Thomas Hosp / Matthias Langer Steuerstandort Liechtenstein
Thomas Hosp Matthias Langer
Steuerstandort Liechtenstein Das neue Steuerrecht mit Doppelbesteuerungsund Informationsabkommen
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1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Irene Buttkus Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1637-2
Vorwort Das Fürstentum Liechtenstein hat sich innerhalb der letzten zwei Jahre nicht nur zu den globalen Standards der Transparenz und des Informationsaustausches der OECD bekannt und diese vollumfänglich umgesetzt, sondern zum 1. Januar 2011 zudem eine Totalrevision des Steuerrechts vorgenommen. Hierbei handelt es sich um die erste Totalrevision seit 88 Jahren. Darüber hinaus sah die liechtensteinische Regierung durch den zunehmenden internationalen Steuerwettbewerb die Gefahr als Standort an Attraktivität zu verlieren. Die Darstellung des Steuerstandorts Liechtenstein beinhaltet ein Analyse der Totalrevision des Steuerrechts zum 1. Januar 2011 sowie eine umfassende Auseinandersetzung mit den internationalen Steuerkooperationen Liechtensteins. Dies schließt beispielsweise alle liechtensteinischen Steuerinformations- und Doppelbesteuerungsabkommen sowie das besondere Verhältnis Liechtensteins zur Europäischen Union ein. Aufgrund der intensiven Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Liechtenstein wird das Steuerinformationsabkommen zwischen diesen beiden Staaten sowie dessen innerstaatliche Umsetzung in Liechtenstein in einem eigenständigen Kapitel im Detail analysiert. Hierin wird vor allem aufgezeigt, welche Rechtsschutzmöglichkeiten bei einem Auskunftsersuchen bestehen. Die ausgeprägte Dynamik im Bereich der internationalen Steuerkooperationen und deren Auswirkungen macht dieses Buch für alle Leser interessant, die sich mit dem Steuerstandort Liechtenstein auseinandersetzen wollen. Ferner stellt es durch die Aufnahme eines umfassenden Überblicks über die unterschiedlichen neuen Instrumente der Steuerkooperationen, welche die Steuerverwaltung nunmehr innehat, ein allgemeines Nachschlagewerk dar. Das Buch ist auf dem Stand vom 31. Dezember 2010 (LGBl. 2010 Nr. 470). Dies beinhaltet insbesondere das Gesetz vom 23. September 2010 über die Landes- und Gemeindesteuern und die dazugehörige Verordnung vom 21. Dezember 2010. Für Verbesserungsvorschläge, Anregungen und Hinweise auf Schreibfehler sind wir Ihnen sehr dankbar. Ferner stehen wir auch gerne für einen Meinungsaustausch unter folgenden E-Mail Adressen zur Verfügung:
[email protected] [email protected] Schaan, im Januar 2011
Thomas Hosp / Matthias Langer
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Inhaltsübersicht Vorwort Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis Quellenverzeichnis §1 Wirtschaftsstandort Liechtenstein A. Allgemeine Rahmenbedingungen I. Kleinststaat II. Geografische Lage und Topologie III. Bevölkerung 1. Gesamtbevölkerung 2. Gemeinden 3. Entwicklung IV. Volkswirtschaft 1. Inflation 2. Bruttoinlandsprodukt 3. Bruttowertschöpfung V. Beschäftigte B. Rechtliche Rahmenbedingungen I. Staatsaufbau II. Landesfürst III. Landtag IV. Regierung C. Internationale Beziehungen I. Bilaterale Abkommen II. Multilaterale Abkommen §2 Liechtensteinisches Steuerrecht A. Grundzüge des Liechtensteinischen Steuerrechts I. Der Geschichtliche Hintergrund 1. Überblick 2. Die Vermögens- und Erwerbssteuer 3. Die Kapital- und Ertragssteuer 4. Privilegierte Besteuerung von Sitzgesellschaften II. Rechtsquellen im Liechtensteinischen Steuerrecht 1. Überblick 2. Nationale Gesetze 3. Schweizerische Gesetze 4. Europarecht 5. Verordnungen 6. Wegleitungen und Merkblätter 7. Exkurs: Recherche Möglichkeiten a) Gesetze und Gesetzesmaterialen b) Judikatur c) Literatur
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Inhaltsübersicht III. Überblick über das Steuersystem 1. Einnahmen des Staates a) Überblick b) Steuern c) Gebühren d) Vorzugslasten e) Ersatzabgaben f) Monopolgebühren 2. Einteilung der Steuerarten a) Vorbemerkung b) Direkte und indirekte Steuern c) Personen- und Sachsteuern d) Unterscheidung nach der Erhebungsform e) Unterscheidung nach der Bemessungsgrundlage aa) Einkommenserzielung bb) Vermögensbestand cc) Konsum dd) Transfer von Vermögen f) Unterscheidung nach wirtschaftlichen Aspekten aa) Ertragssteuern bb) Substanzsteuern cc) Verkehrssteuern dd) Verbrauchssteuern 3. Die Steuerhoheiten a) Überblick b) Die Steuergesetzgebungshoheit c) Die Steuerertragshoheit d) Die Steuerverwaltungshoheit B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 01. Januar 2011 I. Konzeption des neuen Steuergesetzes 1. Ausgangslage 2. Kriterien, Ziele und Rahmenbedingungen a) Verfassungsrechtliche Konformität b) Aufkommensneutralität c) Entscheidungsneutralität d) Einfachheit und Transparenz e) Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit sowie Attraktivität f) Internationale Kompatibilität g) Europarechtliche Konformität II. Vermögens- und Erwerbssteuer 1. Persönliche Steuerpflicht a) Unbeschränkte Steuerpflicht b) Beschränkte Steuerpflicht c) Beginn und Ende der Steuerpflicht d) Persönliche Steuerbefreiungen: Allgemein e) Persönliche Steuerbefreiungen: Gemeinnützige Strukturen 2. Vermögenssteuer a) Sachliche Steuerpflicht 8
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Inhaltsübersicht b) Befreiungen c) Schuldenabzug d) Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens aa) Gebäude und Grundstücke bb) Wertpapiere cc) Wiederkehrende Leistungen dd) Lebensversicherungen ee) Geschäftsvermögen ff ) Viehhabe gg) Wasserkräfte e) Integration der Vermögenssteuer in die Erwerbssteuer aa) Hintergrund bb) Überleitungsrechnung cc) Höhe des Sollertrags f) Widmungsbesteuerung aa) Steuerpflicht bb) Steuerhöhe cc) Optionsmöglichkeit dd) Übergangsregelung ee) Rechtsfolge: Wechsel des Besteuerungsregimes von der Vermögenssteuer zur Ertragssteuer 3. Erwerbssteuer a) Sachliche Steuerpflicht aa) Erwerb aus Land- und Forstwirtschaft bb) Erwerb aus selbstständiger Tätigkeit cc) Einkünfte aus unselbstständiger Tätigkeit dd) Renten und Kapitalleistungen ee) Ersatzleistungen ff ) Einkünfte aus Geldspielen gg) Entschädigungen hh) Unterhaltsbeiträge ii) Zuwendungen als Begünstigter jj) Sollertrag b) Zeitraum c) Steuerfreier Erwerb aa) Erträge aus Vermögen, das der Vermögenssteuer unterliegt bb) Ausländische Land- und Forstwirtschaft cc) Ausländische Betriebsstätten dd) Einmalige Vermögensanfälle ee) Rückkaufsfähige Kapitalversicherungen ff ) Schadensersatzleistungen gg) Familienausgleichskasse hh) Kranken- und Unfallversicherung ii) Bezüge aufgrund Hilfs- oder Pflegebedürftigkeit oder zu Erziehungs- und Ausbildungszwecken jj) Existenzminimum kk) Betriebliche Personalvorsorge ll) Kapitalgewinn
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Inhaltsübersicht mm)Gewinnanteile nn) Entschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeit und Freiwilligenarbeit oo) 30% des Aufgabegewinns bei Betriebsveräußerungen d) Allgemeine Abzüge aa) Kinderabzug bb) Abzug für Ausbildungskosten von Kindern cc) Abzug für Unterhaltsleistungen dd) Abzug für obligatorische Versicherungsleistungen ee) Abzug für private Versicherungsleistungen ff ) Abzug von Krankheitskosten gg) Spendenabzug e) Nicht abziehbare Aufwendungen 4. Steuerberechnung und Tarif a) Grundlagen der Steuerberechnung b) Tarif aa) Grundtarif bb) Alleinerziehende cc) Tarif für gemeinsam zu veranlagende Ehegatten dd) Progressionsvorbehalt c) Gemeindezuschlag 5. Steuerabzug an der Quelle a) Dem Quellensteuerabzug unterliegender Erwerb b) Die Höhe des Quellensteuerabzuges c) Doppelbesteuerungsabkommen aa) Freistellung bb) Quellensteuerreduktion cc) Quellensteuerrückerstattung d) Pflichten des Vergütungsschuldners e) Verzinsung des Steuerabzugs III. Schenkungen, Erbschaften und Vermächtnisse 1. Vorbemerkung 2. Meldepflicht 3. Meldeschwelle IV. Besteuerung nach dem Aufwand 1. Anwendungsbereich 2. Steuerbemessung und Steuersatz 3. Steuervorschreibung V. Grundstücksgewinnsteuer 1. Anwendungsbereich 2. Persönliche Steuerpflicht 3. Steuerbefreiungen und Steueraufschub 4. Sachliche Steuerpflicht 5. Steuerberechnung und Tarif VI. Ertragssteuer 1. Persönliche Steuerpflicht a) Unbeschränkte Steuerpflicht aa) Steuersubjekt 10
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Inhaltsübersicht bb) Ort der tatsächlichen Verwaltung cc) Sitz b) Beschränkte Steuerpflicht aa) Steuersubjekt bb) Betriebsstätte c) Persönliche Steuerbefreiungen d) Beginn und Ende der Steuerpflicht 2. Sachliche Steuerpflicht a) Buchführung und Bilanzierung b) Transparenzprinzip c) Steuerlich anerkannte Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen aa) Grundsatz bb) Planmäßige und außerplanmäßige Abschreibung cc) Abschreibungssätze dd) Wertberichtigungen auf Warenvorräte ee) Wertberichtigungen auf Forderungen ff ) Rückstellungen d) Steuerpflichtiger Reinertrag aa) Der Saldo der Erfolgsrechnung bb) Nicht geschäftsmäßig begründeter Aufwand cc) Steuerlich nicht anerkannte Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen dd) Geschäftsmäßig nicht begründete Zuweisungen zum Reservefonds ee) Offene und verdeckte Gewinnausschüttungen ff ) Steueraufwand gg) Fremdunübliche Vergütungen hh) Unzulässige Spenden ii) Bußen und Geldstrafen jj) Bestechungen e) Kein Steuerpflichtiger Reinertrag f) Besonderheiten bei beschränkt Steuerpflichtigen g) Zeitraum 3. Steuerfreier Ertrag a) Hintergrund b) Steuerfreie Erträge bei unbeschränkt Steuerpflichtigen aa) Ausländische Erträge aus Land- und Forstwirtschaft bb) Ausländische Betriebsstättenergebnisse cc) Ausländische Miet- und Pachterträge dd) Grundstücksgewinne ee) Beteiligungserträge ff ) Kapitalgewinne gg) Erträge von Investmentunternehmen hh) Erträge von Pensionsfonds c) Steuerfreie Erträge bei beschränkt Steuerpflichtigen aa) Inländische Grundstücksgewinne bb) Beteiligungserträge und Kapitalgewinne
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Inhaltsübersicht 4. Fremdvergleichsgrundsatz 5. Ersatzbeschaffungen 6. Umstrukturierungen a) Grundlagen aa) Begriff der Umstrukturierung bb) Stille Reserven cc) Struktur des liechtensteinischen Umstrukturierungsparagraphen dd) Anwendungsbereich ee) Voraussetzungen b) Die Umwandlung aa) Umwandlungsvarianten bb) Auswirkungen auf die übertragende Gesellschaft cc) Auswirkungen bei der übernehmenden Gesellschaft dd) Steuerliche Folgen bei den Anteilseignern der übertragenden Gesellschaft c) Die Spaltung von Kapitalgesellschaften aa) Spaltungsvarianten bb) Voraussetzungen für eine Spaltung cc) Auswirkungen auf die abgespaltene Gesellschaft dd) Auswirkungen bei der übernehmenden Gesellschaft ee) Steuerliche Folgen bei den Anteilseignern der übertragenden Gesellschaft d) Die Fusion aa) Fusionsvarianten bb) Auswirkungen auf die übertragende Gesellschaft cc) Auswirkungen bei der übernehmenden Gesellschaft dd) Steuerliche Folgen bei den Anteilseignern der übertragenden Gesellschaft e) Die Einbringung aa) Einbringungsgegenstand bb) Auswirkungen bei der übernehmenden Gesellschaft cc) Besteuerung des Anteilseigners 7. Wegzugsbesteuerung a) Hintergrund b) Veräußerungsfiktion c) Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen d) Stundung 8. Zuzugsbegünstigung (step-up beim Zuzug) 9. Dauerhafte Wertminderungen 10. Eigenkapitalzinsabzug a) Grundlagen b) Auswirkungen auf die effektive Steuerrate c) Ermittlung des Eigenkapital-Zinsabzuges d) Internationaler Vergleich 11. Abzug von Immaterialgüterrechten a) Hintergrund b) Auswirkungen auf die effektive Steuerrate 12
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Inhaltsübersicht c) Anwendungsbereich: Definition Immaterialgüterrechte d) Zeitliche Anwendung e) Bemessungsgrundlage f) Verrechnungspreise für Immaterialgüterrechte g) Internationaler Vergleich 12. Verluste a) Verlustverrechnung b) Ausländische Betriebsstättenverluste 13. Gruppenbesteuerung a) Hintergrund b) Voraussetzungen c) Verlustverrechnung d) Nachversteuerung aa) Überblick bb) Wertberichtigung der Beteiligung an der Verlustgesellschaft cc) Eigene Verlustnutzung der Verlustgesellschaft dd) Ausscheiden der Verlustgesellschaft ee) Ausscheiden der Gewinngesellschaft 14. Steuerberechnung und Tarif a) Proportionaler Tarif b) Mindestertragssteuer c) Zusammenfassende Übersicht VII. Privatvermögensstrukturen 1. Hintergrund 2. Voraussetzungen a) Überblick b) Keine wirtschaftliche Tätigkeit aa) Gesetzliche Regelung bb) Europarechtliche Rahmenbedingungen cc) Zulässige Tätigkeiten dd) Gestaltungsmöglichkeiten c) Keine Öffentliche Platzierung der Anteile d) Keine Anwerbung von Anteilseignern e) Zulässige Investoren f) Statuten g) Übergangsregelungen aa) Übergangsfrist für Altgesellschaften bb) Anpassung der Statuten von Altgesellschaften 3. Prüfungsleitfaden: PVS Status 4. Rechtsfolge a) Besteuerung b) Abkommensberechtigung 5. Antrag auf Gewährung des PVS Status a) Antragsstellung b) Antragsprüfung 6. Kontrolle des PVS Status VIII. Überblick: Besteuerung von Vermögensstrukturen 1. Besteuerung von Personengesellschaften
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Inhaltsübersicht 2. Besteuerung von Investmentfonds a) Kollektive Kapitalanlagen aa) Das Gesetz über Investmentunternehmen bb) Besteuerung des Fonds cc) Besteuerung der Anteilseigner b) Private Equity Gesellschaften 3. Besteuerung von Trusts a) Grundsatz b) Anlagefonds in der Form eines Trusts 4. Besteuerung von Stiftungen a) Lebenszyklus einer Stiftung b) Gründung aa) Erbschafts- und Schenkungssteuer bb) Widmungssteuer cc) Gründungsabgabe c) Laufende Besteuerung aa) Reguläre Ertragsbesteuerung bb) Privatvermögensstruktur d) Ausschüttung aa) Begünstigte sind in Liechtenstein steuerlich nicht ansässig bb) Begünstigte sind in Liechtenstein steuerlich ansässig IX. Gründungsabgabe und Abgabe auf Versicherungen 1. Hintergrund 2. Gründungsabgabe a) Anwendungsbereich b) Höhe der Gründungsabgabe 3. Abgabe auf Versicherungen a) Hintergrund b) Grundsatz c) Ausnahmen d) Abgabepflicht e) Abgabesätze und Berechnungsgrundlage f) Verletzung von Europarecht: Rückerstattung X. Gemeindesteuern 1. Anteil der Gemeinden an den Landessteuern a) Grundstücksgewinnsteuer b) Ertragssteuer 2. Gemeindezuschlag zur Vermögens- und Erwerbssteuer a) Grundlage b) Steuerort c) Teilung des Steuerbetrages XI. Steuerverfahrensrecht 1. Behörden und Organisation a) Überblick b) Steuerverwaltung c) Gemeindesteuerkasse d) Landessteuerkommission aa) Aufgabe 14
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Inhaltsübersicht bb) Bestellung cc) Zusammensetzung und Organisation 2. Verfahrensgrundsätze a) Amtsgeheimnis (Steuergeheimnis) b) Verwaltungshilfe aa) Verwaltungshilfe der Steuerbehörden untereinander bb) Verwaltungshilfe der Gerichte, Verwaltungsbehörden und Versicherungsanstalten an die Steuerverwaltung cc) Verwaltungshilfe der Steuerverwaltung an die Regierung, Gerichte und Versicherungsanstalten dd) Verwaltungshilfe der Steuerverwaltung an andere Verwaltungsbehörden c) Anzeigepflicht d) Datenbearbeitung e) Verfahrensrechtliche Stellung des Ehegatten aa) Gemeinsam veranlagte Ehegatten bb) Getrennt veranlagte Ehegatten f) Verfahrensrechte des Steuerpflichtigen aa) Akteneinsicht bb) Beweisaufnahmeanspruch cc) Vertragliche Vertretung dd) Notwendige Vertretung ee) Vertretung von Kindern, Bevormundeten und Personen, denen ein Sachwalter bestellt ist 3. Verfahrenspflichten bei der Veranlagung a) Sachverhaltsfeststellung durch die Steuerverwaltung b) Die Steuererklärung aa) Grundsätze bb) Die Steuererklärung bei der Vermögens- und Erwerbssteuer cc) Abgabefrist der Steuererklärung für die Vermögensund Erwerbssteuer dd) Abgabefrist der Steuererklärung beim Wegzug ins Ausland ee) Die Steuererklärung bei der Ertragssteuer ff ) Abgabefrist der Steuererklärung für die Ertragssteuer c) Weitere Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen d) Bescheinigungs- und Meldepflichten Dritter aa) Bescheinigungspflichten Dritter bb) Meldepflichten Dritter 4. Das Veranlagungsverfahren a) Das Ordentliche Veranlagungsverfahren b) Das Veranlagungsverfahren bei der Grundstücksgewinnsteuer c) Veranlagungsverfahren bei der Widmungsbesteuerung d) Das Veranlagungsverfahren bei der Gründungsabgabe e) Das Veranlagungsverfahren bei der Abgabe auf Versicherungsprämien aa) Fiskalvertreter bb) Auskunftspflicht cc) Abrechnungsverfahren
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Inhaltsübersicht 5. Steuerforderungen a) Mithaftung aa) Grundsatz bb) Gemeinsam veranlagte Ehegatten cc) Getrennt veranlagte Ehegatten dd) Haftung bei liquidierten juristischen Personen ee) Haftung bei Wegzug einer juristischen Person ff ) Haftung bei Steuerschulden des Erblassers gg) Haftung der minderjährigen Kinder b) Nachfolge c) Entstehung und Fälligkeit aa) Entstehung bb) Grundsätzliche Fälligkeit cc) Festlegung eines allgemeinen Fälligkeitstermins dd) Sonderfälle ee) Fälligkeit der Abgabe auf Versicherungsprämien d) Zahlung e) Verzugszinsen f) Veranlagungsverjährung aa) Grundsatz bb) Verjährungshemmungen oder –unterbrechungen cc) Absolute Verjährungsfrist 6. Rechtsmittelverfahren a) Einsprache an die Steuerverwaltung aa) Anwendungsbereich und Ziel bb) Form cc) Rechtsfolge dd) Kosten b) Beschwerde an die Landessteuerkommission aa) Anwendungsbereich und Ziel bb) Form cc) Rechtsfolge dd) Kosten c) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof d) Individualbeschwerde beim Staatsgerichtshof e) Beschwerde an das Schweizer Bundesgericht 7. Änderung rechtskräftiger Veranlagungen a) Vorbemerkung b) Voraussetzungen für die Erhebung einer Nachsteuer c) Zeitliche Grenze für die Erhebung einer Nachsteuer d) Nachsteuerverfahren: Vorgehensweise bei Tod des Steuerpflichtigen e) Revision aa) Anwendungsbereich und Voraussetzungen bb) Zeitliche Frist für die Antragsstellung cc) Formelle und inhaltliche Anforderungen an einen Revisionsantrag f) Verständigungsvereinbarung und Schiedsspruch 16
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Inhaltsübersicht g) Berichtigung von Rechnungsfehlern und Schreibversehen 8. Steuerbezug und Steuersicherung a) Grundsatz b) Provisorischer und definitiver Bezug c) Bezugsverjährung d) Rückforderung bezahlter Steuern e) Zahlungserleichterungen f) Steuernachlass g) Steuersicherung 9. Exkurs: Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten a) Definition b) Internationaler Vergleich XII. Strafbestimmungen 1. Vorbemerkung 2. Übertretungen a) Verletzung von Verfahrenspflichten b) Abgabegefährdung c) Steuerhinterziehung aa) Tatbestandsmerkmal und Rechtsfolge bb) Versuch cc) Beteiligte 3. Vergehen a) Steuerbetrug b) Veruntreuung von Quellensteuern 4. Selbstanzeige a) Täter b) Beteiligte c) Erben 5. Verjährung 6. Strafverfahren a) Zuständigkeiten aa) Verletztung von Verfahrenspflichten bb) Abgabegefährdung oder Steuerhinterziehung cc) Steuerbetrug oder Veruntreuung von Quellensteuern b) Verfahren bei Verletzung von Verfahrenspflichten und Abgabegefährdung c) Verfahren bei Steuerhinterziehung d) Rechtsmittelverfahren aa) Verwaltungsstrafentscheide bb) Verwaltungsstrafbote cc) Beschwerdeentscheidungen der Landessteuerkommission dd) Kosten e) Verfahren bei Steuerbetrug und Veruntreuung von Quellensteuern XIII. Übergangsbestimmungen 1. Hängige Verfahren 2. Befristete Selbstanzeige a) Hintergrund
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Inhaltsübersicht
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b) Voraussetzungen c) Vorgehensweise d) Rechtsfolge 3. Übergangsbestimmungen zur Couponsteuer a) Hintergrund b) Altreserven c) Übergangsfrist 4. Verluste 5. Inkrafttreten Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins A. Überblick: Entwicklung zwischen 2000 bis 2010 B. Qualified Intermediary Agreement I. Hintergrund II. Das QI System III. Das QI System: Umsetzung in Liechtenstein IV. Ausblick: FATCA 1. Hintergrund 2. FATCA 3. Anwendungsbereich 4. Inkrafttreten C. Das Rechtshilfeabkommen zwischen Liechtenstein und den USA I. Vorbemerkung II. Anwendungsbereich 1. Allgemein 2. Steuern III. Einschränkungen IV. Form und Inhalt des Ersuchens V. Durchführung der Rechtshilfe VI. Inkrafttreten D. Die Liechtenstein Deklaration vom 12. März 2009 I. Vorbemerkung II. Erklärung Liechtensteins III. Bedeutung E. Die liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen I. Hintergrund: Steuerinformationsabkommen II. Überblick über die liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen III. Vorgehensweise IV. Das TIEA Liechtenstein/USA 1. Vorbemerkung 2. Anwendungsbereich 3. Informationsaustausch auf Ersuchen 4. Ablehnung eines Ersuchens 5. Steuerermittlungen im Ausland 6. Inkrafttreten V. Das TIEA Liechtenstein/Andorra 1. Hintergrund 2. Besonderheiten
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Inhaltsübersicht 3. Inkrafttreten VI. Das TIEA Liechtenstein/Monaco 1. Hintergrund 2. Besonderheiten 3. Inkrafttreten VII. Das TIEA Liechtenstein/Frankreich 1. Hintergrund 2. Besonderheiten 3. Inkrafttreten VIII. Das TIEA Liechtenstein/St. Vincent and the Grenadines 1. Hintergrund 2. Besonderheiten 3. Inkrafttreten IX. Das TIEA Liechtenstein/Irland 1. Hintergrund 2. Besonderheiten 3. Inkrafttreten X. Das TIEA Liechtenstein/Belgien 1. Hintergrund 2. Besonderheiten 3. Inkrafttreten XI. Das TIEA Liechtenstein/Niederlande 1. Hintergrund 2. Besonderheiten 3. Inkrafttreten XII. Das TIEA Liechtenstein/Antigua und Barbuda 1. Hintergrund 2. Inkrafttreten XIII. Das TIEA Liechtenstein/St. Kitts und Nevis 1. Hintergrund 2. Besonderheiten 3. Inkrafttreten XIV. Ausblick F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen I. Überblick II. Das DBA Liechtenstein/Österreich 1. Vorbemerkung 2. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich a) Persönlicher Anwendungsbereich b) Sachlicher Anwendungsbereich 3. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen 4. Unternehmensgewinne und Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit a) Unternehmensgewinne b) Betriebsstätte c) Selbstständige Tätigkeit 5. Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren a) Überblick b) Dividenden
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Inhaltsübersicht c) Zinsen d) Lizenzgebühren 6. Veräußerungsgewinne a) Veräußerungen von unbeweglichem Vermögen b) Veräußerungen von beweglichem Betriebsvermögen c) Sonstige Veräußerungsgewinne 7. Aufsichtsratsbezüge 8. Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst a) Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit aa) Grundregel bb) Grenzgänger b) Ruhegehälter c) Öffentlicher Dienst 9. Künstler und Sportler 10. Vermögensbesteuerung a) Unbewegliches Vermögen b) Bewegliches Betriebsvermögen c) Vermögen von Eisenbahnunternehmen d) Sonstiges Vermögen 11. Informationsaustausch und Beitreibung 12. Besonderheiten 13. Ausblick III. Das Steuerabkommen Liechtenstein/Schweiz 1. Vorbemerkung 2. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich a) Persönlicher Anwendungsbereich b) Sachlicher Anwendungsbereich 3. Unternehmensgewinne 4. Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren 5. Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst a) Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit aa) Grundregel bb) Grenzgänger b) Ruhegehälter c) Öffentlicher Dienst 6. Informationsaustausch und Beitreibung 7. Ausblick IV. Das DBA Liechtenstein/Luxemburg 1. Vorbemerkung 2. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich a) Persönlicher Anwendungsbereich b) Sachlicher Anwendungsbereich 3. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen 4. Unternehmensgewinne a) Unternehmensgewinne b) Betriebsstätte 20
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Inhaltsübersicht
V.
5. Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren a) Überblick b) Dividenden c) Zinsen d) Lizenzgebühren 6. Veräußerungsgewinne a) Veräußerungen von unbeweglichem Vermögen b) Veräußerungen von beweglichem Betriebsvermögen c) Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen d) Sonstige Veräußerungsgewinne 7. Aufsichtsratsbezüge 8. Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst a) Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit b) Ruhegehälter c) Öffentlicher Dienst 9. Künstler und Sportler 10. Vermögensbesteuerung a) Unbewegliches Vermögen b) Bewegliches Betriebsvermögen c) Seeschiffe und Luftfahrzeuge d) Sonstiges Vermögen 11. Informationsaustausch und Beitreibung 12. Besonderheiten Das DBA Liechtenstein/San Marino 1. Vorbemerkung 2. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich a) Persönlicher Anwendungsbereich b) Sachlicher Anwendungsbereich 3. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen 4. Unternehmensgewinne a) Unternehmensgewinne b) Betriebsstätte 5. Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren a) Überblick b) Dividenden c) Zinsen d) Lizenzgebühren 6. Veräußerungsgewinne a) Veräußerungen von unbeweglichem Vermögen b) Veräußerungen von beweglichem Betriebsvermögen c) Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen d) Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften e) Sonstige Veräußerungsgewinne 7. Aufsichtsratsbezüge 8. Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst a) Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit
212 212 212 213 213 214 214 214 214 214 214 215 215 215 215 215 215 215 216 216 216 216 216 217 217 217 217 217 218 218 218 218 219 219 219 219 220 220 220 220 220 220 221 221 221 221 21
Inhaltsübersicht b) Ruhegehälter c) Öffentlicher Dienst 9. Künstler und Sportler 10. Vermögensbesteuerung a) Unbewegliches Vermögen b) Bewegliches Betriebsvermögen c) Seeschiffe und Luftfahrzeuge d) Sonstiges Vermögen 11. Informationsaustausch und Beitreibung 12. Besonderheiten VI. Das DBA Liechtenstein/Hong Kong 1. Vorbemerkung 2. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich a) Persönlicher Anwendungsbereich aa) Sonderverwaltungsregion Hong Kong bb) Liechtenstein b) Sachlicher Anwendungsbereich 3. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen 4. Unternehmensgewinne a) Unternehmensgewinne b) Betriebsstätte 5. Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren a) Überblick b) Dividenden c) Zinsen d) Lizenzgebühren 6. Veräußerungsgewinne a) Veräußerungen von unbeweglichem Vermögen b) Veräußerungen von beweglichem Betriebsvermögen c) Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen d) Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften e) Sonstige Veräußerungsgewinne 7. Aufsichtsratsbezüge 8. Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst a) Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit b) Ruhegehälter c) Öffentlicher Dienst 9. Künstler und Sportler 10. Vermögensbesteuerung a) Unbewegliches Vermögen b) Bewegliches Betriebsvermögen c) Seeschiffe und Luftfahrzeuge d) Sonstiges Vermögen 11. Informationsaustausch und Beitreibung VII. Das DBA Liechtenstein/Uruguay 1. Vorbemerkung 2. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich 22
221 221 222 222 222 222 222 222 222 223 223 223 223 223 223 224 224 225 225 225 225 226 226 226 227 227 227 227 227 227 228 228 228 228 228 229 229 229 229 229 229 229 230 230 230 230 230
Inhaltsübersicht a) Persönlicher Anwendungsbereich b) Sachlicher Anwendungsbereich 3. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen 4. Unternehmensgewinne a) Unternehmensgewinne b) Betriebsstätte 5. Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren a) Überblick b) Dividenden c) Zinsen d) Lizenzgebühren 6. Veräußerungsgewinne a) Veräußerungen von unbeweglichem Vermögen b) Veräußerungen von beweglichem Betriebsvermögen c) Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen d) Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften e) Sonstige Veräußerungsgewinne 7. Aufsichtsratsbezüge 8. Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst a) Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit b) Ruhegehälter c) Öffentlicher Dienst 9. Künstler und Sportler 10. Vermögensbesteuerung a) Unbewegliches Vermögen b) Bewegliches Betriebsvermögen c) Seeschiffe und Luftfahrzeuge d) Sonstiges Vermögen 11. Informationsaustausch und Beitreibung VIII. Zusammenfassende Übersichten 1. Quellensteuersätze für Dividenden 2. Quellensteuersätze für Zinsen 3. Quellensteuersätze für Lizenzen IX. Ausblick G. Das Abkommen zwischen dem Vereinigtem Königreich und Liechtenstein über die Kooperation in Steuersachen I. Die Steuerkooperationen zwischen UK und FL 1. Einführung 2. Überblick 3. Die Rechtsnatur des UK-FL-Abkommens 4. Die Umsetzung in Liechtenstein II. Die Gemeinsame Erklärung (First and Second Joint Declaration) 1. Vorbemerkung 2. Vorgehensweise bzgl. eines DBA zwischen UK und FL 3. Schutz von Finanzintermediären, die das MOU einhalten 4. Charakterisierung von liechtensteinischen Rechtsträgern
230 231 231 231 231 232 233 233 233 233 234 234 234 234 234 235 235 235 235 235 235 236 236 236 236 236 236 236 236 237 237 237 238 238 239 239 239 239 239 240 240 240 240 240 241
23
Inhaltsübersicht
§4
24
a) Anhang A und B (Joint Declaration) sowie Anhang B (Second Joint Declaration) b) Anhang B – Second Joint Declaration 5. Rechte und Pflichten nach dem 31. März 2015 6. Reziprozität 7. Keine Diskriminierung III. Die Regierungsvereinbarung (Memorandum of Understanding) 1. Struktur 2. Mitteilungs- und Bestätigungsverfahren a) Definitionen aa) Relevante Person bb) Relevantes Vermögen cc) Relevante Dienstleistung b) Vorgehensweise 3. Prüfungsverfahren a) Hintergrund b) Bestellung des Prüfungsausschusses c) Aufgaben des Prüfungsausschusses d) Weisungen des Prüfungsausschusses 4. Kontrollverfahren a) Vorbemerkung b) Kontrollverfahren A c) Kontrollverfahren B 5. Offenlegungsprogramm (Liechtenstein Disclosure Facility) a) Anwendungsbereich b) Voraussetzungen aa) UK-Steuerpflichtige, die das LDF nutzen können bb) UK-Steuerpflichtige, die das LDF nicht nutzen können c) Rechtsfolge IV. Das Steuerinformationsabkommen 1. Vorbemerkung 2. Besonderheiten a) Schutz von bestehenden Kunden b) Schutz von Kunden während der Dauer des Offenlegungsverfahrens Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland A. Hintergrund I. Ausgangslage II. Verlauf der Verhandlungen III. Umsetzung und Ausblick IV. Historischer Exkurs B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland I. Geltungsbereich des Abkommens 1. Artikel 1 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung a) Zielsetzung
241 242 242 242 242 243 243 243 243 243 244 244 244 245 245 246 246 246 246 246 247 247 247 247 247 247 248 248 249 249 249 249 249 250 250 250 250 251 251 251 251 251 252 252
Inhaltsübersicht b) Art der Unterstützung c) Voraussichtlich erheblich II. Zuständigkeit 1. Artikel 2 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung III. Unter das Abkommen fallende Steuern 1. Artikel 3 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung a) Abschließender Katalog der erfassten Steuern b) Anpassungsklausel IV. Begriffsbestimmungen 1. Artikel 4 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung a) Verbindliche Definitionen b) Auffangklausel V. Informationsaustausch auf Ersuchen 1. Artikel 5 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung a) Vorbemerkung b) Auskunftsaustausch auf Ersuchen c) Umfang des Auskunftsaustauschs d) Beschaffung der ersuchten Informationen e) Form der Auskunftserteilung f) Gewährleistung der notwendigen innerstaatlichen Kompetenzen g) Anforderungen an ein Auskunftsersuchen aa) Art. 5 Abs. 5 lit. a bb) Art. 5 Abs. 5 lit. b cc) Art. 5 Abs. 5 lit. c dd) Art. 5 Abs. 5 lit. d ee) Art. 5 Abs. 5 lit. e ff ) Art. 5 Abs. 5 lit. f gg) Art. 5 Abs. 5 lit. g hh) Art. 5 Abs. 5 lit. h ii) Art. 5 Abs. 5 lit. i h) Verfahrensvorschriften VI. Steuerprüfungen im Ausland 1. Artikel 6 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung a) Vorbemerkung b) Grenzüberschreitende Zusammenarbeit c) Teilnahme an nationalen Steuerprüfungen d) Kompetenzen bei der Teilnahme an nationalen Steuerprüfungen VII. Möglichkeit der Ablehnung eines Ersuchens 1. Artikel 7 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung a) Vorbemerkung b) Abkommenkonformes Ersuchen c) Innerstaatlicher Ermittlungsrahmen
252 252 253 253 253 253 253 254 254 254 255 255 256 256 256 257 257 258 258 259 259 259 259 260 260 260 260 261 261 261 261 262 262 262 263 263 263 264 264 264 264 264 264 264 265 265 265 266 25
Inhaltsübersicht d) Öffentliche Ordnung e) Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnisse f) Durchführung von Verwaltungsmaßnahmen und Verwaltungspraxis g) Strittige Steuerforderungen h) Grenze: Nationaler Ermittlungsrahmen der ersuchenden Vertragspartei i) Diskriminierungsverbot VIII. Vertraulichkeit 1. Artikel 8 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung a) Generalnorm b) Anwendungsbereich c) Ausnahme d) Räumlicher Anwendungsbereich e) Europäische Datenschutzrichtlinie IX. Kosten 1. Artikel 9 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung X. Verständigungsverfahren 1. Artikel 10 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung a) Rechtsfolge b) Erweiterter Anwendungsbereich c) Durchführung d) Weitere Verfahren XI. Protokoll 1. Artikel 11 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung XII. Umsetzungsgesetzgebung 1. Artikel 12 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung XIII. Inkrafttreten 1. Artikel 13 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung a) Inkrafttreten b) Anwendungszeitraum c) Rückwirkung XIV. Kündigung 1. Artikel 14 TIEA FL/DE 2. Kurzkommentierung a) Laufzeit des Abkommens b) Vertraulichkeit C. Die Umsetzung des Abkommens durch das SteAHG I. Hintergrund II. Ablauf eines Auskunftsersuchens 1. Entgegennahme und Form eines Ersuchens 2. Prüfung des Ersuchens 26
266 266 266 267 267 267 267 267 269 269 269 270 270 270 270 270 270 271 271 271 271 272 272 272 272 272 272 272 272 273 273 273 273 273 273 274 274 274 274 274 274 275 275 275 275 277
Inhaltsübersicht
§5
3. Ablehnung des Ersuchens 4. Beschaffung der Information durch die Steuerverwaltung 5. Zwangsmaßnahmen 6. Schlussverfügung 7. Vereinfachtes Verfahren III. Rechtsschutz 1. Vorbemerkung 2. Berechtigter 3. Verfahrensablauf IV. Zusammenfassende Übersicht: Ablauf eines Auskunftsersuchens Das Verhältnis Liechtensteins zur EU A. Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum I. Einführung II. Grundfreiheiten 1. Grundsatz 2. Warenverkehrsfreiheit 3. Personenverkehrsfreiheit 4. Dienstleistungsfreiheit 5. Kapitalverkehrsfreiheit III. Wettbewerbsregeln 1. Grundlagen 2. Staatliche Beihilfen B. Das Zinsbesteuerungsabkommen EU/FL I. Nationale Umsetzung II. Steuerrückbehalt III. Freiwillige Offenlegung IV. Informationsaustausch V. Ausblick: Geplante Änderungen durch die EU 1. Hintergrund 2. Transparenzprinzip 3. Erweiterung des Zinsbegriffs 4. Zahlstelle kraft Vereinnahmung C. Schengen/Dublin I. Hintergrund zu Schengen/Dublin II. Form der Assoziierung Liechtensteins III. Rechtshilfe im Steuerbereich IV. Inkrafttreten D. Das geplante Betrugsbekämpfungsabkommen EU/FL I. Hintergrund 1. Ausgangslage 2. Anwendungsbereich II. Amtshilfe 1. Umfang der Amtshilfe 2. Amtshilfe auf Ersuchen 3. Besondere Formen der Zusammenarbeit 4. Beitreibung III. Rechtshilfe
277 278 279 279 279 280 280 280 280 281 283 283 283 284 284 284 284 284 284 285 285 285 286 286 286 287 287 287 287 288 289 289 290 290 291 291 292 292 292 292 293 293 293 294 295 296 296 27
Inhaltsübersicht 1. Anwendungsbereich 2. Zustellung 3. Durchsuchung und Beschlagnahme 4. Ersuchen um Bank- und Finanzauskünfte IV. Inkrafttreten E. Exkurs: EuGH Rechtsprechung zur Rs. Rimbaud I. Ausgangsfall II. Die Entscheidung des EuGH 1. Vorlagefrage 2. Rechtliche Würdigung 3. Ergebnis Stichwortverzeichnis
28
296 296 297 297 298 298 298 299 299 299 301 302
Abkürzungsverzeichnis Abl. Abl. EG Abs. AHG-UK AHV-UK AHG-USA AO Art.
Amtsblatt der Europäischen Union Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Steueramtshilfegesetz-UK Steueramtshilfeverordnung-UK Steueramtshilfegesetz-USA Abgabenordnung Artikel
BAO BBA BGBl. BMF BStBl. BuA
Bundesabgabenordnung Betrugsbekämpfungsabkommen Bundesgesetzblatt Bundesministerium für Finanzen Bundessteuerblatt Bericht und Antrag
DBA DÜ
Doppelbesteuerungsabkommen Dubliner Übereinkommen
EAS ELG EStG EWR EZB
Express Antwort Service Entscheidungen der Liechtensteinischen Gerichtshöfe Einkommensteuergesetz Europäischer Wirtschaftsraum Europäische Zentralbank
FAQ FATF FATCA FFI
Frequently Asked Questions (häufig gestellte Fragen) Financial Action Task Force Foreign Account Tax Complaince Act Foreign Financial Institions
HMRC
Her Majesty’s Revenue and Customs (Britische Steuerverwaltung)
IP IRS IWF
Intellectual Property Internal Revenue Service (US Steuerverwaltung) Internationaler Währungsfonds
JD
Joint Declaration (Gemeinsame Erklärung)
KStG
Körperschaftsteuergesetz
LDF LES LGBl. LJZ LVG
Liechtenstein Disclosure Facility (Spezielles Offenlegungsprogramm) Liechtensteinische Entscheidungssammlung Liechtensteinisches Landesgesetzblatt Liechtensteinische Juristenzeitung (Zeitschrift) Gesetz über die allgemeine Landesverwaltungspflege 29
Abkürzungsverzeichnis
MLAT MoU
Mutual Legal Assistance Treaty Memorandum of Understanding (Regierungsvereinbarung)
OECD-MA OGAW
OECD-Musterabkommen Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren
PGR PVS
Personen- und Gesellschaftsrecht Privatvermögensstruktur
QI
Qualified Intermediary
RHG Rs. RStBl.
Rechtshilfegesetz Rechtssache Reichssteuerblatt
SDÜ SteAHG SteG SteV StGH StGHG SWI
Schengener Durchführungsübereinkommen Steueramtshilfegesetz Liechtensteinisches Steuergesetz Liechtensteinische Steuerverordnung Staatsgerichtshof Gesetz über den Staatsgerichtshof Steuer und Wirtschaft International (Zeitschrift)
TACP TIEA
Taxpayer Assistance and Compliance Program (Steuerliches Amtshilfe- und Compliance-Programm) Tax Information Exchange Agreement
VBI Vgl. VO VwGH
Verwaltungsbeschwerdeinstanz Vergleiche Verordnung Verwaltungsgerichtshof
ZBStG
Zinsbesteuerungsgesetz
30
Quellenverzeichnis einigten Königreichs von Grossbritannien und Nordirland, die Vereinbarung vom 11. August 2009 der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und Her Majesty‘s Revenue and Customs betreffend die Kooperation in Steuersachen sowie das Gesetz über die Steueramtshilfe mit dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland, BuA Nr. 30/2010 Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend die Totalrevision des Gesetzes über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz; SteG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze, BuA Nr. 48/2010 Stellungnahme der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend die Totalrevision des Gesetzes über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz; SteG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze aufgeworfenen Fragen, BuA Nr. 83/2010
33
1
§ 1 Wirtschaftsstandort Liechtenstein A.
Allgemeine Rahmenbedingungen
I.
Kleinststaat
1 A.
Das Fürstentum Liechtenstein ist eine offene Kleinstvolkswirtschaft. Mit einer Landesfläche von 160 1 km2 handelt es sich um den sechstkleinsten Staat der Welt. Aufgrund des begrenzten Binnenmarktes ist das Fürstentum Liechtenstein wirtschaftlich eng mit der Schweiz, Österreich und Deutschland verbunden. Dies wird unter anderem an dem hohen Anteil der Zupendler deutlich.
II.
Geografische Lage und Topologie
Das Fürstentum Liechtenstein liegt im Zentrum der europäischen Alpenregion. Es wird von Öster- 2 reich und der Schweiz umgeben. In Europa ist das Fürstentum Liechtenstein der viertkleinste Staat. Im Westen und Süden grenzen die Schweizer Kantone Sankt Gallen und Graubünden an Liechtenstein sowie im Osten und Norden das österreichische Bundesland Vorarlberg. Die größte Ausdehnung in der Länge beträgt 24,8 km und in der Breite 12,5 km. Der höchste Punkt ist Grauspitz mit 2.599 m.ü.M. und der niedrigste Punkt ist das Ruggeller Riet mit 430 m.ü.M.1
III.
Bevölkerung
1.
Gesamtbevölkerung
Zum 31.12.2009 hatte das Fürstentum Liechtenstein eine Gesamtbevölkerung von 35.894 Einwoh- 3 nern. Dies ergibt eine Bevölkerungsdichte von 222 Einwohnern pro km2. Ein Drittel der Bevölkerung sind Ausländer, wobei die meisten aus der Schweiz, Österreich und Deutschland stammen. Die Bevölkerungsstärkste Gemeinde ist Schaan mit 5.788 Einwohnern und der Hauptort2 Vaduz hat 5.204 Einwohner.3
2.
Gemeinden
Insgesamt ergab sich zum 31.12.2009 folgende Verteilung der Bevölkerung auf die liechtensteini- 4 schen Gemeinden:4
1 2 3 4
Vaduz hat nie das Stadtrecht erhalten, darum handelt es sich hier nicht um die Hauptstadt, sondern nur um den Hauptort. Vaduz ist Sitz der Staatsregierung und des Erzbistums Vaduz. Amt für Statistik Fürstentum Liechtenstein, Bevölkerungsstatistik 31.12.2009. Amt für Statistik Fürstentum Liechtenstein, Bevölkerungsstatistik 31.12.2009. Amt für Statistik Fürstentum Liechtenstein, Bevölkerungsstatistik 31.12.2009.
35 T. Hosp, M. Langer , Steuerstandort Liechtenstein, DOI 10.1007/978-3-8349-6627-8_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
1 1
§ 1 Wirtschaftsstandort Liechtenstein Tabelle 1:
Bevölkerungsstatistik der liechtensteinischen Gemeinden
Gemeinde:
31.12.2009
Balzers
4.511
Eschen
4.201
Gamprin
1.583
Mauren
3.884
Planken
422
Ruggell
1.966
Schaan
5.788
Schellenberg
1.018
Triesen
4.806
Triesenberg
2.511
Vaduz
5.204
3.
Entwicklung
5 In den letzten hundert Jahren hat sich die Bevölkerung Liechtenstein mehr als vervierfacht. Außerdem stieg die Ausländerquote in der Bevölkerung von 14,8% im Jahr 1901 auf 33,1% im Jahr 2009:5 Abbildung 1:
Bevölkerungsentwicklung
40000 35000 30000 25000 20000
Liechtensteiner
15000
Ausländer
10000 5000 0 1901 1911 1921 1930 1941 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2009
5
36
Amt für Statistik Fürstentum Liechtenstein, Liechtenstein in Zahlen 2011, S. 11.
1
A. Allgemeine Rahmenbedingungen
IV.
Volkswirtschaft
1.
Inflation
1
Die Inflationsrate schwankte in den letzten 15 Jahren zwischen -0,5% und maximal 2,4%. Bis auf 6 das Jahr 2008 lag die Inflationsrate in diesem Zeitraum stets unter 2%. Zum Vergleich: Das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) ist Preisstabilität und dieses Ziel sieht die EZB als erfüllt an, wenn die Inflationsrate unter 2% liegt. Abbildung 2:
Inflationsrate
3,0% 2,5% 2,0% 1,5% 1,0% 0,5% 0,0%
2,4% 1,8%
1,6% 0,8% 0,5%
0,8%
1,0%
0,6% 0,6% 0,8%
1,2% 1,1%
0,0%
-0,5%
0,7% -0,5%
-1,0% 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
2.
Bruttoinlandsprodukt
Im Jahr 2008 betrug das liechtensteinische Bruttoinlandsprodukt 5.495 Millionen Franken. Daraus 7 ergibt sich ein Bruttoinlandsprodukt pro Erwerbstätigen von 187.000 Franken. Bei der Interpretation und Bewertung dieser Zahlen ist jedoch die spezielle Erwerbstätigenstruktur von Liechtenstein zu beachten. Der Anteil der Zupendler an der Gesamtzahl der in Liechtenstein beschäftigten betrug im Jahr 2008 51%. Folglich lassen sich anhand dieser Zahlen keine Rückschlüsse auf die Vermögenssituation der liechtensteinischen Bevölkerung schliessen.6 Zwischen 1998 und 2008 stieg das Bruttoinlandsprodukt von 3.595 Millionen Franken auf 5.495 8 Millionen Franken. Dies entspricht einem Anstieg von über 52%:
6
Amt für Statistik Fürstentum Liechtenstein, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 2008, S. 7.
37
1
§ 1 Wirtschaftsstandort Liechtenstein Abbildung 3:
Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts
1
BIP in Millionen CHF 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 1998
3.
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Bruttowertschöpfung
9 Das Fürstentum Liechtenstein verfügt über eine sehr stark industrialisierte Wirtschaft. Den größten Anteil an der Bruttowertschöpfung hatte im Jahr 2008 der Dienstleistungssektor mit 58%. Der Industrieanteil an der Bruttowertschöpfung betrug 36% und damit ist Liechtenstein im Vergleich zu anderen Industriestaaten sehr viel stärker industrialisiert. Abbildung 4:
Aufteilung der Bruttowertschöpfung in Liechtenstein Landwirtschaft 6%
Industrie 36% Dienstleistungen 58%
V.
Beschäftigte
10 Die hohen Wachstumsraten der liechtensteinischen Wirtschaft und die Begrenzung des lokalen Angebots an Arbeitskräften führten in Liechtenstein dazu, dass es einen hohen Anteil an Zupendlern gibt. Im Jahr 2009 waren in Liechtenstein 32.877 Menschen beschäftigt und dies bei 35.589 Einwohnern. Konkret setzte sich die Beschäftigten im Jahr 2009 aus 17.610 Erwerbstätigen Einwohnern und 16.704 Zupendlern zusammen. 11 Die Arbeitslosenquote lag in den letzten elf Jahren zwischen 1,1% und maximal 2,4%. Das folgende Schaubild stellt die Arbeitslosenquote zwischen 1999 und 2009 dar:
38
B. Abbildung 5:
1
Rechtliche Rahmenbedingungen
Arbeitslosenquote in Liechtenstein (in %)
1
3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
B.
Rechtliche Rahmenbedingungen
I.
Staatsaufbau
2006
2007
2008
2009
B.
Der Staatsaufbau des Fürstentums Liechtenstein ist in der Landesverfassung von 1923, die zuletzt 12 2003 geändert wurde, normiert.7 Demnach ist das Fürstentum Liechtenstein ein Staatsverband von zwei Landschaften und elf Gemeinden. Die Landschaft Vaduz (Oberland) besteht aus den Gemeinden Vaduz, Balzers, Planken, Schaan, Triesen und Triesenberg, die Landschaft Schellenberg (Unterland) aus den Gemeinden Eschen, Gamprin, Mauren, Ruggell und Schellenberg. Keine Gemeinde in Liechtenstein hat das Stadtrecht, daher hat das Fürstentum Liechtenstein auch keine Hauptstadt, sondern einen Hauptort. Der Hauptort ist Vaduz und dort ist der Sitz des Landtages und der Regierung. Gemäß Art. 2 der Verfassung ist das Fürstentum Liechtenstein eine konstitutionelle Erbmonarchie 13 auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage. Die Staatsgewalt ist im Fürsten und im Volke verankert und wird von beiden ausgeübt.
II.
Landesfürst
Der Landesfürst ist das Oberhaupt des Staates und übt sein Recht an der Staatsgewalt gemäß den 14 Bestimmungen der Liechtensteinischen Verfassung und der übrigen Gesetze aus. Seit dem 13. November 1989, dem Tode seines Vaters Fürst Franz Josef II., hat Fürst Hans-Adam II. die Regentschaft inne. Der Landesfürst vertritt, unbeschadet der erforderlichen Mitwirkung der verantwortlichen Regie- 15 rung, den Staat in allen seinen Verhältnissen gegen auswärtige Staaten. Wenn Staatsverträge eingegangen werden sollen, durch die beispielsweise Staatsgebiet abgetreten oder Staatseigentum veräußert oder über Staatshoheitsrechte verfügt würde, bedürfen diese zu ihrer Gültigkeit jedoch der Zustimmung des Landtages. Die im Fürstenhause Liechtenstein erbliche Thronfolge, die Volljährigkeit des Landesfürsten und 16 des Erbprinzen sowie vorkommendenfalls die Vormundschaft werden durch das Fürstenhaus in der Form eines Hausgesetzes geordnet.8 Als ältester Sohn des Landesfürsten ist Erbprinz Alois nach den Hausgesetzen als Nachfolger bestimmt worden und daher hat Fürst Hans-Adam II am 15. August 7 8
Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5. Oktober 1921, LGBl. 2010 Nr. 15. Hausgesetz des Fürstlichen Hauses Liechtenstein vom 26. Oktober 1993, LGBl. 1993 Nr. 100.
39
1 1
§ 1 Wirtschaftsstandort Liechtenstein 2004 Erbprinz Alois zur Vorbereitung auf die Thronfolge als seinen Stellvertreter mit der Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsrechte betraut. Infolge dessen nimmt Erbprinz Alois nimmt seit dem 15. August 2004 sowohl national als auch international die Aufgaben des Staatsoberhauptes des Fürstentums Liechtenstein wahr.
III.
Landtag
17 Nach Art. 45 der Liechtensteinischen Verfassung ist der Landtag das gesetzmäßige Organ der Gesamtheit der Landesangehörigen und als solches berufen, nach den Bestimmungen der Liechtensteinischen Verfassung die Rechte und Interessen des Volkes im Verhältnis zur Regierung wahrzunehmen und geltend zu machen und das Wohl des Fürstlichen Hauses und des Landes mit treuer Anhänglichkeit an die der Verfassung niedergelegten Grundsätze möglichst zu fördern. Unter dem Begriff „Landesangehörige“ werden alle Personen mit liechtensteinischem Landesbürgerrecht ohne Unterschied des Geschlechts verstanden. Die dem Landtage zukommenden Rechte können nur in der gesetzlich konstituierten Versammlung desselben ausgeübt werden. 18 Der Landtag besteht aus 25 Abgeordneten, die vom Volke im Wege des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Stimmrechtes nach dem Verhältniswahlsystem gewählt werden. Das Oberland und Unterland bilden je einen Wahlbezirk. Von den 25 Abgeordneten entfallen 15 auf das Oberland und 10 auf das Unterland. Mit den 25 Abgeordneten werden in jedem Wahlbezirk auch stellvertretende Abgeordnete gewählt. Auf jeweils drei Abgeordnete in einem Wahlbezirk steht jeder Wählergruppe ein stellvertretender Abgeordneter zu, jedoch mindestens einer, wenn eine Wählergruppe in einem Wahlkreis ein Mandat erreicht. Die Mandatszuteilung erfolgt unter den Wählergruppen, die wenigstens acht Prozent der im ganzen Land abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben. Die Mitglieder der Regierung und der Gerichte können nicht gleichzeitig Mitglieder des Landtages sein. Die Mandatsdauer zum Landtag beträgt vier Jahre mit der Maßgabe, dass die ordentlichen Landtagswahlen jeweils im Februar oder März jenes Kalenderjahres stattfinden, in welches das Ende des vierten Jahres fällt. Eine Wiederwahl ist zulässig. 19 Bei der letzten Wahl am 8. Februar 2009 erhielt die Vaterländische Union (VU) 13 Sitze, die Fortschrittliche Bürgerpartei (FBP) 11 Sitze und die freie Liste (FL) einen Sitz. Die aktuelle Mandatsperiode erstreckt sich von 2009 bis 2013.
IV.
Regierung
20 Die Regierung – oder auch Kollegialregierung – besorgt unter Berücksichtigung der Verfassung die gesamte Landesverwaltung. Dabei können durch Gesetz oder kraft gesetzlicher Ermächtigung bestimmte Geschäfte einzelnen Amtspersonen, Amtsstellen oder besonderen Kommissionen, unter Vorbehalt des Rechtszuges an die Kollegialregierung, zur selbständigen Erledigung übertragen werden. 21 Die Regierung besteht aus dem Regierungschef und vier Regierungsräten. Der Regierungschef und die Regierungsräte werden vom Landesfürsten einvernehmlich mit dem Landtage auf dessen Vorschlag ernannt. In gleicher Weise ist für den Regierungschef und die Regierungsräte je ein Stellvertreter zu ernennen, der im Falle der Verhinderung das betreffende Regierungsmitglied in den Sitzungen der Regierung vertritt. Die Regierungsmitglieder müssen Liechtensteiner und zum Landtag wählbar sein. Bei der Bestellung der Regierung ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass auf jede der beiden Landschaften wenigstens zwei Mitglieder entfallen. Ihre Stellvertreter sind der gleichen Landschaft zu entnehmen. Die Amtsperiode der Regierung beträgt vier Jahre. Bis zur Ernennung einer neuen Regierung haben die bisherigen Regierungsmitglieder die Geschäfte verantwortlich weiterzuführen. 40
C.
1
Internationale Beziehungen
Seit dem 25. März 2009 besteht die Regierung aus drei Mitgliedern der Vaterländischen Union und 22 zwei Mitgliedern der Fortschriftlichen Bürgerpartei: Q Regierungschef Dr. Klaus Tschütscher leitet die Ressorts Präsidium, Finanzen, Familie und Chancengleichheit Q Regierungschef-Stellvertreter Dr. Martin Meyer leitet die Ressorts Wirtschaft, Verkehr und Bau Q Regierungsrätin Dr. Renate Müssner leitet die Ressorts Gesundheit, Soziales und Umwelt, Raum, Land- und Waldwirtschaft Q Regierungsrat Hugo Quaderer leitet die Ressorts Inneres, Bildung und Sport Q Regierungsrätin Dr. Aurelia Frick leitet die Ressorts Äusseres, Justiz und Kultur 23 Stellvertreter der Regierungsmitglieder sind: Q Roland Moser Q Andrea Klein Q Dr. Mauro Pedrazzini Q Dr. Patrick Schürmann Q Hubert Büchel
C.
Internationale Beziehungen
C.
Das Fürstentum Liechtenstein verfügt nicht nur über zahlreiche bilaterale Beziehungen, sondern ist 24 auch durch multilaterale Abkommen in die internationale Staatengemeinschaft integriert. Im Folgenden wird ein Überblick über die bi- und multilateraren Beziehungen Liechtensteins gegeben:
I.
Bilaterale Abkommen
Das Fürstentum Liechtenstein unterhält unter anderem mit Deutschland, Österreich und der Schweiz 25 bilaterale Abkommen. Bis zum Ende des ersten Weltkrieges war das Fürstentum Liechtenstein stark an Österreich angebunden. Diese Verbindung erfolgte durch den 1852 abgeschlossenen Zoll- und Steuervertrag zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und dem Kaiserreich Österreich-Ungarn. Aufgrund des Zusammenbruchs des Kaiserreichs Österreich-Ungarn nach dem ersten Weltkrieg hatte dieser Zollvertrag keine praktische Bedeutung mehr für Liechtenstein. Liechtenstein hatte sich daher in der Folge der Schweiz angenähert. Aus dieser Annäherung resultierte die Einführung des Schweizer Franken in Liechtenstein 1921 und der Zollvertrag vom 29. März 1923 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Eidgenössischen Schweiz. Aus dieser Konstellation resultiert auch die Tatsache, dass die älteren Gesetze, wie bespielsweise das 26 Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB)9, sehr stark durch die österreichische Rechtsentwicklung geprägt sind und moderne Gesetze hingegen, wie beispielsweise das Arbeitsrecht10, der Schweizer Rechtstradition entstammen.
II.
Multilaterale Abkommen
Das Fürstentum Liechtenstein ist Mitglied der UNO Familie und dies umfasst unter anderen die 27 Mitgliedschaft bei folgenden UN Organisationen: 9 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch vom 1. Juni 1811, LGBl. 1967 Nr. 34. 10 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch vom 1. Juni 1811, LGBl. 1967 Nr. 34.
41
1
1
§ 1 Wirtschaftsstandort Liechtenstein Internationaler Gerichtshof in Den Haag (IGH): Beitritt am 29. März 1950 Q Internationaler Strafgerichtshof (ICC): Beitritt am 2. Oktober 2001 Q Weltpostverein: Beitritt am 13. April 1962 Q Internationale Fernmeldeunion (ITU): Beitritt am 25. Juli 1963 Q Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD): Beitritt am 30. Dezember 1964 Q Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO): Beitritt am 11. November 1968 Q Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO): Beitritt am 17. Februar 1972 Q Organisation der Vereinten Nationen (UNO): Beitritt am 18. September 1990 Q Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (ECE): Beitritt am 18. September 1990 sowie Konsultativstatus seit 3. April 1976 28 Auf Europäischer Ebene ist das Fürstentum Liechtenstein unter anderen bei den folgenden Organisationen und Institutionen eingebunden: Q Konferenz der Europäischen Post- und Fernmeldeverwaltungen (CEPT): Beitritt am 13. September 1963 Q Organisation über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE): Teilnehmerstaat der früheren KSZE seit 1. August 1975 Q Entwicklungsbank des Europarates: Beitritt am 1. Januar 1976 Q Europarat (CE): Beitritt am 23. November 1978 Q Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (ECHR): Beitritt am 9. September 1982 Q Europäische Patentorganisation (EPO): Beitritt am 1. April 1980 Q Europäische Fernmeldesatelliten-Organisation (EUTELSAT): Beitritt am 4. Februar 1987 Q Europäische Freihandelsassoziation (EFTA): Beitritt am 1. September 1991, vorher Sonderstatus seit 3. Mai 1960 Q Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE): Beitritt am 28. März 1991 Q Europäischer Wirtschaftsraum (EWR): Beitritt am 1. Mai 1995 Q Europäische Verkehrsministerkonferenz (CEMT): Beitritt im Jahr 2000 29 Darüber hinaus bestehenden Mitgliedschaften bei den folgenden internationalen Organisationen und Institutionen: Q Internationale polizeiliche Vereinigung (INTERPOL): Beitritt im Jahr 1960 Q Internationaler Eisenbahnverkehr (COTIF): Beitritt am 30. Januar 1985 Q Internationale Fernmeldesatelliten-Organisation (INTELSAT): Beitritt am 20. August 1971 Q Internationale Union zur Erhaltung der Natur und der natürlichen Hilfsquellen (IUCN): Beitritt am 1. Januar 1982 Q Welthandelsorganisation (WTO): Beitritt am 1. September 1995 Q Internationales Olympisches Komitee (IOC): Beitritt am 29. Juli 1935 Q Ständiger Schiedsgerichtshof in Den Haag: Beitritt am 23. September 1994 Q Internationales Seuchenamt (OIE): Beitritt am 1. Januar 2008 Q Internationale Agentur für Erneuerbare Energie (IRENA): Beitritt am 29. Juni 2009 Q
1
42
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht A.
Grundzüge des Liechtensteinischen Steuerrechts
I.
Der Geschichtliche Hintergrund
1.
Überblick
A.
Ein Eckpfleiler der Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 ist die Berücksichtigung der 1 Rechtstradition. Daher sind einige Elemente des aktuellen Steuerrechts entweder dem alten Steuerrecht entlehnt oder teilweise sogar direkt von diesem übernommen worden. Aus diesem Grund werden im Folgenden die Grundzüge des alten Steuergesetzes kurz skizziert, um zum einen die liechtensteinische Rechtstradition aufzuzeigen sowie ein besserers Verständnis für die einzelnen Vorschriften des neuen Steuergesetzes zu ermöglichen. Das alte Steuergesetz von 19611, das bis zum 31. Dezember 2010 in Liechtenstein Anwendung fand, 2 basierte auf einer allgemeinen Vermögenssteuer mit ergänzender Erwerbssteuer für natürliche Personen und einer Kapital- und Ertragssteuer für Verbandspersonen. Darüber hinaus gab es noch weitere ergänzende Steuerarten, wie beispielsweise eine Grundstücksgewinnsteuer bei der Veräußerung von liechtensteinischen Grundstücken, eine Couponsteuer bei bestimmten Ausschüttungen und Zinszahlungen, eine Nachlasssteuer auf in Liechtenstein fällige Verlassenschaften sowie eine Erbanfalls- oder Schenkungssteuer, die auf in Liechtenstein vollzogene Vermögenserwerbe von Todes wegen oder durch Schenkung erhoben wurde. Natürliche Personen, die in Liechtenstein keiner Erwerbstätigkeit nachgingen, konnten unter bestimmten Voraussetzungen die Besteuerung gemäß den Vorschriften zur Rentnersteuer beantragen. Hierbei handelte es sich um eine Art Pauschalbesteuerung.
2.
Die Vermögens- und Erwerbssteuer
Bei natürlichen Personen unterlag das gesamte liechtensteinische bewegliche und unbewegliche Ver- 3 mögen der Vermögenssteuer, soweit es die Freibeträge in Höhe von 70.000 Franken für Alleinstehende und 140.000 Franken für Verheiratete überschritten hatte. Darüber hinaus gab es eine ergänzende Erwerbssteuer, der sämtliche Einkünfte unterlagen, sofern diese Einkünfte nicht aus Vermögen erzielt wurden, das bereits der Vermögenssteuer unterlag. Dies bedeutet, dass Zinseinkünfte nicht der Erwerbssteuer unterlagen, da beispielsweise die zugrunde liegenden Anleihen bereits durch die Vermögenssteuer besteuert wurden. Es kam hier folglich nicht zu einer Doppelbelastung aus Vermögens- und Erwerbssteuer. Die Steuerlast berechnetete sich wie folgt: Im ersten Schritt wurde das sogenannte Steuerbetreffnis 4 ermittelt. Dies erfolgte aus dem steuerpflichtigen Vermögen und dem steuerpflichtigen Erwerb. Im zweiten Schritte wurde abhängig von der Höhe dieses Steuerbetreffnisses ein Progressionszuschlag angewendet. Abschließend konnte ein Verheirateten- oder Alleinerziehendenabzug geltend gemacht 1
Gesetz vom 30. Januar 1961 über die Landes- und Gemeindesteuern, LGBl. 1961 Nr. 7.
43 T. Hosp, M. Langer , Steuerstandort Liechtenstein, DOI 10.1007/978-3-8349-6627-8_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht werden. Der so ermittelte Betrag bildete die Landessteuer, die um den Gemeindezuschlag erhöht wurde. Die Landessteuer zusammen mit dem Gemeindezuschlag ergaben die Gesamtsteuerbelastung.
2
3.
Die Kapital- und Ertragssteuer
5 Juristische Personen und Vermögenswidmungen unterlagen in Liechtenstein einer Kapitalsteuer auf ihr Eigenkapital in Höhe von 2‰ und zusätzlich wurde auf den Reinertrag eine Ertragssteuer erhoben. Das besondere an der liechtensteinischen Ertragssteuer war ihr progressiver Tarif. Der Steuersatz lag in Abhängigkeit der Ertrags- und Ausschüttungsintensität zwischen 7,5% und 20%. Konkret ermittelte sich der Ertragssteuersatz nach Art. 79 Steuergesetz von 1961 durch das Verhältnis zwischen steuerbarem Reinertrag und steuerbarem Kapital, wobei der Ertragssteuersatz halb soviel Prozente des Reinertrages betrug, als dieser Reinertrag Prozente des steuerpflichtigen Kapitals ausmacht, jedoch mindestens 7,5% und höchstens 15% des Reinertrages. Der so ermittelte Ertragssteuersatz konnte sich um einen Ausschüttungszuschlag von maximal 5% erhöhen. Der Ausschüttungszuschlag war wiederum abhängig vom Verhältnis zwischen Ausschüttung und steuerbarem Kapital. Dies bedeutet, dass die Ertragssteuerbelastung nicht nur von der Ertragsintensität abhängig war, sondern auch von der Höhe der Ausschüttungen. Bei der Vornahme von Ausschüttungen aus Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Anstalten, deren Kapital in Anteile zerlegt war, fiel zudem grundsätzlich noch eine Couponsteuer in Höhe von 4% an. Schuldner der Couponsteuer war nicht der Empfänger der Ausschüttungen, sondern die ausschüttende Gesellschaft selber.
4.
Privilegierte Besteuerung von Sitzgesellschaften
6 Der Begriff „Sitzgesellschaften“ und die steuerliche Behandlung dieser Rechtsträger wurden insbesondere in Art. 84 Steuergesetz von 1961 geregelt. Demnach sind im Öffentlichkeitsregister eingetragene juristische Personen, die in Liechtenstein nur ihren Sitz mit oder ohne Haltung eines Büros haben und hier keine geschäftliche oder kommerzielle Tätigkeit ausüben, von der Vermögens-, Erwerbs- und Ertragsteuer befreit. Sie haben lediglich eine Kapitalsteuer in Höhe von 1‰ vom einbezahlten Kapital bzw. dem im Unternehmen investierten Vermögen und den Reserven zu entrichten. Auf Basis des Gesetzestextes konnten in der Praxis drei Voraussetzungen herausgearbeitet werden, welche die Qualifikation einer juristischen Person als Sitzunternehmen rechtfertigen: 1. Die Eintragung im Öffentlichkeitsregister und, 2. das Vorhandensein des Sitzes in Liechtenstein mit oder ohne Haltung eines Büros und, 3. die Tatsache, dass in Liechtenstein [= hier] keine geschäftliche oder kommerzielle Tätigkeit ausgeübt wird. 7 Die erste Voraussetzung bereitete in der Praxis weitestgehend keine Probleme. Zur Beurteilung der Voraussetzungen (2) und (3) hat insbesondere das höchstgerichtliche Urteil der Verwaltungsbeschwerdeinstanz (nunmehr: Verwaltungsgerichtshof) vom 6. September 20002 und das daraufhin publizierte Rundschreiben Nr. 1/20013 der Steuerverwaltung Bedeutung. Entscheidend war, dass sich sowohl die Verwaltungsbeschwerdeinstanz als auch die Steuerverwaltung zum Wirkungsraumprinzip und nicht – wie zum Teil in der Schweiz – zum Ursprungsraumprinzip bekannte. Die VBI hat sich in ihrer Entscheidung mit der Schweizerischen Lehre auseinandergesetzt und kommt zum 2 3
44
VBI 2000/29, LES 4/2000, S. 173 ff. Rundschreiben Nr. 1/2001 vom Januar 2001.
2
A. Grundzüge des Liechtensteinischen Steuerrechts Schluss: „Wird jedoch auf die Wirkung der Tätigkeit im Inland abgestellt (Wirkungsraum), so ist in erster Linie der Bestimmungsort bzw. der Bestimmungsmarkt der Güter und Dienstleistungen maßgebend. Es kommt also auf den Ort, wo die Geschäftstätigkeit nach aussen in Erscheinung tritt […] an. Nach dem Wirkungsraumprinzip dürften Sitzunternehmen im inländischen Wirtschaftsverkehr nur mit verwaltender Tätigkeit in Erscheinung treten, nicht aber als Anbieter von Gütern und Leistungen, als Produzent oder als Einkäufer. Sie könnten jedoch in ausländischen Märkten Güter und Dienstleistungen anbieten und einkaufen, auch wenn das betreffende Personal diese Arbeiten im Inland ausführt und im Ausland keine Betriebsstätte besteht.“4
II.
Rechtsquellen im Liechtensteinischen Steuerrecht
1.
Überblick
Im liechtensteinischen Steuerrecht gibt es eine große Anzahl an Normen aus verschiedenen Rechts- 8 quellen mit unterschiedlicher Rechtsqualität. Neben den nationalen Gesetzen zum Steuerrecht, wie beispielsweise das Steuergesetz selbst, sind auch in einigen Bereichen Normen der Schweiz und Europarecht in Liechtenstein anwendbar. Neben diesen Gesetzen wird das Steuerrecht jedoch auch durch Verordnungen ergänzt sowie durch Wegleitungen und Merkblätter ausgelegt.
2.
Nationale Gesetze
Neben der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein, welche die Gesetzgebungskompetenz im Be- 9 zug auf das Steuerrecht und die Prinzipien der Besteuerung normiert, ist das Steuergesetz die zentrale gesetzliche Norm für das formelle und materielle Steuerrecht. Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich, die durch verschiedene Einzelsteuergesetzen, wie das Einkommenssteuergesetz oder Körperschaftssteuergesetz, das materielle Steuerrecht kodifizieren und zusätzlich das steuerrechtliche Verfahrensrecht in einem zentralen Mantelgesetz, wie der Abgabenordnung oder Bundesabgabenordnung regeln, erfolgt die Kodifizierung der direkten Steuern in Liechtenstein nur in einem einzigen Gesetz (Steuergesetz). Zudem ist auch das Verfahrensrecht im Steuergesetz normiert.
3.
Schweizerische Gesetze
Aufgrund der bilateralen Verträge mit der Schweiz sind verschiedene schweizerische Gesetze, aber 10 auch schweizerische Erlässe unmittelbar in Liechtenstein anwendbar. Für das liechtensteinische Steuerrecht sind insbesondere die Ausführungsbestimmungen betreffend die Durchführung der Bundesgesetzgebung über die Stempelabgaben und der Vertrag zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend die Mehrwertsteuer im Fürstentum Liechtenstein sowie die entsprechenden Vereinbarungen von Bedeutung. Ferner ist jedoch nicht nur die unmittelbare Übernahme bestimmte Schweizer Regelungen kodifiziert, sondern in der Praxis werden auch häufig Schweizer Kreisschreiben, Rechtsprechung und Erläuterungen zur Interpretation herangezogen, da gerade das alte Steuergesetz von 1961 entsprechend der starken Anbindung an die Schweiz der Schweizerrechtstradition in einigen Teilen sehr nahe war.
4
LES 4/2000, S. 176 f.
45
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
4. 2
Europarecht
11 Liechtenstein ist seit dem 1. Januar 1995 Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Insgesamt besteht das EWR Abkommen aus dem Hauptabkommen, 22 Anhängen und 50 Protokollen. Ferner wird darin auf die EWR relevanten EU-Rechtsakte verwiesen. Obwohl die gemeinsame Steuerpolitik der EU kein Bestandteil des EWR-Abkommens ist, entfaltet das EWR Abkommen aufgrund der normierten Grundfreiheiten und des Verbots staatlicher Beihilfen einen maßgeblichen Einfluss auf das liechtensteinische Steuerrecht.
5.
Verordnungen
12 Aufgrund von Art. 153 SteG hat die liechtensteinische Regierung die Verordnung vom 21. Dezember 2010 zum Gesetz über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuerverordnung; SteV) erlassen. Hierbei handelt es sich nicht um ein Gesetz des Landtages, sondern um eine Rechtsnorm, die von einem Exekutivorgan, der Regierung, erlassen wurde. Folglich ist sie in der Normenhierarchie gegenüber dem Steuergesetz als nachrangig zu betrachten.
6.
Wegleitungen und Merkblätter
13 Zur Auslegung und Interpretation des Steuergesetzes existieren in Liechtenstein verschiedene Wegleitungen und Merkblätter der Steuerverwaltung. So wird beispielsweise im Merkblatt betreffend „Erhebung der Quellensteuer Jahr 2011“ unter anderem die Vorgehensweise und die Höhe des Lohnsteuerabzuges dargestellt und festgelegt. Obwohl diese Wegleitungen und Merkblätter keine Gesetzeskraft haben und vom prinzipiellen Charakter der praktischen Umsetzung des Steuergesetzes dienen sollen, hatten die Merkblätter und Wegleitungen gerade in der Vergangenheit einen sehr hohen Stellenwert. So war der Beteiligungsabzug5 nicht gesetzlich normiert, sondern er basierte ausschließlich aufgrund der Ausführungen in der jeweils aktuellen Wegleitung für juristische Personen. Somit ist in der Praxis den Wegleitungen und Merkblättern ein hoher Stellenwert einzuräumen, wobei bei einer abweichenden Rechtsauffassung die Rechtsmittelverfahren genutzt werden können.
7.
Exkurs: Recherche Möglichkeiten
a)
Gesetze und Gesetzesmaterialen
14 Das liechtensteinische Landesrecht, wie beispielsweise die liechtensteinische Verfassung und das Steuergesetz sowie die liechtensteinischen Staatsverträge mit der Schweiz und der EU sind im Internet im Volltext unter folgender Seite www.gesetze.li abrufbar. Es ist jedoch nicht nur möglich die aktuellen und vergangenen Gesetzesfassungen online zu erhalten, sondern auch die Ergebnisse des Gesetzgebungsprozesses sind einsehbar. So veröffentlicht die liechtensteinische Regierung zu wichtigen Gesetzesvorhaben einen so genannten Vernehmlassungsbericht. Dieser kann unter www.rk.llv.li eingesehen werden. Zudem besteht die Möglichkeit für die Bevölkerung zu dieser Vernehmlassung innerhalb einer bestimmten Zeit Stellung zu nehmen. In Deutschland kann der Vernehmlassungs5
46
Beteiligungsabzug: Zwecks Vermeidung einer steuerlichen Mehrfachbelastung desselben wirtschaftlichen Substrats wurde den Kapitalgesellschaften (Körperschaften, Anstalten und Treuunternehmen mit Rechtspersönlichkeit), welche maßgebende Beteiligungen halten, ein Beteiligungsabzug vom Steuerbetrag der Kapital und der Ertragssteuer gewährt, dies jedoch erst ab einer Haltedauer von zwölf Monaten.
2
A. Grundzüge des Liechtensteinischen Steuerrechts bericht mit einem Referentenentwurf verglichen werden. Ferner ist auch der Bericht und Antrag (BuA) – vergleichbar in Deutschland mit einem Regierungsentwurf – im Internet unter www.bua.llv. li abrufbar. Der BuA enthält erläuternde Bemerkungen, die zur Interpretation des gesetzgeberischen Willens und zur Auslegung der entsprechenden Norm herangezogen werden kann.
b)
Judikatur
Die wichtigsten Urteile der liechtensteinischen Gerichte sind ab 1978 in der Liechtensteinischen 15 Entscheidungssammlung (LES) enthalten. Davor waren sie in den Entscheidungen der Liechtensteinischen Gerichtshöfe (ELG) einsehbar. Im Internet sind einzelne Urteile unter www.judikatur.li im Volltext abrufbar.
c)
Literatur
Aktuell gibt es in Liechtenstein zwei Fachzeitschriften, die sich auch mit dem liechtensteinischen 16 Steuerrecht auseinandersetzen. Die Liechtensteinische Juristenzeitung (LJZ) wird seit 1980 von der Vereinigung Liechtensteinischer Richter (VLR) herausgegeben. Seit 2009 gibt es außerdem das Liechtenstein Journal, das sich mit dem liechtensteinischen Steuerrecht und anderen Finanzplatzrelevanten Rechtsthemen auseinandersetzt. Neben diesen beiden Fachzeitschriften gibt es seit 1997 die Zeitschrift Jus & News. Diese ist gerade im Hinblick auf andere Rechtsthemen eine gute Quelle, um sich mit dem liechtensteinischen Rechtssystem auseinanderzusetzen.
III.
Überblick über das Steuersystem
1.
Einnahmen des Staates
a)
Überblick
Der liechtensteinische Staat finanziert sich im Gegensatz zu den meisten anderen Industriestaaten 17 derzeit ausschließlich durch ordentliche Einnahmen. Darunter werden Einnahmen verstanden, die dem Staat endgültig zur Verfügung stehen. Unter außerordentliche Einnahmen werden beispielsweise Kredite verstanden. Denn das Fürstentum Liechtenstein ist aktuell nicht überschuldet und verfügt im Gegenteil sogar über ein Staatsguthaben, aus welchem dem öffentlichen Sektor Zinserträge zufliessen. Die ordentlichen Einnahmen – oder auch öffentliche Abgaben genannt – werden in Liechtenstein in 18 Steuern und Kausalabgaben unterschieden: 6
6
So beispielsweise der Staatsgerichtshof als oberste Instanz in seinem Urteil vom 20. Februar 1997, StGH 1996/30, LES 1997, S. 207 ff. (210).
47
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht Abbildung 6:
Öffentliche Abgaben in Liechtenstein Öffentliche Abgaben
2 Kausalabgaben
Gebühren
b)
Vorzugslasten
Steuern
Ersatzabgaben
Monopolgebühr
Steuern
19 Im Gegensatz zu den Kausalabgaben handelt es sich bei Steuern, um eine Zahlung ohne Gegenleistung. Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige aufgrund der Steuerzahlung keinen Anspruch auf eine bestimmte Gegenleistung hat. Eine Steuer muss jedoch – wie international üblich – der Gerechtigkeit entsprechen.7 Die liechtensteinische Verfassung und das liechtensteinische Steuergesetz enthalten keine Legaldefinition des Begriffes Steuern, die beispielsweise vergleichbar mit Art. 3 der deutschen Abgabenordnung ist.
c)
Gebühren
20 Unter einer Gebühr versteht man eine Abgabe, die einer direkten Gegenleistung gegenübersteht. Beispiele hierfür sind Verwaltungsgebühren und Benutzungsgebühren.
d)
Vorzugslasten
21 Vorzugslasten sind zu bezahlen, wenn jemand aufgrund einer staatlichen Einrichtung einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil erhält. Ein Beispiel hierfür ist der Beitrag für die Abwasserreinigung.
e)
Ersatzabgaben
22 Eine besondere Form der Kausalabgaben sind die Ersatzlasten. Eine Person muss eine Ersatzabgabe zahlen, wenn sie von Naturallasten, wie beispielsweise der Feuerwehrpflicht oder der Militärpflicht, befreit wird.
f)
Monopolgebühren
23 Bei der Monopolgebühr handelt es sich um eine Abgabe auf Alkohol. Es ist somit mit den Verbrauchssteuern vergleichbar.
7
48
Vgl. beispielsweise Staatsgerichtshof vom 27. März.1957, ELG 1955-61, S. 118 ff. (121).
2
A. Grundzüge des Liechtensteinischen Steuerrechts
2.
Einteilung der Steuerarten
a)
Vorbemerkung
2
Zur Systematisierung der einzelnen Steuerarten haben sich unterschliedliche Kategorisierungsansät- 24 ze heraus kristalisiert. Diese Unterscheidungsmöglichkeiten sind Kontext gebunden und führen zu unterschiedlichen Gruppierungen:
b)
Direkte und indirekte Steuern
Die Klassische Form der Unterscheidung ist gemäß der Finanzwissenschaft die Einteilung der Steu- 25 erarten in direkte und indirekte Steuern. Dieses Kriterium knüpft an die vom Gesetzgeber intendierte Möglichkeit der Überwälzbarkeit der Steuer an. Sind Steuerschuldner und Steuerträger eine Person, dann handelt es sich um eine direkte Steuer. Beispiele hierfür sind die Erwerbs- und die Ertragssteuer. Wenn Steuerschuldner und Steuerträger hingegen auseinanderfallen, dann liegt eine indirekte Steuer vor. Hierfür ist das klassische Beispiel die Mehrwertsteuer, denn der Unternehmer schuldet die Mehrwertsteuer, aber gemäß der Absicht des Gesetzgebers soll der Endverbraucher mit dieser belastet werden.
c)
Personen- und Sachsteuern
Bei Personensteuern werden die persönlichen Merkmale zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit her- 26 angezogen. Beispiele für Personensteuern sind die Erwerbssteuer für natürliche Personen und die Ertragssteuer für juristische Personen. Bei Sachsteuern bleiben die persönlichen Verhältnisse hingegen unberücksichtigt. So ist es für die 27 Ermittlung der Mehrwertsteuerbelastung beim Erwerb eines Autos unerheblich, ob dieses von einem arbeitslosene Alleinerziehenden Vater mit vier Kindern erworben wird oder einem gutverdienenden Alleinstehenden. Hier ändert sich weder die Bemessungsgrundlage noch der Tarif.
d)
Unterscheidung nach der Erhebungsform
Die Steuerarten können auch nach ihrer Erhebungsform unterschieden werden. So gibt es beispiels- 28 weise Veranlagungssteuern und Quellensteuern. Bei einer Veranlagungssteuer muss der Steuerpflichtige mithilfe einer Steuererklärung seine Einkünfte gegenüber der Steuerverwaltung offenbahren, woraufhin in diese besteuert. Bei einer Quellensteuer hingegen wird die Steuer durch einen Dritten für den Steuerpflichtigen abgeführt. Beispiele hierfür sind die Quellensteuern bei beschränkt Steuerpflichtigen.
e)
Unterscheidung nach der Bemessungsgrundlage
Eine weitere Form der Kategoriserung der Steuerarten besteht in der Anknüpfung an den Lebenszy- 29 klus. Im ersten Schritt wird Einkommen erzielt, dann wandelt sich dieses Einkommen in Vermögen und am Ende wird es entweder konsumiert oder auf eine andere Person übertragen.
49
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht aa) Einkommenserzielung 30 Die Erwerbs- und Ertragssteuer besteuert die Erzielung von Einkommen. Ein weiteres Beispiel in Liechtenstein ist die Grundstücksgewinnsteuer. Hier wird der Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstückes besteuert. bb) Vermögensbestand 31 Die Vermögenssteuer besteuert den Vermögensbestand einer natürlichen Person. Vor dem 1. Januar 2011 unterlagen auch juristische Personen einer Art Vermögenssteuer und zwar der Kapitalsteuer. Diese wurde jedoch zum 1. Januar 2011 abgeschafft. cc) Konsum 32 Die Mehrwertsteuer und die Verbrauchssteuer knüpfen an den Konsum eines Wirtschaftsgutes an. dd) Transfer von Vermögen 33 Mit Wirkung zum 1. Januar 2011 gibt es Liechtenstein keine Erbschafts- und Schenkungssteuer mehr. Ein Bespiel für die Besteuerung des Vermögenstransfers ist in den Liechtenstein derzeit die Widmungssteuer.
f)
Unterscheidung nach wirtschaftlichen Aspekten
34 Die Steuerarten können zudem auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten eingeteilt werden. International etabliert haben sich hier die Differenzierung in Ertragssteuern, Substanzsteuern, Verkehrssteuern und Verbrauchssteuern. aa) Ertragssteuern 35 Bei Ertragssteuern wird der Erwerb oder Ertrag einer Person besteuert. Dieser bildet die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung. Beispiele hierfür sind die Ertragssteuer und die Erwerbssteuer. bb) Substanzsteuern 36 Bei der Substanzsteuer wird nicht ein Zu- oder Abfluss besteuert, sondern eine Bestandsgröße. In Liechtenstein gehört beispielsweise die Vermögenssteuer zu den Substanzsteuern. cc) Verkehrssteuern 37 Bei der Verkehrssteuer wird der Transfer eines Vermögensgegenstandes besteuert. Ein Beispiel wäre die Widmungssteuer. Ferner ist ein klassisches Beispiel die Erbschafts- und Schenkungssteuer, die mit Wirkung auf den 1. Januar 2011 in Liechtenstein abgeschafft wurde. dd) Verbrauchssteuern Verbrauchssteuern soll der Verbrauch besteuert werden. Beispiel hierfür ist die Tabaksteuer.
3.
Die Steuerhoheiten
a)
Überblick
38 Unter Steuerhoheit wird die materiell-rechtliche Befugnis des Staates verstanden sein Besteuerungsrecht tatsächlich zu verwirklichen. Die Steuerhoheit wird zunächst in eine räumliche und und eine sachliche Steuerhoheit eingeteilt. Bei der räumlichen Steuerhoheit wird das Besteuerungsrecht zwischen In- und Ausland abgegrenzt. Die sachliche Steuerhoheit wird wiederum unterteilt in die Steuergesetzgebungshoheit, die Steuerertragshoheit und die Steuerverwaltungshoheit. 50
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
b)
Die Steuergesetzgebungshoheit
Unter der Steuergesetzgebungshoheit wird das Recht verstanden eine Steuer zu erlassen. Das Recht 39 eine Steuer zu erlassen liegt in Liechtenstein grundsätzlich beim Land. Die Gemeinden können jedoch durch Zuschlagssätze Einfluss auf die Steuerhöhe nehmen.
c)
Die Steuerertragshoheit
Die Steuerertragshoheit umfasst das Recht ein bestimmtes Steueraufkommen zu vereinnahmen. 40 Die Verteilung der direkten Steuern zwischen Land und den Gemeinden ist in Liechtenstein in den Art. 73ff SteG festgelegt. Die Details hier zu sind in dem Kapital Gemeindesteuern enthalten.
d)
Die Steuerverwaltungshoheit
Die Steuerverwaltungshoheit beschäftigt sich mit dem Vollzug der Steuern. Hierzu normiert Art. 126 41 SteG für die direkten Steuern, dass die Vermögens- und Erwerbssteuer von den Gemeindesteuerkassen und die übrigen Steuern von der Steuerverwaltung bezogen werden. Die mit dem Steuerbezug betrauten Behörden sorgen durch Rechnungsstellung, Mahnung und Zwangsbetreibung für den Bezug der Steuern, Nachsteuern, Bußen, Zinsen und Kosten.
B.
Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
I.
Konzeption des neuen Steuergesetzes
1.
Ausgangslage
B.
Das Steuergesetz von 1961, das bis zum 31. Dezember 2010 in Liechtenstein gültig war, geht in seinen 42 Grundzügen auf das Steuergesetz von 1923 zurück. Somit ist die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 nicht nur die größte Veränderung der Steuergesetzgebung in Liechtenstein der letzten 50 Jahre, sondern es ist sogar die erste Totalrevision des Steuergesetzes seit 88 Jahren. Denn dem Steuergesetz von 1961 lag zwar ein Entwurf zur Totalrevision zu Grunde, dieser wurde jedoch nicht vollständig umgesetzt. Die Notwendigkeit für eine vollständige Reform des liechtensteinischen Steuerrechts sah die liech- 43 tensteinische Regierung insbesondere aufgrund des zunehmenden internationalen Steuerwettbewerbs. Dieser erfordert zum einen ein Steuersystem, das eine einfache, transparente und wettbewerbsfähige Besteuerung von natürlichen Personen und Unternehmen vorsieht und zum anderen eine Senkung der Steuersätze und der Steuerbelastung.
51
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
2.
44 Im Januar 2007 hat eine Arbeitsgruppe die FL Tax Roadmap8 vorgelegt, welche die wesentlichen Eckpunkte und Leitlinien für die Totalrevision des liechtensteinischen Steuerrechts beinhaltet hat. Demnach sollte die Steuerreform auf den folgenden sieben Eckpfeilern ruhen: Abbildung 7:
Eckpfeiler der Totalrevision des Steuerrechts
a)
Europarechts Konformität
Internationale Kompatibilität
Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit
Einfachheit und Transparenz
Entscheidungsneutralität
Aufkommensneutralität
Die Totalrevision des liechtensteinischen Steuerrechts Verfassungsrechtliche Konformität
2
Kriterien, Ziele und Rahmenbedingungen
Verfassungsrechtliche Konformität
45 Art. 24 der liechtensteinischen Verfassung normiert, dass der Staat im Wege zu erlassender Gesetze für eine gerechte Besteuerung unter Freilassung eines Existenzminimums und mit stärkerer Heranziehung höherer Vermögen oder Einkommen sorgen soll. Aus diesem Grund verfolgte die Totalrevision des Steuergesetzes das Ziel, dass eine Gleichbehandlung der Landesangehörigen in Bezug auf gleiche Sachverhalte gewährleistet wird. Ferner sollen Personen mit einer über den Veranlagungszeitraum hinaus gleichen Leistungsfähigkeit auch gleich belastet werden.
b)
Aufkommensneutralität
46 Zur nachhaltigen Finanzierung der öffentlichen Güter und der Sicherstellung der staatlichen Aufgaben ist es von zentraler Bedeutung gewesen, dass es aufgrund der Steuerreform im Zeitablauf insgesamt zu keinen wesentlichen Aufkommensunterschieden kommt. Es kann durch Änderungen in den Steuerarten, im Steuersystem, den Steuerbemessungsgrundlagen und Steuersätzen zwar zu kurzfristigen Steuerausfällen kommen, aber diese sollen im Zeitablauf durch die gestärkte Wettbewerbsposition Liechtensteins kompensiert werden.
8
52
Die Ausgangsbasis für die FL Tax Roadmap waren insbesondere die steuerpolitischen Grundsätzen, welche die Regierung des Fürstentums Liechtenstein anlässlich der Bestellung und Beauftragung der Arbeitsgruppe am 31. Oktober 2006 beschlossen hat.
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
c)
Entscheidungsneutralität
Ein zentraler Aspekt in einer Marktwirtschaft ist, dass das Steuerrecht keinen Einfluss auf die Ent- 47 scheidungen und Handlungen der Marktteilnehmer hat und insofern die Allokationsfunktion des Marktes möglichst wenig beeinträchtigt wird. Ziel der Steuerreform war es daher, dass diese grundsätzlich keinen Einfluss auf die Entscheidung zwischen Konsum und Sparen, zwischen verschiedenen Rechts- und Organisationsformalternativen, Investitions- und Finanzierungsalternativen sowie auf die Entscheidung zwischen Gewinnausschüttung und -einbehaltung hat.
d)
Einfachheit und Transparenz
Der Aspekt der Einfachheit und Transparenz führte einerseits zur Reduktion von bestehenden Steu- 48 erarten und anderseits zu deren Vereinfachung. Auf diese Weise kann die konkrete steuerliche Belastung natürlicher und juristischer Personen einfacher ermittelt und die steuerliche Behandlung verschiedener Sachverhalte leichter nachvollzogen werden. Dies führt zu einer Kostenreduktion der Steuerdeklaration und erhöht die Effizienz der Steuerverwaltung, wodurch wiederum Verwaltungskosten eingespart werden können.
e)
Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit sowie Attraktivität
Das Ziel der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit sowie der Attraktivität verdeutlichen, dass der 49 Gesetzgeber mit dem neuen Steuerrecht die Wettbewerbsfähigkeit der national und international tätigen Wirtschaftssubjekte möglichst wenig einschränken will. Ferner soll es durch das Steuerrecht zu keinen Zusatzbelastungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kommen. Auf der anderen Seite sollen der Staat und die Gemeinden in ausreichendem Umfang mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden, damit diese die notwendigen öffentlichen Güter bereitstellen können, um die Position Liechtensteins auch insofern zu stärken.
f)
Internationale Kompatibilität
Die liechtensteinische Wirtschaft ist aufgrund des begrenzten Binnenmarkts sehr stark grenzüber- 50 schreitend tätig. Daher sollte das liechtensteinische Steuersystem nicht nur über eine möglichst niedrige Steuerbelastung verfügen, sondern auch mit den Steuersystemen anderer Staaten kompatibel sein. So sollten insbesondere Zusatzbelastungen bei grenzüberschreitender Tätigkeit verringert werden und die unterschiedliche steuerlichen Behandlung von In- und Ausländern vermieden werden.
g)
Europarechtliche Konformität
Liechtenstein ist Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und daher war eine Vorga- 51 be der Steuerreform, dass diese den europarechtlich bindenden Vorgaben des EWR-Abkommens nachkommen soll, um auch in dieser Hinsicht ein rechtssicheres und verlässliches Steuergesetz zu schaffen. Für die Europarechtliche Konformität waren insbesondere die Grundfreiheiten und die Regelungen über das Verbot staatlicher Beihilfen zu berücksichtigen.
53
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
II.
Vermögens- und Erwerbssteuer
1.
Persönliche Steuerpflicht
a)
Unbeschränkte Steuerpflicht
52 Die persönliche Steuerpflicht von natürlichen Personen ist für die Vermögens- und Erwerbssteuer einheitlich in Art. 6 Abs.1 SteG definiert. Natürliche Personen sind mit ihrem gesamten Weltvermögen sowie gesamten weltweiten Erwerb unbeschränkt in Liechtenstein steuerpflichtig, wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Liechtenstein haben. 53 Einen Wohnsitz hat eine Person dort, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Voraussetzung ist, dass die Person das Objekt innehaben, beibehalten und benutzen kann. Innehaben bedeutet, über beispielsweise eine Wohnung tatsächlich oder rechtlich verfügen zu können, sie also jederzeit für den eigenen Wohnbedarf benützen zu können. Es kommt somit nicht darauf an, dass sie die Wohnung im Eigentum hat, sondern es genügt, wenn die Wohnung gemietet wird oder unentgeltlich überlassen wurde. Umgekehrt begründet eine Wohnung in Liechtenstein, die im Eigentum steht, aber zur Vermietung angeboten wird, keinen Wohnsitz, da in diesem Fall das Tatbestandsmerkmal des dauernden Verbleibs fehlt. Die bloße Überlassung eines Zimmers zur vorübergehenden Nutzung stellt kein Beibehalten dar. Eine nicht möblierte Wohnung stellt keinen Wohnsitz dar, da dieses Objekt nicht benutzbar ist. Der Wohnsitz muss nicht zwingend der Mittelpunkt der Lebensinteressen sein; eine Person kann gleichzeitig mehrere Wohnsitze haben. 54 Das zweite Kriterium für die unbeschränkte Steuerpflicht von natürlichen Personen – der gewöhnliche Aufenthalt in Liechtenstein – ist dort, wo jemand sich nicht nur vorübergehend aufhält. Ab einem Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer kann von einem gewöhnlichen Aufenthalt ausgegangen werden. Bei der Ermittlung der Dauer des zusammenhängenden Zeitraums sind dabei kurzfristige Unterbrechungen, beispielsweise zu Urlaubszwecken oder bei Geschäftsreisen, unberücksichtigt zu lassen. Entscheidend ist die Intention, wiederholt an einen bestimmten Ort zurückzukehren. Aus Vereinfachungsgründen ist normiert, dass der Aufenthalt zum Zwecke des Besuches einer Lehranstalt und die Unterbringung in einer Erziehungs-, Versorgungs- oder Heilanstalt sowie der Kur- und Ferienaufenthalt von bis zu zwölf Monaten nicht zu einem gewöhnlichen Aufenthalt – und damit nicht zur unbeschränkten Steuerpflicht – führen. > Beispiel: Der sparsame Herr S. arbeitet in Liechtenstein. Um Mietkosten zu sparen, hat er keine eigene Wohnung in Liechtenstein, sondern wohnt immer für ein paar Tage bei verschiedenen Liechtensteiner Arbeitskollegen, die alle ihren Wohnsitz in Liechtenstein haben. Herr S. hat somit keinen Wohnsitz in Liechtenstein, da das Tatbestandsmerkmal des dauernden Verbleibs fehlt, aber er hat den gewöhnlichen Aufenthalt in Liechtenstein, wenn er sich insgesamt mehr als sechs Monate in Liechtenstein aufhält, und ist somit in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtig.
54
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B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
b)
Beschränkte Steuerpflicht
Natürliche Personen, die weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Liechten- 55 stein haben, sind nur mit ihrem inländischen Vermögen und ihrem inländischen Erwerb beschränkt steuerpflichtig. Unter inländisches Vermögen werden gemäß Art. 6 Abs. 4 SteG in Liechtenstein gelegene Grundstücke und in Liechtenstein gelegene Betriebsstätten verstanden. Als inländischer Erwerb gelten: Q der Erwerb aus der Bewirtschaftung land- und forstwirtschaftlich genutzter liechtensteinischer Grundstücke sowie aus jeder anderen land- und forstwirtschaftlichen Produktion in Liechtenstein; Q der Erwerb aus in Liechtenstein gelegenen Betriebsstätten; Q der Erwerb aus in Liechtenstein ausgeübter unselbständiger Tätigkeit sowie Ersatzeinkünfte, die im Zusammenhang mit einem liechtensteinischen Arbeitsverhältnis stehen und von einer liechtensteinischen Versicherung geleistet werden; Q Sitzungsgelder, feste Entschädigungen, Tantiemen und andere Vergütungen, die die Mitglieder der Verwaltung sowie die Organe der Geschäftsführung von juristischen Personen und besonderen Vermögenswidmungen erhalten, wenn sich ihr Sitz oder der Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung in Liechtenstein befindet; Q Leistungen aus der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, einer Einrichtung der betrieblichen Personalvorsorge oder eines Pensionsfonds aufgrund eines früheren liechtensteinischen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses; Q Leistungen aufgrund der Auflösung einer Freizügigkeitspolice oder eines Sperrkontos, welche in Verwendung von Freizügigkeitsleistungen der betrieblichen Personalvorsorge in Liechtenstein errichtet wurden; Q der Sollertrag des inländischen, steuerpflichtigen Vermögens > Beispiel: Der Vorarlberger S. ist Stiftungsvorstand der Y Stiftung in Liechtenstein und erhält von dieser Stiftung eine Vergütung für seine Tätigkeit als Stiftungsvorstand. Herr S. hat weder seinen Wohnsitz, noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Liechtenstein. Herr S. ist jedoch mit dieser Tätigkeitsvergütung in Liechtenstein beschränkt steuerpflichtig.
c)
Beginn und Ende der Steuerpflicht
Die Steuerpflicht von natürlichen Personen beginnt mit dem Tag, an dem der Steuerpflichtige im In- 56 land Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt begründet oder über inländisches Vermögen verfügt oder einen inländischen Erwerb erzielt. Die Steuerpflicht endet mit dem Tod des Steuerpflichtigen oder dem Wegzug des Steuerpflichtigen ins Ausland bei unbeschränkten Steuerpflichtigen. Bei beschränkt Steuerpflichten endet die Steuerpflicht mit dem Zeitpunkt des Wegfalls inländischen Vermögens oder inländischen Erwerbs. Der ruhende Nachlass ist keine juristische Person und unterliegt folglich auch nicht der Ertragssteu- 57 er. Er führt bis zur Einantwortung die bisherige Steuerpflicht des Erblassers fort und unterliegt somit der Erwerbs- und Vermögenssteuer.
55
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
d) 2
Persönliche Steuerbefreiungen: Allgemein
58 Von der persönlichen Steuerpflicht befreit sind gemäß Art. 4 Abs. 1 SteG der Landesfürst, der Erbprinz, die fürstliche Domäne und die Stiftungen, die gemäß statutarischer Zweckbestimmung dem Landesfürsten zur Erfüllung seiner Obliegenheiten dienen. Hierbei handelt es sich nicht um eine neue Bestimmung, sondern bis zum 31. Dezember 2010 war diese Bestimmung insbesondere im Gesetz vom 17. Dezember 1981 über die Befreiung des Landesfürsten und des Erbprinzen von der Abgabenpflicht, LGBl. 1982 Nr. 26, geregelt. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Landesfürst und der Erbprinz keine Staatsmittel für die Wahrnehmung der Regierungsgeschäfte erhalten. 59 Ferner sind von der Steuerpflicht befreit das Land, die Gemeinden, die Fonds von Land und Gemeinden, die Zweckverbände der Gemeinden, die Bürgergenossenschaften sowie die nicht wirtschaftlich tätigen öffentlichen Unternehmen gemäß dem Öffentliche-Unternehmen-Steuerungs-Gesetz9. Die Beschränkung auf nicht wirtschaftlich tätige Unternehmen ist aus EWR-rechtlicher Sicht notwendig. Somit unterliegen beispielsweise die Liechtensteinische Post AG, die Liechtensteinische Gasversorgung, die Telecom Liechtenstein AG und die Liechtensteinischen Kraftwerke der Besteuerung. Nicht wirtschaftlich tätig und somit steuerfrei sind beispielsweise die Liechtensteinische Musikschule, die Liechtensteinische Landesbibliothek und das Liechtensteinische Landesmuseum. 60 Außerdem sind auch Personen, welche kraft völkerrechtlicher Übung Steuerfreiheit genießen, von den Landessteuern befreit. Dies betrifft vor allem die im diplomatischen Dienst für das Ausland arbeitenden Personen, da diese regelmäßig im Entsendestaat der Besteuerung unterliegen. Abschliessend wird in Art. 4 Abs. 1 lit. d SteG geregelt, dass Einrichtungen der betrieblichen Personalvorsorge von der Steuer befreit sind. Unter Einrichtungen der betrieblichen Personalvorsorge sind Einrichtungen im Sinne des Gesetzes vom 20. Oktober 1987 über die betriebliche Personalvorsorge (BPVG), LGBl. 1988 Nr. 12, zu verstehen.
e)
Persönliche Steuerbefreiungen: Gemeinnützige Strukturen
61 Auf Antrag nimmt die Steuerverwaltung nach Art. 4 Abs. 2 SteG juristische Personen und besondere Vermögenswidmungen ohne Persönlichkeit, die ausschließlich und unwiderruflich gemeinnützige Zwecke im Sinne von Art. 107 Abs. 4a PGR ohne Erwerbsabsicht verfolgen, von der Steuerpflicht aus. Unter gemeinnützigen oder wohltätigen Zwecken im Sinne von Art. 107 Abs. 4a PGR sind solche Zwecke zu verstehen, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird. Eine Förderung der Allgemeinheit liegt insbesondere vor, wenn die Tätigkeit dem Gemeinwohl auf karitativem, religiösem, humanitärem, wissenschaftlichem, kulturellem, sittlichem, sozialem, sportlichem oder ökologischem Gebiet nützt, auch wenn durch die Tätigkeit nur ein bestimmter Personenkreis gefördert wird. 62 Über den Antrag entscheidet die Steuerverwaltung. Die Steuerbefreiung gilt nicht für Reinerträge aus unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, sofern durch diese Einnahmen in Höhe von insgesamt mehr als 300.000 Franken erzielt werden. Eine Steuerbefreiung wird jedoch nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass die Person ihre Mittel, Arbeitskräfte oder ihr Vermögen teilweise einer anderen, ebenfalls steuerbefreiten Person zur Verwendung zu steuerbegünstigten Zwecken zuwendet. Ferner wird die Befreiung nicht ausgeschlossen, wenn die Person Mittel ganz oder teilweise einer Rückstellung zuführt, soweit dies erforderlich ist, um ihre steuerbegünstigten statutenmäßigen Zwecke nachhaltig erfüllen zu können.
