben: Worte des ]eremia. Sohn des Chilqijahu der von der, Priestern ir, Anathoth war (jer. 1,1). Als die Bestrafung gekommen war, hat er über sie die Wehklage 2 angestimmt. I J
Der Prophcl Jcrcmia. Das Buch Klagdi«kr.
47. Veriiußerung von Synagogeneigentum Mischna Megilla IV, 1-2: Die Stadtbewohner, die den Stadtplatz verkauft haben, kaufen dafür ein Versammlungshaus (= Synagoge); ein Versammlungshaus, kaufen sie eine Ladcl; eine Lade, kaufen sie Hüllen (für die Thorarolle); Hüllen, sollen sie Bücher kaufen; Bücher, kaufen sie eine Thora(rolle). Aber wenn sie eine Thora(rolle) verkauft haben, sollen sie nicht Blicher kaufen; Blicher, sollen sie nicht Hüllen kaufen; Hüllen, sollen sie nicht eine Lade kaufen; eine Lade, sollen sie nicht ein Versammlungshaus kaufen; ein Versammlungshaus., sollen sie nicht einen (Stadt)platz kaufen. Und ebenso (sollen sie) bei ihren überschüssen (verfahren) 2. Man verkauft nicht (Eigenrum) der Vielen (= Gemeinde) an einrn Einzelnen, weil man es (dadurch) in seiner Heiligkeit herabserzt - Worte von Rabbi Meir (T. um 150). Man hat zu ihm gesagt: also auch nicht von einer großen Stadt in eine kleine Stadt!? Man verkauft ein Versammlungshaus nur umer der Bedingung, daß die (Käufer) es, wenn man will, zurückgeben - Worte von Rabbi Meir. Aber die Weisen sagen: man verkauft es immer außer zu vier Dingen (= Z"''ecken): zum Badehaus und zu einer Gerberei, zu einem Tauchbad und zu einem
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Waschhaus (oder: Toilette). Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: man verkauft es als Hof, und der Käufer soll machen, was er will. I
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Sitht- Ttxt 01.41. 81tibt bei dntr NnJanschaffung tin Iknag über, darf tr nicht für wtniger hdlige Gtgm-
standt ausgegeben werden.
c) Hymnen und Gebete Das tägliche Gebet des "Höre, Israel" (S.Mose 6,4-9; 11,13-21; 4. Mose 15, 37-41) zeigt bereitS, welch große Bedeutung das Reden mit Gott für den frommen Rabbinen hat. Für das tägliche Beten gab es genaue Vorschriften über die Zdt (Texr 111.48), es wurden besondere Vorbereitungen zur Andacht und Konzentration getroffen (Text 111.49), der Tag sollte mit Segenssprüchen beginnen (Text IU.50). Neben dem "Höre, Israel" bestand das zweite, zu einer nicht mehr genau erkennbaren bit im Wortlaut feststehende Gebet aus achtzehn Bitten (Text 111.51; vgl. die Texte 1lI.21,48). Neben der Notwendigkeit, Gon für al/es zu danken und zu preisen, bestand auch die Notwendigkeit, in einem kurzen Gebet zu Gott zu reden (Texte IIJ. 48,52; Vaterunser). Denn gelegentlich konnte es im Synagogengottesdienst zu einer überschwenglichen Gebetssprache kommen, zu einem unangemessenen Versuch, sprachlich Gones Herrlichkeit widerzuspiegeln (Text JII.53). Wie ernst das Reden mit Gott genommen wurde, zeigen die immer wieder betonte Andacht (Text 111.54) und das in seiner Schlichtheit beeindruckende Sündenbekenntnis (Text 111.55). E.. Loh~ 117-119; P. Biller~k I 401-424; IV 189-276.
48. Einzelne GebetslJorschriftelt Mischna Berakoth IV,I-6: Das Morgengebet (betet man) bis Mittag 1. Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: bis vier Stunden (nach Beginn des Morgens). Das Nachmittagsgebet 1 (betet man) bis Abend. Rabbi Jehuda sagt: bis zur Hälfte des Nachmittags. Das Abendgebet hat keine fescgesetzte Zeit. Das Zusatzgebet (an den Feiertagen betet man) den ganzen Tag. Rabbi Jehuda sagt: bis sieben Stunden (nach Beginn des Morgens). Rabbi Nechonja-ben-Haqana (T. um 70) pflegte bei seinem Eintreten in das Lehrhaus und bei seinem Hinausgehen ein kurzes Gebet zu beten. Man hat zu ihm gesagt: was für einen Ort hat dieses Gebet? Er hat zu ihnen gesagt: bei meinem Eintreten bete ich, daß sich durch mich kein Anstoß ereigne, und bei meinem Hinausgehen sage ich Dank für mein Los. Rabban Gamliel (T. um 90) sagt: an jedem einzelnen Tag betet der Mensch das Achrzehngebet J • Rabbi Jehoschua (T. um 90) sagt: (einen Auszug) aus dem Achtzehngebet". Rabbi Aqiba (T. ges[. um 135) sagt: wenn sein Gebet ihm im Mund wohnt$, betet er das Achtzehngebet, aber wenn nicht, (betet er einen Auszug) aus dem Achtzehngebet. Rabbi Elieser (T. um 90) sagt: wer sein Gebet mechanisch verrichtet, dessen Gebet ist kein Flchen.
