Baumann/Sandkühler ⋅ Das neue Versicherungsvertragsgesetz
Das neue Versicherungsvertragsgesetz Mit allen Änderungen ab 1.1.2008
von
Dr. Frank Baumann Ass. jur. Hans-Ludger Sandkühler
Haufe Mediengruppe Freiburg ⋅ Berlin ⋅ München
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN 978-3-448-08353-8
Best.-Nr. 06624-0001
1. Auflage © 2008 Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG, Niederlassung München Redaktionsanschrift: Postfach 1363, D 82142 Planegg/München Hausanschrift: Fraunhoferstr. 5, D-82152 Planegg/München Telefon 089 / 89517-0 www.haufe.de
[email protected] Die Angaben entsprechen dem Wissensstand bei Redaktionsschluss im Januar 2008. Da Hinweise und Fakten dem Wandel der Rechtsprechung und der Gesetzgebung unterliegen, kann für die vorliegenden Angaben keine Haftung übernommen werden. Die Informationen sind nur für den persönlichen Gebrauch des Lesers bestimmt. Dieses Werk sowie alle darin enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Redaktion und DTP: Ass. jur. Elvira Plitt, München Umschlag: Kienle gestaltet, Stuttgart Druck: Franz X. Stückle, 77955 Ettenheim Zur Herstellung der Bücher wird nur alterungsbeständiges Papier verwendet.
Vorwort Mit dem Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, das am 1.1.2008 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber innerhalb eines Jahres das dritte Reformwerk abgeschlossen, das in seinen praktischen Auswirkungen die Versicherungswirtschaft unmittelbar berührt. Bereits seit dem 22. Mai 2007 setzt das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts einen neuen Rechtsrahmen für die Versicherungsvermittlung in Deutschland. Zum 1.11.2007 hat das Finanzmarktrichtlinien-Umsetzungsgesetz die Anlageberatung unter Erlaubnisvorbehalt gestellt und den Umgang und Vertrieb mit Finanzinstrumenten verschärft. Das Versicherungsvertragsgesetz wird im Mai 2008 einhundert Jahre alt. Pünktlich zum runden Geburtstag hat sich der Gesetzgeber zu einer umfassenden Reform des Gesetzes entschlossen, die für mehr Transparenz und Verbraucherschutz sorgt und die Rechtsvorschriften an die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts anpasst. Mit der Reform werden die Vorschriften für den Versicherungsvertrag ganzheitlich modernisiert und die Vorgaben für den Absatz von Versicherungsprodukten verschärft. Wichtige Änderungen in der Praxis bringt die Einführung neuer Informationspflichten, die in die Praxis des Vertragsschlusses hineinwirken und für den Verbraucher zu Kostentransparenz insbesondere beim Abschluss von kostenintensiven Lebens-, Berufsunfähigkeits- und Krankenversicherungen führen. Verbesserungen gibt es auch beim wirtschaftlich bedeutenden Segment der Lebensversicherungen. Hier bringen die neuen Vorschriften eine Verbesserung des Versicherungsnehmers bei den Überschüssen und Rückkaufswerten. Vor dem Abschluss von Versicherungsverträgen werden Versicherungsnehmer zukünftig über die mit dem Abschluss der Versicherungsverträge verbundenen Kosten informiert. Richtungsweisende Rechtsfortbildung wie zum Beispiel die Auge-und-Ohr-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde übernommen und in den Regelungsbereich des Gesetzes integriert. Die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes bedeutet insgesamt höhere Anforderungen insbesondere für die mit dem Vertrieb von Versicherungsprodukten befassten Personen. Im Zusammenwirken mit den Anforderungen des Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts werden die neuen Vorschriften zu einer Professionalisierung dieses Personenkreises führen. Dies setzt zwingend Kenntnisse der neuen Regelungen voraus. Die Praxis ist gefordert, sich schnell einen Überblick über die wesentlichen Reformelemente zu verschaffen und mit den neuen Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes vertraut zu machen. Der Anspruch dieses Buches ist es deshalb, eine schnelle, aber fundierte Information zur Umsetzung des neuen Versicherungsvertragsgesetzes in der Praxis zu bieten. Die Autoren haben dazu ihre Erfahrungen aus der Beschäftigung mit der Rechtsmaterie in den letzten Jahren und insbesondere aus vielen Gesprächen und Veranstaltungen mit eingebracht.
Inhaltsverzeichnis A
Einleitung und Überblick ......................................................................................................... 13 1 Einführung ........................................................................................................................ 13 2 Ziele der Reform............................................................................................................... 13 3 Gesetzgebungsverfahren................................................................................................... 14 4 Wichtige Änderungen der Reform im Überblick.............................................................. 14 4.1 Schnellüberblick ...................................................................................................... 14 4.2 Beratung und Information der Versicherungsnehmer ............................................. 15 4.2.1 Beratungspflichten des Versicherers .......................................................... 15 4.2.2 Informationspflichten des Versicherers ...................................................... 16 4.3 Einführung eines einheitlichen Widerrufsrechts ..................................................... 19 4.4 Aufgabe des Alles-oder-nichts-Prinzips .................................................................. 20 4.5 Änderungen bei vorvertraglichen Anzeigepflichten................................................ 21 4.6 Änderungen bei Form, Laufzeit und Prämie ........................................................... 23 4.6.1 Textform ..................................................................................................... 23 4.6.2 Laufzeit und Sonderkündigungsrecht ......................................................... 24 4.6.3 Wegfall der Unteilbarkeit der Prämie......................................................... 24 4.7 Verjährung; Wegfall der Klagefrist ......................................................................... 25 4.7.1 Verjährung .................................................................................................. 25 4.7.2 Wegfall der Klagefrist ................................................................................ 25 4.8 Direktanspruch in der Pflichtversicherung .............................................................. 26 4.9 Modernisierung der Lebensversicherung ................................................................ 26 4.9.1 Überschussbeteiligung................................................................................ 27 4.9.2 Modellrechnung.......................................................................................... 29 4.9.3 Rückkaufswert ............................................................................................ 30 4.9.3.1 Deckungskapital statt Zeitwert ................................................................... 30 4.9.3.2 Frühstorno................................................................................................... 31 4.9.4 Transparenz bei Abschluss- und Vertriebskosten....................................... 31 4.9.4.1 In die Prämie einkalkulierte Kosten ........................................................... 31 4.9.4.2 Sonstige mögliche Kosten .......................................................................... 32 4.9.4.3 Übergangsregelung ..................................................................................... 32 4.9.4.4 Betriebliche Altersversorgung .................................................................... 32 4.10 Inkrafttreten ............................................................................................................. 33
B
Vorschriften für alle Versicherungszweige............................................................................. 34 1 Allgemeine Vorschriften................................................................................................... 34 1.1 Vertragsinhalte ........................................................................................................ 34 1.2 Zustandekommen des Versicherungsvertrages........................................................ 34 1.3 Beratungspflichten................................................................................................... 34 1.3.1 Anlassbezogene Befragungs- und Beratungspflicht § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. ................................................................................................... 35 1.3.2 Anlassbezogene Befragungs- und Beratungspflicht nach Abschluss des Vertrages .............................................................................................. 37 1.3.3 Dokumentationspflicht § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. .......... 37 1.3.4 Verzicht ...................................................................................................... 37 1.3.5 Schadensersatzpflicht ................................................................................. 38 1.3.6 Ausnahmen ................................................................................................. 38
Inhaltsverzeichnis
1.4
2
7
Informationspflichten .............................................................................................. 39 1.4.1 Inhalt der Information................................................................................. 39 1.4.2 Textform ..................................................................................................... 44 1.4.3 Rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers................................................................................ 44 1.4.4 Verzicht....................................................................................................... 46 1.4.5 Rechtsfolgen der Verletzung der Informationspflicht ................................ 46 1.5 Umsetzung der Informationspflichten, Vertragsschlussmodelle ............................. 46 1.5.1 Antragsmodell nach altem Recht................................................................ 47 1.5.2 Antragsmodell nach neuem Recht .............................................................. 47 1.5.3 Antragsmodell nach neuem Recht im Geschäftsverkehr mit Versicherungsmaklern ................................................................................ 48 1.5.4 Policenmodell nach altem Recht................................................................. 49 1.5.5 Verzichtslösung .......................................................................................... 50 1.5.6 Faktisches Policenmodell ........................................................................... 50 1.5.7 Bedingtes Antragsmodell............................................................................ 50 1.5.8 Invitatiomodell............................................................................................ 51 1.5.8.1 Ausdrückliche Annahme ............................................................................ 52 1.5.8.2 Konkludente Annahme durch Überweisung oder Lastschrift..................... 52 1.5.8.3 Annahmefiktion .......................................................................................... 53 1.5.8.4 Beginn des Widerrufsrechts........................................................................ 53 1.5.8.5 Abweichender Versicherungsschein........................................................... 53 1.5.8.6 Vorvertragliche Anzeigepflicht .................................................................. 54 1.5.8.7 Resümee...................................................................................................... 54 1.6 Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers ............................................................. 54 1.6.1 Frist und Form ............................................................................................ 54 1.6.2 Ausnahmen ................................................................................................. 55 1.6.3 Rechtsfolgen des Widerrufs (§ 9VVG n. F.) .............................................. 55 1.7 Form ........................................................................................................................ 56 1.8 Vertragsbeginn und -ende........................................................................................ 56 1.9 Verjährung ............................................................................................................... 57 Vorvertragliche Anzeigepflicht ........................................................................................ 57 2.1 Inhalt der Anzeigepflicht ......................................................................................... 57 2.2 Rücktritt................................................................................................................... 58 2.2.1 Voraussetzungen......................................................................................... 58 2.2.2 Ausschluss des Rücktrittsrechts.................................................................. 58 2.2.3 Ausübung und Rechtsfolgen des Rücktritts............................................... 58 2.2.4 Beweislast ................................................................................................... 59 2.2.5 Erlöschen des Rücktrittsrechts.................................................................... 59 2.3 Kündigung ............................................................................................................... 59 2.3.1 Voraussetzungen......................................................................................... 59 2.3.2 Ausschluss des Kündigungsrechts .............................................................. 59 2.3.3 Ausübung und Rechtsfolgen der Kündigung.............................................. 60 2.3.4 Beweislast ................................................................................................... 60 2.3.5 Erlöschen des Kündigungsrechts ................................................................ 60 2.4 Vertragsanpassung § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG n. F.................................................... 60 2.4.1 Voraussetzungen......................................................................................... 60 2.4.2 Ausschluss des Anpassungsrechts .............................................................. 60 2.4.3 Ausübung des Anpassungsrechts................................................................ 61
8
Inhaltsverzeichnis
3
4
5
6 7
8 9
2.4.4 Beweislast ................................................................................................... 61 2.4.5 Erlöschen des Anpassungsrechts ................................................................ 61 2.5 Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung.................................... 61 2.6 Übersicht: Rechtsfolgen bei Verletzung im Überblick............................................ 62 Gefahrerhöhung ................................................................................................................ 62 3.1 Kündigung wegen Gefahrerhöhung......................................................................... 63 3.2 Prämienerhöhung wegen Gefahrerhöhung .............................................................. 63 3.3 Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung................................................................ 64 Vertragliche Obliegenheiten ............................................................................................. 65 4.1 Kündigungsrecht des Versicherers .......................................................................... 65 4.2 Leistungsfreiheit des Versicherers........................................................................... 65 Prämie ............................................................................................................................... 66 5.1 Wegfall der Unteilbarkeit der Prämie...................................................................... 66 5.2 Fälligkeit der Prämie ............................................................................................... 66 5.3 Zahlungsverzug bei Erstprämie ............................................................................... 66 5.4 Zahlungsverzug bei Folgeprämie ............................................................................ 67 5.5 Prämienanpassung ................................................................................................... 67 Fremde Rechnung............................................................................................................. 67 Vorläufige Deckung.......................................................................................................... 68 7.1 Eigenständiger Versicherungsvertrag...................................................................... 68 7.2 Informationspflichten .............................................................................................. 68 7.3 AVB......................................................................................................................... 69 7.4 Prämie...................................................................................................................... 69 7.5 Beendigung der vorläufigen Deckung..................................................................... 69 Laufende Versicherung..................................................................................................... 69 Versicherungsvermittler.................................................................................................... 70 9.1 Versicherungsvermittler im VVG ........................................................................... 70 9.2 Beratungsgrundlage des Versicherungsvermittlers und Mitteilungspflicht............. 71 9.2.1 Beratungsgrundlage des Versicherungsmaklers ......................................... 71 9.2.2 Beratungsgrundlage des Versicherungsvertreters....................................... 74 9.3 Mitteilungspflicht zur Beratungsgrundlage ............................................................. 75 9.3.1 Inhalt der Mitteilungspflicht zur Beratungsgrundlage................................ 75 9.3.2 Zeitpunkt der Mitteilungspflicht................................................................. 76 9.3.3 Form der Mitteilung.................................................................................... 76 9.3.4 Verzicht ...................................................................................................... 77 9.3.5 Praktische Umsetzung ................................................................................ 78 9.4 Vertragsspezifische Beratungs- und Dokumentationspflichten............................... 79 9.4.1 Wünsche und Bedürfnisse des Kunden ...................................................... 79 9.4.2 Die anlassbezogene Fragepflicht ................................................................ 80 9.4.3 Die anlassbezogene Beratungspflicht ......................................................... 81 9.4.4 Notwendige Risikoanalyse ......................................................................... 82 9.4.5 Umfassende Risikoanalysen ....................................................................... 85 9.4.6 Rat und Begründung ................................................................................... 87 9.4.7 Beratungsverzicht ....................................................................................... 89 9.4.8 Ausnahmefall Unternehmererklärung......................................................... 90 9.4.9 Beratung am Telefon oder im Internet........................................................ 91 9.4.10 Dokumentationspflichten............................................................................ 91
Inhaltsverzeichnis
9.5
9.6 9.7
9
9.4.11 Struktur der Dokumentation ....................................................................... 92 9.4.12 Form der Dokumentation............................................................................ 93 9.4.13 Zeitpunkt der Übermittlung der Dokumentation ........................................ 94 9.4.14 Dokumentationsverzicht ............................................................................. 94 Schadenersatzpflicht................................................................................................ 96 9.5.1 Versicherungsmakler .................................................................................. 97 9.5.2 Scheinmakler .............................................................................................. 98 9.5.3 Ausschließlichkeitsvertreter........................................................................ 98 9.5.4 Mehrfachvertreter ....................................................................................... 98 Ausnahmen .............................................................................................................. 98 Vertretungsmacht..................................................................................................... 99
C
Vorschriften für die Schadensversicherung ......................................................................... 100 1 Allgemeine Vorschriften................................................................................................. 100 1.1 Über- und Unterversicherung ................................................................................ 100 1.2 Mehrfachversicherung ........................................................................................... 100 1.3 Fehlendes versichertes Interesse............................................................................ 101 1.4 Herbeiführung des Versicherungsfalls .................................................................. 101 1.5 Schadenabwehr- und Minderungspflicht............................................................... 102 1.6 Aufwendungsersatz und Schadenermittlungskosten ............................................. 103 1.7 Übergang von Ersatzansprüchen ........................................................................... 103 2 Sachversicherung ............................................................................................................ 104 2.1 Versicherungswert ................................................................................................. 104 2.2 Versicherung für Inbegriff von Sachen ................................................................. 104 2.3 Erweiterter Aufwendungsersatz ............................................................................ 104 2.4 Verzinsung der Entschädigung.............................................................................. 105 2.5 Kündigung nach Versicherungsfall ....................................................................... 105 2.6 Wiederherstellung und -beschaffung..................................................................... 105 2.7 Veräußerung der versicherten Sache ..................................................................... 106 2.8 Zwangsversteigerung, Erwerb eines Nutzungsrechts ............................................ 106
D
Einzelne Versicherungszweige ............................................................................................... 107 1 Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F........................................................... 107 1.1 Allgemeine Vorschriften ....................................................................................... 107 1.1.1 Allgemeine Leistungspflichten des Haftpflichtversicherers ..................... 107 1.1.2 Betriebshaftpflichtversicherung................................................................ 108 1.1.3 Rentenanspruch......................................................................................... 109 1.1.4 Fälligkeit ................................................................................................... 109 1.1.5 Mehrere Geschädigte ................................................................................ 110 1.1.6 Insolvenz des VN...................................................................................... 110 1.1.7 Verfügungen über den Freistellungsanspruch .......................................... 110 1.2 Ausschluss und Obliegenheiten............................................................................. 112 1.3 Kündigungsrecht.................................................................................................... 114 1.4 Halbzwingendes Recht. ......................................................................................... 114 1.5 Pflichtversicherung................................................................................................ 115 1.5.1 Generelle Anforderungen an den Versicherungsschutz............................ 117 1.5.2 Direktanspruch.......................................................................................... 118 1.5.3 Innenverhältnis der Gesamtschuldner....................................................... 120
10
Inhaltsverzeichnis
1.5.4 1.5.5
2
3
4
5
6
Außenverhältnis zum Dritten.................................................................... 120 Aufteilung der Versicherungssumme bei mehreren Anspruchsberechtigten ............................................................................. 122 1.5.6 Obliegenheiten des Dritten ....................................................................... 122 1.5.7 Rückgriff bei mehreren Versicherten ....................................................... 123 1.5.8 Rechtskrafterstreckung ............................................................................. 123 1.5.9 Sonstiges................................................................................................... 124 Rechtsschutzversicherung, §§ 126 – 130 VVG n. F....................................................... 124 2.1 Gegenstand der Leistungspflicht des Versicherers................................................ 124 2.1.1 Leistung des Versicherers......................................................................... 124 2.1.2 Rechtsschutzbaustein und Schadenabwicklungsunternehmen ................. 125 2.1.3 Freie Anwaltswahl .................................................................................... 125 2.2 Gutachterverfahren ................................................................................................ 126 2.3 Halbzwingendes Recht .......................................................................................... 126 Transportversicherung, §§ 130 – 141 VVG n. F. ........................................................... 126 3.1 Umfang der Versicherung ..................................................................................... 126 3.2 Obliegenheiten, Gefahränderung, Ausschlüsse ..................................................... 127 3.3 Aufwendungsersatz ............................................................................................... 129 3.4 Versicherungswert ................................................................................................. 129 3.5 Ausschlüsse ........................................................................................................... 129 3.6 Veräußerung .......................................................................................................... 130 3.7 Befreiung durch Zahlung der Versicherungssumme ............................................. 130 Gebäudefeuerversicherung, §§ 142 – 149 VVG n. F...................................................... 131 4.1 Anzeige- und Informationspflichten des Versicherers .......................................... 131 4.2 Kündigung durch VN ............................................................................................ 132 4.3 Übergang der Hypothek ........................................................................................ 132 4.4 Bestätigungs- und Auskunftspflicht des Versicherers ........................................... 132 4.5 Änderung von Anschrift und Name des Hypotheken-gläubigers.......................... 132 4.6 Andere Grundpfandrechte/Eigentümergrundpfandrechte ..................................... 133 Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F. ............................................................... 133 5.1 Grundlagen ............................................................................................................ 133 5.2 Widerruf ................................................................................................................ 134 5.3 Überschussbeteiligung........................................................................................... 135 5.4 Kenntnis und Verhalten der versicherten Person................................................... 139 5.5 Altersangabe und Gefahränderung ........................................................................ 139 5.6 Bezugsberechtigung .............................................................................................. 140 5.7 Selbsttötung und Tötung durch Leistungsberechtigte ........................................... 141 5.8 Prämien- und Leistungsänderung, Bedingungsanpassung, prämienfreie Versicherung.......................................................................................................... 141 5.9 Kündigung ............................................................................................................. 143 5.10 Rückkaufswert....................................................................................................... 144 5.11 Sonstiges................................................................................................................ 146 Berufsunfähigkeitsversicherung, §§ 172 – 177 VVG n. F.............................................. 147 6.1 Leistung des Versicherers...................................................................................... 147 6.2 Anerkenntnis.......................................................................................................... 148 6.3 Nachprüfung .......................................................................................................... 148
Inhaltsverzeichnis
7
8
9
10
E
11
6.4 Sonstiges................................................................................................................ 148 Unfallversicherung, §§ 178 – 191 VVG n. F.................................................................. 148 7.1 Leistung des Versicherers...................................................................................... 149 7.2 Leistungspflicht des Versicherers für den Fall der Invalidität............................... 149 7.3 Anerkenntnis.......................................................................................................... 150 7.4 Neubemessung der Invalidität ............................................................................... 151 7.5 Sachverständigenverfahren, Schadensermittlungskosten ...................................... 151 7.6 Pflichtversicherung................................................................................................ 151 7.7 Sonstiges................................................................................................................ 151 Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F. ............................................................. 152 8.1 Vertragstypische Leistungen ................................................................................. 153 8.2 Versicherte Person................................................................................................. 154 8.3 Sonstige anzuwendende Vorschriften.................................................................... 154 8.4 Versicherungsdauer ............................................................................................... 155 8.5 Wartezeiten............................................................................................................ 157 8.6 Kindernachversicherung........................................................................................ 157 8.7 Beihilfeempfänger ................................................................................................. 157 8.8 Bereicherungsverbot.............................................................................................. 158 8.9 Herbeiführung des Versicherungsfalls .................................................................. 158 8.10 Auskunftspflichten des Versicherers/ Schadensermittlungskosten ...................... 158 8.11 Prämien/Bedingungsanpassung und Tarifwechsel ................................................ 159 8.12 Kündigung ............................................................................................................. 160 8.13 Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses ......................................................... 162 8.14 Sonstiges................................................................................................................ 163 8.15 Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz................................................................ 163 8.15.1 Versicherungspflicht................................................................................. 164 8.15.2 Tarifwechsel ............................................................................................. 166 8.15.3 Kündigung durch Versicherungsnehmer .................................................. 167 8.15.4 Kündigung durch Versicherer................................................................... 167 Schlussvorschriften......................................................................................................... 167 9.1 Rückversicherung/Seeversicherung....................................................................... 167 9.2 Großrisiken/laufende Versicherung....................................................................... 168 9.3 Pensionskassen, kleinere Versicherungsvereine, Versicherungen mit kleinen Beträgen................................................................................................................. 168 9.4 Fortsetzung der Lebensversicherung nach der Elternzeit ...................................... 168 9.5 Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten bei Dritten ................................ 168 9.6 Schlichtungsstelle .................................................................................................. 169 9.7 Gerichtsstand ......................................................................................................... 170 Geltungsbereich, Inkrafttreten, Übergangsregelungen ................................................... 170 10.1 Fortgeltung der bisherigen Vorschriften über den 1.1.2009 hinaus ...................... 170 10.2 Geltung des neuen VVG bereits ab dem 1.1.2008................................................. 170 10.3 Keine Geltung des neuen VVG ............................................................................. 171
Auswirkungen auf die Praxis ................................................................................................. 172 1 Versicherungsmakler ...................................................................................................... 172 1.1 Auswirkungen der VVG-Reform für die Beratungspraxis .................................... 172 1.2 Auswirkungen der VVG-Reform für die Vergütung............................................. 178
12
Inhaltsverzeichnis
2
3 4 5 6
1.2.1 Relation der Kostensysteme ..................................................................... 179 1.2.2 Erläuterung der Kostenpositionen in den Abschlusskosten...................... 180 1.2.3 Kommunikation der eigenen Dienstleistung............................................. 180 1.3 Auswirkung der VVG-Reform für die Haftung..................................................... 183 1.4 Fazit und Perspektive der Vermittlerart................................................................. 183 Vertreter (auch Mehrfachvertreter)................................................................................. 184 2.1 Auswirkungen der VVG-Reform für die Beratungspraxis .................................... 184 2.2 Auswirkung der VVG-Reform für die Vergütung................................................. 185 2.2.1 Relation der Kostensysteme ..................................................................... 186 2.2.2 Erläuterung der Kostenpositionen in den Abschlusskosten...................... 186 2.2.3 Kommunikation der eigenen Dienstleistung............................................. 187 2.3 Auswirkungen der VVG-Reform auf die Haftung ................................................ 188 2.4 Fazit und Perspektive ............................................................................................ 189 Vertriebe ......................................................................................................................... 189 Banken ............................................................................................................................ 190 Versicherungsunternehmen ............................................................................................ 190 Verbundsysteme ............................................................................................................. 191
F
Änderungen des EGVVG ....................................................................................................... 192 1 Grundsatz........................................................................................................................ 192 2 Vollmacht des Versicherungsvertreters/Krankenversicherung....................................... 193 3 Verjährung ...................................................................................................................... 193 4 Lebensversicherung/Berufsunfähigkeitsversicherung .................................................... 194 5 Rechte der Gläubiger von Grundpfandrechten ............................................................... 194 6 Versicherungsverhältnisse nach § 190 VVG .................................................................. 195
G
Weitere Änderungen............................................................................................................... 195
Literaturverzeichnis........................................................................................................................ 196 Anhang ............................................................................................................................................. 197 1 Das ändert sich durch das neue VVG (Auszüge)............................................................ 197 2 VVG n. F. ....................................................................................................................... 202 3 Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVGInformationspflichtenverordnung – VVG-InfoV) .......................................................... 287 Stichwortverzeichnis ....................................................................................................................... 293
A
Einleitung und Überblick
1
Einführung Zum 1. Januar 2008 ist das Recht der Versicherungsverträge umfassend neu geregelt worden. Das bisherige Versicherungsvertragsgesetz (VVG) stammt aus dem Jahre 1908 und ist im Laufe der Jahre vom Gesetzgeber stellenweise geändert und durch die Rechtsprechung immer wieder ergänzt worden. Nach der Einschätzung des Gesetzgebers konnte den Bedürfnissen eines modernen Verbraucherschutzes nur noch eine Gesamtreform des Versicherungsvertragsgesetzes vollständig gerecht werden. Zentrale Felder der Reform sind beispielsweise und nicht abschließend die Beratungs-, Aufklärungs- und Informationspflichten der Versicherer, gesetzliche Mindeststandards für einzelne Versicherungszweige (Rechtsschutzversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Pflichtversicherung), neue Vorschriften zu Form, Laufzeit und Prämie, Neuordnung des Widerrufsrechts und der vorvertraglichen Anzeigepflichten sowie die Modernisierung der Lebensversicherung. Die nachfolgenden Ausführungen im Teil A sollen dem eiligen Leser aus der Praxis einen ersten Überblick über die aus Sicht der Verfasser wichtigsten Änderungen im Versicherungsvertragsgesetz geben. Die Teile B bis D geben den Inhalt des neuen Versicherungsvertragsrechts in gedrängter Darstellung und auf die Belange der Praxis abgestimmt wieder. Im Interesse eines leichteren Verständnisses orientiert sich die Darstellung möglichst nah am Aufbau des VVG n. F. Der Teil E beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Reform auf die Belange und die Arbeitsprozesse der mit dem Absatz von Versicherungsverträgen beschäftigten Marktteilnehmer.
2
Ziele der Reform Die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes soll den Verbraucherschutz verbessern und insbesondere dem Verbraucher mehr Transparenz bescheren. Ein weiteres Ziel der Reform besteht darin, das Versicherungsvertragsrecht wieder mit der rechtspolitischen Fortentwicklung und Wirklichkeit zu harmonisieren. Dazu zählt etwa die Integration der rechtsfortbildenden Rechtsprechung (z. B. Auge und Ohr, Relevanztheorie, Einschränkungen der Leistungsfreiheit für nicht kausale Obliegenheitsverletzungen) oder die Neuaufnahme gesetzlicher Bestimmungen für in der Praxis besonders relevante Bereiche (vorläufige Deckung, Berufsunfähigkeitsversicherung). Von der Harmonisierung ebenso betroffene Bereiche sind das Schuldrechtmodernisierungsgesetz von 2002 sowie Vorgaben der dritten Generation der Versicherungsrichtlinien der Europäischen Union. Aufgrund der Umsetzungserfordernisse europäischer Richtlinien (Fernabsatz und Vermittlerrichtlinie) musste das VVG bereits im Zuge des Reformvorhabens mehrfach geändert werden, zuletzt durch das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 19. Dezember 2006, mit dem ab dem 22. Mai 2007 die §§ 42a bis 42k VVG (Versicherungsvermittler) ins VVG eingefügt worden sind.
A
14
Einleitung und Überblick Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Nichtberücksichtigung der stillen Reserven bei der Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung und des Bundesgerichtshofs zur Berechnung des Rückkaufswertes bei der Lebensversicherung resultierte außerdem die Notwendigkeit, die Themen Überschussbeteiligung und stille Reserven sowie die Berechnung des Rückkaufswertes im Sinne der Rechtsprechung verbrauchergerecht neu zu ordnen.
3
Gesetzgebungsverfahren Bereits Mitte 2000 wurde vom Bundesministerium der Justiz eine Kommission aus Experten aus Wissenschaft, Rechtsprechung und Versicherungspraxis eingesetzt, die ohne inhaltliche Vorgaben des Gesetzgebers unter Beachtung der Reformziele eine Gesetzesreform vorbereiten sollte. Die Kommission legte am 19. April 2004 ihren Abschlussbericht vor, der einen kompletten Vorschlag zur Neufassung des VVG nebst umfänglicher Begründung enthält. Der dem Präsidenten des Deutschen Bundestages am 20.12.2006 übermittelte Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts übernimmt die grundsätzlichen Überlegungen der VVG-Kommission und berücksichtigt zudem die vom Bundesverfassungsgericht angestellten Überlegungen. Am 5.7.2007 wurde das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom Deutschen Bundestag verabschiedet und am 29. November 2007 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Am 21. Dezember wurde zudem die auf der Grundlage der Ermächtigung in § 7 Abs. 2 VVG n. F. erlassene, lang erwartete und im Vorfeld kontrovers diskutierte Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informationspflichtenverordnung – VVGInfoV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Sie enthält wesentliche Regelungen für die dem Versicherungsnehmer zu übermittelnden Informationen, insbesondere über die mit dem Abschluss von Lebens- und Krankenversicherungen verbundenen Abschlusskosten. Die Reform tritt zum 1.1.2008 in Kraft. Für die VVG-InfoV gilt eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2008.
4
Wichtige Änderungen der Reform im Überblick
4.1
Schnellüberblick Wichtige Änderungen der Reform im Überblick: Beratung und Information der Versicherungsnehmer Einführung eines einheitlichen Widerrufsrechts Aufgabe des Alles-oder-Nichts-Prinzips Änderungen bei vorvertragliche Anzeigepflichten Änderungen bei Form, Laufzeit und Prämie Verjährung; Wegfall der Klagefrist
Wichtige Änderungen der Reform im Überblick
15
Direktanspruch in der Pflichtversicherung Modernisierung der Lebensversicherung Inkrafttreten
4.2
Beratung und Information der Versicherungsnehmer
4.2.1
Beratungspflichten des Versicherers Das bisherige VVG enthält keine Vorschriften für Versicherer über die Beratung des Versicherungsnehmers vor Abschluss eines Versicherungsvertrags. Für Versicherungsvermittler (Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter) bestehen seit dem 22. Mai 2007 gesetzlich vorgegebene Beratungspflichten und Dokumentationspflichten. Sie müssen den Versicherungsnehmer anlassbezogen nach seinen Wünschen und Bedürfnissen befragen, ihn beraten, den Rat begründen und dies dokumentieren. Mit dem VVG n. F. werden nun auch Versicherer in derselben Weise zur anlassbezogenen Beratung der Versicherungsnehmer und zur Dokumentation verpflichtet: Nunmehr muss der Versicherer den Versicherungsnehmer vor Vertragsabschluss nach seinen Wünschen und Bedürfnissen befragen, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen der Person des Versicherungsnehmers der Situation des Versicherungsnehmers hierfür ein Anlass besteht. Ferner muss der Versicherer den Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämie beraten und die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat angeben (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Bei der Befragung des Kunden nach seinen Wünschen und Bedürfnissen geht es darum, die meist laienhaften Vorstellungswelt des Kunden in eine am tatsächlichen Versicherungsbedarf des Kunden ausgerichteten und möglichen Versicherungsschutzlösung aufzulösen. Der Versicherer soll in die Lage versetzt werden, sich die für eine bedarfsgerechte Beratung notwendigen Auskünfte zu beschaffen. Insbesondere wenn der Kunde keine hinreichenden Angaben zu seinen Wünschen und zu seinem Bedarf macht, ist der Versicherer gefordert nachzufragen.
A
A
16
Einleitung und Überblick
Hinweis In der Praxis wird unter Beratungsanlass häufig nur eine spartenbezogene Beratung im Unterschied zur Rundumberatung (Haushaltsanalyse, Gewerbeanalyse) verstanden. Das ist zu kurz gegriffen, da auch bei der spartenbezogenen Beratung (z. B. Hausratversicherung) je nach Person oder Situation des Kunden oder Schwierigkeit der Versicherung die Befragung und Beratung den jeweiligen konkreten Umständen anzupassen ist.
Beispiel Wenn ein Türke im Büro des Versicherungsvermittlers Kraftfahrtversicherung abschließt und dafür Deckung benötigt, besteht Veranlassung nachzufragen, ob bei einer mit dem zu versichernden Kraftfahrzeug durchgeführten Fahrt in die Türkei die Möglichkeit besteht, dass dabei der europäische Teil der Türkei verlassen wird, weil für diesen Fall eine besondere Deckung notwendig werden kann.
Praxistipp Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, die Risikoanalyse für die verschiedenen Sparten zu standardisieren und regelmäßig und gründlich durchzuführen. Während sich die Beratungspflichten der Vermittler auf den Zeitraum bis zum Abschluss des Versicherungsvertrags beschränken, sind Versicherer nach neuem Recht auch zur Beratung des Versicherungsnehmers während der Laufzeit verpflichtet, soweit sich hierfür ein Anlass bietet. Die Beratungspflichten der Versicherer bestehen nicht, wenn der Versicherungsvertrag über einen Versicherungsmakler oder im Wege des Fernabsatzes vermittelt wird. Schaltet der Versicherer Versicherungsvertreter in den Absatz von Versicherungsverträgen ein, überschneiden sich gesetzliche Beratungspflichten des Versicherers und des Versicherungsvertreters. Hier wird der Versicherungsvertreter mit der Erfüllung eigener Pflichten zugleich auch die Pflichten des Versicherers erfüllen. In Praxis können aber je nach Fallgestaltung vertragliche Beratungspflichten entstehen, für die Versicherer oder Vermittler einstehen müssen.
4.2.2
Informationspflichten des Versicherers In der Praxis werden Versicherungsverträge bislang überwiegend in der Weise geschlossen, dass der Versicherungsnehmer einen vom Versicherer vorbereiteten Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages unterschreibt, den der Versicherer – bei Vorliegen der für die Annahme des Versicherers notwendigen Voraussetzungen – annimmt. Wenn der Versicherungsnehmer dabei mit dem Antrag und vor seiner Unterschrift bereits alle vorgeschriebenen Informationen und Versicherungsbedingungen erhalten hat, kommt der Vertrag zustande, wenn der Versicherer die Annahme erklärt und dem Versicherungsnehmer die Versicherungspolice übermittelt. Üblicherweise wird dies als Vertragsschluss nach dem „Antragsmodell“ bezeichnet.
Wichtige Änderungen der Reform im Überblick
17
Meistens erhält der Versicherungsnehmer aber die für ihn wichtigen Informationen und Versicherungsbedingungen in der Praxis erst mit der Annahmeerklärung des Versicherers, d. h. regelmäßig mit dem Versicherungsschein. In diesen Fällen wird das als Vertragsschluss nach dem „Policenmodell“ bezeichnet. Dies ist nach bisherigem Recht gem. § 5a VVG zulässig gewesen, weil dem Versicherungsnehmer ein befristetes Widerspruchrecht zustand, bis zu dessen Ablauf der Versicherungsvertrag schwebend unwirksam war und der Versicherungsnehmer so die Vertragsinformationen ohne endgültige Vertragsbindung prüfen konnte. Der Gesetzgeber verpflichtet nun den Versicherer, dem Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung seine Vertragsbestimmungen einschließlich der allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie weitere Informationen nach Maßgabe der gem. § 7 Abs. 2 VVG n. F. erlassenen Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV) in Textform entsprechend dem eingesetzten Kommunikationsmittel klar und verständlich mitzuteilen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Der Versicherer muss also dem Versicherungsnehmer sämtliche den Versicherungsvertrag betreffenden Informationen übermitteln, bevor der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung abgibt (§ 7 VVG n. F.). Erforderlich ist vor allem, dass die Information rechtzeitig vor der Vertragserklärung des Kunden erfolgt. Der Begriff der Rechtzeitigkeit entstammt dem Fernabsatzrecht. Die Übermittlung einer Information ist deshalb dann als rechtzeitig anzusehen, wenn der Informationsempfänger die Möglichkeit hat, von dem Inhalt der Information Kenntnis zu nehmen. Für die Bestimmung der Rechtzeitigkeit der neuen Informationspflichten kommt es also darauf an, dass der Kunde die Möglichkeit hat, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Das wird vielfach bezweifelt, wenn die Informationen zugleich mit dem Antrag dem Kunden zur Unterschrift vorgelegt werden. Eine am Kundeninteresse orientierte Auslegung des Begriffs der Rechtzeitigkeit könnte in der Praxis deshalb dazu führen, dass ein Vermittlungsgeschäft zwei Kundenbesuche erfordert: Erster Besuch für Beratung und Information, zweiter Besuch nach Bedenkzeit für den Kunden zur Antragsaufnahme. Textform bedeutet, dass die Information in Form eines Druckstücks oder digital, also durch CD, USB-Stick oder E-Mail erfolgen kann. Die VVG-InfoV unterscheidet zwischen Informationspflichten, die bei jedem Versicherungsvertrag (§ 1 VVG-InfoV) bei der Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und der Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr zusätzlich zu den Informationen gem. § 1 VVG-InfoV (§ 2 VVGInfoV) bei der Krankenversicherung zusätzlich zu den Informationen gem. § 1 VVG-InfoV (§ 3 VVG-InfoV)
A
A
18
Einleitung und Überblick dem Versicherungsnehmer vor seiner Vertragserklärung zur Verfügung gestellt werden müssen, und verpflichtet den Versicherer zusätzlich, dem Versicherungsnehmer ein sogenanntes Produktinformationsblatt mit Informationen, die für den Abschluss oder die Erfüllung des Versicherungsvertrages von besonderer Bedeutung sind, zur Verfügung zu stellen (§ 4 VVG-InfoV). Ein Produktinformationsblatt ist aber nur dann auszuhändigen, wenn der Versicherungsnehmer ein Verbraucher gem. § 13 BGB ist. Gegenüber Gewerbetreibenden besteht diese Verpflichtung nicht. Die für die Praxis bedeutsamste Neuerung in der Lebens- und Krankenversicherung ist die Verpflichtung zur Offenlegung der einkalkulierten Abschluss- und Vertriebskosten in Euro. Nach bisherigem Recht kamen Lebensversicherungsverträge in der Regel zustande, ohne dass der Versicherungsnehmer vor Abgabe seiner bindenden Vertragserklärung über das Ausmaß der mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages entstehenden Kosten informiert war. Nach neuem Recht muss der Versicherer bei Lebensversicherung- und Krankenversicherungsverträgen den Versicherungsnehmer vor dessen Abgabe seiner Vertragserklärung in Textform über die Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten und sonstiger möglicher Kosten informieren (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 VVG InfoV). Außerdem ist der Versicherer verpflichtet, bei Telefongesprächen seine Identität und den Zweck des Kontakts zu Beginn des Gesprächs offenzulegen (§ 5 Abs. 1 VVG-InfoV). Unter besonderen Voraussetzungen kann sich der Versicherer im Übrigen in dem Gespräch auf einen Teil der Informationen nach § 1 VVG-InfoV beschränken (§ 5 Abs. 2 VVG-InfoV). Während der Laufzeit des Versicherungsvertrages obliegen dem Versicherer ferner bestimmte Informationspflichten nach Maßgabe des § 6 VVG-InfoV. Ausnahmsweise dürfen die Informationen gem. § 7 VVG n. F. die Vertragsbestimmungen einschließlich der allgemeinen Versicherungsbedingungen die Informationen gem. § 1 VVG-InfoV die Informationen gem. § 2 oder § 3 VVG-InfoV das Produktinformationsblatt gem. § 4 VVG-InfoV zu einem späteren Zeitpunkt übermittelt werden, wenn der Versicherungsnehmer schnellen Versicherungsschutz benötigt und deshalb telefonisch den Vertrag schließt oder durch eine gesonderte schriftliche Erklärung auf die Information vor Abgabe seiner Vertragserklärung verzichtet. Die Informationen müssen in diesen Fällen unverzüglich nach Vertragsschluss nachgeholt werden. Die Ausnahme wird damit begründet, dass der „mündige Verbraucher“ in der Lage sei, zu entscheiden, ob er die eigentlich vor seiner Vertragserklärung zu überlassenden Informationen zunächst durchsehen möchte, um danach zu entscheiden, welchen Versicherungsvertrag er schließen wolle oder ob er sofortigen Versicherungsschutz haben und die Details des Vertrags erst nach seiner Vertragserklärung erhalten und zur Kenntnis nehmen wolle. Mit der Bestimmung des § 7 VVG n. F., dass die dort genannten Informationen dem Versicherungsnehmer rechtzeitig vor seiner Vertragserklärung mitgeteilt werden müssen, wird das bisherige Policenmodell faktisch abgeschafft. Das (leicht modifizierte) Antragsmodell wird zum Leitbild des neuen Versicherungsvertragsrechts. Der Gesetzgeber begründet dies mit der
Wichtige Änderungen der Reform im Überblick
19
beabsichtigten Verbesserung des Verbraucherschutzes. Dem Verbraucher werde so Gelegenheit gegeben, sich vor Abgabe einer Vertragserklärung mit den Einzelheiten des Vertrags vertraut zu machen. Die Abschaffung des bewährten und eingeführten Policenmodells wird von der Praxis kritisch gesehen, weil die Verpflichtung zur Übermittlung aller vertragsrelevanten Informationen an den Versicherungsnehmer vor seiner Vertragserklärung einerseits sehr hohe logistische Anforderungen an den Versicherungsvertrieb bedeutet und andererseits der Kundennutzen der Informationsübermittlung bezweifelt wird. Die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen bedeuten in der Praxis einen Umfang von 50 Seiten Text und mehr (sog. Antragsbücher). Die bisherigen Erfahrungen der Versicherungswirtschaft über den Umgang des Kunden mit Vertragsinformationen (Kleingedrucktes) legt die Vermutung nahe, dass das Vorverlegen der Informationsübermittlung nicht dazu führen wird, dass Versicherungsnehmer die Informationen auch tatsächlich zur Kenntnis nehmen.1 Für das neue Recht wird deshalb auch das sogenannte Invitatiomodell diskutiert, bei dem die Akteure bei Antrag und Annahme ausgetauscht werden: Der Versicherungsnehmer nennt dem Versicherer oder dem Vermittler seine Wünsche und Bedürfnisse und bittet den Versicherer auf der Basis der zur Verfügung gestellten Daten um ein Angebot zum Abschluss eines Versicherungsvertrages. Die Erklärung des Versicherungsnehmers bleibt ohne rechtlichen Bindungswillen und ist deshalb kein Antrag, sondern eine invitatio ad offerendum. Der Versicherer prüft das Risiko, fertigt die Police aus und übermittelt sie dem Versicherungsnehmer. Der Versicherer unterbreitet damit zugleich dem Versicherungsnehmer den Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags, den der Kunde durch ausdrückliche Erklärung oder konkludent annehmen kann.2 Die Vertragsinformationen werden dem Versicherungsnehmer bei dieser Verfahrenweise mit dem Antrag des Versicherers und der Police übermittelt. Noch ist nicht abzusehen, welches Modell zukünftig die Praxis bestimmen wird.
4.3
Einführung eines einheitlichen Widerrufsrechts Die bisher an verschiedenen Stellen des VVG geregelten Lösungsrechte des Versicherungsnehmers werden vereinheitlicht und jetzt neu durch ein allgemeines Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers ersetzt (§§ 8, 9 VVG n. F.). Danach kann der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung innerhalb einer Frist von zwei Wochen ohne Begründung in Textform widerrufen. Der Widerruf kann also per Brief, Fax oder E-Mail erklärt werden. Bei der Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung beträgt die Widerrufsfrist 30 Tage (§ 152 Abs. 1 VVG n. F.). Die Widerrufsfrist beginnt jeweils mit dem Zugang der Police sowie aller relevanter Vertragsbestimmungen und Informationen einschließlich einer deutlich gestalteten Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs. Der Inhalt der Widerrufsbelehrung wird durch Rechtsverordnung festgelegt; für den Zugang der Unterlagen ist der Versicherer beweispflichtig (§ 8 Abs. 2 VVG n. F.).
1 2
Vgl. dazu vor allem die Zweifel von Römer, zu den Informationspflichten nch dem neuen VVG, Vers R2007, 618. Ausführlich Schimikowski, Vertragsabschluss nach der Invitatio-Lösung und das neue VVG, VW 2007, 715 ff.
A
A
20
Einleitung und Überblick Ist die Belehrung ordnungsgemäß erfolgt, erhält der Kunde im Falle des Widerrufs seine bereits gezahlten Prämien zurück. Hat der Versicherungsschutz bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen, kann der Versicherungsnehmer nur den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Prämienanteil zurückverlangen (§ 9 Satz 1 VVG n. F.). In der Lebensversicherung erhält der Versicherungsnehmer zusätzlich den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 VVG n. F. (§ 152 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.). Ist die Belehrung nicht ordnungsgemäß erfolgt, kann der Versicherungsnehmer zusätzlich die Prämie für das erste Versicherungsjahr verlangen, wenn er noch keine Leistungen aus dem Versicherungsvertrag in Anspruch genommen hat (§ 9 Satz 2 VVG n. F.). In der Lebensversicherung muss der Versicherer in diesem Fall entweder den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile auskehren oder die für das erste Jahr gezahlte Prämie zurückzahlen, wenn dies für den Versicherungsnehmer günstiger ist (§ 152 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.). Ausgenommen vom Widerrufsrecht bleiben: Kurzfristige Versicherungen mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat Verträge über vorläufige Deckung (Ausnahme: Fernabsatzverträge) Verträge bei Pensionskassen, die auf arbeitsvertraglichen Regelungen beruhen (Ausnahme: Fernabsatzverträge) Verträge über Großrisiken im Sinne des Artikels Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EGVVG.
4.4
Aufgabe des Alles-oder-nichts-Prinzips Im bisherigen VVG führte die Verletzung von Anzeigepflichten (§§ 16 ff. VVG), von vertraglicher oder gesetzlicher Obliegenheiten und des Verbots der Gefahrerhöhung (§§ 6, 23 ff. und 71 VVG) sowie bei der Herbeiführung des Versicherungsfalls (§§ 61 f. VVG) durch den Versicherungsnehmer regelmäßig zur Leistungsfreiheit des Versicherers und damit zum Verlust des Versicherungsschutzes beim Versicherungsnehmer. Dem System lag in der Regel das sog. Alles-oder-nichts-Prinzip zugrunde: Entweder volle vertragliche Versicherungsleistung oder Leistungsfreiheit des Versicherers. Auf den ersten Blick eine scheinbare einfache Regelung, weil die Leistungsfreiheit nach Feststellung einer Vertragsverletzung und eines hinreichenden Verschuldens des Versicherungsnehmers ohne Weiteres und insgesamt eintrat. Tatsächlich erforderte sie aber eine exakte Feststellung des Verschuldens, weil die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit oder zwischen grober und einfacher Fahrlässigkeit für den Wegfall oder den Erhalt des Versicherungsschutzes von entscheidender Bedeutung war. Im Ergebnis führte dieses Prinzip aber gerade bei ähnlich gelagerten Fällen mit nur graduellen Unterschieden im Verschulden zu gegensätzlichen Rechtsfolgen: In dem einen Fall voller Versicherungsschutz und in dem anderen, fast identischen Fall völlige Leistungsfreiheit. Zur Vermeidung systembedingter Rechtsfolgen, die den Umständen des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden konnten, hat die Rechtssprechung in solchen Situationen die Schwelle der groben Fahrlässigkeit teilweise nach oben verschoben. Das VVG n. F. sieht deshalb den Wegfall des Alles-oder-nichts-Prinzips vor. Dabei beschränkt sich das Gesetz nicht auf Korrekturen bei den einzelnen Vorschriften, sondern führt für sämtliche Verletzungen vertraglicher Pflichten und Obliegenheiten des Versicherungsnehmers (Anzeige von Gefahrumständen, Verbot der Gefahrerhöhung) ein weitgehend
Wichtige Änderungen der Reform im Überblick
21
einheitliches und damit besser verständliches Systemen von Rechtsfolgen ein, das die Interessen der Beteiligten angemessen berücksichtigt. Die zentralen Inhalte des neuen Systems bestehen aus folgenden Elementen: Keine Leistungsfreiheit bei einfacher Fahrlässigkeit Leistungsfreiheit nur möglich bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz Leistungsfreiheit als Rechtsfolge bleibt grundsätzlich möglich, setzt aber immer grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz voraus. In einigen Fällen wird Leistungsfreiheit durch Kündigungs- oder Vertragsanpassungsrechte ersetzt. Kausalitätserfordernis für Leistungsfreiheit Leistungsfreiheit setzt grundsätzlich voraus, dass das Handeln des Versicherungsnehmers kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistung des Versicherers war. Davon ausgenommen bleibt nur betrügerisches Verhalten des Versicherungsnehmers vor und nach dem Versicherungsfall: Diese führt ausnahmsweise, auch wenn es nicht kausal geworden ist, zur Leistungsfreiheit. Quotelung bei grober Fahrlässigkeit Bei grob fahrlässigen Verstößen des Versicherungsnehmers gegen Obliegenheiten kann der Versicherer seine Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens kürzen Leistungsfreiheit bei Vorsatz Vorsätzliche Verstöße führen – soweit Kausalität vorliegt – immer zur Leistungsfreiheit. Belehrungspflichten des Versicherers Der Versicherungsnehmer soll nicht von der Leistungsfreiheit überrascht werden: Es werden Belehrungspflichten des Versicherers eingeführt, die den Versicherungsnehmer warnen und ihn zu richtigem Verhalten anhalten sollen. Einheitliche Beweislastregelung Vermutung grober Fahrlässigkeit. Die Beweislast für Vorsatz trägt der Versicherer. Die Beweislast für leichte Fahrlässigkeit liegt beim Versicherungsnehmer. Versicherungsnehmer muss nachweisen, dass sein Verhalten nicht kausal für den eingetretenen Schaden war (Kausalitätsgegenbeweis). Auf die Ausgestaltung des neuen Systems wird in den einzelnen Abschnitten (Vorvertragliche Anzeigepflichten, Gefahrerhöhung, vertragliche Obliegenheiten, Herbeiführung des Versicherungsfalls) näher eingegangen.
4.5
Änderungen bei vorvertraglichen Anzeigepflichten Wie schon bisher hat der Versicherungsnehmer auch zukünftig vorvertragliche Anzeigepflichten, die dem Versicherer die Prüfung des zu versichernden Risikos ermöglichen.
A
A
22
Einleitung und Überblick Bisher musste der Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, anzeigen. Die Anzeigepflicht bestand unabhängig von Fragen des Versicherers bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Nunmehr muss der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung solche gefahrerhebliche Umstände anzeigen, nach denen der Versicherer ausdrücklich in Textform gefragt hat (§ 19 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Maßgeblicher Zeitpunkt ist nicht mehr der Vertragsschluss, sondern die Abgabe der Vertragserklärung des Kunden. Die wichtigste Änderung besteht darin, dass der Versicherungsnehmer nur noch solche Umstände anzeigen muss, nach denen der Versicherer ausdrücklich gefragt hat. Denn damit liegt die Einschätzung, welche Umstände für die Gefahrtragung durch den Versicherer von Bedeutung sind, nicht mehr im Risikobereich des Versicherungsnehmers, sondern im Risikobereich des Versicherers. Für die Versicherer wird dies bedeuten, die Fragen zum Risiko genauer und ausführlicher zu stellen. Eine Nachmeldepflicht nach Antragstellung besteht nur noch, wenn der Versicherer dazu ausdrücklich in Textform auffordert (§ 19 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.). Eine spontane Nachmeldepflicht über möglicherweise eingetretene Gefahränderungen nach Antragsstellung besteht demnach nicht mehr. Die Rechtsfolgen einer Verletzung vorvertraglicher Anzeigpflichten sind insgesamt verbrauchergerechter ausgestaltet. Ein Rücktrittsrecht des Versicherers besteht nur noch, wenn der Versicherungsnehmer die vorvertragliche Anzeigepflicht grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzt hat (§ 19 Abs. 2, 3 VVG n. F.). Bei einfacher fahrlässiger oder schuldloser (arg. § 19 Abs. 4 Satz 2, 2. HS VVG n. F.) Anzeigepflichtverletzung kann der Versicherer den Versicherungsvertrag dagegen nur mit einer Frist von einem Monat mit Wirkung für die Zukunft kündigen (§ 19 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.). Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grober Fahrlässigkeit (nicht bei Vorsatz!) und das Kündigungsrecht des Versicherers bei einfacher Fahrlässigkeit sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte (§ 19 Abs. 4 Satz 1 VVG n. F.). Dem Versicherungsnehmer bleibt es überlassen, insoweit den Kausalitätsgegenbeweis zu führen. Auf Verlangen des Versicherers werden die „andere Bedingungen“ bei einfacher Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers rückwirkend (§ 19 Abs. 4 Satz 2, 1. HS VVG n. F.), bei schuldloser Anzeigepflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode (§ 19 Abs. 4 Satz 2, 2. HS) Vertragsbestandteil. Erhöht sich dadurch die Prämie um mehr als 10 Prozent oder verlangt der Versicherer einen Risikoausschluss, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers fristlos kündigen (§ 19 Abs. 6 VVG n. F.). Rücktritts-, Kündigungs- und Vertragsgestaltungsrechte des Versicherers setzten voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss über die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung ordnungsgemäß belehrt hat (§ 19 Abs. 5 Satz 1 VVG n. F.) und
Wichtige Änderungen der Reform im Überblick
23
dem Versicherer bzw. dem Versicherungsvertreter (Auge und Ohr!) der nicht angezeigte Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige unbekannt war (Kausalität; § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG n. F.). Ist im Falle eines Rücktrittes der Schadenfall bereits eingetreten, ist der Versicherer leistungsfrei, wenn zwischen der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden ein Ursachenzusammenhang (Kausalität) besteht. Der Versicherungsnehmer kann den Kausalitätsgegenbeweis führen. Rücktritts-, Kündigungs- und Vertragsgestaltungsrechte des Versicherers erlöschen nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss (§ 21 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.), in der Krankenversicherung nach Ablauf von drei Jahren (§ 194 Abs. 1 Satz 4 VVG n. F.). Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung verlängert sich die Frist von fünf auf zehn Jahre (§ 21 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.) Bei arglistiger Täuschung kann der Versicherer den Vertrag anfechten (§ 22 VVG n. F.). Verletzung Anzeigepflicht
Rechtsfolgen
Ohne Verschulden
Kündigung oder Vertragsanpassung
Einfache Fahrlässigkeit
Kündigung oder Vertragsanpassung
Grobe Fahrlässigkeit
Rücktritt oder Vertragsanpassung
Vorsatz
Rücktritt
Arglist
Anfechtung
4.6
Änderungen bei Form, Laufzeit und Prämie
4.6.1
Textform Auch im neuen Versicherungsvertragsrecht bleibt es bei der grundsätzlichen Formfreiheit von Versicherungsverträgen. Wie bisher können Versicherungsverträge auch zukünftig formlos geschlossen werden. Für bestimmte Erklärungen der Vertragsparteien war bisher dennoch Schriftform vorgeschrieben (z. B. § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG). Derartige Schriftformerfordernisse werden im neuen Versicherungsvertragsrecht weitgehend durch Textform (§ 126b BGB) ersetzt. Ist Textform vorgeschrieben, muss die Erklärung auf Papier oder elektronisch zur dauerhaften Wiedergabe (Diskette, CD, USB-Stick, E-Mail oder ähnliches) in Schriftzeichen abgegeben werden, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Unterschrift oder anders, etwa durch Abschlussfloskel und Name in Druckbuchstaben erkennbar gemacht werden. Mit der weitgehenden Ersetzung der Schriftform durch Textform ist der Anschluss des Versicherungsvertragsrechts an die moderne elektronische Kommunikation vollzogen. Beispiele für Textform: Widerruf und Widerspruch des Versicherungsnehmers Informationen und Belehrungen des Versicherers
A
A
24
Einleitung und Überblick Fragen nach gefahrerheblichen Umständen bei Antragsaufnahme Folgeprämienmahnung Informationen des Versicherungsvermittlers gegenüber dem Versicherungsnehmer Schriftform kann von den Parteien weiterhin für bestimmte Erklärungen vereinbart werden. Sie muss eingehalten werden bei Verzicht des Versicherungsnehmers auf Beratung, Dokumentation, Vertragsinformationen (§ 6 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, 2. HS, § 61 Abs. 2 VVG n. F.) Geltendmachen der Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.), Bevollmächtigung des Versicherungsvermittlers zur Entgegennahme von Leistungen, die für den Versicherungsnehmer bestimmt sind (§ 64 VVG n. F.), Einwilligung der versicherten Person zum Abschluss einer Todesfall- bzw. einer Unfallversicherung (§§ 150 Abs. 2, 179 Abs. VVG n. F.).
4.6.2
Laufzeit und Sonderkündigungsrecht Die bisherige „Mittagsregel“ (§ 7 VVG) wird aufgehoben. Versicherungsverträge beginnen nunmehr regelmäßig um 0 Uhr des Tages, an dem der Vertrag geschlossen wird, und enden um 24 Uhr des letzten Tages der Vertragslaufzeit. Vertragliche Abweichungen bleiben möglich. Auch das neue Versicherungsvertragsrecht kennt keine grundsätzliche Beschränkung der Vertragslaufzeiten von Versicherungsverträgen. Den Vertragsparteien bleibt es daher weiterhin unbenommen, Mehrjahresverträge (fünf oder zehn Jahre) abzuschließen. Zum Schutz des Versicherungsnehmers vor überlangen Laufzeiten gewährt § 11 Abs. 4 VVG n. F. dem Versicherungsnehmer ein nicht abdingbares Sonderkündigungsrecht zum Schluss des dritten oder jedes darauffolgenden Jahres mit einer Frist von drei Monaten.
4.6.3
Wegfall der Unteilbarkeit der Prämie Wichtigste Neuerung im Prämienrecht des VVG n. F. ist die Aufgabe des Prinzips der Unteilbarkeit der Prämie. Nach diesem Prinzip gebührte dem Versicherer auch bei außerordentlicher Beendigung z. B. durch Rücktritt oder Kündigung des Versicherungsvertrages im laufenden Versicherungsjahr die komplette Jahresprämie. Diese Regelung hat den Versicherungsnehmer in vielen Fällen unangemessen benachteiligt und ist deshalb zu Recht abgeschafft worden. An ihre Stelle ist nun eine Pro-rata-temporis-Regel getreten, nach der der Prämienanspruch des Versicherers mit dem Zeitraum des geleisteten Versicherungsschutzes korrespondiert (§ 39 Abs. 1 VVG n. F.). Endet ein Versicherungsvertrag vorzeitig, etwa durch Kündigung nach einem Versicherungsfall (§§ 92, 111 VVG), Erwerberkündigung (§ 96 VVG), oder Kündigung nach Prämienanpassung oder Leistungssenkung (§ 40 VVG), steht dem Versicherer nicht mehr die volle Prämie der laufenden Versicherungsperiode, sondern nur ein zeitanteiliger Prämienanspruch zu. Wird das Versicherungsverhältnis durch Rücktritt wegen § 19 Abs. 2 VVG n. F. (vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung) oder durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung been-
Wichtige Änderungen der Reform im Überblick
25
det, steht dem Versicherer die Prämie aber bis zum Wirksamwerden der Rücktritts- oder Anfechtungserklärung zu (§ 39 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.). Tritt der Versicherer wegen nicht rechtzeitiger Zahlung der Einmal- oder Erstprämie zurück, kann der Versicherer – auch ohne Risikotragung – eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen (§ 39 Abs. 1 Satz 3 VVG n. F.). Neu im Prämienrecht ist die Anpassung der Fälligkeitsvorschriften (§ 33 Abs. 1 VVG n. F.) an das allgemeine Widerrufsrecht gem. § 8 VVG n. F.: Fälligkeit der Erstprämie zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins. Der Versicherungsnehmer soll noch nicht zur Zahlung der Prämie verpflichtet sein, solange er noch widerrufen kann. Zudem muss der Versicherer den Versicherungsnehmer nach neuem Recht auf die Rechtsfolgen der nicht rechtzeitigen Zahlung der Einmal- oder Erstprämie hinweisen (§ 37 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.). Neu ist schließlich auch die Möglichkeit des Versicherungsnehmers, die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen nicht rechtzeitiger Zahlung der Einmal- oder Erstprämie durch den Nachweis mangelnden Verschuldens zu vermeiden (§ 37 Abs. 2 VVG n. F.).
4.7
Verjährung; Wegfall der Klagefrist
4.7.1
Verjährung Die bisherigen Verjährungsvorschrift des § 12 Abs. 1 VVG wird aufgehoben. Damit gelten auch im Versicherungsvertragsrecht die allgemeinen Vorschriften zur Verjährung schuldrechtlicher Ansprüche, die mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts allgemein eingeführt worden sind. Die bisher geltende Verjährungsfrist für Ansprüche aus Versicherungsverträgen von zwei Jahren – bei der Lebensversicherung von fünf Jahren – wird damit durch die Regelfrist von drei Jahren des § 195 BGB ersetzt. Auch für den Beginn der Verjährung gelten nun die allgemeinen Vorschriften und damit das sog. subjektive System, das den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren mit der Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners verknüpft. Gem. § 199 BGB setzt der Beginn der Verjährung neben der Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners ferner voraus, dass der Anspruch entstanden (Fälligkeit) ist.
4.7.2
Wegfall der Klagefrist Auch die bisher in § 12 Abs. 3 VVG geregelte Klagefrist von sechs Monaten ist ersatzlos aufgehoben worden. Die Vorschrift ist vielfach kritisiert worden, weil sie dem Versicherer die Möglichkeit verschaffte, die Verjährungsfrist zum Nachteil des Versicherungsnehmers einseitig zu verkürzen.
A
A
26
4.8
Einleitung und Überblick
Direktanspruch in der Pflichtversicherung Sofern eine Pflicht zum Abschluss eines Haftpflichtversicherungsertrags besteht, soll der geschädigte Dritte gem. § 115 VVG n. F. einen Direktanspruch gegen den Versicherer haben, wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt (wie bisher schon) oder über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgewiesen wurde oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist. Im Übrigen bleibt es bei den bisherigen Regeln (§ 158b ff. VVG). Die ursprüngliche Absicht der Bundesregierung, für alle Pflichtversicherungen einen Direktanspruch einzuführen, konnte sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen. Ein Direktanspruch gegen den Versicherer sichert dem Geschädigten im Schadenfall im Rahmen der Versicherungssummen einen verhandlungs- und zahlungsbereiten und zahlungsfähigen Schuldner und sorgt so für eine erleichterte Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen.
4.9
Modernisierung der Lebensversicherung Ein zentraler Bestandteil der VVG-Reform ist die Modernisierung der Lebensversicherung. Sie bringt der Branche nachhaltige Änderungen und hat deshalb besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Unter den Oberbegriff der Lebensversicherung werden Kapital- und Rentenversicherungen auf den Todes- und/oder Erlebensfall zusammengefasst. Je nach Vertragsgestaltung wird im Todesfall und/oder Erlebensfall eine Kapitalzahlung (Kapitalversicherung) oder eine (Leib-)Rente fällig. In der Praxis sind insbesondere Mischformen von besonderer Bedeutung, bei denen Hinterbliebenenabsicherung für den Todesfall und private Altersvorsorge für den Erlebensfall bei Ablauf der Versicherung kombiniert werden. Bei diesen Lebensversicherungen sind die von dem Versicherungsnehmer insbesondere für den Altersvorsorgebereich aufzuwendenden Prämien vergleichsweise hoch, da Beitragsanteile vom Versicherer angespart werden müssen, um im Alter die private Altersversorgung in Form einer Kapitalleistung auszahlen zu können. Die Beitragsanteile für die Altersversorgung werden vom Versicherer im eigenen Deckungsstock (klassische Kapital- oder Rentenversicherungen) oder in Investmentfonds (Fondspolicen oder fondsgebundene Kapital- oder Rentenversicherungen) angelegt. Die Lebensversicherung ist im Markt stark verbreitet und hat sich zu einem der wichtigsten Geschäftsbereiche der Versicherungswirtschaft entwickelt. Fast die Hälfte der Prämieneinnahmen der deutschen Versicherer im Inlandsgeschäft entfällt auf die Lebensversicherung. Da die für die Altersvorsorge bestimmten Beitragsanteile, die ausweislich der Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft in 2004 bereits etwa 625 Mrd. Euro betrugen, vom Versicherer am Kapitalmarkt angelegt werden, konnten sich die Versicherer so zu einem wesentlichen Player am deutschen Kapitalmarkt entwickeln.
Wichtige Änderungen der Reform im Überblick
27
Obwohl die Kapital bildende Lebensversicherung so im privaten Altervorsorgebereich einen besonderen Stellenwert erreichen konnte, hat sich an ihrer derzeitigen Form massive Kritik entzündet. Insbesondere Verbraucherschützer kritisieren, dass die Abschlusskosten zu hoch seien die Abschlusskosten zum großen Teil zu Beginn des Vertrags anfallen die Rückkaufswerte bei Kündigung des Vertrages in den ersten Jahren deshalb zu niedrig seien die Überschussbeteiligung die stillen Reserven des Versicherer nicht berücksichtige der Verbraucher die Aufteilung der Prämie in Risiko-, Kosten- und Sparanteil nicht erkennen könne der Verbraucher die Berechnung der Überschussbeteiligung und der Rückkaufswerte nicht einschätzen könne
und ihm dadurch ein Vergleich mit anderen Anlage-Absicherungsmöglichkeiten nicht möglich sei.
Die massive Kritik sowie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Nichtberücksichtigung der stillen Reserven bei der Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung und des Bundesgerichtshofs zur Berechnung des Rückkaufswertes bei der Lebensversicherung haben den Gesetzgeber veranlasst, die versicherungsvertraglichen Rahmenbedingungen der Lebensversicherung gründlich und verbrauchergerecht zu reformieren.
Hinweis Von ausdrücklichen Ausnahmen abgesehen gelten die Vorschriften über die Lebensversicherung für alle Formen von Lebensversicherungen.
4.9.1
Überschussbeteiligung Lebensversicherungen haben wegen ihres Versorgungscharakters meist eine sehr lange Vertragsdauer. Bei den Versicherungen mit Kapitalbildung sind es im Schnitt 26 Jahre. Versicherer müssen deshalb bei der Kalkulation ihres Leistungsversprechens die langen Laufzeiten berücksichtigen. Da sich zukünftige Entwicklungen der Rechnungsgrundlagen (Risiko, Kosten, Kapitalmarkt) nicht sicher abschätzen lassen, wird der Versicherer sein Leistungsversprechen und die vom Versicherungsnehmer dafür zu zahlende Prämie vorsichtig bestimmen. Die vorsichtige Kalkulation der garantierten Werte in der gemischten Kapitalversicherung führt in der Regel dazu, dass bei Ablauf des Vertrages tatsächlich zu erreichende Leistungen zum Teil deutlich über den garantierten Werten liegen. Deshalb splitten Versicherer bei der Lebensversicherung ihre vertraglichen Leistungen in einen garantierten und einen nicht garantierten Teil auf. Im nicht garantierten Teil wird eine Überschussbeteiligung in Aussicht gestellt, deren tatsächliche Höhe unverbindlich bleibt.
A
A
28
Einleitung und Überblick Für Verträge, in denen der Versicherer eine Überschussbeteiligung eingeräumt hat, gelten besondere aufsichtsrechtliche Regeln. Die Überschussbeteiligung ist für den Versicherungsnehmer in der Praxis bedeutsam, weil sie bei langen Laufzeiten die garantierte Leistung übersteigen kann. Im bisherigen VVG war die Überschussbeteiligung nicht geregelt. Nunmehr verpflichtet § 153 Abs. 1 VVG n. F. den Versicherer, den Versicherungsnehmer in der Lebensversicherung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven zu beteiligen. Die neue Überschussbeteiligung besteht daher aus den Elementen Überschuss und Bewertungsreserven. Neu ist insbesondere, dass der Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven zu beteiligen ist, die der Versicherer nach § 54 der Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung (Art. 6 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts) im Anhang ausweisen muss.
Hinweis Bewertungsreserven ergeben sich aus der Differenz zwischen den vom Versicherer angesetzten Buchwerten seiner Kapitalanlagen und den höheren Marktwerten von Kapitalanlagen, sog. stillen Reserven. Sie galten bisher als zusätzlicher Puffer zur Abfederung der langfristigen Garantien im Lebensversicherungsgeschäft. Die Beteiligung des Versicherungsnehmers an den stillen Reserven wurde seit langem von den Verbraucherschützern gefordert und vom Bundesverfassungsgericht als notwendig erkannt. Eine Überschussbeteiligung kann allerdings durch ausdrückliche Vereinbarung – dann aber nur insgesamt – ausgeschlossen werden. Für die Ermittlung des Überschusses eines Versicherungsunternehmens sind wie bisher die entsprechenden handelsrechtlichen Vorschriften maßgebend. Die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen (§ 81c VAG, ZRQuotenV) bleiben unberührt. Die Beteiligung des Versicherungsnehmers ist nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchzuführen (§ 153 Abs. 2 VVG n. F.). Das bedeutet, dass der Versicherer den Betrag, den er aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen als Beteiligung an den Überschüssen der vergangenen Jahren sowie den Betrag, den er als Direktgutschrift unmittelbar aus dem handelsrechtlich ermittelten Überschuss entnimmt, dem einzelnen Versicherungsnehmer nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik verursachensorientiert zugewiesen werden. Dazu genügt es beispielsweise, dass der Versicherer einen Verteilungsmodus verwendet, der die Verträge der Versicherungsnehmer in verschiedenen Gruppen zusammenfasst und die zu verteilenden Beträge unter Berücksichtigung des Verursachungsprinzips einer dieser Gruppen zuordnet und dem einzelnen Vertrag dann mittelbar als rechnerischen Anteil an dem Betrag der Gruppe gutschreibt. Die Bewertungsreserven sind vom Versicherer jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen (§ 153 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.). Die Ermittlung orientiert sich an § 54 der Versicherungsunternehmens-
Wichtige Änderungen der Reform im Überblick
29
Rechnungslegungsverordnung. Die so ermittelten stillen Reserven sind dem Versicherungsnehmer bei Beendigung des Vertrages zu 50 % zuzuteilen und auszuzahlen (§ 153 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.). Der Versicherungsnehmer hat daher erst einen Anspruch auf Beteiligung der zugeordneten Reserven bei Beendigung des Vertrages durch Kündigung oder Zeitablauf. Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 VVG-InfoV muss der Versicherer den Versicherungsnehmer während der Laufzeit des Vertrages jährlich eine Information über den Stand der Überschussbeteiligung und das Ausmaß des garantierten Anteils der Überschussbeteiligung zur Verfügung stellen. Der Versicherungsnehmer hat gegen den Versicherer im Übrigen einen Anspruch auf jährliche Information über die Entwicklung seiner vertraglichen Ansprüche unter Einbeziehung der Überschussbeteiligung mit ihren Bestandteilen Überschuss und Bewertungsreserven (§ 155 Satz 1 VVG n. F.).
4.9.2
Modellrechnung In der bisherigen Praxis stellen Versicherer den Versicherungsnehmern vielfach sog. Beispielrechnungen zur Verfügung, die den Versicherer über die mögliche zukünftige Vertragsentwicklung informieren soll. Denn der Versicherungsnehmer hat bei Verträgen mit Überschussbeteiligung regelmäßig ein großes Interesse daran, schon bei der Vertragsvorbereitung zu erfahren, welche Leistungen er von dem Versicherer über die garantierten Leistungen hinaus erwarten kann. Die bisherige Praxis der Gestaltung und Übermittlung der Beispielsrechnungen ist gesetzlich nicht geregelt und nach den bisherigen Erfahrungen in einem besonderen Maße missbrauchsanfällig. Auch wenn der Versicherungsnehmer deutlich auf die Unverbindlichkeit hingewiesen wird, sieht er in der Beispielsrechnung eine sachverständige Prognose, obwohl sie gerade dies nicht sein soll und kann. Zur Vermeidung von Missbräuchen und zum Schutz des Versicherungsnehmers verpflichtet nun § 154 Abs. 1 VVG n. F. den Versicherer zur Erstellung einer normierten Modellrechnung, wenn er im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Lebensversicherung bezifferte Angaben über mögliche Überschüsse (Beispielsrechnung) macht. In der Modellrechnung muss der Versicherer die mögliche Ablaufleistung des Vertrags unter Zugrundelegung der Rechnungsgrundlagen für die Prämienkalkulation mit drei verschiedenen Zinssätzen darstellen. Gemäß § 2 Abs. 3 ist die vom Versicherer zu übermittelnde Modellrechnung mit folgenden Zinssätzen darzustellen: dem Höchstrechnungszinssatz, multipliziert mit 1,67, dem Zinssatz nach Nr. 1 zzgl. eines Prozentpunktes und dem Zinspunkt nach Nr. 1 abzgl. eines Prozentpunktes.
Beispiel Aktueller Höchstrechnungszins 2,25 % multipliziert mit 1,67 3,76 % zuzüglich eines Prozentpunktes 4,76 % abzüglich eines Prozentpunktes 2,76 %
A
A
30
Einleitung und Überblick Ausgenommen von der Verpflichtung zu Übermittlung einer Modellrechnung bleiben Risikoversicherungen und fondsgebundene Lebensversicherungen (§ 154 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.). Bei fondgebundenen Lebensversicherungen richtet sich die Wertentwicklung des Vertrages nicht nach dem Überschuss und den Bewertungsreserven des Lebensversicherungsunternehmens, sondern nach der Entwicklung der in der fondsgebundenen Lebensversicherung enthaltenen Investmentfondsanteile. In der Modellrechnung muss der Versicherer den Versicherungsnehmer ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich bei der Modellrechnung nur um ein Rechenmodell handelt, dem fiktive Annahmen zugrunde liegen, und der Versicherungsnehmer aus der Modellrechnung keine vertraglichen Ansprüche gegen den Versicherer ableiten kann (§ 154 Abs. 2 VVG n. F.). Die Höhe der zu verwendenden Zinssätze richten sich nach § 2 VVG-InfoV.
4.9.3
Rückkaufswert Wegen der im Durchschnitt sehr langen Laufzeiten der Lebensversicherungsverträge besteht in der Praxis aufgrund der Änderungen wirtschaftlicher Verhältnisse oder wirtschaftlicher Zielsetzungen häufig das Bedürfnis, den Versicherungsvertrag vor dem planmäßigen Ablauf zu beenden. Diesem Bedürfnis des Versicherungsnehmers wird dadurch Rechnung getragen, dass ihm das Recht eingeräumt wird, den Lebensversicherungsvertrag während der Laufzeit ordentlich zu kündigen oder in eine beitragsfreie Versicherung umzuwandeln (§§ 165, 174 VVG). Diese Rechte bleiben im neuen VVG erhalten. Im Hinblick auf die gegenüber den bisherigen Berechnungsverfahren des Rückkaufsrechts vorgebrachte Kritik, die intransparente Berechnung und die unzureichende Höhe des Rückkaufswertes hindere in der Praxis den Versicherungsnehmer, von seinen vorzeitigen Vertragslösungsrechten tatsächlich Gebrauch zu machen, hat sich der Gesetzgeber veranlasst gesehen, die Regelung des Rückkaufswertes erheblich zu ändern.
4.9.3.1
Deckungskapital statt Zeitwert Nach neuem Recht ist der Versicherer verpflichtet, im Falle eines anfallenden Rückkaufs statt des bisher geltenden „Zeitwerts“ (§ 176 Abs. 3 Satz 1 VVG) das nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Berechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital auszuzahlen (§169 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.). Nur bei fondsgebundenen Lebensversicherungen bleibt es wie bisher bei der Zeitwertberechnung (§ 196 Abs. 4 VVG n. F.). Es soll damit erreicht werden, dass an die Stelle des Zeitwertes eine möglichst klare und nachvollziehbare Berechnung des Rückkaufswertes, die sowohl den Interessen des Versicherungsnehmers wie des Versicherers entspricht, nicht über Gebühr belastet zu werden oder unangemessene Vorteile zu erzielen. Gleichzeitig soll die Transparenz im Hinblick auf die Berechnung des Rückkaufswertes verbessert werden.