9
56
Gesetz vom 19. November 2009 über die Steuerung und Überwachung öffentlicher Unternehmen (Öffentliche-Unternehmen-Steuerungs-Gesetz; ÖUSG), LGBl. 2009 Nr. 356.
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 In Art. 2 Steuerverordnung wird klargestellt, dass der Steuerverwaltung die Kontrolle über die 63 Einhaltung der Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen obliegt. Ferner regelt die Steuerverordnung in Art. 3, welche Unterlagen von der Person vorgelegt werden müssen. So haben gemeinnützige Stiftungen und Anstalten, die der Stiftungsaufsichtsbehörde unterstellt sind und eine Revisionsstelle gemäß Art. 522 § 27 Abs. 1 PGR haben, jährlich den Bericht bzw. die Bestätigung der Revisionsstelle gemäß Art. 522 § 27 Abs. 4 PGR sowie eine Bestätigung der Revisionsstelle, ob die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt sind, einzureichen. Die übrigen juristischen Personen und besonderen Vermögenswidmungen ohne Persönlichkeit haben der Steuerverwaltung die Jahressrechnung bzw. die Aufstellung über Aktiven und Passiven sowie Erträge und Aufwendungen und die Zusammenstellung über die Mittelverwendung jährlich einzureichen. Wenn diese Unterlangen nicht eingereicht werden oder die Kontrolle ergibt, dass die juristische Person bzw. die besondere Vermögenswidmung die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht erfüllt hat, wird ihr die Steuerbefreiung für die entsprechenden Jahre nicht gewährt bzw. der Status der Steuerbefreiung aufgrund des Gemeinnützigkeitsstatus wird ihr entzogen. Gemeinnützige Stiftungen und Anstalten, die der Stiftungsaufsichtsbehörde unterstehen, können den 64 Antrag auf Steuerbefreiung sowie den Bericht bzw. die Bestätigung der Revisionsstelle beim Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt oder der Steuerverwaltung einreichen. Werden diese Dokumente beim Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt eingereicht, leitet dieses die Dokumente an die Steuerverwaltung weiter. Ferner übermittelt das Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt der Steuerverwaltung bezüglich gemeinnütziger Stiftungen und Anstalten, die einen entsprechenden Antrag auf Steuerbefreiung gestellt haben, eine Bestätigung der Stiftungsaufsichtsbehörde, ob die betreffende Stiftung und Anstalt unter der Aufsicht der Stiftungsaufsichtsbehörde gemäß Art. 552 § 29 PGR steht.
2.
Vermögenssteuer
a)
Sachliche Steuerpflicht
Steuerobjekt der Vermögenssteuer ist das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen des 65 Steuerpflichtigen. Bei transparenten Strukturen, beispielsweise Personengesellschaften, ist das Vermögen den beteiligten Gesellschaftern zuzurechnen und von diesen zusammen mit ihrem übrigen Vermögen zu versteuern. Bei unwiderruflich errichteten Stiftungen, stiftungsähnlich ausgestalteten Anstalten und besonderen Vermögenwidmungen (Trusts) mit wertmäßig bestimmbaren Begünstigungen unterliegen diese Begünstigungen beim Begünstigten der Vermögenssteuer, falls dieser in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtig ist. Auf Antrag eines Begünstigten oder mehrerer Begünstigter und mit Zustimmung des für Ausschüttungen zuständigen Organs kann diese Besteuerung jedoch eigenständig – auf Ebene des Rechtsträgers selbst – erfolgen. Das Vermögen von widerruflichen Stiftungen, besonderen Vermögenswidmungen und stiftungsähnlich ausgestalteten Anstalten ist grundsätzlich weiterhin dem Errichter zuzurechnen und von diesem zu versteuern. Auch hier öffnet der Gesetzgeber die oben beschriebene Optionsmöglichkeit zur Besteuerung auf Ebene des Rechtsträgers.10
10 Unter Berücksichtigung des jeweiligen Progressionssatzes des Errichters. Somit sind in dieser Fallkonstellation Splittingeffekte ausgeschlossen.
57
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2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
b) 2
Befreiungen
66 Art. 10 SteG normiert die sachlichen Befreiungen von der Vermögenssteuer. Diese Steuerbefreiungen haben zur Folgen, dass die entsprechenden Vermögensbestandteile bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens nicht zu berücksichtigen sind. So sind beispielsweise der Hausrat, persönliche Gebrauchsgegenstände und privat genutzte Motorfahrzeuge von der Vermögenssteuer befreit, soweit ihr Wert einen Betrag von 25.000 Franken bzw. 50.000 Franken bei Verheirateten nicht übersteigt. Nur ein übersteigender Betrag unterliegt der Vermögenssteuer. Ferner sind die für die Ausübung einer landwirtschaftlichen oder gewerblichen Erwerbstätigkeit oder zur sonstigen Ausübung eines Berufes erforderlichen Geräte und Werkzeuge, soweit ihr Wert insgesamt den Betrag von 2.000 Franken nicht überschreitet, von der Vermögenssteuer befreit. 67 Außerdem befreit sind: Sammlungen von künstlerischer, historischer oder ähnlicher Bedeutung, die ohne Erwerbsabsicht des Eigentümers einer regelmäßigen öffentlichen Besichtigung zugänglich gemacht sind und der Volksbildung dienen oder geeignet sind, den Fremdenverkehr zu fördern. Weiters das Vermögen an landwirtschaftlichen Produkten, wie Heu, Getreide, Früchte, gemäß Nachweis des Steuerpflichtigen. Besteht das Vermögen der natürlichen Person aus im Ausland gelegenen Grundstücke oder Betriebsstätten, so unterliegt dieser Teil der Vermögens bereits nach nationalem Recht und unabhängig vom Vorhandensein etwaiger Doppelbesteuerungabskommen nicht der Vermögenssteuer in Liechtenstein.
c)
Schuldenabzug
68 Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens dürfen gemäß Art. 11 SteG von den Aktiva die Schulden und sonstigen Lasten abgezogen werden, durch die der Steuerpflichtige als Hauptschuldner verpflichtet ist. Unter sonstigen Lasten werden beispielsweise Niessbrauchsrechte verstanden. Wenn der Steuerpflichtige mit anderen Personen für eine Schuld gesamtschuldnerisch verpflichtet ist, so kann er nur den auf ihn entfallenden Teil der Schulden abziehen. Der volle Abzug der Schulden ist zudem nur gestattet, wenn der Steuerpflichtige sein ganzes Vermögen im Inland versteuert. Wird ein Vermögen nur teilweise im Inland versteuert, so ist der Schuldenabzug nur nach dem Verhältnis des im Inland steuerpflichtigen Vermögensteils zum Gesamtvermögen zulässig. Somit wurde das OECD-Prinzip der Schuldenzuordnung nach dem wirtschaftlichen Zusammenhang nicht übernommen. Der Schuldenabzug erfolgt in jedem Fall anteilsmäßig. Ein Abzug der Schulden ist ausgeschlossen, soweit hierdurch der Betrag des steuerpflichtigen Vermögens negativ wird. > Beispiel: Der in Liechtenstein wohnhafte Herr X. besitzt ein Haus in Schaan (Liechtenstein), das einen Wert von einer Million Franken hat; darauf lasten Hypotheken in Höhe von 350.000 Franken. Darüber hinaus besitzt er eine Wohnung in München, die einen Wert von 500.000 Franken hat. Zur Finanzierung der Immobilie in Deutschland hat Herr X. ein Darlehen in Höhe von insgesamt 400.000 Franken aufgenommen. Wie hoch ist der zulässige Schuldenabzug? Der Schuldenabzug ist nur nach dem Verhältnis des im Inland steuerpflichtigen Vermögensteils zum Gesamtvermögen zulässig (1.000.000 zu 1.500.000 = Verhältnis 2 zu 3) und somit kann er insgesamt 500.000 Franken vom steuerpflichtigen Vermögen abziehen und damit werden Schulden in Höhe von 150.000 Franken „importiert“.
58
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
d)
Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens
Die Vorgehensweise bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens ist in Art. 12 SteG fest- 69 gelegt. Es ist der Verkehrswert der Vermögensteile zu Beginn des Steuerjahres oder zu Beginn der Steuerpflicht maßgebend. Bei der Ermittlung des Verkehrswertes der Vermögensteile, sowie auch bei der Bewertung von Schulden und sonstiger Lasten, sind insbesondere die nachfolgenden Bewertungsgrundsätze zu beachten: aa) Gebäude und Grundstücke Es ist ist die klare Absicht des Gesetzgebers, an der bis dato festgelegten Praxis bei der Bewertung von 70 Liegenschaften festzuhalten:11 Gebäude und Grundstücke sind grundsätzlich nach dem Ertragswert, mindestens jedoch mit dem Steuerschätzwert12, zu bewerten. Somit wird immer auf den höheren Wert abgestellt. Das Steuergesetz enthält keine gesetzlich normierte Formel für die Ermittlung des Ertragswertes bzw. für den Steuerschätzwert. Es ist jedoch geplant, dass die Berechnung des Ertragswertes bzw. des Steuerschätzwertes in einem Merkblatt oder einer Wegleitung festgehalten werden soll. Bei bestehenden Gebäuden wird eine Nachschätzung durchgeführt, wenn wertsteigernde Investitionen vorgenommen wurden. bb) Wertpapiere Wertpapiere, die eine Kursnotiz haben, sind nach diesem Kurs zu bewerten. Wertpapiere, die kei- 71 ne Kursnotiz haben, sowie Rechte und Forderungen, die nicht in Wertpapieren verbrieft sind, einschließlich wertmäßig bestimmbarer Begünstigungen, soweit sie nicht unter die wiederkehrenden Leistungen fallen, sind nach dem Verkehrswert zu bewerten, der in der Regel nicht unter dem Nominalwert anzusetzen ist, es sei denn, dass der Steuerpflichtige nachweist, dass der Nominalwert dem Verkehrswert nicht entspricht. Bei der Bewertung bestrittener oder nachweisbar unsicherer Forderungen ist dem Grade der Wahrscheinlichkeit ihrer Einbringlichkeit Rechnung zu tragen. cc) Wiederkehrende Leistungen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen, insbesondere laufende Leibrenten, Verpfründungen, 72 Wohnrechte, Begünstigungen und Nutznießungen, sind mit dem Betrag zu bewerten, um welchen eine gleichwertige Leistung von nicht nahestehenden Personen erworben werden könnte. Wenn die wiederkehrende Leistung nicht auf Lebenszeit verliehen ist, so ist sie in der Vermögensbewertung mit der Summe der Werte der einzelnen Jahresleistungen anzusetzen, höchstens aber mit dem fünfzehnfachen Betrag einer Jahresleistung. Pensionen, die aufgrund eines früheren Amtes oder eines Dienstverhältnisses ausgerichtet werden, sind bei der Vermögensbewertung nicht zu berücksichtigen. dd) Lebensversicherungen Ansprüche aus rückkaufsfähigen Lebensversicherungen sind bis zum Fälligkeitstermin nach dem 73 Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile zu bewerten. Die Pflicht zur Mitberücksichtigung dieses Rückkaufswertes wird durch die Bezeichnung eines Dritten als Begünstigten nicht aufgehoben. ee) Geschäftsvermögen Geschäftsvermögen ist mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um Abschrei- 74 bungen und Wertberichtigungen, zu bewerten.
11 Obwohl dies in Einzelfällen dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung widersprechen kann. 12 Der Steuerschätzwert ist mit dem Einheitswert in Deutschland oder Österreich vergleichbar.
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2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht ff) Viehhabe 75 Die Viehhabe ist mit dem Verkehrswert einzuschätzen. Der Gesetzgeber weist im BuA 48/2010 darauf hin, dass sich die Bewertung der Viehhabe durch die Totalrevision des Steuergesetzes nicht verändern soll. In der Wegleitung 2009 für natürliche Personen ist festgelegt, dass die Bewertung der Viehhabe nach den Ansätzen des Einlageblattes Nr. 51 des Steuerformulars zu ermitteln und zu deklarieren ist. gg) Wasserkräfte 76 Wasserkräfte sind mit dem Verkehrswert zu bewerten, unter Berücksichtigung aller maßgebenden Faktoren, wie Größe und Kontinuität der konzedierten Kraft, Lage des Werkes, Kosten und Schwierigkeiten seiner Anlage und seines Betriebes.
e)
Integration der Vermögenssteuer in die Erwerbssteuer
aa) Hintergrund 77 Die Besteuerung von natürlichen Personen erfolgte im alten Steuergesetz von 1961 mittels einer Vermögenssteuer mit ergänzender Erwerbssteuer. Unter der Berücksichtigung der Rechtstradition sieht auch das neue Steuergesetz eine Vermögens- und Erwerbsbesteuerung vor, wobei die Vermögenssteuer in die Erwerbssteuer integriert wurde. Dies bedeutet, dass die Vermögensbesteuerung nun nicht mehr durch die Berechnung eines eigenen Steuerbetreffnisses erfolgt, sondern durch eine Überleitung des Vermögens in eine eigenständige Erwerbsart. Hierbei handelt es sich um den standardisierten Vermögensertrag (Sollertrag). 78 Das Konzept eines standardisierten Vermögensertrages ist keine liechtensteinische Erfindung, sondern wurde beispielsweise im Jahr 2001 im Rahmen des 3-Boxensystems in den Niederlanden eingeführt. Im Rahmen des 3-Boxensystems werden im Hinblick auf die Einkommensteuer drei zu versteuernde Arten von Einkommen unterschieden, die in so genannte Boxen eingeteilt sind.13 In der dritten Box wird in den Niederlanden Einkommen aus Spar- und Anlageaktivitäten14 mittels eines standardisierten Vermögensertrages besteuert. Hier fingiert der niederländische Gesetzgeber, dass aus diesen Einkünften ein Ertrag von 4% zufliesst. Dieser 4%ige Sollertrag wird in den Niederlanden mit 30% besteuert. In Liechtenstein hingegen gibt es keinen festen Steuersatz auf den Sollertrag, sondern der Sollertrag ist Bestandteil der Erwerbssteuer und unterliegt somit dem regulären sieben Stufentarif. bb) Überleitungsrechnung 79 Das Konzept dieser Überleitungsrechnung soll anhand des folgenden Schaubildes erläutert werden:15
13 Es handelt sich hier somit um ein Schedulensystem mit unterschiedlichen Steuersätzen für verschiedene Einkunftsarten. In Deutschland wurde im Jahre 2009 durch die Einführung der Abgeltungssteuer ebenfalls ein Schedulensystem eingeführt. Bestimmte Kapitaleinkünfte unterliegen demnach in Deutschland einem proportionalen Steuertarif von 25% während die restlichen Einkünfte einem progressiven Steuertarif unterliegen. 14 Beispiele für Vermögenswerte sind gemäß dem niederländischen Gesetzgeber: Sparguthaben, Immobilien, die nicht als Hauptwohnsitz genutzt werden, zum Beispiel eine Zweitwohnung oder ein Miethaus, Anteile und vergleichbare Wertpapiere, die nicht in Box 2 zu versteuern sind, Leibrentenversicherungen, sofern die damit verbundenen Beiträge nicht abzugsfähig sind und Kapitalversicherungen, die nicht im Zusammenhang mit der Finanzierung von Wohneigentum stehen. 15 Vernehmlassungsbericht der Regierung betreffend die Totalrevision des Gesetzes über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz) sowie Abänderung der entsprechenden Spezialgesetze, S. 38.
60
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Abbildung 8: Vermögenssteuer
Überleitungsrechnung für die Ermittlung des Sollertrages steuerpflichtiges Vermögen
Sollertrag: 4%
Bemessungsgrundlage
Stufentarif: 1%, 3%, 4%, 5% 6%, 6.5%, 7%
steuerfrei: Hausrat, Kfz
Erwerbssteuer
steuerpflichtiger Erwerb
Sollertrag
Abzüge
2
Steuerzahlung
Gemeindezuschlag
Für die Überleitung des Vermögens in die Erwerbssteuer wird zuerst das steuerpflichtige Vermögen 80 entsprechend den vorangestellten Ausführungen ermittelt. Nach der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens wird der standardisierte Vermögensertrag (Sollertrag) errechnet. Dieser wird jährlich im Finanzgesetz festgelegt und beträgt beispielsweise 4% (geplanter Wert für 2011). Der Sollertrag ist ein Bestandteil der Bemessungsgrundlage der Erwerbssteuer. Von dieser Bemessungsgrundlage können die maßgeblichen Abzüge, die im Abschnitt Erwerbssteuer dargestellt werden, abgezogen werden. Auf die so ermittelte Bemessungsgrundlage ist nun der Tarif für die Landessteuer zuzüglich dem Gemeindezuschlag anzuwenden. > Beispiel: Der in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtige Herr X. hat ein steuerpflichtiges Vermögen in Höhe von einer Million Franken. Ferner hat er einen steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 100.000 Franken (Einkünfte aus unselbstständiger Tätigkeit). Ermitteln Sie die maßgebliche Bemessungsgrundlage für das Jahr 2011 ohne Berücksichtigung eventueller Abzüge. Die Bemessungsgrundlage setzt sich aus den 100.000 Franken (Einkünfte aus unselbstständiger Tätigkeit) und 4% des steuerpflichtigen Vermögens zusammen. Somit ergibt sich eine Bemessungsgrundlage von 140.000 Franken (100.000 + 1.000.000 x 4%). Nach Abzug eventueller Abzüge ist hierauf der Tarif gemäß Art. 19 SteG anzuwenden. cc) Höhe des Sollertrags Die Höhe des Zinssatzes zur Ermittlung des standardisierten Vermögensertrages (Sollertrag) wird 81 jährlich durch das Finanzgesetz bestimmt. Für das Jahr 2011 ist ein Sollertrag in Höhe von 4% geplant. Die Höhe des Sollertrags soll sich gemäß dem BuA 48/2010 an den Marktverhältnissen für langfri- 82 stige und eher konservative Anlagen orientieren. Als Referenzgrößen hierfür werden der bekannte und von verschiedenen Banken und Versicherungen angebotene BVG-25 Index (Index 93) genannt. Dieser BVG-25 Index erzielte über die letzten fünf Jahre eine durchschnittliche Rendite von 3,3% p.a. Bei einem Betrachtungszeitraum von zehn Jahren ergibt sich eine Rendite von 2,7% p.a. bzw. 5,3% bei 15 Jahren.16 Die Höhe des Eigenkapitalzinsabzugs ist an die Höhe des Sollertrages geknüpft, daher wird im Fol- 83 genden die Höhe des belgischen Eigenkapitalzinsabzuges untersucht, da dies zum einen aufzeigt, wie die liechtensteinische Regelung im internationalen Vergleich eingeordnet werden kann und eventuell Indizien bietet, wie sich die Höhe des Sollertrages in der Zukunft entwickeln wird. Die Höhe der belgischen Eigenkapitalzinsrate (notional interest rate) betrug für das Steuerjahr 2010 4,473%, wobei sich diese Rate für kleinere und mittlere Unternehmen auf 4,973% erhöht. Die Höhe der Eigenkapitalzinsrate ist in Belgien durch zwei Faktoren begrenzt. Zum einen ist es nicht zulässig, dass die Eigenkapitalzinsrate mehr als 1% von der Eigenkapitalzinsrate des Vorjahres abweicht und zum anderen darf die Eigenkapitalzinsrate 6,5% nicht übersteigen. Für das Jahr 2011 hat die belgische Re16 Bericht und Antrag 48/2010, S. 68.
61
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht gierung eine Eigenkapitalzinsrate von 3,8% geplant (4,3% für kleinere und mittlere Unternehmen). Somit ist die geplante liechtensteinische Eigenkapitalzinsrate von 4% vergleichbar mit der belgischen Eigenkapitalzinsrate. In den letzten fünf Jahren schwankte die belgische Eigenkapitalzinsrate zwischen 3,442% und 4,473%: Tabelle 2:
f)
Entwicklung der Eigenkapitalzinsrate in Belgien
Steuerjahr
Eigenkapitalzinsrate
Für Kleine und mittlere Unternehmen
2007
3,442
3,942
2008
3,781
4,281
2009
4,307
4,807
2010
4,473
4,973
2011
3,8
4,3
Widmungsbesteuerung
aa) Steuerpflicht 84 Art. 13 SteG normiert, dass in bestimmten Fällen die Übertragung von Vermögen auf eine juristische Person oder besondere Vermögenswidmung steuerpflichtig ist und einer so genannten Widmungsbesteuerung unterliegt. Diese tritt dann ein, wenn das gewidmete Vermögen vor Übertragung der Vermögenssteuer in Liechtenstein unterworfen war und durch den Akt der Übertragung dieses nicht mehr der Vermögenssteuer unterliegt und auch die Begünstigungen oder Anteile an diesen juritsichen Personen nicht vermögenssteuerpflichtig werden. 85 Beispielsweise führt die Übertragung ausländischen Grundvermögens nicht zu einer Widmungsbesteuerung, da dieses steuerbefreit ist. Ebenfalls keine Widmungssteuer löst die Einbringung von Vermögenswerten in eine Aktiengesellschaft aus, da die Anteile beim Aktionär weiterhin der Vermögenssteuer unterliegen. Ferner fällt keine Widmungssteuer an, wenn das bis dahin steuerpflichtige Vermögen auf eine juristische Person übertragen wird, die gemäß Art. 4 Abs. 2 SteG von der Steuer befreit ist (gemeinnützige Rechtsträger). 86 In der Praxis werden hierdurch vor allem Fälle erfasst, bei denen ein in Liechtenstein steuerpflichtiger Stifter Vermögen einer unwiderruflichen Stiftung widmet, bei der die Begünstigten nicht bestimmbar sind (diskretionär ausgestaltete Stiftung) oder bei der die Begünstigten in Liechtenstein nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind. > Beispiel: Der in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtige Herr X. errichtet eine unwiderrufliche Stiftung. Der Stiftungsrat hat das freien Ermesse, wen er aus dem Kreise der Familie des Herrn X. sowohl hinischtlich der Höhe als auch des Zeitpunktes zu Begünstigten bestimmt. In diesem Fall wird das Vermögen der Vermögenssteuer entzogen, weil es weder durch die Stiftung (diese entrichtet nur Etragssteuer) noch durch die Begünstigten (diese sind nicht bestimmbar) versteuert wird. Es fällt somit Widmungssteuer an.
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B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 > Beispiel: Der in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtige Herr X. errichtet eine unwiderrufliche Stiftung. Die festen Begünstigten dieser Stiftung sind zu jeweils 50% seine beiden Kinder, wobei Kind 1 in Liechtenstein lebt und Kind 2 in Österreich. Welche steuerlichen Folgen hat die Stiftungserrichtung? Der Widmungsbesteuerung unterliegt nur 50% des eingebrachten Vermögens, denn die Begünstigtenrechte des Kindes 1, das in Liechtenstein lebt, unterliegen weiterhin der liechtensteinischen Vermögenssteuer. Folglich wurden diese nicht der liechtensteinischen Vermögenssteuer entzogen.
2
Art. 13 Abs. 2 SteG sieht eine Erweiterung des Anwendungsbereiches der Widmungsbesteuerung 87 für Vorgänge vor, die nach der ursprünglichen Widmung zum Wegfall der Vermögenssteuerpflicht führen. Hierunter sind beispielsweise Vorgänge zu verstehen, die eine bislang wertmäßig bestimmbare Begünstigung in eine nicht wertmäßig bestimmbare (diskretionäre) Begünstigung umwandeln. bb) Steuerhöhe Die Höhe der Widmungsbesteuerung beträgt gemäß Art. 13 Abs. 1 SteG 2,5% des vermögenssteuer- 88 lichen Wertes der Zuwendung. Zusätzlich ist jedoch noch der Gemeindezuschlag hinzuzurechnen. Dies bedeutet, dass die Widmungssteuer zwischen 6,25% und 8,75% betragen kann (Zuschlag der Gemeinden kann zwischen 150% und 250% liegen). cc) Optionsmöglichkeit Es besteht die Möglichkeit, die Widmungssteuer zu vermeiden, indem die juristische Person anstel- 89 le der Begünstigten die Vermögenssteuer abführt. Dies setzt den Antrag eines Begünstigten oder mehrerer Begünstigter und die Zustimmung des für Ausschüttungen zuständigen Organs voraus. Bei entsprechender Optierung unterliegt die Übertragung des Vermögens nicht der Widmungsbesteuerung, da das entsprechende Vermögen weiterhin der Vermögenssteuer unterliegt. Die Höhe der Vermögenssteuer richtet sich nach dem Steuersatz, der dem gesamten Vermögen und dem gesamten Erwerb des Errichters einschließlich des eigenständig besteuerten Vermögens entspricht. ! Praxishinweis: Die in den obigen Beispielen resultierende Widmungssteuer hätte somit vermieden werden können. Der Antrag auf Besteuerung der Stiftung, besonderen Vermögenswidmung oder der stiftungsähnlich 90 ausgestalteten Anstalt anstelle der Begünstigten mit der Vermögens- und Erwerbssteuer ist bei der Steuerverwaltung schriftlich einzureichen. Die stellvertretende Besteuerung der Stiftung, besonderen Vermögenswidmung oder der stiftungsähnlich ausgestalteten Anstalt erfolgt bis zum Widerruf des Antrags, jedoch – vorbehaltlich wesentlicher Änderung der Verhältnisse – mindestens für fünf Jahre. In diesem Antrag sind bei bestimmbaren Begünstigten an unwiderruflichen Stiftungen, stiftungsähnlichen Anstalten und besonderen Vermögenswidmungen die Namen, der Wohnort der Begünstigten sowie deren Begünstigtenanteil anzugeben. Bei widerruflichen Stiftungen, stiftungsähnlichen Anstalten und besonderen Vermögenswidmungen hingegen genügen der Name und der Wohnort des Errichters. dd) Übergangsregelung Art. 158 Abs. 6 SteG normiert, dass juristische Personen und Treuunternehmen, die vor dem 1. Ja- 91 nuar 2011 der Vermögenssteuer nach Art. 31 Abs. 1 lit. c Steuergesetz von 1961 unterlegen haben, sowie ihre Begünstigten für die folgenden fünf Jahre weiterhin gemäß diesen Besteuerungsregime besteuert werden. Auf Antrag können diese juristischen Personen bereits vor Ablauf dieser Frist nach Maßgabe der Art. 44 bis 65 SteG besteuert werden. 63
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht ee)
2
Rechtsfolge: Wechsel des Besteuerungsregimes von der Vermögenssteuer zur Ertragssteuer 92 Art 159 SteG bestimmt klarstellend, dass eine juristische Person, die der Vermögens- und Erwerbssteuer nach Art. 31 Abs. 1 lit. c Steuergesetz von 1961 unterlag, bei einem Wechsel des Besteuerungsregimes zur Ertragsbesteuerung nach Maßgabe der Art. 44 bis 65 SteG die Widmungssteuer unter sinngemäßer Anwendung von Art. 13 SteG Steuer zu entrichten hat, wenn deren Begünstigte nicht bestimmbar sind und keine Optierung im Sinne von Art. 9 Abs. 3 SteG vorliegt. Die bei Einbringung des Vermögens in die juristische Person entrichtete Schenkungssteuer wird bei der Ermittlung der Widmungssteuer in Abzug gebracht. > Beispiel: Der in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtige Herr X. hat im Jahr 2007 eine Stiftung, die der Vermögens- und Erwerbssteuer nach Art. 31 Abs. 1 lit. c Steuergesetz von 1961 unterliegt, errichet und mit Vermögenswerten ausgestattet. In welchem Zeitpunkt ist die Widmungssteuer zu entrichten, wenn es keine festen Begünstigten gibt und nicht optiert würde? Die Übergangsfrist gemäß Art. 158 Abs. 6 SteG endet spätestens am 31. Dezember 2015. Dies hat zur Folge, dass die Stiftung ab dem 1. Januar 2016 der Ertragsbesteuerung unterliegt und somit das Vermögen der Stiftung nicht mehr Vermögenssteuerpflichtig ist. Dieser Entzug des liechtensteinischen Vermögens von der Vermögenssteuer ist ein steuerpflichtiger Vorgang im Sinne der Widmungssteuer.
3.
Erwerbssteuer
a)
Sachliche Steuerpflicht
93 Gegenstand der Erwerbssteuer sind gemäß Art. 14 SteG alle in Geld oder Geldeswert bestehenden Einkünfte. Naturalbezüge jeglicher Art gelten gleich den Geldbezügen als Erwerb. Zum Erwerb gehören insbesondere: aa) Erwerb aus Land- und Forstwirtschaft 94 Zum Erwerb aus Land- und Forstwirtschaft gehört der Erwerb aus der Bewirtschaftung land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke sowie aus jeder anderen land- und forstwirtschaftlichen Produktion. Die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbes erfolgt aufgrund von Ertragseinheiten. Bei der Ermittlung aufgrund von Ertragseinheiten wird der Ertrag berechnet anhand der Betriebsgröße, insbesondere nach Ausmaß der bewirtschafteten Bodenfläche sowie nach der Viehzahl. Die Ermittlung erfolgt in Großvieheinheiten. 95 Mit wie viel Großvieheinheiten die unterschiedlichen bewirtschafteten Bodenflächen sowie die einzelnen Tiergattungen zu bewerten sind, ergibt sich unter anderem aus der folgenden Tabelle gemäß der Steuerverordnung:
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2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Tabelle 3:
Großvieheinheiten Tiergattung:
Großvieheinheit:
2
Rindergattung: Milchkühe andere Kühe
1 0,8
andere Tiere der Rindergattung: über 730 Tage alt
0,6
über 365 bis 730 Tage alt
0,4
über 120 bis 365 Tage alt
0,3
bis 120 Tage alt
0,1
Pferdegattung: Säugende und trächtige Stuten
1
andere Pferde über 30 Monate
0,7
Fohlen bis 30 Monate (ohne Fohlen bei Fuss)
0,5
Maultiere und Maulesel
0,4
Ponys, Kleinpferde und Esel
0,25
Schafe und Ziegen: Schafe gemolken
0,25
Ziegen gemolken
0,2
andere Schafe und Ziegen über 1-jährig
0,17
Schweine: Säugende Zuchtsauen
0,55
nicht säugende Zuchtsauen über 6 Monate alt
0,26
Zuchteber
0,25
Weitere Tiergattungen: Zuchthennen, Zuchthähne und Legehennen
0,01
Trutenmast
0,028
1 Bienenvolk
0,0313
Sofern ein Steuerpflichtiger eine ordnungsgemäße Buchhaltung führt, kann er verlangen, dass der 96 aufgrund der Jahresrechnung ermittelte Erwerb der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Dieser Antrag ist bei der Steuerverwaltung zu stellen. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn der Steuerpflichtige
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2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht eine Jahresrechnung (Bilanz und Erfolgsrechnung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung erstellt und sich verpflichtet, diese für fünf Jahre weiterzuführen und den Steuererklärungen dieses Zeitraumes zugrunde zu legen.
2
bb) Erwerb aus selbstständiger Tätigkeit 97 Jeder Erwerb aus einer selbständigen Tätigkeit, insbesondere im Gewerbe, Handel und Industrie, unterliegt der sachlichen Steuerpflicht. Der Erwerb aus selbstständiger Tätigkeit ist auf Grundlage der ordnungsgemäßen Buchhaltung oder anderer geeigneter Aufzeichnungen zu ermitteln. Überführungen vom Geschäfts- in das Privatvermögen und umgekehrt sind mit dem Verkehrswert zu bewerten. 98 Ein Eigenkapitalzinsabzug kann ebenso wie bei juristischen Personen geltend gemacht werden. Verluste aus Vorjahren sind unbegrenzt vortragsfähig. Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte, soweit diese Verluste im Betriebsstättenstaat nicht bereits berücksichtigt wurden, können in Liechtenstein steuerlich geltend gemacht werden. Die Ermittlung des ausländischen Betriebsstättenergebnisses hat nach den Vorschriften des liechtensteinischen Steuergesetzes zu erfolgen. Verzeichnet die Betriebsstätte in den folgenden Jahren Gewinne, so sind diese Gewinne höchstens im Ausmaß der zuvor mit einem inländischen Erwerb verrechneten Verluste dem steuerpflichtigen Erweb zuzurechnen. Der Steuerpflichtige hat jährlich nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für eine Nachversteuerung nicht erfüllt sind. Die dadurch nich ausgeglichenen Verluste sind dem steuerpflichtigen Erwerb spätestens im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht zuzurechnen. cc) Einkünfte aus unselbstständiger Tätigkeit 99 Zu den Einkünften aus unselbstständiger Tätigkeit gehören alle Einkünfte aus privatrechtlichem oder öffentlich-rechtlichem Arbeitsverhältnis mit Einschluss der Nebeneinkünfte wie Entschädigungen für Sonderleistungen, Provisionen, Zulagen, Dienstalters- und Jubiläumsgeschenke, Gratifikationen, Trinkgelder, Tantiemen und andere geldwerte Leistungen. Ist der Inhaber einer nach Art. 44 SteG steuerpflichtigen juristischen Person in dieser tätig, so hat er ein angemessenes Gehalt zu deklarieren. Die Angemessenheit des Gehalts wird unter Berücksichtigung des Umfangs der Arbeit, der Stellung und der damit verbundenen Verantwortung, der beruflichen Fähigkeit, der Größe des Betriebes sowie den sonstigen Besoldungsverhältnissen im Betrieb ermittelt. Die Steuerverwaltung stützt sich dabei auf Werte vergleichbarer Betriebe, verschiedene Kennzahlen, zeitliche Entwicklungen und auf branchenbezogene Lohnstatistiken. Damit die Umsetzung dieser mit Ermessen verbundenen Bestimmung möglichst einheitlich erfolgt, besteht eine verwaltungsinterne Richtlinie. Diese Vorschrift gilt auch für in solchen Betrieben tätige Personen, die am Kapital der juristischen Person maßgebend beteiligt sind und dadurch einen entscheidenden Einfluss auf deren Führung ausüben können. ! Praxishinweis: Der Hintergrund, warum ein angemessenes Gehalt für angestellte (meistens geschäftsführende) Gesellschafter gefordert wird, liegt darin, dass Einkünfte aus Dividenden im Gegensatz zu Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit nicht steuerpflichtig sind. 100 Der Erwerb ermittelt sich, indem von den Einnahmen die Gewinnungskosten abgezogen werden. Die Gewinnungskosten sind grundsätzlich mit dem Pauschalabzug von 1.500 Franken abgegolten, wobei dieser 1.000 Franken für Auslagen zwischen Wohn- und Arbeitsort sowie 500 Franken für Weiterbildungs- und Umschulungskosten beinhaltet. Weist der Steuerpflichtige den Pauschalabzug übersteigende Gewinnungskosten nach, so sind die übersteigenden Beträge als außerordentliche Gewinnungskosten zum Abzug zugelassen. Als außerordentliche Gewinnungskosten fallen in Betracht die Auslagen für die Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsort, die 1.000 Franken übersteigen, die
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2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Auslagen für die mit dem Beruf oder dem Wiedereinstieg ins Berufsleben zusammenhängenden Weiterbildungs- und Umschulungskosten, die 500 Franken übersteigen sowie die Mehrkosten für auswärtige Verpflegung. dd) Renten und Kapitalleistungen Zu den Einkünften aus Renten und Kapitalleistungen zählen die Einkünfte aus der Alters-, Hinter- 101 lassenen- und Invalidenversicherung, aus obligatorischer Unfallversicherung, aus Einrichtungen der betrieblichen Personalvorsorge, aus Pensionsfonds sowie einmalige und wiederkehrende Zahlungen bei Tod oder für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile. ee) Ersatzleistungen Unter Ersatzleistungen werden alle anderen Einkünfte verstanden, die an Stelle des Einkommens aus 102 Erwerbstätigkeit treten, wie beispielsweise Taggelder aus Arbeitslosen-, Unfall-, Lebens- und Krankenversicherungen nach Abzug der nicht durch andere Versicherungsleistungen gedeckten außerordentlichen Ausgaben. ff) Einkünfte aus Geldspielen Steuerpflichtig sind auch die Einkünfte aus Geldspielen, sofern auf diesen nicht schon eine Geld- 103 spielabgabe nach dem Geldspielgesetz oder eine ausländische Steuer erhoben wurde. gg) Entschädigungen Entschädigungen für die Aufgabe, Ablösung oder Nichtausübung einer Tätigkeit oder eines Rechts 104 unterliegen der Erwerbssteuer. hh) Unterhaltsbeiträge Unterhaltsbeiträge, die ein Steuerpflichtiger bei Scheidung, gerichtlicher oder tatsächlicher Tren- 105 nung für sich erhält, sowie Unterhaltsbeiträge, die ein Elternteil für die unter seiner Obsorge stehenden Kinder erhält, unterliegen der Erwerbssteuer. ii) Zuwendungen als Begünstigter Zuwendungen, die der Steuerpflichtige als Begünstigter erhält, soweit die Begünstigung nicht der 106 Vermögenssteuer unterliegt, unterliegen der Erwerbssteuer.17 jj) Sollertrag Der Sollertrag des steuerpflichtigen Vermögens ist Erwerbssteuerpflichtig.
b)
107
Zeitraum
Die Erwerbssteuer ist eine Jahressteuer. Die Grundlagen für ihre Festsetzung sind jeweils für ein 108 Kalenderjahr (Steuerjahr) zu ermitteln. Besteht die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht nicht während eines ganzen Kalenderjahrs, so tritt an die Stelle des Kalenderjahrs der Zeitraum der jeweiligen Steuerpflicht. ! Praxishinweis: Bei Steuerpflichtigen, die ihre Jahresrechnungen nicht mit dem Kalenderjahr abschliessen, ist das Jahr, in dem der Geschäftsabschluss erfolgt, maßgebend für die Festlegung des Steuerjahres.
17 Ebenfalls keine Erwerbssteuer fällt an, falls von der Optionsmöglichkeit gemäß Art. 9 Ab. 3 SteG Gebrauch gemacht wurde und die Stiftung die Vermögenssteuer entrichtet.
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2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
c)
Steuerfreier Erwerb
109 Die folgenden Vorgänge unterliegen nach Art. 15 SteG nicht der Erwerbssteuer:
2
aa) Erträge aus Vermögen, das der Vermögenssteuer unterliegt 110 Von der Erwerbssteuer befreit sind die Erträge des Vermögens, auf welches der Steuerpflichtige die Vermögenssteuer entrichtet. Ferner diejenigen vom Steuerpflichtigen bezogenen wiederkehrenden Leistungen, die bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens berücksichtigt sind. bb) Ausländische Land- und Forstwirtschaft 111 Der Erwerb aus der Bewirtschaftung land- und forstwirtschaftlich genutzter ausländischer Grundstücke sowie aus jeder anderen land- und forstwirtschaftlichen Produktion im Ausland ist von der Erwerbssteuer befreit. cc) Ausländische Betriebsstätten 112 Der Erwerb aus im Ausland gelegenen Betriebsstätten ist von der Erwerbssteuer befreit. ! Praxishinweis: Dies bedeutet, dass Liechtenstein auch ohne Doppelbesteuerungsabkommen ausländische Betriebsstättengewinne steuerfrei stellt. dd) Einmalige Vermögensanfälle 113 Einmalige Vermögensanfälle in Form von Erbschaften, Vermächtnissen und Schenkungen sowie aus güterrechtlicher Aufteilung unterliegen nicht der Erwerbssteuer. ee) Rückkaufsfähige Kapitalversicherungen 114 Vermögensanfälle aus rückkaufsfähigen privaten Kapitalversicherungen sind von der Erwerbssteuer befreit. Ausgenommen sind Vermögenanfälle aus Freizügigkeitspolicen und Sperrkonten. Unter die Befreiung fallen auch die gutgeschriebenen Zinsanteile und die Überschüsse auf rückkauffähige private Kapitalversicherungen. ff) Schadensersatzleistungen 115 Zahlungen zur Abgeltung eines erlittenen Schadens sowie die Zahlung von Genugtuungssummen sind von der Erwerbssteuer befreit. gg) Familienausgleichskasse 116 Bezüge aus der Familienausgleichskasse sowie weitere Bezüge, die durch Gesetz von der Besteuerung befreit sind, unterliegen nicht der Erwerbssteuer. hh) Kranken- und Unfallversicherung 117 Bezüge des Steuerpflichtigen aus einer Kranken- und Unfallversicherung, soweit sie der Deckung von Arzt- und Spitalkosten, Arzneimitteln und sonstigen durch die Krankheit oder den Unfall verursachten Unkosten dienen, unterliegen nicht der Erwerbssteuer, ii)
Bezüge aufgrund Hilfs- oder Pflegebedürftigkeit oder zu Erziehungs- und Ausbildungszwecken 118 Bezüge aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung, die als Unterstützungen wegen Hilfs- oder Pflegebedürftigkeit oder zu Erziehungs- oder Ausbildungszwecken dienen, sind von der Erwerbssteuer befreit. Darunter fällt beispielsweise auch das Betreuungs- und Pflegegeld für häusliche Betreuung. 68
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 jj) Existenzminimum Der steuerpflichtige Erwerb von unbeschränkt Steuerpflichtigen ist von der Erwerbssteuer befreit, 119 sofern er das Existenzminimum nicht übersteigt. Die Höhe des Existenzminimums wurde von der Regierung – in Anlehnung an das pfändungsfreie Einkommen – wie folgt in Art. 8 Steuerverordnung festgelegt. Das Existenzminimum beträgt pro Monat brutto für: Tabelle 4:
Höhe des monatlichen Existenzminimums
Alleinstehende:
CHF 2.000
Alleinerziehende:
CHF 2.500
Gemeinsam zu veranlagende Ehegatten
CHF 3.000
Getrennt zu veranlagende Ehegatten, die im gleichen Haushalt leben:
Je CHF 1.500
und zusätzlich pro Kind: 0 – 5 Jahren
CHF 300
6 – 11 Jahren
CHF 450
über 12 Jahre
CHF 600
Ist nur ein Teil des Erwerbes im Inland steuerpflichtig, so ist der Gesamterwerb für die Ermittlung 120 des Existenzminimums maßgebend. Wenn sich die Steuerpflicht auf einen Zeitraum von weniger als einem Jahr erstreckt, ist der Gesamterwerb auf ein volles Jahr umzurechnen. kk) Betriebliche Personalvorsorge Kapitalzahlungen, die von einer Einrichtung der betrieblichen Personalvorsorge ausgerichtet wer- 121 den, sind von der Erwerbssteuer befreit, soweit diese auf einem Freizügigkeitskonto verbleiben oder zum Einkauf in eine Einrichtung der betrieblichen Personalvorsorge verwendet werden. ll) Kapitalgewinn Während sämtliche Kapitalgewinne aus der Veräußerung des beweglichen und unbeweglichen Pri- 122 vatvermögens von der Erwerbssteuer befreit sind, werden bei Kapitalgewinnen des Betriebsvermögens nur die Gewinne aus der Veräußerung oder Liquidation von Beteiligungen an in- oder ausländischen juristischen Personen von der Erwerbssteuer befreit. Korrespondierend und der internationalen Praxis entsprechend können dementsprechend Kapitalverluste bei der Veräußerung des beweglichen und unbeweglichen Privatvermögens nicht in Abzug gebracht werden. mm) Gewinnanteile Gewinnanteile aufgrund von Beteiligungen an in- oder ausländischen juristischen Personen sind 123 von der Erwerbssteuer befreit, da der Wert der zugrunde liegenden Anteile der Vermögenssteuerpflicht unterliegt. Es ist für die Steuerbefreiung unerheblich, ob die Anteile im Privat- oder Betriebsvermögen gehalten werden. Ein auf Beteiligungen entfallendes, anteilsmäßiges Eigenkapital ist jedoch von der Bemessungsgrundlage des Eigenkapitalzinsabzugs ausgenommen, um eine doppelte Entlastung zu verhindern.
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2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht nn) Entschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeit und Freiwilligenarbeit 124 Entschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeit und Freiwilligenarbeit sind von der Erwerbssteuer befreit. Als ehrenamtliche und freiwillige Tätigkeiten gelten solche Tätigkeiten, die für juristische Personen geleistet werden, die einen ideellen Zweck verfolgen, nicht gewinnorientiert sind sowie einen größeren, offenen Mitgliederkreis aufweisen. Unkostenentschädigungen für eine entsprechende Tätigkeit unterliegen bis zu einem Betrag von 350 Franken monatlich bzw. 4.200 Franken jährlich nicht der Erwerbssteuer. oo) 30% des Aufgabegewinns bei Betriebsveräußerungen 125 30% des Erwerbs aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs sind steuerfrei. Voraussetzung für diese Steuerbefreiung ist, dass der Steuerpflichtige durch Veräußerung oder Aufgabe des gesamten Betriebs seine Erwerbstätigkeit insoweit endgültig einstellt. Der Hintergrund dieser teilweisen Befreiung ist, dass es bei der Veräußerung eines Betriebes in seiner Gesamtheit, beispielsweise im Rahmen der Nachfolgeplanung, regelmäßig zur Abrechnung der stillen Reserven kommt, einschließlich eines originären Geschäftswerts. Diese stillen Reserven sind über mehrere Jahre entstanden, sodass ihre Aufdeckung in einem Jahr und die damit verbundene Steuerbelastung eine unbillige Härte darstellen würde. Um die hohe Steuerbelastung von derartigen Gewinnen zu mildern und um Anreize für wirtschaftlich nicht sinnvolle Umstrukturierungsmaßnahmen, die nur der Vermeidung der Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes (Liquidationsgewinnen) dienen, zu senken, hat der Gesetzgeber daher eine teilweise Steuerbefreiung der Liquidationsgewinne vorgesehen.
d)
Allgemeine Abzüge
126 Von dem steuerpflichtigen Erwerb können die folgenden Abzüge geltend gemacht werden: aa) Kinderabzug 127 Für jedes minderjährige, unter der Obsorge des Steuerpflichtigen stehende Kind und für jedes volljährige Kind, das in der schulischen oder beruflichen Ausbildung steht, steht dem Steuerpflichtigen ein Abzugsbetrag von 9.000 Franken jährlich zu. Bei Vorliegen einer gemeinsamen Obsorge durch Eltern, die getrennt veranlagt werden, steht der Abzug den beiden Elternteilen je zur Hälfte zu. bb) Abzug für Ausbildungskosten von Kindern 128 Die Ausbildungskosten für Kinder, außer den Kosten der Primar-, Sekundar- und inländischen Musikschulen, können bis zu einer Höhe von 12.000 Franken pro Kind jährlich abgezogen werden. Nicht abzugsfähig sind Ausbildungskosten für Kinder, die dauernd erwerbstätig sind. Vom Gesamtbetrag der Ausbildungskosten sind die von den öffentlichen und privaten Institutionen gewährten Stipendien abzuziehen. Ferner sind die Ausbildungskosten nachzuweisen. cc) Abzug für Unterhaltsleistungen 129 Unterhaltsbeiträge an den geschiedenen, gerichtlich oder tatsächlich getrennt lebenden Ehegatten sowie die Unterhaltsbeiträge an einen Elternteil für die unter dessen Obsorge stehenden Kinder sowie für jede Person, die der Steuerpflichtige aufgrund gesetzlicher Verpflichtung unterstützt, können vom steuerpflichtigen Erwerb angezogen werden. Diese Vorschrift steht im Wechselverhältnis zur Versteuerung der erhaltenen Unterhaltungszahlungen. Aufgrund dieses Zusammenspiels ist es möglich Progressionsvorteile zu erzielen, denn regelmäßig ist es so, dass der unterhaltszahlende Steuerpflichtige einer höheren Progression unterliegt, als der unterhaltsempfangende Steuerpflichtige.
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2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 dd) Abzug für obligatorische Versicherungsleistungen Die vom Steuerpflichtigen an die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, an die Fami- 130 lienausgleichskasse, an die Arbeitslosenversicherung sowie an die obligatorische Unfallversicherung entrichteten, eigenen Beiträge mindern den steuerpflichtigen Erwerb. ee) Abzug für private Versicherungsleistungen Beiträge und Prämien an private Lebensversicherungen, Krankenversicherungen und die nicht ob- 131 ligatorische Unfallversicherungen können im Umfang von höchstens 3.500 Franken für alle Steuerpflichtigen, höchstens 7.000 Franken für gemeinsam zu veranlagende Ehegatten sowie höchstens 2.100 Franken pro Kind, für das dem Steuerpflichtigen auch ein Kinderabzug zusteht, abgezogen werden. Ferner sind die Beiträge und Prämien an anerkannte Pensionskassen, Pensionsfonds und ähnliche Einrichtungen der beruflichen Vorsorge teilweise abzugsfähig. Einmalige Beiträge und Prämien können in vollem Umfang abgezogen werden und laufende Beiträge und Prämien höchstens bis 12% des steuerpflichtigen Erwerbseinkommens des Steuerpflichtigen oder der gemeinsam zu veranlagenden Ehegatten. ff) Abzug von Krankheitskosten Nicht durch Versicherungsleistungen gedeckte Krankheits-, Unfall- und Zahnarztkosten, die der 132 Steuerpflichtige für sich und für Kinder, für die dem Steuerpflichtigen auch ein Kinderabzug zusteht, getragen hat, können bis zu einem Betrag von 6.000 Franken pro Person abgezogen werden. Die Kosten, die den Gesamtbetrag von 300 Franken pro Person überschreiten, sind durch Belege nachzuweisen. gg) Spendenabzug Freiwillige Geldleistungen an juristische Personen und besondere Vermögenswidmungen mit Sitz 133 in Liechtenstein, die im Hinblick auf ausschließlich und unwiderruflich gemeinnützige Zwecke von der Steuerpflicht ausgenommen sind, können im Umfang von maximal 10% des steuerpflichtigen Erwerbs vor Anwendung von Art. 16 Abs. 2 lit. b Ziff. 3 SteG abgezogen werden. Spenden, die den Gesamtbetrag von 300 Franken überschreiten, sind durch Belege nachzuweisen. Ferner können entsprechend auch Spenden abgezogen werden, die an juristische Personen und besondere Vermögenswidmungen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes oder in der Schweiz geleistet werden. Voraussetzung dafür ist, dass diese im Hinblick auf ausschließlich und unwiderruflich gemeinnützige Zwecke im Sitzstaat von der Steuerpflicht ausgenommen sind und insoweit die Voraussetzungen für einen Antrag nach Art. 4 Abs. 2 SteG erfüllen.
e)
Nicht abziehbare Aufwendungen
Aufwendungen für den Lebensunterhalt des Steuerpflichtigen und seiner Familie können nicht vom 134 steuerpflichtigen Erwerb abgezogen werden. Zu den nichtabzugsfähigen Ausgaben gehören auch die durch die berufliche Stellung des Steuerpflichtigen bedingten Standesauslagen, die Beiträge und Prämien an private Schadensversicherungen und sämtliche direkte und indirekte Steuern.
71
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
4.
Steuerberechnung und Tarif
a)
Grundlagen der Steuerberechnung
135 Die Grundlagen der Steuerberechnung sind in Art. 18 SteG normiert. Art. 18 Abs. 1 SteG legt fest, dass bei Vermögensbeitragen auf volle 100 Franken abzurunden ist und zwar vor der Überleitungsrechnung in den Sollertrag. Ferner sind die Erwerbsbeträge auf volle 10 Franken abzurunden. 136 In den Fällen einer unterjährigen Steuerpflicht erfolgt die Besteuerung nur aufgrund des während der Steuerpflicht erzielten Erwerbs. Dies bedeutet beispielsweise, dass das Vermögen pro rata temporis in einen Sollertrag umgerechnet wird und damit nur zeitanteilig als Erwerb der Steuerpflicht unterliegt. 137 Außerdem regelt Art. 18 SteG wie die Besteuerung von gemeinsam veranlagten Ehegatten bei Heirat, Scheidung oder Tod eines Ehepartners im Jahr des entsprechenden Ereignisses behandelt wird. Bei Heirat werden die Ehegatten für das ganze Steuerjahr gemeinsam besteuert, sofern nicht eine getrennte Veranlagung zur Anwendung kommt. Bei Scheidung und bei rechtlicher oder tatsächlicher Trennung der Ehe werden die Ehegatten für das ganze Steuerjahr getrennt besteuert und bei Tod eines Ehegatten werden die Ehegatten bis zum Todestag gemeinsam besteuert. Der Tod gilt als Beendigung der Steuerpflicht beider Ehegatten und als Beginn der Steuerpflicht des überlebenden Ehegatten.
b)
Tarif
138 Die Landessteuer bemisst sich gemäß Art. 19 SteG nach dem steuerpflichtigen Erwerb einschließlich des in einen Erwerb umgerechneten Vermögens (Sollertrag). Sie beträgt für steuerpflichtige Erwerbe (x): aa) Grundtarif 139 Der Grundtarif für alle Steuerpflichtigen, vorbehaltlich des Tarifes für Alleinerziehende und gemeinsam veranlagte Ehegatten, sieht wie folgt aus: Tabelle 5:
Erwerbssteuertarif für Alleinstehende
bis 15 000 Franken (Grundfreibetrag):
0
von 15 001 Franken bis 25 000 Franken:
0,01 · x – 150
von 25 001 Franken bis 50 000 Franken:
0,03 · x – 650
von 50 001 Franken bis 80 000 Franken:
0,04 · x – 1.150
von 80 001 Franken bis 110 000 Franken:
0,05 · x – 1.950
von 110 001 Franken bis 140 000 Franken:
0,06 · x – 3.050
von 140 001 Franken bis 170 000 Franken:
0,065 · x – 3.750
über 170 001 Franken:
72
0,07 · x – 4.600
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 > Beispiel: Herr X. ist Alleinstehend und hat keine Kinder. Sein steuerpflichtiger Erwerb beträgt 110.007 Franken. Ermitteln Sie die Landersteuer für Herrn X. Im ersten Schritt sind die Erwerbsbeträge auf volle zehn Franken abzurunden: 110.000. Die 110.000 Franken sind in den Grundtarif einzusetzen. Daraus ergibt sich folgende Landessteuer: 0,05 x 110.000 – 1.950 = 3.550 Franken. bb) Alleinerziehende Der Tarif für Alleinerziehende: Tabelle 6:
140
Erwerbssteuertarif für Alleinerziehende
bis 30 000 Franken (Grundfreibetrag):
0
von 30 001 Franken bis 37 500 Franken:
0,01 · x – 300
von 37 501 Franken bis 75 000 Franken:
0,03 · x – 1.050
von 75 001 Franken bis 120 000 Franken:
0,04 · x – 1.800
von 120 001 Franken bis 165 000 Franken:
0,05 · x – 3.000
von 165 001 Franken bis 210 000 Franken:
0,06 · x – 4.650
von 210 001 Franken bis 255 000 Franken:
0,065 · x – 5.700
über 255 001 Franken:
0,07 · x – 6.975
cc) Tarif für gemeinsam zu veranlagende Ehegatten Der Tarif gemeinsam zu veranlagende Ehegatten Tabelle 7:
2
141
Erwerbssteuertarif für gemeinsam zu veranlagende Ehegatten
bis 30 000 Franken (Grundfreibetrag): von 30 001 Franken bis 50 000 Franken
0 0,01 · x – 300
von 50 001 Franken bis 100 000 Franken:
0,03 · x – 1.300
von 100 001 Franken bis 160 000 Franken:
0,04 · x – 2.300
von 160 001 Franken bis 220 000 Franken:
0,05 · x – 3.900
von 220 001 Franken bis 280 000 Franken:
0,06 · x – 6.100
von 280 001 Franken bis 340 000 Franken:
0,065 · x – 7.500
über 340 000 Franken:
0,07 · x – 9.200
dd) Progressionsvorbehalt Im liechtensteinischen Steuergesetz finden sich zwei Normen zum Progressionsvorbehalt: Demnach 142 ist die Steuer erstens nach dem Steuersatz zu entrichten, der dem gesamten Vermögen und dem gesamten Erwerb entspricht, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger steuerfreies ausländisches unbewegliches Vermögen oder Betriebsstätten aufweist. Zweitens wird normiert, dass sofern die Steuerpflicht nicht für das gesamte Kalenderjahr besteht, auf den steuerpflichtigen Erwerb der Steuersatz 73
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht anzuwenden ist, der sich errechnet, wenn der steuerpflichtige Erwerb multipliziert wird mit dem Verhältnis eines vollen Jahres zur Dauer der Steuerpflicht. Die erste Bestimmung ist international sehr häufig, die letztere Norm jedoch äußerst selten anzutreffen.
2
c)
Gemeindezuschlag
143 Zu der ermittelten Landessteuer wird gemäß Art. 75 Abs. 1 SteG ein Gemeindezuschlag erhoben. Der Ansatz dieses Zuschlages wird jedes Jahr in Prozenten der Landessteuer vom Gemeinderat festgesetzt. Der Gemeindezuschlag darf nach Art. 75 Abs. 3 SteG 150% nicht unterschreiten und 250% nicht übersteigen. Derzeit beträgt der Gemeindezuschlag für das Steuerjahr 200918: Tabelle 8:
Gemeindezuschlagssätze
Gemeinde:
2009
Balzers
170%
Eschen
200%
Gamprin
150%
Mauren
180%
Planken
150%
Ruggell
200%
Schaan
150%
Schellenberg
150%
Triesen
150%
Triesenberg
150%
Vaduz
150%
> Beispiel: Die von Herrn X. ermittelte Landessteuer beträgt 5.000 Franken. Wie hoch ist seine Gesamtsteuerbelastung, wenn er a) in Vaduz lebt? b) in Ruggell lebt? Wenn Herr X. in Vaduz lebt beträgt seine Gesamtsteuerbelastung: 5.000 + 150% x 5.000 = 12.500 Franken. Wenn Herr X. hingegen in Ruggell wohnen würde, dann beträgt die Gesamtsteuerbelastung: 5.000 + 200% x 5.000 = 15.000 Franken.
18 Im Zeitpunkt der Drucklegung lagen noch nicht alle Gemeindesteuerzuschläge für das Jahr 2010 vor, da diese teils erst im Frühjahr 2011 festgelegt werden. Hintergrund dieser Vorgehensweise ist die Tatsache, dass die Gemeinden den Hebesatz an ihren Finanzbedarf anpassen und folglich erst die Ausgaben für das entsprechende Jahr ermitteln. Eine Folge dieser Vorgehensweise ist, dass der Steuerpflichtige seine ma?gebliche Gesamtsteuerlast nicht im Voraus bestimmen kann.
74
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
5.
Steuerabzug an der Quelle
a)
Dem Quellensteuerabzug unterliegender Erwerb
2
Grundsätzlich wird die Erwerbs- und Vermögenssteuer im Rahmen des Veranlagungsverfahrens 144 erhoben. Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen unterliegen jedoch nach Art. 24 Abs. 1 SteG der Erwerb aus unselbständiger Tätigkeit inklusive Ersatzeinkünfte dem Quellensteuerabzug (Lohnsteuerabzug). Ferner unterliegen gemäß Art. 24 Abs. 2 SteG die folgenden Einkünfte bei beschränkt Steuerpflichtigen einem Quellensteuerabzug: Q der Erwerb aus unselbständiger Tätigkeit sowie Ersatzeinkünfte, die anstelle des Erwerbs aus unselbständiger Tätigkeit treten; Q Sitzungsgelder, feste Entschädigungen, Tantiemen und andere Vergütungen, welche die Mitglieder der Verwaltung sowie die Organe der Geschäftsführung von juristischen Personen und besonderen Vermögenswidmungen erhalten, wenn sich ihr Sitz oder der Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung in Liechtenstein befindet; Q Leistungen aus der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung oder einer Einrichtung der betrieblichen Personalvorsorge sowie eines Pensionsfonds aufgrund eines früheren liechtensteinischen öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses; Q Leistungen aufgrund der Auflösung einer Freizügigkeitspolice oder eines Sperrkontos, welche in Verwendung von Freizügigkeitsleistungen der betrieblichen Personalvorsorge in Liechtenstein errichtet wurden.
b)
Die Höhe des Quellensteuerabzuges
Grundsätzlich ist die Bemessungsgrundlage für den Quellensteuerabzug der inländische Bruttoer- 145 werb. Dies bedeutet, dass ein Abzug von Gewinnungskosten oder anderen Abzugsbeträgen nicht vorgesehen ist. Der Hintergrund ist, dass zum einen das Vereinfachungsziel des Steuerabzugs beachtet werden soll und zum anderen wäre der Vergütungsschuldner sonst verpflichtet die persönlichen Verhältnisse des Zahlungsempfängers zu berücksichtigen. Eine Ausnahme von der Verwendung des Bruttoerwerbs als Bemessungsgrundlage ist der Quellensteuerabzug beim Erwerb aus unselbstständiger Tätigkeit (Lohnsteuer). Hier normiert Art. 25 Abs. 2 SteG, dass der Steuerabzug von der Steuerverwaltung bestimmt wird. Bei der Festsetzung des Steuerabzugs werden die Höhe des voraussichtlichen Jahreserwerbs, Pauschalen für Abzüge und die Familienverhältnisse berücksichtigt. Dies sorgt im Regelfall dafür, dass sich nur bei Geltendmachung von außerordentlichen Aufwendungen eine niedrigere Steuerbelastung ergibt. Dies können beispielsweise Weiterbildungskosten sein, die über dem Pauschalabzug von 1.000 Franken liegen, oder außergewöhnliche Krankheitskosten.
75
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht 146 Für Alleinstehende Steuerpflichtige ergibt sich demnach im Regelfall19 für das Jahr 2011 folgender Lohnsteuerabzug: 20 Tabelle 9:
2
Lohnsteuerabzug für Alleinstehende Steuerabzug bei alleinstehenden Arbeitnehmern für das Jahr 2011
Bruttoerwerb in CHF
Steuerabzug bis
40.000
2%
ab
40.000
bis
60.000
4%
ab
60.000
bis
80.000
6%
ab
80.000
bis
120.000
8%
ab
120.000
bis
160.000
10%
ab
160.000
bis
200.000
12%
ab
200.000
bis
300.000
14%
ab
300.000
bis
500.000
16%
über
500.000
18%
147 Für verheiratete Arbeitnehmer ist grundsätzlich folgender Lohnsteuerabzug für das Jahr 2011 festgelegt wurden: 21 Tabelle 10: Lohnsteuerabzug für Verheiratete Steuerabzug bei verheirateten Arbeitnehmern für das Jahr 2011 Bruttoerwerb in CHF
Steuerabzug bis
80.000
2%
ab
80.000
bis
140.000
4%
ab
140.000
bis
200.000
6%
ab
200.000
bis
250.000
8%
ab
250.000
bis
350.000
10%
ab
350.000
bis
450.000
12%
ab
450.000
bis
600.000
14%
ab
600.000
bis
1.000.000
16%
über
1.000.000
18%
19 Abweichungen von diesem Steuerabzug können sich im Einzelfall aufgrund der Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens ergeben. Wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen ändere Quellensteuersätze vorsieht, dann ist der Quellensteuerabzug in Übereinstimmung mit dem Doppelbesteuerungsabkommen vorzunehmen. 20 Steuerverwaltung Fürstentum Liechtenstein, Merkblatt betreffend Erhebung der Quellensteuer Jahr 2011. 21 Steuerverwaltung Fürstentum Liechtenstein, Merkblatt betreffend Erhebung der Quellensteuer Jahr 2011.
76
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Für alle anderen Einkünfte, die dem Quellensteuerabzug unterliegen, beträgt die Höhe des Steuer- 148 abzuges pauschal 12% des Bruttoerwerbs. Diese 12% stellen die Gesamtsteuerbelastung in Liechtenstein dar, umfassen also sowohl die Landes- als auch die Gemeindesteuer. Bei einem maximalen Grenzsteuersatz von 24,5% (Gemeindezuschlag von 250%) wird deutlich, dass diese Steuerbelastung nicht nur im internationalen Vergleich, sondern auch in Liechtenstein eine vertretbare Größe ist. Ziel des Gesetzgebers ist es, dass der Steuerpflichtige damit trotz des Vorliegens von Gewinnungskosten in seinem steuerlichen Ansässigkeitsstaat diese Quellensteuer vollständig anrechnen kann und damit eine Veranlagung in Liechtenstein nicht notwendig ist. > Beispiel: Herr X. lebt und arbeitet in Feldkirch und ist ferner Stiftungsratsmitglied einer liechtensteinischen Stiftung, wofür er eine Entschädigung von 10.000 Franken jährlich erhält. Ist Herr X. in Liechtenstein steuerpflichtig, wenn er weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Liechtenstein hat? Wie hoch wäre eine mögliche Steuerbelastung in Liechtenstein? Herr X. ist mit den Einkünften als Stiftungsrat in Liechtenstein beschränkt steuerpflichtig. Diese Einkünfte unterliegen dem 12%igen Quellensteuerabzug. Folglich werden bei Herrn X. durch den Vergütungsschuldner 1.200 Franken Quellensteuer einbehalten und an die Steuerverwaltung abgeführt. Durch diesen Quellensteuereinbehalt und die Entrichtung hat sowohl Herr X. als auch die Stiftung seine steuerlichen Pflichten in Liechtenstein in Bezug auf die Einkünfte als Stiftungsrat erfüllt. Er muss keine Steuererklärung in Liechtenstein einreichen. Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen hat der Lohnsteuerabzug die Funktion einer Sicherungssteuer. 149 Der Steuerpflichtige wird also mit den der Quellensteuer unterliegenden Leistungen nachträglich ordentlich veranlagt und die einbehaltene Lohnsteuer wird auf die Gesamtsteuer angerechnet. Bei beschränkt Steuerpflichtigen hat der Quellensteuerabzug grundsätzlich abgeltende Wirkung. Das bedeutet, dass die Steuerpflicht in Liechtenstein erfüllt ist. Art. 25 Abs. 4 SteG sieht eine Überprüfungsmöglichkeit vom Quellensteuerabzug vor. Demnach 150 kann der Steuerpflichtige oder der Vergütungsschuldner eine Verfügung über Bestand und Umfang der Steuerpflicht von der liechtensteinischen Steuerverwaltung verlangen, wenn er mit dem Steuerabzug nicht einverstanden ist. Der Vergütungsschuldner bleibt jedoch bis zum rechtskräftigen Entscheid zum Steuerabzug verpflichtet. Fraglich ist, ob das Ziel Veranlagungen von beschränkt Steuerpflichtigen zu vermeiden, wirklich 151 in der Praxis erreicht werden kann. Exemplarisch sei hier auf die deutschen Voraussetzungen zur Anrechnung von ausländischen Steuern hingewiesen: § 34c dEStG normiert, dass bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit ausländischen Einkünften in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen, zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, die festgesetzte und gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen ist. Ein Tatbestandsmerkmal ist hier demnach, dass die ausländische Steuer um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch zu kürzen ist. Wenn der deutsche Steuerpflichtige somit seine liechtensteinische Steuerbelastung durch die Veranlagung senken kann, dann wird nur diese reduzierte liechtensteinische Steuer von Deutschland angerechnet. Folglich wäre der deutsche Steuerpflichtige verpflichtet eine Veranlagung zu beantragen, wenn sich daraus eine niedrigere Steuerbelastung ergibt.
77
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
c) 2
Doppelbesteuerungsabkommen
aa) Freistellung 152 Bei Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) ist Art. 26 SteG einschlägig. Art. 26 SteG normiert, wie DBA auf den Steuerabzug an der Quelle wirken. Liegt nach einem DBA das Besteuerungsrecht für den einem Quellensteuerabzug unterliegendem Erwerb ausschließlich beim ausländischen Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen, bestätigt die Steuerverwaltung auf Antrag dem Vergütungsgläubiger die Steuerfreiheit des Erwerbs in Liechtenstein. Voraussetzung für diese Bestätigung durch die Steuerverwaltung ist ein Antrag auf Freistellung des Zahlungsempfängers bei der liechtensteinischen Steuerverwaltung. Hierin muss der Zahlungsempfänger den Nachweis erbringen, dass er abkommensberechtigt im Sinne des entsprechenden DBA ist und die Voraussetzungen für die Freistellung vorliegen. Bei Vorlage dieser Nachweise ist die liechtensteinische Steuerverwaltung zur Erstellung dieser Bestätigung verpflichtet. Mit Einreichung dieser Bestätigung beim Vergütungsschuldner durch den Zahlungsempfänger, ist der Vergütungsschuldner grundsätzlich dazu verpflichtet keinen Quellensteuerabzug vorzunehmen. bb) Quellensteuerreduktion 153 Wird durch ein DBA die zulässige inländische Abzugssteuer auf einen bestimmten Satz begrenzt, bestätigt die Steuerverwaltung dem Vergütungsgläubiger auf Antrag den zulässigen Quellensteuerhöchstsatz. In diesem Fall darf der Vergütungsschuldner den Steuerabzug zu einem reduzierten Satz durchführen. cc) Quellensteuerrückerstattung 154 Unabhängig davon, ob ein DBA einen Ausschluss oder eine Reduktion des Steuereinbehalts vorsieht, gestattet Art. 26 Abs. 3 SteG dem Zahlungsempfänger, eine Steuerrückerstattung zu beantragen, wenn der Vergütungsschuldner einen nach dem DBA zu hohen Betrag als Steuerabzug einbehalten hat.
d)
Pflichten des Vergütungsschuldners
155 Im Gegensatz zum regulären Veranlagungsverfahren, indem der Steuerpflichtige selbst im Mittelpunkt steht, nimmt beim Quellensteuerabzugsverfahren der Vergütungsschuldner die zentrale Rolle ein. Der Vergütungsschuldner hat alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine vollständige Steuererhebung sicher zu stellen. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 SteG normiert, dass der Vergütungsschuldner insbesondere verpflichtet ist: Q bei Fälligkeit von Geldleistungen die geschuldete Steuer zurückzuhalten und bei anderen Leistungen (insbesondere Naturalleistungen) die geschuldete Steuer vom Steuerpflichtigen einzufordern; Q der Steuerverwaltung alle Personen zu melden, denen er Leistungen ausrichtet, die dem Steuerabzug unterliegen; Q der Steuerverwaltung die periodischen Steuerabzugsbeträge abzuliefern sowie eine Abrechnung einzureichen und allfällige Differenzbeträge zu entrichten; Q dem Steuerpflichtigen eine Aufstellung oder eine Bestätigung über die Steuerabzugsbeträge auszustellen. 156 Als Folge dieser besonderen Stellung des Vergütungsschuldners für das Quellensteuerabzugsverfahrens ergibt sich, dass dieser für die Entrichtung der Steuerabzugsbeträge haftet. Wenn der Vergütungsschuldner den Steuerabzug nicht oder ungenügend vorgenommen hat, verfügt die Steuerver78
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 waltung die Nachzahlung. In diesem Fall ist dem Vergütungsgläubiger eine berichtigte Aufstellung oder Bestätigung auszustellen. Hat der Vergütungsschuldner einen zu hohen Steuerabzug vorgenommen, so kann der Vergütungsgläubiger den Differenzbetrag von der Steuerverwaltung zurückfordern, wenn er ihm bescheinigt worden ist. Dies bedeutet, dass der Zahlungsempfänger und nicht der Vergütungsschuldner die Erstattung beantragen kann, wenn er eine entsprechende Bescheinigung über den Quellensteuerabzug hat. Nach Art. 26 Abs. 3 SteG erstreckt sich die Haftung des Vergütungsschuldners jedoch nicht auf die 157 Steuerabzugsbeträge, die aufgrund der Vorlage einer Bescheinigung nach Art. 26 SteG (Doppelbesteuerungsabkommen) auf deren Richtigkeit er vertraut hat, nicht einbehalten hat. Eine Ausnahme von dieser Haftungsbeschränkung besteht für jene Fälle, in denen dem Vergütungsschuldner bekannt war, oder aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war, dass die Bescheinigung unrichtig ist.
e)
Verzinsung des Steuerabzugs
Sofern trotz Steuerabzug eine Veranlagung durchgeführt wird, so wird die an der Quelle einbehalte- 158 ne Steuer angerechnet. In Art. 29 Abs. 2 SteG ist zusätzlich normiert, dass der bescheinigte Steuerabzug verzinst wird, wobei die Höhe des Zinssatzes durch die Regierung mit Verordnung festgelegt wird. In dieser Verordnung schreibt der Gesetzgeber in Art. 19, dass der bescheinigte Steuerabzug mit 0% verzinst wird.
III.
Schenkungen, Erbschaften und Vermächtnisse
1.
Vorbemerkung
Zum 1. Januar 2011 wurde die Erbschafts- und Schenkungssteuer in Liechtenstein abgeschafft. Ver- 159 gleichbar mit Österreich hat Liechtenstein jedoch korrespondierend zur Abschaffung der Erbschaftsund Schenkungssteuer eine Anzeigepflicht eingeführt. Ziel dieser rein deklaratorischen Angabe ist es, dass Vermögensdeklarationen in den Steuererklärungen nachvollzogen und verifiziert werden können.
2.
Meldepflicht
Art. 96 Abs. 1 SteG verpflichtet Schenkgeber und –nehmer, dass diese in ihren Steuererklärungen 160 angeben müssen, welche Schenkungen sie im Steuerjahr getätigt oder erhalten haben. Ferner müssen nach Art. 96 Abs. 2 SteG Empfänger von Erbschaften oder Vermächtnissen aus dem Ausland diese ebenfalls in der Steuererklärung des Steuerjahres, in dem sie die Erbschaft oder das Vermächtnis empfangen haben, angeben.
3.
Meldeschwelle
Es muss jedoch nicht jede Schenkung, Erbschaft oder Vermächtnis angezeigt werden. Art. 43 Steu- 161 erverordnung normiert, dass nur Schenkungen, Erbschaften oder Vermächtnisse ab 10.000 Franken deklariert werden müssen. 79
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
IV.
Besteuerung nach dem Aufwand
1.
Anwendungsbereich
162 Art. 30 SteG legt den Anwendungsbereich der Aufwandsbesteuerung fest. Demnach können Personen, die erstmals oder nach mindestens zehnjähriger Landesabwesenheit ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Liechtenstein nehmen, nicht die liechtensteinische Staatsangehörigkeit besitzen, keine Erwerbstätigkeit im Inland ausüben und vom Ertrag ihres Vermögens oder anderen ihnen aus dem Ausland zufließenden Bezügen leben, einen Antrag stellen, dass sie nicht der Vermögens- und Erwerbssteuer unterliegen, sondern nach dem Aufwand besteuert werden. Hierbei ist zu beachten, dass dieser Antrag bei der Steuerverwaltung einzureichen ist. Der Antrag muss detaillierte Angaben über den Aufwand des Steuerpflichtigen enthalten. Unabhängig von der Besteuerung nach dem Aufwand unterliegt das liechtensteinische Grundeigentum der Vermögenssteuer, wobei die Bestimmungen über die Vermögenssteuerbefreiungen und der Schuldenabzug bei einer Besteuerung nach dem Aufwand nicht anwendbar sind.
2.
Steuerbemessung und Steuersatz
163 Die Bemessungsgrundlage für die Aufwandsbesteuerung ist der gesamte Aufwand des Steuerpflichtigen, wobei der maßgebliche Steuersatz der Aufwandsbesteuerung 5% des Aufwandes beträgt. Für die Ermittlung der Gesamtsteuerbelastung ist zu den 5% noch der Gemeindezuschlag hinzuzurechnen.
3.
Steuervorschreibung
164 Nimmt die Steuerverwaltung den Antrag des Steuerpflichtigen an, so schreibt sie den Steuerbetrag unter Mitteilung eventueller Abänderungen dem Steuerpflichtigen vor. Die Festsetzung der Steuer nach dem Aufwand für mehrere Steuerjahre ist zulässig, sofern die Gleichmäßigkeit in der Höhe des Aufwands vorausgesetzt werden kann.
V.
Grundstücksgewinnsteuer
1.
Anwendungsbereich
165 Ziel der Grundstücksgewinnsteuer ist es, liechtensteinische Grundstücksgewinne zu besteuern. Hierbei handelt es sich um eine Spezialregelung, welche die regulären Erwerbs- und Vermögenssteuer und die Ertragssteuer verdrängt. Folglich sind Vorgänge, die der Grundstücksgewinnsteuer unterliegen von der Erwerbssteuer und von der Ertragssteuer befreit, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.
80
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
2.
Persönliche Steuerpflicht
Der Grundstücksgewinnsteuer unterliegt, wer bei der Veräußerung eines in Liechtenstein gelege- 166 nen Grundstücks im Sinne des Sachenrechtes oder von Teilen solcher, einen Gewinn erzielt. Die Grundstücksgewinnsteuer erfasst nicht nur die Veräußerung alleine, sondern auch Vorgänge, die wirtschaftlich einer Veräußerung gleichgestellt sind. So unterliegt auch der Gewinn durch die Übertragung eines Grundstücks im Rahmen einer Zwangsversteigerung oder Enteignung der Grundstücksgewinnsteuer. Ferner ist die wirtschaftliche Handänderung eines Grundstücks einer Veräußerung gleichgestellt, insbesondere durch: Q Rechtsgeschäfte, die in Bezug auf die Verfügungsgewalt über ein Grundstück wirtschaftlich wie eine Veräußerung wirken; Q die Belastung eines Grundstückes mit privatrechtlichen Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen, wenn diese die unbeschränkte Bewirtschaftung oder den Veräußerungswert des Grundstückes dauernd und wesentlich beeinträchtigen und dafür ein Entgelt entrichtet wird; Q die Übertragung von Beteiligungsrechten an juristischen Personen, deren Hauptzweck in dem Erwerb, dem Besitz, der Verwaltung und der Veräußerung von Immobilien besteht. Die Ermittlung des Hauptzwecks ist nicht nur anhand der Statuten vorzunehmen, sondern muss 167 auch nach dem tatsächlichen Geschäftsgebaren der jeweiligen juristischen Person erfolgen. Folglich führt eine mögliche Statutenanpassung nicht dazu, dass eine juristische Person nicht mehr dem Anwendungsbereich der Grundstücksgewinnsteuer unterliegt, wenn ihr tatsächliches Geschäftsgebahren im Erwerb, im Besitz, in der Verwaltung und der Veräußerung von Immobilien besteht. Zu beachten ist, dass grundsätzlich der Veräußerer steuerpflichtig ist. Schließlich erzielt dieser den 168 zu versteuernden Gewinn. Hierin wird beispielsweise auch der Unterschied zur deutschen Grunderwerbssteuer deutlich, denn Ziel der Grundstücksgewinnsteuer ist nicht die Besteuerung des Handwechsels selbst, sondern des erzielten Gewinnes aus diesem Handwechsel. ! Praxishinweis: Für die persönliche Steuerpflicht bei der Grundstücksgewinnsteuer wird somit ausschließlich auf den Veräußerer abgestellt, der einen Grundstücksgewinn mit einem liechtensteinischen Grundstück erzielt. Somit unterliegt grundsätzlich jede natürliche oder juristische Person der Grundstücksgewinnsteuer und zwar unabhängig davon, ob sie in Liechtenstein steuerlich ansässig ist. > Beispiel: Eine Luxemburger SPF veräußert ein liechtensteinisches Grundstück an eine deutsche GmbH. Ein sich hieraus ergebener Grundstücksgewinn unterliegt in Liechtenstein der Grundstücksgewinnsteuer.
3.
Steuerbefreiungen und Steueraufschub
Grundsätzlich von der Grundstücksgewinnsteuer befreit sind gemäß Art. 36 Abs. 1 SteG Inkonveni- 169 enzentschädigungen im Enteignungsverfahren und Gewinne, die bei der Weiterveräußerung eines von einem Pfandgläubiger oder Bürgen im Zwangsvollstreckungsverfahren erworbenen Grundstückes erzielt werden, soweit der Gewinn den Verlust auf der pfandrechtlich sichergestellten oder verbürgten Forderung nicht übersteigt. Der Begriff „Inkonvenienzentschädigung“ entstammt der Schweizer Rechtstradition und umfasst Entschädigungszahlungen, die jemand für einen materiellen Verlust erhalten hat. 81
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht 170 Ferner sind in Art. 36 Abs. 2 SteG Vorgänge festgelegt, bei denen die Besteuerung von Amtswegen aufgeschoben wird sowie Vorgänge, bei denen die Besteuerung auf Antrag aufgeschoben wird. Von Amtswegen wird die Besteuerung aufgeschoben bei Eigentumswechsel durch Vermögensübergang von Todes wegen, Erbvorbezug oder Schenkung sowie bei Güterzusammenlegung, Baulandumlegungen oder Grenzbereinigungen, die nach Maßgabe des öffentlichen Rechts durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass beispielsweise der Erbe im Rahmen der Fussstapfentheorie die Anlagekosten des Erblassers übernimmt und es nicht zu einer sofortigen Realisierung der stillen Reserven kommt. Erst wenn dieser das Grundstück veräußert, unterliegt ein möglicher Grundstücksgewinn der Grundstücksgewinnsteuer. 171 Auf Antrag wird die Besteuerung der folgenden Vorgänge aufgeschoben: Q Umstrukturierungen, wenn sie nach Art. 52 SteG steuerneutral erfolgen; Q der Eigentumswechsel unter Ehegatten, sofern die Ehegatten in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben; Q der Eigentumswechsel durch Übertragung von Grundstücken zur Abgeltung von güterrechtlichen oder unterhaltsrechtlichen Ansprüchen bzw. von Ansprüchen infolge Mitwirkung eines Ehegatten beim Erwerb durch den andern. Der Antrag ist von beiden Ehegatten gemeinsam zu stellen. 172 Zu beachten ist, dass beim Aufschub der Besteuerung der Erwerber des Grundstücks die Anlagekosten des Veräußerers fortführen muss. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass Liechtenstein durch den Steueraufschub kein Steuersubstrat verliert.
4.
Sachliche Steuerpflicht
173 Der Grundstücksgewinnsteuer unterliegt der Grundstücksgewinn. Als Grundstücksgewinn gilt der Betrag, um den der Veräußerungserlös die Anlagekosten übersteigt: Abbildung 9:
Grundstücksgewinn
Grundstücksgewinn Anlagekosten
Veräußerungserlös
174 Als Anlagekosten gelten der amtliche Steuerschätzwert im Zeitpunkt der Veräußerung, vermehrt um den Erwerbspreis, soweit er den amtlichen Steuerschätzwert übersteigt und die wertvermehrenden Aufwendungen ohne die üblichen Werterhaltungskosten. Wertvermehrende Aufwendungen sind während der maßgebenden Eigentumsdauer anfallende Ausgaben, die geeignet sind, im Zeitpunkt der Leistung eine dauerhafte Werterhöhung an einem Grundstück zu bewirken; hierzu zählen beispielsweise Neu-, An- oder Umbauten. 175 Beim Veräußerungserlös ist zwischen Veräußerungen mit Kaufvertrag und Übertragungen im Rahmen einer Zwangsversteigerung zu differenzieren: Bei einer Veräußerung durch Kaufvertrag gilt der Kaufpreis mit Einschluss aller weiteren Leistungen des Erwerbers als Veräußerungserlös. Steht der Kaufpreis in keinem Verhältnis zum handelsüblichen Verkehrswert, so gilt letzterer als Veräußerungserlös, sofern der Veräußerer mit dem Erwerber nicht in gerader Linie oder in der Seitenlinie 82
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 bis zum dritten Grad blutsverwandt oder der Ehegatte des Erwerbers ist. Bei einer Übertragung eines Grundstückes durch Zwangsversteigerung oder Enteignung gilt der Versteigerungserlös bzw. der Entschädigungsbetrag als Veräußerungserlös. Bei einem Tausch von Grundstücken gilt die Differenz zwischen dem Verkehrwert des Empfangenen 176 (Sachwert und Aufgeld) und den Anlagekosten des abgegebenen Grundstücks als Grundstücksgewinn. Steuerpflichtig ist nur der realisierte Teil des Gewinns. ! Praxishinweis: Von dem auf diese Weise ermittelten Grundstücksgewinn können ferner Verluste abgezogen werden, die der Steuerpflichtige in den vergangenen Jahren auf dem Grundstück erlitten hat, soweit solche Verluste nicht durch Versicherungsleistungen gedeckt wurden.
5.
Steuerberechnung und Tarif
Auf den steuerpflichtigen Grundstücksgewinn – der Grundstücksgewinn nach Vornahme der zu- 177 lässigen Abzüge – findet der Tarif für Alleinstehende gemäß Art. 19 SteG Anwendung. Werden innerhalb von fünf Jahren mehrere Parzellen des gleichen Grundstückes oder Grundstücke, die vor fünf Jahren eine Grundstückseinheit bildeten, veräußert, so wird der Grundfreibetrag dem gleichen Steuerpflichtigen nur einmal zugebilligt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass der Steuerpflichtige durch die Aufteilung seines Grundstückes keine unbilligen Progressionsvorteile erzielen kann, indem er sein Grundstück in Einheiten verkauft, die jeweils unter dem Grundfreibetrag liegen und somit steuerfrei wären. Die Gesamtsteuerbelastung ergibt sich aus dem so ermittelten Steuerbetrag und einem Zuschlag in 178 Höhe von 200%. Dieser Zuschlag wird anstelle des Gemeindezuschlags erhoben. Dies bedeutet, dass die Höhe der Grundstücksgewinnsteuer in Liechtenstein unabhängig von den Gemeindezuschlägen ist und somit maximal 21% beträgt. > Beispiel: Herr X. hat ein Ferienhaus in Malbun 1994 zu einem Preis von 500.000 Franken erworben. Dieser Wert entspricht auch dem Steuerschätzwert. Im Jahr 2011 veräußert Herr X. dieses Grundstück an Herrn Y. zu einem Preis gemäß Kaufvertrag in Höhe von 1.200.000 Franken. Welche steuerlichen Folgen hat dieser Vorgang? Dieser Vorgang fällt in den Anwendungsbereich der Grundstücksgewinnsteuer, da ein liechtensteinisches Grundstück veräußert wird. Die Bemessungsgrundlage ist der steuerpflichtige Grundstücksgewinn. Hier 1.200.000 – 500.000 = 700.000. Auf diesen Grundstücksgewinn ist der Tarif für Alleinstehende anzuwenden. Folglich beträgt die Steuerlast: 0,07 x 700.000 - 4 600 = 44.400 + 200% = 133.200 Franken.
83
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
VI.
Ertragssteuer
1.
Persönliche Steuerpflicht
a)
Unbeschränkte Steuerpflicht
aa) Steuersubjekt 179 Gemäß Art. 44 Abs. 1 SteG sind juristische Personen mit ihren gesamten Erträgen unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sich ihr Sitz oder der Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung in Liechtenstein befindet. Als juristische Personen gelten insbesondere: Q Körperschaften (Vereine, Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften, Anteilsgesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit), Anstalten und Stiftungen; Q Investmentunternehmen nach dem Gesetz über Investmentunternehmen; Q Treuunternehmen mit Persönlichkeit. 180 Hierbei handelt es sich um eine demonstrative Auflistung und nicht um einen abschliessenden Katalog. Der Anknüpfungspunkt an die Steuersubjekteigenschaft ist die Rechtspersönlichkeit im Sinne des Gesellschaftsrechtes. Daher sind auch Treuunternehmen mit Persönlichkeit, die sogennanten Trust reg., ebenso wie ausländische juristische Personen, die von der ausländischen Rechtsordnung mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit ausgestaltet sind, ertragssteuerpflichtig. Keine eigene Rechtspersönlichkeit haben hingegen beispielsweise Treuunternehmen ohne Persönlichkeit und Treuhänderschaften (der Trust), daher unterliegen diese Strukturen nicht der Ertragssteuerpflicht in Liechtenstein. bb) Ort der tatsächlichen Verwaltung 181 Neben dem Vorliegen einer juristischen Person bedarf es eines weiteren Tatbestandsmerkmals, damit eine Struktur der unbeschränkten Steuerpflicht in Liechtenstein unterliegt. Eine juristische Person ist in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sich der Ort der tatsächlichen Verwaltung in Liechtenstein befindet. Die Legaldefinition des Ortes der tatsächlichen Verwaltung wird in Art. 2 Abs. 1 lit. d SteG vorgenommen. Demnach ist der Ort der tatsächlichen Verwaltung der Ort, an dem sich der Mittelpunkt der unternehmerischen Oberleitung befindet. 182 Die Formulierung „Mittelpunkt der unternehmerischen Oberleitung“ wird international unterschiedlich interpretiert und ausgelegt. Die liechtensteinische Regierung hat im Rahmen ihrer Stellungnahme an den Landtag anlässlich der ersten Lesung zum Steuergesetz ausgeführt, was unter dem Ort der unternehmerischen Oberleitung in Liechtenstein verstanden wird:22 Der Ort der unternehmerischen Oberleitung befindet sich dort, wo strategische Leitungsentscheidungen getroffen werden, auf die Umsetzung dieser Entscheidungen oder auf den Ort ihres Wirksamwerdens kommt es dabei nicht an. Diese strategischen Leitungsentscheidungen müssen für das jeweilige Unternehmen bestimmend wirken, eine einmalige Abstimmung reicht hierfür regelmäßig genauso wenig aus, wie eine begrenzte Entscheidungsbefugnis im Rahmen zuvor klar festgelegter Bandbreiten. So führt die Wahl zwischen mehreren Anlageobjekten innerhalb einer klar vorgegebenen Anlagestrategie noch nicht zu einer strategischen Leitentscheidung.
22 Bericht und Antrag 83/2010, S. 11.
84
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Ferner legt die Regierung sowohl der Praxis als auch der Rechtsprechung nahe, dass das Kriterium 183 des Ortes der tatsächlichen Verwaltung sinnvoll und maßvoll anzuwenden ist. Dies bedeutet, dass nicht jede Struktur, die lediglich von Liechtenstein aus administriert wird, auch den Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung in Liechtenstein hat. Die Ausführungen der Regierung verdeutlichen, dass gerade in den Fällen, wo beispielsweise die übergeordnete Anlagestrategie von Außen vorgegeben wurde und nur noch in Liechtenstein durch liechtensteinische Finanzintermediäre ausgeführt wird, regelmäßig kein Ort der tatsächlichen Verwaltung begründet und somit keine unbeschränkte Steuerpflicht zur Folge hat. Diese Ansicht wird auch durch die Ausführungen im ersten Bericht und Antrag zum Steuergesetz bestätigt, denn hierin wird ausgeführt, dass eine Oberleitung nicht vorliegt, wenn im Innenverhältnis eine Bindung an die Weisungen eines Geschäftsherrn gegeben ist.23 > Beispiel: Herr X. ist in Monaco steuerlich ansässig. Zur Versorgung seiner Familie errichtet er eine Struktur in Liechtenstein. Dem Finanzintermediär teilt er mit, dass dieser nur in konservative Finanzinstrumente aus der EU investieren soll. Innerhalb dieser klaren Vorgaben verwaltet der Finanzintermediär von Liechtenstein aus die Struktur, wobei der Finanzintermediär bei zentralen Entscheidung mit Herrn X. Rücksprache halten muss. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der Ort der tatsächlichen Verwaltung nicht in Liechtenstein liegt, da die strategischen Entscheidungen im Ausland gefällt werden und in Liechtenstein lediglich umgesetzt bzw. ausgeführt werden. cc) Sitz Neben dem Ort der tatsächlichen Verwaltung unterliegt eine juristische Person auch dann der unbe- 184 schränkten Steuerpflicht in Liechtenstein, wenn sich ihr Sitz in Liechtenstein befindet. Die Legaldefinition des Sitzes einer juristischen Person erfolgt in Art. 2 Abs. 1 lit. e SteG. Ein Sitz bei juristischen Personen ist der Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Statuten oder dergleichen bestimmt wird. Wenn es an einer entsprechenden Bestimmung fehlt, so gilt als Sitz der Ort der tatsächlichen Verwaltung. In der Praxis ist somit bei der Wahl des Sitzes einer Gesellschaft zu beachten, dass ein Sitz in Liech- 185 tenstein zu einer unbeschränkten Steuerpflicht führt und zwar unabhängig davon, ob auch der Ort der tatsächlichen Verwaltung in Liechtenstein oder im Ausland liegt. Bei der Wahl und Verlagerung des Sitzes sind ferner die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen zu berücksichtigen. > Beispiel: Eine liechtensteinische AG, die gemäß ihren Staturen den Sitz in Vaduz hat, ist aufgrund ihres Sitzes in Liechtenstein unbeschränkt Steuerpflichtig.
b)
Beschränkte Steuerpflicht
aa) Steuersubjekt Juristische Personen, die weder ihren Sitz noch den Ort der tatsächlichen Verwaltung in Liechten- 186 stein haben, sowie besondere Vermögenswidmungen ohne Persönlichkeit sind gemäß Art. 44 Abs. 2 SteG nur mit ihren liechtensteinischen Erträgen beschränkt steuerpflichtig in Liechtenstein. Die Formulierung „inländische Erträge wird in Art. 44 Abs. 3 SteG abschließend definiert. Als inländische Erträge gelten: Q Erträge aus der Bewirtschaftung land- und forstwirtschaftlich genutzter liechtensteinischer Grundstücke; 23 BuA 48/2010, S. 62.
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2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht Q Q
2
die Miet- und Pachterträge aus in Liechtenstein gelegenen Grundstücken; der steuerpflichtige Reinertrag der in Liechtenstein gelegenen Betriebsstätten.
> Beispiel: Eine Schweizer AG, deren Verwaltungsrat ausschließlich in der Schweiz tagt und dessen Verwaltung in Zug ist, unterhält eine Betriebsstätte in Vaduz. Die Schweizer AG ist mit den Erträgen aus der Betriebsstätte in Vaduz beschränkt steuerpflichtig in Liechtenstein. Es unterliegen aber nur die Erträge der liechtensteinschen Steuerpflicht, die der Betriebsstätte in Vaduz zuzurechnen sind. bb) Betriebsstätte 187 Der Begriff der Betriebsstätte orientiert sich an dem international üblichen Standard und ist in Art. 2 Abs. 1 lit. a SteG legal definiert. Eine Betriebsstätte ist somit jede feste Geschäftseinrichtung, durch welche die wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmens oder eines freien Berufes ganz oder teilweise ausgeübt wird. Betriebsstätten sind insbesondere: Q der Ort der tatsächlichen Verwaltung; Q eine Zweigniederlassung; Q eine Geschäftsstelle; Q eine Fabrikationsstätte; Q eine Ein- oder Verkaufsstelle; Q eine Werkstätte; Q eine Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen; Q eine Stätte der Nutzbarmachung von Wasserkräften; Q eine Bauausführung oder Montage, deren Dauer sechs Monate überschreitet. 188 Ferner verfügt ein Versicherungsunternehmen auch dann über eine inländische Betriebsstätte, wenn es im Inland Prämieneinnahmen erzielt. Bei dieser Auflistung handelt es sich um einen demonstrativen Katalog und nicht um eine abschließende Auflistung. Sie entspricht weitestgehend dem Art. 5 Abs. 2 und 3 OECD-Musterabkommen 2010.
c)
Persönliche Steuerbefreiungen
189 Art. 45 SteG normiert die Voraussetzungen für die Ertragssteuerbefreiung von jurisischen Personen. Auf Antrag werden juristische Personen, die der unbeschränkten Steuerpflicht in Liechtenstein unterliegen, auf Antrag von der Ertragssteuer befreit, wenn sie die folgenden Voraussetzungen erfüllen: 190 Die juristische Person darf unter Ausschluss jeder wirtschaftlichen Tätigkeit nur gemeinnützigen Aufgaben dienen und es muss statutarisch festgelegt sein, dass für den Fall der Auflösung der juristischen Person den nach Rückzahlung des nicht in Form von Spenden Dritter erhaltenen Kapitals verbleibenden Rest des ähnlichen Zwecken zu zuweisen ist. Weiters muss die Ausrichtung von Gewinnanteilen auf den Sollertrag des nicht in Form von Spenden Dritter erhaltenen Kapitals beschränkt sein. Außerdem muss die Ausrichtung von Tantiemen statuarisch ausgeschlossen sein.
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2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
d)
Beginn und Ende der Steuerpflicht
Die unbeschränkte Steuerpflicht einer juristischen Person beginnt mit der Gründung der juristi- 191 schen Person oder mit der Verlegung ihres Sitzes oder des Ortes ihrer tatsächlichen Verwaltung nach Liechtenstein. Bei beschränkt Steuerpflichtigen beginnt die Steuerpflicht in Liechtenstein in dem Zeitpunkt, in dem inländische Erträge erzielt werden oder mit der Eintragung der Betriebsstätte ins Öffentlichkeitsregister. Die liechtensteinische Steuerpflicht endet bei unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Abschluss der 192 Liquidation oder mit der Verlegung des Sitzes oder des Ortes ihrer tatsächlichen Verwaltung ins Ausland. Bei beschränkt Steuerpflichtigen endet die Steuerpflicht in Liechtenstein entsprechend mit dem Wegfall inländischer Erträge oder mit der Löschung der Betriebsstätte im Öffentlichkeitsregister.
2.
Sachliche Steuerpflicht
a)
Buchführung und Bilanzierung
Die Ertragssteuer bemisst sich gemäß Art. 47 Abs. 1 SteG nach dem steuerpflichtigen Reinertrag. 193 Dieser ist nach Maßgabe der nach dem Personen- und Gesellschaftsrecht zu erstellenden Jahresrechnung unter Beachtung der steuerlichen Sonderbestimmungen zu ermitteln. Dies bedeutet, dass juristische Personen, die gemäß den Bestimmungen des Personen- und Gesellschaftsrechts zur ordnungsgemäßen Rechnungslegung verpflichtet sind, die nach den entsprechenden Vorschriften erstellte Jahresrechnung als Basis für die Ermittlung des steuerbaren Reinertrags verwenden müssen. Die Buchführungspflichten des Personen- und Gesellschaftsrechts sind in Art. 1045ff PGR normiert. Demnach ist derjenige zur ordnungsgemäßen Rechnungslegung verpflichtet, der auch verpflichtet ist, seine Firma in das Öffentlichkeitsregister eintragen zu lassen (Art. 945 PGR) und ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt (Art. 107 PGR). Ferner sind Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie Kollektivgesellschaften und Kommanditgesellschaften im Sinne von Art. 1063 Abs. 2 PGR auch dann zur ordnungsmäßigen Rechnungslegung verpflichtet, wenn sie kein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreiben. Juristischen Personen, die aufgrund des Personen- und Gesellschaftsrechts nicht zur Erstellung einer 194 ordnungsgemäßen Buchführung verpflichtet sind und deren finanziellen Folgen der Geschäftstätigkeit ohne ordnungsgemäße Buchführung einfach und klar dargestellt werden können, haben lediglich Aufstellungen über Aktiven und Passiven sowie Erträge und Aufwendungen zu machen. Für die Ermittlung eines periodengerechten Ergebnisses sind die Aufwendungen und Erträge zeitlich abzugrenzen. Die Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten erfolgt grundsätzlich zum Verkehrswert bzw. Rückzahlungsbetrag, wobei das Anlagevermögen auch zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet werden kann. Die Bewertungsmethode ist stetig in den Folgejahren anzuwenden. Juristische Person, die nicht aufgrund des Personen- und Gesellschaftsrechts zu einer ordnungsge- 195 mäßen Buchführung verpflichtet sind, aber bei denen es aufgrund der Komplexität der Geschäftstätigkeit nicht möglich ist, die finanziellen Folgen dieser Geschäftstätigkeit ohne ordnungsgemäße Buchführung einfach und klar darzustellen, sind für die Ermittlung des steuerbaren Reinertrags verpflichtet, eine ordnungsgemäße Buchführung zu führen. Die Rechnungslegung hat dabei nach den allgemeinen Vorschriften zur Rechnungslegung gemäß Art. 1045ff PGR zu erfolgen. 87
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
b) 2
Transparenzprinzip
196 Art. 47 Abs. 2 SteG regelt klarstellend, dass der Erwerb der Gesellschaften ohne Persönlichkeit (Beispielsweise Personengesellschaften) nicht nur den beteiligten natürlichen Personen, sondern auch den beteiligten juristischen Personen zuzurechnen und von diesen mit ihrem übrigen Ertrag zu versteuern ist. Dies bedeutet beispielsweise auch, dass der Eigenkapitalzinsabzug nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern ausschließlich von deren Gesellschaftern geltend gemacht werden kann.
c)
Steuerlich anerkannte Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen
aa) Grundsatz 197 Die Verordnung zum Steuergesetz normiert, dass Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen steuerlich nur anerkannt werden, wenn die steuerpflichtige Person eine Bilanz und Erfolgsrechnung gemäß dem Handels- und Gesellschaftsrecht oder Steuerrecht aufstellt oder Aufstellungen über Aktiven und Passiven sowie Erträge und Aufwendungen erstellt, und gleichzeitig diese Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen geschäftsmäßig begründet sind. Als geschäftsmäßig begründet gelten sie gemäß der Steuerverordnung nur, wenn sie sich auf Vermögensgegenstände beziehen, die für die Geschäftstätigkeit der steuerpflichtigen Person notwendig sind bzw. sich auf Vorfälle beziehen, die direkt mit der Geschäftstätigkeit zusammenhängen. 198 Die Wertberichtigungen, Rückstellungen und außerplanmäßigen Abschreibungen sind steuerwirksam aufzulösen, wenn die Gründe für deren Bildung weggefallen sind. Deren Notwendigkeit und Angemessenheit ist der Steuerverwaltung jährlich nachzuweisen. bb) Planmäßige und außerplanmäßige Abschreibung 199 Die Bestimmungen über planmäßige und außerplanmäßige Abschreibungen sind in Art. 23 Steuerverordnung normiert. So sind Vermögensgegenstände, die einer laufenden Wertminderung ausgesetzt sind, planmäßig abzuschreiben. Dies bedeutet, dass Vermögensgegenstände, die keiner laufenden Wertminderung unterliegen, nicht planmäßig abgeschrieben werden dürfen. Es können jedoch bei voraussichtlich dauernden Wertminderungen außerplanmäßige Abschreibungen vorgenommen werden. Ferner ist es zulässig, planmäßige Abschreibungen für die zwei dem betreffenden Geschäftsjahr vorgegangenen Jahre nachzuholen. cc) Abschreibungssätze 200 Gemäß der Steuerverordnung sind lineare und degressive Abschreibungen zulässig. Eine Änderung der Abschreibungsmethode ist der Steuerverwaltung anzuzeigen. Ferner ist die gewählte Abschreibungsmethode mindestens für einen Zeitraum von fünf Jahren beizubehalten.