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Rabbi Jehoschua sagt: wer an einem Ort der Gefahr geht. betet ein kurzes Gebet und sagt: hilf, Herr, deinem Volk, dem Rest Israels! An jedem Kreuzweg sei ihr Bedarf vor dir! Gepriesen seist du, Herr, der das Gebet erhört! Wer auf einem Esel reitet, steigt herab und betet. Aber wenn er nicht herabsteigen kann, wendet er sein Gesicht (nach jerusalem). Kann er sein Gesicht nicht wenden, richtet er sein Herz auf das allerheiligste Haus (= den Tempel) aus. Wer auf einem Schiff oder auf einem Boot fährt, richtet sein Herz auf das allerheiligste Haus aus. I
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Man kann d~r Gdxtsp(Jichl bis zum Mittag nachkomlTlt'n. Deo! Nachmittag ~innll.wC'iC'inhalbSrunden vor Btginn der Nacht.
SiehC'dic:TexlC'III.SI, 184. • SieheTexIUI.S2. 5 Wenn er es auswendig kann. J
49. GebetslJorbereitunge" Babl; Schabbath 10., Raba·bar-Rab·Huna (B. gest. 322) hat Lederschuhe angezogen und (dann) gebeter. Er hat gesagt: bereite dich tu begegnen usw. (Am. 4, 12). Raba (B. gest. 352) hat seine Obergewänder abgelegt, seine Hände gefaltet und (dann) gebetet. Er hat gesagt: wie der Sklave vor seinem Herrn. Rab Asch; (B. gest. 427) hat gesagt, ich habe Rab Kahana (B. um 375) gesehen. Wenn Unglück in der Welt gewesen ist, hat er seine Obergewänder abgelegt, seine Hände gefaltet und (dann) gebetet. Er hat gesagt: wie der Sklave vor seinem Herrn. Wenn Frieden in der Welt gewesen ist, hat er sich angekleidet, bedeckt und verhüllt und (dann) gebetet. Er hat gesagt: bereite dich. deinem GON zU begegnen, Israel (Am. 4, t 2).
50. Rabbinische Tagesgebete Babl; Berakoth 60 b, Wenn man aufwacht, sagt man: mein Gott, die Seele, die du in mich gegeben hast, ist rein. Du hast sie in mir gebildet. du hast sie in mich eingehaucht, und du bewahrst sie in mir. Du wirst sie zukünftig von mir nehmen und wirst sie zukünftig wieder in mich geben. Die ganze Zeit, wo die Seele in mir ist, sage ich Dank vor dir, Herr, mein Gott und Gott meiner Väter, Herr aller Wehen. Herr aller Seelen. Gepriesen seist du, Herr, der den totcn Körpern die Seelen wiedergibt! Wenn man das Krähen des Hahns hön, sagt man: gepriesen sci der, der dem Hahn Einsicht gegeben hat, zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden! Wenn man die Augen öffnet. sagt man: gepriesen sei der. der die Blinden sehend macht! Wenn man aufsteht und sich setzt, sagt man: gepriesen sei der, der die Gebundenen löst! Wenn man sich anzieht, sagt man: gepriesen sei der, der die Nackten an· zieht!
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Wenn man sich hinstellt, sagt man: gepriesen sei der, der die Gebeugten hinstellt! Wenn man auf der Erde steht, sagt man: gepriesen sei der, der die Erde über dem Wasser ausspanml! Wenn man geht, sagt man: gepriesen sei der, der die Schritte der Menschen ausrichtet! Wenn man die Schuhe anzieht, sagt man: gepriesen sei der, der mir alles Notwendige gemacht hat! Wenn man den GÜrtel umbindet, sagt man: gepriesen sei der, der Israel mit Stärke umgürtet! Wenn man das Tuch um den Kopf bindet, sagt man: gepriesen sei der, der Israel mit Herrlichkeit krönt! Wenn man sich in (den Mantel mit den) Schaufäden 2 hüllt, sagt man: gepriesen sei der, der uns durch seine Gebote geheiligt hat und uns geboten hat, uns in (den Mantel mit den) Schaufäden zu hüllcn! Wenn man die Gebetsriemen J an dem Arm anlegt, sagt man: gepriesen sei der, der uns durch seine Gebote geheiligt hat und uns geboten hat, die Gebetsriemen anzulegen! (Legt man sie) an dem Kopf (an), sagt man: gepriesen sei der, der uns durch seine Gebote geheiligt hat und uns das Gebot der Gebetsriemen geboten hat! Wenn man die Hände wäscht, sagt man: gepriesen sei der, der uns durch seine Gebote geheiligt hat und uns das Gebot des Händewaschens geboten hat! Wenn man das Gesicht wäscht, sagt man; gepriesen sei der, der den Schlaf von meinen Augen und den Schlummer von meinen Lidern gehen läSt! Und es sei der Wille vor dir, Herr, mein Gort, daS du mich in deiner Thora leitest! Und binde mich an deine Gebote! Und laS mich nicht kommen in Sünde, in Frevel, in Versuchung und in Schmach! Und beuge meinen Trieb, dir zu dienen! Und ha he mich fern vom bösen Menschen und böser Gesellschaft! Und binde mich an den guten Trieb und an gute Gesellschaft in deiner Welt! Und gib mich heutc und an jedem Tag zur Gunst und zur Gnade lind zum Erbarmen in deinen Augen lind in den Augen aller, die mich sehen! Und bewirke (für) mich gute Wohltaten! Gepriesen seist du, Herr, der gute Wohltaten flir sein Volk Israel bewirkt! I
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Nach anriktr Auffassung schwimmt dit ErdclErdschtibc auf der Urflut. 4.M05I: 15,38-40; 5.Mo5t 22.12; MI. 9,20; 14,36; 23,S: Mk. 6,56; Lk. 8,44. 2.Most 13.16; 5. MOS(' 6,8; 11,18; MI. 23,S.
51. Das Achnelmgebet (paliist;lI;sche Rezens;o"j I I. Gepriesen seist du, Jahve, unser Gort und Gon unserer Väter, Gon Abrahams, Gou Isaaks und Gon Jakobs, großer, mächtiger und furchtbarer Gort, höchster Gon, Schöpfer Himmels und der Erde, unser Schild und Schild unserer Väter, unser Vertrauen in allen Geschlechtern! Gepriesen seist du, Jahvc, Schild Abrahams!