Wichtige Änderungen der Reform im Überblick
4.9.3.2
31
Frühstorno Die im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages entstehenden Kosten (Abschluss- und Vertriebskosten) fallen üblicherweise bei Vertragsbeginn an und werden mit den ersten Prämien des Versicherungsnehmers verrechnet (sog. ZillmerVerfahren). Deckungskapital entsteht so erst nach der Tilgung der Abschlusskosten. Das hat dazu geführt, dass bei einer Kündigung in den ersten Jahren oft kein oder nur ein geringer Rückkaufswert ausgezahlt werden konnte. Wegen der gegen diese Praxis gerichteten Kritik dürfen nach neuem Recht die Abschluss- und Vertriebskosten bei der Ermittlung des Deckungskapitals nicht voll abgezogen werden, sondern sind auf die ersten fünf Vertragsjahre zu verteilen (§ 169 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.). Durch dieses Verfahren wird von Anfang an ein Mindestrückkaufswert erreicht. Kunden, die früh ihren Versicherungsvertrag kündigen, werden im Verhältnis zum alten Recht deutlich besser gestellt. Ein Stornoabzug von dem Rückkaufswert ist nur zulässig, wenn er vereinbart, beziffert und angemessen ist (§ 169 Abs. 5 Satz 1 VVG n. F.). Die Vereinbarung eines Abzugs für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten ist unwirksam (§ 169 Abs. 5 Satz 2 VVG n. F.). Der Rückkaufswert des Lebensversicherungsvertrages und das Ausmaß, in dem er garantiert ist, sind dem Versicherungsnehmer vor Abgabe seiner Vertragserklärung mitzuteilen (§ 169 Abs. 3 Satz 2, § 2 Abs. 1 Nr. 4 VVG-InfoV). Die neuen Vorschriften zum Rückkaufswert finden nach Artikel 4 Abs. 2 IGVVG n. F. auf Altverträge keine Anwendung.
4.9.4
Transparenz bei Abschluss- und Vertriebskosten Nach bisherigem Recht kamen Lebensversicherungsverträge in der Regel zustande, ohne dass der Versicherungsnehmer vor Abgabe seiner bindenden Vertragserklärung über das Ausmaß der mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages entstehenden Kosten informiert war. In vielen Fällen ist dem Versicherungsnehmer das wahre Ausmaß der Kostenbelastung erst offenbar geworden, wenn er den Versicherungsvertrag früh gekündigt hat und kein oder nur ein geringer Rückkaufswert zur Auszahlung gelangte. Nach neuem Recht muss der Versicherer bei Lebensversicherungsverträgen den Versicherungsnehmer vor dessen Abgabe seiner Vertragserklärung in Textform über die Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten und sonstiger möglicher Kosten informieren (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 VVG InfoV). Nach dieser Regelung sind alle für den konkret angebotenen Versicherungsvertrag entstehenden Kosten im Einzelnen anzugeben. Dabei ist zwischen den in die Prämie einkalkulierten Kosten und möglichen sonstigen Kosten, die einmalig oder aus besonderem Anlass entstehen können, zu unterscheiden.
4.9.4.1
In die Prämie einkalkulierte Kosten Zu dieser Position gehören insbesondere die Abschluss- und Vertriebskosten und sonstige Kosten, die in die Prämie einkalkuliert werden und damit den Versicherungsnehmer belasten. Nach langem Streit hat der Verordnungsgeber entschieden, dass nicht die tatsächlichen Aufwände, sondern die rechnungsmäßig angesetzten Kosten anzugeben sind, wobei laufende Zuschläge zur Deckung von Abschlussaufwendungen (sog. Amortisationszuschläge, in der Versicherungsmathematik „Alpha-Gamma-Kosten“) mit auszuweisen sind.
A
A
32
Einleitung und Überblick Die Kosten sind in Euro auszuweisen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 VVG InfoV). Damit soll erreicht werden, dass der Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages darüber informiert ist, welchen Betrag er effektiv als in den Prämien enthaltenen Kostenanteil an den Versicherer zahlen muss. Deshalb seien, so die Verordnungsbegründung, lediglich prozentuale Angaben oder Berechnungsgrundlagen unzureichend, weil der Versicherungsnehmer die Höhe der Kosten unmittelbar und ohne weitere besondere Berechnung erkennen können soll. Die konkrete Angabe in einem Euro-Betrag sei besser verständlich und aus Gründen der Transparenz geboten. Der Verordnungsgeber weist ausdrücklich darauf hin, dass die Forderung, den Verbraucher durch konkrete Angaben in verständlicher Weise über die mit einem Geschäft verbundenen Kosten zu informieren, von vielen Seiten seit langem erhoben und in zunehmenden Maße auch durch Gesetz und Rechtssprechung betont werde. Die Abschlusskosten sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VVG InfoV grundsätzlich als einheitlicher Vertrag auszuweisen, während alle anderen in die Prämie einkalkulierten Kosten als Anteil der Jahresprämie unter Angabe der jeweiligen Zeit ausgewiesen werden können. Die Unterscheidung muss in der Darstellung deutlich werden.
Beispiel aus der Verordnungsbegründung Für diesen Vertrag sind Abschlusskosten und weitere Kosten zu entrichten, die in der kalkulierten Prämie von jährlich xxx € bereits enthalten sind. Diese Kosten bestehen aus einem einmaligen Betrag von yyy € und weiteren Beträgen von jährlich zzz € für eine Laufzeit von 25 Jahren.
4.9.4.2
Sonstige mögliche Kosten Sonstige mögliche Kosten, insbesondere Kosten, die einmalig oder aus besonderem Anlass entstehen können, sind solche, die dem Versicherungsnehmer aufgrund des eingegangenen Verhältnisses entstehen und nicht in die Prämie einkalkuliert sind. Dazu gehören beispielsweise Kosten für die Ausstellung einer Ersatzurkunde oder Ähnliches. Auch die sonstigen möglichen Kosten sind gemäß § 2 Abs. 2 VVG-InfoV in Euro anzugeben.
4.9.4.3
Übergangsregelung Eine Übergangsregelung für so genannte Altverträge findet sich in Artikel 2 des Gesetzes (Änderung des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz über den Versicherungsvertrag; neuer Artikel 4 Abs. 1 und 2). In Artikel 6 des Gesetzes werden die erforderlichen bilanzrechtlichen Änderungen vorgenommen.
4.9.4.4
Betriebliche Altersversorgung Die betriebliche Altersversorgung fällt grundsätzlich unter die Regelung des Versicherungsvertragsrechts, soweit dabei Lebensversicherungsverträge geschlossen werden. Um den Besonderheiten der betrieblichen Altersversorgung Rechnung zu tragen, wird sie bei einzelnen Vorschriften des VVG n. F. ausgenommen (vgl. etwa § 150 Abs. 2 Satz 1, § 211 VVG n. F.).
Wichtige Änderungen der Reform im Überblick
4.10
33
Inkrafttreten Das Versicherungsvertragsgesetz ist am 1. Januar 2008 in Kraft getreten. Es gilt dann für alle neu abgeschlossenen Verträge. Ab dem 1. Januar 2009 gelten die neuen Vorschriften auch für Altverträge. Wegen der Ausnahme- und Übergangsvorschriften vergleiche unten Kapitel D 10, S. 171 ff. und F, S. 193 ff. Zahlreiche Versicherer haben erklärt, das neue Versicherungsvertragsrecht auf Altverträge schon 2008 anzuwenden, wenn es für den Versicherungsnehmer eine Verbesserung bedeutet. Im Folgenden werden die neuen Vorschriften im Zusammenhang und in gedrängter Form mitgeteilt. Die Darstellung orientiert sich zum besseren Verständnis am Gesetzesaufbau, wobei Schwerpunkte an den Stellen gesetzt sind, die für die Praxis besonders bedeutsam erscheinen.
A
B
Vorschriften für alle Versicherungszweige
1
Allgemeine Vorschriften
1.1
Vertragsinhalte Mit einem Versicherungsvertrag verpflichtet sich der Versicherer, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat (§ 1 Satz 1 VVG n. F.). Demgegenüber ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten (§ 1 Satz 2 VVG n. F.). Damit sind die wechselseitigen Hauptleistungspflichten in einem Versicherungsvertrag abschließend beschrieben. Der Versicherer übernimmt demnach negative wirtschaftliche Folgen ungewisser Ereignisse im ursprünglichen Risikobereich des Versicherungsnehmers gegen Bezahlung einer fest vereinbarten Prämie (Risikotransfer gegen Entgelt). Die bisherige Unterscheidung zwischen Schadenversicherung und Personenversicherung wird dabei aufgegeben. Wie bisher unterscheidet auch das VVG n. F. bei den Pflichten des Versicherungsnehmers zwischen echten Rechtspflichten (Prämienzahlung!) und vertraglichen und gesetzlichen Obliegenheiten (§§ 19 ff. VVG n. F.). Obliegenheiten sind im Unterschied zu echten Rechtspflichten nicht einklagbar; ihre Verletzung durch den Versicherungsnehmer führt daher nur zu Rücktritts-, Kündigungs- oder Anpassungsrechten.3
1.2
Zustandekommen des Versicherungsvertrages Für das Zustandekommen und den Abschluss von Versicherungsverträgen gelten wie bisher die allgemeinen Regelungen über Willenserklärungen und Verträge (§§ 116 ff., 145 ff. BGB). Ein Versicherungsvertrag erfordert deshalb wie andere zivilrechtliche Verträge auch regelmäßig zwei übereinstimmende Willenserklärungen – Antrag und Annahme. In der Regel erklärt der Versicherungsnehmer einen Antrag im Sinne des § 145 BGB, den der Versicherer – nach erfolgter Risikoprüfung – annimmt oder ablehnt. Üblicherweise wird beim Abschluss insbesondere von Standardverträgen so verfahren. Im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss sind vom Versicherer aber besondere Beratungsund Informationspflichten zu beachten, die der Gesetzgeber im VVG n. F. umfassend neu geregelt hat.
1.3
Beratungspflichten In der bisherigen Fassung des VVG gab es keine Vorschriften, die den Versicherer selbst verpflichteten, den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages zu beraten. Allerdings hat die Rechtsprechung bisher schon eine Beratungspflicht des Versicherers nach allgemeinen Vertragsgrundsätzen dann angenommen, wenn das Beratungsbedürfnis des Versi-
3
Vgl. im Einzelnen unten Abschnitt B 2, B 3, B 4.
Allgemeine Vorschriften
35
cherungsnehmers für den Versicherer evident und die Beratung durch den Versicherer möglich und zumutbar war.4 Für Versicherungsvermittler gelten demgegenüber bereits seit dem 22. Mai 2007 umfassende eigenständige Beratungspflichten.5
1.3.1
Anlassbezogene Befragungs- und Beratungspflicht § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. Mit dem VVG n. F. werden nun auch Versicherer zur anlassbezogenen Beratung der Versicherungsnehmer und zur Dokumentation verpflichtet: Gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer – soweit aufgrund der konkreten Umstände für den Versicherer ein erkennbarer Anlass dazu besteht – nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, ihn zu beraten und die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Bei der Erfassung der Wünsche und Bedürfnisse des Kunden geht es darum, die meist laienhafte Vorstellungswelt des Kunden zu einer am tatsächlichen Versicherungsbedarf des Kunden ausgerichteten und möglichen Versicherungsschutzlösung in Beziehung zu setzen. Die Wünsche des Kunden sind seine subjektiven Vorstellungen, die er in das Beratungsgespräch mitbringt. Sie können je nach Vorkenntnissen und intellektueller Struktur des Kunden laienhaft und sehr allgemein gehalten sein und sich noch gar nicht oder erst wenig auf den Abschluss eines bestimmten Versicherungsvertrages konkretisiert haben. Die Befragung des Kunden nach seinen Wünschen bildet den Einstieg in den Beratungsprozess. Im Ergebnis kommt es darauf an, die vom Kunden laienhaft geäußerten Wünsche in eine bedarfsgerechte Versicherungsschutzlösung zu überführen. Der Versicherer schuldet keine umfassende Befragung (Haushaltsanalyse). Vielmehr bestimmen sich Art, Umfang und Intensität der Befragungspflicht nach dem vom Kunden gesetzten Anlass.
Beispiel Kunde wendet sich an den Versicherer mit der Bitte um ein Angebot für eine private Haftpflichtversicherung. Verbraucherschützer haben im Gesetzgebungsverfahren gefordert, in solchen Fällen müsse der Versicherer bei Verbrauchern eine komplette Haushaltsanalyse durchführen. Das hat der Gesetzgeber zu Recht nicht aufgegriffen.
Maßgeblich für die Beurteilung, ob und ggfs. in welchem Umfang Anlass für eine Befragung besteht, sind die Komplexität des Produkts (Schwierigkeit, die angebotenen Versicherung zu beurteilen) die Person die Situation des Versicherungsnehmers (Risikoumfeld). Der Versicherer soll in die Lage versetzt werden, sich die für eine bedarfsgerechte Beratung notwendigen Auskünfte zu erschaffen. Insbesondere wenn der Kunde keine hinreichenden 4 5
Vergl. Marlow/Spuhl, II 3 a am Ende, S. 24. Bislang §§ 42b ff. VVG, jetzt §§ 60 ff. VVG n. F.; vgl. im Einzelnen unten Abschnitt B 9, S. 71 ff.
B
B
36
Vorschriften für alle Versicherungszweige Angaben zu seinen Wünschen und zu seinem Bedarf macht, ist der Versicherer gefordert nachzufragen. § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. enthält neben der Verpflichtung des Versicherers, den Versicherungsnehmer nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, auch die Verpflichtung, den Versicherungsnehmer zu beraten. Auch Inhalt und Umfang der Beratungspflicht richten sich nach dem vom Kunden gesetzten Anlass. Im Unterschied zur Befragung kann aber bei der Bemessung von Art und Umfang der Beratung ein „angemessenes Verhältnis zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämie“ berücksichtigt werden. Dahinter steht die Überlegung, dass eine geringe Prämienhöhe in der Regel ein wenig komplexes Standardprodukt indiziert, das keine umfängliche Beratung erfordert. Da die sonstigen Kriterien „Komplexität“ und „Risikoumfeld“ durch das Kriterium der „Angemessenheit“ aber nicht eingeschränkt werden, kann es dennoch sein, dass bei Versicherungen mit niedrigen Prämien zum Beispiel wegen der Komplexität des Produktes ein erhöhter Beratungsaufwand erforderlich wird.
Hinweis In der Praxis wird unter Beratungsanlass häufig nur eine spartenbezogene Beratung im Unterschied zur Rundumberatung (Haushaltsanalyse, Gewerbeanalyse) verstanden. Das ist zu kurz gegriffen, da auch bei der spartenbezogenen Beratung (z. B. Hausratversicherung) je nach Person oder Situation des Kunden oder Schwierigkeit der Versicherung die Befragung und Beratung den jeweiligen konkreten Umständen anzupassen ist.
Beispiel Wenn ein Türke im Büro des Versicherungsvermittlers Kraftfahrtversicherung abschließt und dafür Deckung benötigt, besteht Veranlassung nachzufragen, ob bei einer mit dem zu versichernden Kraftfahrzeug durchgeführten Fahrt in die Türkei die Möglichkeit besteht, dass dabei der europäische Teil der Türkei verlassen wird, weil für diesen Fall eine besondere Deckung notwendig werden kann.
Praxistipp Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, die Risikoanalyse für die verschiedenen Sparten zu standardisieren und regelmäßig und gründlich durchführen. Die neue Beratungspflicht der Versicherer ist in der Praxis von den vom Versicherer eingesetzten Angestellten oder Versicherungsvertretern (§ 59 Abs. 2 VVG n. F.) umzusetzen. Beim Einsatz von Versicherungsvertretern überschneiden sich die gesetzlichen Beratungspflichten des Versicherers und die gesetzlichen Beratungspflichten des Versicherungsvertreters. Hier wird der Versicherungsvertreter mit der Erfüllung eigener Pflichten zugleich auch die Pflichten des Versicherers erfüllen. Wird der Versicherungsvertrag von einem Versicherungsmakler (§ 59 Abs. 3 VVG n. F.) vermittelt, gelten die Beratungspflichten für den Versicherer nicht (§ 6 Abs. 6 VVG n. F.).
Allgemeine Vorschriften
1.3.2
37
Anlassbezogene Befragungs- und Beratungspflicht nach Abschluss des Vertrages Im Unterschied zu den Beratungspflichten der Versicherungsvermittler, die nur in der Zeit bis zum Abschluss des Versicherungsvertrages bestehen (vergleiche § 61 Abs. 1 VVG n. F.), besteht die Verpflichtung zur anlassbezogenen Beratung für Versicherer auch während der Dauer des Versicherungsverhältnisses (§ 6 Abs. 4 Satz 1 VVG n. F.). Während der Dauer des Versicherungsverhältnisses entsteht die Beratungspflicht, wenn für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist.
Beispiel Versicherer und Versicherungsnehmer vereinbaren den Abschluss einer gemischten Kapitalversicherung, die ein vom Versicherer gleichzeitig gewährtes und zur Tilgung ausgesetztes endfälliges Darlehen ablösen soll. Während der Laufzeit der Kapitalversicherung wird ersichtlich, dass die ursprünglich ins Auge gefassten Ablaufleistungen der Versicherung nicht ausreichen, um das Darlehen bei Ablauf zu tilgen. Hier wird für den Versicherer ein Anlass zur diesbezüglichen Information und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar
1.3.3
Dokumentationspflicht § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. Der Versicherer muss den Versicherungsnehmer nicht nur anlassbezogen nach seinen Wünschen und Bedürfnissen befragen und beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat angeben, sondern dies auch unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrages dokumentieren (§ 6 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.). Dies könnte man möglicherweise so verstehen, dass der Versicherer verpflichtet sei, den gesamten Befragungs- und Beratungsprozess zu dokumentieren. Insoweit stellt § 6 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.) klar, dass dem Versicherungsnehmer nur der erteilte Rat und die Gründe für den Rat klar und verständlich vor Abschluss des Vertrages in Textform zu übermitteln sind. Ausnahmsweise dürfen diese Angaben mündlich übermittelt werden, wenn dies dem Wunsch des Versicherungsnehmers entspricht oder wenn der Versicherer vorläufige Deckung gewährt. Dann sind die Angaben unverzüglich nach Vertragsschluss dem Versicherungsnehmer in Textform zu übermitteln. Diese Verpflichtung besteht nicht, wenn ein Vertrag nicht zustande kommt und bei Verträgen über vorläufige Deckung von Pflichtversicherungen.
1.3.4
Verzicht Der Versicherungsnehmer kann gegenüber dem Versicherer auf die Beratung und Dokumentation durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, wenn er vom Versicherer in der Erklärung ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen (§ 6 Abs. 3 VVG n. F.). Dahinter steht die Überlegung, dass ein mündiger Verbraucher nicht zwangsberaten werden soll. Gegen diese gesetzlich eingeräumte Verzichtsmöglichkeit auf Beratung und Dokumentation ist ebenso wie gegen die entsprechende Verzichtsmöglichkeit bei den Beratungs- und Dokumentationspflichten der Versicherungsvermittler massive Kritik erhoben worden. Die Kritiker befürchten, dass durch eine systematische Anwendung von Verzichtsformeln in der Praxis die neuen Beratungs- und Dokumentationspflichten der Versicherer ausgehöhlt werden.
B
B
38
Vorschriften für alle Versicherungszweige
1.3.5
Schadensersatzpflicht Der Versicherer ist dem Versicherungsnehmer zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er seine Beratungs- und Dokumentationspflicht nicht erfüllt, der Versicherer die Pflichtverletzung zu vertreten hat und dem Kunden durch die Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist (§ 6 Abs. 5 VVG n. F.).
1.3.6
Ausnahmen Die Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherers bestehen nicht bei Versicherungsverträgen über ein Großrisiko (Artikel 10 Abs. 1 Satz 2 Einführungsgesetz zum VVG) die von einem Versicherungsmakler vermittelt werden die im Fernabsatz im Sinne des § 312 b des BGB abgeschlossen werden. Der Versicherungsmakler wird – anders als der Versicherungsvertreter – für den Versicherungsnehmer tätig (§ 59 Abs. 3 VVG n. F.). Deshalb darf der Versicherer – so die Gesetzesbegründung – im Fall der Einschaltung eines Versicherungsmaklers davon ausgehen, dass der Versicherungsmakler seine eigene gegenüber dem Versicherungsnehmer obliegende Frage- und Beratungspflicht erfüllt. In diesen Fällen sei es nicht erforderlich, auch dem Versicherer eine entsprechende Verpflichtung aufzuerlegen. Deshalb ist die Beratungspflicht des Versicherers ausgeschlossen, sofern der Vertrag von einem Versicherungsmakler vermittelt wird. Dies gilt auch für die Beratungspflicht des Versicherers während der Vertragslaufzeit. Dies könnte möglicherweise problematisch sein, wenn der Versicherungsmakler mit dem Kunden vereinbart hat, dass nach Abschluss des Versicherungsvertrages keine weiteren Beratungspflichten des Versicherungsmaklers bestehen. Derartige Vereinbarungen sind im Wege einer Individualvereinbarung grundsätzlich möglich. Ein Ausschluss von Beratungspflichten nach Abschluss des Versicherungsvertrages im Wege des mit dem Kunden geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages dürfte regelmäßig an AGB-rechtlichen Problemen scheitern. Nach dem Selbstverständnis der wesentlichen Versicherungsmaklerverbände gehört es üblicherweise zu den berufsständischen Pflichten des Versicherungsmaklers, den Kunden auch während der Laufzeit des Versicherungsvertrages zu beraten. Ein Vertragsschluss im Wege des Fernabsatzes liegt vor, wenn der Versicherungsvertrag ohne persönliche Beratung und unter ausschließlicher Verwendung von Fernabsatzmitteln (Post, Fax, Telefon, E-Mail, Internet) geschlossen wird. In diesen Fällen entfallen die Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherers.
Hinweis Bei Abschluss eines Versicherungsvertrages im Wege des Fernabsatzes entfallen nur die Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherers. Ist bei dem Abschluss des Versicherungsvertrages ein Versicherungsvermittler eingeschaltet, so bleiben dessen Beratungs- und Dokumentationspflichten gemäß § 61 Abs. 1 VVG n. F. bestehen. Dies gilt insbesondere, wenn Versicherungsvermittler Internetportale bereitstellen, über die der Kunde Versicherungsverträge abschließen kann.
Allgemeine Vorschriften
1.4
39
Informationspflichten In der Praxis werden Versicherungsverträge bislang überwiegend in der Weise geschlossen, dass der Versicherungsnehmer einen vom Versicherer vorbereiteten Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages unterschreibt, den der Versicherer – bei Vorliegen der für die Annahme des Versicherers notwendigen Voraussetzungen – annimmt. Wenn der Versicherungsnehmer dabei mit dem Antrag und vor seiner Unterschrift bereits alle vorgeschriebenen Informationen und Versicherungsbedingungen erhalten hat, kommt der Vertrag zustande, wenn der Versicherer die Annahme erklärt und dem Versicherungsnehmer die Versicherungspolice übermittelt. Üblicherweise wird dies als Vertragsschluss nach dem „Antragsmodell“ bezeichnet. Meistens erhält der Versicherungsnehmer deshalb die für ihn wichtigen Informationen und Versicherungsbedingungen in der Praxis meist erst mit der Annahmeerklärung des Versicherers, d. h. regelmäßig mit dem Versicherungsschein. Diese Fälle werden als Vertragsschluss nach dem „Policenmodell“ bezeichnet. Dies ist gem. § 5a VVG a. F. zulässig gewesen. Die bisher teilweise im öffentlichen Recht (§ 10a VAG – Verbraucherinformation) und im Versicherungsvertragsrecht (§ 48b VVG a. F.– Fernabsatzverträge) geregelten Informationspflichten der Versicherungsunternehmen werden nunmehr in § 7 VVG n. F. unmittelbar und umfassend geregelt. Die neuen Informationspflichten gelten für alle Versicherungsverträge ohne grundsätzliche Differenzierung nach Vertriebswegen oder Adressaten. Der Gesetzgeber verpflichtet nun den Versicherer, dem Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung seine Vertragsbestimmungen einschließlich der allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie weitere Informationen nach Maßgabe der gem. § 7 Abs. 2 VVG n. F. erlassenen Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV) in Textform entsprechend dem eingesetzten Kommunikationsmittel klar und verständlich mitzuteilen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Der Versicherer muss demnach dem Versicherungsnehmer sämtliche den Versicherungsvertrag betreffenden Informationen übermitteln, bevor der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung abgibt (§ 7 VVG n. F.). Die Information kann also in Form eines Druckstücks, einer CD, eines USB-Sticks oder einer E-Mail erfolgen.
1.4.1
Inhalt der Information Der Inhalt der zu übermittelnden Informationen bestimmt sich nach § 7 Abs. 1 VVG n. F. und § 7 Abs. 2 VVG n. F. in Verbindung mit der VVG-InfoV. Dabei unterscheidet der Gesetzgeber zwischen den Vertragsbestimmungen des Versicherers einschließlich der allgemeinen Versicherungsbedingungen und den
B
B
40
Vorschriften für alle Versicherungszweige weiteren Informationen nach Maßgabe der gem. § 7 Abs. 2 VVG n. F. erlassenen Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV) § 7 Abs. 2 VVG n. F. ermächtigt und verpflichtet das Bundesministerium der Justiz (Verordnungsgeber), in einer Rechtsverordnung zum Zweck einer umfassenden Information des Versicherungsnehmers festzulegen, welche Einzelheiten des Vertrags, insbesondere zum Versicherer, zur angebotenen Leistung und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie zum Bestehen eines Widerrufsrechts, dem Versicherungsnehmer mitzuteilen sind, welche weiteren Informationen dem Versicherungsnehmer bei der Lebensversicherung, insbesondere über die zu erwartenden Leistungen, ihre Ermittlung und Berechnung, über eine Modellrechnung, über den Rückkaufswert und das Ausmaß, in dem er garantiert ist, sowie über die Abschluss- und Vertriebskosten, soweit eine Verrechnung mit Prämien erfolgt, und über sonstige Kosten, mitzuteilen sind, welche weiteren Informationen bei der Krankenversicherung, insbesondere über die Prämienentwicklung und -gestaltung sowie die Abschluss- und Vertriebskosten, mitzuteilen sind, was dem Versicherungsnehmer mitzuteilen ist, wenn der Versicherer mit ihm telefonisch Kontakt aufgenommen hat, was der Versicherer während der Laufzeit des Vertrages mitteilen muss, in welcher Art und Weise die Informationen zu erteilen sind. Am 21. Dezember 2007 wurde dazu die erwartete und im Vorfeld kontrovers diskutierte Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Verordnung übernimmt im Wesentlichen unverändert die bislang in den Anlagen zum VAG und VVG enthaltenen Regelungen. Die neuen Informationspflichten gelten nun einheitlich für alle Versicherungsverträge. Wesentliche Neuerungen finden sich in den Vorschriften zu den Informationspflichten in der Lebensversicherung (§ 2 Abs. 2 und 3 VVG-InfoV; Angabe der Abschlusskosten in Euro; normierte Modellrechnung) und zum Produktinformationsblatt (§ 4 VVG-InfoV). Die VVG-InfoV unterscheidet zwischen Informationspflichten, die bei jedem Versicherungsvertrag (§ 1 VVG-InfoV) bei der Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und der Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr zusätzlich zu den Informationen gem. § 1 VVG-InfoV (§ 2 VVG-InfoV) bei der Krankenversicherung zusätzlich zu den Informationen gem. § 1 VVG-InfoV (§ 3 VVG-InfoV) dem Versicherungsnehmer vor seiner Vertragserklärung zur Verfügung gestellt werden müssen, und verpflichtet den Versicherer zusätzlich, dem Versicherungsnehmer ein sogenanntes Produktinformationsblatt mit Informationen, die für den Abschluss oder die Erfüllung des Versicherungsvertrages von besonderer
Allgemeine Vorschriften
41
Bedeutung sind, zur Verfügung zu stellen (§ 4 VVG-InfoV). Ein Produktinformationsblatt ist aber nur dann auszuhändigen, wenn der Versicherungsnehmer ein Verbraucher gem. § 13 BGB ist. Gegenüber Gewerbetreibenden besteht diese Verpflichtung nicht. Außerdem ist der Versicherer verpflichtet, bei Telefongesprächen seine Identität und den Zweck des Kontaktes zu Beginn des Gesprächs offenzulegen (§ 5 Abs. 1 VVG-InfoV). Unter besonderen Voraussetzungen kann sich der Versicherer im Übrigen in dem Gespräch auf einen Teil der Informationen nach § 1 VVG-InfoV beschränken (§ 5 Abs. 2 VVG-InfoV). Während der Laufzeit des Versicherungsvertrages obliegen dem Versicherer ferner bestimmte Informationspflichten nach Maßgabe des § 6 VVG-InfoV. Bei allen Versicherungsverträge gilt im Einzelnen: Bei allen Versicherungszweigen muss der Versicherer insgesamt 20 Informationen zur Verfügung stellen, die sich aus Informationen zum VU (Nr. 1 – 5) Informationen zur angebotenen Leistung (Nr. 6 – 11) Informationen zum Vertrag (Nr. 12 – 18) Informationen zum Rechtsweg (Nr. 19 – 20) zusammensetzen.
Beispiel Identität und Anschrift des VU, Merkmale und Gesamtpreis der Versicherungsleistung, Angaben zu Zustandekommen, Beginn, Dauer, Widerrufsrecht, Laufzeit, Zahlung, Erfüllung, Beendigung u. a.
Hinweis Soweit die Mitteilung der Informationen durch Übermittlung der Vertragsbestimmungen einschließlich der AVB erfolgt, müssen die Informationen nach Abs. 1 Nr. 3, 13 und 15) gegenüber den anderen Informationen in einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form gestaltet sein (§ 1 Abs. 2 VVG-InfoV) Bei der Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und der Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr muss der Versicherer gem. § 2 VVG-InfoV zusätzlich zu den Informationen gem. § 1 VVG-InfoV noch weitere Informationen zur Verfügung stellen: Angaben zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Abschlusskosten als einheitlicher Gesamtbetrag in Euro und die übrigen einkalkulierten Kosten als Anteil der Jahresprämie Angaben zu möglichen sonstigen Kosten Angaben über die für die Überschussermittlung und -beteiligung geltenden Berechnungsgrundsätze
B
B
42
Vorschriften für alle Versicherungszweige Angabe der Rückkaufswerte Angaben zur Prämienfreistellung oder -reduzierung das Ausmaß der Garantien der Rückkaufswerte oder der beitragsfreien Summen bei fondsgebundenen Versicherungen Angaben über die der Versicherung zugrunde liegenden Fonds und die Art der darin enthaltenden Vermögenswerte allgemeine Angaben über Steuerregelungen für Lebensversicherungen. Die für die Praxis bedeutsamste Neuerung in der Lebensversicherung ist die Verpflichtung zur Offenlegung der einkalkulierten Abschluss- und Vertriebskosten in Euro. Nach bisherigem Recht kamen Lebensversicherungsverträge in der Regel zustande, ohne dass der Versicherungsnehmer vor Abgabe seiner bindenden Vertragserklärung über das Ausmaß der mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages entstehenden Kosten informiert war. Nach neuem Recht muss der Versicherer bei Lebensversicherungsverträgen den Versicherungsnehmer vor dessen Abgabe seiner Vertragserklärung in Textform über die Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten und sonstiger möglicher Kosten informieren (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 VVG InfoV). Nach dieser Regelung sind alle für den konkret angebotenen Versicherungsvertrag entstehenden Kosten im Einzelnen anzugeben. Dabei ist zwischen den in die Prämie einkalkulierten Kosten und möglichen sonstigen Kosten, die einmalig oder aus besonderem Anlass entstehen können, zu unterscheiden. Zu der Position der in die Prämie einkalkulierten Kosten gehören insbesondere die Abschluss- und Vertriebskosten und sonstige Kosten, die in die Prämie einkalkuliert werden und damit den Versicherungsnehmer belasten. Nach langem Streit hat der Verordnungsgeber entschieden, dass nicht die tatsächlichen Aufwände, sondern die rechnungsmäßig angesetzten Kosten anzugeben sind, wobei laufende Zuschläge zur Deckung von Abschlussaufwendungen (sog. Amortisationszuschläge, in der Versicherungsmathematik „Alpha-GammaKosten“) mit auszuweisen sind. Die Kosten sind in Euro auszuweisen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 VVG InfoV). Damit soll erreicht werden, dass der Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages darüber informiert ist, welchen Betrag er effektiv als in den Prämien enthaltenen Kostenanteil an den Versicherer zahlen muss. Deshalb seien, so die Verordnungsbegründung, lediglich prozentuale Angaben oder Berechnungsgrundlagen unzureichend, weil der Versicherungsnehmer die Höhe der Kosten unmittelbar und ohne weitere besondere Berechnung erkennen können soll. Die konkrete Angabe in einem Euro-Betrag sei besser verständlich und aus Gründen der Transparenz geboten. Der Verordnungsgeber weist ausdrücklich darauf hin, dass die Forderung, den Verbraucher durch konkrete Angaben in verständlicherweise über die mit einem Geschäft verbundenen Kosten zu informieren, von vielen Seiten seit langem erhoben und in zunehmendem Maße auch durch Gesetz und Rechtssprechung betont werde. Die Abschlusskosten sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VVG InfoV grundsätzlich als einheitlicher Vertrag auszuweisen, während alle anderen in die Prämie einkalkulierten Kosten als Anteil der Jahresprämie unter Angabe der jeweiligen Zeit ausgewiesen werden können. Die Unterscheidung muss in der Darstellung deutlich werden.
Allgemeine Vorschriften
43
Beispiel Für diesen Vertrag sind Abschlusskosten und weitere Kosten zu entrichten, die in der kalkulierten Prämie von jährlich xxx € bereits enthalten sind. Diese Kosten bestehen aus einem einmaligen Betrag von yyy € und weiteren Beträgen von jährlich zzz € für eine Laufzeit von 25 Jahren.
Sonstige mögliche Kosten, insbesondere Kosten die einmalig oder aus besonderem Anlass entstehen können, sind solche, die dem Versicherungsnehmer aufgrund des eingegangenen Verhältnisses entstehen und nicht in die Prämie einkalkuliert sind. Dazu gehören beispielsweise Kosten für die Ausstellung einer Ersatzurkunde oder Ähnliches. Auch die sonstigen möglichen Kosten sind gemäß § 2 Abs. 2 VVG-InfoV in Euro anzugeben. Bei der Krankenversicherung gilt zusätzlich: Bei der Krankenversicherung muss der Versicherer gem. § 3 VVG-InfoV zusätzlich zu den Informationen gem. § 1 VVG-InfoV noch weitere Informationen zur Verfügung stellen: Angaben zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Abschlusskosten als einheitlicher Gesamtbetrag in Euro und die übrigen einkalkulierten Kosten als Anteil der Jahresprämie Angaben zu möglichen sonstigen Kosten Angaben über die Auswirkungen steigender Krankheitskosten auf die zukünftige Beitragsentwicklung Hinweise auf die Möglichkeiten zur Beitragsbegrenzung im Alter Warnhinweis auf fehlende Wechselmöglichkeiten in die gesetzliche Krankenversicherung im fortgeschrittenen Alter Hinweis auf gesundheits- oder beitragsbedingte Wechselprobleme innerhalb der privaten Krankenversicherung im fortgeschrittenen Alter Übersicht über die Beitragsentwicklung der letzen zehn Jahre Für die Krankenversicherung gelten die Ausführungen zum Kostenausweis in der Lebensversicherung sinngemäß Bei Verträgen mit Verbrauchern gilt zusätzlich: Das gem. § 4 VVG-InfoV einem Verbraucher auszuhändigende Produktinformationsblatt ist eine Zusammenfassung von Informationen, die für den Abschluss oder die Erfüllung des Versicherungsvertrages von besonderer Bedeutung sind. Es muss folgende Informationen enthalten: Art des Versicherungsvertrages Risikobeschreibung und -ausschlüsse Angaben zu Prämie, Fälligkeit, Zeitraum Leistungsausschlüsse Obliegenheiten und Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung
B
B
44
Vorschriften für alle Versicherungszweige Beginn und Ende des Versicherungsschutzes Möglichkeiten der Beendigung Bei der Lebensversicherung muss das Produktinformationsblatt zusätzlich auf die vom Versicherer gem. § 154 Abs. 1 VVG n. F. zu übermittelnde Modellrechnung verweisen; bei der Lebensversicherung, der Berufsunfähigkeitsversicherung und der Krankenversicherung muss das Produktinformationsblatt zusätzlich die Abschluss- und Vertriebskosten sowie die sonstigen Kosten jeweils in Euro gesondert ausweisen. Bis zum 30. Juni 2008 können die Versicherer die Informationspflichten der VVG-InfoV noch wie bisher erfüllen.
1.4.2
Textform Die Vertragsinformationen müssen dem Kunden in Textform (§ 126b BGB) und in einer dem eingesetzten Kommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich mitgeteilt werden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 VVG n. F.). Dem Erfordernis der Textform genügen gedruckte Broschüren wie auch digitale Datenträger wie etwa CD oder DVD, USB-Stick oder E-Mail. Zurzeit wird in der Branche darüber nachgedacht, ganze Bedingungssammlungen zu Broschüren oder CDs zusammen zufassen. Dass die Übermittlung von unübersichtlichen und für eine Vielzahl von Verträgen geltenden vorvertraglichen Informationen an den Kundenbedürfnissen vorbeigeht, ist zu Recht kritisiert worden. Wenn der Versicherungsvertrag auf Verlangen des Versicherungsnehmers telefonisch oder unter Verwendung eines anderen Kommunikationsmittels geschlossen wird, das die Information in Textform vor der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers nicht gestattet, muss die Information unverzüglich nach Vertragsschluss nachgeholt werden. Der Versicherer muss die Informationen in Textform vorlegen. Die Informationen können also auch digital zur Verfügung gestellt werden (Diskette, CD, USB-Stick, E-Mail o. ä.).
1.4.3
Rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers Die Informationen müssen dem Versicherungsnehmer ferner „rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung“ (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.) übermittelt werden. In der Praxis wird vor allem die Frage diskutiert, welcher Zeitpunkt der Übermittlung der Informationen noch als rechtszeitig im Sinne der neuen Vorschrift angesehen werden kann. Insbesondere konzentriert sich die Diskussion auf die Frage, ob die Übermittlung der Informationen noch als rechtzeitig angesehen werden kann, wenn sie zeitgleich mit dem Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages dem Kunden vorgelegt werden und der Kunde zugleich aufgefordert wird, „den Antrag rechts unten zu unterschreiben“. Der Begriff der Rechtzeitigkeit entstammt dem Fernabsatzrecht. Die Übermittlung einer Information ist deshalb dann als rechtzeitig anzusehen, wenn der Informationsempfänger die Möglichkeit hat, von dem Inhalt der Information Kenntnis zu nehmen.
Allgemeine Vorschriften
45
Beispiel Die Buchung eines Fluges über das Internet ist in der Regel nur möglich, wenn der Kunde während des Buchungsprozesses die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters akzeptiert. Der Kunde wird aufgefordert, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu akzeptieren. Dazu wird ihm die Möglichkeit angeboten, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu lesen oder zu drucken. Akzeptiert der Kunde die Bedingungen nicht, wird der Vorgang abgebrochen. Der Kunde kann aber die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptieren, ohne sie tatsächlich gelesen zu haben. Es reicht aus, wenn er die Möglichkeit dazu hatte.
Für die Bestimmung der Rechtzeitigkeit der neuen Informationspflichten kommt es also darauf an, dass der Kunde die Möglichkeit hat, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Das wird vielfach bezweifelt, wenn die Informationen zugleich mit dem Antrag dem Kunden zur Unterschrift vorgelegt werden. Eine am Kundeninteresse orientierte Auslegung des Begriffs der Rechtzeitigkeit könnte in der Praxis dann aber dazu führen, dass ein Vermittlungsgeschäft zwei Kundenbesuche erfordert: erster Besuch für Beratung und Information, zweiter Besuch nach Bedenkzeit für den Kunden zur Antragsaufnahme. Es gibt aber Überlegungen, dass bei „einfachen“ Produkten (gemeint sind damit wohl private Kompositversicherungsverträge) die Aushändigung der Vertragsinformationen unmittelbar vor der Unterzeichnung noch als rechtzeitig im Sinne der neuen Vorschriften angesehen werden könnten, wenn die Vertragsinformationen so formuliert seien, dass der Kunde innerhalb kürzester Zeit von ihnen Kenntnis nehmen und sie bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen könne. In diesem Fall könnte sich ein zweiter Besuch erübrigen. Ob die Gerichte dies so akzeptieren werden, ist ungewiss. Die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs bleibt der Rechtsprechung überlassen. Diese wird sich bei ihren Entscheidungen am Zweck der Vorschrift orientieren, nämlich den Kunden vor kurzfristigen Entscheidungsfragen ohne hinreichende Information zu schützen. Möglicherweise bietet aber die Verwendung des jetzt nach § 4 VVG-InfoV vorgeschriebenen Produktinformationsblattes Erleichterungen beim Umgang mit dem Merkmal der rechtzeitigen Information. Die Übermittlung des Produktinformationsblattes soll dem Versicherungsnehmer ermöglichen, sich anhand einer gedrängten Darstellung einen Überblick über die wesentlichen Informationen des Vertrages zu schaffen, die aus Sicht des Versicherungsnehmers für die Auswahl eines geeigneten Produktes im Zeitpunkt der Entscheidungsfondung von Bedeutung sind. Mit dem Produktinformationsblatt erhält der Versicherungsnehmer somit die Möglichkeit, vor Antragsstellung zu einem Versicherungsvertrag mit einem Blick kurz und knapp die wesentlichen Vertragsinhalte zu erfassen und sich ggf. über weitere Einzelheiten an den entsprechenden Stellen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu informieren. Wenn der Versicherungsnehmer nach Kenntnisnahme des Produktinformationsblattes keinen weiteren Informationsbedarf hat, erscheint es unrealistisch und möglicherweise sogar überzogen, dem Versicherungsnehmer darüber hinaus noch weitere Fristen zur Möglichkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung einzuräumen. Mit der dargelegten Zweckbestimmung der Vorschriften zum Produktinformationsblatt hilft der Gesetzgeber bei der Auslegung des Merkmals der „rechtzeitigen“ Information. Das Produktinformationsblatt kann schnell erfasst werden und verhilft dem Kunden zu einer Basisinformation über den Vertrag. Deshalb sollte es zumindest bei „einfachen“ Produkten ausreichen, die Aushändigung der Vertragsinforma-
B
B
46
Vorschriften für alle Versicherungszweige tionen einschließlich des Produktinformationsblattes unmittelbar vor der Unterzeichnung des Antrags durch den Versicherungsnehmer als „rechtzeitig“ im Sinne des § 7 Abs. 1 VVG n. F. anzusehen. In komplexeren Sparten wie der Lebens- und Krankenversicherung sind Versicherer aber gut beraten, ihren Geschäftsprozessen ausreichende Bedenkzeiten für die Kunden zugrunde zu legen.
1.4.4
Verzicht Der Versicherungsnehmer kann auf die Information vor Abgabe seiner Vertragserklärung ausdrücklich durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten; dann muss die Information unverzüglich nach Vertragsschluss nachgeholt werden (§ 7 Abs. 1 Satz 3 VVG n. F.). Die Verzichtsmöglichkeit wird damit begründet, den mündigen Verbraucher vor Informationen zu schützen, die er nicht wünscht. Dennoch wird auch die Möglichkeit des Verzichts auf die Informationen heftig kritisiert. Eine gewisse praktische Hürde bedeutet die ausdrücklich verlangte „gesonderte schriftliche Erklärung“. Dafür ist ein gesondertes Dokument erforderlich.
1.4.5
Rechtsfolgen der Verletzung der Informationspflicht Ausdrückliche Sanktionen für den Fall einer Verletzung der Informationspflicht nach § 7 VVG n. F. sind im Gesetz nicht vorgesehen. Das bedeutet, dass ein Versicherungsvertrag, der unter Verstoß gegen die Informationspflichten zustande gekommen ist, grundsätzlich wirksam ist. Der Zugang der Informationen ist aber eine der Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VVG n. F. Bei Verletzung der Informationspflicht beginnt die Widerrufsfrist unter Umständen nicht zu laufen. Mögliche Folge wäre ein ewiges Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers. Möglicherweise führt die Verletzung der Informationspflichten auch zu Schadenersatzansprüchen des Versicherungsnehmers nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen (§§ 311, 280 BGB), wenn durch die nicht oder fehlerhaft erfolgte Information dem Versicherungsnehmer ein Schaden entstanden ist. Wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht (!) rechtzeitig zur Verfügung gestellt hat, werden diese im Zweifel auch nicht Bestandteil des Versicherungsvertrages gemäß § 305 Abs. 2 BGB, so dass der Versicherer sich darauf nicht berufen kann.
1.5
Umsetzung der Informationspflichten, Vertragsschlussmodelle Die neuen Informationspflichten des VVG ändern die bisherigen Regeln für den Abschluss von Versicherungsverträgen mit nachhaltigen Folgen für die Praxis der Versicherungsvermittlung. Dies gibt Anlass, die Änderungen und praktischen Folgen mit Blick auf den derzeitigen Diskussionsstand darzustellen. Nach bisherigem Recht können Versicherungsverträge im Wege des Antragsmodells oder des Policenmodells abgeschlossen werden.
Allgemeine Vorschriften
1.5.1
47
Antragsmodell nach altem Recht Beim Antragsmodell werden die vertragsbezogenen Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen dem Kunden mit den Antragsunterlagen zur Verfügung gestellt. Die Information über die Vertragsinhalte erfolgt also vor der Antragserklärung des Kunden. Der Kunde erhält die Gelegenheit, sich vor seiner Antragserklärung über die wesentlichen Vertragsinhalte zu informieren. Ist der Kunde mit den Vertragsmodalitäten nicht einverstanden, wird er den Antrag erst gar nicht stellen und somit keine vertragliche Bindung eingehen. In der bisherigen Praxis gliedert sich der Vermittlungsprozess beim Antragsmodell grob etwa in folgende Phasen: Beratung Kunde entscheidet sich für den Abschluss eines Versicherungsvertrages Versicherungsvermittler übergibt dem Kunden Ο
Vertragsbestimmungen einschließlich AVB
Ο
Verbraucherinformationen gem. § 10a VAG
Kunde unterschreibt Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages Versicherer prüft das Risiko Versicherer nimmt Antrag an und verschickt die Police oder lehnt den Antrag ab
1.5.2
Antragsmodell nach neuem Recht Im neuen Recht bleibt das Antragsmodell grundsätzlich erhalten. Im Unterschied zum bisherigen muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung neben den Vertragsbestimmungen einschließlich der allgemeinen Versicherungsbedingungen weitere Informationen nach Maßgabe der VVG-InfoV mitteilen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Die Unterschiede liegen zum einem im Zeitpunkt (rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung) und zum anderen in der Art der Informationen (Informationen gem. VVG-InfoV). In der zukünftigen Praxis wird sich daher der Vermittlungsprozess beim Antragsmodell grob etwa in folgende Phasen gliedern: Beratung Kunde entscheidet sich für den Abschluss eines Versicherungsvertrages Versicherungsvermittler übergibt dem Kunden Ο
Vertragsbestimmungen einschließlich AVB
Ο
Informationen gem. § 7 Abs. 2 VVG n. F. • Info gem. § 1 VVG-InfoV • zusätzlich Info gem. § 2 VVG-InfoV bei Lebensversicherungen • zusätzlich Info gem. § 3 VVG-InfoV bei Krankenversicherungen
B
B
48
Vorschriften für alle Versicherungszweige • Produktinformationsblatt gem. § 4 VVG-InfoV bei Verbrauchern Ο
rechtzeitig (Problem: Rechtzeitigkeit der Übermittlung; zweiter Besuch erforderlich?)
Kunde unterschreibt Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages Versicherer prüft das Risiko Versicherer nimmt Antrag an und verschickt die Police oder lehnt den Antrag ab. Das Antragsmodell ist das neue Leitbild des Versicherungsvertragsrechts. Versicherer und Versicherungsvermittler müssen ihre Prozesse daran ausrichten. Weil das Antragsmodell zum einen hohe logistische Anforderungen für Versicherungsvermittler und Versicherer bereithält und überdies im Vermittlungsprozess wegen des Erfordernisses der „Rechtzeitigkeit“ möglicherweise zwei Kundenbesuche erfordert, wird in der Branche intensiv diskutiert, ob es dazu nicht Alternativen gibt.
1.5.3
Antragsmodell nach neuem Recht im Geschäftsverkehr mit Versicherungsmaklern Der Gesetzgeber hat bei der Formulierung der Informationspflichten des Versicherers keine Unterscheidungen hinsichtlich der verschiedenen „Vertriebswege“ vorgenommen. Dennoch ist im Maklergeschäft die besondere Stellung des Versicherungsmaklers zu berücksichtigen. Dieser ist nicht nur der treuhänderähnliche Sachwalter des Versicherungsnehmers, der als Vertrauter und Berater die Interessen des Kunden wahrzunehmen hat,6 sondern in aller Regel auch mit Vertretungsmacht für den Kunden ausgestattet und damit rechtsgeschäftlicher Vertreter. Die Vollmacht ist entweder ausdrücklich oder konkludent erteilt und bevollmächtigt den Makler, Versicherungsverträge im Namen und mit Wirkung für den Kunden abzuschließen oder zu kündigen.7 Der Umfang der Vollmacht ist durch Auslegung nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auszulegen.8 An den Seeplätzen wird vom Vorliegen der Maklervollmacht grundsätzlich ausgegangen, die Vorlage einer Maklervollmacht im Geschäftsverkehr mit Versicherungsunternehmen nicht verlangt. Kann der bevollmächtigte Makler den Kunden aufgrund einer Vertretungsmacht beim Abschluss des Versicherungsvertrages rechtlich wirksam vertreten, bestehen keine Bedenken, dem Makler als bevollmächtigten Vertreter auch die Vertragsinformationen rechtswirksam zu übermitteln. Die Kenntnis des bevollmächtigten Maklers wird nach allgemeinem Stellvertretungsrecht dem Versicherungsnehmer zugerechnet (§ 166 Abs. 1 BGB). Es kommt im Maklergeschäft also nur darauf an, dass dem bevollmächtigten Makler die Informationen zugegangen sind. Der Makler vertritt den Kunden bei der Entgegennahme der Vertragsinformationen. Ob die Informationen durch Druckstücke, digitale Datenträger oder im Internetportal des Versicherers (Intranet) zur Verfügung gestellt werden, ist unerheblich. Es liegt auf der Hand, dass das Vertretermodell das Handling mit den Vertragsinformationen wesentlich erleichtert. Fraglich ist, ob Versicherer das Bestehen der Vollmacht jeweils nachprüfen müssen. Aus Maklersicht ist es erstrebenswert, nicht für jede Entgegennahme von Vertragsinformationen eine Vollmacht vorlegen zu müssen. Wenn der Kunde einen Makler beauftragt, wird er den Makler im Regelfall ausdrücklich oder konkludent bevollmächtigen. Es sollte sich daher eine allge-
6 7 8
BGH, Urteil vom 22.5.1985, NJW 1985, S. 2595 f. Ausführlich Baumann, Versicherungsvermittlung durch Versicherungsmakler, 1998, S. 143 ff.; Matusche, Pflicht und Haftung des Versicherungsmaklers, 4. Auflage 1995, Kap. 3 E II: Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, nach § 48 Rdn. 8:
Allgemeine Vorschriften
49
meine Rechtsüberzeugung bilden, dass ein Makler den Kunden nur dann rechtsgeschäftlich vertritt, wenn er entsprechend bevollmächtigt ist. In den Maklerverbänden wird erwogen, sich entsprechende Standesregeln zu geben. In der Zwischenzeit sollte es genügen, wenn Makler den Versicherern – etwa als Sideletter zu Courtagezusagen – zusichern, den Kunden nur bei Vorliegen einer Vertretungsmacht zu vertreten. Die damit verbundenen Risiken für Versicherer bleiben gering und überschaubar. Wenn Versicherer dennoch – möglicherweise während einer Übergangs- oder Testphase – die Vorlage einer Vollmacht für notwendig halten, ist darauf zu verweisen, dass die Bevollmächtigung in der Regel mit Ausnahme des § 174 S. 1 BGB keiner Form bedarf (§ 167 Abs. 2 BGB). Im Geschäftsverkehr ist damit die Vorlage einer Vollmachtskopie mehr als ausreichend.
1.5.4
Policenmodell nach altem Recht In der bisherigen Praxis hat das Antragsmodell nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Stattdessen hat sich überwiegend das Policenmodell durchgesetzt. Beim Policenmodell erhält der Versicherungsnehmer die vertragsbezogenen Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen erst zusammen mit der Police. Der Versicherungsvertrag kommt mit den übermittelten Inhalten zustande, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen widerspricht. Wenn der Versicherungsnehmer mit den Vertragsmodalitäten nicht einverstanden ist, muss er – anders als beim Antragsmodell – aktiv werden und dem Vertragsschluss widersprechen. In der bisherigen Praxis gliedert sich der Vermittlungsprozess beim Policenmodell grob etwa in folgende Phasen: Beratung Kunde entscheidet sich für den Abschluss eines Versicherungsvertrages Kunde unterschreibt Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages Versicherer prüft das Risiko Versicherer nimmt Antrag an und verschickt die Police oder lehnt den Antrag ab Police enthält Ο
Vertragsbestimmungen einschließlich AVB
Ο
Verbraucherinformationen gem. § 10a VAG
Widerspruch des Kunden bleibt aus, Vertrag kommt (rückwirkend) zustande. Es liegt auf der Hand, dass das Policenmodell praktische Vorteile bietet. Der Vermittler wird in seiner logistischen Organisation entlastet, weil er die für das jeweilige Vermittlungsgeschäft notwendigen Vertragsunterlagen nicht vorhalten muss. Außerdem bringt das Verfahren aus Sicht des Versicherers Rechtssicherheit, weil die Aushändigung der „richtigen“ Vertragsunterlagen bei diesem Modell ausschließlich in seinem Herrschaftsbereich bleibt. Das Policenmodell ist nach neuem Recht faktisch nicht mehr möglich, weil die Vertragsinformationen nunmehr dem Kunden rechtzeitig vor seiner Vertragserklärung übermittelt werden müssen.
B
B
50
Vorschriften für alle Versicherungszweige Es gibt dennoch Überlegungen, wie auch im neuen Recht am herkömmlichen Policenmodell festgehalten werden könnte.
1.5.5
Verzichtslösung Nach § 7 Abs. 1 S. 3 VVG n. F. kann der Versicherungsnehmer schriftlich auf die Information vor Antragserklärung verzichten. Dahinter steht die Überlegung, dass niemandem die Informationen aufgezwungen werden sollen.9 Verzichtet der Versicherungsnehmer auf die Informationen gem. § 7 Abs. 1 und 2 VVG n. F., können die Informationen dem Versicherungsnehmer – wie bisher – mit der Police zur Verfügung gestellt werden. Dann bliebe das Handling des Policenmodells erhalten. Es ist aber zweifelhaft, ob auf der Basis einer vom Gesetzgeber als Ausnahme vorgesehenen Regelung (Verzicht) ein Geschäftsmodell aufgesetzt werden kann, dass die Ausnahme zur Regel erhebt. Die Verzichtsmöglichkeit könnten Versicherer zum Anlass nehmen, schriftliche Verzichtserklärungen vorzubereiten, sie vom Kunden unterzeichnen zu lassen und im Übrigen wie bisher nach dem Policenmodell zu verfahren. Gegen eine derartige Instrumentalisierung der für den Einzelfall vorgesehenen Verzichtsmöglichkeit steht der erklärte Wille des Gesetzgebers, das Policenmodell abschaffen zu wollen. Ein beharrlicher Verstoß dagegen könnte einen Missstand gem. § 81 VAG indizieren,10 der ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde auslösen würde.
1.5.6
Faktisches Policenmodell Die nicht rechtzeitige Information des Versicherungsnehmers führt dazu, dass die Widerrufsfrist von zwei Wochen erst zu laufen beginnt, wenn dem Versicherungsnehmer die vorvertraglichen Informationen zugegangen sind. Die Übermittlung der Vertragsinformationen erst mit der Police würde zu einer Verschiebung der Widerrufsfrist führen. Dies und die daraus resultierenden Stornorisiken könnten aus Versicherersicht als hinnehmbar erscheinen, wenn damit das Policenmodell in der Praxis gehalten werden könnte. Gegen eine derartige Instrumentalisierung dieser Verfahrensweise bestehen aber dieselben Bedenken wie bei der Verzichtslösung. Es ist der erklärte Wille des Gesetzgebers, das Policenmodell abschaffen zu wollen. Die Vorgehensweise würde ebenso einen Missstand gem. § 81 VAG indizieren, der ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde zur Folge hätte.
1.5.7
Bedingtes Antragsmodell Teilweise wird auch ein Modell der bedingten Antragserklärung diskutiert. Bei diesem Modell macht der Versicherungsnehmer seine Bindung an den (wie bisher gestellten) Antrag davon abhängig, dass ihm in bestimmter Frist die erforderlichen Unterlagen vom Versicherer zur Verfügung gestellt werden und er – wiederum in bestimmter Frist – den Antrag nicht widerruft. Die Bindungswirkung gegenüber dem Versicherungsnehmer entsteht erst mit Eintritt der Bedingungen, dann aber automatisch.11 Dieses Modell soll einen zweiten Vermittlerbesuch vermeiden helfen. In der automatischen Bindungswirkung bei Eintritt der Bedingungen liegt zugleich die Schwäche dieses Modells. Ebenso wie beim bisherigen Policenmodell muss der Kunden nach Erhalt der Unterlagen aktiv werden, wenn er die Bindung nicht möchte. Genau das soll mit den neuen Informationspflichten gerade vermieden werden.
9 10 11
Begründung des Regierungsentwurfs, S. 151. Römer, VersR 2006, S. 740, 741. Baumann, Es gibt den dritten Weg, VW 2007, S. 1955.
Allgemeine Vorschriften
1.5.8
51
Invitatiomodell In der bisherigen Praxis ist es üblich, dass der Kunde den Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags stellt und der Versicherer den Antrag annimmt und eine Police erstellt. Die Bestimmungen des derzeitigen Rechts sind auf diese Verfahrensweise abgestimmt. Es ist jedoch auch denkbar, die Verhältnisse umzukehren. Das ist beim so genannten Invitatiomodell der Fall: Der Versicherungsnehmer nennt dem Versicherer oder dem Vermittler seine Wünsche und Bedürfnisse und bittet den Versicherer auf der Basis der zur Verfügung gestellten Daten um ein Angebot zum Abschluss eines Versicherungsvertrages. Die Erklärung des Versicherungsnehmers bleibt ohne rechtlichen Bindungswillen und ist deshalb kein Antrag, sondern eine invitatio ad offerendum. Der Versicherer prüft das Risiko, fertigt die Police aus und übermittelt sie dem Versicherungsnehmer. Der Versicherer unterbreitet damit zugleich dem Versicherungsnehmer den Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags, den der Kunde durch ausdrückliche Erklärung oder konkludent annehmen kann.12 Die Vertragsinformationen werden dem Versicherungsnehmer bei dieser Verfahrenweise mit dem Antrag des Versicherers und der Police übermittelt. Das ist rechtzeitig im Sinne des § 7 Abs. 1 VVG n. F., weil die Vertragserklärung des Versicherungsnehmers nun in der Annahme und nicht wie sonst im Antrag besteht. Dadurch, dass der Gesetzgeber das Erfordernis der Rechtzeitigkeit auf die „Vertragserklärung“ bezieht und nicht auf den „Antrag“, entspricht diese Variante grundsätzlich den neuen gesetzlichen Vorschriften. In der zukünftigen Praxis wird sich daher der Vermittlungsprozess beim Invitatiomodell grob etwa in folgende Phasen gliedern: Beratung Aufnahme der für eine Angebotsaufforderung notwendigen Daten Aufforderung zur Angebotsabgabe an Versicherer (invitatio) Risikoprüfung Versicherer lehnt ab oder erstellt und versendet Antrag und Police mit Ο
Vertragsbestimmungen einschließlich AVB
Ο
Informationen gem. § 7 Abs. 2 VVG n. F. • Info gem. § 1 VVG-InfoV • zusätzlich Info gem. § 2 VVG-InfoV bei Lebensversicherungen • zusätzlich Info gem. § 3 VVG-InfoV bei Krankenversicherungen • Produktinformationsblatt gem. § 4 VVG-InfoV bei Verbrauchern
Kunde entscheidet sich für den Abschluss eines Versicherungsvertrages und erklärt die Annahme Der Vorteil des Invitationsmodells liegt darin, die Handlingvorteile des Policenmodells zu erhalten. Außerdem ist nur ein Beratungstermin zur Aufnahme der Wünsche und Bedürfnisse des Kunden erforderlich. Anders als bei dem Policenmodell bleibt der Kunde bei dieser Verfahrenweise ohne vertragliche Verpflichtung, solange er nicht die kompletten Vertragsinformationen erhalten und das Angebot des Versicherers angenommen hat. Ob der durchschnittliche Versicherungsnehmer in 12
Ausführlich Schimikowski, Vertragsabschluss nach der Invitatio-Lösung und das neue VVG, VW 2007, 715 ff.
B
B
52
Vorschriften für alle Versicherungszweige der Praxis die durch die Umkehrung von Angebot und Annahme bedingten formalen Unterschiede verstehen kann und wird, obwohl die tatsächliche Abwicklung des Vertragsschlusses der bisherigen Praxis fast entspricht, muss bezweifelt werden. Für Versicherungsvermittler bedeutet das Invitationsmodell mehr Aufwand in der Kundenberatung, weil das neue Verfahren dem Kunden so erklärt werden muss, dass es auch verstanden wird. Zusätzlich werden Versicherungsvermittler daran mitwirken müssen, die Annahmeerklärung des Kunden zu erlangen. Versicherungsmakler mit Vertretungsmacht können den Kunden auch bei der Annahme des Vertrages vertreten. Dem Invitatiomodell begegnen in der Praxis zahlreiche rechtliche und vor allem praktische Probleme.
1.5.8.1
Ausdrückliche Annahme Nach dem Invitatiomodell kommt der Vertrag nur zustande, wenn der Kunde die Annahme des Vertragsangebots erklärt. Das ist rechtlich einfach, der Kunde muss nur eine vorbereitete Annahmeerklärung unterzeichnen und zurücksenden. Eines der wichtigsten praktischen Probleme wird aber der Umstand sein, dass der Kunde in seiner Laiensphäre die juristischen Unterschiede im Vergleich zur früheren Abwicklung nicht erkennen wird. Wie bisher kommt die Versicherungspolice, nur heute soll sie nur ein Angebot sein? Warum soll nun noch etwas zurückgesandt werden? Vielfach wird der Kunde die Police abheften im Glauben, der Vertrag sei schon zustande gekommen. Zwar ist aus dem Bereich der Direktversicherer bekannt, dass sich die Rücklaufquote von Kunden unterzeichneten Vertragserklärungen durch Einsatz von Incentivanreizen (Tankgutschein, Verlosung etc.) deutlich steigern lässt. Dennoch sind vernünftige Zweifel angebracht, ob Kunden Annahmeerklärungen durchgängig akzeptieren und verwenden werden.
1.5.8.2
Konkludente Annahme durch Überweisung oder Lastschrift Die Annahmeerklärung des Kunden kann auch konkludent durch schlüssiges Tun erfolgen. Wenn der Kunde etwa nach Erhalt des Angebots und der Vertragsunterlagen die vom Versicherer angeforderte Prämie überweist, bringt der Kunde damit zum Ausdruck, dass er mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages einverstanden ist. Mit der Vornahme der Überweisung erklärt der Kunde somit die Annahme des Versicherungsangebots des Versicherers durch schlüssiges Tun. In der Praxis werden aber 70 oder gar 80 Prozent der Versicherungsprämien durch Lastschrift eingezogen. Anders als bei einer Überweisung, die aktives Tun voraussetzt, gibt es beim Geschehenlassen der Abbuchung keine äußere Anhaltspunkte, die auf eine entsprechende Willensbildung des Kunden zum Abschluss des Vertrages schließen lassen. Das Geschehenlassen der Abbuchung dürfte daher als konkludente Annahmeerklärung nicht ausreichen.13 In seiner Entscheidung vom 22.05.1991 hat der BGH14 zwar das Dulden einer Lastschrift durch das Versicherungsunternehmen einmal als konkludente Annahmeerklärung anerkannt. Die die Entscheidung tragenden Gründe waren aber durch die besonderen Umstände des Einzelfalls bedingt. Insbesondere wirkte sich die dortige Anerkennung einer konkludenten Annahmeerklärung durch Geschehenlassen einer Lastschrift zu Gunsten des Versicherungsnehmers aus. Es ist problematisch, diese Rechtsprechung zu verallgemeinern.15 Insbesondere ist zu bedenken, dass die rechtliche Konstruktion des Invitatiomodells bedingt, dass die Einverständniser-
13 14 15
Gaul, Zum Abschluss des Versicherungsvertrages, VersR 2007, S. 21, 24. VersR 1991, 910 f. Gaul, Zum Abschluss des Versicherungsvertrages, VersR 2007, S. 21, 24.
Allgemeine Vorschriften
53
klärung zum Lastschriftverfahren rechtswirksam wird, bevor der eigentliche Versicherungsvertrag eben durch das Geschehenlassen der Lastschrift zustande kommt. Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, dass die Rechtssprechung eine solche Konstruktion ohne Not marktweit anerkennen wird.
1.5.8.3
Annahmefiktion Schließlich ist es denkbar, die Annahme des Kunden durch Vereinbarung einer Vertragsabschluss-Fiktionsklausel im Stadium der Vertragsverhandlungen zu konstruieren, z. B. bei der Aufnahme der Wünsche und Bedürfnisse des Kunden und der Aufbereitung der für eine Angebotsanforderung erforderlichen Daten.16 Aufgrund einer solchen Klausel gilt dann der Vertrag als abgeschlossen, wenn der Kunde nicht innerhalb einer bestimmten Frist nach Zugang der Police oder nach Durchführung des Lastschrifteinzugs widerspricht. Derartige Fiktionsklauseln rufen allerdings AGB-rechtliche Bedenken17 auf, weil sie gegen den Grundsatz verstoßen, dass Schweigen keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert besitzt. Es gibt jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz. So geht das VVG etwa in § 5 durchaus davon aus, dass Schweigen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert besitzen kann. Es gibt daher auch Stimmen, die sich über AGB-rechtliche Bedenken hinwegsetzen und für Fiktionsklauseln plädieren.18 Im Ergebnis käme es zu einem leicht modifizierten Policenmodell auf der Basis einer Annahmefiktion. Formalrechtlich möglicherweise zulässig, fraglich ist aber, ob der Kunde das versteht und ob die Verfahrensweise mit dem Zweck des Gesetzes in Einklang zu bringen ist.
1.5.8.4
Beginn des Widerrufsrechts Das rechtliche Leitbild des VVG n. F. ist das Antragsmodell. Alle Vorschriften des VVG n. F. sind darauf abgestimmt. Das Invitatiomodell bringt systematische Probleme, weil es nicht mit allen Vorschriften des VVG n. F. harmoniert. So ist beispielsweise ungeklärt, wann beim Invitatiomodell die Widerrufsfrist nach § 8 Abs. 2 VVG n. F. beginnen soll. Erhält der Kunde den Versicherungsschein nebst Vertragsinformationen und Belehrung, kann – obwohl die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 VVG s2008 scheinbar erfüllt sind – die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnen, weil der Kunde zu diesem Zeitpunkt rechtlich noch gar nicht gebunden ist. Abhilfe kann hier nur die Fiktionslösung19 schaffen, der aber die oben genannten Bedenken gegenüberstehen.
1.5.8.5
Abweichender Versicherungsschein Probleme ergeben sich auch, wenn das Versicherungsangebot des Versicherers von den Angaben bei der Aufnahme der Wünsche und Bedürfnisse abweicht und sich dadurch die Kundensituation verschlechtert. Beim Antragsmodell ist der Kunde über § 5 VVG geschützt: Der Versicherer muss gem. § 5 Abs. 2 S. 2 VVG Abweichungen vom Antrag durch eine schriftliche Mitteilung oder einen auffälligen Vermerk im Versicherungsschein kenntlich machen („röten“) oder die Angaben im Antrag gelten. § 5 VVG ist beim Invitatiomodell nicht anwendbar, weil der Versicherungsschein mangels Antrag des Kunden gar nicht abweichen kann. Der Kunde bleibt insoweit ungeschützt. Das widerspricht dem Sinn des Gesetzes. Es ist zumindest zu überlegen, ob nicht der Schutzgedanke des § 5 VVG sich auch auf Abweichungen im Vertragangebot des Versicherers erstrecken sollte. Im Maklergeschäft ergibt sich in diesem Bereich enormes Haftungspotential, weil dem Makler im Zweifel auch die Prüfung und Überwa-
16 17 18 19
So etwa Schimikowski, Vertragsabschluss nach der Invitatio-Lösung und das neue VVG, VW 2007, 715, 718. Zur AGB-Problematik ausführlich Schimikowski. Schimikowski, Vertragsabschluss nach der Invitatio-Lösung und das neue VVG, VW 2007, 715, 719. Schimikowski, Vertragsabschluss nach der Invitatio-Lösung und das neue VVG, VW 2007, 715, 716.
B
B
54
Vorschriften für alle Versicherungszweige chung obliegt, ob das vom Versicherer vorgelegte verbindliche Vertragsangebot auch den in der Angebotsanforderung (Invitatio) im Detail festgelegten Wünschen entspricht. Für den Makler wird diese Pflicht wesentlich dadurch erschwert, dass der Versicherer Abweichungen in seinem Antrag von der ihm übermittelten Angebotsanforderung des Kunden nicht kenntlich machen muss.
1.5.8.6
Vorvertragliche Anzeigepflicht Gem. § 19 VVG n. F. ist der Kunde bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung verpflichtet, dem Versicherer erhebliche Gefahrenumstände mitzuteilen. Beim Antragsmodell endet die Anzeigepflicht mit dem Antrag des Kunden. Beim Invitatiomodell endet die Anzeigepflicht erst mit der Annahmeerklärung des Kunden. Im Unterschied zum Antragsmodell bleiben Änderungen der Gefahrenumstände, beispielsweise Verschlechterungen des Gesundheitszustandes, während der Zeit der Risikoprüfung des Versicherers anzeigepflichtig. Makler sind gut beraten, Kunden auf diese Problematik hinzuweisen und im Zweifel das Antragsmodell zu favorisieren.
1.5.8.7
Resümee Die rechtlichen Probleme des Invitatiomodells sind vielleicht formaliter zu lösen. Wie die praktischen Probleme gelöst werden sollen, ist im Moment nicht absehbar. Makler werden aus Vorsichtsgründen das Antragsmodell favorisieren und dabei auf ihre Vertretungsmacht setzen.
1.6
Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers Im bisherigen Recht waren Lösungsrechte des Versicherungsnehmers an verschiedenen Stellen des Versicherungsvertragsgesetzes geregelt (Widerspruchs-, Widerrufs- und Rücktrittsrechte gemäß §§ 8 Abs. 4, 8 Abs. 5, 5a, 48c und 5 VVG a. F.). Die Lösungsrechte werden vereinfacht und jetzt neu durch ein einheitliches und allgemeines Widerrufsrecht ersetzt (§ 8 VVG n. F.), das für die Anwendungspraxis Erleichterungen bringen wird. Das Widerrufsrecht nach § 8 VVG n. F. gilt einheitlich für alle Versicherungsnehmer und alle Vertriebswege. Es unterscheidet nicht zwischen natürlichen und juristischen Personen. Ebenso wenig bestehen Unterschiede im Hinblick auf die Art des Zustandekommens des Versicherungsvertrags. Lediglich die Regelung des § 5 VVG bleibt unverändert erhalten.
1.6.1
Frist und Form Der Versicherungsnehmer kann nunmehr seine Vertragserklärung ohne Angabe von Gründen innerhalb von zwei Wochen in Textform widerrufen (§ 8 Abs. 1 VVG n. F.). Der Widerruf kann also per Brief, Fax oder E-Mail erklärt werden. Bei der Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung beträgt die Widerrufsfrist 30 Tage (§ 152 Abs. 1 VVG n. F.). Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem der Versicherungsnehmer den Versicherungsschein, die Vertragsinformationen gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 2 VVG n. F.,
Allgemeine Vorschriften
55
sowie eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs erhalten hat (§ 8 Abs. 2 VVG n. F.) Der Inhalt der Widerrufsbelehrung wird durch Rechtsverordnung festgelegt; für den Zugang der Unterlagen ist der Versicherer beweispflichtig (§ 8 Abs. 2 VVG n. F.).
1.6.2
Ausnahmen Das Widerrufsrecht ist ausgeschlossen, bei Versicherungsverträgen mit einer geringeren Laufzeit als ein Monat, bei Versicherungsverträgen über vorläufige Deckung, soweit es sich nicht um Fernabsatzverträge im Sinne des § 312 b BGB handelt, bei Versicherungsverträgen mit Pensionskassen, die auf arbeitsvertraglichen Regelungen beruhen und bei Versicherungsverträgen über ein Großrisiko im Sinne des Artikel 10, Abs. 1 Satz 1 Einführungsgesetz VVG. Das Widerrufsrecht ist ebenso ausgeschlossen bei Versicherungsverträgen, die von beiden Vertragsparteien auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherungsnehmers vollständig erfüllt sind, bevor der Versicherungsnehmer ein Widerrufsrecht geltend machen will.
1.6.3
Rechtsfolgen des Widerrufs (§ 9VVG n. F.) Die Rechtsfolgen des Widerrufs richten sich nach § 9 VVG n. F., sofern der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat. Ist dies nicht der Fall, richten sich die Rechtsfolgen des Widerrufs nach allgemeinen Regeln (§§ 357, 346 ff. BGB). Ist die Belehrung ordnungsgemäß erfolgt, erhält der Kunde also im Falle des Widerrufs seine bereits gezahlten Prämien zurück. Hat der Versicherungsschutz bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen, kann der Versicherungsnehmer nur den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Prämienanteil zurückverlangen (§ 9 Satz 1 VVG n. F.). Der Widerruf wirkt also nur für die Zukunft. Bei Lebensversicherungen hat der Versicherer abweichend von § 9 Satz 1 VVG n. F. gemäß § 152 Abs. 2 VVG n. F. auch den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 VVG n. F. zu zahlen. Ist die Belehrung nicht ordnungsgemäß erfolgt, kann der Versicherungsnehmer zusätzlich die Prämie für das erste Versicherungsjahr verlangen, wenn er noch keine Leistungen aus dem Versicherungsvertrag in Anspruch genommen hat (§ 9 Satz 2 VVG n. F.). In der Lebensversicherung muss der Versicherer in diesem Fall entweder den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile auskehren oder die für das erste Jahr gezahlte Prämie zurückzahlen, wenn dies für den Versicherungsnehmer günstiger ist (§ 152 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.). Sind die Unterlagen gar nicht oder nur unvollständig oder mit einer falschen Belehrung dem Versicherungsnehmer zugegangen, steht dem Versicherungsnehmer danach im Zweifel ein „ewiges Widerrufsrecht“ zu. Bei großen zeitlichen Abständen zwischen dem Vertragsbeginn und dem vom Kunden unter Berufung auf sein ewiges Widerrufsrecht ausgesprochenen Widerruf kommt allenfalls eine Verwirkung gemäß § 242 BGB in Betracht.
B
B
56
1.7
Vorschriften für alle Versicherungszweige
Form Auch im neuen Versicherungsvertragsrecht bleibt es bei der grundsätzlichen Formfreiheit von Versicherungsverträgen. Wie bisher können Versicherungsverträge auch zukünftig formlos geschlossen werden. Für bestimmte Erklärungen der Vertragsparteien war bisher dennoch Schriftform vorgeschrieben (z. B. § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a. F.). Derartige Schriftformerfordernisse werden im neuen Versicherungsvertragsrecht weitgehend durch Textform (§ 126b BGB) ersetzt. Ist Textform vorgeschrieben, muss die Erklärung auf Papier oder elektronisch zur dauerhaften Wiedergabe (Diskette, CD, USB-Stick, E-Mail oder ähnliches) in Schriftzeichen abgegeben werden, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Unterschrift oder anders, etwa durch Abschlussfloskel und Name in Druckbuchstaben erkennbar gemacht werden. Mit der weitgehenden Ersetzung der Schriftform durch Textform ist der Anschluss des Versicherungsvertragsrechts an die moderne elektronische Kommunikation vollzogen. Beispiele für Textform: Widerruf und Widerspruch des Versicherungsnehmers Informationen und Belehrungen des Versicherers Fragen nach gefahrerheblichen Umständen bei Antragsaufnahme Folgeprämienmahnung Informationen des Versicherungsvermittlers gegenüber dem Versicherungsnehmer Schriftform kann von den Parteien weiterhin für bestimmte Erklärungen vereinbart werden. Sie muss eingehalten werden bei Verzicht des Versicherungsnehmers auf Beratung, Dokumentation, Vertragsinformationen (§ 6 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, 2. HS, § 61 Abs. 2 VVG n. F.) Geltendmachen der Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.), Bevollmächtigung des Versicherungsvermittlers zur Entgegennahme von Leistungen, die für den Versicherungsnehmer bestimmt sind (§ 64 VVG n. F.), Einwilligung der versicherten Person zum Abschluss einer Todesfall- bzw. einer Unfallversicherung (§§ 150 Abs. 2, 179 Abs. VVG n. F.).