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2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Bei der Verwendung der degressiven Abschreibungsmethode sind folgende Normalsätze als ge- 201 schäftsmäßig begründet zugelassen: Tabelle 11: Abschreibungssätze 5% für Liegenschaften (Wohn-, Büro-, Laden-, Hotellerie-, Gastwirtschafts-, Fabrikations-, Werkstatt- und Lagergebäude, Parkplätze) 15% für Fährnisbauten, technische Installationen, die nicht fest mit dem Gebäude verbunden sind, Investitionen in fremde Immobilien, Hochregallager und Flugzeuge 20% für Büro- und Ladenmobiliar, Werkstatt- und Lagereinrichtungen mit Mobiliarcharakter 25% für Mobiliar der Hotellerie und des Gastwirtschaftsgewerbes 30% für Apparate und Maschinen zu Produktionszwecken, Verkaufsautomaten, Telefonanlagen sowie betriebsspezifische Softwarelösungen 35% für Maschinen, die im Schichtbetrieb oder unter erschwerten Bedingungen eingesetzt werden sowie Motorfahrzeuge aller Art 40% für Immaterielle Vermögensgegenstände (Patent-, Verlags-, Konzessions-, Lizenzrechte, erworbener Kundenstamm usw.) 50% für PC-Hard- und Software, Server, Büromaschinen, Werkzeuge sowie Geschirr und Wäsche des Gastwirtschaftsgewerbes 50% für Die dem Umweltschutz dienenden amtlich genehmigten Anlagen sowie energiesparenden Einrichtungen und Anlagen zur Nutzung der Umgebungswärme
Bei Verwendung der linearen Abschreibungsmethode sind diese Abschreibungssätze jeweils um die 202 Hälfte zu kürzen. Liegenschaften dürfen nur bis zum Steuerschätzwert abgeschrieben werden. ! Praxishinweis: Bei den aufgezeigten Abschreibungssätzen handelt es sich um die maximal zulässigen Normalsätze für planmäßige Abschreibungen. Höhere Sätze werden anerkannt, wenn der Steuerpflichtige deren Angemessenheit nachweist. dd) Wertberichtigungen auf Warenvorräte Auf den handelsrechtlichen Höchstwert der Warenvorräte wird eine Wertberichtungen vom einem 203 Drittel steuerlich akzeptiert. Eine solche Wertberichtigung setzt jedoch voraus, dass der Steuerpflichtige ein vollständiges und detailliertes Inventar führt und der Steuerverwaltung auf Verlangen die notwendigen Angaben über die Bewertung zu Herstellkosten bzw. zum Marktwert zur Verfügung stellt. ee) Wertberichtigungen auf Forderungen Bei Forderungen ist die Vornahme von Wertberichtigungen für drohende Verluste steuerlich zu- 204 lässig. Diese müssen jedoch auf ein separates Konto verbucht werden. Bei der Durchführung von Einzelwertberichtigungen müssen der Steuerverwaltung die Gründe für die Zulässigkeit einer entsprechenden Wertberichtigung nachgewiesen werden. Auf Forderungen, die nicht bereits durch eine Einzelwertberichtung korrigiert wurden, ist es zu- 205 lässig eine pauschale Wertberichtigung vorzunehmen. Die Höhe der pauschalen Wertberichtigung darf bei Forderungen aus Liechtenstein und der Schweiz bis zu einer Höhe von 10% erfolgen. Bei Forderungen aus allen anderen Ländern ist eine pauschale Wertberichtigung bis zu einer Höhe von 89
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht 15% zulässig. Ferner können Banken zur Berücksichtigung des bankspezifischen Geschäftsrisikos auf Forderungen gegenüber Banken Wertberichtigungen von bis zu 5% des Bestandes vornehmen. Dies gilt jedoch nicht bei Banken innerhalb des Konzerns.
2
ff) Rückstellungen 206 Erfolgswirksame Rückstellungen sind nur für im Geschäftsjahr bestehende Verpflichtungen, deren Höhe noch unbestimmt ist, und für andere drohende Verluste, die im Geschäftsjahr bestehen, zulässig.
d)
Steuerpflichtiger Reinertrag
207 Der steuerpflichtige Reinertrag besteht nach Art. 47 Abs. 1 SteG grundsätzlich aus der Gesamtheit der um die geschäftsmäßigbegründeteten Aufwendungen gekürzten Erträge. Insbesondere gehören zu dem steuerpflichtigen Reinertrag: aa) Der Saldo der Erfolgsrechnung 208 Ausgangspunkt des steuerpflichtigen Reinertrages ist der Saldo der Erfolgsrechnung. bb) Nicht geschäftsmäßig begründeter Aufwand 209 Alle bei Berechnung des Saldos der Erfolgsrechnung ausgeschiedenen Teile des Geschäftsergebnisses, die nicht zur Deckung geschäftsmäßig begründeter Aufwendungen verwendet werden, sind Bestandteil des steuerpflichtigen Reinertrags. cc)
Steuerlich nicht anerkannte Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen 210 Alle Abschreibungen, Wertberechtigungen und Rückstellungen, die nicht geschäftsmäßig begründet sind, müssen dem steuerpflichtigen Reinertrag wieder hinzugerechnet werden. dd) Geschäftsmäßig nicht begründete Zuweisungen zum Reservefonds 211 Zuweisungen an den Reservefonds, soweit sie geschäftsmäßig nicht begründet sind, müssen vorbehaltlich der allenfalls steuerbegünstigten Rückstellungen dem steuerpflichtigen Reinertrag hinzugerechnet werden. ee) Offene und verdeckte Gewinnausschüttungen 212 Die an die Mitglieder oder Gesellschafter des Unternehmens oder an Inhaber von nichtmitgliedschaftlichen Gewinnanteilsrechten (Genussscheine, Gründeranteile) oder diesen nahe stehende Personen verteilten Gewinne und verdeckten Gewinnausschüttungen sind steuerlich nicht abzugsfähig und folglich dem steuerpflichtigen Reinertrag hinzuzurechnen. ff) Steueraufwand 213 Der Steueraufwand ist im Gegensatz zur Schweizer Bundessteuer nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig und daher dem steuerpflichtigen Reinertrag hinzuzurechnen. gg) Fremdunübliche Vergütungen 214 Vergütungen für die Überlassung von Fremdkapital an verbundene Unternehmen und Gesellschafter oder diesen nahe stehende Personen sind nur insoweit abzugsfähig, wie sie dem in Art. 49 SteG kodifizierten Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Unangemessene Zahlungen sind entsprechend zu korrigieren und stellen nicht abzugsfähige Betriebsausgaben dar und erhöhen folglich den steuerpflichtigen Reinertrag.
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B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 hh) Unzulässige Spenden Freiwillige Geldleistungen an juristische Personen und besondere Vermögenswidmungen mit Sitz 215 im Inland, die im Hinblick auf ausschließlich und unwiderruflich gemeinnützige Zwecke nach Art. 4 Abs. 2 SteG von der Steuerpflicht ausgenommen sind bis zu einer Höhe von 10% des steuerpflichtigen Reinertrags24 steuerlich abzugsfähig. Darüber hinaus gehende Spenden stellen nicht abzugsfähige Betriebsausgaben dar und sind somit dem steuerlichen Reinertrag hinzuzurechnen. Dies gilt entsprechend in Bezug auf Spenden an juristische Personen und besondere Vermögenswid- 216 mungen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes oder in der Schweiz, die im Hinblick auf ausschließlich und unwiderruflich gemeinnützige Zwecke im Sitzstaat von der Steuerpflicht ausgenommen sind und insoweit auch die Voraussetzungen für einen Antrag nach Art. 4 Abs. 2 SteG erfüllen. ii) Bußen und Geldstrafen Bußen, Geldstrafen und vergleichbare Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, sofern der Strafcha- 217 rakter überwiegt, sind steuerlich nicht abzugsfähig und erhöhen den steuerlichen Reinertrag. jj) Bestechungen Geleistete Bestechungszahlungen stellen keine abzugsfähige Betriebsausgabe dar und erhöhen den 218 steuerlichen Reinertrag. Unter einer Bestechung wird gemäß Art. 307 StGB verstanden, wenn jemand Q einem Beamten, einem Mitglied des Landtages oder eines Gemeinderates oder einem ausländischen Beamten für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes (§ 304 Abs. 1 StGB), Q einem leitenden Angestellten eines öffentlichen Unternehmens für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung einer Rechtshandlung (§ 305 Abs. 1 StGB), Q einem Sachverständigen für die Erstattung eines unrichtigen Befundes oder Gutachtens (§ 306 StGB), Q einem Mitarbeiter eines leitenden Angestellten eines öffentlichen Unternehmens für eine auf die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung einer Rechtshandlung gerichtete Beeinflussung (§ 306a Abs. 1 StGB), Q einem gegen Entgelt tätigen sachverständigen Berater für eine auf die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes oder einer Rechtshandlung gerichtete Beeinflussung (§ 306a Abs. 2 StGB), für ihn oder einen Dritten einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt. Ferner wer Q einem Beamten für die pflichtgemäße Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes (§ 304 Abs. 2 StGB) oder Q einem leitenden Angestellten eines öffentlichen Unternehmens für die pflichtgemäße Vornahme oder Unterlassung einer Rechtshandlung (§ 305 Abs. 1 StGB) für ihn oder einen Dritten einen nicht bloß geringfügigen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt.
24 Vor Verrechnung mit Verlusten der Vorjahre, Verlusten aus ausländischen Betriebsstätten und den Auswirkungen einer Gruppenbesteuerung.
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
e) 2
Kein Steuerpflichtiger Reinertrag
219 Nicht zum steuerpflichtigen Reinertrag und damit von diesem abzuziehen sind Kapitaleinlagen der Mitglieder von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, einschließlich Aufgelder und Leistungen à fonds perdu, sowie der Kapitalzuwachs aus Erbschaft, Vermächtnis oder Schenkung.
f)
Besonderheiten bei beschränkt Steuerpflichtigen
220 Bei beschränkt Steuerpflichtigen ist nach Art. 47 Abs. 5 SteG zu beachten, dass diese bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Reinertrages Abzüge nur insoweit geltend machen dürfen, als sie mit den entsprechenden inländischen Erträgen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. > Beispiel: Eine Schweizer Immobilienverwaltungs AG besitzt ein Grundstück in Buchs (Schweiz) sowie ein Grundstück in Schaan (Liechtenstein). Beide Objekte werden vermietet. Zur Finanzierung dieser beiden Grundstücke hat die Gesellschaft ein Darlehen aufgenommen. Für dieses Darlehen zahlt sie monatlich 10.000 Franken Zinsen. Diese Zinsen können in Liechtenstein nur insoweit geltend gemacht werden, wie das Darlehen mit dem Grundstück in Schaan in wirtschaftlichem Zusammenhang steht. ! Praxishinweis: Das Gesetz spricht lediglich von „wirtschaftlichem Zusammenhang“ und nicht von „direktem respektive unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang“ somit ist bei Nachweis eines „indirekten respektive mittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhangs“ ein entsprechender Abzug von wie in diesem Beispiel Finanzierungskosten ebenfalls zulässig.
g)
Zeitraum
221 Die Ertragssteuer ist eine Jahressteuer. Die Grundlagen für ihre Festsetzung sind jeweils für ein Kalenderjahr (Steuerjahr) zu ermitteln. Besteht die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht nicht während eines ganzen Kalenderjahrs, so tritt an die Stelle des Kalenderjahrs der Zeitraum der jeweiligen Steuerpflicht. Steuerpflichtige, die ihre Rechnungen nicht mit dem Kalenderjahr abschließen, haben den steuerpflichtigen Reinertrag nach den Ergebnissen des abgelaufenen Geschäftsjahres zu erklären.
3.
Steuerfreier Ertrag
a)
Hintergrund
222 Art. 48 SteG normiert die sachlichen Steuerbefreiungen. Das Ziel dieser Befreiungen liegt in der Vermeidung von Doppelbesteuerungen, worunter sowohl juristische als auch wirtschaftliche Doppelbesteuerungen fallen.
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2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Derzeit verfügt das Fürstentum Liechtenstein nur über ein sehr kleines Netz an Doppelbesteue- 223 rungsabkommen.25 Dies hat zur Folge, dass es bei Erträgen aus ausländischen Grundstücken und Betriebsstätten regelmäßig zu Doppelbesteuerungen kommen würde, da diese üblicherweise durch den Belegenheitsstaat besteuert werden. Um eine Doppelbesteuerung zu verhindern, verzichtet Liechtenstein unilateral auf die entsprechende Besteuerung, indem diese Erträge befreit werden. Zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung kommt es, wenn Beteiligungserträge und Kapitalgewinne von juristischen Personen besteuert werden, denn die zugrunde liegenden Gewinne der juristischen Person sind im Regelfall bereits auf Ebene dieser juristischen Person besteuert wurden. Aus diesem Grund befreit Liechtenstein diese Erträge unilateral unter Berücksichtigung des Konzeptes der Einmalbesteuerung. Ferner sind beispielsweise inländische Grundstücksgewinne von der Ertragssteuer befreit, da diese bereits der Grundstücksgewinnsteuer unterliegen und es ansonsten hier zu einer Doppelbesteuerung kommen würde.
b)
Steuerfreie Erträge bei unbeschränkt Steuerpflichtigen
Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen zählen die folgenden Erträge nach Art. 48 Abs. 1 SteG nicht zum 224 steuerpflichtigen Reinertrag und reduzieren entsprechend die Bemessungsgrundslage: aa) Ausländische Erträge aus Land- und Forstwirtschaft Erträge aus der Bewirtschaftung land- und forstwirtschaftlich genutzter ausländischer Grundstük- 225 ke sowie aus anderer land- und forstwirtschaftlicher Produktion im Ausland sind von der Ertragssteuer befreit. Diese Vorgehensweise entspricht auch Art. 6 OECD-MA 2010. Dieser normiert, dass Einkünfte, die eine in einem anderem Vertragsstaat ansässige Person aus unbeweglichem Vermögen (einschließlich der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben), das im anderen Vertragsstaat liegt, bezieht, auch im anderen Staat besteuert werden kann. In dem entsprechenden Methodenartikel wird eine mögliche Doppelbesteuerung häufig durch die Freistellung im Ansässigskeitsstaat des Steuerpflichtigen verhindert. bb) Ausländische Betriebsstättenergebnisse Ausländische Betriebsstättenergebnisse werden von Liechtenstein unilateral freigestellt. Diese Vor- 226 gehensweise entspricht Art. 7 OECD-MA 2010 in Verbindung mit dem Methodenartikel. Ziel dieser Befreiung ist somit die Verhinderung von Doppelbesteuerungen. > Beispiel: Einkünfte aus der österreichischen Fabrikationsstätte und aus der luxemburgischen Zweigstelle einer liechtensteinischen AG unterliegen nicht der Ertragssteuer in Liechtenstein. cc) Ausländische Miet- und Pachterträge Ausländische Miet- und Pachterträge sind ebenso wie ausländische Erträge aus Land- und Forstwirt- 227 schaft unilateral von der Ertragssteuer befreit. Bei diesen Miet- und Pachterträgen handelt es sich um eine Nettogröße. Dies bedeutet, dass beispielsweise Aufwendungen wie Abschreibungen, Unterhalt und Zinsen, die im Zusammenhang mit dieser Liegenschaft stehen, entsprechend der internationalen Praxis ebenso wie die Erträge dem Ausland zuzurechnen sind und somit in Liechtenstein nicht zum Abzug gebracht werden können.
25 Mit den folgenden Ländern hat das Fürstentum Liechtenstein ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen: Österreich, Luxemburg, San Marino, Hong Kong und Uruguay. (Stand: 31.12.2010). Ferner besteht mit der Schweiz ein Abkommen über vereinzelte Steuerfragen.
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht dd) Grundstücksgewinne 228 Inländische Grundstücksgewinne sind von der Ertragssteuer befreit soweit diese in Liechtenstein der Grundstücksgewinnsteuer unterliegen. Dadurch wird eine doppelte Erfassung der Grundstücksgewinne durch die Grundstücksgewinnsteuer und die Ertragssteuer verhindert. Dies bedeutet jedoch auch, dass Erträge aus der Veräußerung von liechtensteinischen Grundstücken insoweit von der Ertragssteuer erfasst werden, wie sie nicht der Grundstücksgewinnsteuer unterliegen. Diese Konstellation kann sich beispielsweise durch eine unterschiedliche Bemessungsgrundlagen bei der Ermittlung der Grundstücksgewinnsteuer und Ertragssteuer oder bei Verlusten ergeben. Kapitalgewinne aus der Veräußerung von ausländischen Grundstücken sind hingegen generell von der Ertragssteuer befreit, um internationale Doppelbesteuerung unilateral zu verhindern. 229 Für die Berücksichtigung von Verlusten ergibt sich folglich, dass Verluste aus liechtensteinischen Grundstücken bei der Ertragssteuer zu berücksichtigen sind, da diese nicht der Grundstücksgewinnsteuer unterliegen. Wohingegen Verluste bei der Veräußerung von ausländischen Grundstücken generell nicht bei der Ermittlung des inländisches Ertrages berücksichtigt werden können. Für ausländische Betriebsstättenverluste gilt die Sonderregelung nach Art. 57 Abs. 2 SteG. ee) Beteiligungserträge 230 Gewinnanteile aufgrund von Beteiligungen an in- oder ausländischen juristischen Personen sind in Liechtenstein zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung grundsätzlich steuerfrei. Unter Gewinnanteile werden beispielsweise Dividenden, Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien, Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, verstanden. 231 Beteiligungen sind Anteile am eingetragenen Kapital in- und ausländischer juristischer Personen. Anteile an Investmentunternehmen, beispielsweise an einer SICAV oder SICAF, stellen hingegen keine Beteiligung dar. Kann der Steuerpflichtige jedoch nachweisen, dass das Investmentunternehmen seinerseits in entsprechende Anteile investiert, werden solche Anlagen analog der Beteiligung behandelt. Es erfolgt hier eine entsprechende (quotale) Steuerbefreiung. 232 Zu beachten ist, dass die Beteiligungserträge unabhängig von einer Mindesthaltedauer und einer Mindestbeteiligungshöhe steuerfrei sind. Außerdem wird die Befreiung nicht von einer Mindeststeuerbelastung der juristischen Person im Ausland abhängig gemacht. Somit sind auch Beteiligungserträge einer BVI Ltd. in Liechtenstein steuerfrei. ! Praxishinweis: Trotz der Steuerbefreiung für Beteiligungserträge können damit im Zusammenhang stehende Fremdkapitalzinsen abgezogen werden. Die Steuerfreiheit der Beteiligungserträge steht der Geltendmachung von entsprechenden Betriebsausgaben folglich nicht entgegen. ff) Kapitalgewinne 233 Kapitalgewinne aus der Veräußerung oder Liquidation von Beteiligungen an in- oder ausländischen juristischen Personen werden analog zu den Beteiligungserträgen generell von der Ertragssteuer befreit. Diese Befreiung ist ebenfalls unabhängig von einer Mindesthaltedauer und einer Mindestbeteiligungshöhe. Kapitalgewinne aus Investmentunternehmen werden analog zu den Beteiligungserträgen behandelt.
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B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 ! Praxishinweis: Trotz der Steuerbefreiung für Kapitalgewinne können parallel wie bei den Beteiligungserträgen damit im Zusammenhang stehende Fremdkapitalzinsen abgezogen werden. Die Steuerfreiheit der Kapitalgewinne steht somit der Geltendmachung von entsprechenden Betriebsausgaben nicht entgegen. gg) Erträge von Investmentunternehmen Reinerträge aus dem verwalteten Vermögen von Investmentunternehmen in der Rechtsform des An- 234 lagefonds sowie von Investmentunternehmen in der Rechtsform der Anlagegesellschaft gemäß dem Gesetz über Investmentunternehmen (IUG)26 sind von der Ertragssteuer befreit. Diese Befreiung resultiert aus dem Transparenzprinzip: Entsprechende Erträge werden auf der Ebene des Anlegers besteuert. hh) Erträge von Pensionsfonds Reinerträge aus dem Nettovermögen eines Pensionsfonds, die ausschließlich und unwiderruflich der 235 betrieblichen Personalvorsorge zugeordnet sind, sind von der Ertragssteuer befreit.
c)
Steuerfreie Erträge bei beschränkt Steuerpflichtigen
Bei beschränkt Steuerpflichtigen zählen die folgenden Erträge gemäß Art. 48 Abs. 2 SteG nicht zum 236 steuerpflichtigen Reinertrag und reduzieren entsprechend die Bemessungsgrundslage. Eine gesonderte Befreiung beispielsweise für ausländische Betriebsstättenergebnisse, Miet- und Pachterträge oder Kapitalgewinne aus der Veräußerung von ausländischen Grundstücken ist nicht erforderlich, da beschränkt Steuerpflichtige nur mit ihren inländischen Erträgen steuerpflichtig in Liechtenstein sind. aa) Inländische Grundstücksgewinne Inländische Grundstücksgewinne sind bei beschränkt Steuerpflichtigen ebenfalls insoweit befreit, 237 wie diese im Inland der Grundstücksgewinnsteuer unterliegen. bb) Beteiligungserträge und Kapitalgewinne Auch bei beschränkt Steuerpflichtigen sind die Gewinnanteile aufgrund von Beteiligungen an in- 238 oder ausländischen juristischen Personen sowie die Kapitalgewinne aus der Veräußerung oder Liquidation von Anteilen an in- oder ausländischen juristischen Personen von der Ertragssteuer befreit. Ebenso wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen ist die Befreiung unabhängig von einer Mindesthaltedauer und einer Mindestbeteiligungshöhe. Die entsprechenden Ausführungen zu den Beteiligungserträgen und Kapitalgewinnen bei unbeschränkt Steuerpflichtigen sind entsprechend auch bei beschränkt Steuerpflichtigen maßgeblich.
4.
Fremdvergleichsgrundsatz
Art. 49 SteG kodifiziert den Fremdvergleichsgrundsatz (das arm’s-length-principle). Diesem Grund- 239 satz wird entsprochen, wenn in der Beziehung zwischen verbundenen Unternehmen oder auch zwischen Gesellschaftern und deren Gesellschaften Verrechnungspreise für Leistungen derart festgesetzt werden, wie dies zwischen fremden, voneinander unabhängigen Unternehmen geschehen würde. Ist dies nicht der Fall, so sind von der Steuerverwaltung die Erträge und Aufwendungen in jenem Ausmaß anzusetzen, wie sie bei einer Beziehung zwischen unabhängigen Dritten angefallen wären. 26 Gesetz vom 19. Mai 2005 über Investmentunternehmen (IUG), LGBl. 2005 Nr. 156.
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht 240 Für die Ermittlung des angemessenen Verrechnungspreises stehen auch aus liechtensteinischer Perspektive grundsätzlich drei in der Praxis anerkannte Basismethoden zur Auswahl: die Preisvergleichs-, die Wiederverkaufspreis- und die Kostenaufschlagsmethode.27 Diese Methoden, die international als Standardmethoden anerkannt werden, sind untereinander grundsätzlich gleichrangig. Geht man jedoch davon aus, dass ein ordentlicher Geschäftsleiter immer auf das Verfahren abstellen wird, das möglichst zuverlässige preisrelevante Daten verarbeitet, so wird das Wahlrecht de facto eingeschränkt. > Beispiel: Eine liechtensteinische AG hat ein zinsfreies Darlehen in Höhe von 50 Millionen Franken an eine ausländische Tochtergesellschaft vergeben. Der angemessene Zinssatz für ein solches Darlehen wäre 6,5%. In diesem Fall würde die liechtensteinische Steuerverwaltung den Gewinn der liechtensteinischen AG um 3.250.000 Franken erhöhen (6,5% x 50 Millionen).
5.
Ersatzbeschaffungen
241 Art. 50 SteG normiert die Möglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen beim Ausscheiden eines Vermögensgegenstandes des betrieblichen Anlagevermögens aus dem Betriebsvermögen die stillen Reserven auf einen anderen Vermögensgegenstand (Ersatzobjekt) zu übertragen. Ohne eine solche Vorschrift müsste der Steuerpflichtige beim Ausscheiden von Vermögensgegenständen, die zum Teil oder bereits vollständig abgeschrieben sind, die Auflösung der möglichen steuerpflichtigen Reserven entsprechend realisieren und sofort versteuern. Dies hätte zur Folge, dass sich die verfügbaren Mittel, um die zu zahlenden Steuern entsprechend reduzieren würden. 242 Voraussetzung für die Übertragung der stillen Reserven auf ein Ersatzobjekt ist, dass es sich bei diesem um einen Vermögensgegenstand des betriebsnotwendigen Anlagevermögens handelt, der dem Betrieb unmittelbar dient. Ausgeschlossen sind insbesondere Vermögensgegenstände, die dem Unternehmen nur als Vermögensanlage oder nur durch ihren Ertrag dienen, Beteiligungen sowie Grundstücke, soweit der Gewinn aus ihrer Veräußerung der Grundstücksgewinnsteuer unterliegt. Außerdem muss der Ersatz des Vermögensgegenstandes aus wirtschaftlichen, rechtlichen, technischen oder tatsächlichen Gründen erforderlich gewesen sein, und die stillen Reserven im Ersatzobjekt müssen in Liechtenstein der Besteuerung unterliegen. Die Ursache für die Realisation der stillen Reserven ist hingegen unerheblich. Sie kann durch die Veräußerung des Vermögensgegenstandes oder aufgrund einer Ersatzleistung durch eine Versicherung erfolgen. 243 Die Übertragung der stillen Reserven erfolgt derart, dass die Anschaffungskosten des Ersatzwirtschaftsgutes entsprechend reduziert werden. Auf diese Weise kommt es nicht zu einem endgültigen Verzicht des Steueranspruchs durch den liechtensteinischen Gesetzgeber, sondern lediglich zu einem Steueraufschub. So hat eine Reduktion der Anschaffungskosten auch eine entsprechende niedrigere Basis für die Abschreibungen zur Folge, wodurch der zukünftige Aufwand gemindert wird. > Beispiel: Eine liechtensteinische AG hat eine Maschine, die bereits vollständig abgeschrieben ist und nur noch mit einem Erinnerungswert von einem Franken in der Bilanz aufscheint. Aufgrund einen neuen technologischen Erfindung kann die Maschine nicht 27 OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2. Auflage 2000, S. 47; Rasch, Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, S. 135; Nientimp, Steuerliche Gewinnabgrenzung in internationalen Konzernen, S. 125; Macho/Steiner/Ruess, Verrechnungspreise kompakt, S. 113; Bernegger/Rosenberger/Zöchling, Handbuch Verrechnungspreise, S. 99; Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, S. 36.
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B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 im Produktionsprozess eingesetzt werden und musste durch eine neue Maschine (Anschaffungspreis 50.000 Franken) ersetzt werden. In Osteuropa fand sich für die alte Maschine ein Käufer der 10.000 Franken dafür zahlte. Die stillen Reserven in Höhe von 9.999 Franken können auf die neue Maschine übertragen werden, so dass sich der Buchwert auf 40.001 Franken reduziert. Dadurch reduziert sich auch entsprechend die Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen. Im Zusammenhang mit Liegenschaften ist zu beachten, dass eine Übetragung der stillen Reserven nur in dem Umfang möglich ist, inwieweit der Gewinn nicht der Grundstücksgewinnsteuer unterliegt. Denn die Gewinne, die der Grundstücksgewinnsteuer unterliegen, sind stets von der Ertragsteuer befreit. Findet die Ersatzbeschaffung nicht im gleichen Geschäftsjahr statt, so kann im Umfang der stillen Reserven eine Rückstellung gebildet werden. Diese Rückstellung ist innerhalb angemessener Frist zur Abschreibung auf das Ersatzobjekt zu verwenden oder zugunsten der Erfolgsrechnung aufzulösen. Der Gesetzgeber verzichtet hier bewusst auf die Normierung eines festen Zeitraumens, um dem Steuerpflichtigen eine wirtschaftliche Flexibilität zu belassen. Den Ausführungen der Regierung ist zu entnehmen, dass unter angemessener Frist regelmäßig jedoch nicht mehr als das folgende Wirtschaftsjahr gesehen wird. Erhält der Steuerpflichtige für einen Vermögensgegenstand des betrieblichen Anlagevermögens, der infolge höherer Gewalt oder eines behördlichen Eingriffs beschädigt worden ist, eine Entschädigung, so kann er in Höhe der Entschädigung eine Rückstellung bilden, wenn der Vermögensgegenstand erst in einem späteren Geschäftsjahr repariert wird. Die Rückstellung ist im Zeitpunkt der Reparatur in voller Höhe zugunsten des steuerpflichtigen Reinertrags aufzulösen. Regelungen zur Übertragung der stillen Reserven auf ein Ersatzobjekt kennen jedoch nicht nur das liechtensteinische Steuergesetz, sondern beispielsweise auch die Schweiz und Deutschland. In der Schweiz sind die entsprechenden Bestimmungen in Art. 30 DBG normiert und in Deutschland findet sich zwar keine gesetzliche Kodifizierung, aber diese Regelungen sind in den Richtlinien zur Einkommensteuer R 6.6 EStR niedergelegt.
6.
Umstrukturierungen
a)
Grundlagen
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aa) Begriff der Umstrukturierung In Liechtenstein wird der Begriff Umstrukturierung für Vorgänge verwendet, in denen eine wirt- 248 schaftliche Einheit in einem anderen Rechtskleid fortgeführt wird. Im deutschsprachigen Raum werden für diese Vorgänge auch die Begriffe Umwandlungen (Deutschland) oder Umgründungen (Österreich) verwendet. Eine Umstrukturierung kann entweder im Wege der Einzelrechtsnachfolge oder der Gesamtrechtsnachfolge erfolgen. Unter einer Einzelrechtsnachfolge – oder auch Singularsukzession – wird die Übertragung von ein- 249 zelnen Rechten und Pflichten auf eine andere Person verstanden. Im Gegensatz dazu wird bei der Gesamtsrechtsnachfolge (Universalsukzession) die Übertragung aller Rechte und Pflichten auf eine andere Person im Rahmen eines einzigen Rechtsaktes verstanden. Mit einem einzigen Rechtsgeschäft geht somit das gesamte Vermögen auf eine andere Person über.
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht bb) Stille Reserven 250 Das zentrale Motiv des Umgründungssteuerrechtes ist die Verhinderung der Realisation von stillen Reserven und damit einhergehender negativer Steuerfolgen. Aufgrund dieser zentralen Rolle der stillen Reserven wird im folgenden kurz dargestellt was unter dem Begriff stille Reserven zu verstehen ist, wie diese entstehen und inwiefern das Umgründungssteuerecht hier eine Aufdeckung der stillen Reserven verhindert. 251 Grundsätzlich entstehen stille Reserven durch eine zu niedrige Bewertung von Aktiva oder eine zu hohe Bewertung von Passiva. Dies geht insbesondere auf das Vorsichtsprinzip des Personen- und Gesellschaftsrechts zurück. Dieses normiert beispielsweise, dass Vermögensgegenstände nicht über die Anschaffungskosten hinaus bewertet werden dürfen und das Verluste bereits zu berücksichtigen sind, wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. 252 Die Realisation von stillen Reserven erfolgt, wenn ein Vermögensgegenstand aus dem Betriebsvermögen ausscheidet. Aufgrund dieses Ausscheidens, beispielsweise durch die Veräußerung, endet die Steuerverstrickung des entsprechenden Vermögensgegenstandes. Wenn der Veräußerungspreis nun über dem Buchwert liegt, bestehen in Höhe dieser Differenz stille Reserven. Die stillen Reserven entsprechen folglich dem Veräußerungsgewinn. > Beispiel: Eine Maschine hat einen Buchwert von 100. Diese Maschine wird für 150 veräußert. In Höhe der Differenz zwischen 100 und 150 bestehen stille Reserven (in Höhe von 50), die durch den Veräußerungsvorgang realisiert wurden und nun der Besteuerung unterliegen. 253 Wenn es für Umstrukturierungen keine speziellen steuerlichen Vorschriften geben würde, welche die Realisation von stillen Reserven verhindern würden, wäre beispielsweise die Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Aktiengesellschaft wie folgt zu behandeln: Die Personengesellschaft müsste aufgelöst werden und jeder einzelne Vermögensgegenstand würde aus dem Betriebsvermögen ausscheiden und damit eine Realisation der zugehörigen stillen Reserven auslösen. Anschließend würde eine Aktiengesellschaft gegründet werden und die einzelnen Vermögensgegenstände würden in die Aktiengesellschaft eingebracht werden. Aufgrund der Vorschriften zur Umstrukturierung können die Vermögensgegenstände der Personengesellschaft unter Fortführung der Buchwerte in die Aktiengesellschaft eingebracht werden, wodurch eine Realisation der stillen Reserven verhindert wird. cc) Struktur des liechtensteinischen Umstrukturierungsparagraphen 254 In Liechtenstein gibt es im Gegensatz zu Deutschland und Österreich kein separates Umstrukturierungsgesetz, sondern die Vorschriften zur steuerlichen Behandlung von Umstrukturierungen sind in einem einzigen Paragraphen mit 10 Absätzen in Art. 52 SteG normiert: Tabelle 12: Übersicht über den Umstrukturierungsparagraphen Abs. 1 Auflistung der steuerbegünstigten Umstrukturierungstatbestände und der zentralen Voraussetzungen Abs. 2 Aufhebung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz Abs. 3 Folgen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen Abs. 4 Rechtsfolge beim übernehmenden Rechtsträger Abs. 5 Behandlung von Gegenleistungen
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B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Abs. 6 Steuerliche Folgen beim Anteilseigner I Abs. 7 Konfusionsgewinne Abs. 8 Steuerliche Folgen beim Anteilseigner II
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Abs. 9 Rückwirkung Abs. 10 Missbrauchsvorschrift
dd) Anwendungsbereich Ziel der Umstrukturierungsvorschriften ist es, dass wirtschaftlich notwendige Restrukturierungen 255 nicht durch steuerliche Konsequenzen behindert bzw. verhindert werden. Die beabsichtigte Steuerneutralität bedeutet jedoch nicht, dass Liechtenstein endgültig auf ein Besteuerungsrecht der stillen Reserven verzichtet. Es wird vielmehr lediglich die sofortige Steuerrealisierung durch einen Steueraufschub bzw. eine Steuerstundung ermöglicht. Aufgrund des Verweises in Art. 16 Abs. 6 SteG auf die Vorschrift des Art. 52 SteG sind die Um- 256 strukturierungsvorschriften, obwohl sie im Abschnitt „Ertragssteuern“ normiert sind, nicht nur auf juristischen Personen anwendbar, sondern auch auf Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Dies bedeutet, dass beispielsweise nicht nur die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft zu einer Personengesellschaft steuerneutral erfolgen kann, sondern auch der umgekehrte Fall. ee) Voraussetzungen Die stillen Reserven werden bei einer Umstrukturierung nicht besteuert, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen. Erstens muss das liechtensteinische Besteuerungsrecht fortbestehen und zweitens muss das übernehmende Unternehmen die bisher für die Ertragssteuer maßgeblichen Werte fortführen. Bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen ist zu beachten, dass eine sofortige Versteuerung der stillen Reserven auch dann unterbleiben kann, wenn Liechtenstein das Besteuerungsrecht an den stillen Reserver verliert. Die Steuer kann in diesen Fällen zinslos bis zur tatsächlichen Realisierung gestundet werden, soweit die Durchsetzung des Steueranspruchs sichergestellt ist. Zu beachten ist, dass in solchen Fällen dennoch eine Ermittlung der steuerlichen Folgen vorzunehmen ist. Zwischenzeitlich eingetretene Wertminderungen sind, höchstens im Umfang der maßgeblichen Bemessungsgrundlage und nur soweit diese nicht in einem anderen Staat berücksichtigt werden, steuerlich in Liechtenstein geltend zu machen. Als Bemessungsgrundlage ist der Wert heranzuziehen, der sich ergeben würde, wenn der Vermögensgegenstand im Zeitpunkt des Verlusts des liechtensteinischen Besteuerungsrechts als zum Fremdvergleichspreis veräußert oder überlassen worden wäre. Der Steuerpflichtige hat jährlich nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Stundung weiterhin erfüllt sind. Bei Eintritt einer Wertminderung im Falle einer tatsächlicher Veräußerung hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass eine Verlustberücksichtigung im Ausland nicht erfolgt.
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Die Umwandlung
aa) Umwandlungsvarianten Das liechtensteinische Umstrukturierungsrecht ermöglicht beispielsweise die steuerneutrale Um- 261 strukturierung bei den folgenden drei Umwandlungsvarianten: Q Die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft Q Die Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft 99
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht Die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft (Formwechsel) Bei der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft geht das gesamte Vermögen der Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft über. Die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft werden zu Mitunternehmern der Personengesellschaft. Abschließend geht die Kapitalgesellschaft unter. Hierbei ist zu beachten, dass durch diesen Vorgang eine Besteuerungsebene verschwindet, denn ursprünglich hatten die Gesellschafter das Eigentum an den Gesellschaftsanteilen und die liechtensteinsichen Gesellschafter waren mit diesen Gesellschaftsanteilen in Liechtenstein Vermögenssteuerpflichtig. Nach dem Umwandlungsvorgang sind die liechtensteinischen Mitunternehmer direkt an den einzelnen Vermögensgegenständen der Personengesellschaft beteiligt. Bei der Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft geht das gesamte Vermögen auf die Kapitalgesellschaft über. Die Mitunternehmer der Personengesellschaft werden Gesellschafter (Anteilseigner) der Kapitalgesellschaft. Abschließend geht die Personengesellschaft unter. In dieser Variante kommt eine neue Besteuerungsebene hinzu. Nach der Umwandlung sind die inländischen Gesellschafter nicht mehr direkt an den einzelnen Vermögensgegenständen beteiligt, sondern nun unterliegen die Gesellschaftsanteile der inländischen Gesellschafter der Vermögenssteuer in Liechtenstein. In der dritten Variante findet kein Wechsel von einem transparenten in ein intransparentes Besteuerungsregime oder umgekehrt statt. Dies bedeutet, dass die Gesellschafter der ursprünglichen Kapitalgesellschaft wiederum Anteile an einer anderen Kapitalgesellschaft erhalten. Neben der Unterscheidung anhand der dargestellten Umwandlungsformen kann ferner noch differenziert werden, ob es sich um eine Umwandlung durch Aufnahme oder durch Neugründung handelt. Bei einer Umwandlung durch Aufnahme wird eine Gesellschaft auf eine bereits bestehende andere Gesellschaft übertragen. Bei einer Umwandlung durch Neugründung wird die übernehmende Gesellschaft erst neu gegründet. Q
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bb) Auswirkungen auf die übertragende Gesellschaft 266 Der Ertrag und das Vermögen des übertragenden Unternehmens sowie des übernehmenden Unternehmens sind so zu ermitteln, als ob das Vermögen des übertragenden Unternehmens mit Ablauf des Stichtages der Bilanz, die der Übertragung zugrunde liegt, ganz oder teilweise auf das übernehmende Unternehmen übergegangen wäre. Dieser Stichtag darf höchstens acht Monate vor der Anmeldung der Umstrukturierung zur Eintragung in das Öffentlichkeitsregister oder, falls eine Eintragung nicht erforderlich ist, höchstens acht Monate vor dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrags liegen. cc) Auswirkungen bei der übernehmenden Gesellschaft 267 Grundsätzlich ist das übernehmende Unternehmen bei seinem steuerlichen Wertansatz nicht an den Wertansatz in seiner handelsrechtlichen Gewinnermittlung gebunden. Dies bedeutet, dass abweichende handelsrechtliche Wertansätze steuerlich nicht bindend sind. 268 Die zentrale Bestimmung für den Wertansatz bei der übernehmenden Gesellschaft ist in Art. 52 Abs. 4 SteG normiert. Demnach tritt das übernehmende Unternehmen in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Unternehmens ein. Dies gilt auch hinsichtlich der Verlustberücksichtigung. Das bedeutet einerseits, dass ein steuerlicher Verlustvortrag des übertragenden Unternehmens auf das übernehmende Unternehmen übergeht, aber anderseits auch, dass das übernehmende Unternehmen auch eventuelle Nachbesteuerungspflichten bei Verlusten ausländischer Betriebsstätten, die in Liechtenstein geltend gemacht wurden, zu berücksichtigen hat.
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B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Die Nutzungsmöglichkeit der Verlustvorträge des übertragenden Rechtsträgers durch den überneh- 269 menden Rechtsträger ist gerade im Vergleich zum Umwandlungssteuerrecht Deutschlands sehr attraktiv und liberal. Es ist somit in Liechtenstein möglich im Rahmen von einer Umstrukturierung Verluste einer Gesellschaft zu kaufen und steuerlich zu nutzen. Erhöht sich der Gewinn des übernehmenden Unternehmens dadurch, dass der Vermögensübergang 270 zum Erlöschen von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen dem übertragenden und dem übernehmenden Unternehmen oder zur Auflösung von Rückstellungen führt, so darf das übernehmende Unternehmen insoweit eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rückstellung bilden. Die Rückstellung ist in den auf ihre Bildung folgenden drei Geschäftsjahren mit mindestens je einem Drittel zugunsten des steuerpflichtigen Reinertrags aufzulösen. > Beispiel: Kapitalgesellschaft A wird auf die bereits bestehende Kapitalgesellschaft B übertragen. Die Kapitalgesellschaft B hat eine Forderung gegenüber der Kapitalgesellschaft A steuerwirksam auf 100 abgeschrieben. Die Kapitalgesellschaft A hatte diese Forderung mit dem Nennwert in Höhe von 200 passiviert. In Folge der Verschmelzung kommt es nun zu einem Konfusionsgewinn in Höhe von 100. Dieser Konfusionsgewinn muss nicht sofort versteuert werden, sondern es kann eine Rücklage gebildet werden, die über die kommenden drei Jahre mit jeweils mindestens 33 aufzulösen ist. dd) Steuerliche Folgen bei den Anteilseignern der übertragenden Gesellschaft Bei Anteilseignern des übertragenden Unternehmens, die anlässlich einer Umstrukturierung An- 271 teilseigner des übernehmenden Unternehmens werden, gelten die Anteile an dem übertragenden Unternehmen als zu dem bisher für die Ertragssteuer maßgeblichen Wert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile als mit diesem Wert angeschafft. Wurde auf die Anteile an dem übertragenden Unternehmen in vorangegangenen Geschäftsjahren eine Abschreibung wegen dauerhafter Wertminderung vorgenommen, die noch nicht wieder aufgeholt wurde, gelten die Anteile als zu ihren Anschaffungskosten veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile als mit diesem Wert angeschafft. Aufgrund dieser Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion wird sichergestellt, dass vergangene Abschreibungen steuerlich wieder aufgeholt werden, soweit dies wirtschaftlich begründet ist.
c)
Die Spaltung von Kapitalgesellschaften
aa) Spaltungsvarianten 272 Grundsätzlich können drei Varianten der Spaltung unterschieden werden: Q Aufspaltung Q Abspaltung Q Ausgliederung Bei einer Aufspaltung wird das gesamte Vermögen einer juristischen Person auf mindestens zwei 273 andere juristische Personen übertragen. Bei einer Aufspaltung geht die übertragende Gesellschaft unter, wobei die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft mit Anteilen an den übernehmenden Gesellschaften abgefunden werden. Bei einer Abspaltung geht nicht das gesamte Vermögen einer juristischen Person auf eine andere 274 juristische Person über, sondern lediglich Vermögensteile werden übertragen. Ferner geht folglich auch die übertragene Gesellschaft im Rahmen einer Abspaltung nicht unter. Die Anteilseigner der übertragenen Gesellschaft werden wiederum mit Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft abgefunden. 101
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht 275 Die Ausgliederung entspricht grundsätzlich einer Abspaltung, wobei hier nicht die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft erhalten, sondern die übertragende Gesellschaft selbst erhält die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft. Auf diese Weise entsteht ein Mutter-Tochter-Verhältnis zwischen übertragender und übernehmender Gesellschaft. bb) Voraussetzungen für eine Spaltung 276 Eine Vermögensübertragung durch Auf- oder Abspaltung auf eine oder mehrere andere juristische Personen ist steuerneutral möglich, wenn zum einen auf die übernehmenden Unternehmen jeweils ein Teilbetrieb übertragen wird und zum anderen bei der Abspaltung ein Teilbetrieb bei dem übertragenden Unternehmen verbleibt. Vergleichbar wie in Deutschland besteht hier somit das Prinzip der doppelten Teilbetriebsvoraussetzung. 277 Problematisch ist, dass im liechtensteinischen Steuergesetz keine Legaldefinition des Begriffes „Teilbetrieb“ existiert. Im Gegenteil sogar wird der Begriff Teilbetrieb ausschließlich im Zusammenhang mit Umstrukturierungen verwendet. Auch in den zugehörigen Gesetzesmaterialen wie dem Vernehmlassungsbericht oder dem BuA 48/2010 und BuA 83/2010 ist keine Definition oder Erläuterung des Begriffes Teilbetrieb enthalten. Aufgrund des Fehlens einer entsprechenden Definition und der Tatsache, dass diese Bestimmung analog der deutschen Regelung ausgestaltet wurde, wird hier die deutsche Definition des Teilbetriebes dargestellt. Gemäß der deutschen Einkommenssteuerrichtlinie R 16 Abs. 3 S. 1 EStR ist ein Teilbetrieb ein: Q mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter, Q organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes, Q der für sich betrachtet alle Merkmale eines Betriebes aufweist und Q für sich lebensfähig ist. cc) Auswirkungen auf die abgespaltene Gesellschaft 278 Ebenso wie bei der Umwandlung sind der Ertrag und das Vermögen des übertragenden Unternehmens sowie des übernehmenden Unternehmens so zu ermitteln, als ob das Vermögen des übertragenden Unternehmens mit Ablauf des Stichtages der Bilanz, die der Übertragung zugrunde liegt, ganz oder teilweise auf das übernehmende Unternehmen übergegangen wäre. Dieser Stichtag darf höchstens acht Monate vor der Anmeldung der Umstrukturierung zur Eintragung in das Öffentlichkeitsregister oder, falls eine Eintragung nicht erforderlich ist, höchstens acht Monate vor dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrags liegen. 279 Ferner ist zu beachten, dass ein bestehender Verlustvortrag des übertragenden Unternehmens im Verhältnis der übergehenden Vermögensteile bei der übertragenden Gesellschaft entsprechend untergeht. Dies bedeutet, dass hier das Wertverhältnis zwischen übergehenden und verbleibenden Vermögensteilen maßgeblich ist. Bei einer Aufspaltung kommt es entsprechend zum vollständigen Untergang der Verlustvorträge bei der übertragenden Gesellschaft. > Beispiel: Kapitalgesellschaft A hat ein Gesamtvermögen in Höhe von 500 und Verlustvorträge in Höhe von 100. Die Kapitalgesellschaft A will einen Teilbetrieb (Wert in Höhe von 125) auf die Kapitalgesellschaft B übertragen. Welche Auswirkungen hat dies auf die Verlustvorträge der Kapitalgesellschaft A? Durch die Übertragung des Teilbetriebes gehen Vermögenswerte in Höhe von einem Viertel des Gesamtvermögens der Kapitalgesellschaft A über. Dies bedeutet, dass die übertragende Kapitalgesellschaft A ein Viertel ihrer Verluste verliert (25) und dieser Verlustvortrag in Höhe von 25 auf die übernehmende Kapitalgesellschaft B übergeht.
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B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 dd) Auswirkungen bei der übernehmenden Gesellschaft Grundsätzlich ist das übernehmende Unternehmen bei seinem steuerlichen Wertansatz nicht an den 280 Wertansatz in seiner handelsrechtlichen Gewinnermittlung gebunden. Dies bedeutet, dass abweichende handelsrechtliche Wertansätze steuerlich nicht bindend sind. Das übernehmende Unternehmen tritt in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Unter- 281 nehmens ein. Dies gilt auch hinsichtlich der Verlustberücksichtigung. Hierbei ist jedoch bei Abspaltungen zu beachten, dass die Verluste nur im Verhältnis zu den übertragenen Vermögensteilen übergehen. Erhöht sich der Gewinn des übernehmenden Unternehmens dadurch, dass der Vermögensübergang 282 zum Erlöschen von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen dem übertragenden und dem übernehmenden Unternehmen oder zur Auflösung von Rückstellungen führt, so darf das übernehmende Unternehmen insoweit eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rückstellung bilden. Die Rückstellung ist in den auf ihre Bildung folgenden drei Geschäftsjahren mit mindestens je einem Drittel zugunsten des steuerpflichtigen Reinertrags aufzulösen. ee) Steuerliche Folgen bei den Anteilseignern der übertragenden Gesellschaft Bei Anteilseignern des übertragenden Unternehmens, die anlässlich einer Umstrukturierung An- 283 teilseigner des übernehmenden Unternehmens werden, gelten die Anteile an dem übertragenden Unternehmen als zu dem bisher für die Ertragssteuer maßgeblichen Wert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile als mit diesem Wert angeschafft. Wurde auf die Anteile an dem übertragenden Unternehmen in vorangegangenen Geschäftsjahren eine Abschreibung wegen dauerhafter Wertminderung vorgenommen, die noch nicht wieder aufgeholt wurde, gelten die Anteile als zu ihren Anschaffungskosten veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile als mit diesem Wert angeschafft. Aufgrund dieser Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion wird sichergestellt, dass vergangene Abschreibungen steuerlich wieder aufgeholt werden, soweit dies wirtschaftlich begründet ist.
d)
Die Fusion
aa) Fusionsvarianten Bei der Fusion (Verschmelzung) von Kapitalgesellschaften können grundsätzlich vier Fälle unter- 284 schieden werden: Q Fusion von Kapitalgesellschaften ohne gegenseitige Beteiligung Q Up-stream merger Q Down-stream merger Q Side-stream merger Bei einer Fusion zwischen Kapitalgesellschaften ohne gegenseitige Beteiligung wird eine Kapitalge- 285 sellschaft auf eine andere verschmolzen. Die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft werden mit Anteilen der übernehmenden Gesellschaft abgefunden. Diese Anteile können entweder durch eine Kapitalerhöhung oder die Ausgabe neuer Anteile geschaffen werden. Bei einem Up-stream merger wird die Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft übertragen. 286 Hierbei ist zu beachten, dass die Anteile an der Tochtergesellschaft durch diese Übertragung untergehen.
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht 287 Bei einem Down-stream merger wird die Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft übertragen. Eine Übernahme der Muttergesellschaft durch die Tochter erscheint im ersten Moment ungewöhnlich, kann jedoch gerade in den Fällen eine Gestaltungsalternative darstellen, wenn die Tochter über hohe stille Reserven in inländischen Grundstücken verfügt und daher der Kauf durch die Mutter Gründstücksgewinnersteuer auslösen würde. 288 Ein Side-stream merger liegt vor, wenn zwei Gesellschaften, welche die gleiche Mutter haben, aufeinander verschmolzen werden. Hier liegt somit eine Fusion von Schwestergesellschaften vor. bb) Auswirkungen auf die übertragende Gesellschaft 289 Ebenso wie bei der Umwandlung sind der Ertrag und das Vermögen des übertragenden Unternehmens sowie des übernehmenden Unternehmens so zu ermitteln, als ob das Vermögen des übertragenden Unternehmens mit Ablauf des Stichtages der Bilanz, die der Übertragung zugrunde liegt, ganz oder teilweise auf das übernehmende Unternehmen übergegangen wäre. Dieser Stichtag darf höchstens acht Monate vor der Anmeldung der Umstrukturierung zur Eintragung in das Öffentlichkeitsregister oder, falls eine Eintragung nicht erforderlich ist, höchstens acht Monate vor dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrags liegen. 290
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cc) Auswirkungen bei der übernehmenden Gesellschaft Grundsätzlich ist das übernehmende Unternehmen bei seinem steuerlichen Wertansatz nicht an den Wertansatz in seiner handelsrechtlichen Gewinnermittlung gebunden. Dies bedeutet, dass abweichende handelsrechtliche Wertansätze steuerlich nicht bindend sind. Das übernehmende Unternehmen tritt in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Unternehmens ein. Dies gilt auch hinsichtlich der Verlustberücksichtigung. Bei einem Up-stream merger ist zu beachten, dass beim übernehmenden Unternehmen ein Gewinn oder Verlust in Höhe des Unterschieds zwischen dem bisher für die Ertragssteuer maßgeblichen Wert der Anteile an dem übertragenden Unternehmen und dem Übernahmewert der übergegangenen Aktiven und Passiven unberücksichtigt bleibt. Das bedeutet, dass die Muttergesellschaft in diesem Fall die Beteiligung an der Tochtergesellschaft ausbuchen und die erhaltenen Wirtschaftsgüter einbuchen muss. Dies gilt nicht, soweit auf die Anteile an dem übertragenden Unternehmen in vorangegangenen Geschäftsjahren eine Abschreibung aufgrund einer dauerhaften Wertminderung vorgenommen wurde, die noch nicht wieder aufgeholt wurde. Wenn jedoch ein echter Fusionsverlust entsteht, dann ist dieser steuerlich abzugsfähig. Ein echter Fusionsverlust entsteht gemäß der Erläuterungen der Regierung, wenn der Verkehrswert der übernommenen Aktiven (inkl. Goodwill) und Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft tiefer ist als der Buchwert der Beteiligung in der Bilanz der Muttergesellschaft. Echte Buchverluste haben demnach ihren Grund in der Überbewertung der Beteiligung und sind steuerlich ebenso abziehbar wie die Wertberichtigung auf einer überbewerteten Beteiligung. Bei der Abschreibung eines bei der Fusion entstehenden Goodwills handelt es sich hingegen um einen unechten Fusionsverlust und folglich ist dieser steuerlich nicht abzugsfähig. Erhöht sich der Gewinn des übernehmenden Unternehmens dadurch, dass der Vermögensübergang zum Erlöschen von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen dem übertragenden und dem übernehmenden Unternehmen oder zur Auflösung von Rückstellungen führt, so darf das übernehmende Unternehmen insoweit eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rückstellung bilden. Die Rückstellung ist in den auf ihre Bildung folgenden drei Geschäftsjahren mit mindestens je einem Drittel zugunsten des steuerpflichtigen Reinertrags aufzulösen.
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B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 dd) Steuerliche Folgen bei den Anteilseignern der übertragenden Gesellschaft Bei Anteilseignern des übertragenden Unternehmens, die anlässlich einer Umstrukturierung An- 295 teilseigner des übernehmenden Unternehmens werden, gelten die Anteile an dem übertragenden Unternehmen als zu dem bisher für die Ertragssteuer maßgeblichen Wert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile als mit diesem Wert angeschafft. Wurde auf die Anteile an dem übertragenden Unternehmen in vorangegangenen Geschäftsjahren eine Abschreibung wegen dauerhafter Wertminderung vorgenommen, die noch nicht wieder aufgeholt wurde, gelten die Anteile als zu ihren Anschaffungskosten veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile als mit diesem Wert angeschafft. Aufgrund dieser Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion wird sichergestellt, dass vergangene Abschreibungen steuerlich wieder aufgeholt werden, soweit dies wirtschaftlich begründet ist.
e)
Die Einbringung
aa) Einbringungsgegenstand Unter einer Einbringung versteht man die Übertragung von Betrieben oder Teilbetrieben sowie im 296 betrieblichen Anlagevermögen gehaltene Beteiligungen an in- oder ausländischen juristischen Personen. Im Gegensatz zu den anderen Umstrukturierungsvorgängen erfolgt die Einbringung nicht im Wege der Gesamtsrechtsnachfolge, sondern im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Folglich tritt die übertragende Gesellschaft insoweit auch nicht in die steuerliche Rechtsstellung der übernehmenden Gesellschaft. bb) Auswirkungen bei der übernehmenden Gesellschaft Wenn im Rahmen der Einbringung eine Gegenleistung für die eingebrachten Wirtschaftsgüter er- 297 bracht wird, die nicht in Anteilen des übernehmenden Unternehmens besteht, so hat das übernehmende Unternehmen die eingebrachten Wirtschaftsgüter mindestens mit dem Wert der erbrachten Gegenleistung anzusetzen. Dies hat zur Folge, dass eine Buchwertfortführung und somit eine Verhinderung der Aufdeckung der stillen Reserven nur dann erfolgen kann, wenn die Gegenleistung maximal den Buchwerten entspricht. Wenn hingegen ein höherer Betrag bezahlt wird, dann sind insoweit die stillen Reserven aufzudecken. cc) Besteuerung des Anteilseigners Bei einer Einbringung sind die erhaltenen Anteile vom Anteilseigner mit dem bisher für die Er- 298 tragssteuer maßgeblichen Wert des eingebrachten Vermögens zu bewerten. Dies bedeutet, dass der Einbringende die Steuerbilanzwerte fortführen kann und es somit nicht zu einer Realisierung der stillen Reserven kommt. Bei dieser Regelung sieht der Gesetzgeber jedoch die Gefahr, dass der Steuerpflichtige diese Mög- 299 lichkeit der steuerneutralen Umstrukturierung zum Missbrauch nutzt. Der Hintergrund ist wie folgt: Wenn ein Steuerpflichtiger sein Einzelunternehmen verkauft oder liquidiert, dann kommt es zur Auflösung der stillen Reserven. In Höhe der stillen Reserven entsteht ein Veräußerungsgewinn, welcher der Besteuerung unterliegt. Wenn der Steuerpflichtige sein Einzelunternehmen hingegen zu Buchwerten in eine juristische Person gemäß den Umstruktrierungsvorschriften einbringt, dann sind die stillen Reserven in den Anteilen an der juristischen Person verhaftet. Bei Veräußerung dieser Anteile und der daraus resultierenden Auflösung der stillen Reserven entsteht ein steuerfreier Veräußerungsgewinn, denn Kapitalgewinne sind steuerfrei. Aufgrund dieser Gestaltungsmöglichkeit fingiert der Gesetzgeber, dass jede zeitnahe Veräußerung 300 der Einbringungsgeborenen Anteile auf einen Missbrauch schließen lässt. Bei Veräußerung von Einbringungsgeborenenanteilen, die in den letzten fünf Jahren durch eine Einbringung zu einem unter 105
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht dem damaligen Verkehrswert liegenden Wert erworben wurden, werden die übertragenen stillen Reserven, gemindert um jeweils ein Fünftel für jedes volle Jahr nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag, nachträglich besteuert. Gleichzeitig erhöhen sich im Falle einer solchen Nachversteuerung korrespondierend die maßgeblichen Werte beim übernehmenden Unternehmen. Dieses Zusammenwirken der Nachversteuerung und der nachträglichen Erhöhung der Anschaffungskosten soll anhand des folgenden Beispiels inklusive Schaubild verdeutlich werden: > Beispiel: Ein Einzelunternehmer bringt seinen Betrieb (Buchwert: 500, Verkehrswert: 1.000) in eine Aktiengesellschaft ein. Als Gegenleistung erhält er Aktien an dieser Aktiengesellschaft, diese wurden entsprechend zum Buchwert des Betriebes mit 500 bewertet. In den kommenden fünf Jahren ergäbe sich bei einer Veräußerung der Aktien folgender Einbringungsgewinn bzw. folgende nachträgliche Anschaffungskosten: Abbildung 10: Einbringungsgewinn 600 500 400 300 200 100 0 Jahr 1
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Abbildung 11: Nachträgliche Anschaffungskosten 600 500 400 300 200 100 0 Jahr 1
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B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Dies gilt entsprechend auch bei Vorgängen, die anders als durch Veräußerung aus wirtschaftlicher 301 Sicht zu einer in Liechtenstein nicht steuerpflichtigen Realisierung der in den erhaltenen Anteilen ruhenden stillen Reserven führen, sowie bei Verlagerungen ins Ausland, soweit nicht eine Stundung gewährt worden ist. Der Anteilseigner hat jährlich nachzuweisen, dass die Voraussetzungen dieses Absatzes nicht erfüllt sind.
7.
Wegzugsbesteuerung
a)
Hintergrund
Das Besteuerungsrecht Liechtensteins kann nicht nur im Rahmen von grenzüberschreitenden Um- 302 strukturierungen eingeschränkt oder sogar vollständig ausgeschlossen werden, sondern auch durch die Verschaffung eines Vermögensgegenstandes ins Ausland oder eine grenzüberschreitende Betriebsverlagerung. Damit dem liechtensteinischen Staat durch einen solchen Vorgang kein Steuersubstrat, in Form von in Liechtenstein gebildeteten stillen Reserven, entzogen wird, regelt Art. 51 SteG die Vorgehensweise bei der Abgrenzung des Besteuerungsrechts.
b)
Veräußerungsfiktion
Art. 51 Abs. 1 SteG fingiert eine Veräußerung des Vermögensgegenstandes zum Fremdvergleichs- 303 preis, wenn das liechtensteinische Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung dieses Vermögensgegenstandes durch Maßnahmen des Steuerpflichtigen ausgeschlossen oder beschränkt wird. Dies bedeutet beispielsweise, dass bei einer Betriebsverlagerung im Zeitpunkt des Grenzübertritts der maßgebliche Vermögensgegenstand als veräußert gilt und damit die stillen Reserven in Liechtenstein realisiert werden. > Beispiel: Eine liechtensteinische AG hat in ihrer Druckerei in Schaan (Liechtenstein) eine Offset Druckmaschine (Buchwert: 20, Verkehrswert: 100). Aufgrund von betrieblichen Umstrukturierungen verlagert sie diese Druckmaschine in ihre Druckerei in Buchs (Schweiz). Durch diese Verlagerung in die schweizerische Betriebsstätte wird das liechtensteinische Besteuerungsrecht an den stillen Reserven in Höhe von 80 entzogen. Folglich gilt die Maschine bei Grenzübertritt zu einem Preis von 100 als veräußert, wodurch die stillen Reserven realisiert werden. Grundsätzlich ist dieser Veräußerungsgewinn sofort zu besteuern.
c)
Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen
Eine Ausnahme von dieser Regelung besteht beim Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen. 304 Derzeit baut das Fürstentum Liechtenstein ein Netz an Doppelbesteuerungsabkommen auf, um Doppelbesteuerungen der Wirtschaftsteilnehmer durch grenzüberschreitende Tätigkeiten zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren. Durch den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens könnte es zu einem Entzug des liechtensteinischen Besteuerungsrechts kommen. Dieser Vorgang ist jedoch nicht auf Handlungen des Steuerpflichtigen zurückzuführen und daher würde einer solcher Entzug des liechtensteinisches Besteuerungsrechts nicht zu einer Anwendung der Veräußerungsfiktion des maßgeblichen Vermögensgegenstandes führen.
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Stundung
305 Beruht der Ausschluss oder die Beschränkung des liechtensteinischen Besteuerungsrechtes auf der Überführung eines Vermögensgegenstandes in eine Betriebsstätte ins Ausland oder auf dem Wegzug bzw. der Sitzverlegung des Steuerpflichtigen in das Ausland, ist die Steuer nach Art. 51 Abs. 2 SteG zinslos bis zur tatsächlichen Realisierung zu stunden, soweit die Durchsetzung des Steueranspruchs sichergestellt ist. 306 Zwischenzeitlich eingetretene Wertminderungen sind höchstens im Umfang der Bemessungsgrundlage, die der fiktiven Veräußerung zu Grunde lag, zu berücksichtigen und nur soweit diese nicht in einem anderen Staat berücksichtigt werden. Der Steuerpflichtige hat jährlich nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Stundung erfüllt sind. Bei Eintritt einer Wertminderung bei tatsächlicher Veräußerung hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass eine Verlustberücksichtigung im Ausland nicht erfolgt.
8.
Zuzugsbegünstigung (step-up beim Zuzug)
307 In den Fällen eines Zuzugs nach Liechtenstein bzw. der Verschaffung eines Vermögensgegenstands nach Liechtenstein, wodurch hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung dieses Vermögensgegenstandes ein inländische Besteuerungsrecht begründet wird, gilt der Vermögensgegenstand als zum Fremdvergleichspreis im Zeitpunkt des Zuzuges erworben oder genutzt. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass nur die in Liechtenstein geschaffenen stillen Reserven in Liechtenstein der Besteuerung unterliegen.
9.
Dauerhafte Wertminderungen
308 Kapitalgewinne aus der Veräußerung oder Liquidation von juristischen Personen sind grundsätzlich steuerfrei und zwar unabhängig von der Haltedauer und der Beteiligungshöhe. Folglich mindern auch entsprechende Kapitalverluste nicht die steuerpflichtige Bemessungsgrundlage. Der liechtensteinische Gesetzgeber ermöglicht jedoch gemäß Art. 53 Abs. 1 SteG dem Steuerpflichtigen die Verluste der investierten Beträge durch steuerwirksame Abschreibungen zu berücksichten, sofern eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung vorliegt oder eine Wertminderung realisiert wurde. Eine entsprechende Abschreibung oder Wertberichtigung führt nur insoweit zu einem steuerlich anzuerkennenden Aufwand, als der Wert der Beteiligung niedriger ist als die Abschreibungsbasis. Die Abschreibungsbasis wird wie folgt normiert: Wird die Beteiligung nicht von einer nahe stehenden Person erworben, sind die Anschaffungskosten die Abschreibungsbasis. Bei Erwerb von einer nahe stehenden Person ist die Abschreibungsbasis der nahe stehenden Person zu übernehmen, soweit diese die Anschaffungskosten nicht übersteigt. Diese Bestimmung wurde aufgenommen, um mögliche missbräuchliche Gestaltungen im Konzern zu verhindern. 309 Wenn auf eine Beteiligung Abschreibungen oder Wertberichtigungen aufgrund einer entsprechenden dauerhaften Wertminderung vorgenommen worden und in einem späteren Geschäftsjahr stellt sich heraus, dass die Gründe für eine dauerhafte Wertminderung nicht mehr bestehen, so ist im Umfang der Werterhöhung, maximal jedoch in Höhe vorgenommenen Abschreibungen oder Wertberichtigungen, eine Zuschreibung vorzunehmen. Diese Zuschreibung führt nur insoweit zu einer Erhöhung des steuerpflichtigen Reinertrags, als diese Abschreibungen oder Wertberichtigungen steuerwirksam waren.
108
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Soweit vorgenommene steuerwirksame Abschreibungen oder Wertberichtigungen aufgrund einer 310 entsprechenden dauerhaften Wertminderung, noch nicht (zur Gänze) aufgeholt wurden, sind Kapitalgewinne, die der Steuerpflichtige oder eine ihm nahe stehende Person aus dem Verkauf dieser Beteiligung erzielt, bis zur Höhe der noch nicht wieder aufgeholten Abschreibungen oder Wertberichtigungen steuerpflichtig. > Beispiel: Die X AG hat eine Beteiligung an der Y AG im Jahr 2011 zu einem Preis von 1.000.000 erworben. Aufgrund jahrelanger Misswirtschaft sinkt der Wert im Jahr 2013 auf 500.000. Hierbei handelt es sich um eine voraussichtlich dauernde Wertminderung. Im Jahr 2015 konnte die X AG die Y AG überraschenderweise zu einem Wert von 1.200.000 verkaufen. Wie hoch ist die zu zahlende Ertragssteuer der X AG im Jahr 2015, wenn dies die einzige Aktivität in diesem Jahr war? Da die Wertaufholung von 500.000 auf 1.000.000 vor der Veräussserung nicht vorgenommen wurde, ist insoweit der Veräußerungsgewinn nicht steuerbefreit. Lediglich die Wertsteigerung zwischen 1.000.000 und 1.200.000 ist steuerfrei. Somit ergibt sich im Jahr 2015 eine Ertragssteuerbelastung von 500.000 x 12.5% = 62.500. Diese Bestimmungen sind nicht auf den auf den Handelsbestand nach den Bestimmungen der Ban- 311 kengesetzgebung anzuwenden. Das Ziel des Gesetzgebers ist es diesbezüglich, dass Gewinne und Verluste aus dem kurzfristigen Aktienhandel der Banken steuerneutral sind.
10.
Eigenkapitalzinsabzug
a)
Grundlagen
Das neue liechtensteinische Steuergesetz ermöglicht in Art. 54 SteG die Anwendung eines Eigenka- 312 pital-Zinsabzuges in Höhe des einheitlich definierten standardisierten Sollertrags (geplant für 2011: 4%) auf das bilanzielle, um bestimmte Faktoren bereinigte, Eigenkapital. Der Eigenkapital-Zinsabzug stellt steuerlich eine geschäftsmäßig begründete Aufwendung dar, welche die Bemessungsgrundlage für die Ertragssteuer mindert. Durch diesen fiktiven Aufwand wird eine Finanzierung mit Eigen- oder mit Fremdkapital steuerlich angeglichen oder, bei identischen Zinssätzen, gleichgestellt, aufgrund dessen das Ziel der Finanzierungsneutralität und Alloktionseffizienz erreicht werden soll.
b)
Auswirkungen auf die effektive Steuerrate
Durch den Eigenkapital-Zinsabzug wird nicht nur die Diskriminierung von Eigenkapital im Ver- 313 gleich zu Fremdkapital reduziert, wodurch es zu einer Stärkung der Eigenkapitalquote der Unternehmen kommen soll, sondern der Eigenkapital-Zinsabzug führt auch zu einer Senkung des effektiven Steuersatzes. Dieser Effekt variiert in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Eigenkapitalrendite. Bei einer Eigenkapitalrendite von bis zu 20% reduziert sich der effektive Steuersatz von 12,5% auf unter 10%. Die folgenden Berechnungsbeispiele geben einen Überblick über diesen Effekt:
109
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht Tabelle 13: Auswirkungen des Eigenkapital-Zinsabzuges Ertrag: 5%
2
Ertrag: 10%
Ertrag: 15%
Ertrag: 20%
1.000.000
1.000.000
1.000.000
1.000.000
50.000
100.000
150.000
200.000
5%
10%
15%
20%
-40.000
-40.000
-40.000
-40.000
10.000
60.000
110.000
160.000
Steuerbelastung (12,5%)
1.250
7.500
13.750
20.000
Effektiver Steuersatz
2,5%
7,5%
9,17%
10%
Eigenkapital Gewinn RoE EK Zinsabzug 4% Steuerpflichtig
314 Die Eigenkapitalrendite (Return on Equity, RoE) beträgt bespielsweise 5%. In vorliegenden Beispiel also 50.000. Bei einem Eigenkapitalzinsabzug in Höhe von 4% reduziert sich die steuerpflichtige Bemessungsgrundlage auf 10.000. Dies ergibt eine Steuerbelastung von 1.250, die einem effektiven Steuersatz von 2,5% entspricht.
c)
Ermittlung des Eigenkapital-Zinsabzuges
315 Die Ermittlung des Eigenkapital-Zinsabzuges ist in Art. 54 SteG normiert, wobei Art. 32 Steuerverordnung die näheren Ausführungsbestimmungen regelt. Ausgangsbasis für die Anwendung des Eigenkapital-Zinsabzuges ist das modifizierte Eigenkapital. Das modifizierte Eigenkapital setzt sich wie folgt zusammen: Tabelle 14: Ermittlung des modifizierten Eigenkapitals Einbezahltes Grund-, Stamm- oder Anteilskapital + die eigenes Vermögen darstellenden Reserven (Kapital- und Gewinnrücklagen und Bilanzgewinn des Vorjahres) + die Hälfte des steuerlich maßgeblichen Jahresergebnisses (bei Verlust führt dies entsprechend zu einer Reduktion) ./. Eigene Anteile ./. Beteiligungen an juristischen Personen ./. Ausländisches Grundstücks- und Betriebsstättenreinvermögen ./. nicht betriebsnotwendiges Vermögen = Modifiziertes Eigenkapital
316 Hintergrund dieser Kürzungen ist, dass Erträge aus Beteiligungen an juristischen Personen sowie die Erträge von ausländische Grundstückstücken und Betriebsstätten grundsätzlich von der Ertragssteuer befreit sind. Folglich ist ein Ausschluss der Anwendung des Eigenkapital-Zinsabzuges in diesen Fällen systemimmanent. Es wird jedoch bei ausländischen Grundstücken und Betriebsstätten 110
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 jeweils nur der Reinvermögenswert, d.h. abzüglich des damit zusammenhängenden Fremdkapitals, in die Berechnung einbezogen. Der Abzug des nicht betriebsnotwendigen Vermögens dient der Verhinderung von Missbrauchsfällen, in denen ausschließlich Vermögensgüter in das Unternehmen eingebracht werden, um einen höheren Eigenkapital-Zinsabzug zu realisieren. Als nicht betriebsnotwendiges Vermögen gelten gemäß Art. 32 Abs. 6 Steuerverordnung Vermö- 317 genswerte, die nicht überwiegend dem tatsächlichen Unternehmensgegenstand dienen. In diesem Zusammenhang führte die Regierung aus, dass eine klare Definition schwierig sei.28 Als generelle Regel gelte jedoch, dass Vermögenswerte, die veräußert werden könnten, ohne die operative Tätigkeit des Unternehmens zu beeinträchtigen, nicht betriebsnotwendig sind. Ferner stellen auch Anlagen, die keine periodischen Erträge generieren wie beispielsweise Luxusautos, Kunstsammlungen etc. in der Regel nicht betriebsnotwendiges Vermögen dar. Bei der Ermittlung des modifizerten Eigenkapitals ist zu beachten, dass die Eigenkapitalzuführungen 318 des laufenden Jahres durch offene und verdeckte Einlagen sowie Eigenkapitalreduktionen des laufenden Jahres durch Kapitalherabsetzungen und -rückzahlungen und durch offene oder verdeckte Ausschüttungen zeitanteilig zu berücksichtigen sind. Zu- und Abgänge eines Quartals sind dabei jeweils zusammenzufassen und gelten als in der Mitte des Quartals als entstanden. Das modifizierte Eigenkapital ist zudem um die Hälfte des steuerlich maßgebenden Jahresergebnisses zu erhöhen bzw. zu reduzieren. Das steuerlich maßgebende Jahresergebnis wird gemäß der Steuerverordnung wie folgt ermittelt: Tabelle 15: Ermittlungsschema für das maßgebliche Jahresergebnis für die Berechnung des EK-Zinsabzuges Saldo der Erfolgsrechnung + Alle bei Berechnung des Saldos der Erfolgsrechnung ausgeschiedenen Teile des Geschäftsergebnisses, die nicht zur Deckung geschäftsmäßig begründeter Aufwendungen verwendet werden + Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen, soweit sie geschäftsmäßig nicht begründet sind + Zuweisungen an den Reservefonds, soweit sie geschäftsmäßig nicht begründet sind, vorbehaltlich der allenfalls steuerbegünstigten Rückstellungen + die an die Mitglieder oder Gesellschafter des Unternehmens oder an Inhaber von nichtmitgliedschaftlichen Gewinnanteilsrechten (Genussscheine, Gründeranteile) oder diesen nahe stehende Personen verteilten Gewinne und verdeckten Gewinnausschüttungen + Vergütungen für die Überlassung von Fremdkapital an verbundene Unternehmen und Gesellschafter oder diesen nahe stehende Personen, soweit diese der Höhe nach nicht zumindest dem Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 49 SteG entsprechen = Maßgebliches Jahresergebnis für den Eigenkapital-Zinsabzug
Um Missbräuche bei der Anwendung des Eigenkapital-Zinsabzuges zu verhindern, normiert die 319 Steuerverordnung ferner, dass die Abzüge bei der Ermittlung des modifizierten Eigenkapitals jeweils mit dem durchschnittlichen Wert des Geschäftsjahres zu berücksichtigen sind. Der Durchschnitt wird auf Quartalsbasis ermittelt, wobei Zu- und Abflüsse eines Quartals jeweils zusammenzufassen sind und als in der Mitte des Quartals als entstanden gelten. Wenn die entsprechenden Daten nicht verfügbar sind, kann auf Antrag auch eine andere Methode angewendet werden. Zu beachten ist, dass die Steuerverwaltung in besonderen Fällen, insbesondere bei Beteiligungen an juristischen Per28 BuA 48/2010, S. 140.
111
2
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht sonen und nicht betriebsnotwendigen Vermögenswerten, eine genauere Durchschnittsermittlung verlangen kann. Wenn das maßgebliche Geschäftsjahr nicht zwölf Monate beträgt, kann der Eigenkapitalzinsabzug zeitanteilig geltend gemacht werden. 320 Für Investmentunternehmen und beschränkt Steuerpflichtige normiert die Steuerverordnung die folgenden Besonderheiten: So ist bei Investmentunternehmen nur das Eigenkapital anzusetzen, dass nicht auf das verwaltete Vermögen nach dem Gesetz über Investmentunternehmen entfällt. Bei beschränkt Steuerpflichtigen ist hingegen nur der Anteil des Eigenkapitals zu berücksichtigen, der auf das Vermögen entfällt, durch das inländische Erträge erzielt werden. 321 Ist das modifizierte Eigenkapital negativ, beträgt der Eigenkapital-Zinsabzug 0 Franken. Folglich führt ein negatives Eigenkapital nicht zu einem positiven und somit steuerpflichtigen Ertrag.
d)
Internationaler Vergleich
322 Ein ähnliches System existiert bereits in Belgien und ist unter dem Begriff „Notional Interest Deduction“ bekannt. Es dient vor allem auch dazu, einen Ausgleich für das Auslaufen des Coordination Center Regimes zu schaffen und den Finanzplatz damit zu schützen.29 323 Das belgische System des Eigenkapital-Zinsabzuges enthält unter anderem die folgenden Unterschiede zum liechtensteinischen Eigenkapital-Zinsabzug. In Belgien besteht die Möglichkeit den Eigenkapital-Zinsabzug sieben Jahre vorzutragen, sofern er ansonsten nicht genutzt werden könnte. Diese Regelung ist in Liechtenstein nicht notwendig, da in Liechtenstein aufgrund des EigenkapitalZinsabzuges auch ein laufender Verlust entstehen oder sich erhöhen kann. Diese Verluste selbst können dann in den folgenden Jahren mit zukünftigen Gewinnen verrechnet werden. 324 Die spezielle Förderung von Kleinunternehmen in Belgien hat der liechtensteinische Gesetzgeber bei der Einführung des Eigenkapitalzinsabzuges im Rahmen der Totalrevision des Steuerrechts nicht übernommen. Für Kleinunternehmen erhöht sich der belgische Eigenkapital-Zinsabzug um 0,5 Prozentpunkte. Als Kleinunternehmen gilt in Belgien ein Unternehmen, dass nicht mehr als eines der folgenden Kriterien überschreitet: Q 50 Mitarbeiter Q Jahresumsatz (ohne Umsatzsteuer) von 7.3 Millionen Q Bilanzsumme von 3.650.000 Euro
11.
Abzug von Immaterialgüterrechten
a)
Hintergrund
325 Grundsätzlich gilt die spezielle steuerliche Förderung von bestimmten Unternehmen durch EU-/ EWR-Staaten als verbotene staatliche Beihilfe, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind: Q Vorteilsgewährung Q durch eine staatliche Maßnahme Q die selektiv ist (nur bestimmte Unternehmen betrifft) Q und Eingriff in den Wettbewerb zur Folge hat. 29 Zur Rechtslage in Belgien siehe beispielsweise: Coreman/Voeten, In the Face of Further Scrutiny from the European Commission on Coordination Centres, New, Genuine, Tax-Effective Alternatives Emerge, International Transfer Pricing Journal 2007, S. 243 ff.
112
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Eine Ausnahme und mit den staatlichen Beihilfebestimmungen als zulässig angesehen, sind Maß- 326 nahmen zur Förderung von Forschung und Entwicklung in der EU. Die besondere Bedeutung von Forschung und Entwicklung für den zukünftigen Wohlstand in Europa wurde durch die Europäische Union bereits vor Jahren erkannt. Insbesondere für kleine, ressourcenarme Länder wie Liechtenstein ist die nachhaltige Zukunftssicherung durch Forschung und Entwicklung lebenswichtig. Im Detail wird hierzu beispielsweise auf die Ausführungen der EU Kommission in „Towards a more effective use of tax incentives in favour of R&D“ verwiesen.30 Ein Instrument zur Förderung von Forschung und Entwicklung sind die sogenannten IP-Box Sy- 327 steme, die derzeit bereits unter anderem in Belgien31, in den Niederlanden32, in Luxemburg, Irland und Spanien33 existieren und in der dortigen Ausprägung als europarechtskompatibel und nicht als staatliche Beihilfen angesehen werden. Ein solches IP-Box Regime (Abzug von Immaterialgüterrechten) wurde zum 1. Januar 2011 auch in 328 Liechtenstein eingeführt. Art. 55 SteG normiert, dass ein Betrag in Höhe von 80% der Summe der positiven Einkünfte aus Immaterialgüterrechten als geschäftsmäßig begründete Aufwendung gilt.
b)
Auswirkungen auf die effektive Steuerrate
Der Sonderabzug in Höhe von 80% der Summe der positiven Einkünfte aus Immaterialgüterrechten 329 führt dazu, dass ich die Bemessungsgrundlage für diese Einkünfte auf 20% reduziert. Daher beträgt der effektive Steuersatz für Einkünfte aus Immaterialgüterrechten folglich 2,5%. > Beispiel: Eine liechtensteinische AG hat Einkünfte aus einem registrierten Patent in Höhe von 100. Ermitteln sie die Belastung in Liechtenstein. Aufgrund des Abzugs aus Immaterialgüterrechten reduziert sich die Bemessungsgrundlage auf 20 (100 – 80). Auf diese 20 wird der Ertragssteuersatz von 12,5% angewendet, woraus eine Steuerbelastung von 2,5 resultiert.
c)
Anwendungsbereich: Definition Immaterialgüterrechte
Der Anwendungsbereich und die Vorgehensweise bei der Ermittlung des Abzugs für Immaterial- 330 güterrechte wird in Art. 33 Steuerverordnung festgelegt. Gemäß der Steuerverordnung gelten als Immaterialgüterrechte Patente, Marken, Muster und Gebrauchsmuster, sofern diese durch die Eintragung in ein inländisches, ausländisches oder internationales Register geschützt sind. Das Vorliegen eines entsprechenden Registereintrages ist dabei durch den Steuerpflichtigen nachzuweisen. Sonstige Rechte, wie beispielsweise Urheberrechte, Know-how oder Handelsbezeichnungen, gelten nicht als Immaterialgüterrechte im Sinne dieses Sonderabzuges.
30 EUR 22708 EN COM (2006) 728. 31 Siehe beispielsweise Warson/Foriers, The Belgian Patent Income Deduction, European Taxation 2008, S. 70 ff. 32 Siehe beispielsweiese Bakker/van de Rijt, Netherlands Corporate Income Tax Reform 2007 – Bill „Working on Profit“, IBFD Bulletin 2006, S. 308 ff. 33 Vgl. Nardiz, The Basque Patent Box Regime, European Taxation 2010, S. 40.
113
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
d) 2
Zeitliche Anwendung
331 Der Sonderabzug gilt nur für Immaterialgüterrechte, die ab dem 1. Januar 2011 geschaffen oder erworben worden sind. Es wird hier folglich nicht auf den Registrierungszeitpunkt abgestellt. Der Zeitpunkt der Schaffung des maßgeblichen Immaterialgüterrechts ist somit entsprechend zu dokumentieren, um hier den Nachweis gegenüber der Steuerverwaltung erbringen zu können.
e)
Bemessungsgrundlage
332 Die steuerlich maßgebende Bemessungsgrundlage für den Sonderabzug wird gemäß der Steuerverordnung wie folgt ermittelt: Tabelle 16: Bemessungsgrundlage für den Immaterialgüterrechte-Abzug Einnahmen aus der Nutzung, Verwertung und Veräußerung der Immaterialgüterrechte ./. Damit zusammenhängende steuerwirksame Aufwendungen (inklusive der Abschreibungen der Immaterialgüterrechte, auch wenn die Aufwendungen über mehrere Veranlagungszeiträume angefallen sind) = Bemessungsgrundlage für den Abzug von 80%
> Beispiel: Eine liechtensteinische AG hat Einnahmen aus einem registrierten Patent in Höhe von 100. Die steuerwirksamen Aufwendungen betragen 70. Ermitteln sie die Belastung in Liechtenstein. Die maßgebliche Bemessungsgrundlage für den Abzug aus Immaterialgüterrechten beträgt 30 (100 – 70). Auf diese 30 kann nun mehr der Sonderabzug angewendet werden: 30 x 80% = 24. Die Bemessungsgrundlage ist somit 6. Die Steuerbelastung bei Berücksichtigung des Abzuges für Immaterialgüterrechte beträgt 0,75. Im Vergleich ohne dieses Regime würde die Steuerbelastung 3,75 betragen.
f)
Verrechnungspreise für Immaterialgüterrechte
333 Für die Fälle, dass die Immaterialgüterrechte durch eine juristische Person oder Betriebsstätte im Rahmen ihrer Produktion durch Dritte, die als Auftragnehmer für sie auftreten, oder im Rahmen von Dienstleistungen selbst genutzt werden, normiert die Steuerverordnung, dass der Abzug auf jene immaterialgüterbezogene Erträge anzuwenden ist, die bei einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung an Dritte erzielt worden wäre. Wenn Vergütungen für die Immaterialgüterrechte über den marktüblichen Entschädigungen vereinbart wurden, wird der 80%ige Abzug auf Grundlage des marktüblichen Preises berechnet. > Beispiel: Die liechtensteinische AG hat Einkünfte aus Immaterialgüterrechten in Höhe von 100. Marküblich wären jedoch nur Einkünfte in Höhe von 25 gewesen. Folglich stellen nur die 25 die Bemessungsgrundlage für den Sonderabzug dar. Der Sonderabzug beträgt somit 25 x 80% = 20.
114
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
g)
2
Internationaler Vergleich
Die folgende Übersicht ordnet die liechtensteinische Besteuerung von Immaterialgüterrechten in 334 den europäischen Steuerwettbewerb ein und zeigt inwiefern das liechtensteinische Besteuerungsregime Vor- bzw. Nachteile gegenüber den anderen IP-Box Regimen hat: 34 Tabelle 17: Vergleich IP Box Systeme Liechtenstein
Belgien
Luxemburg
Niederlande
Irland
80% des Nettowerts
80% des Bruttowerts
80% des Nettowerts
60,7% des Nettowerts
100% des Nettowerts
Patente
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Muster
Ja
Nein
Ja
Nein
Nein
Know-How
Nein
Nein
Nein
Ja
Nein
Handelsbezeichnungen
Nein
Nein
Ja
Nein
Nein
Sonderabzug für Selbstentwickelte Immaterialgüterrechte Definition IP:
Diese Übersicht verdeutlicht, dass der liechtensteinische Gesetzgeber das IP Box Regime sehr kon- 335 servativ ausgestaltet hat. Es orientiert sich grundsätzlich an dem luxemburgerischen System, wobei dieses auch Handelsbezeichnungen beinhaltet. Insbesondere Irland das einen 100% Abzug für Patente vorsieht und Belgien, dass nicht auf den Nettowert, sondern auf den Bruttowert abstellt, ist für die Vermarktung von Patenten grundsätzlich attraktiver als das liechtensteinische System. Zu beachten ist jedoch, dass für eine konkrete Steuerplanung die genaue Ausgestaltung der IP Box Systeme zu analysieren ist, da diese höchstkomplexe Details in den verschiedenen zugehörigen Verordnungen enthalten. So sind beispielsweise die Definitionen von Patenten unterschiedlich ausgestaltet und verschiedene Formen von Patentenkünften werden unterschieden.
12.
Verluste
a)
Verlustverrechnung
Art. 57 Abs. 1 SteG regelt die Behandlung von Verlusten. Verluste des vorangegangen Veranlagungs- 336 zeitraums können in der Höhe unbegrenzt mit aktuellen Gewinnen verrechnet werden. Das liechtensteinische Steuergesetz sieht eine unbeschränkte Vortragsfähigkeit von Verlusten vor. 337 Dies gilt auch für alte Verluste, die vor dem 31. Dezember 2010 entstanden sind. Hierbei ist zu beachten, dass bis zum 1. Januar 2011 Verluste in Liechtenstein grundsätzlich nur fünf Jahre vortragsfähig waren. Für ab dem 1. Januar 2011 noch bestehende Altverluste gilt diese fünf Jahresfrist nicht mehr, sondern diese sind nunmehr auch unbegrenzt vortragsfähig.
34 Vgl. Nardiz, The Basque Patent Box Regime, in: European Taxation January 2010, S. 40.
115
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht 338 Ferner sieht die Verlustverrechnung keine Einschränkungen der Höhe nach vor, wie beispielsweise, dass deutsche Steuerrecht mit seiner Mindestbesteuerung nach § 10d EStG. Eine Verlustrücktragsmöglichkeit sieht das liechtensteinische Steuerrecht aber nicht vor. Außerdem werden die Verlustvorträge entsprechend der internationalen Praxis nicht verzinst.
b)
Ausländische Betriebsstättenverluste
339 Ausländische Betriebsstättengewinne sind grundsätzlich von der liechtensteinischen Ertragssteuer befreit. Korrespondierend dazu mindern auch Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte die steuerliche Bemessungsgrundlage in Liechtenstein nicht. Dieser Systemimmanente Ausschluss entspricht der internationalen Praxis. 340 In Übereinstimmung mit der EuGH-Entscheidung Lidl Belgium sieht Art. 57 Abs. 2 SteG jedoch bei finalen ausländischen Betriebsstättenverlusten eine Ausnahme vor. Demnach können Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte mit dem steuerpflichtigen Reinertrag verrechnet werden, soweit diese Verluste im Betriebsstättenstaat oder einem anderen Staat nicht bereits berücksichtigt wurden. Verzeichnet diese Betriebsstätte in den folgenden Jahren Gewinne, so sind diese Gewinne, höchstens im Ausmaß der zuvor mit einem steuerpflichtigen Reinertrag verrechneten Verluste, dem steuerpflichtigen Reinertrag wieder hinzuzurechnen. Die Ermittlung des ausländischen Betriebsstättenergebnisses hat nach den Vorschriften des liechtensteinischen Steuergesetzes zu erfolgen. 341 Der Steuerpflichtige hat jährlich nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für eine Nachversteuerung nicht erfüllt sind. Die danach noch nicht ausgeglichenen Verluste sind dem steuerpflichtigen Reinertrag spätestens im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht zuzurechnen.
13.
Gruppenbesteuerung
a)
Hintergrund
342 In Art. 57 Abs. 2 SteG wurde die Hinzurechnung von ausländischen Betriebsstättenverlusten geregelt. Wenn ein Investment jedoch nicht über eine Betriebsstätte strukturiert wird, sondern in Form von Tochtergesellschaften erfolgt, stellt sich das grundsätzliche Problem, dass es sich bei der Mutter-Kapitalgesellschaft und der Tochter-Kapitalgesellschaft um zwei unabhängige Rechtspersonen handelt. Folglich können die Verluste der Tochter auch grundsätzlich nicht der Mutter zugerechnet werden. Im Fall von Konzernen kann dies jedoch zur folgenden Situation führen: Abbildung 12: Konzernstruktur
KapGes M
KapGes T1
116
KapGes T2
KapGes T3
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Es liegt ein liechtensteinischer Konzern mit der Muttergesellschaft KapGes M vor, die 100% der 343 Anteile und der Stimmrechte an den drei Töchtern hält. Die Muttergesellschaft hat einen Gewinn in Höhe von 100, die Tochter T1 und die Tochter T2 haben jeweils einen Gewinn in Höhe von 50 und die Tochter T3 hat einen Verlust in Höhe von 200 erwirtschaftet. Das Konzernergebnis beträgt folglich 0. Da die Verluste von Tochter T3 jedoch nicht mit den Gewinnen der anderen Konzernmitglieder verrechnet werden können, ist im Konzern eine Steuerbelastung auf die Bemessungsgrundlage von 200 zu zahlen. Dies führt dazu, dass Konzern ein Liquiditätsabfluss durch die Steuerzahlung hat, obwohl er keine Gewinne auf Konzernebene erwirtschaftet hat. Um eine solche unbillige Besteuerung zu verhindern, wurden im Laufe der Zeit verschiedene Grup- 344 penbesteuerungsregime im internationalen Umfeld entwickelt. Beispiele hierfür sind das britische Tax Group Relief System, die deutsche Organschaft oder die österreichische Gruppenbesteuerung.35 Ziel dieser Gruppenbesteuerungssyteme ist es, dass die Verluste der beteiligten Gesellschaften sofort miteinander verrechnet werden können. Das liechtensteinische Steuerrecht sieht in Art. 58 SteG ein entsprechendes Gruppenbesteuerungsre- 345 gime vor. Demnach können auf Antrag verbundene juristische Personen eine Unternehmensgruppe bilden und die innerhalb eines Jahres entstandenen Verluste innerhalb der Unternehmensgruppe mit Gewinnen desselben Jahres ausgleichen.
b)
Voraussetzungen
Das liechtensteinische Gruppenbesteuerungsregime setzt voraus: Q einen Gruppenträger Q Gruppenmitglieder Q finanzielle Eingliederung Q einen Antrag auf Gruppenbesteuerung Bei einem Gruppenträger muss es sich um eine juristische Person handeln, die in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtig ist. Eine juristische Person, die nicht unbeschränkt steuerpflichtig in Liechtenstein ist, kann Gruppenträger sein, wenn sie in Liechtenstein eine eingetragene Zweigniederlassung unterhält, der die Anteile wirtschaftlich zuzurechnen sind. Folglich besteht beim Gruppenträger nicht die Beschränkung auf eine liechtensteinische juristische Person, sondern es kann jegliche ausländische juristische Person Gruppenträger sein, soweit sie in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtig ist oder zumindest eine eingetragene Zweigniederlassung unterhält, der die Anteile wirtschaftlich zuzurechnen sind. Gruppenmitglied kann jede in- oder ausländische juristische Person sein. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass das Gruppenmitglied der beschränkten oder unbeschränkten Steuerpflichtig in Liechtenstein unterliegt. Somit ist das liechtensteinische Gruppenbesteuerungsregime in diesem Aspekt beispielsweise deutlich liberaler als die deutsche Organschaft, die rein auf Inlandssachverhalte beschränkt ist. Unter der finanziellen Eingliederung versteht man, dass der Gruppenträger seit Beginn des Geschäftsjahres ununterbrochen unmittelbar oder mittelbar mehr als 50% der Stimmrechte und mehr als 50% der Rechte am Grund-, Stamm- oder Anteilskapital des entsprechenden Gruppenmitglieds besitzt. Hierbei ist zu beachten, dass die entsprechende Mehrheitsbeteiligung seit Beginn des Wirtschaftsjahres vorliegen muss. Bei einem unterjährigen mehrheitsvermittelenden Anteilserwerb kann das entsprechende Gruppenmitglied erst zum nächsten Wirtschaftsjahr in die Gruppe eingebunden werden. 35 Vgl. Knörzer, Die neue liechtensteinische Gruppenbesteuerung, LJZ 2010, S. 95.
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346
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348
349
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht 350 Im Gegensatz zur deutschen Organschaft oder dem österreichischen Gruppenbesteuerungsregime werden nur Verluste und keine Gewinne hinzugerechnet. Ferner kommt es nicht zu einer steuerlichen Konsolidierung der Gruppe. Tatsächliche Zahlungen sind grundsätzlich ebenfalls nicht zu leisten, d.h. es werden nur die steuerlichen Verluste zugerechnet. 351 Die Bildung einer Gruppe erfolgt nur auf Antrag. Es findet somit keine automatische Gruppenbildung kraft Gesetzes statt. Die Anmeldung zur Bildung einer Unternehmensgruppe muss gemäß Art. 58 Abs. 3 SteG den Gruppenträger und sämtliche einzubeziehenden Gruppenmitglieder bezeichnen. Es ist nicht erforderlich, dass sämtliche verbundenen juristischen Personen zu Gruppenmitgliedern werden. Der Gruppenträger und die Gruppenmitglieder müssen ein einheitliches Geschäftsjahr haben.
c)
Verlustverrechnung
352 Der Verlustausgleich erfolgt im Wege der Verlustzurechnung von den Gruppenmitgliedern hinauf zum Gruppenträger oder – soweit nach Verrechnung allenfalls zuzurechnender Verluste mit dem steuerpflichtigen Reinertrag des Gruppenträgers ein Verlust vorliegt – vom Gruppenträger zu einem Gruppenmitglied, das in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtig ist. Dies bedeutet folglich, dass im ersten Schritt die Verluste von unten nach oben verrechnet werden. Nur wenn auf Ebene des Gruppenträgers nicht genug Gewinne sind, um alle verrechenbare Verluste auszugleichen, kann der Gruppenträger die verbleibenden Verluste den Gruppenmitgliedern zurechnen. Hierbei ist der Gruppenträger frei, welchem Gruppenmitglied er die Verluste zuweist. 353 Die Verlustzurechnung nach oben und die Verlustzurechnung nach unten erfolgt jeweils anteilig in Höhe der jeweils bestehenden, einem inländischen Betriebsvermögen zuzurechnenden, unmittelbaren Beteiligung des Gruppenträgers am Grund-, Stamm- oder Anteilskapital des Gruppenmitglieds. Ein vor der Stellung des Antrags vorhandener Verlustvortrag eines Gruppenmitglieds kann nicht dem Gruppenträger oder einem Gruppenmitglied zugerechnet, sondern nur mit positiven steuerpflichtigen Reinerträgen des Gruppenmitglieds, welches die Verluste erlitten hat, verrechnet werden. 354 Die Höhe des zurechenbaren Verlustes bemisst sich gemäß Art. 58 Abs. 4 SteG nach den Vorschriften des liechtensteinischen Steuergesetzes zur Ermittlung des steuerpflichtigen Reinertrages. Folglich muss eine Gruppenmitglied, dass nicht dem liechtensteinischen Besteuerungsrecht unterliegt, sein Jahresergebnis gemäß dem liechtensteinischen Steuervorschriften ermitteln, damit dessen Verlust hinzugerechnet werden kann. Dies kann entweder über eine steuerliche Anpassungsrechnung erfolgen oder durch die parallele Erstellung eines entsprechenden Jahresabschlusses. > Beispiel: Abbildung 13:
Verlustverrechnung
Gruppenträger (Gewinn: 40)
70% Gruppenmitglied 1 (Gewinn: 50) 118
90% Gruppenmitglied 2 (Verlust: 100)
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Ein liechtensteinischer Gruppenträger hat einen Gewinn in Höhe von 40 erzielt. Der Gruppenträger hat zwei liechtensteinische Tochtergesellschaften, wobei Gruppenmitglied 1 einen Gewinn in Höhe von 50 erzielt hat und Gruppenmitglied 2 einen Verlust in Höhe von 100. Wie können die Verluste optimal in der Gruppe verrechnet werden? Die Verluste von Gruppenmitglied 2 können dem Gruppenträger in Höhe von 90 zugerechnet werden (100 x 90% Anteil). Auf Ebene des Gruppenträgers besteht nun ein Verlust in Höhe von 50. In einem zweiten Schritt können nun Verluste in Höhe von 35 vom Gruppenträger zum Gruppenmitglied 1 zugerechnet werden (50 x 70%). ! Praxishinweis: Trotz der Verlustzurechnung zu einer Gesellschaft und einer daraus resultierenden Bemessungsgrundlage von 0 fällt grundsätzlich stets die Mindestertragssteuer in Höhe von 1.200 Franken an.
d)
Nachversteuerung
aa) Überblick Bei der liechtensteinischen Gruppenbesteuerung handelt es sich nur um ein Instrument, das die 355 temporäre Zurechnung von Verlusten ermöglicht, also den Steuerbarwert optimiert. In den folgenden Konstellationen kommt es daher zu einer Nachversteuerung, der zuvor zugerechneten Verluste. Die nachfolgenden Nachversteuerungsverpflichtungen stehen in einem subsidiären Verhältnis zu einander: Q Wertberichtigung der Beteiligung an der Verlustgesellschaft Q Eigene Verlustnutzung der Verlustgesellschaft Q Ausscheiden der Verlustgesellschaft Q Ausscheiden der Gewinngesellschaft bb) Wertberichtigung der Beteiligung an der Verlustgesellschaft Wenn eine steuerwirksame Abschreibung aufgrund nachhaltiger Wertminderung auf die Beteili- 356 gung an einem Gruppenmitglied vorgenommen wird, erhöht sich der steuerpflichtige Reinertrag derjenigen Gesellschaft, der die Verluste steuerwirksam zugerechnet worden sind, um die Höhe der Abschreibung, höchstens bis zur Höhe der dieser Gesellschaft in früheren Geschäftsjahren steuerwirksam zugerechneten Verluste des entsprechenden Gruppenmitglieds. Hintergrund dieser Nachversteuerungsvorschrift ist, dass der Grund für eine solche Abschreibung häufig in den Verlusten des Gruppenmitglieds begründet sind, die durch die Gruppenbesteuerung bereits beim Gruppenträger berücksichtigt wurden. Ohne diese Nachversteuerungsvorschrift würde es zu einer doppelten Erfassung dieser Verluste kommen. Ferner findet eine Hinzurechnung der noch nicht ausgeglichenen Verluste insoweit statt, wie sich die Beteiligungsquote zwischen der Verlustzuweisenden und der Verlustempfangenden Gesellschaft reduziert. cc) Eigene Verlustnutzung der Verlustgesellschaft Zu einer Nachversteuerung kommt es gemäß Art. 58 Abs. 6 SteG bei der Gesellschaft, welcher in frü- 357 heren Geschäftsjahren diese Verluste steuerwirksam zugerechnet worden sind, soweit ein Gruppenmitglied oder der Gruppenträger Verluste aus Vorjahren mit eigenen steuerpflichtigen Reinerträgen verrechnen kann oder könnte. Durch das Gruppenbesteuerungsregime kommt es nämlich nicht zum Untergang der eigenen Verluste der Verlustgesellschaft. Somit kann diese trotz der Zurechnung der Verluste an eine andere Gesellschaft frei darüber verfügen. Wenn die Gesellschaft später die Verluste selber nutzt und es nicht zu einer Nachversteuerung auf Ebene der Gewinngesellschaft kommen würde, hätte dies wiederum eine doppelte Nutzung der Verluste zur Folge. 119
2
2
2
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht dd) Ausscheiden der Verlustgesellschaft 358 Ferner kommt es zu einer Nachversteuerung, wenn ein Gruppenmitglied, das anderen Verluste zugewiesen hat (Verlustgesellschaft), am Ende des Geschäftsjahres des Gruppenträgers nicht mehr Gruppenmitglied ist. Grund für das Ausscheiden kann unter anderem die Liquidation der Verlustgesellschaft, eine Beteiligungsveräußerung oder eine Nichteinbeziehung in den Gruppenantrag sein. Dies bedeutet somit, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen der Gruppenbesteuerung nicht mehr gegeben sind, dem steuerpflichtigen Reinertrag derjenigen Gesellschaft, bei welcher die Verlustzurechnung steuerwirksam geworden ist, sämtliche zugerechneten Verluste der Gruppenmitglieder, soweit sie noch nicht ausgeglichen wurden, zuzurechnen sind. ee) Ausscheiden der Gewinngesellschaft 359 Die letzte Nachversteuerungspflicht wird in Art. 58 Abs. 8 SteG normiert. Einem Gruppenmitglied zugerechnete Verluste, die noch nicht ausgeglichen wurden, sind dem steuerpflichtigen Reinertrag dieser Gesellschaft zuzurechnen, sofern diese Gesellschaft am Ende des Geschäftsjahres des Gruppenträgers nicht mehr Gruppenmitglied ist. Der steuerpflichtige Reinertrag des Gruppenträgers ist um diesen Betrag zu verringern. ! Praxishinweis: Der Gruppenträger hat gegenüber der Steuerverwaltung jährlich den Nachweis darüber zu erbringen, dass die Voraussetzungen für die Nachversteuerung nicht erfüllt sind.
14.