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2. Du bist ein Held, der Hohe erniedrigt, der Starke, der die Gewalttätigen richtet, der ewig Lebende, der die Toten aufersrehn läßt, der den Wind wehen läßt und den Tau herniederfallen, der die Lebenden versorgt und die Toten lebendig macht, in einem Augenblick möge uns Hilfe sprossen. Gepriesen seist du, Jahve, der die Toten lebendig macht! 3. Heilig bist du und fUfchtbar dein Name, und kein Gon ist außer dir. Gepriesen seist du, Jahve, heiliger Gott! 4. Verleihe uns, unser Vater, Erkenntnis von dir her und Einsicht und Verstand aus deiner Thora. Gepriesen seist du, ]ahve, der Erkenntnis verleiht! 5. Bringe uns zurück, Jahve, zu dir, daß wir umkehren in Buße; erneuere unsere Tage wie vordem. Gepriesen seist du, Jahve, der Wohlgefallen an Buße hat! 6. Vergib uns, unser Vater, denn wir haben gesündigt gegen dich; tilge und entferne unsere Verfehlungen vor deinen Augen weg, denn groß ist deine Barmherzigkeit. Gepriesen seist du, Jahve, der viel vergibt! 7. Sieh an unser Elend und führe unsere Sache und erlöse uns um deines Namens willen. Gepriesen seist du, Jahve, Erlöser Israels! 8. Heile uns, Jahve, unser Gott, von dem Schmerz unseres Herzens und Seufzen und Stöhnen entferne von uns und bringe Heilung unseren Wunden. Gepriesen seist du, der die Kranken seines Volks Israel heilt! 9. Segne an uns, Jahve, unser GOtt, dieses Jahr zum Guten bei allen Arten seiner Gewächse und bringe eilends herbei das Jahr des Termins unserer Erlösung und gib Tau und Regen auf den Erdboden und sättige die Welt aus den Schätzen deines Guten und gib Segen auf das Werk unserer Hände. Gepriesen seist du, Jahve, der die Jahre segnet! 10. Stoße in die große Posaune zu unserer Freiheit und erhebe ein Panier zur Sammlung unseres Verbannten. Gepriesen seist du, Jahve, der die Vertriebenen seines Volks Israel sammelt! 1 t. Bringe wieder unsere Richter wie vordem und unsere Ratsherren wie zu Anfang, und sei König über uns, du allein. Gepriesen seist du, Jahve, der das Recht liebhat! 12. Den Abtrünnigen sei keine Hoffnung, und die freche Regierung (= Rom) mögest du eilends ausrorten in unseren Tagen, und die Nazarener und die Ketzer mögen umkommen in einem Augenblick, ausgelöscht werden aus dem Buch des Lebens und mit den Gerechten nicht aufgeschrieben werden. Gepriesen seist du, Jahve, der Freche beugt'! 13. Ober die Proselyten der Gerechtigkeit möge sich dein Erbarmen regen und gib uns guten Lohn mit denen, die deinen Willen tun. Gepriesen seist du, Jahve, Zuversicht der Gerechten! 14. Erbarme dich, Jahve, unser Gon, in deiner großen Barmherzigkeit über Israel, dein Volk, und über Jerusalem, deine Stadt, und über Zion, die Wohnung deiner Herrlichkeit, und über deinen Tempel und über deine Wohnung und über das Königtum des Hauses David, des Messias deiner Gerechtigkeit. Gepriesen seist du, Jahve, Gort Davids, der Jerusalem erbaut!
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15. Höre, jahve, unser Gon, auf die Stimme unseres Gebets und erbarme dich über uns; denn ein gnädiger und barmherziger Gott bist du. Gepriesen seist du, jahve, der Gebet erhört! 16. Es gefalle jahve, unserem Gon, wohl zu wohnen in Zion, daß deine Knechtr dir dienen in jerusalem. Gepriesen seist du, jahve, daß wir dir dienen werden in Furcht! 17. Wir danken dir, du bist jahve, unser Gott und Gott unserer Väter, für alles Gute, die Liebe und die Barmherzigkeit, die du uns erwiesen und die du an uns getan hast und an unseren Vätern vor uns; und wenn wir sagten, unser Fuß wanke, hat deine Liebe, jahve, uns gestützt. Gepriesen seist du, jahve, Allgütiger, dir muß man danken! 18. Lege deinen Frieden auf dein Volk Israel und auf deine Stadt und auf dein Eigenrum und segne uns alle allzumal. Gepriesen seist du, Jahve, der den Frieden schafft! Die Obcrsen.ung wurde angefertigt nach P.Billerbeck IV 211-214. Sie beruhl auf Forschungen von S. Schechter und G. Dalman. 2 Vgl. Text 111. 21. I
52. Ei" kurzes Gebet Babli Berakoth 29a: Was ist (der Auszug) aus dem Achtzehngebetl? Rab (8. gest. 247) hat gesagt: (Anfang und Schluß) aus jedem einzelnen Segensspruch. Aber Schemuel (B. gest. 254) hat gesagt: mache uns einsichtig, Herr, unser Gott, für die Kenntnis deiner Wege! Und beschneide unser Herz2 zur Furcht vor dir, und vergib uns, damit wir erlöst werden, und halte uns fern von unseren Schmerzen, und sättige uns auf den Wiesen deines Landes! Und unsere Zerstreuung aus den vier (Windrichtungen) sammle, und die Irrenden mögen nach deinem Wissen richten, und über die Frevler erhebe deine Hände! Und die Gerechten mögen ~ich freuen am Bau deiner Stadt und an der Aufrichtung deines Tempels und an dem Aufblühen des Glanzes deines Knechts David und an der Errichtung einer Leuchte für den Sohn Isais 3 , deinen Gesalbten (= Messias)! Bevor wir gerufen haben, antworte du! Gepriesen seist du, Herr, der das Gebet erhört! I
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Text 111. 51. Vgl. 5. Most" 10. 16; JO, 6;]er. 4,4. Vgl. Jes. 11, I.