1.8
Vertragsbeginn und -ende Versicherungsverträge beginnen nach neuem Recht regelmäßig um 0 Uhr des Tages, an dem der Vertrag geschlossen wird, und enden um 24 Uhr des letzten Tages der Vertragslaufzeit (§ 10 VVG n. F.). Die bisherige „Mittagsregel“ (§ 7 VVG) wird aufgehoben. Vertragliche Abweichungen bleiben möglich. Wie bisher kann der Versicherungsvertrag vorsehen, dass der Versicherungsschutz vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses beginnt (§ 2 VVG n. F., Rückwärtsversicherung).
Vorvertragliche Anzeigepflicht
57
Im Hinblick auf die Laufzeiten gibt es auch im neuen Versicherungsvertragsgesetz keine grundsätzlichen Beschränkungen. Es bleibt also weiterhin möglich, Mehrjahresverträge (fünf oder zehn Jahre) abzuschließen. Allerdings gewährt § 11 Abs. 4 VVG n. F. zum Schutz des Versicherungsnehmers vor überlangen Laufzeiten ein nicht abdingbares Sonderkündigungsrechts zum Schluss des dritten oder jedes darauf folgenden Jahres mit einer Frist von drei Monaten.
1.9
Verjährung Die bisherige Verjährungsvorschrift des § 12 Abs. 1 VVG wird aufgehoben. Damit gelten auch im Versicherungsvertragsrecht die allgemeinen Vorschriften zur Verjährung schuldrechtlicher Ansprüche, die mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts allgemein eingeführt worden sind. Die bisher geltende Verjährungsfrist für Ansprüche aus Versicherungsverträgen von zwei Jahren – bei der Lebensversicherung von fünf Jahren – wird damit durch die Regelfrist von drei Jahren des § 195 BGB ersetzt. Auch für den Beginn der Verjährung gelten nun die allgemeinen Vorschriften und damit das sog. subjektive System, das den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren mit der Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners verknüpft. Gem. § 199 BGB setzt der Beginn der Verjährung neben der Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners ferner voraus, dass der Anspruch entstanden (Fälligkeit) ist. Auch die bisher in § 12 Abs. 3 VVG geregelte Klagefrist von sechs Monaten ist ersatzlos aufgehoben worden. Die Vorschrift ist vielfach kritisiert worden, weil sie dem Versicherer die Möglichkeit verschaffte, die Verjährungsfrist zum Nachteil des Versicherungsnehmers einseitig zu verkürzen.
2
Vorvertragliche Anzeigepflicht
2.1
Inhalt der Anzeigepflicht Im Bereich der vorvertraglichen Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers hat es erhebliche Änderungen gegeben. Nach bisherigem Recht musste der Versicherungsnehmer bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ungefragt alle ihm bekannten gefahrerheblichen Umstände anzeigen. Der Gesetzgeber hat dazu in der Gesetzbegründung ausgeführt, dass diese Regelung nicht hinreichend die berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers berücksichtige. Insbesondere sei die Beurteilung, ob ein Umstand gefahrerheblich ist, für den Versicherungsnehmer unter Umständen sehr schwierig, so dass ihm ein unangemessenes Risiko aufgebürdet werde. Nach der Neuregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. muss der Versicherungsnehmer grundsätzlich nur noch bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und
B
B
58
Vorschriften für alle Versicherungszweige nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzeigen. Nach Abgabe seiner Vertragserklärung hat der Versicherungsnehmer nur dann Gefahrumstände mitzuteilen, wenn der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor der Vertragsannahme in Textform nachfragt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.). Die vom Versicherer erfragten Umstände müssen objektiv gefahrerheblich sein. Die Beweislast für die Anzeigeobliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers trifft den Versicherer (§ 49 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.). Bei Abschluss des Versicherungsvertrages im Wege des sogenannten Invitatiomodells ist darauf zu achten, dass hier die Vertragserklärung des Versicherungsnehmers erst die Annahme des Angebots des Versicherers ist. Demzufolge verschiebt sich der Endzeitpunkt der Anzeigepflicht deutlich nach hinten. Der Versicherungsnehmer bleibt in diesen Fällen auch während der Zeit der Risikoprüfung durch den Versicherer zur Anzeige der gefahrerheblichen Umstände, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hatte, verpflichtet. Im Falle einer Verletzung der Anzeigepflicht kommen je nach den Umständen des Einzelfalls unterschiedliche Rechtsfolgen zur Anwendung. In Betracht kommen Rücktritt, Kündigung, Anfechtung oder eine Vertragsanpassung.
2.2
Rücktritt
2.2.1
Voraussetzungen Bei Vorliegen einer Anzeigepflichtverletzung kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat (§ 19 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.). Im Unterschied zum bisherigen Recht reicht leichte Fahrlässigkeit nicht mehr aus (jetzt: Kündigungsrecht). Der Rücktritt setzt voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch eine gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat.
2.2.2
Ausschluss des Rücktrittsrechts Das Rücktrittsrechts des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte (§ 19 Abs. 4 Satz 1 VVG n. F.). Das Rücktrittsrecht ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte (§ 19 Abs. 5 Satz 2 VVG n. F.).
2.2.3
Ausübung und Rechtsfolgen des Rücktritts Will der Versicherer von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen, muss er es innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt, an dem er von der in Rede stehenden Anzeigepflichtverletzung Kenntnis erlangt hat, geltend machen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Der Rücktritt muss dabei schriftlich erklärt werden, Textform reicht in diesem Fall nicht. Die Ausübung des Rück-
Vorvertragliche Anzeigepflicht
59
trittsrechts ist außerdem zu begründen. Im Rahmen der Monatsfrist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 KVVG n. F. kann der Versicherer weitere Begründungen nachschieben. Ist der Rücktritt wirksam erklärt, wird der Versicherungsvertrag ex tunc beseitigt (§ 346 BGB). Grundsätzlich muss der Versicherer daher für einen zwischenzeitlich eingetretenen Schadenfall nicht leisten. Dies gilt nicht, wenn die nicht angezeigten Gefahrumstände weder für den Eintritt des Versicherungsfalls noch für den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers kausal waren oder der Versicherungsnehmer arglistig gehandelt hat (§ 21 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.).
2.2.4
Beweislast Die Verletzung der Anzeigeobliegenheit und den Umstand der Gefahrerheblichkeit hat das Versicherungsunternehmen zu beweisen. Die Kausalität der nicht angezeigten Gefahrumstände für den eingetretenen Schaden wird vermutet. Der Versicherungsnehmer kann den Kausalitätsgegenbeweis antreten. Vorsätzliches bzw. grob fahrlässiges Verhalten des Versicherungsnehmers wird vermutet. Der Versicherungsnehmer muss demnach beweisen, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.
2.2.5
Erlöschen des Rücktrittsrechts Gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. erlischt das Rücktrittsrecht des Versicherers nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss. Im Bereich der Krankenversicherung verkürzt sich die Frist auf drei Jahre (§ 194 Abs. 1 Satz 4 VVG n. F.). Bei vorsätzlicher oder arglistiger Anzeigepflichtverletzung kann der Versicherer innerhalb von zehn Jahren zurücktreten.
2.3
Kündigung
2.3.1
Voraussetzungen Bei Vorliegen einer Anzeigepflichtverletzung kann der Versicherer den Versicherungsvertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen, wenn der Versicherungsnehmer weder vorsätzlich noch grob fahrlässig seine Pflicht verletzt hat (§ 19 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.). Das Kündigungsrecht entsteht also bei schuldloser einfach fahrlässiger Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers. Die Kündigung setzt voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch eine gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat.
2.3.2
Ausschluss des Kündigungsrechts Das Kündigungsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte (§ 19 Abs. 4 Satz 1 VVG n. F.).
B
B
60
Vorschriften für alle Versicherungszweige Das Kündigungsrecht ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte (§ 19 Abs. 5 Satz 2 VVG n. F.).
2.3.3
Ausübung und Rechtsfolgen der Kündigung Will der Versicherer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen, muss er es innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt, an dem er von der in Rede stehenden Anzeigepflichtverletzung Kenntnis erlangt hat, geltend machen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Die Kündigung muss dabei schriftlich erklärt werden, Textform reicht in diesem Fall nicht. Die Ausübung des Kündigungsrechts ist außerdem zu begründen. Im Rahmen der Monatsfrist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. kann der Versicherer weitere Begründungen nachschieben. Ist die Kündigung wirksam erklärt, wird der Versicherungsvertrag mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet.
2.3.4
Beweislast Die Verletzung der Anzeigeobliegenheit und den Umstand der Gefahrerheblichkeit hat das Versicherungsunternehmen zu beweisen. Die Kausalität der nicht angezeigten Gefahrumstände für den eingetretenen Schaden wird vermutet. Der Versicherungsnehmer kann den Kausalitätsgegenbeweis antreten. Der Versicherungsnehmer muss beweisen, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig – also einfach fahrlässig oder schuldlos gehandelt hat.
2.3.5
Erlöschen des Kündigungsrechts Gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 erlischt das Kündigungsrecht des Versicherers nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss. Im Bereich der Krankenversicherung verkürzt sich die Frist auf drei Jahre (§ 194 Abs. 1 Satz 4 VVG n. F.).
2.4
Vertragsanpassung § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG n. F.
2.4.1
Voraussetzungen Ist das Rücktrittsrecht oder das Kündigungsrecht des Versicherers ausgeschlossen, weil er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte, kann der Versicherer verlangen, dass die anderen Bedingungen, z. B. Leistungs-Ausschluss oder Prämienerhöhung, rückwirkend Vertragsbestandteil werden. Ist die Pflichtverletzung vom Versicherungsnehmer nicht zu vertreten, werden die anderen Bedingungen erst ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil. Das Anpassungsrecht setzt voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch eine gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat.
2.4.2
Ausschluss des Anpassungsrechts Das Anpassungsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte (§ 19 Abs. 5 Satz 2 VVG n. F.).
Vorvertragliche Anzeigepflicht
2.4.3
61
Ausübung des Anpassungsrechts Will der Versicherer von seinem Anpassungsrecht Gebrauch machen, muss er es innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt, an dem er von der in Rede stehenden Anzeigepflichtverletzung Kenntnis erlangt hat, geltend machen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Das Anpassungsverlangen muss dabei schriftlich erklärt werden, Textform reicht in diesem Fall nicht. Die Ausübung des Anpassungsrechts ist außerdem zu begründen. Im Rahmen der Monatsfrist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. kann der Versicherer weitere Begründungen nachschieben.
2.4.4
Beweislast Die Verletzung der Anzeigeobliegenheit und den Umstand der Gefahrerheblichkeit hat das Versicherungsunternehmen zu beweisen. Die Kausalität der nicht angezeigten Gefahrumstände für den eingetretenen Schaden wird vermutet. Der Versicherungsnehmer kann den Kausalitätsgegenbeweis antreten. Vorsätzliches bzw. grobfahrlässiges Verhalten des Versicherungsnehmers werden vermutet. Der Versicherungsnehmer muss demnach beweisen, dass er weder vorsätzlich noch grobfahrlässig gehandelt hat.
2.4.5
Erlöschen des Anpassungsrechts Gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 erlischt das Anpassungsrecht des Versicherers nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss. Im Bereich der Krankenversicherung verkürzt sich die Frist auf drei Jahre (§ 194 Abs. 1 Satz 4 VVG n. F.).
2.5
Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung Das Recht des Versicherers, den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB anzufechten, bleibt nach § 22 VVG n. F. unberührt. Die Anfechtung muss innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Täuschung erfolgen (§ 124 BGB). Die Anfechtung führt zur Leistungsfreiheit des Versicherers (§ 142 BGB).
B
B
62
Vorschriften für alle Versicherungszweige
2.6
Übersicht: Rechtsfolgen bei Verletzung im Überblick Fragen nach gefahrerheblichen Umständen
VU beweist Verletzung der Anzeigeobliegenheit
VU hat VN korrekt belehrt
VN kann Vorsatz nicht widerlegen
Rücktrittsrecht
3
Unzulängliche Belehrung : kein Rücktrittsrecht
VN kann Vorsatz, nicht grobe Fahrlässigkeit widerlegen
VN widerlegt grobe Fahrlässigkeit: Kündigungsrecht
VN beweist Vertragsabschluss zu anderen Bedingungen nicht
VN beweist Vertragsabschluss zu anderen Bed.
VU verlangt Rückwirkenden Ausschluss
Rücktrittsrecht
kein Rücktrittsrecht
VU versäumt Änd. zu verl.
Gefahrerhöhung Die geänderten Regelungen zur Gefahrerhöhung (§ 23 ff. VVG n. F.) bringen eine Vereinfachung der bisherigen Vorschriften und orientieren sich an den einheitlichen Grundsätzen für die Leistungsfreiheit. Auch das neue Recht enthält keine Definition der Gefahrerhöhung, es wird aber an der Unterscheidung zwischen subjektiver, also vom Versicherungsnehmer gewollter oder veranlasster, Gefahrerhöhung und objektiver, also vom Versicherungsnehmer ungewollter oder nicht veranlasster, Gefahrerhöhung beibehalten. Im Einzelnen: Nach Abgabe seiner Vertragserklärung darf der Versicherungsnehmer ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung selbst vornehmen oder einem Dritten gestatten (subjektive Gefahrerhöhung, § 23 Abs. 1 VVG n. F.). Eine nachträglich erkannte und deswegen schuldlose subjektive Gefahrerhöhung muss der Versicherungsnehmer unverzüglich dem Versicherer anzeigen (nachträglich erkannte subjektive Gefahrerhöhung, § 23 Abs. 2 VVG n. F.). Im Unterschied zur subjektiven Gefahrerhöhung kennt der Versicherungsnehmer bei der nachträglich erkannten subjektiven Gefahrerhöhung zwar die Umstände, die die Gefahrerhöhung begründen, wertet sie aber zunächst nicht als Gefahrerhöhung.
Beispiel Der Schornsteinfeger informiert den Versicherungsnehmer, dass der von ihm eingebaute Kaminofen nicht abgenommen werden kann.
Gefahrerhöhung
63
Tritt eine Gefahrerhöhung unabhängig von dem Willen des Versicherungsnehmers nach Abgabe seiner Vertragserklärung ein (objektive Gefahrerhöhung), ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, die Gefahrerhöhung dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen, nachdem er Kenntnis von der Gefahrerhöhung erlangt hat (§ 23 Abs. 3 VVG n. F.). Die Rechtsfolgen bei Gefahrerhöhung richten sich nach §§ 23–26 VVG n. F. Dabei regelt § 24 VVG n. F. die Kündigungsmöglichkeit des Versicherers, § 25 VVG n. F. gibt dem Versicherer die Möglichkeit, anstelle einer Kündigung eine höhere Prämie oder ein Leistungsausschluss zu verlangen. § 26 VVG n. F. regelt schließlich die Leistungsfreiheit. Auch die Rechtsfolgen bei Gefahrerhöhung orientieren sich an dem neuen System von Rechtsfolgen für Verletzungen fachlicher Verpflichtungen und Obliegenheiten des Versicherungsnehmers. Das Kündigungs-, Prämienerhöhungs- und Ausschlussrecht ermöglicht dem Versicherer eine Reaktion auf die durch subjektive Gefahrerhöhung geänderte Geschäftsgrundlage. Die Leistungsfreiheit stellt dagegen eine Sanktion der subjektiven Gefahrerhöhung und der Verletzung der Anzeigepflicht bei nachträglich erkannter subjektiver und objektiver Gefahrerhöhung dar.
3.1
Kündigung wegen Gefahrerhöhung Bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen subjektiven Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 Abs. 1 VVG n. F. kann der Versicherer den Versicherungsvertrag fristlos kündigen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Bei einfacher Fahrlässigkeit muss der Versicherer eine Kündigungsfrist von einem Monat einhalten (§ 24 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.). Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit werden vermutet. Kann sich der Versicherungsnehmer davon entlasten, muss der Versicherer das Vorliegen einfacher Fahrlässigkeit beweisen. Bei nachträglich erkannter subjektiver Gefahrerhöhung im Sinne des § 24 Abs. 2 VVG n. F. und bei objektiver Gefahrerhöhung im Sinne des § 24 Abs. 3 VVG n. F. kann der Versicherer den Versicherungsvertrag ebenfalls mit einer Frist von einem Monat kündigen (§ 24 Abs. 2 VVG n. F.). Das Kündigungsrecht des Versicherers wegen Gefahrerhöhung erlischt generell, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab Kenntnis des Versicherers von der Gefahrerhöhung ausgeübt wird oder wenn die Gefahrerhöhung beseitigt ist (§ 24 Abs. 3 VVG n. F.).
3.2
Prämienerhöhung wegen Gefahrerhöhung Anstelle des Kündigungsrechts kann der Versicherer ab dem Zeitpunkt der Gefahrerhöhung eine höhere Prämie verlangen oder die Absicherung der höheren Gefahr ausschließen (§ 25 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Prämienerhöhungs- bzw. Ausschlussrecht setzen voraus, dass die Voraussetzungen einer Kündigung gemäß § 24 VVG n. F. vorliegen. Der Versicherer soll die Möglichkeit haben, grundsätzlich an dem Versicherungsvertrag festzuhalten, aber auf die Gefahrerhöhung durch Vertragsänderung zu reagieren. Das Recht auf Prämienerhöhung oder Ausschluss erlischt ebenfalls, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab Kenntnis des Versicherers von der Gefahrerhöhung ausgeübt wird oder wenn die Gefahrerhöhung beseitigt ist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.).
B
B
64
Vorschriften für alle Versicherungszweige Für den Fall, dass der Versicherer von seinem Recht auf Prämienerhöhung Gebrauch macht und sich aufgrund dessen die Prämie um mehr als 10 Prozent erhöht, oder für den Fall, dass der Versicherer die Absicherung der höheren Gefahr ausschließt, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats ab Zugang des Versichererverlangens fristlos kündigen (§ 25 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.). Darauf muss der Versicherer hinweisen, wenn er von seinem Recht auf Prämienerhöhung oder Gefahrenausschluss Gebrauch macht (§ 25 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.).
3.3
Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung Bei Eintritt des Versicherungsfalls nach einer subjektiven Gefahrerhöhung wird der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die subjektive Gefahrerhöhung vorsätzlich herbeigeführt hat (§ 26 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Hat der Versicherungsnehmer die subjektive Gefahrerhöhung grob fahrlässig herbeigeführt, kann der Versicherer seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis (Quotelung) kürzen (§ 26 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.). Der Versicherer muss das Vorliegen des Vorsatzes beweisen. Grob fahrlässiges Handeln des Versicherungsnehmers wird vermutet. Der Versicherungsnehmer kann sich davon entlasten. Gelingt ihm dies nicht, muss der Versicherer im Hinblick auf sein Quotelungsrechts die Schwere des Verschuldens beweisen. Der Versicherer bleibt auf jeden Fall zur Leistung verpflichtet, wenn die Gefahrerhöhung nicht für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich (Kausalitätsgegenbeweis für Versicherungsnehmer möglich) war (§ 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG n. F.) oder wenn bei Eintritt des Versicherungsfalls keine rechtzeitige Kündigung des Versicherers erfolgte (§ 26 Abs. 3 Nr. 2 VVG n. F.). Tritt im Falle einer nachträglich erkannten subjektiven Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 Abs. 2 VVG n. F. oder im Falle einer objektiven Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 Abs. 3 VVG n. F. ein Schadenfall später als einen Monat ab dem Zeitpunkt ein, an dem die unverzügliche Anzeige des Versicherungsnehmers hätte erfolgen müssen, wird der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung vorsätzlich herbeigeführt hat (§ 26 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.). Bei grober Fahrlässigkeit hat der Versicherer wieder das Recht, die Leistung nach der schwere der Schuld des Versicherungsnehmers zu quoteln; leichte Fahrlässigkeit kann nach dem neuen System nicht zur Leistungsfreiheit führen (§ 26 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.). Im Unterschied zur Leistungsfreiheit wegen subjektiver Gefahrerhöhung wird bei nachträglich erkannter subjektiver oder objektiver Fahrlässigkeit Vorsatz vermutet. Der Versicherungsnehmer muss sich also hier sowohl von der Vorsatzvermutung wie von der Vermutung der groben Fahrlässigkeit entlasten (§ 26 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.), für die Schwere des Verschuldens bei grober Fahrlässigkeit bleibt der Versicherer beweispflichtig. Der Versicherer bleibt auf jeden Fall zur Leistung verpflichtet, wenn die Gefahrerhöhung nicht für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich (Kausalitätsgegenbeweis für Versicherungsnehmer möglich) war (§ 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG n. F.) oder wenn bei Eintritt des Versicherungsfalls keine rechtzeitige Kündigung des Versicherers erfolgte (§ 26 Abs. 3 Nr. 2 VVG n. F.).
Vertragliche Obliegenheiten
4
65
Vertragliche Obliegenheiten Auch die Rechtsfolgen bei Verletzung vertraglicher Obliegenheiten richten sich im Wesentlichen an den neuen Grundsätzen für die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglicher Pflichten und Obliegenheiten aus. Das Recht der vertraglichen Obliegenheiten ist nunmehr in § 28 VVG n. F. geregelt. Eine Definition der Obliegenheiten findet nach wie vor nicht statt, so dass es in Bezug auf die Abgrenzung zwischen Ausschlüssen und verhüllten Obliegenheiten bei den bisherigen Grundsätzen der Rechtsprechung bleibt. Bei Verletzung vertraglicher Obliegenheiten kann der Versicherer den Versicherungsvertrag kündigen oder ganz oder teilweise leistungsfrei werden lassen.
4.1
Kündigungsrecht des Versicherers Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit vor Eintritt eines Versicherungsfalls kann der Versicherer den Versicherungsvertrag innerhalb eines Monats ab Kenntnis des Versicherers von der Obliegenheitsverletzung kündigen (§ 28 Abs. 1 VVG n. F.). Leichte Fahrlässigkeit bleibt ohne Rechtsfolge, es sei denn, dass die einfach fahrlässige Obliegenheitsverletzung zugleich eine Gefahrerhöhung bedeutet. In diesem Fall kann der Versicherer den Versicherungsvertrag gemäß § 24 VVG n. F. kündigen.
4.2
Leistungsfreiheit des Versicherers Die bisherige Unterscheidung in § 6 VVG zwischen Obliegenheitsverletzungen vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls wird bei den neuen Regeln zur Leistungsfreiheit bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit aufgegeben. Verletzt der Versicherungsnehmer vorsätzlich eine vertragliche Obliegenheit, wird der Versicherer grundsätzlich leistungsfrei (§ 28 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.). Verletzt der Versicherungsnehmer die vertragliche Obliegenheit grob fahrlässig, kann der Versicherer seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis kürzen (§ 28 Abs. 2 Satz 2 1. Absatz VVG n. F.). Die Beweislast für das Vorliegen von Vorsatz liegt beim Versicherer. Grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers wird dagegen vermutet, der Versicherungsnehmer muss sich deshalb entlasten. Die Beweislast für die Schwere des Verschuldens bei grober Fahrlässigkeit liegt wiederum beim Versicherer. Der Versicherer bleibt auch im Falle einer vorsätzlichen oder einer grob fahrlässigen Verletzung vertraglicher Obliegenheiten zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt noch für die Feststellung des Versicherungsfalles oder für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers kausal ist (§ 28 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.). Dies gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat. Die wegen Vorsatz vollständige oder wegen grober Fahrlässigkeit teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers tritt bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit nur ein, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer entsprechend in Textform belehrt hat (§ 28 Abs. 4 VVG ).
B
B
66
Vorschriften für alle Versicherungszweige
5
Prämie
5.1
Wegfall der Unteilbarkeit der Prämie Wichtigste Neuerung im Prämienrecht des VVG n. F. ist die Aufgabe des Prinzips der Unteilbarkeit der Prämie. Nach diesem Prinzip gebührte dem Versicherer auch bei außerordentlicher Beendigung z. B. durch Rücktritt oder Kündigung des Versicherungsvertrages im laufenden Versicherungsjahr die komplette Jahresprämie. Diese Regelung hat den Versicherungsnehmer in vielen Fällen unangemessen benachteiligt und ist deshalb zu Recht abgeschafft worden. An ihre Stelle ist nun eine Pro-rata-temporis-Regel getreten, nach der der Prämienanspruch des Versicherers mit dem Zeitraum des geleisteten Versicherungsschutzes korrespondiert (§ 39 Abs. 1 VVG n. F.). Endet ein Versicherungsvertrag vorzeitig, etwa durch Kündigung nach einem Versicherungsfall (§§ 92, 111 VVG), Erwerberkündigung (§ 96 VVG) oder Kündigung nach Prämienanpassung oder Leistungssenkung (§ 40 VVG), steht dem Versicherer nicht mehr die volle Prämie der laufenden Versicherungsperiode, sondern nur ein zeitanteiliger Prämienanspruch zu. Wird das Versicherungsverhältnis durch Rücktritt wegen § 19 Abs. 2 VVG n. F. (vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung) oder durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung beendet, steht dem Versicherer die Prämie aber bis zum Wirksamwerden der Rücktritts- oder Anfechtungserklärung zu (§ 39 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.). Tritt der Versicherer wegen nicht rechtzeitiger Zahlung der Einmal- oder Erstprämie zurück, kann der Versicherer – auch ohne Risikotragung – eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen (§ 39 Abs. 1 Satz 3 VVG n. F.).
5.2
Fälligkeit der Prämie Ist in dem Versicherungsvertrag eine Einmalprämie vereinbart, muss der Versicherer sie unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins zahlen. Sind laufende Prämien vereinbart, muss der Versicherungsnehmer die erste Prämie unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins zahlen (§ 33 Abs. 1 VVG n. F.). Bei der Lebensversicherung ist die Einmalprämie oder die Erstprämie unverzüglich nach Ablauf von 30 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen (§ 152 Abs. 3 VVG n. F.). Im Prämienrecht sind damit die Fälligkeitsvorschriften an die neuen Vorschriften des allgemeinen Widerrufsrechts angepasst worden. Der Versicherungsnehmer soll noch nicht zur Zahlung der Prämie verpflichtet sein, solange er den Versicherungsvertrag noch widerrufen kann.
5.3
Zahlungsverzug bei Erstprämie Unterlässt der Versicherungsnehmer die rechtzeitige Zahlung der Einmalprämie oder der ersten Prämie, so bleibt der Versicherer zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt (§ 37 Abs. 1 VVG n. F.).
Fremde Rechnung
67
Neu ist, dass der Versicherer nur zum Rücktritt berechtigt ist, wenn der Versicherungsnehmer die Nichtzahlung auch zu vertreten hat. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls (z. B. falsche Buchung beim Versicherer). Im Schadenfall ist der Versicherer dann leistungsfrei. Dies setzt voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung der Prämie aufmerksam gemacht hat (§ 37 Abs. 2 VVG n. F.). Der Versicherungsnehmer hat demgegenüber die Möglichkeit, die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen nicht rechtzeitiger Zahlung der Prämie durch den Nachweis mangelnden Verschuldens zu vermeiden (§ 37 Abs. 2 VVG n. F.).
5.4
Zahlungsverzug bei Folgeprämie Die Vorschriften für den Zahlungsverzug bei Folgeprämien entsprechen im Wesentlichen dem bisherigem Recht. Wenn der Versicherungsnehmer eine Folgeprämie nicht rechtzeitig zahlt, ist der Versicherer berechtigt, den Versicherungsnehmer auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist von mindesten zwei Wochen zu bestimmen (§ 38 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Nach Fristablauf kann der Versicherer den Vertrag fristlos kündigen, wenn der Versicherungsnehmer mit der Zahlung des Beitrags in Verzug ist (§ 38 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.). Bei Eintritt eines Schadenfalls ist der Versicherer nach Fristablauf leistungsfrei (§ 38 Abs. 2 VVG n. F.). Neu ist, dass die vom Versicherer ausgesprochene Kündigung unwirksam wird, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie bezahlt (§ 38 Abs. 3 Satz 3 VVG n. F.). Dies hat aber auf die Leistungsfreiheit des Versicherers bei einem eingetretenen Schadenfall keinen Einfluss.
5.5
Prämienanpassung Wenn der Versicherer aufgrund einer Anpassungsklausel während der Laufzeit des Vertrages die Prämie erhöht, ohne dass der Umfang des Versicherungsschutzes entsprechend angepasst wird, kann der Versicherungsnehmer wie bisher den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers kündigen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Neu ist, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer auf dieses Kündigungsrecht ausdrücklich hinweisen muss (§ 40 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.).
6
Fremde Rechnung Die Versicherung für fremde Rechnung war bisher im Abschnitt über die Schadensversicherung in den §§ 74 – 80 VVG geregelt. Die Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechnung sind nunmehr in den allgemeinen Teil des VVG n. F. verschoben und erstrecken sich dadurch jetzt auf alle Versicherungszweige. Die Vorschriften sind in den §§ 43 – 48 VVG n. F. enthalten, die inhaltlich mit dem bisherigen Recht übereinstimmen. Eine Versicherung für fremde Rechnung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für einen anderen schließt (§ 43 Abs. 1 VVG n. F.).
B
B
68
Vorschriften für alle Versicherungszweige Wie bisher stehen bei einer Versicherung für fremde Rechnung die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu (§ 44 Abs. 1 VVG n. F.). Allerdings kann er über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag nur ausnahmsweise verfügen, nämlich wenn der Versicherungsnehmer zustimmt oder wenn der Versicherte im Besitz des Versicherungsscheins ist (§ 44 Abs. 2 VVG n. F.). Demgegenüber kann der Versicherungsnehmer über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich im eigenen Namen verfügen (§ 45 Abs. 1 VVG n. F.). Ist ein Versicherungsschein ausgestellt, darf der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung vom Versicherer nur annehmen oder die Rechte des Versicherten übertragen, wenn der Versicherte zugestimmt hat oder der Versicherungsnehmer im Besitz des Versicherungsscheins ist (§ 45 Abs. 2 VVG n. F.). Der Versicherer muss an den Versicherungsnehmer nur leisten, wenn der Versicherte zugestimmt hat (§ 45 Abs. 3 VVG n. F.). Das Verhalten und die Kenntnis des Versicherten werden dem Versicherungsnehmer wie eigenes Verhalten oder eigene Kenntnis zugerechnet, wenn dies rechtlich von Bedeutung ist (§ 47 Abs. 1 VVG n. F.). Für die Lebensversicherung, die Unfallversicherung und die Krankenversicherung gelten Sonderregelungen, wenn der Versicherungsnehmer nicht die versicherte Person ist, da es sich nicht notwendig um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt.
7
Vorläufige Deckung Die Vereinbarung einer vorläufigen Deckung hat in der Praxis erhebliche Bedeutung, weil vielfach ein Interesse besteht, Versicherungsschutz schon vor Abschluss eines bestimmten Versicherungsvertrages einzurichten. Die vorläufige Deckung war bisher gesetzlich nicht geregelt. Ihre rechtlichen Rahmenbedingungen wurden in der Praxis entwickelt und werden nun in den §§ 49 – 52 VVG n. F. kodifiziert. Dabei werden die in der Praxis entwickelten Rahmenbedingungen im Wesentlichen übernommen.
7.1
Eigenständiger Versicherungsvertrag Bei der Vereinbarung einer vorläufigen Deckung handelt es sich wie bisher um einen eigenständigen Versicherungsvertrag, für den grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes und insbesondere auch die neuen Beratungspflichten des § 6 VVG n. F. gelten.
7.2
Informationspflichten Es ist aber zulässig, dass der Versicherer mit dem Versicherungsnehmer vereinbart, dass die Informationen nach § 7 VVG n. F. nur auf Anforderung und spätestens mit dem Versicherungsschein vom Versicherer zu übermitteln sind, sofern es sich nicht um einen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312 BGB handelt (§ 49 Abs. 1 VVG n. F.). Formvorschriften für diese Vereinbarung gelten nicht, so dass sie konkludent geschlossen werden kann.
Laufende Versicherung
7.3
69
AVB Wenn in Folge dieser Vereinbarung die allgemeinen Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss nicht übergeben werden, werden die vom Versicherer üblicherweise verwendeten Bedingungen ohne ausdrücklichen Hinweis Vertragsbestandteil (§ 49 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.). Wenn nicht geklärt werden kann, welche Bedingungen für den Vertrag gelten sollen, werden die für den Versicherungsnehmer günstigsten Versicherungsbedingungen Vertragsbestandteil (§ 49 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.).
7.4
Prämie Kommt der Hauptvertrag nicht zustande, muss der Versicherungsnehmer eine Prämie für die vorläufige Deckung nur zahlen, wenn dies zuvor vereinbart worden ist (§ 50 VVG n. F., der Anspruch besteht dann pro rata temporis). Der Versicherungsschutz bei einem Vertrag über vorläufige Deckung beginnt grundsätzlich unabhängig von der Zahlung einer Erstprämie. Soll der Beginn des Versicherungsschutzes von der Zahlung einer Prämie abhängig gemacht werden, muss dies zuvor ausdrücklich vereinbart werden (§ 51 Abs. 1 VVG n. F.).
7.5
Beendigung der vorläufigen Deckung Der Vertrag über die vorläufige Deckung endet, wenn der Hauptvertrag oder ein weiterer Vertrag über vorläufige Deckung mit gleichartigem Versicherungsschutz beginnt (§ 52 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.) ein Hauptvertrag oder ein weiterer Vertrag über vorläufige Deckung mit einem anderen Versicherer geschlossen worden ist (§ 52 Abs. 2 VVG n. F.) der Vertrag durch eine Vertragspartei gekündigt worden ist (§ 52 Abs. 4 VVG n. F.) der Hauptvertrag widerrufen worden ist (§ 52 Abs. 3 VVG n. F.).
8
Laufende Versicherung Die Vorschriften zur laufenden Versicherung (§§ 53 bis 58 VVG n. F.) sind neu. Seit der Aufhebung der alten Fassung des § 187 VVG im Jahre 1990 war die laufende Versicherung im VVG nicht mehr geregelt. Eine laufende Versicherung liegt vor, wenn in einem Vertrag das versicherte Interesse bei Vertragsschluss nur der Gattung nach bezeichnet und erst später, nach seinem Entstehen, dem Versicherer mit den Einzelrisiken aufgegeben wird (§ 53 Satz 1 VVG n. F.). Der Versicherungsnehmer ist dann verpflichtet, die versicherten Risiken oder die vereinbarte Prämiengrundlage unverzüglich anzumelden oder jeweils Deckungszusage zu beantragen. Diese Vertragsgestaltung der laufenden Versicherung erfordert erhebliche Abweichungen von den Bestimmungen des Allgemeinen Teils des VVG. Deshalb sind sie in ihren Grundzügen im Gesetz selbst festgelegt worden.
B
B
70
Vorschriften für alle Versicherungszweige Es bleibt allerdings dabei, dass alle Vorschriften für die laufende Versicherung dispositiv sind. Dies betrifft insbesondere die Rechtsfolgen bei einer Verletzung der Anmeldepflicht (§ 54 VVG n. F.) oder sonstiger Obliegenheiten (§§ 57, 58 VVG n. F.).
9
Versicherungsvermittler Das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 22. Mai 2007 hat bereits im vergangenen Jahr die § 42a bis 42k ins bisherige VVG eingefügt. Die Regelungen bleiben im VVG n. F. unverändert, nur die Nummerierung der Vorschriften hat sich geändert.
9.1
Versicherungsvermittler im VVG Im den §§ 59 bis 62 VVG n. F. sind die vertrags- und beratungssituationsspezifischen Beratungs-, Informations- und Dokumentationspflichten der Versicherungsvermittler geregelt. Je nach Regelungsbereich sind alle Versicherungsvermittler oder nur einzelne Vermittlertypen betroffen. In § 59 VVG n. F. wird der Begriff des Versicherungsvermittlers definiert. Dabei wird der in Art. 2 Nr. 5 der EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie verwendete funktionale Vermittlerbegriff, der unterschiedliche Vermittlertypen umfasst, nicht ins deutsche Recht übernommen. Stattdessen unterscheidet die Definition des § 59 Abs. 1 VVG n. F. zwischen Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern. Dies wird damit begründet, dass aufgrund der unterschiedlichen Ausrichtung der vom Vermittler gem. Art. 12 der EU-Versicherungsrichtlinie zu erteilenden Auskünfte eine klare Abgrenzung der Funktionen der Vermittler erforderlich sei. Danach sind Versicherungsvermittler im Sinne des VVG n. F. Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler (§ 59 Abs. 1 VVG n. F.). Der in den Vorschriften der Gewerbeordnung verankerte Grundsatz der Polarisierung zwischen Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter findet hier seine logische Fortsetzung. Als Versicherungsvertreter gilt, wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen (§ 59 Abs. 2 VVG n. F.). Versicherungsvertreter können einen oder mehrere Versicherer vertreten. Demzufolge gelten auch sog. Mehrfachagenten als Versicherungsvertreter im Sinne des § 59 Abs. 2 VVG n. F. Die gewerberechtliche Unterscheidung zwischen Versicherungsvertretern mit Erlaubnis, produktakzessorischen Versicherungsvertretern mit Erlaubnisbefreiung und erlaubnisfreien Ausschließlichkeitsvertretern hat für die zivilrechtlichen Beratungs-, Informations- und Dokumentationspflichten im VVG n. F. keine Bedeutung. Versicherungsmakler ist dagegen, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein (§ 59 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.). Der Versicherungsmakler unterscheidet sich also wesentlich in dem Punkt vom Versicherungsvertreter, dass er vom Kunden und nicht vom Versicherer beauftragt wird und somit das Vermittlungsgeschäft nicht für einen Versicherer, sondern im Interesse des Versicherungsnehmers tätigt (§ 58 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.). Seine Beratung erfolgt daher nicht auf der Grundlage eines Vertretervertrages, sondern auf der Grundlage der mit dem Kunden getroffenen Vereinbarung.
Versicherungsvermittler
71
Als Versicherungsmakler gilt auch, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler gem. Satz 1 (§ 59 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.). Diese Regelung betrifft die schon erwähnten, in der Praxis nicht seltenen Fälle, in denen der Versicherungsvermittler im Verhältnis zum Kunden lediglich den Anschein erzeugt, Makler zu sein, obwohl dies tatsächlich gar nicht der Fall ist. Der Kunde wird über Abhängigkeiten und Marktzugangsmöglichkeiten getäuscht. Deshalb soll er wirksam geschützt werden. Den wie ein Makler auftretenden Vermittler treffen daher uneingeschränkt alle Maklerpflichten, für deren Erfüllung er auch haftungsrechtlich einzustehen hat. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Versicherungsvermittler wie ein Makler auftritt, ist die Perspektive des verständigen Verbrauchers. Drängt sich dem Kunden also der Eindruck auf, der Versicherungsvermittler handele nicht als Agent für einen oder mehrere Versicherer, sondern unabhängig, wird der Vermittler wie ein Makler behandelt. Die Rechtsprechung kam in der Vergangenheit mit diesen Erwägungen in ähnlich gelagerten Fällen schon zu entsprechenden Ergebnissen.
9.2
Beratungsgrundlage des Versicherungsvermittlers und Mitteilungspflicht Die in der (gewerberechtlichen) Erstinformation enthaltene Angabe zum Vermittlerstatus beinhaltet eine klare Information über die Interessengebundenheit des Vermittlers und seiner Zuordnung entweder ins Lager des Kunden (Versicherungsmakler) oder des oder der Versicherungsunternehmen (Versicherungsvertreter) und bedeutet damit zugleich eine Weichenstellung für die sogenannte Beratungsgrundlage des Versicherungsvermittlers. Der Begriff Beratungsgrundlage meint die Basis, auf der der Versicherungsvermittler seine Beratungsleistung erbringt. Dazu gehören: Marktgrundlage: Gemeint ist, welcher Markt dem Versicherungsvermittler im Einzelnen zur Verfügung steht. Der Markt ist die Summe der jeweils angebotenen Versicherungsverträge und der Versicherer. Dieser kann beschränkt sein, beispielsweise für den Versicherungsvertreter auf diejenigen Versicherer, mit denen er Agenturverträge abgeschlossen hat. Informationsgrundlage: Gemeint ist, welche Informationen dem Versicherungsvermittler über den Markt und dessen Versicherungslösungen zur Verfügung stehen. Die Informationsgrundlage kann gegenüber der Marktgrundlage beschränkt sein auf bestimmte Versicherer und bestimmte Versicherungsverträge. Umgekehrt kann sie auch weiter sein als die Marktgrundlage, beispielsweise beim Versicherungsvertreter, der sich über die von ihm vertretenen Versicherer hinaus weitere Informationen beschafft.
9.2.1
Beratungsgrundlage des Versicherungsmaklers Für Versicherungsmakler gilt der Grundsatz der objektiven, ausgewogenen Marktuntersuchung. Er ist gem. § 60 Abs. 1 VVG n. F. verpflichtet, „seinem Rat eine hinreichende Anzahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grunde zu legen, so dass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen“. In einzelnen Fällen kann der Makler aber hiervon abweichen und seine Marktauswahl beschränken (§ 60 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.).
B
B
72
Vorschriften für alle Versicherungszweige Diese aufgrund der Verwendung von ausfüllungsbedürftigen Begriffen sehr allgemein gehaltene Vorschrift wirft verschiedene Rechtsfragen auf, die an dieser Stelle nicht vertieft, aber zumindest angesprochen werden sollen. Schon in der Gesetzesbegründung wird darauf verwiesen, dass sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmt, welche Anforderungen sich im Einzelnen für Art und Umfang der vom Versicherungsmakler vorzunehmenden Marktuntersuchung ergeben. Konkret stellen sich für den Versicherungsmakler verschiedene Fragen: Welche Versicherer bilden den Markt? Zählen dazu auch Internetversicherer oder Direktversicherer? Zählen dazu auch Versicherer, die mit Maklern nicht zusammenarbeiten, weil sie eine spezielle Vertriebsstruktur haben? Zählen dazu auch Versicherer, die zwar generell mit Maklern, nicht aber mit dem gegenüber dem Kunden verpflichteten Makler zusammenarbeiten wollen? Quantitativ: Wie viele Versicherer gelten in welchen Sparten als hinreichend? Dies ist relativ einfach zu bestimmen bei Exotensparten, die kaum ein Versicherer anbietet. Wer im großindustriellen Bereich Versicherungsschutz verkauft oder in Sparten und Produktbereichen wie der Kreditversicherung, speziellen Formen der Transportversicherung, Hakenlastversicherung, speziellen Formen der Betriebshaftpflicht, Vermögensschadenhaftpflicht, Kunstversicherung, speziellen Risiken wie Diskotheken u. a., wird einen Markt mit einigen wenigen Versicherern vorfinden, die das Produkt überhaupt anbieten. Dann ist die Auswahl einfach. Wie aber sieht es im „normalen“ klein- und mittelständischen Gewerbegeschäft und im „normalen“ Privatkundengeschäft aus, wo teilweise Hunderte von Anbietern in Frage kommen? Qualitativ: Nach welchen Kriterien hat die Marktuntersuchung zu erfolgen? Produktqualitäten, Servicequalitäten, Gesellschaftsqualitäten? Müssen Makler Ratings erstellen oder kaufen? Müssen bisherige Kriterien wie Preis, Bedingungen, Service, Größe, Erfahrung, Schnelligkeit, Kapazität, Know-how etc. berücksichtigt werden? Welche Art oder Technik der Untersuchung ist erforderlich? Muss jeder Makler nun Vergleichsprogramme kaufen? Repräsentieren die Programme den Markt? Oder muss der Makler vor jedem Rat eine Ausschreibung durchführen? Oder reicht ein einmal im Quartal durchgeführter Vergleich von Tarifen in einer Sparte? Positiv gewendet: Wenn der Versicherungsmakler sich eine fachliche Grundlage verschaffen soll, die ihn in die Lage versetzt, eine sachgerechte, den individuellen Bedürfnissen des Kunden entsprechende Empfehlung für einen konkreten Versicherungsvertrag abzugeben, dann bedeutet das auch: Es müssen nicht „alle“ Angebote oder „alle“ Versicherer berücksichtigt werden. Es muss nicht die beste (was ist das überhaupt?) oder die billigste Versicherung sein; sie muss vielmehr „nur“ geeignet sein, die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Das wird in der Regel immer der Fall sein, wenn der Makler einen individuellen Versicherungsschutz zu einem angemessenen Preis vermittelt. Wir hatten eingangs schon darauf hingewiesen, dass es keineswegs die Pflicht des Maklers ist, die „günstigste“ oder „beste“ Versicherung zu suchen, auch wenn interessierte Marktteilnehmer dies immer wieder behaupten. Daran hat sich auch durch die neuen Vorschriften nichts geändert. Es gilt mittlerweile als gesichert, dass der in Großbritannien nur für bestimmte Bereiche (kapitalbildende Versicherungen und Kapitalanlagen) entwickelte Grundsatz „Best Advice“ im deutschen Versicherungsmaklerrecht nicht gilt und dort auch nicht hineingelesen werden kann. Will man den an-
Versicherungsvermittler
73
gelsächsischen Sprachgebrauch bemühen, gilt in Deutschland nicht „Best Advice“, sondern „Suitable Advice“, also eine passende, angemessene Beratung! Gelingt es dem Versicherungsmakler, die Kundeninteressen zu befriedigen, stellen sich die Fragen nach der Art und Weise der Marktuntersuchung nicht mehr. Hauptanliegen des Maklers muss es also sein, dem Kunden einen passenden Versicherungsschutz zu verschaffen! Dies ist übrigens schon heute die zentrale Pflicht der Versicherungsmakler.20 Die oben aufgeworfenen Fragen werden letztlich in Gerichtsentscheidungen beantwortet werden. Es sollen dennoch einfache Handlungsempfehlungen vorschlagen werden:
Praxistipp: „Objektive, ausgewogene Marktuntersuchung“ Markt Makler könnten die Auffassung vertreten, dass Direktversicherer, Internetversicherer und Versicherer, die nicht mit Maklern zusammenarbeiten, von vornherein gar nicht zum „Maklermarkt“ gehören. Dann muss der Makler sie bei seiner Marktuntersuchung nicht berücksichtigen. Es ist aber empfehlenswert, damit offensiv und transparent umzugehen, indem mit dem Kunden im Maklervertrag vereinbart wird, dass diese Versicherer unberücksichtigt bleiben, ggf. auch Versicherer, die nicht der deutschen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegen. Alle anderen Versicherer muss der Makler im Zweifel grundsätzlich berücksichtigen, auch wenn er mit ihnen keine Courtagezusage unterhält. Das Problem des mangelnden Zugangs zu einigen Versicherern (Stichwort A-, B-, C-Makler) kann nur von den Maklern selbst (Etablierung geeigneter Verbundsysteme, nicht Pools!) gelöst werden. Quantitative Marktuntersuchung In Marktsegmenten, in denen nur wenige Versicherer aktiv sind (Bsp.: Kredit, Heilwesen, Vermögensschaden) sollten bei der Marktuntersuchung im Zweifel alle aktiven Versicherer berücksichtigt werden, soweit sie zum Maklermarkt zählen. In den übrigen Segmenten sollten von den bundesweit tätigen Versicherern möglichst viele, von den regional tätigen möglichst alle berücksichtigt werden. Es kann auch eine geringere Anzahl genügen, wenn der Makler in dem jeweiligen Segment über hinreichendes Erfahrungswissen verfügt und er glaubhaft machen kann, wie er das Erfahrungswissen aktuell hält. Qualitative Marktuntersuchung Dieser Punkt meint, nach welchen objektiven Kriterien die Marktuntersuchung zu erfolgen hat. Die Projektgruppe „Auswahlkriterien für den Rat des Maklers“ des Arbeitskreises EUVermittlerrichtlinie Dokumentation hat drei relevante Gruppen von Auswahlkriterien bestimmt: Gesellschaftsqualität, Produktqualität und Servicequalität, je nach Versicherungsbereich mit unterschiedlicher Gewichtung. Hieraus sind vorläufig insgesamt neun Einzelkriterien entwickelt worden, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Sparte hohe, niedrige oder keine Relevanz für die Auswahlentscheidung entfalten können. Im Rahmen der Darstellung zu der Begründung des Maklerrats gehen wir noch einmal ausführlicher auf die Kriterien ein.21 Im Übrigen verweisen wir wegen der Einzelheiten auf das Internetportal des Arbeitskreises.22 20 21 22
BGH IV a ZR 190/83 „Sachwalter“, vgl. Teil B, Kap. 9.5.1, S. 97. Vgl. unten Kap. 9.4.6. www.vermittlerprotokoll.de.
B
B
74
Vorschriften für alle Versicherungszweige Durchführungstipps Als Untersuchungsverfahren bieten sich kundenbezogene Individualmarktuntersuchungen oder generelle Marktuntersuchungen an. Ist zu erwarten, dass der Versicherer eine individuelle Quotierung für das Risiko vornehmen wird, wie zum Beispiel in der Regel im komplexeren gewerblichen Geschäft, wird der Makler die risikorelevanten Daten den in Frage kommenden Versicherern zur Verfügung stellen und um eine individuelle Quotierung bitten. Die Gesamtergebnisse der Ausschreibung sind zugleich das Ergebnis der Marktuntersuchung. Je weniger zu erwarten ist, dass Versicherer von ihren in Tarifwerken zur Verfügung gestellten Standardquotierungen abweichen werden, desto eher bieten sich vom Einzelfall losgelöste generelle Untersuchungsverfahren an, die nicht für jeden einzelnen Kunden wiederholt werden müssen. Ob diese Untersuchungen mit Tarifvergleichsrechner oder auf andere Art und Weise (etwa durch Sammlung von Vergleichen in Fachmedien oder durch Vergleiche von Verbundsystemen) erfolgen, ist dabei zweitrangig. Wichtig ist, dass Makler für die wesentlichen Geschäftsvorfälle ihres eigenen Büros entsprechende Verfahren festlegen, regelmäßig überprüfen und optimieren.
Hinweis Viele Makler verlassen sich bei ihrer Versicherer- und Produktauswahl auf Maklerpools, Servicegesellschaften oder auch auf Softwareanbieter, zum Beispiel im Bereich der Vergleichsprogramme. Bedacht werden sollte, dass damit allein häufig nicht die Pflicht zur objektiven Marktuntersuchung erfüllt wird! Denn Pools und Servicegesellschaften haben häufig schon allein aus wirtschaftlichen Gründen nur ein begrenztes Angebot. Und den Herstellern von Vergleichssoftware können Fehler unterlaufen. Der Makler muss also ergänzend eigene Informationen einholen und im Zweifel belegen können, dass er eine eigene Marktuntersuchung durchgeführt hat. Die Verpflichtung zur objektiven, ausgewogenen Marktuntersuchung gilt auch für Vermittler, die den Anschein erwecken, sie seien Makler.23
Beispiel Ein Ausschließlichkeitsvertreter möchte seinen Status verschleiern und behauptet dem Kunden gegenüber, er könne aus der ganzen Fülle des Marktes schöpfen und unterschiedlichste Angebote machen. Auch in seiner Visitenkarte gibt er keinen Hinweis darauf, dass er einem bestimmten Versicherer gegenüber verpflichtet ist. Der Kunde konnte auch aus dem Gesprächsverlauf keine Rückschlüsse ziehen, dass der Vertreter „zu dick aufgetragen“ hat.
Versicherungsvertreter werden in solchen Fällen – auch haftungsrechtlich (!) – wie Versicherungsmakler behandelt.
9.2.2
Beratungsgrundlage des Versicherungsvertreters Versicherungsvertreter können ihrem Rat aufgrund der Beauftragung durch Versicherungsvertreter oder Versicherungsunternehmen naturgemäß nur Versicherungsverträge von Versiche-
23
Siehe dazu bereits oben S. 72.
Versicherungsvermittler
75
rern zugrunde legen, für die sie tätig sind. Die Beratungsgrundlage hängt also davon ab, ob sie nur für einen einzigen Versicherer ausschließlich oder für mehrerer Versicherer tätig sind. Die (theoretische) Beratungsgrundlage des Mehrfachvertreters ist also grundsätzlich umso größer, je mehr Versicherungsunternehmen er vertritt. Er ist aber nicht verpflichtet, die Breite seiner Marktgrundlage ständig zu nutzen.
9.3
Mitteilungspflicht zur Beratungsgrundlage Der Versicherungsnehmer soll künftig in die Lage versetzt werden, sich ein Urteil über die fachliche Kompetenz und Interessengebundenheit des Vermittlers zu bilden, das Vertragsangebot zu beurteilen und seine Entscheidung in Kenntnis der wesentlichen Umstände zu treffen, bevor er selbst seine auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung (in der Regel Antrag oder Deckungsaufgabe) abgibt. Dazu zählt zum einen die Information, ob der Vermittler an einen oder mehrere Versicherer gebunden ist, und zum anderen, ob die getroffene Auswahl der Versicherer und Produkte grundsätzlich den Markt abdeckt oder nur eine beschränkte Auswahl desselben darstellt. Während die Verpflichtung des Maklers zur Berücksichtigung einer hinreichenden Anzahl von Versicherungsverträgen und Versicherern als selbstverständlich gilt und er daher den Kunden darüber nicht ausdrücklich aufklären muss, gelten für den Versicherungsvertreter und den Versicherungsmakler, der seine Marktauswahl einschränkt, besondere Pflichten zur Mitteilung der Beratungsgrundlage. Sie „haben dem Versicherungsnehmer mitzuteilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage sie ihre Leistung erbringen, und die Namen der ihrem Rat zu Grunde gelegten Versicherer anzugeben. Außerdem hat der Versicherungsvertreter mitzuteilen, für welche Versicherer er seine Tätigkeit ausübt und ob er für diese ausschließlich tätig wird“.
9.3.1
Inhalt der Mitteilungspflicht zur Beratungsgrundlage Den Versicherungsmakler, der seine Verpflichtung zur objektiven, ausgewogenen Marktuntersuchung im Einzelfall einschränkt, indem er den Versicherungsnehmer ausdrücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hinweist (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.), trifft eine besondere Mitteilungspflicht: Er muss dem Versicherungsnehmer mitteilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage er seine Leistung erbringt und die Namen der seinem Rat zugrunde gelegten Versicherer angeben (§ 42b Abs. 2 Satz 1 VVG).
Wichtig Beschränkt der Versicherungsmakler seine Beratungsgrundlage, dann muss er diese beschränkte Beratungsgrundlage seinem Kunden ausdrücklich mitteilen!
B
B
76
Vorschriften für alle Versicherungszweige Der Versicherungsvertreter muss mitteilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage er seine Leistung erbringt, und die Namen der seinem Rat zugrunde gelegten Versicherer angeben und darüber informieren, für welche Versicherer er seine Tätigkeit ausübt, und darlegen, ob er für diese ausschließlich tätig ist (§ 60 Abs. 2 Satz 1 und 2 VVG n. F.).
Wichtig Versicherungsvertreter müssen dem Kunden immer ihre Beratungsgrundlage mitteilen!
9.3.2
Zeitpunkt der Mitteilungspflicht Die Informationen zur Beratungsgrundlage haben Versicherungsmakler, die den Kunden gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. auf eine eingeschränkte Auswahl hingewiesen haben, und alle Versicherungsvertreter dem Kunden vor Abgabe von dessen Vertragserklärung zu übermitteln (§§ 60 Abs. 2, 62 Abs. 1 VVG n. F.). Mit der Vertragserklärung ist in der Regel der Antrag oder die Deckungsaufgabe gemeint. Sinn dieser Zeitpunktbestimmung ist, dass der Kunde erfährt, auf welcher Grundlage das ihm gemachte Angebot erstellt wurde, bevor er sich endgültig hierfür entscheidet und seine Willenserklärung abgibt. Dahinter steckt die richtige Vermutung, dass die Entscheidung des Kunden auch davon abhängen kann, auf welcher Beratungsgrundlage das Angebot erstellt wurde.
Beispiel Der Kunde wird von einem Mehrfachagenten zum Thema Riester-Rente beraten. Dabei benutzt der Mehrfachagent das besonders übersichtlich gelungene Verkaufsförderungsmaterial von Versicherer A und bietet der Einfachheit halber auch diesen Versicherer anschließend an. Der Kunde entscheidet sich dafür in der Erwartungshaltung, dies sei auch der für seinen Bedarf am besten geeignete Versicherer unter den zehn verschiedenen Lebensversicherern, die der Mehrfachagent nach eigenen Angaben vertritt. Tatsächlich hätte aber das Angebot eines anderen der zehn Versicherer wesentlich besser den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden entsprochen. Hätte er das gewusst, hätte er eine andere Kaufentscheidung getroffen.
9.3.3
Form der Mitteilung Die Information zur Beratungsgrundlage ist in Textform zu übermitteln (§ 62 Abs. 1 VVG n. F.). Die Informationen zur Beratungsgrundlage dürfen davon abweichend auch mündlich gegeben werden, wenn der Kunde dies wünscht oder wenn und soweit der Versicherer eine vorläufige Deckung gewährt (§ 62 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.). Allerdings müssen die Informationen dann „unverzüglich nach Vertragsschluss, spätestens mit dem Versicherungsschein“ dem Kunden in Textform nachgereicht werden. Dies gilt nicht für Verträge über vorläufige Deckung bei Pflichtversicherungen (§ 62 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.).
Versicherungsvermittler
77
Beispiel Ein Kunde wünscht eine Ausstellungsversicherung für eine am selben Tag beginnende Kunstausstellung. Es soll vorläufige Deckung ab sofort gewährt werden. Der Versicherungsvermittler teilt dem Kunden mündlich die Markt- und Informationsgrundlage sowie die Namen der Versicherer mit, die er bei der Auswahl der Ausstellungsversicherung zugrunde gelegt hat. Nach endgültiger Annahme der Versicherung und Erstellung der Police übermittelt er dem Kunden diese Mitteilungen in Textform zusammen mit der Police.
Von der Pflicht zur Nachholung der Mitteilung zur Beratungsgrundlage wiederum ausgenommen sind Pflichtversicherungen.
Beispiel Ein Kunde beantragt bei einem Mehrfachvertreter eine Kfz-Haftpflichtversicherung, erhält eine Versicherungsbestätigung und damit vorläufigen Deckungsschutz. Auf welcher Grundlage der Mehrfachvertreter den Versicherer und das Produkt ausgewählt hat, teilt er mündlich mit. Da es sich bei der Kfz-Haftpflichtversicherung um eine Pflichtversicherung handelt, muss er diese Information nicht noch einmal nachträglich mitteilen.
9.3.4
Verzicht Der Kunde kann auf die Mitteilung zur Beratungsgrundlage nach § 60 Abs. 3 VVG n. F. verzichten. Dies muss er durch eine gesonderte schriftliche Erklärung vollziehen, die Textform reicht für einen Verzicht nicht aus.
Wichtig Die gesonderte schriftliche Erklärung muss eigenständig neben anderen Dokumenten stehen, das heißt, sie darf auf keinen Fall in den Antrag integriert, in Verbraucherinformationen versteckt oder sonst mit einer anderen Information vermischt werden, schriftlich sein, das heißt auf einem papiergebundenen Dokument. Damit verbieten sich Erklärungen per E-Mail, per Text- oder Bilddatei, per SMS oder sonst einem nicht papiergebundenen Weg.
Hinweis Eine Verzichtserklärung integriert in ein Antragsformular oder in Verbraucherinformationen ist damit unwirksam. Es muss sich um eine eigenständige Urkunde handeln, die vom Kunden eigenhändig zu unterschreiben ist. Laut Begründung ist die Formvorschrift auch als Warnhinweis für den Kunden zu verstehen, um ihm seinen Verzicht bewusst vor Augen zu führen.
B
B
78
Vorschriften für alle Versicherungszweige
9.3.5
Praktische Umsetzung Für die praktische Umsetzung gibt es verschiedene Wege, hier einige Beispiele: Maklervertrag24 (gilt nur für Versicherungsmakler) Es ist bereits dargestellt worden, dass ein Versicherungsmakler seine Beratungsgrundlage grundsätzlich nicht mitteilen muss. Sollte er aber „in einzelnen Fällen“ von seiner Beratungsgrundlage abweichen und diese beschränken, ist der Maklervertrag ein möglicher Weg. Darin wird vereinbart, welche Pflichten der Makler bereit ist zu übernehmen. So besteht Klarheit gerade über die Beratungsgrundlage, zudem hat der Kunde dem ausdrücklich durch seine Unterschrift zugestimmt. Der Arbeitskreis „EU-Vermittlerrichtlinie – Dokumentation“ hat dazu zwei Vorschläge entwickelt, zum einen den umfassenden Maklervertrag, der alle Versicherungsverträge eines Kunden einbezieht, sowie den Maklereinzelauftrag, der nur eine bestimmte Versicherung betrifft, die vom Makler vermittelt werden soll. Informationsblatt Ein weiterer praktikabler Weg ist, ein Informationsblatt für den Kunden zu erstellen, sofern die Beratungsgrundlage in der Regel die gleiche ist, also nicht von Beratungsfall zu Beratungsfall variiert. Das Informationsblatt hat den Vorteil, dass weitere Erläuterungen notwendig sind, die dem Kunden einen zusätzlichen Nutzen bringen. Deckblatt zu Angeboten Ein weiterer praktikabler Weg ist, die Mitteilung zur Beratungsgrundlage in ein Deckblatt zu den schriftlichen Versicherungsangeboten zu integrieren. Das hat den Vorteil, dass der unmittelbare Bezug der Beratungsgrundlage zu den gemachten Angeboten besonders deutlich wird und die Mitteilung weniger leicht verloren geht.
Praxistipp Bei Mehrfachvertretern kann die Zahl der vertretenen Versicherer so groß sein, dass eine übersichtliche Darstellung wie im oben erwähnten Informationsblatt nicht mehr möglich ist. Außerdem ist es für einen Kunden nicht unbedingt hilfreich, wenn er z. B. eine Berufsunfähigkeitsversicherung nachfragt, zu erfahren, welche Sach-, Rechtsschutz-, Kranken-, Kredit- oder sonstigen Versicherer der Mehrfachvertreter noch vertritt. Um dennoch dem Gesetz zu genügen, kann es ein praktikabler Weg sein, die vollständige Liste aller vertretenen Versicherer auf der Rückseite des Deckblatts abzudrucken. Wichtig: Auch der Mehrfachvertreter kann durch die Angabe der Namen der seinem Rat zugrunde gelegten Versicherer seine durch die Liste der vertretenen Versicherer indizierte Beratungsgrundlage verkürzen. Dies muss so transparent sein, dass es den Anforderungen der „Perspektive des verständigen Verbrauchers“ standhält! Mitteilung in der Beratungsdokumentation Denkbar ist es auch, die Mitteilung zur Beratungsgrundlage in die Beratungsdokumentation aufzunehmen. Das setzt voraus, dass die Beratungsdokumentation dem Kunden insgesamt vor Abgabe seiner Vertragserklärung (Antrag) ausgehändigt wird.
24
Diese Lösung kommt nur in Betracht, wenn Kunde und Makler sich schon in diesem frühen Stadium darüber einig sind, einen Maklervertrag zu schließen. In der Praxis kommt es häufig erst in einem späteren Stadium, meist erst nach der eigentlichen versicherungsvertragsspezifischen Beratung, zum Maklerauftrag.
Versicherungsvermittler
79
Praxistipp Sofern die Beratungsdokumentation erst später ausgehändigt werden soll, muss die Mitteilung zur Beratungsgrundlage unabhängig davon vor Antragstellung in einer der anderen erwähnten Formen erbracht werden. Dennoch kann sie allein schon zur Nachweissicherung ihres Zugangs zusätzlich in die Beratungsdokumentation aufgenommen werden.
Wichtig Die Mitteilung der Beratungsgrundlage über die Beratungsdokumentation ersetzt jedoch nicht die vom Gesetz geforderte Mitteilung vor Antragstellung. Wenn der Kunde damit einverstanden ist, kann aber von der mündlichen Mitteilung Gebrauch gemacht und die Nachholung per Beratungsprotokoll vorgenommen werden. Wichtig ist dann allerdings, dass das Beratungsprotokoll nicht erst zum letztmöglichen Zeitpunkt an den Kunden übermittelt wird, sondern möglichst frühzeitig, am besten noch im Beratungsgespräch oder unmittelbar danach.
9.4
Vertragsspezifische Beratungs- und Dokumentationspflichten Die Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers für das eigentliche versicherungsfachliche Beratungs- und Vermittlungsgespräch sind in § 61 VVG n. F. geregelt. Um eine sach- und bedarfsgerechte Beratungs- und Vermittlungspraxis im Interesse der Kunden zu erreichen, werden alle Versicherungsvermittler verpflichtet, den Versicherungsnehmer – soweit aufgrund der konkreten Umstände für den Versicherungsvermittler ein erkennbarer Anlass dazu besteht – nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, ihn zu beraten und die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben sowie dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren (§ 61 Abs. 1 VVG n. F.).
Hinweis Durch das Gesetz entstehen so eigenständige Vermittlerpflichten. Dies ist für Versicherungsvertreter neu! Wenn sie von einem Versicherer z. B. mit der Vermittlung von Unfallversicherungen beauftragt sind und sich insoweit gegenüber dem Kunden als Erfüllungsgehilfen des Versicherers zu erkennen geben, sind sie dennoch von Gesetzes wegen verpflichtet, den Kunden nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen.
9.4.1
Wünsche und Bedürfnisse des Kunden Bei der Erfassung der Wünsche und Bedürfnisse des Kunden geht es für den Versicherungsvermittler darum, die meist laienhafte Vorstellungs(wunsch)welt des Kunden zu einer am tatsächlichen Bedarf ausgerichteten und möglichen Versicherungsschutzlösung in Beziehung zu setzen. Die Wünsche des Kunden sind dabei seine subjektiven Vorstellungen, die er in das Beratungsgespräch mitbringt. Sie können je nach Vorkenntnissen und intellektueller Struktur des Kunden laienhaft und sehr allgemein gehalten sein und sich erst wenig oder noch gar nicht auf
B
B
80
Vorschriften für alle Versicherungszweige den Abschluss eines bestimmten Versicherungsvertrags konkretisiert haben. Es ist natürlich denkbar, dass seine Vorstellungen bereits auf einen konkreten Versicherungsvertrag gerichtet sind. Das bedeutet aber nicht zugleich, dass der ins Auge gefasste Versicherungsvertrag überhaupt zur Erfüllung seiner eigentlichen Wünsche geeignet ist. Dies muss der Vermittler herausfinden. Gemeint sind im Übrigen immer nur die konkreten Wünsche des Kunden, die den Anlass für das Beratungsgespräch gegeben haben. Nicht gemeint sind dagegen Wünsche und Ziele des Kunden, die er in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erfüllen bzw. erreichen will. Derartige Fragestellungen bilden neben umfänglichen anderen Daten häufig die Grundlage von seriöser oder vorgeschobener ganzheitlicher Finanzplanung. Im Normalfall wird der Kunde im Gespräch mit Versicherungsvermittlern seine Lebensplanung nur versicherungsschutzbezogen besprechen. Die Befragung des Kunden nach seinen Wünschen ist also die erste Aufgabe des Vermittlers. Sie bietet ihm die Möglichkeit, den Beratungsanlass zu klären und bildet so den Einstieg in den Beratungsprozess. Ein Bedürfnis ist das Verlangen oder der Wunsch, einem empfundenen und/oder tatsächlichen Mangel Abhilfe zu schaffen. Die natürlichen Grenzen der Bedürfnisbefriedigung sind die am Markt erhältlichen Lösungen sowie die Kaufkraft des Kunden. Die Schnittmenge von Bedürfnissen, Marktangeboten und Kaufkraft des Kunden bildet den Bedarf. Es kommt also darauf an, im Gespräch mit dem Kunden den durch Versicherungsschutzlösungen abdeckbaren Bedarf des Kunden zu ermitteln. Gerade in Versicherungsangelegenheiten haben viele Menschen überhaupt kein Mangelbewusstsein. Es kann daher vorkommen, dass Kunden weder Wünsche noch Bedürfnisse äußern, obwohl sich in ihren Lebensumständen Risiken verbergen, die nach allgemeiner Überzeugung existenziell bedrohlich sind. Dann kommt es weiter darauf an, dem Kunden die Risikobedrohung zu erklären. Der aus den Bedürfnissen des Kunden abgeleitete Bedarf erfordert daher einer objektivierenden Komponente. Im Ergebnis ist der Versicherungsvermittler also gefordert, die vom Kunden laienhaft geäußerten Wünsche und Bedürfnisse in eine dem tatsächlichen objektiven Bedarf des Kunden entsprechende Versicherungsschutzlösung zu überführen. Häufig ist es dazu zunächst notwendig, ganze Bedarfsfelder mit dem Kunden zu besprechen, wenn der Kundenwunsch verschiedene Versicherungsschutzlösungen indiziert. Letztlich kommt es also darauf an, dass es dem Vermittler gelingt, im Gespräch den noch so laienhaft geäußerten Wunsch des Kunden mit einem Versicherungsvertrag in Beziehung zu setzen, der geeignet ist, den tatsächlichen Bedarf nach Risikovorsorge zu decken. Gegebenenfalls muss der Vermittler gedanklich immer wieder Äußerungen des Kunden und mögliche und geeignete Bedarfsdeckungen abgleichen.
9.4.2
Die anlassbezogene Fragepflicht Art, Umfang und Intensität der Befragungspflicht bestimmen sich nach dem vom Kunden gesetzten Anlass. Der Vermittler soll den Versicherungsnehmer nur insoweit nach seinen Wünschen und Bedürfnissen befragen, „soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht“ (§ 61 Abs. 1 Satz. 1 VVG n. F.).
Versicherungsvermittler
81
Maßgeblich für die Beurteilung, ob und ggf. in welchem Umfang Anlass für eine Befragung besteht, sind zum einen die Komplexität des Produkts, zum anderen die Person und die Situation des Versicherungsnehmers (Risikoumfeld). Der Vermittler soll in die Lage versetzt werden, sich die für eine bedarfsgerechte Beratung notwendigen Auskünfte zu verschaffen. Insbesondere wenn der Kunde keine hinreichenden Angaben zu seinen Wünschen und seinem Bedarf macht, ist der Versicherungsvermittler gefordert, nachzufragen. Zusammengefasst müssen immer Fragen gestellt werden, wenn ein Anlass dazu erkennbar ist! Die Fragepflicht soll aber nicht als Ausforschungspflicht missverstanden werden. Es liegt auf der Hand, dass mit dem durch Fragen gesteuerten Verlauf des Beratungsgesprächs auch der Inhalt der Beratungsdokumentation vorgezeichnet wird, sodass also die Fragestellung wesentlichen Einfluss auf die Beratungsdokumentation des Vermittlers hat. Der Sinn hinter den anlassabhängig gestellten Fragen kann nur sein, Informationen zu erhalten, auf deren Basis später ein Rat abgegeben wird. Die „Brücke“ zwischen gestellten Fragen und abgegebenem Rat bildet im Gesetz die Beratung – § 61 Abs. VVG n. F. nennt diese drei Pflichten in ihrer sachlogischen Abfolge.
9.4.3
Die anlassbezogene Beratungspflicht Gem. § 61 Abs. 1 Satz. 1 VVG n. F. muss der Vermittler den Versicherungsnehmer nicht nur nach seinen Wünschen und Bedürfnissen befragen, sondern ihn auch beraten. Auch Inhalt und Umfang der Beratungspflicht richten sich nach dem vom Kunden gesetzten Anlass. Maßgeblich für die Beurteilung, ob und ggf. in welchem Umfang Anlass für eine Beratung besteht, sind also wiederum die Komplexität des Produkts sowie die Person und die Situation des Versicherungsnehmers (Risikoumfeld). Im Unterschied zur Befragungspflicht kann bei der Bestimmung von Art und Umfang der Beratungspflicht ein weiteres Merkmal berücksichtigt werden. Es soll „ein angemessenes Verhältnis zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämie“ gewahrt werden. Dahinter steht die Überlegung, dass eine geringe Prämienhöhe in der Regel ein wenig komplexes Standardprodukt indiziert, das keine langwierige Beratung erfordert. Der Gesetzgeber will zum Ausdruck bringen, dass vom Vermittler nicht unbillig erwartet wird, dass er gegen alle kaufmännischen Restriktionen verstoßen und übertriebene Beratungsleistungen erbringen soll, auch wenn keine Aussicht auf angemessene Vergütung besteht. Die übrigen Kriterien Komplexität und Risikoumfeld werden durch das Kriterium der Angemessenheit aber nicht eingeschränkt. Das bedeutet wiederum, dass auch bei Versicherungen mit niedrigen Prämien z. B. wegen der Komplexität des Produkts ein erhöhter Beratungsaufwand erforderlich sein kann. Dem Kriterium des „angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und Prämienhöhe“ begegnen in der Praxis durchgreifende Bedenken. Faktisch wird es kaum Produkte geben, die wirklich als „einfach“ einzustufen sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Versicherungsnehmer über wenig Erfahrung im Umgang mit Versicherungen verfügt und ihm der Umgang aufgrund seiner Situation auch nicht leicht fällt. Und eine falsche Einschätzung geht im Zweifel zulasten des Vermittlers.
B
B
82
Vorschriften für alle Versicherungszweige
Hinweis Der Vermittler sollte sich bei seinem Beratungsaufwand nicht darauf verlassen, die beschriebene Einschränkung anwenden zu können. Es kann ihm später vorgeworfen werden, trotz geringer Prämienhöhe zu wenig Beratung geleistet zu haben. Zusammengefasst muss der Vermittler also immer fragen und beraten, wenn ein Anlass dazu erkennbar ist! Mit der gesetzlichen Verpflichtung einer anlassbezogenen Befragung und Beratung geht die deutsche Umsetzung im Übrigen über den Wortlaut der Richtlinie hinaus, nach der der Vermittler lediglich die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden „anzugeben“ hat. Danach müsste der Vermittler die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden nur dokumentieren, soweit sie ihm vom Kunden oder auf andere Weise bekannt werden. Der deutsche Gesetzgeber nimmt aber die Umsetzung der Vermittlerrichtlinie zum Anlass, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur anlassbezogenen Befragungs- und Beratungspflicht zu kodifizieren. Streng genommen bildet damit die anlassbezogene Befragungsund Beratungspflicht kein rechtliches Novum, sondern nur die gesetzliche Festschreibung einer bisher schon wiederholt von der Rechtsprechung angenommenen Verpflichtung.
9.4.4
Notwendige Risikoanalyse Im Versicherungsvertragsgesetz wird der Vermittler „nur“ zur Erfassung von Wünschen und Bedürfnissen des Kunden verpflichtet. Dazu gehört es, anlassbezogen den Versicherungsbedarf des Kunden festzustellen. Dies ist nur durch eine situationsspezifische, systematische Risikoerfassung möglich. Es stellt sich somit die Frage, wie die systematische Erfassung des jeweils notwendigen Versicherungsbedarfs organisiert werden kann. Im Zuge der anlassbezogenen Befragung und Beratung kommt es darauf an, den vom Kunden laienhaft geäußerten Wunsch in eine geeignete Versicherungsschutzlösung zu überführen. Die Bedarfsermittlung muss daher so ausgerichtet und organisiert sein, dass dadurch Beziehungen zu am Markt verfügbaren Versicherungsschutzlösungen hergestellt werden. Nur so ist es möglich, Bedarf und Versicherungsvertrag zu harmonisieren. Die Befragung durch den Vermittler muss also systematisch auf den Abschluss von Versicherungsverträgen gerichtet sein. Soweit der Kundenwunsch Bedarfssituationen erkennen lässt, die gleich mehrere und nicht miteinander konkurrierende Versicherungsschutzlösungen berühren, müssen die betroffenen Bedarfsfelder so in Einzelbedarfe aufgeteilt werden, dass sie mit Versicherungsverträgen gedeckt werden können. Es bietet sich also an, Risikofragebögen zu entwickeln, die diesen Anforderungen genügen. Der Arbeitskreis „EU-Vermittlerrichtlinie – Dokumentation“25 hat sich damit beschäftigt und stellt bereits erste Fragebögen zur systematischen Erfassung von Versicherungsbedarf zur Verfügung. Versicherungsmakler müssen wegen ihrer Verpflichtung zur ausgewogenen, objektiven Marktuntersuchung generell ihre Risikoanalyse unternehmensneutral durchführen. Der notwendige Umfang der Risikoanalyse korrespondiert mit der jeweiligen Beratungsgrundlage.