Steuerberechnung und Tarif
a)
Proportionaler Tarif
360 Art. 61 SteG normiert einen linearen Ertragssteuersatz in Höhe von 12,5%. Unter Berücksichtigung des Eigenkapital-Zinsabzuges ergibt sich jedoch kein linearer Ertragssteuertarif, sondern ein Tarif mit einer indirekten Progression. Mit diesem Steuersatz rückt das Fürstentum Liechtenstein hinsichtlich der Höhe des Steuersatzes wieder in konkurrenzfähige Regionen, da insbesondere durch Steuersenkungen in den Ostschweizer Kantonen und durch den Beitritt von osteuropäischen (Niedrigsteuer-)Ländern in die Europäische Union der Steuerwettbewerb zunahm.
b)
Mindestertragssteuer
361 Neben dem Ertragssteuersatz von 12,5% gibt es auch eine Mindestertragssteuer gemäß Art. 62 SteG. Diese ist vergleichbar mit der österreichsichen Mindestertragssteuer in § 24 Abs. 4 KStG. Die Mindestertragssteuer beträgt gemäß Art. 62 Abs. 2 SteG 1.200 Franken und zwar unabhängig vom Jahresergebnis für jede unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige juristische Person oder besondere Vermögensmaße. Sie ist jedoch in vollem Umfang auf die Ertragssteuer anrechenbar und grundsätzlich im Rahmen der Veranlagung zu entrichten. Bei Steuerpflichtigen, die nicht veranlagt werden, ist die Mindestertragssteuer für ein Jahr im Voraus zu bezahlen. Die Mindestertragsteuer stellt in Verlustjahren oder bei einem steuerpflichtigen Ertrag von unter 9.600 Franken eine definitive Belastung dar. Erst ab einem steuerpflichtigen Ertrag von mindestens 9.600 Franken kann die Mindestertragssteuer vollständig auf die Ertragssteuer angerechnet werden.
120
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Damit Kleinunternehmer, die in Form einer juristischen Person ihre wirtschaftliche Tätigkeit aus- 362 üben, möglichst nicht von dieser Definitivbelastung getroffen werden, sieht Art. 62 Abs. 3 SteG für diese eine Ausnahme von der Erhebung der Mindestertragssteuer vor. So wird die Mindestertragssteuer bei Steuerpflichtigen, deren Zweck ausschließlich auf den Betrieb eines nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes gerichtet ist und deren Bilanzsumme im Durchschnitt der letzten drei Geschäftsjahre 500.000 Franken nicht überschritten hat, nicht erhoben.
c)
Zusammenfassende Übersicht
Die folgende Grafik stellt das Zusammenwirken von dem proportionalen Steuertarif, der Minde- 363 stertragssteuer und dem Eigenkapital-Zinsabzug auf die effektive Steuerbelastung dar. In der Grafik sind drei Szenarien abgetragen. Die durchgezogene Linie unterstellt masgebliches ein Eigenkapital in Höhe von 0 Franken und zeigt damit die effektive Steuerbelastung ohne Eigenkapitalzinsabzug. Die gestrichelte Linie unterstellt ein maßgebliches Eigenkapital in Höhe von 50.000 Franken (Stammkapital einer Aktiengesellschaft) und die gepunktete Linie zeigt welchen Effekt bereits eine Verdoppelung des Eigenkapitals auf 100.000 Franken hat: Abbildung 14:
Ertragssteuerbelastung
7.000 6.000
Steuerlast in CHF
5.000 4.000 S|EK=0CHF 3.000
S|EK=50.000CHF S|EK=100.000CHF
2.000 1.000 0 0
10.000
20.000
30.000
40.000
50.000
60.000
Gewinn in CHF
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2
2
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
VII.
Privatvermögensstrukturen
1.
Hintergrund
364 Art. 64 SteG behandelt die Besteuerung von Privatvermögensstrukturen (PVS). Der liechtensteinische Gesetzgeber hat im Rahmen der Totalrevision des Steuerrechts das Konstrukt der „Besonderen Gesellschaftsteuern“ – insbesondere die privilegierte Besteuerung der Sitz- und Holdinggesellschaften – abgeschafft, da hier eine möglich Gefahr der Verletzung von europarechtlichen Vorschriften bestand. 365 Um weiterhin als Finanzplatz für vermögensverwaltende Strukturen attraktiv zu sein, wurde für juristische Personen, die ausschließlich für Privatpersonen vermögensverwaltend tätig sind und keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, die optionale Qualifizierung als Privatvermögensstruktur eingeführt. Dieser Status ist für alle in- und ausländischen juristischen Personen beantragbar, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen.
2.
Voraussetzungen
a)
Überblick
366 Die Anforderungen an eine juristische Person, die den Status als Privatvermögensstruktur beantragen will, sind in Art. 64 SteG normiert. Demnach können sich alle juristischen Personen, d.h. sowohl liechtensteinische Verbandspersonen, aber auch ausländische juristische Personen, als PVS qualifizieren, wenn sie die folgenden Voraussetzungen erfüllen: 1. Sie dürfen in der Verfolgung ihres Zwecks keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben 2. Ihre Aktien oder Anteile dürfen nicht öffentlich platziert werden 3. Sie dürfen keine Anteilseigner oder Anleger anwerben 4. Es dürfen nur natürliche Personen, andere PVS oder Zwischenpersonen an ihr beteiligt bzw. begünstigt sein 5. Aus deren Statuten muss sich ergeben, dass sie den Beschränkungen für Privatvermögensstrukturen unterliegen 367 Nur wenn alle diese Voraussetzungen vorliegen, qualifziert sich die juristische Person als Privatvermögensstruktur. Die Bestimmungen über die Privatvermögensstruktur sind nur auf juristische Personen anwendbar und nicht etwa auf einen Trust (Besondere Vermögenswidmung ohne Persönlichkeit), da Trusts nicht der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen und daher grundsätzlich nur mit ihren inländischen Erträgen beschränkt steuerpflichtig sind.
b)
Keine wirtschaftliche Tätigkeit
368 Die Anforderung mit der größten Praxisbedeutung ist die Bestimmung, dass die PVS keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen darf. Im Folgenden werden ausgehend von der gesetzlichen Regelung die europarechtlichen Rahmenbedingungen analysiert. Darauf aufbauend werden die zulässigen Tätigkeiten aufgezeigt und abschließend werden Gestaltungsmöglichkeiten präsentiert, wie eine schädliche wirtschaftliche Tätigkeit in eine unschädliche Tätigkeit umgestaltet werden kann. 122
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 aa) Gesetzliche Regelung Art. 64 Abs. 1 lit. a SteG normiert, dass die juristische Person keiner wirtschaftlichen Tätigkeit aus- 369 üben darf, wenn sie als PVS qualifiziert werden will. Sie geht keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nach, wenn sie insbesondere ausschließlich Finanzinstrumente nach Art. 4 Abs. 1 lit. g des Vermögensverwaltungsgesetzes sowie Beteiligungen an juristischen Personen, liquide Gelder und Bankkontoguthaben erwirbt, besitzt, verwaltet und veräußert. Art. 64 Abs. 2 SteG ergänzt, dass das Halten einer Beteiligung an einer juristischen Person nur dann zulässig ist, wenn die PVS oder ihre Anteilseigner oder Begünstigten keine Kontrolle durch unmittelbare oder mittelbare Einflussnahme auf die Verwaltung dieser Gesellschaft tatsächlich ausüben. Abbildung 15: Finanzinstrumente gemäß dem Vermögensverwaltungsgesetz Infobox: Finanzinstrumente nach Art. 4 Abs. 1 lit. g Vermögensverwaltungsgesetz Q
übertragbare Wertpapiere;
Q
Geldmarktinstrumente;
Q
Anteile an Investmentunternehmen (Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen; OGA);
Q
Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Wertpapiere, Währungen, Zinssätze oder Zinserträge oder andere Derivat-Instrumente, finanzielle Indizes oder Messgrössen, die effektiv geliefert oder bar abgerechnet werden können;
Q
Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien (anders als wegen eines vertraglich festgelegten Beendigungsgrunds) bar abgerechnet werden können;
Q
Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, Termingeschäfte (Forwards) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die effektiv geliefert werden können, die sonst nicht in Ziff. 6 genannt sind und nicht kommerziellen Zwecken dienen, welche die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen, wobei unter anderem berücksichtigt wird, ob Clearing und Abwicklung über anerkannte Clearingstellen erfolgen oder ob eine regelmäßige Margin-Einschusspflicht besteht;
Q
Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die effektiv geliefert werden können, vorausgesetzt, sie werden an einem geregelten Markt und/ oder über ein multilaterales Handelssystem (MTF) gehandelt;
Q
derivative Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken;
Q
finanzielle Differenzgeschäfte; oder
Q
Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Klimavariablen, Frachtsätze, Emissionsberechtigungen, Inflationsraten oder andere offizielle Wirtschaftsstatistiken, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien (anders als wegen eines vertraglich festgelegten Beendigungsgrunds) bar abgerechnet werden können, sowie alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Vermögenswerte, Rechte, Obligationen, Indizes und Messwerte, die sonst nicht genannt sind und die die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen, wobei unter anderem berücksichtigt wird, ob sie auf einem geregelten Markt oder einem MTF gehandelt werden, ob Clearing und Abwicklung über anerkannte Clearingstellen erfolgen oder ob eine regelmäßige Margin-Einschusspflicht besteht
Durch die Verwendung des Begriffs „inbesondere“ verdeutlich der Gesetzgeber, dass es sich hier 370 nicht um eine abschließende Auflistung handelt. Vielmehr sind dies konkretisierende Bespiele für eine zulässige wirtschaftliche Tätigkeit. Somit ist auch die Anlage in Vermögensgegenstände zulässig, die nicht ausdrücklich genannt wurden, wie beispielsweise die Anlage in Gold. Für die Auslegung der Formulierung „wirtschaftliche Tätigkeit“ sind die europarechtlichen Rahmenbedingungen maßgeblich. 123
2
2
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht bb) Europarechtliche Rahmenbedingungen 371 Im BuA 48/201036 weißt der Gesetzgeber daraufhin, dass für die Auslegung der Formulierung „wirtschaftliche Tätigkeit“ für die Zwecke des Beihilferechts auf das europäische Mehrwertsteuerrecht abzustellen ist. Gemäß Art. 9 Mehrwertsteuersystemrichtlinie37 gelten als „wirtschaftliche Tätigkeit“ alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen. Folglich handelt es sich hierbei um eine sehr weite Definition, die beispielsweise auch die Vermietung von Grundstücken umfasst. In der Stellungnahme der Regierung wird jedoch zusätzlich auch die unentgeltliche Überlassung von Grundstücken als kritisch und möglicherweise schädlich angesehen. Lediglich die Eigennutzung durch die PVS wird als unschädlich betrachtet.38 372 Auch die Vergabe von Darlehen stellt aufgrund der Einnahmeerzielungsabsicht eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Ferner ergänzt der liechtensteinische Gesetzgeber, dass auch die Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft in aller Regel als wirtschaftliche Tätigkeit zu qualifizieren ist. 373 Mit Verweis auf die EuGH Entscheidung zu Wellcome Trust39 wird das Halten und die Veräußerung von alternativen Investments wie beispielsweise Gold, Bilder und ähnliche Sachwerte grundsätzlich als unschädlich im Hinblick auf die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit angesehen. Gleichzeitig darf die Grenze zwischen unschädlichen Vermögensumschichtungen im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung und dem gewerblichen Handel nicht überschritten werden. Eine feste Grenze wurde durch den Gesetzgeber oder die Verwaltung bislang noch nicht festgelegt. Es ist hier demnach auf den Einzelfall abzustellen und die Prüfung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände und Tatsachen vorzunehmen. cc) Zulässige Tätigkeiten 374 Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über zulässige Aktivitäten im Vergleich zu schädlichen Aktivitäten im Hinblick auf den Status als Privatvermögensstruktur. Hierbei handelt es sich nicht um eine abschliessende Auflistung, sondern um eine beispielhafte Konkretisierung: Tabelle 18: Zulässige Aktivitäten einer PVS Zulässige Aktivitäten
Schädliche Betätigung
Investition in Finanzinstrumenten
Direkte oder indirekte wirtschaftliche Aktivität Die Vergabe von Darlehen
Halten von Gold oder Kunstgegenständen Gewerbsmäßiger Handel mit Rohstoffen (Gold) oder Kunstgegenständen Eigennutzung von Grundstücken
Das Halten und Vermieten von Grundstücken
Die Beteiligung an juristischen Personen
Investition in Kommanditanteile Wenn die Privatvermögensstruktur direkten oder indirekten Einfluss auf die gehaltene juristische Person ausübt, dann ist dies als schädliche wirtschaftliche Tätigkeit zu qualifizieren (Ausnahme: Wahrnehmung der Gesellschafterrechte)
36 BuA 48/2010, S. 152 ff. 37 Richtlinie 2006/112/EG der Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (zuletzt geändert durch Richtlinie 2009/69/EG des Rates vom 25. Juni 2009). 38 BuA 83/2010, S. 51. 39 EuGH, C-155/94.
124
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Die Abgrenzung zwischen einer zulässigen Beteiligung an einer juristischen Person und einer schäd- 375 lichen Beteiligung an einer juristischen Person ist von der ausgeübten Einflussnahme auf die Gesellschaft abhängig. Unschädlich ist die Ausübung der jeweiligen Gesellschaftsrechte; beispielsweise der Aktionärsrechte. In den Fällen, in denen nur eine geringfügige Beteiligungen an einer börsennotierten Aktiengesellschaft oder sehr geringe Anteile an einer GmbH gehalten werden, wird diese Beteiligung regelmäßig als unschädlich angesehen. Problematisch wird es hingegen in der Praxis, wenn die PVS in einem qualifiziertem Umfang beteiligt ist, eine Sperrminoritäten oder gar Stimmrechtsmehrheit besitzt. In diesen Fällen sieht der liechtensteinische Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialen eine erhöhte Nachweispflicht darüber vor, dass kein Einfluss auf die Verwaltung der Gesellschaft ausgeübt wird. Hierzu merkt der Gesetzgeber selbst an, dass in der Praxis ein entsprechender Nachweis über die 376 Einflussnahme de facto nicht kontrollierbar ist. Daher kommt es hier zu einer Umkehr der Beweislast. Der Steuerpflichtige, der den PVS Status erhalten will, muss nachweisen, dass er keine unzulässige Einflussnahme auf die Gesellschaft ausübt. Folglich muss er aus eignem Interesse heraus entsprechende Nachweise liefern. dd) Gestaltungsmöglichkeiten Anhand der folgenden Fallstudie wird aufgezeigt, welche Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit bestehen: Ein Klient hat eine Struktur, welche die folgenden Erträge erwirtschaftet: Q Zinseinkünfte Q Dividendeneinkünfte Q Veräußerungsgewinne Q Erträge aus der Mitunternehmerschaft an Private Equity Beteiligungen Q Erträge aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken Welche Möglichkeiten hat der Klient sein Vermögen zu strukturieren? Grundsätzlich qualifiziert diese Struktur nicht für den Status als Privatvermögensstruktur, da es sich bei den Erträgen aus der Mitunternehmerschaft an Private Equity Beteiligungen und den Erträgen aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken um eine schädliche wirtschaftliche Tätigkeit handelt. $ Lösungsmöglichkeit 1: Eine Lösungsmöglichkeit wäre, dass der Klient anstelle von einer Struktur zukünftig zwei Strukturen hält. In der Struktur 1 werden die Zins- und Dividendeneinkünfte sowie die Veräußerungsgewinne vereinnahmt. Die Struktur 2 erwirtschaftet hingegen die Erträge aus der Mitunternehmerschaft an Private Equity Beteiligungen und die Erträgen aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. Aufgrund dieser Aufteilung kann die Struktur 1 beim Vorliegen aller anderen Voraussetzungen den Status als PVS beantragen und wird folglich nur mit 1.200 Franken besteuert, während Struktur 2 der regulären Besteuerung unterliegt. $ Lösungsmöglichkeit 2: Eine Alternative wäre die Zwischenschaltung einer juristischen Person, welche die Mitunternehmeranteile und die Grundstücke hält. Nunmehr würde die ursprüngliche Struktur des Klienten keine schädlichen Erträge mehr erwirtschaften, sondern würde zulässige Dividendeneinkünfte erzielen, wenn der Klient oder die Struktur keine unzulässige Einflussnahme auf die juristische Person ausüben.
125
377 378
379 380
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
c) 2
Keine Öffentliche Platzierung der Anteile
381 Art. 64 Abs. 1 lit. b SteG normiert, dass es für die Qualifizierung als PVS schädlich ist, wenn die Aktien oder Anteile der juristischen Personen öffentlich platziert wurden, an einer Börse gehandelt werden oder, wenn unzulässige Investoren vorhanden oder begünstigt sind. Hintergrund dieser Regelung ist, dass ein öffentlicher Handel mit den Anteilen nicht mit der Privatenvermögensverwaltung vereinbar ist.
d)
Keine Anwerbung von Anteilseignern
382 Art. 64 Abs. 1 lit. c SteG bestimmt, dass die juristische Person nicht um Anteilseigner und Anleger werben darf und ferner von diesen oder von Dritten keine Vergütungen oder Kostenerstattungen für ihre Tätigkeit, die ausschließlich die private Vermögensverwaltung umfasst, erhalten.
e)
Zulässige Investoren
383 Die zulässigen Investoren einer PVS sind in Art. 64 Abs. 3 SteG festgelegt. Unter dem Begriff Investor sind nicht nur Anteilseigner, sondern beispielsweise auch der Stifter oder die Begünstigten einer Stiftung zu subsumieren. Das Ziel der PVS ist die Verwaltung von Privatvermögen, daher ist der Investorenkreis auch auf die direkte Beteiligung bzw. Begünstigung von natürlichen Personen beschränkt. Darüber hinaus ist jedoch auch eine indirekte Beteiligung durch eine Vermögensstruktur zulässig, die ausschließlich im Interesse des Privatvermögens einer oder mehrerer natürlichen Personen handelt. Auch eine indirekte Beteiligung über einer Zwischenperson, die entweder direkt für eine natürliche Person oder für eine obengenannte Vermögensstruktur handelt, ist zulässig. > Beispiel: Eine liechtensteinische AG, die Handelsgeschäfte betreibt, will die Verwaltung ihrer Liquiditätsreserven über eine Tochtergesellschaft vornehmen. Ist es möglich, dass diese Tochtergesellschaft den PVS Status erhält, um von der vorteilhaften Besteuerung zu profitieren? Nein. Diese Tochtergesellschaft hätte keinen zulässigen Investor und könnte daher folglich nicht den PVS Status erhalten. ! Praxishinweis: Die Strukturierung über eine Kette von mehreren Privatvermögensstrukturen ist möglich.
f)
Statuten
384 Abschließend ergibt sich aus Art. 64 Abs. 1 lit. d SteG, dass sich aus den Statuten ergeben muss, dass die PVS diesen Beschränkungen unterliegt. Um den administrativen Aufwand zu reduzieren, sieht Art. 158 SteG verschiedene Übergangsbestimmungen für die bestehenden Gesellschaften vor. Daher ist diese Vorschrift über die Statuten nur für Rechtsträger relevant, die nach Inkrafttreten des Art. 64 SteG errichtet wurden.
126
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
g)
Übergangsregelungen
Art. 158 SteG enthält im Hinblick auf die Privatvermögensstruktur zwei wichtige Übergangsbestim- 385 mungen. In Art. 158 Abs. 7 SteG wird eine Übergangsfrist für Strukturen normiert, die bislang den besonderen Gesellschaftssteuern unterlagen und Art. 158 Abs. 8 SteG enthält eine administrative Erleichterung für Altgesellschaften in Bezug auf die Anpassung der Statuten. aa) Übergangsfrist für Altgesellschaften Art. 158 Abs. 7 SteG normiert, dass die Art. 82-88 des Steuergesetzes von 1961 (Besondere Ge- 386 sellschaftssteuern) bei juristischen Personen und besonderen Vermögenswidmungen, die vor dem Inkrafttreten der Regelungen zur PVS den besonderen Gesellschaftssteuern unterlagen, für weitere fünf Jahre anwendbar bleiben. Diese Fünf-Jahresfrist beginnt mit dem Inkrafttreten der Regelungen zur PVS. Art. 160 Abs. 3 SteG normiert, dass die Bestimmungen über die PVS in Kraft treten, sobald sie 387 von der EFTA-Überwachungsbehörde (ESA) als mit den staatlichen Beihilferegelungen nach Art. 61 EWR-Abkommen konform qualifiziert werden. Die Regierung macht den Zeitpunkt des Inkrafttretens im Landesgesetzblatt kund.40 Der Mindestbetrag nach Art. 88 des Steuergesetzes von 1961 beträgt während der Übergangsfrist 388 1.200 Franken, damit es insofern nicht zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Privatvermögensstrukturen und den Altgesellschaften, die den besonderen Gesellschaftssteuern unterliegen, kommt. Auf Antrag können diese juristischen Personen jedoch bereits vor dem Ablauf dieser Übergangsfrist gemäß Ertragsbesteuerung nach Maßgabe der Art 44 bis 65 SteG besteuert werden. bb) Anpassung der Statuten von Altgesellschaften Nach Art. 158 Abs. 8 SteG gelten die Voraussetzungen für die Qualifizierung als Privatvermögens- 389 strukturen in Bezug auf die Statuten als erfüllt, wenn es sich um juristische Personen handelt, die vor dem Inkrafttreten der Regelungen zur PVS den besonderen Gesellschaftssteuern unterlagen, und deren Statuten einen kaufmännischen Betrieb ausschließen. Ziel dieser Regelung ist es, dass die Statuten von den Altgesellschaften nicht vollständig überarbeitet werden müssen. In manchen Fällen kann es aufgrund der Erstarrung des Stifterwillens in der Stiftungsurkunde zivilrechtlich unzulässig sein, diese später zu ändern.
3.
2
Prüfungsleitfaden: PVS Status
Der hier dargestellte Prüfungsleitfaden fasst zum einen die Voraussetzungen für eine Privatvermö- 390 gensstruktur zusammen und zum anderen soll er bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Privatvermögensstruktur vorliegen, helfen:
40 Zum Zeitpunkt des Drucks dieser Auflage hatte die ESA noch keine Entscheidung getroffen.
127
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht Abbildung 16: Prüfungsleitfaden für die Kategorisierung als PVS Sind die Anteile der Struktur öffentlich gehandelt oder platziert wurden? Ja Nein
2
Sind nur Investoren gem. Art. 64 Abs. 3 nSteG beteiligt oder begünstigt? (Beispielsweise: natürliche Personen, andere PVS, Zwischenpersonen)
Nein
Ja Übt die Struktur eine wirtschaftliche Tätigkeit aus? Ja
Nein
Beispiele für eine wirtschaftliche Tätigkeit sind:
Vergabe von Darlehen? Ja Betreibt Sie gewerbsmässigen Handel (auch Rohstoffe, Kunst) Ja Beteiligungen an Personengesellschaften? Ja Hält sie juristische Personen und der Investor ist in der Geschäftsleitung der Beteiligung? oder Investor übt Einfluss auf Geschäftsleitung der Beteiligung aus (Ausnahme Gesellschaftsrechte)?
Ja Ja
Nein Sind in den Statuten die PVSBeschränkungen normiert?
Nein
Unterlag die Struktur vor 2011 Art. 31/82ff SteG 1961?
Nein
Ja Ja
Statuten: Kaufmännischer Betrieb ausgeschlossen?
Nein
Ja Privatvermögensstruktur
4.
Rechtsfolge
a)
Besteuerung
Reguläre Besteuerung
391 Eine juristische Person, die sich für den Status einer Privatvermögensstruktur qualifiziert und den Status erfolgreich beantragt hat, unterliegt gemäß Art. 64 Abs. 8 SteG ausschließlich der Mindestertragsteuer von 1.200 Franken. Ferner wird die PVS nicht verlangt und die 1.200 Franken sind im Voraus zu entrichten. 392 Art. 64 Abs. 8 SteG verweist bzgl. der Mindestertragssteuer ausschließlich auf Art. 62 Abs. 1 und Abs. 2 SteG. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Klarstellung, dass die in Art. 62 Abs. 3 SteG normierte Befreiung von der Mindestertragssteuer für Kleinunternehmer bei der PVS nicht anwendbar ist. Dies ergibt sich jedoch bereits aus den Voraussetzungen für die PVS und den Voraussetzungen für die Mindestertragssteuerbefreiung. Die Mindestertragssteuerbefreiung setzt unter anderem 128
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 voraus, dass der Zweck des Unternehmens ausschließlich auf den Betrieb eines nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes gerichtet ist. Ein solcher Zweck ist jedoch ausdrücklich bei einer PVS ausgeschlossen und insofern könnte sich die PVS nie für diese Befreiung qualifizieren.
b)
2
Abkommensberechtigung
Der Status als PVS führt folglich dazu, dass die juristische Person von der Ertragssteuer befreit ist und lediglich die Mindestertragssteuer von 1.200 Franken zahlen muss. Ein Instrument zur internationalen Vermögensverwaltung sollte jedoch nicht nur eine attraktive Besteuerung haben, sondern in Abhängigkeit vom Einzelfall auch ein Doppelbesteuerungsnetz nutzen können, um Quellensteuerbelastungen zu reduzieren. Derzeit verfügt Liechtenstein nur über ein kleines Netz an Doppelbesteuerungsabkommen, aber die liechtensteinische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt mit den wichtigen Handelspartnern ein Doppelbesteuerungsabkommen abzuschließen. Im Folgenden wird daher aufgezeigt, welche Folgen der PVS Status für die Abkommensberechtigung hat. Selbst wenn das zugrunde liegende Doppelbesteuerungsabkommen keine sogenannten Limitation on Benefits Klauseln (LoB clauses) enthält, kann die Abkommensberichtigung für eine PVS ausgeschloßen sein, wenn sie nicht als ansässige Person im Sinne des entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen angesehen wird. Im Sinne der liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen bedeutet der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ regelmäßig eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist. Aufgrund des Status als Privatvermögensstruktur unterliegt der Rechtsträger unabhängig von der Art und der Höhe der Erträge ausschließlich der Mindestertragsteuer und nicht den (normalen) Bestimmungen über die Ertragssteuer. und daher ist es strittig, ob der andere Vertragsstaat hier die Abkommensberechtigung anerkennt. Diesbezüglich wird im OECD Musterkommentar zu Art. 4 OECD MA 2008 die mehrheitliche Auffassung ausgeführt, dass bei steuerbefreiten Gesellschaften von einer Ansässigkeit ausgegangen wird, wenn sie die in den Steuergesetzen genannten Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllen. Ferner muss demnach gewährleistet sein, dass sie die Steuern zahlen müssen, wenn sie die maßgeblichen Anforderungen für die Befreiung nicht mehr erfüllen. Diese Kriterien wären auch bei einer PVS erfüllt. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Musterkommentar in diesem Zusammenhang beispielhaft Pensionsfonds, gemeinnützige und andere Organisationen auflistet. Es sich also um international anerkannte förderungswürdige Strukturen handelt. Die Verfügung des OFD Münster vom 9. Oktober 2008 betreffend dem DBA Luxemburg/Deutschland und der Anwendung des Abkommens bei Verwaltungsgesellschaften für Familienvermögen (Société de gestion de patrimoine familial, SPF) mit Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg hilft beispielsweise zur Klärung dieser Frage nur bedingt weiter. Die OFD Verfügung versagt der SPF zwar die Abkommensberechtigung, die Begründung hierfür basiert jedoch auf einer spezifischen Protokollbestimmung zu den 1929 Holdinggesellschaften. So sieht das Schlussprotokolls Nr. 1 zu Art. 1 DBA Luxemburg/Deutschland einen allgemeinen Ausschluss vom Abkommensschutz für Holdinggesellschaften im Sinne der besonderen luxemburgischen Gesetze (beispielsweise 1929 Holdinggesellschaften) vor. Das OFD Münster vertritt in einschlägigen Fällen die Auffassung, dass der Ausschluss nicht nur für 1929 Holdinggesellschaften gilt, sondern auch für die SPF-Nachfolgeregelung.
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht 397 Das österreichische Bundesfinanzministerium (BMF) vertrat in einer Express Antwort Service (EAS) aus dem Jahr 2008 die Ansicht, dass eine luxemburgische SPF nicht abkommenberechtigt im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Luxemburg und Österreich sei.41 Begründet wurde dies lediglich damit, dass die SPF völlig steuerfrei gestellt werde. 398 In Fällen, in denen das entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen keinen speziellen Ausschluss von einer PVS vorsieht, ist es daher derzeit unsicher, ob eine PVS abkommensberechtigt ist. Unabhängig jedoch von der Frage, ob die PVS rein formal gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen abkommensberechtigt ist, sehen viele Staaten nationale Bestimmungen vor, die eine Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen von einer effektiven Besteuerung der entsprechenden Gesellschaft abhängig machen. So gewährt beispielsweise Luxemburg nur in den Fällen die Abkommensvorteile in Form von Quellensteuerreduktionen, wenn die entsprechende Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat einer effektiven Besteuerung von mindestens 10,5% unterliegt. Demnach könnte eine PVS beispielsweise das DBA Luxemburg/Liechtenstein nicht nutzen, um die luxemburgische Quellensteuerbelastung von 15% auf 0% zu senken, da Luxemburg dies unilateral ausschließen würde. ! Praxishinweis: Nach derzeitigem Stand ist es zudem sehr umstritten, ob die PVS überhaupt eine notwendige Ansässigkeitsbestätigung durch die liechtensteinische Steuerverwaltung erhalten würde.
5.
Antrag auf Gewährung des PVS Status
a)
Antragsstellung
399 Wenn eine juristische Person die Voraussetzungen für den PVS Status erfüllt und diesen Status erlangen will, muss sie einen Antrag bei der Steuerverwaltung auf Gewährung des Status als Privatvermögensstruktur stellen. Dieser Antrag ist entweder bei Errichtung der juristischen Person oder drei Monate vor Beginn des neuen Steuerjahres einzureichen.
b)
Antragsprüfung
400 Die Antragsprüfung der Steuerverwaltung umfasst gemäß Art. 37 Abs. 2 Steuerverordnung insbesondere: Q die Statuten; Q die Jahresrechnung oder Vermögensaufstellung; Q die Angaben über die Art der Erträge und Vermögenswerte sowie die Beschreibung der konkreten Tätigkeit des Antragsstellers; Q die Bestätigung des Antragsstellers, dass Q er keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt; Q die Aktien oder Anteile des Antragssteller nicht öffentlich platziert wurden und nicht an einer Börse gehandelt werden und dass diese nur von Investoren im Sinne von Art. 64 Abs. 3 SteG (natürliche Personen, PVS, Zwischenpersonen) gehalten werden oder dass nur solche begünstigt sind; 41 BMF, Treatment of a Luxembourg SPF, EAS 2930, SWI 2008, S. 50.
130
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 er weder um Anteilseigner und Anleger wirbt noch von diesen oder von Dritten Vergütungen oder Kostenerstattungen für seine Tätigkeit erhält; Q er oder seine Anteilseigner oder Begünstigten keine Kontrolle durch unmittelbare oder mittelbare Einflussnahme auf die Verwaltung der Beteiligungsgesellschaft ausüben. Kann die Steuerverwaltung die Entscheidung über den PVS Status aufgrund dieser Unterlagen nicht 401 eindeutig vornehmen, ist es möglich, dass diese in einem zweiten Schritt die folgenden weiteren Unterlagen anfordert: Q Sitzungsprotokolle des Verwaltungsrates, Stiftungsrates oder eines sonstigen Verwaltungsorgans des Antragsstellers; Q Öffentlichkeitsregisterauszüge oder entsprechende Registerauszüge: Q der Tochtergesellschaften; Q der Anteilseigner oder Begünstigten; Q Bestätigung der Anteilseigner oder Begünstigten, dass es sich um einen Investor im Sinne von Art. 64 Abs. 3 (natürliche Personen, PVS, Zwischenpersonen) handelt sowie nähere Angaben über deren Tätigkeit; Q sonstige geeignete Unterlagen, welche die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen belegen. Diese zweistufige Prüfung reduziert den administrativen Aufwand für den Steuerpflichtigen und 402 die Steuerverwaltung, denn nur bei komplexen Sachverhalten ist ein detaillierter Nachweis über die Erfüllung der einzelnen Voraussetzungen notwendig. In den Standardfällen hingegen genügt grundsätzlich die Bestätigung durch den Steuerpflichtigen (Antragssteller) über das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen.
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6.
Kontrolle des PVS Status
Eine zentrale Frage in der Praxis ist wie die laufende Kontrolle darüber erfolgt, dass die Voraus- 403 setzungen für den Status als PVS erfüllt sind. Grundsätzlich ist die PVS im Falle von wesentlichen Änderungen, insbesondere bezüglich der Geschäftstätigkeit verpflichtet der Steuerverwaltung spätestens sechs Monate nach Abschluss des jeweiligen Steuerjahres mitzuteilen und ihr zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für den PVS Status weiterhin erfüllt sind. Neben dieser Meldepflicht durch den Steuerpflichtigen selbst, hat die Steuerverwaltung die Mög- 404 lichkeit den PVS Status zu überprüfen. Hierzu normiert Art. 38 Abs. 1 Steuerverordnung, dass diese Prüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen nicht durch die Steuerverwaltung erfolgen muss, sondern auch durch einen neutralen Wirtschaftsprüfer durchgeführt werden kann. Der Steuerpflichtige trägt bei einem entsprechenden Antrag die Kosten für den Aufwand des Wirtschaftsprüfers. Wenn die Prüfung durch die Steuerverwaltung oder den Wirtschaftsprüfer ergibt, dass die Voraus- 405 setzungen für den PVS Status nicht mehr erfüllt sind, wird für die entsprechenden Jahre die Ertragssteuer nach Art. 44 ff. SteG nacherhoben. > Beispiel: Eine liechtensteinische Stiftung hat seit dem 1. Januar 2011 den Status als PVS. Im Juni 2011 investiert der Vermögensverwalter zur Risikodiversifikation in eine Private Equity Beteiligung, die als KG ausgestaltet ist. Im Jahr 2012 erfolgte eine Kontrolle im Sinne des Art. 38 Steuerverordnung. Dabei stellt der gewissenhafte Wirtschaftsprüfer N. fest, dass die Stiftung seit Juni 2011 KG Anteile hält. Was ist die Rechtsfolge für die Stiftung?
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht Bei der Beteiligung an der KG handelt es sich um eine schädliche wirtschaftliche Beteiligung. Folglich erfüllt die Stiftung die Voraussetzungen für den PVS Status nicht. Somit muss die Stiftung für die Jahre 2011 und 2012 die reguläre Ertragssteuer ermitteln und abführen.
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VIII. Überblick: Besteuerung von Vermögensstrukturen 1.
Besteuerung von Personengesellschaften
406 Durch die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 ist das Transparanenzprinzip bei Personengesellschaften, wie beispielsweise Kollektiv- oder Kommanditgesellschaften nun mehr kodifiziert. Das Transparenzprinzip bei Personengesellschaften geht unter anderem aus den folgenden gesetzlichen Bestimmungen hervor: 407 Art. 9 Abs. 2 SteG normiert, dass das Vermögen der Gesellschaften ohne Persönlichkeit den beteiligten Gesellschaftern zuzurechnen und von diesen zusammen mit ihrem übrigen Vermögen zu versteuern ist. Für die natürlichen Personen wird die Hinzurechnung des laufenden Gewinns der Personengesellschaften in Art. 14 Abs. 4 SteG festgelegt. Demnach ist der Erwerb der Gesellschaften ohne Persönlichkeit den beteiligten Gesellschaftern zuzurechnen und von diesen zusammen mit ihrem übrigen Erwerb zu versteuern ist. Für juristische Personen verweist Art. 47 Abs. 2 SteG wiederum auf den Art. 14. Abs. 4 SteG. 408 Folglich findet auf der Ebene der Personengesellschaft weder eine Besteuerung des Vermögens, noch der laufenden Gewinne statt. Die Gewinne oder das Vermögen einer Personengesellschaft werden in Liechtenstein somit nur insofern durch den jeweiligen Gesellschafter besteuert, wie sie einer liechtensteinischen Betriebsstätte zu zurechnen sind oder die Personengesellschaft über liechtensteinische Gründstücke bzw. Gesellschafter, die in Liechtenstein steuerlich ansässig sind, verfügt. 409 Für das internationale Steuerrecht ergibt sich aus dem Transparenzprinzip, dass eine liechtensteinische Personengesellschaft nicht selbst abkommensberechtigt ist, sondern es können lediglich die Gesellschafter der Personengesellschaft abkommensberechtigt sein. Denn die Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens setzt voraus, dass die entsprechende Person im Vertragsstaat ansässig ist. Im Sinne der liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen bedeutet der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ regelmäßig eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Dies ist in Liechtenstein aufgrund des Transparenzprinzips bei Personengesellschaft jedoch nicht der Fall.
2.
Besteuerung von Investmentfonds
a)
Kollektive Kapitalanlagen
aa) Das Gesetz über Investmentunternehmen 410 Das Gesetz vom 19. Mai 2005 über Investmentunternehmen (IUG) bildet den zivilrechtlichen Rahmen für die kollektiven Kapitalanlagen in Liechtenstein. Es umschreibt die Organisation und die Geschäfte von Investmentunternehmen und deren Verwaltungsgesellschaften und bezweckt den Schutz der Anleger sowie die Sicherung des Vertrauens in den liechtensteinischen Fondsplatz und 132
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 das liechtensteinische Finanzwesen. Gemäß dem IUG ist ein Investmentunternehmen (Fonds) ein Vermögen, das aufgrund öffentlicher Werbung beim Publikum zum Zweck gemeinschaftlicher Kapitalanlage beschafft und für gemeinsame Rechnung der Anleger, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, nach dem Grundsatz der Risikostreuung von einer Verwaltungsgesellschaft verwaltet wird. Dies kann in der Form eines Anlagefonds oder einer Anlagegesellschaft erfolgen. bb) Besteuerung des Fonds Investmentfonds werden in Liechtenstein steuerlich als transparant angesehen.42 Somit sind sowohl 411 thesaurierende als auch ausschüttende Fonds selbst nicht steuerpflichtig. cc) Besteuerung der Anteilseigner Natürliche Personen als Anteilseigner, die in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtig sind, un- 412 terliegen mit ihren Fondsanteilen der Vermögenssteuer. Folglich ist es für die Erwerbssteuer unerheblich, ob es sich um einen ausschüttenden oder thesaurierenden Fonds handelt, da Art. 15 Abs. 1 lit. a SteG normiert, dass die Erträge des Vermögens, auf das der Steuerpflichtige Vermögenssteuer entrichtet, steuerfrei sind. Somit unterliegen die Erträge des Fonds nicht der separaten Besteuerung mit der Erwerbssteuer, da die Fondsanteile bereits der Vermögenssteuer unterliegen. Für juristische Personen als Anteilseigner gilt, dass Anteile an Investmentunternehmen keine Betei- 413 ligung an einer juristischen Person darstellen. Auch in diesem Fall gilt das Transparenzprinzip. Soweit das Investementunternehmen seinerseits in Beteiligungen an juristischen Personen investiert, kommen bei solchen Investments die Bestimmungen über die Steuerfreiheit der Dividenden und Kapitalgewinne zur Anwendung.
b)
Private Equity Gesellschaften
Bei Private Equity Gesellschaften, die in Form einer Kommanditgesellschaft ausgestaltet sind, wird 414 auf die obrigen Aussagen zu Personengesellschaften verwiesen. Hier gilt entsprechend das steuerliche Transparenzprinzip. Wenn eine Private Equity Gesellschaft hingegen als juristische Person strukturiert ist, werden die Erträge grundsätzlich der Ertragsbesteuerung unterworfen. Die Optierung für den Status als Privatvermögensstruktur ist nur möglich, wenn die entsprechende Gesellschaft alle entsprechenden Voraussetzungen erfüllt.
3.
Besteuerung von Trusts
a)
Grundsatz
Besondere Vermögenswidmungen ohne Persönlichkeit (Trusts) unterliegen gemäß Art. 44 SteG 415 nicht der Ertragssbesteuerung, da es sich bei einem Trust nicht um eine juristische Person handelt. Folglich unterliegen Trusts auch nicht der Mindestertragssteuer gemäß Art. 62 SteG und ferner muss ein Trust somit auch nicht die Anforderungen an eine Privatvermögensstruktur erfüllen, denn da er nicht der Ertragsbesteuerung unterliegt, muss er folglich auch nicht von der dieser befreit werden. Der liechtensteinische Gesetzgeber sah aufgrund der Tatsache, dass ein Trust kein Steuersubjekt der 416 Ertragssteuer ist, die Gefahr einer Bevorzugung im Vergleich zur steuerlichen Behandlung einer Stiftung. Daher sieht Art. 65 SteG eine sinngemäße Anwendung der Mindestertragsbesteuerung gemäß Art. 62 SteG für Trusts vor. Demnach unterliegen Trusts, deren Sitz oder Ort der tatsächlichen 42 Vgl. BuA 48/2010, S. 50.
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht Verwaltung sich in Liechtenstein befindet, der Mindestertragssteuer nach Maßgabe von Art. 62 Abs. 1 und 2 SteG. Auch Trusts, mit ihren inländischen Erträgen nur beschränkt steuerpflichtig sind, unterliegen der Mindestertragssteuer nach Maßgabe von Art. 62 Abs. 1 und 2 SteG. 417 In dem Verweis auf die Mindestertragssteuer wird ebenso wie bei den Privatvermögensstrukturen nur auf Art. 62 Abs. 1 und Abs. 2 SteG verwiesen. Folglich ist die Befreiung von der Mindestertragssteuer für Kleinunternehmen bei Trusts nicht anwendbar. Während dies bei den Privatvermögensstrukturen lediglich eine Klarstellung aufgrund der speziellen Anforderungen an eine Privatvermögensstruktur war (keine wirtschaftliche Tätigkeit), stellt dies beim Trust eine tatsächliche Restriktion dar. ! Praxishinweis: Ein Trust wird nicht veranlagt und die 1.200 Franken sind im Voraus zu bezahlen.
b)
Anlagefonds in der Form eines Trusts
418 Bei Anlagefonds in der Rechtsform einer Kollektivtreuhänderschaft, die als Trust organisiert sind, ist zu beachten, dass die Erträge dieses Trusts (aus dem verwalteten Vermögen) entsprechend der allgemeinen Steuerbefreiungen (Art. 48 Abs. 1 lit. g SteG) steuerfrei sind. Ferner unterliegen diese Trusts auch nicht der Mindestertragssteuer in Höhe von 1.200 Franken, da der Trust ansonsten gegenüber Anlagegesellschaften, bei denen das Vermögen nicht der Mindestertragssteuer unterliegt, schlechter gestellt würde.43
4.
Besteuerung von Stiftungen
a)
Lebenszyklus einer Stiftung
419 In diesem Abschnitt wird die liechtensteinische Besteuerung einer liechtensteinischen Stiftung anhand ihres Lebenszyklus aufgezeigt. Bei der Gründung einer liechtensteinischen Stiftung geht es um die steuerlichen Folgen der Vermögenszuführung an die Stiftung. Danach wird die laufende Besteuerung der Stiftung dargestellt und abschließend wird die Besteuerung von Ausschüttungen behandelt.
b)
Gründung
aa) Erbschafts- und Schenkungssteuer 420 Mit der Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 wurde die Erbschafts- und Schenkungssteuer abgeschafft. Dies bedeutet, dass eine unentgeltliche Übertragung von Vermögen auf die Stiftung ab dem 1. Januar 2011 keine liechtensteinische Schenkungssteuer auslöst. Zu beachten ist jedoch die in Art. 96 Abs. 1 SteG kodifizierte Schenkungsmeldepflicht, wonach inländische Schenkgeber und –nehmer verpflicht sind, dass diese in ihren Steuererklärungen angeben müssen, welche Schenkungen sie im Steuerjahr getätigt oder erhalten haben.
43 Vgl. BuA 83/2010, S. 53.
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B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 bb) Widmungssteuer Die Widmungsbesteuerung gemäß Art. 13 SteG findet in den Fällen Anwendung, in denen Vermö- 421 gen durch die Übertragung auf eine juristische Person oder eine besondere Vermögenswidmung der liechtensteinischen Vermögenssteuer entzogen wird. Voraussetzung für die Erhebung der Steuer ist somit einerseits, dass Vermögen bislang der Vermögenssteuer in Liechtenstein unterlegen hat und andererseits, dass die Übertragung zu einem Wegfall dieser Steuerpflicht führt. cc) Gründungsabgabe Bei der Gründung oder Errichtung einer juristischen Person ist zudem ab dem 1. Januar 2011 die 422 liechtensteinische Gründungsabgabe gemäß Art. 66 SteG zu berücksichtigen, wenn die schweizerische Stempelgesetzgebung keine Anwendung findet. Demnach müssen Stiftungen und Vermögenswidmungen ohne Persönlichkeit eine Gründungsabgabe in Höhe von 0,2% des Kapitals – mindestens aber 200 Franken – entrichten.
c)
Laufende Besteuerung
Bei der laufenden Besteuerung ist zu unterscheiden, ob die liechtensteinische Stiftung den Status als 423 Privatvermögensstruktur hat, dann würde diese lediglich der Mindestertragssteuer von 1.200 Franken unterliegen, oder ob sie der regulären Unternehmensbesteuerung unterliegt. aa) Reguläre Ertragsbesteuerung Art. 44 SteG normiert, dass juristische Personen mit ihren gesamten Erträgen unbeschränkt steu- 424 erpflichtig sind, wenn sich ihr Sitz oder der Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung in Liechtenstein befindet. Als juristische Personen gelten insbesondere auch Stiftungen. Dies bedeutet, dass die liechtensteinische Stiftung aufgrund ihres Sitzes in Liechtenstein grundsätzlich mit ihren gesamten Erträgen der unbeschränkten Steuerpflicht in Liechtenstein unterliegt und zwar unabhängig davon, ob auch der Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung in Liechtenstein ist, denn es genügt das Vorliegen eines Tatbestandsmerkales. Die Ertragssteuer beträgt ab dem 1. Januar 2011 12,5% des steuerpflichtigen Reinertrags, wobei es unter dem neuen Steuerrecht keine Kapitalsteuer mehr gibt. Im Hinblick auf die Ermittlung der Bemessungsgrundlage wird auf die vorherigen Ausführungen zur Ertragssteuer verwiesen. ! Praxishinweis: Kapitalgewinne und Beteiligungserträge sind in Liechtenstein grundsätzlich und unabhängig von der Behaltedauer oder dem Beteiligungsausmaß steuerfrei. bb) Privatvermögensstruktur Die Anforderungen an eine juristische Person, die den Status als Privatvermögensstruktur beantra- 425 gen will, sind in Art. 64 SteG normiert. Demnach können sich alle juristischen Personen, d.h. sowohl liechtensteinische Verbandspersonen, aber auch ausländische juristische Personen, als Privatvermögensstruktur qualifizieren, wenn sie die folgenden Voraussetzungen erfüllen: 1. Sie dürfen in der Verfolgung ihres Zwecks keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben 2. Ihre Aktien oder Anteile dürfen nicht öffentlich platziert werden 3. Sie dürfen keine Anteilseigner oder Anleger anwerben 4. Es dürfen nur natürliche Personen, andere Privatvermögensstruktur oder Zwischenpersonen an ihr beteiligt bzw. begünstigt sein 135
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht 5. Aus deren Statuten muss sich ergeben, dass sie den Beschränkungen für Privatvermögensstrukturen unterliegen 426 Nur wenn alle diese Voraussetzungen vorliegen, qualifziert sich die juristische Person als Privatvermögensstruktur. Für Details wird auf das Kapital zu den Privatvermögensstrukturen verwiesen.
d)
Ausschüttung
427 Bei der steuerlichen Behandlung der Ausschüttungen von der liechtensteinischen Stiftung ist im ersten Schritt zu unterscheiden, ob die Begünstigten der Ausschüttungen in Liechtenstein der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Wenn die Begünstigten in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtig sind, ist wiederum maßgeblich, ob das Vermögen der Stiftung der Vermögenssteuer unterlag. aa) Begünstigte sind in Liechtenstein steuerlich nicht ansässig 428 Ausschüttungen, die an in Liechtenstein nicht unbeschränkt steuerpflichtige Begünstigte geleistet werden, sind in Liechtenstein steuerfrei und unterliegen daher auch keinem Quellensteuerabzug in Liechtenstein. Das bedeutet, dass durch eine entsprechende Ausschüttung keine beschränkte Steuerpflicht in Liechtenstein begründet wird. bb) Begünstigte sind in Liechtenstein steuerlich ansässig 429 Für die steuerliche Behandlung der Ausschüttungen an Begünstigte, die in Liechtenstein unbeschränkt steuerpflichtig sind, ist maßgeblich, ob das Vermögen der Stiftung der Vermögenssteuer unterlag. Wenn das Vermögen der Stiftung oder die Begünstigung der Vermögenssteuer unterlag, dann ist diese Ausschüttung steuerfrei. Wenn das Vermögen der Stiftung und die Begünstigung hingegen nicht der Vermögenssteuer unterlagen, dann handelt es sich hier um eine steuerpflichtige Zuwendung.
IX.
Gründungsabgabe und Abgabe auf Versicherungen
1.
Hintergrund
430 Durch den Zollanschlussvertrag vom 29. März 1923 finden die Schweizer Regelungen über die Stempelabgaben auch in Liechtenstein Anwendung. Für die Durchführung sämtlicher stempelrechtlicher und erhebungstechnischer Belange ist in Liechtenstein nicht die liechtensteinische Steuerverwaltung zuständig, sondern die Eidgenössische Steuerverwaltung. Liechtenstein nimmt in diesem Zusammenhang die Stellung eines schweizerischen Kantons ein und die liechtensteinischen Gemeinden werden wie schweizerische Gemeinden behandelt. Zur Verteilung der Einnahmen aus der schweizerischen Stempelabgabe normiert Art. 37 des Zollvertrages von 1923, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung besondere Rechnung über die aus Liechtenstein aufgrund des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben eingehenden Einnahmen führen muss. Ferner werden diese Einnahmen jährlich auf den Schluss des Kalenderjahres abgerechnet und der Fürstlichen Regierung der Betrag der reinen Einnahmen, vermindert um den Verwaltungskostenanteil, ausbezahlt. Der Verwaltungskostenanteil der Schweizerischen Eidgenossenschaft setzt sich zusammen aus 1% der reinen Einnahmen sowie einer fixen Jahrespauschale von 30.000 Franken.
136
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Die eidgenössische Stempelabgabe ist eine Rechtsverkehrssteuer. Art. 1 Bundesgesetzes vom 27. Juni 431 1973 über die Stempelabgaben unterscheidet dabei drei verschiedene Abgabearten (Anwendungsfälle), nämlich die Emissionsabgabe, die Umsatzabgabe sowie die Abgabe auf Versicherungsprämien: Die Emissionsabgabe umfasst die Ausgabe folgender schweizerischer oder liechtensteinischer Ur- 432 kunden: Q Aktien, Q Stammanteile von Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Anteilscheine von Genossenschaften, Q Partizipationsscheine, Q Genussscheine, Q Obligationen und Q Geldmarktpapiere. Die Umsatzabgabe besteuert den Umsatz mit folgenden schweizerischer oder liechtensteinischer Ur- 433 kunden: Q Obligationen, Q Aktien, Q Stammanteile von Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Anteilscheine von Genossenschaften, Q Partizipationsscheine, Q Genussscheine, Q Anteile an kollektiven Kapitalanlagen gemäß Kollektivanlagengesetz vom 23. Juni 2006 (KAG) und Q Papiere, die den ersten fünf Urkunden gleichstellt sind. Die Versicherungsabgabe umfasst die Zahlung von Versicherungsprämien gegen Quittung. Werden 434 bei der Emissionsabgabe, der Umsatzabgabe sowie der Abgabe auf Versicherungsprämien keine Urkunden ausgestellt oder umgesetzt, so treten an ihre Stelle die der Feststellung der Rechtsvorgänge dienenden Geschäftsbücher oder sonstigen Urkunden. Aktuell werden in der Schweiz Änderungen im Bereich der Stempelgesetzgebung – bespielsweise 435 die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigen- und Fremdkapitaltransaktionen – diskutiert. Wenn entsprechende Änderungen vorgenommen werden, dann werden die liechtensteinischen Regelungen die in Anlehnung an die eidgenössische Stempelgesetzgebung im Steuergesetz enthalten sind, entsprechend angepasst werden.
2.
Gründungsabgabe
a)
Anwendungsbereich
Art. 66 Abs. 1 SteG normiert, dass die Gründung, Errichtung und Sitzverlegung nach Liechtenstein 436 sowie die Erhöhung des Kapitals von juristischen Personen nach Art. 44 SteG der liechtensteinischen Gründungsabgabe unterliegen, sofern die schweizerische Stempelgesetzgebung keine Anwendung
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht findet. Ferner wird die Gründungsabgabe gemäß Art. 66 Abs. 2 SteG auch bei der Handänderung von Beteiligungsrechten an juristischen Personen, die wirtschaftlich liquidiert oder in liquide Form gebracht worden sind, erhoben.
2
b)
Höhe der Gründungsabgabe
437 Die Höhe der Gründungsabgabe beträgt 1% des Kapitals, wobei Art. 66 Abs. 1 SteG eine Freigrenze in Höhe von einer Million Franken vorsieht. Die Gründungsabgabe ermäßigt sich in der Folge für das fünf Millionen Franken übersteigende Kapital auf 0,5% und für das zehn Millionen Franken übersteigende Kapital auf 0,3%. Maßgebend ist jeweils das statutarisch bestimmte Kapital. Aufgrund des Vorbehalts der Schweizerischen Stempelabgaben und der Spezialregelung in Art. 66 Abs. 3 SteG unterliegen hauptsächlich Anstalten und Treuunternehmen mit Rechtspersönlichkeit dieser Besteuerung. 438 Bei der Errichtung von Stiftungen und Trusts (Vermögenswidmungen ohne Persönlichkeit) sieht Art. 66 Abs. 3 SteG eine Spezialregelung vor. In diesen Fällen beträgt die Gründungsabgabe 2‰ des Kapitals, mindestens aber 200 Franken. > Beispiel: Eine liechtensteinische Anstalt wird mit einem Kapital von 15 Millionen Franken errichtet. Wie hoch ist die Gründungsabgabe? Hier findet Art. 66 Abs. 1 SteG Anwendung. Demnach beträgt die Gründungsabgabe: 50.000 Franken (1% von 5 Millionen) +25.000 Franken (0,5% von 5 Millionen) +15.000 Franken (0,3% von 5 Millionen) = 90.000 Franken.
3.
Abgabe auf Versicherungen
a)
Hintergrund
439 Art. 1 Bundesgesetzes vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben sieht auch eine Abgabe auf Versicherungsprämien vor. Im Gegensatz zur Schweiz kann das Versicherungsgeschäft in Liechtenstein grundsätzlich auf drei verschiedene Arten betrieben werden: 1. über den Sitz in Liechtenstein, 2. über eine Niederlassung in Liechtenstein und 3. im sogenannten grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr. 440 Die dritte Vorgehensweise über den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr ist im schweizerischen Versicherungsaufsichtsgesetz jedoch nicht vorgesehen. Folglich unterliegt diese Art auch nicht der schweizerischen Stempelabgabe. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden sieht daher Art. 67 SteG in diesen Fällen eine eigene Versicherungsabgabe vor.
138
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
b)
Grundsatz
Art. 67 SteG normiert, dass die folgende Abgabe auf Versicherungsprämien zur Anwendung kommt, 441 sofern die schweizerische Stempelgesetzgebung keine Anwendung findet. Dies betrifft somit Versicherungsprämien auf den von ausländischen Versicherungen im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs in Liechtenstein abgeschlossenen Versicherungsverträgen. Gegenstand der Versicherungsabgabe sind gemäß Art. 68 SteG Prämienzahlungen aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses, sofern das versicherte Risiko in Liechtenstein belegen ist.
c)
Ausnahmen
Art. 69 SteG regelt die Tatbestände, die von der Abgabe auf Versicherungen ausgenommen sind. 442 Folgende Tatbestände sind vergleichbar mit Art. 22 des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben von der Steuerpflicht befreit: Q nichtrückkaufsfähige Lebensversicherungen sowie rückkaufsfähige Lebensversicherungen mit periodischer Prämienzahlung; Q Lebensversicherungen, soweit diese der betrieblichen Personalvorsorge im Sinne des Gesetzes über die betriebliche Personalvorsorge dienen; Q Kranken- und Invaliditätsversicherung; Q Unfallversicherungen; Q Transportversicherungen für Güter; Q Versicherungen für Elementarschäden an Kulturland und Kulturen; Q Arbeitslosenversicherungen; Q Hagelversicherungen; Q Viehversicherungen; Q Rückversicherungen.
d)
Abgabepflicht
Abgabepflichtig sind nach Art. 70 SteG Versicherungsunternehmen, die in Liechtenstein das Versi- 443 cherungsgeschäft betreiben. Hierunter zählen nicht nur ausländische Versicherungsunternehmen, die im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr das Versicherungsgeschäft betreiben, sondern auch liechtensteinische Versicherungsunternehmen, wenn sie einem ausländischen Versicherungsnehmer ein in Liechtenstein belegenes Risiko versichern.
e)
2
Abgabesätze und Berechnungsgrundlage
Die Höhe der Abgabe auf Versicherungsprämien ist entsprechend Art. 24 Bundesgesetzes über die 444 Stempelabgaben ausgestaltet und beträgt demnach grundsätzlich 5% der Barprämie. Für Lebensversicherungen ist eine Ausnahme vorgesehen. Hier beträgt die Höhe der Abgabe 2,5% der Barprämie. Für die Fälle, in denen die Barprämie in einer ausländischen Währung lautet, normiert Art. 71 Abs. 2 SteG, dass auf den Zeitpunkt der Entstehung der Abgabeforderung in Franken umzurechnen ist.
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
f) 2
Verletzung von Europarecht: Rückerstattung
445 Art. 72 SteG normiert eine Rückerstattungspflicht gegenüber den steuerpflichtigen Versicherern, wenn die Versicherungsabgabe das EWR Recht verletzt. Demnach wird die insoweit erhobene Steuer dem Versicherer zurückerstattet, wenn die Erhebung der Abgabe auf Versicherungsprämien gegen Art. 46 Abs. 2 der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung (EWR Rechtssammlung; Anh. IX - 7a.01) oder gegen Art. 50 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (EWRRechtssammlung: Anh. IX - 11.01) verstößt.
X.
Gemeindesteuern
1.
Anteil der Gemeinden an den Landessteuern
a)
Grundstücksgewinnsteuer
446 Gemäß Art. 73 SteG erhält die Gemeinde, in der sich das der Grundstücksgewinnsteuer unterliegende Grundstück befindet, zwei Drittel der entsprechenden Grundstücksgewinnsteuer. Diese Vorschrift hat für den Steuerpflichtigen selbst keine Auswirkung, denn gemäß Art. 43 SteG ist für die Grundstücksgewinnsteuer ein landeseinheitlicher Zuschlag von 200% normiert. Es ist für den Steuerpflichtigen im Hinblick auf Steuerbelastung daher unerheblich, ob das Grundstück beispielsweise in Schaan oder Vaduz liegt.
b)
Ertragssteuer
447 Art. 74 SteG normiert, die Aufteilung der Ertragssteuer. Diese Aufteilung hat ebenso wie die Aufteilung der Grundstücksgewinnsteuer keinen Einfluss auf die Höhe der Steuerlast des Steuerpflichtigen, da der Ertragssteuersatz landeseinheitlich bei 12,5% liegt und zwar unabhängig von dem Sitz oder der Betriebsstätte in einer spezifischen liechtensteinischen Gemeinde. 448 Gemäß den Aufteilungsgrundsätzen des Art. 74 SteG erhält die Gemeinde, in der die juristische Person ihren Sitz oder ihre Betriebsstätte hat, einen Anteil von 40% von der Ertragssteuer, soweit diese die Höhe der Mindestertragssteuer überschreitet. Überschreitet der Anteil einer Gemeinde 40% der Summe aller Gemeindeanteile, so wird der Anteil der Gemeinde entsprechend gekürzt. 449 Befinden sich Sitz und Betriebsstätte in verschiedenen Gemeinden, wird der Anteil unter diesen Gemeinden verteilt, wobei die Gemeinde, in der sich der Sitz befindet, zusätzlich zu einem allfälligen Anteil vorab einen Anteil von 20% erhält. Wenn die juristische Person an ihrem Sitz jedoch keine oder keine wesentlichen Aktivitäten entwickelt, kann der Anteil der Sitzgemeinde reduziert werden oder es kann von einer Anteilszuweisung abgesehen werden. Unabhängig von diesem Zuschlag ist der Betriebsstättenanteil unter Berücksichtigung der in den einzelnen Gemeinden gelegenen Vermögenswerte oder der beschäftigten Arbeitskräfte oder anhand einer für die betreffende Branche relevanten Größe zu berechnen.
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B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Die Details zu den Aufteilungskriterien legt die Steuerverwaltung fest. Ferner informiert diese auf 450 Anfrage einer von der Verteilung betroffenen Gemeinde über die prozentuale Höhe des Anteils der Sitzgemeinde sowie über die prozentuale Verteilung des Gemeindeanteils auf die betroffenen Gemeinden.
2.
Gemeindezuschlag zur Vermögens- und Erwerbssteuer
a)
Grundlage
Von besonderer Bedeutung für den Steuerpflichtigen ist der Gemeindezuschlag zur Vermögens- und 451 Erwerbssteuer, da dieser die Höhe der Gesamtsteuerlast des Steuerpflichtigen maßgeblich beeinflusst. Der Gemeindezuschlag wird zur Vermögens- und Erwerbssteuer, einschließlich der Widmungssteuer, und der Besteuerung nach dem Aufwand erhoben. Beim Steuerabzug an der Quelle wird jedoch kein Gemeindesteuerzuschlag erhoben. Wenn ein Steuerpflichtige, der dem Quellensteuerabzug unterliegt, jedoch die ordentliche Veranlagung beantragt, so werden seine Einkünfte dann gemäß dem Tarif nach Art. 19 SteG besteuert. Hierbei kommt entsprechend auch der maßgebliche Gemeindezuschlag zur Anwendung. Die Höhe des Gemeindezuschlags wird jedes Jahr in Prozenten der Landessteuer vom jeweiligen Ge- 452 meinderat festgesetzt. Der Gemeindezuschlag darf aber 150% nicht unterschreiten und 250% nicht übersteigen.
b)
Steuerort
Für den Bezug des Gemeindezuschlags ist diejenige Gemeinde zuständig, welche nach Art. 101 SteG 453 für die Mitwirkung bei der Veranlagung sowie den Bezug der Landessteuer zuständig ist.
c)
Teilung des Steuerbetrages
Eine Aufteilung des Gemeindezuschlags unter mehreren Gemeinden erfolgt nach Art. 77 SteG, 454 wenn der Steuerpflichtige im Verlauf des Steuerjahres seinen Wohnsitz wechselt, in welchem Fall die betreffenden Gemeinden an dem Zuschlag im Verhältnis der Wohnsitzdauer in der einzelnen Gemeinde teilhaben, wobei ein kürzerer als dreimonatiger Wohnsitz in einer Gemeinde nicht in Betracht fällt. Ferner wenn der Steuerpflichtige Wohnsitz und Geschäftsbetrieb (Erwerbstelle) nicht in der gleichen Gemeinde hat, in welchem Fall der Zuschlag nach dem Verhältnis zwischen dem Erwerb nach Art. 14 Abs. 2 lit. l SteG und dem restlichen Erwerb zu teilen ist. Der dem Anteil des Erwerbs nach Art. 14 Abs. 2 lit. l SteG entsprechende Teil des Zuschlags fällt der Wohnsitzgemeinde zu, der dem Anteil des restlichen Erwerbs entsprechende Teil derjenigen Gemeinde, in welcher der Geschäftsbetrieb oder die Erwerbstelle sich befindet. Außerdem erfolgt eine Aufteilung des Gemeindezuschlags, in den Fällen, wenn der Geschäftsbetrieb 455 eines Steuerpflichtigen sich auf dem Gebiet mehrerer Gemeinden befindet. In diesem Fall partizipieren die beteiligten Gemeinden am Zuschlag im Verhältnis der Ausdehnung des Geschäftsbetriebes in den einzelnen Gemeinden. Der letzte Fall, wann eine Aufteilung vorgesehen ist, wenn ein Steuerpflichtiger in einer anderen als seiner Wohnsitzgemeinde Grundeigentum hat. Dann erhält die Gemeinde, in welcher die Grundstücke gelegen sind, Anspruch auf den Teil des Zuschlags, der sich aus dem Verhältnis zwischen dem aus diesen Grundstücken stammenden Erwerb nach Art. 14 Abs.2 lit. l SteG und dem gesamten Erwerb des Steuerpflichtigen ergibt. 141
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht 456 Wenn mehrere Gemeinden an dem Gemeindezuschlag eines Steuerpflichtigen Anteil haben, so ist der Zuschlag von der mit dem Bezug der Landessteuer betrauten Gemeinde zu beziehen und unter die berechtigten Gemeinden zu verteilen. Für die Berechnung der Zuschläge sind die Zuschlagsätze der berechtigten Gemeinden maßgebend. Über Streitigkeiten zwischen anteilsberechtigten Gemeinden hinsichtlich der Teilung des Steuerbetrages entscheidet unter Vorbehalt des Beschwerderechtes an die Landessteuerkommission die Steuerverwaltung.
XI.
Steuerverfahrensrecht
1.
Behörden und Organisation
a)
Überblick
457 Steuerbehörden im Sinne des Steuergesetzes sind nach Art. 78 SteG die Steuerverwaltung, die Gemeindesteuerkassen und die Landessteuerkommission. Die Aufsicht über das Steuerwesen wird von der Regierung ausgeübt.
b)
Steuerverwaltung
458 Nach Art. 79 SteG obliegt der Steuerverwaltung grundsätzlich der Vollzug des Steuergesetzes, soweit nicht bestimmte Aufgaben besonderen Behörden übertragen worden sind. Gemäß langjähriger Praxis wird die Organisation der Steuerverwaltung in einem Organigramm festgelegt, das von der Regierung mit Regierungsbeschluss genehmigt wird. Aktuell ist die liechtensteinische Steuerverwaltung in die Abteilungen Q juristische Personen Q natürliche Personen Q Internationales Q Mehrwertsteuer Q Spezialsteuern und Q Steuerbezug und Register und sowie die Stabsstellen die Rechtsdienst und zentrale Dienste gegliedert.
c)
Gemeindesteuerkasse
459 In jeder liechtensteinischen Gemeinde besteht zur Mitwirkung beim Vollzug der Bestimmungen über die Vermögens- und Erwerbssteuer eine Gemeindesteuerkasse, die in administrativer Hinsicht in die Organisation der Gemeinde eingegliedert ist. Die Aufgabe der Gemeindesteuerkasse ist es die Veranlagung der Steuerpflichtigen, die der Vermögens- und Erwerbssteuer unterstellt sind, vorzubereiten. Zu diesem Zweck führt sie insbesondere ein Steuerregister und hat alle für die Veranlagung erheblichen Tatsachen zu registrieren und die Selbstangaben in den Steuererklärungen zu überprüfen. Ferner wirkt die Gemeindesteuerkasse bei der Veranlagung der Steuerpflichtigen, die
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2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 der Vermögens- und Erwerbssteuer unterstellt sind, mit, indem sie Vorschläge für die Veranlagung ausarbeitet. Die dafür notwendigen Weisungen und Richtlinien werden von der Steuerverwaltung erlassen.
d)
2
Landessteuerkommission
aa) Aufgabe Bei der Landessteuerkommission handelt es sich um eine Beschwerdeinstanz in Steuersachen. Sie 460 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen und Verfügungen der Steuerverwaltung und der Gemeindesteuerkassen. bb) Bestellung Die Landessteuerkommission wird vom Landtag jeweils auf vier Jahre gewählt. Ihre Mitglieder ha- 461 ben vor der Regierung einen Amtseid abzulegen. cc) Zusammensetzung und Organisation Die Landessteuerkommission setzt sich aus fünf Mitgliedern und drei Ersatzmitgliedern zusammen. 462 Der Präsident und Vizepräsident müssen rechtskundig sein und werden vom Landtag bestimmt. Die Landessteuerkommission gibt sich selbst eine Geschäftsordnung. Mitglieder der Regierung sowie Angestellte der Steuerverwaltung und der Gemeindesteuerkassen 463 sind von der Wahl in die Landessteuerkommission ausgeschlossen. Ferner finden auf die Mitglieder der Landessteuerkommission die Bestimmungen des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltungspflege über Ausstand und Verantwortlichkeit Anwendung.
2.
Verfahrensgrundsätze
a)
Amtsgeheimnis (Steuergeheimnis)
Art. 83 SteG normiert das Amtsgeheimnis (oder auch Steuergeheimnis genannt). Demnach haben 464 Personen, die mit dem Vollzug des Steuergesetzes betraut sind oder dazu beigezogen werden, über die bei ihrer amtlichen Tätigkeit wahrgenommenen geschäftlichen und privaten Verhältnisse der Steuerpflichtigen und über die Verhandlungen in den Steuerbehörden Stillschweigen zu bewahren und Dritten den Einblick in amtliche Akten zu verweigern. Eine Durchbrechung des Amtsgeheimnisses ist jedoch nach Art. 83 Abs. 2 SteG im Rahmen der Verwaltungshilfe (Art. 84 SteG) oder Anzeigepflicht (Art. 85 SteG) zulässig.
b)
Verwaltungshilfe
Die Grundsätze der landesinternen Verwaltungshilfe sind in Art. 84 SteG dargelegt:
465
aa) Verwaltungshilfe der Steuerbehörden untereinander Die Steuerbehörden sind verpflichtet, sich gegenseitig gebührenfrei Auskunft zu geben.
466
143
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht bb)
2
Verwaltungshilfe der Gerichte, Verwaltungsbehörden und Versicherungsanstalten an die Steuerverwaltung 467 Die Gerichte, Verwaltungsbehörden des Landes und der Gemeinden sowie die liechtensteinischen öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten sind verpflichtet, der Steuerverwaltung auf Verlangen die zur Ausführung des Steuergesetzes erforderlichen Auskünfte gebührenfrei zu erteilen. cc)
Verwaltungshilfe der Steuerverwaltung an die Regierung, Gerichte und Versicherungsanstalten 468 Die Steuerbehörden sind verpflichtet, der Regierung, den Gerichten und den inländischen öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten über die Verhältnisse der Steuerpflichtigen Auskunft zu geben, soweit dies für amtliche Zwecke der ersuchenden Stellen notwendig ist. dd) Verwaltungshilfe der Steuerverwaltung an andere Verwaltungsbehörden 469 Anderen Verwaltungsbehörden ist die Steuerverwaltung nur zur Auskunft verpflichtet, soweit hierfür eine spezialgesetzliche Grundlage besteht und diese Auskunft für amtliche Zwecke der ersuchenden Stellen notwendig ist. Beispiele für solche gesetzlichen Grundlagen in anderen Gesetzen sind Art. 25 Gewerbegesetz, Art. 54 Gesundheitsgesetz, Art. 30 Wohnbauförderungsgesetz, Art. 15 Gesetz über Mietbeiträge für Familien, Art. 32 Stipendiengesetz und Art. 14 Statistikgesetz.
c)
Anzeigepflicht
470 Art. 85 Abs. 1 SteG normiert die Verpflichtung der Gerichte, Verwaltungsbehörden des Landes und der Gemeinden sowie der liechtensteinischen öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten, Widerhandlungen gegen die Vorschriften dieses Gesetzes, von denen sie in Ausübung amtlicher Funktionen Kenntnis erhalten und die zu einer unvollständigen Veranlagung führen können oder geführt haben, unverzüglich der Steuerverwaltung mitzuteilen. Dabei sind jedoch gesetzlich geschützte Berufsgeheimnisse zu wahren. Beispiele hierfür sind das Arztgeheimnis oder das Anwaltsgeheimnis. 471 Art. 85 Abs. 2 SteG enthält die korrespondierende Verpflichtung der Steuerverwaltung, inländischen öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten sowie Verwaltungsbehörden des Landes und der Gemeinden Widerhandlungen gegen gesetzliche Vorschriften, von denen sie in Ausübung ihrer amtlichen Funktion Kenntnis erlangt hat und die zu einer ungerechtfertigten staatlichen Unterstützungsleistung führen können bzw. geführt haben, unverzüglich mitzuteilen. Unter staatlichen Unterstützungsleistungen werden bespielsweise Prämienverbilligungen, Mietbeihilfen und Stipendien verstanden, denn bei diesen Unterstützungsleistungen wird in der Regel auf das Vermögen bzw. den Erwerb gemäß den Steuerveranlagung abgestellt.
d)
Datenbearbeitung
472 Art. 86 SteG ermöglicht den Steuerbehörden die Personendaten, einschließlich Persönlichkeitsprofile und besonders schützenswerter Personendaten über administrative oder strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen, zu bearbeiten, die sie benötigen, um die ihnen nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Die Steuerbehörden sind zu diesem Zweck auch ermächtigt ein Informationssystem zu betreiben. 473 Die Bekanntgabe von Personendaten im Wege der landesinternen Verwaltungshilfe und der Anzeigepflicht nach Art. 85 SteG kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Wenn eine regelmäßige Übermittlung notwendig ist, dann können die Personendaten zudem auch mittels eines Abrufverfahrens zugänglich gemacht werden. 144
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
e)
Verfahrensrechtliche Stellung des Ehegatten
Bei der verfahrensrechtlichen Stellung der Ehegatten ist zu differenzieren, ob diese gemeinsam oder 474 getrennt veranlagt werden: aa) Gemeinsam veranlagte Ehegatten Bei gemeinsam veranlagten Ehegatten werden die steuerlichen Verfahrensrechte und Verfahrens- 475 pflichten grundsätzlich von beiden gemeinsam ausgeübt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie jede Handlung zu zweit vornehmen müssen. Die gemeinsam zu veranlagenden Ehegatten können angesichts ihrer rechtlichen Stellung als selbständige Steuerpflichtige und (solidarisch haftende) Steuerschuldner selbständig handeln. Rechtsmittel und andere Eingaben gelten auch dann als rechtsgültig eingereicht, wenn einer der Ehegatten innerhalb der Frist handelt. Jeder Ehegatte kann somit die Verfahrensrechte selbständig wahrnehmen; seine Handlungen binden den anderen Ehegatten. Ausnahme: Die gemeinsame Steuererklärung ist von beiden zu unterzeichnen. Bei fehlender Un- 476 terschrift von einem Ehegatten darf nicht direkt die vertragliche Vertretung angenommen werden. bb) Getrennt veranlagte Ehegatten Bei getrennt veranlagten Ehegatten besteht bezüglich der verfahrensrechtlichen Stellung kein Un- 477 terschied zu einer normalen Einzelveranlagung. Die getrennt veranlagten Ehegatten üben folglich ihre Rechten und Pflichten unabhängig von einander aus und Mitteilungen der Steuerverwaltung erfolgen auch jeweils an beide Ehegatten separat.
f)
2
Verfahrensrechte des Steuerpflichtigen
Die Verfahrensrechte des Steuerpflichtigen umfassen das nun mehr gesetzliche normierte Recht auf 478 Akteneinsicht, den kodifizierten Beweisaufnahmeanspruch und die Vertretungsmöglichkeit. aa) Akteneinsicht Der Steuerpflichtige ist nach Art. 88 SteG berechtigt, die von ihm eingereichten oder unterzeichne- 479 ten Aktenstücke einzusehen. Bei gemeinsam veranlagten Ehegatten steht diesen ein gegenseitiges Akteneinsichtsrecht zu. Die übrigen Aktenstücke kann der Steuerpflichtige nur einsehen, sofern die Ermittlung des Sachverhaltes abgeschlossen ist und soweit nicht öffentliche oder private Interessen der Einsicht entgegenstehen. Bei den übrigen Aktenstücken kann es sich beispielsweise um Protokolle von Befragungen des Steuerpflichtigen, Meldungen anderer Behörden, Auskünften von Behörden oder Dritten handeln. Wenn einem Steuerpflichtigen die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert wird, so darf sich die Steuerbehörde zum Nachteil des Steuerpflichtigen nur dann auf dieses Dokument stützten, wenn ihm die Behörde von dem für die Sache wesentlichen Inhalt des Aktenstücks mündlich oder schriftlich bekannt gegeben hat. Weiters muss ihm Gelegenheit gegeben werden, sich dazu zu äußern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen. bb) Beweisaufnahmeanspruch Art. 89 SteG berechtigt den Steuerpflichtigen einerseits die Beweisaufnahme zu beantragen und an- 480 derseits wird die Steuerbehörde verpflichtet, dass diese die angebotetenen Beweise aufnimmt. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich die Beweismittel auf rechtserhebliche Tatsachen beziehen und zudem geeignet sind, dass Vorhandensein der rechtserheblichen Tatsache zu beweisen.44
44 BuA 48/2010, S. 180.
145
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht cc) Vertragliche Vertretung 481 Art. 90 SteG ermöglicht dem Steuerpflichtigen, dass er sich vor den Steuerbehörden vertreten lassen kann, soweit eine persönliche Mitwirkung nicht notwendig ist. Eine persönliche Mitwirkung ist insbesondere bei der persönlichen Befragung des Steuerpflichtigen und der persönlichen Unterzeichnung der Steuererklärung zwingend gegeben. 482 Der Vertreter hat sich gegenüber der Behörde durch schriftliche Vollmacht auszuweisen. Dieser Ausweis kann in der Steuererklärung selbst enthalten sein, indem der Steuerpflichtige dort einen Vertreter bezeichnet.45 dd) Notwendige Vertretung 483 Nach Art. 91 SteG können die Steuerbehörden von einem Steuerpflichtigen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland verlangen, dass er einen Vertreter in Liechtenstein bezeichnet. Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass der Gesetzgeber verhindern will, dass steuerliche Verfahren wegen der Undurchführbarkeit von verfahrensrechtlichen Handlungen der Steuerbehörden aufgrund der Unzustellbarkeit von Mitteilungen und Veranlagungen eingestellt werden müssen. Daher genügt auch es, wenn die Bevollmächtigung des Vertreters nur die Zustellung von Mitteilungen, Verfügungen bzw. Entscheidungen umfasst. Es sich somit also um einen reinen Zustellungsbevollmächtigten handelt. 484 Wenn der Steuerpflichtige keinen Vertreter bezeichnet, können Zustellungen an ihn durch öffentliche Bekanntmachung im Sinne des Art. 28 Zustellgesetzes erfolgen. Art. 28 Zustellgesetz sieht vor, dass auf der Webseite der Behörde veröffentlicht wird, dass ein zuzustellendes Dokument zur Ausfolgung bereit liegt. Die Behörde kann die öffentliche Bekanntmachung zudem in anderer geeigneter Weise, insbesondere durch Publikation in den amtlichen Kundmachungsorganen, ergänzen. Dasselbe gilt, wenn der Aufenthalt eines Steuerpflichtigen unbekannt ist. ee)
Vertretung von Kindern, Bevormundeten und Personen, denen ein Sachwalter bestellt ist 485 Art. 92 SteG normiert, dass Kinder unter elterlicher Obsorge durch den Inhaber der elterlichen Obsorge vertreten werden. Ferner werden Bevormundete durch den Vormund und Personen, denen ein Sachwalter bestellt ist, durch diesen, soweit sein Wirkungskreis die Vertretung in steuerlichen Angelegenheiten umfasst, vertreten.
3.
Verfahrenspflichten bei der Veranlagung
486 Die Veranlagung im ordentlichen Verfahren beinhaltet die Verpflichtung der Steuerverwaltung zur Ermittlung des Sachverhalts und des Steuerpflichtigen zur Mitwirkung:
a)
Sachverhaltsfeststellung durch die Steuerverwaltung
487 Eine zentrale Aufgabe der Steuerbehörden im Veranlagungsverfahren ist die Feststellung der für eine vollständige und richtige Besteuerung maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Nach Art. 93 SteG sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, soweit sie abgabenrechtlich relevant sind, von Amts wegen zu ermitteln (amtswegige Ermittlungspflicht). Die Behörde ist zur Verwertung des ihr zugänglichen Aktenmaterials nach dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens verpflichtet. Zu erforschen ist die materielle Wahrheit (Untersuchungsgrundsatz). Dies bedeutet, dass die Steuerbehörden auch Angaben der Steuerpflichtigen und amtsbekannte
45 BuA 48/2010, S. 181.
146
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Umstände zugunsten der Steuerpflichtigen zu prüfen und zu würdigen haben. Dieser international anerkannte Grundsatz hinsichtlich Aufgabe und Verwantwortung der Steuerbehörden sichert das auch in Liechtenstein verfassungsmäßig verankerte Postulat der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Angaben eines Steuerpflichtigen, gegen deren Richtigkeit keine begründeten Zweifel bestehen, kann 488 die Steuerbehörde ohne weitere Überprüfung ihrer Entscheidung zugrunde legen. Sie verstößt damit schon deswegen nicht gegen den Grundsatz der amtswegigen Ermittlungspflicht, weil bereits das Entgegennehmen unbedenklicher Mitteilungen des Steuerpflichtigen, ebenso wie das Erschließen anderer Erkenntnisquellen, in Erfüllung der amtswegigen Ermittlungspflicht geschieht. Eine vollständige Erhebung und Überprüfung jedes einzelnen Geschäftsvorfalles anlässlich der Prüfung der Steuererklärung wäre zweifellos als Überspannung der amtswegigen Ermittlungspflicht anzusehen. Die Ermittlungspflicht wird vielmehr grundsätzlich dort ihre Grenze finden, wo ein vom Steuerpflichtigen behaupteter Sachverhalt (ein Sachverhaltselement) nicht in Streit gezogen ist und für die Steuerbehörde auch keine konkrete Veranlassung besteht, Zweifel an der Sachverhaltsdarstellung zu hegen. Die Steuerbehörde trägt zwar die Feststellungslast für alle Tatsachen, die vorliegen müssen, um einen 489 Steueranspruch geltend machen zu können, doch befreit dies die Partei nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht. Der Steuerpflichtige wird bei der Sachverhaltsermittlung mit eingebunden, die maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sind gemäß Art. 93 Abs. 1 SteG von der Steuerbehörde „zusammen“ mit dem Steuerfplichtigen festzustellen. Beide Pflichten bestehen grundsätzlich nebeneinander und schließen einander nicht aus. Die amts- 490 wegige Ermittlungspflicht besteht jedoch auch dann, wenn die Partei ihre Verpflichtungen (Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht) verletzt (beispielsweise bei Nichtbeantwortung von Fragen der Steuerverwaltung). Ferner ermöglicht Art. 93 Abs. 2 SteG den Steuerbehörden zur Feststellung von Tatsachen, die für 491 die Besteuerung erheblich sind, Sachverständige beizuziehen, Augenscheine durchzuführen, vom Steuerpflichtigen schriftlich oder mündlich Auskünfte oder Bescheinigungen zu verlangen und in dessen Geschäftsbücher und Belege Einsicht zunehmen.
b)
Die Steuererklärung
aa) Grundsätze Die Abgabe der Steuererklärung ist die zentrale Pflicht des Steuerpflichtigen, um eine ordentliche 492 Veranlagung zu ermöglichen. Zu diesem Zweck werden Steuerpflichtige, die der Vermögens- und Erwerbsteuer oder der Ertragssteuer unterliegen, durch öffentliche Kundmachung und durch Zustellung eines Steuerformulars zur Einreichung der Steuererklärung aufgefordert. Die Nichtzustellung des Formulars entbindet den Steuerpflichtigen jedoch weder von der Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung, noch von der Steuerpflicht selbst. Steuerpflichtige, die keine Formulare erhalten, sind vielmehr verpflichtet, dass sie von der zuständigen Steuerbehörde die entsprechenden Formulare verlangen. bb) Die Steuererklärung bei der Vermögens- und Erwerbssteuer Art. 94 Abs. 2 SteG verpflichtet den Steuerpflichtigen, dass er die Steuererklärung wahrheitsgemäß 493 und vollständig ausfüllt, persönlich unterzeichnet und samt den mit Verordnung vorgeschriebenen Beilagen fristgemäß der zuständigen Steuerbehörde einreicht. Die entsprechende Steuerverordnung normiert in Art. 39, dass der Steuererklärung bei der Vermögens und Erwerbssteuer, sofern in dieser bei nachstehenden Positionen Einträge gemacht wurden, folgende Unterlagen beizulegen sind: Q detaillierte Jahresrechnung (EDV-Bilanz und Erfolgsrechnung); 147
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht Datenblatt für die Steuerveranlagung und die Wirtschaftsstatistik; Q Nachweis des Anschaffungswertes und des amtlichen Wertes des ausländischen Grundeigentums gemäß ausländischem Steuerbescheid; Q Bewertungen von in- und ausländischen Beteiligungspapieren nach Art. 12 Abs. 1 lit. c und d SteG; Q Bescheinigungen nach Art. 99 SteG (Lohnausweis); Q Nachweise für geltend gemachte Individualabzüge; Q Formular zur Ermittlung des landwirtschaftlichen Vermögens und des landwirtschaftlichen Erwerbes oder Jahresrechnung für Landwirte. 494 Diese Unterlagen sind in deutscher Sprache abzufassen. Werden von den Steuerbehörden darüber hinausgehende Unterlagen verlangt und sind diese in einer anderen Sprache abgefasst, können die Steuerbehörden gemäß Art. 94 Abs. 3 SteG Übersetzungen verlangen oder auf Kosten des Steuerpflichtigen veranlassen. Q
2
cc) Abgabefrist der Steuererklärung für die Vermögens- und Erwerbssteuer 495 Die Frist für die Einreichung der Steuererklärung wird nach Art. 95 SteG jährlich von der Steuerverwaltung festgesetzt. In der Regel ist dies Ende April des darauffolgenden Jahres. Die zuständige Gemeindesteuerkasse kann nach Art. 40 Steuerverordnung auf begründetes schriftliches Gesuch die Einreichungsfrist um höchstens fünf Monate verlängern. Das Gesuch muss in diesen Fällen vor Ablauf der ordentlichen Einreichungsfrist gestellt werden. Voraussetzung für eine Fristerstreckung von mehr als einem Monat ist bei unselbständig Erwerbenden die Vorauszahlung von 80% der Vorjahressteuer und bei selbständig Erwerbenden die Bezahlung der provisorischen Steuerrechnung. dd) Abgabefrist der Steuererklärung beim Wegzug ins Ausland 496 Ins Ausland wegziehende steuerpflichtige Personen haben die Steuererklärung vor ihrem Wegzug einzureichen. Nach Art. 114 Abs. 2 SteG haben diese die Steuer spätestens am Tag des Wegzugs zu entrichten. ee) Die Steuererklärung bei der Ertragssteuer 497 Art. 41 Steuerverordnung normiert für die Steuererklärung der Ertragssteuer, dass in dieser die für die Besteuerung notwendigen Angaben, insbesondere über die Gesellschaft, die Erfolgsrechnung, die Bilanz, die Gewinnverwendung sowie die in Liechtenstein steuerpflichtigen wirtschaftlich Berechtigten, zu machen. Der Steuererklärung sind die folgenden Unterlagen beizulegen: Q detaillierte Jahresrechnung (EDV-Bilanz und Erfolgsrechnung) oder Aufstellung über Aktiva und Passiva sowie über die Erträge und Aufwendungen; Q Bericht der Revisionsstelle, sofern der Steuerpflichtige prüfungspflichtig ist; Q Kontoblätter über Darlehen und Kontokorrente der wirtschaftlich Berechtigten und ihnen nahe stehenden Personen; Q Verzeichnis über Rückstellungen und transitorische Passiven (Rechnungsabgrenzungen); Q Beschluss des obersten Organs über die Gewinnverwendung. 498 Diese Unterlagen können auch in englischer Sprache abgefasst sein. Art. 41 Abs. 4 Steuerverordnung ermöglicht dem Steuerpflichtigen zudem, dass die Beträge in der Steuererklärung in Schweizer Franken, Euro oder US-Dollar deklariert werden können.
148
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 ff) Abgabefrist der Steuererklärung für die Ertragssteuer Die Frist für die Einreichung der Steuererklärung wird nach Art. 95 SteG jährlich von der Steuerver- 499 waltung festgesetzt. In der Regel ist dies Ende Juni des darauffolgenden Jahres. Die zuständige Steuerbehörde kann einzelnen Steuerpflichtigen auf schriftliches Gesuch die Einreichungsfrist nach Art. 42 Abs. 1 Steuerverordnung um sechs Monate verlängern. Das Gesuch muss dabei spätestens 30 Tage nach dem allgemeinen Fälligkeitstermin gestellt werden. Voraussetzung für die Fristerstreckung ist gemäß Art. 42 Abs. 2 Steuerverordnung die Bezahlung der provisorischen Rechnung. In besonders begründeten Fällen, namentlich bei Vorliegen von Ereignissen, die nicht beeinflussbar sind und die Einreichung der Steuererklärung dauerhaft verzögern, kann die Einreichungsfrist nochmals verlängert werden. Das Gesuch ist in diesen Fällen vor Ablauf der ersten Fristverlängerung einzureichen.
c)
Weitere Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen
Art. 97 SteG verpflichtet den Steuerpflichtigen zur Vornahme aller zumutbaren Handlungen, um 500 eine vollständige und richtige Veranlagung zu ermöglichen. Der Steuerpflichtige muss daher auf Verlangen der Steuerbehörde insbesondere mündlich oder schriftlich Auskunft erteilen und Geschäftsbücher, Belege und weitere Bescheinigungen sowie Urkunden über den Geschäftsverkehr vorlegen. Art. 97 Abs. 3 SteG schränkt die Mitwirkungspflichten bei Berufsgeheimnisträgern jedoch ein. Dem- 501 nach stehen den Steuerbehörden diese Befugnisse gegenüber Personen die durch Amts- oder Berufsgeheimnis über Angelegenheiten von Dritten zur Verschwiegenheit verpflichtet sind (Anwaltsgeheimnis, Arztgeheimnis, Bankgeheimnis, Treuhändergeheimnis, Versicherungsgeheimnis und dergleichen) nur insoweit zu, als es sich um Dokumente in Zusammenhang mit deren ordentlichen Geschäftsverkehr handelt. Bei diesen Dokumenten dürfen dem Berufsgeheimnis unterstehende Personendaten unkenntlich gemacht oder durch Codes ersetzt werden. Dieses bedeutet, dass sich die Geheimhaltungspflicht nur auf die berufsspezifische Tätigkeit beschränkt. Allgemeine Tätigkeiten wie beispielsweise berufliche Aufwendungen für Miete, Löhne und Versicherungen sind nicht durch das Berufsgeheimnis geschützt. In Zweifelsfällen werden auf Antrag der Steuerverwaltung oder des Steuerpflichtigen vom Präsidenten der Landessteuerkommission ernannte neutrale Wirtschaftsprüfer als Kontrollorgane eingesetzt. Wird auf Antrag der Steuerverwaltung oder des Steuerpflichtigen ein neutraler Wirtschaftsprüfer als Kontrollorgan eingesetzt, so trägt der Antragsteller nach Art. 44 Steuerverordnung die Kosten für den Aufwand des Wirtschaftsprüfers.
d)
Bescheinigungs- und Meldepflichten Dritter
aa) Bescheinigungspflichten Dritter Art. 99 SteG normiert die Verpflichtung zur Erstellung und Aushändigung von Bescheinigungen. 502 Grundsätzlich besteht diese Pflicht gegenüber dem Steuerpflichtigen, aber Art 99 Abs. 2 SteG ermächtigt die Steuerbehörde, dass diese die Bescheinigung vom Dritten einfordern kann, wenn der Steuerpflichtige trotz Mahnung die entsprechende Bescheinigung nicht einreicht. Das gesetzlich geschützte Berufsgeheimnis bleibt vorbehalten. Folgende Personen sind nach Art. 99 Abs. 1 SteG bezüglich der aufgeführten Sachverhalte bescheinigungspflichtig: Q Arbeitgeber über ihre Leistungen an Arbeitnehmer. Hierbei handelt es sich um den Lohnausweis, der vom Steuerpflichtigen benötigt wird, um seinen unselbstständigen Erwerb zu deklarieren.
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2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht Q
2
Q Q
Q
Juristische Personen, Gesellschaften ohne Persönlichkeit und besondere Vermögenswidmungen über ihre Leistungen an in- und ausländische Mitglieder der Verwaltung, andere Organe und Begünstigte. Mit Hilfe dieser Bescheinigung kann der Steuerpflichtige seinen Erwerb aus Sitzungsgeldern festen Entschädigungen, Tantiemen und andere Vergütungen deklarieren. Gläubiger und Schuldner über Bestand, Höhe und Verzinsung von Forderungen. Diese Bescheinigung wird vom Steuerpflichtigen für die Deklaration seines Vermögens benötigt. Versicherer über den Rückkaufswert von Versicherungen und über die aus dem Versicherungsverhältnis ausbezahlten oder geschuldeten Leistungen. Diese Bescheinigung dient ebenfalls der Deklaration seines Vermögens sowie gegebenenfalls der Deklaration seines Erwerbs. Gesellschaften ohne Persönlichkeit und besondere Vermögenswidmungen über alle Verhältnisse, die für die Veranlagung der Teilhaber, des Errichters oder der Begünstigten von Bedeutung sind, insbesondere über ihren Anteil an Erwerb und Vermögen der Gesellschaften ohne Persönlichkeit oder besondere Vermögenswidmung.
bb) Meldepflichten Dritter 503 Bei der Meldepflicht besteht die Informations- bzw. Bescheinigungspflicht nicht gegenüber dem Steuerpflichtigen, sondern direkt gebenüber der Steuerverwaltung. Nach Art. 100 SteG sind der Steuerverwaltung jedes Jahr einzureichen: Q von Einrichtungen der betrieblichen Personalvorsorge sowie Pensionsfonds eine Meldung über die an die Vorsorgenehmer oder Begünstigten erbrachten Leistungen; Q von Versicherungseinrichtungen und Banken eine Meldung über die an die Begünstigten aus Auflösung von Freizügigkeitspolicen und Sperrkonten erbrachten Leistungen, welche in Verwendung von Freizügigkeitsleistungen der betrieblichen Personalvorsorge errichtet wurden. 504 Von diesen Meldungen ist dem Steuerpflichtigen ein Doppel zuzustellen. Ferner sind die Gemeinden verpflichtet der Steuerverwaltung innerhalb von 30 Tagen ab Erstellung der Todesfallaufnahme oder des Inventars nach dem Außerstreitgesetz eine Kopie der Todesfallaufnahme oder des Inventars zuzustellen und zudem hat das Landgericht der Steuerverwaltung innerhalb von 30 Tagen ab Rechtskraft eine Kopie der Einantwortungsurkunde zuzustellen.
4.
Das Veranlagungsverfahren
a)
Das Ordentliche Veranlagungsverfahren
505 Die Veranlagung des Steuerpflichtigen erfolgt durch die Steuerverwaltung. Diese prüft in diesem Zusammenhang entweder die Steuererklärung oder sie nimmt die Veranlagung nach pflichtgemäßem Ermessen (Schätzung) vor, wenn der Steuerpflichtige keine Steuererklärung eingereicht hat bzw. wenn die Steuerbemessungsgrundlage mangels zuverlässiger und vollständiger Unterlagen nicht einwandfrei ermittelt werden kann. Eine Ermessensveranlagung besteht gemäß den Ausführungen der Regierung in einer Schätzung der Steuerfaktoren oder einzelner Vermögens-, Erwerbs- und Ertragsbestandteile. Sie beruht insbesondere auf einer Sachverhaltsfeststellung durch Wahrscheinlichkeitsschluss, die der Wirklichkeit möglichst nahe kommen soll. Die Steuerbehörde kann dabei Erfahrungszahlen, Vermögensentwicklungen und Lebensaufwand des Steuerpflichtigen berücksichtigen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen. Die Schätzung darf jedoch nicht den Charakter einer Strafbesteuerung haben. 150
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Der Steuerpflichtige kann sich gegen eine entsprechende Schätzung wehren, in dem er durch geeig- 506 nete Nachweise darlegt, dass eine andere Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist. Dieser Nachweis kann insbesondere durch die vollständige ausgefüllte Steuererklärung sowie durch Buchhaltungsunterlagen und weiteren Belegen erfolgen. ! Praxishinweis: Gegen eine Ermessensveranlagung kann der Steuerpflichtige nur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit Einsprache erheben. Nach der Durchführung der Veranlagung setzt die Steuerbehörde in der Veranlagungsverfügung 507 die Steuerbemessungsgrundlage und den sich daraus ergebenden Steuerbetrag fest. Eventuelle Abweichungen von der Steuererklärung hat die Steuerbehörde spätestens mit der Zustellung der Veranlagungsverfügung bekannt zu geben. Die Bekanntgabe der vorgenommen Abweichungen von den Angaben des Steuerpflichtigen ist insbesondere daher wichtig, damit dieser bei einer anderen Rechtsauffassung die Möglichkeit hat Rechtsmittel einzulegen.
b)
Das Veranlagungsverfahren bei der Grundstücksgewinnsteuer
Grundsätzlich übermitteln die Grundverkehrsbehörden die ihnen vorgelegten Verträge über den Er- 508 werb liechtensteinischer Grundstücke der Steuerverwaltung. Bei wirtschaftlichen Handänderungen hingegen, die nicht den Grundverkehrsbehörden vorzulegen sind, ist vom Übertragenden innerhalb von 30 Tagen die Übertragung schriftlich bei der Steuerverwaltung anzuzeigen. Insoweit besteht folglich eine Meldepflicht durch den Steuerpflichtigen bei der Grundstücksgewinnsteuer. ! Praxishinweis: Die Meldung des Steuerpflichtigen wird in der Praxis insbesondere durch Art. 134 SteG sichergestellt. Demnach darf eine Eigentumsübertragung von Grundstücken im Grundbuch erst eingetragen werden, wenn die Entrichtung der durch den Übergang bedingten Steuern nachgewiesen wird. Nachdem die Steuerverwaltung durch die Grundverkehrsbehörden oder den Steuerpflichtigen selbst 509 über den Vorgang informiert wurde, fordert die Steuerverwaltung den Steuerpflichtigen durch Zustellung eines Steuerformulars zur Abgabe einer Steuererklärung auf. Wenn die Steuerverwaltung keine entsprechende Zustellung des Steuerformulars vornimmt, so bedeutet dies nicht, dass der Steuerpflichtige von seiner Steuerpflicht entbunden ist. Der Steuerpflichtige hat in solch einem Fall vielmehr die Pflicht das entsprechende Formular bei der Steuerverwaltung selbst zu beantragen. Die Steuerverwaltung veranlagt die Grundstücksgewinnsteuer. Darüber hinaus sind die allgemeinen 510 Verfahrensgrundsätze und die Vorgehensweise im ordentlichen Veranlagungsverfahren sinngemäß anwendbar.
c)
Veranlagungsverfahren bei der Widmungsbesteuerung
Vermögenszuwendungen, die der Widmungsbesteuerung unterliegen, sind vom Übertragenden 511 innerhalb von 30 Tagen seit der Zuwendung schriftlich bei der Steuerverwaltung anzuzeigen. Die Steuerverwaltung veranlagt daraufhin die Widmungssteuer. Darüber hinaus sind die allgemeinen Verfahrensgrundsätze und die Vorgehensweise im ordentlichen Veranlagungsverfahren sinngemäß anwendbar.
151
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
d) 2
Das Veranlagungsverfahren bei der Gründungsabgabe
512 Art. 106 SteG normiert, dass Gründungen, Errichtungen, Sitzverlegungen, Kapitalerhöhungen und Handänderungen nach Art. 66 SteG der Steuerverwaltung anzuzeigen sind. Auf Basis dieser Meldungen wird die Gründungsabgabe von der Steuerverwaltung veranlagt. 513 Zur Sicherstellung, dass der Steuerpflichtige seiner Meldepflicht nachkommt, bestimmt Art. 106 Abs. 3 SteG, dass das Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt erst dann die Veröffentlichung des Registereintrages vornehmen oder die Bestätigung über die Hinterlegung ausstellen darf, wenn der Nachweis über die Entrichtung der Gründungsabgabe erbracht ist. Folglich wird die zivilrechtliche Gültigkeit des Rechtsgeschäfts an die Bezahlung der Gründungsabgabe geknüpft.
e)
Das Veranlagungsverfahren bei der Abgabe auf Versicherungsprämien
aa) Fiskalvertreter 514 Art. 107 SteG verpflichtet Versicherer ohne inländische Betriebsstätte, dass sie einen Bevollmächtigten (Fiskalvertreter), der auch Zustellungsbevollmächtigter sein muss, bestellen müssen. Als Fiskalvertreter können ausschließlich nach liechtensteinischem Recht zugelassene Treuhänder, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte mit Wohnsitz oder Sitz in Liechtenstein sowie liechtensteinische Versicherungsunternehmen bestellt werden. 515 Der Fiskalvertreter hat die abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, die dem von ihm vertretenen Versicherer obliegen. Er ist befugt, die dem von ihm vertretenen Versicherer zustehenden Rechte wahrzunehmen. Gleichzeitig haftet der Fiskalvertreter jedoch auch für die Entrichtung der Abgabe auf Versicherungsprämien. bb) Auskunftspflicht 516 Versicherer, Versicherungsnehmer und Fiskalvertreter haben nach Art. 108 SteG der Steuerverwaltung über alle Tatsachen, die für die Abgabepflicht oder für die Abgabeberechnung von Bedeutung sein können, Auskunft zu erteilen. Der Versicherer ist ferner verpflichtet, dem Fiskalvertreter den Abschluss von Versicherungsverträgen unter Angabe aller für die Erhebung der Abgabe auf Versicherungsprämien bedeutsamen Umstände unverzüglich bekannt zu geben. cc) Abrechnungsverfahren 517 Der Versicherer hat die Abgabe auf Versicherungsprämien aufgrund der Abrechnung mit amtlichem Formular grundsätzlich innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf des Halbjahres für die in diesem Zeitraum vereinnahmten Prämien, gesondert nach Versicherungszweigen, unaufgefordert der Steuerverwaltung zu entrichten. In Ausnahmefällen kann die Steuerverwaltung ein anderes Abrechnungsverfahren gestatten.
152
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
5.
Steuerforderungen
a)
Mithaftung
2
2
aa) Grundsatz Im folgenden werden verschiedene Konstellationen aufgezeigt, wann jemand solidarisch mit dem 518 Steuerpflichtigen persönlich für den gesamten Steuerbetrag haftet. Die Zahlung des Steuerbetrages befreit die Mithaftenden von der Haftung. bb) Gemeinsam veranlagte Ehegatten Art. 111 Abs. 1 SteG normiert, dass Ehegatten, die gemeinsam veranlagt werden, solidarisch zur Ent- 519 richtung der Vermögens- und Erwerbssteuer für sich und die mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden minderjährigen Kinder verpflichtet sind. Jeder Ehegatte hat jedoch nur für seinen Anteil an der Gesamtsteuer die Steuern zu entrichten, wenn einer von beiden Ehegatten zahlungsunfähig ist. cc) Getrennt veranlagte Ehegatten Für getrennt veranlagte Ehegatten entfällt gemäß Art. 111 Abs. 2 SteG die Solidarschuld auch für 520 alle noch offenen Steuerschulden. Hierbei ist es unerheblich, ob die Ehegatten getrennt veranlagt werden, weil sie in rechtlich oder tatsächlich getrennter Ehe leben oder weil sie eine getrennte Veranlagung beantragt haben. dd) Haftung bei liquidierten juristischen Personen Für die Steuerschuld einer rechtlich oder faktisch liquidierten juristischen Person haften bis zum 521 Betrag des Reinvermögens oder des Liquidationsergebnisses solidarisch die mit der Verwaltung und Liquidation betrauten Personen. Die Haftung entfällt, wenn die betroffene Person nachweist, dass sie alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat. Damit hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Exkulpation für den Verwalter bzw. Liquidator geschaffen. Gleichzeitig soll dies als Anreiz dienen, dass diese um eine ordnungsgemäße Besorgung der Steuerschuld bemüht sind. ! Praxishinweis: Solange eine Teilliquidation nur eine Teilliquidation und keine faktische Liquidation darstellt, kommt diese Bestimmung nicht zum Tragen. Ferner haften für die Steuerschuld der beschränkt Steuerpflichtigen solidarisch die mit der Liqui- 522 dation der die liechtensteinische Steuerpflicht begründenden inländischen Gegenstände betrauten Personen bis zum Betrag des Reinvermögens. ee) Haftung bei Wegzug einer juristischen Person Für die Steuerschuld einer juristischen Person, die ihren Sitz ohne Liquidation in Gebiete außerhalb 523 des Europäischen Wirtschaftsraumes und der Schweiz verlegt, haften deren Organe oder die für sie handelnden Personen bis zum Betrag des Reinvermögens der juristischen Person solidarisch. Die Haftung entfällt, wenn die betroffene Person nachweist, dass sie alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat. Auch hier ist somit wieder die Möglichkeit der Exkulpation gegeben. ff) Haftung bei Steuerschulden des Erblassers Für die Steuerschuld des Erblassers haften die mit der Verteilung des Nachlasses betrauten Personen bis zum Betrag des reinen Nachlassvermögens solidarisch. 153
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§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht gg) Haftung der minderjährigen Kinder 524 Die minderjährigen, unter der Obsorge des Steuerpflichtigen stehenden Kinder haften bis zum Betrag des auf sie entfallenden Anteils an der Gesamtsteuer solidarisch mit dem Steuerpflichtigen.