53. Verbotene Lobpreisungen Babli Megilla 25", Einer, der vor Rabbi Chanina W. um 225) (als Vorbeter zur Lade) hingetreten ist I, hat gesagt: Gort der Große, der Starke und der Furchtbare, der Herrliche und der Feste und der Mutige! Er (= Rabbi Chanina) hat zu ihm gesagt: hast du die Lobpreisungen deines Herrn beendet? Wir hätten (auch) jene drei (ersten Lobpreisungen) nicht gesagt, wenn Mose sie nicht in der
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Thora geschrieben hätte 1 und die (Männer der) große(n) Synagoge J nicht gekommen wären und sie festgesetzt hätten. Aber du sagst dies alles!? Gleich einem Menschen, der tausend (mal) zehntausend Golddenare hat, und man rühmt ihn wegen tausend Silberdenare. Wäre das nicht eine Herabsetzung? I
Si~heTextllJ.42.
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5.M~
10,17.
Nach thalmudi~r Anschauung (;(:l('hrtc zur Zri! Est1lls, doch sind darunter wohl ('!Kr di... zadoqitischen Priester zu verslehen, dir nach dem babylonischen Exil 3nsu,Ur MT Könige J
~iertC'n.
54. Gebetsondacht Mischna Berakoth V, 1: Beim Beten steht man nur mit schwerem Kopf (= ernst). Die früheren Frommen pflegten eine Stunde zu verweilen und (dann erst) zu heten, weil sie ihr Herz auf ihren Vater im Himmel ausrichten (wollten). Auch dem König, der einen grüßt, antwortet man (während des Gebets) nicht, und auch wenn eine Schlange sich um die Ferse windet, unterbricht man (das Gebet) nicht.
55. Rabbinisches Sündenbekenntnis ]eruschalmi Joma 45 c, 43-48: Wie ist jenes "er bekennt (seine Sünden)" I (zu verstehen)? Rabbi Berekja (P. um 340) im amen von Rabbi Ba-bar-Bina (P. um 250): mein Herr, ich habe gesündigt, und Böses habe ich getan, und in böser Gesinnung bin ich stehengeblieben, und auf fernem Weg bin ich gegangen. Aber wie ich getan habe, werde ich nicht (mehr) tun. Es sei der Wille vor dir, Herr, mein Gon. daß du alle meine Frevel sühnst und alle meine Verfehlungen vergibst und alle meine Sünden verzeihst! Ein Ausdruck aus d~m
\lorh('rig~n Zusamm~nhang, der ('X~mplarisch ~rläul~rt
wird.
d) Die Thora Für die Rabbinen war die Schrift das Zentrum ihres theologischen DenkeIlS. Dieser Exklusivanspruch auf Gones Offenbarung für Israel kollidierte mil der weltweiten Macht Gottes, so daß die Exklusivität der Thora für Israel mit der bewußten Ablehnung der anderer Völker begründet wird (Text 111.56). Aus der Thora ergab sich das Glaubensleben des einzelnen und der Gemeinde (Text 111.57), 50 daß sie sogar als offenbarter Wille Gones mit Gott selbst konkurrieren kann (Text 111.58). Entscheidend war ihre Sinnfülle (Text 1I1.59), die eine äuSersre Genauigkeit der Auslegung und eine ständige fkschäftigung mit ihr erforderte (Text 111.60). Gelegentlich begegnen Versuche. diese Sinnfülle. der nur eine entsprechende Gelehrsamkeit gerecht wrrdrn konntr, in kUl"un Kernsätzen auf rinen Nenner zu bringen (Texte 111.198, 199). Bei der großen Anzahl der Gebote {Text 111.61) untrrschird man darum auch zwischen leidn und schwer zu erfüllenden Geboten (Text 111.62). Gemäß ihres Charaktrrs als offenbartrr Willr Gottes war die Thora von der gleichen Beschaffenhrit
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" . --Das rtligiäse uben
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wie d~ Lichtweh Gones (Texte 111.60, 63). Das Gebot. sich um die Thora zu mühen, um den Glau~n lebt:ndig zu erhalten, stellte die rabbinische Gelehrsamkrit in eine Traditionsreihe. die: bis auf Mose: zurückgeführt wurde (Text UJ.64). Die Thora gchöne nicht der Vergangenhtir an, sondern in ihrer Auslegung gewann der Wille Gottes lebendige Gegenwart. E.Lohsc: 121-124. Text 111.198,199.
56. Die Thora als Angebot Mekilrha Jithro Bachodesch S 1 (H. S.Horovirz-I.A. Rabin 205): Und sie lagerten in der Wüste (2. Most 19,2). Die Thora wurde als Angele:· genheir für alle öffentlich an einem herrenlosen Ort 1 gegeben. Wäre sie im Land Israel gegeben worden, hätten die (Israeliten) zu den Völkern der Welt sagen können, sie hätten keinen Anteil an ihr. Darum wurde sie in der Wüste als Angelegenheit für alle öffentlich an einem herrenlosen Ort gegeben. Und jeder, der (sie) annehmen wollte, konnte kommen und (sie) annehmen. I
An ihm hatte kdner Iksittr('cht.