25
Der Arbeitskreis wurde von den Berufsverbänden/Servicegesellschaften BVK, CHARTA Börse für Versicherungen AG, germanBroker.net, Institut der Versicherungsmakler, Verband der Fairsicherungsmakler und VVV gegründet. Unterstützt wird der Arbeitskreis von diversen Versicherungsunternehmen.
Versicherungsvermittler
83
Hinweis Versicherungsmakler sind auch nach der Rechtsprechung des BGH verpflichtet, einen „individuellen und passenden Versicherungsschutz zu besorgen“ (BGH IV a ZR 190/83; Sachwalter). Sie müssen deshalb bei der Identifizierung und Bewertung von Kundenrisiken berücksichtigen, ob und ggf. welche Deckungsmöglichkeiten der Markt für diese Risiken bereithält. Für die Risikoanalyse reicht daher ein Fragebogen nicht aus, der etwa im Bereich der Privathaftpflichtversicherung nicht nach einem Risikomerkmal fragt, das zwar nicht der für die Vermittlung vorgesehene, wohl aber andere Versicherer am Markt versichern würden. Die Bögen des Arbeitskreises sind auf die Bedürfnisse von Versicherungsmaklern zugeschnitten und berücksichtigen daher Versicherungsschutzlösungen aus der Breite des Marktes. In einem Markt, in dem mittlerweile jeder Versicherer versucht, sich der Vergleichbarkeit zu entziehen, ist die Entwicklung von unternehmensneutralen Risikoanalysebögen schwierig. Deshalb hat der Arbeitskreis in einzelnen Breitensparten sogenannte Mindeststandards definiert. Darunter ist die bedingungsgemäße Beschreibung eines Versicherungsschutzes zu verstehen, der bestimmte Mindestinhalte voraussetzt. Die für einzelne Sparten beschriebenen Mindestinhalte bilden die Grundlage für die Fragen im Risikoanalysebogen. Die Inhalte der Mindeststandards werden als gegeben vorausgesetzt, sodass sich eine differenzierte Befragung in ihrem Bereich erübrigt. Der notwendige Umfang der Risikoanalysebögen konnte so im Rahmen gehalten werden. Der Arbeitskreis geht davon aus, dass sich die Bögen im Alltag der Makler zum Standard entwickeln. Dies setzt voraus, dass sie durch praktischen Einsatz weiter optimiert und vom Arbeitskreis weiter gepflegt werden. Ihr Einsatz bietet Maklern zwei entscheidende Vorteile: Die systematische Erfassung der Kundenrisiken bildet zum einen einen zentralen Beitrag zur Haftungsminimierung. Zum anderen werden relevante Risiken nicht vergessen. Wir hatten bereits oben darauf hingewiesen, dass der notwendige Beratungsumfang des Versicherungsvermittlers von der Komplexität abhängt. Die Komplexität hat zwei Seiten, eine produktorientierte und eine kundenorientierte. Je weniger Vorkenntnisse der Kunde hat, desto höher kann der Komplexitätsgrad sein und desto intensiver muss die Beratung erfolgen. Da die Risikoanalysebögen des Arbeitskreises nicht zwischen dem informierten und dem weniger informierten Kunden unterscheiden, ist in der Risikoanalyse das Merkmal der Komplexität automatisch berücksichtigt. Für Versicherungsvertreter sind die Bögen nur bedingt geeignet. Sie haben ja aufgrund des Zusammenhangs zwischen Beratungsgrundlage und Ausrichtung der Risikoanalyse die Möglichkeit, ihre Risikoanalyse im Hinblick auf Deckungsmöglichkeiten der von ihnen vertretenen Versicherungsunternehmen zu beschränken. Der Umfang der Risikoanalyse wird dabei in der Praxis unterschiedlich ausfallen. Während der Ausschließlichkeitsvertreter lediglich prüft, ob im Angebot seines Versicherers ein oder mehrere zu den Wünschen und dem Bedarf des Kunden passende Verträge und Tarife vorhanden sind, muss der Mehrfachvertreter unter Umständen – in Abhängigkeit von seiner gegenüber dem Kunden kommunizierten Beratungsgrundlage – bereits mehrere Versicherer mit ihren Leistungen vergleichen.
B
B
84
Vorschriften für alle Versicherungszweige Die Risikoanalysebögen können als Anlage zur Beratungsdokumentation verwendet werden, die dadurch entlastet wird. Der Kunde kann dann genau nachlesen, welche Angaben er gemacht hat und warum es daraufhin zu einem bestimmten Versicherungsvorschlag gekommen ist. Auf der Basis der Risikoanalyse wird der Vermittler im Zuge der anlassbezogenen Beratung gemeinsam mit dem Kunden die vorgefundenen Risiken bewerten (eigentliche Risikoanalyse) und die Deckungsvarianten verschiedener in Betracht kommender Versicherungsarten erörtern.
Beispiel Ein Versicherungsvertreter ist ausschließlich für die Proximus-Versicherungen tätig. Sein Kunde äußert den Wunsch, seinen Hausrat zu versichern. Als Bedarf stellt der Vertreter den Versicherungswert von 50.000 Euro sowie die Risikoverhältnisse fest. Der Versicherungsvertreter stellt fest, dass der Kunde ein objektives Vermögensrisiko von 50.000 Euro hat, das durch eine Hausratversicherung abdeckbar ist.
Der vorstehende Beispielfall ist relativ einfach, weil der Wunsch des Kunden eindeutig ist und mit der objektiven Bedarfslage übereinstimmt, sodass die in Frage kommende Versicherungsart leicht zu benennen ist. Etwas schwieriger wird es im nachfolgenden Fall:
Beispiel Derselbe Versicherungsvertreter ist beim selben Kunden zu Gast und bemerkt einen Hund. Er fragt, ob dieser haftpflichtversichert sei, worauf ihm der Kunde antwortet, dass er keinerlei Haftpflichtversicherung besitze. Der Vertreter erkennt jetzt als Bedarfslage neben dem Vermögensrisiko des Hausrats auch dasjenige von Schadenersatzansprüchen, und zwar nicht nur aus der Hundehaltung, sondern generell aus privaten Risiken. Er nimmt eine Risikobewertung nach denkbarer Schadenhöhe vor und klärt den Kunden auf, dass ein Haftpflichtrisiko grundsätzlich unbegrenzt ist. Demgegenüber ordnet er dem auf 50.000 Euro begrenzten Vermögensrisiko des Hausrats eine nachgelagerte Priorität zu. Als in Frage kommende Versicherungsarten benennt er die Privathaftpflicht-, die Hundehalterhaftpflicht- sowie die Hausratversicherung.
Im Fall des Versicherungsvertreters mit seiner beschränkten Beratungsgrundlage ist die Sachlage immer noch eindeutig. Schwieriger kann es für einen Versicherungsmakler mit grundsätzlich nicht beschränkter Beratungsgrundlage werden:
Beispiel Ein Versicherungsmakler berät einen Privatkunden, der eine Absicherung des Risikos des Einkommensverlusts wünscht. Die Bereitschaft des Kunden, hierfür Geld auszugeben, ist allerdings auf einen bestimmten Betrag begrenzt. Aus den Fragen zur Person kann der Versicherungsmakler zudem erkennen, dass die Gesundheitssituation des Kunden in bestimmten Versicherungsbereichen Schwierigkeiten mit den Zeichnungsrichtlinien bestimmter Versicherer erwarten lässt. Er erläutert dem Kunden die verschiedenen Möglichkeiten von Berufsunfähigkeits-, Erwerbsunfähigkeits-, Grundfähigkeits-, Pflegeergänzungs- oder Unfallversicherung und priorisiert diese gemeinsam mit dem Kunden nach Umfang der Leistung bei schweren Erkrankungen und mutmaßlichem Kostenaufwand. Anschließend analysiert der Versicherungsmakler mithilfe von Produktvergleichsprogrammen und Anfragen bei Versicherern hinsichtlich deren Zeichnungsrichtlinien und stellt fest, welche Versicherer zu welchen Prämien überhaupt
Versicherungsvermittler
85
für die vorrangig priorisierten Lösungen in Frage kommen und benennt dem Kunden daraufhin die Erwerbsunfähigkeits- und die Grundfähigkeitsversicherung als für ihn vorrangig in Frage kommende Versicherungsarten, als nachrangig in Frage kommende Versicherungsarten die Pflegeergänzungs- und eine kleine Unfallversicherung. Die Berufsunfähigkeitsversicherung scheidet wegen der Vorerkrankungen und daraus folgend nicht akzeptabler Leistungsausschlüsse aus.
Wichtig Bei Weitem nicht in jeder Beratungssituation wird die empfohlene Versicherung vollkommen den Wünschen des Kunden entsprechen. Versicherungsvertreter werden schon unter verkäuferischen Aspekten dem Kunden auch zu Versicherungsverträgen raten, für die ein objektiver Bedarf besteht, die aber zunächst nicht dem Wunsch des Kunden entsprachen.
Beispiel Der Versicherungsvertreter stellt im Verkaufsgespräch fest, dass der Kunde keine Privathaftpflichtversicherung besitzt. Der Kunde wollte eigentlich nur seinen Hausrat versichern. Der Versicherungsvertreter überzeugt ihn, dass das Risiko eines Haftpflichtschadens noch bedeutender ist und deshalb der Abschluss einer Privathaftpflichtversicherung dringend anzuraten ist.
Wichtig Versicherungsmakler müssen sogar auf den Kunden einwirken, wenn er objektiv einen Bedarf hat, dessen Absicherung aber zumindest zunächst nicht seinem Wunsch entspricht. Hier ist der Makler als Sachwalter gefordert, sich zu bemühen, den Kunden von dem objektiv gebotenen Versicherungsbedarf zu überzeugen (Vermutung der letztlich vernünftigen Entscheidung des Kunden).
Beispiel Ein Versicherungsmakler erkennt im Beratungsgespräch mit seinem Gewerbekunden, dass die Betriebsbeschreibung von dessen Betriebshaftpflichtversicherung unvollständig ist und wichtige Tätigkeiten des Betriebs unversichert sind. Der Betriebsinhaber hat Bedenken gegen eine Ausweitung, weil dies mit einer erheblich höheren Prämie verbunden ist. Der Makler überzeugt den Kunden, dass ein vollständiger Betriebshaftpflichtschutz für das Unternehmen existenziell wichtig ist.
9.4.5
Umfassende Risikoanalysen Die Risikoanalyse muss sich nicht zwangsläufig auf die anlassbezogen notwendige Bedarfsermittlung beschränken. Es kann durchaus geboten sein, weitere Fragen zu stellen und dadurch selbst Anlässe zu setzen, mit dem Kunden über bestimmte Bedarfe und dafür geeignete Versicherungen zu sprechen. Bewährt hat sich dafür im Privatkundenbereich die Versorgungsanalyse, die auch als Versicherungs-TÜV, Haushaltsanalyse oder -check und unter vielen anderen
B
B
86
Vorschriften für alle Versicherungszweige Begriffen bekannt ist. Im gewerblichen Bereich vergleichbar ist ebenfalls ein Komplettcheck möglich, für den der Arbeitskreis „EU-Vermittlerrichtlinie – Dokumentation“ eine Arbeitshilfe „Gewerbematrix“ zur Verfügung gestellt hat. Hier eine beispielhafte Übersicht: Vorhandene Versicherungen (Art, Versicherer, Produktbezeichnung, Leistungen, Beginnund Ablaufdaten, Prämie/Beitrag etc.) Vorhandenes Vermögen und Sachwerte Rentenberechnung/Altersvorsorgeanalyse Übersicht über Versorgungs-/Bedarfslücken Vorschläge für Ο
neu zu ordnende Verträge und Vertragsbestandteile
Ο
überflüssige Verträge und Vertragsbestandteile
Ο
fehlende Verträge und Vertragsbestandteile
Ο
Priorisierung des Abschlusses nach den Wünschen des Kunden und seinen finanziellen Möglichkeiten
Über die konkreten Wünsche des Kunden aus dem aktuellen Beratungsanlass hinaus kann außerdem erfragt werden: Einstellung zur Risikotragung, zum Beispiel das Interesse an der Absicherung existenzzerstörender oder auch existenzgefährdender oder zusätzlich grundsätzlich selbst tragbarer Risiken Grundsätzliche Bereitschaft zur Selbstbeteiligung Einstellung zum Preis-/Leistungsverhältnis, wie bedeutsam für den Kunden der Preis und die Qualität und Quantität der Leistung ist Damit erhält der Vermittler wertvolle Hinweise für seine Versicherungsvorschläge, nach welchen Kriterien er diese aussuchen und welche Argumente er dem Kunden dazu nennen kann.
Wichtig Es ist aber zu beachten, dass nicht jeder Kunde in der Lage sein wird, die abstrakte Frage nach der Bereitschaft zur Risikotragung und zur Preissensibilität eindeutig zu beantworten, und bei einer konkreten Produktauswahl unter Umständen andere Maßstäbe anlegt.
Versicherungsvermittler
87
Beispiel Ein Kunde gibt an, dass ihm ein günstiger Preis seiner Gebäudeversicherung überaus wichtig ist und er durchaus bereit ist, in angemessenem Rahmen Selbstbeteiligungen zu tragen. Daraufhin bietet ihm der Vermittler eine Gebäudeversicherung mit einem „mageren“ Deckungskonzept ohne Mitversicherung der Ableitungsrohre außerhalb des Gebäudes sowie mit einer Selbstbeteiligung im Schadensfall von einem Prozent der Versicherungssumme an. Es kommt zu einem schweren Sturmschaden und später zu einem Rohrbruch des Ableitungsrohres im Garten. Der Sturmschaden wird zwar reguliert, aber nach Abzug von 4.000 Euro Selbstbeteiligung. Der Rohrbruch mit seinen 6.000 Euro Folgekosten wird nicht übernommen. Der Kunde ist höchst verärgert und wirft dem Vermittler vor, dass er ihn nicht angemessen darüber aufgeklärt hat, dass er für nur 40 Euro Mehrprämie im Jahr ohne Selbstbeteiligung und für weitere 60 Euro auch gegen Rohrbruch der Ableitungsrohre versichert gewesen wäre. Er hätte sich selbstverständlich sofort für die um insgesamt 100 Euro höhere Prämie entschieden, wenn ihm das bekannt gewesen wäre.
Das Beispiel zeigt übrigens, wie bedeutsam die Fragestellung und vor allem deren Dokumentation sind. Wenn der Vermittler in diesem Fall die zuvor gestellten Fragen und die Antworten des Kunden darauf dokumentiert hat, kann er zumindest nachweisen, grundsätzlich seinen Vermittlerpflichten Genüge getan zu haben. Deutlich besser wäre allerdings gewesen, wenn der Vermittler dem Kunden alternative Angebote gemacht hätte, bei denen sich der Kunde in Kenntnis der Preisunterschiede bewusst für die „magere“ Variante mit Selbstbeteiligung hätte entscheiden können und dies auch so dokumentiert worden wäre.
9.4.6
Rat und Begründung Gem. § 60 Abs. 1 Satz VVG n. F. sind alle Versicherungsvermittler verpflichtet, die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Die Begründungspflicht bezieht sich damit auf den im Ergebnis der anlassbezogen erfolgten Beratung erteilten finalen Rat auf Abschluss eines konkreten Versicherungsvertrags. Auf Basis der Wünsche und Bedürfnisse des Kunden, der Risikobewertung und der Nennung der in Frage kommenden Versicherungsarten gibt der Versicherungsvermittler einen konkreten Rat ab und begründet diesen.
Beispiel Der Versicherungsvertreter empfiehlt den Abschluss einer Hausratversicherung bei der von ihm vertretenen Versicherungsgesellschaft, weil die Hausratversicherung das festgestellte Vermögensrisiko des Hausrats abdeckt und diese Absicherung auch den Wünschen des Kunden entspricht.
Zum Umfang der Begründung des abgegebenen Rats gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Nach dem Sinn der Beratungs- und Dokumentationspflichten soll der Kunde eine Information erhalten, auf Grund derer er später nachvollziehen kann, warum er welche Kaufentscheidung getroffen hat. Dabei gelten für Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler unterschiedliche Begründungsanforderungen. Ein Ausschließlichkeitsvermittler muss nur über das Produkt seines
B
B
88
Vorschriften für alle Versicherungszweige Unternehmens informieren und muss nicht begründen, warum er einen Versicherungsvertrag seines eigenen Unternehmens empfiehlt. Beim Versicherungsmakler ist dagegen die Votierung für ein bestimmtes Versicherungsunternehmen ein entscheidender Punkt. Er muss daher seine Empfehlung vor allem unter Berücksichtigung von Preis und Leistung einschließlich aller für den Kunden relevanten Kriterien begründen. Der Arbeitskreis „EU-Vermittlerrichtlinie – Dokumentation“ hat für Versicherungsmakler neben den Risikoanalysebögen eine weitere Hilfestellung entwickelt. Die „Auswahlkriterien für den Rat des Maklers“ sollen den Makler in die Lage versetzen, „den Rat für das von ihm empfohlene Versicherungsprodukt gegenüber dem Versicherungsnehmer mit Hilfe objektiver Auswahlkriterien (…) zu begründen“, so der Arbeitskreis. Mit dieser Zielsetzung wurden zahlreiche objektive Kriterien identifiziert und benannt. Als grundsätzlich relevant angesehen werden Finanzstärke, Insolvenzsicherungsfonds, Bedingungen, Preis, Rentabilität/Anlagerisiko, Kalkulation, Antragsgestaltung, Service und Tarifmerkmale. Diese Kriterien werden je nach Sparte unterschiedlich gewichtet. Daraus ist ein Schema entstanden, bei welchen Sparten oder Produkten diese Kriterien „hoch relevant“ (H), „niedrig relevant“ (N) oder „irrelevant“ (-) sind. Sach- inkl. Transport
Haftpflicht
Finanzstärke
N
N
N
N
H
Insolvenzsicherungsfonds
-
-
-
-
H
H
H
H
H (Haftpflicht N)
H
Preis
H
H
H
H
H
Rentabilität/ Anlagerisiko
-
-
-
-
N
Kalkulation
N
N
N
N
H
Antragsgestaltung
N
N
N
N
H
Kriterium
Rechtsschutz
Bedingungen
Kfz
Kranken
Versicherungsvermittler
89 Sach- inkl. Transport
Haftpflicht
Service
N
N
N
N
N
Tarifmerkmale
H
H
H
H
H
Berufsunfähigkeit/ Dread Disease
Klassische Renten/ Lebensvers.
Kriterium
Kriterium
Unfall
RisikoLeben
Rechtsschutz
Kfz
Kranken
Fonds/ Rente/ Leben
Finanzstärke
N
N
H
H
N
Insolvenzsicherungsfonds
-
H
H
H
H
Bedingungen
H
N
H
H
H
Preis
H
H
H
-
-
Rentabilität/ Anlagerisiko
-
-
-
H
H
Kalkulation
N
H
H
H
H
N
H
H
LV: H Rente: N
LV: H Rente: N
Service
N
N
N
N
N
Tarifmerkmale
H
H
H
H
H
Antragsgestaltung
Der Arbeitskreis hält die Kriterien mit hoher Relevanz für solche, die bei der Produktauswahl und der Begründung der Produktauswahl gegenüber dem Kunden unbedingt beachtet werden sollten. Diejenigen mit niedriger Relevanz können optional hinzugezogen werden, beispielsweise, wenn der Kunde hierauf besonderen Wert legt oder der Makler über besondere Informationen verfügt. Viele der Kriterien wie Finanzstärke, Insolvenzsicherungsfonds, Bedingungen, Preis, Rentabilität/Anlagerisiko, Kalkulation, Antrag und Tarifmerkmale kann der Makler durch eigene Recherchen und die Nutzung von Analysesoftware und von Rating-Informationen feststellen. Für manche Kriterien wie insbesondere den Service gibt es zum einen Ergebnisse aus Maklerbefragungen, aber auch die eigene praktische Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit Versicherern spielt hier eine wichtige Rolle.
9.4.7
Beratungsverzicht Der Kunde kann gemäß § 61 Abs. 2 VVG n. F. auf die Beratung oder die Dokumentation verzichten. Dies muss er durch eine gesonderte schriftliche Erklärung vollziehen, in der er außerdem vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich dieser Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Kunden auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadenersatzanspruch nach § 63 VVG n. F. geltend zu machen. In der Regel wird ein Beratungsverzicht weder dem Vermittler noch dem Kunden Vorteile bringen.
B
B
90
Vorschriften für alle Versicherungszweige Es kann Fälle geben, in denen der Kunde auf eine Beratung verzichten möchte, zum Beispiel: Der Kunde hat sich bereits ausreichend von anderen Vermittlern beraten lassen und möchte nur ein Gegenangebot einholen. Der Kunde hat sich über das Internet und andere Quellen informiert und glaubt, nun ausreichend über Versicherungen Bescheid zu wissen. Ein Kunde hat gute Erfahrungen mit einem bestimmten Versicherer und dessen Produkten gemacht und ist nicht daran interessiert, über andere Versicherer oder andere Produkte aufgeklärt zu werden. Auch wenn das Gesetz den Vermittler anlassbezogen zwingt, nach den Wünschen des Kunden zu fragen, heißt das nicht, dass diese auch vorbehaltlos akzeptiert werden müssen. Wenn der Vermittler beispielsweise vom Kunden mit dem Wunsch auf einen Verzicht konfrontiert wird, weil er sich bereits bestens informiert glaubt, kann der Vermittler die Beratung ablehnen, weil er nicht überprüfen und sicherstellen kann, dass der Kunde ein wirklich für seine Bedarfssituation geeignetes Produkt erhält.
Praxistipp In solchen Situationen bewährt sich immer wieder, den Kunden gezielt mit Fachfragen zu konfrontieren und zu testen, ob er wirklich „Bescheid weiß“. Das im Internet oder anderswo angelesene Halbwissen bricht dann schnell in sich zusammen. Manche Kunden sehen dann ein, dass sie doch besser eine Beratung in Anspruch nehmen sollten, die anderen lässt man besser ziehen, denn mit denen wird man garantiert später wenig Freude und viel Ärger haben! Wenn hingegen das Motiv eine gute Erfahrung in der Vergangenheit ist und sich keine neuen Erkenntnisse ergeben haben, den Versicherer oder das Produkt anders zu bewerten, spricht nichts dagegen, dem Kunden dieses Produkt erneut zu vermitteln.
Wichtig Der Beratungsverzicht soll auf seltene Ausnahmefälle beschränkt werden. Das ist die Botschaft der Formvorschrift, die die ohnehin schon als Warnfunktion verstandene Form einer Urkunde um eine warnende Rechtsbelehrung ergänzt. Damit verbietet sich in jedem Fall, den Beratungsverzicht in einem Antragsformular, Verbraucherinformationen o. Ä. zu integrieren. Es muss ein separates Schriftstück erstellt und vom Kunden eigenhändig unterschrieben werden. Eine zu häufige Verwendung des Beratungsverzichts könnte auch als Indiz gewertet werden, dass sich der Versicherungsvermittler damit absichtlich seiner Beratungsverpflichtung entziehen will, was seine Rechtsposition nachhaltig schwächt, wenn er sich gegen Schadenersatzansprüche nach § 63 VVG n. F. zu verteidigen hat.
9.4.8
Ausnahmefall Unternehmererklärung Die bisherigen Ausführungen zum Beratungsverzicht galten im Wesentlichen für den Umgang mit Verbrauchern. Im Verhältnis zu gewerblichen Kunden kann dagegen der Einsatz von Beratungsverzichtserklärungen helfen, bewährte Strukturen der Vermittlungstätigkeit vor allem im Maklergeschäft beizubehalten. Insbesondere im gewerblichen Geschäft von Versicherungsmaklern ist es nahezu üblich, dass Unternehmer und Versicherungsvermittler einmal im
Versicherungsvermittler
91
Geschäftsjahr zum sogenannten „Jahresgespräch“ zusammenkommen, in dem Risiko- und Marktveränderungen besprochen und ein Maßnahmenplan beschlossen wird, der in der Folgezeit vom regelmäßig bevollmächtigten Versicherungsmakler umgesetzt wird. Das Verfahren des Jahresgesprächs hat sich bewährt, sein Handling ist Kunden wie Maklern vertraut. Die Dokumentation des Jahresgesprächs einschließlich des Maßnahmenplans durch den Makler (schon aus Haftungsgründen) gilt als selbstverständlich. Das ganzheitlich auf das Unternehmen des Kunden angelegte Konzept des Jahresgesprächs unterscheidet sich von den neuen gesetzlichen einzelvertragsbezogenen Beratungspflichten erheblich. Eine Umstellung der Beratungspraxis würde in solchen Fällen umfangreiche organisatorische Änderungen im Workflow vieler Vermittler bedeuten. In diesen Fällen ist zu überlegen, ob nicht sogenannte „Unternehmererklärungen“ verwendet werden können, die zu Beginn der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden einen Verzicht auf die neuen Beratungspflichten vereinbaren, aber die umfassende Beratung im Jahresgespräch beibehalten.
9.4.9
Beratung am Telefon oder im Internet Für den Fall einer telefonischen Beratung oder einer Beratung über die Internetplattform eines Versicherungsvermittlers sieht das Gesetz keine Besonderheiten vor. Das bedeutet, dass der Versicherungsvermittler auch in diesen Fällen verpflichtet ist, den Kunden anlassbezogen nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, ihn zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Ein Beratungsverzicht wird in der Regel aus praktischen Gründen nicht in Betracht kommen, da die Wirksamkeit des Verzichts wie soeben dargestellt von der schriftlichen Erklärung des Kunden abhängig ist. Dies ist praktisch nicht zu gewährleisten. Entweder müsste der Kunde dem Vermittler die schriftliche Verzichtserklärung vor der Beratung übermitteln, oder der Vermittler müsste sicherstellen, dass der telefonisch oder im Internet erklärte Beratungsverzicht schriftlich bestätigt wird. In Ausnahmefällen mag das funktionieren; für den Vermittlungsalltag ist das Modell untauglich.
9.4.10 Dokumentationspflichten Gem. § 61 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. sind Versicherungsvermittler verpflichtet, die Befragung nach Wünschen und Bedürfnissen, die Beratung und die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren. Die Dokumentationspflicht bezweckt, den Kunden darüber zu informieren, warum welche Versicherungsverträge basierend auf seinen persönlichen Wunschvorstellungen und seinem Bedarf für ihn sinnvoll sind. In der Praxis wird die vom Gesetz geforderte Dokumentation häufig vereinfacht mit dem Begriff „Protokoll“ gleichgesetzt. Dokumentation meint in der Regel die systematische Aufbereitung von Informationen, während unter Protokoll meist die Niederschrift eines Gesprächs verstanden wird, die zu Beweiszwecken unterschrieben wird. Die vom Gesetz verlangte Dokumentation besteht nach dem derzeitigen Stand der Diskussion aus den Elementen Wünsche und Bedürfnisse, Rat und Begründung. Unterschriften sind nicht gefordert. Ein echtes Beratungsprotokoll wird daher nicht verlangt.26 26
Der in der Praxis gleichwohl eingebürgerte Begriff des „Beratungsprotokolls“ muss daher immer mit diesen Einschränkungen verstanden werden.
B
B
92
Vorschriften für alle Versicherungszweige Das Beratungsgespräch mit dem Kunden, in dem er anlassbezogen hinsichtlich seiner Wünsche und Bedürfnisse befragt und dazu beraten wurde, seine Risiken analysiert, bewertet und auch in Abhängigkeit von den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden priorisiert worden sind, ist mit seinen wesentlichen Beratungsinhalten zu dokumentieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Dokumentation fortlaufend parallel zum Beratungsgespräch oder abschließend und zusammenfassend am Ende durchgeführt wird. Der Kunde erhält so die Möglichkeit, nachzuvollziehen, ob seine Auskünfte richtig und vollständig waren, bei Bedarf ergänzende oder korrigierende Angaben nachzuliefern, zu verstehen, warum die angebotenen Verträge zu seinen Wünschen und zu seinem Bedarf passen und zu erkennen, dass er zum Produktkauf nicht überredet wurde, sondern dies für seine Situation eine angemessene Entscheidung war.
9.4.11 Struktur der Dokumentation Die Struktur der Beratungsdokumentation richtet sich nach der Struktur des bislang dargestellten Beratungsgesprächs: 1. Wünsche und Bedürfnisse des Kunden 1.1. Kundenwünsche/Anlass der Beratung 1.2. Kundenbedarf 2. Rat und Begründung Hinsichtlich des Umfangs gibt es keine Vorschriften. Die Dokumentation sollte ein Ergebnis- und kein Verlaufsprotokoll sein, also nicht jeden einzelnen Diskussionsstand wiedergeben. Das wäre unwirtschaftlich, verwirrend und deutlich über das hinausgehend, was das Gesetz verlangt. Neben den genannten Inhalten sollte die Dokumentation folgende weitere Inhalte enthalten, die sich in Haftungsfällen als hilfreich erweisen könnten: Ο
Namen und Anschrift der Gesprächsteilnehmer
Ο
Ggf. die Erstinformation
Ο
Ggf. die Mitteilung zur Beratungsgrundlage
Ο
Entscheidung des Kunden, insbesondere wenn sie vom Rat des Maklers abweicht, und die Gründe, die er hierfür genannt hat
Ο
Ort, Datum, Unterschrift des Vermittlers
Ο
Kenntnisnahmeerklärung des Kunden
Ο
Bei Versicherungsmaklern kann das Protokoll gleichzeitig als Maklervertrag ausgestaltet werden, wenn nur eine einzelne Versicherung vermittelt werden soll. Dann sind auch Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, eine Datenschutzerklärung sowie die Beauftragung des Maklers (Maklerauftrag) zur Vermittlung dieser Versicherung als Legitimation gegenüber dem Versicherer aufzunehmen.
Versicherungsvermittler
93
Praxistipp Auch wenn das Gesetz es nicht ausdrücklich vorsieht, ist es empfehlenswert, auch wichtige Fragen des Kunden zu seinem Bedarf und zu Leistungsmerkmalen der ihm angebotenen Versicherungen und die Antworten darauf zu dokumentieren.
Beispiel Der Kunde interessiert sich für eine private Krankenvollversicherung und stellt einen Antrag. Im Beratungsgespräch fragt er den Vermittler, ob er nun die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse kündigen kann. Der Vermittler erläutert ihm, dass er dies erst tun soll, wenn er eine unwiderrufliche und uneingeschränkte Annahmeerklärung des Krankenversicherers vorliegen hat. Der Kunde missachtet diesen Rat und kündigt seine Mitgliedschaft. Unglücklicherweise hat er eine Vorerkrankung, wegen der der private Krankenversicherer die Annahme seines Antrags ablehnt. Auch andere Versicherer lehnen ab, er steht ohne Versicherungsschutz da. Der Kunde stellt daraufhin Schadenersatzansprüche wegen der nicht ersetzten Krankheitskosten gegen den Vermittler.
Dieses Beispiel zeigt, wie wertvoll eine Dokumentation der Frage des Kunden und der Antwort des Vermittlers sein kann. Denn die Beratungsdokumentation könnte im Streitfall zeigen, dass der Vermittler den Kunden richtig und sachgerecht beraten hat und der entstandene Schaden sogar auf die Missachtung des Rates zurückzuführen ist.27 Allerdings gibt es sehr unterschiedliche Gesprächssituationen und letzten Endes sehr unterschiedlich ergiebige Kunden, gemessen an den Verkaufs- und den Verdienstmöglichkeiten des Vermittlers. Der Gesetzgeber stellt hier keine unmöglichen Anforderungen, auch entgegen betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten übertriebene Befragungen und Dokumentierungen durchzuführen. Unterscheiden Sie hier standardisierbare Verkaufssituationen wie zum Beispiel typische Privatkundenberatungen und Verkaufsgespräche bei Kleinunternehmen und nicht standardisierbare Verkaufssituationen wie zum Beispiel komplexe Beratungen vermögender Privatkunden, außergewöhnliche Beratungssituationen oder Beratungen von mittelständischen und von Großunternehmen.
9.4.12 Form der Dokumentation Die Beratungsdokumentation ist dem Kunden klar und verständlich und in Textform zu übermitteln (§ 62 Abs. 1 VVG n. F.). Im Hinblick auf das Erfordernis „klar und verständlich“ sollten „Fachchinesisch“, zu kurze und aussagelose oder umgekehrt übertrieben lange und mit Details „vollgestopfte“ Ausführungen vermieden werden. Die Informationen dürfen auch mündlich übermittelt werden, wenn der Versicherungsnehmer dies wünscht oder wenn und soweit der Versicherer vorläufige Deckung gewährt. Dann müssen die Informationen allerdings „unverzüglich nach Vertragsschluss, spätestens mit dem Versicherungsschein“ in Textform nachgeliefert werden (§ 62 Abs. 2 VVG n. F.).
27
Vergleiche im Einzelnen unten Abschnitt 9.5, S. 96 ff.
B
B
94
Vorschriften für alle Versicherungszweige Hauptanwendungsfall der mündlichen Übermittlung dürfte die telefonisch durchgeführte Beratung sein. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass ein Beratungsverzicht in der Regel ausscheiden wird. Ausweg ist dann die telefonische Beratung mit anschließendem „Nachreichen“ der Dokumentation. Bei der Versicherungsvermittlung über das Internet findet in der Regel keine mündliche Kommunikation statt, sodass die Möglichkeit des Nachlieferns entfällt, es sei denn, dass die Vermittlung über das Internet durch eine telefonische Beratung begleitet wird.
9.4.13 Zeitpunkt der Übermittlung der Dokumentation Die Beratungsdokumentation ist dem Kunden vor Abschluss des Vertrages zu übermitteln (§ 62 Abs. 1 VVG n. F.). Maßgeblich ist also der Abschluss des Vertrags.
Wichtig Beim bisher noch möglichen Policenmodell reichte es aus, wenn die Beratungsdokumentation mit der Police dem Kunden zugesandt wurde. Bei dem modifizierten Antragsmodell ist die Beratungsdokumentation dem Kunden auszuhändigen, bevor er die Police erhält. Beim Invitatiomodell kann die Beratungsdokumentation zusammen mit der Police und dem Antrag des Versicherers übermittelt werden. Wenn es darum geht, die zwar gesetzlich nicht vorgeschriebene, aber haftungsmäßig sinnvolle Unterschrift des Kunden unter die Dokumentation zu erhalten, sollte die Dokumentation bereits mit dem Antrag dem Kunden vorgelegt werden.
9.4.14 Dokumentationsverzicht Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass der Kunde entweder auf die Beratung oder auf die Dokumentation oder auf beides verzichten kann, wenn er dies unter den genannten Voraussetzungen schriftlich erklärt. Ebenso ist deutlich geworden, dass ein Beratungsverzicht im Vermittlungsalltag die Ausnahme bleiben sollte. Dies gilt grundsätzlich auch für den Dokumentationsverzicht. Der Versicherungsvermittler sollte sich darüber im Klaren sein, dass mit dem Dokumentationsverzicht zugleich auch jede mit einer Dokumentation möglicherweise verbundene Nachweisgelegenheit über Gesprächsinhalte verloren geht. Der Verzicht ist daher in der Regel mit vielen Nachteilen für den Versicherungsvermittler verbunden, da er auch den späteren Nachweis erschwert, dass die Vermittlerpflichten erfüllt worden sind. Versicherungsvertreter riskieren, dass ihr Versicherungsunternehmen Sanktionen ergreift, wenn es in Zusammenhang mit Beratungsschäden zu Vorwürfen und Schadenersatzforderungen gegen den Versicherer kommt, von denen der Vermittler weder sich noch seinen Versicherer gerade wegen des Verzichts entlasten kann. Versicherungsmakler riskieren, dass sie sich gegen Vorwürfe fehlerhafter Beratung und damit gegen Schadenersatzansprüche nicht wehren können, die unmittelbar von ihnen selbst zu bezahlen sind.
Versicherungsvermittler
95
Wichtig Der Vermittler sollte für sich eine Dokumentation anlegen, in der er festhält, welchen Wunsch der Kunde geäußert hat und wie der Vermittler diesem nachgekommen ist.
Ausnahme „Unternehmererklärung“ Auf die Ausführungen zur Unternehmererklärung oben im Zusammenhang mit dem Beratungsverzicht wird Bezug genommen. Die aus den dort genannten Gründen verwendete Unternehmererklärung wird konsequenterweise auch beinhalten, dass die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation durch die bewährte Dokumentation des Jahresgesprächs ersetzt wird (§ 61 Abs. 2 VVG n. F.).
Beispiel: Beratungs- und Dokumentationsverzicht Kundenwunsch Der Kunde _________ (Name) wünscht ausdrücklich eine ________-Versicherung vom Versicherungsunternehmen _________ (Name). Auf eine Beratung und Dokumentation wird ausdrücklich verzichtet. Hinweis Herr/Frau _________ (Name) ist darauf hingewiesen worden, dass sich der Beratungsverzicht nachteilig auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadenersatzanspruch wegen Verletzung von Beratungs- und Dokumentationspflichten geltend zu machen. Ort, Datum Unterschriften:
(Vermittler)
(Kunde)
Hinweis Auch wenn der Beratungs- und Dokumentationsverzicht gesetzlich zugelassen ist, bestehen hinsichtlich der Verwendung vorformulierten Textes generell AGB-rechtliche Bedenken. Es ist also darauf zu achten, dass ein Verzicht – wenn überhaupt – immer ausdrücklich und individuell mit dem Kunden vereinbart wird.
B
B
96
Vorschriften für alle Versicherungszweige
Beispiel: Beratungsdokumentation Firma Weber Versicherungsmakler Hauptstr. 3 44789 Bochum Beraterin: Annette Weber Kunde: Arndt Remagen Adresse privat: Kohlenstr. 22 44789 Bochum
Adresse geschäftlich: Kohlenstr. 24 44789 Bochum
Das Beratungsgespräch fand statt am 05.10.2008 von 10 Uhr bis 11 Uhr in den Privaträumen des Kunden unter der Adresse: Kohlenstr. 22, 44789 Bochum. Teilnehmer auf Kundenseite war: Arndt Remagen. Die Beratung wurde durchgeführt von: Annette Weber. 1.
Wünsche und Bedürfnisse des Kunden 1.1. Kundenwünsche/Anlass der Beratung: Die Gesprächsinitiative ging vom Kunden aus. Der Kunde wünscht eine Gebäudeversicherung. 1.2 Bedarf: Der Kundenbedarf ergibt sich aus der beiliegenden Risikoanalyse Gebäudeversicherung.
2.
Rat und Begründung Empfohlen wird der Abschluss einer Gebäudeversicherung Tarif Komfort bei der Proximus Versicherung AG. Der Kunde wünscht ausdrücklich dieses Produkt und diesen Versicherer, weil er nach eigenen Angaben mit dem Versicherer bisher schon sehr gute Erfahrungen gemacht hat.
3.
Beschränkung der Beratungsgrundlage: Der Rat stützt sich nicht auf eine ausgewogene Marktuntersuchung, sondern auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl. Im Einzelnen wurden die Produkte folgender Versicherer berücksichtigt: Auf Kundenwunsch nur Proximus Versicherung AG.
Bochum, den 05.10.2009
________________________________ (Annette Weber, Weber Versicherungsmakler)
9.5
Beratungsdokumentation erhalten und zur Kenntnis genommen. Bochum, den 05.10.2009 ___________________________ (Arndt Remagen)
Schadenersatzpflicht Gem. § 63 VVG n. F. sind Versicherungsvermittler zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Versicherungsnehmer durch eine Verletzung einer Informations-, Beratungs- und/oder Dokumentationspflicht nach §§ 60 oder 61 VVG n. F. entsteht.
Versicherungsvermittler
9.5.1
97
Versicherungsmakler Für Versicherungsmakler bringt die neue Haftungsvorschrift aufgrund ihrer ohnehin schon bestehenden umfassenden Sachwalterhaftung keine neuen materiellen Haftungstatbestände. Das Recht des Versicherungsmaklers ist weitgehend durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geprägt. Dieser hat mit dem sogenannten Sachwalterurteil (BGH vom 22.5.1985, IV ZR 190/83) die wesentlichen Grundlagen für die rechtliche Einordnung des Versicherungsmaklers prägnant zusammengefasst. Die Entscheidung bestimmt bis heute die Rechtsprechung der Instanzgerichte. Der Versicherungsmakler ist mit dem Versicherungsnehmer über einen Geschäftsbesorgungsauftrag vertraglich verbunden und wird deshalb als sein Interessenvertreter angesehen. Der BGH bezeichnet den Versicherungsmakler als den „treuhänderähnlichen Sachwalter“ seiner Kunden. Je nach Umfang des Maklerauftrags hat er einzelne oder alle Risiken des Versicherungsnehmers zu analysieren, den ggf. vorhandenen Versicherungsschutz zu überprüfen, für neu abzuschließende Versicherungsverträge den Markt zu befragen und die in Betracht kommenden Anbieter auf Kompetenz und Zahlungsfähigkeit im Hinblick auf die abzuschließenden Versicherungsverträge zu überprüfen, die angebotenen Versicherungsschutzlösungen im Hinblick auf ihre Geeignetheit für die beim Kunden vorgefundene Risikosituation zu untersuchen, beim Abschluss eines Versicherungsvertrags die Dokumentierung zu überwachen, im weiteren Verlauf den Vertrag zu betreuen, im Schadenfall für sachgerechte Schadenanzeige zu sorgen, bei der Schadenregulierung die Interessen des Versicherungsnehmers zu vertreten. Die schuldhafte Verletzung einer dieser Pflichten kann Schadenersatzansprüche des Kunden aus dem mit dem Versicherungsmakler geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag auslösen. Die neue Haftungsnorm des § 63 VVG n. F. tritt neben (!) die weiterhin bestehende „Sachwalterhaftung“ des Versicherungsmaklers. Schadenersatzansprüche wegen etwaiger Verletzung vertraglicher Pflichten können zusätzlich auf die neue Norm gestützt werden. Eine Verschärfung des Haftungsrechts ist damit nicht verbunden. Dennoch wird die neue Norm an prominenter Stelle im Vermittlerrecht dazu führen, dass das Thema Haftung zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit geraten wird, sodass perspektivisch mit einer deutlichen Steigerung der Haftungsfälle zu rechnen ist.
B
B
98
Vorschriften für alle Versicherungszweige
9.5.2
Scheinmakler Versicherungsvermittler, die sich am Markt wie Versicherungsmakler gerieren, haften bisher meist schon wie Versicherungsmakler.28 Durch die Kombinationswirkung der §§ 59 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F. (Scheinmakler) und 60 VVG n. F. (Schadensersatzpflicht) werden sich hier noch deutlich mehr als bei den Versicherungsmaklern selbst zukünftig die Schadensfälle häufen. Scheinmakler sollten sich im Übrigen auch des Problems bewusst sein, das entsteht, wenn die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung die Scheinmaklertätigkeit nicht abdeckt!
9.5.3
Ausschließlichkeitsvertreter Abgesehen von der Scheinmaklerhaftung, der sich auch Ausschließlichkeitsvertreter aussetzen können, haften Versicherungsvertreter nur in ganz seltenen Ausnahmefällen für etwaige Beratungsfehler selbst. In der Regel haftet das vertretene Versicherungsunternehmen für Fehler ihres Vertreters. Die Vorschrift des § 63 VVG n. F. bedeutet für Versicherungsvertreter nun eine neue, eigenständige Haftungsnorm, die bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen eine persönliche Haftung anordnet. Dabei löst jede zu vertretene Verletzung der Informations-, Beratungs- und/oder Dokumentationspflicht nach §§ 60 oder 61 VVG n. F. (originäre, eigenständige Vermittlerpflichten!), die beim Versicherungsnehmer zu einem Schaden geführt hat, eine Schadenersatzverpflichtung aus.
9.5.4
Mehrfachvertreter Bei Mehrfachagenten sind verschiedene Fälle zu unterscheiden. Während der Phase ihrer Tätigkeit, in der sie den Kunden ohne Bezug und ohne Vertragsanbahnung zu einem konkreten Versicherungsunternehmen beraten, ist ihre Tätigkeit der eines Versicherungsmaklers ähnlich. Beratungsfehler werden mangels Zuordnung zu einem bestimmten Versicherer im Zweifel ihnen selbst zugeordnet. Ist eine konkrete Vertragsanbahnung mit einem Versicherer begonnen, wird eine Haftung des Versicherers für die Pflichtverletzungen in Betracht kommen, die nach diesem Zeitpunkt begangen wurden. Stellt der Mehrfachagent im Verhältnis zum Kunden seine Mehrfachagententätigkeit nicht hinreichend deutlich heraus, kann neben die Haftung des Versicherungsunternehmens die Scheinmaklerhaftung des Mehrfachagenten selbst treten. Die Vorschrift des § 63 VVG n. F. bedeutet für Mehrfachvertreter also nur insoweit eine neue, eigenständige Haftungsnorm mit der Folge der persönlichen Haftung, als sie nach den dargestellten Grundsätzen nicht ohnehin schon selbst haften.
9.6
Ausnahmen Die Vorschriften über die Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten der §§ 59 bis 68 VVG n. F. gelten nicht für die Vermittlung von Versicherungsverträgen über Großrisiken im Sinne des Artikels 10 Abs. 1 Satz 2 EGVVG und nicht für Versicherungsvermittler im Sinne des § 34d Abs. 9 Gero (§§ 65, 66 VVG n. F.).
28
Siehe dazu bereits oben S. 72 und 76.
Versicherungsvermittler
9.7
99
Vertretungsmacht Die Vorschriften über die gesetzliche Vertretungsmacht der Versicherungsvertreter (§§ 69 – 73) sind wie bisher sowohl auf Abschluss- wie auch auf Vermittlungsvertreter anzuwenden. Die zum Teil neugefassten Vorschriften kodifizieren nun die Auge-und-Ohr-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
B
C
Vorschriften für die Schadensversicherung
1
Allgemeine Vorschriften Die allgemeinen Vorschriften für die Schadensversicherung sind nun in den §§ 74 – 87 VVG n. F. geregelt.
1.1
Über- und Unterversicherung Im Falle einer Überversicherung, bei der die Versicherungssumme den Wert des versicherten Interesses (Versicherungswert) erheblich übersteigt, können sowohl der Versicherer wie auch der Versicherungsnehmer wie bisher die Herabsetzung der Versicherungssumme auf den Versicherungswert verlangen. Die Prämie wird dann mit sofortiger Wirkung entsprechend herabgesetzt (§ 74 Abs. 1 VVG n. F.). Eine erhebliche Überversicherung liegt in der Regel vor, wenn sie 10 Prozent der Versicherungssumme übersteigt. Hat der Versicherungsnehmer die Überversicherung beabsichtigt, um sich einen rechtswidrigen Vorteil daraus zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig. Der Versicherer hat dennoch gegen den Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Zahlung der Prämie bis zu dem Zeitpunkt, an dem er von den Umständen Kenntnis erlangt, die die Nichtigkeit des Vertrages begründen (§ 74 Abs. 2 VVG n. F.). Im Unterschied zum bisherigen Recht schuldet der Versicherungsnehmer nicht mehr die volle Jahresprämie. Dass der Versicherungsnehmer überhaupt eine Prämie bezahlen muss, obwohl er wegen der Nichtigkeit des Vertrages keinen Versicherungsschutz hatte, ist gerechtfertigt, weil sonst der Versuch des Versicherungsnehmers, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, folgenlos bliebe. Im Falle einer Unterversicherung, bei der die Versicherungssumme erheblich niedriger ist als der Versicherungswert, ist der Versicherer im Schadenfall wie bisher nur insoweit zur Leistung verpflichtet, wie es dem Verhältnis der Versicherungssumme zum Versicherungswert entspricht (§ 75 VVG n. F.). Im Unterschied zum bisherigen Recht kann der Versicherer den Einwand der Unterversicherung nur erheben, wenn sie erheblich, also in der Regel größer als 10 Prozent ist.
1.2
Mehrfachversicherung Ist ein Interesse bei mehreren Versicherern gegen dieselbe Gefahr versichert, muss der Versicherungsnehmer diesen Umstand wie bisher den jeweiligen Versicherern unter Angabe des Namens des oder der anderen Versicherer und der Versicherungssumme anzeigen (§ 77 VVG n. F.). Übersteigen die Versicherungssummen zusammen den Versicherungswert, haften die Versicherer als Gesamtschuldner mit ihren jeweils vertraglichen Leistungen – insgesamt aber nur bis zur Höhe des Schadens des Versicherungsnehmers (§ 78 Abs. 1 VVG n. F.) – und sind einander entsprechend ihrer Leistungsverpflichtungen zum Ausgleich verpflichtet (§ 78 Abs. 2 VVG n. F.). Hat der Versicherungsnehmer die Mehrfachversicherung mit der Absicht herbeigeführt, sich einen rechtswidrigen Vorteil daraus zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig. Der Versicherer
Allgemeine Vorschriften
101
hat dennoch gegen den Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Zahlung der Prämie bis zu dem Zeitpunkt, an dem er von den Umständen Kenntnis erlangt, die die Nichtigkeit des Vertrages begründen (§ 78 Abs. 3 VVG n. F.) Die Regelung des § 78 VVG n. F. stimmt im Wesentlichen mit dem bisherigen Recht überein. Der Begriff der Doppelversicherung ist aber durch den präziseren Begriff der Mehrfachversicherung ersetzt worden. Auf ein allgemeines Bereicherungsverbot wird bisher verzichtet. Wenn der Versicherungsnehmer mit dem Abschluss eines Vertrages ohne sein Wissen eine Mehrfachversicherung herbeigeführt hat, kann er wie bisher verlangen, dass der später abgeschlossene Vertrag aufgehoben oder reduziert wird. Die Änderungen werden sofort wirksam und nicht mehr wie bisher zum Ablauf der Versicherungsperiode.
1.3
Fehlendes versichertes Interesse Fehlt das versicherte Interesse bei Beginn der Versicherung, ist der Versicherungsnehmer wie bisher nicht zur Zahlung der Prämie verpflichtet (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Der Versicherer kann aber eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen (§ 80 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.). Fällt das versicherte Interesse später weg, muss der Versicherungsnehmer die Prämie nur bis zu dem Zeitpunkt zahlen, an dem der Versicherer von dem Wegfall erfährt (§ 80 Abs. 2 VVG n. F.). Wenn der Versicherungsnehmer ein nicht bestehendes Interesse mit der Absicht versichert, sich einen rechtswidrigen Vorteil daraus zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig. Der Versicherer hat gegen den Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Zahlung der Prämie bis zu dem Zeitpunkt, an dem er von den Umständen Kenntnis erlangt, die die Nichtigkeit des Vertrages begründen (§ 80 Abs. 3 VVG n. F.).
1.4
Herbeiführung des Versicherungsfalls Wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeiführt, ist der Versicherer wie bisher nicht zur Leistung verpflichtet (§ 81 Abs. 1 VVG n. F.).
Beispiel Der Versicherungsnehmer versenkt sein Kraftfahrzeug, um Liquidität zu erhalten.
Wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, ist der Versicherer – im Unterschied zum bisherigen Recht – nur insoweit zur Leistung verpflichtet, als es der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entspricht (§ 81 Abs. 2 VVG n. F.). Hier wird also wie bei grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzungen oder Gefahrerhöhungen das bisherige Alles-oder-nichts-Prinzip durch das neue Quotelungsverfahren ersetzt, das den Schutzinteressen des Versicherungsnehmers Rechnung tragen und zu mehr Einzelfallgerechtigkeit führen soll.
C
C
102
Vorschriften für die Schadensversicherung
Beispiel Versicherungsnehmer lässt eine brennende Kerze unbeaufsichtigt zurück. Versicherungsnehmer verlässt die Wohnung, ohne die Fenster im EG zu schließen. Versicherungsnehmer raucht im Bett und schläft ein.
Die Beweislast für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit und für die Schwere des Verschuldens bei grober Fahrlässigkeit liegt beim Versicherer. In der Praxis wird die Anwendung der neuen Vorschriften erfordern, dass zunächst festgestellt wird, ob grobe Fahrlässigkeit vorgelegen hat. Erst dann stellt sich die Frage nach der Schwere der Schuld. Je nach Fallgestaltung kann es vorkommen, dass ein Sachverhalt zugleich mehrere grob fahrlässige Verstöße gegen verschiedene Obliegenheiten auslöst. Dann kann es zu einer mehrfachen Quotelung kommen. Noch ungeklärt ist, ob die Quotelung im Einzelfall bei besonders schwerem Verschulden zu vollständiger Leistungsfreiheit führen kann.
1.5
Schadenabwehr- und Minderungspflicht Bei Eintritt eines Versicherungsfalls ist der Versicherungsnehmer wie bisher verpflichtet, nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen (§ 82 Abs. 1 VVG n. F.). Es bleibt also dabei, dass die Rettungsobliegenheit in der Schadensversicherung allgemein erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls entsteht und sich nicht auf den Zeitpunkt vorerstreckt, an dem der Versicherungsfall unmittelbar bevorsteht (anders in der Sachversicherung, vgl. § 90 VVG n. F.). Dabei hat der Versicherungsnehmer wie bisher Weisungen des Versicherers zu befolgen sowie Weisungen einzuholen, wenn dies nach den Umständen möglich ist (§ 82 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.). Im Unterschied zum bisherigen Recht gilt dies nunmehr aber nur, wenn es dem Versicherungsnehmer auch zumutbar ist, die Weisungen des Versicherers zu befolgen bzw. Weisungen einzuholen.
Beispiel Versicherer erteilt im Rahmen einer Kraftfahrtkaskoversicherung die Weisung, das beschädigte Fahrzeug des Versicherungsnehmers in einer bestimmten Werkstatt zu reparieren, die keine Vertragswerkstatt des Kraftfahrzeugherstellers ist, und gefährdet dadurch die Werksgarantie des Versicherungsnehmers.
Verletzt der Versicherungsnehmer seine Schadenabwehr- und Minderungspflicht vorsätzlich oder verstößt der Versicherungsnehmer vorsätzlich gegen zumutbare Weisungen des Versicherers, wird der Versicherer leistungsfrei (§ 82 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.). Verletzt der Versicherungsnehmer seine Schadenabwehr- und Minderungspflicht grob fahrlässig oder verstößt der Versicherungsnehmer grob fahrlässig gegen zumutbare Weisungen des Versicherers, kann der der Versicherer seine Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers kürzen (§ 82 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.). Im Unterschied
Allgemeine Vorschriften
103
zum bisherigen Recht wird im Bereich der groben Fahrlässigkeit das Alles-oder-nichts-Prinzip durch das neue Quotelungsverfahren ersetzt. Der Versicherer muss Vorsatz beweisen, grobe Fahrlässigkeit wird vermutet (§ 82 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.). Für die Schwere des Verschuldens ist der Versicherer beweispflichtig. Entsprechend dem neuen System der Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzungen bleibt der Versicherer auch bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Rettungsobliegenheitsverletzung zur Leistung verpflichtet, wenn die Obliegenheitsverletzung für die Feststellung des Versicherungsfalls oder für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht nicht ursächlich war, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat arglistig gehandelt (§ 82 Abs. 4 VVG n. F.). Die Beweislast für die fehlende Kausalität der Obliegenheitsverletzung liegt beim Versicherungsnehmer (Kausalitätsgegenbeweis).
1.6
Aufwendungsersatz und Schadenermittlungskosten Wie bisher hat der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, die er im Rahmen seiner Schadenabwehr- und Minderungspflicht bei Eintritt des Versicherungsfalls den Umständen nach für geboten halten durfte (Rettungskosten, § 83 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Im Unterschied zum bisherigen Recht darf der Versicherer aber seine Leistung im Falle einer Quotelung entsprechend kürzen (§ 83 Abs. 2 VVG n. F.). Das heißt, dass im Falle teilweiser Leistungsfreiheit (§ 82 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.) auch der Aufwendungsersatz entsprechend gekürzt werden darf. Entsprechendes gilt auch für die Schadenermittlungskosten (§ 85 Abs. 3 VVG n. F.).
1.7
Übergang von Ersatzansprüchen In den Fällen, in denen der Versicherer dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt hat und dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten einen Ersatzanspruch zusteht, geht dieser gegen den Dritten wie bisher auf den Versicherer über (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Nach bisherigem Recht war es dem Versicherungsnehmer untersagt, den Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung des Anspruchs dienendes Recht aufzugeben (Aufgabeverbot). Nunmehr wird stattdessen eine Obliegenheit zur Sicherung des Ersatzanspruchs und zur Mitwirkung bei dessen Durchsetzung eingeführt (§ 86 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.). Dadurch wird dem Interesse des Versicherer Rechnung getragen, sich wegen seiner dem Versicherungsnehmer erbrachten Leistung bei dem ersatzpflichtigen Dritten schadlos zu halten. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, wird der Versicherer leistungsfrei, wenn er wegen der Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers keinen Ersatz vom Dritten erhält (§ 86 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.). Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit grob fahrlässig, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung entsprechend der Schwere der Schuld des Versicherungsnehmers zu kürzen (§ 86 Abs. 2 Satz 3 VVG n. F.). Der Versicherer muss Vorsatz beweisen, grobe Fahrlässigkeit wird vermutet (§ 82 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F.). Für die Schwere des Verschuldens ist der Versicherer beweispflichtig. Wenn sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person richtet, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang des Ersatzan-
C
C
104
Vorschriften für die Schadensversicherung spruches gegen diese Person – soweit diese den Schaden nicht vorsätzlich verursacht hat – auf den Versicherer von diesem nicht geltend gemacht werden (§ 86 Abs. 3 VVG n. F.). Damit wird das bisher geltende sogenannte Familienprivileg auf alle Personen erweitert, mit denen der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Schadeneintritts in häuslicher Gemeinschaft lebt.
2
Sachversicherung Die allgemeinen Vorschriften für die Sachversicherung sind nun in den §§ 88 bis 99 VVG n. F. geregelt. Hier finden sich insgesamt nur geringfügige Änderungen.
2.1
Versicherungswert Als Versicherungswert gilt in der Sachversicherung der Betrag, den der Versicherungsnehmer zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls für die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung der versicherten Sache in neuwertigem Zustand unter Abzug eines altersbedingten Minderwertes aufzuwenden hat, soweit nichts anderes vereinbart wird (§ 88 VVG n. F.). Diese Vorschrift bestimmt nunmehr – unter Anlehnung an die bisherigen Vorschriften für die Feuerversicherung (§§ 86, 88 VVG) – als Versicherungswert für den gesamten Bereich der Sachversicherung den Zeitwert. Abweichende vertragliche Regelungen z. B. über heute in der Praxis fast übliche Neuwertversicherung, bei der kein Abzug neu für alt erfolgt, bleiben ausdrücklich vorbehalten („soweit nicht anderes vereinbart“).
2.2
Versicherung für Inbegriff von Sachen Ist eine Versicherung für einen Inbegriff von Sachen genommen, umfasst sie wie bisher jeweils die dem Inbegriff zugehörigen Sachen (§ 89 Abs. 1 VVG n. F.).
Hinweis Unter einem Inbegriff versteht man die Gesamtheit von Sachen, die in einem räumlichen Zusammenhang stehen und durch Zuordnung zu einem bestimmten Zweck miteinander verbunden sind, z. B. Hausrat. Die Inbegriffsversicherung erstreckt sich auf die Sachen der Personen, mit denen der Versicherungsnehmer bei Schadeneintritt in häuslicher Gemeinschaft lebt oder die bei Schadeneintritt für den Versicherungsnehmer am Versicherungsort einen Dienst erledigen (§ 89 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F.). Damit wird die Inbegriffsversicherung im neuen Recht auf die Sachen Dritter erweitert, bei denen die Voraussetzungen des Lebens in häuslicher Gemeinschaft oder des Dienstverhältnisses vorliegen.
2.3
Erweiterter Aufwendungsersatz Wenn der Versicherungsnehmer zur Abwendung eines unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalls oder zur Minderung in seinen Auswirkungen Aufwendungen macht, hat er nunmehr auch für diesen Fall einen Anspruch auf Aufwendungsersatz (§ 90 VVG n. F.).
Sachversicherung
105
Beispiel Versicherungsnehmer vermeidet einen Zusammenstoß seines Kraftfahrzeuges mit Haarwild und beschädigt dabei sein Fahrzeug.
Diese Vorschrift ist neu und kodifiziert für die gesamte Sachversicherung die von der Rechtsprechung entwickelte sogenannte „Vorerstreckungstheorie“, nach der dem Versicherungsnehmer Aufwendungen für die Abwendung eines unmittelbar bevorstehenden Schadenfalls ersetzt werden. Die neue Regelung hat das Ziel, den Eintritt von Schäden möglichst zu verhindern. Die Vorerstreckung gilt aber nur in der Sachversicherung und wirkt auch nur im Hinblick auf die Verpflichtung des Versicherers zum Aufwendungsersatz. Eine Vorverlegung der Rettungsobliegenheit gem. § 82 VVG n. F. soll damit ausdrücklich nicht verbunden sein.
2.4
Verzinsung der Entschädigung Ist der Versicherer zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, muss der Versicherer die Entschädigung nach Ablauf eines Monats seit Anzeige des Versicherungsfalls mit vier Prozent verzinsen, soweit der Versicherer nicht aus andern Rechtsgründen zu höheren Zinsen verpflichtet ist (§91 Satz 1 VVG n. F.). Damit wird die Verzinsungspflicht, die bisher nur für die Feuerversicherung galt (§ 94 VVG), auf die gesamte Sachversicherung erweitert. Solange der Schaden wegen Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht festgestellt werden kann, bleibt der Lauf der Frist allerdings gehemmt (§ 91 Satz 2 VVG n. F.).
2.5
Kündigung nach Versicherungsfall Nach Eintritt eines Versicherungsfalls können sowohl der Versicherungsnehmer als auch der Versicherer das Versicherungsverhältnis kündigen (§ 92 Abs. 1 VVG n. F.) Die Kündigung ist nur bis zum Ablauf eine Monats nach Abschluss der Verhandlungen über die Entschädigung zulässig, wobei der Versicherer eine Frist von einem Monat einzuhalten hat (§ 92 Abs. 2 VVG n. F.). Das bisher nur für die Feuerversicherung (§ 96 VVG) geltende Sonderkündigungsrecht wird damit auf die gesamte Sachversicherung erweitert. Dies ist interessengerecht, weil bei Sachversicherungen generell ein Bedürfnis der Vertragsparteien besteht, nach einem Schadenfall das Versicherungsverhältnis zu beenden.
2.6
Wiederherstellung und -beschaffung Wenn in dem Versicherungsvertrag eine Wiederherstellungsklausel vereinbart ist, nach der der Versicherer nur bei Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der versicherten Sache verpflichtet ist, einen Teil der Entschädigung zu leisten, kann der Versicherungsnehmer die Leistung über den Zeitwert hinaus nur verlangen, wenn die Wiederherstellung oder die Wiederbeschaffung gesichert ist (§ 93 Satz 1 VVG n. F.). Die bisher nur für die Gebäudeversicherung geltende Vorschrift des § 97 VVG gilt damit inhaltlich nunmehr für alle Sachversicherungen. Eine tatsächliche Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung ist nicht erforderlich. Neu ist die Rückzahlungsverpflichtung des Versicherungsnehmers bei Nichtwiederherstellung. Über den Zeitwert hinausgehende Zahlungen des Versicherers muss der Versicherungsnehmer
C
C
106
Vorschriften für die Schadensversicherung dann zurückzahlen, wenn er seiner Wiederherstellung- oder Wiederbeschaffungspflicht nicht in angemessener Zeit nachgekommen ist (§ 93 Satz 2 VVG n. F.). Eine Zahlung des Versicherers an den Versicherungsnehmer ohne Sicherstellung der Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung ist einem Hypothekengläubiger oder einem anderen Grundpfandrechtsgläubiger gegenüber nur wirksam, wenn dies mit dem Hypothekengläubiger oder dem anderen Grundpfandrechtsgläubiger abgestimmt ist (§ 94 VVG n. F.). In der Sachversicherung wird der Versicherungswert vielfach als Neuwert vereinbart, so dass der Versicherer im Schadenfall verpflichtet ist, ggfs. eine höhere Entschädigung als den Zeitwert zu leisten. Deshalb werden in solchen Fällen regelmäßig Wiederherstellungsklauseln vereinbart.
2.7
Veräußerung der versicherten Sache Wenn die versicherte Sache vom Versicherungsnehmer veräußert wird, tritt wie bisher der Erwerber anstelle des Versicherungsnehmers in die sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten ein (§ 95 Abs. 1 VVG n. F.). Diese Regelung entspricht inhaltlich und im Wesentlichen unverändert der bisherigen Vorschrift des § 69 VVG. Der Versicherer kann im Falle einer Veräußerung innerhalb eines Monats ab seiner Kenntnis von der Veräußerung der versicherten Sache dem Erwerber das Versicherungsverhältnis mit einer Frist von einem Monat kündigen (§ 96 Abs. 2 VVG n. F.). Der Erwerber kann demgegenüber innerhalb eines Monats nach Erwerb der versicherten Sache oder innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Versicherung der versicherten Sache den Versicherungsvertrag kündigen (§ 96 Abs. 2 VVG n. F.) Bei Kündigung des Versicherungsverhältnisses ist der Veräußerer zur Zahlung der Prämie verpflichtet. Der Erwerber haftet nicht für die Prämie (§ 96 Abs. 3 VVG n. F.). Die Regelung der Kündigungsrechte entsprechen im Wesentlichen der bisherigen Vorschrift des § 70 VVG. § 96 Abs. 3 weicht insofern vom bisherigen Recht ab, als die Vorschrift den Wegfall der Unteilbarkeit der Prämie berücksichtigt. Veräußerer und Erwerber sind verpflichtet, die Veräußerung unverzüglich anzuzeigen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Im Unterschied zum bisherigen Recht trifft die Obliegenheit, die Veräußerung anzuzeigen, nunmehr auch ausdrücklich den Erwerber. Ist die Anzeige der Veräußerung nicht erfolgt, wird der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt erfolgt, an dem die Anzeige hätte erfolgt sein müssen (§ 97 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F.). Neu ist, dass der Versicherer – etwa durch Offenlegung seiner Annahmerichtlinien – zusätzlich darlegen muss, dass er den Vertrag, den er mit dem Veräußerer geschlossen hatte, so mit dem Erwerber nicht geschlossen hätte.
2.8
Zwangsversteigerung, Erwerb eines Nutzungsrechts Die neuen Vorschriften über die Veräußerung der versicherten Sache sind entsprechend anzuwenden, wenn das Eigentum an der versicherten Sache im Wege der Zwangsvollstreckung übergeht oder ein Dritter aufgrund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Verhältnisses die Berechtigung erwirbt, versicherte Bodenerzeugnisse zu beziehen (§ 99 VVG n. F.). Die Vorschrift erweitert die bisherige Regelung des § 73 VVG auf den Übergang des Fruchtziehungsrechts auf einen Dritten.
D
Einzelne Versicherungszweige Nachfolgend werden die wichtigsten Veränderungen in den einzelnen Versicherungszweigen dargestellt, wobei sich die Darstellung im Wesentlichen an der Systematik des Gesetzes orientiert.
1
Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F. Für die Haftpflichtversicherung hat sich durch die VVG-Reform einiges geändert. Dies betrifft nicht nur diejenigen Versicherungsverträge, zu deren Abschluss der Versicherungsnehmer verpflichtet ist (sog. Pflichtversicherungen), sondern auch sämtliche auf freiwilliger Basis abgeschlossene Haftpflichtversicherungsverträge.
1.1
Allgemeine Vorschriften Die allgemeinen Vorschriften der Haftpflichtversicherung werden in den §§ 100 – 112 VVG n. F. behandelt. Die nachfolgenden Ausführungen sollen einen kleinen Überblick über die neuen Vorschriften ermöglichen.
1.1.1
Allgemeine Leistungspflichten des Haftpflichtversicherers Gem. § 100 VVG n. F. hat der Versicherungsnehmer gegen den Versicherer einen Freistellungsanspruch. Das ist inhaltlich allerdings nichts Neues. Der Wortlaut des § 149 VVG a. F. soll an die in der Praxis aufgrund der AHB übliche Leistungspflicht des Versicherers angepasst werden. Die Vorschrift tritt demzufolge an die Stelle des bisher in § 149 VVG a. F. geregelten Anspruchs.29 In Anlehnung an die bisherige in § 3 Abs. 2 Nr. 1 AHB getroffene Regelung wird klargestellt, dass der Versicherer auch die Haftpflichtfrage an sich überprüfen und unberechtigte Ansprüche abwehren muss. Auch dies ist in der Sache nichts Neues, denn hierzu war der Haftpflichtversicherer bereits nach dem bis zum 31.12.2007 geltenden Recht verpflichtet. 30 § 100 VVG n. F. enthält jedoch bewusst keine Definition des Versicherungsfalls, da dieser gerade in der Haftpflichtversicherung sehr unterschiedlich definiert ist. So wird z. B. zwischen dem Schadensereignis, dem Rechtsverstoß, dem Planungsfehler, dem Inverkehrbringen eines Produkts, der erstmaligen Feststellung des Schadens oder auch der Anspruchserhebung unterschieden.31
29 30 31
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 85, linke Spalte. Vgl. BGHZ 15, 154; Johannsen in Versicherungsrechtshandbuch, § 24, Rz. 10 m.w.N.; Prölss/Martin – Voit/Knappmann § 149, Rz. 4. Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, Fn. 2, § 149, Rz. 12.
D
108
Einzelne Versicherungszweige All dies bleibt auch in Zukunft möglich, die §§ 100 ff. VVG n. F. verwenden den Begriff des Schadensereignisses in einem umfassenden Sinne, der alle Versicherungsfälle in den unterschiedlichen Arten der Haftpflichtversicherung erfassen soll.32 § 101 VVG n. F. stellt klar, dass die Haftpflichtversicherung auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der durch einen Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, umfasst, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Ferner umfasst die Haftpflichtversicherung die auf Weisung des Versicherers aufgewendeten Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, welche die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnte. Dabei muss der Versicherer die Kosten auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorschießen. An dieser Regelung ändert sich auch dann nichts, wenn die oben aufgeführten Kosten zusammen mit den Aufwendungen, die der Versicherer zur Freistellung des Versicherungsnehmers erbringen musste, die vereinbarte Versicherungssumme übersteigen. Dies gilt auch für die Zinsen, die der Versicherungsnehmer infolge einer vom Versicherer veranlassten Verzögerung der Befriedigung des Dritten diesem schuldet. In § 101 Abs. 3 VVG n. F. wird klargestellt, dass der Versicherer auch eine etwaig zu erbringende Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einer gerichtlichen Entscheidung bewirken muss. Diese Verpflichtung besteht grundsätzlich nur bis zum Betrag der Versicherungssumme, es sei denn, der Versicherer ist nach § 101 Abs. 2 VVG n. F. über diesen Betrag hinaus verpflichtet, dann tritt der Versicherungssumme der Mehrbetrag hinzu. Keine Verpflichtung, eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zu bewirken, besteht dann, wenn der Versicherer den Anspruch des Dritten dem Versicherungsnehmer gegenüber als begründet anerkennt. Die Regelung ist sachlich unverändert und bringt gegenüber § 150 Abs. 3 VVG nichts Neues.33 Der bisherige § 150 Abs. 1 S. 2 VVG ist wegen der Neufassung des § 100 VVG n. F. entbehrlich.
1.1.2
Betriebshaftpflichtversicherung Die Betriebshaftpflichtversicherung ist zukünftig in § 102 VVG n. F. geregelt. Die bisherige Regelung des § 151 VVG wird gem. § 102 Abs. 1 VVG n. F. auf alle Arbeitnehmer sowie die Mitglieder des Leitungsorgans des Unternehmens erstreckt, wie dies bisher schon in den verwendeten AVB geschehen ist.34 § 102 Abs. 2 VVG n. F. stimmt mit dem bisherigen § 151 Abs. 2 VVG überein. Wird das Unternehmen – der Gesetzgeber hat sich im Hinblick auf die Terminologie des HGB für den Begriff des Unternehmens statt des Betriebs entschieden – veräußert oder auf Grund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrags oder eines ähnlichen Verhältnisses von einem Dritten übernommen, so tritt der Dritte anstelle des Versicherungsnehmers in die während der Dauer seiner Berechtigung sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Der Betrieb oder mehrere organisatorisch verbundene Betriebe können demselben Unternehmen dienen.35 In Abgrenzung zur Privathaftpflichtversicherung ist immer ein innerer ursächlicher
32 33 34 35
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 85, linke Spalte. Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 85; vgl. zur alten Regelung des § 150 III VVG Prölss/Martin – Voit/Knappmann, Fn. 2, § 150, Rz. 15. Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, Fn. 2, § 151, Rz. 10, 11. Vgl. Römer/Langheid – Langheid VVG, 2. Auflage, § 151, Rz. 1.
Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F.
109
Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb erforderlich, so dass ein lediglich gelegentlich des Geschäftsbetriebes eintretender Haftpflichtumstand nicht versichert ist.36 Eine sachliche Änderung ergibt sich aus der Verweisung auf § 97 VVG n. F., der gegenüber dem bisherigen § 71 Abs. 1 S. 2 VVG geändert wird. Nach § 97 Abs. 1 VVG n. F. kann sich der Versicherer bei unterlassener Anzeige der Übertragung des Unternehmens nur dann mit Erfolg auf Leistungsfreiheit berufen, wenn er nachweist, dass er den mit dem Veräußerer bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrag mit dem Erwerber des Unternehmens nicht geschlossen hätte.
1.1.3
Rentenanspruch Ist der Versicherungsnehmer dem Dritten zur Zahlung einer Rente verpflichtet, so ist der Versicherer gem. § 107 Abs. 1 VVG n. F. nur zur Zahlung eines verhältnismäßigen Teils der Rente verpflichtet, wenn die Versicherungssumme den Kapitalwert der Rente nicht erreicht. Nach § 107 Abs. 2 VVG n. F. erstreckt sich die Verpflichtung des Versicherers auch auf die Leistung der Sicherheit, wenn der Versicherungsnehmer für die von ihm geschuldete Rente dem Dritten kraft Gesetzes Sicherheit zu leisten hat, wobei auch hier § 107 Abs. 1 VVG n. F. entsprechend gilt. Die Vorschrift des § 107 VVG n. F. bringt in der Sache gegenüber der bisherigen Regelung des § 155 VVG nichts Neues.
1.1.4
Fälligkeit Die Fälligkeit des Deckungsanspruchs wird zukünftig in § 106 VVG n. F. geregelt, der den teilweise missverständlich formulierten § 154 Abs. 1 VVG ersetzt.37 Unklarheiten entstanden vor allen Dingen deshalb, weil die gesetzliche Vorschrift des § 154 VVG die Fälligkeit des Freistellungs- und Zahlungsanspruchs regelte, beide Elemente des einheitlichen Deckungsanspruchs aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig wurden.38 Nach § 106 Abs. 1 S. 1 VVG n. F. hat der Versicherer den Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Anspruch des Dritten mit bindender Wirkung für den Versicherer durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist, vom Anspruch des Dritten freizustellen. Damit wird klargestellt, dass ein Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich bezüglich des Anspruchs des Dritten die Fälligkeit des Freistellungsanspruchs des Versicherungsnehmers nur herbeiführen kann, wenn die Feststellung des Anspruchs des Dritten mit bindender Wirkung auch für den Versicherer erfolgt, denn dieser muss die Möglichkeit haben, die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs zu überprüfen. Wenn der Versicherungsnehmer den Dritten mit für den Versicherer bindender Wirkung befriedigt hat, so hat der Versicherer gem. § 106 Abs. 1 S. 2 VVG n. F. die Entschädigung innerhalb von zwei Wochen nach der Befriedigung des Dritten an den Versicherungsnehmer zu zahlen. Kosten, die nach § 101 VVG n. F. zu ersetzen sind, muss der Versicherer gem. § 106 S. 3 VVG n. F. innerhalb von zwei Wochen nach der Mitteilung der Berechnung zahlen. Diese Vorschrift ist sachlich nicht neu,39 sollte aber gerade auch Versicherungsmaklern Veranlassung geben, zügig dem Versicherer verauslagte Kosten mitzuteilen.
36 37 38 39
Vgl. BGH VersR 1987, 1181. Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 86. Vgl. Prölls/Martin – Voit/Knappmann, Fn. 2, § 154, Rz. 1 ff. Vgl. § 154 Abs. 1 S. 2 VVG.