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b)
Nachfolge
525 Art. 112 SteG ist die Kodifizierung der so genannten Fussstapfentheorie bei Erben. Demnach folgen die Erben mit dem Tod des Erblassers in die steuerlichen Rechte und Pflichten des Erblassers nach. Dies beinhaltet auch etwaige noch nicht erfüllte Steuerverpflichtungen. Diese Regelgung gilt jedoch nur für die Erben als Gesamtrechtsnachfolger und nicht etwa auch für die Vermächtnisnehmer als Einzelrechtsnachfolger. Dies bedeutet zudem, dass die Erben die Anschaffungskosten und die Buchwerte des Erblassers fortführen. ! Praxishinweis: Dies gilt im Gegensatz zur Praxis in Deutschland ab dem 19. August 2008 auch für Verlustvorträge. Der Erbe tritt also auch insoweit in die Rechtsposition des Erblassers ein, dass er die Verlustvorträge des Erblassers nutzen kann.
c)
Entstehung und Fälligkeit
aa) Entstehung 526 Nach Art. 113 Abs. 1 SteG entsteht die Steuerforderung in dem Zeitpunkt, in dem der steuerpflichtige Tatbestand erfüllt ist. bb) Grundsätzliche Fälligkeit 527 Grundsätzlich wird eine Steuer gemäß Art. 113 Abs. 2 SteG mit der Zustellung der Veranlagungsverfügung fällig. Dies betrifft grundsätzlich die Vermögen- und Erwerbssteuer, mit Ausnahme der selbständig Erwerbenden, die Widmungssteuer sowie die Grundsstücksgewinnsteuer. Das Fälligkeitsdatum bleibt zudem unverändert, auch wenn gegen eine Veranlagung Einsprache oder Beschwerde erhoben wurde. cc) Festlegung eines allgemeinen Fälligkeitstermins 528 Bei der Vermögens- und Erwerbssteuer für selbständig Erwerbende sowie grundsätzlich der Ertragssteuer für juristische Personen wird die Steuer durch einen von der Steuerverwaltung bestimmten Zeitpunkt fällig. Hierbei handelt es sich somit um einen allgemeinen Fälligkeitstermin. 529 Diese Bestimmung wurde durch die Totalrevision des Steuergesetzes neu eingeführt. Hintergrund war gemäß der Regierung, dass die grundsätzliche Fälligkeit dazu führte, dass Steuerpflichtige, die früh veranlagt wurden, einen Nachteil gegenüber denjenigen Steuerpflichtigen hatten, die später veranlagt wurden. Denn diejenigen Steuerpflichtigen, die später veranlagt wurden und bei denen aufgrund der Veranlagung eine Steuerzahllast resultiert, konnten bis zu diesem Zeitpunkt über ihr Geld verfügen und dieses zinsbringend anlegen. dd) Sonderfälle 530 In den folgenden Konstellationen wird die Steuer in jedem Fall fällig: Q am Gründungsdatum sowie jährlich wiederkehrend an diesem Stichtag bei der Mindestertragssteuer, sofern diese nicht veranlagt wird (Art. 64 Abs. 8 und 65 SteG); Q am Tag, an dem der Steuerpflichtige das Land verlässt; 154
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Q Q Q Q
zu dem in der Steuervorschreibung nach Art. 34 SteG festgesetzten Zeitpunkt bei der Steuer nach Aufwand; mit der Löschung einer steuerpflichtigen juristischen Person im Öffentlichkeitsregister; im Zeitpunkt, in dem der beschränkt Steuerpflichtige seine in Liechtenstein gelegenen Betriebsstätten oder seine in Liechtenstein gelegenen Grundstücke aufgibt; bei der Konkurseröffnung über den Steuerpflichtigen.
ee) Fälligkeit der Abgabe auf Versicherungsprämien Die Abgabeforderung auf die Versicherungsprämie wird gemäß Art. 113 Abs. 6 SteG 30 Tage nach 531 Ablauf des Halbjahres, in dem sie entstanden ist, fällig. Sie entsteht mit der Zahlung der Prämie.
d)
Zahlung
Grundsätzlich ist eine Steuerforderung, soweit nichts anderes bestimmt ist, innerhalb von 30 Tagen 532 nach ihrer Fälligkeit zu entrichten. Eine Ausnahme hiervon bilden bewilligte Zahlungserleichterungen, wie beispielsweise eine Stundung, Ratenzahlung oder andere Zahlungserleichterung, und Fälle in denen der Steuerpflichtige ins Ausland verzieht. Bei einem Wegzug ins Ausland ist die Steuer spätestens am Tag des Wegzugs zu entrichten.
e)
Verzugszinsen
Für Steuerbeträge, die nicht fristgerecht entrichtet werden, ist ein Verzugszins zu bezahlen. Die Zins- 533 pflicht beginnt nach Ablauf der Zahlungsfrist, die grundsätzlich 30 Tage beträgt. Somit beginnt der Zinslauf damit in der Regel ab dem 31. Tag nach der Fälligkeit der Steuerschuld. Die Höhe des Zinssatzes wurde in Art. 45 Steuerverordnung auf 4% festgelegt. Wenn der Zahlungspflichtige jedoch bei Eintritt der Fälligkeit aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, noch keine Veranlagungsverfügung oder provisorische Rechnung erhalten hat, so beginnt die Zinspflicht 30 Tage nach deren Zustellung.
f)
Veranlagungsverjährung
aa) Grundsatz Die grundsätzliche Verjährungsfrist und der Beginn des Fristlaufes wird in Art. 115 Abs. 1 SteG fest- 534 gelegt. So verjährt das Recht eine Steuer zu veranlagen regelmäßig nach fünf Jahren. Bei periodisch geschuldeten Steuern beginnt die Verjährung nach Ablauf des Steuerjahres, auf das sie sich bezieht und bei nicht periodisch geschuldeten Steuern nach Ablauf des Steuerjahres, in welchem das steuerpflichtige Ereignis stattgefunden hat. bb) Verjährungshemmungen oder –unterbrechungen Die Verjährungsfrist von fünf Jahren kann sich aufgrund der in Art. 115 Abs. 2 und 3 SteG genann- 535 ten Verjährungenshemmungen und –unterbrechungen de facto entsprechend verlängern. Die Verjährung beginnt demnach nicht oder ist gehemmt: Q während eines Rechtsmittelverfahrens; Q solange die Steuerforderung sichergestellt oder gestundet ist; Q solange die steuerpflichtige Person in Liechtenstein keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat; Q solange gegen den Steuerpflichtigen in Liechtenstein nicht Exekution geführt werden kann; oder 155
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht solange bezüglich der Steuerforderung ein Steuerstrafverfahren durchgeführt wird. Ferner wird die Verjährungsfrist unterbrochen und die Verjährung beginnt neu mit: Q Anerkennung der Steuerforderung durch den Steuerpflichtigen; Q jeder mit Kenntnis des Steuerpflichtigen vorgenommenen, auf die Feststellung der Steuerpflicht oder die Geltendmachung der Steuerforderung gerichteten Handlung der Steuerbehörden; oder Q Einreichung eines Gesuches um Steuernachlass. Q
2
cc) Absolute Verjährungsfrist 536 Art. 115 Abs. 4 SteG normiert eine absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren. Dies bedeutet, dass unabhängig vom Vorliegen von Verjährungshemmungen und Verjährungsunterbrechungen spätestens nach zehn Jahren die Möglichkeit zur Veranlagung der Steuer verjährt ist. Der Zeitlauf der absoluten Verjährungen erfolgt aufgrund des Verweises auf Art. 115 Abs. 1 S. 2 SteG bei periodisch geschuldeten Steuern nach Ablauf des Steuerjahres, auf das sie sich bezieht und bei nicht periodisch geschuldeten Steuern nach Ablauf des Steuerjahres, in welchem das steuerpflichtige Ereignis stattgefunden hat.
6.
Rechtsmittelverfahren
a)
Einsprache an die Steuerverwaltung
aa) Anwendungsbereich und Ziel 537 Der Steuerpflichtige kann nach Art. 116 SteG innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung der Einsprache gegen Veranlagungsverfügungen und sonstige Verfügungen bei der Steuerverwaltung erheben. Mit der Einsprache kann der Steuerpflichtige alle Mängel geltend machen. Zu beachten ist jedoch, dass der Steuerpflichtige gegen eine Ermessensveranlagung nur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit Einsprache erheben kann. bb) Form 538 Die Einsprache ist schriftlich einzureichen. Sie hat die Anträge, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel sowie die Unterschrift des Einsprechers oder seines Vertreters zu enthalten. Wird der Einsprecher durch einen Dritten vertreten, hat dieser sich durch schriftliche Vollmacht auszuweisen. Die Beweismittel sind in der Einspracheschrift zu bezeichnen und ihr beizulegen. cc) Rechtsfolge 539 Wenn die Einsprache die formellen Anforderungen erfüllt, prüft die Steuerverwaltung die Sache neu und kann die Verfügung ganz oder teilweise abändern. Der Steuerpflichtige hat das Recht, die Einsprache vor der Steuerverwaltung persönlich zu vertreten. Richtet sich die Einsprache gegen eine ausführlich begründete Verfügung, so ist sie auf Antrag oder mit Zustimmung des Einsprechers als Beschwerde an die Landessteuerkommission weiterzuleiten. dd) Kosten 540 Die Kosten einer abweisenden Einspracheentscheidung trägt der Einsprecher. Dringt der Einsprecher mit seinen Anträgen teilweise durch, sind die Kosten verhältnismäßig herabzusetzen. Dem obsiegenden Einsprecher können die Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn er das Einspracheverfahren unnötigerweise verursacht hat. Partei- und Vertretungskosten werden in keinem Fall zugesprochen und sind somit stets selbst zu zahlen. 156
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
b)
Beschwerde an die Landessteuerkommission
aa) Anwendungsbereich und Ziel Der Steuerpflichtige kann gegen eine Einspracheentscheidung der Steuerverwaltung innerhalb von 541 30 Tagen ab Zustellung bei der Landessteuerkommission Beschwerde dagegen erheben. Mit der Beschwerde kann der Steuerpflichtige alle Mängel geltend machen. Gegen eine Ermessensveranlagung oder eine Ermessensentscheidung kann der Steuerpflichtige jedoch nur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit Beschwerde erheben. Beweismittel, die im Veranlagungs- oder Einspracheverfahren vorenthalten worden sind, dürfen nicht mehr erhoben oder entgegengenommen werden. bb) Form Die Beschwerde ist schriftlich einzureichen. Sie hat die Anträge, deren Begründung mit Angabe der 542 Beweismittel sowie die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Wird der Beschwerdeführer durch einen Dritten vertreten, hat dieser sich durch schriftliche Vollmacht auszuweisen. Die Beweismittel sind in der Beschwerdeschrift zu bezeichnen und ihr beizulegen. cc) Rechtsfolge Die Beschwerde des Steuerpflichtigen gegen eine Einspracheentscheidung wird der Steuerverwal- 543 tung zur Anbringung einer Gegenäußerung vorgelegt. Der Steuerpflichtige und die Steuerverwaltung haben das Recht, die Beschwerde vor der Landessteuerkommission persönlich zu vertreten. Macht die Landessteuerkommission von ihren Befugnissen der Sachverhaltsfeststellung nach Art. 93 SteG Gebrauch und weigert sich der Steuerpflichtige, einem zur Feststellung erheblicher Tatsachen gestellten Begehren nach Erteilen von Auskünften oder auf Vorlage von Geschäftsbüchern oder anderen Ausweisen zu entsprechen, so ist die vom Steuerpflichtigen erhobene Beschwerde unter Vorbehalt eventueller Straffolgen als unbegründet abzuweisen. Nach Abschluss der Untersuchung fällt die Landessteuerkommission ihre Entscheidung und teilt sie den Parteien mit. dd) Kosten Die Kosten einer abweisenden Entscheidung trägt der Beschwerdeführer. Dringt er mit seinen An- 544 trägen teilweise durch, sind die Kosten verhältnismäßig herabzusetzen. Dem obsiegenden Beschwerdeführer können die Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn er das Beschwerdeverfahren unnötigerweise verursacht hat. Partei- und Vertretungskosten werden in keinem Fall zugesprochen und sind somit stets selbst zu zahlen.
c)
2
Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof
Gegen eine Entscheidung der Landessteuerkommission kann nach Art. 118 SteG innerhalb von 30 545 Tagen ab Zustellung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Das Beschwerderecht steht dabei dem Steuerpflichtigen und der Steuerverwaltung zu. Die Beschwerde des Steuerpflichtigen wird der Steuerverwaltung zur Anbringung von Gegenäußerungen vorgelegt. Mit der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof kann der Beschwerdeführer Rechtsverletzungen geltend machen und sich darauf berufen, die angefochtene Entscheidung beruhe auf einem aktenwidrigen oder unvollständig festgestellten Sachverhalt.
157
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
d) 2
Individualbeschwerde beim Staatsgerichtshof
546 Art. 15 StGHG46 eröffnet die Möglichkeit einer Individualbeschwerde beim Staatsgerichtshof, wenn der Beschwerdeführer behauptet, durch eine enderledigende letztinstanzliche Entscheidung oder Verfügung der öffentlichen Gewalt in einem seiner verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte oder in einem seiner durch internationale Übereinkommen garantierten Rechte, für die der Gesetzgeber ein Individualbeschwerderecht ausdrücklich anerkannt hat, verletzt zu sein. Art. 15 Abs. 4 StGHG normiert, dass die Beschwerde innerhalb von vier Wochen ab Zustellung der letztinstanzlichen Entscheidung oder Verfügung oder ab Wirksamkeit der unmittelbaren Verletzung erhoben werden kann. Gemäß Art. 52 Abs. 1 StGHG kommen Anträgen an den Staatsgerichtshof grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zu. Art. 52 Abs. 2 StGHG sieht jedoch bei Individualbeschwerden eine Ausnahme vor. Demnach kann der Vorsitzende auf Antrag der Partei durch Beschluss aufschiebende Wirkung zuerkennen, insoweit nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und durch den Vollzug ein unverhältnismäßiger Nachteil für den Beschwerdeführer entstünde.
e)
Beschwerde an das Schweizer Bundesgericht
547 Im Bereich der indirekten Steuern gibt es außerdem noch die Möglichkeit, dass ein Entscheid des Verwaltungsgerichtshofes beim Schweizerischen Bundesgericht angefochten werden kann. Dieses Rechtsmittel ist jedoch nur im Bereich der Mehrwertsteuer vorgesehen und erfolgt auf der Grundlage des Mehrwertsteuervertrags zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft aus dem Jahre 1994. ! Praxishinweis: Bei den direkten Steuern ist ein Verfahren vor dem Schweizerischen Bundesgericht nicht möglich.
7.
Änderung rechtskräftiger Veranlagungen
a)
Vorbemerkung
548 Die Möglichkeiten eine rechtskräftige Veranlagung nachträglich zu korrigieren ist in den Art. 119 bis 125 SteG geregelt. Hierbei handelt es sich um das so genannte Korrekturrecht. Hierbei werden in Liechtenstein zwei Verfahrensarten unterschieden. Das Nachsteuerverfahren nach Art. 120 bis 122 SteG behandelt die Korrektur zugunsten der Steuerbehörden. Das Revisionsverfahren gemäß Art. 123 SteG normiert hingegen die Korrekturmöglichkeiten zugunsten des Steuerpflichtigen. Folglich ist das Ziel des Nachsteuerverfahrens eine zu niedrige Besteuerung zu verhindern und das Revisionsverfahren dient zur Bekämpfung einer Überbesteuerung. Darüber hinaus beinhaltet das Korrekturrecht zwei weitere Elemente, die sowohl zugunsten der Steuerbehörden, aber auch zugunsten des Steuerpflichtigen wirken können. Hierbei handelt es sich um die Verständigungsvereinbarung und den Schiedsspruch nach Art. 124 SteG sowie die Möglichkeit Rechnungsfehler und Schreibversehen gemäß Art. 125 SteG zu korrigieren.
46 Gesetz vom 27. November 2003 über den Staatsgerichtshof (StGHG).
158
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
2
! Praxishinweis: Eine Änderung von rechtskräftigen Veranlagungen nach den Bestimmungen des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltungspflege ist gemäß Art. 119 SteG ausgeschlossen.
2
b)
Voraussetzungen für die Erhebung einer Nachsteuer
Nach Art. 120 Abs. 1 SteG ist die Erhebung einer Nachsteuer zulässig, wenn die folgenden drei Vor- 549 aussetzungen kumulativ erfüllt sind: 1. Die entsprechende Veranlagung muss rechtskräftig sein. 2. Diese Veranlagung muss ungenügend ausgefallen sein. Es muss also eine zu niedrige Besteuerung vorliegen und 3. dies muss auf im Veranlagungszeitpunkt nicht bekannte Tatsachen oder Beweismittel zurückzuführen sein. Ferner normiert Art. 120 Abs. 1 SteG, dass diese Nachsteuer zu verzinsen ist, wobei der Zinssatz 550 gemäß Art. 45 Steuerverordnung 4% beträgt. Art. 120 Abs. 2 SteG schließt die Zulässigkeit einer Nachsteuererhebung jedoch für die Fälle aus, 551 in denen der Steuerpflichtige die Bestandteile der steuerpflichtigen Leistung und Werte in seiner Steuererklärung vollständig und genau angegeben hat und die Bewertung der einzelnen Bestandteile von den Steuerbehörden anerkannt worden ist. Dies gilt auch, wenn die Bewertung ungenügend war.
c)
Zeitliche Grenze für die Erhebung einer Nachsteuer
Gemäß Art. 121 Abs. 1 SteG erlischt das Recht, ein Nachsteuerverfahren einzuleiten, nach fünf Jah- 552 ren. Bei periodisch geschuldeten Steuern beginnt die Frist nach Ablauf des Steuerjahres, für das eine Veranlagung zu Unrecht unterblieben oder eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist und bei nicht periodisch geschuldeten Steuern nach Ablauf des Steuerjahres, in welchem das steuerpflichtige Ereignis stattgefunden hat. Die Selbstanzeige und die Eröffnung eines Strafverfahrens gelten zugleich als Einleitung des 553 Nachsteuerverfahrens. Somit ist in diesen Fällen für die Prüfung der Verjährungsfrist auf den Zeitpunkt der Selbstanzeige bzw. Eröffnung des Strafverfahrens abzustellen. ! Praxishinweis: Auch bei der Festsetzung der Nachsteuer gilt die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren.
d)
Nachsteuerverfahren: Vorgehensweise bei Tod des Steuerpflichtigen
Art. 122 SteG normiert, dass die Nachsteuerverfahren, die bei Tod des Steuerpflichtigen noch nicht 554 eingeleitet oder noch nicht abgeschlossen sind, gegenüber dem ruhenden Nachlass oder den Erben eingeleitet oder fortgesetzt werden. Bei der Frage, ob das Nachsteuerverfahren gegen den ruhenden Nachlass oder den Erben eingeleitet oder fortgesetzt wird, ist der Zeitpunkt der Einantwortung maßgeblich. Vor der Einantwortung der Erbschaft erfolgt das Verfahren gegen den ruhenden Nachlass und nach der Einantwortung der Erbschaft gegen den bzw. die Erben.
159
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
e) 2
Revision
aa) Anwendungsbereich und Voraussetzungen 555 Die Revision bietet dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eine rechtskräftige Veranlagung zu seinen Gunsten zu korrigieren. Nach Art. 123 Abs. 1 SteG kann eine rechtskräftige Verfügung oder Entscheidung auf Antrag oder von Amtes wegen zugunsten des Steuerpflichtigen revidiert werden, wenn entweder erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel neu entdeckt werden oder die erkennende Behörde erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel, die ihr bekannt waren oder bekannt sein mussten, außer Acht gelassen oder in anderer Weise wesentliche Verfahrensgrundsätze verletzt hat. 556 Ausgeschlossen ist eine Revision nach Art. 123 Abs. 2 SteG jedoch, wenn der Antragsteller als Revisionsgrund vorbringt, was er bei der ihm zumutbaren Sorgfalt bereits im ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können. Es darf sich somit nicht um sein Verschulden handeln, dass die neuen Tatsachen erst im Nachhinein bekannt geworden sind. bb) Zeitliche Frist für die Antragsstellung 557 Das Revisionsbegehren muss innerhalb von 90 Tagen nach Entdeckung des Revisionsgrundes, spätestens aber innerhalb von zehn Jahren nach Zustellung der Verfügung oder Entscheidung eingereicht werden. Korrespondierend zum Nachsteuerverfahren greift somit auch hier die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren. cc) Formelle und inhaltliche Anforderungen an einen Revisionsantrag 558 Das Revisionsbegehren ist schriftlich bei der Behörde einzureichen, welche die frühere Verfügung oder Entscheidung erlassen hat. Ferner muss das Revisionsbegehren die genaue Bezeichnung der einzelnen Revisionsgründe und einen Antrag, in welchem Umfang die frühere Verfügung oder Entscheidung aufzuheben und wie neu zu entscheiden sei, enthalten.
f)
Verständigungsvereinbarung und Schiedsspruch
559 Nach Art. 124 SteG ist eine Veranlagungsverfügung zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit dies zur Umsetzung einer Verständigungsvereinbarung oder eines Schiedsspruches nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geboten ist. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll sichergestellt werden, dass die erzielten Verständigungsvereinbarungen und Schiedssprüche auch umgesetzt werden können.
g)
Berichtigung von Rechnungsfehlern und Schreibversehen
560 Rechnungsfehler und Schreibversehen in rechtskräftigen Verfügungen und Entscheidungen können gemäß Art. 125 SteG innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach Zustellung auf Antrag des Steuerpflichtigen oder von Amts wegen von der Behörde, der sie unterlaufen sind, berichtigt werden. Gegen diese Berichtigung oder ihre Ablehnung können die gleichen Rechtsmittel wie gegen die frühere Verfügung oder Entscheidung ergriffen werden.
160
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
8.
Steuerbezug und Steuersicherung
a)
Grundsatz
2
Art. 126 SteG legt die behördlichen Zuständigkeiten und die Aufgaben dieser Behörden beim Steu- 561 erbezug fest. So sind die Gemeindesteuerkassen für den Bezug der Vermögens- und Erwerbssteuer und die Steuerverwaltung ist für den Bezug der übrigen Steuern zuständig. Diese umfassen unter anderem die Ertragssteuer, Grundstücksgewinnsteuer, Widmungssteuer, Quellensteuern, Gründungsabgabe und Abgabe auf Versicherungsprämien. Ferner wird der Steuerverwaltung das Recht eingeräumt eine Bagatellgrenze für den Bezug von Steuern und Verzugszinsen festzulegen. Unterhalb dieser Bagatellgrenze werden die Steuern und Verzugszinsen nicht erhoben. Art. 126 Abs. 2 SteG bestimmt, dass die mit dem Steuerbezug betraute Behörde durch Rechnungsstellung, Mahnung und Zwangsbetreibung für den Bezug der Steuern, Nachsteuern, Bußen, Zinsen und Kosten sorgt.
b)
Provisorischer und definitiver Bezug
Grundsätzlich werden die Landessteuern gemäß der vorgenommen Veranlagung bezogen. Für die 562 Vermögens- und Erwerbssteuer für selbständig Erwerbende sowie die Ertragssteuer für juristische Personen – mit Ausnahme der Mindestertragssteuer nach Art. 64 Abs. 8 SteG und 65 SteG – sieht Art. 127 SteG jedoch im ersten Schritt einen provisorisch Steuerbezug vor. Die Grundlage für den provisorischen Steuerbezug ist die Steuererklärung, die letzte rechtskräftige Veranlagung oder der mutmaßlich geschuldete Steuerbetrag. Nachdem die Kontrolle der Steuererklärung vorgenommen wurde, wird die Steuer definitiv veranlagt und bezogen. Die provisorisch bezogene Steuer wird auf die gemäß Veranlagung geschuldeten Steuern angerech- 563 net. Zu wenig bezahlte Beträge werden dann nachgefordert und zu viel bezahlte Beträge werden entsprechend erstattet. ! Praxishinweis: Die provisorische Rechnung stellt ein Exekutionstitel im Sinne der Exekutionsordnung dar.
c)
Bezugsverjährung
Steuerforderungen sowie die Abgabe auf Versicherungsprämien verjähren gemäß Art. 128 SteG 564 grundsätzlich fünf Jahre, nachdem die Veranlagung rechtskräftig geworden ist. Es sind hier die gleichen Verjährungshemmungen und –unterbrechungen wie in Art. 115 SteG einschlägig. Ferner bildet hier auch die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren die Obergrenze für einen möglichen Steuerbezug.
d)
2
Rückforderung bezahlter Steuern
Nach Art. 130 SteG kann ein Steuerpflichtiger einen von ihm bezahlten Steuerbetrag zurückfordern, 565 wenn er (irrtümlicherweise) eine nicht geschuldete Steuer bezahlt hat. Unter dem Begriff nicht geschuldete Steuer werden gemäß BuA 48/2010 Steuerbeträge verstanden, für die es im Zeitpunkt der Rückforderung keine rechtskräftige Veranlagung mehr gibt und auch nicht mehr geben wird. Wenn 161
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht die Rechtskraft einer Veranlagung im Nachhinein aufgrund einer Revision oder einer anderen Korrekturvorschrift vollständig oder zum Teil beseitigt wird, dann ist entsprechend dieser Korrektur ebenfalls ein Rückförderungsanspruch gegeben. 566 Um seinen Rückforderungsanspruch geltend zu machen, muss der Steuerpflichtige diesen innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Zahlung geleistet worden ist, geltend machen. Zur Wahrung der Frist wird auf die Einreichung des Rückforderungsanspruches abgestellt und nicht auf die Auszahlung durch die Steuerbehörde. 567 Ab dem 31. Tag seit der Zahlung, der zurückzuerstattende Steuerbeträge, hat der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Verzinsung der rückforderbaren Steuern. Der Rückerstattungszins beträgt gemäß Art. 48 Steuerverordnung 2%.
e)
Zahlungserleichterungen
568 In den Fällen, wo die rechtzeitige Zahlung von Steuern, Nachsteuern, Zinsen, Kosten oder Bußen eine erhebliche Härte darstellen würde, kann die Bezugsbehörde gemäß Art. 131 SteG auf Antrag eine Stundung, ratenweise Bezahlung oder andere Zahlungserleichterungen bewilligen. Die gewährten Zahlungserleichterungen sind zu widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind oder die daran geknüpften Bedingungen nicht erfüllt werden, denn mit Hilfe der Zahlungserleichterungen soll lediglich eine kurzfristige Notlage überbrückt werden. Nicht geleistete Ratenzahlungen sind ein Beispiel für die Nichterfüllung von festgelegten Bedingungen. ! Praxishinweis: Gegen eine negative Entscheidung zur beantragten Zahlungserleichterung gibt es kein Rechtsmittel.
f)
Steuernachlass
569 Art. 132 SteG sieht die Möglichkeit eines vollständigen oder teilweisen Erlasses der geschuldeten Steuern, Nachsteuern, Zinsen, Kosten oder Bußen vor, wenn deren Entrichtung für den Zahlungspflichtigen eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Das entsprechende Gesuch um Steuernachlass ist an die Steuerverwaltung zu richten. Die Steuerverwaltung ist in diesem Zusammenhang verpflichtet, dass sie vor ihrer Entscheidung eine Stellungnahme derjenigen Gemeinden, deren Interessen durch das Gesuch berührt werden, einholt. Falls das Gesuch vollständig oder teilweise abgelehnt wird, dann kann Gesuchsteller innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung der Entscheidung Beschwerde bei der Regierung erheben.
g)
Steuersicherung
570 Art. 133 SteG bestimmt, dass für die Steuersicherung grundsätzlich die Vorschriften der Exekutionsordnung über die Rechtssicherung gelten. In dringenden Fällen können die Steuerbehörden jedoch vorläufige Sicherungsmaßnahmen anordnen und durchführen. Über verhängte Sicherungsmaßnahmen ist dem Sicherungsgegner eine Bestätigung auszustellen. Wenn eine Steuerbehörde in einem dringenden Fall vorläufige Sicherungsmaßnahmen angeordnet hat, muss sie innerhalb von acht Tagen ab Durchführung der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen beim Landgericht die Erlassung eines Sicherungsbotes beantragen, widrigenfalls die vorläufigen Sicherungsmaßnahmen ihre Gültigkeit
162
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
2
verlieren. Für die Bewilligung eines Sicherungsbotes ist eine Glaubhaftmachung des Anspruches und der Gefährdung nicht notwendig. Die Bewilligung des Sicherungsbotes darf von der Leistung einer Sicherheit nicht abhängig gemacht werden.
9.
Exkurs: Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten
a)
Definition
2
Art. 3 SteG beinhaltet eine allgemeine Missbrauchsvorschrift, die zum Ziel hat, dass missbräuchliche 571 Gestaltungen steuerlich ignoriert werden. 572 Nach Art. 3 Abs. 1 SteG sind rechtliche oder tatsächliche Gestaltungen, welche Q den wirtschaftlichen Gegebenheiten unangemessen erscheinen und Q deren einziger wirtschaftlicher Zweck in der Erlangung von Steuervorteilen besteht, missbräuchlich, Q wenn die Gewährung dieses Steuervorteils gegen Sinn und Zweck des Steuergesetzes verstossen würde und Q der Steuerpflichtige keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe für die Wahl dieser Gestaltung vorbringen kann und Q die Gestaltung keine eigenständigen wirtschaftlichen Folgen zeigt. Hierbei handelt es sich folglich um eine kumulative Auflistung an Voraussetzungen, die allesamt 573 erfüllt sein müssen, damit eine Gestaltung als missbräuchlich angesehen werden darf.
b)
Internationaler Vergleich
Die Regelung des Art. 3 Abs. 1 im liechtensteinischen Steuergesetz ist stark an die deutsche Regelung 574 des § 42 Abs. 2 AO angelehnt. Der deutsche § 42 Abs. 2 AO lautet wie folgt: „Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.“ Das österreichische Pendant des § 22 BAO stimmt inhaltlich weitgehend mit § 42 AO überein. Im Rahmen der Auslegung der Missbrauchsbestimmung gibt es zwei Theorien. Diese sind die Au- 575 ßen- und die Innentheorie: Die Außentheorie sieht die Missbrauchsvorschrift als eigenen Besteuerungstatbestand an, der zu 576 allen anderen Besteuerungstatbeständen hinzutritt.47 Im österreichischen BAO Kommentar von Ritz heisst es zum § 22 BAO: „Ein Missbrauch ist eine rechtliche Gestaltung, die im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen ist und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung findet“ … „es ist dann zu prüfen, ob der gewählte Weg noch sinnvoll erscheint, wenn man den abgabensparenden Effekt wegdenkt, oder ob er ohne das Resultat der Steuerminderung einfach unverständlich wäre.“ Somit setzt die Anwendbarkeit des § 22 BAO nach dieser Auffassung neben dem objektiven Element der ungewöhnlichen und unangemessenen Gestaltung auch ein subjektives Element (die Absicht der Steuervermeidung) voraus.48 47 Vgl. Lang, VwGH zur Anwendung des § 22 BAO auf irische IFSC-Gesellschaften, SWI 2005, S. 67 ff. 48 Vgl. Ritz, BAO Kommentar, § 22.
163
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht 577 Eine „ungewöhnliche“ und „unangemessene“ rechtlichen Gestaltung ist in der Regel durch folgende Merkmale gekennzeichnet, Q Keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe Q Eine andere Gestaltung wäre wirtschaftlich gesehen geradezu zwingend Q Die gewählte Gestaltung ist umständlich, schwerfällig, unnötig, überflüssig, widersinnig Q Das wirtschaftliche Ziel wird auf Nebenwegen erreicht 578 Die Begriffsbestimmung „nur in der Absicht der Steuervermeidung“ ist eine sehr eng gefasste Voraussetzung für das Vorliegen eines Missbrauchstatbestandes und wird in der Praxis durch das Vorbringen von beachtlichen außersteuerlichen Gründen wiederlegt werden können. So geht aus einem VwGH Erkenntnis hervor, dass wenn beachtliche außersteuerliche Gründe für eine (wenn auch ungewöhnliche) Gestaltung angeführt werden ein Missbrauch auszuschließen ist.49 Solche außersteuerlichen Gründe können laut Ritz sein, Q Sozialversicherungsrechtliche Vorteile50 Q Überlegungen der Zukunftsplanung51 Q Überlegungen der Altersvorsorge52 Q Sicherung des Steuerpflichtigen für den Fall der Ehezerrüttung53 Q Verminderung der zivilrechtlichen Haftung54 Q Mietrechtliche Gründe, nämlich die Umgehung mietrechtsgesetzlicher Kündigungsbestimmungen durch Untermiet- statt Hauptmietverträge55 Q Umgehung gewerberechtlicher Vorschriften56 Q Sicherstellung eines garantierten Festzinsfusses für den Kredit, daher Zinsvorauszahlung57 Q Schenkung von Anteilen einer Immobilienverwaltung GmbH an Sohn als Ansporn, die Prüfung für das Gewerbe der Immobilienmakler abzulegen58 579 Das Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne der Außentheorie hängt jedoch immer von einem Umweg ab. Nach der Judikatur des VwGH kann im Allgemeinen nicht ein einziger Rechtsschritt, sondern stets eine Kette von Rechtshandlungen den Sachverhalt erfüllen, mit dem die Folge des § 22 BAO verbunden ist. Realakte für sich, wie die Gründung einer juristischen Person im Ausland oder auch die Übertragung, beispielsweise einer Beteiligung, können den Missbrauchstatbestand nicht begründen.59 580 Nach der Innentheorie hat eine Missbrauchsnorm als blosser Interpretationshinweis keine selbständige normative Bedeutung, die Steuerpflicht kann demnach nie auf dieser Norm, sondern nur auf den jeweiligen – umgangenen – Steuertatbestand gestützt werden. Somit ist gemäß der Innentheorie eine Gesetzesumgehung ein Problem des Wirkungsbereiches des Gesetzes und demnach ein Interpretationsproblem, denn ob ein Umgehungsversuch gelingt, hängt davon ab, ob die umgangene Gesetzesbestimmung auf den Umgehungsversuch anzuwenden ist oder nicht.60 Der Innentheorie 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60
164
Vgl. VwGH. Erkenntnis vom 24. 11. 1982, 81/13/0021. VwGH 21.10.1986, 86/14/0107; 10.5.1988, 87/14/0084; 15.1.1991, 90/14/0208. VwGH 15.1.1991, 90/14/0208. VwGH 22.10.1991, 91/14/0147. VwGH 29.11.1988, 88/14/0184. VwGH 23.5.1990, 89/13/0272-0275. VwGH 10.12.1991, 91/14/0154. VwGH 5.4.1989, 85/13/0086. VwGH 10.5.1988, 87/14/0094. VwGH 21.12.1989, 86/14/0173. Vgl Kofler, Der steuerliche Durchgriff bei der Privatstiftung, S. 162 unter Hinweis auf VwGH vom 12.12.1997, 93/13/0185. Vgl. Ritz, BAO Kommentar, § 22 Tz 7.
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 folgend, hat die Missbrauchsnorm nur die Bedeutung, dass die zivilrechtlichen Formen und Gestaltungen irrelevant und daher für Umgehungsversuche ungeeignet sind. Denn das Steuerrecht knüpft in der Regel nicht an das Zivilrecht sondern an die wirtschaftlichen Tatbestände an. Die Außentheorie ist in Deutschland Mehrheitsmeinung in der Lehre und der Rechtsprechung. 581 Ebenso wendet sowohl die österreichische Steuerverwaltung als auch die österreichische Rechtsprechung – im Gegensatz zur dortigen Lehre – die Außentheorie an.61 ! Praxishinweis: In der Praxis kommt daher der Dokumentation von Gestaltungen eine hohe Bedeutung zu, um im Streitfall der Steuerverwaltung nachweisen zu können, dass auch weitere Gründe für diese Vorgehensweise maßgeblich waren. Die Rechtsfolge beim Vorliegen einer entsprechenden missbräuchlichen Gestaltung wird in Art. 3 582 Abs. 2 SteG normiert. Demnach sind in diesen Fällen die Steuern so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären.
XII.
Strafbestimmungen
1.
Vorbemerkung
Das liechtensteinische Steuerstrafrecht ist in Abhängigkeit von der Schwere der Tat und in Überein- 583 stimmung mit der Rechtstradition in Übertretungen und Vergehen eingeteilt. Die Übertretungen umfassen unter anderem die Abgefährdung und die Steuerhinterziehung und werden mit einer Buße bestraft. Vergehen hingegen, die den Steuerbetrug und die Veruntreuungen von Quellensteuern beinhalten, können mit Freiheitsstrafe geahndet werden.
2.
Übertretungen
a)
Verletzung von Verfahrenspflichten
Art. 135 SteG regelt die Rechtsfolge bei einer Verletzung von Verfahrenspflichten. Demnach wird 584 wegen Übertretung mit Buße bis zu 1.000 Franken bestraft, wer einer Pflicht, die ihm nach den Vorschriften des Steuergesetzes oder den dazu erlassenen Verordnungen oder nach einer von der zuständigen Steuerbehörde aufgrund des Steuergesetzes auferlegten Anordnung obliegt, trotz Mahnung vorsätzlich oder fahrlässig nicht oder nicht richtig nachkommt. In schweren Fällen oder im Wiederholungsfall kann die Buße auf bis zu 10.000 Franken erhöht werden.
61 Vgl. Linn, Missbrauchsverhinderungsnormen und Standortwahl, S. 57 mwN.
165
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
b) 2
Abgabegefährdung
585 Eine Abgabegefährung gemäß Art. 136 SteG liegt vor, wenn vorsätzlich oder fahrlässig die gesetzmäßige Erhebung der Gründungsabgabe oder der Abgabe auf Versicherungsprämien gefährdet ist, aber zudem die Tat noch nicht als Steuerhinterziehung oder Steuerbetrug zu qualifizieren ist. Die gesetzmäßige Erhebung der Gründungsabgabe oder der Abgabe auf Versicherungsprämien ist gefährdet, wenn der Steuerpflichtige Q der Pflicht zur Einreichung von Steuererklärungen, Aufstellungen und Abrechnungen, zur Erteilung von Auskünften und zur Vorlage von Geschäftsbüchern, Registern und Belegen nicht nachkommt; Q in einer Steuererklärung, Aufstellung oder Abrechnung unwahre Angaben macht oder erhebliche Tatsachen verschweigt oder dabei unwahre Belege über erhebliche Tatsachen vorlegt; Q unrichtige Auskünfte erteilt; Q die ordnungsgemäße Durchführung einer Kontrolle erschwert, behindert oder verunmöglicht. 586 Dieser Tatbestand der Abgabegefährdung erfolgt in Anlehnung an die Abgabegefährdung gemäß schweizerischer Stempelgesetzgebung. Die Buße beträgt bis zu 20.000 Franken.
c)
Steuerhinterziehung
aa) Tatbestandsmerkmal und Rechtsfolge 587 Art 137 SteG definiert vier Fälle, wann eine Steuerhinterziehung vorliegt: 1. Der Steuerpflichtige begeht einer Steuerhinterziehung, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig durch unrichtige oder unvollständige Angaben in der Steuererklärung oder Steueranzeigen oder durch unrichtige oder unvollständige Auskünfte die Einforderung einer von ihm zu entrichtenden Steuer verhindert oder auf sonstige Art schuldhaft Steuern vorenthält; 2. Der zum Steuerabzug an der Quelle Verpflichtete nimmt vorsätzlich oder fahrlässig einen Steuerabzug nicht oder nicht vollständig vor; 3. Jemand enthält vorsätzlich oder fahrlässig, zum eigenen oder zum Vorteil eines anderen, Gründungsabgaben oder Abgaben auf Versicherungsprämien vor; 4. Jemand erwirkt als Steuerpflichtiger oder als zum Steuerabzug an der Quelle Verpflichteter vorsätzlich oder fahrlässig eine unrechtmäßige Rückerstattung oder einen ungerechtfertigten Erlass. 588 Die Steuerhinterziehung wird mit einer Buße bestraft. Diese beträgt in der Regel das Einfache der hinterzogenen Steuer oder Abgabe. Sie kann bei leichtem Verschulden bis auf einen Drittel ermäßigt, bei schwerem Verschulden bis auf das Dreifache erhöht werden. bb) Versuch 589 Art. 138 SteG normiert, dass auch der Versuch einer Steuerhinterziehung strafbar ist. Die Abgrenzung zwischen einer versuchten Steuerhinterziehung von einer straflosen Vorbereitungshandlung einerseits und von der vollendeten Steuerhinterziehung anderseits wird von der Regierung folgendermaßen vorgenommen: Den Übergang von der straflosen Vorbereitungshandlung zur Ausführung der Tat bildet demnach in aller Regel die Einreichung der Steuererklärung. Es bleibt beim Versuch einer strafbaren Handlung, wenn diese nicht zu Ende geführt wird, d.h. das tatbestandsmäßige Unrecht lediglich zum Teil verwirklicht wird oder der Tatbestandserfolg ausbleibt. Dass die Straftat nicht über das Versuchsstadium hinausgelangt, kann daran liegen, dass der Täter die strafbare Verhaltensweise von sich aus aufgibt oder dass die Behörde das Fehlverhalten des Täters entdeckt. 166
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Eine versuchte Steuerhinterziehung kann solange vorliegen, als die betreffende Veranlagung noch im ordentlichen Verfahren durchgeführt oder abgeändert werden kann. Ist dies nicht möglich, weil etwa die unvollständige Veranlagung in Rechtskraft erwachsen ist, so gilt die Steuerhinterziehung als vollendet.62 Bei einer versuchten Steuerhinterziehung beträgt die Buße zwei Drittel der Buße, die bei vollendeter 590 und vorsätzlicher Steuerhinterziehung festzusetzen wäre. Das bedeutet, dass diese in der Regel zwei Drittel der hinterzogenen Steuer oder Abgabe beträgt. cc) Beteiligte Art. 139 SteG normiert, dass derjenige, der vorsätzlich einen anderen zu einer Steuerhinterziehung bestimmt oder der vorsätzlich sonst zu ihrer Ausführung beiträgt, ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit des Steuerpflichtigen bestraft wird. Folglich wird sowohl der Bestimmungstäter, als auch der Beitragstäter von dieser Regelung erfasst. Gemäß den Ausführungen der Regierung ist ein Bestimmungstäter, wer einen anderen zu einer Straftat bestimmt, d.h. dafür ursächlich wird, dass sich dieser andere zu ihrer Ausführung entschließt. Bestimmen ist somit vorsätzliches, unmittelbares oder mittelbares Veranlassen der Tatbegehung durch Erwecken des Tatentschlusses. Ferner führt die Regierung aus, dass als sonstiger Beitrag im Sinne der Beitragstäterschaft jede Mitwirkung in Betracht kommt, die nicht unmittelbare Täterschaft oder Bestimmungstäterschaft ist. Der Beitrag des Beitragstäters zur Ausführung der Tat kann dabei physisch oder psychisch sein. Als Beitragshandlung kommen daher grundsätzlich alle Handlungen in Betracht, welche die Ausführung der Tat durch einen anderen erleichtern, ermöglichen, absichern oder in anderer Weise fördern. Ferner kann die Tathandlung des Beitrages in aktivem Tun bestehen, sie kann aber auch durch Unterlassung geschehen. Eine Begehung durch Unterlassung ist jedoch nur dann gegeben, wenn eine Verpflichtung zu einem Tun durch die Rechtsordnung besteht und dieser Pflicht nicht nachgekommen wird. So ist etwa eine Revisionsstelle lediglich verpflichtet, die Buchhaltung auf deren Übereinstimmung mit den handelsrechtlichen Bestimmungen des Personen- und Gesellschaftsrechts zu prüfen und einen entsprechenden Bericht zu verfassen. Sie ist jedoch nicht verpflichtet, auf andere Mängel aufmerksam zu machen, die über diese Prüfung hinausgehen. Stellt beispielsweise eine Revisionsstelle andere Mängel fest, die zu einer Steuerverkürzung führen können, stellen diese Mängel jedoch keinen Verstoß gegen handelsrechtliche Bestimmungen dar, zu deren Beanstandung die Revisionsstelle verpflichtet ist, macht sich die Revisionsstelle nicht strafbar, wenn sie nicht auf diese Mängel hinweist. Auch sei erwähnt, dass das bloße Wissen und Dulden eines von anderen begangenen Steuerstrafdeliktes nicht zur Annahme eines Tatbeitrages gemäß Art. 139 SteG führt.63 Die Buße bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung beträgt bis zu 10.000 Franken. In schweren Fällen oder im Wiederholungsfall kann sie sich bis auf 50.000 Franken erhöhen.
3.
Vergehen
a)
Steuerbetrug
591
592
593
594
Ein Steuerbetrug liegt nach Art. 140 SteG vor, wenn jemand eine Steuerhinterziehung durch den 595 vorsätzlichen Gebrauch falscher, verfälschter, inhaltlich unwahrer Geschäftsbücher oder anderer Urkunden begeht. Ein Steuerbetrug unterscheidet sich somit von der Steuerhinterziehung in der 62 BuA 83/2010, S. 59. 63 BuA 83/2010, S. 61.
167
2
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht Art, dass er mit qualifizierten Mitteln, nämlich mit Urkunden begangen wird, die gefälscht oder verfälscht sind bzw. erhebliche Tatsachen unrichtig oder unvollständig wiedergeben. Die Steuerverwaltung versteht unter einer Urkunde jedes Schriftstück, das geeignet ist, steuerlich erhebliche Tatsachen zu belegen. In diesem Sinne sind neben herkömmlichen Schrifturkunden (wie insbesondere Geschäftsbücher, Bilanzen, Erfolgsrechnungen, Bescheinigungen oder die Beilagen zur Steuererklärung) auch Computerurkunden (Daten auf Disketten, Festplatten oder Magnetbändern) als Urkunden zu würdigen.64 596 Ein Steuerbetrug ist ein Vergehen im Sinne von § 17 StGB. Er wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bestraft.
b)
Veruntreuung von Quellensteuern
597 Ein Vergehen liegt nach Art. 141 SteG auch vor, wenn jemand zum Steuerabzug an der Quelle verpflichtet ist und die abgezogene Steuern zu seinem oder eines anderen Nutzen verwendet. Diese Vorschrift soll die ordnungsgemäße Durchführung des Steuerabzuges an der Quelle sicherstellen. Ein Vergehen wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bestraft.
4.
Selbstanzeige
a)
Täter
598 Art. 142 Abs. 1 SteG normiert die Möglichkeit für den Täter und Teilnehmer eines Vergehens und einer Übertretung im Sinne des Steuergesetzes mithife einer Selbstanzeige Straffreiheit zu erlangen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Täter die Tat aus eigenem Antrieb anzeigt, ohne dazu durch eine unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlasst zu sein. Wenn der Täter oder Teilnehmer eine erfolgreiche Selbstanzeige abgegeben hat, ist dieser straffrei und hat lediglich die mit einem 10-prozentigen Zuschlag versehene Nachsteuer zu entrichten.
b)
Beteiligte
599 Nach Art. 142 Abs. 2 SteG ist ein Beteiligter, der eine Steuerhinterziehung oder einen Steuerbetrug anzeigt, ohne dazu durch eine unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlasst zu sein, ebenso straffrei. Außerdem ist dieser auch nicht zur Zahlung der Nachsteuer samt Zuschlag verpflichtet.
c)
Erben
600 Wenn Erben von sich aus alles ihnen Zumutbare getan haben, um den Steuerbehörden die Feststellung eines Vergehens oder einer Übertretung zu ermöglichen, haben sie lediglich die Nachsteuer zu entrichten.
64 Steuerverwaltung Fürstentum Liechtenstein, Wegleitung zur Steuererklärung 2009 für juristische Personen, S. 18.
168
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
5.
Verjährung
Die Verjährungsfristen und der Beginn der Verjährung sind in Art. 145 SteG festgelegt. Demnach 601 verjähren die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung bei Verletzung von Verfahrenspflichten und bei Abgabegefährdung in einem Jahr und bei Steuerhinterziehung, Steuerbetrug sowie Veruntreuung von an der Quelle abzuziehenden Steuern in fünf Jahren. Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt nach Ablauf des Jahres, in dem die Gesetzesverletzung 602 letztmals begangen wurde. Sie ist gehemmt, solange der Täter im Ausland ist. Die Verjährung wird durch jede gegen den Täter gerichtete Untersuchungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen. Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist von neuem. Die ursprüngliche Verjährungsfrist kann jedoch nicht mehr als verdoppelt werden. Dies bedeutet, dass die absolute Verjährungsfrist zehn Jahre beträgt. Die Verjährung der Strafvollstreckung beginnt mit dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfah- 603 rens. Sie ist gehemmt, solange die Strafe in Liechtenstein nicht vollzogen werden kann. Die Verjährung des Strafvollzuges wird durch jede gegen den Verurteilten gerichtete Vollstreckungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen. Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist von neuem. Auch kann die ursprüngliche Verjährungsfrist nicht mehr als verdoppelt werden und somit beträgt die absolute Verjährung für die Strafvollstreckung ebenfalls zehn Jahre. > Beispiel: Der in Liechtenstein unbeschränkt Steuerpflichtige Herr X. hat im Jahr 2011 eine Vermögenszuwendung, die der Widmungssteuer unterliegt, nicht der Steuerverwaltung angezeigt. Folglich ist eine Veranlagung unterblieben. Im Jahr 2013 zieht Herr X. für sechs Jahre in die Schweiz. Wann kann die Steuerverwaltung die Widmungssteuer nicht mehr veranlagen? Es handelt es sich hierbei um eine Steuerhinterziehung. Somit beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Jahres 2011. Im Jahr 2013 wird die Verjährung aufgrund des Wegzuges ins Ausland unterbrochen und beginnt bei der Rückkehr des Herrn X. im Jahr 2019 wieder neu. Folglich würde die Verjährung grundsätzlich im Jahr 2024 enden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die absolute Verjährung bei einer Steuerhinterziehung zehn Jahre beträgt. Somit ist die Tat mit Ablauf des Jahres 2021 verjährt.
6.
Strafverfahren
a)
Zuständigkeiten
Die Zuständigkeiten bei einem Strafverfahren sind in Art. 148 SteG wie folgt festgelegt:
604
aa) Verletztung von Verfahrenspflichten Die Verletzung von Verfahrenspflichten wird von derjenigen Steuerbehörde verfolgt, gegenüber wel- 605 cher sie begangen wurde. bb) Abgabegefährdung oder Steuerhinterziehung Eine Abgabegefährdung oder eine Steuerhinterziehung wird von der Steuerverwaltung verfolgt.
606
cc) Steuerbetrug oder Veruntreuung von Quellensteuern Die Verfolgung eines Steuerbetruges oder einer Veruntreuung von Quellensteuern fällt in die Zu- 607 ständigkeit des Landgerichtes. 169
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
b) 2
Verfahren bei Verletzung von Verfahrenspflichten und Abgabegefährdung
608 Art. 149 SteG normiert, dass in einem Verfahren wegen Verletzung von Verfahrenspflichten und Abgabegefährdung die Steuerverwaltung und die Gemeindesteuerkasse bei klarer Sach- und Rechtslage mittels eines Verwaltungsstrafbotes vorgehen können. Unter Berücksichtigung der Vorschriften des Steuergesetzes finden ergänzend die Art. 147 bis 149 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltungspflege sinngemäß Anwendung. In den übrigen Fällen richtet sich das Verfahren, soweit im Steuergesetz keine abweichenden Vorschriften bestehen, sinngemäß nach Art. 152 bis 159 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltungspflege (LVG). Dieses wird mit einer Strafverfügung abgeschlossen.
c)
Verfahren bei Steuerhinterziehung
609 Nach Art. 150 SteG ist in einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung ein Strafverfahren gemäß Art. 152 bis 159 LVG durchzuführen. In diesem Zusammenhang wird der vom Verfahren betroffenen Person die Gelegenheit gegeben, sich zu der gegen sie erhobenen Anschuldigung zu äußern. Ferner wird jedoch auch normiert, dass bei Eröffnung des Strafverfahrens die betroffene Person darauf hingewiesen werden muss, dass sie in diesem Verfahren keine Aussagen machen muss, mit denen sie sich selbst belasten würde. Hierin wird der Unterschied zwischen dem Nachsteuerverfahren und dem Strafverfahren deutlich. Denn während der Steuerpflichtige im Nachsteuerverfahren genauso wie im ordentlichen Veranlagungsverfahren mit der Steuerverwaltung zusammen arbeiten muss, kann im Strafverfahren eine Zusammenarbeit abgelehnt werden, wenn sich der Steuerpflichtige dadurch selbst belasten würde (nemo-tenetur-Prinzip). 610 Zudem sieht Art. 150 Abs. 3 SteG vor, dass die Beweismittel aus einem Nachsteuerverfahren nur dann verwendet werden dürfen, wenn sie weder unter Androhung einer Veranlagung nach pflichtgemäßem Ermessen mit Umkehr der Beweislast, noch unter Androhung einer Buße wegen Verletzung von Verfahrenspflichten beschafft wurden. Art. 150 Abs. 4 SteG stellt klar, dass die Berufsgeheimnisse auch in dem Verfahren wegen Steuerhinterziehung zu wahren sind.
d)
Rechtsmittelverfahren
aa) Verwaltungsstrafentscheide 611 Nach Art. 151 Abs. 1 SteG können Verwaltungsstrafentscheide der Steuerverwaltung innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung mit Beschwerde bei der Landessteuerkommission angefochten werden. bb) Verwaltungsstrafbote 612 Gegen Verwaltungsstrafbote der Steuerverwaltung oder Gemeindesteuerkasse kann innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung Einspruch gemäß Art. 149 LVG bei der Steuerverwaltung erhoben werden. Der Einspruch ist bei der Regierung schriftlich oder zu Protokoll anzumelden und zugleich sollen die zur Verteidigung dienenden Beweismittel angezeigt werden. Einspruchsberechtigt ist der Beschuldigte und jeder, der nach der Strafprozessordnung die Berufung für ihn einlegen kann, ferner der Einzugsbeteiligte und der Vertretungspflichtige.
170
2
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011 Gegen die Versäumung der Einspruchsfrist kann, sofern die Voraussetzungen des § 263 der Straf- 613 prozessordnung vorliegen, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Amtsstelle, die das Verwaltungsstrafbot erlassen hat, verlangt werden. Gegen die Verweigerung der Wiedereinsetzung ist Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig. ! Praxishinweis: Wird in einem Verwaltungsstrafbot eine Buße bis zu 2.000 Franken ausgesprochen, so ist statt des Einspruchs ausschließlich die Beschwerde nach Art. 151 Abs. 1 SteG (bei der Landessteuerkommission) zulässig. cc) Beschwerdeentscheidungen der Landessteuerkommission Beschwerdeentscheidungen der Landessteuerkommission können innerhalb von 14 Tagen ab Zu- 614 stellung mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden. dd) Kosten Die Kostenregelung richtet sich nach den Bestimmungen des Landesverwaltungspflegegesetzes.
e)
615
Verfahren bei Steuerbetrug und Veruntreuung von Quellensteuern
Art. 152 SteG normiert, dass Verfahren wegen Steuerbetrug oder der Veruntreuung von Quellen- 616 steuern vom Landgericht durchgeführt werden. Folglich kommen für diese Verfahren die strafgerichtlichen Bestimmungen zur Anwendung.
XIII. Übergangsbestimmungen 1.
Hängige Verfahren
Art. 154 SteG regelt, dass Nachsteuer- und Strafverfahren, die bereits vor dem 1. Januar 2011 anhän- 617 gig waren, nach den Bestimmungen des bisher geltenden Rechts durchgeführt werden. Eine Ausnahme besteht in den Fällen, in welchen die Anwendung des neuen Steuergesetzes zu einer milderen Bestrafung führen würde. In diesen Fällen findet das neue Steuergesetz Anwendung. Es ist somit in der Praxis der Sachverhalt unter dem neuen und dem alten Recht zu prüfen, da die mildere Rechtsfolge zur Anwendung kommt.
2.
Befristete Selbstanzeige
a)
Hintergrund
In Art. 156 SteG hat der Gesetzgeber eine besonders günstige und zeitlich befristete Möglichkeit zur 618 Selbstanzeige kodifiziert. Auf diese Weise soll dem Steuerpflichtigen gemäß der Regierung ermöglicht werden, dass er Altlasten bereinigen kann. Daher ist die Selbstanzeige gemäß Art. 156 SteG auf der einen Seite im Vergleich zur regulären Selbstanzeige nach Art. 142 SteG günstiger ausgestaltet, aber auf der anderen Seite auch begrenzt bis zum 31. Dezember 2011.
171
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
b) 2
Voraussetzungen
619 Die Voraussetzungen für die Anwendung der befristeten Selbstanzeige gemäß Art. 156 SteG ist, dass der Steuerpflichtige bis zum 31. Dezember 2011 eine von ihm begangene strafbare Handlung nach den Bestimmungen des aktuellen Steuergesetzes oder des Steuergesetzes von 1961 aus eigenem Antrieb anzeigt, ohne das er dazu durch eine unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlasst ist.
c)
Vorgehensweise
620 Der Steuerpflichtige hat bei Vornahme der Selbstanzeige nicht die überarbeiteten Steuererklärungen der vergangenen Jahren einzureichen, sondern er muss lediglich mitteilen für welches Jahr er welchen Betrag zu wenig deklariert hat. Dies gilt sowohl für die Vermögens-, als auch für die Erwerbssteuer. Zur Vereinfachung hat die Steuerverwaltung ein Hilfsformular „Befristete Selbstanzeige natürliche Personen“ veröffentlicht.
d)
Rechtsfolge
621 Die Rechtsfolge der erfolgreichen Selbstanzeige nach Art. 156 SteG ist, dass der Steuerpflichtige lediglich die Nachsteuer für die vergangenen fünf Jahre zu entrichten hat. Es wird weder eine Strafe noch ein Zuschlag nach Art. 142 SteG noch ein Verzugszins nach Art. 120 SteG erhoben.
3.
Übergangsbestimmungen zur Couponsteuer
a)
Hintergrund
622 Die Couponsteuer wurde durch die Totalrevision des Steuergesetzes mit Wirkung zum 1. Januar 2011 abgeschafft. Die Abschaffung der Couponsteuer bezieht sich jedoch nur auf zukünftige Sachverhalte und hat keinen Einfluss auf couponsteuerverwirklichende Sachverhalte, die bis zum 31. Dezember 2010 realisiert wurden. Daher regelt Art. 158 Abs. 1 bis 4 SteG wie mit den sogenannten Altreserven verfahren wird.
b)
Altreserven
623 Art. 158 Abs. 1 SteG kodifiziert, dass die Bestimmungen über die Couponsteuer nach Art. 88a bis 88p, 144a, 146a, 151 Abs. 3 und Art. 152 Abs. 1 des Steuergesetzes von 1961 auf Altreserven weiterhin Anwendung finden. Als Altreserven gelten der Bestand des Eigenkapitals am Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes, das nicht in dem einbezahlten Grund-, Stamm- oder Anteilskapital besteht und auf das Art. 88d oder 88e des Steuergesetzes von 1961 anwendbar waren. Für offene und verdeckte Gewinnausschüttungen gelten die Altreserven als zuerst verwendet. Der Bestand an Altreserven ist entsprechend fortzuschreiben.
172
B. Die Totalrevision des Steuergesetzes zum 1. Januar 2011
c)
Übergangsfrist
Der Gesetzgeber intendiert, dass der Steuerpflichtige diese Altreserven möglichst schnell auflöst, 624 damit zum einen die Altbestände nicht auf Dauer fortgeschrieben sowie deren Bestand überwacht werden muss und zum anderen soll die zügige Ausschüttung der Altreserven die anfänglichen finanziellen Ausfälle durch die Steuerreform teilweise gegen finanzieren. Erreicht werden soll dieses Ziel durch die Schaffung einer zweijährigen Übergangsfrist. Auf Ausschüttungen, die bis zum 31. Dezember 2012 vorgenommen werden, ist gemäß Art. 158 625 Abs. 4 SteG nur eine Couponsteuer in Höhe von 2% zu entrichten. Bei Ausschüttungen ab dem 1. Januar 2013 erhöht sich die Couponsteuer wieder auf 4%. Auf Antrag des Steuerpflichtigen kann die Couponsteuer auf die Altreserven auch ohne Ausschüttung zum reduzierten Satz von 2% entrichtet werden, wenn der Steuerpflichtige während dieser zweijährigen Übergangsfrist eine sofortige Versteuerung der Altreserven beantragt. In diesem Fall ist der Bestand an Altreserven um den auf Antrag versteuerten Betrag vermindert fortzuschreiben. > Beispiel: Eine liechtensteinische Aktiengesellschaft hat zum 31. Dezember 2010 einen für die Couponsteuer maßgeblichen Bestand an Altreserven in Höhe von CHF 1.000.000. In den folgenden vier Jahren schüttet die FL AG jeweils CHF 250.000 an ihre Anteilseigner aus. Ermitteln Sie die Höhe der jeweils zu zahlenden Couponsteuer? 2011: CHF 250.000 x 2% = CHF 5.000 2012: CHF 250.000 x 2% = CHF 5.000 2013: CHF 250.000 x 4% = CHF 10.000 2014: CHF 250.000 x 4% = CHF 10.000 Gibt es eine Möglichkeit die Couponsteuer-Belastung zu optimieren, wenn die liechtensteinische Aktiengesellschaft die Ausschüttungshöhe nicht verändern will? Die liechtensteinische Aktiengesellschaft müsste spätestens im Jahr 2012 einen Antrag auf Besteuerung der Altreserven stellen und diese sofort versteuern. Dann könnte die liechtensteinische Aktiengesellschaft die Altreserven auch zu einem späteren Zeitraum ausschütten und sie wären dennoch nur mit Couponsteuer in Höhe von 2% belastet. ! Praxishinweis: Gewinnausschüttungen ab dem 1. Januar 2011 gelten vorrangig als aus Altreserven stammend, sodass die Altreserven mit zukünftigen Ausschüttungen verringert werden. Erst wenn keine Altreserven mehr vorhanden sind, entfällt die Anwendung der Couponsteuer auf diejenigen Ausschüttungen, die aus neuen Gewinnen stammen.
4.
2
Verluste
Art. 158 Abs. 9 SteG normiert die Behandlung von Verlustvorträgen, die bereits vor dem 1. Januar 626 2011 vortragsfähig gewesen sind. Demnach sind Verluste, die unter dem Steuergesetz von 1961 vortragsfähig waren, auch weiterhin vortragsfähig. Dies bedeutet, dass Verlustvorträge, die vormals nur beschränkt vortragsfähig waren, nunmehr unbeschränkt vortragsfähig sind.
173
2
2
§ 2 Liechtensteinisches Steuerrecht
5. 2
Inkrafttreten
627 Das neue Steuergesetz trat grundsätzlich zum 1. Januar 2011 in Kraft. 628 Die Bestimmungen über Privatvermögensstrukturen nach Art. 64 treten in Kraft, sobald sie von der EFTA-Überwachungsbehörde (ESA) als mit den staatlichen Beihilferegelungen nach Art. 61 EWRAbkommen konform qualifiziert werden. Die Regierung macht den Zeitpunkt des Inkrafttretens im Landesgesetzblatt kund.65
65 Zum Zeitpunkt des Drucks dieser Auflage hatte die ESA noch keine Entscheidung getroffen.
174
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins A.
Überblick: Entwicklung zwischen 2000 bis 2010
A.
Im Folgenden werden die unterschiedlichen Formen der Zusammenarbeit Liechtensteins im Bereich der internationalen Steuerkooperationen dargestellt:
1
Abbildung 17: Entwicklung der internationalen Steuerkooperationen zwischen 2000 und 2010 11 TIEA DBA LU DBA RSM QIAgreement
2000
Blacklisting
2001
2002
MLAT USA
2003
2004
DBA HK DBA ROU 7 TIEA
Schengen/ Dublin
EU Zinsabkommen
2005
2006
2007
2008
2009
2010
TIEA USA Liechtenstein Erklärung
Ausgangspunkt ist das Jahr 2000, in dem Liechtenstein auf die Schwarze Liste der unkooperativen Steueroasen aufschien. Im Jahr 2001 führte die USA das QI Regime ein, wobei auch mehrere liechtensteinische Banken einen entsprechenden QI Vertrag abschlossen. 2002 hat Liechtenstein mit den USA ein Rechtshilfeabkommen (MLAT USA) abgeschlossen, dass auch einen Informationsaustausch bei Steuerbetrug vorsieht. Mit der EU wurde im Jahr 2004 eine Einigung über einen Quellensteuerabzug bei bestimmten Zinseinkünften erzielt (EU-Zinsabkommen). Die Jahre 2009 und 2010 waren von einer besonderen Dynamik geprägt. Innerhalb dieses Zeitraums hat sich Liechtenstein nicht nur zu den globalen Standards der Transparenz und des Informationsaustausches der OECD bekannt, sondern diese auch vollumfänglich umgesetzt. Dieser Prozess begann mit der Unterzeichnung des Steuerinformationsabkommens mit den Vereinigten Staaten von Amerika am 8. Dezember 2008 und der Erklärung Liechtensteins vom 12. März 2009 (Liechtenstein Deklaration). In deren Folge Liechtenstein 18 weitere Steuerinformationsabkommen (sogenannte Tax Information Exchange Agreements, TIEA) sowie vier Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen hat. Diese Steuerinformations- und Doppelbesteuerungsabkommen sehen grundsätzlich einen Informationsaustausch im Rahmen der Amtshilfe vor
175 T. Hosp, M. Langer , Steuerstandort Liechtenstein, DOI 10.1007/978-3-8349-6627-8_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
3
3
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins B.
3
4
5
6
B.
Qualified Intermediary Agreement
I.
Hintergrund
Zum 1. Januar 2001 wurde das sogenannte QI-System (Qualified Intermediary System) durch die USA eingeführt. Hierbei handelt es sich um ein spezielles Quellensteuerabzugsverfahren. Das besondere am QI-System gegenüber den anderen Formen der Internationalen Steuerkooperationen ist, dass es sich hier um einen Vertrag handelt, der nicht zwischen Staaten abgeschlossen wird, sondern jeweils zwischen dem IRS (Internal Revenue Service: die amerikanische Steuerverwaltung) und dem Finanzintermediär. Das Ziel des QI-Systems ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen mithilfe von Doppelbesteuerungsabkommen durch in den USA Steuerpflichtige natürliche Personen. Natürliche Personen, die in den USA unbeschränkt Steuerpflichtig sind, unterliegen einer Quellensteuer in Höhe von 30% auf Dividenden und Zinserträgen. Durch die Anlage ihres Vermögens im Ausland und der zudem nicht vorgenommen Deklaration dieses Vermögens in ihren Steuererklärungen, haben sie die erzielten Erträge der Besteuerung entzogen. Aufgrund des Soveranitätsprinzips im internationalen Völkerrecht hatte die USA keine rechtlichen Möglichkeiten die ausländischen Banken und Finanzinstitute direkt in die Erhebung der amerikanischen Steuern einzubinden. Daher verfolgten die USA einen anderen Ansatz. Die USA hat durch die Einführung des QI-Systems dafür gesorgt, dass die ausländischen Banken „freiwillig“ mit dem amerikanischen IRS kooperieren, wenn sie einerseits weiterhin für US-Personen in US-Wertschriften investieren wollen und anderseits für nicht US-Personen eine Quellensteuerreduktion vornehmen wollen, ohne das die Finanzinstitute die entsprechende Person gegenüber dem IRS offenlegen muss und damit ein evtuell bestehendes Bankgeheimnis verletzten würde.
II. 7
8
Das QI System
Wenn eine ausländische Bank oder ein Finanzinstitut weiterhin für US-Personen in US-Wertschriften investieren und für nicht US-Personen eine anonyme Quellensteuerreduktion vornehmen will, dann müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: Grundsätzlich muss das IRS die Sorgfaltsbestimmungen zur Verhinderung von Geldwäsche (KYC Regelungen, Know Your Customer) des Sitzlandes des Finanzinstitutes anerkennen. Wenn dies gegeben ist, muss der Finanzintermediär mit dem IRS einen entsprechenden QI-Vertrag (Qualified Intermediary Agreement) abschließen. Zentrales Elemet des QI-Vertrages ist die Verpflichtung des QI, dass er seine Kunden in US-Personen und Nicht-US-Personen einteilt. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass die Steuerpflicht in den USA nicht nur an den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft, sondern auch an die amerikanische Staatsbürgerschaft und die Aufenthaltsgenehmigung (Stichwort Greencard). Nach dieser Aufteilung mussten die QIs bei allen US-Personen, die in US-Wertschriften investieren wollten oder investiert waren, wie folgt vorgehen: Entweder haben die US-Personen ein sogenanntes W9-Formular ausgefüllt, wodurch ihre Identität gegenüber dem IRS offengelegt wurde oder wenn die US-Personen kein entsprechendes Formular ausgefüllt hatten, dann mussten die Finanzintermediäre grundsätzlich alle US-Wertschriften dieser Person veräußern. In Ausnahmefällen war noch ein Dritter Weg möglich. Es wurde unter dem QI Agreement geduldet, wenn eine kleine Gruppe von US-Personen weder ihre US-Wertschriften deklariert hat, noch diese veräußert wurden. In diesen
176
B.
3
Qualified Intermediary Agreement
Fällen wurde alternativ auch die Abführung eine Strafsteuer (Quellensteuer) in Höhe von 31% auf nicht gemeldete Erträge aus US-Wertschriften akzeptiert. Diese Strafsteuer wurde nicht nur auf laufende Erträge, sondern auch auf die Veräußerungserlöse erhoben.
III.
Das QI System: Umsetzung in Liechtenstein
Die liechtensteinischen Banken sind entsprechend der Umsetzung des QI-Systems seit dem 1. Januar 2001 in das QI-System eingebunden. Die reguläre Laufzeit eines QI-Vertrags beträgt sechs Jahre. Gemäß dem liechtensteinischen Bankenverband haben liechtensteinischen Banken, die in das QISystem eingebunden sind, eine Verlängerung des QI-Status bis zum 31. Dezember 2008 erhalten.1 Die USA hat eine darüber hinausgehende Verlängerung des QI-Status von dem Abschluss eines Steuerinformationsabkommens zwischen Liechtenstein und den USA abhängig gemacht. Nachdem dieses am 8. Dezember 2008 unterzeichnet wurde und am 4. Dezember 2009 in Kraft getreten ist, wurde der QI-Status der liechtensteinischen Banken wieder um die reguläre Laufzeit von sechs Jahren verlängert.
IV.
Ausblick: FATCA
1.
Hintergrund
Die Nachteile des QI-Systems wurde nicht nur im UBS Fall2 deutlich, denn sie zeigen sich bereits beim Anwendungsbereich des QI-Systems. Ein US-Steuerpflichtiger, der nicht in US-Wertschriften investierte, wurde durch das QI-System nicht erfasst. Wenn die US-Person beispielsweise anstelle von General Electric Aktien nunmehr Siemens Aktien in ihrem ausländischen Depot gehalten hatte, dann fiel sie nicht in den Anwendungsbereich des QI Agreements. Der QI musste diese Person folglich weder melden, noch eine Strafsteuer einbehalten. Folglich wurde insofern das Ziel des QI Systems, nämlich die Verhinderung von Steuerhinterziehung nicht erreicht, da sich die US Person weiterhin ihren Deklarationspflichten entziehen konnte.
2.
3
10
FATCA
Aus diesem Grund wurde im Herbst 2009 ein Gesetzesentwurf in den US Kongress eingebracht, der zum Ziel hatte, dass möglichst alle ausländischen Vermögenswerte von US-Personen erfasst werden. Treffenderweise wurde das Gesetz als Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) bezeichnet. Bereits am 17. März 2010 wurde FATCA im Rahmen des Hiring Incentives to Restore Employment Act3 – oder Jobs Bill genannt – vom US Kongress verabschiedet und am 18. März 2010 von US Präsident Barack Obama unterzeichnet.
1 2
9
Liechtensteinischer Bankenverband, Geschäftsbericht 2009, S. 6. Natürliche Personen, die in den USA unbeschränkt steuerpflichtig waren, haben mithilfe von ausländischen Vermögensstrukten das QI System derart umgangen, dass nicht sie als wirtschaftliche Eigentümer der US-Wertschriften erfasst wurden, sondern die ausländische Vermögensstruktur, in deren Depot die US-Wertschriften gehalten wurden. Dadurch fielen sie nicht mehr in den Anwendungsbereich des QI-Systems. Hiring Incentives to Restore Employment (HIRE) Act of 2010, Pub.L. 111-147, 124 Stat. 71, enacted June 2010, 03.
177
11
3
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
3. 12
3
13 14
Anwendungsbereich
Die USA geht entsprechend dem QI-System wieder so vor, dass sie ausländische Finanzintermediäre de facto zu einer Kooperation mit dem IRS zwingt, wenn sie weiterhin wettbewerbsfähig sein wollen. Konkret wird dies diesmal über die Einführung einer 30%igen Quellensteuer auf Zahlungen an ausländische Finanzintermediäre, die nicht mit dem IRS kooperieren, erreicht. Im Rahmen von FATCA gelten die folgenden ausländischen Finanzintermediäre als FFI (Foreign Financial Institutions): Q ausländische Banken Q ausländische Finanzinstitute Q ausländische Wertschriftenhändler, einschließlich Investmentfonds, Hedge Fonds und Private Equity Investitionen Als „ausländisch“ werden in diesem Zusammenhang FFIs angesehen, die nicht den Gesetzen der USA unterliegen. Die kooperierenden Finanzintermediäre müssen wiederum ihre gesamten Konten nach US-Personen durchsuchen. Im Gegensatz zum QI-System sind nunmehr aber nicht nur direkte Beteiligungen maßgeblich, sondern auch indirekte Beteiligungen „schädlich“, wenn beispielsweise eine ausländische Vermögensstruktur zu mehr als 10% von US Personen kontrolliert wird. Über die identifizierten US-Personen müssen dann umfassende Daten (beispielsweise die genaue Identifizierung des Kontoinhabers, inklusive der Adresse und Steueridentifikationsnummer, die Depotbestände sowie Depotveränderungen) jährlich an das IRS gemeldet werden. ! Praxishinweis: Im Gegensatz zum QI-System werden somit grundsätzlich alle Investitionen von US-Personen erfasst (und nicht nur Investitionen in US-Wertschriften). Ferner fallen auch Vermögensstrukturen mit maßgeblicher US Beteiligung in den Anwendungsbereich von FATCA.
4. 15 C.
16
Inkrafttreten
Derzeit ist ein Inkrafttreten von FATCA zum 1. Januar 2013 geplant.
C.
Das Rechtshilfeabkommen zwischen Liechtenstein und den USA
I.
Vorbemerkung
Der Vertrag zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und den Vereinigten Staaten von Amerika betreffend die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Mutual Legal Assistance Treaty, MLAT FL/ USA) wurde am 8. Juli 2002 in Vaduz abgeschlossen und trat am 1. August 2003 in Kraft.4 Aufgrund der Ereignisse vom 11. September 2001 verfolgten die USA das Ziel, mit allen wichtigen Jurisdiktionen, insbesondere den bedeutenden Finanz- und Wirtschaftszentren, Rechtshilfeverträge abzuschließen. Der Rechtshilfevertrag zwischen Liechtenstein und den USA war Bestandteil von ins4
178
Vertrag zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und den Vereinigten Staaten von Amerika betreffend die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, LGBl. 2003 Nr. 149.
C. Das Rechtshilfeabkommen zwischen Liechtenstein und den USA
3
gesamt 47 Rechtshilfeverträgen, die im Herbst 2002 dem amerikanischen Senat zur Genehmigung vorgelegt wurden.5 Er umfasst neben den klassischen Bereichen der Rechtshilfe auch die Rechtshilfe in Steuerstrafsachen.
II.
Anwendungsbereich 3
1.
Allgemein
Der Anwendungsbereich dieses Rechtshilfeabkommens umfasst gemäß Art. 1 MLAT FL/USA die Rechtshilfe im Zusammenhang mit der Untersuchung und Verfolgung strafbarer Handlungen sowie in damit zusammenhängenden Verfallsverfahren. Der Begriff Rechtshilfe umfasst dabei: Q die Vernehmung von Zeugen und Auskunftspersonen; Q die Zurverfügungstellung von Gegenständen; Q die Ausforschung oder Identifizierung von Personen oder Gegenständen; Q die Zustellung von Schriftstücken; Q die Überstellung von in Haft befindlichen Personen für Zeugenvernehmungen oder sonstige Zwecke; Q die Erledigung von Ersuchen um Durchsuchung und Beschlagnahme; Q Rechtshilfe in Verfahren betreffend Sperrung und Verfall von Vermögen, Rückgabe von Vermögen und Einzug von Geldstrafen; und Q jede andere Form der Rechtshilfe, die nicht im Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen des ersuchten Staates steht. Die Rechtshilfe wird dabei unabhängig davon geleistet, ob die Handlung, die Gegenstand der Ermittlung, der Verfolgung oder des Verfahrens im ersuchenden Staat ist, nach dem Recht des ersuchten Staates eine gerichtlich strafbare Handlung darstellen würde. Art. 1 Abs. 3 MLAT FL/USA normiert jedoch als Ausnahme von diesem allgemeinen Grundsatz, dass der ersuchte Staat es ganz oder zum Teil ablehnen kann, dem Rechtshilfeersuchen zu entsprechen, soweit die Handlung nach seinem Recht keine gerichtlich strafbare Handlung darstellt und die Erledigung des Ersuchens die gerichtliche Anordnung einer Durchsuchung oder Beschlagnahme oder anderer Zwangsmaßnahmen erfordern würde. Der ersuchte Staat unternimmt jedoch alle Anstrengungen zur Leistung von Rechtshilfe, die eine gerichtliche Anordnung oder andere Zwangsmaßnahmen erfordert, und bewilligt die Rechtshilfe, wenn der sich aus dem Ersuchen ergebende Sachverhalt den begründeten Verdacht darlegt, dass die beschriebene Handlung, hätte sie sich im ersuchten Staat ereignet, eine strafbare Handlung nach seinem Recht begründen würde.
2.
18
Steuern
Bei Steuervergehen leistet der ersuchte Staat Rechtshilfe, wenn es sich bei der beschriebenen Handlung um einen Steuerbetrug handelt. Ein Steuerbetrug wurde von den Vertragsstaaten als Steuerhinterziehung definiert, bei der vorsätzlich gefälschte, verfälschte oder unwahre Geschäftsunterlagen oder andere Schriftstücke verwendet werden, und sofern der ausstehende Steuerbetrag entweder absolut oder im Verhältnis zu einem ausstehenden Jahresbetrag erheblich ist. 5
17
Bericht und Antrag zum Vertrag vom 8. Juli 2002 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und den Vereinigten Staaten von Amerika betreffend die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, S. 3.
179
19
3 20
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Im Rahmen des diplomatischen Notenaustausches haben sich Liechtenstein und die USA darauf geeignet, dass die folgenden Handlungen einen entsprechenden Steuerbetrug darstellen: Q Das Abfassen, Veranlassen der Abfassung, Unterzeichnen oder Einreichen von Schriftstücken, die: Q von Gesetzes wegen eingereicht werden müssen, um den Steuerbehörden die Höhe des steuerbaren Einkommens nachzuweisen, Q als Grundlage für eine Steuerveranlagung dienen und Q falsch sind im Hinblick auf eine solche Steuerveranlagung. Q Das Führen von zwei unterschiedlichen Buchhaltungen; Q das Ausführen falscher Buchungen oder Änderungen, oder das Ausstellen falscher Rechnungen oder Schriftstücke; Q das Zerstören von Büchern oder Aufzeichnungen. ! Praxishinweis: Der Begriff Schriftstück schließt Steuerformulare mit ein, soweit diese für die Buchhaltung (Bilanz, Einnahmen- Ausgabenkonten) eines Unternehmens dienen.
21
22
Keine Einigung konnte hingegen bei der verbindlichen Auslegung des Begriffes „erheblich“ gefunden werden. Demnach obliegt es den zuständigen Behörden des jeweils ersuchten Staates, den Begriff näher zu konkretisieren. Gemäß der liechtensteinischen Regierung hängt die Konkretisierung des Begriffs entscheidend davon ab, ob auch andere als fiskalstrafrechtliche Aspekte wie insbesondere die Terrorismusbekämpfung eine Rolle spielen.6 Art. 1 Abs. 4 MLAT FL/USA normiert zu dem, dass der ersuchte Staat die Rechtshilfe nicht alleine deshalb verweigern kann, wenn nach seinem Recht nicht dieselbe Art von Steuer erhoben wird oder nicht die gleichen Steuervorschriften bestehen wie gemäß dem Recht des ersuchenden Staates.
III. 23
24
Einschränkungen
Nach Art. 3 MLAT FL/USA kann der ersuchte Staat die Gewährung von Rechtshilfe ablehnen, wenn Q sich das Rechtshilfeersuchen auf eine militärisch strafbare Handlung bezieht, die keine strafbare Handlung nach dem allgemeinen Strafrecht darstellt; Q die Erledigung des Rechtshilfeersuchens die Sicherheit oder andere wesentliche Interessen des ersuchten Staates beeinträchtigen würde; Q das Ersuchen nicht in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieses Vertrages gestellt wurde; oder Q das Rechtshilfeersuchen sich auf eine politisch strafbare Handlung bezieht. Art. 3 Abs. 2 MLAT FL/USA verpflichtet den ersuchten Staat jedoch, wenn er sich auf einen dieses Ablehnungsgründe berufen will, zur Beratung mit den ersuchenden Staat, um zu erwägen, ob Rechtshilfe zu unter ihr erforderlich erscheinenden Bedingungen gewährt werden kann. Wenn der ersuchende Staat die Rechtshilfe unter diesen Bedingungen annimmt, so hat er diese Bedingungen zu erfüllen. Wenn der ersuchte Staat die Rechtshilfe abschließend ablehnt, hat er den ersuchenden Staates über die Gründe für diese Ablehnung zu informieren. 6
180
Bericht und Antrag zum Vertrag vom 8. Juli 2002 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und den Vereinigten Staaten von Amerika betreffend die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, S. 21.
C. Das Rechtshilfeabkommen zwischen Liechtenstein und den USA
IV.
Form und Inhalt des Ersuchens
Die Anforderungen an Form und Inhalt eines Rechtshilfeersuchens sind in Art. 4 MLAT FL/USA normiert. Demnach ist ein Rechtshilfeersuchen grundsätzlich auf schriftlichem Wege zu stellen. In dringenden kann das Ersuchen jedoch auch in einer anderen Form gestellt werden. Falls das Ersuchen nicht schriftlich gestellt wird, ist es innerhalb von zehn Tagen schriftlich zu bestätigen, sofern der ersuchte Staat nicht einer anderen Vorgangsweise zustimmt. Ferner ist das Ersuchen ohne anderweitige Vereinbarung in der Sprache des ersuchten Staates zu stellen. Das Rechtshilfeersuchen muss die folgenden Angaben enthalten: Q die Bezeichnung der Behörde, welche die Untersuchung, die Verfolgung oder das Verfahren durchführt, worauf sich das Ersuchen bezieht; Q eine Darstellung des Sachverhalts und der Art der Untersuchung, der Verfolgung oder des Verfahrens, einschließlich der genauen Straftaten in Zusammenhang mit den dargelegten Tatsachen; Q eine Darstellung des Beweismaterials, der Informationen oder der sonstigen gewünschten Rechtshilfe; und Q die Erklärung des Zweckes, zu welchem das Beweismaterial, die Informationen, oder die gewünschte Rechtshilfe begehrt werden. Ferner sollte ein Rechtsersuchen soweit erforderlich und möglich auch enthalten: Q Angaben über die Identität und den Aufenthaltsort einer Person, von der Beweismaterial gewünscht wird; Q Angaben über die Identität und den Aufenthaltsort eines Zustellempfängers, über dessen Stellung im Verfahren sowie die gewünschte Art der Zustellung; Q Angaben über die Identität und Anhaltspunkte für den festzustellenden Aufenthalt einer Person oder für den festzustellenden Ort, an dem sich ein Gegenstand befindet; Q eine genaue Beschreibung der Örtlichkeit oder der Person, die durchsucht werden soll, sowie der Gegenstände, die beschlagnahmt werden sollen; Q eine Beschreibung der Art und Weise, in der eine Zeugenvernehmung oder Anhörung vorgenommen und festgehalten werden soll; Q eine Darstellung der gewünschten Zeugenaussage oder Anhörung, die eine Liste der einer Person zu stellenden Fragen enthalten kann; Q eine Darstellung eines besonderen Verfahrens, das bei der Erledigung des Rechtshilfeersuchens einzuhalten ist; Q Angaben über die Gebühren und Aufwandsentschädigungen, die einer zum Erscheinen im ersuchenden Staat geladenen Person zustehen; und Q jegliche andere Angaben, die dem ersuchten Staat zur Erleichterung der Durchführung des Ersuchens zur Kenntnis gebracht werden können.
V.
3 25
3 26
27
Durchführung der Rechtshilfe
Die Verfahrensgrundsätze für die Durchführung eines Rechtshilfeersuchens sind in Art. 5 MLAT FL/USA festgelegt. So ist der ersuchte Staat zur unverzüglichen Erledigung des Ersuchens verpflichtet. Ferner muss der ersucht Staat alles in seiner Macht stehende unternehmen, um das Ersuchen zu erledigen. Die Gerichte des ersuchten Staates sind befugt, Vorladungen zuzustellen, Haftbefehle zu erlassen oder andere Anordnungen zur Erledigung des Ersuchens zu treffen. 181
28
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
VI. 29
3
D.
30
Das Abkommen trat am 1. August 2003 in Kraft. Es findet auf Rechtshilfeersuchen, die nach Inkrafttreten dieses Vertrages gestellt werden, unabhängig davon Anwendung, ob die zugrunde liegenden strafbaren Handlungen vor oder nach dem Inkrafttreten dieses Vertrages begangen wurden.
D.
Die Liechtenstein Deklaration vom 12. März 2009
I.
Vorbemerkung
Im Folgenden wird die so genannte Liechtenstein Erklärung präsentiert und abschließend kritisch gewürdigt. Die Liechtenstein Erklärung stellt einen Meilenstein in Bezug auf den Öffnungsprozess Liechtensteins dar. In der Ansprache von Seiner Durchlaucht Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein anlässlich des Staatsfeiertages am 15. August 2008 hat dieser zwar bereits ausgeführt, dass es Zeit ist, dass das System der Rechts- und Amtshilfe im Bereich der Steuern auf eine neue Grundlage gestellt wird, doch stellt die Liechtenstein Erklärung vom 12. März 2009 nicht nur ein Bekenntnis zu einem neuen System der Rechts- und Amtshilfe im Bereich der Steuern dar, sondern es handelt sich hier um eine offizielle Stellungnahme der liechtensteinischen Regierung. Die liechtensteinische Regierung akzeptiert im Rahmen der Liechtenstein Deklaration die OECD-Standards für Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen und unterstützt zu dem ausdrücklich die internationalen Maßnahmen gegen die Nichteinhaltung von Steuergesetzen.
II. 31
32
33
Inkrafttreten
Erklärung Liechtensteins
Mit dieser Erklärung verpflichtet sich Liechtenstein zur Umsetzung der durch die OECD entwickelten globalen Standards der Transparenz und des Informationsaustausches in Steuerfragen sowie zu einer intensivierten Teilnahme an internationalen Bemühungen zur Bekämpfung der Nichteinhaltung ausländischer Steuergesetze. Mit dieser Erklärung verdeutlicht Liechtenstein seinen Standpunkt zum Schutz der Privatsphäre und zum Bankkundengeheimnis und bekräftigt seine Bereitschaft, die Verhandlungen über Abkommen betreffend den Informationsaustausch in Steuerfragen und andere Abkommen zu beschleunigen, um so bald wie möglich über ein Netz solcher Abkommen zu verfügen, damit sowohl dem globalen Problem des Steuerbetrugs und der Steuerhinterziehung als auch der Doppelbesteuerung begegnet werden kann. Im Rahmen dieses Prozesses wird sich Liechtenstein seiner Verantwortung sowohl gegenüber den Steueransprüchen anderer Staaten als auch gegenüber dem Vertrauen seiner Kunden stellen. Die Regierung und die liechtensteinische Wirtschaft sind sich der Tatsache bewusst, dass wir uns in einer Zeit des grundlegenden und schnellen Wandels befinden, in der sich die Welt auf vielen Gebieten mit noch nie da gewesenen Herausforderungen konfrontiert sieht. Jeder Staat ist dazu aufgerufen, die Bemühungen der globalen Gemeinschaft zur Bewältigung dieser Herausforderungen durch proaktives und vorausschauendes Handeln zu unterstützen. Entscheidungsträger auf der ganzen Welt fordern und verabschieden Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung der globalen Wirtschaft und des globalen Finanzsystems. Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen wird allgemein anerkannt und auch von Liechtenstein bestätigt. 182
D.
Die Liechtenstein Deklaration vom 12. März 2009
Seit jeher verfügt Liechtenstein über eine diversifizierte Wirtschaft und ist Heimat zahlreicher, international renommierter Unternehmen aus sämtlichen Bereichen der Wirtschaft. Die Industrie ist zwar weiterhin die tragende Säule der Volkswirtschaft, doch hat sich die liechtensteinische Finanzdienstleistungsbranche gut entwickelt und konnte somit zur Diversifizierung der liechtensteinischen Wirtschaft beitragen. Dementsprechend spielt der Finanzplatz eine wichtige Rolle für die Prosperität Liechtensteins, da Kunden aus der ganzen Welt ihr Vertrauen in Liechtenstein gesetzt haben, ein Vertrauen, das in manchen Fällen seit mehreren Generationen besteht. Liechtenstein ist Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums und nimmt auch am Europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen teil. Liechtenstein und sein international eingebundener Finanzplatz sind entschlossen, durch einen hohen Regulierungsstandard und eine hohe Qualität an Dienstleistungen seine Anerkennung als führender Investmentstandort und Standort für Vermögensverwaltung innerhalb der globalen Gemeinschaft zu wahren. Liechtenstein hat bereits zahlreiche Initiativen zur Bekämpfung illegaler Aktivitäten unternommen und verfügt über eine Gesetzgebung und Verwaltungspraxis, die von der FATF, dem IWF und anderen Institutionen positiv evaluiert wurden. Ferner hat Liechtenstein ein Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU ratifiziert und umgesetzt und vor kurzem auch ein Steuerabkommen mit den USA abgeschlossen, das auf den global akzeptierten OECD-Standards basiert. Gegenwärtig befindet sich Liechtenstein in Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen mit der EU und führt Gespräche mit bestimmten OECD- und EUMitgliedstaaten über eine engere Zusammenarbeit in Steuerfragen. Wie andere Finanzzentren auch, tritt Liechtenstein weiterhin für den Schutz der berechtigten Ansprüche seiner weltweiten Klienten auf Privatsphäre ein. Zu diesem Zweck gewährleistet die Regierung, dass Liechtenstein weiterhin über eine solide und moderne Gesetzgebung im Bereich des Bankkundengeheimnisses verfügt. Liechtenstein verpflichtet sich, als Mitglied der globalen Gemeinschaft verantwortungsvoll zu handeln und die globalen Bemühungen zur Förderung der langfristigen wirtschaftlichen Prosperität und des allgemeinen Wohlergehens zu unterstützen. Die zentrale Lage Liechtensteins in der Mitte Europas, seine Einbindung in den Europäischen Wirtschaftsraum und in die globale Gemeinschaft sowie die Offenheit der Märkte, nicht nur im Finanzdienstleistungsbereich, ermutigen Liechtenstein, eine umfassende Zusammenarbeit in Steuerfragen entsprechend den OECD-Standards und darüber hinaus anzustreben, um den Bedürfnissen anderer Staaten, seiner Investoren und seines Finanzplatzes besser entsprechen zu können. Liechtenstein ist bereit, verstärkt an den internationalen Bemühungen mitzuwirken, mit denen der Nichteinhaltung von steuerlichen Deklarationspflichten in einer global integrierten Finanzgemeinschaft begegnet werden soll, in dem es gewillt ist, durch den Abschluss bilateraler Abkommen zum Informationsaustausch in Steuerfragen sowie Doppelbesteuerungsabkommen die Zusammenarbeit mit anderen Staaten zu vertiefen. Liechtenstein bekennt sich zu den durch die OECD entwickelten globalen Standards der Transparenz und des Informationsaustausches in Steuerfragen und verpflichtet sich, diese Standards auch umzusetzen. Liechtenstein ist zudem bereit, über diese Standards hinauszugehen, um den Anliegen und Steueransprüchen anderer Staaten besser zu entsprechen. Das Ziel der Regierung ist es ferner, den legitimen Bedürfnissen der Investoren Rechnung zu tragen, die Rolle des Finanzplatzes als einen steuerkonformen Standort zu stärken und seine Transparenz und Verantwortlichkeit zu erhöhen. Darüber hinaus ist Liechtenstein bereit, die Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen mit der EU fortzuführen und Verhandlungen über eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des Zinsbesteuerungsabkommens mit der EU aufzunehmen. 183
3 34
3 35
36
37
38
39
40
3 41
3
42
43
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Unter Berücksichtigung der legitimen Bedürfnisse seiner Kunden und seines Industriesektors ist Liechtenstein bereit, bilaterale Abkommen über den Informationsaustausch in Steuerfragen sowie weitere Abkommen abzuschliessen, welche auch über die OECD Standards hinausgehen können. Hierdurch sollen insbesondere das globale Problem des Steuerbetrugs und der Steuerhinterziehung durch einen effektiven Informationsaustausch bekämpft und gleichzeitig Doppelbesteuerungen verhindert werden. Parallel dazu wird die Regierung Liechtensteins bei seinen Vertragspartnern für die Entwicklung von Verfahren eintreten, um Investoren erforderlichenfalls bei der Erfüllung zurückliegender, gegenwärtiger und zukünftiger Steuerverpflichtungen in ihren Wohnsitzstaaten zu unterstützen. Im gemeinsamen Interesse der Investoren, der ausländischen Staaten und des liechtensteinischen Finanzplatzes sollten Verfahren zur freiwilligen Offenlegung eine angemessene Rechtssicherheit für Steuerpflichtige und für diejenigen Institutionen bieten, die ihre Mandanten in diesem Prozess begleiten. Ferner ist Liechtenstein bereit, umfassende Lösungen zum Schutz der legitimen Steueransprüche anderer Staaten entsprechend ihrer jeweiligen Steuersouveränität zu entwickeln, die zu einem Ausgleich der legitimen Interessen der Staaten führen. Darüber hinaus wird sich Liechtenstein bei seinen Vertragspartnern um die Entwicklung klarer und detaillierter Leitlinien und um fachliche Unterstützung hinsichtlich der Anwendung des Steuerrechts des jeweiligen Wohnsitzstaates auf die in oder über Liechtenstein gehaltenen Vermögenswerte bemühen, um einen effektiven Ansatz im Hinblick auf den Informationsaustausch zu gewährleisten, die Steuerzahler und Finanzdienstleister über ihre Verpflichtungen zu informieren und um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die Regierung Liechtensteins geht davon aus, dass dies dazu beitragen wird, Liechtensteins Rolle als steuerkonformer internationaler Finanzplatz zu entwickeln. In den letzten Monaten konnte Liechtenstein durch Gespräche, sowohl mit Regierungen verschiedener EU-Mitgliedstaaten als auch mit Regierungsorganisationen, sehr profitieren und dadurch die Bedürfnisse der globalen Gemeinschaft besser verstehen. Diese Gespräche waren bei der Entwicklung dieser Erklärung sehr hilfreich. Liechtenstein weiss die hierbei gewährte Unterstützung zu schätzen und freut sich auf die Teilnahme an weiteren Diskussionen zum Thema Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen.
III. 44
45
Bedeutung
Mit dieser Erklärung hat sich Liechtenstein somit zur bedingungslosen Akzeptierung des OECD Standards bekannt. Dies bedeutet, dass für die Gewährung eines Informationsaustauschs auf Ersuchen keine Gegenleistungen von Liechtenstein eingefordert werden. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch auch, dass eine Kooperation, die über den OECD Standard hinausgeht nicht bedingungslos von Liechtenstein akzeptiert wird. Ein zentrales Ziel Liechtensteins ist es die Investoren des Finanzplatzes bei der Erfüllung zurückliegender, gegenwärtiger und zukünftiger Steuerverpflichtungen in ihren Wohnsitzstaaten zu unterstützen. Es soll somit möglichst nicht nur eine zukünftige Steuerkonformität der Investoren erreicht werden, sondern auch mögliche „Altfälle“ sollen gelöst werden. Ein Ausfluss dieses Zieles ist das Abkommen zwischen Liechtenstein und dem Vereinigten Königreich. Dieses Abkommen sieht für den Zeitraum von 2010 bis 2015 besondere Konditionen bei der Selbstdeklaration von britischen Kunden des Finanzplatzes Liechtenstein vor, die im Vereinigten Königreich steuerpflichtig sind. Im Gegenzug dazu verpflichtet sich Liechtenstein zur Sicherstellung der Steuerkonformität von britischen Finanzplatzkunden. Konkret stellt Liechtenstein sicher, dass es ab dem Jahr 2015 keine britischen Kunden mehr in Liechtenstein gibt, die ihre Steuerpflicht im Vereinigten Königreich in Bezug auf diese Einkünfte nicht erfüllt haben. 184
3
E. Die liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen
E.
Die liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen
I.
Hintergrund: Steuerinformationsabkommen
E.
Im Jahr 1998 hat die OECD den Bericht: „Schädlicher Steuerwettbewerb: Ein weltweites Problem („Harmful Tax Competition: An Emerging Global Issue“) veröffentlicht. Als ein zentrales Element zur Identifizierung von schädlichem Steuerwettbewerb sah die OECD im Fehlen eines wirksamen Informationsaustauschs in Steuersachen. Zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs sah die OECD daher zum einen die Identifizierung von Steueroasen vor und zum anderen die Entwicklung eines Instruments, dass zur Einführung eines effektiven Informationsaustausches genutzt werden kann.
46
Abbildung 18: OECD Kriterien für eine Steueroase Elemente zur Identifizierung einer Steueroase (Tax haven) gemäß dem OECD Bericht „Schädlicher Steuerwettbewerb: Ein weltweites Problem“ von 1998 Q
Keine oder nur nominale Steuern
Q
Fehlen eines effektiven Informationsaustausch
Q
Lack of transparency
Q
Keine wirtschaftliche Substanz
Als Folge des OECD Berichtes von 1998 veröffentlichte die OECD im Jahr 2000 die erste Schwarze Liste mit einer Nennung der unkooperativen Steueroasen. Insgesamt befanden sich 35 Länder auf dieser Schwarzen Liste, wobei auch das Fürstentum Liechtenstein auf dieser Liste aufschien: Tabelle 19: Schwarze Liste der OCED 2000 Andorra
Grenada
Niue
Anguilla
Guernsey/Sark/Alderney
Panama
Antigua and Barbuda
Isle of Man
Samoa
Aruba
Jersey
The Republic of the Seychelles
Commonwealth of the Bahamas
Liberia
St Lucia
Bahrain
Das Fürstentum Liechtenstein
The Federation of St. Christopher & Nevis
Barbados
The Republic of the Maldives St. Vincent and the Grenadines
Belize
The Republic of the Marshall Islands
Tonga
British Virgin Islands
Das Fürstentum Monaco
Turks & Caicos
Cook Islands
Montserrat
US Virgin Islands
The Commonwealth of Dominica The Republic of Nauru Gibraltar
The Republic of Vanuatu
Netherlands Antilles 185
47
3
3 48
3
49
50
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Im 18. April 2002 wurden durch den Steuerausschuss der OECD ein Musterabkommen für den internationalen Informationsaustausch und einem zugehörigen Musterkommentar beschlossen sowie anschließend veröffentlicht. Dieses Musterabkommen ermöglicht einen grenzüberschreitenden Informationsaustausch auf Ersuchen und ist Teil des sogenannten OECD Standards. Zwischen 2000 und 2004 hat sich die Mehrheit der unkooperativen Steueroasen zu diesen OECD Standards bekannt und wurde daher von der Schwarzen Liste der unkooperativen Steueroasen gestrichen. Die Schwarze Liste aus dem Jahr 2004 enthielt in der Folge nur noch fünf Jurisdiktionen, die sich noch nicht zu den OECD Standards bekannt haben: Q Andorra Q Das Fürstentum Liechtenstein Q Liberia Q Das Fürstentum Monaco Q The Republic of the Marshall Islands Eine Analyse der tatsächlich abgeschlossenen Steuerinformationsabkommen (Tax Information Exchange Agreements, TIEA) zwischen 2000 und 2009 zeigt jedoch, dass es bei dem meisten Staaten nur bei diesem Bekenntnis blieb und lange Jahre eine Umsetzung des OECD Standards nicht vollzogen wurde: Abbildung 19: Neu abgeschlossene Steuerinformationsabkommen 250
200
150
100
50
0 2000
186
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
E. Die liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen
II.
3
Überblick über die liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen
Seit dem 8. Dezember 2008 hat das Fürstentum Liechtenstein bis zum 31. Dezember 2010 insgesamt 19 Steuerinformationsabkommen abgeschlossen. Darunter sind insbesondere Abkommen mit den wichtigsten Wirtschaftspartnern, wie beispielsweise mit Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den USA: Tabelle 20: Die liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen (Stand: 31. Dezember 2010) Land
Abschlussdatum
Inkrafttreten
Zeitraum ab
Andorra
18.09.2009
10.01.2011
01.01.2010
Antigua and Barbuda
25.11.2009
16.01.2011
01.01.2010
Belgien
10.11.2009
Dänemark
17.12.2009
Deutschland
02.09.2009
Färöer-Inseln
17.12.2009
Finnland
17.12.2009
Frankreich
22.09.2009
Grönland
17.12.2009
Irland
13.10.2009
Island
17.12.2009
Monaco
01.01.2010
28.10.2010
01.01.2010
19.08.2010
01.01.2010
30.06.2010
01.01.2010
21.09.2009
14.07.2010
01.01.2010
Niederlande
10.11.2009
01.12.2010
01.01.2010
Norwegen
17.12.2009
Schweden
17.12.2009
St. Kitts and Nevis
14.12.2009
01.01.2010
St. Vincent and the Grandines
02.10.2009
01.01.2010
Vereinigtes Königreich
11.08.2009
02.12.2010
01.01.2010
Vereinigte Staaten von Amerika
08.12.2008
04.12.2009
01.01.2009
187
51
3
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
III. 52
3
53
54
55
Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und den USA war das erste liechtensteinische Steuerinformationsabkommen. Aus diesem Grund kann und wurde dies nicht nur von Liechtenstein, sondern auch vom Ausland als Leitbild für den Abschluss von weiteren Steuerinformationsabkommen angesehen. Daher wird das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und den USA im folgenden im Detail analysiert werden, während bei den anderen liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen (mit Ausnahme der Steuerinformationsabkommen mit Deutschland und dem Vereinigten Königreich, die jeweils in einem eigenen Kapitel behandelt werden) nur die abweichenden Besonderheiten aufgezeigt werden. Die am 17. Dezember 2010 abgeschlossenen Steuerinformationsabkommen mit Dänemark, den Färöer-Inseln, Finnland, Grönland, Island, Norwegen und Schweden werden nicht gesondert analysiert, da diese Abkommen zum Zeitpunkt des Drucks dieser Auflage noch nicht veröffentlich wurden. Im Abschnitt Ausblick wird jedoch kurz auf diese eingegangen werden.