57. Die Thora als Heilsgobe Mekiltha Beschallach Vajjassa SI (H.S.Horovitz-I.A.Rabin 157f.): Rabbi Eleasar von Modai (T. gest. um 135) sagt: wenn (du) hörst (2.Mose 15,26). Möglicherweise ist das (Hören) freigestellt? (Nein,) die Schrift lehrt: du sollst hören (2.Mose 15,26). Es ist Pflicht und nicht freigestellt. Du sollst hören. Das ist das Allgemein(verbindlich)e, in dem die Thora enthahen ist. Auf die Stimme des Herrn, deines Gottes (2. Mose J5,26). Das lehrt, daß es auf jeden, der vom Mund der Allmacht (= Gott) hört, kommt, als wenn er stände und Dienst täte vor dem, der lebt und besteht für ewig und alle Ewigkeiten. Und was Recht in seinen Augen ist, sol/st du tun (2. Mose 15,26). Das ist das Nehmen und Geben I. Es lehrt, daß es auf jeden, der in Wahrhaftigkeit nimm[ und gibt und an dem der Gei$[ der Geschöpfe Gefallen hat, komm[, als wenn er die ganze Thora insgesam[ erfüllt härte. Und auf seine Gebote hörst (2. Mose 15,26). Das sind die (rabbinischen) Geserzesentscheidungen. Und 01/ seine Gesetze beachtest (2. Mosc 15,26). Das sind die (Gesetze über) Inzuchrfälle l . Jede Krankheit, die ich über Agypten gebracht habe usw. (2.Mosc 15,26). Und was lehr[ die Schrift: dem, ich, der Herr, bin dein Arzt (2. Mose 15,26)? Der Heilige, gespriesen sei er, ha[ zu Mose gesag[: sage den Israeliten: die Worte der Thora, die ich euch gegeben habe, sie sind Arznei für euch, sie sind Leben für euch. Wie gesag[ ist: denn Leben sind sie für den, der sie findet, w,d für sein ganus Fleisch Arznei (Sprüche 4,22). Und (die Schrift) sagt: Arznei wird deinem Nabel sein und Erquickm'g deinen Knochen (Sprüche 3,8). I
Dir zwischrn/Tl('nschlichrll Baiehungen. besonders der Handel.
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J. Mose 18 und 10.
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UI. Das
rabbinisch~ Judentum
58. Thora und Gott
Jeruschalmi Chagiga 76c,41-43: Rabbi Chijja-bar-Ba (P. um 280) hat gesagt: mich haben sie verlassen (jer. 16,11) I, Ich hätte ein Nachsehen! Vielleicht haben sie meine Thora bewahrt? Denn wenn sie (auch) mich verlassen hahen, aber (dafür wenigstens) meine Thora bewahrt haben, wird das Licht 2, das in ihr ist, sie zu mir nahebringen. I
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Gott ist der Redner. Hier mußte der Text verbtssen werden.
59. Sinn{ül/e der Thora }eruschalmi Pea 15b,45--47,
Und 1 es begegnet wie das, was Rabbi Mana (P. um 370) gesagt hat: denn es ist kein leeres Wort von euch 2 (5.Mose32,37). Und wenn es leer (erscheint), (rüher das) von euch (her). Warum? Weil ihr euch nicht darum gemüht haht. Nach einer Parallelstelle ist Rabbi Aqiba (T. gesl. um 135) der Oberlieferer dieses Ausspruchs. 2 D. h. von dem ihr euch abwenden kÖnnl. I
60. Beschäftigung mit der Thora
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Jeruschalmi Chagiga 77b,38-48: Mein 1 Vater Abuja, (einer) von den Großen Jerusalems, hatte an dem Tag, auf den meine Beschneidung fiel, alle Großen jerusalems eingeladen und sie in einem Haus sich setzen lassen, sogar Rabbi Elieser (T. um 90) und Rabbi Jehoschua (T. um 90) 2 in einem Haus. Nachdem man gegessen und getrunken hatte, begann man, in die Hände zu klatschen und zu tanzen. Rabbi Elieser hat zu Rabbi Jehoschua gesagt: solange jene sich mit dem ihrigen beschäftigen, wollen wir uns mit dem unsrigen beschäftigen. Und sie haben sich gesetzt und sich mit den Worten der Thora beschäftigt. Von der Thora (sind sie übergegangen) zu den Propheten und von den Propheten zu den (übrigen) Schriften. Und es ist Feuer vom Himmel herabgekommen und hat sie umringt. Abuja hat zu ihnen gesagt: meine Lehrer, wozu seid ihr gekommen? Mein Haus über mir anzuzünden? Sie haben zu ihm gesagt: Gott behüte! Vielmehr sitzen wir und wenden uns den Worten der Thora zu - von der Thora (gehen wir über) zu den Propheten und von den Propheten zu den (übrigen) Schriften. Und die Worte haben sich gefreut wie als sie am Sinai gegeben wurden, und das Feuer hat sie bedeckt wie es sie am Sinai bedeckt hane. Ihr eigentliches (oder: ursprüngliches) Gegebenwerden vom Sinai erfolgte nur im Feuer: und der Berg bramrte in Feuer bis in das Herz der Himmel (5. Mose 4, 11). Der Text ist ein Ikricht des Ketzers Erisch:a-ben-Abuja ali:as Acher. 1 Zwei Gelehrte, die wegen der Gegensätzlichkeit ihrer Meinungen bekannt waren. Siehe die Texte 111. 84, 85. l