D
D
110
1.1.5
Einzelne Versicherungszweige
Mehrere Geschädigte § 109 VVG n. F. stimmt sachlich mit dem bisherigen § 156 Abs. 3 VVG überein. Ist der Versicherungsnehmer gegenüber mehreren Dritten verantwortlich und übersteigen deren Ansprüche die Versicherungssumme, so muss der Versicherer diese Ansprüche nach dem Verhältnis ihrer Beträge erfüllen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 109 S. 2 VVG n. F., wonach sich bei Erschöpfung der Versicherungssumme ein bei der Verteilung nicht berücksichtigter Dritter nicht nachträglich auf § 108 Abs. 1 VVG n. F. berufen darf, wenn der Versicherer mit der Geltendmachung dieser Ansprüche nicht gerechnet hat und auch nicht rechnen musste. Nach § 108 Abs. 1 VVG n. F. sind Verfügungen des Versicherungsnehmers über den Freistellungsanspruch gegen den Versicherer dem Dritten gegenüber unwirksam. Auf diese Vorschrift wird weiter unten noch detailliert eingegangen werden.
1.1.6
Insolvenz des VN Die insolvenzrechtliche Sonderregelung des § 157 VVG wird in § 110 VVG n. F. beibehalten. Der Dritte kann wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs somit abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Mit dieser Vorschrift wird verhindert, dass der geschädigte Dritte im Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers leer ausgeht oder auf die Insolvenzquote verwiesen werden kann. Das Absonderungsrecht entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, als Absonderungsberechtigter nimmt der Dritte nicht am Insolvenzverfahren teil.40 Für Pflichtversicherungen ist die Sonderregelung in § 115 I Nr. 2 VVG n. F. zu beachten.
1.1.7
Verfügungen über den Freistellungsanspruch Gem. § 108 Abs. 1 VVG n. F. sind Verfügungen des Versicherungsnehmers über den Freistellungsanspruch gegen den Versicherer dem Dritten gegenüber unwirksam. Eine Verfügung ist wie auch sonst jede Handlung, die unmittelbar auf Änderung, Übertragung, Belastung oder Vernichtung der Entschädigungsforderung gerichtet ist.41 Das kann zum Beispiel sein: Entgegennahme der Entschädigung durch den Versicherungsnehmer, Vergleich, Verzicht, Minderung der Deckungssumme durch Entgegennahme von Kosten unter Anrechnung darauf.42 Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht dabei gem. § 108 Abs. 1 S. 2 VVG n. F. eine Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung gleich. Die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Dritten kann gem. § 108 Abs. 2 VVG n. F. nicht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen ausgeschlossen werden. In Abweichung vom bisherigen § 156 Abs. 1 VVG wird das Verfügungsverbot auf den gesamten Freistellungsanspruch erweitert. Das ist nur konsequent, denn der Freistellungsanspruch ist
40 41 42
Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, Fn. 2, § 157, Rz. 3; Römer/Langheid – Langheid, Fn. 7, § 157, Rz. 1. Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, § 156, Rz. 4. Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, § 156, Rz. 4.
Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F.
111
wesentlicher Bestandteil des Deckungsanspruchs, was auch in dem neuen § 100 VVG zum Ausdruck kommt. Nach der neuen Regelung des § 108 Abs. 2 VVG n. F. ist ein in AVB geregeltes generelles Abtretungsverbot unwirksam. Der Gesetzgeber hat die hiervon abweichende Regelung des § 7 Nr. 3 AHB für nicht interessengerecht gehalten, weil der Versicherungsnehmer durchaus ein Interesse daran haben könne, den Geschädigten an den Versicherer zu verweisen.43 Die neue Vorschrift des § 108 Abs. 2 VVG bewirkt demzufolge, dass der schädigende Versicherungsnehmer seinen Befreiungsanspruch gegen den Versicherer an den geschädigten Dritten abtreten kann, so dass dieser letztendlich seinen Anspruch direkt gegen den Versicherer geltend machen kann. Die Vereinbarung eines Abtretungsverbotes ist allerdings, wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 108 Abs. 2 VVG n. F. ergibt, nicht ausgeschlossen, wenn sie durch eine Individualvereinbarung zwischen den Parteien erfolgt. Dies dürfte in der Praxis der Ausnahmefall bleiben, denn von einer Individualvereinbarung kann nur die Rede sein, wenn der Verwender den in seinen AGB enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt.44 Ob Maklerbedingungen AGB im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB sind, ist umstritten.45 Klammert das Abtretungsverbot den Dritten aus, so bleibt es zulässig. Dies muss sich aber eindeutig aus den allgemeinen Versicherungsbedingungen ergeben. Zweifel bei der Auslegung des Abtretungsverbots gehen zu Lasten des Verwenders, also des Versicherers. In der forensischen Praxis wird § 108 Abs. 2 VVG n. F. eine erhebliche Bedeutung bekommen, denn nach der Abtretung des Befreiungsanspruchs, der sich in der Hand des Dritten in einen Zahlungsanspruch verwandelt, kann der Versicherungsnehmer die Position eines Zeugen einnehmen, wenn der Dritte den Zahlungsanspruch gegen den Versicherer durchsetzt.46 Befürchtungen, durch die Neuregelung des § 108 Abs. 2 VVG würden Manipulationen und Kollusionen Tür und Tor geöffnet, sind in dieser Allgemeinheit allerdings nicht begründet. Nach der bisherigen Prozesslage konnte der auf Manipulation bedachte Versicherungsnehmer trotz des bestehenden Anerkenntnisverbots ein „mittelbares“ prozessuales Anerkenntnis herbeiführen, indem er die von dem geschädigten Dritten im Haftungsprozess vorgetragenen, den Schadenersatzanspruch begründenden Umstände bestätigte oder schlicht und ergreifend nicht bestritt. Derart zugestandene Tatsachen sind der gerichtlichen Überprüfung entzogen, selbst wenn es sich um ein bewusst unwahres Geständnis handelt.47 Eine Ausnahme hat die Rechtsprechung nur für den Fall eines kollusiven Zusammenwirkens der Parteien zu Lasten eines Dritten, hier des Haftpflichtversicherers, angenommen. Allerdings musste in diesem Fall die Unwahrheit des Vortrags feststehen.48 Im Deckungsprozess war der Versicherer mit seiner Einwendung der vorsätzlichen Herbeiführung und/oder der Einwilligung des geschädigten Dritten in die Verletzungshandlung wegen der Bindungswirkung des Haftpflichturteils ausgeschlossen.49 Tritt nach erfolgter Abtretung des Deckungsanspruchs der Versicherungsnehmer nun nicht mehr als Partei des Haftungsprozesses, sondern als Zeuge auf, so ist seine Rolle als Zeuge in 43 44 45 46 47 48 49
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 87. Vgl. MünchKommBGB/Basedow, § 305, Rz. 34. Vgl. zum Meinungsstand Prölss/Martin – Prölss, Vorbem. I, Rz. 15. Vgl. Lange, RuS 2007, 401, 403. Vgl. Langheid, VersR 2007, 865, 868. Vgl. BGH VersR 1970, 826. Vgl. Langheid, VersR 2007, 865, 868.
D
D
112
Einzelne Versicherungszweige einem kombinierten Haftungs-/Deckungsprozess des geschädigten Dritten gegen den Versicherer eher schwächer, denn eine Zeugenaussage ist für das Gericht nicht verbindlich, sondern durch das Gericht zu würdigen. Der Tatrichter muss im Rahmen seiner Überzeugungsbildung alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und ist dabei durchaus in der Lage, einer Zeugenaussage keinen Glauben zu schenken, wenn nämlich andere Tatumstände überzeugend einen anderen Sachverhalt ergeben.50 Außerdem muss der geschädigte Dritte nach Abtretung des Deckungsanspruchs gegenüber dem Versicherer das Vorliegen des Haftungsgrundes im Wege des Vollbeweises beweisen. Er muss daher bei dem Tatrichter eine derart hohe Überzeugung herbeiführen, dass der von ihm vorgetragene Sachverhalt mit einem Maß an Gewissheit feststeht, das vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie vollständig auszuschließen. Verbleiben hier Zweifel, so geht dies zu Lasten des geschädigten Dritten. Wenn man somit berücksichtigt, dass nach der bisherigen Rechtslage ein unwahres Geständnis den Tatrichter bindet, so stellt die oben beschriebene Prozesssituation eher einer Verbesserung im Sinne einer objektivierten Wahrheitsfindung dar.51 Auch nach Abtretung des Deckungsanspruchs bleibt die gegen den Versicherer erhobene Klage eine Deckungsklage, in der zwar auch grundsätzlich die Frage der Haftung geklärt werden kann, doch macht dies den Deckungsprozess nicht zu einem Haftpflichtprozess.52 Entscheidungen im Deckungsprozess führen daher auch nicht zu einer Bindungswirkung für den Haftpflichtprozess.53
1.2
Ausschluss und Obliegenheiten § 103 VVG n. F. ersetzt die bisherige Regelung des § 152 VVG. Er stellt klar, dass sich der Vorsatz anders als z. B. bei § 823 BGB nicht nur auf die Handlung, sondern auch auf die Schadenfolgen beziehen muss, um deckungsschädliche Auswirkungen zu haben. Das war nach der bisherigen Regelung des § 152 VVG unklar. 54
Beispiel A und B geraten in einem Wirtshaus in eine Schlägerei. B ist Brillenträger, der A schlägt dem B mit der Faust ins Gesicht. Dabei zersplittert die Brille, ein Brillensplitter dringt tief in das Auge des B ein mit der Folge, dass dieser auf dem Auge erblindet. Ohne Zweifel hat A den B vorsätzlich geschlagen, ob er aber auch die Folge der Erblindung mit in seinen Vorsatz aufgenommen hat, wäre im Einzelfall zu klären.
An der Definition des Vorsatzes hat sich auch nach der VVG-Reform nichts geändert. Vorsatz ist demnach Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges, wobei bedingter Vorsatz genügt. Der VN muss den Erfolg als möglich vorausgesehen und für den Fall des Eintritts gebilligt haben, wenn auch nicht in allen Einzelheiten.55 Die Vorschrift des § 103 VVG n. F. ist gem. § 112 VVG abdingbar (auch durch AVB), denn § 103 VVG n. F. wird in § 112 VVG n. F. nicht erwähnt. Die Parteien des Versicherungsver50 51 52 53 54 55
Vgl. Zöller – Greger, § 286 ZPO, Rz. 13. Vgl. Langheid, VersR 2007, 865, 869. Vgl. Lange, a. a. O. Vgl. Lange, RuS 2007, 401, 404; Langheid, VersR 2007, 865, 867. Vgl. Marlow/Spuhl, S. 127; Römer, VersR 2006, 865. Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, § 152, Rz. 2.
Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F.
113
trags haben demzufolge die Möglichkeit, einen Leistungsausschluss auch bei milderen Schuldformen (z. B. grobe Fahrlässigkeit) zu vereinbaren. Ein solcher Ausschluss dürfte allerdings am Markt kaum durchsetzbar sein. Er stellt eine Verkürzung des vom Gesetzgeber gewollten Versicherungsschutzes dar. Nach § 104 Abs. 1 VVG n. F. hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer innerhalb einer Woche die Tatsachen anzuzeigen, die seine Verantwortlichkeit gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnten. Macht der Dritte seinen Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend, so muss der Versicherungsnehmer dies innerhalb einer Woche, gerechnet ab der Geltendmachung, dem Versicherer anzeigen. Diese Regelung stimmt mit dem bisherigen § 153 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VVG überein. Für den Beginn der Frist nach § 104 Abs. 1 S. 1 VVG n. F. kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem der Versicherungsnehmer weiß oder damit rechnet, dass er von einem Dritten wegen der den eingetretenen Schaden verursachenden Tatsachen in Anspruch genommen werden kann. Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, Prozesskostenhilfe beantragt oder ihm gerichtlich der Streit verkündet, so muss er auch dies dem Versicherer unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Verzögern, anzeigen, § 104 Abs. 2 S. 1 VVG n. F. Dies gilt auch, wenn gegen den Versicherungsnehmer wegen des den Anspruch begründenden Schadenereignisses ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Der Begriff des Schadenereignisses ist weit auszulegen. Verfahren, die sich nicht gegen den Versicherungsnehmer, sondern gegen einen Mitversicherten richten, erfasst die Vorschrift nicht.56 Die in § 104 Abs. 2 S. 1 VVG n. F. geregelten Zeitpunkte werden sich im Zweifelsfalle präzise nachhalten lassen. Für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gem. § 104 Abs. 2 S. 2 VVG n. F. gilt dies aber in aller Regel nicht. Gem. § 104 Abs. 3 VVG n. F. genügt zur Wahrung der Fristen nach §§ 104 Abs. 1 und 2 VVG n. F. die rechtzeitige Absendung der Anzeige, für die Fristwahrung kommt es daher nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs an. Gleichwohl muss die Anzeige dem Versicherer natürlich zugehen. Nach § 104 Abs. 3 S. 2 VVG n. F. gilt § 30 Abs. 2 VVG n. F. entsprechend. Der Versicherer kann sich demzufolge nicht auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Anzeigeobliegenheit berufen, wenn er anderweitig von den anzeigepflichtigen Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Darüber hinaus gilt bei Verletzung der Anzeigepflicht § 28 VVG n. F., wenn vertraglich eine entsprechende Obliegenheit des Versicherungsnehmers zur Anzeige vorgesehen ist, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann. Nach § 105 VVG n. F. ist eine Vereinbarung, wonach der Versicherer leistungsfrei ist, wenn ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder dessen Anspruch anerkennt, unwirksam. Dies stellt eine wesentliche Neuerung dar, denn ein solches die Leistungsfreiheit begründendes Anerkenntnisverbot ist heute regelmäßig in Haftpflichtversicherungsbedingungen enthalten (z. B. § 5 Nr. 5 AHB 2004 i. V. m. § 6 I AHB 2004) und hat sehr große praktische Bedeutung.57 Das bisherige in § 154 Abs. 2 VVG geregelte Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot ist gefallen, da der Gesetzgeber diese Regelung auch unter Berücksichtigung der Interessen des Versicherers für unangemessen gehalten hat, weil der Versicherungsnehmer seinen Befreiungsanspruch nicht durch Anerkenntnis oder Befriedigung auch insoweit verlieren soll, als er ohne sein voreiliges Verhalten bestanden hätte. 58 56 57 58
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 85, rechte Spalte. Vgl. BGH VersR 2004, 634; OLG Hamm VersR 2996, 829. Vgl. BT Drucksache 16/3945, S. 86.
D
D
114
Einzelne Versicherungszweige Allerdings soll § 105 VVG n. F. dem Versicherungsnehmer nicht die Befugnis einräumen, zu Gunsten des Dritten den Versicherer zu belasten, denn dies ginge auch auf Kosten der Versichertengemeinschaft. Anerkenntnis und Befriedigung sollen lediglich ohne Einfluss auf den Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer bleiben. Verspricht der Versicherungsnehmer demzufolge dem Dritten mehr, als diesem nach materiellem Haftungsrecht zusteht, so geht dieser Mehrbetrag immer zu Lasten des Versicherungsnehmers. Der Versicherer muss den Versicherungsnehmer also nur von dem Anspruch freistellen, den der Geschädigte ohne das Anerkenntnis gehabt hätte.
Beispiel Der VN schädigt einen Dritten und verursacht einen Schaden in Höhe von objektiv 10.000 €. Der Dritte errechnet aber einen Schadenersatz in Höhe von 15.000 €, den der VN aufgrund der langjährigen Geschäftsverbindung mit dem Dritten anerkennt. Der Versicherer ist nur verpflichtet, 10.000 € zu zahlen.
Selbstverständlich hat der Versicherer die Möglichkeit, die anerkannte Forderung auch für das Deckungsverhältnis zu akzeptieren. Im Ergebnis werden haftpflichtrechtliche Einwendungen im Deckungsprozess zukünftig eine weitaus größere Rolle spielen. Die Prozessführungsautonomie des Versicherers wird verkürzt.
1.3
Kündigungsrecht Gem. § 111 Abs. 1 S. 1 VVG n. F. kann jede Vertragspartei das Versicherungsverhältnis kündigen, wenn der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalls den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Freistellung anerkannt oder zu Unrecht abgelehnt hat. Dies gilt gem. § 111 Abs. 1 S. 2 VVG n. F. auch dann, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Weisung erteilt hat, es zum Rechtsstreit über den Anspruch des Dritten kommen zu lassen. Gem. § 111 Abs. 2 VVG n. F. ist die Kündigung nur innerhalb eines Monats seit Anerkennung oder Ablehnung des Freistellungsanspruchs oder seit Rechtskraft des im Rechtsstreit mit dem Dritten ergangenen Urteils zulässig. Die Verweisung auf die Parallelregelung in § 92 Abs. 2 S. 2 und 3 VVG n. F. über die Auswirkungen des Kündigungsrechts dient der redaktionellen Vereinfachung. Die Kündigungsregelung des § 111 Abs. 1 VVG n. F. stimmt sachlich mit § 158 Abs. 1 VVG überein, berücksichtigt darüber hinaus aber auch den neuen Wortlaut des § 100 VVG n. F. Der Gesetzgeber hat in § 111 Abs. 1 VVG n. F. nunmehr klargestellt, dass der Versicherungsnehmer bei Leistungsverweigerung des Versicherers zur Kündigung nur berechtigt ist, wenn der Versicherungsnehmer tatsächlich einen Freistellungsanspruch gegen den Versicherer hat. Die bisher in § 156 Abs. 3 VVG getroffene Regelung entfällt, vielmehr gilt nun § 39 Abs. 1 VVG n. F. Auch hier ist der Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie demnach aufgegeben worden.
1.4
Halbzwingendes Recht. Die oben dargestellten Vorschriften sind im Wesentlichen halbzwingend. Wie bereits oben ausgeführt, gilt dies nicht für § 103 VVG n. F. Diese Vorschrift ist abdingbar. Nicht abdingbar sind auch die besonderen Vorschriften über die Pflichtversicherung in den §§ 113 – 124 VVG n. F.
Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F.
1.5
115
Pflichtversicherung Die Pflichtversicherung ist, soweit die Haftpflichtversicherung betroffen ist, in den §§ 113 – 124 VVG n. F. geregelt. Die Vorschriften sind zwingend, was aus der Rechtsnatur der Vorschriften folgt und aus diesem Grunde vom Gesetzgeber nicht noch einmal ausdrücklich klargestellt wurde.59 Pflichtversicherungen kommen in der Praxis häufig vor. Nicht alle Pflichtversicherungen betreffen die Haftpflichtversicherung. Auch andere Sparten kennen Pflichtversicherungen. Exemplarisch seien genannt:
Unfallbereich Versicherung für Teilnehmer an klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln und Medizinprodukten am Menschen (§ 40 AMG und § 20 MPG) Passagier-Unfallversicherung (§ 50 LuftVG)
Transportgüter Gewerblicher Güterkraftverkehr (§ 7 GüKG)
Haftpflicht für Landfahrzeuge mit eigenem Antrieb Kfz-Haftpflicht für Kraftfahrzeughalter (§ 1 PflVG) Ausländische Kraftfahrzeuge (§ 1 AuslPflVG) Abfalltransport (§ 7 TgV) Betrieb von privaten Eisenbahnen (§ 26 AEG)
Luftfahrzeughaftpflicht Luftverkehrsunternehmen (§ 2 LuftVG)
Binnensee- und Fluss-Schifffahrt Ölschadenhaftpflicht im Seeverkehr (§ 2 ÖlSG) Sportboote (Anlage 7 zu § 9 Sportbootvermietungs-Verordnung)
Allgemeine Haftpflicht Abgassonder-Untersuchungen und Sicherheitsprüfungen durch anerkannte Kfz-Werkstätten (§ 47 StVZO) Anerkennung von Lehrgängen (§ 33 1. SprengV) Abfallverbringung (§ 7 AbfVerbrG) Produkthaftpflicht für Arzneimittelhersteller (§§ 88 und 94 AMG) Beförderung gefährlicher Güter (§ 3 GGbefG) Betreiber umweltgefährdender Anlagen (§ 19 UmweltHG) Betreiber von gentechnischen Anlagen (§ 36 GenTG)
59
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 87.
D
D
116
Einzelne Versicherungszweige Betreiber von Schießstätten (§ 27 WaffG) Betreuungsvereine (§ 1908 f. BGB) Betriebssicherheit/Überwachungsstellen (§ 21 BetrSichV) Bewachungsgewerbe (§ 34a GewO) Bodenabfertigungs-Dienste auf Flugplätzen (§ 3 BADV) Deponien (§ 19 DepV) Eichwesen/Prüfstelle (§ 63 Eichordnung) Entsorgungsfachbetriebe (§ 6 EfbV) Gassystem-Einbauprüfungen und Gasanlagen-Prüfungen durch Kfz-Betriebe (Anlage VIIIa StVZO) Jäger (§ 17 Bundesjagdgesetz) Kernkraftwerke und sonstige Besitzer von Kernbrennstoffen (§ 13 AtG) Krankenpflegeschüler/Lernschwestern (§ 8 KrPflV) Lohnsteuerhilfevereine (§ 25 StBerG) Makler und Bauträger (§ 2 MaBV) Notare (§§ 19a und 67 BNotO) Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige (§ 36 GewO) Patentanwälte (§ 45 PatAnwO) Pharmazeutische Unternehmer (§§ 88 und 94 AMG) Prüfingenieur für Baustatik (§ 15 BauPÜAnO) Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstellen (§ 7 BauPGHeizkesselV) Rechtsanwälte (§ 51 BRAO, § 7 EuRAG) Schaustellergeschäfte (§ 55f GewO) Überwachungsstellen nach Geräte- und Produktsicherheits-Gesetz (§ 17 GPSG) Steuerberater, -bevollmächtigte, Steuerberatungs-Gesellschaften (§ 67 StBerG) Technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (§ 3 GPSG) Träger der Entwicklungshilfe zugunsten Entwicklungshelfer (§ 6 EhfG) Überwachungsorganisationen (Anlage VIIIb StVZO) Versicherungsvermittler und -berater (§ 9 VersVermV) Waffenschein, Schießerlaubnis (§ 4 WaffG) Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaften (§§ 1 und 2 WPBHV)
Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F.
117
Zertifizierungsanbieter (§ 9 SigV) Zwangsverwalter (§ 1 ZwVwV) Die nachfolgenden Vorschriften betreffen nur die als Pflichtversicherung ausgestaltete Haftpflichtversicherung.
1.5.1
Generelle Anforderungen an den Versicherungsschutz Gem. § 113 Abs. 1 VVG n. F. ist eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine Verpflichtung durch Rechtsvorschrift besteht, mit einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen abzuschließen. § 113 Abs. 1 VVG n. F. enthält demzufolge eine Legaldefinition der Pflichtversicherung. Es muss sich um eine Haftpflichtversicherung handeln, zu deren Abschluss eine Verpflichtung durch Rechtsvorschrift besteht. Die Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung kann sich nicht nur aus einem Gesetz im formellen Sinne, sondern auch aus einer Rechtsverordnung, einer Satzung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder einer EU-Verordnung ergeben. § 113 Abs. 1 VVG n. F. stellt klar, dass ein Vertrag über eine Pflichtversicherung auch bei einem Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des europäischen Wirtschaftsraums gem. § 110 a VAG genommen werden kann. Nach § 113 Abs. 2 VVG n. F. hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Versicherungssumme zu bescheinigen, dass eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift entsprechende Pflichtversicherung besteht. Diese Vorschrift stimmt sachlich mit § 158 b Abs. 2 VVG überein, wobei § 158 Abs. 2 S. 2 VVG gestrichen ist. § 113 Abs. 3 VVG n. F. stellt klar, dass die Vorschriften des Abschnitts 2 über die Pflichtversicherung auch insoweit anzuwenden sind, als der Versicherungsvertrag eine über die vorgeschriebene Mindestanforderungen hinausgehende Deckung gewährt.
Beispiel Ein Versicherungsvermittler schließt eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von 4 Mio. € für jeden Schadenfall und 8 Mio. € für alle Schadenfälle eines Jahres ab.
§ 113 Abs. 3 VVG n. F. schließt den Abschluss getrennter Versicherungsverträge nicht aus. In vielen Bereichen ist der Abschluss getrennter Versicherungsverträge derzeit schon üblich, so werden durchaus für bestimmte Haftpflichtrisiken zusätzlich zu der Grunddeckung sog. Objektdeckungen gewährt. § 114 Abs. 1 VVG n. F. regelt die für Pflichtversicherungen geltende Mindestversicherungssumme, soweit durch Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist. Diese beträgt 250.000,00 € je Versicherungsfall und 1 Mio. € für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres.
D
D
118
Einzelne Versicherungszweige Nach § 114 Abs. 2 VVG n. F. kann der Versicherungsvertrag Inhalt und Umfang der Pflichtversicherung näher bestimmen, soweit dadurch die Erreichung des jeweiligen Zwecks der Pflichtversicherung nicht gefährdet wird und durch Rechtsvorschrift nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.60 Nach § 114 Abs. 2 S. 1 VVG n. F. bleibt es demzufolge aber auch in Zukunft zulässig, Vereinbarungen über Begrenzungen des Versicherungsschutzes durch Risikoausschlüsse oder Selbstbehalte zu treffen. Allerdings darf die Begrenzung der Deckung eben nicht dazu führen, dass der mit der Einführung einer Pflichtversicherung verfolgte Zweck, der zumindest auch in der Sicherung der Interessen des Geschädigten liegt, nicht mehr erreicht werden kann.61 Die Interessen des Geschädigten werden demzufolge bei einer Inhaltskontrolle der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die Pflichtversicherungen zugrunde liegen, in Zukunft eine besondere Bedeutung bekommen. Nach § 114 Abs. 2 S. 2 VVG n. F. kann ein Selbstbehalt des Versicherungsnehmers dem Anspruch des Dritten nach § 115 Abs. 1 i. V. m. § 117 Abs. 1 VVG n. F. nicht entgegengehalten und gegenüber einer mitversicherten Person nicht geltend gemacht werden. Der Versicherer muss den Dritten ohne Abzug eines Selbstbehaltes entschädigen und bei einem etwaigen Rückgriff bei dem Versicherungsnehmer dessen Insolvenzrisiko tragen. Der Selbstbehalt hat demzufolge im Rahmen der Pflichtversicherung nur eine Wirkung im Innenverhältnis.
1.5.2
Direktanspruch Die Einführung eines Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer ist eine weitere wesentliche Änderung in der Haftpflichtversicherung. Sie ist das Kernstück der VVG-Reform im Bereich der Pflichtversicherung.62 Nach § 115 Abs. 1 VVG n. F. kann der Dritte seinen Anspruch auf Schadenersatz auch gegen den Versicherer direkt geltend machen,
1. wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder 2. wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder 3. wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist. Das ursprüngliche Vorhaben der Bundesregierung, bei Pflichtversicherungen einen allgemeinen Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer einzuführen, wurde damit nicht umgesetzt.63 Für die Auslegung des Begriffs „unbekannt“ kann auf Auslegungsergebnisse bzgl. des entsprechenden Begriffs in § 185 I ZPO zurückgegriffen werden. Unbekannt ist demnach der Aufenthalt des Versicherungsnehmers, wenn er nicht nur dem geschädigten Dritten, sondern allgemein unbekannt ist. Der Geschädigte muss demnach alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um den Aufenthalt des Versicherungsnehmers zu ermitteln.64 An die Feststellung der
60
Vorschriften zum Inhalt einer Pflichtversicherung enthält zum Beispiel § 9 VersVermV. Vor diesem Hintergrund ist z. B. die in Vermögenschadenhaftpflichtversicherungsverträgen von Versicherungsvermittlern häufig anzutreffende Angehörigenklausel bedenklich, denn warum sollte ein Angehöriger eines Versicherungsvermittlers weniger schutzbedürftig sein. 62 Vgl. Marlow/Spuhl, S. 131. 63 Vgl. hierzu BT-Drucksache 16/3945, S. 25. 64 Vgl. Marlow/Spuhl, S. 132. 61
Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F.
119
Voraussetzungen sind durchweg hohe Anforderungen zu stellen. Eingehende, aber nicht unzumutbare Ermittlungen und Nachweise sind nötig. Stets erforderlich sind: Auskünfte der Meldebehörde, des letzten Vermieters bzw. früheren Hausgenossen und etwa bekannter Verwandter, im Einzelfall kann eine Nachfrage beim Ο
Zustellpostamt,
Ο
Nachmieter,
Ο
Nachbarn und
Ο
letzten Arbeitgeber geboten sein.
Ο
Gleiches gilt für eine Anfrage • bei einer Haftanstalt, • bei der Polizeidienststelle sowie • bei Sozialversicherungsbehörden.65
Dabei besteht der Direktanspruch im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen des § 117 Abs. 1 bis 4 VVG n. F. Versicherer und ersatzpflichtiger Versicherungsnehmer haften gem. § 115 Abs. 1 S. 4 VVG n. F. als Gesamtschuldner. Das bedeutet, dass der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Gesamtschuldner ganz oder zu einem Teil fordern kann. Sind die besonderen Voraussetzungen eines Direktanspruchs erfüllt, so kann der Dritte demnach nicht nur den Versicherungsnehmer, sondern auch dessen Haftpflichtversicherer in Anspruch nehmen. Dies wird in der Praxis eine große Bedeutung bekommen, denn oft sträubt sich der Geschädigte, den Versicherungsnehmer persönlich in Regress zu nehmen. Da zu dem hinter diesem stehenden Haftpflichtversicherer in der Regel keine besondere persönliche Beziehung besteht, wird der neu eingeführte Direktanspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem gesteigerten Prozessaufkommen führen. Gem. § 115 Abs. 1 S. 3 VVG n. F. muss der Versicherer den Schadenersatz in Geld leisten. Die Vorschrift führt in der Sache auch wirtschaftlich einen Direktanspruch, wie er in der KfzHaftpflichtversicherung bereits besteht, generell für alle Pflichtversicherungen, allerdings mit den oben beschriebenen Einschränkungen ein. Das hat zur Folge, dass für diesen Bereich die Trennung zwischen Haftpflichtprozess und Deckungsprozess aufgehoben wird. Der Direktanspruch gem. § 115 Abs. 1 VVG n. F. unterliegt gem. § 115 Abs. 2 S. 1 VVG n. F. der gleichen Verjährung wie der Schadenersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. § 115 Abs. 2 VVG n. F. führt insgesamt zu einem Gleichlauf der Verjährungsfrist des Direktanspruchs einerseits und des gegen den Versicherungsnehmer bestehenden Schadenersatzanspruchs andererseits.
65
Vgl. Zöller – Stöber, § 185 ZPO, Rz. 2.
D
D
120
1.5.3
Einzelne Versicherungszweige
Innenverhältnis der Gesamtschuldner Nach § 116 Abs. 1 S. 1 VVG n. F. ist im Verhältnis der Gesamtschuldner (nach § 115 Abs. 1 S. 4 VVG n. F.) zueinander der Versicherer allein verpflichtet, soweit er dem Versicherungsnehmer aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist. Diese Vorschrift betrifft also das sogenannte Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer. Besteht im Innenverhältnis keine Eintrittspflicht des Versicherers, so regelt § 116 Abs. 1 S. 2 VVG n. F., dass in ihrem Verhältnis zueinander der Versicherungsnehmer allein verpflichtet ist. Schließlich kann der Versicherer gem. § 116 Abs. 1 S. 3 VVG n. F. Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Diese Vorschrift regelt demzufolge ebenfalls das Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern und übernimmt die Regelungen des § 3 Nr. 9 PflVersG in § 116 Abs. 1 und 2 VVG n. F. bzw. des § 3 Nr. 10 S. 2 PflVersG in § 116 Abs. 1 S. 3 VVG n. F. Die Verjährung der sich aus § 116 Abs. 1 VVG n. F. ergebenden Ansprüche beginnt nach § 116 Abs. 2 VVG n. F. mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch des Dritten erfüllt wird. Die Verjährungsfrist beträgt somit abweichend vom bisherigen § 3 Nr. 11 S. 1 PflVersG in Anlehnung an § 195 BGB drei Jahre.
1.5.4
Außenverhältnis zum Dritten Dem Direktanspruch des Dritten nach § 115 VVG n. F. kann nicht entgegengehalten werden, dass der Versicherer dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer nicht oder nur teilweise zur Leistung verpflichtet ist, § 117 Abs. 1 VVG n. F. Diese Vorschrift entspricht von ihrer Zielrichtung her dem bereits heute für die Pflichtversicherung geltenden § 158 c Abs. 1 VVG und regelt demzufolge die Rechtsverhältnisse bei einem sogenannten kranken Versicherungsverhältnis. Für Einwendungen, die den Umfang des vertraglichen Versicherungsschutzes betreffen, gilt allerdings die Vorschrift des § 117 Abs. 3 VVG n. F. Auch der Fall des § 103 VVG n. F. (keine Leistungspflicht wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls) wird daher von § 117 Abs. 3 VVG n. F. und nicht von § 117 Abs. 1 VVG n. F. erfasst.66 Die in § 117 Abs. 2 VVG n. F. getroffene Regelung stimmt sachlich mit dem bisherigen § 3 Nr. 5 PflVersG überein. Ein Umstand, der das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, kann dem Direktanspruch des geschädigten Dritten nur entgegengehalten werden, wenn das Schadenereignis später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem der Versicherer diesen Umstand der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat. Dies gilt nach § 117 Abs. 2 S. 2 VVG n. F. auch, wenn das Versicherungsverhältnis durch Zeitablauf endet. Dabei beginnt der Lauf der o. g. Frist nicht vor Beendigung des Versicherungsverhältnisses. Ein Umstand, der das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses durch Zeitablauf kann dem Direktanspruch des Dritten auch dann entgegengehalten werden, wenn vor dem Zeitpunkt des Schadenereignisses der hierfür zuständigen Stelle die Bestätigung einer entsprechend den Rechtsvorschriften abgeschlossenen neuen Versicherung zugegangen ist. Die oben beschriebenen Vorschriften des § 117 Abs. 2 VVG n. F. gelten nicht, wenn eine zur Entgegennahme der Anzeige nach S. 1 zuständige Stelle nicht bestimmt ist.
66
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 89.
Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F.
121
§ 117 Abs. 3 VVG n. F. stimmt sachlich mit § 158 c Abs. 3 und 4 VVG, § 3 Nr. 6 1. Hs. PflVersG überein. In den oben beschriebenen Fällen der Absätze 1 und 2 ist der Versicherer demzufolge nur im Rahmen der vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme und der von ihm übernommenen Gefahr zur Leistung verpflichtet. Er ist leistungsfrei, soweit der Dritte Ersatz seines Schadens von einem anderen Schadensversicherer oder von einem Sozialversicherungsträger erlangen kann. Eine Sonderregelung zu dem vorgenannten Satz ist für die KfzHaftpflichtversicherung in dem neu gefassten § 3 PflVersG enthalten.67 Im Übrigen gilt, dass sich die nach § 117 Abs. 3 S. 1 VVG n. F. maßgebliche Mindestversicherungssumme in erster Linie nach der die Pflichtversicherung anordnenden Rechtsnorm, hilfsweise nach § 114 Abs. 1 VVG n. F. bestimmt. Nach § 117 Abs. 3 S. 1 VVG n. F. können Risikoausschlüsse dem Direktanspruch des Dritten entgegengehalten werden, da die Leistungspflicht des Versicherers nicht weitergehen kann als bei einem ordnungsgemäßen Versicherungsverhältnis. Aufgabe der die Versicherungspflicht anordnenden Stelle ist es aber, den notwendigen Umfang des zu vereinbarenden Versicherungsschutzes festzulegen und dabei auch unter Berücksichtigung des mit der Einführung verfolgten Schutzzwecks zu entscheiden, ob und ggf. welche Risikoausschlüsse vereinbart werden dürfen. Auch an dieser Stelle wird zu berücksichtigen sein, dass Zweck der Pflichtversicherung immer auch ist, dem Geschädigten einen verhandlungs- und zahlungsbereiten weitgehend insolvenzsicheren Schuldner zu sichern.68 Bestätigt der Versicherer gegenüber dem Dritten zu Unrecht das Bestehen einer vorgeschriebenen Versicherung, so kann dies zu einer Haftung des Versicherers gegenüber dem Dritten auf Schadenersatz führen. Die Vorschrift des § 117 Abs. 4 VVG n. F. stimmt sachlich mit § 158 c Abs. 5 VVG a. F. überein. Trifft die Leistungspflicht des Versicherers nach Abs. 1 oder Abs. 2 mit einer Ersatzpflicht auf Grund fahrlässiger Amtspflichtverletzung zusammen, wird die Ersatzpflicht nach § 839 Abs. 1 BGB im Verhältnis zum Versicherer nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Voraussetzungen für die Leistungspflicht des Versicherers vorliegen. § 117 Abs. 4 S. 1 VVG n. F. gilt allerdings nicht, wenn der Beamte nach § 839 BGB persönlich haftet. Damit hat der Gesetzgeber ein Auslegungsproblem im Sinne der Rechtsprechung des BGH entschieden. Die Vorschrift betrifft allerdings nur das Innenverhältnis zwischen dem Haftpflichtversicherer einerseits und der haftenden Körperschaft andererseits. Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, so endet das Versicherungsverhältnis gem. § 117 Abs. 5 S. 1 VVG n. F. mit Ablauf eines Monats, nachdem der Insolvenzverwalter diesen Umstand der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es der Insolvenzmasse gegenüber wirksam. Ist eine zur Entgegennahme der Anzeige nach § 117 Abs. 5 S. 1 VVG n. F. zuständige Stelle nicht bestimmt, endet das Versicherungsverhältnis einen Monat nach der Benachrichtigung des Versicherungsnehmers von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wobei die Benachrichtigung der Textform bedarf. Diese Regelung ist erforderlich, um zum einen der für die Überwachung der Versicherungspflicht zuständigen Stelle zu ermöglichen, in angemessener Zeit die sich aus der Beendigung 67
68
§ 3 PflichtVersG-neu lautet: „Ist der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht zur Leistung verpflichtet, weil das Fahrzeug den Bau- und Betriebsvorschriften der Straßenverkehrszulassungsverordnung nicht entsprach oder von einem unberechtigten Fahrer oder von einem Fahrer ohne die vorgeschriebene Fahrerlaubnis geführt wurde, kann der Versicherer den Dritten abweichend von § 117 Abs. 3 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes nicht auf die Möglichkeit verweisen, Ersatz seines Schadens von einem Dritten oder einem Sozialversicherungsträger zu erlangen. Soweit der Dritte jedoch von einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 von der Versicherungspflicht befreiten Fahrzeughalter Ersatz seines Schadens verlangen kann, entfällt die Leistungspflicht des Versicherers.“ Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 89.
D
D
122
Einzelne Versicherungszweige des Versicherungsverhältnisses ergebenden Konsequenzen zu ziehen, und auf der anderen Seite aber sicherzustellen, dass auch während dieser Zeit der mit der Versicherungspflicht bezweckte Opferschutz gewährleistet ist.
1.5.5
Aufteilung der Versicherungssumme bei mehreren Anspruchsberechtigten Übersteigen die Ansprüche auf Schadenersatz, der auf Grund desselben Schadenereignisses zu leisten ist, die Versicherungssumme, so wird gem. § 118 Abs. 1 VVG n. F. die Versicherungssumme nach folgender Rangfolge und bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge an die Ersatzberechtigten ausgezahlt: 1. Ansprüche wegen Personenschäden, soweit die Geschädigten nicht vom Schädiger, von einem anderen Versicherer als dessen Haftpflichtversicherer, einem Sozialversicherungsträger oder einem sonstigen Dritten Ersatz ihrer Schäden erlangen können, 2. Ansprüche wegen sonstiger Schäden natürlicher oder juristischer Personen des Privatrechts, soweit die Geschädigten nicht vom Schädiger, einem anderen Versicherer als dessen Haftpflichtversicherer oder einem Dritten Ersatz ihrer Schäden erlangen können, 3. Ansprüche, die nach Privatrecht auf Versicherer oder sonstige Dritte wegen Personen- oder sonstiger Schäden übergegangen sind, 4. Ansprüche, die auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind, 5. alle sonstigen Ansprüche. Ist die Versicherungssumme unter Berücksichtigung nachrangiger Ansprüche erschöpft, so kann sich gem. § 118 Abs. 2 VVG n. F. ein vorrangig zu befriedigender Anspruchsberechtigter, der bei der Verteilung nicht berücksichtigt worden ist, nicht nachträglich auf § 118 Abs. 1 VVG n. F. berufen, wenn der Versicherer mit der Geltendmachung dieses Anspruchs nicht gerechnet hat und auch nicht rechnen musste. Diese Vorschrift ist erforderlich, weil im Einzelfall Schadenfälle vorliegen können, deren Volumen die gesetzlich vorgeschriebene Mindestversicherungssumme übersteigt. Mit § 118 Abs. 2 VVG n. F. soll vermieden werden, dass das Verteilungsverfahren nachträglich korrigiert werden muss. Dies würde zu in der Praxis kaum lösbaren Rückabwicklungsproblemen führen.69
1.5.6
Obliegenheiten des Dritten Der Dritte hat ein Schadenereignis, aus dem er einen Direktanspruch herleiten will, gem. § 119 Abs. 1 VVG n. F. dem Versicherer innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von dem Schadenereignis Kenntnis erlangt hat, in Textform anzuzeigen, wobei die rechtzeitige Absendung zur Fristwahrung genügt. Macht der Dritte den Anspruch gegen den Versicherungsnehmer gerichtlich geltend, so hat er dies dem Versicherer gem. § 119 Abs. 2 VVG n. F. unverzüglich, also ohne schuldhaftes Verzögern, in Textform anzuzeigen. Schließlich kann der Versicherer von dem Dritten Auskünfte verlangen, soweit dies zur Feststellung des Schadenereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist. Dazu gehört auch das Beibringen von Belegen, soweit deren Beschaffung dem Dritten billigerweise zugemutet werden kann, § 119 Abs. 3 S. 1 und 2 VVG n. F. § 119 Abs. 1 VVG n. F. stimmt mit der bisherigen Regelung in § 3 Nr. 7 PflVersG überein.
69
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 89.
Haftpflichtversicherung, §§ 100 – 124 VVG n. F.
123
Ist dem Dritten unverschuldet nicht bekannt, wer Haftpflichtversicherer ist, so ist die Fristversäumung unverschuldet. § 119 Abs. 2 VVG n. F. entspricht inhaltlich dem bisherigen § 158 d Abs. 2 VGG. Lediglich das Schriftformerfordernis wird, wie auch sonst an vielen Stellen des VVG, durch die Textform ersetzt. § 119 Abs. 3 VVG n. F. entspricht sachlich § 158 d Abs. 3 VVG, auf den der bisherige § 3 Nr. 7 S. 2 PflVersG verweist. Verletzt der Dritte schuldhaft die oben beschriebenen Obliegenheiten nach § 119 Abs. 2 oder 3 VVG n. F., so beschränkt sich die Haftung des Versicherers nach den §§ 115 und 117 VVG n. F. auf den Betrag, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Obliegenheit zu leisten gehabt hätte, sofern der Dritte vorher ausdrücklich und in Textform auf die Folgen der Obliegenheitsverletzungen hingewiesen worden ist. Diese Vorschrift stimmt sachlich mit § 158 e Abs. 1 VVG i. V. m. § 3 Nr. 7 S. 2 PflVersG überein. §§ 119, 120 VVG n. F. sollten in der Regulierungspraxis keine Schwierigkeiten bereiten, denn der Dritte, der seinen Direktanspruch gegen den Versicherer durchsetzen will, wird schon im eigenen Interesse bestrebt sein, möglichst bald aussagekräftige Belege vorzulegen, damit die Regulierung erfolgen kann.
1.5.7
Rückgriff bei mehreren Versicherten Ist bei einer Versicherung für fremde Rechnung der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber nicht zur Leistung verpflichtet, so kann er dies nach § 123 Abs. 1 VVG n. F. einem Versicherten, der zur selbstständigen Geltendmachung seiner Rechte aus dem Versicherungsvertrag befugt ist, nur entgegenhalten, wenn die der Leistungsfreiheit zugrunde liegenden Umstände in der Person dieses Versicherten vorliegen oder wenn diese Umstände dem Versicherten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt waren. Der Umfang der Leistungspflicht nach § 123 Abs. 1 VVG n. F. bestimmt sich gem. § 123 Abs. 2 VVG n. F. nach § 117 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F., wobei § 117 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F. nicht anzuwenden ist. § 117 Abs. 4 VVG n. F. ist nach § 123 Abs. 2 VVG n. F. entsprechend anzuwenden. Soweit der Versicherer nach § 123 Abs. 1 VVG n. F. leistet, kann er beim Versicherungsnehmer Rückgriff nehmen, § 123 Abs. 3 VVG n. F. Diese Vorschriften stimmen sachlich mit § 158 i VVG überein. Die Vorschriften des § 123 Abs. 1 – 3 VVG neu sind entsprechend anzuwenden, wenn die Frist nach § 117 Abs. 2 Satz 1 und 2 VVG n. F. noch nicht abgelaufen ist oder der Versicherer die Beendigung des Versicherungsverhältnisses der hierfür zuständigen Stelle nicht angezeigt hat, § 123 Abs. 4 VVG n. F. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift wird somit gegenüber § 158 i VVG erweitert. Hintergrund ist, dass die bisherige Regelung des § 158 i VVG dem Mitversicherten Versicherungsschutz gewährte, wenn der Versicherer wegen einer von diesem nicht zu vertretenden und ihm auch nicht bekannten Pflicht- oder Obliegenheitsverletzung dem Versicherungsnehmer gegenüber leistungsfrei, dem geschädigten Dritten gegenüber aber leistungspflichtig war. Diese Regelung setzt allerdings ein bestehendes Versicherungsverhältnis voraus und gewährt dem Mitversicherten, der von der Beendigung des Versicherungsverhältnisses keine Kenntnis hatte, demzufolge keinen Versicherungsschutz. In Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof hat der Gesetzgeber dieses Ergebnis für unangemessen gehalten. Der Mitversicherte soll nach dem Wunsch des Gesetzgebers auch in der für Pflichtversicherungen geltenden Nachhaftungszeit grundsätzlich Versicherungsschutz genießen. Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn ihm die Beendigung des Pflichtversicherungsverhältnisses mindestens grob fahrlässig unbekannt war.
1.5.8
Rechtskrafterstreckung Soweit durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem Dritten ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht, wirkt das Urteil gem. § 124 Abs. 1 VVG n. F., wenn es zwischen
D
D
124
Einzelne Versicherungszweige dem Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zu Gunsten des Versicherungsnehmers, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherungsnehmer ergeht, auch zu Gunsten des Versicherers. Ist der Anspruch des Dritten gegenüber dem Versicherer durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden, so muss der Versicherer, gegen den von dem Versicherer Ansprüche auf Grund des § 116 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. geltend gemacht werden, diese Feststellung gegen sich gelten lassen, es sei denn, der Versicherer hat die Pflicht zur Abwehr unbegründeter Entschädigungsansprüche sowie zur Minderung oder zur sachgemäßen Feststellung des Schadens schuldhaft verletzt, § 124 Abs. 2 VVG n. F. § 124 Abs. 1 VVG n. F. übernimmt den bisherigen § 3 Nr. 8 PflVersG, § 124 Abs. 1 VVG n. F. entspricht dem bisherigen § 3 Nr. 10 Satz 1 PflVersG. Die Vorschrift enthält demzufolge keine sachlich neue Regelung.
1.5.9
Sonstiges Nach § 121 VVG n. F. ist § 35 VVG (Aufrechnungsbefugnis des Versicherers mit einer Prämienforderung) gegenüber Dritten nicht anzuwenden. Im Hinblick auf die generelle Einführung des Direktanspruchs bei Pflichtversicherungen hat der Gesetzgeber den Ausschluss der Aufrechnungsbefugnis des Versicherers für sachgerecht gehalten. Selbstverständlich ist es dem Versicherer aber belassen, gegen die Forderung des Dritten mit eigenen Ansprüche gegen diesen Dritten aufzurechnen. Diese Situation wird von § 121 VVG n. F. nicht erfasst. Nach § 122 VVG n. F. sind die §§ 95 – 98 VVG n. F. über die Veräußerung der versicherten Sache entsprechend anzuwenden. Diese Vorschrift entspricht § 158 h Satz 1 VVG n. F.
2
Rechtsschutzversicherung, §§ 126 – 130 VVG n. F. Die Rechtsschutzversicherung ist im neuen VVG in den Vorschriften der §§ 126 – 130 VVG n. F. geregelt.
2.1
Gegenstand der Leistungspflicht des Versicherers Was im Einzelnen aufgrund des Rechtsschutzversicherungsvertrags geschuldet ist, wird weitgehend durch Allgemeine Rechtsschutzbedingungen geregelt. Die Vorschriften der §§ 125 – 127 VVG n. F. stellen daher nur einen allgemeinen Rahmen dar. Das ist nicht neu, denn auch bisher war die Rechtsschutzversicherung in den §§ 158 l – o VVG nur rudimentär geregelt.
2.1.1
Leistung des Versicherers Gem. § 125 VVG n. F. ist der Rechtsschutzversicherer verpflichtet, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen. Diese Vorschrift ist neu und beschreibt unter Anlehnung an die Formulierungen ähnlicher ARB den üblicherweise mit der Rechtsschutzversicherung verfolgten wirtschaftlichen Zweck. Eine gesetzliche Definition der Rechtsschutzversicherung enthält § 125 VVG n. F. allerdings nicht. Auch wird der Versicherungsfall bei der Rechtsschutzversicherung gesetzlich nicht durch § 125 VVG n. F. geregelt. Neue Versicherungs- und Leistungsformen bleiben daher möglich.70 Die nähere Ausgestaltung des Rechtsschutzversicherungsvertrags erfolgt wie bisher weitgehend durch ARB.
70
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 91, linke Spalte.
Rechtsschutzversicherung, §§ 126 – 130 VVG n. F.
2.1.2
125
Rechtsschutzbaustein und Schadenabwicklungsunternehmen Werden Gefahren aus dem Bereich der Rechtsschutzversicherung neben anderen Gefahren versichert, müssen im Versicherungsschein der Umfang der Deckung in der Rechtsschutzversicherung und die hierfür zu entrichtende Prämie gesondert ausgewiesen werden, § 126 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. Diese Vorschrift ist nicht neu, sondern entspricht dem bisherigen § 158 l VVG. Sie hat an sich mit der Überschrift „Schadenabwicklungsunternehmen“ nichts zu tun, insofern ist § 126 I 1 VVG n. F. eher verwirrend. Der Versicherer hat die Möglichkeit, ein selbstständiges Schadenabwicklungsunternehmen mit der Leistungsbearbeitung zu beauftragen. Ist dies der Fall, so muss dieses gem. § 126 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. im Versicherungsschein bezeichnet werden. Ansprüche auf die Versicherungsleistung aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag können, wenn der Versicherer ein selbstständiges Schadenabwicklungsunternehmen mit der Leistungsbearbeitung beauftragt hat, nur gegen dieses geltend gemacht werden, wobei der Titel dann allerdings für und gegen den Rechtsschutzversicherer wirkt und § 727 ZPO entsprechend anzuwenden ist, § 126 Abs. 2 Satz 1 – 3 VVG n. F. Schuldner der Versicherungsleistung bleibt allerdings der Versicherer, es wird nur eine gesetzliche Prozessstandschaft des Schadenabwicklungsunternehmens begründet.71 Die Vorschrift enthält keine wesentlichen Neuerungen, sondern entspricht im Abs. 1 dem bisherigen § 158 l Abs. 1 VVG und in Abs. 2 dem bisherigen § 158 l Abs. 2 VVG. Klarstellend heißt es in § 126 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F., dass es sich um ein selbstständiges Schadenabwicklungsunternehmen und nicht etwa um eine ausgegliederte Abteilung eines Rechtsschutzversicherers handeln muss.
2.1.3
Freie Anwaltswahl Aus dem Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütung der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag trägt, kann der Versicherungsnehmer zu seiner Vertretung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, frei wählen, § 127 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. Dies gilt nach § 127 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. auch dann, wenn der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die sonstige Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Anspruch nehmen kann. Klarstellend regelt der Gesetzgeber in § 127 Abs. 2 VVG n. F., dass Rechtsanwalt auch derjenige ist, der berechtigt ist, unter einer der in der Anlage zu § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 09. März 2000 in der jeweils geltenden Fassung genannten Bezeichnung beruflich tätig zu werden. § 127 Abs. 1 VVG n. F. entspricht dem bisherigen § 158 m Abs. 1 VVG. Der Gesetzgeber hat sich damit nach wie vor für den Grundsatz der freien Anwaltswahl entschieden.72 Dies gilt auch entgegen dem Vorschlag der VVG-Kommission für Sammelverfahren. § 127 Abs. 2 VVG n. F. entspricht dem bisherigen § 158 m Abs. 2 VVG.
71 72
Vgl. Prölss/Martin – Armbrüster, § 158l, Rz. 4. Vgl. Prölss/Martin – Armbrüster, § 158m, Rz. 1.
D
D
126
2.2
Einzelne Versicherungszweige
Gutachterverfahren Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen nach Auffassung des Rechtsschutzversicherers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig ist, muss der Versicherungsvertrag ein Gutachterverfahren oder ein Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorsehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien des Versicherungsvertrags über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden, § 128 Satz 1 VVG n. F. Auf dieses Recht muss der Versicherer den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungspflicht hinweisen, § 128 Satz 2 VVG neu. Unterbleibt dieser Hinweis oder sieht der Versicherungsvertrag kein derartiges Verfahren vor, so gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt gem. § 128 Satz 3 VVG n. F. Die Vorschrift übernimmt inhaltlich unverändert den bisherigen § 158 n VVG. Als ein anderes Verfahren kommt z. B. der in den ARB vorgesehene Stichentscheid in Betracht, sofern die Regelung für den Versicherungsnehmer von Vorteil ist.73
2.3
Halbzwingendes Recht Von den §§ 126 – 128 VVG n. F. kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden, § 129 VVG n. F. Demzufolge handelt es sich hierbei um halbzwingende Vorschriften, was dem bisherigen § 158 o VVG entspricht.
3
Transportversicherung, §§ 130 – 141 VVG n. F. Der Anwendungsbereich des dritten Kapitels des VVG bleibt für die Transportversicherung wie im bisherigen Recht begrenzt. Der Bereich der Seeversicherung wird wie bisher aus dem Anwendungsbereich des VVG ausgeklammert.74 Auch bei der Luftfahrtversicherung bleibt es hinsichtlich des Anwendungsbereichs grundsätzlich beim geltenden Recht. Die Parteien können im Rahmen der Parteiautonomie regeln, ob und inwieweit die Regeln der Transportversicherung auch auf die Luftfahrtgüter- und die Luftfahrtkaskoversicherung anzuwenden sind.75
3.1
Umfang der Versicherung Nach § 130 Abs. 1 VVG n. F. trägt der Versicherer bei der Versicherung von Gütern gegen die Gefahren der Beförderung zu Lande oder auf Binnengewässern sowie der damit verbundenen Lagerung alle Gefahren, denen die Güter während der Dauer der Versicherung ausgesetzt sind. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass die Transportversicherung auch die Gefahren der Lagerung der Güter, sofern diese mit der Beförderung verbunden ist, erfasst. Wenn nichts anderes vereinbart wird, sieht das Gesetz somit nach wie vor eine Allgefahrendeckung vor. Bei der Versicherung eines Schiffes gegen die Gefahr einer Binnenschifffahrt trägt der Versicherer nach § 130 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. alle Gefahren, denen das Schiff während der Dauer
73 74 75
Vgl. Prölss/Martin – Armbrüster, § 158n, Rz.1. Vgl. Prölss/Martin – Voit/Knappmann, § 129, Rz. 5 ff. Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 91.
Transportversicherung, §§ 130 – 141 VVG n. F.
127
der Versicherung ausgesetzt ist. § 130 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. entspricht dem bisherigen § 129 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. Der Versicherer haftet nach § 130 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. auch für den Schaden, den der Versicherungsnehmer infolge eines Zusammenstoßes von Schiffen oder eines Schiffes mit festen oder schwimmenden Gegenständen dadurch erleidet, dass er den einem Dritten zugefügten Schaden zu ersetzen hat. Damit bleibt die Schiffsversicherung auch nach neuem Recht Bestandteil der Transportversicherung, um deren Einheit nicht zu gefährden, obwohl der Sache nach § 130 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. ein Risiko regelt, das an sich zur Haftpflichtversicherung gehört. § 130 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. regelt wie bisher die Vorschrift des § 129 Abs. 2 Satz 2 VVG a. F. die Kollisionshaftpflicht in der Binnenschifffahrt, die nur in Verbindung mit der Flusskaskoversicherung gültig ist. Erweiternd wird der Fall erfasst, dass der Schaden durch einen Zusammenstoß des Schiffes mit einem Gegenstand verursacht wird. Im Übrigen kann die Haftpflicht gegenüber Dritten aus Schiffsunfällen nicht als Transportversicherung gedeckt werden. Die Versicherung gegen die Gefahren der Binnenschifffahrt umfasst die Beiträge zur großen Haverei, soweit durch die Haverei-Maßnahme ein vom Versicherer zu ersetzender Schaden abgewendet werden sollte, § 130 Abs. 3 VVG n. F. § 130 Abs. 3 VVG n. F. stimmt sachlich mit der bisherigen Regelung des § 133 Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. überein.
3.2
Obliegenheiten, Gefahränderung, Ausschlüsse Abweichend von § 19 Abs. 2 VVG n. F. ist bei der Verletzung der Anzeigepflicht der Rücktritt des Versicherers gem. § 131 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. ausgeschlossen. Der Versicherer kann vielmehr innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt ab Kenntniserlangung von dem nicht oder nicht richtig angezeigten Umstand den Vertrag kündigen und die Leistung verweigern. In der Transportversicherung ist es üblich, die Verletzung der Anzeigepflicht mit Leistungsfreiheit des Versicherers zu sanktionieren. § 19 Abs. 2 VVG n. F. soll für die Transportversicherung kein falsches gesetzliches Leitbild schaffen. Der Versicherer bleibt allerdings zur Leistung verpflichtet, soweit der nicht oder nicht richtig angezeigte Umstand nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht war. Dem Versicherungsnehmer steht somit der Kausalitätsgegenbeweis zu. Die Anmeldepflicht nach § 53 VVG n. F. für die laufende Versicherung wird nicht von § 131 Abs. 1 VVG n. F. erfasst. Gem. § 131 Abs. 2 VVG n. F. kann der Versicherungsnehmer den Vertrag kündigen, wenn der Versicherer die Leistung verweigert. Dies gilt auch für den Fall der berechtigten Kündigung. Nach § 131 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. erlischt das Kündigungsrecht, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, zu welchem dem Versicherungsnehmer die Entscheidung des Versicherers, die Leistung zu verweigern, zugeht. Auch hier ist das Kündigungsrecht demzufolge fristgebunden. Nach § 132 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. darf der Versicherungsnehmer in Abweichung von § 23 VVG n. F. die Gefahr erhöhen oder in anderer Weise ändern und die Änderung durch einen Dritten gestatten. Allerdings hat er die Gefahränderung gem. § 132 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Unterlässt er dies, so ist der Versicherer nach § 132 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen.
D
D
128
Einzelne Versicherungszweige Zur Leistung verpflichtet bleibt der Versicherer auch in diesem Fall, wenn die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt wurde oder die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht war. Abweichend von § 24 VVG n. F. ist der Versicherer nach § 132 Abs. 3 VVG n. F. nicht berechtigt, den Vertrag wegen einer Gefahrerhöhung zu kündigen. Hintergrund der Privilegierung des Versicherungsnehmers in den Fällen der Gefahränderung ist der Umstand, dass bei einem Transport häufig Gefahränderungen auftreten können, auf die der Versicherungsnehmer aber keinen Einfluss hat.76 Er hat deshalb ein berechtigtes Interesse am Fortbestand des Versicherungsschutzes. Die Interessen des Versicherers werden nach Auffassung des Gesetzgebers durch die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Gefahränderung und der vertraglich auszubedingenden Möglichkeit der Prämienanpassung berücksichtigt. § 132 Abs. 2 VVG n. F. sieht als Grundsatz bei einer Verletzung der Anzeigepflicht nach Gefahrerhöhung die Leistungsfreiheit des Versicherers vor, wobei es abweichend von § 26 Abs. 1 und 2 VVG n. F. bei der Transportversicherung wegen ihres teilweise starken internationalen Bezugs beim bisherigen Alles- oder Nichts-Prinzip bleiben soll. Als nicht gerechtfertigt hat der Gesetzgeber ferner das Kündigungsrecht des Versicherers nach § 24 Abs. 1 und 2 VVG n. F. in der Transportversicherung gesehen und mit § 132 Abs. 3 VVG n. F. demzufolge eine Sonderregelung geschaffen.77 Werden die Güter mit einem Beförderungsmittel anderer Art als vereinbart befördert oder umgeladen, obwohl ein direkter Transport vereinbart ist, so ist der Versicherer nach § 133 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. nicht zur Leistung verpflichtet. Entsprechendes gilt, wenn ausschließlich ein bestimmtes Beförderungsmittel oder ein bestimmter Transportweg vereinbart ist, § 133 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. Der Versicherer bleibt gem. § 133 Abs. 2 VVG n. F. zur Leistung verpflichtet, wenn nach Beginn der Versicherung die Beförderung ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers oder infolge eines versicherten Ereignisses geändert oder aufgegeben wird. § 132 VVG n. F. (Gefahränderung) ist dabei anzuwenden. Nach § 133 Abs. 3 VVG n. F. umfasst die Versicherung in den Fällen des Abs. 2 die Kosten der Umladung oder der einstweiligen Lagerung sowie die Mehrkosten der Weiterbeförderung. Die Regelung beruht auf dem Regelungsgehalt des § 137 VVG n. F. und entspricht Nr. 6 der DTV Güterversicherungsbedingungen 2000. § 133 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. stellt klar, dass eine Gefahränderung vorliegt. Ist für die Beförderung der Güter kein bestimmtes Beförderungsmittel vereinbart, so muss der Versicherungsnehmer, soweit er auf dessen Auswahl Einfluss hat, nach § 134 Abs. 1 VVG n. F. Beförderungsmittel einsetzen, die für die Aufnahme und Beförderung der Güter geeignet sind. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich oder grob fahrlässig, so ist der Versicherer nach § 134 Abs. 2 VVG n. F. leistungsfrei, es sei denn, die Verletzung war nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls und den Umfang der Leistungspflicht. Auch hier hat der Versicherungsnehmer demzufolge gem. § 134 Abs. 2 VVG n. F. den Kausalitätsgegenbeweis. Denkbar ist natürlich auch, dass der Versicherungsnehmer zunächst nichts von der mangelnden Eignung des Beförderungsmittels weiß. Erlangt er diese Kenntnis, so hat er diesen Umstand dem Versicherer unverzüglich gem. § 134 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. anzuzeigen, wobei, wie § 134 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F., der auf § 132 VVG n. F. verweist, zu entnehmen ist, auch hierin eine Gefahränderung zu sehen ist. In § 134 Abs. 2 VVG n. F. hat der
76 77
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 92. Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 92.
Transportversicherung, §§ 130 – 141 VVG n. F.
129
Gesetzgeber aus den oben beschriebenen Gründen in Abweichung von §§ 28, 81 VVG n. F. das Alles- oder Nichts-Prinzip beibehalten.
3.3
Aufwendungsersatz Aufwendungen, die dem Versicherungsnehmer zur Abwendung oder Minderung des Schadens entstehen, sowie die Kosten für die Ermittlung und Feststellung eines Schadens hat der Versicherer auch insoweit zu erstatten, als sie zusammen mit der übrigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen, § 135 Abs. 1 VVG n. F. § 135 Abs. 1 VVG n. F. geht über die geltenden Bestimmungen des § 144 Abs. 1 VVG n. F. und § 29 ADS hinaus, weil die Kosten für die Ermittlung und Feststellung des Schadens vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen nicht nur in der Güterversicherung, sondern auch dann zu erstatten sind, wenn sie die Höchstgrenze der Versicherungssumme überschreiten. Sind Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung oder zur Ermittlung und Feststellung des Schadens oder zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der durch einen Versicherungsfall beschädigten Sache gemacht oder sind Beiträge zur großen Haverei geleistet oder ist eine persönliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Entrichtung solcher Beiträge entstanden, so hat der Versicherer den Schaden, der durch einen späteren Versicherungsfall verursacht wird, ohne Rücksicht auf die von ihm zu erstattenden früheren Aufwendungen oder Beiträge zu ersetzen, § 135 Abs. 2 VVG n. F. § 135 Abs. 2 VVG n. F. entspricht den Regelungen des § 144 Abs. 2 VVG n. F. und des § 37 Abs. 2 ADS.
3.4
Versicherungswert Gem. § 136 Abs. 1 VVG n. F. gilt als Versicherungswert der gemeine Handelswert und in dessen Ermangelung der gemeine Wert, den die Güter am Ort der Absendung bei Beginn der Versicherung haben, wobei Versicherungskosten, Kosten, die bis zur Annahme der Güter durch den Beförderer entstehen, und die endgültig bezahlte Fracht addiert werden. Der gemeine Handelswert ist der objektive Wert auf der Handelsstufe des Ersatzberechtigten, bei einem Verkäufer also der Verkaufswert einschließlich eines etwaigen Gewinns.78 Dieser Wert gilt auch bei Eintritt des Versicherungsfalls als Versicherungswert gem. § 136 Abs. 2 VVG n. F. Kommen Güter beschädigt am Ablieferungsort an, so ist nach § 136 Abs. 3 VVG n. F. Versicherungswert der Wert, den sie an diesem Ort im unbeschädigten Zustand hätten, abzüglich des Wertes, den sie dort im beschädigten Zustand haben. Der dem Verhältnis der Wertminderung zu ihrem Wert in unbeschädigtem Zustand entsprechende Bruchteil des Versicherungswerts gilt als Betrag des Schadens. § 136 Abs. 1 und 2 VVG n. F. übernehmen sachlich die Regelungen des § 140 Abs. 1 und 2 VVG n. F. § 136 Abs. 3 VVG n. F. entspricht dem bisherigen § 140 Abs. 3 VVG n. F.
3.5
Ausschlüsse Nach § 137 Abs. 1 VVG n. F. ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig den Versicherungsfall herbeiführt. Im Bereich der Transportversicherung hat der Gesetzgeber demzufolge das Alles- oder NichtsPrinzip aus den bereits oben beschriebenen Gründen beibehalten. Gem. § 137 Abs. 2 VVG
78
Vgl. BGH NJW – RR 93,1371.
D
D
130
Einzelne Versicherungszweige n. F. hat der Versicherungsnehmer das Verhalten der Schiffsbesatzung bei der Führung des Schiffes nicht zu vertreten. Das Verhalten der Schiffsbesatzung wird dem Versicherungsnehmer somit nicht zugerechnet. Wie zu verfahren ist, wenn der Versicherungsnehmer auch Kapitän des Schiffes ist, kann durch AVB geregelt werden.79 Nach § 138 VVG n. F. ist der Versicherer nicht zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, der daraus entsteht, dass das Schiff in einem nicht fahrtüchtigen Zustand oder nicht ausreichend ausgerüstet oder personell ausgestattet die Reise antritt. Dies gilt auch für einen Schaden, der nur eine Folge der Abnutzung des Schiffes in gewöhnlichem Gebrauch ist. Die Vorschrift übernimmt inhaltlich den bisherigen § 132 VVG n. F.
3.6
Veräußerung Ist eine versicherte Sache, für die eine Einzelpolice oder ein Versicherungszertifikat ausgestellt worden ist, veräußert worden, so haftet der Erwerber abweichend von § 95 VVG n. F. nicht für die Prämie, § 139 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. Der Versicherer kann sich gegenüber dem Erwerber nicht auf Leistungsfreiheit wegen Nichtzahlung der Prämie oder Nichtleistung einer Sicherheit berufen. Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn der Erwerber den Grund für die Leistungspflicht kannte oder hätte kennen müssen. Nach § 139 Abs. 2 VVG n. F. ist der Versicherer in Abweichung von § 96 VVG n. F. nicht berechtigt, das Versicherungsverhältnis wegen Veräußerung der versicherten Güter zu kündigen. In Abweichung von § 97 VVG n. F. ist der Versicherungsnehmer gem. § 139 Abs. 3 VVG n. F. nicht verpflichtet, dem Versicherer die Veräußerung anzuzeigen. § 139 Abs. 2 und 3 VVG n. F. entsprechen den bisherigen Regelungen des § 142 VVG. Wird ein versichertes Schiff veräußert, so endet gem. § 140 VVG n. F. abweichend von § 95 VVG n. F. die Versicherung mit der Übergabe des Schiffes an den Erwerber, für unterwegs befindliche Schiffe mit der Übergabe an den Erwerber im Bestimmungshafen. Wie bisher soll demzufolge das Kündigungsrecht des Versicherers zeitlich in seiner Wirkung auf die Beendigung der Reise bei der Schiffsversicherung beschränkt werden.
3.7
Befreiung durch Zahlung der Versicherungssumme Nach § 141 Abs. 1 VVG n. F. ist der Versicherer nach Eintritt des Versicherungsfalls berechtigt, sich durch Zahlung der Versicherungssumme von allen weiteren Verbindlichkeiten zu befreien. Er bleibt zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die zur Abwendung und zur Minderung des Schadens oder zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der versicherten Sache aufgewendet worden sind, bevor er seine Erklärung, dass er sich durch die Zahlung der Versicherungssumme befreien wolle, dem Versicherungsnehmer zugegangen ist. Das Recht des Versicherers, sich durch Zahlung der Versicherungssumme zu befreien, erlischt gem. § 141 Abs. 2 VVG n. F., wenn die Erklärung dem Versicherungsnehmer nicht innerhalb einer Woche nach dem Zeitpunkt zugeht, zu dem der Versicherer Kenntnis von dem Versicherungsfall und seinen unmittelbaren Folgen erlangt hat. Dieser sog. Abandon dient dem Schutz des Versicherers gegen die Ausdehnung seiner Haftung über die vereinbarte Versicherungssumme hinaus. Mit der Erklärung des Abandon und
79
Vgl. hierzu Prölss/Martin – Voit/Knappmann, § 130, Rz. 3 ff.
Gebäudefeuerversicherung, §§ 142 – 149 VVG n. F.
131
Leistung der Versicherungssumme befreit sich der Versicherer von künftig entstehenden Kosten der Schadenminderung wie der Herstellung oder Ausbesserung. Der Gesetzgeber hat es im Interesse des Versicherungsnehmers als notwendig angesehen, das Recht auf eine bestimmte Frist nach erlangter Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls zu beschränken.80
4
Gebäudefeuerversicherung, §§ 142 – 149 VVG n. F. Die §§ 142 – 149 VVG n. F. enthalten einige Spezialvorschriften der Gebäudeversicherung, die nachfolgend kurz dargestellt werden.
4.1
Anzeige- und Informationspflichten des Versicherers Nach § 142 Abs. 1 VVG n. F. hat der Versicherer bei der Gebäudefeuerversicherung einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, unverzüglich in Textform anzuzeigen, wenn die einmalige oder die Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt oder dem Versicherungsnehmer für die Zahlung einer Folgeprämie eine Frist bestimmt wird. Dies gilt nach § 142 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. auch dann, wenn das Versicherungsverhältnis nach Ablauf der Frist wegen unterbliebener Zahlung der Folgeprämie gekündigt wird. Die in § 142 Abs. 1 VVG n. F. geregelte Anzeigepflicht des Versicherers gilt auch dann, wenn die einmalige oder die erste Prämie vom Versicherungsnehmer nicht rechtzeitig gezahlt wird. Der Hypothekengläubiger soll nach dem Wunsch des Gesetzgebers die Möglichkeit haben, nicht nur bei Nichtzahlung einer Folgeprämie, sondern auch schon bei Zahlungsverzug für den notwendigen Versicherungsschutz zu sorgen. Auch bei § 142 Abs. 1 VVG n. F. hat der Gesetzgeber die bisherige Schriftform durch Textform ersetzt. Gem. § 142 Abs. 2 VVG n. F. hat der Versicherer den Eintritt des Versicherungsfalls innerhalb einer Woche, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, in Textform anzuzeigen, es sei denn, der Schaden ist unbedeutend. Bei nicht rechtzeitiger Zahlung einer Folgeprämie bleibt der Versicherer gegenüber einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, bis zum Ablauf eines Monats ab dem Zeitpunkt zur Leistung verpflichtet, zu welchen der Hypothekengläubiger die Bestimmung der Zahlungsfrist oder, wenn diese Mitteilung unterblieben ist, die Kündigung mitgeteilt worden ist, § 143 Abs. 1 VVG n. F. § 143 Abs. 1 VVG n. F. übernimmt den bisherigen § 102 Abs. 2 Satz 2 VVG. Gem. § 143 Abs. 2 VVG n. F. wird die Beendigung des Versicherungsverhältnisses gegenüber einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, erst mit dem Ablauf von zwei Monaten wirksam, nachdem ihm die Beendigung und, sofern diese noch nicht eingetreten war, der Zeitpunkt der Beendigung durch den Versicherer mitgeteilt worden ist oder er auf andere Weise hiervon Kenntnis erlangt hat. Dies gilt nicht, wenn das Versicherungsverhältnis wegen unterbliebener Prämienzahlung durch Rücktritt oder Kündigung des Versicherers oder durch Kündigung des Versicherungsnehmers, welcher der Hypothekengläubiger zugestimmt hat, beendet wird. § 143 Abs. 2 VVG n. F. stimmt sachlich im Wesentlichen mit § 103 Abs. 1 VVG a. F. überein. § 143 Abs. 3 VVG n. F. entspricht sachlich § 103 Abs. 2 VVG a. F. § 142 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. gilt entsprechend für die Wirksamkeit einer Vereinbarung zwischen dem Versicherer und
80
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 93.
D
D
132
Einzelne Versicherungszweige dem Versicherungsnehmer, durch die der Umfang des Versicherungsschutzes vermindert wird oder nach welcher der Versicherer nur verpflichtet ist, die Entschädigung zur Wiederherstellung des Gebäudes zu zahlen. § 143 Abs. 4 VVG n. F. weicht lediglich hinsichtlich der Frist nach Satz 2 von § 103 Abs. 3 VVG a. F. ab. Die Nichtigkeit eines Versicherungsvertrages kann gegenüber einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, nicht geltend gemacht werden. Das Versicherungsverhältnis endet jedoch ihm gegenüber nach Ablauf von 2 Monaten, nachdem ihm die Nichtigkeit durch den Versicherer mitgeteilt worden ist oder er auf andere Weise von der Nichtigkeit Kenntnis genommen hat.
4.2
Kündigung durch VN Hat ein Hypothekengläubiger seine Hypothek angemeldet, ist eine Kündigung des Versicherungsverhältnisses durch den Versicherungsnehmer unbeschadet des § 92 Abs. 1 VVG n. F. und § 96 Abs. 2 VVG n. F. nur wirksam, wenn der Versicherungsnehmer mindestens einen Monat vor Ablauf des Versicherungsvertrages nachgewiesen hat, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung spätestens zulässig war, das Grundstück nicht mit der Hypothek belastet war oder dass der Hypothekengläubiger der Kündigung zugestimmt hat. Die Zustimmung kann nach § 144 Satz 2 VVG n. F. nicht ohne ausreichenden Grund verweigert werden. Die Vorschrift entspricht sachlich der bisherigen Regelung des § 106 VVG. Der Hypothekengläubiger soll von vornherein in das Kündigungsverfahren einbezogen werden, da der Versicherer nach § 143 Abs. 2 VVG n. F. noch zwei Monate nach der Information des Hypothekengläubigers über die Vertragsbeendigung in der Haftung bleibt.
4.3
Übergang der Hypothek Soweit der Versicherer den Hypothekengläubiger nach § 143 VVG n. F. befriedigt, geht diese auf ihn über, § 145 Satz 1 VVG n. F. Der Übergang kann nicht zum Nachteil eines gleichoder nachstehenden Hypothekengläubigers geltend gemacht werden, dem gegenüber die Leistungspflicht des Versicherers bestehen geblieben ist. Diese Regelung entspricht sachlich dem bisherigen § 104 VVG, wobei die bisher vorgesehene Leistungspflicht des Versicherers gegenüber dem Hypothekengläubiger in den Fällen des § 102 Abs. 1 VVG entfällt.
4.4
Bestätigungs- und Auskunftspflicht des Versicherers Nach § 146 VVG n. F. ist der Versicherer verpflichtet, einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, die Anmeldung zu bestätigen und auf Verlangen Auskunft über das Bestehen von Versicherungsschutz sowie über die Höhe der Versicherungssumme zu erteilen. Die Vorschrift stimmt mit § 107 VVG überein.
4.5
Änderung von Anschrift und Name des Hypothekengläubigers Hat der Hypothekengläubiger dem Versicherer eine Änderung seiner Anschrift oder seines Namens nicht mitgeteilt, ist § 13 VVG auf die Anzeigen oder Mitteilungen des Versicherers nach den §§ 142 und 143 VVG n. F. entsprechend anzuwenden. Durch diese Vorschrift wird der bisherige § 107 a VVG ersetzt.
Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F.