IV.
Das TIEA Liechtenstein/USA
1.
Vorbemerkung
Am 8 . Dezember 2008 hat das Fürstentum Liechtenstein mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein Überkommen über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in Steuersachen (Tax Information Exchange Agreement, TIEA FL/USA) erzielt. Die Umsetzung des TIEA FL/USA erfolgte in Liechtenstein durch das Gesetz vom 16. September 2009 über die Amtshilfe in Steuersachen mit den Vereinigten Staaten von Amerika (US-AHG).7 Hintergrund des TIEA FL/USA war im Sommer 2006 die Mitteilung durch das amerikanische Finanzministerium, dass diese mit Liechtenstein ein Steuerinformatonsabkommen abschließen wollen. Die Amerikaner verknüpften diese Forderung mit der Verlängerung des QI-Status der liechtensteinischen Banken, der am 31. Dezember 2008 ausgelaufen wäre. Folglich hätten die liechtensteinischen Banken keine Verlängerung des QI-Status über den 31. Dezember 2008 hinaus erhalten, wenn das Fürstentum Liechtenstein kein Steuerinformationsabkommen mit den Vereinigten Staaten abgeschlossen hätte.
2. 56
57
Vorgehensweise
Anwendungsbereich
Nach Art. 1 TIEA FL/USA erfolgt die Zusammenarbeit in Steuersachen durch den Austausch von Informationen, die für die Anwendung und Vollstreckung der jeweiligen innerstaatlichen gesetzlichen Vorschriften Dies schließt Informationen mit ein, die für die Festlegung, Veranlagung, Vollstreckung oder Erhebung von Steuern in Bezug auf Personen, die diesen Steuern unterliegen, oder die Untersuchung und Verfolgung von Steuerstrafsachen voraussichtlich bedeutsam sind. Art. 3 TIEA FL/USA normiert die erfassten Steuern. Demnach erstreckt sich dieses Steuerinformationsabkommen im Falle der Vereinigten Staaten auf alle Bundessteuern und im Falle des Fürstentums Liechtenstein auf alle Steuern, die auf Landesebene erhoben werden. Ferner gilt dieses Übereinkommen auch für alle Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung 7
188
Gesetz vom 16. September 2009 über die Amtshilfe in Steuersachen mit den Vereinigten Staaten von Amerika (Steueramtshilfegesetz-USA; AHG-USA), LGBl. 2009 Nr. 303.
E. Die liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen
3
dieses Abkommens zusätzlich zu den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden, jedoch nur wenn die Vertragsparteien das so vereinbaren. Die zuständige Behörde jeder Vertragspartei teilt der anderen die in ihren gesetzlichen Vorschriften eingetretenen Änderungen mit, welche die Verpflichtungen dieser Vertragspartei gemäß diesem Abkommen beeinflussen können.
3.
Informationsaustausch auf Ersuchen
3
In Art. 5 TIEA FL/USA sind die Anforderungen an die Durchführung eines Auskunftsersuchens festgelegt und somit handelt es sich hierbei um den zentralen Artikel des Abkommens. Hierin wird normiert, dass der Informationsaustausch auf spezifierte Ersuchen begrenzt ist. Dies bedeutet, dass die Vertragsparteien weder zu einem spontanen, noch einen automatischen Informationsaustausch verpflichtet werden. Die Anforderungen an die Form und den Inhalt eines Informationsersuchens sind in Art. 5 Abs. 2 TIEA FL/USA aufgelistet. Demnach ist jedes Informationsersuchen möglichst detailliert abzufassen und muss die folgenden schriftlichen Angaben enthalten: a) die Identität des Steuerzahlers, dessen steuerrechtliche oder strafrechtliche Verantwortung in Frage steht; b) die Zeitspanne, in Bezug auf welche die Informationen verlangt werden; c) die Art der verlangten Informationen und die Form, in der die ersuchende Vertragspartei diese Informationen zu erhalten wünscht; d) die Angelegenheit gemäß den steuerrechtlichen Vorschriften der ersuchenden Vertragspartei, in Bezug auf welche um die Informationen ersucht wird; e) die Gründe zur Annahme, dass die verlangten Informationen für die Verwaltung und Vollstreckung der Steuern der ersuchenden Vertragspartei mit Bezug auf die gemäß Buchstabe (a) dieses Absatzes bezeichnete Person voraussichtlich bedeutsam sind; f) die Gründe zur Annahme, dass die verlangten Informationen sich bei der ersuchten Vertragspartei oder im Besitz oder unter der Kontrolle einer Person innerhalb des Hoheitsgebietes der ersuchten Partei befinden; g) soweit bekannt, den Namen und die Adresse jeder Person, von der angenommen wird, dass die ersuchten Informationen in deren Besitz oder unter deren Kontrolle sind; h) eine Erklärung, dass die ersuchende Vertragspartei in der Lage wäre, die verlangten Informationen zu beschaffen und zur Verfügung zu stellen, falls die ersuchte Vertragspartei ein vergleichbares Ersuchen stellen würde [Grundsatz der Reziprozität]; und i) eine Erklärung, dass die ersuchende Vertragspartei alle angemessenen, ihr in ihrem Hoheitsgebiet zur Verfügung stehenden Mittel zur Beschaffung der Informationen ausgeschöpft hat, ausgenommen solche, die unverhältnismäßig grosse Schwierigkeiten mit sich bringen würden [Grundsatz der Subsidiarität]. Hervorzuheben ist, dass beispielsweise die Reziprozität auch im konkreten Einzelfall gegeben sein muss. Dies ist aufgrund der Besonderheiten des Gesellschaftsrechts in den amerikanischen Gliedstaaten nicht immer gegeben. Wenn ein entsprechend spezifiziertes Auskunftsersuchen gestellt wurde, dann müssen die Informationen unter diesem Abkommen unabhängig davon beschafft und ausgetauscht werden, ob die ersuchte Vertragspartei die Informationen für eigene steuerliche Zwecke braucht oder ob das Verhalten, das Gegenstand der Ermittlungen ist, nach den gesetzlichen Vorschriften der ersuchten Vertragspartei eine Straftat darstellen würde, wäre es im Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei erfolgt. 189
58
59
60
3 61
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Ferner normiert Art. 5 Abs. 6 TIEA FL/USA, dass die Vertragsparteien die Befugnis haben müssen, die folgenden Informationen durch ihre zuständige Behörde und gestützt auf ein Ersuchen zu beschaffen und zur Verfügung zu stellen: Q Informationen im Besitz von Banken, anderen Finanzinstituten und jeglichen Personen, einschließlich Bevollmächtigter und Treuhänder, die als Agent oder in treuhänderischer Eigenschaft handeln; Q Informationen, welche die Eigentumsverhältnisse an Gesellschaften und anderen Rechtsträgern betreffen, einschließlich, jedoch unter Berücksichtigung der im Rahmen dieses Übereinkommens aufgeführten Beschränkungen, Informationen über alle Personen in einer Kette von Eigentümern; Q im Falle von Personengesellschaften, Informationen betreffend die einzelnen Mitglieder der Personengesellschaft; Q im Falle von Trusts, Informationen betreffend Settlors, Trustees und die Begünstigten; und Q im Falle von Stiftungen, Informationen betreffend die Stifter, Mitglieder des Stiftungsrats und die Begünstigten.
4. 62
Die Möglichkeiten ein Auskunftsersuchen abzulehnen sind in Art. 7 TIEA FL/USA festgelegt. Zum einen wird der ersuchten Vertragspartei ausdrücklich das Recht eingeräumt ein Auskunftsersuchen abzulehnen, wenn die ersuchende Vertragspartei unter ähnlichen Umständen, nach ihren eigenen, die Verwaltung oder die Vollstreckung ihrer eigenen steuerrechtlichen Bestimmungen betreffenden Vorschriften oder aufgrund eines gültigen Ersuchens der ersuchten Vertragspartei nach diesem Übereinkommen, nicht selbst in der Lage wäre, die ersuchten Informationen zu beschaffen. Darüber hinaus darf die ersuchte Vertragspartei ein Auskunftsersuchen ablehnen, wenn Q das Ersuchen nicht den Bestimmungen dieses Übereinkommens entspricht und insbesondere wenn die Anforderungen nach Art. 5 TIEA FL/USA nicht erfüllt werden; Q die ersuchende Vertragspartei nicht alle Mittel eingesetzt hat, die ihr in ihrem eigenen Hoheitsgebiet zur Verfügung stehen, um die Informationen zu beschaffen, außer wenn der Einsatz solcher Mittel zu unverhältnismäßigen Schwierigkeiten führen würde; oder Q die Offenlegung der ersuchten Informationen der öffentlichen Ordnung der ersuchten Vertragspartei zuwiderlaufen würde.
5. 63
Ablehnung eines Ersuchens
Steuerermittlungen im Ausland
Gemäß Art. 6 TIEA FL/USA kann die ersuchende Vertragspartei bei angemessener Vorankündigung darum ersuchen, dass die ersuchte Vertragspartei, soweit dies nach deren Recht zulässig ist, Vertretern der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei die Einreise in das Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei zur Befragung von natürlichen Personen und Prüfung von Unterlagen gestattet. Voraussetzung hierfür ist zudem, dass die betreffenden natürlichen oder anderen Personen dem im Voraus schriftlich zugestimmt haben. Die zuständige Behörde der ersuchenden Vertragspartei setzt die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei über den Zeitpunkt und den Ort des geplanten Treffens mit den betroffenen natürlichen Personen in Kenntnis. Nach Ermessen der ersuchten Vertragspartei darf ein Beamter der ersuchten Vertragspartei an einem solchen Treffen teilnehmen. 190
E. Die liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen Auf Ersuchen der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei kann ferner die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei Vertretern der zuständigen Behörde der ersuchenden Partei gestatten, an einer Steuerprüfung im Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei teilzunehmen. Die zuständige Behörde der die Prüfung durchführenden Vertragspartei unterrichtet so bald wie möglich die zuständige Behörde der ersuchenden Vertragspartei über den Zeitpunkt und den Ort der Prüfung, die mit der Durchführung der Prüfung beauftragte Behörde oder Person sowie über die von der ersuchten Vertragspartei zur Durchführung der Prüfung vorgeschriebenen Verfahren und Bedingungen. Alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Steuerprüfung werden von der die Prüfung durchführenden Vertragspartei gefällt.
3 64
3
! Praxishinweis: In Abhängigkeit vom Einzelfall kann eine solche grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Interesse des betroffenen Steuerpflichtigen liegen, da auf diese Weise ein Sachverhalt effizienter und zügiger geklärt werden kann.
6.
Inkrafttreten
Art. 30 in Verbindung mit Art. 31 US-AHG normiert, dass das Steueramtshilfegesetz-USA nur auf Ersuchen Anwendung findet, die nach dem 1. Januar 2010 eingehen und die Bezug auf Steuerjahre nehmen, die am oder nach dem 1. Januar 2009 begonnen haben. Informationen, die vor dem 1. Januar 2009 erstellt wurden, können nur an die zuständige amerikanische Behörde übermittelt werden, sofern diese für ein Ersuchen mit Bezug auf Steuerjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2009 beginnen, voraussichtlich bedeutsam sind. Als Beispiel hierfür nennt Ziffer 8 des Protokolls zum TIEA FL/ USA den Fall, dass mit Bezug auf die nach dem 31. Dezember 2008 durchgeführten Bankgeschäfte eines Steuerzahlers um Amtshilfe ersucht wird, und das Dokumente wie beispielsweise eine Unterschriftenkarte für das entsprechende Konto, die vor dem 1. Januar 2009 ausgefertigt wurden, auch auszutauschen sind.
V.
Das TIEA Liechtenstein/Andorra
1.
Hintergrund
Das Abkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung des Fürstentums Andorra über den Informationsaustausch in Steuersachen (TIEA FL/AD) wurde am 18. September 2009 abgeschlossen. Es entspricht dem OECD Standard und wird in Liechtenstein durch das Gesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG)8 umgesetzt. Das Fürstentum Liechtenstein und das Fürstentum Andorra nahmen im Juli 2009 offiziell konkrete Verhandlungen über den Abschluss eines Abkommens auf. Im September 2009 erlangte Andorra die verfassungsmäßige Kompetenz zum Abschluss von einem Steuerinformationsabkommen, nicht jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen für den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens. Daher wurde zuerst ein Steuerinformationsabkommen zwischen den beiden Fürstentümern vereinbart und später, wenn in Andorra die Voraussetzungen gegeben sind, soll das Steuerinformationsabkommen durch ein Doppelbesteuerungsabkommen ersetzt werden. 8
Gesetz vom 30. Juni 2010 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG), LGBl. 2010 Nr. 246.
191
65
66
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3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
2. 68
3
Besonderheiten
Das TIEA FL/AD orientiert sich stark an dem TIEA FL/USA. Es enthält jedoch beispielsweise auch die Möglichkeit ein Auskunftsersuchen abzulehnen, wenn der in Frage stehende Steuerbetrag 25.000 Euro oder den entsprechenden Betrag in Schweizer Franken nicht übersteigt, sofern der Fall von der ersuchenden Vertragspartei nicht als sehr schwerwiegend betrachtet wird. Ferner wurde in Ziffer 5 des Protokolls zum TIEA FL/AD die Vorgehensweise bzgl. der Verhandlung eines Doppelbesteuerungsabkommens niedergelegt. Demnach besteht Einvernehmen, dass die Vertragsparteien beabsichtigen, ein Abkommen über die Vermeidung der Doppelbesteuerung auszuhandeln, sobald der steuerrechtliche Rahmen im Fürstentum Andorra hierfür festgelegt ist. Das Abkommen wird auch das Verfahren für den Informationsaustausch in Steuersachen vorsehen und dieses Abkommen ersetzen. Die diesbezüglichen Verhandlungen werden in dem Jahr nach der Verabschiedung der andorranischen Gesetzgebung über die Einführung einer Körperschaftssteuer beginnen.
3. 69
70
Das Abkommen trat am 10. Januar 2011 in Kraft. Es findet auf Ersuchen Anwendung, die am oder nach dem 10. Januar 2011 eingehen und die Bezug auf Steuerjahre nehmen, die am oder nach dem 1. Januar 2010 begonnen haben.
VI.
Das TIEA Liechtenstein/Monaco
1.
Hintergrund
Das Abkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung des Fürstentums Monaco über den Informationsaustausch in Steuersachen (TIEA FL/MC) wurde am 21. September 2009 abgeschlossen. Es entspricht dem OECD Standard und wird in Liechtenstein durch das Gesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG)9 umgesetzt. Ferner einigten sich die Fürstentümer zudem über die Aufnahme von Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen an.
2. 71
Besonderheiten
Das TIEA FL/MC orientiert sich an dem TIEA FL/USA. Es enthält jedoch beispielsweise auch die Möglichkeit ein Auskunftsersuchen abzulehnen, wenn der in Frage stehende Steuerbetrag 25.000 Euro oder den entsprechenden Betrag in Schweizer Franken nicht übersteigt, sofern der Fall von der ersuchenden Vertragspartei nicht als sehr schwerwiegend betrachtet wird.
3. 72
Inkrafttreten
Inkrafttreten
Dieses Abkommen tritt einen Monat nach dem Tag in Kraft, an dem die Vertragsparteien einander notifiziert haben, dass ihre jeweiligen Voraussetzungen für das Inkrafttreten dieses Abkommens erfüllt sind. Maßgeblich ist der Tag des Eingangs der letzten Notifikation. Es ist auf Ersuchen nach 9
192
Gesetz vom 30. Juni 2010 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG), LGBl. 2010 Nr. 246.
E. Die liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen
3
dem Inkrafttreten anzuwenden, die am Tag oder nach dem Tag des Inkrafttretens gestellt werden, jedoch nur in Bezug auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume, die am oder nach dem 1. Januar 2010 beginnen.
VII.
Das TIEA Liechtenstein/Frankreich 3
1.
Hintergrund
Das Abkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung der Republik Frankreich über den Informationsaustausch in Steuersachen (TIEA FL/FR) wurde am 22. September 2009 abgeschlossen. Es entspricht dem OECD Standard und wird in Liechtenstein durch das Gesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG)10 umgesetzt. Gemäß der liechtensteinischen Regierung war Frankreich aus grundsätzlichen und substantiellen Erwägungen nicht bereit, bereits 2009 in Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen einzutreten. In einem Briefwechsel wurde jedoch vereinbart, dass Verhandlungen über eine weitgehende Steuerkooperation nach Inkrafttreten des TIEA aufgenommen werden sollen. Folglich ab August 2010.
2.
74
Besonderheiten
In den Verhandlungen mit Frankreich wurde in Anlehnung an den OECD Kommentar zum Musterabkommen präzisiert, dass zur Bestimmung der Identität des Steuerpflichtigen dann keine Namensnennung erforderlich ist, wenn sich die Identität aus anderen vergleichbaren personenbezogenen Anhaltspunkten bestimmen lässt.11
3.
73
75
Inkrafttreten
Das Abkommen trat am 18. August 2010 in Kraft. Es findet auf Ersuchen Anwendung, die am oder nach dem 18. August 2010 eingehen und die Bezug auf Steuerjahre nehmen, die am oder nach dem 1. Januar 2010 begonnen haben.
10 Gesetz vom 30. Juni 2010 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG), LGBl. 2010 Nr. 246. 11 Vgl. BuA 20/2010 zum Abkommen vom 22. September 2010 zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung der Republik Frankreich über den Informationsaustausch in Steuersachen, S. 9.
193
76
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
VIII. Das TIEA Liechtenstein/St. Vincent and the Grenadines 1. 3
77
Das Abkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung von St. Vincent & the Grenadines über den Informationsaustausch in Steuersachen wurde am 2. Oktober 2009 abgeschlossen. Es entspricht dem OECD Standard und wird in Liechtenstein durch das Gesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG)12 umgesetzt.
2. 78
80
Besonderheiten
Das TIEA mit St. Vincent and the Grenadines orientiert sich an dem TIEA FL/USA. Es enthält jedoch beispielsweise auch die Möglichkeit ein Auskunftsersuchen abzulehnen, wenn der in Frage stehende Steuerbetrag 25.000 Euro oder den entsprechenden Betrag in Schweizer Franken nicht übersteigt, sofern der Fall von der ersuchenden Vertragspartei nicht als sehr schwerwiegend betrachtet wird.
3. 79
Hintergrund
Inkrafttreten
Dieses Abkommen tritt einen Monat nach dem Tag in Kraft, an dem die Vertragsparteien einander notifiziert haben, dass ihre jeweiligen Voraussetzungen für das Inkrafttreten dieses Abkommens erfüllt sind. Maßgeblich ist der Tag des Eingangs der letzten Notifikation. Es ist auf Ersuchen nach dem Inkrafttreten anzuwenden, die am Tag oder nach dem Tag des Inkrafttretens gestellt werden, jedoch nur in Bezug auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume, die am oder nach dem 1. Januar 2010 beginnen.
IX.
Das TIEA Liechtenstein/Irland
1.
Hintergrund
Das Abkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung Irlands über den Informationsaustausch in Steuersachen (TIEA FL/IRL) mit einem ergänzenden Memodrandum of Understanding wurde am 13. Oktober 2009 abgeschlossen. Es entspricht dem OECD Standard und wird in Liechtenstein durch das Gesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG)13 in Liechtenstein umgesetzt.
12 Gesetz vom 30. Juni 2010 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG), LGBl. 2010 Nr. 246. 13 Gesetz vom 30. Juni 2010 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG), LGBl. 2010 Nr. 246.
194
E. Die liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen
2.
Besonderheiten
Das TIEA FL/IRL orientiert sich an dem TIEA FL/USA. Das Protokoll sieht in Anlehnung an den OECD Kommentar zum Musterabkommen eine Präzisierung zur Identifikation des Steuerpflichtigen vor. Demnach ist zur Bestimmung der Identität des Steuerpflichtigen dann keine Namensnennung erforderlich, wenn sich die Identität aus anderen vergleichbaren personenbezogenen Anhaltspunkten bestimmen lässt. Das Memorandum of Understanding sieht ein Commitment über eine weitere Zusammenarbeit zwischen Irland und Liechtenstein vor. Ferner wollen beide Staaten nach dem Inkrafttreten des Steuerinformationsabkommens gemeinsam die Möglichkeiten erkunden in Verhandlungen über den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens zu treten.
3.
81
3 82
Inkrafttreten
Das Abkommen trat am 30. Juni 2010 in Kraft. Es findet auf Ersuchen Anwendung, die am oder nach dem 30. Juni 2010 eingehen und die Bezug auf Steuerjahre nehmen, die am oder nach dem 1. Januar 2010 begonnen haben.
X.
Das TIEA Liechtenstein/Belgien
1.
Hintergrund
Das Abkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung des Königreichs Belgien über den Informationsaustausch in Steuersachen (TIEA FL/BE) wurde am 10. November 2009 abgeschlossen. Es entspricht dem OECD Standard und wird in Liechtenstein durch das Gesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG)14 umgesetzt.
2.
3
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84
Besonderheiten
Das TIEA FL/BE orientiert sich an dem TIEA FL/USA. Ziffer 2 des Protokolls sieht in Anlehnung an den OECD Kommentar zum Musterabkommen eine Präzisierung zur Identifikation des Steuerpflichtigen vor. Demnach ist zur Bestimmung der Identität des Steuerpflichtigen dann keine Namensnennung erforderlich, wenn sich die Identität aus anderen vergleichbaren personenbezogenen Anhaltspunkten bestimmen lässt. Ferner wurde in Ziffer 5 des Protokolls vereinbart, dass beide Vertragsparteien weitere Bereiche der gemeinsamen Zusammenarbeit und des gemeinsamen Nutzens überprüfen werden. Zudem werden im Anschluss an das Inkrafttreten des Abkommens beide Vertragsparteien die Möglichkeit des Abschlusses eines Doppelbesteuerungsabkommens prüfen.
14 Gesetz vom 30. Juni 2010 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG), LGBl. 2010 Nr. 246.
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3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
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3
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Dieses Abkommen tritt einen Monat nach dem Tag in Kraft, an dem die Vertragsparteien einander notifiziert haben, dass ihre jeweiligen Voraussetzungen für das Inkrafttreten dieses Abkommens erfüllt sind. Maßgeblich ist der Tag des Eingangs der letzten Notifikation. Es ist auf Ersuchen nach dem Inkrafttreten anzuwenden, die am Tag oder nach dem Tag des Inkrafttretens gestellt werden, jedoch nur in Bezug auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume, die am oder nach dem 1. Januar 2010 beginnen.
XI.
Das TIEA Liechtenstein/Niederlande
1.
Hintergrund
Das Abkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung des Königreichs der Niederlande über den Informationsaustausch in Steuersachen (TIEA FL/NL) wurde am 10. November 2009 abgeschlossen. Es entspricht dem OECD Standard und wird in Liechtenstein durch das Gesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG)15 umgesetzt.
2. 88
Besonderheiten
Das TIEA FL/NL orientiert sich an dem TIEA FL/USA. In Ziffer 1 des Protokolls zum TIEA FL/NL ist eine spezielle Klausel zu Einschränkungen beim Austausch von Personendaten geregelt. Ferner sieht Ziffer 2 des Protokolls in Anlehnung an den OECD Kommentar zum Musterabkommen eine Präzisierung zur Identifikation des Steuerpflichtigen vor. Demnach ist zur Bestimmung der Identität des Steuerpflichtigen dann keine Namensnennung erforderlich, wenn sich die Identität aus anderen vergleichbaren personenbezogenen Anhaltspunkten bestimmen lässt. Zudem ist in Übereinstimmung mit dem OECD Kommentar zum Musterabkommen vereinbart worden, dass die normierten Anforderungen an ein Auskunftsersuchen nicht so interpretiert werden sollen, dass sie einen wirksamen Informationsaustausch vereiteln.
3. 89
Inkrafttreten
Inkrafttreten
Das Abkommen trat am 1. Dezember 2010 in Kraft. Es findet auf Ersuchen Anwendung, die am oder nach dem 1. Dezember 2010 eingehen und die Bezug auf Steuerjahre nehmen, die am oder nach dem 1. Januar 2010 begonnen haben.
15 Gesetz vom 30. Juni 2010 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG), LGBl. 2010 Nr. 246.
196
E. Die liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen
XII.
Das TIEA Liechtenstein/Antigua und Barbuda
1.
Hintergrund
Das Abkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung von Antigua und Barbuda über den Informationsaustausch in Steuersachen wurde am 15. November 2009 abgeschlossen. Es entspricht dem OECD Standard und wird in Liechtenstein durch das Gesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG)16 umgesetzt.
2.
3
90
Inkrafttreten
Dieses Abkommen tritt einen Monat nach dem Tag in Kraft, an dem die Vertragsparteien einander notifiziert haben, dass ihre jeweiligen Voraussetzungen für das Inkrafttreten dieses Abkommens erfüllt sind. Maßgeblich ist der Tag des Eingangs der letzten Notifikation. Es ist auf Ersuchen nach dem Inkrafttreten anzuwenden, die am Tag oder nach dem Tag des Inkrafttretens gestellt werden, jedoch nur in Bezug auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume, die am oder nach dem 1. Januar 2010 beginnen.
91
XIII. Das TIEA Liechtenstein/St. Kitts und Nevis 1.
Hintergrund
Das Abkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung von Saint Kitts und Nevis über den Informationsaustausch in Steuersachen wurde am 14. Dezember 2009 abgeschlossen. Es entspricht dem OECD Standard und wird in Liechtenstein durch das Gesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG)17 umgesetzt.
2.
Besonderheiten
Das TIEA mit Saint Kitts und Nevis orientiert sich an dem TIEA FL/USA. Es enthält jedoch beispielsweise auch die Möglichkeit ein Auskunftsersuchen abzulehnen, wenn der in Frage stehende Steuerbetrag 25.000 Euro oder den entsprechenden Betrag in Schweizer Franken nicht übersteigt, sofern der Fall von der ersuchenden Vertragspartei nicht als sehr schwerwiegend betrachtet wird.
3.
92
93
Inkrafttreten
Dieses Abkommen tritt einen Monat nach dem Tag in Kraft, an dem die Vertragsparteien einander notifiziert haben, dass ihre jeweiligen Voraussetzungen für das Inkrafttreten dieses Abkommens erfüllt sind. Maßgeblich ist der Tag des Eingangs der letzten Notifikation. Es ist auf Ersuchen nach 16 Gesetz vom 30. Juni 2010 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG), LGBl. 2010 Nr. 246. 17 Gesetz vom 30. Juni 2010 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG), LGBl. 2010 Nr. 246.
197
94
3
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§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins dem Inkrafttreten anzuwenden, die am Tag oder nach dem Tag des Inkrafttretens gestellt werden, jedoch nur in Bezug auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume, die am oder nach dem 1. Januar 2010 beginnen.
XIV. Ausblick 3
95
96
F.
97
Am 17. Dezember 2010 hat das Fürstentum Liechtenstein sieben weitere Steuerinformationsabkommen abgeschlossen und zwar mit Dänemark, den Färöer-Inseln, Finnland, Grönland, Island, Norwegen und Schweden. Diese können in dieser Auflage nicht mehr im Detail analysiert werden, da diese Abkommen zum Zeitpunkt des Drucks dieser Auflage noch nicht veröffentlich wurden. Gemäß der liechtensteinischen Regierung orientieren sich diese an den bisher abgeschlossenen Steuerinformationsabkommen. Insbesondere sollen diese entsprechend der liechtensteinischen Abkommensstrategie keine rückwirkenden Ersuchen ermöglichen. Grundsätzlich ist die Abkommensstrategie des Fürstentums Liechtenstein, dass in Zukunft nur Steuerinformationsabkommen verhandelt werden sollen, die Teil eines Paketes aus Steuerinformations- und Doppelbesteuerungsabkommen sind. Eine Ausnahme hiervon stellen laufende Verhandlungen über den Abschluss eines Steuerinformationsabkommens dar, diese werden entsprechend der liechtensteinischen Regierung noch abgeschlossen.
F.
Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
I.
Überblick
Mit Stand zum 31. Dezember 2010 verfügt das Fürstentum Liechtenstein insgesamt über fünf Doppelbesteuerungsabkommen und ein sogenanntes Rumpfabkommen über einzelne Steuerfragen mit der Schweiz. Die Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg, San Marino, Hong Kong und Uruguay sind Ausfluss der Liechtenstein Deklaration und orientieren sich am OECD Model 2008. Tabelle 21: Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen (Stand: 31. Dezember 2010) Land
Abschlussdatum
Inkrafttreten
Zeitraum ab
Hong Kong
12.08.2010
*
*
Luxemburg
26.08.2009
17.12.2010
01.01.2011
Österreich
05.11.1969
07.12.1970
01.01.1969
San Marino
23.09.2009
*
*
Schweiz
22.06.1995
17.12.1996
01.01.1995
Uruguay
18.10.2010
*
*
198
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
II.
Das DBA Liechtenstein/Österreich
1.
Vorbemerkung
Das Abkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA FL/AT) wurde am 5. November 1969 in Vaduz abgeschlossen und trat am 7. Dezember 1970 in Kraft.18 Das DBA FL/AT orientiert sich grundsätzlich am damals aktuellen OECD Musterabkommen von 1963. Neben dem DBA zur Vermeidung der Besteuerung auf den Gebieten des Einkommens und des Vermögens besteht zwischen Österreich und Liechtenstein auch ein DBA auf dem Gebiet der Erbschaften.19 Beide Staaten haben jedoch die Erbschaft- und Schenkungssteuer abgeschafft.
2.
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
a)
Persönlicher Anwendungsbereich
Nach Art. 1 DBA FL/AT gilt dieses Abkommen für Personen, die nach Art. 4 DBA FL/AT in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Gemäß Art. 4 DBA FL/AT gilt eine natürliche Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, als ansässig. In Art. 4 Abs. 3 DBA FL/AT besteht eine zusätzliche, rein formale Voraussetzung für die abkommensrechtliche Ansässigkeit, die zur oben angeführten Voraussetzungen hinzutreten muss: Eine in Liechtenstein unterhaltene ständige Wohnstätte gilt nur dann als Wohnsitz im Sinne des DBA FL/ AT, wenn die „fremdenpolizeilichen Voraussetzungen für einen dauernden Aufenthalt erfüllt“ sind. Durch diese Bestimmung soll durch bloße faktische (aber illegale) Wohnsitznahmen in Liechtenstein keine österreichischen Besteuerungsrechte verloren gehen und es sollen Abkommensmissbräuche vermieden werden. Es handelt sich dabei um eine rein formale Voraussetzung, weshalb die faktischen Umstände in diesem Zusammenhang nicht maßgeblich sind. Die maximal mit einem Jahr befristete „Kurzaufenthaltsbewilligung“ gemäß Art. 26 ff. PVO stellt keine fremdenpolizeiliche Voraussetzung für einen dauernden Aufenthalt dar, da sie auf 12 Monate beschränkt ist und zudem von der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses abhängig ist. Eine „Aufenthaltsbewilligung EWR“ gemäß Art. 29 ff. PVO und eine „Niederlassungsbewilligung“ gemäß Art. 33 PVO erfüllen hingegen die fremdenpolizeilichen Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 DBA FL/AT für eine Ansässigkeit in Liechtenstein.20 Eine juristische Person gilt nur dann als ansässig und somit abkommensberechtigt, wenn sie Sitz und tatsächliche Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat hat, d.h. Sitz und Geschäftsleitung in Liechtenstein oder Sitz und Geschäftsleitung in Österreich. Es ist somit entgegen der Bestimmung in Art. 4
18 Abkommen vom 5. November 1969 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, LGBl. 1970 Nr. 37. 19 Abkommen vom 7. Dezember 1955 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Erbschaftssteuern, LGBl. 1956 Nr. 12. 20 Vgl. Kopf, Ansässigkeit im Sinne von Art. 4 DBA Ö-Liechtenstein, SWI 2002, S. 513.
199
3
98
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102
103
3
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Abs. 3 OECD-Musterabkommen nicht entscheidend, wo sich der Ort der Geschäftsleitung befindet, sondern für die Abkommensberechtigung muss sich darüber hinaus auch der statutarische Sitz im Geschäftsleitungsstaat befinden.
b) 3
104
105
106
Sachlicher Anwendungsbereich
Nach Art. 2 DBA FL/AT gilt dieses Abkommen, ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung, für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines der beiden Vertragsstaaten oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden. Als Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gelten alle ordentlichen und außerordentlichen Steuern, die vom Gesamteinkommen, vom Gesamtvermögen oder von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden, einschließlich der Steuern vom Gewinn aus der Veräußerung beweglichen oder unbeweglichen Vermögens sowie der Steuern vom Vermögenszuwachs. Zu den bestehenden Steuern, für die das Abkommen gilt, gehören insbesondere Q in Liechtenstein: Q die Erwerbssteuer; Q die Gesellschaftssteuern; Q die Grundstücksgewinnsteuer; Q die Vermögenssteuer; Q die Couponsteuer Q in Österreich: Q die Einkommensteuer; Q die Körperschaftsteuer; Q die Vermögensteuer; Q der Beitrag vom Einkommen zur Förderung des Wohnbaues und für Zwecke des Familienlastenausgleiches; Q der Beitrag vom Einkommen zum Katastrophenfonds; Q die Sonderabgabe vom Einkommen; Q der Beitrag vom Vermögen zum Katastrophenfonds; Q die Sonderabgabe vom Vermögen; Q die Aufsichtsratsabgabe; Q die Gewerbesteuer einschließlich der Lohnsummensteuer; Q die Grundsteuer; Q die Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben; Q die Abgabe vom Bodenwert bei unbebauten Grundstücken; Q die Abgabe von Vermögen, die der Erbschaftssteuer entzogen sind; Q die Beiträge von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen. Das Abkommen gilt ferner auch für alle Steuern gleicher oder ähnlicher Art, die künftig neben den zurzeit bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden.
200
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
3.
3
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
Art. 6 in Verbindung mit Art. 23 DBA FL/AT bestimmt, dass der Belegenheitsstaat des Grundstücks dieses besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Österreich) diese Gewinne von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
107
3
! Praxishinweis: Wie im Abschnitt über das nationale liechtensteinische Steuerrecht dargestellt, erhebt Liechtenstein auf die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen keine Erwerbssteuer. Aus diesem Grund kommt es in Fällen, in denen eine in Österreich ansässige natürliche Person Einkünfte aus Liegenschaften in Liechtenstein bezieht zu einer legalen doppelten Nichtbesteuerung.
4.
Unternehmensgewinne und Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit
a)
Unternehmensgewinne
Nach Art. 7 DBA FL/AT dürfen Unternehmensgewinne grundsätzlich nur vom Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Eine Ausnahme hiervon besteht, wenn das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. In diesen Fällen können die Betriebsstättengewinne von beiden Staaten besteuert werden und somit ist in diesen Fällen der Art. 23 DBA FL/AT (Methodenartikel) zu prüfen. Wenn eine in Österreich ansässige Person Unternehmensgewinne bezieht, die in Liechtenstein besteuert werden dürfen, dann rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, welcher der in Liechtenstein gezahlten Steuer entspricht. Österreich wendet ihr folglich die Anrechnungsmethode an. Liechtenstein hingegen sieht sowohl im DBA FL/AT als auch bereits unilateral die Freistellungsmethode vor. Folglich werden die österreichischen Betriebsstättengewinne einer in Liechtenstein ansässigen Person von der liechtensteinischen Besteuerung befreit.
b)
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109
110
Betriebsstätte
Art. 5 DBA FL/AT definiert eine Betriebsstätte als eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Der Ausdruck „Betriebsstätte“ umfasst dabei insbesondere: Q einen Ort der Leitung; Q eine Zweigniederlassung; Q eine Geschäftsstelle; Q eine Fabrikationsstätte; Q eine Werkstätte; Q ein Bergwerk, einen Steinbruch oder eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen; Q eine Bauausführung oder Montage, deren Dauer zwölf Monate überschreitet. 201
111
3 112
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Art. 5 Abs. 3 DBA FL/AT enthält ferner zusätzlich eine negative Abgrenzung des Betriebsstättenbegriffs. Demnach ist keine Betriebsstätte: Q Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren des Unternehmens benutzt werden; Q Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden; Q Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu werden; Q eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen. ! Praxishinweis: Das DBA FL/AT ist dem OECD Musterabkommen 1963 nachgebildet und enthält keine explizite Negativabgrenzung, wenn es zu einer Häufung der oben angeführten Ausnahmefälle kommt (Geschäftsverdichtung). Die österreichische Finanzverwaltung tendiert in solchen Fällen und in Ablehnung zur internationalen Praxis eine Betriebsstätte zu unterstellen.
c) 113
114
Selbstständige Tätigkeit
In dem DBA FL/AT ist die Unterscheidung zwischen Unternehmensgewinnen nach Art. 7 DBA FL/ AT und Einkünften aus selbständiger Arbeit gemäß Art. 14 DBA FL/AT von hoher Praxisbedeutung. Denn bei Einkünften aus Selbständiger Tätigkeit sieht der Art. 23 DBA FL/AT in Österreich nicht die Anrechnungsmethode wie bei den Unternehmensgewinnen vor, sondern die Freistellungsmethode. Der Begriff selbständige Arbeit umfasst die Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit. Nach Art. 14 Abs. 2 DBA FL/AT umfasst der Ausdruck „freier Beruf “ insbesondere die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, literarische, künstlerische, erzieherische oder unterrichtende Tätigkeit sowie die selbständige Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten und Wirtschaftstreuhänder. ! Praxishinweis: Gemäß österreichischer Verordnung fallen Einkünfte eines Unternehmensberaters ab der Veranlagung 2006 unter Art. 7 DBA FL/AT.21
115
5.
Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren
a)
Überblick
In dem DBA FL/AT sind für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die folgenden Quellensteuerreduktionen vorgesehen: Tabelle 22: Quellensteuersätze DBA FL/AT Dividenden
Zinsen
Lizenzgebühren
15%
10%
5% (bei Industrieproduktionen) 10% (alle anderen Fälle)
21 VO zum DBA-Liechtenstein-EinkSt-2005 , BGBl Nr. II 437/2005.
202
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
b)
3
Dividenden
Nach Art. 10 Abs. 2 DBA FL/AT dürfen Dividenden auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden. Die Steuer darf aber 15% des Bruttobetrages der Dividenden nicht übersteigen. Unter Dividenden werden die folgenden Einkünfte verstanden: Einkünfte aus Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung sowie aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Steuerrecht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind. Gemäß Art. 23 DBA FL/AT steht dem Ansässigkeitsstaat für diese Einkünfte das Besteuerungsrecht zu. Dieser rechnet die ausländische Steuer im Umfang der im DBA vorgesehen Sätze auf die inländische Steuer an.
116
117
118
! Praxishinweis: Falls die Einkünfte im Ansässigkeitsstaat aufgrund des innerstaatlichen Steuerrechts steuerfrei sind oder es beispielsweise aufgrund einer Verlustsituation zu keiner Steuerbelastung kommt, so ist die Anrechnung der ausländischen Steuern ausgeschlossen.
c)
Zinsen
Nach Art. 11 Abs. 2 DBA FL/AT dürfen Zinsen auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden. Die Steuer darf aber 10% des Bruttobetrages der Zinsen nicht übersteigen. Unter Zinsen werden die folgenden Einkünfte verstanden: Einkünfte aus öffentlichen Anleihen, aus Obligationen, auch wenn sie durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Gewinnbeteiligung ausgestattet sind, und aus Forderungen jeder Art sowie alle anderen Einkünfte, die nach dem Steuerrecht des Staates, aus dem sie stammen, den Einkünften aus Darlehen gleichgestellt sind.
119
120
! Praxishinweis: Gemäß nationalem österreichischen Steuerrecht unterliegen Zinsen in der Regel nur dann einer Quellensteuer, wenn das Darlehen durch inländischen Grundbesitz, durch inländische Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über Grundstücke unterliegen oder durch Schiffe, die in ein inländische Schiffsregister eingetragen sind, unmittelbar oder mittelbar gesichert ist.
d)
Lizenzgebühren
Nach Art. 12 Abs. 2 DBA FL/AT dürfen Lizenzgebühren auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden. Die Steuer darf aber nicht übersteigen: Q 5% des Betrages der Lizenzgebühren, wenn sie von einem Unternehmen des anderen Vertragsstaates, das dort einen industriellen Produktionsbetrieb besitzt, sei es unmittelbar oder über eine in diesem anderen Staat ansässige Patentverwertungsgesellschaft, bezogen werden; Q 10% des Betrages der Lizenzgebühren in allen anderen Fällen. Unter „Lizenzgebühren“ werden Vergütungen jeder Art verstanden, die für die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung von Urheberrechten an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken, einschließlich kinematographischer Filme, von Patenten, Marken, Mustern oder Mo203
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3
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins dellen, Plänen, geheimen Formeln oder Verfahren oder für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstungen oder für die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrungen gezahlt werden. ! Praxishinweis: Nicht jede „Lizenz“ im gewöhnlichen Sprachgebrauch ist auch eine Lizenz im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens.
3
123
124
Beispiel zum DBA FL/AT: Erlangt ein österreichischer Internetkunde von einer liechtensteinischen Kapitalgesellschaft das Recht, Planungs- und Zeiterfassungssoftware von dem liechtensteinischen Server der Gesellschaft für seinen eigenen Gebrauch downzuloaden, dann fällt das dafür zu leistende Entgelt nicht unter den Begriff der Lizenzgebühren im Sinn von Artikel 12 DBA FL/AT. Diese Beurteilung gründet sich auf die in Ziffer 14 sowie Ziffer 17.2 und 17.3 des OECD-Kommentars zu Artikel 12 OECD-Muster vertretene Auffassung. Nur dann, wenn der österreichische Kunde Zahlungen dafür leistet, dass er die erworbene Software selbst vervielfältigen und gewinnbringend verwerten kann, wären solche Zahlungen als von Artikel 12 erfasste Lizenzgebühren zu werten (Ziffer 17.4 des OECD-Kommentars).22
6.
Veräußerungsgewinne
a)
Veräußerungen von unbeweglichem Vermögen
Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 DBA FL/AT bestimmt, dass der Belegenheitsstaat Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Falle von Liechtenstein als auch von Österreich) diese Gewinne von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
b) 125
Art. 13 Abs. 2 DBA FL/AT bestimmt, dass der Belegenheitsstaat Gewinne aus der Veräußerung von beweglichem Betriebsvermögen besteuern darf. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 23 DBA FL/AT die Freistellungsmethode an, wohingegen Österreich als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat.
c) 126
Sonstige Veräußerungsgewinne
Sonstige Veräußerungsgewinne dürfen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
7. 127
Veräußerungen von beweglichem Betriebsvermögen
Aufsichtsratsbezüge
Nach Art. 16 DBA FL/AT dürfen Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen und ähnliche Zahlungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrates einer Gesellschaft bezieht, auch im entsprechenden Tätigkeitsstaat
22 Express Antwort Service des österreichischen BMF vom 21. Juni 2004, EAS 2475.
204
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
3
besteuert werden. Um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 23 DBA FL/AT die Freistellungsmethode an, wohingegen Österreich als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat.
8. a)
Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit
aa) Grundregel Nach Art. 15 DBA FL/AT dürfen Einkünfte aus unselbständiger Arbeit – vorbehaltlich den Vorschriften zu Grenzgängern, Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen, Ruhegehälten, Vergütungen aus Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes sowie Studenten – nur im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden. Es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt, wenn die Arbeit dort ausgeübt wird, dann darf auch der Arbeitsortstaat besteuern. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 23 DBA FL/AT die Freistellungsmethode an, wohingegen Österreich als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat. bb) Grenzgänger Für Grenzgänger23 normiert Art. 15 Abs. 4 DBA FL/AT, dass deren Einkünfte aus unselbständiger Arbeit im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Der Staat des Arbeitsortes ist jedoch berechtigt, von den erwähnten Einkünften eine Quellensteuer in Höhe von höchstens 4% zu erheben.
b)
128
129
Ruhegehälter
Vorbehaltlich der Vorschriften zum öffentlichen Dienst normiert Art. 18 DBA FL/AT, dass Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden. Grundsätzlich hat somit der Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht.
c)
3
130
Öffentlicher Dienst
Nach Art. 19 DBA FL/AT dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen aus Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes grundsätzlich nur in dem Staat besteuert werden, aus welchen die Zahlungen geleistet werden. Hierbei handelt es sich um das sogenannte Kassenstaatsprinzip. > Beispiel: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Herr B. wohnt in Feldkirch (Österreich) und arbeitet an der Hochschule Liechtenstein. Sein Gehalt unterliegt ausschließlich der liechtensteinischen Besteuerung.
23 Art .15 Abs. 4 DBA FL/AT definiert einen Grenzgänger als solche Personen, die in einem Vertragsstaat in der Nähe der Grenze ansässig sind und im anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben.
205
131
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
9. 132
3
133
Nach Art. 17 DBA FL/AT dürfen Vergütungen an Sportler und berufsmäßige Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler, und Musiker auch im entsprechenden Tätigkeitsstaat besteuert werden. Dies gilt auch in den Fällen, wenn die Vergütungen nicht direkt an den Künstler oder Sportler gezahlt werden. Um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Österreich) gemäß 23 DBA FL/AT diese Gewinne von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
10.
Vermögensbesteuerung
a)
Unbewegliches Vermögen
Art. 22 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 DBA FL/AT bestimmt, dass der Belegenheitsstaat unbewegliches Vermögen besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Österreich) dieses Vermögen von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
b) 134
Informationsaustausch und Beitreibung
Das DBA FL/AT sieht keinen Informationsaustausch sowie keine gegenseitige Hilfe bei der Beitreibung von Steuerforderungen vor.
12. 138
Sonstiges Vermögen
Sonstiges Vermögen darf nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
11. 137
Vermögen von Eisenbahnunternehmen
Vermögen von Eisenbahnunternehmen eines der beiden Vertragsstaaten, die ihren Betrieb auf das Gebiet des anderen Vertragsstaates ausdehnen, darf nur im erstgenannten Staat besteuert werden.
d) 136
Bewegliches Betriebsvermögen
Art. 22 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 23 DBA FL/AT bestimmt, dass der Belegenheitsstaat bewegliches Betriebsvermögen besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Österreich) dieses Vermögen von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
c) 135
Künstler und Sportler
Besonderheiten
Zu beachten ist, dass Art. 26 DBA FL/AT eine Einschränkung des Geltungsbereiches vorsieht. Demnach findet dieses Abkommen auf Gesellschaften und Treuhandvermögen, die nach dem liechtensteinischen Steuerrecht von einer Vermögens-, Erwerbs- und Ertragsteuer befreit sind (aufgrund 206
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
3
von Art. 83 und 84 des Steuergesetzes vom 30. Januar 1961) nur insoweit Anwendung, als an solchen Gesellschaften oder Treuhandvermögen in Liechtenstein ansässige natürliche Personen oder Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des liechtensteinischen öffentlichen Rechts unmittelbar beteiligt oder begünstigt sind.
13.
Ausblick
3
Das Fürstentum Liechtenstein strebt derzeit Verhandlungen mit der Republik Österreich um die Revision des Doppelbesteuerungsabkommens von 1969 an. Verhandlungsziel von Liechtenstein ist es insbesondere eine weitere Quellensteuerreduktion zu erzielen und die globalen Standards der Transparenz und des Informationsaustausches der OECD zwischen Liechtenstein und Österreich zu kodifizieren. Denn auf Basis des fehlenden Informationsaustauschs belegt Österreich beispielsweise Vermögensübertragungen auf liechtensteinische Stiftungen mit einer 25%igen Stiftungseingangsbesteuerung. Wohingegen Vermögensübertragungen auf österreichische Stiftungen lediglich mit einer 2,5%igen Stiftungseingangsbesteuerung belastet werden.
III.
Das Steuerabkommen Liechtenstein/Schweiz
1.
Vorbemerkung
Das Abkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über verschiedene Steuerfragen (Steuerabkommen FL/CH) wurde am 22. Juni 1995 in Bern abgeschlossen und trat am 17. Dezember 1996 in Kraft.24 Hierbei handelt es sich nicht um ein vollwertiges Doppelbesteuerungsabkommen, sondern lediglich ein Rumpfabkommen.
2.
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
a)
Persönlicher Anwendungsbereich
Nach Art. 1 Steuerabkommen FL/CH gilt dieses Abkommen für Personen, die nach Art. 3 Steuerabkommen FL/CH in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Gemäß Art. 3 Steuerabkommen FL/CH gilt eine natürliche Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, als ansässig. Eine juristische Person gilt dann als ansässig und somit abkommensberechtigt, wenn sie nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Dieser Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat steuerpflichtig ist. Ist eine Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so bestimmen die zuständigen Behörden in gegenseitigem Einvernehmen den Vertragsstaat, in dem diese Person im Sinne dieses Abkommens als ansässig gilt.
24 Abkommen vom 22. Juni 1995 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über verschiedene Steuerfragen, LGBl. 1997 Nr. 87.
207
139
140
141
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3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
b) 143
3
Das Steuerabkommen FL/CH erstreckt sich lediglich auf Zinsen aus Grundpfandforderungen, Unselbständige Arbeit, Ruhegehälter, Renten und Kapitalleistungen sowie Vergütungen aus dem Öffentlichen Dienst. Daher gilt das Abkommen nach Art. 2 Steuerabkommen FL/CH nur für alle Steuern vom Einkommen, die auf diese Einkünfte für Rechnung eines Vertragsstaats oder seiner politischen Unterabteilungen oder lokalen Körperschaften erhoben werden. Ferner gilt das Abkommen auch für alle Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den Einkommensteuern oder an deren Stelle erhoben werden.
3. 144
Unternehmensgewinne
Das Steuerabkommen FL/CH sieht keine Abgrenzung des Besteuerungsrechts für Unternehmensgewinne vor. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, verzichtet das Fürstentum Liechtenstein unilateral auf die Besteuerung von ausländischen Betriebsstättengewinnen. Die liechtensteinische Definition einer Betriebsstätte orientiert sich an dem international üblichen Standard und ist in Art. 2 Abs. 1 lit. a SteG gesetzlich definiert.
4. 145
Sachlicher Anwendungsbereich
Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren
Das Steuerabkommen FL/CH sieht nur für Zinsen aus Grundpfandforderungen eine Abgrenzung des Besteuerungsrechts vor. So können nach Art. 4 Steuerabkommen FL/CH Zinsen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person bezieht und die aus Forderungen stammen, die durch im anderen Staat gelegene Grundstücke sichergestellt sind, nur im erstgenannten Staat besteuert werden. Diesen Grundpfandforderungen sind Faustpfandforderungen gleichgestellt, die vom Grundeigentümer geschuldet und durch Verpfändung von Grundpfandtiteln auf im anderen Staat gelegenen Grundstücken sichergestellt sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, aus dem die Zinsen stammen, eine gewerbliche Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte oder eine selbständige Arbeit durch eine dort gelegene feste Einrichtung ausübt und die Forderung, für welche die Zinsen gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebstätte oder festen Einrichtung gehört. Dies bedeutet, dass eine liechtensteinische AG bei Gewinnausschüttungen von ihrer schweizerischen Tochter-AG die schweizerische Verrechnungssteuer in Höhe von 35% nicht reduzieren kann und es kommt insofern zu einer definitiven Belastung. Liechtensteinische Ausschüttungen hingegen sind bereits unilateral freigestellt und folglich kommt es hier nicht zu einer Doppelbesteuerung.
208
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
5.
Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst
a)
Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit
3
aa) Grundregel Vorbehaltlich der Vorschriften zu Grenzgängern und zum öffentlichen Dienst normiert Art. 5 Abs. 1 Steuerabkommen FL/CH, dass Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person aus unselbständiger Arbeit nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wenn die Arbeit dort ausgeübt wird, dann hat der Arbeitsortstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht. bb) Grenzgänger Vorbehaltlich der Vorschriften zum öffentlichen Dienst normiert Art. 5 Abs. 2 Steuerabkommen FL/ CH, dass Einkünfte aus unselbständiger Arbeit solcher Personen, die im einen Staat ihren Wohnsitz und im anderen Staat ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag dorthin begeben (Grenzgänger), nur in dem Staat besteuert werden, in dem sie ansässig sind.
b)
148
149
Informationsaustausch und Beitreibung
Das Steuerabkommen FL/CH sieht keinen Informationsaustausch sowie keine gegenseitige Hilfe bei der Beitreibung von Steuerforderungen vor.
7.
147
Öffentlicher Dienst
Nach Art. 7 Steuerabkommen FL/CH dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen aus Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes grundsätzlich nur in dem Staat besteuert werden, aus welchen die Zahlungen geleistet werden. Hierbei handelt es sich um das sogenannte Kassenstaatsprinzip.
6.
146
Ruhegehälter
Vorbehaltlich der Vorschriften zum öffentlichen Dienst normiert Art. 6 Steuerabkommen FL/CH, dass Ruhegehälter, Renten, Kapitalleistungen und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person aus privatrechtlichen Einrichtungen der betrieblichen beruflichen Vorsorge gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden. Grundsätzlich hat somit der Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht.
c)
3
150
Ausblick
Derzeit gibt es keine Verhandlungen über eine Erweiterung des Abkommens FL/CH zu einem vollwertigen Doppelbesteuerungsabkommen. Liechtensteinische Wirtschaftsvertreter fordern jedoch bereits seit langem die Reduktion der Verrechnungssteuer.
209
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IV.
Das DBA Liechtenstein/Luxemburg
1.
Vorbemerkung
Das Abkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und dem Grossherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA FL/LUX)25 wurde am 26. August 2009 in Vaduz abgeschlossen und trat am 17. Dezember 2010 in Kraft. Das DBA FL/LUX orientiert sich im Wesentlichen am OECDǦMusterabkommen 2008 unter Berücksichtigung des liechtensteinischen Musterabkommens.
2.
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
a)
Persönlicher Anwendungsbereich
Nach Art. 1 DBA FL/LUX gilt dieses Abkommen für Personen, die nach Art. 4 DBA FL/LUX in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Gemäß Art. 4 DBA FL/LUX gilt eine Person als ansässig, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und umfasst auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften. Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist.
b) 154
155
Sachlicher Anwendungsbereich
Nach Art. 2 DBA FL/LUX gilt dieses Abkommen, ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung, für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines Vertragsstaats oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden. Als Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gelten alle Steuern, die vom Gesamteinkommen, vom Gesamtvermögen oder von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden, einschließlich der Steuern vom Gewinn aus der Veräußerung beweglichen oder unbeweglichen Vermögens, der Lohnsummensteuern sowie der Steuern vom Vermögenszuwachs. Zu den bestehenden Steuern, für die das Abkommen gilt, gehören insbesondere Q im Grossherzogtum Luxemburg: Q die Einkommensteuer der natürlichen Personen, Q die Körperschaftsteuer, Q die Vermögensteuer, und Q die Gewerbesteuer; Q in Bezug auf das Fürstentum Liechtenstein: Q die Erwerbssteuer, 25 Das Abkommen vom 26. August 2009 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und dem Grossherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, LGBl. 2010 Nr. 434.
210
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen die Ertragssteuer, Q die Gesellschaftssteuern, Q die Grundstücksgewinnsteuer, Q die Vermögenssteuer, und Q die Couponsteuer. Das Abkommen gilt auch für alle Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden.
3
Q
3.
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
Art. 6 in Verbindung mit Art. 22 DBA FL/LUX bestimmt, dass der Belegenheitsstaat des Grundstücks dieses besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Luxemburg) diese Gewinne von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
4.
Unternehmensgewinne
a)
Unternehmensgewinne
Nach Art. 7 DBA FL/LUX dürfen Unternehmensgewinne grundsätzlich nur vom Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Eine Ausnahme hiervon besteht, wenn das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. In diesen Fällen können die Betriebsstättengewinne von beiden Staaten besteuert werden und somit ist in diesen Fällen der Art. 22 DBA FL/LUX (Methodenartikel) zu prüfen. Wenn eine in Luxemburg ansässige Person Unternehmensgewinne bezieht, die in Liechtenstein besteuert werden dürfen, dann rechnet Luxemburg auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, welcher der in Liechtenstein gezahlten Steuer entspricht. Luxemburg wendet ihr folglich die Anrechnungsmethode an. Liechtenstein hingegen sieht sowohl im DBA FL/LUX als auch bereits unilateral die Freistellungsmethode vor. Folglich werden die luxemburgerischen Betriebsstättengewinne einer in Liechtenstein ansässigen Person von der liechtensteinischen Besteuerung befreit.
b)
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157
158
159
160
Betriebsstätte
Art. 5 DBA FL/LUX definiert eine Betriebsstätte als eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Der Ausdruck „Betriebsstätte“ umfasst dabei insbesondere: Q einen Ort der Leitung, Q eine Zweigniederlassung, Q eine Geschäftsstelle, Q eine Fabrikationsstätte, Q eine Werkstätte, 211
161
3
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins ein Bergwerk, ein Öl- oder Gasvorkommen, einen Steinbruch, Q eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen und Q eine Bauausführung oder Montage, deren Dauer zwölf Monate überschreitet. Art. 5 Abs. 4 DBA FL/LUX enthält ferner zusätzlich eine negative Abgrenzung des Betriebsstättenbegriffs. Demnach ist keine Betriebsstätte: Q Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren des Unternehmens benutzt werden; Q Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden; Q Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu werden; Q eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen; Q eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen; Q eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, mehrere der unter den Buchstaben oben genannten Tätigkeiten auszuüben, vorausgesetzt, dass die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt. Q
162
3
163
5.
Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren
a)
Überblick
In dem DBA FL/LUX sind für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die folgenden Quellensteuerreduktionen vorgesehen: Tabelle 23: Quellensteuersätze DBA FL/LUX Dividenden
Zinsen
Lizenzgebühren
0%
0%
0% 5% 15%
b) 164
Dividenden
Nach Art. 10 Abs. 2 DBA FL/LUX dürfen Dividenden auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden. Die Steuer darf aber nicht übersteigen:
212
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen 0% des Bruttobetrages der Dividenden, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft (jedoch keine Personengesellschaft) ist, die im Zeitpunkt des Zufließens der Dividenden, während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens 12 Monaten, eine unmittelbare Beteiligung von mindestens 10% oder von einem Anschaffungspreis von mindestens 1.200.000 Euro am Kapital der die Dividenden zahlenden Gesellschaft hält; Q 5% des Bruttobetrages der Dividenden, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft (jedoch keine Personengesellschaft) ist, die unmittelbar über mindestens 10% des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt und die Dividenden nicht unter den vorherigen Punkt fallen; Q 15% des Bruttobetrages der Dividenden in allen anderen Fällen. Der Ausdruck Dividenden ist im DBA FL/LUX definiert als Einkünfte aus Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung sowie aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind, und Einkünfte aus Gewinnanteilen, die der am Geschäftserfolg beteiligte Darlehensgeber wegen seiner Einlage in ein gewerbliches Unternehmen bezieht sowie Zinsen aus Obligationen, wenn neben der festen Verzinsung eine Zusatzverzinsung, die sich nach der Höhe der Gewinnausschüttungen richtet, für diese Wertpapiere eingeräumt ist.
3
Q
c)
165
Zinsen
Nach Art. 11 DBA FL/LUX liegt das Besteuerungsrecht bei Zinsen ausschließlich beim Ansässigkeitsstaat. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaats wird folglich auf null reduziert. Der Ausdruck Zinsen ist im DBA FL/LUX definiert als Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch wenn die Forderungen durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind, und insbesondere Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und aus Obligationen einschließlich der damit verbundenen Aufgelder und der Gewinne aus Losanleihen.
d)
3
166 167
Lizenzgebühren
Nach Art. 12 DBA FL/LUX liegt das Besteuerungsrecht bei Lizenzgebühren ausschließlich beim Ansässigkeitsstaat. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaats wird folglich auf null reduziert. Der Ausdruck Lizenzgebühren ist im DBA FL/LUX definiert als Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung von Urheberrechten an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken, einschließlich kinematographischer Filme, von Patenten, Marken, Mustern oder Modellen, Plänen, geheimen Formeln oder Verfahren oder für die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrungen gezahlt werden.
213
168 169
3
3
170
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
6.
Veräußerungsgewinne
a)
Veräußerungen von unbeweglichem Vermögen
Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 DBA FL/LUX bestimmt, dass der Belegenheitsstaat Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Luxemburg) diese Gewinne von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
b) 171
Art. 13 Abs. 2 DBA FL/LUX bestimmt, dass der Belegenheitsstaat Gewinne aus der Veräußerung von beweglichem Betriebsvermögen besteuern darf. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 22 DBA FL/LUX die Freistellungsmethode an, wohingegen Luxemburg als Ansässigkeitsstaat grundsätzlich die Anrechnungsmethode normiert hat.
c) 172
Sonstige Veräußerungsgewinne
Sonstige Veräußerungsgewinne dürfen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
7. 174
Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen
Gewinne aus der Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, die im internationalen Verkehr betrieben werden, von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, und von beweglichem Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe oder Luftfahrzeuge dient, können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.
d) 173
Veräußerungen von beweglichem Betriebsvermögen
Aufsichtsratsbezüge
Nach Art. 15 in Verbindung mit Art. 22 DBA FL/LUX dürfen Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen und ähnliche Zahlungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrates einer Gesellschaft bezieht, auch im entsprechenden Tätigkeitsstaat besteuert werden und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Luxemburg) diese Einkünfte von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
214
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
8.
Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst
a)
Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit
3
Nach Art. 14 DBA FL/LUX dürfen Einkünfte aus unselbständiger Arbeit – vorbehaltlich den Vorschriften zu Aufsichtsratś und Verwaltungsratsvergütungen, Ruhegehälten sowie Vergütungen aus Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes – nur im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden. Es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt, wenn die Arbeit dort ausgeübt wird, dann hat der Arbeitsortstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht.
b)
176
Öffentlicher Dienst
Nach Art. 18 DBA FL/LUX dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen aus Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes grundsätzlich nur in dem Staat besteuert werden, aus welchen die Zahlungen geleistet werden. Hierbei handelt es sich um das sogenannte Kassenstaatsprinzip.
9.
175
Ruhegehälter
Vorbehaltlich der Vorschriften zum öffentlichen Dienst normiert Art. 17 DBA FL/LUX, dass Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden. Grundsätzlich hat somit der Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht.
c)
3
177
Künstler und Sportler
Nach Art. 16 DBA FL/LUX dürfen Vergütungen an Sportler und berufsmäßige Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler, und Musiker auch im entsprechenden Tätigkeitsstaat besteuert werden. Dies gilt auch in den Fällen, wenn die Vergütungen nicht direkt an den Künstler oder Sportler gezahlt werden. Um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, wendet der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Luxemburg) gemäß 22 DBA FL/LUX die Anrechnungsmethode an.
10.
Vermögensbesteuerung
a)
Unbewegliches Vermögen
Art. 21 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 DBA FL/LUX bestimmt, dass der Belegenheitsstaat unbewegliches Vermögen besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Luxemburg) dieses Vermögen von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
215
178
179
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
b) 180
3
Art. 21 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 22 DBA FL/LUX bestimmt, dass der Belegenheitsstaat bewegliches Betriebsvermögen besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Luxemburg) dieses Vermögen von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
c) 181
184
Informationsaustausch und Beitreibung
Art. 25 DBA FL/LUX normiert den Informationsaustausch zwischen Liechtenstein und Luxemburg. Im Wesentlichen entspricht Art. 25 DBA FL/LUX dem Art. 26 OECD-Musterabkommen 2008. Er beinhaltet einen Informationsaustausch auf Ersuchen. Dieser ist nicht auf den Austausch von Informationen zur Durchführung des Abkommens beschränkt, sondern umfasst auch den Austausch von Informationen die zur Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts der beiden Vertragsstaaten voraussichtlich erheblich sind. Das DBA FL/LUX enthält keine Bestimmung über die gegenseitige Hilfe bei der Beitreibung von Steuerforderungen.
12. 185
Sonstiges Vermögen
Sonstiges Vermögen darf nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
11. 183
Seeschiffe und Luftfahrzeuge
Seeschiffe und Luftfahrzeuge, die im internationalen Verkehr betrieben werden, und Schiffe, die der Binnenschifffahrt dienen, sowie bewegliches Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe oder Luftfahrzeuge dient, können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.
d) 182
Bewegliches Betriebsvermögen
Besonderheiten
Im Hinblick auf das DBA FL/LUX sei auf die unilaterale Missbrauchsnorm von Luxemburg hingewiesen. Demnach nimmt Luxemburg nur dann eine entsprechende Reduktion der Quellensteuersätze vor, wenn die entsprechende Gesellschaft auch voll steuerpflichtig in ihrem Ansässigkeitsstaat ist. Die anwendbare Steuer muss dabei der luxemburgischen Körperschaftssteuer (Impôt sur le revenu des collectivités) entsprechen. Gemäß dem luxemburgerischen Gesetzgeber liegt eine entsprechende Steuer vor, wenn der effektive Steuersatz 10,5% beträgt. Ferner muss die Besteuerungsbasis den luxemburgerischen Vorschriften und Voraussetzungen entsprechen. ! Praxishinweis: Ob eine entsprechende Gesellschaft mit einem effektiven Steuersatz von 10,5% besteuert wird, sollte man sich im Voraus in einem “tax letter” der luxemburgischen Steuerverwaltung bestätigt lassen.
216
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
V.
Das DBA Liechtenstein/San Marino
1.
Vorbemerkung
Das Abkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik San Marino zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA FL/RSM)26 wurde am 23. September 2009 abgeschlossen. Das DBA FL/RSM orientiert sich im Wesentlichen am OECDǦMusterabkommen 2008 unter Berücksichtigung des liechtensteinischen Musterabkommens.
2.
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
a)
Persönlicher Anwendungsbereich
Nach Art. 1 DBA FL/RSM gilt dieses Abkommen für Personen, die nach Art. 4 DBA FL/RSM in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Gemäß Art. 4 DBA FL/RSM gilt eine Person als ansässig, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und umfasst auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften. Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist.
b)
3
186
3
187
Sachlicher Anwendungsbereich
Nach Art. 2 DBA FL/RSM gilt dieses Abkommen, ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung, für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden. Als Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gelten alle Steuern, die vom Gesamteinkommen, Gesamtvermögen oder von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden, einschließlich der Steuern vom Gewinn aus der Veräußerung beweglichen oder unbeweglichen Vermögens, der Lohnsummensteuern sowie der Steuern vom Vermögenszuwachs. Zu den bestehenden Steuern, für die dieses Abkommen gilt, gehören insbesondere Q im Fürstentum Liechtenstein: Q die Erwerbssteuer; Q die Ertragssteuer; Q die Gesellschaftssteuern; Q die Grundstücksgewinnsteuer; Q die Vermögenssteuer; und Q die Couponsteuer. Q in der Republik San Marino die allgemeine Einkommenssteuer, die erhoben wird bei Q von natürlichen Personen; Q von juristischen Personen und Einzelunternehmen auch wenn sie durch eine Quellensteuer eingezogen wird. 26 Abkommen vom 23. September 2009 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik San Marino zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.
217
188
189
3 190
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Dieses Abkommen gilt auch für alle Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung dieses Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden.
3. 3
191
192
193
Art. 6 in Verbindung mit Art. 23 DBA FL/RSM bestimmt, dass der Belegenheitsstaat des Grundstücks dieses besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von San Marino) diese Gewinne von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
4.
Unternehmensgewinne
a)
Unternehmensgewinne
Nach Art. 7 DBA FL/RSM dürfen Unternehmensgewinne grundsätzlich nur vom Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Eine Ausnahme hiervon besteht, wenn das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. In diesen Fällen können die Betriebsstättengewinne von beiden Staaten besteuert werden und somit ist in diesen Fällen der Art. 23 DBA FL/RSM (Methodenartikel) zu prüfen. Sowohl San Marino, als auch Liechtenstein sehen in Art. 23 DBA FL/RSM die Freistellungsmethode bei Unternehmensgewinnen vor. Dies bedeutet somit, dass die ausländischen Betriebsstättenergebnisse jeweils im Ansässigkeitsstaat befreit sind.
b) 194
195
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
Betriebsstätte
Art. 5 DBA FL/RSM definiert eine Betriebsstätte als eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Der Ausdruck „Betriebsstätte“ umfasst dabei insbesondere: Q einen Ort der Leitung, Q eine Zweigniederlassung, Q eine Geschäftsstelle, Q eine Fabrikationsstätte, Q eine Werkstätte, Q ein Bergwerk, ein Öl- oder Gasvorkommen, einen Steinbruch, Q eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen und Q eine Bauausführung oder Montage, deren Dauer zwölf Monate überschreitet. Art. 5 Abs. 4 DBA FL/RSM enthält ferner zusätzlich eine negative Abgrenzung des Betriebsstättenbegriffs. Demnach ist keine Betriebsstätte: Q Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren des Unternehmens benutzt werden; Q Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden; 218
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen Q Q Q
Q
3
Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu werden; eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen; eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen; eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, mehrere der unter den Buchstaben oben genannten Tätigkeiten auszuüben, vorausgesetzt, dass die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt.
5.
Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren
a)
Überblick
In dem DBA FL/RSM sind für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die folgenden Quellensteuerreduktionen vorgesehen:
3
196
Tabelle 24: Quellensteuersätze DBA FL/RSM Dividenden
Zinsen
Lizenzgebühren
0%
0%
0% 5%
b)
Dividenden
Nach Art. 10 Abs. 2 DBA FL/RSM dürfen Dividenden auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden. Die Steuer darf aber nicht übersteigen: Q 0% des Bruttobetrages der Dividenden, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft (jedoch keine Personengesellschaft) ist, die im Zeitpunkt des Zufliessens der Dividenden, während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens 12 Monaten, eine unmittelbare Beteiligung von mindestens 10% des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft hält; Q 5% des Bruttobetrages der Dividenden in allen anderen Fällen. Der Ausdruck Dividenden ist im DBA FL/RSM definiert als Einkünfte aus Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung sowie sonstige Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.
c)
197
198
Zinsen
Nach Art. 11 DBA FL/RSM liegt das Besteuerungsrecht bei Zinsen ausschließlich beim Ansässigkeitsstaat. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaats wird folglich auf null reduziert. 219
199
3 200
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Der Ausdruck Zinsen ist im DBA FL/RSM definiert als Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch wenn die Forderungen durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind, und insbesondere Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und aus Obligationen einschließlich der damit verbundenen Aufgelder und der Gewinne aus Losanleihen.
d) 201 202
203
Nach Art. 12 DBA FL/RSM liegt das Besteuerungsrecht bei Lizenzgebühren ausschließlich beim Ansässigkeitsstaat. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaats wird folglich auf null reduziert. Der Ausdruck Lizenzgebühren ist im DBA FL/RSM definiert als Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung von Urheberrechten an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken, einschließlich kinematographischer Filme, von Patenten, Marken, Mustern oder Modellen, Plänen, geheimen Formeln oder Verfahren oder für die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrungen gezahlt werden.
6.
Veräußerungsgewinne
a)
Veräußerungen von unbeweglichem Vermögen
Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 DBA FL/RSM bestimmt, dass der Belegenheitsstaat Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von San Marino) nimmt diese Gewinne von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
b) 204
Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen
Gewinne aus der Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, die im internationalen Verkehr betrieben werden, von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, und von beweglichem Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe oder Luftfahrzeuge dient, können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.
d) 206
Veräußerungen von beweglichem Betriebsvermögen
Art. 13 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 23 DBA FL/RSM bestimmt, dass der Belegenheitsstaat Gewinne aus der Veräußerung von beweglichem Betriebsvermögen besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von San Marino) diese Gewinne von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
c) 205
Lizenzgebühren
Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften
Art. 13 Abs. 4 DBA FL/RSM bestimmt, dass Gewinne, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der Veräußerung von Anteilen bezieht, deren Wert zu mehr als 50% unmittelbar oder mittelbar auf unbeweglichem Vermögen beruht, das im anderen Vertragsstaat liegt, auch im anderen Staat
220
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
3
besteuert werden dürfen. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von San Marino) diese Gewinne von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
e)
Sonstige Veräußerungsgewinne
Sonstige Veräußerungsgewinne dürfen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
7.
207
Aufsichtsratsbezüge
Nach Art. 15 in Verbindung mit Art. 23 DBA FL/RSM dürfen Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen und ähnliche Zahlungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrates einer Gesellschaft bezieht, auch im entsprechenden Tätigkeitsstaat besteuert werden, um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von San Marino) diese Einkünfte von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
8.
Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst
a)
Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit
Nach Art. 14 DBA FL/RSM dürfen Einkünfte aus unselbständiger Arbeit – vorbehaltlich den Vorschriften zu Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen, Ruhegehälten sowie Vergütungen aus Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes – nur im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden. Es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt, wenn die Arbeit dort ausgeübt wird, dann darf auch der Arbeitsortstaat besteuern. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von San Marino) gemäß Art. 23 DBA FL/RSM diese Gewinne von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
b)
209
Ruhegehälter
Vorbehaltlich der Vorschriften zum öffentlichen Dienst normiert Art. 17 DBA FL/RSM, dass Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden. Grundsätzlich hat somit der Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht.
c)
208
210
Öffentlicher Dienst
Nach Art. 18 DBA FL/RSM dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen aus Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes grundsätzlich nur in dem Staat besteuert werden, aus welchen die Zahlungen geleistet werden. Hierbei handelt es sich um das sogenannte Kassenstaatsprinzip.
221
211
3
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
9. 212
3
213
Nach Art. 16 DBA FL/RSM dürfen Vergütungen an Sportler und berufsmäßige Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler, und Musiker auch im entsprechenden Tätigkeitsstaat besteuert werden. Dies gilt auch in den Fällen, wenn die Vergütungen nicht direkt an den Künstler oder Sportler gezahlt werden. Um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, wendet der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von San Marino) gemäß 23 DBA FL/RSM die Anrechnungsmethode an.
10.
Vermögensbesteuerung
a)
Unbewegliches Vermögen
Art. 22 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 DBA FL/RSM bestimmt, dass der Belegenheitsstaat unbewegliches Vermögen besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von San Marino) dieses Vermögen von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
b) 214
Sonstiges Vermögen
Sonstiges Vermögen darf nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
11. 217
Seeschiffe und Luftfahrzeuge
Seeschiffe und Luftfahrzeuge, die im internationalen Verkehr betrieben werden, und Schiffe, die der Binnenschifffahrt dienen, sowie bewegliches Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe oder Luftfahrzeuge dient, können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.
d) 216
Bewegliches Betriebsvermögen
Art. 22 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 23 DBA FL/RSM bestimmt, dass der Belegenheitsstaat bewegliches Betriebsvermögen besteuern darf und um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nimmt der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von San Marino) dieses Vermögen von der Besteuerung aus (Anwendung der Freistellungsmethode).
c) 215
Künstler und Sportler
Informationsaustausch und Beitreibung
Art. 26 DBA FL/RSM normiert den Informationsaustausch zwischen Liechtenstein und San Marino. Im Wesentlichen entspricht Art. 26 DBA FL/RSM dem Art. 26 OECD-Musterabkommen 2008. Er beinhaltet einen Informationsaustausch auf Ersuchen. Dieser ist nicht auf den Austausch von Informationen zur Durchführung des Abkommens beschränkt, sondern umfasst auch den Austausch von Informationen die zur Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts der beiden Vertragsstaaten voraussichtlich erheblich sind. 222
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen DBA FL/RSM enthält keine Bestimmung über die gegenseitige Hilfe bei der Beitreibung von Steuerforderungen.
12.
3 218
Besonderheiten
Das Protokoll zum DBA FL/RSM normiert, dass Investmentfonds oder Investmentsystemen, Pensionseinrichtungen, gemeinnützige Einrichtungen und Personengesellschaften ansässig im Sinne des Abkommens sind und somit auch Abkommensberechtigt. Der Umfang der Abkommensbegünstigung bestimmt sich – außer bei gemeinnützigen Einrichtungen – nach dem Umfang der Abkommensbegünstigung der ansässigen Personen dieses oder weiterer anderer Vertragsstaaten, die im Besitz eines Anteils an dem Investmentfonds oder Investmentsystem sind.
VI.
Das DBA Liechtenstein/Hong Kong
1.
Vorbemerkung
Das Abkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung der Sonderverwaltungsregion Hong Kong der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA FL/HK)27 wurde am 12. August 2010 abgeschlossen. Das DBA FL/HK orientiert sich im Wesentlichen am OECD Musterabkommen 2008 unter Berücksichtigung des liechtensteinischen Musterabkommens.
2.
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
a)
Persönlicher Anwendungsbereich
Nach Art. 1 DBA FL/HK gilt dieses Abkommen für Personen, die nach Art. 4 DBA FL/HK in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Die in Art. 4 DBA FL/HK normierten Ansässigkeitsvorschriften weichen stark vom OECD Standard ab und werden daher ausführlich dargestellt: aa) Sonderverwaltungsregion Hong Kong Eine natürliche Person gilt in der Sonderverwaltungsregion Hong Kong als ansässig, wenn Q eine natürliche Person, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Sonderverwaltungsregion Hong Kong hat; oder Q eine natürliche Person, die sich in der Sonderverwaltungsregion Hong Kong länger als 180 Tage während eines Veranlagungsjahres oder länger als 300 Tage in zwei aufeinander folgenden Veranlagungsjahren, wovon eines das betreffende Veranlagungsjahr ist, aufhält. Eine Gesellschaft gilt in der Sonderverwaltungsregion Hong Kong als ansässig, wenn Q diese eingetragen ist oder, Q diese außerhalb der Sonderverwaltungsregion Hong Kong eingetragen ist und in der Sonderverwaltungsregion Hong Kong geleitet oder beherrscht wird. 27 Abkommen vom 12. August 2010 zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung der Sonderverwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.
223
219
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3
3 224
3
225
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Ferner gilt in der Sonderverwaltungsregion Hong Kong als ansässig, jede andere nach dem Recht der Sonderverwaltungsregion Hong Kong errichtete Person oder, wenn diese außerhalb der Sonderverwaltungsregion Hong Kong errichtet wurde, wenn sich der Ort der tatsächlichen Verwaltung in der Sonderverwaltungsregion Hong Kong befindet. bb) Liechtenstein Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ in Liechtenstein jede natürliche Person, die nach dem liechtensteinischen Recht in Liechtenstein ansässig ist sowie eine Gesellschaft, die in Liechtenstein eingetragen ist oder, wenn diese außerhalb Liechtensteins eingetragen ist, in Liechtenstein geleitet oder beherrscht wird. Ferner jede Person außer einer natürlichen Person, die nach liechtensteinischem Recht errichtet und in Liechtenstein gegründet wurde oder, wenn diese außerhalb Liechtensteins errichtet und gegründet wurde, in Liechtenstein geleitet oder beherrscht wird. ! Praxishinweis: Diese weite Ansässigkeitsdefinition hat zur Folge, dass die steuerliche Behandlung unbeachtlich für die Nutzung des Doppelbesteuerungsabkommens ist. Folglich können auch steuerbefreite Gesellschaften das DBA nutzen.
b) 226
227
228
Sachlicher Anwendungsbereich
Nach Art. 2 DBA FL/HK gilt dieses Abkommen, ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung, für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines Vertragsstaats oder ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden. Als Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gelten alle Steuern, die vom Gesamteinkommen, vom Gesamtvermögen oder von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden, einschließlich der Steuern vom Gewinn aus der Veräußerung beweglichen oder unbeweglichen Vermögens, der Lohnsummensteuern sowie der Steuern vom Vermögenszuwachs. Zu den bestehenden Steuern, für die das Abkommen gilt, gehören insbesondere Q in der Sonderverwaltungsregion Hong Kong: Q die Gewinnsteuer; Q die Lohnsteuer; und Q die Vermögensteuer; Q im Fürstentum Liechtenstein: Q die Erwerbssteuer; Q die Ertragssteuer; Q die Gesellschaftssteuern; Q die Grundstücksgewinnsteuer; Q die Vermögenssteuer; und Q die Couponsteuer. Das Abkommen gilt auch für alle Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden.
224
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
3.
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
Art. 6 DBA FL/HK bestimmt, dass der Belegenheitsstaat des Grundstücks dieses besteuern darf. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 22 DBA FL/HK die Freistellungsmethode an, wohingegen Hong Kong als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat.
4.
Unternehmensgewinne
a)
Unternehmensgewinne
Nach Art. 7 DBA FL/HK dürfen Unternehmensgewinne grundsätzlich nur vom Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Eine Ausnahme hiervon besteht, wenn das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. In diesen Fällen können die Betriebsstättengewinne von beiden Staaten besteuert werden und somit ist in diesen Fällen der Art. 22 DBA FL/HK (Methodenartikel) zu prüfen. Wenn eine in Hong Kong ansässige Person Unternehmensgewinne bezieht, die in Liechtenstein besteuert werden dürfen, dann rechnet Hong Kong auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, welcher der in Liechtenstein gezahlten Steuer entspricht. Hong Kong wendet ihr folglich die Anrechnungsmethode an. Liechtenstein hingegen sieht sowohl im DBA FL/HK als auch bereits unilateral die Freistellungsmethode vor. Folglich werden die Betriebsstättengewinne aus Hong Kong einer in Liechtenstein ansässigen Person von der liechtensteinischen Besteuerung befreit.
b)
3 229
3
230
231
232
Betriebsstätte
Art. 5 DBA FL/HK definiert eine Betriebsstätte als eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Der Ausdruck „Betriebsstätte“ umfasst dabei insbesondere: Q einen Ort der Leitung, Q eine Zweigniederlassung, Q eine Geschäftsstelle, Q eine Fabrikationsstätte, Q eine Werkstätte, Q ein Bergwerk, ein Öl- oder Gasvorkommen, einen Steinbruch, Q eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen und Q eine Bauausführung oder Montage, deren Dauer sechs Monate überschreitet. Ferner umfasst der Ausdruck Betriebsstätte nach Art. 5 Abs. 3 DBA FL/HK die Erbringung von Dienstleistungen einschließlich Beratungsleistungen von einem Unternehmen unmittelbar oder von Arbeitnehmern oder anderem von einem Unternehmen zu diesem Zweck eingestellten Personal. Jedoch nur im Zusammenhang mit einer Bauausführung oder Montage oder mit damit zusammen-
225
233
234
3
235
3
236
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins hängenden Aufsichtstätigkeiten und nur dann, wenn diese Tätigkeiten (für das gleiche oder verbundene Projekte) in dem anderen Vertragsstaat insgesamt mehr als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten dauern. Art. 5 Abs. 4 DBA FL/HK enthält zudem zusätzlich eine negative Abgrenzung des Betriebsstättenbegriffs. Demnach ist keine Betriebsstätte: Q Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren des Unternehmens benutzt werden; Q Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden; Q Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu werden; Q eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen; Q eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen; Q eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, mehrere der unter den Buchstaben oben genannten Tätigkeiten auszuüben, vorausgesetzt, dass die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt.
5.
Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren
a)
Überblick
In dem DBA FL/HK sind für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die folgenden Quellensteuerreduktionen vorgesehen: Abbildung 20: Quellensteuersätze DBA FL/HK Dividenden
Zinsen
Lizenzgebühren
0%
0%
3%
b) 237 238
Dividenden
Nach Art. 10 DBA FL/HK liegt das Besteuerungsrecht bei Dividenden ausschließlich beim Ansässigkeitsstaat. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaats wird folglich auf null reduziert. Der Ausdruck Dividenden ist im DBA FL/HK definiert als Einkünfte aus Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung sowie Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in der die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.
226
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
c)
Zinsen
Nach Art. 11 DBA FL/HK liegt das Besteuerungsrecht bei Zinsen ausschließlich beim Ansässigkeitsstaat. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaats wird folglich auf null reduziert. Der Ausdruck Zinsen ist im DBA FL/HK definiert als Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch wenn die Forderungen durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind, und insbesondere Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und aus Obligationen einschließlich der damit verbundenen Aufgelder und der Gewinne aus Losanleihen.
d)
6.
Veräußerungsgewinne
a)
Veräußerungen von unbeweglichem Vermögen
Art. 13 Abs. 1 DBA FL/HK bestimmt, dass der Belegenheitsstaat Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen besteuern darf. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 22 DBA FL/HK die Freistellungsmethode an, wohingegen Hong Kong als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat.
240
3
241
242
243
Veräußerungen von beweglichem Betriebsvermögen
Art. 13 Abs. 2 DBA FL/HK bestimmt, dass der Belegenheitsstaat Gewinne aus der Veräußerung von beweglichem Betriebsvermögen besteuern darf. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 22 DBA FL/HK die Freistellungsmethode an, wohingegen Hong Kong als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat.
c)
239
Lizenzgebühren
Nach Art. 12 Abs. 2 DBA FL/HK dürfen Lizenzgebühren auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden. Die Steuer darf aber 3% des Bruttobetrages der Lizenzgebühren nicht übersteigen. Der Ausdruck Lizenzgebühren ist im DBA FL/HK definiert als Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung von Urheberrechten an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken, einschließlich kinematographischer Filme und Filme und Bänder für Rundfunk oder Fernsehen, von Patenten, Marken, Mustern oder Modellen, Plänen, geheimen Formeln oder Verfahren oder für die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrungen gezahlt werden.
b)
3
244
Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen
Gewinne aus der Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, die im internationalen Verkehr betrieben werden, von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, und von beweglichem Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe oder Luftfahrzeuge dient, können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.
227
245
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
d) 246
3
Art. 13 Abs. 4 DBA FL/HK bestimmt, dass Gewinne, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der Veräußerung von Anteilen bezieht, deren Wert zu mehr als 50% unmittelbar oder mittelbar auf unbeweglichem Vermögen beruht, das im anderen Vertragsstaat liegt, auch im anderen Staat besteuert werden dürfen.28 Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 22 DBA FL/HK die Freistellungsmethode an, wohingegen Hong Kong als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat.
e) 247
249
Sonstige Veräußerungsgewinne
Sonstige Veräußerungsgewinne dürfen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
7. 248
Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften
Aufsichtsratsbezüge
Nach Art. 15 in Verbindung dürfen Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen und ähnliche Zahlungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrates einer Gesellschaft bezieht, auch im entsprechenden Tätigkeitsstaat besteuert werden. Um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, wendet der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Hong Kong) gemäß 22 DBA FL/HK die Anrechnungsmethode an.
8.
Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst
a)
Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit
Nach Art. 14 DBA FL/HK dürfen Einkünfte aus unselbständiger Arbeit – vorbehaltlich den Vorschriften zu Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen, Ruhegehälten sowie Vergütungen aus Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes – nur im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden. Es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt, wenn die Arbeit dort ausgeübt wird, dann darf auch der Arbeitsortstaat besteuern. Um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, wendet der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Hong Kong) gemäß 22 DBA FL/HK die Anrechnungsmethode an.
28 Diese Bestimmung bezieht sich jedoch nicht auf Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen: a) die an den von dem Vertragsstaat vereinbarten Börsen notiert sind; oder b) die im Rahmen einer Reorganisation einer Gesellschaft, einer Verschmelzung, einer Spaltung oder einem ähnlichen, nicht steuerbaren Vorgang veräußert oder übertragen werden; oder c) an einer Gesellschaft, deren Vermögen zu mehr als 50 von Hundert aus unbeweglichem Vermögen besteht, in dem sie ihre Geschäftstätigkeit ausübt.
228
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
b)
Ruhegehälter
Vorbehaltlich der Vorschriften zum öffentlichen Dienst normiert Art. 17 DBA FL/HK, dass Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen (einschließlich einer Abfindung), die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige und selbständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden. Grundsätzlich hat somit der Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht.
c)
10.
Vermögensbesteuerung
a)
Unbewegliches Vermögen
Nach Art. 21 Abs. 1 DBA FL/HK darf unbewegliches Vermögen grundsätzlich nur vom Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
251
252
253
Bewegliches Betriebsvermögen
Art. 21 Abs. 2 DBA FL/HK bestimmt, dass der Belegenheitsstaat bewegliches Betriebsvermögen besteuern darf. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 22 DBA FL/HK die Freistellungsmethode an, wohingegen Hong Kong als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat.
c)
3
Künstler und Sportler
Nach Art. 16 DBA FL/HK dürfen Vergütungen an Sportler und berufsmäßige Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler, und Musiker auch im entsprechenden Tätigkeitsstaat besteuert werden. Dies gilt auch in den Fällen, wenn die Vergütungen nicht direkt an den Künstler oder Sportler gezahlt werden. Um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, wendet der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Hong Kong) gemäß 22 DBA FL/HK die Anrechnungsmethode an.
b)
250
Öffentlicher Dienst
Nach Art. 18 DBA FL/HK dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen aus Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes grundsätzlich nur in dem Staat besteuert werden, aus welchen die Zahlungen geleistet werden. Hierbei handelt es sich um das sogenannte Kassenstaatsprinzip.
9.
3
254
Seeschiffe und Luftfahrzeuge
Seeschiffe und Luftfahrzeuge, die im internationalen Verkehr betrieben werden, und Schiffe, die der Binnenschifffahrt dienen, sowie bewegliches Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe oder Luftfahrzeuge dient, können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.
229
255
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
d) 256
Sonstiges Vermögen darf nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
11. 3
257
258
259
260
261
Sonstiges Vermögen
Informationsaustausch und Beitreibung
Art. 25 DBA FL/HK normiert den Informationsaustausch zwischen Liechtenstein und Hong Kong. Im Wesentlichen entspricht Art. 25 DBA FL/HK dem Art. 26 OECD-Musterabkommen 2008. Er beinhaltet einen Informationsaustausch auf Ersuchen. Dieser ist nicht auf den Austausch von Informationen zur Durchführung des Abkommens beschränkt, sondern umfasst auch den Austausch von Informationen die zur Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts der beiden Vertragsstaaten voraussichtlich erheblich sind. Die Anforderungen an den Informationsaustausch werden in Ziffer 2 des Protokolls zum DBA FL/ HK konkretisiert. Die darin normierten Spezifikationen eines Ersuchens und die dargelegten Ablehnungsgründe entsprechen der liechtensteinischen Praxis zum Abschluss von Steuerinformationsabkommen. Es kann somit davon gesprochen werden, dass im Protokoll zum DBA FL/HK ein MiniTIEA den Informationsaustausch spezifiziert. Das DBA FL/HK enthält keine Bestimmung über die gegenseitige Hilfe bei der Beitreibung von Steuerforderungen.
VII.
Das DBA Liechtenstein/Uruguay
1.
Vorbemerkung
Das Abkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und Uruguay zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA FL/ROU)29 wurde am 18. Oktober 2010 abgeschlossen. Das DBA FL/ROU orientiert sich im Wesentlichen am OECD Musterabkommen 2008 unter Berücksichtigung des liechtensteinischen Musterabkommens.
2.
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
a)
Persönlicher Anwendungsbereich
Nach Art. 1 DBA FL/ROU gilt dieses Abkommen für Personen, die nach Art. 4 DBA FL/ROU in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Gemäß Art. 4 DBA FL/ROU gilt eine Person als ansässig, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und umfasst auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften. Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist. 29 Das Abkommen vom 18. Oktober 2010 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und Uruguay zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.
230
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
b)
Sachlicher Anwendungsbereich
Nach Art. 2 DBA FL/ROU gilt dieses Abkommen, ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung, für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines Vertragsstaats oder ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden. Als Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gelten alle Steuern, die vom Gesamteinkommen, vom Gesamtvermögen oder von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden, einschließlich der Steuern vom Gewinn aus der Veräußerung beweglichen oder unbeweglichen Vermögens, der Lohnsummensteuern sowie der Steuern vom Vermögenszuwachs. Zu den bestehenden Steuern, für die das Abkommen gilt, gehören insbesondere Q in Uruguay: Q the tax on business income; Q the personal income tax; Q the non-residents income tax; Q the tax for social security assistance; und Q the capital tax Q im Fürstentum Liechtenstein: Q die Erwerbssteuer; Q die Ertragssteuer; Q die Gesellschaftssteuern; Q die Grundstücksgewinnsteuer; Q die Vermögenssteuer; und Q die Couponsteuer. Das Abkommen gilt auch für alle Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden.
3.
3 262
3 263
264
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
Nach Art. 6 DBA FL/ROU dürfen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen grundsätzlich nur vom Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
4.
Unternehmensgewinne
a)
Unternehmensgewinne
Nach Art. 7 DBA FL/ROU dürfen Unternehmensgewinne grundsätzlich nur vom Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Eine Ausnahme hiervon besteht, wenn das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. In diesen Fällen können die Betriebsstättengewinne von beiden Staaten besteuert werden und somit ist in diesen Fällen der Art. 23 DBA FL/ROU (Methodenartikel) zu prüfen.
231
265
266
3 267
268
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Wenn eine in Uruguay ansässige Person Unternehmensgewinne bezieht, die in Liechtenstein besteuert werden dürfen, dann rechnet Uruguay auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, welcher der in Liechtenstein gezahlten Steuer entspricht. Uruguay wendet ihr folglich die Anrechnungsmethode an. Liechtenstein hingegen sieht sowohl im DBA FL/ROU als auch bereits unilateral die Freistellungsmethode vor. Folglich werden die Betriebsstättengewinne aus Uruguay einer in Liechtenstein ansässigen Person von der liechtensteinischen Besteuerung befreit.
b) 269
270
271
Betriebsstätte
Art. 5 DBA FL/ROU definiert eine Betriebsstätte als eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Der Ausdruck „Betriebsstätte“ umfasst dabei insbesondere: Q einen Ort der Leitung, Q eine Zweigniederlassung, Q eine Geschäftsstelle, Q eine Fabrikationsstätte, Q eine Werkstätte, Q ein Bergwerk, ein Öl- oder Gasvorkommen, einen Steinbruch, Q eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen und Q eine Bauausführung oder Montage, deren Dauer sechs Monate überschreitet. Ferner umfasst der Ausdruck Betriebsstätte nach Art. 5 Abs. 3 DBA FL/ROU auch die Erbringung von Dienstleistungen einschließlich Beratungsleistungen, wenn diese eine bestimmte Mindestdauer überschreiten. Art. 5 Abs. 4 DBA FL/ROU enthält zudem zusätzlich eine negative Abgrenzung des Betriebsstättenbegriffs. Demnach ist keine Betriebsstätte: Q Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren des Unternehmens benutzt werden; Q Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden; Q Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu werden; Q eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen; Q eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen; Q eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, mehrere der unter den Buchstaben oben genannten Tätigkeiten auszuüben, vorausgesetzt, dass die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt.
232
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
5.
Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren
a)
Überblick
In dem DBA FL/ROU sind für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die folgenden Quellensteuerreduktionen vorgesehen:
3
272
Abbildung 21: Quellensteuersätze DBA FL/ROU Dividenden 5% 10%
b)
Zinsen 0% 10%
Lizenzgebühren 10%
Dividenden
Nach Art. 10 Abs. 2 DBA FL/ROU dürfen Dividenden auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden. Die Steuer darf aber nicht übersteigen: Q 5% des Bruttobetrages der Dividenden, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft oder eine natürliche Person ist, die eine unmittelbare Beteiligung von mindestens 10% des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft hält; Q 10% des Bruttobetrages der Dividenden in allen anderen Fällen. Der Ausdruck Dividenden ist im DBA FL/ROU definiert als Einkünfte aus Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung sowie Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in der die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.
c)
273
274
Zinsen
Nach Art. 11 Abs. 2 DBA FL/ROU dürfen Zinsen auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden. Die Steuer darf aber 10% des Bruttobetrages der Zinsen nicht übersteigen. Art. 11 Abs. 3 DBA FL/ROU sieht jedoch für bestimmte Fälle ein ausschließlich Besteuerungsrecht beim Ansässigkeitsstaat vor. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaats wird somit in den folgenden Fällen auf null reduziert: Q Für ein Darlehen das von der Zentralbank oder einer anderen offiziellen Einrichtung gewährt wurde Q Für ein Darlehen das in Verbindung mit dem Kauf von Industrie, Handels- oder wissenschaftlichen Ausrüstungen gewährt wurde Q Für ein Bankdarlehen, dass zur Finanzierung eines Investitionsprojektes mit einer mindestens dreijährigen Laufzeit verwendet wurde.
233
275
3
3 276
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Der Ausdruck Zinsen ist im DBA FL/ROU definiert als Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch wenn die Forderungen durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind, und insbesondere Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und aus Obligationen einschließlich der damit verbundenen Aufgelder und der Gewinne aus Losanleihen.
d) 277
278
279
Nach Art. 12 Abs. 2 DBA FL/ROU dürfen Lizenzgebühren auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden. Die Steuer darf aber 10% des Bruttobetrages der Lizenzgebühren nicht übersteigen. Der Ausdruck Lizenzgebühren ist im DBA FL/ROU definiert als Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung von Urheberrechten an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken, einschließlich kinematographischer Filme und Filme und Bänder für Rundfunk oder Fernsehen, von Patenten, Marken, Mustern oder Modellen, Plänen, geheimen Formeln oder Verfahren oder für die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrungen gezahlt werden.
6.
Veräußerungsgewinne
a)
Veräußerungen von unbeweglichem Vermögen
Art. 13 Abs. 1 DBA FL/ROU bestimmt, dass der Belegenheitsstaat Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen besteuern darf. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 23 DBA FL/ROU die Freistellungsmethode an, wohingegen Uruguay als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat.
b) 280
Veräußerungen von beweglichem Betriebsvermögen
Art. 13 Abs. 2 DBA FL/ROU bestimmt, dass der Belegenheitsstaat Gewinne aus der Veräußerung von beweglichem Betriebsvermögen besteuern darf. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 23 DBA FL/ROU die Freistellungsmethode an, wohingegen Uruguay als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat.
c) 281
Lizenzgebühren
Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen
Gewinne aus der Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, die im internationalen Verkehr betrieben werden, von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, und von beweglichem Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe oder Luftfahrzeuge dient, können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.
234
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen
d)
Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften
Art. 13 Abs. 4 DBA FL/ROU bestimmt, dass Gewinne, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der Veräußerung von Anteilen bezieht, deren Wert zu mehr als 50% unmittelbar oder mittelbar auf unbeweglichem Vermögen beruht, das im anderen Vertragsstaat liegt, auch im anderen Staat besteuert werden dürfen. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 23 DBA FL/ROU die Freistellungsmethode an, wohingegen Uruguay als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat.
e)
3
283
Aufsichtsratsbezüge
Nach Art. 15 DBA FL/ROU dürfen Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen und ähnliche Zahlungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrates einer Gesellschaft bezieht, auch im entsprechenden Tätigkeitsstaat besteuert werden. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 23 DBA FL/ROU die Freistellungsmethode an, wohingegen Uruguay als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat.
8.
Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst
a)
Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit
Nach Art. 14 DBA FL/ROU dürfen Einkünfte aus unselbständiger Arbeit – vorbehaltlich den Vorschriften zu Aufsichtsratś und Verwaltungsratsvergütungen, Ruhegehälten sowie Vergütungen aus Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes – nur im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden. Es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt, wenn die Arbeit dort ausgeübt wird, dann darf auch der Arbeitsortstaat besteuern. Um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, wendet der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Uruguay) gemäß 23 DBA FL/ROU die Anrechnungsmethode an.
b)
282
Sonstige Veräußerungsgewinne
Sonstige Veräußerungsgewinne dürfen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
7.
3
284
285
Ruhegehälter
Nach Art. 17 Abs. 2 DBA FL/ROU dürfen Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen (einschließlich einer Abfindung), die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden. Die Steuer darf aber 10% des Bruttobetrages der Zahlung nicht übersteigen. Um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, wendet der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Uruguay) gemäß 23 DBA FL/ROU die Anrechnungsmethode an.
235
286
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
c) 287
3
Nach Art. 18 DBA FL/ROU dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen aus Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes grundsätzlich nur in dem Staat besteuert werden, aus welchen die Zahlungen geleistet werden. Hierbei handelt es sich um das sogenannte Kassenstaatsprinzip.
9. 288
289
10.
Vermögensbesteuerung
a)
Unbewegliches Vermögen
Nach Art. 22 Abs. 1 DBA FL/ROU darf unbewegliches Vermögen grundsätzlich nur vom Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
Sonstiges Vermögen
Sonstiges Vermögen darf nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
11. 293
Seeschiffe und Luftfahrzeuge
Seeschiffe und Luftfahrzeuge, die im internationalen Verkehr betrieben werden, und Schiffe, die der Binnenschifffahrt dienen, sowie bewegliches Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe oder Luftfahrzeuge dient, können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.
d) 292
Bewegliches Betriebsvermögen
Art. 22 Abs. 2 DBA FL/ROU bestimmt, dass der Belegenheitsstaat bewegliches Betriebsvermögen besteuern darf. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden wendet Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 23 DBA FL/ROU die Freistellungsmethode an, wohingegen Uruguay als Ansässigkeitsstaat die Anrechnungsmethode normiert hat.
c) 291
Künstler und Sportler
Nach Art. 16 DBA FL/ROU dürfen Vergütungen an Sportler und berufsmäßige Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler, und Musiker auch im entsprechenden Tätigkeitsstaat besteuert werden. Dies gilt auch in den Fällen, wenn die Vergütungen nicht direkt an den Künstler oder Sportler gezahlt werden. Um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, wendet der Ansässigkeitsstaat (sowohl im Fall von Liechtenstein als auch von Uruguay) gemäß 23 DBA FL/ROU die Anrechnungsmethode an.
b) 290
Öffentlicher Dienst
Informationsaustausch und Beitreibung
Art. 26 DBA FL/ROU normiert den Informationsaustausch zwischen Liechtenstein und Uruguay. Im Wesentlichen entspricht Art. 26 DBA FL/ROU dem Art. 26 OECD Musterabkommen 2008. Er beinhaltet einen Informationsaustausch auf Ersuchen. Dieser ist nicht auf den Austausch von In236
F. Die liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen formationen zur Durchführung des Abkommens beschränkt, sondern umfasst auch den Austausch von Informationen die zur Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts der beiden Vertragsstaaten voraussichtlich erheblich sind. Die Anforderungen an den Informationsaustausch werden in Ziffer 4 des Protokolls zum DBA FL/ ROU konkretisiert. Die darin normierten Spezifikationen eines Ersuchens und die dargelegten Ablehnungsgründe entsprechen der liechtensteinischen Praxis zum Abschluss von Steuerinformationsabkommen. Es kann somit davon gesprochen werden, dass im Protokoll zum DBA FL/ROU ein Mini-TIEA den Informationsaustausch spezifiziert. Das DBA FL/ROU enthält keine Bestimmung über die gegenseitige Hilfe bei der Beitreibung von Steuerforderungen.
VIII. Zusammenfassende Übersichten 1.
Quellensteuersätze für Dividenden
Tabelle 25: Quellensteuersätze für Dividenden Staat
Artikel Quellensteuersatz Quellensteuersatz bei Besonderheiten Schachteldividenden
Österreich
10
15%
15%
Schweiz
-
-
-
Luxemburg
10
10%
0% / 5%
San Marino
10
5%
0%
Hong Kong
10
0%
0%
Uruguay
10
5%
10%
2.
Keine weitere Reduktion bei Schachteldividenden
Grundsätzlich 0%
Quellensteuersätze für Zinsen
Tabelle 26: Quellensteuersätze für Zinsen Staat
Artikel Quellensteuersatz Besonderheiten
Österreich
11
10%
Schweiz
4
0%
Luxemburg
11
0%
San Marino
11
0%
Hong Kong
11
0%
Uruguay
11
0%/10%
Gilt nur für Grundpfandforderungen
237
3
294
3 295
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
3.