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61. Antahl der Gebote Mekiltha ]ithro Bachodesch S5 (H. S. Horovitz-I. A. Rahin 2211.), Rabbi Schimeon-ben·Eleasar (T. um 190) hat gesagt: wenn die Söhne Noahs in den sieben Geboten, die ihnen geboten waren I, die sie auf sich genommen hatten, nicht bestehen konnten, um wieviel weniger in den Geboten der Thora! Gleich einem König, der zwei Verwalter eingesetzt hat. Einer wurde über den Strohvorrat eingesetzt, und einer wurde über den Silber· und Gold· schatz eingesetzt. Der, der über das Stroh eingesetzt war, hat sich (der Untreue) verdächtig gemacht. Aber er hat sich darüber beklagt, daß man ihn nicht über den Silber- und Goldschatz eingesetzt habe. Aber der, der über den Silber· und Goldschatz eingesetzt war, hat zu ihm gesagt: Narr 2 ! Beim Stroh warst du nachlässig. Beim Silber und Gold würdest du es noch mehr sein! Und sind nicht die Worte (ein Schluß vom) Gering(en auf das) Gewichtig(e)? Wenn die Söhne Noahs in den sieben Geboten, die ihnen geboten waren, nicht bestehen konnren, (hätten sie es) noch weniger bei den sechshundertdreizehn 3 Geboten der Thora (gekonnt)! Gehorsam gegen die Obrigkeit, Verbote für Gotteslästerung, Götzendienst, Unzucht, Blutvergießen, Raub, GenuS eines Gliedes lIon einem lebendigen Tier. Vgl. 1. Mose 9, I H. 1 Das gleiche WOrt begegnet Mt. 5,22 (M. Luther: Racha). ] Diese Zahl findet sich nur in den gedruckten Ausgaben der Mekihha. Sie scheint ein späterer Zusatz zu sein. I
62. Leichte und schwere Gebote ]eruschalmi Qidduschin 61 h,68-71, Rabbi Abba·bar-Kahana (P. um 310) hat gesagt: die Schrift stellt das leichteste Gebot dem schwersten (Gebot) gleich. Das leichteste Gebot, das ist das Fortschicken der Vogelmuuer I. Und das schwerste Gebot, das ist das Ehren von Vater und Murrer 2 • Und über sie beide steht geschrieben: damit du lange lebst (5. Mose 22,7; vgl. 2. Mose 20, 12). IS.Mose22,7. 1 2. Mose 20, 12.
63. Das Wesen der Thora Mekiltha Jithro Bachodesch S4 (H.S. Horovitz-1. A. Rabin 215): Und der Berg Shtai war ganz (i,r) Rauch (gehüllt) (2. Mose 19,18). Möglicherweise (war) nur der Ort der Herrlichkeit (Gottes in Rauch gehülh)? (Nein,) die Schrift lehrt: (er war es) ganz. Weswegen? Deswegen, weil der Herr auf ihn im Feuer herabgestiegen war (2. Mose 19,18). Das zeigt an, daß die Thora Feuer ist. Und sie wurde aus dem Feuer gegeben und ist dem Feuer gleich. Wie ein Feuerweg ist sie, denn wenn ein Mensch ihr (zu) nahe kommt, so wird er verbrannt. Hält er sich (aber) fern von ihr, so (wird ihm) kalt. Es gibt für den Menschen nichts (anderes) als sich an ihrem Licht zu wärmen.
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1II. Das rabbinische Judentum
64. Thora und Tradition Pirqe Aboth 1,1, Mose hat die Thora vom Sinai empfangen und hat sie Josua überliefert und ]osua den Ältesten (Israels) und die Ältesten den Propheten, und die Pro· pheten haben sie den Männern der großen Synagoge I überliefert. Die haben drei Aussprüche gesagt: seid sorgfältig im Gericht, laßt eine Menge Schüler erstehen und macht einen Zaun für die Thora 2! Siehe Text 111.53 Anm.3. 2 Ein gdäufiges Bild für die Tendenz dts Judentums, sich von der umgebenden Heidenwelt abzugrenzen. I
e) Auslegung der Thora Regeln für die richtige Auslegung der Thora hat man schon früh aufgestellt (Text 111.65). So fand man viele Möglichkeiten, die Glaubenspraxis aus der Schrift zu erschließen und die Schrift für die Glaubenspraxis zu erschließen. Der mögliche Konflikt zwischen Schrift und rabbinischer Vorschrift wurde vermieden (Text 111.66). Bei der Ausleg~ng der Gesetze und ihrer Anwendung in Form der rabbini· schen Vorschrift hat man zwischen wichtigen und weniger wichtigen Gebieten unterschieden (Texte 111.66.67). Neben der Auslegung. die die Schrift mit den rabbinischen Vorschriften verband, findet sich die allein auf die Schrift bezogene Auslegung, aus der mit der Zeit regelrechte Kommentare zu den einzelnen Büchern der Schrift werden. Auch bei dieser Auslegung wurden feste Regeln angewendet (Texte 111.68-70). Entscheidend ist immer gewesen, daß die Schrift für die Rabbinen kein vergangenes Bundesdokument, sondern gegenwärtiges Wort Gottes gewesen ist. So konnte man in aller Unbefangenheit vergangene Ereignisse der Schrift mit gegenwärtigen Ereignissen oder Einrichtungen verbinden (Texte 111.71,72). Schwie· rig (aber auch geregelt) war es, wenn sich zwei Schriftverse im Wortlaut oder Sinn widersprachen (Text 111.73). Hinter all diesen zum Teil sehr komplizierten Deutungen steckt das Bemühen der Rabbinen, zu einem genauen und gcgenwansbezogenen Verständnis der Schdt zu kommen. E.Lohsc: 124-130. Text 111.2 (neuer Sinn durch Telukorrekrur), 15, 18, 19 (Schluß vom Geringen auf das Gewichtige), 20, 24 (Widersprüche), 29 (mehrfacher Sinn eines Wons), 31, 32 (Schluß vom Geringen auf das Gewichtige, Analogieschluß), 45, 46,56-64,77,84,85, 163, 165-167, 170, 171,185-188,198,214,216.