4.6
133
Andere Grundpfandrechte/Eigentümergrundpfandrechte Ist das Grundstück mit einer Grundschuld, Rentenschuld oder Reallast belastet, sind die §§ 142 – 147 VVG n. F. gem. § 148 VVG n. F. entsprechend anzuwenden. Die durch die §§ 142 – 148 VVG n. F. begründeten Rechte können nicht zu Gunsten von Hypotheken, Grundschulden oder Rentenschulden, die dem Versicherungsnehmer zustehen (Eigentümergrundpfandrechte), geltend gemacht werden. § 148 VVG n. F. ersetzt den bisherigen § 107 b VVG, § 149 VVG n. F. den bisherigen § 107 c VVG.
5
Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F. Das neue VVG hat für Lebensversicherungsverträge erhebliche Änderungen zur Folge. Im Entwurf der Bundesregierung (vgl. BT-Drucksache 16/3945) vom 20.12.2006 werden die Änderungen im Bereich der Lebensversicherung als zentraler Punkt der VVG-Reform beschrieben. Die Lebensversicherung ist zukünftig in den §§ 150 – 171 VVG n. F. geregelt. Die Lebensversicherung ist nach Beitragseinnahmen die größte Einzelsparte der Versicherungswirtschaft. Sie hat herausragende Bedeutung als Teil der existenziellen Vorsorge, insbesondere der Alters- und der Hinterbliebenenvorsorge. Damit ist aber auch eine besondere Verantwortung verbunden, wie die Bundesregierung in der Begründung zum Regierungsentwurf auch deutlich gemacht hat. Lebensversicherungskunden gehen langfristige Verpflichtungen ein, die zudem einen erheblichen Anteil ihres Einkommens beanspruchen. Handlungszwang ergab sich für den Gesetzgeber durch verschiedene Urteile der höchsten deutschen Gerichte aus dem Jahr 2005: Das Bundesverfassungsgericht hat in drei Urteilen am 26.7.200581 grundlegende Anforderungen an die Transparenz des Produktes Lebensversicherung formuliert und gefordert, bis zum 31.12.2007 entsprechende Gesetzesänderungen vorzunehmen. Die viel diskutierte Offenlegung von Abschluss- und Vertriebskosten, aber auch die Änderung der Berechnung der Überschussbeteiligung gehen auf die Urteile der Verfassungsrichter zurück. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit einem Urteil vom 12.10.200582 erneut mit der Berechnung des Rückkaufswerts in der Lebensversicherung auseinandergesetzt und klargestellt, dass auch früh stornierende Kunden Anspruch auf einen Mindestrückkaufswert haben.
5.1
Grundlagen Die Lebensversicherung kann gemäß § 150 Abs. 1 VVG n. F. auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines anderen genommen werden. Diese Vorschrift stimmt mit der bisherigen Regelung § 159 Abs. 1 VVG n. F. überein und dient der Klarstellung, dass es sich bei einer Lebensversicherung sowohl um eine Versicherung auf eigene Rechnung als auf fremde Rechnung handeln kann. Die Vorschrift ist gemäß § 176 VVG n. F. auch auf die Berufsunfähigkeitsversicherung anzuwenden. Wird die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen genommen und übersteigt die vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten, so ist gemäß § 150
81 82
Vgl. BVerfG VersR 2006, 1127; VersR 2006, 1105. Vgl. BGH VersR 2005, 1670.
D
D
134
Einzelne Versicherungszweige Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. zur Wirksamkeit des Vertrages die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich. Diese Regelung gilt allerdings nicht bei Kollektiv-Lebensversicherungen im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge, § 150 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz VVG n. F. Bei der Bezeichnung Kollektiv-Lebensversicherung handelt es sich um einen neueren aufsichtsrechtlichen Begriff, der an die Stelle des bisher allgemein gebräuchlichen Begriffs der Gruppenversicherung getreten ist. Bei derartigen Verträgen fehlt es an dem für das Einwilligungserfordernis maßgeblichen Schutzbedürfnis der versicherten Person. Eine weitere Ausnahme regelt § 211 Abs. 2 VVG n. F. für regulierte Pensionskassen. Wird die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen genommen, der geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt oder für den ein Betreuer bestellt ist, und steht die Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem Versicherungsnehmer zu, so kann dieser den anderen bei der Erteilung der Einwilligung nicht vertreten, § 150 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. Nach der Regelung des § 150 Abs. 3 VVG n. F. bedarf es der Einwilligung des Kindes, wenn ein Elternteil die Versicherung auf die Person des minderjährigen Kindes nimmt, nur dann, wenn nach dem Vertrag der Versicherer auch bei Eintritt des Todes vor der Vollendung des 7. Lebensjahres zur Leistung verpflichtet sein soll und die für diesen Fall vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten übersteigt. Diese Regelung stimmt mit dem bisherigen § 159 Abs. 3 VVG überein. Soweit die Aufsichtsbehörde einen bestimmten Höchstbetrag für die gewöhnlichen Beerdigungskosten festgesetzt hat, so ist dieser maßgeblich, § 150 Abs. 4 VVG n. F. Die Vorschrift entspricht der alten Regelung des § 159 Abs. 4 VVG. Nach § 151 VVG n. F. wird durch die Vereinbarung einer ärztlichen Untersuchung der versicherten Person ein Recht des Versicherers, die Vornahme einer solchen Untersuchung zu verlangen, nicht begründet. Diese Vorschrift ist nicht neu, sondern entspricht der bisherigen Regelung des § 160 VVG.
5.2
Widerruf Der Widerruf des Versicherungsnehmers ist in § 152 VVG n. F. für die Lebensversicherung gesondert geregelt. Nach § 152 Abs. 1 VVG n. F. beträgt die Widerrufsfrist in Abweichung von § 8 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. 30 Tage. Der Beginn der Widerrufsfrist bestimmt sich allerdings nach der allgemeinen Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. In Abweichung von § 9 Satz 1 VVG n. F. hat der Versicherer gemäß § 152 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. im Falle des Widerrufs auch den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 VVG n. F. zu zahlen. Im Fall des § 9 Satz 2 VVG n. F. (Versicherer hat keinen Hinweis gem. § 9 S. 1 VVG erteilt) muss der Versicherer den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder, wenn dies für den Versicherungsnehmer günstiger ist, die für das erste Jahr gezahlten Prämien erstatten, § 152 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. Die Sonderregelung des § 152 Abs. 2 Satz 1 VVG beruht auf der Vorgabe des Art. 7 der Fernabsatzrichtlinie II. Die Sonderregelung in § 152 Abs. 2 Satz 2 VVG wurde getroffen, weil der Versicherer nach § 9 Satz 1 VVG n. F. nur die nach Zugang des Widerrufs vom Versicherungsnehmer noch geleisteten Prämien erstatten muss, sofern der Versicherungsschutz verein-
Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F.
135
barungsgemäß schon vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Dies würde bei Lebensversicherungen der in § 169 Abs. 1 VVG n. F. bezeichneten Art dazu führen, dass der Versicherer dem widerrufenden Versicherungsnehmer den Rückkaufswert nicht auskehren muss, den dieser bei einer Kündigung des Versicherungsvertrages beanspruchen könnte. Dieses als unbillig empfundene Ergebnis soll mit der abweichenden Regelung vermieden werden.83 Liegen die Voraussetzungen des § 9 Satz 2 erster HS VVG n. F. vor und hat der Versicherungsnehmer noch keine Leistungen des Versicherers in Anspruch genommen, so steht ihm das in § 152 Abs. 2 Satz 2 VVG geregelte Wahlrecht zu. Abweichend von § 33 Abs. 1 VVG n. F. ist die einmalige oder die erste Prämie unverzüglich nach Ablauf von 30 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen, § 152 Abs. 3 VVG n. F. Da nach § 152 Abs. 1 VVG n. F. die Widerrufsfrist 30 Tage beträgt, wird für die Lebensversicherung der Zeitpunkt der Prämienfälligkeit entsprechend angepasst.
5.3
Überschussbeteiligung Nach § 153 Abs. 1 VVG n. F. steht dem Versicherungsnehmer eine Beteiligung an dem Überschuss und den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen, wobei die Überschussbeteiligung gemäß § 153 Abs. 1 letzter HS VVG n. F. nur insgesamt ausgeschlossen werden kann. Diese Regelung ist neu. Das geltende VVG regelt die Überschussbeteiligung nicht ausdrücklich. Der in § 153 Abs. 1 letzter HS VVG n. F. geregelte Ausschluss der Überschussbeteiligung kann zwar durch Aufnahme einer entsprechenden Klausel in den allgemeinen Lebensversicherungsbedingungen vereinbart werden, allerdings muss der Versicherer das Transparenzgebot beachten. Auch wird ein Versicherungsvertrag ohne Überschussbeteiligung kaum von einem Versicherungsvermittler empfohlen werden können, wenn es marktüblich ist, eine Überschussbeteiligung anzubieten. Im Übrigen wird der Begriff der Überschussbeteiligung erheblich erweitert. Während sich der Begriff der Überschussbeteiligung bisher allein auf den sich aus dem Jahresabschluss ergebenden Überschuss bezog, muss der Versicherungsnehmer nun entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch an den Bewertungsreserven beteiligt werden, die nach Maßgabe des neuen § 54 der Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung im Anhang auszuweisen sind. Ausdrücklich hatte das BVerfG dem Gesetzgeber vorgegeben, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass stille Reserven bei Vermögenswerten, die mithilfe der Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer gebildet worden sind, bei der Berechnung des Rohüberschusses berücksichtigt werden. Bei den Bewertungsreserven handelt es sich um den Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert und dem aktuellen Marktwert des Lebensversicherers und seiner Anlagemittel. Ist dieser positiv, spricht man von stillen Reserven, ist er negativ, von stillen Lasten.
83
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 95.
D
D
136
Einzelne Versicherungszweige
Beispiel Ein Lebensversicherer hat Beiträge seiner VN in eine 10-jährige Anleihe investiert, die er für 1.000.000 Euro erworben hat. Zum Bilanzstichtag könnte die Anleihe für 1.100.000 Euro verkauft werden. Der Lebensversicherer bilanziert nach dem sogenannten Niederstwertprinzip (§ 252 HGB) und führt diese Anleihe in den Aktiva seiner Bilanz mit einem Wert von 1.000.000 Euro auf, solange er diese nicht verkauft hat und damit den Gewinn realisieren konnte. Das bedeutet, dass der Lebensversicherer eine stille Reserve von 100.000 Euro aufweist.
Diese stillen Reserven beruhen zwar auf den Beitragszahlungen der VN, so dass eine Beteiligung hieran ebenso wie an den ausgewiesenen, realisierten Gewinnen gerechtfertigt erscheint. Andererseits sind stille Reserven aber nicht garantiert, da sie noch nicht realisiert wurden. Dass diese sehr schnell zusammenschmelzen oder sogar in größere stille Lasten umschlagen können, hat die Börsenkrise Anfang des Jahrzehnts deutlich gezeigt.
Beispiel Ein Lebensversicherer hat einen Teil der Beiträge seiner VN in Aktien investiert wegen der Aussicht auf höhere Renditen. Diese hat er zu 1.000.000 Euro gekauft. Im ersten Jahr ist der Aktienkurs gestiegen, der Versicherer könnte die Aktien zum Kurs von 1.200.000 Euro verkaufen. Er bilanziert diese aber nach dem Niederstwertprinzip zum Anschaffungskurs von 1.000.000 Euro. Im zweiten Jahr kommt es zu einem Börsencrash, die Aktien verlieren einen großen Teil ihres Wertes und wären nur noch zu 600.000 Euro verkäuflich. Bis der Lebensversicherer dies bilanziert, treten stille Lasten in Höhe von 1.000.000 Euro – 600.000 Euro = 400.000 Euro auf.
Stille Reserven sind daher unabdingbar, um Schwankungen in der Wertentwicklung ausgleichen und die sehr langfristigen Garantien im Lebensversicherungsgeschäft sicherstellen zu können. Die Überschussbeteiligung muss nach § 153 Abs. 2 VVG n. F. nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchgeführt werden, andere vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze können vereinbart werden. Das bedeutet, dass wie bisher gleichartige Versicherungsverträge nach anerkannten versicherungsmathematischen Grundsätzen zu Bestandsgruppen und Gewinnverbänden zusammengefasst werden können und sich die Verteilung des Überschusses auf diese Bestandsgruppen und Gewinnverbände daran zu orientieren hat, in welchem Umfang die Gruppe oder der Gewinnverband zur Entstehung des Überschusses beigetragen hat.84 Schon wegen der Komplexität des Sachverhalts führen die neuen Regelungen über die Überschussbeteiligung nicht per se dazu, dass die Transparenz der Überschussbeteiligung wesentlich verbessert wird.85 § 153 VVG n. F. definiert die Begriffe „Bewertungsreserve“ und „Überschuss“ nicht. Zum Überschuss und letztlich zur Frage der Buchwerte der Kapitalanlagen verweist die Begründung des Regierungsentwurfs auf den Jahresabschluss, der nach dem jeweils maßgeblichen 84 85
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 96; näher zum Begriff der Verursachenorientierung: Engeländer, Überschussbeteiligung nach dem Regierungsentwurf zum VVG, VersR 2007, 155, 157 f. Vgl. Engeländer, NVersZ 2000, 401; Engeländer, VersR 2007, 155, 165.
Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F.
137
Recht des Sitzstaats aufgestellt worden ist. Es handelt sich um Abschlüsse auf der Grundlage der EU-Richtlinien 91/674/EWG und 2003/51/EG.86 Damit ist klargestellt, dass mit Überschuss der handelsrechtlich festgestellte Rohüberschuss im Jahresabschluss des Versicherungsunternehmens gemeint ist. Der Überschuss wird damit allein durch das Handelsrecht bestimmt. Bezüglich der Bewertungsreserve stellt die Gesetzesbegründung klar, dass nur die Bewertungsreserven der Kapitalanlagen gemeint sind. Die Differenzierung zwischen der früher erhobenen Forderung nach Verursachungsgerechtigkeit und Verursachungsorientierung spiegelt den kollektiven Charakter der Überschussbeteiligung wider, deren Beachtung auch eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts ist.87 Verursachungsorientierung bedeutet demnach, dass nicht der vom einzelnen Vertrag in getrennter Rechnung erwirtschaftete Überschuss zurück gewährt wird.88 Dieses Verfahren unterscheidet sich demnach grundsätzlich von dem Verfahren z. B. in der fondsgebundenen Lebensversicherung oder auch dem z. B. in Belgien üblichen Überschussbeteiligungsverfahren, wo für jede Beitragszahlung streng die Wertentwicklung der damit erworbenen Kapitalanlagen verfolgt wird und die Versicherungsnehmer exakt dementsprechend am Überschuss beteiligt werden, als die individuelle Wertschwankungen der Kapitalanlagen auch tatsächlich ohne jeden Ausgleich individuell zugewiesen werden.89 Die Ermittlung der Beteiligung an den Bewertungsreserven erfolgt in zwei zu unterscheidenden Schritten. Einmal jährlich müssen die Bewertungsreserven bestimmt und rechnerisch dem Versicherungsnehmer nach einem verursachensorientierten Verfahren zugeordnet werden. Zum anderen erfolgt bei Beendigung des Vertrags eine Zuteilung und Auszahlung, für die das Gesetz einen bestimmten Mindestbetrag festlegt, in dessen Höhe der individuelle Versicherungsnehmer mit der Vertragsbeendigung einen besonderen, gesetzlich begründeten Rechtsanspruch erhält. Die Höhe dieses Anspruchs bestimmt sich nach dem für den Zeitpunkt des Ausscheidens maßgeblichen durch das verursachungsorientierte Verfahren bestimmten Wert, nicht unbedingt durch den zuletzt im ersten Schritt bestimmten jährlichen Wert. Es werden nicht die Bewertungsreserven selbst ausgeschüttet. Vielmehr wird die Entwicklung sowohl der Bewertungsreserven als auch des Vertrags seit der letzten rechnerischen Zuordnung nach § 153 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. innerhalb des anzuwendenden verursachungsorientierten Verfahrens berücksichtigt. Um die Immunisierung gegen Schwankungen der Kapitalmärkte angemessen erreichen zu können, ist eine ausreichend hohe Rückstellung für Beitragsrückerstattung erforderlich. Hierzu sollten nach Auffassung in der Literatur die Vorschriften in § 28 Abs. 6 und 7 RechVersV, insbesondere aber auch § 21 Abs. 2 Nr. 1 KStG den neuen Bedürfnissen angepasst werden.90 Dass das verursachungsorientierte Verfahren tatsächlich etwas Statisches ist, das, einmal angewandt, dauerhaft widerspruchsfrei praktiziert werden kann, dürfte zweifelhaft sein. Die Zusammensetzung des Bestands kann sich ebenso ändern wie die Verhältnisse, z. B. im Handelsrecht. Ein einmal praktiziertes verursachungsorientiertes Verfahren kann demzufolge im Laufe der Jahrzehnte seine Verursachungsorientierung durchaus verlieren.91
86 87 88 89 90 91
Vgl. Engeländer, VersR 2007, 155, 157. Vgl. Engeländer, a. a. O. Vgl. Engeländer, a. a. O. Vgl. Engeländer, VersR 2007, 155, 158. Vgl. Engeländer, VersR 2007, 155, 159. Vgl. Engeländer, VersR 2007, 155, 161.
D
D
138
Einzelne Versicherungszweige Der Versicherer hat die Bewertungsreserven nach § 153 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. jährlich zu ermitteln und nach dem oben erwähnten verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. Die Ermittlung bestimmt sich nach der Regelung des § 54 der Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung. Der Versicherungsnehmer muss jährlich über seinen Anteil an den Bewertungsreserven informiert werden, eine entsprechende Verpflichtung des Versicherers wird in der VVG-InfoVO festgelegt. Einen unbedingten Anspruch auf Beteiligung an den zugeordneten Bewertungsreserven erwirbt der Versicherungsnehmer oder in den Fällen des § 159 VVG n. F. der als bezugsberechtigt bezeichnete Dritte aber nicht sofort, sondern erst bei Beendigung des Vertrages durch Zeitablauf oder Kündigung. Dies ergibt sich aus § 153 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F., wonach bei der Beendigung des Vertrages der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zugeteilt und an den Versicherungsnehmer ausgezahlt wird. Eine frühere Zuteilung kann zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer allerdings nach § 153 Abs. 3 Satz 2 letzter HS VVG n. F. vereinbart werden. Aufsichtsrechtliche Regelungen zur Kapitalausstattung bleiben unberührt, § 153 Abs. 3 Satz 3 VVG n. F. Die ausdrücklich vorgesehene Vereinbarung anderer Grundsätze muss ebenfalls zu einem angemessenen Ergebnis führen. Der Versicherer hat daher die Möglichkeit, Grundsätze zu vereinbaren, die zwar nicht streng verursachungsorientiert, gleichwohl aber angemessen sind. Allerdings müssen die in diesem Falle formulierten AVB auch die gesetzliche Vorgabe der Angemessenheit wahren, dieses Kriterium ist ausdrücklich in § 153 Abs. 2 VVG n. F. aufgenommen worden. Bei Rentenversicherungen ist die Beendigung der Ansparphase der nach § 153 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F. maßgebliche Zeitpunkt. Durch diese getroffene Regelung wird berücksichtigt, dass den sog. stillen Reserven eines Versicherers eine wichtige Rolle als Risikopuffer zukommt, damit er Schwankungen des Kapitalmarkts ausgleichen kann. Bei der Beteiligung des Versicherungsnehmers an den Überschüssen ist nämlich nicht nur das Interesse des einzelnen Versicherungsnehmers, sondern auch das Interesse der übrigen Versicherten als Risikogemeinschaft zu berücksichtigen. Bei Verträgen mit Überschussbeteiligung hat der Versicherungsnehmer regelmäßig ein Interesse daran, schon vor Vertragsabschluss zu erfahren, welche Leistungen er vom Versicherer über die garantierten Leistungen hinaus zu erwarten hat. Auch für den Vermittler eines Lebensversicherungsvertrages ist diese Information wichtig. Macht der Versicherer im Zusammenhang mit dem Angebot oder dem Abschluss einer Lebensversicherung bezifferte Angaben zur Höhe von möglichen Leistungen über die vertraglich garantierten Leistungen hinaus, so muss er demzufolge gemäß § 154 Abs. 1 VVG n. F. dem Versicherungsnehmer eine Modellrechnung übermitteln, bei der die mögliche Ablaufleistung unter Zugrundelegung der Rechnungsgrundlagen für die Prämienkalkulation mit drei verschiedenen Zinssätzen dargestellt wird. Hiervon ausgenommen sind Risikoversicherungen und Verträge, die Leistungen der in § 54 b Abs. 1 und 2 des VAG bezeichneten Art vorsehen. Zwar ist auch mit dieser Zusatzinformation eine Fehlinformation des Versicherungsnehmers nicht per se ausgeschlossen, er hat aber jedenfalls eine vertretbare Berechnung der möglichen Entwicklung seiner Ablaufleistung.
Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F.
139
Die in der Vorschrift angesprochenen Zinssätze werden durch die VVG-InfoVO geregelt. Sie betragen nach § 2 Abs. 3 des VVG-InfoV a)
Höchstrechnungszinssatz, multipliziert mit 1,67,
b)
Zinssatz wie bei a), zuzüglich 1 %,
c)
Zinssatz wie bei a), abzüglich 1 %.
Nach § 154 Abs. 2 VVG n. F. muss der Versicherer den Versicherungsnehmer klar und verständlich darauf hinweisen, dass es sich bei der in § 154 Abs. 1 VVG n. F. geregelten Modellrechnung nur um ein Rechenmodell handelt, dem fiktive Annahmen zugrunde liegen und aus dem der Versicherungsnehmer keine vertraglichen Ansprüche gegen den Versicherer ableiten kann. Dadurch soll vermieden werden, dass der Versicherungsnehmer glaubt, er könne sich auf Versicherungsleistungen in der berechneten Höhe verlassen.92 Wurde eine Versicherung mit Überschussbeteiligung vereinbart, so hat der Versicherer den Versicherungsnehmer jährlich in Textform über die Entwicklung seiner Ansprüche unter Einbeziehung der Überschussbeteiligung zu unterrichten, § 155 Satz 1 VVG n. F. Darüber hinaus muss er nach § 155 Satz 2 VVG n. F. den Versicherungsnehmer auf Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von den anfänglichen Angaben hinweisen, wenn er bezifferte Angaben zur möglichen zukünftigen Entwicklung der Überschussbeteiligung gemacht hat. Mit dieser Vorschrift trägt der Gesetzgeber dem Interesse des Versicherungsnehmers Rechnung, während der bei Lebensversicherungen teilweise sehr langen Vertragslaufzeit Klarheit über die Entwicklung seiner Ansprüche zu erhalten. Die Vorschrift gilt nicht nur für die gesicherten Zahlungen, die über die ursprünglich garantierten Leistungen hinausgehen, sondern auch für die Abweichungen der tatsächlichen von der bei Vertragsschluss in Aussicht gestellten Entwicklung der Leistung des Versicherers. Der Versicherer braucht allerdings keine neue, aktualisierte Modellrechnung zu übermitteln.93
5.4
Kenntnis und Verhalten der versicherten Person Gemäß § 156 VVG ist bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch dessen Kenntnis und Verhalten zu berücksichtigen, soweit nach dem VVG die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind. Diese Vorschrift übernimmt inhaltlich unverändert die bisherige Regelung des § 161 VVG. Sie ist erforderlich, da Lebensversicherungen regelmäßig auf den Tod eines anderen genommen werden, aber es sich nicht um Versicherungen auf fremde Rechnung im Sinne der Vorschriften der §§ 43 ff. VVG n. F. handelt und deshalb § 47 VVG n. F. nicht anwendbar ist.
5.5
Altersangabe und Gefahränderung Wenn das Alter der versicherten Person unrichtig angegeben wurde, so verändert sich nach § 157 Satz 1 VVG n. F. die Leistung des Versicherers nach dem Verhältnis, in welchem die dem wirklichen Alter entsprechende Prämie zu der vereinbarten Prämie steht. Wegen der Verletzung der Anzeigepflicht kann der Versicherer in diesem Fall nur vom Vertrag zurücktreten, wenn er den Vertrag bei richtiger Altersangabe nicht geschlossen hätte.
92 93
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 97. Vgl. a. a. O.
D
D
140
Einzelne Versicherungszweige Diese Vorschrift ist zum Teil neu, denn § 162 VVG regelte nur den Fall, dass das Alter der versicherten Person zu niedrig angegeben wurde. Der seltene Fall einer zu hohen Altersangabe bleibt hingegen ungeregelt. 94 Änderungen der Gefahr sind in der Lebensversicherung in § 158 VVG n. F. gesondert geregelt. Nach § 158 Abs. 1 VVG n. F. liegt eine Gefahrerhöhung nur bei einer solchen Änderung der Gefahrumstände vor, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen werden sollen, wobei diese Vereinbarung überdies der Textform bedarf. Auf eine Gefahrerhöhung kann sich der Versicherer nach § 158 Abs. 2 VVG n. F. außerdem nicht mehr berufen, wenn seit der Gefahrerhöhung fünf Jahre verstrichen sind. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 VVG n. F. vorsätzlich oder gar arglistig verletzt hat, in diesem Fall gilt eine 10-Jahresfrist, § 158 Abs. 2 VVG n. F. § 41 VVG ist nach § 158 Abs. 3 VVG neu mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Prämienherabsetzung nur wegen solcher Minderung der Gefahrumstände verlangt werden kann, die ebenfalls ausdrücklich als Gefahrminderung zwischen den Parteien vereinbart worden ist. Gefahrerhöhung und Gefahrminderung sind in der Lebensversicherung oft schwer voneinander abzugrenzen, deshalb muss bei Vertragsschluss eindeutig festgelegt werden, unter welchen Umständen eine Prämienänderung vereinbart werden soll.
5.6
Bezugsberechtigung Nach § 159 Abs. 1 VVG n. F. ist der Versicherungsnehmer im Zweifel berechtigt, auch ohne Zustimmung des Versicherers einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen und an die Stelle des so bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen. Diese Vorschrift übernimmt inhaltlich unverändert die bisherige Regelung des § 166 Abs. 1 VVG. Sie gilt für alle Lebensversicherungen. Ein widerruflich Bezugsberechtigter erwirbt nach § 159 Abs. 2 VVG n. F. das Recht auf die Leistung des Versicherers erst mit Eintritt des Versicherungsfalls, ein unwiderruflich Bezugsberechtigter hingegen nach § 159 Abs. 3 VVG bereits mit der Bezeichnung als Bezugsberechtigter. Erfolgt demzufolge im Versicherungsvertrag die Benennung des Bezugsberechtigten als unwiderruflich, so soll dieser das Recht auf die Leistung schon von Anfang an erwerben. Diese Fallkonstellation kann in Betracht kommen, wenn der Versicherungsnehmer den Bezugsberechtigten z. B. schon bei Abschluss des Vertrages endgültig sichern will. Eine vertraglich abweichende Regelung ist gemäß § 171 VVG n. F. möglich. Wenn mehrere Personen ohne Bestimmung ihrer Anteile als Bezugsberechtigte bezeichnet sind, so können Schwierigkeiten auftreten, zu welchen Anteilen sie bezugsberechtigt sind. Aus diesem Grunde bestimmt § 160 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F., dass sie zu gleichen Teilen bezugsberechtigt sind, wobei der von einem Bezugsberechtigten nicht erworbene Anteil den übrigen Bezugsberechtigten anwächst, § 160 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. Soll die Leistung des Versicherers hingegen nach dem Tod des Versicherungsnehmers den Erben des Versicherungsnehmers zukommen, so sind dies im Zweifel diejenigen, die zur Zeit des Todes als Erben berufen sind, und zwar nach dem Verhältnis ihrer Erbteile. Dabei hat die Ausschlagung der Erbschaft auf die Berechtigung keinen Einfluss, auch der die Erbschaft
94
Für eine analoge Anwendung in diesem Fall Prölss/Martin – Kollhosser, § 162, Rz. 2.
Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F.
141
Ausschlagende behält somit seinen Anspruch auf die Leistung des Versicherers, § 160 Abs. 2 VVG n. F. Wird das Recht auf die Leistung des Versicherers von dem bezugsberechtigten Dritten hingegen nicht erworben, so steht es dem Dritten zu. Dies entspricht der bisherigen in § 168 VVG getroffenen Regelung. Auch wenn der Fiskus als Erbe berufen ist, steht ihm gleichwohl ein Bezugsrecht im Sinne des § 160 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. nicht zu, dies ist in § 160 Abs. 4 VVG n. F. ausdrücklich geregelt.
5.7
Selbsttötung und Tötung durch Leistungsberechtigte Ein Lebensversicherer ist leistungsfrei, wenn bei einer Versicherung für den Todesfall die versicherte Person vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Versicherungsvertrags einen Suizid begeht, § 161 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. Eine Ausnahme liegt nur dann vor, wenn der Suizid in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen wurde, was vom Versicherer zu beweisen ist. Die Dreijahresfrist kann nach § 161 Abs. 2 VVG n. F. durch eine Einzelvereinbarung, also nicht durch AVB, erhöht werden. Auch wenn der Versicherer nach § 161 Abs. 1 VVG n. F. leistungsfrei ist, so muss er gleichwohl den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 VVG zahlen, § 161 Abs. 3 VVG n. F. Letzteres ist wie bisher halbzwingend, § 171 VVG n. F. Der Versicherer ist ebenfalls nicht eintrittspflichtig, wenn bei einer Versicherung für den Todesfall, die auf einen anderen als den Versicherungsnehmer genommen wurde, der Versicherungsnehmer vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod des anderen herbeiführt. Wurde ein Dritter als Bezugsberechtigter bezeichnet, so gilt diese Bezeichnung als nicht erfolgt, wenn dieser vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod der versicherten Person herbeiführte, § 162 Abs. 2 VVG n. F. Diese Vorschrift übernimmt inhaltlich unverändert § 170 VVG.
5.8
Prämien- und Leistungsänderung, Bedingungsanpassung, prämienfreie Versicherung Nach § 163 Abs. 1 VVG n. F. ist der Versicherer bei Erfüllung der folgenden Voraussetzungen zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie berechtigt: Der Leistungsbedarf darf sich nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar gegenüber den Rechnungsgrundlagen der vereinbarten Prämien geändert haben. Die nach den berichtigten Berechnungsgrundlagen neu festgesetzte Prämie muss angemessen und erforderlich sein, um die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsleistung zu gewährleisten, und ein unabhängiger Treuhänder muss die Rechnungsgrundlagen und die Voraussetzungen der Nr. 1 und 2 überprüft und bestätigt haben. Die Mitwirkung eines unabhängigen Treuhänders entfällt gem. § 163 Abs. 4 VVG n. F., wenn die Neufestsetzung oder die Herabsetzung der Versicherungsleistung der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf.
D
D
142
Einzelne Versicherungszweige Eine Neufestsetzung der Prämie ist selbst bei Erfüllung der oben genannten Voraussetzungen ausgeschlossen, wenn die Versicherungsleistungen zum Zeitpunkt der Erst- oder Neukalkulation unzureichend kalkuliert waren und ein ordentlicher und gewissenhafter Aktuar dies hätte erkennen müssen, § 163 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. Der Versicherer soll demnach nicht die Nachteile einer unzureichenden Risikoeinschätzung auf den Versicherungsnehmer abwälzen können. Ist der Versicherer zur Prämienerhöhung berechtigt, so kann der Versicherungsnehmer nach § 163 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. anstelle der Prämienerhöhung auch die Herabsetzung der Versicherungsleistung verlangen. Handelt es sich um eine prämienfreie Versicherung, so kann der Versicherer unter den Voraussetzungen des § 163 Abs. 1 VVG n. F. die Herabsetzung der Versicherungsleistung vornehmen. § 163 Abs. 1 VVG n. F. regelt ein gesetzliches Recht des Versicherers zur Prämienanpassung, auch wenn eine entsprechende vertragliche Klausel in den allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht enthalten ist. Derartige Klauseln, die als Prämienanpassungsrecht auch in anderen Fällen vorliegen, werden durch die Vorschrift zwar nicht ausgeschlossen, unterliegen aber der üblichen AGB-rechtlichen Kontrolle. Eine inhaltliche Änderung der Voraussetzungen für die Neufestsetzung der Prämie gegenüber § 172 VVG a. F. sieht die Vorschrift nicht vor. Eine Anpassung der Prämie ist allerdings ausgeschlossen, wenn diese erkennbar unzureichend kalkuliert wurde. Die Neufestsetzung der Prämie und die Herabsetzung der Versicherungsleistungen werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder die Herabsetzung der hierfür maßgeblichen Gründe einem Versicherungsnehmer folgt, § 163 Abs. 3 VVG n. F. Eine Bedingungsanpassung ist dem Lebensversicherer nach Maßgabe des § 164 VVG n. F. möglich. Die Vorschrift ersetzt die bisherige Vorschrift des § 172 Abs. 2 VVG, die einige Fragen offen lässt und zu Auslegungsschwierigkeiten geführt hat.95 Ist eine Bestimmung in allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers durch höchstrichterliche Entscheidung oder bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärt worden, so kann der Versicherer diese durch eine neue Regelung ersetzen, wenn dies zur Fortführung des Vertrages notwendig ist oder das Festhalten an dem Vertrag ohne neue Regelung für eine Vertragspartei auch unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde. § 164 Abs. 1 VVG n. F. verlangt für eine Bedingungsanpassung zunächst einen bestandskräftigen Verwaltungsakt der Aufsichtsbehörde oder der Kartellbehörde oder eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH oder eine rechtskräftige Entscheidung eines Oberlandesgerichts. Der Versicherer kann demzufolge nicht in eigener Verantwortung über die Unwirksamkeit einer Bedingung entscheiden. Die neue Regelung ist nach § 164 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. nur wirksam, wenn sie unter Wahrung des Vertragsziels die Belange der Versicherungsnehmer angemessen berücksichtigt. Sie
95
Vgl. Prölss/Martin – Kollhosser, § 172, Rz. 17 ff.
Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F.
143
wird nach § 164 Abs. 2 VVG n. F. zwei Wochen, nachdem die neue Regelung und die hierfür maßgeblichen Gründe dem Versicherungsnehmer mitgeteilt wurden, Vertragsbestandteil. Die Anpassung wirkt allerdings nur für die Zukunft, die Vertragsparteien können aber einen anderen Zeitpunkt für das Wirksamwerden, z. B. rückwirkend zum Vertragsschluss, vereinbaren, sofern dieser für den Vertragspartner nicht nachteilig ist.96 Die Vorschrift gilt über § 176 VVG n. F. und § 203 Abs. 4 VVG n. F. auch für die Berufsunfähigkeits- und die Krankenversicherung. Eine allgemeine Anpassungsklausel für die anderen Versicherungszweige sieht das VVG hingegen nicht vor. Dies hätte einen nach Auffassung des Gesetzgebers nicht akzeptablen Eingriff in bestehende Verträge bedeutet. Nach § 165 Abs. 1 VVG kann der Versicherungsnehmer jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung verlangen, sofern die dafür vereinbarte Mindestversicherungsleistung erreicht wird. Ist dies nicht der Fall, so hat der Versicherer nach § 165 Abs. 1 Satz 2 VVG den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 VVG auszuzahlen. Die prämienfreie Leistung muss nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation unter Zugrundelegung des Rückkaufswerts nach § 169 Abs. 3-5 VVG n. F. berechnet und im Vertrag für jedes Versicherungsjahr angegeben werden. Die prämienfreie Leistung ist nach § 165 Abs. 3 VVG n. F. für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode unter Berücksichtigung von Prämienrückständen zu berechnen, die Ansprüche des Versicherungsnehmers aus der Überschussbeteiligung bleiben allerdings unberührt. § 165 Abs. 2 VVG n. F. verweist für die Berechnung der prämienfreien Versicherungsleistung somit ergänzend auf § 169 Abs. 3 – 5 VVG n. F., um einen Gleichlauf der Berechnung mit dem Rückkaufswert im Falle der Kündigung sicherzustellen.
5.9
Kündigung Gemäß § 166 Abs. 1 VVG n. F. wandelt sich mit der Kündigung des Versicherungsverhältnisses durch den Versicherer die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um, wobei § 165 VVG n. F. auf die Umwandlung angewendet wird. Kündigt der Versicherer wegen Verzuges mit der Zahlung der Folgeprämie und tritt der Versicherungsfall nach der Kündigung ein, so ist der Versicherer nach § 166 Abs. 2 VVG n. F. zu der Leistung verpflichtet, die er erbringen müsste, wenn sich mit dem Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte. Setzt der Lebensversicherer dem Versicherungsnehmer zur Zahlung der Folgeprämie eine Frist, so muss er den Versicherungsnehmer auch über die Rechtsfolge der eintretenden Umwandlung der Versicherung informieren, § 166 Abs. 3 VVG. Bei einer Lebensversicherung, die vom Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgeschlossen wurde, muss der Versicherer die versicherte Person über die Bestimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 VVG n. F. und die eintretende Umwandlung der Versicherung in Textform informieren und außerdem eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Monaten einräumen. Der Gesetzgeber hat hier einen besonderen Schutz der bezugsberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgesehen.
96
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 101.
D
D
144
Einzelne Versicherungszweige Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung kann jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlangen, die den Anforderungen des § 851c Abs. 1 ZPO entspricht, wobei die Kosten der Umwandlung der Versicherungsnehmer zu bezahlen hat, § 167 VVG n. F. Die Vorschrift betrifft die Umwandlung der Lebensversicherung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes. Das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers ist in der Lebensversicherung in § 168 VVG n. F. geregelt. Muss er laufende Prämien zahlen, so kann er das Versicherungsverhältnis jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen, § 168 Abs. 1 VVG n. F. Dies gilt allerdings nicht, wenn es sich um einen Versicherungsvertrag handelt, der für die Altersvorsorge bestimmt ist und bei dem der Versicherungsnehmer mit dem Versicherer eine Verwertung vor dem Eintritt in den Ruhestand ausgeschlossen hat, § 168 Abs. 3 erster HS VVG. Der Wert der vom Ausschluss der Verwertbarkeit betroffenen Ansprüche darf die in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bestimmten Beträge nicht übersteigen. Bei einer Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist, steht das Kündigungsrecht dem Versicherungsnehmer auch dann zu, wenn eine Einmalprämie vereinbart ist, § 168 Abs. 2 VVG n. F. Damit ist der Anwendungsbereich des bisherigen § 165 Abs. 2 VVG auf alle Lebensversicherungen, die Versicherungsschutz für ein Risiko bieten, bei dem der Eintritt der Leistungspflicht gewiss ist, erweitert worden.
5.10
Rückkaufswert Wie bereits oben ausgeführt, stellt die Neuregelung für die Berechnung des Rückkaufswertes einen wesentlicher Baustein der VVG-Reform dar.97 Der BVerfG hatte z. B. in seinem Urteil vom 26.7.2005 moniert, dass dem Versicherungsnehmer in den ersten Jahren im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung trotz hoher Prämienzahlungen nur ein außerordentlich niedriger Rückkaufswert zur Verfügung steht.98 Der BGH hatte durch Urteil vom 12.10.2005 klargestellt, dass der Rückkaufswert bei Kündigung einen Mindestwert nicht unterschreiten darf.99 Der BGH ist für den Fall der Kündigung von einem Mindestwert in Höhe der Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals ausgegangen. Nach der VVG-Reform ist von Folgendem auszugehen: Kündigt der Versicherungsnehmer eine Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist oder wird eine solche Versicherung durch Rücktritt oder Anfechtung des Versicherers aufgehoben, so muss der Versicherer den Rückkaufswert zahlen, § 169 Abs. 1 VVG n. F. Die durch den Versicherer erfolgte Kündigung wird somit ausgeklammert. Insoweit ist nach § 166 Abs. 1 VVG n. F. nur die Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung vorgesehen. Auch Rücktritt und Anfechtung durch den Versicherungsnehmer erfasst § 169 Abs. 1 VVG n. F. nicht, in diesen Fällen wird der Vertrag nach allgemeinen Regeln abgewickelt. Nach § 169 Abs. 2 VVG n. F. ist der Rückkaufswert außerdem nur insoweit zu zahlen, als dieser die Leistung bei einem Versicherungsfall zum Zeitpunkt der Kündigung nicht übersteigt. Der danach nicht gezahlte Teil des Rückkaufswertes wird für eine prämienfreie Versicherung verwendet. Etwas anderes gilt für den Fall des Rücktritts oder der Anfechtung durch den Ver-
97 98 99
Vgl. allgemein Engeländer, VersR 2007, 1297. Vgl. BVerfG VersR 2005,1109. Vgl. BGH VersR 2005, 1565.
Lebensversicherung, §§ 150 – 171 VVG n. F.
145
sicherer, hier ist nach § 169 Abs. 2 Satz 3 VVG n. F. der volle Rückkaufswert zu zahlen. Die Auszahlung des Rückkaufswerts soll somit auf die Ausnahmefälle beschränkt werden, bei denen der nach den Absätzen 3 – 6 berechnete Rückkaufswert höher als die Versicherungsleistung zum Zeitpunkt der Kündigung ist. Die Kernvorschrift zur Berechnung des Rückkaufswerts ist § 169 Abs. 3 VVG n. F. In § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. wird der Rückkaufswert als das nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung definiert. Bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses muss dies mindestens der Betrag des Deckungskapitals sein, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt, wobei die aufsichtsrechtlichen Regelungen über die Höchstzillmersätze unberührt bleiben. Damit ist an die Stelle des Zeitwerts eine möglichst klare und nachvollziehbare Berechnung des Rückkaufswerts getreten, die einerseits dem Versicherungsnehmer bei der Inanspruchnahme des Kündigungsrechts den durch die gezahlten Prämien angesparten Wert des Vertrages gewährt, andererseits den Versicherer aber weder über seine bereits entstandenen Verpflichtungen hinaus belastet noch ihm gestattet, Vorteile aus der Tatsache der Kündigung zu ziehen. Eine andere Regelung gilt gemäß § 169 Abs. 4 VVG n. F. für fondsgebundene Versicherungen und andere Versicherungen, die Leistungen der in § 54 b des VAG bezeichneten Art vorsehen, hier wird der Rückkaufswert als der nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik berechnete Zeitwert der Versicherung definiert. § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. regelt darüber hinaus die sog. Frühstornofälle, bei denen die bisherige Praxis zur Berechnung des Rückkaufswertes dazu führte, dass zumindest in den ersten zwei Vertragsjahren kein Rückkaufswert vorhanden war. Dies hat der Gesetzgeber als unangemessen angesehen. Dem kündigenden Versicherungsnehmer soll auch in diesen Fällen ein Mindestrückkaufswert zustehen.100 Darüber hinaus sind Stornoabzüge gemäß § 169 Abs. 5 VVG n. F. nur berechtigt, wenn sie vereinbart, beziffert und angemessen sind und es sich nicht um nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten handelt, § 169 Abs. 5 Satz 1 VVG n. F. Die Regelung knüpft an das sog. Riester-Modell nach dem durch Art. 7 des Gesetzes vom 5.7.2004 geänderten Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz vom 26.6.2001 an. Die Vorschrift wird flankiert durch die VVG-InfoV, wonach der Versicherungsnehmer vor Abgabe seiner Vertragserklärung über die Höhe und Verteilung der ihn belastenden Abschluss- und Vertriebskosten zu informieren ist.
100
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 102.
D
D
146
Einzelne Versicherungszweige
Beispiel Ein VN kündigt nach zwei Jahren seine auf 20 Jahre abgeschlossene Lebensversicherung, in die er 3.000 Euro jährlich oder insgesamt 6.000 Euro einbezahlt hat. Der Vermittler hatte 40 Promille Abschlussprovision erhalten, dazu kamen weitere 10 Promille sonstiger Abschlusskosten. Das Deckungskapital wurde um 20 Jahre x 3.000 Euro = 60.000 Euro Beitragssumme x 50 Promille = 3.000 Euro reduziert. Nach bisheriger Vorgehensweise hätte der VN einen Rückkaufswert von 4.000 Euro eingezahlte Prämien – 3.000 Euro Abschlusskosten = 1.000 Euro erhalten. Nach neuem Recht hat der Versicherer zunächst die Abschlusskosten auf 40 Promille x 60.000 Euro Beitragssumme = 2.400 Euro zu begrenzen und diese rechnerisch auf fünf Jahre zu verteilen, so dass sich der Stornoabzug wie folgt reduziert: 2.400 Euro Abschlusskosten : 5 Jahre x 2 Jahre tatsächliche Versicherungsdauer = 960 Euro. Der VN hat danach Anspruch auf einen Rückkaufswert von 4.000 Euro eingezahlte Prämien – 960 Euro Stornoabzug = 3.040 Euro. In diesem Beispiel wurden zur Vereinfachung weder die Kosten des Risikoschutzes abgezogen noch eventuelle, anteilige Überschussanteile berücksichtigt, wie es bei einer nach versicherungsmathematischen Methoden der Berechnung des Deckungskapitals erforderlich wäre.
Wenn der Versicherer seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum hat, so kann er für die Berechnung des Rückkaufswerts anstelle des Deckungskapitals den in diesem Staat vergleichbaren anderen Bezugswert zugrunde legen. Diese Vorschrift berücksichtigt diejenigen Fälle, in denen das auf derartige Versicherer anwendbare Recht ein Deckungskapital im Sinne von § 169 Abs. 3 VVG n. F. nicht kennt. Nach § 169 Abs. 6 VVG n. F. kann der Versicherer den Rückkaufswert angemessen herabsetzen, soweit dies erforderlich ist, um eine Gefährdung der Belange der Versicherungsnehmer auszuschließen. Dies gilt insbesondere, wenn die dauernde Erfüllbarkeit der sich aus den Versicherungsverträgen ergebenden Verpflichtungen gefährdet ist. Allerdings ist auch in diesem Fall die Herabsetzung jeweils auf ein Jahr befristet, § 169 Abs. 6 Satz 1 VVG n. F. Der Versicherer hat daher nur unter bestimmten eng begrenzten Voraussetzungen eine Befugnis, den nach § 169 Abs. 3 VVG n. F. berechneten Rückkaufswert zu kürzen. Nach § 169 Abs. 7 VVG n. F. hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer zusätzlich zu dem nach § 169 Abs. 3 – 6 VVG n. F. berechneten Rückkaufswert die diesem bereits zugeteilten Überschussanteile, sofern sie nicht bereits in dem Rückkaufswert enthalten sind, sowie den nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Fall der Kündigung vorgesehenen Schlussüberschussanteil zu zahlen.
5.11
Sonstiges Wird in die Versicherungsforderung ein Arrest vollzogen oder eine Zwangsvollstreckung vorgenommen oder wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers eröffnet, kann der namentlich bezeichnete Bezugsberechtigte mit Zustimmung des Versicherungsnehmers an seiner Stelle in den Versicherungsvertrag eintreten, § 178 Abs. 1 Satz 1 VVG. Diese Vorschrift stimmt inhaltlich mit dem bisherigen § 177 VVG überein. Tritt der Bezugsberechtigte ein, so hat er die Forderungen der betreibenden Gläubiger oder der Insolvenzmasse bis zur Höhe des Betrages zu befriedigen, dessen Zahlung der Versicherungs-
Berufsunfähigkeitsversicherung, §§ 172 – 177 VVG n. F.
147
nehmer im Falle der Kündigung des Versicherungsverhältnisses vom Versicherer verlangen könnte. Ist ein Bezugsberechtigter nicht oder nicht namentlich bezeichnet, so steht das gleiche Recht gemäß § 170 Abs. 2 VVG n. F. dem Ehegatten oder Lebenspartner und den Kindern des Versicherungsnehmers zu. Der Eintritt muss dem Versicherer nach § 170 Abs. 3 VVG n. F. innerhalb eines Monats angezeigt werden, nachdem der Eintrittsberechtigte von der Pfändung Kenntnis erlangt hat oder das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Nach § 171 VVG n. F. sind die §§ 152 Abs. 1 und 2, 153 – 155, 157, 158, 161 und 163 – 170 VVG halbzwingend. Ferner kann für das Verlangen des Versicherungsnehmers auf Umwandlung nach § 165 VVG n. F. oder für seine Kündigung nach § 168 VVG n. F. die Schrift- oder die Textform vereinbart werden.
6
Berufsunfähigkeitsversicherung, §§ 172 – 177 VVG n. F. Die Regelung der Berufsunfähigkeitsversicherung im VVG ist neu. Neben den §§ 172 – 177 VVG n. F. sind über § 176 VVG n. F. die §§ 150 – 170 VVG n. F. entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten dieser Versicherung nicht entgegenstehen. Die §§ 173 – 176 VVG n. F. gelten darüber hinaus entsprechend für alle Versicherungsverträge, bei denen der Versicherer für eine dauerhafte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eine Leistung verspricht. Dies gilt nicht für die Unfallversicherung und die Krankenversicherungsverträge, die das Risiko der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit zum Gegenstand haben, § 177 Abs. 1 und 2 VVG n. F. Versicherungsverträge im Sinne des § 177 Abs. 1 VVG sind z. B. Erwerbsunfähigkeitsversicherungsverträge.
6.1
Leistung des Versicherers Nach § 172 Abs. 1 VVG n. F. ist der Versicherer verpflichtet, für eine nach Beginn der Versicherung eingetretene Berufsunfähigkeit die vereinbarten Leistungen zu erbringen. Üblicherweise sind dies die Zahlung einer Rente und/oder Befreiung von der Beitragspflicht. Die Berufsunfähigkeit im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung wird in § 172 Abs. 2 VVG n. F. erstmalig legaldefiniert. Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann. Erfasst werden sollen auch Tätigkeiten, die keinem bestimmten Lehrberuf entsprechen.101 Nicht entscheidend ist der bei Antragstellung oder Vertragsschluss ausgeübte Beruf, sondern die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit in ihrer konkreten Ausprägung. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung zum Begriff der Berufsunfähigkeit.102 Damit hängt die Berufsunfähigkeit nach dem Leitbild des Gesetzgebers zunächst einmal nicht davon ab, ob die versicherte Person auch eine andere Tätigkeit ausüben kann oder tatsächlich ausübt, die sie aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten ausüben kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Allerdings kann dieses zusätzliche Merkmal einer bedingungsge-
101 102
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 105. Vgl. z. B. OLG Hamm VersR 1998, 442.
D
D
148
Einzelne Versicherungszweige mäßen Berufsunfähigkeit nach § 172 Abs. 3 VVG n. F. vereinbart werden. Die bislang in den meisten Versicherungsbedingungen enthaltenen Verweisungsregelungen sind demnach auch nach der VVG-Reform grundsätzlich zulässig.
6.2
Anerkenntnis Nach § 173 VVG n. F. muss der Versicherer nach einem Leistungsantrag bei Fälligkeit in Textform erklären, ob er seine Leistungspflicht anerkennt, wobei das Anerkenntnis gemäß § 173 Abs. 2 VVG n. F. nur einmal zeitlich begrenzt werden darf und bis zum Ablauf der Frist bindend ist. Mit dieser Regelung trägt der Gesetzgeber dem schützenswerten Interesse des Versicherungsnehmers Rechnung, bald eine Erklärung des Versicherers zu bekommen, ob dieser die vertraglich vereinbarten Leistungen zu erbringen bereit ist. Der BU-Versicherer kann nach der Neuregelung ein Anerkenntnis nicht mehr mit dem Vorbehalt einer Verweisung auf eine andere mögliche Tätigkeit erklären, wie es derzeit noch viele Bedingungen vorsehen. Er darf er sein Anerkenntnis zwar zeitlich, dies aber nur einmal begrenzen. Kettenanerkenntnisse sind daher nicht mehr zulässig. Die Vorschrift des § 173 VVG n. F. hat auch deshalb besondere Bedeutung, weil sie die einzige ist, die qua Gesetz auch für bestehende Berufsunfähigkeitsverträge gilt.
6.3
Nachprüfung Stellt der Versicherer im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, so wird er gemäß § 174 Abs. 1 VVG n. F. nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat. Das Erfordernis einer Änderungsmitteilung in Textform sehen nicht alle Bedingungswerke vor, tatsächlich werden Änderungsmitteilungen allerdings üblicherweise in Textform oder auch schriftlich versandt. Leistungsfreiheit tritt dabei nach § 174 Abs. 2 VVG n. F. frühestens mit dem Ablauf des 3. Monats nach Zugang der in § 174 Abs. 1 VVG n. F. geregelten Änderungsmitteilung ein. Dies entspricht der Regelung in vielen Bedingungen (vgl. z. B. § 7 Abs. 4 BB – BUZ 94). Die Regelungen des Nachprüfungsverfahrens schließen die Anwendung der §§ 19 ff. VVG n. F. ebenso wenig aus wie eine Anfechtung des Anerkenntnisses oder des Versicherungsvertrages. Sie regeln lediglich die besonderen Voraussetzungen, unter denen sich der BUVersicherer im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens von seiner Leistungspflicht lösen kann.
6.4
Sonstiges Die §§ 173 – 174 VVG sind halbzwingend gemäß § 175 VVG.
7
Unfallversicherung, §§ 178 – 191 VVG n. F. Die Unfallversicherung ist in den §§ 178 – 191 VVG n. F. geregelt. Der Gesetzgeber hat an vielen Stellen Detailveränderungen vorgenommen. Die §§ 178 – 190 VVG n. F. sind gemäß § 191 VVG n. F. nur zum Teil zwingend, von den §§ 178 Abs. 2 Satz 2 und 181, 186 – 188 VVG n. F. kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person abgewichen werden.
Unfallversicherung, §§ 178 – 191 VVG n. F.
7.1
149
Leistung des Versicherers Nach § 178 Abs. 1 VVG ist bei einer Unfallversicherung der Versicherer leistungspflichtig, wenn sich ein Unfall der versicherten Person oder ein anderes, dem Unfall gleichgestelltes Ereignis ereignet. Dabei liegt ein Unfall gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet, die Unfreiwilligkeit wird nach § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. bis zum Beweis des Gegenteils vermutet. Der Gesetzgeber verlangt somit in Übereinstimmung mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine plötzliche Einwirkung.103 Dem zeitlichen Element des Geschehens wird keine vorrangige oder ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Die im bisher geregelten § 180 a Abs. 1 VVG enthaltene Vermutungsregelung wird in § 178 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. übernommen. Eine Unfallversicherung kann nach § 179 Abs. 1 VVG für den Eintritt des Unfalls des Versicherungsnehmers oder einer anderen Person genommen werden. Ist Letzteres der Fall, so gilt die Versicherung im Zweifel als für Rechnung des anderen genommen, § 179 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. Wird die Versicherung für den Unfall eines anderen von dem Versicherungsnehmer für eigene Rechnung genommen, so muss dieser andere zur Wirksamkeit des Vertrages zustimmen. Ist er geschäftsfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt oder ist für ihn ein Betreuer bestellt und steht die Vertretung in der seine Person betreffenden Angelegenheit dem Versicherer zu, so kann dieser den anderen bei der Erteilung der Einwilligung nicht vertreten, § 179 Abs. 2 VVG n. F. Nach § 179 Abs. 3 VVG n. F. sind Kenntnis und das Verhalten des anderen zu berücksichtigen, wenn im Falle des § 179 Abs. 2 VVG n. F. Kenntnis und Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind. Auf eine Gefahrerhöhung kann sich der Unfallversicherer nach § 181 Abs. 1 VVG n. F. nur berufen, wenn es um eine Änderung von solchen Umständen geht, die nach ausdrücklicher Vereinbarung, die der Textform bedarf, als Gefahrerhöhung angesehen werden sollen. Die Vorschrift ist neu und lehnt sich an die für Lebensversicherungen geltende Regelung des § 164 VVG n. F. an. Für den praktisch wichtigsten Fall des Berufswechsels bedeutet dies, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer sein geltendes Berufsgruppenverzeichnis übermitteln muss, das dann die Grundlage für die Vereinbarung in Textform bildet.104 Ergeben sich im Falle einer Gefahrerhöhung nach dem geltenden Tarif des Versicherers bei unveränderter Prämie niedrigere Versicherungsleistungen, so gelten diese mit Ablauf eines Monats nach Eintritt der Gefahrerhöhung als vereinbart, § 181 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. Darüber hinausgehende Rechte kann der Versicherer nur geltend machen, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung arglistig nicht angezeigt hat. Für den umgekehrten Fall einer verminderten Gefahr besteht im Hinblick auf § 41 VVG n. F. kein zusätzlicher Regelungsbedarf.
7.2
Leistungspflicht des Versicherers für den Fall der Invalidität Haben die Parteien des Unfallversicherungsvertrags eine Leistungspflicht des Versicherers für den Fall der Invalidität vereinbart, so schuldet der Unfallversicherer die vereinbarten Leistun-
103 104
Vgl. z. B. BGH VersR 88, 952; Prölss/Martin – Knappmann, § 1 AUB 94, Rz. 5 ff. Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 108.
D
D
150
Einzelne Versicherungszweige gen im vereinbarten Umfang, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist, wobei eine dauerhafte Beeinträchtigung vorliegt, wenn diese voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung dieses Zustandes nicht erwartet werden kann, § 180 VVG n. F. Das weicht zumindest von der jüngeren Rechtsprechung ab, wonach es genügt, dass nach ärztlicher Prognose die Beeinträchtigung mindestens und nicht länger als drei Jahre nach dem Unfall andauern wird, wobei spätere nicht absehbare Veränderungen unbeachtlich sind.105 Unfallversicherungsverträge, die Leistungen an einen bestimmten Grad der Beeinträchtigung anknüpfen, werden von dieser Regelung nicht betroffen, sondern nur diejenigen, bei denen für den Fall der Invalidität Leistungen versprochen werden und der Versicherungsvertrag eben keine näheren Regelungen enthält. Eine Veränderung der Leistungsvoraussetzungen mit Wirkung für bestehende Verträge sieht das VVG nicht vor. Ist vereinbart, dass der Anspruch auf die vereinbarten Leistungen des Unfallversicherers entfällt oder sich mindert, wenn Krankheiten oder Gebrechen bei der durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt haben, so muss der Versicherer die Voraussetzung des Wegfalls oder der Minderung des Anspruchs nachweisen, § 182 VVG n. F. Diese Vorschrift übernimmt die üblicherweise in den AUB enthaltene entsprechende Regelung und bezweckt lediglich, die schon bisher geltende Beweislast festzuschreiben. 106 Sie ist auf andere Tatbestände, die zu einer Verminderung der Versicherungsleistung führen, nicht entsprechend anzuwenden. Sie gilt dem Wortlaut nach nicht nur für den Anspruch auf Invaliditätsentschädigung, hat dort aber die größte Bedeutung. Nach § 186 VVG n. F. muss der Versicherer den Versicherungsnehmer auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, so kann sich der Versicherer auf ein Fristversäumnis nicht berufen, § 186 Satz 1 und 2 VVG n. F. Diese Vorschrift gilt nicht nur für den Anspruch auf Invaliditätsentschädigung, hat hier aber eine besondere Bedeutung, weil in der Rechtspraxis die Nichtbeachtung gerade der in den AUB geregelten Frist zur rechtzeitigen Geltendmachung der Invaliditätsansprüche häufig zum Streit führt.107 Versicherungsnehmer übersehen immer wieder die sich aus den AVB ergebende Notwendigkeit der ärztlichen Feststellung und der Geltendmachung des Anspruchs innerhalb eines begrenzten Zeitraums. Damit es nicht wie in der Vergangenheit darauf ankommt, ob im Einzelfall das Verstreichen der Fristen unschädlich ist, weil die Berufung auf das Fristversäumnis treuwidrig ist, sieht der Gesetzgeber eine besondere Belehrungspflicht vor.
7.3
Anerkenntnis Nach § 187 Abs. 1 VVG hat der Versicherer nach einem Leistungsantrag innerhalb eines Monats nach Vorlage der zu dessen Beurteilung erforderlichen Unterlagen in Textform zu erklären, ob und in welchem Umfang er seine Leistungspflicht anerkennt.108 Die Frist beträgt 3 Monate, wenn eine Invaliditätsleistung beantragt wird. Erkennt der Versicherer den Anspruch an oder haben sich Versicherungsnehmer und Versicherer über Grund und Höhe des Anspruchs geeinigt, so wird die Leistung nach § 187 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. innerhalb von zwei Wochen fällig. Diese Abweichung von § 14 VVG n. F. gilt aber nur in dem gesetzlich geregel-
105 106 107 108
Vgl. OLG Hamm NVersZ 99,566; Prölss/Martin – Kollhosser, § 7 AUB 94, Rz. 5, Marlow, RuS 2007, 353, 361. Vgl. z. B. die Regelung in § 8 AUB 94 und Ziffer 3 AUB 99. Vgl. zu dieser Problematik allgemein Prölss/Martin – Knappmann, § 7 AUB 94, Rz. 7 ff. Vgl. schon die Regelung in Ziffer 9.1 AUB 99.
Unfallversicherung, §§ 178 – 191 VVG n. F.
151
ten Fall der Einigung oder des Anerkenntnisses. Steht die Leistungspflicht nur dem Grunde nach fest, so muss der Versicherer einen angemessenen Vorschuss leisten, wenn der Versicherungsnehmer diesen verlangt, § 187 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F.109 Diese Vorschrift greift eine in vielen AUB enthaltene Klausel auf. Sie stellt damit gegenüber der bisherigen Rechtspraxis keine wesentliche Neuregelung dar.
7.4
Neubemessung der Invalidität Sind Leistungen für den Fall der Invalidität vereinbart, so kann jede Vertragspartei den Invaliditätsgrad jährlich, längstens aber bis zu drei Jahre nach Eintritt des Unfalls neu bemessen lassen, § 188 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. In der Kinderunfallversicherung kann die Frist, innerhalb derer eine Neubemessung verlangt werden kann, nach § 188 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. verlängert werden. Die zum Teil in den Versicherungsbedingungen enthaltene Klausel, wonach der Versicherungsnehmer das Recht auf Neubemessung der Invalidität verliert, wenn er es nicht innerhalb einer bestimmten Frist ausübt oder sich vorbehält, weicht für den Versicherungsnehmer nachteilig von der Regelung des § 188 Abs. 1 Satz 1 VVG ab und ist daher unwirksam. Mit der Erklärung des Versicherers über die Leistungspflicht ist der Versicherungsnehmer über das Recht zu unterrichten, den Grad der Invalidität neu bemessen zu lassen. Wenn dies unterbleibt, so kann sich der Versicherer auf eine Verspätung des Verlangens des Versicherungsnehmers, den Grad der Invalidität neu zu bemessen, nicht berufen, § 188 Abs. 2 Satz 1 und 2 VVG n. F. Diese Vorschrift ist neu und berücksichtigt, dass in der Unfallversicherung zum einen der Versicherungsnehmer ein Interesse hat, alsbald eine Invaliditätsentschädigung zu erhalten, andererseits aber die Einschätzung des Grades der Invalidität nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums durchaus schwanken kann.110
7.5
Sachverständigenverfahren, Schadensermittlungskosten Nach § 189 VVG n. F. sind die §§ 84 und 85 Abs. 1 und 3 VVG n. F. entsprechend anzuwenden. Dieser Verweis ist aus den oben erwähnten Gründen erforderlich.
7.6
Pflichtversicherung Besteht für den Abschluss einer Unfallversicherung eine gesetzliche Verpflichtung, so muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Versicherungssumme bescheinigen, dass eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift entsprechende Unfallversicherung besteht. Diese Vorschrift übernimmt inhaltlich unverändert die bisherige Regelung des § 185 Abs. 2 in Verbindung mit § 158 b Abs. 2 VVG. Die Vorschrift ist zwingend.
7.7
Sonstiges Nach § 183 Abs. 1 VVG n. F. ist der Versicherer nicht eintrittspflichtig, wenn im Falle des § 179 Abs. 2 VVG n. F. der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder durch eine widerrechtliche Handlung den Versicherungsfall herbeiführt. Es handelt sich um einen Sondervorschrift gegenüber § 81 VVG n. F., der auf die Unfallversicherung auch als Schadenversicherung nicht
109
Angemessen ist der Betrag, der voraussichtlich mindestens gezahlt werden muss, vgl. Prölss/Martin – Knappmann, § 11 AUB 94, Rz. 14. 110 Zur Regelung in § 11 AUB 94 vgl. Prölss/Martin – Knappmann, § 11 AUB 94, Rz. 8 ff.
D
D
152
Einzelne Versicherungszweige anzuwenden ist.111 Gleiches gilt nach § 183 Abs. 2 VVG, wenn ein Dritter als Bezugsberechtigter bezeichnet ist und der Dritte vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Versicherungsfall herbeiführt, in diesem Fall gilt die Bezeichnung des Dritten als Bezugsberechtigten als nicht erfolgt. Die Vorschriften der §§ 82 und 83 VVG n. F. (Obliegenheit zur Abwendung und Minderung des Schadens und erweiterter Aufwendungsersatz) sind nach § 184 VVG n. F. auf die Unfallversicherung nicht anzuwenden, da die allgemeinen Vorschriften über die Rettungsobliegenheit für die Unfallversicherung als nicht angemessen erscheinen.112 Ohnehin könnten die §§ 82 und 83 VVG n. F. nur dann gelten, wenn die Unfallversicherung nicht als Summen-, sondern als Schadenversicherung ausgestaltet ist. Allerdings hat der Versicherer trotz der Vorschrift des § 184 VVG n. F. die Möglichkeit, Obliegenheiten zur Verminderung der Folgen eines Unfalls vertraglich zu vereinbaren, wobei derartige Klauseln selbstverständlich auch einer AGBrechtlichen Kontrolle standhalten müssen.113 Ist als Leistung des Versicherers die Zahlung eines Kapitals vereinbart, so werden die §§ 159 und 160 VVG n. F. entsprechend angewendet, § 185 VVG n. F.
8
Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F. Die Krankenversicherung ist in den §§ 192 – 208 VVG n. F. geregelt. In der Begründung des Regierungsentwurfs werden zwei Komplexe hervorgehoben: Managed Care und Alterungsrückstellungen. Unter den Begriff „Managed Care“ wird eine Vielzahl unterschiedlicher Arten von Maßnahmen zur Kostensteuerung subsumiert. Sachlich werden die Hauptgruppen „Leistungsmanagement“ und „Managed Care im engeren Sinne“ unterschieden. Unter den Begriff des Leistungsmanagements fallen alle Maßnahmen des Versicherers, die mit der Erbringung der von ihm geschuldeten tariflichen Leistungen gegenüber dem Versicherungsnehmer zusammenhängen (z. B. Feststellung, ob die erbrachten Behandlungsleistungen medizinisch notwendig waren). Zum „Managed Care im engeren Sinn“ gehören Maßnahmen zur Kosten und Qualitätssteuerung, die vor oder unmittelbar bei der Erbringung der medizinischen Leistung wirken (z. B. Desease Management = Behandlung schwerer chronischer Erkrankungen). Das neue VVG verzichtet zunächst auf eine allgemeine Regelung, die einen vertraglichen Anspruch zur Übertragung der Alterungsrückstellungen vorsieht.114 Die private Krankenversicherung ist mit rund 29 Milliarden Euro Beitragseinnahmen nach der Lebensversicherung (78 Milliarden Euro) der zweitgrößte Versicherungszweig. Über 8 Millionen VN haben eine Vollversicherung und damit rund ein Zehntel aller Deutschen. Weitaus mehr haben eine Zusatzversicherung abgeschlossen, die in der Regel Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ergänzen bzw. Leistungslücken ausfüllen. Die Krankenversicherung unterliegt stärker noch als die Lebensversicherung staatlichem Einfluss. Der Gesetzgeber schafft den Rahmen, in dem die private Krankenversicherung (PKV) agieren kann, greift allerdings auch immer wieder regulierend in das Marktgeschehen
111 112 113 114
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 108. Vgl. a. a. O. Vgl. z. B. die Regelungen in § 9 AUB 94. Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 55.
Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F.
153
ein. Dies gilt aktuell in besonderem Maß für das „GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz“, das meist einfach als Gesundheitsreform bezeichnet wird und am 1.4.2007 in Kraft getreten ist.
8.1
Vertragstypische Leistungen In § 192 VVG n. F. werden die vertragstypischen Leistungen des Krankenversicherers beschrieben. Nach § 192 Abs. 1 VVG n. F. ist bei der Krankheitskostenversicherung der Krankenversicherer verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für die medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarten Leistungen einschließlich solcher bei Schwangerschaft und Entbindung sowie für ambulante Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen zu erstatten. Dies gilt allerdings nach § 192 Abs. 2 VVG n. F. insoweit nicht, als die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstige Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen. Letzteres ist neu. Mit § 192 Abs. 2 VVG n. F. hat der Gesetzgeber klargestellt, dass Übermaß-Vergütungen ausgeschlossen sind. Ein allgemeines Wirtschaftlichkeitsgebot, wie von der VVG-Kommission vorgeschlagen, sieht § 192 Abs. 2 VVG n. F. nicht vor. Nach § 192 Abs. 3 VVG n. F. können als Inhalt der Krankheitskostenversicherung auch zusätzliche Dienstleistungen vereinbart werden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Leistungen nach § 192 Abs. 1 VVG n. F. stehen. Exemplarisch werden genannt: die Beratung über Leistungen nach § 192 Abs. 1 VVG n. F. sowie über die Anbieter solcher Leistungen, die Beratung über die Berechtigung von Entgeltansprüchen der Erbringer von Leistungen nach § 192 Abs. 1 VVG n. F., die Abwehr unberechtigter Entgeltansprüche der Erbringer von Leistungen nach § 192 Abs. 1 VVG n. F., die Unterstützung der versicherten Personen bei der Durchsetzung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Erbringung der Leistungen nach § 192 Abs. 1 VVG n. F. und der sich hieraus ergebenden Folgen und die unmittelbare Abrechnung der Leistungen nach § 192 Abs. 1 VVG n. F. mit deren Erbringern. Diese Vorschrift ist neu und stellt klar, dass auch solche Tätigkeiten des Versicherers im Rahmen eines Leistungsmanagements zum Gegenstand eines Krankenversicherungsvertrags gemacht werden können, die dem Service oder der Beratung und Unterstützung des Versicherungsnehmers im Zusammenhang mit der Erbringung versicherter Leistungen dienen. Einige dieser Leistungen werden bereits heute von Krankenversicherern erbracht. Die Vorschrift ist nicht abschließend.115 Die vertragstypischen Leistungen des Versicherers bei einer Krankenhaustagegeldversicherung werden in § 192 Abs. 4 VVG n. F. beschrieben. Hiernach ist der Versicherer verpflichtet,
115
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 110.
D
D
154
Einzelne Versicherungszweige bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung das vereinbarte Krankenhaustagegeld zu leisten. Die Vorschrift übernimmt den bisherigen § 178 b Abs. 2 VVG. Nach § 192 Abs. 5 VVG n. F. ist der Krankentagegeldversicherer verpflichtet, den als Folge von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen. Auch diese Vorschrift ist nicht neu, sondern entspricht § 178 b Abs. 3 VVG a. F. Die Pflegekrankenversicherung ist in § 192 Abs. 6 VVG n. F. geregelt. Bei ihr ist der Versicherer verpflichtet, im Fall der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für die Pflege der versicherten Person zu erstatten (Pflegekostenversicherung) oder das vereinbarte Tagegeld zu leisten (Pflegetagegeldversicherung). Auch bei der Pflegekostenversicherung gilt das Verbot der Übermaßvergütung, § 192 Abs. 6 Satz 2 VVG n. F. Die Regelungen des SGB XI über die private Pflegeversicherung bleiben unberührt.
8.2
Versicherte Person Nach § 193 Abs. 1 VVG n. F. kann die Krankenversicherung auf die Person des Versicherungsnehmers oder eine andere Person genommen werden. Versicherte Person ist diejenige, auf welche die Versicherung genommen wird. Dies entspricht der bisherigen Regelung des § 178 a Abs. 1 und 2 Satz 1 VVG und stellt klar, dass es sich um eine Versicherung entweder auf eigene oder auf fremde Rechnung handeln kann. Die Vorschrift des § 193 Abs. 2 VVG n. F., wonach bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch dessen Kenntnis und Verhalten zu berücksichtigen sind, soweit nach dem VVG die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, entspricht dem bisherigen § 178 a Abs. 3 Satz 2 VVG.
8.3
Sonstige anzuwendende Vorschriften § 194 VVG n. F. regelt, inwieweit sonstige Vorschriften außerhalb der §§ 192 – 208 VVG n. F. auf die Krankenversicherung angewendet werden können. Soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird, sind nach § 194 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. die §§ 74 – 80 und 82 – 87 VVG n. F. anzuwenden. Für die §§ 23 – 27 und 29 VVG n. F. gilt dies hingegen nicht. § 19 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 VVG n. F. ist auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu vertreten hat. Abweichend von § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. beläuft sich die Frist für die Geltendmachung der Rechte des Versicherers außerdem nicht auf fünf, sondern auf drei Jahre, § 194 Abs. 4 Satz 4 VVG n. F. Diese Abweichung trägt der besonderen sozialen Bedeutung der Krankenversicherung für den Versicherungsnehmer Rechnung. Das gilt allerdings nicht, wenn dieser vorsätzlich oder arglistig gehandelt hat, dann gilt die allgemeine Ausschlussfrist von 10 Jahren. § 38 VVG n. F. ist nach § 194 Abs. 2 VVG n. F. nicht uneingeschränkt, sondern nur mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. mindestens zwei Monate betragen muss. Einen weiteren Schutz sieht der Gesetzgeber in § 194 Abs. 2 Satz 2 VVG vor, wonach der Versicherer den Versicherungsnehmer zusätzlich zu den Angaben nach § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG darauf hinweisen muss, dass der Abschluss einer neuen Krankenversicherung nach der Kündigung des Versicherers nach § 38 Abs. 3 VVG für den Versicherungsnehmer mit einer neuen Gesundheitsprü-
Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F.
155
fung, einer Einschränkung des Umfangs des bisherigen Versicherungsschutzes sowie einer höheren Prämie verbunden sein kann, Bezieher von Arbeitslosengeld II unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 des SGB II einen Zuschuss zu den Beiträgen erhalten können, die sie für eine private Kranken- oder Pflegeversicherung zahlen, der Träger der Sozialhilfe unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 und 3 SGB XII Beiträge zur privaten Kranken- oder Pflegeversicherung übernehmen kann. Diese Regelung ist neu und trägt ebenfalls der besonderen Bedeutung, die dem Krankenversicherungsschutz für den Privatversicherten zukommt, Rechnung. Die Verlängerung der Frist bei Zahlungsverzug dient dem Schutz des Versicherungsnehmers in wirtschaftlichen Notlagen. Die Fristverlängerung hat der Gesetzgeber auch als für den Versicherer und die Versichertengemeinschaft zumutbar angesehen.116 Nach § 194 Abs. 3 VVG n. F. ist § 86 Abs. 1 und 2 VVG n. F. entsprechend anzuwenden, wenn dem Versicherungsnehmer oder einer versicherten Person ein Anspruch auf Rückzahlung ohne rechtlichen Grund gezahlter Entgelte gegen den Erbringer von Leistungen zusteht, für die der Versicherer aufgrund des Versicherungsvertrags Erstattungsleistungen erbracht hat. Diese Vorschrift ist neu und betrifft den gesetzlichen Übergang von Ersatzansprüchen. Da § 86 VVG n. F. auf den Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung überhöhter Entgelte nicht angewendet werden kann, war diesbezüglich eine ausdrückliche Regelung erforderlich. Die in § 86 Abs. 2 VVG n. F. eingeführte Mitwirkungspflicht des Versicherungsnehmers wurde dabei entsprechend übernommen. Dies gilt nicht für § 86 Abs. 3 VVG n. F., weil dessen Schutzgedanke nicht auf den Fall übertragen werden kann, dass die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer lebende Person mit diesem einen Behandlungsvertrag geschlossen hat.117 Die Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechnung (§§ 43 – 48 VVG n. F.) sind nach § 194 Abs. 4 VVG n. F. nur mit der Maßgabe anzuwenden, dass ausschließlich die versicherte Person die Versicherungsleistung verlangen kann, wenn der Versicherungsnehmer sie gegenüber dem Versicherer in Textform als Empfangsberechtigte der Versicherungsleistung benannt hat und die Benennung widerruflich oder unwiderruflich erfolgt ist. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, kann der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung verlangen. Einer Vorlage des Versicherungsscheins bedarf es nicht.
8.4
Versicherungsdauer Die substitutive Krankenversicherung ist nach § 195 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. vorbehaltlich der Regelungen des § 195 Abs. 2 und 3 und der §§ 196, 199 VVG n. F. unbefristet. Dies gilt auch, wenn eine nicht substitutive Krankenversicherung vorliegt, die nach Art der Lebensversicherung betrieben wird. Die substitutive Krankenversicherung ist nun in § 195 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. als diejenige Krankenversicherung legaldefiniert, die ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann.
116 117
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S.111. Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S.111.