Quellensteuersätze für Lizenzen
Tabelle 27: Quellensteuersätze für Lizenzeinkünfte Staat
3
Artikel Quellensteuersatz Besonderheiten
Österreich
12
5%/10%
-
-
Luxemburg
12
0%
San Marino
12
0%
Hong Kong
12
3%
Uruguay
12
10%
Schweiz
IX. 296
297
Ausblick
Die Abkommensstrategie der liechtensteinischen Regierung besteht in dem stetigen Aufbau eines DBA-Netzes. So erklärte der Regierungschef Dr. Klaus Tschütscher im Rahmen der Beantwortung einer kleinen Anfrage30, dass die Abkommensstrategie der Regierung unverändert ist. Sie umfasst die Umsetzung des Commitments zum OECD-Standard über den Steuerinformationsaustausch und den Aufbau eines DBA-Netzes. Primär sollen DBAs abgeschlossen werden, nach den von der Regierung gemeinsam mit den Verbänden festgelegten Prioritäten. Aktuell ist das Fürstentum Liechtenstein mit der Republik Österreich31 in Verhandlungen über die Revision des Doppelbesteuerungsabkommens von 1969. Ferner befindet sich Liechtenstein unter anderem mit Deutschland32, dem Vereinigten Königreich33 und Italien34 in Verhandlung über den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens. Geplant ist zudem die Aufnahme von Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich.35
30 Die Mitglieder des liechtensteinischen Landtages können gemäß Geschäftsordnung für den Landtag des Fürstentums Liechtenstein an jeder Sitzung des Landtages kurze mündliche Anfragen an die Regierung richten, die sich auf einen konkret umschriebenen Vorgang beziehen. Gemäß Gesetz über den Geschäftsverkehr des Landtages und die Kontrolle der Staatsverwaltung werden diese sogenannten „Kleinen Anfragen“ von der Regierung in der Regel am Schluss derselben Sitzung mündlich beantwortet. 31 Vgl. Vaterland vom 29. Oktober 2010. 32 Vgl. Volksblatt vom 29. September 2010, S. 1. 33 Vgl. Zweite gemeinsame Erklärung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und Her Majesty’s Revenue and Customs zur Vereinbarung betreffend Steuern, S. 6. 34 Vgl. Wirtschaft Regional vom 18. Dezember 2010, S. 1. 35 Gemäß der liechtensteinischen Regierung war Frankreich aus grundsätzlichen und substantiellen Erwägungen nicht bereit, bereits 2009 in Verhandlungen über ein DBA einzutreten. In einem Briefwechsel wurde jedoch vereinbart, dass Verhandlungen über eine weitgehende Steuerkooperation nach Inkrafttreten des TIEA aufgenommen werden sollen. Folglich ab August 2010.
238
3
G. Das Abkommen zwischen dem Vereinigtem Königreich und Liechtenstein über die Kooperation in Steuersachen
G. Das Abkommen zwischen dem Vereinigtem Königreich und Liechtenstein über die Kooperation in Steuersachen I.
Die Steuerkooperationen zwischen UK und FL
1.
Einführung
3
Am 11. August 2009 wurde zwischen den Regierungen des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland und dem Fürstentum Liechtenstein eine in der Form weltweit wohl einzigartige Vereinbarung getroffen, die neben dem Austausch von Informationen in Steuersachen vor allem die Möglichkeit der steuerlichen Bereinigung von Steuerverfehlungen britischer Kunden des Finanzplatzes Liechtenstein normiert (Liechtenstein Disclosure Facility, LDF). Eines der Hauptziele der beiden Staaten mit dieser Vereinbarung ist klar formuliert: Spätestens ab dem 31. März 2015 soll es keine Personen mehr geben, die im Vereinigten Königreich steuerpflichtig sind und weiterhin eine Verbindung zu Liechtenstein pflegen, aber nicht ihre Steuerpflicht im Vereinigten Königreich erfüllen.
2.
298
Überblick
Das Abkommen zwischen dem Vereinigten Königreicht und Liechtenstein über die Kooperation in Steuersachen (UK-FL-Abkommen) besteht aus insgesamt drei Teilen: Q Die gemeinsame Regierungserklärung (Joint Declaration, JD)36 Q Die Regierungsvereinbarung (Memorandum of Understanding, MoU)37 Q Das Steuerinformationsabkommen (Tax Information Exchange Agreement, TIEA-UK)38
3.
G.
299
Die Rechtsnatur des UK-FL-Abkommens
Zur Beurteilung der Rechtsnatur des UK-FL-Abkommens muss zwischen dem Steuerinformationsabkommen und der Regierungsvereinbarung einerseits und der gemeinsamen Regierungserklärung andererseits unterschieden werden. Das Steuerinformationsabkommen und die Regierungsvereinbarungen sind völkerrechtliche Verträge. Die Regierungserklärung hingegen ist kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern es handelt sich lediglich um eine Absichtserklärung sowie eine Interpretation von abkommensrelevanten Fragen.39
36 Gemeinsame Erklärung vom 11. August 2009 und die zweite gemeinsame Erklärung vom 10. November 2010. 37 Vereinbarung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und Her Majesty’s Revenue and Customs betreffend die Kooperation in Steuersachen (Regierungsvereinbarung – MoU). 38 Übereinkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in Steuersachen (TIEA-UK). 39 BuA Nr. 30/2010, S. 14.
239
300
3 301
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Dies wird insbesondere auch durch die unterschiedlichen Unterzeichner deutlich. Während die Regierungserklärung von britischer Seite durch Dave Hartnett, CB, Permanent Secretary for Taxation (HMRC), unterzeichnet wurde, sind das Steuerinformationsabkommen und die Regierungsvereinbarung von britischer Seite durch Minister Stephen Timms, Financial Secretary to the Treasury (britische Regierung) unterzeichnet worden.
4. 302
303
Das UK-FL Abkommen wurde in Liechtenstein durch das Gesetz vom 30. Juni 2010 über die Amtshilfe in Steuersachen mit dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland umgesetzt (Steueramtshilfegesetz-UK; AHG-UK).40 Ferner hat die liechtensteinische Regierung eine Veordnung zum Steueramtshilfegesetz-UK erlassen (Steueramtshilfeverordnung-UK, AHV-UK).41
II.
Die Gemeinsame Erklärung (First and Second Joint Declaration)
1.
Vorbemerkung
Die gemeinsame Erklärung vom 11. August 2009 (Joint Declaration) wurde am 10. November 2010 durch eine zweite gemeinsame Erklärung (Second Joint Declaration) konkretisiert sowie ergänzt. Die Joint Declaration besteht aus insgesamt neun Unterpunkten sowie einem Anhang A und B. Die Second Joint Declaration ist in zehn Punkte eingeteilt sowie einen Anhang A und B, wobei hier zum einen die Ausführungen der ersten gemeinsamen Erklärung konkretisiert und zum anderen ergänzt wurden. Im Folgenden werden zentrale Aspekte der beiden Erklärungen kurz dargestellt:
2. 304
Vorgehensweise bzgl. eines DBA zwischen UK und FL
Während in der ersten gemeinsamen Erklärung noch grob die Schritte und Voraussetzungen für den Beginn von Verhandlungen über den Abschluss eines umfassenden Abkommens über die Besteuerung von Einkommen und Vermögen auf der Basis des OECD-Musterabkommens vom 18. Juli 2008 dargestellt wurden, ist nunmehr in Ziffer 8 der Second Joint Declaration zu lesen, dass Gespräche über den Abschluss eines DBA aufgenommen worden. Ferner wurde der Wille der Vertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass sie die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss bringen wollen.
3. 305
Die Umsetzung in Liechtenstein
Schutz von Finanzintermediären, die das MOU einhalten
Sowohl in der ersten als auch bestätigend und konkretisierend in der zweiten gemeinsamen Erklärung betont das HMRC, dass es kaum im öffentlichen Interesse Großbritanniens und zudem sehr unwahrscheinlich ist, dass gegen die liechtensteinischen Finanzintermediäre sowie deren Führungskräfte und Mitarbeitende wegen vergangener Handlungen oder Unterlassungen in Bezug auf mögli40 Gesetz vom 30. Juni 2010 über die Amtshilfe in Steuersachen mit dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland (Steueramtshilfegesetz-UK; AHG-UK), LGBl. 2010 Nr. 248. 41 Steueramtshilfeverordnung-UK (AHV-UK) vom 31. August 2010, LGBl. 2010 Nr. 254.
240
G. Das Abkommen zwischen dem Vereinigtem Königreich und Liechtenstein über die Kooperation in Steuersachen che Verstöße gegen britische Steuergesetze eine Strafuntersuchung eingeleitet wird. Außerdem würde das HMRC normalerweise keine unbezahlten UK-Steuerschulden nach UK-Steuerrecht, die im Zusammenhang mit Treuhandvermögen stehen, aus dem persönlichen Vermögen der Treuhänder einziehen. Es sind hierbei jedoch doch zum einen der Charakter der gemeinsamen Erklärungen, als auch die verwendeteten Formulierungen zu beachten. Denn es handelt sich hierbei um nicht bindende Absichtserklärungen. Ferner werden stets weiche Formulierungen gewählt, wie unwahrscheinlich oder normalerweise.
3
306
3
! Praxishinweis: Bei dem vereinbarten Schutz der kooperierenden Finanzintermediäre handelt es sich nicht, um eine rechtlich durchsetzbare und verbindliche Immunität.
4.
Charakterisierung von liechtensteinischen Rechtsträgern
In beiden gemeinsamen Erklärungen befindet sich ein Anhang A und ein Anhang B. In der gemeinsamen Erklärung vom 11. August 2009 wurden darin die britschische Charakterisierung, Anerkennung sowie die steuerliche Behandlung von liechtensteinischen Rechtsträgern und Treuhandbeziehungen vorgenommen. In der zweiten gemeinsamen Erklärung ist diese Charakterisierung in Anhang A zusammengefasst und Anhang B beinhaltet Erläuterungen zum Steuerrückbehaltsverfahrens.
a)
307
Anhang A und B (Joint Declaration) sowie Anhang B (Second Joint Declaration)
In den gemeinsamen Erklärungen wurde vereinbart, dass Q Kapitalgesellschaften, wie die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder die Societas Europaea für UK-Steuerzwecke als company charakterisiert, anerkannt und behandelt werden; Q Personengesellschaften, wie die Kommanditgesellschaft oder Kollektivgesellschaften für UKSteuerzwecke als partnership charakterisiert, anerkannt und behandelt werden; Q Treuhandschaften („trusts“) und Stiftungen („foundations“)für UK- Steuerzwecke als trusts charakterisiert, anerkannt und behandelt werden. Für die Charakterisierung der Anstalt ist es maßgeblich, wie diese gesellschaftsrechtlich ausgestaltet ist und welcher Geschäftstätigkeit sie nachgeht. Unter Berücksichtigung dessen ergibt sich für UKSteuerzwecke folgende Charakterisierung: Q Eine Anstalt, welcher es statutengemäß gestattet ist, eine Geschäftstätigkeit („nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe“) zu betreiben, und welche daher der Rechnungsprüfung unterliegt, wird für UK-Steuerzwecke wie eine Gesellschaft (company) charakterisiert, anerkannt und behandelt. Q Eine Anstalt, welcher es statutengemäß nicht gestattet ist, eine Geschäftstätigkeit („nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe“) zu betreiben und welche daher nicht der Rechnungsprüfung unterliegt, wird für UK-Steuerzwecke wie folgt charakterisiert, anerkannt und behandelt:
241
308
309
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins Eine Anstalt mit Gründerrechten oder Anteilen wird als Gesellschaft (company) charakterisiert, anerkannt und behandelt. Q Eine Anstalt ohne Gründerrechte oder Anteile wird als Trust charakterisiert, anerkannt und behandelt. Die Charakterisierung eines liechtensteinischen Treuunternehmens („trust enterprise“) erfolgt für UK-Steuerzwecke entsprechend der Kriterien für die Charakterisierung einer liechtensteinischen Anstalt. Q
310
3
b) 311
Im Rahmen des fünf Jahre dauernden steuerlichen Amtshilfe- und Compliance-Programm (Taxpayer Assistance and Compliance Program, TACP) kann es unter Umständen vorkommen, dass der Finanzintermediär gemäß dem MoU verpflichtet ist, die Kundenbeziehung zu beenden. Gleichzeitig verbieten ihm unter Umständen aber seine Treupflichten die Auflösung der Kundenbeziehung. Für diese Fälle wurde im MoU die Möglichkeit vereinbart, dass ein Steuerrückbehaltsverfahren angewendet wird. Die Voraussetzungen, die Vorgehensweise und die Ausgestaltung dieses Steuerrückbehaltsverfahrens sind in Anhang B zur zweiten gemeinsamen Erklärung aufgeführt.
5. 312
Reziprozität
In der ersten gemeinsamen Erklärung wurde das Prinzip der Reziprozität (Gegenseitigkeit) vereinbart. Aufgrund dessen wurde zum Ausdruck gebracht, dass es sich hier um ein Abkommen unter Gleichen handelt. Gemäß dem Grundsatz der Gegenseitig können die Parteien vereinbaren, dass die Regierung Liechtensteins ein ähnliches spezielles Offenlegungsprogramm und die Regierung des Vereinigten Königreichs ein ähnliches steuerliches Amts- und Compliance Programm einführen.
7. 314
Rechte und Pflichten nach dem 31. März 2015
Unter Ziffer 9 Second Joint Declaration bzw. Seite 5 Joint Declaration werden die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien nach dem 31. März 2015 zusammengefasst. So wird insbesondere das zentrale Ziel dieses Abkommens formuliert, dass es nach dieser fünfjährigen Periode keine relevanten Personen mit einem Nutzungsrecht an relevantem Vermögen mehr in Liechtenstein geben wird, die im Vereinigten Königreich steuerpflichtig sind, und die Liechtenstein nutzen, um sich ihren Steuerpflichten zu entziehen.
6. 313
Anhang B – Second Joint Declaration
Keine Diskriminierung
Für das Fürstentum Liechtenstein von großer Bedeutung ist die Verankerung der Nicht-Diskriminierung in der gemeinsamen Erklärung. Demnach sind sich Liechtenstein und das Vereinigte Königreich einig, dass angesichts des MoU und des TIEA keinerlei Diskriminierung oder Beschränkung des Marktzugangs aufgrund eines Mangels steuerlicher Aufsicht, steuerlichen Zusammenhalts, Steuererhebungen oder Missachtung steuerlicher Vorschriften oder aufgrund von Schwierigkeiten bei der Beschaffung der relevanten Informationen gerechtfertigt werden kann. Ferner wurde dieser Grundsatz auch in lit. L und lit. M des MoU normiert.
242
G. Das Abkommen zwischen dem Vereinigtem Königreich und Liechtenstein über die Kooperation in Steuersachen
3
! Praxishinweis: Wenn eine solche Diskriminierung nach dem 11. August 2009 von britischen Behörden gegenüber liechtensteinischen Wirtschaftsteilnehmern vorgenommen wird, dann sollte die Einlegung von Rechtsmitteln mit Verweis auf das Memorandum of Understanding und die Joint Declaration geprüft werden.
III.
3
Die Regierungsvereinbarung (Memorandum of Understanding)
Mit dem im Memorandum of Understanding festgelegten Regelwerk verfolgen sowohl das Fürstentum Liechtenstein als auch das Vereinigte Königreich im Wesentlichen das Ziel, den britischen Kunden des Finanzplatzes Liechtenstein, die hinsichtlich ihrer Vermögenswerte in Liechtenstein oder in Liechtensteinischen Strukturen (Stiftungen, Trusts etc.) in der Vergangenheit ihrer Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht nachgekommen sind, diese im Wege eines speziellen Verfahrens steuerlich sanieren.
1.
315
Struktur
Das Memorandum of Understanding (MoU) besteht aus acht Seiten, wobei die Präambel vier Seiten umfasst und die Ziele und Ansichten der Vertragspartner beinhaltet. Darüber hinaus hat das MoU sieben Anhänge, welche die zentralen Definitionen und Verfahren festlegen. Die Verfahren, die Liechtenstein umsetzen muss, und die zugehörigen Definitionen wurden in Liechtenstein durch das Steueramtshilfegesetz-UK in nationales Recht transformiert. Daher wird im Folgenden grundsätzlich auf das Steueramtshilfegesetz-UK verwiesen, wenn ein Aspekt jedoch das Vereinigte Königreich betrifft wird auf die Regelung im MoU Bezug genommen.
2.
Mitteilungs- und Bestätigungsverfahren
a)
Definitionen
Für das Mitteilungs- und Bestätigungsverfahren sind die Begriffe „relevante Person“, „relevantes Vermögen“ und „relevante Dienstleistung“ von zentraler Bedeutung. Aufgrund dessen wurden diese Begriffe im MoU verbindlich definiert und Liechtenstein hat diese Definitionen in Art. 3 AHG-UK gesetzlich normiert: aa) Relevante Person Nach Art. 3 Abs. 1 lit. e AHG-UK ist eine relvante Person: Q im Falle einer natürlichen Person: eine Person, welche über das Nutzungsrecht an relevantem Vermögen verfügt und Q von welcher der Finanzintermediär weiß, dass sie am 1. August 2009 oder zu einem späteren Zeitpunkt im Vereinigten Königreich über eine Wohnadresse verfügte, welche der Finanzintermediär gewohnt ist oder gewohnt war, als Hauptadresse zu betrachten; oder Q von welcher der Finanzintermediär weiß, dass sie am 1. August 2009 oder zu irgendeinem späteren Zeitpunkt ihren Steuerwohnsitz im Vereinigten Königreich hatte; oder 243
316
317
318
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins für welche am 1. August 2009 oder zu einem späteren Zeitpunkt auf einem Formular, auf dem diese Person als „wirtschaftlich berechtigte Person“ identifiziert wurde und das dem Finanzintermediär nach dem Sorgfaltspflichtgesetz vorgelegt wurde, eine Adresse im Vereinigten Königreich angegeben wurde. im Falle einer juristischen Person: eine Person, welche über das Nutzungsrecht an relevantem Vermögen verfügt und Q die im Vereinigten Königreich gegründet wurde; oder Q von welcher der Finanzintermediär weiss, dass sie am 1. August 2009 oder zu einem späteren Zeitpunkt ihr Steuerdomizil im Vereinigten Königreich hatte. Q
Q
3
319
320
321
bb) Relevantes Vermögen Art. 3 Abs. 1 lit. g AHG-UK definiert als relevantes Vermögen sowohl Bank- oder Finanzkonten in Liechtenstein, als auch Gesellschaften, Personengesellschaften, Stiftungen, Anstalten, Trusts, Treuunternehmen oder andere treuhänderische Rechtsträger, Nachlässe oder Versicherungspolicen, die in Liechtenstein herausgegeben, gebildet, gegründet, eingetragen, administriert oder verwaltet werden. Ziffer 5 lit. b der zweiten gemeinsamen Erklärung ergänzt hierzu, dass allfälliges neues relevantes Vermögen, das spezifisch zur Ermöglichung der Teilnahme am Offenlegungsprogramm errichtet wurde, erheblich und hinsichtlich dessen Wert und Beständigkeit dem Geist des MOU angemessen sein wird. Ferner wollen Liechtenstein und das Vereinigte Königreich in der Zukunft noch eine weitere Konkretisierung im Hinblick auf neues relevantes Vermögen vornehmen. cc) Relevante Dienstleistung Eine relevante Dienstleistung ist nach Art. 3 Abs. 1 lit. h AHG-UK, wenn eine oder mehrere der folgenden, durch einen Finanzintermediär in Liechtenstein in Bezug auf relevantes Vermögen erbrachten Dienstleistungen vorgenommen werden: Q Handlungen als Mitglied eines Verwaltungsrates, Treuhänderrates oder Stiftungsrates oder als leitender Angestellter; Q einen eingetragenen Firmensitz zur Verfügung zu stellen; Q über die persönliche oder treuhänderische Einsetzungsbefugnis von Begünstigten, Treuhändern oder Vermögen zu verfügen; Q jegliche Form von Vermögen, sei es nach den Bestimmungen eines Trust oder eines Vertrages, zu verwahren; oder Q Bankdienstleistungen nach geltendem liechtensteinischem Recht zu erbringen.
b) 322
323
Vorgehensweise
Ein liechtensteinischer Finanzintermediär ist gemäß Art. 8 AHG-UK in Verbindung mit Art. 2 AHVUK verpflichtet, die relevanten Personen, gegenüber denen er relevante Dienstleistungen erbringt, zu identifizieren. Diese Identifikation muss innerhalb von 30 Tagen seit Aufnahme der Geschäftsbeziehung erfolgen. Bei Geschäftsbeziehungen, die vor dem 1. September 2011 begründet worden sind, hat die Identifikation vor dem 1. Oktober 2011 zu erfolgen. Nachdem der Finanzintermediär die Person identifiziert hat, muss er ihr innerhalb von drei Monaten nach der Identifikation mitteilen, dass er weiß oder Grund hat anzunehmen, dass die Person eine relevante Person ist. Die Gründe hierfür sind entsprechend darzulegen. Innerhalb von 18 Monaten nach dieser schriftlichen Mitteilung muss dann die relevante Person den Finanzintermediär davon 244
G. Das Abkommen zwischen dem Vereinigtem Königreich und Liechtenstein über die Kooperation in Steuersachen überzeugen, dass sie keine relevante Person ist oder dem Finanzintermediär jeweils innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt eine Registrierungsbestätigung und eine Offenlegungsbestätigung der zuständigen Behörde des Vereinigten Königreichs vorlegen. Anstatt mit der Registrierungs- oder Offenlegungsbestätigung kann der Nachweis gegenüber dem Finanzintermediär, dass die betreffende Person im Vereinigten Königreich nicht steuerpflichtig ist oder ihren Steuerpflichten nachkommt, auch durch andere geeignete schriftliche Bestätigungen, Formulare oder Erklärungen erbracht werden. Art. 4 Abs. 1 AHV-UK lässt die folgenden Formulare oder Erklärungen als zulässige Nachweise zu: Q eine schriftliche Bestätigung im Original oder in Form einer amtlich oder notariell beglaubigten Kopie eines im Vereinigten Königreich gehörig qualifizierten Rechts-, Steuer- oder Buchhaltungsberaters, welcher ein Mitglied der Law Society, des Institute of Chartered Accountants in England and Wales oder eines ähnlichen Berufsverbandes des Vereinigten Königreichs ist, dass: Q die betreffende relevante Person ihren Steuerpflichten im Vereinigten Königreich in Bezug auf relevantes Vermögen nachkommt; oder Q die entsprechende relevante Person im Rahmen einer Offenlegungsmöglichkeit von der zuständigen Steuerbehörde des Vereinigten Königreichs eine Offenlegungsmeldung bezüglich des relevanten Vermögens eingereicht hat. Q ein Formular in einer von HMRC genehmigten Form, auf dem die relevante Person identifiziert wird und das den Nachweis erbringt, dass die relevante Person ihren Steuerpflichten in Bezug auf das relevante Vermögen im Vereinigten Königreich nachkommt; Q eine amtlich oder notariell beglaubigte Kopie der ganzen oder eines Teils der Steuererklärung, welche die betreffende Person bei HMRC eingereicht hat, sofern die eingereichte Kopie aufzeigt, dass das in Frage stehende relevante Vermögen gegenüber HMRC angegeben wurde; oder Q ein schriftliches Verzichtserklärungs- und Identifizierungsformular der betreffenden Person, welches den entsprechenden Finanzintermediär ermächtigt, die betreffende Verzichtserklärung an HMRC weiterzuleiten und später HMRC eine Kopie der Steuerinformation zukommen zu lassen, die für die Steuerpflicht der Person in Bezug auf das relevante Vermögen voraussichtlich bedeutsam ist. Ferner muss der Finanzintermediär der relevanten Person mitteilen, dass er seine Dienstleistungen innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der oben dargestellten 18 monatigen Verifikationsfrist beenden muss, wenn kein Antrag auf Durchführung des Prüfungsverfahrens gestellt wurde.
3.
Prüfungsverfahren
a)
Hintergrund
Wenn ein liechtensteinischer Finanzintermediär aufgrund der Bestimmungen des MoU eine Geschäftsbeziehung beenden muss, dann kann dies gemäß liechtensteinischem Recht eine Verletzung der Treuepflicht, eine wesentliche Vertragsverletzung oder eine Vereitelung der Vertragserfüllung darstellen. Um eine Lösung in dieser salominischen Situation des Finanzintermediärs zu erzielen, sieht das MoU und korresponierdend auch das AHG-UK die Einrichtung eines Prüfungsausschusses vor. Dieser Prüfungsausschuss soll unter Abwägung aller Interessen einen Kompromiss ausarbeiten.
245
3
324
3
325
326
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins
b) 327
3
328
329
Art. 10 AHG-UK normiert, dass die liechtensteinische Regierung den Prüfungsausschuss bestellt. Dieser besteht aus drei bis fünf Mitgliedern. Die erste Amtsperiode dauert vier Jahre und die zweite und letzte Amtsperiode endet am 1. April 2017. Im Prüfungsausschuss sollen Fachkompetenzen aus den Bereichen Treuhandwesen, Bankwirtschaft, Recht und Steuern vertreten sein. Der Liechtensteinische Bankenverband und die Liechtensteinische Treuhändervereinigung sind berechtigt, je ein Mitglied zu Händen der Regierung zu nominieren. Als Mitglied darf nur bestellt werden, wer über einen einwandfreien Leumund, hohe Fachkenntnis und ausreichende Praxiserfahrung verfügt. Die Regelungen zur Beschlussfassung wurden in Art. 6 AHV-UK festgelegt. Demnach ist der Prüfungsausschuss beschlussfähig, wenn bei einer vier- oder fünfköpfigen Besetzung mindestens drei Mitglieder, bei einer dreiköpfigen Besetzung mindestens zwei Mitglieder anwesend sind. Die Anwesenheit des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters ist in jedem Fall erforderlich. Ferner fällt der Prüfungsausschuss seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder. Der Vorsitzende und bei dessen Abwesenheit sein Stellvertreter hat den Stichentscheid. Es besteht Stimmzwang.
c) 330
332
333
Aufgaben des Prüfungsausschusses
Die Aufgaben des Prüfungsausschusses beinhalten gemäß Art. 10 AHG-UK: Q die Entscheidung über Anträge auf Durchführung eines Prüfungsverfahrens; Q die Erteilung von Weisungen an Finanzintermediäre; Q die Beauftragung des Prüfers im Kontrollverfahren; Q die Sammlung, Auswertung und Weiterleitung der Kontrollberichte.
d) 331
Bestellung des Prüfungsausschusses
Weisungen des Prüfungsausschusses
Nach der Abwägung aller Interessen kann der Prüfungsausschuss unter Berücksichtigung von Art. 13 Abs. 3 AHG-UK den Finanzintermediär dazu veranlassen, dass Q die Einstellung der relevanten Dienstleistung innerhalb einer angemessenen Frist vornimmt; Q den Abzug einer Buße, mit der das relevante Vermögen belegt wird, vornimmt; Q einen Abzug oder Einbehalt von Steuern in Bezug auf das relevante Vermögen vornimmt. Ferner sind weitere Maßnahmen möglich, die geeignet sind, für die relevante Person wirtschaftliche Anreize für die Erfüllung der Steuerpflicht zu schaffen. Die genaue Ausgestaltung eines Steuerrückbehalts wird in Anhang B der zweiten gemeinsamen Erklärung festgelegt.
4.
Kontrollverfahren
a)
Vorbemerkung
Um die Einhaltung der Bestimmungen des steuerlichen Amtshilfe- und Compliance-Programms durch die Finanzintermediäre sicherzustellen, normiert Art. 15 ff AHG-UK die Durchführung von Kontrollen durch unabhängige Prüfer. Es werden dabei zwei Kontrollverfahren unterschieden: 246
G. Das Abkommen zwischen dem Vereinigtem Königreich und Liechtenstein über die Kooperation in Steuersachen Q Q
b)
das Kontrollverfahren A das Kontrollverfahren B
Kontrollverfahren A
Das Kontrollverfahren A ist für die Banken und Treuhandgesellschaften maßgeblich, die auf der sogennaten Kontrolliste aufscheinen. Diese Kontrollliste wird nach nach Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung der Regierung mit dem HMRC erstellt.42 Art. 18 AHG-UK normiert, dass die erste Kontrolle 30 Monate nach Inkrafttreten AHG-UK stattfindet (Inkrafttreten: 1. September 2010). Die letzte Kontrolle findet zwischen dem 1. Januar und 31. Dezember 2016 statt. Dem Prüfer ist unbeschränkter Zugang zu allen Informationen, die er zur Durchführung der Kontrolle als notwendig erachtet, zu gewähren. Der Prüfer bestimmt die Kontrollmethode. Wenn der Prüfer feststellt, dass ein Finanzintermediär der Identifizierungs- oder Mitteilungspflicht nicht nachgekommen ist, setzt er eine Frist zur Nachbesserung.
c)
336
337
Anwendungsbereich
Dieses System der Nachdeklaration (Selbstanzeige) ist seit dem 1. September 2009 für bereits bestehende Kunden und seit dem 1. Dezember 2009 für neue Kunden verfügbar und bleibt bis 1. April 2015 bestehen. Personen, die sich bereits „under investigtation“ durch das HMRC befinden, können von dieser speziellen Offenlegungsmöglichkeit nicht profitieren.
b)
335
Offenlegungsprogramm (Liechtenstein Disclosure Facility)
Im Gegenzug zu diesen Verpflichtungen und umfangreichen Zugeständnissen durch das Fürstentum Liechtenstein hat das HMRC die Möglichkeit der Offenlegung speziell für britische Kunden des Finanzplatzes Liechtenstein geschaffen („Liechtenstein Disclosure Facility“):
a)
334
Kontrollverfahren B
Gemäß Art. 20 AHG-UK werden Finanzintermediäre, die nicht auf der Kontrollliste geführt werden, von Wirtschaftsprüfern oder Revisionsgesellschaften mittels eines separaten Prüfverfahrens im Rahmen der ordentlichen Kontrollen nach dem Sorgfaltspflichtgesetz kontrolliert.
5.
3
338
Voraussetzungen
Es können jedoch nicht alle UK Steuerpflichtigen diese spezielle Offenlegungsmöglichkeit nutzen:
339
aa) UK-Steuerpflichtige, die das LDF nutzen können Ein UK-Steuerpflichtiger der eine relevante Person ist und über relevantes Vermögen verfügt, kann das LDF nutzen, um seine nicht deklarierten Einkünfte nachzumelden, wenn kein Ausschlussgrund vorliegt.
340
42 BuA Nr. 30/2010, S. 45.
247
3
3 341
3
§ 3 Internationale Steuerkooperationen Liechtensteins bb) UK-Steuerpflichtige, die das LDF nicht nutzen können Der UK-Steuerpflichtige kann das LDF nicht nutzen, wenn er kein Vermögen in Liechtenstein hat oder beispielsweise nur britisches Vermögen. Ferner liegt ein Ausschlussgrund vor, wenn das Auslandskonto über eine britische Geschäftsstelle eröffnet wurde. Entsprechend den international üblichen Grundsätzen kann zudem keine wirksame Selbstanzeige mehr vorgenommen werden, wenn die Tat des UK-Steuerpflichtigen bereits entdeckt wurde oder er bereits wegen Steuerbetrug verurteilt ist.
c) 342
343
344
Rechtsfolge
Die Steuerverwaltung in Großbritannien wird für die Unterstützung der Kunden und der Finanzintermediäre in Liechtenstein sorgen und einen eigenen besonderen Dienst („Bespoke Service“) in Form einer Liechtenstein-Abteilung („Liechtenstein Desk“) einrichten. Es besteht dadurch die Möglichkeit einer ersten anonymen Kontaktaufnahme mit dem HMRC durch einen professionellen Berater oder den involvierten Finanzintermediär, um mit dem HMRC die Situation der berechtigten Person ohne Nennung von Namen zu besprechen. Weiters wird – soweit möglich – eine zügige Bearbeitung innerhalb von sechs Monaten durch den HMRC angestrebt. Im Ergebnis hat der Steuerpflichtige, der sich zu einer freiwilligen Offenlegung entscheidet, die noch nicht entrichteten Steuern der letzten zehn Jahre (konkret ab März 1999) nachzuzahlen (im Unterschied zur normalen Zeitspanne von bis zu 20 Jahren). Im Falle eines schuldlosen Irrtums wird die Frist auf sechs Steuerjahre verkürzt. Steuerzahler werden die einmalige Möglichkeit haben, ihre Schuld durch einen vereinfachten einzigen Durchschnittssteuersatz (single composit rate) auf ihrem Einkommen in Höhe von 40% zu tilgen. Diese Alternative ist eine wichtige Komponente der liechtensteinischen Offenlegungsmöglichkeit, da es den Steuerpflichtigen die Möglichkeit einräumt, einen einzigen Durchschnittssteuersatz anzuwenden, die sämtliche UK-Steuern, inklusive Sozialversicherungsbeiträge, UK-Erbschafts-, Einkommens-, Körperschaft-, Kapitalgewinn- und Stempelsteuern sowie Mehrwertsteuer ersetzt. Dies vereinfacht nicht nur das Verfahren einer freiwilligen Offenlegung, sondern kann auch zu bedeutsamen Steuereinsparungen führen, vor allem in Fällen, in denen Unternehmen, Stiftungen und andere Körperschaften beteiligt sind. Die Strafe beträgt 10% der nicht entrichteten Steuer. Im MoU erklären sich die britischen Finanzbehörden auch bereit, Angebote zu prüfen, die Steuer auf Basis einer geschätzten Grundlage festzusetzen, Ratenzahlungen und Stundungen zu genehmen. Falls eine vollständige, korrekte und freiwillige Offenlegung erfolgt, so werden keine Strafuntersuchungen eingeleitet werden und die britischen Behörden sind nicht wie in anderen Fällen berechtigt, die Namen und Details von Einzelpersonen und Gesellschaften bekannt zu geben. Letztere Maßnahme ermöglicht es der Steuerverwaltung in Großbritannien Namen und Details von Steuersündern, die mehr als 25.000 britische Pfund absichtlich hinterzogen haben, zu publizieren. ! Praxishinweis: Wesentlich ist, dass die liechtensteinische Regierung mit den britischen Behörden vereinbart hat, dass nicht nur bestehende Kunden liechtensteinischer Finanzintermediäre von den besonderen Offenlegungsmöglichkeiten, die mit dem Vereinigten Königreich vereinbart wurden, Gebrauch machen können, sondern auch neue Kunden, die relevante Verbindungen mit Liechtenstein etablieren.
248
G. Das Abkommen zwischen dem Vereinigtem Königreich und Liechtenstein über die Kooperation in Steuersachen
IV.
Das Steuerinformationsabkommen
1.
Vorbemerkung
Das Übereinkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Nordirland über den Informationsaustausch in Steuersachen (TIEA FL/UK) wurde am 11. August 2009 abgeschlossen. Es handelt sich hierbei um ein OECD konformes Steuerinformationsabkommen.
2.
346
Schutz von bestehenden Kunden
Liechtenstein hat das Recht, eine Anfrage abzulehnen, wenn sie bereits vor dem 11. August 2009 bestehende Bankkonten, Stiftungen, Trusts oder ähnliches betrifft. Diese Maßnahme hat den Zweck, bestehenden Kunden mit einer steuerlichen Verbindung zu Großbritannien die notwendige Zeit zu geben, um ihre spezifische Situation in Bezug auf das Offenlegungsverfahren zu klären und fachlichen Rat einzuholen. Dies gilt jedoch nicht für jene Fälle, in denen es um Steuerstrafsachen geht und die ersuchende Partei formell eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet hat.
b)
345
Besonderheiten
Das TIEA FL/UK orientiert sich grundsätzlich an den anderen liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen. Es enthält jedoch aufgrund des fünfjährigen steuerlichen Amtshilfe- und Compliance-Programms ein paar Besonderheiten:
a)
3
347
Schutz von Kunden während der Dauer des Offenlegungsverfahrens
Für die bestehenden Kunden, die sich gegen die freiwillige Offenlegung entschließen und statt dessen ihre liechtensteinischen Konten auflösen und ihre juristischen Personen oder Treuhandbeziehungen vor April 2015 liquidieren, kündigen oder aus Liechtenstein abziehen, läuft diese Möglichkeit des Schutzes der Informationen durch die Regierung Liechtensteins in Zukunft sogar auf unbestimmte Zeit weiter.
249
348
3
4
§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland A.
4 1
A.
Hintergrund
I.
Ausgangslage
Nicht zuletzt durch die Initative der OECD zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbwerbs Ende der Neunziger Jahre stieg in den letzten Jahren zunehmend der Druck auf das Fürstentum Liechtenstein seine Haltung in der Zusammenarbeit in Steuersachen zu verändern. Um die Zukunft des liechtensteinischen Finanzplatzes und des Wirtschaftsstandortes Liechtenstein zu stärken hat die liechtensteinische Regierung daher eine proaktive Strategie entwickelt deren Ausfluss beispielsweise die Veröffentlichung des Futuro Projektes am 14. Februar 2008 war. Diese Entwicklung wurde unter anderem durch die Liechtenstein Erklärung vom 12. März 2009 und den Abschluss von zahlreichen OECD konformen Steuerabkommen konsequent umgesetzt.
II. 2
3
Verlauf der Verhandlungen
Gemäß der liechtensteinischen Regierung bot das Fürstentum Liechtenstein bereits seit Juli 2008 den Staaten der Europäischen Union die Umsetzung der OECDǦStandards für den Austausch von Steuerinformationen in bilateralen Abkommen an. Das deutsche Bundesministerium für Finanzen (BMF) strebte zu dieser Zeit jedoch noch eine europäische mulitlaterale Lösung an. Die Umsetzung des OECD Standards sollte zwischen der Euopäischen Union und dem Fürstentum Liechtein mit Hilfe eines europäischen Betrugsbekämpfungsabkommens umgesetzt werden. Der Abschluss eines Betrugsbekämpfungsabkommens verzögerte sich jedoch durch die heterogenen Interessen in der Europäischen Union. Einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ging das Betrugsbekämpfungsabkommen im Hinblick auf ihren eigenen Finanzplatz zu weit und anderen Mitgliedstaaten ging es nicht weit genug. Aufgrund dieser Verzögerungen ging das deutsche BMF Anfang 2009 auf das Gesprächsangebot Liechtensteins ein. Eine erste Gesprächsrunde fand am 13. März 2009 in Berlin statt. Im Bericht und Antrag zum Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland, führt die liechtensteinische Regierung aus, dass in den beiden Gesprächsrunden von März und April 2009 dem deutschen BMF der angestrebte umfassende Ansatz der LiechtensteinǦErklärung erläutert wurde. Die deutsche Seite zeigte demnach zwar grundsätzlich Interesse an den Ansätzen zur Lösung der Vergangenheit und der umfassenden Besteuerung aller Vermögen und Einkünfte in der Zukunft, verwies aber auf politische und verfassungsrechtliche Hindernisse zur Realisierung einer Lösung zu diesen beiden Themen. In drei formellen Verhandlungsrunden im Mai, Juni und Juli 2009 wurde dann konkret über den Abschluss eines reinen Steuerinformationsabkommen verhandelt. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland wurde am 2. September 2009 in Vaduz unterzeichnet (TIEA FL/DE).
250 T. Hosp, M. Langer , Steuerstandort Liechtenstein, DOI 10.1007/978-3-8349-6627-8_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
4
B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
III.
Umsetzung und Ausblick
Die Umsetzung des Steuerinformationsabkommens erfolgt in Liechtenstein durch das Gesetz über die Durchführung der internationalen Amtshilfe in Steuersachen (SteAHG). Dieses wird in Abschnitt C im Detail dargestellt. Seit dem erfolgreichen Abschluss des Steuerinformationsabkommens verhandelt das Fürstentum Liechtenstein nunmehr mit Deutschland über eine weitergehende steuerliche Zusammenarbeit und den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens. Die weitergehende Zusammenarbeit soll sowohl eine Lösung der sogenannten „Altfälle“ beinhalten, als auch die Steuerkonformität für die Zukunft sichern. Ein mögliches Szenario hierfür wäre eine Abgeltungsteuerlösung, wie sie beispielsweise Deutschland auch mit der Schweiz verhandelt.
IV.
5
4
Historischer Exkurs
Das Steuerinformationsabkommen zwischen Deutschland und dem Fürstentum Liechtenstein war nicht die erste Einigung auf steuerlicher Ebene zwischen diesen beiden Staaten. Bereits im Jahr 1934 gab es zwischen beiden Staaten eine Übereinkunft, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden und zwar auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugsteuer.1 Aufgrund dessen wurden die in Liechtenstein verkehrspolizeilich zugelassenen Kraftfahrzeuge jeder Art, die zum vorübergehenden Aufenthalte in das Deutsche Reich gelangen, von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, wenn der einzelne inländische Aufenthalt die Dauer von zwei Wochen nicht überschritt.
B.
Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
I.
Geltungsbereich des Abkommens
1.
Artikel 1 TIEA FL/DE
6
B.
Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien leisten einander Unterstützung durch den Austausch von Informationen, die für die Durchführung des jeweiligen Rechts der Vertragsparteien betreffend die unter dieses Abkommen fallenden Steuern voraussichtlich erheblich sind, einschließlich Auskünften, die für die Festsetzung und Erhebung dieser Steuern oder für Ermittlungen beziehungsweise Strafverfolgungsmaßnahmen in Steuersachen voraussichtlich erheblich sind. Die persönlichen Rechte und Sicherheiten, welche die Gesetze oder die Verwaltungspraxis der ersuchten Vertragspartei gewähren, bleiben anwendbar.
1
4
RStBl. I 1934, S. 288.
251
7
4
§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
8
4
2.
Kurzkommentierung
a)
Zielsetzung
Art. 1 normiert die Zielsetzung des TIEA FL/DE. Der Anwendungsbereich des Abkommens ist nicht nur auf Tatbestandsmerkmale begrenzt, in denen bereits einen Anfangsverdacht für eine Straftat zu Grunde liegt, sondern das TIEA FL/DE ermöglicht auch den Austausch von Informationen, die für die Durchsetzung der jeweiligen nationalen Steuergesetze voraussichtlich erheblich sind.
b) 9
Art. 1 begrenzt die gegenseitige Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer jeweiligen Steuergesetze auf den Austausch von Informationen. Dies bedeutet, dass keine weitergehenden Verpflichtungen wie beispielsweise die Unterstützung bei der Beitreibung von Steuerforderungen bestehen.
c) 10
11
12
13
Art der Unterstützung
Voraussichtlich erheblich
Seit der Änderung des Musterkommentars zum OECD-MA 2005 ist der Informationsaustausch auf Informationen beschränkt, die „voraussichtlich erheblich“ sind. Davor wurde im OECD Musterkommentar die Formulierung „erforderlich“ („necessary“) verwendet. Die Abänderung des Ausdruckes in „voraussichtlich erheblich“ („foreseeably relevant“) sollte jedoch nach der Auffassung des Musterkommentars die Wirkung der Vorschrift nicht verändern, sondern nur Zweifel in der Auslegung beseitigen.2 Darüber hinaus hält die OECD die Verwendung der Wörter „notwendig“ oder „erheblich“ in den Abkommenstexten für gleichwertig.3 Nach Ansicht der OECD soll der Maßstab von „voraussichtlich erheblich“ für einen Informationsaustausch im weitestmöglichen Umfang sorgen und gleichzeitig klarstellen, dass es den Vertragsstaaten nicht freisteht, um Auskünfte zu ersuchen, die wahrscheinlich für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen unerheblich sind.4 Auch im Schrifttum wird betont, dass bei der Beurteilung der Erheblichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist, sodass die Besteuerung ohne die betroffene Information aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar sein muss.5 Zu beachten ist jedoch, dass die Formulierung „voraussichtlich erheblich“ auch eine zeitliche Komponente enthält. So kann ein Informationsaustausch nicht alleine deshalb ausgeschlossen werden, weil ex ante noch nicht beurteilt werden kann, ob die Information tatsächlich erheblich ist. Denn gemäß dem OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen ermöglicht Art. 1 auch einen Informationsaustausch in den Fällen, wo die endgültige Prüfung der Erheblichkeit erst nach der Prüfung vorgenommen werden kann und die ersuchte Information im Voraus nur als möglicherweise erheblich anzusehen ist.6 Gemäß Ziffer 3 lit. c des Protokolls TIEA FL/DE wird der Begriff der voraussichtlichen Erheblichkeit wie folgt definiert. Voraussichtlich erheblich sind die Daten, wenn im konkreten Fall die ernstliche Möglichkeit besteht, dass die andere Vertragspartei ein Besteuerungsrecht hat. 2 3 4 5 6
252
OECD Musterkommentar, Art. 26 Rz 4.1. OECD Musterkommentar, Art. 26 Rz 5. OECD Musterkommentar, Art. 26 Rz 5ff. So beispielsweise die Ansicht in Deutschland (Söhn, in Hübschmann/Hepp/Spitaler (Hrsg), Kommentar zur Abgabenordnung, § 117 AO, Rz. 21. Musterkommentar zum OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen, Art. 1 Nr. 4.
B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
II.
Zuständigkeit
1.
Artikel 2 TIEA FL/DE
Die ersuchte Vertragspartei ist nicht zur Erteilung von Auskünften verpflichtet, die weder ihren Behörden vorliegen noch im Besitz oder in der Verfügungsmacht von Personen in ihrem Hoheitsgebiet sind.
2.
4
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4
Kurzkommentierung
Art. 2 bestimmt, dass die ersuchte Vertragspartei nur dann zur Erteilung von Auskünften verpflichtet ist, wenn die angefragten Informationen im Besitz ihrer Behörden oder in der Verfügungsmacht von Personen in ihrem Hoheitsgebiet sind. Art. 2 beinhaltet somit die Möglichkeit eine Auskunft abzulehnen, wenn die entsprechenden Informationen weder ihren Behörden vorliegen, noch sich in der Verfügungsmacht von Personen im ersuchten Staat befinden. Zusätzlich schränkt Art. 2 die Ermittlungsverpflichtung des ersuchten Staates auf dessen nationales Territorium ein. Aufgrund dessen ist der ersuchte Staat somit nicht zur eigenständigen Erforschung von Sachverhalten in Drittstaaten verpflichtet. Andernfalls könnte die Verpflichtung bestehen, dass der ersuchte Staat seine anderen abgeschlossenen Steuerinformationsabkommen nutzen müsste, um Informationen für den ersuchenden Staat zu ermitteln und anschließend weiterzuleiten. Eine solche Vorgehensweise wird jedoch durch Art. 2 nicht ausgeschlossen, denn Art. 2 normiert lediglich, dass hier keine Verpflichtung zu einem solchen Verhalten besteht. Somit eröffnet diese Norm dem ersuchten Staat ein Wahlrecht.
III.
Unter das Abkommen fallende Steuern
1.
Artikel 3 TIEA FL/DE
(1) Dieses Abkommen gilt für folgende Steuern: a) in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland: Q die Einkommensteuer, Q die Körperschaftsteuer, Q die Gewerbesteuer, Q die Vermögensteuer, Q die Erbschaftsteuer, Q die Umsatzsteuer, Q die Versicherungsteuer, einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge. b) in Bezug auf das Fürstentum Liechtenstein: Q die Erwerbssteuer, Q die Ertragssteuer,
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4
§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland die Gesellschaftssteuern, Q die Grundstücksgewinnsteuer, Q die Vermögenssteuer, Q die Couponsteuer, Q die Nachlass-, Erbanfalls- und Schenkungssteuern und Q die Mehrwertsteuer. (2) Dieses Abkommen gilt auch für alle Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden, soweit die Vertragsparteien dies vereinbaren. Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien teilen einander die bei den unter dieses Abkommen fallenden Steuern sowie den entsprechenden Maßnahmen zur Beschaffung von Auskünften eingetretenen wesentlichen Änderungen mit. Q
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4
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21
2.
Kurzkommentierung
a)
Abschließender Katalog der erfassten Steuern
Art. 3 Abs. 1 enthält einen abschließenden Katalog an Steuern, die unter den Anwendungsbereich des Steuerinformationsabkommens zwischen Deutschland und Liechtenstein fallen. Es wird folglich der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens festgelegt. Im Hinblick auf die deutsche Auflistung der einzelnen Steuerarten ist auffällig, dass im Bezug auf die Besteuerung des Vermögenstransfers nur die Erbschaftsteuer aufgeführt wurde und nicht etwa auch die Schenkungsteuer. Hintergrund könnte aus deutscher Sicht sein, dass die Schenkungsteuer im Erbschaftsteuergesetz enthalten ist und sie folglich implizit eingeschlossen werden sollte. Eine wörtliche Auslegung des Abkommens führt jedoch zu dem Schluss, dass die deutsche Schenkungsteuer nicht in den Anwendungsbereich des Abkommens fällt, denn bei der Schenkungsteuer und der Erbschaftsteuer handelt es sich um zwei verschiedene Steuern. Ferner sei anzumerken, dass die Vertragsstaaten gerade keinen automatischen Einbezug aller Steuern angestrebt haben, denn ansonsten hätten sie, wie bereits in anderen Steuerinformationsabkommen von Ihnen vorgenommen, einen Einbezug aller Steuern ausdrücklich vereinbaren können. Diese Rechtsansicht bestätigt sich, wenn man die Wortfolge des Art. 26 Abs. 1 OECD-MA analysiert. Art. 26 Abs. 1 OECD-MA sieht nämlich vor, dass die zuständigen Behörden die Informationen austauschen, die zur Durchführung des betreffenden Abkommens oder zur Verwaltung oder Anwendung des innerstaatlichen Rechts betreffend „Steuern jeder Art und Bezeichnung“, die für Rechnung der Vertragsstaaten oder ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden, voraussichtlich erheblich sind, soweit die diesem Recht entsprechende Besteuerung nicht dem Abkommen widerspricht. Mit anderen Worten: Die Normensetzer haben sich mit der von ihnen gewählten Wortfolge explizit nur für die angeführten Steuern entschieden. Die Schenkungsteuer fällt nicht unter den sachlichen Anwendungsbereich des TIEA FL/DE.
b) 22
Anpassungsklausel
Art. 3 Abs. 2 ist eine sogennante Anpassungsklausel. Sie normiert, dass die Neueinführung oder die Änderung von Steuerarten nicht sofort zu einer Neuverhandlung des gesamten Abkommens führen, sondern dass das Abkommen auch für diese Steuern gilt, sofern es sich um Steuern gleicher oder im 254
B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
4
Wesentlichen ähnlicher Art handelt. Während der OECD Musterkommentar einen automatischen Einbezug der neu eingeführten Steuern vorsieht, betont die liechtensteinische Regierung im BuA zum TIEA FL/DE, dass es für dem Einbezug der gleichen oder im Wesentlichen ähnliche Steuern einer ausdrücklichen Vereinbarung beider Seiten bedarf.
IV.
Begriffsbestimmungen
1.
Artikel 4 TIEA FL/DE
4
(1) Für die Zwecke dieses Abkommens, soweit nichts anderes bestimmt ist, a) bedeutet der Ausdruck „Bundesrepublik Deutschland“, im geographischen Sinn verwendet, das Gebiet, in dem das Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland gilt; b) bedeutet der Ausdruck „Fürstentum Liechtenstein“, im geographischen Sinn verwendet, das Gebiet, in dem das Steuerrecht des Fürstentums Liechtenstein gilt; c) bedeutet der Ausdruck „zuständige Behörde“ aa) in der Bundesrepublik Deutschland das Bundesministerium der Finanzen oder die Behörde, an die es seine Befugnis delegiert hat; in Steuerstrafsachen ist dies das Bundesministerium der Justiz oder die Behörde, an die es seine Befugnis delegiert hat; bb) im Fürstentum Liechtenstein die Regierung oder deren Bevollmächtigter; d) umfasst der Ausdruck „Person“ natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen; e) bedeutet der Ausdruck „Gesellschaft“ eine juristische Person oder einen Rechtsträger, der für die Besteuerung wie eine juristische Person behandelt wird; f) bedeutet der Ausdruck „börsennotierte Gesellschaft“ eine Gesellschaft, deren Hauptaktiengattung an einem geregelten Markt, der die materiellen Anforderungen im Sinne des Artikels 4 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 erfüllt, notiert ist und deren notierte Aktien von jedermann ohne Weiteres erworben oder veräußert werden können. Aktien können „von jedermann“ erworben oder veräußert werden, wenn der Erwerb oder die Veräußerung von Aktien weder implizit noch explizit auf eine begrenzte Investorengruppe beschränkt ist; g) bedeutet der Ausdruck „Hauptaktiengattung“ die Aktiengattung oder die Aktiengattungen, die eine Mehrheit der Stimmrechtsanteile oder des statuarischen Kapitals der Gesellschaft darstellen; h) bedeutet der Ausdruck „Investmentfonds oder Investmentsystem für gemeinsame Anlagen“ eine Investitionsform für gemeinsame Anlagen, ungeachtet der Rechtsform. Der Ausdruck „öffentlicher Investmentfonds oder öffentliches Investmentsystem für gemeinsame Anlagen“ bedeutet einen Investmentfonds oder ein Investmentsystem für gemeinsame Anlagen, bei dem die Fondsanteile, Gesellschaftsanteile oder sonstigen Anteile am Fonds oder System ohne Weiteres von jedermann erworben, veräußert oder zurückgekauft werden können. Fondsanteile, Gesellschaftsanteile oder sonstige Anteile am Fonds oder System können ohne Weiteres „von jedermann“ erworben, veräußert oder zurückgekauft werden, wenn der Erwerb, die Veräußerung oder der Rückkauf weder implizit noch explizit auf eine begrenzte Anlegergruppe beschränkt ist; i) bedeutet der Ausdruck „Steuer“ eine Steuer, für die das Abkommen gilt; j) bedeutet der Ausdruck „ersuchende Vertragspartei“ die um Auskünfte ersuchende Vertragspartei; 255
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§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland k) bedeutet der Ausdruck „ersuchte Vertragspartei“ die Vertragspartei, die um Erteilung von Auskünften ersucht wird; l) bedeutet der Ausdruck „Maßnahmen zur Beschaffung von Auskünften“ die Gesetze und Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren, die eine Vertragspartei zur Beschaffung und Erteilung der erbetenen Auskünfte befähigen; m) bedeuten die Ausdrücke „Auskünfte“ und „Informationen“ Tatsachen, Erklärungen, Unterlagen oder Aufzeichnungen jeder Art; die Ausdrücke „Auskünfte“ und „Informationen“ werden inhaltsgleich verwendet; n) bedeutet der Ausdruck „Steuersachen“ alle Steuersachen einschließlich Steuerstrafsachen; o) bedeutet der Ausdruck „Steuerstrafsachen“ Steuersachen im Zusammenhang mit vorsätzlichem Verhalten, das nach dem Strafrecht des ersuchenden Vertragsstaates strafbewehrt ist; p) bedeutet der Ausdruck „Strafrecht“ sämtliche nach dem Recht der Vertragsparteien als solche bezeichneten steuerstrafrechtlichen Bestimmungen, unabhängig davon, ob sie im Steuerrecht, im Strafgesetzbuch oder in anderen Gesetzen enthalten sind; q) bedeutet der Ausdruck „Staatsangehöriger“ aa) in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland alle Deutschen im Sinne des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland sowie alle juristischen Personen, Personengesellschaften und anderen Personenvereinigungen, die nach dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht errichtet worden sind; bb) in Bezug auf Liechtenstein alle Inhaber von Landesbürgerrechten im Sinne des Bürgerrechtsgesetzes (LGBl. 1960, Nr. 23) sowie alle juristischen Personen, Personengesellschaften und anderen Personenvereinigungen, die nach dem im Fürstentum Liechtenstein geltenden Recht errichtet worden sind. (2) Jeder in diesem Abkommen nicht näher definierte Ausdruck hat, sofern der Zusammenhang nichts anderes erfordert, die Bedeutung, die ihm zu dem Zeitpunkt zukam, zu dem das Ersuchen gestellt wurde, wobei die Bedeutung nach dem Steuerrecht der anwendenden Vertragspartei Vorrang vor der Bedeutung hat, die dem Ausdruck nach anderem Recht dieser Vertragspartei zukommt.
2.
Kurzkommentierung
a)
Verbindliche Definitionen
Art. 4 Abs. 1 nimmt eine einheitliche Defintion von zentralen Abkommensbegriffen vor. Diesen Definitionen kommt eine entscheidende Bedeutung für den Anwendungsbereich des Abkommens und die Durchführung des Informationsaustausches zu. Beispielsweise wird die Verpflichtung alle Eigentümer einer Aktiengesellschaft zu identifizieren für börsennotierte Gesellschaften eingeschränkt. Daher kommt der Definition in Art. 4 Abs. 1 lit. f „ börsennotierte Gesellschaft“ eine zentrale Bedeutung zu, da diese festlegt welche Gesellschaften der Ausschluss umfasst.
b) 26
Auffangklausel
Art. 4 Abs. 2 bestimmt, dass Ausdrücke, die nicht einheitlich definiert wurden, grundsätzlich erst nach dem Steuerrecht der anzuwendenden Vertragspartei auszulegen sind. Nur wenn das jeweilige Steuerrecht keine Definition enthält sind zur Klärung des Begriffes andere Rechtsgebiete der anzu256
B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
4
wenden Vertragspartei heranzuziehen. Entscheidend ist ferner, dass nicht der ersuchende Staat für die Auslegung des Begriffes maßgeblich ist, denn ansonsten müsste der ersuchte Staat bei der Prüfung des Auskunftsersuchens ausländisches Recht zur Auslegung der Begriffe heranziehen.
V.
Informationsaustausch auf Ersuchen
1.
Artikel 5 TIEA FL/DE
4
(1) Auf Ersuchen der ersuchenden Vertragspartei erteilt die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei Auskünfte für die in Artikel 1 genannten Zwecke. Diese Auskünfte werden ohne Rücksicht darauf erteilt, ob die ersuchte Vertragspartei diese Auskünfte für eigene steuerliche Zwecke benötigt oder ob das Verhalten, das Gegenstand der Ermittlungen ist, nach dem Recht der ersuchten Vertragspartei eine Straftat darstellen würde, wäre es im Gebiet der ersuchten Vertragspartei erfolgt. Die zuständige Behörde der ersuchenden Vertragspartei stellt nur dann ein Auskunftsersuchen nach diesem Artikel, wenn sie die erbetenen Auskünfte nicht durch andere Maßnahmen in ihrem eigenen Gebiet erlangen konnte; ausgenommen sind Fälle, in denen der Rückgriff auf derartige Maßnahmen unverhältnismäßig große Schwierigkeiten mit sich bringen würde. (2) Reichen die der zuständigen Behörde der ersuchten Vertragspartei vorliegenden Auskünfte nicht aus, um dem Auskunftsersuchen entsprechen zu können, so ergreift diese Vertragspartei nach eigenem Ermessen alle geeigneten Maßnahmen zur Beschaffung von Informationen, die erforderlich sind, um der ersuchenden Vertragspartei die erbetenen Auskünfte zu erteilen, auch wenn die ersuchte Vertragspartei diese Informationen zu dem betreffenden Zeitpunkt nicht für eigene steuerliche Zwecke benötigt. (3) Auf ausdrückliches Ersuchen der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei erteilt die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei in dem nach dem Recht der ersuchten Vertragspartei zulässigen Umfang Auskünfte nach diesem Artikel in Form von Zeugenaussagen und beglaubigten Kopien von Originaldokumenten. (4) Beide Vertragsparteien gewährleisten, dass ihre zuständigen Behörden in Übereinstimmung mit diesem Abkommen die Befugnis haben, folgende Auskünfte auf Ersuchen einzuholen oder zu erteilen: a) Auskünfte von Banken, anderen Finanzinstituten oder Personen, einschließlich Bevollmächtigten und Treuhändern, die als Vertreter oder Treuhänder handeln; b) Auskünfte über die Eigentumsverhältnisse an Gesellschaften, Gemeinschaften und anderen Personen, einschließlich aa) bei Investmentfonds oder Investmentsystemen für gemeinsame Anlagen Auskünfte über Gesellschaftsanteile, Fondsanteile und sonstige Anteile; bb) bei Trusts Auskünfte über Treugeber, Treuhänder, Protektoren und Treuhandbegünstigte; bei Stiftungen und Anstalten Auskünfte über Gründer, Mitglieder des Stiftungsrats und Begünstigte; dies gilt unter der Voraussetzung, dass durch dieses Abkommen keine Verpflichtung der Vertragsparteien geschaffen wird, Auskünfte über Eigentumsverhältnisse einzuholen oder zu erteilen, die börsennotierte Gesellschaften oder öffentliche Investmentfonds oder öffentliche Investmentsysteme für gemeinsame Anlagen betreffen, es sei denn, diese Auskünfte können ohne unverhältnismäßig große Schwierigkeiten eingeholt werden. (5) Jedes Auskunftsersuchen ist möglichst detailliert abzufassen und muss die folgenden schriftlichen Angaben enthalten: 257
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4
4
31
§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland a) die Identität der Person, der die Ermittlung oder Untersuchung gilt; b) den Zeitraum, für den die Auskünfte erbeten werden; c) die Art der erbetenen Auskünfte und die Form, in der die Auskünfte der ersuchenden Vertragspartei vorzugsweise zur Verfügung zu stellen sind; d) den steuerlichen Zweck, für den um die Auskünfte ersucht wird; e) die Gründe für die Annahme, dass die erbetenen Auskünfte für die Durchführung des Steuerrechts der ersuchenden Vertragspartei in Bezug auf die unter Buchstabe a bezeichnete Person voraussichtlich erheblich sind; f) die Gründe für die Annahme, dass die erbetenen Auskünfte der ersuchten Vertragspartei vorliegen oder sich im Besitz oder in der Verfügungsmacht einer Person im Hoheitsbereich der ersuchten Vertragspartei befinden; g) den Namen und die Anschrift von Personen, soweit bekannt, in deren Besitz sich die erbetenen Auskünfte vermutlich befinden; h) eine Erklärung, dass das Ersuchen dem Recht und der Verwaltungspraxis der ersuchenden Vertragspartei entspricht, dass die erbetenen Informationen, würden sie sich im Hoheitsbereich der ersuchenden Vertragspartei befinden, von der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei nach dem Recht der ersuchenden Vertragspartei oder im Rahmen der üblichen Verwaltungspraxis eingeholt werden könnten und dass das Ersuchen in Übereinstimmung mit diesem Abkommen gestellt wurde; und i) eine Erklärung, dass die ersuchende Vertragspartei alle im eigenen Gebiet zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Einholung der Auskünfte ausgeschöpft hat, ausgenommen Fälle, in denen dies unverhältnismäßig große Schwierigkeiten mit sich bringen würde. (6) Die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei bestätigt der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei den Eingang des Ersuchens; sie bemüht sich nach besten Kräften, die erbetenen Auskünfte dem ersuchenden Vertragsstaat innerhalb der kürzesten vertretbaren Frist zu übermitteln. Protokollbestimmungen
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1. In Bezug auf Artikel 5 Absatz 1 besteht Einvernehmen, dass der Steuerpflichtige außerhalb eines Steuerstrafverfahrens über die Absicht eines Auskunftsersuchens unterrichtet werden soll. Von der Unterrichtung kann abgesehen werden, wenn durch die Unterrichtung der Zweck der Ermittlung gefährdet würde. 2. In Bezug auf Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe a besteht Einvernehmen, dass zur Bestimmung der Identität des Steuerpflichtigen eine Namensnennung nicht erforderlich ist, sofern sich diese aus anderen Anhaltspunkten bestimmen lässt.
2.
Kurzkommentierung
a)
Vorbemerkung
Art. 5 ist die zentrale Norm des Steuerinformationsabkommens. Hierin werden die Voraussetzungen für die Erteilung von Auskünften festgelegt und die Vertragsparteien werden verpflichtet, dass sie ihre innerstaatlichen Gesetze derart anpassen, dass sie in der Lage sind, die Verpflichtungen aus dem Abkommen zu erfüllen. 258
B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
b)
Auskunftsaustausch auf Ersuchen
Art. 5 Abs. 1 beinhaltet die Grundregel, dass der Informationsaustausch nur aufgrund eines Ersuchens zu erteilen ist. Folglich erstreckt sich der Auskunftsaustausch nicht auf einen spontanen oder automatischen Informationsaustausch.
c)
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Beschaffung der ersuchten Informationen
Der Auskunftsaustausch ist gemäß Art. 5 Abs. 2 nicht auf Informationen beschränkt, die sich bereits im Besitz der ersuchten Vertragspartei befinden. Art. 5 Abs. 2 normiert vielmehr die Verpflichtung, dass die ersuchte Vertragspartei die angeforderten Informationen aufgrund des Ersuchens ermitteln muss. Folglich bedeutet dies, dass die ersuchte Vertragspartei nach Eingang des Ersuchens zuerst prüfen muss, ob sie bereits über die angeforderten Informationen verfügt, wenn dies nicht der Fall ist, dann muss sie alle geeigneten Maßnahmen zur Beschaffung der ersuchten Informationen ergreifen. Dies schließt beispielsweise auch die Ergreifung von Zwangsmaßnahmen mit ein. Daher ermächtigt Art. 14 Steueramtshilfegesetz die liechtensteinische Steuerverwaltung zur Anordnung von Zwangsmaßnahmen, wenn der Informationsinhaber die ersuchten Informationen nicht freiwillig innerhalb der gesetzten Frist zur Verfügung stellt. Der Begriff Zwangsmaßnahmen wird in Art. 15 Steueramtshilfegesetz definiert. Darunter werden Haus- und Personendurchsuchungen Zwangs- und Beugemittel gegen Zeugen sowie die Beschlagnahme verstanden. Für die Wirksamkeit einer solchen Verfügung ist allerdings die Genehmigung durch den Beschluss eines Einzelrichters des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich. Der Einzelrichter hat insbesondere zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Verhängung von Zwangsmaßnahmen gegeben sind und ob die angeordneten Zwangsmaßnahmen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen sind.
e)
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Umfang des Auskunftsaustauschs
Art. 5 Abs. 1 S. 2 stellt klar, dass sich der Informationsaustausch nicht nur auf Steuerstrafsachen, sondern auch auf Informationen, die lediglich für Zwecke der Steuerfestsetzung (ohne steuerstrafrechtliche Komponente) benötigt werden, erstreckt. Ferner ist es unerheblich, ob das untersuchte Verhalten auch nach dem Recht der ersuchten Partei eine Straftat darstellen würde. Das in der Rechtshilfe verankerte Prinzip der doppelten Strafbarkeit findet hier somit keine Anwendung.
d)
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Form der Auskunftserteilung
Nach Art. 5 Abs. 3 kann die ersuchte Vertragspartei festlegen, in welcher Form die ersuchten Informationen zu erteilen sind. Dies ermöglicht der ersuchenden Vertragspartei die für ihre Beweisregeln und rechtlichen Erfordernisse notwendigen Unterlagen anzufordern. Beispielsweise kann die ersuchende Vertragspartei im Hinblick auf Auskünften zu Bankkonten verlangen, dass sie nicht nur eine Zusammenfassung über die Kontostände erhält, sondern Kopien der Original-Kontoauszüge. Der Musterkommentar ermöglicht jedoch, dass sich die ersuchte Vertragspartei weigern kann die Auskünfte in einer bestimmten Form zu erteilen, wenn dies nach ihrem Recht nicht zulässig ist. Ferner sieht der Musterkommentar ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass die ersuchte Vertragspartei Informationen, die keinen Bezug zu dem Auskunftsersuchen haben, redigieren kann, wenn
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§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland die Erteilung dieser Informationen ihrem Recht widerspräche. In Liechtenstein sieht daher Art. 21 Steueramtshilfegesetz die Schwärzung irrelevanter Informationen vor, um die Rechte unbeteiligter Dritte zu wahren. > Beispiel: Wenn eine Stiftung, deren Beistatut nicht nur die vom ersuchenden Staat identifizierten Begünstigten, sondern auch noch weitere Begünstigte erwähnt, dürfen die Namen der anderen Begünstigten nicht offengelegt werden und sind entsprechend zu schwärzen (für den Leser unerkennbar zu machen).7
4
f) 40
Durch Art 5 Abs. 4 werden die Vertragsparteien verpflichtet, dass diese die notwendigen Kompetenzen haben, damit sie auch dann die entsprechenden Auskünfte erteilen können, wenn sich die Informationen im Besitz von Banken, anderen Finanzinstituten sowie von Treuhändern befinden. In Liechtenstein wurde der Steuerverwaltung diese Kompetenz in Art. 13 und 14 Steueramtshilfegesetz gegeben.
g) 41 42
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Gewährleistung der notwendigen innerstaatlichen Kompetenzen
Anforderungen an ein Auskunftsersuchen
In Art. 5 Abs. 5 sind die Anforderungen an ein Ersuchen festgelegt: aa) Art. 5 Abs. 5 lit. a Gemäß Art. Abs. 5 lit. a ist die Identität der Person, der die Ermittlung oder Untersuchung gilt, zu nennen. Durch das Erfordernis, dass die Identität der Person eindeutig festgelegt werden muss, soll sicher gestellt werden, dass es sich um ein konkret spezifiziertes Ersuchen handelt und unspezifizierte Sammelersuchen, die sogenannten John Doe Summons oder fishing exeditions ausgeschlossen werden. In Ziffer 2 des Protokolls wurde in Übereinstimmung mit dem OECD Musterkommentar vereinbart, dass zur Bestimmung der Identität des Steuerpflichtigen eine Namensnennung nicht erforderlich ist, sofern sich diese aus anderen Anhaltspunkten bestimmen lässt. Ein häufiges Beispiel hierfür in der Literatur ist das Vorliegen einer Kontonummer. Hierzu ist jedoch einerseits zu beachten, dass der Steuerpflichtige nur dann durch das Vorliegen einer Kontonummer eindeutig identifiziert wurde, wenn es sich hierbei nicht um ein Gemeinschaftskonto handelt und zum anderen die praktische Bedeutung dieses Beispiels voraussichtlich eher von untergeordneter Rolle ist. Schließlich handelt es sich hierbei nur um ein Tatbestandsmerkmal der kumulativ zur erfüllenden Anforderungen an ein Auskunftsersuchen. In der Praxis muss der ersuchende Staat mehr Informationen als die Kontonummer haben, damit er die anderen Angaben machen kann. bb) Art. 5 Abs. 5 lit. b Gemäß Art. 5 Abs. 5 lit. b muss das Auskunftsersuchen den Zeitraum, für den die Auskünfte erbeten werden, enthalten. Hierbei ist zu beachten, dass nur um Auskünfte ab dem Steuerjahr 2010 ersucht werden kann.
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Der BuA zum Steueramtshilfegesetz Nr. 29/2010 spricht an dieser Stelle von „in Drittstaaten ansässigen Begünstigten“: Unseres Erachtens ist die zwingende Unkenntlichmachung der Namen von anderen Begünstigten, die im Auskunftsersuchen nicht genannt sind, auch dann zwingend durchzuführen, wenn diese im ersuchenden Staat ansässig sind. Ansonsten würden die Voraussetzung eines spezifizierten Ersuchens für einen zulässigen Auskunftsaustausch verletzt werden und die Gewährung von Sammelauskünften wäre möglich.
B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland cc) Art. 5 Abs. 5 lit. c Art. 5 Abs. 5 lit. c verpflichtet den ersuchenden Staat zur Angabe über die Art der erbetenen Auskünfte und die Form, in der die Auskünfte der ersuchenden Vertragspartei vorzugsweise zur Verfügung zu stellen sind. Der ersuchende Staat hat folglich zu spezifieren, um welche konkreten Daten er ersucht. Handelt es sich beispielsweise um Erträgnisaufstellungen, Rechnungen oder Vermögensstände. Im Fall von Stiftungen könnten dies beispielsweise Statuten, Beistatuten, Reglemente oder letter of wishes sein. Anhand dieser Angaben wird wiederum sichergestellt, dass dem Auskunftsersuchen ein konkreter Sachverhalt zu Grunde liegt und nicht etwa alle verfügbaren Informationen ausgeforscht werden sollen. dd) Art. 5 Abs. 5 lit. d Nach Art. 5 Abs. 5 lit. d muss der steuerliche Zweck, für den um die Auskünfte ersucht wird, angegeben werden. Hierdurch wird zum einen sichergestellt, dass das Ersuchen in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens fällt und dass dem Ersuchen ein konkreter Lebenssachverhalt zu Grunde liegt. ee) Art. 5 Abs. 5 lit. e Gemäß Art. 5 Abs. 5 lit. e müssen ferner die Gründe für die Annahme, dass die erbetenen Auskünfte für die Durchführung des Steuerrechts der ersuchenden Vertragspartei in Bezug auf die unter Buchstabe a bezeichnete Person voraussichtlich erheblich sind, genannt werden. Anhand dieser Angabe wird aufgezeigt, inwiefern die ersuchten Informationen für die Untersuchung voraussichtlich erheblich sind. Zu beachten ist, dass hier nur auf die mögliche Erheblichkeit abgestellt wird. Es handelt sich also um eine ex ante Betrachtung.8 ff) Art. 5 Abs. 5 lit. f Art. 5 Abs. 5 lit. f normiert die Verpflichtung der ersuchenden Vertragspartei die Verbindung zur ersuchten Vertragspartei aufzuzeigen. Die ersuchende Vertragspartei hat insbesondere die Gründe für die Annahme, dass die erbetenen Auskünfte der ersuchten Vertragspartei vorliegen oder sich im Besitz oder in der Verfügungsmacht einer Person im Hoheitsbereich der ersuchten Vertragspartei befinden, darzulegen. Dadurch soll zum einen in Übereinstimmung mit Art. 2 TIEA FL/DE sichergestellt werden, dass die ersuchte Vertragspartei nur dann zur Erteilung von Auskünfte verpflichtet ist, wenn die angefragten Informationen im Besitz ihrer Behörden oder in der Verfügungsmacht von Personen in ihrem Hoheitsgebiet sind und zum anderen wird verhindert, dass ein Auskunftsersuchen an verschiedene Finanzplätze gesendet wird, ohne dass es eine konkrete Verbindung zu dem jeweiligen Staat besteht. Der „technical note“ der OECD betreffend die Anwendung von Art. 26 Abs. 1 OECD-MA ist Folgendes zu entnehmen: So soll es selbst im Rahmen einer Prüfung des Abgabepflichtigen einer Steuerverwaltung verwehrt sein, um Informationen über einen bestimmten Abgabepflichtigen zu ersuchen, wenn keine Gebarung oder das Anzeichen einer möglichen Gebarung festgestellt wurde, die eine Verbindung mit dem anderen Staat zur Folge hat. Hingegen wäre das Auffinden von Kreditkarten einer Bank bereits ein ausreichendes Indiz. Der Musterkommentar zeigt anhand des folgenden Beispiels auf, wann eine ausreichende Verbindung zur ersuchten Vertragspartei vorliegt: Ein Steuerpflichtiger des Landes A hebt alle Guthaben von seinem Bankkonto ab und erhält einen großen Bargeldbetrag. Er sucht eine Bank in den Ländern B und C auf und kehrt dann nach Land A ohne das Bargeld zurück. Im Zusammenhang mit einer nachfolgenden Überprüfung des Steuerpflichtigen ersucht die zuständige Behörde des Landes A die Länder B und C um Auskunft über Bankkonten, die der Steuerpflichtige bei einer der aufge8
Musterkommentar zum OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen, Art. 1 Nr. 4.
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§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland suchten Banken oder bei beiden eröffnet haben kann. Unter diesen Umständen hat die zuständige Behörde des Landes A Anlass für die Annahme, dass die Information in Land B vorliegt oder sich im Besitz oder in der Verfügungsmacht von Personen in dessen Hoheitsbereich befindet. Sie hat auch Anlass für die entsprechende Annahme hinsichtlich Land C. Land B (oder C) kann das Ersuchen nicht mit der Begründung ablehnen, Land A hätte es versäumt darzulegen, dass die Information in Land B (oder C) vorliegt. Denn es ist gleich wahrscheinlich, dass die Information in dem anderen Land vorliegt. Folglich ist es hier nicht bereits zwingend erforderlich, dass die ersuchende Vertragspartei den Namen und die Anschrift der Personen kennen muss, in deren Besitz sich die erbetenen Auskünfte vermutlich befinden. Also beispielsweise konkret die Bank benennen kann, die das Konto des Steuerpflichtigen führt. gg) Art. 5 Abs. 5 lit. g Art. 5 Abs. 5 lit. g normiert, dass soweit bekannt die ersuchende Vertragspartei den Namen und die Anschrift von Personen, in deren Besitz sich die erbetenen Auskünfte vermutlich befinden, nennen soll. Aufgrund der Formulierung „soweit bekannt“ sind die Anforderungen an das Auskunftsersuchen insoweit auch dann erfüllt, wenn der ersuchenden Vertragspartei die Personen nicht bekannt sind. Es handelt sich hiermit vielmehr um eine Verwaltungserleichterung für den ersuchten Staat, da dieser aufgrund getätiger Angaben der ersuchenden Vertragspartei nicht mehr gezwungen ist alle Banken in seinem Land zu kontaktieren, um die entsprechenden Information zu ermitteln. hh) Art. 5 Abs. 5 lit. h Art. 5 Abs. 5 lit. h verpflichtet die ersuchende Vertragspartei zur Abgabe von mehreren Erklärungen. So muss die ersuchende Vertragspartei eine Erklärung abgeben, dass das Ersuchen dem Recht und der Verwaltungspraxis der ersuchenden Vertragspartei entspricht. In Bezug auf Deutschland bedeutet dies beispielsweise, dass das Ersuchen in Übereinstimmung mit § 117 AO gestellt wurde sowie insbesondere unter Berücksichtigung des zugehörigen Merkblatts zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen, dass die Verwaltungspraxis in Deutschland wiederspiegelt. Hierin wird beispielsweise normiert, dass Amtshilfe erst in Anspruch genommen werden soll, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch den inländischen Beteiligten (§ 90 Abs. 2 AO) nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 S. 3 AO). Die inländischen Ermittlungsmöglichkeiten sollen ferner zunächst ausgeschöpft werden. Dabei entscheiden die Finanzbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen, inwieweit dies zweckmäßig und Erfolg versprechend ist. Es ist hingegen nicht erforderlich, dass alle denkbaren innerstaatlichen Ermittlungsmöglichkeiten (beispielsweise Versicherung an Eides statt, § 95 AO) ausgeschöpft worden sind. Außerdem soll der Steuerpflichtige im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens auf die Möglichkeit eines Auskunftsersuchens hingewiesen werden (§§ 85, 88 AO). Ein allgemeiner Grundsatz, nach dem die Finanzbehörden den Steuerpflichtigen über ihre Ermittlungen zuvor zu unterrichten haben, besteht in Deutschland jedoch nicht. Außerdem muss die ersuchende Vertragspartei eine Erklärung abgeben, dass die erbetenen Informationen, würden sie sich im Hoheitsbereich der ersuchenden Vertragspartei befinden, von der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei nach dem Recht der ersuchenden Vertragspartei oder im Rahmen der üblichen Verwaltungspraxis eingeholt werden könnten und dass das Ersuchen in Übereinstimmung mit diesem Abkommen gestellt wurde (Grundsatz der Reziprozität). ii) Art. 5 Abs. 5 lit. i Art. 5 Abs. 5 lit. i fordert die ersuchende Vertragspartei auf, dass sie eine Erklärung abgibt, dass sie alle im eigenen Gebiet zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Einholung der Auskünfte ausgeschöpft hat, ausgenommen Fälle, in denen dies unverhältnismäßig große Schwierigkeiten mit sich 262
B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
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bringen würde. Aufgrund dieser Erklärung soll die Subsidarität des grenzüberschreitenden Auskunftsverkehrs sichergestellt werden. In Deutschland muss daher beispielsweise grundsätzlich zuerst der Steuerpflichtige gemäß Art. 90 AO befragt wurden sein. Erst wenn dies zu keinem Erfolg führte oder voraussichtlich führen wird, darf ein Auskunftsersuchen mit Hilfe des TIEA FL/DE beantragt werden.
h)
Verfahrensvorschriften
Art. 5 Abs. 6 bestimmt, dass die ersuchte Vertragspartei der ersuchenden Vertragspartei den Eingang des Ersuchens bestätigen muss. Ferner verpflichten sich die Vertragsparteien das Ersuchen möglichst zügig zu bearbeiten. Im Gegensatz zu anderen Steuerinformationsabkommen und dem Musterkommentar wurde hier diese weiche Formulierung gewählt und keine feste Zeitspanne vereinbart, in der ein Ersuchen bearbeitet werden muss. Hier wurde somit Rücksicht auf die begrenzten personellen Ressourcen Liechtensteins genommen.
VI.
Steuerprüfungen im Ausland
1.
Artikel 6 TIEA FL/DE
(1) Die ersuchende Vertragspartei kann bei angemessener Vorankündigung darum ersuchen, dass die ersuchte Vertragspartei, soweit dies nach dem Recht dieses Staates zulässig ist, Vertretern der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei die Einreise in das Gebiet der ersuchten Vertragspartei zur Befragung natürlicher Personen und Prüfung von Unterlagen gestattet, soweit die betreffenden natürlichen oder anderen Personen dem im Voraus schriftlich zugestimmt haben. Die zuständige Behörde der ersuchenden Vertragspartei unterrichtet die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei über Zeitpunkt und Ort des geplanten Treffens mit den betreffenden natürlichen Personen. (2) Auf Ersuchen der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei kann die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei gestatten, dass Vertreter der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei während des relevanten Teils einer Steuerprüfung im Gebiet der ersuchten Vertragspartei anwesend sind. (3) Ist dem in Absatz 2 bezeichneten Ersuchen stattgegeben worden, so unterrichtet die zuständige Behörde der die Prüfung durchführenden ersuchten Vertragspartei so bald wie möglich die zuständige Behörde der ersuchenden Vertragspartei über Zeitpunkt und Ort der Prüfung, über die mit der Durchführung der Prüfung beauftragte Behörde oder den damit beauftragten Bediensteten sowie über die von der ersuchten Vertragspartei für die Durchführung der Prüfung vorgeschriebenen Verfahren und Bedingungen. Alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Steuerprüfung trifft die die Prüfung durchführende ersuchte Vertragspartei.
263
55
56
57
58
4
4
59
4
§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
2.
Kurzkommentierung
a)
Vorbemerkung
Art. 6 sieht die Möglichkeiten und die Grundsätze für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Steuerbehörden vor. Dies schließt auch die Entsendung von Beamten zu Steuerprüfungen und Befragungen mit ein. In Art. 1 TIEA FL/DE wurde normiert, dass sich die Amtshilfe auf den Austausch von Informationen beschränkt, folglich handelt sich hierbei auch ausdrücklich nicht um eine Verpflichtung, sondern um das Wahlrecht eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu zulassen.
b) 60
61
Gemäß Art. 6 Abs. 1 kann die ersuchte Vertragspartei beim Vorliegen einer schriftlichen Zustimmung der betroffenen Personen der ersuchenden Vertragspartei gestatten, dass diese in ihr Gebiet einreist und dort natürliche Personen befragen sowie Unterlagen prüfen kann. Die Beamten der ersuchenden Vertragspartei haben hier keine eigenen Ermittlungsbefugnisse, dass heißt sie dürfen in diesem Zusammenhang keine Zwangsmaßnahmen androhen oder durchsetzen. Die Einbindung von ausländischen Beamten bietet für den Steuerpflichtigen den Vorteil, dass kritische Punkte direkt geklärt werden können. Auf diese Weise kann ein Zeit- und Kostenaufwendiges grenzüberschreitendes Ermittlungsverfahren vereinfacht werden.
c) 62
64
Teilnahme an nationalen Steuerprüfungen
Art. 6 Abs. 2 sieht ferner die Möglichkeit der Teilnahme von Beamten der ersuchenden Vertragspartei bei nationalen Steuerprüfungen vor. Auch liegt die Entscheidung, ob Beamte der ersuchenden Vertragspartei zu gelassen werden ausschließlich bei der ersuchten Vertragspartei. Es handelt sich hier wiederum um ein Wahlrecht, dass im Regelfall nur ausgeübt wird, wenn die Teilnahme im Interesse der ersuchten Vertragspartei ist. Beispielsweise weil die Beamten der ersuchenden Vertragspartei zur Lösung eines inländisches Steuerfalles beitragen können. Der Herr des Verfahrens bleibt stets die ersuchte Vertragspartei.
d) 63
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Kompetenzen bei der Teilnahme an nationalen Steuerprüfungen
Wenn eine Teilnahme an einer Steuerprüfung nach Art. 6 Abs. 2 vorgesehen ist, dann normiert Art. 6 Abs. 3, dass die ersuchte Vertragspartei die ersuchende Vertragspartei über die Rahmenbedingungen der Prüfung unterrichtet. Ferner wird klargestellt, dass die gesamte Koordinierung der Prüfung der ersuchten Vertragspartei obliegt.
VII.
Möglichkeit der Ablehnung eines Ersuchens
1.
Artikel 7 TIEA FL/DE
(1) Die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei kann ein Ersuchen der ersuchenden Vertragspartei ablehnen, wenn 264
B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland a) das Ersuchen nicht in Übereinstimmung mit diesem Abkommen gestellt wurde; b) die ersuchende Vertragspartei nicht alle im eigenen Gebiet zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Einholung der Auskünfte ausgeschöpft hat; ausgenommen sind Fälle, in denen der Rückgriff auf derartige Maßnahmen unverhältnismäßig große Schwierigkeiten mit sich bringen würde; c) die Erteilung der erbetenen Auskünfte der öffentlichen Ordnung (ordre public) der ersuchten Vertragspartei widerspräche. (2) Dieses Abkommen verpflichtet die ersuchte Vertragspartei nicht a) zur Übermittlung von Informationen, die einem Aussageverweigerungsrecht unterliegen, oder zur Preisgabe eines Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnisses oder eines Geschäftsverfahrens, mit der Maßgabe, dass die in Artikel 5 Absatz 4 bezeichneten Auskünfte nicht allein schon deshalb als ein solches Geheimnis oder Geschäftsverfahren gelten, oder b) zur Durchführung von Verwaltungsmaßnahmen, die von den Gesetzen und der Verwaltungspraxis der ersuchten Vertragspartei abweichen, soweit die Verpflichtungen einer Vertragspartei nach Artikel 5 Absatz 4 durch diesen Buchstaben nicht berührt werden. (3) Auskunftsersuchen dürfen nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die dem Ersuchen zugrunde liegende Steuerforderung sei strittig. (4) Die ersuchte Vertragspartei ist nicht zur Einholung und Erteilung von Auskünften verpflichtet, welche die zuständige Behörde der ersuchenden Vertragspartei nach dem Recht dieser Partei oder im Rahmen der üblichen Verwaltungspraxis nicht einholen könnte, wenn sich die erbetenen Auskünfte im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei befänden. (5) Die ersuchte Vertragspartei kann ein Auskunftsersuchen ablehnen, wenn die Auskünfte von der ersuchenden Vertragspartei zur Durchführung von Bestimmungen des Steuerrechts der ersuchenden Vertragspartei oder damit zusammenhängender Anforderungen erbeten werden, die einen Staatsangehörigen der ersuchten Vertragspartei gegenüber einem Staatsangehörigen der ersuchenden Vertragspartei unter den gleichen Umständen benachteiligen.
2.
Kurzkommentierung
a)
Vorbemerkung
Art. 7 bildet zusammen mit Art. 5 die zentralen Artikel für die Anforderungen an ein Auskunftsersuchen. In Art. 7 wird definiert, unter welchen Umständen eine ersuchte Vertragspartei ein Auskunftsersuchen ablehnen kann und wann eine Ablehnung unzulässig ist.
b)
4
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66 67
68
69
Abkommenkonformes Ersuchen
Nach Art. 7 Abs. 1 lit. a kann die ersuchte Vertragspartei ein Ersuchen ablehnen, wenn es nicht in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieses Steuerinformationsabkommens gestellt wurde. Ein Beispiel hierfür ist insbesondere, wenn das Auskunftsersuchen nicht die in Art. 5 Abs. 5 normierten Anforderungen erfüllt. Der ersuchte Staat hat hier folglich ein Wahlrecht, ob es ein Ersuchen, dass nicht allen Anforderungen entspricht, ablehnt oder erfüllt.
265
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4
4
§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
c) 71
4
Art. 7 Abs. 1 lit. b ermöglicht die Ablehnung eines Ersuchens, wenn die ersuchende Vertragspartei nicht alle im eigenen Gebiet zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Einholung der Auskünfte ausgeschöpft hat. Eine Ausnahme hiervon besteht nur in den Fällen, in denen der Rückgriff auf derartige Maßnahmen unverhältnismäßig große Schwierigkeiten mit sich bringen würde. Auf diese Weise wird die Nachrangigkeit des Steuerinformationsabkommens zur Durchsetzung des nationalen Steuerrechts deutlich, denn nur in den Fällen, wo eine Vertragspartei nicht in der Lage ist, die entsprechenden Ermittlungen mit Hilfe der eigenen innerstaatlichen Maßnahmen zu ergreifen, ist das Steuerinformationsabkommen heranzuziehen. Eine innerstaatliche Maßnahme stellt beispielsweise in Deutschland die Befragung des Steuerpflichtigen gemäß Art. 90 AO dar. Erst wenn dies zu keinem Erfolg führte oder voraussichtlich führen wird, darf ein Auskunftsersuchen mit Hilfe des TIEA FL/ DE beantragt werden.
d) 72
73
Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnisse
Art. 7 Abs. 2 lit. a normiert grundsätzlich den Schutz von Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnissen vor der Informationsweitergabe. Gleichzeitig wird jedoch festgehalten, dass insbesondere die in Art. 5 Abs. 4 bezeichneten BankǦ und Treuhändergeheimnisse nicht allein schon deshalb als solche schützenswerten Geheimnisse gelten. Dies hat zur Folge, dass das Steuerinformationsabkommen insoweit dem innerstaatlichen Recht vorgeht. Beispielsweise sind Mitteilungen zwischen einem Mandanten und einem Rechtsanwalt nur dann durch das Anwaltsgeheimnis geschützt, wenn und soweit der Rechtsanwalt in dieser Eigenschaft handelt. Wenn der Anwalt hingegen zusätzlich als Treuhänder tätig ist, dann unterliegen die Informationen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Treuhänder nicht dem Schutz des Anwaltsgeheimnisses.
f) 75
Öffentliche Ordnung
Art. 7 Abs. 1 lit. c ermöglicht die Ablehnung eines Ersuchens, wenn die Erteilung der erbetenen Auskünfte der öffentlichen Ordnung (ordre public) der ersuchten Vertragspartei widersprechen würde. Der OECD Musterkommentar sieht nur einen sehr begrenzten und eher theoretischen Anwendungsfall dieses Ablehnungsgrundes. Demnach sei eine Berufung auf eine Verletzung der öffentlichen Ordnung nur in Extremfällen möglich. Ein solcher Fall könnte sich beispielsweise ergeben, wenn eine steuerliche Ermittlung durch die ersuchende Vertragspartei durch politische oder rassische Verfolgung motiviert wäre. In Liechtenstein wird eine Verletzung der öffentlichen Ordnung jedoch nicht nur in diesen skizzierten Fällen angenommen, sondern insbesondere auch bei Ersuchen, die in einem Verfahren gestellt werden, das im ersuchenden Staat aufgrund von Informationen eingeleitet wurde, die durch eine in Liechtenstein begangene strafbare Handlung erlangt wurden. Beispielsweise ist in diesem Zusammenhang vor allem der Diebstahl von Bankdaten und deren Ankauf zu nennen.
e) 74
Innerstaatlicher Ermittlungsrahmen
Durchführung von Verwaltungsmaßnahmen und Verwaltungspraxis
Art. 7 Abs. 2 lit. b stellt korrespondierend zu Art. 7 Abs. 2 lit. a klar, dass die ersuchte Vertragspartei nicht zur Durchführung von Verwaltungsmaßnahmen, die von den Gesetzen und der Verwaltungspraxis der ersuchten Vertragspartei abweichen, verpflichtet ist. Wobei wiederum eine Rückausnahme für beispielsweise BankǦ und Treuhändergeheimnisse normiert ist. 266
B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
g)
4
Strittige Steuerforderungen
Art. 7 Abs. 3 normiert, dass ein Auskunftsersuchen nicht mit der Begründung abgelehnt werden darf, dass die Steuerforderung, auf die es sich bezieht, strittig ist.
76
! Praxishinweis: Wenn eine Steuerforderung in Deutschland strittig ist, dann müssen entsprechende Einwendungen des Steuerpflichtige regelmäßig in einem Rechtsbehelfsverfahren in Deutschland vorgebracht.
4
h)
Grenze: Nationaler Ermittlungsrahmen der ersuchenden Vertragspartei
Gemäß Art. 7 Abs. 4 kann die ersuchte Vertragspartei ein Ersuchen ablehnen, wenn die ersuchende Vertragspartei nach dem eigenen innerstaatlichen Recht oder im Rahmen der üblichen Verwaltungspraxis die ersuchten Informationen nicht einholen könnte, wenn sich die erbetenen Auskünfte in ihrem Hoheitsgebiet befänden. Ziel dieses Ablehnungsgrundes ist es zu verhindern, dass die ersuchende Vertragspartei die Beschränkungen ihres innerstaatlichen Rechts umgeht, indem sie von der anderen Vertragspartei Auskünfte verlangt und auf diese Weise weitergehendere Befugnisse nutzt als die, die sie nach ihrem eigenen Recht besitzt.
i)
77
Diskriminierungsverbot
Art. 7 Abs. 5 ermöglicht die Ablehnung eines Ersuchens, wenn diese Information eine diskriminierende Wirkung hat. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass ein Auskunftsaustausch nicht zu Diskriminierungen zwischen Staatsangehörigen der ersuchten Vertragspartei und Staatsangehörigen der ersuchenden Vertragspartei in gleicher Lage führt.
78
VIII. Vertraulichkeit 1.
Artikel 8 TIEA FL/DE
(1) Die von den zuständigen Behörden der Vertragsparteien erteilten und empfangenen Auskünfte sind vertraulich zu behandeln. (2) Diese Auskünfte dürfen nur den Personen oder Behörden (einschließlich der Gerichte und Verwaltungsbehörden) zugänglich gemacht werden, die mit den in Artikel 1 bezeichneten Aufgaben befasst sind, und von diesen Personen oder Behörden nur für die in Artikel 1 bezeichneten Zwecke verwendet werden. Für diese Zwecke dürfen die Auskünfte in einem öffentlichen Gerichtsverfahren oder für eine Gerichtsentscheidung verwendet werden. (3) Diese Auskünfte dürfen ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der zuständigen Behörde der ersuchten Vertragspartei nicht für andere als die in Artikel 1 bezeichneten Zwecke verwendet werden. (4) Die nach diesem Abkommen der ersuchenden Vertragspartei erteilten Auskünfte dürfen keinem anderen Hoheitsbereich bekannt gegeben werden. 267
79 80
81
82
4 83
§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland (5) Personenbezogene Daten dürfen übermittelt werden, soweit dies zur Durchführung dieses Abkommens erforderlich ist und vorbehaltlich des Rechts der übermittelnden Vertragspartei. Protokollbestimmung
84
4
3. In Bezug auf Artikel 8 Absatz 5 gewährleisten die Vertragsparteien den Schutz personenbezogener Daten in einem Umfang, welcher der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr entspricht. Darüber hinaus gilt Folgendes: a) Die Verwendung der Daten durch die empfangende Stelle ist in Übereinstimmung mit Artikel 8 Absatz 3 nur zu dem von der übermittelnden Stelle angegebenen Zweck und nur zu den durch die übermittelnde Stelle vorgeschriebenen Bedingungen zulässig. b) Ungeachtet der Bestimmungen des Artikels 8 Absatz 3 können die Auskünfte für andere Zwecke verwendet werden, wenn sie nach dem Recht beider Vertragsparteien für diese anderen Zwecke verwendet werden können und die zuständige Behörde der übermittelnden Vertragspartei dieser Verwendung zugestimmt hat. Ohne vorherige Zustimmung der zuständigen Behörde der übermittelnden Vertragspartei ist eine Verwendung für andere Zwecke nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden dringenden Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit einer Person oder zum Schutz bedeutender Vermögenswerte erforderlich ist und Gefahr im Verzug besteht. In diesem Fall ist die zuständige Behörde der übermittelnden Vertragspartei unverzüglich um nachträgliche Genehmigung der Zweckänderung zu ersuchen. Wird die Genehmigung verweigert, ist die weitere Verwendung der Auskünfte für den anderen Zweck unzulässig; ein durch die zweckändernde Verwendung der Auskünfte entstandener Schaden ist zu ersetzen. c) Die übermittelnde Stelle ist verpflichtet, auf die Richtigkeit der zu übermittelnden Daten und ihre voraussichtliche Erheblichkeit im Sinne des Artikels 1 sowie ihre Verhältnismäßigkeit in Bezug auf den mit der Übermittlung verfolgten Zweck zu achten. Voraussichtlich erheblich sind die Daten, wenn im konkreten Fall die ernstliche Möglichkeit besteht, dass die andere Vertragspartei ein Besteuerungsrecht hat, und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Daten der zuständigen Behörde der anderen Vertragspartei bereits bekannt sind oder dass die zuständige Behörde der anderen Vertragspartei ohne die Auskunft von dem Gegenstand des Besteuerungsrechts Kenntnis erlangt. Erweist sich, dass unrichtige Daten oder Daten, die nicht übermittelt werden durften, übermittelt worden sind, so ist dies der empfangenden Stelle unverzüglich mitzuteilen. Diese ist verpflichtet, die Berichtigung oder Löschung solcher Daten unverzüglich vorzunehmen. Sind Daten ohne Ersuchen übermittelt worden, hat die empfangende Stelle unverzüglich zu prüfen, ob die Daten für den Zweck erforderlich sind, für den sie übermittelt worden sind; nicht benötigte Daten hat sie unverzüglich zu löschen. d) Die empfangende Stelle unterrichtet die übermittelnde Stelle auf Ersuchen im Einzelfall zum Zweck der Auskunftserteilung an den Betroffenen über die Verwendung der Daten und die dadurch erzielten Ergebnisse. e) Die empfangende Stelle hat den Betroffenen über die Datenerhebung bei der übermittelnden Stelle zu unterrichten; es sei denn, dass die Daten ohne Ersuchen übermittelt wurden. Die Unterrichtung kann unterbleiben, soweit und solange eine Abwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an dem Unterbleiben der Unterrichtung gegenüber dem Interesse des Betroffenen an einer Unterrichtung überwiegt. f) Dem Betroffenen ist über die zu seiner Person übermittelten Daten sowie über den vorgesehenen Verwendungszweck Auskunft zu erteilen. Buchstabe e Satz 2 gilt entsprechend. 268
B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
4
g) Wird jemand im Zusammenhang mit Übermittlungen im Rahmen des Datenaustauschs nach diesem Abkommen rechtswidrig geschädigt, haftet ihm hierfür die empfangende Stelle nach Maßgabe des für sie geltenden innerstaatlichen Rechts. Sie kann sich im Verhältnis zum Geschädigten zu ihrer Entlastung nicht darauf berufen, dass der Schaden durch die übermittelnde Vertragspartei verursacht worden ist. h) Die übermittelnde und die empfangende Stelle sind verpflichtet, die Übermittlung und den Empfang von personenbezogenen Daten aktenkundig zu machen. i) Soweit das für die übermittelnde Stelle geltende innerstaatliche Recht in Bezug auf die übermittelten personenbezogenen Daten besondere Löschungsvorschriften vorsieht, weist diese Stelle die empfangende Stelle darauf hin. In jedem Fall sind die j) übermittelten personenbezogenen Daten zu löschen, sobald sie für den Zweck, für den sie übermittelt worden sind, nicht mehr erforderlich sind. k) Die übermittelnde und die empfangende Stelle sind verpflichtet, die übermittelten personenbezogenen Daten wirksam gegen unbefugten Zugang, unbefugte Veränderung und unbefugte Bekanntgabe zu schützen.
2.
Kurzkommentierung
a)
Generalnorm
Art. 8 Abs. 1 stellt die Generalnorm für die Geheimhaltungsverpflichtungen der Vertragsparteien dar. So sind die von den zuständigen Behörden der Vertragsparteien erteilten und empfangenen Auskünfte vertraulich zu behandeln. Wichtig ist, dass somit nicht nur die empfangenen Auskünfte geschützt sind, sondern auch die erteilten Auskünfte. Es werden also beide Vertragsparteien zum vertraulichen Umgang mit den ersuchten Informationen verpflichtet.
b)
4
85
Anwendungsbereich
Art. 8 Abs. 2 definiert den Personenkreis, dem die ersuchten Informationen zugänglich gemacht werden dürfen. Gemäß Art. 8 Abs. 2 dürfen Informationen nur Personen und Behörden zugänglich gemacht werden, die mit der Veranlagung, Erhebung, Vollstreckung, Strafverfolgung oder Entscheidung von Rechtsmitteln in Bezug auf die unter das Abkommen fallenden Steuern befasst sind. In Übereinstimmung mit dem OECD Musterkommentar dürfen die Informationen auch dem Steuerpflichtigen und seinem Vertreter übermittelt werden. Die Bezugnahme in dem Artikel auf „öffentliche Gerichtsverfahren“ oder „Gerichtsentscheidungen“ erstreckt sich auch auf Verfahren und Entscheidungen, die zwar nicht förmlich gerichtlicher, aber doch ähnlicher Natur sind. Als Beispiel hierfür nennt der OECD Musterkommentar einen Verwaltungsspruchkörper, der Entscheidungen in Steuersachen trifft, die verbindlich sind oder vor einem Gericht oder einer weiteren Instanz angefochten werden können.
269
86
4
§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
c) 87
4
Nach Art. 8 Abs. 3 darf von dem normierten Spezialititätsvorbehalt nur abgewichen werden, wenn für die Weitergabe eine schriftliche Zustimmung vorliegt. Der Begriff der Zustimmung ist von der nachträglichen Genehmigung abzugrenzen und bedeutet, dass die Weitergabe durch eine nachträgliche Genehmigung nicht geheilt werden kann, sondern das für eine zulässige Weitergabe die schriftliche Einwilligung im Voraus vorliegen muss.
d) 88
90
Europäische Datenschutzrichtlinie
Art. 8 Abs. 5 in Verbindung mit Ziffer 3 des Protokolls normiert auf Wunsch Deutschlands, dass die Übermittlung personenbezogener Daten in Übereinstimmung mit den europäischen datenschutzrechtlichen Vorschriften erfolgt. Geltungsbereich der Datenschutzrichtlinie ist gemäß Art. 1 Richtlinie 95/46/EG, dass die EU-Mitgliedstaaten den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten gewährleisten sollen. Durch die Aufnahme der entsprechenden Bestimmungen ins Protokoll sind diese Vorschriften ohne direkte Übernahme der Datenschutzrichtlinie direkt anwendbar.
IX.
Kosten
1.
Artikel 9 TIEA FL/DE
Kosten, die der ersuchten Vertragspartei entstehen, werden von dieser Vertragspartei getragen. Außergewöhnliche Kosten werden von der ersuchenden Vertragspartei getragen. Die zuständigen Behörden konsultieren einander von Zeit zu Zeit im Hinblick auf diesen Artikel; insbesondere konsultiert die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei die zuständige Behörde der ersuchenden Vertragspartei in der Frage, ob bei der Auskunftserteilung auf ein bestimmtes Ersuchen mit beträchtlichen Kosten zu rechnen ist.
2. 91
Räumlicher Anwendungsbereich
Art. 8 Abs. 4 normiert den räumlichen Anwendungsbereich der Vertrauchlichkeitsbestimmung. Demnach dürfen die Daten an keinen anderen Hoheitsbereich weitergegeben werden. Auf diese Weise wird verhindert, dass übermittelte Informationen an andere Staaten weitergegeben werden, wodurch eine Art Treaty Shopping verhindert wird.
e) 89
Ausnahme
Kurzkommentierung
Art. 9 nimmt eine Aufteilung der durch den Auskunftsverkehr entstanden Kosten vor. Gewöhnliche Kosten sind von der ersuchten Vertragspartei zu tragen und außergewöhnliche Kosten von der ersuchenden Vertragspartei. Weder im Abkommen selbst, noch im dazugehörigen Protokoll wurde jedoch eine Definition von gewöhnlichen und außergewöhnlichen Kosten vorgenommen. Um das Begriffsverständnis der Vertragsparteien zu ergründen, wird im Folgenden auf andere Steuerinformationsabkommen, die von Liechtenstein und Deutschland abgeschlossen wurden, Bezug genommen. 270
B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland Beispielsweise in den Protokollen der deutschen Steuerinformationsabkommen mit Isle of Man, Anguilla, Cayman Islands und Gibraltar wurde festgelegt, dass der Ausdruck „außergewöhnliche Kosten“ wie folgt auszulegen ist: a) Zu den außergewöhnlichen Kosten zählen unter anderem folgende Kosten: Q angemessene Kosten für die Reproduktion und die Übermittlung von Unterlagen oder Aufzeichnungen an die zuständige Behörde der ersuchenden Vertragspartei; Q angemessene Kosten für stenografische Niederschriften und Befragungen, eidliche mündliche Zeugenaussagen oder Zeugenaussagen vor Gericht; Q angemessene, in Übereinstimmung mit den nach anzuwendendem Recht zulässigen Sätzen festgesetzte Kosten und Aufwendungen von Personen, die freiwillig in der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise auf der Insel Man zur Befragung, eidlichen mündlichen Zeugenaussage oder Zeugenaussage vor Gericht im Zusammenhang mit einem bestimmten Auskunftsersuchen erscheinen; Q angemessene Kosten für nicht staatlich bestellten Rechtsbeistand, der mit Zu-stimmung der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei zur Prozessführung vor den Gerichten der ersuchten Vertragspartei im Zusammenhang mit einem bestimmten Auskunftsersuchen bestellt oder verpflichtet wird. b) Zu den außergewöhnlichen Kosten zählen nicht die regulären Verwaltungs- und Gemeinkosten, die der ersuchten Vertragspartei bei der Prüfung und Beantwortung von Auskunftsersuchen der ersuchenden Vertragspartei entstehen.