65. Rabbinische Auslegungsregeln Thosephtha Sanhedrin VII.11 (M.S.Zuckermandel427): Sieben Worte hat Hillel der Alte (T. um 20 v.ehr.) vor den Ältesten (der Familie) Pethera vorgetragen: (den Schluß vom) Gering(en auf das) Gewichtig(e) und den (Schluß mit Hilfe des) gleichen Ausdruck(s) und die Erstellung eines Vaters (= Grundsatzes) und (die ausgleichende Funktion) ein(es) Schrifrvers(es bei) zwei (sich widersprechenden) Schrifrverse(n) und (den Schluß vom) Allgemein(en auf das) Besondere und (vom) Besondere(n auf das) Allgemein(e) und (den Schluß) .. wie hervorgeht aus einer anderen
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(Schrift)stelle" und die Sache, die aus ihrem Zusammenhang zu lernen (= folgern) ist. Diese sieben Regeln har Hillel der Alte vor den Söhnen Petheras vorgetragen.
66. Thora und Auslegung Thosephtha ehagiga 1,9 (M. S. Zucketmandel 233), Die Lösung von Gelübden schwebt in der Luft, und sie hat keine (Schriftstelle), worauf sie sich stützen kann. Aber der Weise löst (die Gelübde) nach seiner Weisheit. Die Vorschriften (für den) Sabbat, (die) Festopfer und (die) Veruntreuungen I haben wenig Schrift aber viele Vorschriften 2: wie Berge (sind sie), die an einem Haar hängen, und haben nichts, worauf sie sich stützen können. Von hier pflegte Rabbi ]ehoschua (T. um 90) zu sagen: die Zange ist durch die Zange gemacht; die erste Zange: was war sie J ? Allein ein Geschöpf ist sie gewesen! Aber (die Vorschriften für das) Zivilrecht und (den Tempel)dienst, (für) Reinheit und Unreinheit 4 und (die) Inzuchtfälle s zu ihnen sei hinzugefügt: Wertschätzungen 6 und Bannungen 7, unbewegliches Eigentum und zweiter Zehnt 8 -: die haben (Schriftstellen), worauf sie sich stützen können; sie haben viel Schrift aber wenig Auslegung und Vorschriften. Abba ]ose-ben-Chanin (T. um t 80) sagt: jene acht (Lehrgebiete) sind die Speicher der Thora und die Kernstücke der Vorschriften. 13.Mose5,IH. ~ Den zahlreichen Gesenesauslegungen der rabbinischen Gelehrten entsprechen nur wenig Schriftsrellen. J D. h. w('r hai sit gemacht? 4 3. Mos(' 11. 5 3. Mose 18 und 20. 63.Mose27. 1 Die Srraf(' bei Totschlag. 4. Mose 35,22-25; 5. Mos(' 19, 1-7. e 3. Mos('27,30f.;5.Mose 14,22-26.
67. Ausleger und Thora Mischna Horajoth 1,3: Hat ein Gerichtshaus entschieden, ein Kernstück (der Thora) ganz aufzuheben, haben sie (also etwa) gesagt, (die Vorschriften über) die Menstruierende (fänden sich) nicht in der Thora, (die Vorschriften über den) Sabbat (fänden sich) nicht in der Thora, (die Vorschriften über den) Götzendienst (fänden sich) nicht in der Thora, sind sie, siehe, frei I. Haben sie entschieden, einen Teil aufzuheben und einen Teil zu erhalten, sind sie, siehe, schuldig 2 • Wieso? Haben sie (etwa) gesagt, (die Vorschriften über) die Menstruierende (fänden sich) in der Thora, wer aber auf eine (Frau zum Geschlechtsverkehr) komme, die den Tag ahwarte3, sei frei, (haben sie etwa gesagt, die Vorschriften über den) Sabbat (fänden sich) in der Thora, wer aber (etwas) aus privatem Bereich in öffentlichen Bereich (am Sabbat) hinausbringe, sei frei, (haben sie etwa gesagt, die Vorschriften über den) Götzendienst (fänden sich) in der
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Thora, wer sich aber vor einem (Götzen) niederwerfe, sei frei, sind sie, siehe, schuldig. Wie gesagt ist: und eine Sache entgangen (3. Mose 4,13). Eine Sache, aber nicht das ganze Kernstück 4! Wenn die Unkenntnis eines Gerichts so weit geht, daß nichl einmal Kernstücke der Thora als solche erkannl werden, liegt kein schuldhafler Irnum mehr \'or, sondern die GerichlSmitglieder sind von Schuld frei. 1 Das Ge:richl zeigt dann ein Mindestmaß an Kenntnis, das verantwortlich machl. 1 Die Frau darf nach der Menstruation eine Woche keinen Geschlechtsverkehr haben (vgl. 3.Mose 15,19ff.); trin innerhalb von elf Tagen nach dieser Woche ein Blutfluß auf, iSI es kein Menstruarionsblut, sondern ein geschlechtlicher Ausfluß, worauf sie nur einen Tag abwarren muß, um wieder ~in tu werden. • Ein leilweiser Irrtum machl also schuldig, völlige Unkenntnis enthebt der Verantwonung. I
68. Reihenfolge der Worte Mekiltha Bo Pischa Einleitung (H.S. Horovitz-I. A. Rabin 1): Zu Mose und zu Aaron (2. Mose 12,1). Ich höre: alles, was im Schriftvers voran ist, ist (auch) in Wirklichkeit voran, während die (Schrift doch an anderer Stelle) sagt: das ist Aaron und Mose (2. Mose 6,26). Das I zeigt, daß sie beide (gleich)gewichtig sind; dieser (ist) wie jener l . I
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Die Tatsache, daß einmal Mose und einmal Aaroo tuersi genaon! sind. Es folgen eine Reihe weiterer Beispiele für diesen Auslegungsgrundsan.