D
D
156
Einzelne Versicherungszweige § 194 Abs. 1 Satz 2 VVG ist neu und erstreckt den Grundsatz der Unbefristetheit auch auf die nicht substitutive Krankenversicherung, die nach Art der Lebensversicherung betrieben wird. Diese Gleichstellung entspricht der aufsichtsrechtlichen Regelung in §§ 12 Abs. 5, 12 Abs. 1 VAG. Bei Ausbildungs-, Auslands-, Reise- und Restschuldkrankenversicherungen können Vertragslaufzeiten nach § 195 Abs. 2 VVG n. F. vereinbart werden. Diese Vorschrift ist nicht wesentlich neu, erweitert allerdings die Befristungsmöglichkeit des § 178 a Abs. 4 Satz 3 VVG a. F. auf die Restschuldkrankenversicherung. Eine Befristungsmöglichkeit sieht der Gesetzgeber in § 195 Abs. 3 VVG n. F. auch vor bei einer Krankenversicherung einer Person mit befristetem Aufenthaltstitel für das Inland. In diesem Fall kann vereinbart werden, dass die Krankenversicherung spätestens nach fünf Jahren endet. Ist eine kürzere Laufzeit vereinbart, kann ein gleichartiger neuer Vertrag nur mit einer Höchstlaufzeit geschlossen werden, die unter Einschluss der Laufzeit des abgelaufenen Vertrages allerdings fünf Jahre nicht überschreitet, was auch gilt, wenn der neue Vertrag mit einem anderen Versicherer geschlossen wird. Die in § 195 Abs. 3 VVG n. F. geregelten Personen kehren mit großer Sicherheit in überschaubarer Zeit wieder in ihr Heimatland zurück und benötigen deshalb nur einen befristeten Krankenversicherungsschutz, der wegen des Fehlens des langfristigen Alterungsrisikos auch keiner Kalkulation und Alterungsrückstellungen bedarf. Befristungen der Krankentagegeldversicherung sind in § 196 VVG n. F. geregelt. Nach § 196 Abs. 1 VVG n. F. kann bei einer Krankentagegeldversicherung vereinbart werden, dass die Versicherung mit Vollendung des 65. Lebensjahres der versicherten Person endet. In diesem Fall kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer verlangen, dass dieser den Antrag auf Abschluss einer mit Vollendung des 65. Lebensjahres beginnenden neuen Krankentagegeldversicherung annimmt, die spätestens mit Vollendung des 70. Lebensjahres endet. Dies trägt vor allen Dingen dem Umstand Rechnung, dass selbstständig und freiberuflich Beschäftigte den Beginn des Ruhestandes nicht fest planen können. Nach § 196 Abs. 1 Satz 3 VVG n. F. muss der Versicherer den Versicherungsnehmer auf dieses Recht frühestens sechs Monate vor dem Ende der Versicherung unter Beifügung des Wortlauts dieser Vorschrift in Textform hinweisen. Wird der Antrag bis zum Ablauf von 2 Monaten nach Vollendung des 65. Lebensjahres gestellt, hat der Versicherer den Versicherungsschutz ohne Risikoprüfung oder Wartezeit zu gewähren, soweit der Versicherungsschutz nicht höher oder umfassender ist als im bisherigen Tarif. Erfüllt der Versicherer diese Informationspflicht nicht oder wird der Antrag vor Vollendung des 66. Lebensjahres gestellt, so gilt die oben genannte Regelung des § 196 Abs. 1 Satz 4 VVG n. F. entsprechend, wobei die Versicherung dann mit Zugang des Antrags beim Versicherer beginnt. Der Versicherer ist allerdings nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall schon vor Zugang des Antrags eingetreten ist. § 195 Abs. 1 Satz 2 und 4 VVG n. F. gelten entsprechend, wenn in unmittelbarem Anschluss an eine Versicherung nach Abs. 1 Satz 4 oder Abs. 2 Satz 1 eine neue Krankentagegeldversicherung beantragt wird, die spätestens mit Vollendung des 75. Lebensjahres endet. Die Parteien können außerdem nach § 196 Abs. 4 VVG n. F. ein späteres Lebensjahr als in den Vorschriften des § 196 Abs. 1 – 3 VVG n. F. vereinbaren. Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass die starren Grenzen von 65, 70 bzw. 75 Lebensjahren schon heute teilweise nicht mehr der Wirklichkeit des Rentenrechts entsprechen und somit einer sich abzeichnenden Entwicklung zu einem höheren Renteneintrittsalter Rechnung getragen werden kann.
Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F.
8.5
157
Wartezeiten Die Vereinbarung von Wartezeiten ist in § 197 VVG n. F. geregelt. Soweit sie vereinbart werden, dürfen sie nach § 197 Abs. 1 VVG für Krankheitskosten-, Krankenhaustagegeld- und Krankentagegeldversicherung als allgemeine Wartezeit drei Monate und als besondere Wartezeit für Entbindung, Psychotherapie, Zahnbehandlung, Zahnersatz und Kieferorthopädie 8 Monate nicht überschreiten. Bei der Pflegekrankenversicherung darf die Wartezeit drei Jahre nicht überschreiten. Diese Vorschrift ist nicht neu, sondern übernimmt den bisherigen § 178 c VVG. § 197 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. gilt nur für die freiwillige Pflegeversicherung, für die Pflegepflichtversicherung ist hingegen die Wartezeitregelung im SGB XI maßgeblich.
8.6
Kindernachversicherung § 198 Abs. 1 bis 3 VVG n. F. entsprechen den bisherigen § 178 d Abs. 1 – 3 VVG. Besteht am Tag der Geburt für mindestens einen Elternteil eine Krankenversicherung, so ist der Versicherer verpflichtet, dessen neugeborenes Kind ab Vollendung der Geburt ohne Risikozuschläge und Wartezeiten zu versichern, wenn die Anmeldung zur Versicherung spätestens zwei Monate nach dem Tag der Geburt rückwirkend erfolgt, § 198 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. Allerdings besteht diese Verpflichtung nur insoweit, als der beantragte Versicherungsschutz des Neugeborenen nicht höher und nicht umfassender als der des versicherten Elternteils ist. Der Geburt des Kindes steht die Adoption gleich, wenn das Kind im Zeitpunkt der Adoption noch minderjährig ist. Der Versicherer ist berechtigt, einen Risikozuschlag höchstens bis zur einfachen Prämienhöhe zu vereinbaren, wenn eine höhere Gefahr besteht, § 198 Abs. 2 VVG n. F. Der Versicherer ist ferner berechtigt, als Voraussetzung für die Versicherung des Neugeborenen oder des Adoptivkindes eine Mindestversicherungsdauer des Elternteils zu vereinbaren, die allerdings drei Monate nicht übersteigen darf, § 198 Abs. 3 VVG n. F. Eine Neuregelung ist in § 198 Abs. 4 VVG n. F. enthalten, wonach die Absätze 1 – 3 für die Auslands- und Reisekrankenversicherung nicht gelten, soweit für das Neugeborene oder für das Adoptivkind anderweitiger oder privater gesetzlicher Krankenversicherungsschutz im Inland oder Ausland besteht.
8.7
Beihilfeempfänger Die Vorschrift des § 199 Abs. 1 VVG n. F., wonach bei einer Krankheitskostenversicherung einer versicherten Person mit Anspruch auf Beihilfe nach den Grundsätzen des öffentlichen Dienstes vereinbart werden kann, dass sie mit der Versetzung der versicherten Person in den Ruhestand im Umfang der Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes endet, ist neu. § 199 Abs. 2 VVG n. F. erweitert die Voraussetzungen, unter denen der Versicherer die Prämien neu festsetzen kann. Ändert sich bei einer versicherten Person mit Anspruch auf Beihilfe nach den Grundsätzen des öffentlichen Dienstes der Beihilfebemessungssatz oder entfällt der Beihilfeanspruch, so hat der Versicherungsnehmer Anspruch darauf, dass der Versicherer den Versicherungsschutz im Rahmen der bestehenden Krankheitskostentarife so anpasst, dass dadurch der veränderte Beihilfebemessungssatz oder der weggefallene Beihilfeanspruch ausge-
D
D
158
Einzelne Versicherungszweige glichen wird. Wird der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Änderung gestellt, so hat der Versicherer den angepassten Versicherungsschutz ohne Risikoprüfung oder Wartezeiten zu gewähren.
8.8
Bereicherungsverbot Das in § 200 VVG n. F. geregelte Bereicherungsverbot, wonach die Gesamterstattung die Gesamtaufwendungen nicht übersteigen darf, wenn die versicherte Person wegen desselben Versicherungsfalles einen Anspruch gegen mehrere Erstattungsverpflichtete hat, ist neu. Es wird klargestellt, dass die Gesamterstattungsleistungen aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung, privater Pflegepflichtversicherung, sozialer Pflegeversicherung und Beihilfe die Gesamtaufwendungen des Versicherten nicht übersteigen dürfen. Dabei ist eine vorrangige Eintrittspflicht nicht geregelt. Das Bereicherungsverbot bezieht sich nur auf Krankenversicherungen, die Schadenversicherungen sind, nicht aber auch auf Summenversicherungen.
8.9
Herbeiführung des Versicherungsfalls Nach § 201 VVG ist der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person vorsätzlich die Krankheit oder den Unfall bei sich selbst herbeigeführt hat. Diese Vorschrift entspricht dem bisherigen § 178 l VVG. Sie stellt eine Sonderregelung zu § 81 VVG n. F. dar, der auf die Krankenversicherung nicht angewendet werden kann, § 194 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.
8.10
Auskunftspflichten des Versicherers/ Schadensermittlungskosten Nach § 202 VVG n. F. ist der Versicherer verpflichtet, auf Verlangen des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person einem von ihm benannten Arzt oder Rechtsanwalt Auskunft über und Einsicht in Gutachten oder Stellungnahmen zu geben, die er bei der Prüfung seiner Leistungspflicht über die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung eingeholt hat. Der Auskunftsanspruch kann nur von der jeweils betroffenen Person oder ihrem gesetzlichen Vertreter geltend gemacht werden. Hat der Versicherungsnehmer das Gutachten oder die Stellungnahme auf Veranlassung des Versicherers eingeholt, hat der Versicherer die entstandenen Kosten zu erstatten. Das Auskunftsrecht wird mit § 202 VVG n. F. nunmehr auch einem vom Versicherungsnehmer oder der versicherten Person benannten Rechtsanwalt eingeräumt und schließt ein Recht auf Einsichtnahme in Gutachten und Stellungnahmen mit ein.118 Ferner ist nachvollziehbar, dass der Versicherungsnehmer gegen den Versicherer einen Kostenerstattungsanspruch hat, wenn er selbst das Gutachten oder die Stellungnahme auf Veranlassung des Versicherers eingeholt hat. Dies wird nun ausdrücklich in § 202 Satz 3 VVG neu geregelt.
118
Die Auskunftspflicht des Versicherers besteht selbstverständlich auch gegenüber dem vom Versicherungsnehmer oder der versicherten Person benannten Arzt. Dies war zwar bisher schon der Fall gem. § 178m VVG, jedoch in einem geringeren Umfang.
Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F.
8.11
159
Prämien/Bedingungsanpassung und Tarifwechsel Bei einer Krankenversicherung, bei der die Prämie nach Art der Lebensversicherung berechnet wird, kann der Versicherer nach § 203 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. nur die entsprechend den versicherungstechnischen Berechnungsgrundlagen nach den §§ 12, 12 a und 12 e in Verbindung mit § 12 c VAG zu berechnende Prämie verlangen. Die Möglichkeit, mit Rücksicht auf ein erhöhtes Risiko einen angemessenen Risikozuschlag oder einen Leistungsausschluss zu vereinbaren, bleibt unberührt. Dies entspricht weitgehend dem bisherigen § 178 g Abs. 1 VVG. Neu ist die Bezugnahme auf § 12 e VAG, der die Erhebung des Beitragszuschlags für Altverträge regelt. Die Voraussetzung, unter denen der Versicherer die Prämie neu festsetzen kann, regelt § 203 Abs. 2 VVG n. F. Ist hiernach bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, so ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. Dabei darf auch ein betragsmäßig festgelegter Selbstbehalt angepasst und ein vereinbarter Risikozuschlag entsprechend geändert werden, wenn dies vereinbart ist. Maßgebliche Rechnungsgrundlagen in dem vorgenannten Sinne sind die Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten. Für die Änderung der Prämien, Prämienzuschläge und Selbstbehalte sowie ihre Überprüfung und Zustimmung durch den Treuhänder gilt § 12 b Abs. 1 – 2 a in Verbindung mit einer aufgrund des § 12 c des VAG erlassenen Rechtsverordnung. In Abweichung vom bisherigen § 178 g Abs. 2 Satz 1 VVG wird nicht auf die Veränderung des Schadenbedarfs, sondern auf die Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage abgestellt, die wiederum in § 203 Abs. 2 Satz 3 VVG n. F. festgelegt ist. Auch Veränderungen der Sterbewahrscheinlichkeiten, die sich aus den jeweils aktualisierten Sterbetafeln ergeben, sollen eine Beitragsanpassung ermöglichen. Nach § 203 Abs. 3 VVG n. F. ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens berechtigt, die allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Tarifbestimmungen den veränderten Verhältnissen anzupassen, wenn die Änderungen zur hinreichenden Wahrung der Belange des Versicherungsnehmers erforderlich erscheinen und ein unabhängiger Treuhänder die Voraussetzungen für die Änderungen überprüft und ihre Angemessenheit bestätigt hat. Dies gilt allerdings nur, wenn bei einer Krankenversicherung im Sinne des § 203 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist. § 203 Abs. 2 VVG n. F. übernimmt im Wesentlichen den bisherigen § 178 g Abs. 3 Satz 1 VVG. Wie bisher wird daher die Mitwirkung eines unabhängigen Treuhänders bei der Anpassung der AVB und der Tarifbestimmungen an veränderte Verhältnisse im Gesundheitswesen vorgeschrieben. Dies gilt nicht, wenn eine unwirksame Bedingung angepasst werden muss, da es hier im Wesentlichen um eine rechtliche Beurteilung geht und sich insoweit das Treuhänderverfahren nicht bewährt hat.119 Nach § 203 Abs. 5 VVG n. F. werden die Neufestsetzung der Prämien und die Änderungen nach den Absätzen 2 und 3 des § 203 VVG n. F. zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der
119
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 113.
D
D
160
Einzelne Versicherungszweige auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. Die Voraussetzungen eines Tarifwechsels richten sich nach § 204 VVG n. F. Bei einem bestehenden unbefristeten Versicherungsverhältnis kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer verlangen, dass dieser nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 des VAG in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 12 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des VAG Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung annimmt. Soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, kann der Versicherer für die Mehrleistung einen Risikoausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen. Der Versicherungsnehmer kann die Vereinbarung eines Risikozuschlags und eine Wartezeit dadurch abwenden, dass er hinsichtlich der Mehrleistung einen Leistungsausschluss vereinbart. Die Vorschrift übernimmt im bisherigen § 178 f VVG n. F. und ergänzt ihn durch einen Verweis auf die aufsichtsrechtlichen Vorschriften, die das Nähere zur Gleichartigkeit der Tarife und zur Anrechnung der Alterungsrückstellung regeln.
8.12
Kündigung Die Kündigung des Versicherungsnehmers ist in § 205 VVG n. F., diejenige des Versicherers in § 206 VVG n. F. geregelt. Nach § 205 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. kann der Versicherungsnehmer bei einer Krankheitskosten- und einer Krankenhaustagegeldversicherung vorbehaltlich einer vereinbarten Mindestversicherungsdauer ein Krankenversicherungsverhältnis, das für die Dauer von mehr als einem Jahr eingegangen ist, zum Ende des ersten Jahres oder des darauf folgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten kündigen. Dabei kann die Kündigung nach § 205 Abs. 1 Satz 2 VVG n. F. auf einzelne versicherte Personen oder Tarife beschränkt werden. Dies entspricht der bisherigen Regelung des § 178 h Abs. 1 VVG. Wird eine versicherte Person kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig, so kann der Versicherungsnehmer binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht eine Krankheitskosten-, eine Krankentagegeld- oder eine Pflegekrankenversicherung sowie eine für diese Versicherungen bestehende Anwartschaftsversicherung rückwirkend zum Eintritt der Versicherungspflicht kündigen. Die Kündigung ist unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nicht innerhalb von zwei Monaten nachweist, nachdem der Versicherer ihn hierzu in Textform aufgefordert hat, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Versäumung dieser Frist nicht zu vertreten. Macht der Versicherungsnehmer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, so steht dem Versicherer die Prämie nur bis zu diesem Zeitpunkt zu. Später kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis zum Ende des Monats kündigen, in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist. Der Versicherungspflicht steht der gesetzliche Anspruch auf Familienversicherung oder der nicht nur vorübergehende Anspruch auf Heilfürsorge aus einem beamtenrechtlichen oder ähnlichen Dienstverhältnis gleich. Die Vorschrift übernimmt im Wesentlichen den bisherigen § 178 h Abs. 2 VVG. Allerdings wird die Frist für die rückwirkende Kündigung von bisher zwei auf drei Monate verlängert.
Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F.
161
Dies hat der Gesetzgeber für sachgerecht gehalten, da bei Fristbeginn nicht auf die Kenntnis vom Eintritt der Versicherungspflicht abgestellt wird.120 § 205 Abs. 2 Satz 1 erster HS VVG n. F. erweitert den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Anwartschaftsversicherungen, die vor einer Krankheitskosten-, Krankentagegeld- oder Pflegekrankenversicherung abgeschlossen worden sind. § 205 Abs. 2 Satz 1 zweiter HS VVG führt eine Nachweispflicht für den Eintritt der Versicherungspflicht ein, deren schuldhafte Verletzung die Unwirksamkeit der Kündigung des Versicherungsnehmers zur Folge hat. Erhöht der Versicherer aufgrund einer Anpassungsklausel die Prämie oder vermindert er die Leistung, so kann der Versicherungsnehmer hinsichtlich der betroffenen versicherten Person innerhalb eines Monats nach Zugang der Änderungsmitteilung mit Wirkung für den Zeitpunkt kündigen, zu dem die Prämienerhöhung oder die Leistungsminderung wirksam werden soll, § 205, ab Abs. 4, Satz 1 VVG n. F. Hat sich der Versicherer vorbehalten, die Kündigung auf einzelne versicherte Personen oder Tarife zu beschränken und macht er von dieser Möglichkeit dann auch Gebrauch, so kann der Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung die Aufhebung auch des übrigen Teils der Versicherung zu dem Zeitpunkt verlangen, zu dem die Kündigung wirksam wird. Dies gilt entsprechend, wenn der Versicherer die Anfechtung oder den Rücktritt nur für einzelne versicherte Personen oder Tarife erklärt. In diesen Fällen kann der Versicherungsnehmer die Aufhebung zum Ende des Monats verlangen, in dem ihm die Erklärung des Versicherers zugegangen ist, § 205 Abs. 5 Satz 2 und 3 VVG n. F. Die §§ 203 Abs. 3 – 5 VVG n. F. entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 178 h Abs. 3 – 5 VVG. Die Kündigungsrechte des Krankenversicherers sind in § 206 VVG n. F. gesondert geregelt. Die ordentliche Kündigung einer substitutiven Krankheitskosten-, Krankentagegeld- oder Pflegekrankenversicherung durch den Versicherer ist nach § 204 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. ausgeschlossen. Das gilt ferner für eine Krankenhaustagegeldversicherung, die neben einer Krankheitskostenvollversicherung besteht. Eine Krankentagegeldversicherung, für die kein gesetzlicher Anspruch auf einen Beitragszuschuss des Arbeitgebers besteht, kann der Versicherer hiervon abweichend in den ersten drei Jahren unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines jeden Versicherungsjahres kündigen. Diese Vorschrift entspricht dem bisherigen § 178 i Abs. 1 VVG. Es wird klargestellt, dass sich der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts auf die substitutive Krankenversicherung beschränkt. Für die ordentliche Kündigung einer nicht substitutiven Krankenversicherung gilt allerdings § 206 Abs. 1 VVG n. F. gemäß § 206 Abs. 2 VVG n. F. entsprechend, wenn diese nach Art der Lebensversicherung betrieben wird. Diese Vorschrift ist neu und aufgenommen worden aufgrund des übereinstimmenden Schutzzwecks.121 Liegen bei einer Krankheitskostenvollversicherung oder einer Krankenhaustagegeldversicherung die Voraussetzungen des § 206 Abs. 1 VVG nicht vor, kann der Versicherer das Versicherungsverhältnis nur innerhalb der ersten drei Versicherungsjahre zum Ende eines Versicherungsjahres kündigen, wobei die Kündigungsfrist drei Monate beträgt, § 206 Abs. 3 Satz 1 und 2 VVG n. F. Diese Vorschrift ist nicht neu, sondern entspricht dem bisherigen § 178 i Abs. 2 VVG.
120 121
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 114. Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 114.
D
D
162
Einzelne Versicherungszweige Nach § 206 Abs. 4 VVG n. F. sind die versicherten Personen berechtigt, die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Benennung des künftigen Versicherungsnehmers zu erklären, wenn eine Krankheitskostenversicherung oder eine Pflegekrankenversicherung vom Versicherer wegen Zahlungsverzugs des Versicherungsnehmers wirksam gekündigt wird. Die Prämie ist ab Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses zu leisten. Die versicherten Personen sind vom Versicherer über die Kündigung und das Recht nach Satz 1 in Textform zu informieren, wobei dieses Recht zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherte Person Kenntnis von diesem Recht erlangt hat, endet. Diese Vorschrift ist neu und dient dem notwendigen Schutz der versicherten Personen in den Fällen, in denen der Versicherer das Vertragsverhältnis nach § 38 Abs. 3 VVG n. F. aufgrund Zahlungsverzugs des Versicherungsnehmers kündigt. Nach Auffassung des Gesetzgebers muss jede versicherte Person das Recht haben, die für sie bestehende Krankheitskostenversicherung und Pflegekrankenversicherung fortzusetzen und sich damit den existenziell wichtigen Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Gemäß § 206 Abs. 5 VVG ist die ordentliche Kündigung eines Gruppenversicherungsvertrags, der Schutz gegen das Risiko Krankheit enthält, durch den Versicherer zulässig, wenn die versicherten Personen die Krankenversicherung unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung, soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingungen der Einzelversicherung fortsetzen können. § 206 Abs. 4 Satz 2 und 3 VVG n. F. gilt in diesen Fällen entsprechend. § 205 Abs. 5 Satz 1 VVG n. F. stimmt inhaltlich mit dem bisherigen §§ 178 i Abs. 3 VVG überein.
8.13
Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses Endet das Versicherungsverhältnis durch den Tod des Versicherungsnehmers, so sind die versicherten Personen gemäß § 207 VVG n. F. berechtigt, binnen zwei Monaten nach dem Tod des Versicherungsnehmers die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Benennung des künftigen Versicherungsnehmers zu erklären. Nach § 207 Abs. 2 VVG n. F. gilt dies entsprechend, wenn der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis insgesamt oder für einzelne versicherte Personen kündigt. Die Kündigung ist allerdings gemäß § 207 Abs. 2 Satz 2 VVG n. F. nur wirksam, wenn die versicherte Person von der Kündigungserklärung Kenntnis erlangt hat. Handelt es sich bei dem gekündigten Vertrag um einen Gruppenversicherungsvertrag und wird kein neuer Versicherungsnehmer benannt, sind die versicherten Personen berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung, soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingungen der Einzelversicherung fortzusetzen. Dieses Recht endet zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherte Person von diesem Recht Kenntnis erlangt hat. Die in § 207 Abs. 2 Satz 3 VVG getroffene Regelung zur Kündigung eines Gruppenversicherungsvertrages knüpft an die Regelung des § 206 Abs. 5 VVG-E an und soll die Interessen der versicherten Personen dann wahren, wenn die Gruppenspitze einen Gruppenversicherungsvertrag beendet. Verlegt eine versicherte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Mitgliedsstaat der europäischen Union oder einen anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum, setzt sich das Versicherungsverhältnis mit der Maßgabe fort, dass der Versicherer höchstens zu denjenigen Leistungen verpflichtet bleibt, die er bei einem Aufenthalt im Inland zu erbringen hätte, § 207 Abs. 3 VVG n. F. Diese Vorschrift ist neu und er-
Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F.
163
streckt entsprechend der bisherigen Praxis in der Krankenversicherung die ausnahmslose Portabilität eines in Deutschland abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrags innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums auch auf den Fall, dass die versicherte Person ihren Lebensmittelpunkt verlegt.
8.14
Sonstiges Die §§ 194 bis 199 und 201 – 207 VVG sind halbzwingend gemäß § 208 Satz 1 VVG n. F. Für die Kündigung des Versicherungsnehmers nach § 205 VVG kann die Schrift- oder die Textform vereinbart werden gemäß § 208 Satz 2 VVG n. F.
8.15
Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz Kernpunkte dieses Gesetzes, soweit sie die private Krankenversicherung berühren, sind: Es gilt eine von einem auf drei Jahre verlängerte Frist, die Arbeitnehmer mit einem Einkommen oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze einzuhalten haben, ehe sie in die private Krankenversicherung wechseln können. Seit dem 1.7.2007 müssen private Krankenversicherer bisher unversicherte Personen, soweit sie nicht eindeutig der Gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen sind, in den modifizierten Standardtarif aufnehmen, der Leistungen etwa auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht. Risikozuschläge dürfen nicht erhoben werden. Der Beitrag ist auf den Höchstbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt. Der modifizierte Standardtarif ist als Vorstufe für die Einführung der allgemeinen Versicherungspflicht am 1.1.2009 anzusehen. Die privaten Krankenversicherer müssen dann einen Basistarif anbieten; der Standardtarif wird in den Basistarif überführt. Der Wechsel des Krankenversicherers wird erleichtert. Ab 1.1.2009 beginnende Vollversicherungstarife müssen eine übertragbare Alterungsrückstellung vorsehen, zumindest in der anteiligen Höhe, wie sie auch in einem Basistarif einkalkuliert wäre. Im ersten Halbjahr 2009 erhalten Privatversicherte und freiwillig Versicherte einmalig die Möglichkeit zum Wechsel in den Basistarif eines Anbieters ihrer Wahl. Die GKV kann seit 2007 mit eigenen Wahltarifen unmittelbar mit der PKV konkurrieren. Dies wird teilweise bereits umgesetzt, beispielsweise mit Selbstbehalts- und Kostenerstattungstarifen, Wahlleistungen für stationäre Versorgung u.a. Viele dieser Änderungen sind systemwidrig: Die PKV kalkuliert nach dem Äquivalenzprinzip. Dieses muss sie jedoch für den modifizierten Standardtarif und den Basistarif durchbrechen und dort nicht zum Risiko äquivalente Beiträge nehmen – womit indirekt die Versichertengemeinschaft zur solidarischen Übernahme der nicht gedeckten Kosten verpflichtet wird. Für private Versicherer gilt eigentlich das grundgesetzlich geschützte Prinzip der Vertragsfreiheit. Dieses wird ebenfalls mit dem Annahmezwang im Standard- und dem Basistarif außer Kraft gesetzt. Die Wahltarife widersprechen dem Grundprinzip der GKV als solidarisch finanzierter Krankenversicherung. Durch die Einführung von Selbstbehaltstarifen und ähnlichen An-
D
D
164
Einzelne Versicherungszweige reizen wird ein Ungleichgewicht geschaffen zwischen den – wenigen – Gesunden, die Beiträge einsparen und den übrigen Versicherten, die die fehlenden Beiträge mitttragen müssen. Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über das GKV-WettbewerbsstärkungsG (nachfolgend GKV-WSG) gegeben werden. Wesentliche Folge des GKV-WSG ist, dass das bisherige Modell der privaten Krankenversicherung in vielen Punkten an die Sozialversicherung angenähert wird.122 Die neuen Vorschriften des VVG treten am 1.1.2009 in Kraft. Auch bestehende Versicherungsverträge werden von den Neuregelungen erfasst. Dies hat Zweifel an der Vereinbarung mit den in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG geregelten Grundrechten bei Teilen der Literatur hervorgerufen.123 Nachfolgend werden die dann geltenden Neuregelungen des VVG als VVG-2009 bezeichnet.
8.15.1 Versicherungspflicht Mit § 193 Abs. 2 VVG-2009 wird eine allgemeine Versicherungspflicht für Personen mit Wohnsitz im Inland im Sinne einer Grundabsicherung in der Krankheitskostenversicherung eingeführt. Diese Versicherungspflicht besteht auch für die von der Person gesetzlich vertretenen Personen, soweit diese nicht selbst Verträge abschließen können. Die Versicherungspflicht erstreckt sich auf eine Krankheitskostenversicherung, die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung umfasst und bei der für tariflich vorgesehene Leistungen vereinbarten Selbstbehalte für ambulante und stationäre Heilbehandlung für jede zu versichernde Person auf eine betragsmäßige Auswirkung von kalenderjährlich 5.000 € begrenzt ist. Für Beihilfeberechtigte ergeben sich die möglichen Selbstbehalte durch eine sinngemäße Anwendung des durch den Beihilfesatz nicht gedeckten Prozentanteils auf den Höchstbetrag von 5.000 €. Ausnahmen von der Versicherungspflicht bestehen für in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig oder gesetzlich versicherte Personen, Beihilfe- und Heilfürsorgeberechtigte im Umfang der jeweiligen Berechtigung, Asylbewerber, Sozialhilfeempfänger . Ein vor dem 1.4.2007 vereinbarter Krankheitskostenversicherungsvertrag genügt den Anforderungen des § 193 Abs. 3, Satz 1 VVG-2009. Wird der Vertragsabschluss später als einen Monat nach Entstehen der Versicherungspflicht beantragt, ist ein Prämienzuschlag zu entrichten. Dieser beträgt gem. § 193 Abs. 4 VVG-2009 einen Monatsbeitrag für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung, ab dem sechsten Monat für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung ein Sechstel eines Monatsbeitrags. Nach § 193 Abs. 5 VVG-2009 ist der Versicherer verpflichtet, 122 123
Vgl. Marlow/Spuhl, S. 185. Vgl. Marlow/Spuhl, S. 196; Boetius VersR 2007, 431.
Krankenversicherung, §§ 192 – 208 VVG n. F.
165
allen freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten innerhalb von 6 Monaten nach Einführung des Basistarifs, innerhalb von 6 Monaten nach Beginn der im SGB V vorgesehenen Wechselmöglichkeit im Rahmen ihres freiwilligen Versicherungsverhältnisses, allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, nicht zum Personenkreis nach 193 Abs. 5 Nr. 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nr. 3 und 4 VVG-2009 gehören und die nicht bereits eine private Krankheitskostenversicherung mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben, die der Pflicht nach § 193 Abs. 3 VVG-2009 genügt, Personen, die beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben, soweit sie zur Erfüllung der Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG-2009 ergänzenden Versicherungsschutz benötigen, allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die eine private Krankenversicherung im Sinne des Absatzes 3 mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherer vereinbart haben und deren Vertrag nach dem 31.12.2008 abgeschlossen wird, eine Versicherung im Basistarif zu gewähren. Ist der Krankheitskostenversicherungsvertrag vor dem 1.1.2009 abgeschlossen, kann bei Wechsel oder Kündigung des Vertrags der Abschluss eines Vertrags im Basistarif beim eigenen oder einem anderen Versicherungsunternehmen unter Mitnahme der Alterungsrückstellungen nur bis zum 30.6.2009 verlangt werden. Der Antrag muss bereits dann angenommen werden, wenn bei einer Kündigung eines Vertrags bei einem anderen Versicherer die Kündigung nach § 205 Abs. 1 Satz 1 VVG-2009 noch nicht wirksam geworden sind. Der Antrag darf nur dann abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherer versichert war oder der Versicherer den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist. Ist der Versicherungsnehmer in einer der Versicherungspflicht genügenden Versicherung mit einem Beitrag in Höhe von Prämienanteilen für 2 Monate in Rückstand, hat ihn der Versicherer gem. § 193 Abs. 6 Satz 1 VVG-2009 zu mahnen. Ist der Rückstand 2 Wochen nach Zugang der Mahnung noch höher als der Prämienanteil für einen Monat, stellt der Versicherer das Ruhen der Versicherung fest. Das Ruhen tritt drei Tage nach dem Zugang dieser Mitteilung beim Versicherungsnehmer ein, § 193 Abs. 6 Satz 1 – 3 VVG 2009. Allerdings muss der Versicherungsnehmer in der Mahnung noch auf diese Folge hingewiesen worden sein. Das Ruhen endet, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfsbedürftig im Sinne SGB II oder XII wird.
D
D
166
Einzelne Versicherungszweige Während der Ruhenszeit haftet der Versicherer ausschließlich für Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind. Bei einer Versicherung im Basistarif kann der Versicherer verlangen, dass Zusatzversicherungen ruhen, wenn und solange ein Versicherter auf die Halbierung des Beitrags angewiesen ist.
8.15.2 Tarifwechsel Die Besonderheiten des Tarifwechsels sind in § 204 VVG-2009 geregelt: Nach § 204 Abs. 1 VVG-2009 kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer verlangen, dass dieser Anträge auf Wechsel in einen Tarif mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung annimmt. Soweit die Leistungen des Tarifs, in den der Versicherungsnehmer wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, kann der Versicherer für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen. Den Risikozuschlag kann der Versicherungsnehmer durch einen entsprechenden Ausschluss abwenden. Der Wechsel in den Basistarif des Versicherers unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung ist nur möglich, wenn Ο
die bestehende Krankheitskostenversicherung nach dem 1.1.2009 abgeschlossen wurde oder
Ο
der Versicherungsnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat oder das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, aber die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt und diese Rente beantragt hat oder ein Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen oder vergleichbaren Vorschriften bezieht oder hilfebedürftig nach dem SGB II ist oder
Ο
die bestehende Krankheitskostenversicherung vor dem 1.1.2008 abgeschlossen wurde und der Wechsel in den Basistarif vor dem 1.7.2009 beantragt wurde.
Bei einem bestehenden Versicherungsverhältnis kann der Versicherungsnehmer ferner gem. § 204 Absatz 1 Nr. 2 VVG-2009 verlangen, bei einer Kündigung des Vertrags und dem gleichzeitigem Abschluss eines neuen Vertrages, der ganz oder teilweise den im gesetzliche Sozialversicherungssystem vorgesehenen Krankenversicherungsschutz ersetzen kann, bei einem anderen Krankenversicherer: Ο
die kalkulierte Alterungsrückstellung des Teils der Versicherung, dessen Leistungen dem Basistarif entsprechen, an den neuen Versicherer zu übertragen, sofern die gekündigte Krankheitskostenversicherung nach dem 1.1.2009 abgeschlossen wurde,
Ο
bei einem Abschluss eines Vertrags im Basistarif die kalkulierte Alterungsrückstellung des Teils der Versicherung, dessen Leistungen dem Basistarif entsprechen, an den neuen Versicherer zu übertragen, sofern die gekündigte Krankheitskostenversicherung vor dem 1.1.2009 abgeschlossen wurde und die Kündigung vor dem 1.7.2009 erfolgte.
Soweit die Leistungen in dem Tarif, aus dem der Versicherungsnehmer wechseln will, höher oder umfassender als im Basistarif sind, kann der Versicherungsnehmer vom bisherigen Versicherer die Vereinbarung eines Zusatztarifs verlangen, in dem die über den Basistarif hinausge-
Schlussvorschriften
167
hende Alterungsrückstellung anzurechnen ist. Auf die Ansprüche nach Satz 1 und 2 kann nicht verzichtet werden. § 204 Abs. 1 VVG-2009 gilt nicht für befristete Versicherungsverhältnisse, § 204 Abs. 2 VVG-2009. Wird der Versicherungsvertrag nach Art der Lebensversicherung betrieben, haben der Versicherungsnehmer und die versicherte Person das Recht, einen gekündigten Versicherungsvertrag in Form der Anwartschaftsversicherung fortzuführen. Unklar ist, ob ein Wechsel in den Basistarif ohne Mitnahme der Alterungsrückstellungen möglich ist, wenn der Wechsel nicht bis zum 30.6.2009 beantragt wurde, aber auch die Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 Ziff. 1 VVG-2009 erfüllt sind.124
8.15.3 Kündigung durch Versicherungsnehmer Nach § 205 Abs. 6 VVG-2009 kann der Versicherungsnehmer eine Versicherung, die die Anforderungen an eine Versicherungspflicht erfüllt, nur dann kündigen, wenn er bei einem anderen Versicherer für die versicherte Person einen neuen Vertrag abschließt, der dieser Pflicht genügt. Die Kündigung wird erst wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die versicherte Person bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist.
8.15.4 Kündigung durch Versicherer Nach § 206 Abs. 1 VVG-2009 ist jede Kündigung der Krankheitskostenversicherung, die die Anforderungen des § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG-2009 erfüllt, ausgeschlossen. Dies gilt auch für die ordentliche Kündigung einer Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und einer Pflegekrankenversicherung, wenn die Versicherung ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann. Sie ist weiterhin ausgeschlossen für eine Krankentagegeldversicherung, die neben einer Krankheitskostenversicherung besteht, § 206 Abs. 1 Satz 3 VVG-2009. Eine Krankentagegeldversicherung, für die kein gesetzlicher Anspruch auf einen Beitragszuschuss des Arbeitgebers besteht, kann der Versicherer abweichend in den ersten drei Jahren unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines jeden Versicherungsjahres kündigen. Die Reichweite des Ausschlusses des Kündigungsrechts ist umstritten.125
9
Schlussvorschriften
9.1
Rückversicherung/Seeversicherung Nach § 209 VVG n. F. gilt das VVG nicht für die Rückversicherung und die Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt (Seeversicherung). Soweit die Rückversicherung betroffen ist, verweist der Gesetzgeber auf die Tatsache, dass im Rückversicherungsgeschäft keine unmittelbaren Beziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer des Erstversicherers und dem Rückversicherer bestehen.126
124
125 126
Vgl. hierzu Marko in Marlow/Spuhl, S. 190, der die Auffassung vertritt, für die Einräumung eines derart systemwidrigen Tarifwechselrechts ohne Mitgabe der Alterungsrückstellungen bedürfe es angesichts des Ausnahmecharakters einer solchen Regelung einer eindeutigen gesetzlichen Regelung, die jedoch fehlt. Vgl. Marlow/Spuhl, S. 194 mit weiteren Nachweisen. Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 115.
D
D
168
9.2
Einzelne Versicherungszweige
Großrisiken/laufende Versicherung Die Beschränkungen der Vertragsfreiheit nach diesem Gesetz sind auf die in Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EGVVG genannten Großrisiken und auf laufende Versicherungen nicht anzuwenden, § 210 VVG n. F. Die Seeversicherung sollte nach dem VVG-Entwurf der VVG-Reformkommission noch in das neue VVG integriert werden. Hiervon hat der Gesetzgeber abgesehen, weil die dispositiven Regelungen des Seeversicherungsrechts ohnehin weitgehend durch AVB gesondert geregelt seien.127
9.3
Pensionskassen, kleinere Versicherungsvereine, Versicherungen mit kleinen Beträgen Für Versicherungen bei Pensionskassen im Sinne des § 118 b Abs. 3 und 4 des VAG, Versicherungen, die bei einem Verein gekommen werden, der als kleinerer Verein im Sinne des VAG anerkannt ist, Lebensversicherungen und Unfallversicherungen mit kleineren Beiträgen gelten die §§ 37, 38, 165, 166, 168 und 169 VVG n. F. nicht, soweit mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen abweichende Bestimmungen getroffen sind. Auf die in Abs. 1 Nr. 1 des § 211 VVG n. F. genannten Pensionskassen sind ferner nicht anzuwenden die §§ 6 – 9, 111, 150 Abs. 2 – 4, 152 Abs. 1 und 2 VVG n. F. Für die §§ 7 – 9 und 152 Abs. 1 und 2 VVG n. F. gilt dies nicht für Fernabsatzverträge im Sinne des § 312 b Abs. 1 und 2 des BGB. Ferner ist § 153 VVG n. F. nicht anzuwenden, soweit mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde in den AVB eine abweichende Bestimmung getroffen ist. § 153 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F. wird ferner nicht auf Sterbekassen angewendet. Sind für Versicherungen mit kleineren Beträgen im Sinne von Abs. 1 Nr. 3 und 4 abweichende Bestimmungen getroffen, kann deren Wirksamkeit nicht unter Berufung darauf angefochten werden, dass es sich nicht um Versicherungen mit kleineren Beträgen handelt, § 211 Abs. 3 VVG n. F.
9.4
Fortsetzung der Lebensversicherung nach der Elternzeit Besteht während einer Elternzeit ein Arbeitsverhältnis gemäß § 1 a Abs. 4 des Betriebsrentengesetzes fort und wird eine vom Arbeitgeber zugunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers abgeschlossene Lebensversicherung wegen Nichtzahlung der während der Elternzeit fälligen Prämien in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt, kann die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer innerhalb von drei Monaten nach der Beendigung der Elternzeit verlangen, dass die Versicherung zu den vor der Umwandlung vereinbarten Bedingungen fortgesetzt wird, § 212 VVG n. F.
9.5
Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten bei Dritten Nach § 213 Abs. 1 VVG n. F. darf die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch den Versicherer nur bei
127
Ärzten,
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 115.
Schlussvorschriften
169
Krankenhäusern und sonstigen Krankenanstalten, Pflegeheimen und Pflegepersonen, anderen Personenversicherern und gesetzlichen Krankenkassen sowie Berufsgenossenschaften und Behörden erfolgen und ist nur zulässig, soweit die Kenntnis der Daten für die Beurteilung des zu versichernden Risikos oder der Leistungspflicht erforderlich ist und die betroffene Person eine Einwilligung erteilt hat. Die Einwilligung kann vor Abgabe einer Vertragserklärung erteilt werden, § 213 Abs. 2 Satz 1 VVG n. F. Allerdings ist die betroffene Person vor der Datenerhebung zu unterrichten und kann der Erhebung widersprechen. Nach § 213 Abs. 3 VVG n. F. kann die betroffene Person jederzeit verlangen, dass eine Erhebung von Daten nur erfolgt, wenn jeweils in die einzelne Erhebung eingewilligt worden ist. Auf diese Rechte muss die betroffene Person nach § 213 Abs. 4 VVG n. F. hingewiesen werden, § 213 Abs. 4 VVG n. F.
9.6
Schlichtungsstelle Gemäß § 214 Abs. 1 VVG n. F. kann das Bundesjustizministerium im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz privatrechtlich organisierte Einrichtungen als Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Streitbeilegung in folgenden Fällen einrichten: Bei Versicherungsverträgen mit Verbrauchern im Sinne des § 13 BGB zwischen Versicherungsvermittlern oder Versicherungsberatern und Versicherungsnehmern im Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen. Die Beteiligten können diese Schlichtungsstelle anrufen, wobei der Rechtsweg unberührt bleibt. Nach § 214 Abs. 2 VVG n. F. können privatrechtlich organisierte Einrichtungen als Schlichtungsstelle nur anerkannt werden, wenn sie hinsichtlich ihrer Antworten und Vorschläge oder entscheidungsunabhängig keinen Weisungen unterworfen sind und in organisatorischer und fachlicher Hinsicht die Aufgaben erfüllen können. Sie sind gemäß § 214 Abs. 3 VVG n. F. verpflichtet, jede Beschwerde über einen Versicherer oder einen Versicherungsvermittler, einen Vermittler nach § 66 VVG n. F. und Versicherungsberater zu beantworten. Sie können nach § 214 Abs. 4 VVG n. F. von dem Versicherungsvermittler, dem Vermittler nach § 66 VVG n. F. oder dem Versicherungsberater ein Entgelt erheben. Von dem Versicherungsnehmer kann nur bei offensichtlich missbräuchlichen Beschwerden ein Entgelt erlangt werden, wobei die Höhe des Entgelts im Verhältnis zum Aufwand der anerkannten Schlichtungsstelle stehen muss. Wird keine privatrechtlich organisierte Einrichtung als Schlichtungsstelle anerkannt, können einer Bundesoberbehörde oder einer Bundesanstalt die Aufgaben der Schlichtungsstelle durch Rechtsverordnung zugewiesen werden und deren Verfahren sowie die Erhebung von Gebühren und Auslagen geregelt werden.
D
D
170
9.7
Einzelne Versicherungszweige
Gerichtsstand Die bislang geltende Vorschrift des § 48 VVG wird abgeschafft und durch § 215 VVG n. F. ersetzt. Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist demnach auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht sogar ausschließlich zuständig gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 und 2 VVG n. F. Der Gerichtsstand der Widerklage ist gemäß § 215 Abs. 2 VVG n. F. auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden. Eine von § 215 Abs. 1 VVG n. F. abweichende Vereinbarung ist nur für den Fall zulässig, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.
10
Geltungsbereich, Inkrafttreten, Übergangsregelungen Die neuen Vorschriften des Versicherungsvertraggesetzes 2008 sind am 1.1.2008 in Kraft getreten. Ab diesem Zeitpunkt gilt das neue VVG für alle ab diesem Zeitpunkt geschlossenen Versicherungsverträge. Nach einer Übergangsfrist von einem Jahr gelten die Vorschriften des neuen Versicherungsvertragsgesetzes ab dem 1.1.2009 auch für Altverträge, die vor dem Inkrafttreten des VVGs abgeschlossen worden sind. Die Versicherer haben während der Übergangsfrist die Möglichkeit, ihre Versicherungsbedingungen mit Wirkung zum 01.01.2009 anzupassen. Für einige Bereiche gelten folgende Ausnahmen:
10.1
Fortgeltung der bisherigen Vorschriften über den 1.1.2009 hinaus Die bisherigen Vorschriften des alten Versicherungsvertragsgesetzes gelten in folgenden Fällen auch über den 1.1.2009 hinaus: die Vorschriften über vorvertragliche Anzeigepflichten (§§ 16 ff. VVG) für Anzeigeobliegenheitsverletzungen in Verträgen, die vor dem Inkrafttreten des neuen VVG bereits geschlossen oder beantragt waren für Versicherungsfälle, die bis zum 31.12.2008 in einem Altvertrag eingetreten sind für Rechte von Grundpfandrechtsgläubigern, die ihre rechte bis zum 31.12.2008 angemeldet haben (Artikel 5 Abs. 1 EG VVG n. F.).
10.2
Geltung des neuen VVG bereits ab dem 1.1.2008 Ohne Übergangsfrist gelten die neuen Vorschriften des VVG für Altverträge in folgenden Bereichen
Neuregelung über Vertretungsmacht (Artikel 2 Nr. 1 EG VVG n. F.)
Geltungsbereich, Inkrafttreten, Übergangsregelungen
171
Regelung der Krankenversicherung in §§ 192 bis 208 VVG n. F. unter den Voraussetzungen des Artikels 2 Nr. 2 EG VVG n. F. (die durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krakenversicherung veranlassten Neuregelungen der Krankenversicherungen treten erst zum 01.01.2009 in Kraft; Artikel 12 Abs. 2 EG VVG n. F.) in der Lebensversicherung gelten ohne Übergangsfrist die Neuregelung über die Überschussbeteiligung nach § 153 VVG n. F. auch für Altverträge mit vereinbarter Überschussbeteiligung (Artikel 4 Abs. 1 Satz 2 EG VVG n. F.) ebenso gelten in der Lebensversicherung ohne Übergangsfrist die Neuregelungen zur prämienfreien Versicherung und Kündigung des Versicherers in den §§ 165, 166 VVG n. F. (Artikel 4, Absatz 2 EG VVG n. F.).
10.3
Keine Geltung des neuen VVG Die Neuregelung zur Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung (§ 153 VVG n. F.) gilt auch nach dem 31.12.2008 nicht für Altverträge (Artikel 4, Abs. 1 Satz 1 EG VVG n. F.). Auch die Vorschrift des § 169 VVG n. F. zum Rückkaufswert findet nach dem 31.12.2008 auf Altverträge keine Anwendung, auch soweit auf ihn verwiesen wird. Für diese Verträge ist § 174 VVG weiterhin anzuwenden (Artikel 4, Abs. 2 EG VVG). Ebenso wenig gelten die neuen Vorschriften über die Berufsunfähigkeit für Altverträge nicht (Artikel 4 Abs. 3 EG VVG n. F.; Ausnahmen: § 173 VVG n. F.).
D
E
Auswirkungen auf die Praxis Die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes wird in der Praxis in alle Bereiche der Abwicklung von Versicherungsverträgen hineinwirken. Dabei werden die neuen Informationspflichten nachhaltig alle Bereiche des Vertragsschlusses und der damit zusammenhängenden Geschäftsprozesse der Versicherungsunternehmen und der Versicherungsvermittler beeinflussen. Die Vorschriften zur Offenlegung der Vertriebskosten werden zudem die derzeitigen Vergütungssysteme berühren.
1
Versicherungsmakler Bei Versicherungsmaklern, die als Sachwalter des Versicherungsnehmers in besonderer Verantwortung stehen, wirken die neuen Vorschriften in nahezu alle Bereiche. Gerade bei der Kundenberatung sind Kenntnisse der rechtlichen Änderungen nahezu unverzichtbar. Die Geschäftsprozesse der Versicherungsmakler werden gerade im Bereich der Kundenberatung nachhaltig von den neuen Vorschriften betroffen. Die Offenlegung der Abschlusskosten wird in der Kundenberatung für Gesprächsstoff sorgen. Möglicherweise führen die Änderungen der versicherungsvertraglichen Grundlagen auch zu neuen Haftungspotentialen bei Versicherungsmaklern. Jedenfalls dann, wenn in Unkenntnis oder fehlerhafter Anwendung der neuen Vorschriften etwa der Obliegenheiten Beratungsfehler gegenüber den Versicherungsnehmer vorkommen.
1.1
Auswirkungen der VVG-Reform für die Beratungspraxis Die klassische Dienstleistung des Versicherungsmaklers besteht aus folgenden Elementen: Risikoerfassung und -bewertung Versicherungsschutzerfassung und -bewertung Risikotransfer Vertragsbetreuung Schadenassistenz Im Hinblick auf die Neuordnung der Vertragsschlussvorschriften bedarf insbesondere der Prozess bis zum Abschluss eines Versicherungsvertrages einer näheren Betrachtung: Beim ersten geschäftlichen Kundenkontakt wird der Versicherungsmakler in Erfüllung seiner statusbezogenen gewerberechtlichen Verpflichtung zur Erstinformation gemäß § 11 VersVermV dem Kunden seine Erstinformation übermitteln. Im nächsten Schritt wird er in Erfüllung seiner anlassbezogenen Befragungs- und Beratungspflicht zunächst den Beratungsanlass klären, die zu versichernden Risiken erfassen und bewerten. Danach werden der oder die vorgefundenen Versicherungsverträge auf das vorgefundene Risiko gespiegelt und bewertet. Im Anschluss daran wird der Makler dem Versicherungsnehmer einen konkreten Rat (Vorschlag zum Abschluss eines Versicherungsvertrages, „Angebot“) erteilen und den Versiche-
Versicherungsmakler
173
rungsnehmer um eine Entscheidung im Hinblick auf den Abschluss des Versicherungsvertrages bitten. Hat sich der Kunde nun grundsätzlich für den Abschluss eines Versicherungsvertrages entschieden, sind die neuen Informationspflichten nach § 7 VVG n. F. zu beachten. Es soll noch einmal besonders darauf hingewiesen werden, dass es sich dabei um Informationspflichten des Versicherungsunternehmens und nicht um Informationspflichten der Versicherungsvermittler handelt. Erfolgt der Abschluss eines Versicherungsvertrages unter Zuhilfenahme von Versicherungsvermittlern (Versicherungsmakler, Versicherungsvertreter), hat der Versicherer gemäß § 7 VVG n. F. dafür Sorge zu tragen, dass seine (sic!) Informationspflichten auch erfüllt werden. Im Rechtsverkehr mit Versicherungsmaklern sind dabei zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden: Der Versicherungsmakler ist im Auftrag des Versicherungsnehmers tätig (§ 59 Abs. 3 Satz 1 VVG n. F.) und gleichzeitig rechtsgeschäftlicher Vertreter des Versicherungsnehmers (§ 164 Abs. 1 BGB). Der Versicherungsmakler ist im Auftrag des Kunden tätig, aber nicht sein rechtsgeschäftlicher Vertreter. Im Normalfall wird der Versicherungsmakler nicht nur im Auftrag des Versicherungsnehmers tätig, sondern zugleich auch als rechtgeschäftlicher Vertreter des Kunden. In diesen Fällen sind vom Versicherungsunternehmen im Hinblick auf seine Informationspflichten gemäß § 7 VVG n. F. keine besonderen Maßnahmen zu ergreifen. Es reicht aus, wenn das Versicherungsunternehmen den Versicherungsmakler als rechtsgeschäftlichen Vertreter des Versicherungsnehmers die Informationen nach § 7 VVG n. F. in Textform zur Verfügung stellt. Dabei ist es unerheblich, ob diese Informationen dem Versicherungsmakler über ein Extranet des Versicherers, via E-Mail oder via Beratungstechnologie übermittelt werden. Die dem Makler und rechtsgeschäftlichen Vertreter des Versicherungsnehmers zugegangenen Informationen werden dem Kunden zugerechnet; damit hat das Versicherungsunternehmen seine Pflicht erfüllt. Während überwiegend davon ausgegangen wird, dass der Versicherungsnehmer mit der Beauftragung eines Versicherungsmaklers sogar konkludent dem Versicherungsmakler eine Vollmacht erteilt, sind in der Praxis – zumal immer mehr Versicherungsmakler auch im Privatkundenbereich tätig sind – vermehrt Fälle denkbar, bei denen der Versicherungsnehmer einen Versicherungsmakler mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen beauftragt, ohne ihn gleichzeitig auch als seinen rechtsgeschäftlichen Vertreter in Versicherungsangelegenheiten zu bestimmen. In diesen Fällen muss das Versicherungsunternehmen Sorge tragen, dass dem Versicherungsnehmer vor Abgabe von dessen Vertragserklärung die nach § 7 VVG n. F. vorgeschriebenen Mitteilungen übermittelt werden. In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt, dass der Versicherer über in der Praxis übliche Rahmenvereinbarungen zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherungsmaklern (Courtagezusagen, Courtagevereinbarungen, Courtageabkommen etc.) die dem Versicherer obliegende Verpflichtung nach § 7 VVG n. F. auf den Versicherungsmakler übertragen könne. Diese Formulierung ist angesichts der klaren Zuordnung des Versicherungsmaklers in die Sphäre des Versicherungsnehmers problematisch, aber in einzelnen Fällen wohl nicht zu vermeiden. Für den Fall, dass der Makler als rechtsgeschäftlicher Vertreter des Versicherungsnehmers bevollmächtigt ist, erweist sich diese Regelung als überflüssig, da die dem Versicherungsmakler
E
E
174
Auswirkungen auf die Praxis übermittelten Informationen – wie ausgeführt – dem Versicherungsnehmer bereits als zugegangen zugerechnet werden. Bei den Geschäftsprozessen ist nunmehr zwischen Versicherungsmaklern mit Vollmacht und Versicherungsmaklern ohne Vollmacht zu unterscheiden. Versicherungsmakler ohne Vollmacht werden in der Regel nach der Entscheidung des Kunden über den Abschluss eines Versicherungsvertrages diesem nun die Vertragsbestimmungen und die AVB sowie die Informationen nach der Informationspflichtenverordnung VVG InfoV übermitteln. Der Kunde wird sodann die Antragsfragen beantworten und den Antrag unterschreiben. Wegen des oben schon näher beschriebenen Erfordernisses der Rechtzeitigkeit kann es sinnvoll sein, zwischen der Übermittlung der Vertragsinformationen und der Unterschrift des Antrags etwas Zeit verstreichen zu lassen, sodass ggf. ein zweiter Besuch erforderlich werden würde. Der Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages wird vom Versicherungsmakler an den Versicherer weitergeleitet. Dort wird das versicherungstechnische Risiko geprüft und ggf. der Antrag angenommen und eine Police erstellt. AVBs und sonstige Vertragsbestimmungen sind der Police nicht beizufügen, weil diese dem Versicherungsnehmer ja schon vor seiner Antragserklärung übermittelt worden sind. Infolgedessen wird die Police an den Versicherungsnehmer ohne weitere Anlagen übersendet.
Neuer Beratungsprozess – Antragsmodell Makler ohne Vollmacht
Kontakt
Objektive, ausgewogene Marktuntersuchung
Erstinformation übermitteln
Konkreter Rat (Vorschlag, „Angebot“)
Beratungsanlass klären
(innere) Entscheidung des Kunden
Risiko erfassen & bewerten
Versicherungsschutz erfassen & bewerten
Information Beratungsgrundlage (ggfs.)
Vertragsbestimmungen & AVB
Info nach §7 (2) VVG
Beratungsdokumentation (sinnvoll)
ggf. 2. Besuch!
Antrag ggf. Dokumentation
Risikoprüfung
Annahme durch VU
Police ohne Unterlagen
Versicherungsmakler
175
Wird der Versicherungsmakler gleichzeitig als rechtsgeschäftlicher Vertreter des Versicherungsnehmers tätig, ändert sich an dem Beratungsprozess bis zum Zeitpunkt der grundsätzlichen Entscheidung des Kunden für den Abschluss eines Versicherungsvertrages nichts. Entscheidet sich der Kunde nun gleichzeitig dafür, den Versicherungsmakler als rechtsgeschäftlichen Vertreter zu bevollmächtigen, ist es notwendig, den Versicherungsmakler nun mit einer entsprechenden Vollmacht auszustatten.
Hinweis Eine Änderung der bisher von Versicherungsmaklern verwendeten Vollmachtsformular ist aus rechtlichen Gründen nicht erforderlich. Zur Klarstellung und zur Vermeidung von Diskussionen mit Versicherern über den Umfang der Vollmacht kann folgende Formulierung helfen: Hiermit erteile ich [Name, Anschrift des Kunden] (Vollmachtgeber) der Firma [Name, Anschrift] (Versicherungsmakler) oder ihrer Rechtsnachfolgerin Vollmacht, in meinem Namen Versicherungsverträge abzuschließen, zu ändern oder zu kündigen, Erklärungen zu Versicherungsverträgen abzugeben oder entgegenzunehmen, bei der Schadensabwicklung für vom Versicherungsmakler vermittelte oder betreute Versicherungen mitzuwirken, Zahlungen aus Abrechnungen oder Schadensabwicklungen entgegenzunehmen, Auskünfte bei Sozialversicherungsträgern einzuholen und Untervollmachten auszustellen. Ort, Datum, Unterschrift Vollmachtgeber Die Übermittlung der Vertragsinformationen gemäß § 7 VVG n. F. ist dann aus den oben genannten Gründen nicht mehr erforderlich, weil die Kenntnis des Versicherungsmaklers dem Vertretenen zugerechnet wird. Der Versicherungsmakler kann nun im Namen des Versicherungsnehmers einen Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages stellen (Deckungsnote, Deckungsauftrag). Bei der Versicherung von biometrischen Risiken ist es in der Praxis sinnvoll und empfehlenswert, die Gesundheitserklärung des Kunden separat zu erfassen und von ihm separat unterschreiben zu lassen. Die Antragsunterlagen werden nun dem Versicherer zur Risikoprüfung zugeleitet, der bei positivem Ergebnis der Risikoprüfung den Versicherungsvertrag annehmen wird. Der Versicherer wird eine Police erstellen und die Police dem Versicherungsnehmer oder dem Versicherungsmakler zuleiten. Vertragsinformationen müssen der Police nicht beigefügt werden, weil sie dem Kunden ja schon zugegangen sind.
E
E
176
Auswirkungen auf die Praxis
Neuer Beratungsprozess – Antragsmodell / Makler mit Vollmacht
Kontakt
Erstinformation übermitteln
Beratungsanlass klären
Risiko erfassen & bewerten
Versicherungsschutz erfassen & bewerten
Vollmacht*
Beratungspflichten!
Objektive, ausgewogene Marktuntersuchung
Konkreter Rat (Vorschlag, „Angebot“)
(innere) Entscheidung des Kunden
Antrag, ggf. Dokumentation
Risikoprüfung
Annahme durch VU
Police mit/ohne Unterlagen
*Hinweis: Makler nimmt Informationen nach § 7 VVG für Versicherungsnehmer entgegen
In der Praxis kann dies aber zu Problemen führen, wenn weder in den Unterlagen des Versicherungsnehmers noch in den Unterlagen des Versicherungsmaklers eine klare Zuordnung der Vertragsinformationen vorgenommen werden kann. Deshalb ist es empfehlenswert, dass der Versicherer der Police alle notwendigen Vertragsinformationen beifügt. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand wird bei vielen Versicherern so verfahren werden. Andernfalls obliegt dem Versicherungsmakler eine besondere Sorgfaltspflicht, sicherzustellen, dass im Schadenfall zweifelsfrei festgestellt werden kann, welche Vertragsbedingungen dem in Rede stehenden Versicherungsvertrag zugrunde liegen. Es liegt auf der Hand, dass dieses Verfahren für Versicherungsmakler, die gleichzeitig rechtsgeschäftliche Vertreter ihrer Kunden sind, in der Praxis entscheidende Handling-Vorteile bietet. Insbesondere dem Merkmal der Rechtzeitigkeit wird wirksam Rechnung getragen, ohne dass unbedingt ein zweiter Besuch erforderlich wird. Gleichzeitig birgt dieses Verfahren natürlich für den Versicherungsmakler besondere Sorgfaltspflichten, da es in seinem Verantwortungsbereich liegt, ob und welche Informationen er aufgrund seines zwischen ihm und dem Kunden bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrages an den Versicherungsnehmer weiterleiten muss. Dies wird je nach Absprache zwischen den Parteien und dem Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers von Fall zu Fall unterschiedlich zu beurteilen sein. Bei Anwendung des Invitatiomodells ist ebenfalls zwischen Makler mit und ohne Vollmacht zu unterscheiden:
Versicherungsmakler
177
Neuer Beratungsprozess – Invitatiomodell / Makler
Kontakt
Objektive, ausgewogene Marktuntersuchung
Erstinformation übermitteln
Beratungsanlass klären
Risiko erfassen & bewerten
Versicherungsschutz erfassen & bewerten
Konkreter Rat (Vorschlag, „Angebot“)
(innere) Entscheidung des Kunden
Datenaufnahme & Angebotsanforderung
Beratungsdokumentation (sinnvoll)
Angebot! ggf. 2. Besuch!
Policenerstellung & Versand mit Unterlagen: Risikoprüfung
Vertragsbestimmungen
AVB
Info nach §7 (2) VVG
Beratungsdokumentation
Annahme durch Makler für VN
Neuer Beratungsprozess – Invitatiomodell / Makler
Kontakt
Objektive, ausgewogene Marktuntersuchung
Erstinformation übermitteln
Beratungsanlass klären
Risiko erfassen & bewerten
Versicherungsschutz erfassen & bewerten
Konkreter Rat (Vorschlag, „Angebot“)
(innere) Entscheidung des Kunden
Datenaufnahme & Angebotsanforderung
Beratungsdokumentation (sinnvoll)
Angebot!
Policenerstellung & Versand mit Unterlagen: Risikoprüfung
Vertragsbestimmungen
AVB
Info nach §7 (2) VVG
Beratungsdokumentation
ggf. 2. Besuch!
Annahme durch VN
Im Rechtsverkehr mit Versicherungsunternehmen ergeben sich zunehmend Schwierigkeiten durch Nachträge für Courtagezusagen. Versicherer versuchen auf diesem Weg, ihre eigene Informationspflicht auf Versicherungsmakler zu übertragen. Dies dürfte regelmäßig mit dem Status des Versicherungsmaklers als Sachwalter seines Kunden nicht vereinbar sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Makler rechtsgeschäftlicher Vertreter des Kunden ist.
E
E
178
1.2
Auswirkungen auf die Praxis
Auswirkungen der VVG-Reform für die Vergütung Ob und in welcher Art und Weise die neuen Transparenzvorschriften im Lebens- und Krankenversicherungsbereich die Vergütung der Versicherungsmakler beeinflussen werden, ist zur Zeit noch nicht abzusehen. Es gibt große und international tätige Maklerhäuser, die im Anschluss an die Spitzeraffäre in den Vereinigten Staaten schon seit Jahren ihre Vergütung komplett gegenüber den Kunden offenlegen und damit gut gefahren sind. Ob die Mehrheit der kleinen und mittelständischen Maklerbetriebe die Offenlegung der Vertriebskosten bei Lebens- und Krankenversicherungen ebenso unproblematisch umsetzen können, scheint eher zweifelhaft. Gerade im Umgang mit Verbrauchern als Versicherungsnehmern werden die Informationen über die Abschlusskosten zu erheblichen Gesprächsbedarf führen. Der Umstand, dass die tatsächlichen Kosten der Versicherungsverträge bisher den Versicherungsnehmern aufgrund der verdeckten Vergütung verborgen geblieben sind, dürfte dazu geführt haben, dass bei den Versicherungsnehmern keine oder nur unvollständige Vorstellungen darüber bestehen, mit welchen Größenordnungen Lebens- und Krankenversicherungsverträge mit Abschlusskosten belastet sind. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Der Versicherungsvermittler bietet dem Kunden einen Lebensversicherungsvertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren und einer monatlichen Zahlungsverpflichtung von 100 € an. Betragen die rechnungsmäßigen Abschlusskosten dieses Vertrages vier Prozent, wären demzufolge gegenüber dem Kunden 1.440 € rechnungsmäßige Abschlusskosten auszuweisen. Der Kunde wird diese Information aus seiner Laiensphäre in falsche Zusammenhänge bringen und im Zweifel davon ausgehen, dass es sich dabei um die Vergütung des Versicherungsvermittlers handle. Möglicherweise wird er sogar die Höhe der Summe ins Verhältnis zu der vom Versicherungsvermittler aufgewendeten Beratungszeit setzen und so auf einen horrenden Stundenlohn kommen. Der Verbraucher ist nicht darüber informiert, dass auch beim Versicherungsunternehmen Abschlusskosten entstehen, und er weiß auch nicht bzw. will auch nicht wissen, wie viel vergebliche Beratungsgespräche der Versicherungsvermittler durchführen musste, um diesen einen Anschluss nun vornehmen zu können, um damit einen Beitrag zur Kostendeckung zu erzielen. So viele betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind von einem Verbraucher nicht zu erwarten. Deshalb ist damit zu rechnen, dass in einem zunehmenden Maße Kunden die offengelegten Abschlusskosten in Stundenlohn umrechnen und dadurch Begehrlichkeiten beim Kunden geweckt werden. Derartige Begehrlichkeiten werden befeuert durch Bestrebungen der Verbraucherschutzorganisationen, das bestehende Provisionsabgabeverbot bei Versicherungsvermittlern abzuschaffen. Tatsächlich ist das Provisionsabgabeverbot europarechtlich kaum haltbar. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass in naher Zukunft das Provisionsabgabeverbot in Deutschland fällt. Versicherungsvermittler müssen also davon ausgehen, zukünftig mit ihren Kunden in Verhandlungen über die Höhe einer Beteiligung an den Abschlusskosten zu treten. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Versicherungsvermittler untereinander in einen Wettbewerb über die Höhe von Beteiligungen an den Abschlusskosten treten werden. Perspektivisch wird der Deckungskostenbeitrag des Versicherungsvermittlers bei Abschluss von Lebens- und Krankenversicherungen immer kleiner. Darüber hinaus entwickeln die neuen Vorschriften eine Ausstrahlwirkung auf das gesamte Vergütungssystem. Erste Signale aus Brüssel sorgen mit dem Ergebnis der Sektorenuntersuchung für weiteren Druck auf die gegenwärtigen Vergütungssysteme. Möglicherweise steht das gesamte derzeitige Courtagesystem im Maklerbereich auf dem Prüfstand. In anderen europäischen Ländern ist bereits die Courtagezahlung durch den Versicherer
Versicherungsmakler
179
abgelöst worden durch die Bezahlung von Vergütungen durch den Kunden. Dies hat dazu geführt, dass die Vergütungen für Versicherungsvermittler insgesamt nach unten korrigiert worden sind. Wenn das gegenwärtige Vergütungssystem nur ansatzweise gehalten werden soll, ist es erforderlich, auf jeden Fall mehr Transparenz zu schaffen. Es ist deshalb für Versicherungsmakler existenziell wichtig, die neuen Transparenzvorschriften zu akzeptieren und damit konstruktiv umzugehen. Das bedeutet, im Verhältnis zum Kunden deutlich mehr Argumentationsaufwand im Hinblick auf die Rechtfertigung der Abschlusskosten, bietet aber zugleich die Chance, die Dienstleistung des Versicherungsmaklers dem Kunden gegenüber deutlicher zu kommunizieren. Es gilt daher, eine Strategie zu entwickeln, mit der die offengelegten Abschlusskosten dem Kunden erklärt und der Dienstleistungsapparat des Versicherungsmaklers übermittelt werden kann. Eine derartige Strategie könnte drei Elemente beinhalten:
1.2.1
Relation der Kostensysteme In einem ersten Schritt muss der Kunde darüber informiert werden, dass der Umstand, dass zu Beginn der Vertragslaufzeit einmalige hohe Abschlusskosten entstehen, für sich genommen nicht zwingend einen Nachteil darstellt. Der Kunde muss also darüber informiert werden, dass eine andere Kostenverteilung bei einem Konkurrenzprodukt mit niedrigeren Abschlusskosten und dafür höheren laufenden Kosten durchaus wesentlich nachteiliger für den Versicherungsnehmer sein kann. Von entscheidender Bedeutung ist es also, die Anfangsvermutung des Versicherungsnehmers zu widerlegen, dass hohe Abschlusskosten zwingend ein schlechtes Produkt indizieren. Es hat sich bewährt, in solchen Situationen den Kunden zwei verschiedene Kostensysteme gegenüberzustellen, aus denen ersichtlich ist, dass ein Versicherungsvertrag mit laufenden Kosten für den Versicherungsnehmer viel nachteiliger sein kann als ein Versicherungsvertrag mit hohen Einmalkosten zu Beginn des Vertrages.
Wunsch nach Transparenz – oder: Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht Alternative 1
Alternative 2
Einmalbeitrag: Einmalige Kosten:
100.000 EUR 6.000 EUR
Zuzüglich laufende Kosten 0,5% des gebildeten Kapitals
Einmalbeitrag: Einmalige Kosten: Zuzüglich laufende Kosten 2,0% des gebildeten Kapitals
100.000 EUR 0 EUR
Welches Produkt Ergebnis (bei einer unterstellten Bruttoperformance i.H.v. 8,0% und 20 Jahren Laufzeit) ist „besser“? 399.298 EUR (Rendite nach Kosten: 7,17%)
320.714 EUR (Rendite nach Kosten: 6,00%)
E
E
180
1.2.2
Auswirkungen auf die Praxis
Erläuterung der Kostenpositionen in den Abschlusskosten Im nächsten Schritt muss der Kunde darüber informiert werden, welche Leistungen den in den Versicherungstarif einkalkulierten Abschlusskosten gegenüberstehen. Neben den Vergütungen für Versicherungsvermittler entstehen beim Versicherungsunternehmen für den Abschluss neuer Versicherungsverträge auch zahlreiche interne Kosten: dies sind zum Beispiel Kosten für die Erfassung und Speicherung der Antragsdaten Finanzielle Risikoprüfung, ggf. externe Bonitätsprüfung (Creditreform etc.). Gesundheitsprüfung: Ο
Auswertung der Gesundheitsfragen durch professionelle Risikoprüfer
Ο
SWD-Anfragen und SWD-Auskünfte
Ο
Anforderungen von Arztberichten und ärztlichen Zeugnissen
Ο
Auswertung von Arztberichten und ärztlichen Zeugnissen durch professionelle Risikoprüfer
Ο
Rückfragen bei unklaren Angaben
Ο
Anforderung zusätzlicher Fragebögen (z. B. unklares Berufsbild)
Ο
Kontrolle der Wiedervorlage fehlender bzw. nachzureichender Unterlagen
Ο
Erstellung und Versand der Versicherungspolice
Ο
Provisionszahlung an den Versicherungsvermittler
Ο
Bearbeitung von Vorabanfragen und Probepolicierung
Ο
Ausbildung der Risikoprüfer etc.
In der Praxis empfiehlt sich hier die Verwendung eines Formulars, in dem Dienstleistungselemente des Versicherungsunternehmens im Hinblick auf den Abschluss von Versicherungsverträgen beispielhaft aufgeführt sind.
1.2.3
Kommunikation der eigenen Dienstleistung Letzter und wichtiger Part der Strategie ist die intensive, verständliche und glaubhafte Kommunikation der Dienstleistung des Versicherungsmaklers. Hier liegt die Chance des Versicherungsmaklers, dem Kunden die einzelnen Elemente des Dienstleistungskataloges des Versicherungsmaklers zu kommunizieren. Derartige Dienstleistungselemente sind zum Beispiel: Know-how – Bevorratung Schaden-/Leistungsfälle Kundengespräch Beratung und Information Analyse des Kundenbedarfs Marktanalyse Marktbeobachtung Investition in Mitarbeiter, EDV, Büro
Versicherungsmakler
181
Abschluss- und Rückfragen Konkrete Angebotserstellung Kontrolle der Police Kundenbetreuung während der Laufzeit Aktuelle Informationen Modifikationen Aktualisierung Eindeckung des Risikos beim Versicherer etc.
Vermittler müssen sich vorbereiten: Tipps für ihre Argumentation Intensive, verständliche und glaubhafte Kommunikation der Dienstleistung des Vermittlers erforderlich Dienstleistungselemente (Auszug) Know-HowBevorratung Kundengespräch – Beratung und Information Marktbeobachtung
Kontrolle der Police
Schaden-/ Leistungsfälle
Analyse des Kundenbedarfs
Investition in Mitarbeiter, EDV, Büro
Kundenbetreuung während der Laufzeit
Aktuelle Informationen
Marktanalyse
Abschluss und Rückfragen
Konkrete Angebotserstellung
Modifikationen / Aktualisierungen
Eindeckung des „Risikos“ beim Versicherer
Ein konkretes Berechnungsbeispiel erleichtert dabei die Kommunikation. In diesem konkreten Berechnungsbeispiel könnte der vom Versicherungsmakler aufgewendete Zeitbedarf für das eigentliche Beratungsgespräch (inkl. der Vor- und Nachberatung) aufgeführt werden sowie die für die gesamte Laufzeit hochgerechnete erforderliche Nachbearbeitung des Versicherungsvertrages. Im nächsten Schritt sollte vom Versicherungsmakler ein Stundensatz kalkuliert werden, der seine von der Bürogröße, der eingesetzten Technik und dem eingesetzten Personal abhängigen Kosten plus einer Unternehmermarge repräsentiert. Der ermittelte Gesamtzeitbedarf multipliziert mit dem kalkulierten Stundensatz ergibt in der Regel eine Summe, die nicht selten kaum geringer ist als die ausgewiesenen Abschlusskosten.
E
E
182
Auswirkungen auf die Praxis
Vermittler müssen sich vorbereiten: Tipps für ihre Argumentation
– Konkretes Berechnungsbeispiel – Zeitbedarf für Beratungsgespräch (inkl. Vor- und Nachbereitung) – Nacharbeit während der Laufzeit – Zeiteinsatz – Stundensatz (Beispiel) 100 Euro – Ergebnis: Kosten für Beratung
8h 12 h 20 h 2.000 Euro
– Botschaft: Je qualifizierter die Beratung, desto mehr Akzeptanz!
Je intensiver die Kommunikation der eigenen Dienstleistung beim Kunden erfolgt, desto eher ist der Kunde bereit, eine qualifizierte Beratung und Vermittlung wertzuschätzen. Dabei gilt: Je qualifizierter die Beratung beim Kunden ankommt, desto eher ist der Kunde bereit, Abschlusskosten zu akzeptieren. Die zukünftige Verteilung der Abschlusskosten auf fünf Jahren zwingt Versicherungsmakler ohnehin zu weiteren betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Die Verteilung der Abschlusskosten auf fünf Jahre bedeutet im Zweifel entweder weniger Courtage pro Zahlungsperiode oder eine längere Haftungsdauer bei diskutierten Courtagen. Deshalb ist es notwendig, sich im Versicherungsmaklerbüro mit betriebswirtschaftlichen Kalkulationen zu beschäftigen. Dazu gehört es, die Kosten pro Kunde, den Umsatz pro Kunde, die Kosten pro Beratungsgespräch und letztlich den Ertrag bzw. Deckungsbeitrag pro Kunden zu ermitteln. Bei vielen Vermittlern werden möglicherweise defizitäre Kundenbeziehungen bei diesen Berechnungen aufscheinen. Solchermaßen betriebswirtschaftliche Überlegungen bieten gleichzeitig die Grundlage, sich mit neuen Vergütungslösungen betriebswirtschaftlich zu beschäftigen. Aufgrund des schon dargestellten Drucks auf die gegenwärtigen Vergütungssysteme steigt das Bedürfnis nach Honorarlösungen. Für Versicherungsmakler ist seit dem 22. Mai 2007 im Rahmen des § 34d Abs. 1 GewO eine Versicherungsberatung gegen Honorar bei Gewerbekunden zulässig. Es wird nicht schaden, mit Honorarlösungen zu experimentieren. In Geschäften mit Verbrauchern bleibt die „Honorarberatung“ rechtlich problematisch. Hier ist zu überlegen, ob und in welcher Art und Weise eine Kooperation mit Versicherungsberatern oder Versicherungsberaterfirmen möglich ist.