X.
Verständigungsverfahren
1.
Artikel 10 TIEA FL/DE
(1) Bei Schwierigkeiten oder Zweifeln zwischen den Vertragsparteien bezüglich der Durchführung oder Auslegung des Abkommens bemühen sich die zuständigen Behörden, die Angelegenheit in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln. (2) Über die in Absatz 1 bezeichneten Vereinbarungen hinaus können sich die zuständigen Behörden der Vertragsparteien auf die nach den Artikeln 5, 6 und 9 anzuwendenden Verfahren verständigen. (3) Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien können zur Herbeiführung einer Einigung nach diesem Artikel unmittelbar miteinander verkehren. (4) Die Vertragsparteien verständigen sich bei Bedarf auf Verfahren zur Streitbeilegung.
2.
Kurzkommentierung
a)
Rechtsfolge
Art. 10 Abs. 1 ermöglicht den Vertragsparteien bei Schwierigkeiten oder Zweifeln ein Verständigungsverfahren einzuleiten, indem sich die Vertragsparteien bemühen eine Einigung zu erzielen. Es besteht hier folglich kein Einigungszwang. Der OECD Musterkommentar erläutert jedoch, dass die Verständigungsvereinbarung eine Bindungswirkung entfaltet. Demnach binden die erzielten Verständigungsvereinbarungen die beiden Verwaltungen solange, bis die zuständigen Behörden die Verständigungsvereinbarung ändern oder aufheben. 271
4 92
4
93
94 95 96
97
4
§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
b) 98
Art. 10 Abs. 2 erweitert den Anwendungsbereich für die Nutzung des Verständigungsverfahren auf die Verfahren im Zusammenhang mit dem Informationsaustausch auf Ersuchen, den grenzüberschreitenden Auslandsprüfungen und die Konsultationen zur Aufteilung der Kosten.
c) 4
99
101
103
Weitere Verfahren
Art. 10 verpflichtet die Vertragsparteien nicht dazu, dass sie eine Einigung bei den offenen Fragen erzielen müssen, sondern die Vertragsparteien werden lediglich dazu verpflichtet, dass sie sich um eine Einigung bemühen sollen. Aus diesem Grund ermöglich Art. 10 Abs. 4, dass sich die Vertragsparteien auch auf Verfahren zur Streitbeilegung einigen können. Diese können beispielsweise mit einem verbindlichen Schiedsspruch enden.
XI.
Protokoll
1.
Artikel 11 TIEA FL/DE
Das anliegende Protokoll ist Bestandteil dieses Abkommens.
2. 102
Durchführung
Art. 10 Abs. 3 ermöglicht den Vertragspartein zur Herbeiführung einer Einigung im Rahmen eines Verständigungsverfahrens unmittelbar miteinander verkehren zu können. Dies bedeutet, dass die zuständigen Behörden somit nicht zur Nutzung des diplomatischen Weges verpflichtet sind, sondern durch andere Kommunikationsmittel wie Brief, Fax, E-Mail oder Telefon miteinander kommunizieren können.
d) 100
Erweiterter Anwendungsbereich
Kurzkommentierung
Art. 11 normiert, dass das Protokoll Bestandteil des Abkommens ist. Dadurch ist das Protokoll gleichrangig zu den übrigen Bestimmungen des Abkommens und entfaltet den gleichen Verpflichtungscharakter wie die anderen Artikel.
XII.
Umsetzungsgesetzgebung
1.
Artikel 12 TIEA FL/DE
Die für die Durchführung dieses Abkommens erforderlichen Bestimmungen sollen bis zum 31. Dezember 2010 erlassen werden.
272
B. Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
2.
4
Kurzkommentierung
Art. 12 ist vergleichbar mit Art. 10 OECD Musterabkommen. Der OECD Musterkommentar erläutert, dass dieser Artikel zum einen die Vertragsparteien verpflichtet, dass sie bis zum normierten Stichtag (hier 31.12.2010) die notwendige Gesetzgebung in Kraft setzen müssen, aber er beinhaltet zudem auch die Verpflichtung, dass diese keine neuen gesetzlichen Regelungen treffen dürfen, die in Widerspruch zu ihren Verpflichtungen nach dem Abkommen stehen. In Liechtenstein erfolgte die notwendige Umsetzung des Steuerinformationsabkommen zwischen Deutschland und Liechtenstein durch das Gesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG)9.
104
4
XIII. Inkrafttreten 1.
Artikel 13 TIEA FL/DE
(1) Dieses Abkommen tritt einen Monat nach dem Tag in Kraft, an dem die Vertragsparteien einander notifiziert haben, dass ihre jeweiligen Voraussetzungen für das Inkrafttreten dieses Abkommens erfüllt sind. Maßgeblich ist der Tag des Eingangs der letzten Notifikation. (2) Dieses Abkommen ist nach Inkrafttreten auf Ersuchen anzuwenden, die am Tag oder nach dem Tag des Inkrafttretens gestellt werden, jedoch nur in Bezug auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume, die am oder nach dem 1. Januar 2010 beginnen.
105
106
Protokollbestimmung 4. In Bezug auf Artikel 13 Absatz 2 besteht Einvernehmen, dass nach diesem Abkommen erteilte Auskünfte im Rahmen der in Artikel 1 genannten Zwecke zur weiteren Beurteilung auch für Zeiträume herangezogen werden können, auf die die erteilten Auskünfte nicht bezogen waren.
2.
Kurzkommentierung
a)
Inkrafttreten
Das TIEA FL/DE ist am 28. Oktober 2010 in Kraft getreten.
b)
108
Anwendungszeitraum
Das TIEA FL/DE ist auf Ersuchen anzuwenden, die ab dem 28. Oktober 2010 gestellt werden und sich auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume, die am oder nach dem 1. Januar 2010 beginnen, beziehen.
9
107
Gesetz vom 30. Juni 2010 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG), LGBl. 2010 Nr. 246.
273
109
4
§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
c) 110
4
Rückwirkung
Das TIEA FL/DE sieht im Gegensatz zu vielen anderen von Deutschland abgeschlossenen Steuerinformationsabkommen keine rückwirkende Anwendung vor. Es ist jedoch die Klarstellung in Ziffer 4 des Protokolls zu beachten, wonach die erteilten Auskünfte zur weiteren Beurteilung auch für Zeiträume herangezogen werden können, auf welche die erteilten Auskünfte nicht bezogen waren. Dies bedeutet, dass eine Vertragspartei keine Anfrage für den Veranlagungszeitraum 2009 stellen darf, aber die Auskünfte aus einer zulässigen Anfrage für das Jahr 2010 dürfen für eine Schätzung (beispielsweise in Deutschland gemäß § 162 AO) als Grundlage herangezogen werden. > Beispiel: Die deutsche Finanzverwaltung hat aufgrund eines Auskunftsersuchens erfahren, dass der Steuerpflichtige X. am 31. Dezember 2010 ein Vermögen von 15 Millionen Franken auf einem liechtensteinischen Konto hatte und daraus Zinsen in Höhe von 300.000 Franken erhielt. Auf Basis dieser Information schätzt die deutsche Finanzverwaltung, dass Herr X. dieses Konto auch bereits in den Vorjahren hatte und daher wird für die noch nicht veranlagten Jahre eine Schätzung der Einkünfte vorgenommen.
XIV. Kündigung 1. 111 112 113
114
(1) Dieses Abkommen bleibt auf unbestimmte Zeit in Kraft, jedoch kann jede Vertragspartei das Abkommen durch schriftliche Mitteilung an die andere Vertragspartei kündigen. (2) Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung bei der anderen Vertragspartei folgt. (3) Wird das Abkommen gekündigt, so bleiben die Vertragsparteien in Bezug auf die nach dem Abkommen erhaltenen Auskünfte an Artikel 8 gebunden.
2.
Kurzkommentierung
a)
Laufzeit des Abkommens
Art. 14. Abs. 1 bestimmt, dass das Abkommen keine feste Laufzeit hat, sondern auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde. Es kann jedoch mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten gekündigt werden. Diese Kündigung bedarf keiner Begründung und kann einseitig von einer Vertragspartei vorgenommen werden
b) 115
Artikel 14 TIEA FL/DE
Vertraulichkeit
Art. 14 Abs. 3 normiert klarstellend, dass die Vertrauchlichkeitsbestimmungen auch nach der Kündigung des Abkommens für die Vertragsparteien verpflichtend sind. Folglich bewirkt eine Kündigung des Abkommes nicht, dass die Vertragsparteien von ihren Geheimhaltungspflichten entbunden werden. 274
4
C. Die Umsetzung des Abkommens durch das SteAHG
C.
Die Umsetzung des Abkommens durch das SteAHG
I.
Hintergrund
C.
Die notwendige Umsetzung des Steuerinformationsabkommens zwischen Liechtenstein und Deutschland erfolgte in Liechtenstein durch das Gesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG)10. Das Steueramtshilfegesetz wurde am 30. Juni 2010 in der zweiten Lesung durch den liechtensteinischen Landtag verabschiedet. Das Steueramtshilfegesetz regelt die generelle Durchführung der liechtensteinischen Steuerinformationsabkommen sowie der liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Zu beachten ist hierbei jedoch, dass das Steueramtshilfegesetz nicht auf das Steuerinformationsabkommen mit den USA anwendbar ist, da dieses Steuerinformationsabkommen aufgrund des frühen Abschlusses ein separates Umsetzungsgesetz hat.11 Ferner ist das Steueramtshilfegesetz in Bezug auf DBA nur insoweit Anwendbar, wenn diese DBA Bestimmungen zur Verhinderung von Steuerhinterziehung beinhalten.12 Zur Umsetzung des am 11. August 2009 abgeschlossenen Abkommens mit dem Vereinigten Königreich wurde aufgrund des einzigartigen Charakters ein eigenständiges Umsetzungsgesetz verabschiedet.13 Art. 2 SteAHG normiert den Gegenstand und Geltungsbereich des Steueramtshilfegesetzes. Grundsätzlich regelt das Steueramtshilfegesetz die internationale Amtshilfe in Steuersachen, soweit es keine abweichende gesetzliche Regelung gibt. Art. 2 Abs. 1 SteAHG konkretisiert dabei explizit, dass sich die Amtshilfe nur auf einen Informationsaustausch auf Ersuchen erstreckt. Dies bedeutet, dass ein automatischer oder spontaner Informationsaustausch, den beispielsweise der Kommentar zu Art. 26 OECD Musterabkommen vorsieht,14 ausdrücklich ausgeschlossen ist.
II.
Ablauf eines Auskunftsersuchens
1.
Entgegennahme und Form eines Ersuchens
Adressat eines ausländischen Amtshilfeersuchens ist die liechtensteinische Steuerverwaltung. Sie ist nach Art. 6 Abs. 1 SteAHG die zuständige Behörde für die Entgegennahme von ausländischen Amtshilfeersuchen. Falls ein Ersuchen bei einer anderen liechtensteinischen Behörde eingeht, dann ist diese Behörde – im Sinne einer zügigen Durchführung des Verfahrens – zur umgehenden Weiterleitung an die liechtensteinische Steuerverwaltung verpflichtet. Art. 7 Abs. 1 SteAHG normiert ausdrücklich, dass ein Amtshilfeersuchen in schriftlicher Form zu erteilen ist. In besonders dringenden Fällen ist ein Ersuchen auch zulässig, wenn es vorab per Fax oder E-Mail übermittelt wird, sofern das Original nachgereicht wird. Die zentrale Norm des Steueramtshilfegesetzes ist Art. 7 Abs. 2 SteAHG. Hierin wird festgelegt, welche Zulässigkeitsvoraussetzungen ein Ersuchen erfüllen muss. Diese sind vergleichbar mit Art. 5 Abs. 5 Steuerinformationsabkommen zwischen Deutschland und Liechtenstein (TIEA DE/FL) und stellen somit keine zusätzlichen Ein10 Gesetz vom 30. Juni 2010 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz; SteAHG), LGBl. 2010 Nr. 246. 11 Gesetz vom 16. September 2009 über die Amtshilfe in Steuersachen mit den Vereinigten Staaten von Amerika (Steueramtshilfegesetz-USA; AHG-USA), LGBl. 2009 Nr. 303. 12 BuA zum Steueramtshilfegesetz Nr. 29/2010, S. 10. 13 Steueramtshilfegesetz-UK (AHG-UK). 14 OECD Musterkommentar zu Art. 26, Rn. 9.
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§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland schränkungen des Informationsaustauschs dar, sondern es handelt sich hierbei lediglich um eine Transformation dieser bilateral vereinbarten und dem Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen entsprechenden Voraussetzungen in innerstaatliches Recht. Entsprechend dem TIEA DE/FL muss ein Amtshilfeersuchen die folgenden Voraussetzungen erfüllen: a) die Identität des einzelnen Steuerpflichtigen, dessen steuer- oder steuerstrafrechtliche Verantwortung betroffen ist; b) die Zeitspanne, in Bezug auf welche die Informationen verlangt werden; c) die Art der verlangten Informationen und die Form, in der die zuständige ausländische Behörde diese Informationen zu erhalten wünscht; d) die Angelegenheit nach den steuerrechtlichen Vorschriften der zuständigen ausländischen Behörde, in Bezug auf welche um die Informationen ersucht wird; e) die Gründe zur Annahme, dass die verlangten Informationen für die Anwendung und Vollstreckung der Steuern der zuständigen ausländischen Behörde mit Bezug auf die nach lit. a bezeichnete Person voraussichtlich erheblich sind; f) die Gründe zur Annahme, dass die verlangten Informationen sich bei der Steuerverwaltung oder im Besitz oder unter der Kontrolle einer Person innerhalb des Fürstentums Liechtenstein befinden; g) soweit bekannt, die Namen und Adressen jeder Person, von der angenommen wird, dass die ersuchten Informationen in deren Besitz oder unter deren Kontrolle sind; h) eine Erklärung, dass die zuständige ausländische Behörde in der Lage wäre, die verlangten Informationen zu beschaffen und zur Verfügung zu stellen, falls die Steuerverwaltung ein vergleichbares Ersuchen stellen würde [Reziprozität]; und i) eine Erklärung, dass die zuständige ausländische Behörde alle angemessenen, ihr in ihrem Hoheitsgebiet zur Verfügung stehenden Mittel zur Beschaffung der Informationen ausgeschöpft hat, ausgenommen solche, die unverhältnismäßig große Schwierigkeiten bedeuten würden [Subsidiarität]. Aufgrund dieser Anforderungen sollen so genannte „fishing expeditions“, das bedeutet Ersuchen, die nur der Beweisausforschung dienen, ausgeschlossen werden. Gleichzeitig dürfen diese Voraussetzungen jedoch nicht so ausgelegt werden, dass dadurch ein wirksamer Informationsaustausch verhindert wird. Die in der Praxis besonders kontrovers diskutierten Aspekte sind insbesondere lit. a und lit. g. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Offenlegung der Identität des Steuerpflichtigen in aller Regel mit der Nennung des Namens verbunden sein muss (lit. a). In Ziffer 2 des Protokolls zum TIEA DE/FL wird hingegen konkretisiert, dass die Namensnennung zur Bestimmung der Identität des Steuerpflichtigen nicht erforderlich ist, sofern sich diese aus anderen Anhaltspunkten bestimmen lässt. Ein Beispiel für eine Identifizierung des Steuerpflichtigen ohne Namensnennung enthält der Musterkommentar zum Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen: Demnach genügt das Vorliegen einer Kontonummer zur eindeutigen Identifizierung eines Kontoinhabers, wenn es sich hierbei nicht um ein Gemeinschaftskonto handelt. Die praktische Bedeutung dieses Beispiels wird jedoch voraussichtlich eher von untergeordneter Rolle sein, da es sich hierbei nur um ein Tatbestandsmerkmal der kumulativ zur erfüllenden Anforderungen an ein Auskunftsersuchen handelt. Im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 3 lit. b Nr. 3 Amtshilfedurchführungsverordnung (ADV) der Schweiz, der eine zweifelsfreie Identifikation des Informationsinhabers oder der Informationsinhaberin vorsieht, bestimmt Art. 7 Abs. 2 lit. g SteAHG, dass nur soweit bekannt, die Namen und Adressen jeder 276
C. Die Umsetzung des Abkommens durch das SteAHG
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Person, von der angenommen wird, dass die ersuchten Informationen in deren Besitz oder unter deren Kontrolle sind, genannt werden muss. Dies hat zur Folge, dass der Informationsträger – beispielsweise die Bank oder der Treuhänder – nicht zwingend namentlich genannt werden muss. In diesen Fällen muss die ersuchende ausländische Behörde jedoch konkrete Anhaltspunkte darlegen, dass die ersuchten Informationen in Liechtenstein liegen.
2.
Prüfung des Ersuchens
Die liechtensteinische Steuerverwaltung hat nicht nur eine formelle Prüfung des ausländischen Auskunftsersuchens vorzunehmen, sondern gemäß Art. 9 Abs. 1 SteAHG muss ebenfalls überprüft werden, ob das Ersuchen die Voraussetzungen nach Art. 7 SteAHG erfüllt oder ob ein Ablehnungsgrund nach Art. 8 SteAHG vorliegt. Diesbezüglich wird ausdrücklich normiert, dass ein Ersuchen, bei dem es sich um eine unerlaubte Beweisausforschung handelt, nicht die Voraussetzungen für ein zulässiges Auskunftsersuchen erfüllt. Nach Ansicht des liechtensteinischen Normenverfassers kann die materielle Prüfung in einem Amtshilfeverfahren aber nicht so weit gehen, dass die Steuerverwaltung ein eigenes Beweisverfahren durchführt. Bestehende Zweifel an der Begründetheit des Ersuchens können über Rückfragen bei der ersuchenden Behörde geklärt werden. Die Erfüllung der Reziprozität und der Subsidiarität ist seitens der ersuchenden Behörde mittels entsprechender Erklärungen nachzuweisen. Nach Ansicht der Regierung ist aufgrund des völkerrechtlichen Vertrauensgrundsatzes grundsätzlich von der Richtigkeit dieser Erklärungen auszugehen. Eine Ausnahme besteht gemäß Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes zum Rechtshilfegesetz beispielsweise bei offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Verhalten des ersuchenden Staates. Auch im Bereich der Amtshilfe ist der völkerrechtliche Vertrauensgrundsatz international und in Liechtenstein anerkannt. Es besteht kein Grund, Staaten, denen man völkerrechtliche Vereinbarungen angeboten hat, von Vornherein zu misstrauen. Sollten der Steuerbehörde hingegen Umstände bekannt werden – etwa über eine begründete Eingabe eines Betroffenen, die auf eine rechtsmissbräuchliche Erklärung hindeuten, wird sie eine Rückfrage an die ersuchende Behörde zu richten und im Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, das Ersuchen abzulehnen haben. Die inhaltliche Überprüfung der Erklärung ist abgesehen von diesem Fall nicht vorgesehen. Eine gesonderte Verfügung über die Feststellung der Zulässigkeit des Ersuchens wird nicht erlassen, denn diese ist ein Bestandteil der Schlussverfügung.
3.
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Ablehnung des Ersuchens
Gemäß Art. 8 Abs. 1 SteAHG ist die liechtensteinische Steuerverwaltung verpflichtet ein Ersuchen abzulehnen, wenn einer der folgenden Ablehnungsgründe vorliegt. So ist ein Ersuchen abzulehnen, wenn es nicht die Voraussetzungen des Art. 7 SteAHG erfüllt. Es sich folglich um ein unspezifiziertes Ersuchen handelt. Insbesondere in den Fällen, in denen die ersuchende Behörde keine ausreichenden Gründe für die Annahme darlegen kann, dass die erbetenen Auskünfte in Liechtenstein überhaupt vorliegen, ist ein Gesuch abzulehnen. Außerdem abzulehnen ist ein ausländisches Ersuchen, wenn es dem „ordre public“ widerspricht. Unter „ordre public“ versteht man im Völkerrecht den Vorbehalt, dass eine Bestimmung nicht angewendet wird, wenn durch die Anwendung wesentliche innerstaatliche Rechtsgrundsätze verletzt werden. Dadurch sollen die Grundsätze der eigenen Rechtsordnung geschützt werden. Dies ist insbesondere bei Ersuchen der Fall, die in einem Verfahren gestellt werden, das im ersuchenden Staat aufgrund von Informationen eingeleitet wurde, die durch eine in Liechtenstein begangene strafbare
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§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland Handlung erlangt wurden. Beispielsweise ist in diesem Zusammenhang vor allem der Diebstahl von Bankdaten und deren Ankauf zu nennen. Abzulehnen ist ein Ersuchen auch dann, wenn nach ausländischem Recht die Verjährung in Bezug auf den Gegenstand des Ersuchens eingetreten ist.
4. 127
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Beschaffung der Information durch die Steuerverwaltung
Ergibt die Prüfung des Ersuchens dessen Zulässigkeit, benachrichtigt die Steuerverwaltung den Informationsinhaber über den Eingang des Ersuchens und die darin verlangten Informationen und fordert diesen – sofern ihr die verlangten Informationen nicht bereits bekannt sind oder vorliegen – gleichzeitig auf, ihr die Informationen innerhalb von 14 Tagen zukommen zu lassen. Diese Frist kann in begründeten Fällen angemessen verlängert werden. Eine eventuelle Ablehnung einer beantragten Fristverlängerung sowie eine Entscheidung über die Dauer einer erteilten Fristverlängerung erfolgt formlos und kann nicht angefochten werden. Art. 12 Abs. 1 SteAHG entspricht der liechtensteinischen Abkommenspraxis der letzten zwei Jahre, dass gesetzliche Vorschriften über ein Berufs- oder Geschäftsgeheimnis nicht vor der Verpflichtung schützen, der Steuerverwaltung die verlangten Informationen zu übermitteln. Somit kann ein Ersuchen nicht alleine deshalb abgelehnt werden, weil ein Bank- oder Treuhändergeheimnis betroffen ist. Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Informationen aus dem Geheimbereich offen zu legen sind, gilt ausschließlich in Fällen, in denen ein Rechtsanwalt Informationen im Rahmen der Erteilung von juristischem Rat oder zum Zwecke der Verwendung in laufenden oder in Erwägung gezogener Verfahren erhalten hat, oder wenn ein Handels-, Geschäfts-, Industrie-. Gewerbe- oder Berufsgeheimnis oder Geschäftsverfahren offen gelegt werden müsste. Wobei Informationen nicht lediglich deshalb als geheimhaltungswürdig betrachtet werden dürfen, weil sie sich im Besitz von Banken, anderen Finanzinstituten oder Personal befinden, die als Vertreter oder in treuhänderischer Eigenschaft handeln. Die Steuerverwaltung trägt dem Informationsinhaber ferner auf, allfällige betroffene Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland über den Eingang des Ersuchens, über die darin verlangten Informationen sowie über das inzwischen eingeleitete inländische Verfahren in Kenntnis zu setzen und diese dahingehend zu informieren, dass ihnen das Recht zusteht, sich am inländischen Verfahren zu beteiligen und gegebenenfalls einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Die in Art. 24 SteAHG normierten Mitwirkungsrechte des Berechtigten erstrecken sich grundsätzlich auch auf die Einsichtnahme in Akten, sofern keine höherwertigen Interessen diesem entgegenstehen. Im Rahmen der Mitwirkungsrechte kann der Berechtigte auch Privatgutachten vorlegen, sofern diese plausibel und fundiert sind, kann dies zu Rückfragen der liechtensteinischen Steuerverwaltungen über die steuerliche Erheblichkeit an die ersuchende Behörde führen. Die Informierung des Berechtigten über die Durchführung eines Ersuchens entfällt allerdings gemäß Art. 24 Abs. 2 SteAHG, wenn die ersuchende Behörde die vertrauliche Behandlung des Ersuchens verlangt. Um eine solche Vertraulichkeit wird insbesondere dann ersucht werden, wenn an mehrere Staaten mehrere Ersuchen gerichtet werden, die gleichzeitig vollzogen werden sollen, ohne dass die verdächtigen Personen vorgewarnt werden. In diesen Fällen ist eine allfällig betroffene Person mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland allerdings spätestens mit der Schlussverfügung zu informieren. Der Umfang der ersuchten Informationen, welche die liechtensteinische Steuerverwaltung an die ausländische Behörde übermitteln muss, wird in Art. 13 SteAHG festgelegt. Es handelt sich hierbei beispielsweise um Informationen, die sich im Besitz von Banken, anderen Finanzinstituten oder Personen, einschließlich Bevollmächtigter und Treuhänder, die als Agent oder in treuhänderischer Eigenschaft handeln, befinden. Darüber hinaus kann die ausländische Steuerbehörde um Informationen ersuchen, welche die Eigentumsverhältnisse von Rechtsträgern, einschließlich Informationen über alle Personen in einer Kette von Eigentümern betreffen. Bei Personengesellschaften müssen 278
C. Die Umsetzung des Abkommens durch das SteAHG
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Informationen über die Identität der Mitglieder der Personengesellschaften erteilt werden. Bei Trusts sind insbesondere Informationen über die Settlors, Trustees und Begünstigten sowie bei Stiftungen Informationen über die Stifter, Mitglieder des Stiftungsrats und Begünstigten zu erteilen.
5.
Zwangsmaßnahmen
Wenn der Informationsinhaber die ersuchten Informationen nicht freiwillig innerhalb der gesetzten Frist zur Verfügung stellt, ist die liechtensteinische Steuerverwaltung zur Anordnung von Zwangsmaßnahmen berechtigt. Ohne diese in Art. 14 SteAHG eingeräumte Kompetenz der Steuerverwaltung wäre die effiziente Durchführung der Amtshilfe nicht möglich. Der Begriff Zwangsmaßnahmen wird in Art. 15 SteAHG definiert. Darunter werden Haus- und Personendurchsuchungen Zwangs- und Beugemittel gegen Zeugen sowie die Beschlagnahme verstanden. Für die Wirksamkeit einer solchen Verfügung ist allerdings die Genehmigung durch den Beschluss eines Einzelrichters des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich. Der Einzelrichter hat insbesondere zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Verhängung von Zwangsmaßnahmen gegeben sind und ob die angeordneten Zwangsmaßnahmen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen sind.
6.
4
Schlussverfügung
Die liechtensteinische Steuerverwaltung hat nach Abschluss der Informationsbeschaffung die vorliegenden Informationen zu prüfen und zu beurteilen, ob dem Ersuchen Folge geleistet werden kann und welche der vorliegenden Informationen der ersuchenden Behörde übermittelt werden sollen. Informationen, die voraussichtlich nicht erheblich sind, dürfen nicht übermittelt werden und sind gegebenenfalls zu entfernen oder unkenntlich zu machen. Diese Vorgehensweise soll exemplarisch an folgendem Sachverhalt verdeutlicht werden: Wenn eine Stiftung, deren Beistatut nicht nur die vom ersuchenden Staat identifizierten Begünstigten, sondern auch noch weitere Begünstigte erwähnt, dürfen die Namen der anderen Begünstigten nicht offengelegt werden und sind entsprechend zu schwärzen (für den Leser unerkennbar zu machen). Über die Prüfungsentscheidung und den Umfang der zu erteilenden Informationen hat die liechtensteinische Steuerverwaltung gemäß Art. 21 SteAHG eine Schlussverfügung zu erlassen. Nach Rechtskraft dieser Schlussverfügung werden die voraussichtlich erheblichen Informationen zusammen mit dem Übermittlungsschreiben der ausländischen Behörde zugestellt. Informationen, die nicht übermittelt wurden, sind dem Berechtigten zurück zugeben.
7.
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Vereinfachtes Verfahren
In Anlehnung an das Art. 52 Abs. 5 RHG15 ist in Art. 20 SteAHG ein vereinfachtes Verfahren vorgesehen. Stimmen alle Berechtigten vor dem Abschluss des Verfahrens der Übermittlung der Informationen ausdrücklich zu – dies muss von der Steuerverwaltung schriftlich festgehalten werden – so können diese Informationen direkt der ersuchenden Behörde übermittelt werden. Die Zustimmung zur Übermittlung ist unwiderruflich. In diesen Fällen ergeht keine Schlussverfügung. Allerdings hat die Steuerverwaltung darauf zu achten, dass nur solche Informationen herausgegeben werden, die für die Anwendung und Vollstreckung der Steuern der zuständigen ausländischen Behörde mit Bezug auf die Person, deren Ersuchen betroffen ist, voraussichtlich erheblich sind. Informationen, für die das nicht zutrifft, dürfen auch im vereinfachten Verfahren nicht herausgegeben werden oder sind unkenntlich zu machen. 15 Gesetz vom 15. September 2000 über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, RHG), LGBl. 2000 Nr. 215.
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§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland
III.
Rechtsschutz
1.
Vorbemerkung
Art. 26 SteAHG normiert, welche Beschwerdemöglichkeiten die Berechtigten im Rahmen des Amtshilfeverfahrens haben. So können Schlussverfügungen nach Art. 21 SteAHG innerhalb einer 14-tägigen Frist beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden. Nur im Rahmen dieser Anfechtung der Schlussverfügung können die Berechtigten das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Amtshilfeersuchens bestreiten und überprüfen lassen.
2. 137
138
Der Begriff „Berechtigte“ ist für das Ausschöpfen der Rechtsschutzmöglichkeiten von zentraler Bedeutung und wird daher auch im Steueramtshilfegesetz legal definiert. Als „Berechtigter“ werden gemäß Art. 3 Abs. 1 SteAHG die folgenden Personen verstanden: Q Der Informationsinhaber, somit jene Person, die über Informationen verfügt, welche Gegenstand des Ersuchens sind: in der Regel wird dies die Bank und/oder der Treuhänder in Liechtenstein sein; Q der Kunde eines Informationsinhabers: die Stiftung in Liechtenstein als Kunde der Bank; Q die Person, deren steuer- oder steuerstrafrechtliche Verantwortung vom Ersuchen betroffen ist; oder Q die Person, die persönlich und direkt durch das Ersuchen betroffen ist: Sollten die ausländischen Behörden mit ihren Annahmen falsch liegen, und die Informationen überhaupt nicht die im ersuchenden Staat steuerpflichtige Person, sondern einen völlig unbeteiligten Dritten betreffen, muss dieser unbeteiligte Dritte die Möglichkeit haben, sich gegen die Übermittlung der ihn betreffenden Informationen zur Wehr zu setzen. Die Berechtigten dürfen sich am Verfahren direkt beteiligen und ihre Rechte wahrnehmen, soweit dies für die Wahrung schutzwürdiger Interessen notwendig ist. Auf dieser Grundlage hat etwa auch die Bank als Informationsinhaberin ein Beschwerderecht. Gemäß ständiger Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs genügt für eine Beschwerdelegitimation ein faktisches Interesse. In der Praxis wird dies sehr großzügig ausgelegt.
3. 139
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Berechtigter
Verfahrensablauf
Um das zugrunde gelegte Beschwerdeverfahren zu nutzen, muss die entsprechende Schlussverfügung innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angefochten werden. Die berechtigte Person hat im Rechtsmittelverfahren Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen. Das schließt auch die Vorlage eines Privatgutachtens mit ein. Gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs kann innerhalb von 14 Tagen Individualbeschwerde beim Staatsgerichtshof erhoben werden. Um diesen weiteren Instanzenzug zeitlich zu straffen, waren Änderungen des Gesetzes über den Staatsgerichtshof vom 27. November 2003 (StGHG) erforderlich. Zum einen wurde die diesbezügliche Beschwerdefrist für Individualbeschwerden auf 14 Tage verkürzt, sodann wurde mit Bezug auf die für Individualbeschwerden vorgesehene aufschiebende Wirkung bestimmt, dass diese nicht eintritt, falls der Vorsitzende nicht innert 14 Tagen einen 280
C. Die Umsetzung des Abkommens durch das SteAHG
4
Beschluss erlässt, gestützt auf den die aufschiebende Wirkung erteilt wird (Art. 52 Abs. 3 StGHG). Wird die aufschiebende Wirkung fristgerecht gewährt, so tritt dieser Beschluss nach vier Wochen außer Kraft. Diese Frist kann einmalig um 14 Tage verlängert werden. Erachtet der Gerichtshof den Beschwerdeführer als in seinen verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten verletzt, so liegt es an ihm, den Wegfall der aufschiebenden Wirkung dadurch zu verhindern, dass er innerhalb der gesetzlichen Frist über die Individualbeschwerde entscheidet. Diese Maßnahmen gewährleisten einen zügigen und effizienten Instanzenzug, wodurch die maximale Dauer eines Amtshilfeverfahrens nicht mehr als vier bis maximal sechs Monate betragen sollte.
IV.
4
Zusammenfassende Übersicht: Ablauf eines Auskunftsersuchens
Das folgende Schaubild fasst den Ablauf eines Auskunftsersuchens zusammen und zeigt insbesondere welche zentrale Rolle die liechtensteinische Steuerverwaltung bei der Durchführung eines Auskunftsersuchens einnimmt. Die einzelnen Prozessschritte sind durchnummeriert, wobei Alternativpfade durch die Verwendung der Buchstaben a und b gekennzeichnet werden. Ferner werden mit einem „+“ und einem „-“ positive und negative Entscheidungen markiert. Zur weiteren Verdeutlichung wird bei Handlungen eine durchgezogene und beim Fluss der ersuchten Information eine gestrichelte Linie verwendet:
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§ 4 Das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland Abbildung 22: Ablauf eines Auskunftsersuchens
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Ausland
-
Berechtigter
6b1. Anfechtung durch den Berechtigten
6a. Akzeptanz
4 FLBehörde 1b2. Weiterleitung FL-Steuerverwaltung
Informationsinhaber
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4b4. Durchführung der Zwangsmassnahmen (ggf. durch Polizei)
3. Benachrichtigung, & Aufforderung zur Herausgabe der Information
+
Richter VGH
4b3. Genehmigung
Informationsfluss Handlungen
5
§ 5 Das Verhältnis Liechtensteins zur EU A.
Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum
I.
Einführung
A.
Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) umfasst die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union 1 sowie die drei EWR/EFTA Staaten, bestehend aus Liechtenstein, Island1 und Norwegen). Der EWR bildet einen Binnenmarkt für über 496 Millionen Menschen. Das mit der Bildung eines gemeinsamen Binnenmarktes verfolgte Ziel des EWR ist es eine beständige und ausgewogene Stärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien unter gleichen Wettbewerbsbedingungen und die Einhaltung gleicher Regeln zu fördern, um einen homogenen Europäischen Wirtschaftsraum zu schaffen. Zur Verwirklichung dieses Zieles umfasst das EWR-Abkommen: Q den freien Warenverkehr, Q die Freizügigkeit, Q den freien Dienstleistungsverkehr, Q den freien Kapitalverkehr, Q die Einrichtung eines Systems, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt und die Befolgung der diesbezüglichen Regeln für alle in gleicher Weise gewährleistet, sowie Q eine engere Zusammenarbeit in anderen Bereichen wie Forschung und Entwicklung, Umwelt, Bildungswesen und Sozialpolitik. Ferner verbietet Art. 4 des EWR-Abkommens jegliche Diskriminierung aus Gründen der Staatsan- 2 gehörigkeit und beinhaltet damit ein allgemeines Diskriminierungsverbot. Zu beachten ist, dass das EWR Abkommen im Gegensatz zur Europäischen Union die folgenden 3 Politikbereiche nicht abdeckt: Q Gemeinsame Landwirtschaftspolitik Q Gemeinsame Fischereipolitik Q Gemeinsame Steuerpolitik Q Aussen und Sicherheitspolitik Q Justizpolitik und Inneres
1
Aufgrund der Folgen der Finanzkrise hat Island im Sommer 2009 einen Antrag für den Beitrag in die Europäische Union eingereicht.
283 T. Hosp, M. Langer , Steuerstandort Liechtenstein, DOI 10.1007/978-3-8349-6627-8_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
5
5
§5
Das Verhältnis Liechtensteins zur EU
II.
Grundfreiheiten
1.
Grundsatz
4 Die vier Grundfreiheiten bestehend aus der Warenverkehrsfreiheit, der Personenverkehrsfreiheit, der Kapitalverkehrsfreit und der Niederlassungsfreiheit bilden die Säulen des Europäischen Binnenmarktes und folglich auch des EWR. Sie haben zum Ziel bestehende Hemnisse für grenzüberschreitende Aktivitäten abzubauen und zu verhindern.
5
2.
Warenverkehrsfreiheit
5 Die Warenverkehrsfreit ist in Art. 8 bis 27 EWR-Abkommen normiert. Durch die Warenverkehrsfreiheit soll der freie Warenverkehr im EWR sichergestellt werden. Dies wird insbesondere durch das Verbot von Ein- und Ausfuhrzöllen sowie mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen angestrebt.
3.
Personenverkehrsfreiheit
6 Die Personenverkehrsfreiheit ist in Art. 28 bis 35 EWR-Abkommen normiert und kann in die Arbeitnehmerfreizügigkeit für unselbständig und in die Niederlassungsfreiheit für selbständig tätige Personen unterteilt werden. 7 Die Arbeitnehmerfreizügigkeit hat zum einen die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im EWR zum Ziel und soll zum anderen deren grenzenlose Mobilität im EWR ermöglichen. Die Niederlassungsfreiheit beinhaltet den Schutz der Bürger, die einer selbständigen Tätigkeit nachgehen, und gilt zudem für die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften im EWR.
4.
Dienstleistungsfreiheit
8 Die Dienstleistungsfreiheit ist in Art. 36 bis 39 EWR-Abkommen normiert, demnach darf der freie Dienstleistungsverkehr im EWR keinen Beschränkungen unterliegen. Unter Dienstleistungen sind grundsätzlich Leistungen zu verstehen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden und soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere: Q gewerbliche Tätigkeiten, Q kaufmännische Tätigkeiten, Q handwerkliche Tätigkeiten, Q freiberufliche Tätigkeiten.
5.
Kapitalverkehrsfreiheit
9 Die Kapitalverkehrsfreiheit ist in Art. 40 bis 45 EWR-Abkommen normiert. Ihr unterliegen die laufenden Zahlungen, die mit dem Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital zwischen den Vertragsparteien im Rahmen des EWR-Abkommens zusammenhängen. 284
A.
III.
Wettbewerbsregeln
1.
Grundlagen
Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum
Neben den Grundfreiheiten enthält das EWR-Abkommen auch einheitliche Wettbewerbsregeln, um 10 den gemeinsamen Binnenmarkt im EWR zu gewährleisten. Diese einheitlichen Wettbewerbsregeln umfassen die folgenden Teilgebiete: Q Wettbewerbsregeln für Unternehmen Q das Verbot von rechtswidrigen staatlichen Beihilfen Q das öffentliche Auftragswesen Q die Vereinheitlichung der Vorschriften über den Schutz des geistigen Eigentums Gemäß Art. 108 EWR-Abkommen setzen die EFTA-Staaten ein unabhängiges Überwachungsorgan 11 (die EFTA-Überwachungsbehörde) ein und führen ähnliche Verfahren ein, wie sie in der Europäischen Gemeinschaft bestehen. Zur Aufgabe der EFTA-Überwachungsbehörde gehört insbesondere auch die Prüfung, ob diese Wettbewerbsregeln eingehalten werden.
2.
Staatliche Beihilfen
Art. 61 EWR-Abkommen normiert, dass Beihilfen der EG-Mitgliedstaaten oder der EFTA-Staaten 12 oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Funktionieren dieses Abkommens grundsätzlich unvereinbar sind, soweit sie den Handel zwischen Vertragsparteien beeinträchtigen. 13 Mit dem Funktionieren dieses Abkommens vereinbar sind: Q Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher, wenn sie ohne Diskriminierung nach der Herkunft der Waren gewährt werden; Q Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind; Q Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter, durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind. 14 Als mit dem Funktionieren des EWR-Abkommen vereinbar können angesehen werden: Q Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung aussergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht; Q Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines EG-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates; Q Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft; Q sonstige Arten von Beihilfen, die der Gemeinsame EWR-Ausschuss festlegt.
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§5 B.
5
Das Verhältnis Liechtensteins zur EU
B.
Das Zinsbesteuerungsabkommen EU/FL
I.
Nationale Umsetzung
15 Das Fürstentum Liechtenstein hat am 7. Dezember 2004 mit der Europäischen Gemeinschaft ein Abkommen über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates über die Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind, abgeschlossen (Zinsbesteuerungsabkommen EU/FL).2 Der liechtensteinische Landtag hat dem Zinsbesteuerungsabkommen EU/FL am 21. April 2005 zugestimmt und damit konnte das Abkommen gleichzeitig mit der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie3 am 1. Juli 2005 Inkrafttreten. 16 Die nationale Umsetzung des Zinsbesteuerungsabkommens EU/FL erfolgte in Liechtenstein durch das Zinsbesteuerungsgesetz4 sowie die Verordnung vom 28. Juni 2005 über die Verzinsung ausstehender EU-Steuerrückbehaltsbeträge (Zinsbesteuerungsverordnung)5. Der Gegenstand des Zinsbesteuerungsgesetzes ist dabei insbesondere die Regelung des Steuerrückbehalts auf Zinszahlungen, die freiwillige Offenlegung von Zinszahlungen und die Strafen für Widerhandlungen gegen diese Bestimmungen sowie die Umsetzung des Informationsaustauschs zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei Steuerbetrug im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Zinsbesteuerungsabkommen EU/FL.
II.
Steuerrückbehalt
17 Das Zinsbesteuerungsabkommen EU/FL sieht gemäß Art. 1 des Abkommen grundsätzlich einen Steuerrückbehalt bei Zinszahlungen liechtensteinischer Zahlstellen an in der EU ansässige natürliche Personen (Nutzungsberechtigte) vor. Nach Art. 6 Abs. 2 Zinbesteuerungsgesetz kann die Zahlstelle einen zu Unrecht erhobener Steuerrückbehalt innerhalb von fünf Jahren berichtigen, sofern sichergestellt ist, dass für die entsprechende Zinszahlung im Ansässigkeitsstaat des Zinsempfängers weder eine Anrechnung noch eine Rückerstattung beansprucht worden ist oder noch beansprucht wird. 18 Die Zahlstellen müssen gemäß Art. 7 Zinsbesteuerungsgesetz die Rückbehaltsbeträge jährlich spätestens bis zum 31. März des auf die Zinszahlung folgenden Jahres an die Steuerverwaltung überweisen. Die Zahlstellen geben bei der Überweisung an, wie die Beträge den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zuzuordnen sind. Auf Rückbehaltsbeträgen, die nach dem 31. März des auf die Zinszahlung folgenden Jahres vergütet werden, ist ohne Mahnung ein Verzugszins ab dem 1. April bis zum Datum des Eingangs geschuldet. Nach Art. 1 Zinsbesteuerungsverordnung beträgt der Zinssatz 5% pro Jahr.
2 3 4 5
286
Abkommen vom 7. Dezember 2004 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Europäischen Gemeinschaft über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates über die Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind, LGBl. 2005 Nr. 111. Richtlinie 2003/48/EG v. 03.06.2003, Abl. EG v. 26.06.2003, L 157, S. 38 (EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie). Gesetz vom 19. Mai 2005 zum Zinsbesteuerungsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft vom 7. Dezember 2004 (Zinsbesteuerungsgesetz, ZBStG), LGBl. 2005 Nr. 112. Verordnung vom 28. Juni 2005 über die Verzinsung ausstehender EU-Steuerrückbehaltsbeträge, LGBl. 2005 Nr. 125.
B.
III.
Das Zinsbesteuerungsabkommen EU/FL
Freiwillige Offenlegung
Zur Vermeidung des Quellensteuerabzugs besteht die Möglichkeit der freiwilligen Offenlegung. Der 19 Nutzungsberechtigte kann die Zahlstelle ausdrücklich ermächtigen, die Zinszahlungen an die zuständige Behörde des Ansässigkeitsstaates zu melden. Alternativ kann der Nutzungsberechtigte nach Art. 2 Zinsbesteuerungsabkommen EU/FL die zuständige Steuerbehörde über die Zinserträge auch selbst informieren (sog. Bescheinigungsverfahren). In diesem Fall erhält er eine Bescheinigung, aufgrund derer die liechtensteinische Zahlstelle von der Einbehaltung der Quellensteuer entbunden wird. Gemäß Art. 7 Abs. 2 Zinsbesteuerungsgesetz bleibt eine einmal erteilte Ermächtigung bis zum Ein- 20 treffen des ausdrücklichen Widerrufs durch die nutzungsberechtigte Person oder ihren Rechtsnachfolger bei der Zahlstelle gültig. Der Widerruf ist nur gültig, wenn die nutzungsberechtigte Person oder ihr Rechtsnachfolger den an Stelle der Meldung geschuldeten Steuerrückbehalt gegenüber der Zahlstelle sicherstellt.
IV.
Informationsaustausch
Art. 10 Zinsbesteuerungsabkommen EU/FL sieht einen Informationsaustausch zwischen Liechten- 21 stein und den einzelnen Mitgliedstaaten der EU vor. Voraussetzung für die Übermittlung von Informationen ist, dass es sich bei dem Vergehen um einen Steuerbetrug oder ein ähnliches Delikt nach den Rechtsvorschriften des ersuchten Staates handelt. Als „ähnlich“ gelten gemäß Art. 10 Zinsbesteuerungsabkommen EU/FL ausschließlich Delikte, die nach den Rechtsvorschriften des ersuchten Staates denselben Unrechtsgehalt wie Steuerbetrug aufweisen. In Liechtenstein liegt ein Steuerbetrug vor, wenn jemand eine Steuerhinterziehung durch den vor- 22 sätzlichen Gebrauch falscher, verfälschter, inhaltlich unwahrer Geschäftsbücher oder anderer Urkunden begeht. Ein Steuerbetrug unterscheidet sich somit von der Steuerhinterziehung in der Art, dass er mit qualifizierten Mitteln, nämlich mit Urkunden begangen wird, die gefälscht oder verfälscht sind bzw. erhebliche Tatsachen unrichtig oder unvollständig wiedergeben. Art. 20 Zinsbesteuerungsgesetz ergänzt hierzu, dass für die Erledigung eines entsprechenden Ersu- 23 chens das Landgericht zuständig ist. Ferner finden auf ein solches Verfahren die Bestimmungen des Rechtshilfegesetzes Anwendung.
V.
Ausblick: Geplante Änderungen durch die EU
1.
Hintergrund
Gemäß Art. 18 EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie ist die Europäische Kommission verpflichtet, dem 24 Rat der Europäischen Union alle drei Jahre über die Anwendung dieser Bestimmung zu berichten und ihm Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Dadurch soll die effektive Besteuerung und die Beseitigung unerwünschter Wettbewerbsverzerrungen gewährleistet werden. Mit den Vorschlägen zur Änderung der Richtlinie zur Besteuerung der Zinserträge vom 15. September 2008 und 13. November 20086 ist die Kommission ihren Verpflichtungen gemäß Art. 18 EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie nachgekommen. 6
5
Kom(2008) 727 endgültig, 2008/0215(CNS).
287
5
5
§5
Das Verhältnis Liechtensteins zur EU
25 Eine Änderung der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie hat zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf Liechtenstein, da Liechtenstein kein Mitglied der EU ist. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass die EU nur dann eine entsprechende Anpassung der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie vornehmen wird, wenn auch die Drittstaaten eingebunden werden, da es ansonsten zu einem Regelungsgefälle kommen würde. Daher werden im Folgenden kurz die Überlegungen der EU zur Reform der Zinsbesteuerungsrichtlinie dargestellt, wobei der Rechtssetzungsprozess in der EU zu beachten ist. Die Europäische Kommission hat mit dem Änderungsvorschlag vom 13. November 2008 ihr Initiativrecht ausgeübt. Bevor anschließend der Rat der Europäischen Union über die Richtlinie entscheiden kann, muss dieser das Europäische Parlament gemäß Art. 94 EG-Vertrag konsultieren (Änderungsvorschlag vom 24. April 2009).
5
2.
Transparenzprinzip
26 In der aktuell bestehenden Fassung findet die EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie nur auf natürliche Personen Anwendung. In Fallkonstellationen, in denen eine juristische Person, beispielsweise eine Stiftung, eingesetzt wird, fallen die entsprechenden Zinszahlungen regelmäßig nicht in den Anwendungsbereich der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie. Um in Zukunft mehr Transaktionen durch die EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie zu erfassen, schlägt die Europäische Kommission vor, nun auch Zahlungen an juristische Personen und Rechtsvereinbarungen zu besteuern. Eine umfassende und undifferenzierte Besteuerung aller Verbandspersönlichkeiten sämtlicher Mitgliedsländer und Drittstaaten, wie sie in Option 4 des Begleitdokuments zum Vorschlag für eine Richtlinie der Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/48/EG analysiert worden ist, fand jedoch keine Mehrheit in der Kommission, da es unverhältnismäßig umfangreiche Informationen von Seiten der Steuerbehörden benötigen würde und einen sehr hohen administrativen Aufwand für die Zahlstellen zur Folge hätte. 27 Aus diesen Gründen schlägt die Europäische Kommission die Anwendung eines Transparenzkonzeptes vor, dass auf die bestehenden Daten zurückgreift, die im Rahmen der dritten GeldwäscheRichtlinie (2005/60/EG) erhoben werden. Diese Informationen sollen verwendet werden, um auf den wirtschaftlichen Eigentümer direkt durchgreifen zu können, in dessen Auftrag die Gesellschaft Transaktionen durchführt und der von den Zinszahlungen an die juristische Person letztendlich begünstigt ist. Ist dieser wirtschaftliche Eigentümer als natürliche Person in einem EU-Mitgliedstaat ansässig, so wird die Zinszahlung so behandelt, als wäre sie direkt zu seinen Gunsten ausbezahlt worden. Zur Minimierung des Verwaltungsaufwands für die Zahlstellen und zur einfacheren Identifikation der zu erfassenden Rechtspersönlichkeiten außerhalb der Europäischen Union, schlägt die Kommission die Erstellung einer Liste aller relevanten Institutionen vor, die den Anhang I zur Richtlinie bilden sollen. Von dem Transparenzkonzept sind jedoch Zinszahlungen ausgenommen, die von einer Zahlstelle an andere Wirtschaftsbeteiligte, die ebenfalls innerhalb der EU ansässig sind und auch als Zahlstelle fungieren, geleistet werden. 28 Das Transparenzkonzept ist anzuwenden, wenn eine Zinszahlung an eine Einrichtung oder Rechtsvereinbarung vorgenommen wird oder für diese eingezogen wird, die nicht effektiv besteuert wird und den Ort ihrer Niederlassung oder ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung außerhalb der EU und dem räumlichen Geltungsbereich von Abkommen oder Regelungen, die dieselben Maßnahmen wie diese Richtlinie oder diesen gleichwertige Maßnahmen vorsehen, hat. Gemäß der politischen Einigung vom 02. Dezember 2009 zum Änderungsvorschlag vom 25. November 2009 gilt als effektiv besteuert,7 dass eine Einrichtung oder Rechtsvereinbarung für ihre gesamten Einkünfte oder den Teil ihrer Einkünfte, die ihren gebietsfremden Teilnehmern zuzurechnen ist, einschließlich aller Zins7
288
Ratsdokument 12261/09 FISC 98; Ratsdokument 16140/09 FISC 161; Ratsdokument 16473/1/09 FISC 170; Ratsdokument 16473/1/09 REV 1 ADD 1 FISC 170; Ratsdokument 16473/1/09 REV 1 COR 1 FISC 170.
B.
Das Zinsbesteuerungsabkommen EU/FL
5
zahlungen steuerpflichtig ist. Der Ort der Geschäftsleitung wird in dem neu eingeführten Art. 1a lit. b des Ratsvorschlages8 definiert und ist die Anschrift des Ortes, an dem die wichtigsten geschäftlichen Entscheidungen getroffen werden, die zur Durchführung der gesamten Geschäftstätigkeit der Einrichtung erforderlich sind. Wenn die wichtigsten Entscheidungen in mehr als einem Land oder Rechtssystem getroffen werden, dann gilt als Ort der Geschäftsleitung, die Anschrift des Ortes, an dem die Mehrheit der wichtigsten geschäftlichen Entscheidungen in Bezug auf die den Zinszahlungen zugrundeliegenden Vermögenswerte im Sinne dieser Richtlinie getroffen werden.
3.
Erweiterung des Zinsbegriffs
Das zentrale Ziel der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie ist die Erfassung von grenzüberschreiten- 29 den Zinserträgen. Dadurch ist die Definition von Zinserträgen von zentraler Bedeutung, da nur bei Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals der Anwendungsbereich eröffnet ist. Aktuell ist es daher möglich zum einen durch die Umschichtung in andere Vermögensklassen und zum anderen durch den Einsatz von Finanzinstrumenten wie Zertifikate oder Derivate ein mit Anleihen vergleichbares Rendite/Risikoprofil zu schaffen ohne die Voraussetzungen der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie zu erfüllen. In Bezug auf die allgemeine Definition der zu erfassenden Zinszahlungen hat der Rat der Europä- 30 ischen Union daher eine Erweiterung des Zinsbegriffs vorgenommen. Es wird vorgeschlagen, den Anwendungsbereich zu überarbeiten und die Definition so zu gestalten, dass Zinserträge aus Forderungen und gleichwertigen Wertpapieren berücksichtigt werden. Um eine umfassende Besteuerung aller Erträge aus sämtlichen Wertpapieren zu vermeiden, muss ein Wertpapier folgende Voraussetzungen erfüllen, um in den Anwendungsbereich der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie zu fallen: Q Die Kapitalrendite muss im Vorhinein festgelegt sein. Q Das Risiko des Wertpapiers muss im Durchschnitt dem der Forderungen entsprechen. Als Richtwert wird festgelegt, dass der Anleger mindestens 95% seines eingesetzten Kapitals zurückerhalten muss. Q Es ist unerheblich, ob die Vermögenswerte die dem Wertpapier zugrunde liegen Forderungen umfassen oder nicht. Lebensversicherungserträge sollen von der Richtlinie zur Zinsbesteuerung erfasst werden, wenn in 31 dem Vertrag eine Ertragsrendite garantiert wird oder die tatsächliche Vertragsleistung zu über 40% an Zinsen oder Erträge im Sinne der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie gebunden ist. Als Leistung aus einer Lebensversicherung gilt ein Überschuss eines von einem Lebensversicherer ausgezahlten Beitrages im Rahmen des Lebensversicherungsvertrages. Leistungen in Form einer Rente oder über eine mindestens fünf Jahre zu leistende feste Auszahlungsrate gelten nur dann als Leistung, wenn es sich um eine Rückzahlung oder eine Abtretung an einen Dritten handelt, die vor Ablauf des Fünfjahreszeitraums erfolgt. Ferner gilt ein Beitrag, der ausschließlich wegen Tod, Invalidität oder Krankheit ausgezahlt wird, nicht als Leistung aus einem Lebensversicherungsvertrag.
4.
Zahlstelle kraft Vereinnahmung
Die Definition der Zahlstelle kraft Vereinnahmung wurde im Rahmen der Änderungsvorschläge ge- 32 genüber der bestehenden EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie stark überarbeitet. In Zukunft sollen transparente Einrichtungen, deren Vermögen in ihrem Ansässigkeitsstaat nicht besteuert wird, angehalten werden, die Richtlinie anzuwenden und somit als Zahlstelle zu fungieren, sobald sie Zinszahlun8
Ratsdokument 16473/1/09 REV 1 ADD 1 FISC 170.
289
5
5
5
§5
Das Verhältnis Liechtensteins zur EU
gen zu Gunsten eines wirtschaftlichen Eigentümers, der in einem anderen Mitgliedstaat steuerlich ansässig ist, einnehmen. Es ist dabei unerheblich, ob die Zinszahlung von einem in- oder ausländischen Wirtschaftsbeteiligten getätigt wird. Gemäß Art. 4 Abs. 2 des Änderungsvorschlags handelt es sich um eine Zahlstelle kraft Vereinnahmung, wenn eine Einrichtung oder Rechtsvereinbarung, deren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung sich in einem EU-Mitgliedstaat befindet und die nach den allgemeinen Vorschriften über die direkte Besteuerung entweder dieses Mitgliedstaates oder des Mitgliedstaates, in dem sich der Ort ihrer Niederlassung befindet nicht effektiv besteuert wird. 33 Ausnahmen von dieser Regelung bilden Investmentfonds, die durch die Bestimmungen von Art. 6 EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie abgedeckt sind, Pensionsfonds, Lebensversicherungen und karitative Einrichtungen. Des Weiteren sind auch Zinszahlungen von Wirtschaftsbeteiligten an gemeinsames wirtschaftliches Eigentum ausgenommen, sofern der Wirtschaftsbeteiligte alle wirtschaftlichen Eigentümer identifiziert hat. Die wahlweise Behandlung als OGAW im Sinne des bestehenden Reglements gemäß Art. 4 Abs. 3 EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie, soll laut dem Änderungsvorschlag abgeändert werden, indem nur noch Einrichtungen diese Möglichkeit haben, sofern der wirtschaftliche Eigentümer zum Zeitpunkt der Zahlung nicht ermittelbar ist. 34 Um eine Gleichbehandlung von solchen zwischengeschalteten Institutionen auf europäischer Ebene zu gewährleisten, wird vorgesehen eine positiv Liste als Anhang III zu erstellen, in der sämtliche Rechtsformen angeführt sind, die als „Zahlstelle kraft Vereinnahmung“ zu handeln haben. Diese Liste wird fortlaufend aktualisiert, hat jedoch nur einen hinweisenden Charakter, da die Mitgliedstaaten weiterhin in erster Linie dafür verantwortlich sind, dass auch nicht aufgelistete Einrichtungen als Zahlstellen handeln und somit ihren Verpflichtungen und Vereinbarungen nachkommen. 35 Die Prüfungsreihenfolge für die Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentümers ergibt sich aus Art. 2 Abs. 4 des Ratsvorschlages. Als wirtschaftlicher Eigentümer gilt jede natürliche Person mit Berechtigung zur Vereinnahmung der Erträge, wenn die Einrichtung oder Rechtsvereinbarung die Zahlung vereinnahmt oder die Zahlung zu ihren Gunsten erfolgt, und dies anteilig entsprechend ihrem jeweiligen Anspruch auf diese Erträge. Wenn keine natürliche Person einen entsprechenden Anspruch hat, jede natürliche Person, die mittelbar oder unmittelbar einen Beitrag zu den Vermögenswerten der betreffenden Einrichtung oder Rechtsvereinbarung geleistet hat, unabhängig davon, ob diese natürliche Person Anspruch auf die Vermögenswerte oder die Einkünfte der Einrichtung oder Rechtsvereinbarung hat. Dies wäre beispielsweise bei einer Stiftung der Stifter. In Ermangelung solcher natürlichen Personen, jede natürliche Person, die zu einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf die gesamten oder einen Teil der Vermögenswerte hat, aus denen die Zinszahlung erwächst. Der Gesamtbetrag, der als einer solchen natürlichen Person zugeflossen gilt, übersteigt nicht die Höhe der von der Einrichtung oder Rechtsvereinbarung vereinnahmten oder eingezogenen Zinszahlung nach Abzug derjenigen Teile, die einer natürlichen Person nach den zuvor genannten Kriterien zugerechnet worden sind. C.
C.
Schengen/Dublin
I.
Hintergrund zu Schengen/Dublin
36 Unter „Schengen“ wird in diesem Zusammenhang das Schengener Übereinkommen von 1985 sowie das Schengener Durchführungsübereinkommen von 1990 verstanden. Diese sind Ausfluss des Zieles zur Verwirklichung der Personenverkehrsfreizügigkeit und sollen einen Raum ohne Gren-
290
C. Schengen/Dublin
5
zen schaffen. Mit dem Inkrafttreten des Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) im Jahr 1995 konnten die Binnengrenzen zwischen den Abkommensstaaten aufgehoben werden eine einzige Aussengrenze wurde geschaffen. Unter „Dublin“ wird Dubliner Übereinkommen (DÜ) vom 15. Juni 1990 verstanden. Dieses bildet 37 eine separate Rechtsgrundlage für Zuständigkeit bei Asylgesuchen.
II.
Form der Assoziierung Liechtensteins
Die Assoziierung Liechtensteins zu „Schengen“ und „Dublin“ erfolgt in Form von Protokollen 38 zum jeweiligen Assoziierungsabkommen der Schweiz.9 Das Assoziierungsprotokoll zu Schengen10 beinhaltet die Assoziierung Liechtensteins zum so genannten Schengen-Acquis und das Assoziierungsprotokoll zu Dublin11 beinhaltet die europäische Zusammenarbeit im Asylbereich. Gemäß dem Bericht und Antrag betreffend die Protokolle zur Assozierung Liechtensteins an die Systeme von Schengen und Dublin unterscheidet sich die liechtensteinische Stellung durch diese Form der Assozierung nicht von derjenigen der anderen assoziierten Staaten wie Norwegen, Island und der Schweiz. Die Protokolle sehen zudem eine institutionelle und inhaltliche Gleichstellung Liechtensteins mit diesen Staaten vor.
III.
Rechtshilfe im Steuerbereich
Im Rahmen der Assoziierung Liechtensteins zu Schengen und Dublin verpflichtet sich Liechtenstein 39 bei den direkten und indirekten Steuern in Betrugsfällen, jedoch nicht bei der Steuerhinterziehung, uneingeschränkt Rechtshilfe zu leisten. Hierbei richten sich die Definitionen von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung nach den liechtensteinischen Rechtsvorschriften, da Art. 51 SDÜ (Verweigerungsmöglichkeiten bei Ersuchen um Durchsuchungen und Beschlagnahme) den Grundsatz der doppelten Strafbarkeit vorsieht. In Liechtenstein liegt ein Steuerbetrug vor, wenn jemand eine Steuerhinterziehung durch den vor- 40 sätzlichen Gebrauch falscher, verfälschter, inhaltlich unwahrer Geschäftsbücher oder anderer Urkunden begeht. Ein Steuerbetrug unterscheidet sich somit von der Steuerhinterziehung in der Art, dass er mit qualifizierten Mitteln, nämlich mit Urkunden begangen wird, die gefälscht oder verfälscht sind bzw. erhebliche Tatsachen unrichtig oder unvollständig wiedergeben.
9
Im Einklang mit Artikel 16 des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands tritt das Fürstentum Liechtenstein dem Assoziierungsabkommen zu bei. 10 Protokoll zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands. 11 Protokoll zwischen der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedsstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags.
291
5
5
§5
IV.
Das Verhältnis Liechtensteins zur EU
Inkrafttreten
41 Am 14. Januar 2009 hat das Fürstentum Liechtenstein in Brüssel die Ratifikation der Protokolle zur liechtensteinischen Assoziierung an die Systeme von Schengen und Dublin offiziell notifiziert und die entsprechenden Ratifikationsdokumente hinterlegt. Die Abkommen wurden am 28. Februar 2008 in Brüssel unterzeichnet. Für das Inkrafttreten steht jedoch noch die Ratifikation durch die Mitgliedstaaten der EU aus. Diese verknüpfen jedoch die Assoziierung Liechtensteins an die Systeme von Schengen und Dublin mit dem Abschluss eines Abkommens über die Bekämpfung von Betrug. Hierunter wird das sogenannte Betrugsbekämpfungsabkommen verstanden, dass im nächsten Abschnitt dargestellt wird.
5 D.
D.
Das geplante Betrugsbekämpfungsabkommen EU/FL
I.
Hintergrund
1.
Ausgangslage
42 Am 7. November 2006 wurde die Europäische Kommission durch den Rat der Europäischen Union ermächtigt Verhandlungen über ein Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Fürstentum Liechtenstein andererseits zur Bekämpfung von Betrug mit Liechtenstein aufzunehmen. Am 27. Juni 2008 waren die Verhandlungen weitgehend abgeschlossen.12 Die zu diesem Zeitpunkt erzielte Einigung zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Europäischen Kommission wurde jedoch von einzelnen EUMitgliedstaaten abgelehnt, da ihnen die vereinbarte Zusammenarbeit nicht umfassend genug war.13 Die Europäische Kommission erhielt in der Folge ein neues Verhandlungsmandat und der Rat der „Wirtschaft und Finanzen“ hat in seinen Schlussfolgerungen vom 10. Februar 2009 festgelegt, dass in dem Abkommen zwischen der Europäischen Union und Liechtenstein Verpflichtungen aufzunehmen sind, deren Umfang mindestens mit den Verpflichtungen vergleichbar sind, die Liechtenstein mit Drittländern vereinbart hat.14 Hiermit ist das Steuerinformationsabkommen zwischen Liechtenstein und den USA vom 8. Dezember 2008 gemeint. Ab diesem Zeitpunkt wandelte sich der Charakter dieses Betrugsbekämpfungsabkommen von einem reinen Rechtshilfeabkommen zu einem Abkommen, dass die Gewährung von Amtshilfe vergleichbar dem Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen15 sowie Rechtshilfe gewährt. 16 Der hier dargestellte Abkommensentwurf ist vom 8. März 2010 und stellt den aktuellen Schlusspunkt dieser Entwicklung dar.17
12 13 14 15
Vgl. Gnaedinger, TNI 2008, S. 412. Vgl. Marxer & Partner, Liechtensteinisches Wirtschaftsrecht, 2009, S. 186. Vgl. Ratsdokument 16990/09, S. 3. Das Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen und der zugehörige Musterkommentar wurden am 18. April 2002 durch den Steuerausschuss der OECD beschlossen und veröffentlicht. 16 Vgl. Gey, LJZ 2009, S. 36. 17 Ratsdokument 16990/2/09 REV 2.
292
D.
2.
Das geplante Betrugsbekämpfungsabkommen EU/FL
5
Anwendungsbereich
Das Ziel des Betrugsbekämpfungsabkommen EU/FL18 (BBA EU/FL) ist es, die Amts- und Rechts- 43 hilfe zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Fürstentum Liechtenstein andererseits auszudehnen, um Betrug und sonstige rechtswidrige Handlungen zu bekämpfen und die Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien durch den Austausch von Informationen, die für die Festlegung, Veranlagung, Vollstreckung oder Erhebung von unter dieses Abkommen fallenden Steuern voraussichtlich erheblich sind, zu gewährleisten. Unter rechtswidrigen Handlungen werden Handlungen verstanden, welche die jeweiligen finanziel- 44 len Interessen der Vertragsparteien beeinträchtigen, betreffend Q den Warenverkehr, der gegen zoll- und agrarrechtliche Vorschriften verstößt; Q den Handel, der gegen Vorschriften betreffend die indirekten Steuern verstößt; Q die Vereinnahmung oder Zurückbehaltung von Mitteln – einschließlich der Verwendung dieser Mittel für andere als die Zwecke, für die sie ursprünglich bewilligt wurden –, die aus dem Haushalt der Vertragsparteien oder aus Haushalten stammen, die von ihnen oder für ihre Rechnung verwaltet werden, zum Beispiel Finanzhilfen und Erstattungen; Q die Verfahren für die von den Vertragsparteien vergebenen Aufträge.19
II.
Amtshilfe
1.
Umfang der Amtshilfe
Die Verwaltungszusammenarbeit erstreckt sich auf den Austausch von Informationen, die für die 45 Anwendung und Durchsetzung des jeweiligen innerstaatlichen Rechts betreffend direkte und indirekte Steuern voraussichtlich erheblich sind. Hierzu zählen auch die Informationen, die für die Festsetzung und Erhebung sowie für die Beitreibung und Vollstreckung dieser Steuern oder für Ermittlungen bzw. Strafverfolgungsmaßnahmen in Steuersachen voraussichtlich erheblich sind. Während beispielsweise das Steuerinformationsabkommen zwischen Deutschland und Liechten- 46 stein eine abschließende Auflistung über die unter das Abkommen fallenden Steuerarten enthält, sieht das BBA EU/FL eine vollumfängliche Erfassung von direkten und indirekten Steuern vor. Als „indirekte Steuern“ gelten nach Art. 2 Abs. 4 lit. c BBA EU/FL indirekte Steuern jeder Art und Beschreibung, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens erhoben werden, einschließlich Zölle, Mehrwertsteuer, besondere Verbrauchssteuern und Verbrauchssteuern. Unter direkten Steuern werden nach Art. 2 Abs. 4 lit. e BBA EU/FL direkte Steuern jeder Art und Beschreibung, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens erhoben werden, unabhängig von der Erhebungsform, einschließlich Einkommens-, Gewinn- und Vermögenssteuer sowie Steuern auf Reinvermögen und Erbschafts-, Nachlass- und Schenkungssteuern, die von den Vertragsparteien oder Gebietskörperschaften oder Gemeinden der Vertragsparteien oder in deren Namen erhoben werden. Ferner gilt dieses Abkommen auch für alle Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die nach Unterzeichnung des Abkommens zusätzlich zu den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden. 18 Abkommens über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Fürstentum Liechtenstein andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen, und zur Sicherstellung des Informationsaustauschs in Steuersachen. 19 Art. 2 Abs. 1 lit. a BBA EU/FL.
293
5
5
§5
2.
5
Das Verhältnis Liechtensteins zur EU
Amtshilfe auf Ersuchen
47 Der Umfang der zu leistenden Amtshilfe wird in Art. 8 BBA EU/FL festgelegt. Demnach leisten die Vertragsparteien einander Amtshilfe durch den Austausch von Informationen in Bezug auf die unter dieses Abkommen fallenden Steuern und durch entsprechende Ermittlungen. In Fällen, in denen Ermittlungsverfahren in Strafsachen von einer Justizbehörde oder unter ihrer Leitung durchgeführt wird, so kann diese Behörde nach Art. 8 Abs. 3 BBA EU/FL entscheiden, ob die betreffenden Auskünfte auf Basis der Amtshilfe- oder der Rechtshilfevorschriften ersucht werden. Hierdurch entsteht ein Wahlrecht der Justizbehörden, ob die Voraussetzungen der Amts- oder Rechtshilfe beachtet werden müssen. 48 Zentrales Element der Amtshilfe ist das Auskunftsersuchen.20 Die Beschaffung und Übermittlung von Informationen nach diesem Abkommen erfolgt unabhängig davon, ob die ersuchte Vertragspartei die Informationen für ihre eigenen Zwecke benötigt oder ob die Handlung, die Gegenstand der Ermittlungen ist, nach den Rechtsvorschriften der ersuchten Vertragspartei einen Straftatbestand erfüllen würde, wenn diese Handlung im Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei begangen worden wäre. Ferner muss die ersuchte Vertragspartei sicherstellen, dass sie die Befugnis hat, auch Informationen zu beschaffen, die sich im Besitz von Banken, anderen Finanzinstituten oder Personen, einschließlich Bevollmächtigter und Treuhänder, die als Agent oder in treuhänderischer Eigenschaft handeln, befinden. Auch muss gewährleistet sein, dass die ersuchte Vertragspartei Informationen bereitstellen kann, welche die Eigentumsverhältnisse von Rechtsträgern, einschließlich Informationen über alle Personen in einer Kette von Eigentümern betreffen. Bei Personengesellschaften müssen Informationen über die Identität der Mitglieder der Personengesellschaften erteilt werden. Bei Trusts sind insbesondere Informationen über die Trust-Geber, Treuhänder, Begünstigten und Schirmherren sowie bei Stiftungen Informationen über die Stifter, Mitglieder des Stiftungsrats und Begünstigten zu erteilen. 49 Neben der Möglichkeit ein Auskunftsersuchen zu stellen, kann die ersuchende Vertragspartei auch ein Ermittlungsersuchen gemäß Art. 17 BBA EU/FL stellen. Auf Ersuchen der ersuchenden Vertragspartei werden von der ersuchten Vertragspartei zweckdienliche verwaltungsrechtliche Ermittlungen durchgeführt oder veranlasst. Die ersuchte Vertragspartei muss dabei alle Ermittlungsmittel nutzen, die ihr nach ihrer Rechtsordnung zur Verfügung stehen. Sie hat dabei so vorzugehen, als ob sie in Erfüllung eigener Aufgaben oder auf Ersuchen einer anderen Behörde der eigenen Vertragspartei handeln würde. In einer gemeinsamen Erklärung haben sich die Vertragsparteien geeinigt, dass der Begriff Ermittlungsmittel die Vernehmung von Personen, die Inaugenscheinnahme und Durchsuchung von Räumlichkeiten und Beförderungsmitteln, das Kopieren von Unterlagen, Ersuchen um Auskunft und die Beschlagnahme von Gegenständen, Unterlagen und Vermögenswerten einschließt. 50 Darüber hinaus ist die ersuchte Vertragspartei dazu verpflichtet, dass sie die Amtshilfe auf alle Umstände, Gegenstände und Personen ausdehnt, die in einem offensichtlichen Zusammenhang mit dem Gegenstand des Amtshilfeersuchens stehen, ohne dass ein ergänzendes Ersuchen erforderlich ist. Das bedeutet, dass Liechtenstein in solchen Konstellationen die Gewährung von Amtshilfe nicht auf ein spezifiziertes Ersuchen beschränkt, sondern hier sind sogar Ansätze und Verpflichtungen zur Gewährung von spontaner Amtshilfe verankert. 51 Die Anforderungen an ein Amtshilfeersuchen entsprechen weitgehend den Voraussetzungen im Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen. Ein Auskunftsersuchen nach Art. 20a BBA EU/FL ist möglichst detailliert abzufassen und muss die folgenden schriftlichen Angaben enthalten: 20 Art. 14 Abs. 1 BBA EU/FL.
294
D.
Das geplante Betrugsbekämpfungsabkommen EU/FL
a) die Identität der Person, der die Untersuchung oder Ermittlung gilt; b) den Zeitraum, für den die Informationen erbeten werden; c) die Art der erbetenen Informationen und die Form, in der die Informationen der ersuchenden Vertragspartei vorzugsweise zur Verfügung zu stellen sind; d) die Angelegenheit nach dem Recht der ersuchenden Vertragspartei, in Bezug auf die um die Informationen ersucht wird; e) die Gründe für die Annahme, dass die erbetenen Informationen für die Steuerverwaltung und -erhebung der ersuchenden Vertragspartei in Bezug auf die unter Buchstabe a bezeichnete Person voraussichtlich erheblich sind; f) die Gründe für die Annahme, dass die erbetenen Informationen der ersuchten Vertragspartei vorliegen oder sich im Besitz oder unter der Kontrolle einer Person im Hoheitsbereich der ersuchten Vertragspartei befinden; g) den Namen und die Anschrift von Personen, soweit bekannt, in deren Besitz oder unter deren Kontrolle sich die erbetenen Informationen vermutlich befinden; h) eine Erklärung, wonach die ersuchende Vertragspartei die erbetenen Informationen einholen und zur Verfügung stellen könnte, falls die ersuchte Vertragspartei ein vergleichbares Ersuchen stellen würde; i) eine Erklärung, wonach die ersuchende Vertragspartei alle angemessenen, ihr im eigenen Hoheitsgebiet zur Verfügung stehenden Mittel zur Einholung der Informationen ausgeschöpft hat, ausgenommen. Die hierzu getroffene Erklärung stellt ein Novum in der liechtensteinischen Abkommenspolitik dar 52 und findet sich in keinem der bisher von Liechtenstein abgeschlossenen Steuerinformationsabkommen.21 Die Vertragsparteien kommen darin überein, dass der Kommentar zum OECD Musterabkommen zum Informationsaustausch in Steuersachen maßgeblich für die Auslegung dieses Artikels sein soll. Dies bedeutet, dass die lit. a bis i, die gewährleisten sollen, dass es nicht zu „Fishing Expeditions“ kommt, großzügig auszulegen sind, damit ein effektiver Informationsaustausch nicht behindert wird. Insbesondere in Fällen, in denen eine Vertragspartei um Kontoinformationen ersucht, die Identität des Kontoinhabers jedoch nicht bekannt ist, kann das Erfordernis nach Art. 20a lit. a BBA FL/EU dadurch erfüllt werden, dass die Kontonummer oder entsprechende Identifizierungsinformationen mitgeteilt werden. Obwohl die praktische Bedeutung dieses Beispiels voraussichtlich eher von untergeordneter Rolle sein wird, da es sich hierbei nur um ein Tatbestandsmerkmal der kumulativ zur erfüllenden Anforderungen an ein Auskunftsersuchen handelt, stellt dies ein weiteres Zeichen für den Öffnungsprozess Liechtensteins dar.
3.
Besondere Formen der Zusammenarbeit
Art. 23 BBA EU/FL ermöglicht den Vertragsparteien gemeinsame Sonderermittlungsteams mit Sitz 53 in einer Vertragspartei zu gründen. Diese Ermittlungsteams sollen schwierige Ermittlungen durchführen, die den Einsatz erheblicher Mittel erfordern. Die Teilnahme an einem solchen Team verleiht den ihm angehörenden Vertretern der Behörden der beteiligten Vertragsparteien jedoch nicht die Befugnis, im Gebiet der Vertragspartei tätig zu werden, in dem die Ermittlungen durchgeführt
21 Liechtenstein hat bislang Steuerinformationsabkommen mit den USA, dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Andorra, Monaco, Frankreich, St. Vincent and the Grenadines, Irland, Belgien, Niederlande, Antigua, St. Kitts und Nevis, Dänemark, den Färöer-Inseln, Finnland, Grönland, Island , Norwegen und Schweden abgeschlossen.
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5
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§5
Das Verhältnis Liechtensteins zur EU
werden. Ferner regelt das Abkommen, dass die Vertragspartei zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet ist, wenn deren Beamte im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei tätig werden und dabei einen Schaden verursachen.
4.
5
Beitreibung
54 Art. 24 Abs. 1 BBA EU/FL verpflichtet die Vertragsparteien zur Beitreibung von ausländischen Steuerforderungen. Auf Ersuchen der ersuchenden Vertragspartei muss die ersuchte Vertragspartei in den Anwendungsbereich dieses Abkommens fallende Forderungen derart beitreiben, als ob es ihre eigenen wären. Im Vergleich zur Beitreibungsrichtlinie22 ist diese Norm sehr allgemein gehalten. Die Absätze 2 und 3 regeln den organisatorischen Ablauf des Beitreibungsverfahrens. So ist dem Ersuchen um Beitreibung einer Forderung eine amtliche Ausfertigung oder eine beglaubigte Kopie des von der ersuchenden Vertragspartei erlassenen Vollstreckungstitels und gegebenenfalls das Original oder eine beglaubigte Kopie sonstiger für die Beitreibung erforderlicher Unterlagen beizufügen. Nach der erfolgreichen Beitreibung der Forderung übermittelt die Behörde der ersuchten Vertragspartei der Behörde der ersuchenden Vertragspartei den Betrag der von ihr beigetriebenen Forderung. Im Einvernehmen mit der ersuchenden Vertragspartei kann sie von diesem Betrag den prozentualen Anteil abziehen, der den ihr entstandenen Verwaltungskosten entspricht.
III.
Rechtshilfe
1.
Anwendungsbereich
55 Art. 26 BBA EU/FL kodifiziert die Fälle, wann Rechtshilfe unter diesem Abkommen gewährt wird. Dies ist insbesondere daher so bedeutend, da die Rechtshilfe die Vertragsparteien zu einem umfassenderen Auskunftsaustausch verpflichtet. Rechtshilfe wird gewährt Q in Verfahren wegen Handlungen, die nach dem nationalen Recht einer oder beider Vertragsparteien als Zuwiderhandlungen gegen Ordnungsvorschriften durch Behörden geahndet werden, gegen deren Entscheidung ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann; Q in Zivilsachen, die mit einer Strafklage verbunden sind, solange das Strafgericht noch nicht endgültig über die Strafklage entschieden hat; Q in Verfahren wegen Taten oder Straftaten, die die Haftung einer juristischen Person der ersuchenden Vertragspartei begründen können. 56 Darüber hinaus wird Rechtshilfe gewährt für die Zwecke von Untersuchungen und Verfahren zur Beschlagnahme und Einziehung der Erträge aus diesen Straftaten und der zu ihrer Begehung verwendeten Mittel.
2.
Zustellung
57 Die Form und die Vorgehensweise bei der Übermittlung von Verfahrensunterlagen wird in Art. 28 BBA EU/FL geregelt. So werden die Verfahrensunterlagen in der Regel direkt durch die Post an die Personen, die sich im Gebiet der anderen Vertragspartei aufhalten, übersendet. Die Behörde 22 Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen.
296
D.
Das geplante Betrugsbekämpfungsabkommen EU/FL
5
der übersendenden Vertragspartei muss den Empfänger darauf hinweisen, dass Zwangsmaßnahmen oder Sanktionen im Gebiet der anderen Vertragspartei nicht direkt von ihr angewandt werden können. Den Verfahrensunterlagen ist ferner ein Vermerk beizufügen, in dem der Empfänger darauf hingewiesen wird, dass er sich bei der in dem Vermerk angegebenen Behörde über seine Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit den Unterlagen informieren kann.
3.
Durchsuchung und Beschlagnahme
Art. 31 BBA EU/FL verpflichtet die Vertragsparteien, dass Sie die Zulässigkeit von Rechtshilfeer- 58 suchen um Durchsuchungen und Beschlagnahmen nur von den folgenden Bedingungen abhängig machen: Erstens muss, die dem Rechtshilfeersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht beider Vertragsparteien mit einer Freiheitsstrafe oder die Freiheit beschränkenden Maßregel der Besserung und Sicherung im Höchstmaß von mindestens sechs Monaten bedroht sein oder sie ist nach dem Recht einer der beiden Vertragsparteien mit einer Sanktion des gleichen Höchstmaßes bedroht und wird nach dem Recht der anderen Vertragspartei als Zuwiderhandlung gegen Ordnungsvorschriften durch Behörden geahndet, gegen deren Entscheidung ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann. Zweitens muss die Erledigung des Rechtshilfeersuchens mit dem Recht der ersuchten Vertragspartei vereinbar sein.
4.
Ersuchen um Bank- und Finanzauskünfte
Wenn die Voraussetzungen zur Durchsuchung und Beschlagnahme vorliegen, dann ist die ersuchte 59 Vertragspartei ferner gemäß Art. 32 BBA EU/FL verpflichtet im Rahmen der Rechtshilfe Bank- und Finanzauskünfte zu erteilen. Dies schließt auch die die Ermittlung von Bankkonten bei in ihrem Gebiet niedergelassenen Banken, deren Inhaber oder Bevollmächtigte die Personen sind, gegen die ermittelt wird, oder über die diese Personen die Kontrolle ausüben, und der Informationen über diese Bankkonten ein. Soweit dies nach ihrem Strafprozessrecht in entsprechenden innerstaatlichen Fällen zulässig ist, kann die ersuchte Vertragspartei anordnen, dass die von, nach oder über die Bankkonten oder von bestimmten Personen getätigten Bankgeschäfte während eines genau bestimmten Zeitraums überwacht und die Ergebnisse der ersuchenden Vertragspartei mitgeteilt werden. Der Beschluss über die Überwachung der Geschäfte und die Mitteilung der Ergebnisse ist in jedem Einzelfall von den zuständigen Behörden der ersuchten Vertragspartei zu fassen und muss mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften dieser Vertragspartei im Einklang stehen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Vertragsparteien verpflichtet sind, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Finanzinstitute weder dem betroffenen Kunden noch Dritten mitteilen, dass auf Ersuchen der ersuchenden Vertragspartei Maßnahmen durchgeführt werden oder dass Ermittlungen im Gange sind, solange dies erforderlich ist, um ihr Ergebnis nicht zu gefährden. Folglich wird die ersuchte Vertragspartei verpflichtet alle inländischen Banken zu kontaktieren, um 60 herauszufinden, ob die Person, gegen die ermittelt wird, ein Konto dort besitzt. Bei diesen Ermittlungen wird die ersuchte Vertragspartei jedoch insofern durch die die ersuchende Vertragspartei unterstützt, da diese dazu verpflichtet ist, dass Q sie die Gründe angibt, aus denen sie der Ansicht ist, dass die erbetenen Auskünfte wahrscheinlich von großem Wert für die Untersuchung des betreffenden Delikts sind; Q sie die Gründe angibt, aus welchen Gründen sie vermutet, dass Banken in der ersuchten Vertragspartei die betreffenden Konten unterhalten und teilt – soweit möglich – mit, um welche Banken es sich dabei handeln könnte; 297
5
5
§5
Das Verhältnis Liechtensteins zur EU
sie sämtliche verfügbaren Informationen mitteilt, die die Erledigung des Ersuchens erleichtern können. 61 Keinen alleinigen Ablehnungsgrund stellt ebenso wie bei der Amtshilfe die Tatsache dar, dass sich die betreffenden Informationen im Besitz einer Bank, eines anderen Finanzinstituts, eines Bevollmächtigten oder einer Person, die als Agent oder Treuhänder auftritt, befinden oder dass sie sich auf eine Beteiligung an einer Person beziehen oder dass sie selbst kein Interesse an diesen Informationen hat. Q
IV. 5
Inkrafttreten
62 Die Tatsache, dass das Betrugsbekämpfungsabkommen ein Bestandteil einer Gesamtstrategie der EU darstellt, wird insbesondere auch bei den Regelungen zum Inkrafttreten dieses Abkommens deutlich. Grundsätzlich tritt das Betrugsbekämpfungsabkommen EU/FL am ersten Tag des zweiten Monats nach dem Tag in Kraft, an dem die letzte Ratifikations- oder Genehmigungsurkunde notifiziert wird. 63 Spezifische Teile des Abkommens sollen jedoch bereits nach der Unterzeichnung des Abkommens vorläufig angewendet werden können. Konkret geht es hierbei insbesondere um die Erteilung von Amtshilfe im Hinblick auf steuerpflichtige Zinserträge im Sinne des am 7. Dezember 2004 unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates über die Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind. E.
E.
Exkurs: EuGH Rechtsprechung zur Rs. Rimbaud
I.
Ausgangsfall
64 Dem Urteil in der Rs. Établissements Rimbaud SA vom 28. Oktober 201023 liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Die juristische Person Rimbaud, die ihren Gesellschaftssitz in Liechtenstein hat, besitzt eine Immobilie in Frankreich. Gemäß Art. 990 D ff. des französischen Code général des impôts (Allgemeines Steuergesetzbuch, im Folgenden: CGI) haben juristische Personen, die direkt oder über eine andere Person eine oder mehrere in Frankreich belegene Immobilien besitzen oder Inhaber dinglicher Rechte an solchen Grundstücken sind, darauf eine jährliche Steuer in Höhe von 3% des Verkehrswerts dieser Immobilien oder Rechte zu entrichten. Diese Bestimmung findet unabhängig von der Zahl der beteiligten juristischen Personen Anwendung. Es ist unstrittig, dass Rimbaud grundsätzlich dieser Steuer unterlag. 65 Das französische Steuergesetzbuch sieht jedoch eine Befreiung von dieser Steuer vor, wenn juristische Personen, deren Sitz sich in einem Land oder Gebiet befindet, das mit Frankreich ein Amtshilfeabkommen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht geschlossen hat, und die spätestens zum 15. Mai jedes Jahres der Stelle, die durch die in Art. 990 F CGI genannte Verordnung festgelegt wurde, Lage, Zusammensetzung und Wert der am 1. Januar in ihrem Besitz stehenden Immobilien, Identität und Anschrift ihrer Mitglieder zu diesem Zeitpunkt sowie die Anzahl der den einzelnen Mitgliedern zustehenden Anteile angeben. Fraglich war in dem vorliegenden Urteil, ob die entsprechende Steuerbefreiung auf Rimbaud Anwendung findet. 23 C-72/09.
298
E.
Exkurs: EuGH Rechtsprechung zur Rs. Rimbaud
5
Die französische Finanzverwaltung führte zunächst für die Jahre 1988 bis 1997 und sodann für 66 die Jahre 1998 bis 2000 die Beitreibung der betreffenden Steuer bei Rimbaud durch. Gegen diese Beitreibung legte Rimbaud mit Verweis auf die oben dargestellte Steuerbefreiung Einspruch ein. Nach Zurückweisung ihrer Einsprüche erhob Rimbaud Klage gegen die französische Steuerbehörde. Nachdem die Cour d’appel Aix-en-Provence am 20. September 2005 ein Urteil zu Ungunsten von Rimbaud erlassen hatte, legte Rimbaud bei der Cour de cassation Rechtsmittel ein. Die Cour de cassation hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
II.
Die Entscheidung des EuGH
1.
Vorlagefrage
5
Das französische Gericht wollte in Erfahrung bringen, ob Art. 40 des EWR-Abkommens dahin aus- 67 zulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach Gesellschaften mit satzungsmäßigem Sitz im Gebiet eines Mitgliedstaats von der streitigen Steuer befreit sind, während diese Befreiung für eine Gesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz im Gebiet eines zum Europäischen Wirtschaftsraum gehörenden Drittstaats vom Bestehen eines zwischen dem genannten EU-Mitgliedstaat und diesem Drittstaat zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht geschlossenen Amtshilfeabkommens oder davon abhängig ist, dass diese juristischen Personen aufgrund eines Staatsvertrags, der eine Bestimmung über ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthält, keiner höheren Besteuerung unterworfen werden dürfen als in diesem EU-Mitgliedstaat ansässige Gesellschaften.
2.
Rechtliche Würdigung
Bevor das Gericht den Sachverhalt rechtlich würdigte, stellte es fest, dass die Auslegung des Art. 40 68 EWR-Abkommen nur für die Fälle maßgeblich ist, die nach dem Inkrafttreten des Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum verwirklicht wurden.24 Ferner wies das Gericht vorab daraufhin, dass die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung vom Gerichtshof bereits im Urteil vom 11. Oktober 2007, ELISA25, im Hinblick auf die Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern26 (im Folgenden: Richtlinie 77/799) und auf Art. 63 AEUV geprüft worden ist. Im ersten Schritt prüfte das Gericht, ob im vorliegenden Sachverhalt ein Anwendungsfall der Kapi- 69 talverkehrsfreiheit vorliegt. Dabei kam das Gericht zu dem Schluss, dass Rimbaud Investitionen in Immobilien in Frankreich getätigt hat und eine solche grenzüberschreitende Investition stellt eine Kapitalbewegung im Sinne der Nomenklatur für den Kapitalverkehr dar. Folglich sind die Bestimmungen von Art. 40 und Anhang XII des EWR-Abkommens hier anzuwenden. Aus Art. 40 des EWR-Abkommens ergibt sich, dass die Regeln, nach denen Beschränkungen des 70 Kapitalverkehrs und die dadurch bewirkte Diskriminierung untersagt sind, in den Beziehungen zwischen den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens – unabhängig davon, ob es sich um Mitglieder der Union oder der EFTA handelt – mit denen identisch sind, die das Unionsrecht für die Beziehungen 24 Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum ist für das Fürstentum Liechtenstein am 1. Mai 1995 in Kraft getreten. 25 C-451/05, Slg. 2007, I-8251. 26 ABl. L 336, S. 15.
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5
§5
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5 72
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75
Das Verhältnis Liechtensteins zur EU
zwischen den EU-Mitgliedstaaten aufstellt. Sind Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs zwischen Staatsangehörigen von Vertragsstaaten des EWR-Abkommens anhand von Art. 40 und Anhang XII des EWR-Abkommens zu beurteilen, haben diese Vorschriften folglich dieselbe rechtliche Tragweite wie die Bestimmungen des Art. 63 AEUV. Mit Verweis auf die Feststellungen im Urteil ELISA bejahte das Gericht hier ein Vorliegen einer Beschränkung des Kapitalverkehrs. Im Anschluss an diese Feststellung prüfte das Gericht die Voraussetzungen für die Befreiung von der streitigen Steuer. Diese Befreiung wird im vorliegenden Fall vom Abschluss eines Amtshilfeabkommens oder eines Staatsvertrags zwischen der Französischen Republik und dem Fürstentum Liechtenstein abhängig gemacht. Diesbezüglich stellte das Gericht fest, dass die Französische Republik und das Fürstentum Liechtenstein bis heute kein entsprechendes Amtshilfeabkommen oder maßgeblichen Staatsvertrag unterzeichnet haben, nach dem die betroffenen juristischen Personen keiner höheren Besteuerung unterworfen werden dürften als juristische Personen mit Gesellschaftssitz in Frankreich. Die Feststellung, dass bis heute kein entsprechendes Amtshilfeabkommen abgeschlossen wurde, sei hier besonders hervorzuheben. Denn am 22. September 2009, also 13 Monate vor dieser Entscheidung, hat die Regierung des Fürstentums Liechtenstein und die Regierung der Republik Frankreich ein Abkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen abgeschlossen. Das Fehlen eines entsprechenden Abkommens bzw. Vertrages führt dazu, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Befreiung von der streitigen Steuer, somit automatisch gebietsfremde, in Liechtenstein ansässige Gesellschaften von der Befreiung ausschließt und damit werden Investitionen in Immobilien in Frankreich für diese Gesellschaften weniger attraktiv. Folglich stellt diese Regelung für juristische Personen eine Beschränkung des Grundsatzes des freien Kapitalverkehrs dar, die nach Art. 40 des EWR-Abkommens ebenso wie nach Art. 63 AEUV grundsätzlich verboten ist. Als Rechtfertigung führt die französische Regierung aus, dass die streitige Steuer zum Ziel habe, die ihr unterliegenden Steuerpflichtigen davon abzubringen, sich der Besteuerung dadurch zu entziehen, dass sie in Staaten, die mit der Französischen Republik kein Abkommen mit einer Amtshilfebestimmung zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht geschlossen hätten, Gesellschaften gründeten, die Eigentümer von in Frankreich belegenen Grundstücken würden. Das maßgebliche Kriterium für eine Steuerbefreiung sei, dass sichergestellt sei, dass die französische Steuerverwaltung von ausländischen Steuerbehörden auf unmittelbarem Weg alle Auskünfte verlangen könne, die sie für einen Abgleich zwischen den Erklärungen gemäß Art. 990 E CGI von Gesellschaften, die Eigentumsrechte oder andere dingliche Rechte an in Frankreich belegenen Immobilien innehätten, und den Erklärungen natürlicher Personen mit steuerlichem Wohnsitz in Frankreich über ihre der Steuer unterliegenden Immobilien benötige. Zu den Rechtfertigungsgründen der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und der Notwendigkeit der Wahrung der Wirksamkeit von Steuerprüfungen führt das Gericht aus, dass eine Beschränkung des Kapitalverkehrs grundsätzlich nur insoweit statthaft ist, wenn sie geeignet ist, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was dazu erforderlich ist. So kann die Bekämpfung von Steuerhinterziehung nur dann als Rechtfertigungsgrund angeführt werden, wenn sie auf rein künstliche Gestaltungen abzielt, die auf eine Umgehung des Steuerrechts gerichtet sind, was jede allgemeine Vermutung einer Steuerhinterziehung ausschließt. Eine allgemeine Vermutung der Steuerflucht oder der Steuerhinterziehung genügt also nicht, um eine steuerliche Maßnahme zu rechtfertigen, die die Ziele des Vertrags beeinträchtigt. Ein EU-Mitgliedstaat kann nämlich die Maßnahmen ergreifen, die die klare und eindeutige Feststellung der Höhe des von den Steuerpflichtigen geschuldeten Betrags ermöglichen.
300
E.
Exkurs: EuGH Rechtsprechung zur Rs. Rimbaud
Der EuGH erläutert jedoch, dass die Rechtsprechung, die sich auf Beschränkungen der Ausübung 76 der Verkehrsfreiheiten innerhalb der EU bezieht, nicht in vollem Umfang auf den Kapitalverkehr zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten übertragen werden kann, da sich dieser in einen anderen rechtlichen Rahmen einfügt. Diesbezüglich wird auf den der durch die Richtlinie 77/799 geschaffenen Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten verwiesen. Mit Verweis auf die fehlende Amtshilferichtlinie kommt der EuGH zur der Feststellung, dass es im 77 Ausgangsverfahren den französischen Steuerbehörden somit nicht möglich ist, von den Steuerbehörden des Fürstentums Liechtenstein die Auskünfte zu erhalten, die für die Vornahme einer wirksamen Überprüfung der Angaben der steuerpflichtigen Gesellschaften notwendig wären. Somit sieht der EuGH es folglich grundsätzlich als gerechtfertigt an, dass ein EU-Mitgliedstaat die Gewährung eines Vorteils verweigert, wenn es sich, insbesondere wegen des Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung des Drittstaats zur Auskunftserteilung, als unmöglich erweist, Auskünfte von diesem Staat zu erhalten. Zur Frage, warum die französischen Steuerbehörden nicht zu einer Einzelfallprüfung im Hinblick 78 auf die Beweismittel verpflichtet sind, die von einer Gesellschaft vorgelegt werden, führt das Gericht aus, dass die im ELISA Urteil herausgearbeiteten Grundsätze, dass in der EU die kategorische Verweigerung eines Steuervorteils nicht gerechtfertigt ist, da die zuständigen Steuerbehörden durch nichts daran gehindert wären, von den Steuerpflichtigen die Nachweise zu verlangen, hier nicht übertragbar sind, da der rechtliche Rahmen aufgrund der Amtshilferichtlinie ein ganz anderer ist. So haben die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten Zunächst nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 77/799 einander alle Auskünfte, die für die korrekte Festsetzung der Einkommen- und Vermögensteuern geeignet sein können, sowie alle Auskünfte in Bezug auf die Festsetzung der Steuern auf Versicherungsprämien zu erteilen. Zur Durchführung des Auskunftsaustauschs wird mit dieser Richtlinie ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der in Art. 3 den automatischen und in Art. 4 den spontanen Auskunftsaustausch vorsieht. Außerdem schreibt die Richtlinie eine beschleunigte Übermittlung (Art. 5), die Hinzuziehung von Bediensteten der Staaten (Art. 6), Konsultationen (Art. 9) und einen Erfahrungsaustausch (Art. 10) vor. Ferner sind die EU-Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zudem verpflichtet, den mit der Richtlinie 77/799 eingeführten Auskunftsaustausch wirksam zu handhaben. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Aussage des Generalanwalts Niilo Jääskinen im Rahmen der Schlussanträge zu dieser Entscheidung hingewiesen, denn diese verdeutlicht das Bild des EuGHs über die Zusammenarbeit innerhalb der EU: „Zwischen den Mitgliedstaaten der Union lässt sich meiner Ansicht nach ohne Übertreibung von einer fast schon solidarischen Zusammenarbeit im Steuerbereich sprechen“.
3.
Ergebnis
Auf Basis dieser rechtlichen Würdigung kam der EuGH zu dem Urteil, dass Art. 40 des EWR-Ab- 79 kommens nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, wonach Gesellschaften mit satzungsmäßigem Sitz im Gebiet eines Mitgliedstaats der Union von der streitigen Steuer befreit sind, während diese Befreiung für eine Gesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz im Gebiet eines dem EWR angehörenden Drittstaats vom Bestehen eines zwischen dem genannten EU-Mitgliedstaat und diesem Drittstaat zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht geschlossenen Amtshilfeabkommens oder davon abhängig ist, dass diese juristischen Personen aufgrund eines Staatsvertrags, der eine Bestimmung über ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthält, keiner höheren Besteuerung unterworfen werden dürfen als im Gebiet dieses EU-Mitgliedstaats ansässige Gesellschaften. 301
5
5
Stichwortverzeichnis fette Zahlen = Paragraph andere Zahlen = Randnummer
A Abschreibung 2 197; 8 1
I Immaterialgüterrechte 2 325
B Beteiligungserträge 2 230
J Joint Declaration 3 299 K Kapitalgewinne 2 233
Aufwandsbesteuerung 2 162 Ausländische Betriebsstättenergebnisse 2 226
Betriebsstätte 2 187 Betrugsbekämpfungsabkommen 5 42
C Couponsteuer 2 622 DDauerhafte Wertminderung 2 308 Doppelbesteuerungsabkommen – Hong Kong 3 220 – Luxemburg 3 152 – Österreich 3 98 – San Marino 3 186 – Schweiz 3 140 – Uruguay 3 260 Dublin 5 37
E Eigenkapitalzinsabzug 2 312 Erbschaften 2 159 Ersatzbeschaffungen 2 241 Ertragssteuer 2 179 Erwerbssteuer 2 93 Existenzminimum 2 119
F FATCA 3 10
Fremdvergleich 2 239
G Gemeindezuschlag 2 143
Gestaltungsmissbrauch 2 571 Grenzgänger – Österreich 3 129 – Schweiz 3 147 Grundstücksgewinnsteuer 2 165 Gründungsabgabe 2 436 Gruppenbesteuerung 2 342
HHaftung 2 518
Investmentfonds 2 410 IP Box 2 325
Kapitalsteuer 2 5 Kollektive Kapitalanlagen 2 410
L LDF 3 299
Liechtenstein Deklaration 3 30 Lohnsteuerabzug 2 145
MMemorandum of Understanding 3 299 Merkblätter 2 13 Mindestertragssteuer 2 361 MLAT 3 16
O Ort der tatsächlichen Verwaltung 2 181 P Personengesellschaften 2 406 Privatvermögensstruktur – Abkommensberechtigung 2 393 – Voraussetzungen 2 366
Q QI 3 4
Quellensteuer 2 144
R Rechtshilfeabkommen 3 16 Rechtsmittelverfahren – Beschwerde 2 541 – Einsprache 2 537 Rimbaud 5 64 Rückstellung 2 206
S Schengen 5 36
Schenkungen 2 159 Selbstanzeige 2 598 – befristete 2 618
302 T. Hosp, M. Langer , Steuerstandort Liechtenstein, DOI 10.1007/978-3-8349-6627-8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Stichwortverzeichnis Sitzgesellschaften 2 6 Sollertrag 2 77 Spenden 2 133 Staatliche Beihilfe 5 12 SteAHG 4 116 Steueramtshilfegesetz 4 116 Steuerbetrug 2 595 Steuergeheimnis 2 464 Steuerhinterziehung 2 587 Steuerinformationsabkommen – Andorra 3 66 – Antigua und Barbuda 3 90 – Belgien 3 84 – Deutschland 4 1 – Frankreich 3 73 – Irland 3 80 – Monaco 3 70 – Niederlande 3 87 – St. Kitts und Nevis 3 92 – St. Vincent and the Grenadines 3 77 – UK 3 345 – USA 3 54 Steuerpflicht – Ertragssteuer 2 179 – Vermögens- und Erwerbssteuer 2 52 Stiftungen – Ausschüttungen 2 427 – Grundlagen 2 419 – Gründung 2 420 – Laufende Besteuerung 2 423
T TACP 3 299
Tarif – Ertragssteuer 2 360 – Vermögens- und Erwerbssteuer 2 135 Trusts 2 415
UÜbergangsbestimmungen 2 617 Umstrukturierungen – Einbringung 2 296 – Fusion 2 284 – Grundlagen 2 248 – Spaltung 2 272 – Umwandlung 2 261
V Verluste 2 336
Vermögenssteuer 2 65 Vermögensstrukturen 2 406 Versicherungsabgabe 2 439
WWegleitungen 2 13
Wegzugsbesteuerung 2 302 Widmungssteuer 2 84
Z Zinsbesteuerungsabkommen
– Nationale Umsetzung 5 15 – Reform 5 24
303