69. Analogieschluß Mekiltha Bo Pischa S 1 (H. S. Horovitz-I. A. Rabin 6): Dieser 1 Neumond sei euch usw. (2.Mose 12,2). Rabbi Jischmael (T. gest. um 135) hat gesagt: Mose hat den Neumond den Israeliten gezeigt und zu ihnen gesagt: so soll man sehen und den Neumond für die Generationen festsetzen! Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) sagt: das war eins von den drei Dingen, die Mose schwergefallen sind 2 , aber der Höchste zeigte sie ihm alle mit dem Finger J . Wie durch (folgende) Sache hervorgeht, die du sagst: lmd dieses 4 sei euch u",eh, (3. Mose 11,29). Wie hervorgeht, indem du sagst: und dieses ist die Arbeit des Leuchters (4. Mose 8,4). Und manche sagen: auch das Schächten 5 ist Mose schwergefallen. Wie gesagt ist: und dieses ist es, was du auf den Altar tu" sol/st (2.Mose 29,38). Die Gelehrten legrn im folgrnden dirses Dcmonslrativpronomen aus. ~r AnalogIeschluß wird von Rabbi Aqiba angrwrndet: dir Tatsache, daß du Demonslraovpronomen sich auch in den von ihm angeführten Vrrun finder. erlaubt ihre einheitliche Auslegung. J Denn es war Neumond. Die anderen beiden Dingt nenO! der folgende Text. 1 Das geht aus dem das Zeigen mir dem Finder .andtutenden DemonSlrativprooomen hervor. • Die unmnen Kriechlie~. J Die rituelle Schlachtung von Tie~n. I
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70. Logischer Schluß Mekiltha Jithro Bachodesch S3 (H.S. Horovitz-1. A. Rabin 212), Und siel sollen ihre Kleider waschen (2. Mose 19,1O)! Und woher (schließt man darauf), daß ihnen (auch) ein Tauchbad auferlegt worden ist? Siehe, ich schließe logisch! (Ich frage:) a~r wie? Wenn an der Stelle, wo ihnen nicht das Waschen der Kleider auferlegt worden ist, (wohl aber) ein Tauchbad auferlegt worden ist 2, sollte nicht der logische Schluß hier (richtig sein), wo das Waschen der Kleider auferlegt worden ist. daß (auch) ein Tauchbad auf· erlegt worden ist? Es gibt in der Tho13 kein Waschen der Kleider, das nicht (auch) ein Tauchbad auferlegt! I
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Dir Isradiun am Sinai. 3. Most 15,16.
71. Gegenwartsbezug Mekiltha Jithco Amaleq S 1 (H. S. Hocovitz-1. A. Rabin 193), Und sie I gingen in das Zelt (2. Mose 18,7). Das ist das Lehrhaus 2. I
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Mose und sein Schwiegervater Jirhro. Eir'l( gegenwärtige Einrichtung wird in die air d(S Mose lutücherlegt.
72. Scbrifta1Jwendung Mekiltha Jithco Bachodesch S 1 (H. S. Horovitz-1. A. Rabin 203 f.), Einst ist Rabban ]ochanan-ben-Sakkai (T. gest. um 80) nach Maon in ]udäa I hinaufgestiegen. Er hat ein Mädchen gesehen, das Gerstenkörner aus dem Kot eines Pferdes aufsuchte. Rabban Jochanan·ben·Sakkai hat zu ihnen (= sei· nen Schülern) gesagt: ihr seht dieses Mädchen - was ist (mir) ihr? Sie haben zu ihm gesagt: sie ist eine Hebräerin. Dieses Pferd - wem gehört es? Sie haben zu ihm gesagt: dem Pferdeknecht eines Arabers. Rabban ]ochananbcn-Sakkai hat zu seinen Schülern gesagt: a1l meine Tage habe ich über diesen Vers gegrübelt; ich habe ihn gelesen, habe aber nicht verstanden, was er (meint): wenn du es nicht weißt, Schömte ufller den Frauen 2 (Hoheslied 1,8). (Der Vers meint:) ihr (= Israel) habt es abgelehnt, Dienstlinge für die Himmel (= Gott) zu sein! Siehe, (nun) seid ihr Dienstlinge für das niedrige Arabervolk geworden! Ein On im judäischen (;(birg(, südlich von Hebton. 1 Foru(nung: so gehe hinaus und folge den Spuren der Hode usw. Di( ..Schöns[( unt(r ckn Frauen" ist das im Mädd)(n typologisi(n( Jsrad, das nach der Zerstörung des Tempels SO erniedrigt ist. I
73. Widersprüche Mekihha Bo Pischa S4 (H. S. Horo\'irz-1. A. Rabin 13): Rabbi Aqiba (T. gest. um I3S) sagt: ein Schrifrvers sagt: und du sollst dem Herrn, deinem Gott, als Passa Kleinvieh und Rindvieh schlachten (S.Mose
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16,2). Und ein Schriftvers sagt: von den Schafen und lJon den Ziegen sollt ihr nehmen (2. Mose 12,5). Wie werden diese heiden Verse erfülltl? Du sagst, dieses sei eine Regel in der Thora: zwei benachbarte und sich widersprechende Schriftverse werden an ihrer Stelle erfüllt, bis ein dritter Schriftvers kommt und zwischen ihnen den Ausschlag gibt 2 • Die Schrift lehrt: holt und nehmt euch Kleinvieh für eure Familien und schlachtet das Passa (2.Most 12,21). Kleinvieh für das Passa und nicht Rindvieh für das Passa! D.h. welchen Sinn haben die ~iden sich widersprechenden Verse, von denen der eine Kleinvieh und Rindvieh, der andere nur Kleinvieh nennt. 1
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Der Widerspruch zweier Schriftstellen bleibt unaufgdöst, bis sich ein dritter Vers findet,