Versicherungsmakler
1.3
183
Auswirkung der VVG-Reform für die Haftung Durch die VVG-Reform ist weder für Versicherungsunternehmen noch für Versicherungsvermittler materiell rechtlich ein neues Haftungssystem installiert worden. Dennoch wird die Haftung der Versicherungsvermittler zukünftig im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Das hat damit zu tun, dass die Medien im Zuge der VVG-Reform sich mehr oder weniger intensiv mit den neuen Rechtsvorschriften beschäftigt haben. Dabei finden insbesondere die neuen Beratungspflichten der Versicherungsvermittler zunehmendes Interesse. Aufgrund des gestiegenen Interesses der Öffentlichkeit ist damit zu rechnen, dass auch immer mehr Rechtsanwälte sich mit diesem – bisher meist unbekannten – Rechtsbereich beschäftigen. Der Umstand, dass für die Versicherungsvermittler neuerdings eine Versicherungspflicht besteht, wird diesen Trend verstärken, weil für Versicherungsnehmer im Zweifel dann auch beim Versicherungsvermittler „was zu holen ist“. Dies wird sich insbesondere auf dem Berufsstand der Versicherungsmakler auswirken. Sie haften im Zweifel für Fehler aus der Ausübung ihrer Tätigkeit selbst. Für Versicherungsmakler ist es deshalb unabdingbar, sich intensiv mit Pflichten- und Haftungsmanagement zu beschäftigen. Dazu zählt in erster Linie, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, ob man den Anforderungen dieses Berufsstandes auch gewachsen ist. Grundsätzlich sollten Versicherungsmakler ihre Dienstleistung nur in bereichen anbieten, in denen sie über entsprechende Sachkunde verfügen. In der vertraglichen Vereinbarung mit Kunden muss der Umfang der vom Makler übernommenen Pflichten genau festgelegt werden. Darüber hinaus ist es sinnvoll, die einzelnen Prozesse im Büro des Versicherungsmaklers auf Fehleranfälligkeit zu überprüfen und ggf. zu verbessern. Im Haftungsmanagement gehört ferner eine sorgfältige Dokumentation aller Tätigkeiten des Versicherungsmaklers dazu (die im Interesse des Versicherungsnehmers eingerichtete gesetzliche Dokumentationspflicht der Versicherungsvermittler dürfte dazu nicht ausreichen!). Für eventuelle dennoch eintretende Schadenfälle ist darauf zu achten, dass die Haftpflichtversicherung auch dem Risikoprofil des Versicherungsmaklers entspricht.
1.4
Fazit und Perspektive der Vermittlerart Für Versicherungsmakler ist es erforderlich, dass sie sich mit den neuen Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes vertraut machen. Das Vertriebsversicherungsvertragsrecht gehört zu der Kernmaterie, mit der der Versicherungsmakler täglich umgehen muss. Aufgrund der schon mit dem Vermittlergesetz eingeführten neuen Vorschriften wird es auch im Bereich der Versicherungsmakler zu einer Marktbereinigung kommen. Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass einige Berufsangehörige den neuen Anforderungen des Marktes nicht mehr genügen und sich deshalb vom Markt verabschieden werden. Es ist abzusehen, dass es einen Trend zur Professionalisierung der Maklerschaft und einen Trend zu größeren Einheiten geben wird. Es dürfet zukünftig kaum möglich sein, den Beruf des Versicherungsmaklers in Form einer EinPersonen-Firma auszuführen. Es sei denn, dass eine starke Spezialisierung vorliegt. Qualitätsorientierte Versicherungsmakler mit profundem Know-how und kontrollierten Geschäftsprozessen werden aber die Gewinner der VVG-Reform sein. Der Kunde will Unabhängigkeit, die nur der Versicherungsmakler bieten kann.
E
E
184
2
Auswirkungen auf die Praxis
Vertreter (auch Mehrfachvertreter) Auch bei Versicherungsvertretern sind Kenntnisse der rechtlichen Änderungen, die das VVG durch die Reform erfahren hat, in der Kundenberatung nahezu unverzichtbar. Auch die Geschäftsprozesse der Versicherungsvertreter werden im Bereich der Kundenberatung von den neuen Vorschriften betroffen. Die Offenlegung der Abschlusskosten trifft die Versicherungsvertreter in gleicher Weise wie Versicherungsmakler. Haftungsprobleme werden sich bei Ausschließlichkeitsvertretern wegen der in der Regel erfolgten Haftungsübernahme durch das vertretene Versicherungsunternehmen kaum bemerkbar machen. Etwas anderes wird für Mehrfachvertreter gelten. Diese erwecken durch ihr tatsächliches Auftreten in der Öffentlichkeit häufig den Eindruck, sie würden ihre Leistungen wie Versicherungsmakler erbringen. Dadurch entsteht ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko.
2.1
Auswirkungen der VVG-Reform für die Beratungspraxis Bei Versicherungsvertretern entfällt naturgemäß die Möglichkeit, sich von Kunden mit einer Vollmacht bevollmächtigen zu lassen. Deshalb stellt sich für Versicherungsvertreter nur die Frage, ob die Versicherungsvermittlung im Wege des modifizierten Antragsverfahrens oder im Wege des Invitatiomodells abgewickelt werden soll. Ausschließlichkeitsvertreter haben mangels Alternativen ohnehin keine Wahl, sondern müssen das Vertragsschlussverfahren umsetzen, was ihr jeweils vertretenes Versicherungsunternehmen ihnen vorgibt. Die logistischen Anforderungen beim Antragsverfahren dürften sich wegen der Ausschließlichkeitsverbindung im Rahmen halten. Es ist zu erwarten, dass sich Ausschließlichkeitsvertreter relativ schnell in die von ihrem vertretenen Versicherungsunternehmen vorgegebenen formalen Regeln einfinden werden.
Neuer Beratungsprozess – Antragsmodell / Vertreter
Kontakt
Erstinformation übermitteln
Konkreter Rat (Vorschlag, „Angebot“)
Beratungsanlass klären
(innere) Entscheidung des Kunden
Risiko erfassen & bewerten
Versicherungsschutz erfassen & bewerten
Information Beratungsgrundlage (zwingend!)
Vertragsbestimmungen & AVB
Info nach §7 (2) VVG
Beratungsdokumentation (sinnvoll)
ggf. 2. Besuch!
Antrag ggf. Dokumentation
Risikoprüfung
Annahme durch VU
Police ohne Unterlagen
Vertreter (auch Mehrfachvertreter)
185
Neuer Beratungsprozess – Invitatiomodell / Vertreter
Kontakt
Erstinformation übermitteln
Konkreter Rat (Vorschlag, „Angebot“)
Beratungsanlass klären
(innere) Entscheidung des Kunden
Risiko erfassen & bewerten
Datenaufnahme & Angebotsanforderung
Versicherungsschutz erfassen & bewerten Information Beratungsgrundlage (ggf.) Beratungsdokumentation (sinnvoll)
Angebot! ggf. 2. Besuch!
Policenerstellung & Versand mit Unterlagen: Risikoprüfung
Vertragsbestimmungen & AVB
Information Beratungsgrundlage
Info nach §7 (2) VVG
Beratungsdokumentation
Annahme durch VN
Eine erfolgreiche Tätigkeit in der Ausschließlichkeit wird voraussetzen, dass neben verkäuferischen Fähigkeiten auch substanzielle Kenntnisse im Bereich des neuen Versicherungsvertragsrechts vorhanden sind. Deshalb ist es für Ausschließlichkeitsvertreter wichtig, sich nicht nur an die neuen Vertragsschlussmodelle zu gewöhnen, sondern sich intensiv mit dem gesamten Reformkonzept des Versicherungsvertragsgesetzes auseinanderzusetzen. Dies gilt für Mehrfachvertreter gleichermaßen. Bei den Vertragsschlussmodellen ist damit zu rechnen, dass Mehrfachvertreter tendenziell das Invitatiomodell bevorzugen werden. Die Wahrscheinlichkeit steigt mit der Anzahl der vertretenen Versicherungsunternehmen. Schon bei zehn vertretenen Versicherungsunternehmen dürfte es eine logistische Herausforderung bedeuten, die für das Antragsmodell jeweils notwendigen Vertragsinformationen in aktueller Fassung rechtzeitig dem Kunden vor dessen Vertragserklärung zu übermitteln.
2.2
Auswirkung der VVG-Reform für die Vergütung Im Bereich der Vermittlung von Lebens- und Krankenversicherungen ist damit zu rechnen, dass auch bei den Versicherungsvertretern die Offenlegung der Abschlusskosten zu Diskussionen mit Versicherungsnehmern führen wird. Die von Vertreterverbänden zum Teil vorgebrachte Argumentation, der Kunde treffe seine Entscheidung für ein Versicherungsprodukt nach dem Ausmaß des Versicherungsschutzes und der Prämie, keinesfalls aber nach der Höhe der eingerechneten Provisionen, greift zu kurz. Angesichts des Umstands, dass den Kunden bisher mehrheitlich die wahre Dimension der im Lebens- und Krankenversicherungsbereich gezahlten Abschlussprovisionen verborgen geblieben sind, wird für Aha-Effekte sorgen, Begehrlichkeiten beim Kunden wecken und perspektivisch möglicherweise das Provisionsabgabeverbot in Frage stellen, wie es von den Verbraucherschutzverbänden schon lange gefordert wird.
E
E
186
Auswirkungen auf die Praxis Es ist also auch für Versicherungsvertreter notwendig, eine Argumentationsstrategie für die Rechtfertigung der zukünftig dem Kunden gegenüber offenzulegenden Kosten zu entwickeln. Die Strategie von Versicherungsvertretern zur Argumentation basiert grundsätzlich auf denselben Überlegungen wie die Strategie von Versicherungsmaklern, wenn auch der Dienstleistungskatalog nicht eins zu eins vergleichbar ist. Es ist also auch für Versicherungsvertreter empfehlenswert, mit einer gestuften Strategie den Kundenbegehrlichkeiten zu begegnen. Die Strategie für Vertreter besteht ebenfalls aus drei Elementen:
2.2.1
Relation der Kostensysteme In einem ersten Schritt muss der Kunde darüber informiert werden, dass der Umstand, dass zu Beginn der Vertragslaufzeit einmalige hohe Abschlusskosten entstehen, für sich genommen nicht zwingend einen Nachteil darstellt. Der Kunde muss also darüber informiert werden, dass eine andere Kostenverteilung bei einem Konkurrenzprodukt mit niedrigeren Abschlusskosten und dafür höheren laufenden Kosten durchaus wesentlich nachteiliger für den Versicherungsnehmer sein kann. Von entscheidender Bedeutung ist es also, die Anfangsvermutung des Versicherungsnehmers zu widerlegen, dass hohe Abschlusskosten zwingend ein schlechtes Produkt indizieren. Es hat sich bewährt, in solchen Situationen dem Kunden zwei verschiedene Kostensysteme gegenüberzustellen, aus denen ersichtlich ist, dass ein Versicherungsvertrag mit laufenden Kosten für den Versicherungsnehmer viel nachteiliger sein kann als ein Versicherungsvertrag mit hohen Einmalkosten zu Beginn des Vertrages.
Wunsch nach Transparenz – oder: Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht Alternative 1
Alternative 2
Einmalbeitrag: Einmalige Kosten:
100.000 EUR 6.000 EUR
Zuzüglich laufende Kosten 0,5% des gebildeten Kapitals
Einmalbeitrag: Einmalige Kosten:
100.000 EUR 0 EUR
Zuzüglich laufende Kosten 2,0% des gebildeten Kapitals
Welches Produkt Ergebnis (bei einer unterstellten Bruttoperformance i.H.v. 8,0% und 20 Jahren Laufzeit) ist „besser“? 399.298 EUR (Rendite nach Kosten: 7,17%)
320.714 EUR (Rendite nach Kosten: 6,00%)
2.2.2
Erläuterung der Kostenpositionen in den Abschlusskosten Im nächsten Schritt muss der Kunde darüber informiert werden, welche Leistungen den in den Versicherungstarif einkalkulierten Abschlusskosten gegenüberstehen. Neben den Vergütungen für Versicherungsvermittler entstehen beim Versicherungsunternehmen für den Abschluss neuer Versicherungsverträge auch zahlreiche interne Kosten: dies sind zum Beispiel Kosten für die
Vertreter (auch Mehrfachvertreter)
187
Erfassung und Speicherung der Antragsdaten Finanzielle Risikoprüfung, ggf. externe Bonitätsprüfung (Creditreform etc.). Gesundheitsprüfung: Ο
Auswertung der Gesundheitsfragen durch professionelle Risikoprüfer
Ο
SWD-Anfragen und SWD-Auskünfte
Ο
Anforderungen von Arztberichten und ärztlichen Zeugnissen
Ο
Auswertung von Arztberichten und ärztlichen Zeugnissen durch professionelle Risikoprüfer
Ο
Rückfragen bei unklaren Angaben
Ο
Anforderung zusätzlicher Fragebögen (z. B. unklares Berufsbild)
Ο
Kontrolle der Widervorlage fehlender bzw. nachzureichender Unterlagen
Ο
Erstellung und Versand der Versicherungspolice
Ο
Provisionszahlung an den Versicherungsvermittler
Ο
Bearbeitung von Vorabanfragen und Probepolicierung
Ο
Ausbildung der Risikoprüfer etc.
In der Praxis empfiehlt sich hier die Verwendung eines Formulars, in dem Dienstleistungselemente des Versicherungsunternehmens im Hinblick auf den Abschluss von Versicherungsverträgen beispielhaft aufgeführt sind.
2.2.3
Kommunikation der eigenen Dienstleistung Letzter und wichtiger Part der Strategie ist die intensive, verständliche und glaubhafte Kommunikation der Dienstleistung des Versicherungsvertreters. Auch der Vertreter kann dem Kunden seinen Dienst kommunizieren. Seine Dienstleistungselemente sind zum Beispiel: Know-how – Bevorratung Schaden-/Leistungsfälle Kundengespräch Beratung und Information Analyse des Kundenbedarfs Investition in Mitarbeiter, EDV, Büro Abschluss- und Rückfragen Konkrete Angebotserstellung Kontrolle der Police Kundenbetreuung während der Laufzeit Aktuelle Informationen Modifikationen Aktualisierung
E
E
188
Auswirkungen auf die Praxis Eindeckung des Risikos beim Versicherer etc. Ein konkretes Berechnungsbeispiel erleichtert dabei die Kommunikation. In diesem konkreten Berechnungsbeispiel könnte der vom Versicherungsvertreter aufgewendete Zeitbedarf für das eigentliche Beratungsgespräch (inkl. der Vor- und Nachberatung) aufgeführt werden sowie die für die gesamte Laufzeit hochgerechnete erforderliche Nachbearbeitung des Versicherungsvertrages. Im nächsten Schritt sollte vom Versicherungsvertreter ein Stundensatz kalkuliert werden, der seine von der Bürogröße, der eingesetzten Technik und dem eingesetzten Personal abhängigen Kosten plus einer Unternehmermarge repräsentiert. Der ermittelte Gesamtzeitbedarf multipliziert mit dem kalkulierten Stundensatz ergibt in der Regel eine Summe, die nicht selten kaum geringer ist als die ausgewiesenen Abschlusskosten. Vermittler müssen sich vorbereiten: Tipps für ihre Argumentation
– Konkretes Berechnungsbeispiel – Zeitbedarf für Beratungsgespräch (inkl. Vor- und Nachbereitung) – Nacharbeit während der Laufzeit – Zeiteinsatz – Stundensatz (Beispiel) 100 Euro – Ergebnis: Kosten für Beratung
8h 12 h 20 h 2.000 Euro
– Botschaft: Je qualifizierter die Beratung, desto mehr Akzeptanz!
Je intensiver die Kommunikation der eigenen Dienstleistung beim Kunden erfolgt, desto eher ist der Kunde bereit, eine qualifizierte Beratung und Vermittlung wertzuschätzen. Dabei gilt: Je qualifizierter die Beratung beim Kunden ankommt, desto eher ist der Kunde bereit, Abschlusskosten zu akzeptieren. Die zukünftige Verteilung der Abschlusskosten auf fünf Jahren zwingen Versicherungsvertreter ohnehin zu weiteren betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Die Verteilung der Abschlusskosten auf fünf Jahre bedeutet im Zweifel entweder weniger Courtage pro Zahlungsperiode oder eine längere Haftungsdauer bei diskutierten Courtagen. Deshalb ist es notwendig, sich im Versicherungsvertreterbüro mit betriebswirtschaftlichen Kalkulationen zu beschäftigen. Dazu gehört es, die Kosten pro Kunde, den Umsatz pro Kunde, die Kosten pro Beratungsgespräch und letztlich den Ertrag bzw. Deckungsbeitrag pro Kunde zu ermitteln.
2.3
Auswirkungen der VVG-Reform auf die Haftung Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass durch die VVG-Reform weder für Versicherungsunternehmen noch für Versicherungsvermittler materiell rechtlich ein neues Haftungssystem installiert worden ist. Dennoch ist damit zu rechnen, dass die Haftung der Versicherungsvermittler zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerät. Beim Ausschließlichkeitsvertreter wird diese Gefahr ausgesprochen gering bleiben. In der Regel haftet für den Versicherungsvertreter das vertretene Versicherungsunternehmen. Zwar be-
Vertriebe
189 steht grundsätzlich für den Versicherungsvertreter bei Verletzung seiner eigenen Beratungsund Dokumentationspflichten grundsätzlich ein Haftungsrisiko. In der Praxis wird in solchen Fällen aber im Zweifel ein Versicherungsunternehmen bis auf Ausnahmen dieses Haftungsrisiko im konkreten Einzelfall decken. Deutlich anders sieht die Situation bei Mehrfachvertretern aus. Das hat damit zu tun, das Mehrfachvertreter in einem zunehmenden Maße in der Öffentlichkeit auftreten wie Versicherungsmakler. Gemäß § 59 Abs. 3 Satz 2 VVG n. F. gilt als Versicherungsmakler, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er bringe seine Leistung als Versicherungsmakler nach Satz 1. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Versicherungsvermittler Leistungen wie ein Versicherungsmakler erbringt, ist die Perspektive des durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmers. Aus dieser Perspektive wird in der Laiensphäre des Versicherungsnehmers aus einem Mehrfachvertreter häufig ein Versicherungsmakler, wenn der Versicherungsvertreter seine agenturvertraglichen Bindungen gegenüber Versicherungsunternehmen nicht deutlich herausstellt.
2.4
Fazit und Perspektive Auch für Versicherungsvertreter ist es erforderlich, dass sie sich mit den neuen Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes vertraut machen. Das Versicherungsvertragsrecht gehört zu der Kernmaterie, mit der Versicherungsvertreter täglich umgehen. Auch bei Versicherungsvertretern wird es aufgrund der neuen Rahmenbedingungen zu einem Bereinigungsprozess kommen. Hier ist es weniger die drohende Haftung, die Teilnehmer aus dem Markt drängen wird, als vielmehr der Qualitätsstandard, der für eine erfolgreiche Tätigkeit als Versicherungsvertreter gerade bei den Bindungen im Ausschließlichkeitsvertrieb unbedingt erforderlich ist. Perspektivisch ist damit zu rechnen, dass sich der Trend bei den Ausschließlichkeitsvertretungen zu sogenannten „Unternehmensagenturen“ verstärken wird. Dadurch entstehen teilweise erfolgreich am Markt agierende Einheiten, bei denen gute Ausbildung, hohes Know-how, verkäuferisches Geschick und intensive Unterstützung des vertretenen Versicherungsunternehmens für den Erfolg sorgen. Insgesamt ist aber damit zu rechnen, dass der Anteil der Ausschließlichkeitsvertreter weiter nachgeben wird. Mehrfachvertreter werden sich perspektivisch entscheiden, ob sie – nicht nur wegen des Haftungspotentials – in die Maklerschaft wechseln oder in die Ausschließlichkeit zurückkehren.
3
Vertriebe Strukturierte Versicherungsvertriebe können aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen nur als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter Versicherungen vermitteln. Deshalb gelten für strukturierte Vertriebe die Ausführungen zu Versicherungsmaklern bzw. Versicherungsvertretern gleichermaßen. Die Mehrheit der strukturierten Vertriebe agiert als Ausschließlichkeitsvertreter (z. B. DVA AG) oder als Mehrfachvertreter (z. B. AWD). Gerade die großen Vertriebe werden bei der Umsetzung der Beratungsprozesse Vorteile haben, da sie technisch auf sehr hohem Niveau entwickelt sind. Deshalb spielt es für Vertriebe keine wesentliche Rolle, ob sie nach dem Antragsmodell oder nach dem Invitatiomodell Versicherungsverträge vermitteln.
E
E
190
Auswirkungen auf die Praxis Es ist bekannt, dass große Vertriebe technisch sehr eng mit Versicherungsunternehmen verzahnt sind, so dass die Abläufe schnell und kosteneffizient abgewickelt werden können. Dem stehen auf der anderen Seite Probleme mit der Offenlegung der Abschlusskosten in Lebens- und Krankenversicherung gegenüber. Da viele Vertriebe nach dem Provisionsmaximierungsprinzip Versicherungsverträge vermitteln, sind sie von der Offenlegungspflicht auch am intensivsten betroffen. Dies gilt umso mehr, als gerade untere Struktureinheiten mangels Erfahrung im Umgang mit Kunden sich schwertun werden, die Abschlusskosten gegenüber dem Kunden argumentativ zu vertreten. Da insbesondere die unteren Struktureinheiten häufig mit sehr geringen Provisionssätzen abgespeist werden, werden insbesondere Branchenneulinge durch das Missverhältnis der gegenüber dem Kunden offenzulegenden Abschlusskosten und den eigenen Provisionssätzen irritiert. Überhaupt wird die Rekrutierung von Strukturnachwuchs schwieriger werden. Versicherungsverkauf ohne Fachwissen ist nach den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht mehr möglich. Strukturnachwuchs kann daher regelmäßig nur als Tippgeber fungieren und muss, um in der Struktur Fuß zu fassen, eine Ausbildung zum Versicherungsfachmann durchlaufen.
4
Banken Die Versicherungsvermittlung durch Banken als Versicherungsvermittler gilt als schlafender Riese. Das hat damit zu tun, dass Banken über einen hervorragenden Kundenzugang verfügen. Banken agieren entweder als Versicherungsvertreter oder als Versicherungsmakler, so dass auf die jeweiligen Ausführungen zu Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern verwiesen werden kann. Aufgrund des vergleichsweise hohen Qualitätsniveaus verbunden mit dem hervorragenden Kundenzugang gilt der Bankenvertrieb neben dem Maklervertrieb als der Gewinner der Versicherungsvertragsgesetzreform.
5
Versicherungsunternehmen Für die Versicherungsunternehmen bedeutet die Umsetzung der Informationspflichten hohe logistische Anforderungen. Da sich bisher kein Vertragsschlussmodell als Königsweg hervorheben konnte, bietet die Mehrheit der Versicherungsunternehmen am deutschen Markt beide Modelle an. Das hat bei den Versicherungsunternehmen zu hohem finanziellem Aufwand geführt, der möglicherweise tendenziell für ein leichtes Steigen der Versicherungsprämien sorgen wird. Die Absatzsteuerung von Versicherungsverträgen durch Versicherungsunternehmen wird durch die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen zunehmend schwieriger. Bisher ist es den Versicherungsunternehmen auch im Bereich der sogenannten ungebundenen Versicherungsvermittler (ein eigentlich rechtlich unzulässiger Sammelbegriff für Mehrfachvertreter und Versicherungsmakler) gelungen, über die Gestaltung der Provisionszahlungen und sonstiger Anreizsysteme den Absatz von Versicherungsprodukten steuern. Dies wird nun nicht mehr so leicht funktionieren. Hohe Provisionen verteuern die Produkte und führen zu hohen Abschlusskosten, die gerechtfertigt werden müssen. In der Produktentwicklung müssen Versicherer sich also entscheiden, ob sie eher kostenbelastete Produkte entwickeln wollen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Medien beim Ausweis hoher Abschlusskosten immer ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis sehen wollen. Bei der Auswahl der Vertriebspartner wird es wie bisher unterschiedliche Philosophien geben.
Verbundsysteme
191
Im Bereich der Versicherungsmakler und der Versicherungsmehrfachvertreter ist damit zu rechnen, dass die Versicherungsunternehmen sich vermehrt an Qualitätsvermittler halten werden. Es ist deutlich zu erkennen, dass Versicherungsunternehmen in diesen Vertriebssegmenten bemüht sind, ihre Geschäftsprozesse den Bedürfnissen dieser Vermittlergruppe anzupassen. Die mit dem neuen Recht verbundenen Unsicherheiten und Mehraufwendungen bei der Schadenregulierung werden zu einem Kostenschub führen.
6
Verbundsysteme Verbünde, Pools und Servicegesellschaften gelten als Eisbringer für viele kleine Vermittlungsunternehmen. Der Zulauf zu solchen Verbundssystemen ist nach Umsetzung der Vermittlerrichtlinie stark angestiegen. Es ist offensichtlich, dass viele Vermittlerunternehmen allein nicht in der Lage sind, den neuen Herausforderungen zu begegnen. Es ist aber zu bedenken, dass insbesondere bei Pools zunächst einmal durch ihre Tätigkeit eine weitere Kostenbelastung auf der Produktseite entsteht und darüber hinaus für die Umsetzung der neuen Vertragschlussmodelle hohe Summen investiert werden müssen, um die technischen Anforderungen zu meistern, die notwendig sind, die Geschäftsprozesse schlank abzuwickeln. Bei diesen Voraussetzungen werden einige Pools scheitern. Sie haben zwar im Moment einen großen Zulauf, werden aber perspektivisch Rechtfertigungsnöte bekommen, wenn sie außer Pooling keine weiteren Services anbieten. Servicegesellschaften mit einem breiten Dienstleistungsangebot neben dem eigentlichen Pooling sind deutlich besser aufgestellt. Solche Unternehmen werden perspektivisch den gesamten Bereich der kleinen Versicherungsvermittler aufnehmen, unabhängig davon, ob die Servicegesellschaften mehrheitlich Versicherern, Versicherungsvermittlern oder Dritten gehören.
E
F
Änderungen des EGVVG
1
Grundsatz Gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG ist auf Versicherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des neuen VVG am 1.1.2008 entstanden sind, das alte VVG bis zum 31.12.2008 grundsätzlich anzuwenden. Aus dieser Regelung folgt im Umkehrschluss, dass auf Versicherungsverhältnisse, die ab dem 1.1.2008 entstanden sind, das neue VVG angewendet werden muss. Entstanden ist das Versicherungsverhältnis, wenn der Versicherungsvertrag zustandegekommen ist. Nicht entscheidend ist hingegen der materielle Versicherungsbeginn.
Beispiel Antrag im November 2007, Annahme in Dezember 2007, materieller Versicherungsbeginn 1.1.2008 altes Recht bis zum 31.12.2008 Zur Erinnerung: Im Versicherungsverhältnis sind zu unterscheiden: Formeller Versicherungsbeginn: Das ist der Zeitpunkt der Einigung zwischen den Parteien des Versicherungsvertrags. Wann diese konkret erfolgt ist, hängt auch von dem gewählten Vertragsabschlussmodell ab. Materieller Versicherungsbeginn: Das ist der Zeitpunkt, ab dem der Versicherer Versicherungsschutz gewährt. Dieser Zeitpunkt kann auch vor oder nach dem formellen Versicherungsbeginn liegen. Technischer Versicherungsbeginn: Das ist der Zeitpunkt, ab wann die Prämienzahlungspflicht des Versicherungsnehmers einsetzt.128 Wie bereits oben ausgeführt, kommt es hier auf den formellen Versicherungsbeginn an. Der in Art. 1 Abs. 1 EGVVG geregelte Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Geht es z. B. um die Erfüllung von Anzeigepflichten, so kann es selbstverständlich nur auf diejenigen Vorschriften ankommen, die der VN beachten musste, als er die Anzeigepflicht zu erfüllen hatte. Hellseherische Fähigkeiten werden von niemandem verlangt.
Beispiel VN stellt am 1.9.2007 einen Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung, der einen Monat später angenommen wird, und beantwortet die Gesundheitsfragen falsch. Dies kommt anlässlich der Prüfung eines im Jahre 2010 angezeigten Leistungsfalls heraus: Hinsichtlich der Tatbestandsregelung gilt altes Recht, die Rechtsfolgenregelungen richten sich nach neuem Recht.129 128
Vgl. allgemein Prölss/Martin – Prölss, § 2, Rz. 1.
Vollmacht des Versicherungsvertreters/Krankenversicherung
193
Beispiel VN stellt am 1.12.2007 einen Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung, der am 1.2.2008 angenommen wird. Auch hier hatte der VN bei Antragstellung die Gesundheitsfragen falsch beantwortet, was sich im Rahmen der Leistungsprüfung im Jahr 2010 herausstellt. Hinsichtlich der Tatbestandsregelung gilt auch hier altes Recht, allerdings mit der Besonderheit, dass den Versicherer ab dem 1.1.2008 eine Nachfrageobliegenheit trifft.
Oben Gesagtes gilt nach Art. 1 Abs. 2 EGVVG nicht, wenn bei diesen Altverträgen ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten ist. In diesem Fall ist insoweit das alte VVG auch über den 31.12.2008 hinaus anzuwenden. Nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG n. F. kann der Versicherer seine AVB für Altverträge mit Wirkung zum 1.1.2009 ändern, soweit sie von den Vorschriften des VVG abweichen und er dem Versicherungsnehmer die geänderten Versicherungsbedingungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestens einen Monat vor diesem Zeitpunkt in Textform mitteilt. Gemäß Art. 1 Abs. 4 EGVVG n. F. ist § 12 Abs. 3 VVG auf Fristen nach § 12 Abs. 3 VVG, die vor dem 1.1.2008 begonnen haben, auch nach dem 1.1.2008 anzuwenden. Diese Vorschrift klärt die zwischenzeitlich aufgeworfene Frage, ob eine im Jahr 2007 gesetzte Ausschlussfrist auch nach dem 1.1.2008 weiterläuft.
2
Vollmacht des Versicherungsvertreters/Krankenversicherung Diesbezüglich sind in Art. 2 EGVVG folgende Neuregelungen getroffen: Auf Altverträge sind folgende Vorschriften bereits ab dem 1.1.2008 anzuwenden: §§ 69 – 73 VVG n. F. über die Vertretungsmacht des Versicherungsvertreters und der in § 73 VVG n. F. erfassten Vermittler die §§ 192 – 208 VVG n. F. für die Krankenversicherung, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die aufgrund dieser Vorschriften geänderten allgemeinen Versicherungsbedingungen und Tarifbestimmungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestens einen Monat vor dem Zeitpunkt in Textform mitgeteilt hat, zu dem die Änderungen wirksam werden sollen.
3
Verjährung Für die Verjährung ist Folgendes geregelt: Nach Art. 3 Abs. 1 EGVVG n. F. wird § 195 BGB auf Ansprüche angewendet, die am 1.1.2008 noch nicht verjährt sind. Wenn die Verjährungsfrist nach § 195 BGB länger ist als die Frist nach § 12 Abs. 1 VVG a. F., dann ist die Verjährung mit dem Ablauf der in § 12 Abs. 1 VVG a. F. bestimmten Frist vollendet.
129
Vgl. auch Marlow/Spuhl, S. 47.
F
F
194
Änderungen des EGVVG
Beispiel Am 1.1.2008 ist von der zweijährigen Verjährungsfrist ein Jahr abgelaufen. Ohne die VVGReform wäre der Anspruch gegen den Versicherer also mit Ablauf des 31.12.2008 verjährt. Nach neuem VVG liefe die dreijährige Verjährungsfrist an sich ein Jahr länger, aufgrund der obigen Regelung gilt hier aber die kürzere Frist.
Ist die Verjährungsfrist nach § 195 BGB kürzer als die Frist nach § 12 Abs. 1 VVG a. F., wird die kürzere Frist vom 1.1.2008 an berechnet. Läuft jedoch die längere Frist nach § 12 Abs. 1 VVG a. F. früher als die Frist nach § 195 BGB ab, so ist die Verjährung mit dem Ablauf der längeren Frist vollendet.
Beispiel Am 1.1.2008 ist von der fünfjährigen Verjährungsfrist ein Jahr abgelaufen. Ohne die VVGReform wäre der Anspruch gegen den Versicherer also mit dem Ablauf des 31.12.2011 verjährt. Nach neuem VVG liefe die dreijährige Verjährungsfrist schon am 31.12.2010 aus, deshalb tritt mit Ablauf dieses Tags auch Verjährung ein.
Dies gilt entsprechend für Fristen, die für die Geltendmachung oder den Erwerb oder Verlust eines Rechts maßgebend sind, Art. 3 Abs. 4 EGVVG n. F. Die in dieser Vorschrift geregelten Fälle betreffen Fristen, die für die Geltendmachung oder den Erwerb oder den Verlust eines Rechts maßgeblich sind wie z. B. § 158 Abs. 2 VVG-E. Sie gelten hingegen nicht für Fristen, die wie z. B. die Ausschlussfrist nach § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG-E erstmalig eingeführt werden.130
4
Lebensversicherung/Berufsunfähigkeitsversicherung Diesbezüglich ist in Art. 4 EGVVG folgende Sonderregelung getroffen: § 153 VVG n. F. ist auf Altverträge nicht anzuwenden, wenn eine Überschussbeteiligung nicht vereinbart worden ist, ansonsten gilt § 153 VVG n. F. ab dem 1.1.2008 auch für Altverträge, wobei vereinbarte Verteilungsgrundsätze als angemessen gelten. § 169 VVG n. F. ist auf Altverträge nicht anzuwenden, sondern § 176 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung. Auf Altverträge über eine Berufsunfähigkeitsversicherung werden die §§ 172, 174 – 177 VVG nicht angewendet.
5
Rechte der Gläubiger von Grundpfandrechten Hier ist in Art. 5 EGVVG folgende Sonderregelung getroffen: Rechte, die Gläubigern von Grundpfandrechten gegenüber dem Versicherer nach den §§ 99 – 107 c des VVG a. F. zustehen, bestimmen sich auch nach dem 31.12.2008 nach diesen Vorschriften, wobei die Anmeldung eines Grundpfandrechts beim Versicherer nur bis zum 31.12.2008 erklärt werden kann.
130
Vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 119.
Versicherungsverhältnisse nach § 190 VVG
195
Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und Reallasten, die in der Zeit vom 1.1.1943 bis zum 30.6.1994 zu Lasten von Grundstücken begründet worden sind, für die eine Gebäudeversicherung bei einer öffentlichen Anstalt unmittelbar kraft Gesetzes oder infolge eines gesetzlichen Zwangs bei einer solchen Anstalt genommen worden ist und die nach der Verordnung zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungs-Nr.: 7632-1-1 veröffentlichten bereinigten Fassung als angemeldet im Sinne der §§ 99 – 106 des VVG gelten, sind, wenn das Versicherungsverhältnis nach Überleitung in ein vertragliches Versicherungsverhältnis aufgrund des Gesetzes zur Überleitung landesrechtlicher Gebäudeversicherungsverhältnisse vom 22.7.1993 fortbesteht, zur Erhaltung der durch die Fiktion begründeten Rechte bis spätestens 31.1.2008 beim Versicherer anzumelden. Die durch die Verordnung zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag begründete Fiktion erlischt mit Ablauf des 31.12.2008. Damit soll der Schutz der Gläubiger von Grundpfandrechten bei der Gebäudefeuerversicherung für Altverträge nicht eingeschränkt werden. Ihnen wird eine zusätzliche Übergangsfrist bis zum 31.12.2008 eingeräumt, innerhalb derer sie ihr Grundpfandrecht beim Versicherer noch anmelden und dadurch eine geschützte Rechtsposition erlangen können.
6
Versicherungsverhältnisse nach § 190 VVG Das VVG gilt nicht für Versicherungsverträge im Sinne des § 190 VVG a. F. (Versicherungsverhältnisse bei Innungsunterstützungskassen und Berufsgenossenschaften). Für Großrisiken wird nun eine völlige Rechtswahlfreiheit eingeführt.
G
Weitere Änderungen Das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes ändert auch weitere Vorschriften zum Beispiel im HGB oder dem VAG. Von den Darstellungen dieser Änderungen wird abgesehen.
F
Literaturverzeichnis Beckmann/Matusche – Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 1. Auflage 2004 Boetius, Gegen die Wand – Der Basistarif der Gesundheitsreform bricht Europa – und Verfassungsrecht, VersR 2007, 431 ff Engeländer, Die Neuregelung des Rückkaufs durch das VVG 2008 Engeländer, Überschussbeteiligung nach dem Regierungsentwurf zum VVG, VersR 2007, 155 ff. Lange, Das Zusammenspiel von Anerkenntnis und Abtretung in der Haftpflichtversicherung nach der VVG-Reform, RuS 2007, 401 Langheid, Tücken in den §§ 100 ff. VVG – RegE, VersR 2007, 865 ff. Marlow, Die private Unfallversicherung – Aktuelles aus Rechtsprechung, Praxis und VVGReform, RuS 2007, 353 Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt, 2. Auflage 2007 Münchener Kommentar zum BGB, Band 2 Schuldrecht Allgemeiner Teil §§ 241 – 432, 5. Auflage 2007 Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage 2004 Römer, Zu ausgewählten Problemen der VVG-Reform nach dem Referentenentwurf vom 13. März 2006, VersR 2006, 865 ff. Römer, Zu den Informationspflichten nach dem neuen VVG, VersR 2007, 618 Römer/Langheid, Versicherungsvertragsgesetz, 2. Auflage 2003 Schimikowski, Vertragsabschluss nach der Invitatio-Lösung und das neue VVG, VW 2007, 715 ff. Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Auflage 2007
Anhang 1
Das ändert sich durch das neue VVG (Auszüge) Autor: Matthias Beenken
Regelung (§ VVG-neu)
Altes VVG
Neues VVG
Beratung des VN (§§ 6, 59 ff. VVG)
•
•
Information des VN (§ 7 VVG)
•
• •
Versicherer: Keine besonderen Regelungen Vermittler: Seit 22.5.2007 Anlassbezogene Befragungs-, Beratungs- und Dokumentationspflicht beim Vertragsabschluss, Ausnahme: Großrisiken Antragsmodell (§ 10a VAG) ist der Regelfall Policenmodell (§ 5a VVG) ist zulässig, verbunden mit besonderem Widerspruchsrecht
• • • • •
Versicherer: Anlassbezogene Befragungs-, Beratungs- und Dokumentationspflicht beim Vertragsabschluss und anlassbezogene Beratungspflicht während des Vertragsverhältnisses. Ausnahmen: maklervermittelte Verträge, Fernabsatz, Großrisiken Vermittler: wie bisher Antragsmodell ist der Regelfall, Informationen müssen rechtzeitig vor Antragstellung übermittelt werden Policenmodell entfällt Alternative Invitatiomodell als umgedrehtes Antragsmodell, das eine besondere Zustimmung des VN erforderlich macht Verzichtsmöglichkeit durch gesonderte schriftliche Erklärung
Widerrufsrecht des VN (§§ 8, 152 VVG)
Unterschiedliche Widerrufs- und Widerspruchsrechte je nach Vertriebsweg, verwendetem Antragsverfahren sowie Produktart (Lebens- und Gebäudeversicherung abweichende Regelungen)
Einheitliches Widerrufsrecht von • 2 Wochen • 30 Tagen in der Lebensversicherung
Beginn und Ende der Versicherung (§ 10 VVG)
• •
• •
Vertragsdauer (§ 11 VVG)
VN kann max. 5 Jahre gebunden werden (Ausnahmen: Lebens- und Krankenversicherung)
VN kann max. 3 Jahre gebunden werden (Ausnahmen: Lebens- und Krankenversicherung)
Verjährung und Klagefrist (§§ 195, 199 BGB)
•
•
•
Jeweils 12 Uhr mittags In der Krankenversicherung abweichend 0 Uhr/24 Uhr
Ansprüche aus Versicherungsverträgen verjähren nach 2 (Lebensversicherung: 5) Jahren Leistungsfreiheit, wenn nicht innerhalb von 6 Monaten gegen Leistungsablehnung geklagt wird
• •
Einheitlich 0 Uhr/24 Uhr Aber abdingbar über die Versicherungsbedingungen
Ansprüche aus Versicherungsverträgen verjähren nach 3 Jahren Frist beginnt aber erst ab Entstehen des Anspruchs und Kenntnis des VN von diesem Keine Klagefrist mehr
198
Anhang
Regelung (§ VVG-neu)
Altes VVG
Neues VVG
Vorvertragliche Anzeigepflicht (§ 19 VVG)
•
VN muss gefahrerhebliche Umstände mitteilen Bis zum Vertragsschluss Rücktrittsrecht bei Verschulden Keine „Verjährung“ der Rechte
•
Fristloses Kündigungsrecht bei schuldhaftem Pflichtverstoß, sonst 1 Monat Kündigungsfrist Leistungsfreiheit bei schuldhaftem Pflichtverstoß außer bei fehlender Kündigung sowie bei fehlender Relevanz
•
Fristloses Kündigungsrecht bei schuldhaftem Pflichtverstoß, sonst 1 Monat Kündigungsfrist Leistungsfreiheit bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit außer bei fehlender Relevanz
•
• • •
Gefahrerhöhung (§ 23 VVG)
•
•
Vertragliche Obliegenheiten (§ 28 VVG)
•
•
• • •
• •
• •
VN muss nur mitteilen, wonach er ausdrücklich in Textform gefragt wird Nur bis zur Antragstellung, es sei denn, der Versicherer fragt erneut Rücktrittsrecht nur bei Vorsatz; bei grober Fahrlässigkeit nur wenn der Versicherer den Vertrag sonst nicht geschlossen hätte „Verjährung“ nach 5 (Krankenversicherung: 3) Jahren, bei Vorsatz und Arglist nach 10 Jahren Fristloses Kündigungsrecht bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Pflichtverstoß, 1 Monat Kündigungsfrist bei einfacher Fahrlässigkeit Leistungsfreiheit nur bei Vorsatz und Relevanz Kürzungsrecht bei grober Fahrlässigkeit und Relevanz Fristloses Kündigungsrecht bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Pflichtverstoß Leistungsfreiheit nur bei Vorsatz und Relevanz Kürzungsrecht bei grober Fahrlässigkeit und Relevanz
Fälligkeit der Prämie (§ 33 VVG)
Sofort nach Abschluss des Vertrags und Zugang des Versicherungsscheins
Unverzüglich nach Ablauf von 2 Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins
Zahlungsverzug Erstprämie (§ 37 VVG)
•
•
Zahlungsverzug Folgeprämie (§§ 38, 194 VVG) Vorzeitige Vertragsbeendigung (§ 39 VVG)
•
• •
Rücktrittsrecht des Versicherers Rücktrittsfiktion, wenn Erstprämie nicht innerhalb von 3 Monaten geltend gemacht wird Leistungsfreiheit Zahlungsfrist 2 Wochen (Gebäudeversicherung: 1 Monat)
„Unteilbarkeit der Prämie“: Trotz vorzeitiger Beendigung steht Versicherer volle Prämie des laufenden Versicherungsjahres zu
• •
•
Rücktrittsrecht des Versicherers, außer VN hat Nichtzahlung nicht zu vertreten Keine Rücktrittsfiktion mehr Leistungsfreiheit, wenn Versicherer den VN darauf besonders aufmerksam gemacht hat und wenn die Nichtzahlung vom VN zu vertreten ist Zahlungsfrist 2 Wochen (Krankenversicherung: 2 Monate und besondere Mitteilungen)
Zeitanteiliger Prämienanspruch des Versicherers für die Zeit bis zur Beendigung des Vertrags (Ausnahmen bei Rücktritt und Anfechtung)
Das ändert sich durch das neue VVG
199
Regelung (§ VVG-neu)
Altes VVG
Neues VVG
Vorläufige Deckung (§§ 49-52 VVG)
Bisher nicht geregelt
Eigenständiger Vertrag: • Informationspflicht kann nachgeholt werden • Im Streitfall gelten die für den VN günstigsten Bedingungen • Zeitanteiliger Prämienanspruch • Bei Nichtzustandekommen des Hauptvertrags meist ausdrückliche Kündigung erforderlich
Kenntnis des Vertreters (§ 70 VVG)
Die Kenntnis eines Vermittlungsagenten von für den Vertrag erheblichen Umständen steht derjenigen des Versicherers nicht gleich
Die Kenntnis eines Vertreters von für den Vertrag erheblichen Umständen steht derjenigen des Versicherers gleich, außer der Vertreter hat diese Kenntnis privat und ohne Zusammenhang mit betreffendem Versicherungsvertrag erlangt
Unterversicherung (§ 75 VVG)
Schadenersatz kann gekürzt werden in dem Verhältnis, in dem der Versicherungswert die Versicherungssumme übersteigt
Schadenersatz kann nur bei erheblicher Unterschreitung (in der Regel mind. 10%) in dem Verhältnis gekürzt werden, in dem der Versicherungswert die Versicherungssumme übersteigt
Herbeiführung des Versicherungsfalls (§ 81 VVG)
Leistungsfreiheit bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit
Leistungsfreiheit bei Vorsatz, Kürzungsrecht bei grober Fahrlässigkeit
SchadenAbwendungs- und -minderungspflicht (§ 82 VVG)
•
Minderungs- und Weisungsfolgepflicht Leitungsfreiheit bei vorsätzlicher Verletzung; bei grob fahrlässiger Verletzung nur bei Relevanz
•
Veräußerung (§ 95 VVG)
•
Kündigungsrecht mit sofortiger Wirkung oder zum Ende der laufenden Versicherungsperiode Prämienzahlungspflicht bis zum Ende der laufenden Versicherungsperiode
•
•
•
Anerkenntnisverbot Haftpflicht (§ 105 VVG)
Ein Verbot der Anerkennung oder Befriedigung von Ansprüchen ohne Zustimmung des Versicherers ist unwirksam, wenn der VN dies nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte
• •
•
Minderungs- und Weisungsfolgepflicht, soweit zumutbar Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Verletzung nur bei Relevanz (Ausnahme: Arglist) Kürzungsrecht des Versicherers bei grober Fahrlässigkeit und bei Relevanz Kündigungsrecht mit sofortiger Wirkung oder zum Ende der laufenden Versicherungsperiode Prämienzahlungspflicht bis zum Eingang der Erwerberkündigung
Ein Verbot der Anerkennung oder Befriedigung von Ansprüchen ohne Zustimmung des Versicherers ist unwirksam
200
Anhang
Regelung (§ VVG-neu)
Altes VVG
Neues VVG
Verfügungen über den Freistellungsanspruch (§ 108 VVG)
In den AHB wird üblicherweise die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Anspruchsteller ausgeschlossen
Eine Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Anspruchsteller kann nicht durch AVB ausgeschlossen werden
Direktanspruch Pflichtversicherung (§ 115 VVG)
Direktanspruch bisher im PflVG für die KfzHaftpflichtversicherung geregelt
Überschussbeteiligung (§ 153 VVG)
Bisher nicht geregelt
Direktanspruch des Geschädigten besteht • in der Kfz-Haftpflichtversicherung • bei Insolvenz des VN • bei unbekanntem Aufenthaltsort des VN • Anspruch auf Überschussbeteiligung, außer diese wird insgesamt ausgeschlossen • Enthält Beteiligung am Überschuss und der jährlich zu ermittelnden Bewertungsreserven • Bei Vertragsende stehen VN 50% der Bewertungsreserve zu
Modellrechnung (§ 154 VVG)
Bisher nicht geregelt
Macht der Versicherer Angaben zur möglichen Überschussleistung, muss er eine Modellrechnung mit 3 normierten Zinssätzen erstellen
Jährliche Unterrichtung (§ 155 VVG)
Bisher nicht geregelt
Bei Versicherungen mit Überschussbeteiligung jährliche Mitteilung zur Entwicklung der Ansprüche einschließlich Abweichungen zu ursprünglichen Angaben
Bedingungsanpassung (§§ 164, 176, 203 VVG)
Unwirksame Bestimmungen in Versicherungsbedingungen (Lebens-, Berufsunfähigkeits- und Krankenversicherung) können nach Zustimmung durch einen Treuhänder ersetzt werden.
Durch höchstrichterliche Entscheidung oder bestandskräftige Verwaltungsakte (z. B. der BaFin) unwirksame Bestimmungen in Allgemeinen Versicherungsbedingungen können vom Versicherer selbst durch angemessene neue ersetzt werden.
Rückkaufswert (§ 169 VVG)
•
•
•
Rückkaufswert auf Basis des Zeitwerts Versicherer ist zu einem Abzug berechtigt, wenn er vereinbart und angemessen ist
•
•
Berufsunfähigkeitsversicherung (§§ 172-177 VVG)
Bisher nicht besonders geregelt
Rückkaufswert auf Basis des Deckungskapitals Abschluss- und Vertriebskosten dürfen begrenzt auf den Höchstzillmersatz (40%o) und verteilt über die ersten 5 Vertragsjahre abgezogen werden Weiterer Abzug nur, wenn er vereinbart, beziffert und angemessen ist und nicht zur Deckung ungetilgter Abschluss- und Vertriebskosten dient
Bestimmungen zu: Leistung, Anerkenntnis, Leistungsfreiheit, anzuwendende Vorschriften. Verweisungen müssen besonders vereinbart werden.
Das ändert sich durch das neue VVG
201
Regelung (§ VVG-neu)
Altes VVG
Neues VVG
Leistungen der Krankenversicherung (§ 192 VVG)
Medizinisch notwendige Aufwendungen
Medizinisch notwendige Aufwendungen, die zudem nicht in auffälligem Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen (Übermaßverbot). Zusätzlich können Beratungs- u. ä. Dienstleistungen Gegenstand der Krankheitskostenversicherung sein
Befristung Krankentagegeldversicherung (§ 196 VVG)
Bisher nicht besonders geregelt
KTG kann auf Alter 65 befristet werden, der VN hat aber ein zweimaliges Verlängerungsrecht um je 5 Jahre, auf das erste muss er besonders hingewiesen werden
Beihilfeempfänger (§ 199 VVG)
Bisher nicht geregelt
Eine automatische Beendigung des bei Versetzung bin den Ruhestand nicht mehr benötigten Teils der privaten Krankheitskostenversicherung kann vereinbart werden. Bei Beihilfesatzänderungen besteht ein Anspruch auf Vertragsanpassung, bei Antrag innerhalb von 6 Monaten ohne Risikoprüfung und Wartezeiten
Bereicherungsverbot (§ 200 VVG)
Bisher nicht geregelt
Gesamterstattung bei mehreren Erstattungsverpflichteten darf die Aufwendungen nicht übersteigen
Eintritt der Versicherungspflicht (§ 205 VVG)
Zwei Monate nach Eintritt außerordentliches Kündigungsrecht
Drei Monate nach Eintritt außerordentliches Kündigungsrecht; Nachweispflicht innerhalb von 2 Monaten
Fortsetzung der Lebensversicherung nach der Elternzeit (§ 212 VVG)
Bisher nicht geregelt
Ein während der Elternzeit prämienfrei gestellter Entgeltumwandlungsvertrag kann innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung der Elternzeit fortgesetzt werden
Versicherungspflicht (§ 193 VVG in der Fassung ab 1.1.2009)
Bisher nicht geregelt
•
• • •
Schlichtungsstelle (§ 214 VVG)
Seit 22.5.2007 für Streitigkeiten mit Versicherungsvermittlern
Allgemeine Versicherungspflicht für alle Deutschen außer die über die GKV oder die freie Heilfürsorge versicherbaren Personen Wechselrecht im 1. Halbjahr 2009 in den Basistarif, ggf. unter Anrechnung teilweiser Alterungsrückstellungen Leistungspflicht für akute Behandlungen selbst bei Nichtzahlung Folgeprämie Teilportabilität der Alterungsrückstellungen
Für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Versicherer sowie VN und Versicherungsvermittlern
202
2
Anhang
VVG n. F. Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts Vom 23. November 2007 Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VVG)
Teil 1 Allgemeiner Teil Kapitel 1 Vorschriften für alle Versicherungszweige Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften §1 Vertragstypische Pflichten Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten. §2 Rückwärtsversicherung (1) Der Versicherungsvertrag kann vorsehen, dass der Versicherungsschutz vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses beginnt (Rückwärtsversicherung). (2) Hat der Versicherer bei Abgabe seiner Vertragserklärung davon Kenntnis, dass der Eintritt eines Versicherungsfalles ausgeschlossen ist, steht ihm ein Anspruch auf die Prämie nicht zu. Hat der Versicherungsnehmer bei Abgabe seiner Vertragserklärung davon Kenntnis, dass ein Versicherungsfall schon eingetreten ist, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. (3) Wird der Vertrag von einem Vertreter geschlossen, ist in den Fällen des Absatzes 2 sowohl die Kenntnis des Vertreters als auch die Kenntnis des Vertretenen zu berücksichtigen. (4) § 37 Abs. 2 ist auf die Rückwärtsversicherung nicht anzuwenden. §3 Versicherungsschein (1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer einen Versicherungsschein in Textform, auf dessen Verlangen als Urkunde, zu übermitteln.
VVG n. F.
203 (2) Wird der Vertrag nicht durch eine Niederlassung des Versicherers im Inland geschlossen, ist im Versicherungsschein die Anschrift des Versicherers und der Niederlassung, über die der Vertrag geschlossen worden ist, anzugeben. (3) Ist ein Versicherungsschein abhandengekommen oder vernichtet, kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer die Ausstellung eines neuen Versicherungsscheins verlangen. Unterliegt der Versicherungsschein der Kraftloserklärung, ist der Versicherer erst nach der Kraftloserklärung zur Ausstellung verpflichtet. (4) Der Versicherungsnehmer kann jederzeit vom Versicherer Abschriften der Erklärungen verlangen, die er mit Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Benötigt der Versicherungsnehmer die Abschriften für die Vornahme von Handlungen gegenüber dem Versicherer, die an eine bestimmte Frist gebunden sind, und sind sie ihm nicht schon früher vom Versicherer übermittelt worden, ist der Lauf der Frist vom Zugang des Verlangens beim Versicherer bis zum Eingang der Abschriften beim Versicherungsnehmer gehemmt. (5) Die Kosten für die Erteilung eines neuen Versicherungsscheins nach Absatz 3 und der Abschriften nach Absatz 4 hat der Versicherungsnehmer zu tragen und auf Verlangen vorzuschießen. §4 Versicherungsschein auf den Inhaber (1) Auf einen als Urkunde auf den Inhaber ausgestellten Versicherungsschein ist § 808 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden. (2) Ist im Vertrag bestimmt, dass der Versicherer nur gegen Rückgabe eines als Urkunde ausgestellten Versicherungsscheins zu leisten hat, genügt, wenn der Versicherungsnehmer erklärt, zur Rückgabe außerstande zu sein, das öffentlich beglaubigte Anerkenntnis, dass die Schuld erloschen sei. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der Versicherungsschein der Kraftloserklärung unterliegt. §5 Abweichender Versicherungsschein (1) Weicht der Inhalt des Versicherungsscheins von dem Antrag des Versicherungsnehmers oder den getroffenen Vereinbarungen ab, gilt die Abweichung als genehmigt, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind und der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht. (2) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Übermittlung des Versicherungsscheins darauf hinzuweisen, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht. Auf jede Abweichung und die hiermit verbundenen Rechtsfolgen ist der Versicherungsnehmer durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein aufmerksam zu machen. (3) Hat der Versicherer die Verpflichtungen nach Absatz 2 nicht erfüllt, gilt der Vertrag als mit dem Inhalt des Antrags des Versicherungsnehmers geschlossen. (4) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherungsnehmer darauf verzichtet, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten, ist unwirksam.
204
Anhang §6 Beratung des Versicherungsnehmers (1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren. (2) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer den erteilten Rat und die Gründe hierfür klar und verständlich vor dem Abschluss des Vertrags in Textform zu übermitteln. Die Angaben dürfen mündlich übermittelt werden, wenn der Versicherungsnehmer dies wünscht oder wenn und soweit der Versicherer vorläufige Deckung gewährt. In diesen Fällen sind die Angaben unverzüglich nach Vertragsschluss dem Versicherungsnehmer in Textform zu übermitteln; dies gilt nicht, wenn ein Vertrag nicht zustande kommt und für Verträge über vorläufige Deckung bei Pflichtversicherungen. (3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. (4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist. Der Versicherungsnehmer kann im Einzellfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten. (5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des Artikels 10 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird oder wenn es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312b Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs handelt. §7 Information des Versicherungsnehmers (1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung seine Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die in einer Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Informationen in Textform mitzuteilen. Die Mitteilungen sind in einer dem eingesetzten Kommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich zu übermitteln. Wird der Vertrag auf Verlangen des Versicherungsnehmers telefonisch oder unter Verwendung eines anderen Kommunikationsmittels geschlossen, das die Information in Textform vor der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers nicht gestattet, muss die Information unverzüglich nach Vertragsschluss nachgeholt werden; dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer durch eine gesonderte
VVG n. F.
205 schriftliche Erklärung aufeine Information vor Abgabe seiner Vertragserklärung ausdrücklich verzichtet. (2) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und im Benehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zum Zweck einer umfassenden Information des Versicherungsnehmers festzulegen, 1. welche Einzelheiten des Vertrags, insbesondere zum Versicherer, zur angebotenen Leistung und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie zum Bestehen eines Widerrufsrechts, dem Versicherungsnehmer mitzuteilen sind, 2. welche weiteren Informationen dem Versicherungsnehmer bei der Lebensversicherung, insbesondere über die zu erwartenden Leistungen, ihre Ermittlung und Berechnung, über eine Modellrechnung sowie über die Abschluss- und Vertriebskosten, soweit eine Verrechnung mit Prämien erfolgt, und über sonstige Kosten mitzuteilen sind, 3. welche weiteren Informationen bei der Krankenversicherung, insbesondere über die Prämienentwicklung und -gestaltung sowie die Abschluss- und Vertriebskosten, mitzuteilen sind, 4. was dem Versicherungsnehmer mitzuteilen ist, wenn der Versicherer mit ihm telefonisch Kontakt aufgenommen hat und 5. in welcher Art und Weise die Informationen zu erteilen sind. Bei der Festlegung der Mitteilungen nach Satz 1 sind die vorgeschriebenen Angaben nach der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/ EWG und 88/357/EWG (ABl. EG Nr. L 228 S. 1), der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. EG Nr. L 271 S. 16) sowie der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. EG Nr. L 345 S. 1) zu beachten. (3) In der Rechtsverordnung nach Absatz 2 ist ferner zu bestimmen, was der Versicherer während der Laufzeit des Vertrags in Textform mitteilen muss; dies gilt insbesondere bei Änderungen früherer Informationen, ferner bei der Krankenversicherung bei Prämienerhöhungen und hinsichtlich der Möglichkeit eines Tarifwechsels sowie bei der Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung hinsichtlich der Entwicklung der Ansprüche des Versicherungsnehmers. (4) Der Versicherungsnehmer kann während der Laufzeit des Vertrags jederzeit vom Versicherer verlangen, dass ihm dieser die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in einer Urkunde übermittelt; die Kosten für die erste Übermittlung hat der Versicherer zu tragen. (5) Die Absätze 1 bis 4 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des Artikels 10 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz nicht anzuwenden. Ist bei einem solchen Vertrag der Versicherungsnehmer eine natürliche Person, hat ihm der Versicherer vor Vertragsschluss das anwendbare Recht und die zuständige Aufsichtsbehörde in Textform mitzuteilen. §8 Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers (1) Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Der Widerruf ist in Textform gegenüber dem Versicherer zu erklären und muss keine Begründung enthalten; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.
206
Anhang (2) Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem folgende Unterlagen dem Versicherungsnehmer in Textform zugegangen sind: 1. der Versicherungsschein und die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 und 2. eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs, die dem Versicherungsnehmer seine Rechte entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels deutlich macht und die den Namen und die Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, sowie einen Hinweis auf den Fristbeginn und auf die Regelungen des Absatzes 1 Satz 2 enthält. Die Belehrung genügt den Anforderungen des Satzes 1 Nr.2,wenndas vomBundesministerium derJustizauf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 5 veröffentlichte Muster verwendet wird. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen nach Satz 1 obliegt dem Versicherer. (3) Das Widerrufsrecht besteht nicht 1. bei Versicherungsverträgen mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat, 2. bei Versicherungsverträgen über vorläufige Deckung, es sei denn, es handelt sich um einen Fernabsatzvertrag im Sinn des § 312b Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 3. bei Versicherungsverträgen bei Pensionskassen, die auf arbeitsvertraglichen Regelungen beruhen, es sei denn, es handelt sich um einen Fernabsatzvertrag im Sinn des § 312b Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. bei Versicherungsverträgen über ein Großrisiko im Sinn desArtikels10Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz. Das Widerrufsrecht ist ausgeschlossen bei Versicherungsverträgen, die von beiden Vertragsparteien auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherungsnehmers vollständig erfüllt sind, bevor der Versicherungsnehmer sein Widerrufsrecht ausgeübt hat. (4) Im elektronischen Geschäftsverkehr beginnt die Widerrufsfrist abweichend von Absatz 2 Satz 1 nicht vor Erfüllung auch der in § 312e Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelten Pflichten. (5) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Inhalt und Gestaltung der dem Versicherungsnehmer nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 mitzuteilenden Belehrung über das Widerrufsrecht festzulegen. §9 Rechtsfolgen des Widerrufs Übt der Versicherungsnehmer das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 1 aus, hat der Versicherer nur den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien zu erstatten, wenn der Versicherungsnehmer in der Belehrung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist und zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt; die Erstattungspflicht ist unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs zu erfüllen. Ist der in Satz 1 genannte Hinweis unterblieben, hat der Versicherer zusätzlich die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien zu erstatten; dies gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer Leistungen aus dem Versicherungsvertrag in Anspruch genommen hat. § 10 Beginn und Ende der Versicherung Ist die Dauer der Versicherung nach Tagen, Wochen, Monaten oder einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum bestimmt, beginnt die Versicherung mit Beginn des Tages, an dem der Vertrag geschlossen wird; er endet mit Ablauf des letzten Tages der Vertragszeit.
VVG n. F.
207 § 11 Verlängerung, Kündigung (1) Wird bei einem auf eine bestimmte Zeit eingegangenen Versicherungsverhältnis im Voraus eine Verlängerung für den Fall vereinbart, dass das Versicherungsverhältnis nicht vor Ablauf der Vertragszeit gekündigt wird, ist die Verlängerung unwirksam, soweit sie sich jeweils auf mehr als ein Jahr erstreckt. (2) Ist ein Versicherungsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen, kann es von beiden Vertragsparteien nur für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode gekündigt werden. Auf das Kündigungsrecht können sie einvernehmlich bis zur Dauer von zwei Jahren verzichten. (3) Die Kündigungsfrist muss für beide Vertragsparteien gleich sein; sie darf nicht weniger als einen Monat und nicht mehr als drei Monate betragen. (4) Ein Versicherungsvertrag, der für die Dauer von mehr als drei Jahren geschlossen worden ist, kann vom Versicherungsnehmer zum Schluss des dritten oder jedes darauf folgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. § 12 Versicherungsperiode Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres. § 13 Änderung von Anschrift und Name (1) Hat der Versicherungsnehmer eine Änderung seiner Anschrift dem Versicherer nicht mitgeteilt, genügt für eine dem Versicherungsnehmer gegenüber abzugebende Willenserklärung die Absendung eines eingeschriebenen Briefes an die letzte dem Versicherer bekannte Anschrift des Versicherungsnehmers. Die Erklärung gilt drei Tage nach der Absendung des Briefes als zugegangen. Die Sätze 1 und 2 sind im Fall einer Namensänderung des Versicherungsnehmers entsprechend anzuwenden. (2) Hat der Versicherungsnehmer die Versicherung in seinem Gewerbebetrieb genommen, ist bei einer Verlegung der gewerblichen Niederlassung Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend anzuwenden. § 14 Fälligkeit der Geldleistung (1) Geldleistungen des Versicherers sind fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen. (2) Sind diese Erhebungen nicht bis zum Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalles beendet, kann der Versicherungsnehmer Abschlagszahlungen in Höhe des Betrags verlangen, den der Versicherer voraussichtlich mindestens zu zahlen hat. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die Erhebungen infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht beendet werden können.
208
Anhang (3) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherer von der Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen befreit wird, ist unwirksam. § 15 Hemmung der Verjährung Ist ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag beim Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. § 16 Insolvenz des Versicherers (1) Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, endet das Versicherungsverhältnis mit Ablauf eines Monats seit der Eröffnung; bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es der Insolvenzmasse gegenüber wirksam. (2) Die Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes über die Wirkungen der Insolvenzeröffnung bleiben unberührt. § 17 Abtretungsverbot bei unpfändbaren Sachen Soweit sich die Versicherung auf unpfändbare Sachen bezieht, kann eine Forderung aus der Versicherung nur auf solche Gläubiger des Versicherungsnehmers übertragen werden, die diesem zum Ersatz der zerstörten oder beschädigten Sachen andere Sachen geliefert haben. § 18 Abweichende Vereinbarungen Von § 3 Abs. 1 bis 4, § 5 Abs. 1 bis 3, den §§ 6 bis 9 und 11 Abs. 2 bis 4, § 14 Abs. 2 Satz 1 und § 15 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Abschnitt 2 Anzeigepflicht, Gefahrerhöhung, andere Obliegenheiten § 19 Anzeigepflicht (1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet. (2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten. (3) Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der
VVG n. F.
209 Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. (4) Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil. (5) Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte. (6) Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen. § 20 Vertreter des Versicherungsnehmers Wird der Vertrag von einem Vertreter des Versicherungsnehmers geschlossen, sind bei der Anwendung des § 19 Abs. 1 bis 4 und des § 21 Abs. 2 Satz 2 sowie Abs. 3 Satz 2 sowohl die Kenntnis und die Arglist des Vertreters als auch die Kenntnis und die Arglist des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen. Der Versicherungsnehmer kann sich darauf, dass die Anzeigepflicht nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden ist, nur berufen, wenn weder dem Vertreter noch dem Versicherungsnehmer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. § 21 Ausübung der Rechte des Versicherers (1) Der Versicherer muss die ihm nach § 19 Abs. 2 bis 4 zustehenden Rechte innerhalb eines Monats schriftlich geltend machen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht, die das von ihm geltend gemachte Recht begründet, Kenntnis erlangt. Der Versicherer hat bei der Ausübung seiner Rechte die Umstände anzugeben, auf die er seine Erklärung stützt; er darf nachträglich weitere Umstände zur Begründung seiner Erklärung angeben, wenn für diese die Frist nach Satz 1 nicht verstrichen ist. (2) Im Fall eines Rücktrittes nach § 19 Abs. 2 nach Eintritt des Versicherungsfalles ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, die Verletzung der Anzeigepflicht bezieht sich auf einen Umstand, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht arglistig verletzt, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. (3) Die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 2 bis 4 erlöschen nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss; dies gilt nicht für Versicherungsfälle, die vor Ablauf dieser Frist einge-
210
Anhang treten sind. Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht vorsätzlich oder arglistig verletzt, beläuft sich die Frist auf zehn Jahre. § 22 Arglistige Täuschung Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt. § 23 Gefahrerhöhung (1) Der Versicherungsnehmer darf nach Abgabe seiner Vertragserklärung ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten. (2) Erkennt der Versicherungsnehmer nachträglich, dass er ohne Einwilligung des Versicherers eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder gestattet hat, hat er die Gefahrerhöhung dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. (3) Tritt nach Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers eine Gefahrerhöhung unabhängig von seinem Willen ein, hat er die Gefahrerhöhung, nachdem er von ihr Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. § 24 Kündigung wegen Gefahrerhöhung (1) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 Abs. 1, kann der Versicherer den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Verpflichtung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Beruht die Verletzung auf einfacher Fahrlässigkeit, kann der Versicherer unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen. (2) In den Fällen einer Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 2 und 3 kann der Versicherer den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen. (3) Das Kündigungsrecht nach den Absätzen 1 und 2 erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab der Kenntnis des Versicherers von der Erhöhung der Gefahr ausgeübt wird oder wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Gefahrerhöhung bestanden hat. § 25 Prämienerhöhung wegen Gefahrerhöhung (1) Der Versicherer kann an Stelle einer Kündigung ab dem Zeitpunkt der Gefahrerhöhung eine seinen Geschäftsgrundsätzen für diese höhere Gefahr entsprechende Prämie verlangen oder die Absicherung der höheren Gefahr ausschließen. Für das Erlöschen dieses Rechtes gilt § 24 Abs. 3 entsprechend. (2) Erhöht sich die Prämie als Folge der Gefahrerhöhung um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Absicherung der höheren Gefahr aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.
VVG n. F.
211 § 26 Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung (1) Tritt der Versicherungsfall nach einer Gefahrerhöhung ein, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 Abs. 1 vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer. (2) In den Fällen einer Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 2 und 3 ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugegangen sein müssen, es sei denn, dem Versicherer war die Gefahrerhöhung zu diesem Zeitpunkt bekannt. Er ist zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 23 Abs. 2 und 3 nicht auf Vorsatz beruht; im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung gilt Absatz 1 Satz 2. (3) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, 1. soweit die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war oder 2. wenn zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt war. § 27 Unerhebliche Gefahrerhöhung Die §§ 23 bis 26 sind nicht anzuwenden, wenn nur eine unerhebliche Erhöhung der Gefahr vorliegt oder wenn nach den Umständen als vereinbart anzusehen ist, dass die Gefahrerhöhung mitversichert sein soll. § 28 Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit (1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit. (2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer. (3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.
212
Anhang (4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat. (5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam. § 29 Teilrücktritt, Teilkündigung, teilweise Leistungsfreiheit (1) Liegen die Voraussetzungen, unter denen der Versicherer nach den Vorschriften dieses Abschnittes zum Rücktritt oder zur Kündigung berechtigt ist, nur bezüglich eines Teils der Gegenstände oder Personen vor, auf die sich die Versicherung bezieht, steht dem Versicherer das Recht zum Rücktritt oder zur Kündigung für den übrigen Teil nur zu, wenn anzunehmen ist, dass für diesen allein der Versicherer den Vertrag unter den gleichen Bedingungen nicht geschlossen hätte. (2) Macht der Versicherer von dem Recht zum Rücktritt oder zur Kündigung bezüglich eines Teils der Gegenstände oder Personen Gebrauch, ist der Versicherungsnehmer berechtigt, das Versicherungsverhältnis bezüglich des übrigen Teils zu kündigen. Die Kündigung muss spätestens zum Schluss der Versicherungsperiode erklärt werden, in welcher der Rücktritt oder die Kündigung des Versicherers wirksam wird. (3) Liegen die Voraussetzungen, unter denen der Versicherer wegen einer Verletzung der Vorschriften über die Gefahrerhöhung ganz oder teilweise leistungsfrei ist, nur bezüglich eines Teils der Gegenstände oder Personen vor, auf die sich die Versicherung bezieht, ist auf die Leistungsfreiheit Absatz 1 entsprechend anzuwenden. § 30 Anzeige des Versicherungsfalles (1) Der Versicherungsnehmer hat den Eintritt des Versicherungsfalles, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, ist auch dieser zur Anzeige verpflichtet. (2) Auf eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer im Fall der Verletzung der Anzeigepflicht nach Absatz 1 Satz 1 nicht zur Leistung verpflichtet ist, kann sich der Versicherer nicht berufen, wenn er auf andere Weise vom Eintritt des Versicherungsfalles rechtzeitig Kenntnis erlangt hat. § 31 Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers (1) Der Versicherer kann nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist. Belege kann der Versicherer insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann. (2) Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, hat auch dieser die Pflichten nach Absatz 1 zu erfüllen.
VVG n. F.
213 § 32 Abweichende Vereinbarungen Von den §§ 19 bis 28 Abs. 4 und § 31 Abs. 1 Satz 2 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Für Anzeigen nach diesem Abschnitt, zu denen der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, kann jedoch die Schrift- oder die Textform vereinbart werden. Abschnitt 3 Prämie § 33 Fälligkeit (1) Der Versicherungsnehmer hat eine einmalige Prämie oder, wenn laufende Prämien vereinbart sind, die erste Prämie unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen. (2) Ist die Prämie zuletzt vom Versicherer eingezogen worden, ist der Versicherungsnehmer zur Übermittlung der Prämie erst verpflichtet, wenn er vom Versicherer hierzu in Textform aufgefordert worden ist. § 34 Zahlung durch Dritte (1) Der Versicherer muss fällige Prämien oder sonstige ihm auf Grund des Vertrags zustehende Zahlungen vom Versicherten bei einer Versicherung für fremde Rechnung, von einem Bezugsberechtigten, der ein Recht auf die Leistung des Versicherers erworben hat, sowie von einem Pfandgläubiger auch dann annehmen, wenn er die Zahlung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückweisen könnte. (2) Ein Pfandrecht an der Versicherungsforderung kann auch wegen der Beträge einschließlich ihrer Zinsen geltend gemacht werden, die der Pfandgläubiger zur Zahlung von Prämien oder zu sonstigen dem Versicherer auf Grund des Vertrags zustehenden Zahlungen verwendet hat. § 35 Aufrechnung durch den Versicherer Der Versicherer kann eine fällige Prämienforderung oder eine andere ihm aus dem Vertrag zustehende fällige Forderung gegen eine Forderung aus der Versicherung auch dann aufrechnen, wenn diese Forderung nicht dem Versicherungsnehmer, sondern einem Dritten zusteht. § 36 Leistungsort (1) Leistungsort für die Zahlung der Prämie ist der jeweilige Wohnsitz des Versicherungsnehmers. Der Versicherungsnehmer hat jedoch auf seine Gefahr und seine Kosten die Prämie dem Versicherer zu übermitteln.
214
Anhang (2) Hat der Versicherungsnehmer die Versicherung in seinem Gewerbebetrieb genommen, tritt, wenn er seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hat, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes. § 37 Zahlungsverzug bei Erstprämie (1) Wird die einmalige oder die erste Prämie nicht rechtzeitig gezahlt, ist der Versicherer, solange die Zahlung nicht bewirkt ist, zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten. (2) Ist die einmalige oder die erste Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalles nicht gezahlt, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten. Der Versicherer ist nur leistungsfrei, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung der Prämie aufmerksam gemacht hat. § 38 Zahlungsverzug bei Folgeprämie (1) Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss. Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn sie die rückständigen Beträge der Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach den Absätzen 2 und 3 mit dem Fristablauf verbunden sind; bei zusammengefassten Verträgen sind die Beträge jeweils getrennt anzugeben. (2) Tritt der Versicherungsfall nach Fristablauf ein und ist der Versicherungsnehmer bei Eintritt mit der Zahlung der Prämie oder der Zinsen oder Kosten in Verzug, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. (3) Der Versicherer kann nach Fristablauf den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, sofern der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der geschuldeten Beträge in Verzug ist. Die Kündigung kann mit der Bestimmung der Zahlungsfrist so verbunden werden, dass sie mit Fristablauf wirksam wird, wenn der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt mit der Zahlung in Verzug ist; hierauf ist der Versicherungsnehmer bei der Kündigung ausdrücklich hinzuweisen. Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats nach der Kündigung oder, wenn sie mit der Fristbestimmung verbunden worden ist, innerhalb eines Monats nach Fristablauf die Zahlung leistet; Absatz 2 bleibt unberührt. § 39 Vorzeitige Vertragsbeendigung (1) Im Fall der Beendigung des Versicherungsverhältnisses vor Ablauf der Versicherungsperiode steht dem Versicherer für diese Versicherungsperiode nur derjenige Teil der Prämie zu, der dem Zeitraum entspricht, in dem Versicherungsschutz bestanden hat. Wird das Versicherungsverhältnis durch Rücktritt auf Grund des § 19 Abs. 2 oder durch Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung beendet, steht dem Versicherer die Prämie bis zum Wirksamwerden der Rücktritts- oder Anfechtungserklärung zu. Tritt der Versicherer nach § 37 Abs. 1 zurück, kann er eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen.
VVG n. F.
215 (2) Endet das Versicherungsverhältnis nach § 16, kann der Versicherungsnehmer den auf die Zeit nach der Beendigung des Versicherungsverhältnisses entfallenden Teil der Prämie unter Abzug der für diese Zeit aufgewendeten Kosten zurückfordern. § 40 Kündigung bei Prämienerhöhung (1) Erhöht der Versicherer auf Grund einer Anpassungsklausel die Prämie, ohne dass sich der Umfang des Versicherungsschutzes entsprechend ändert, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers mit sofortiger Wirkung, frühestens jedoch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung, kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf das Kündigungsrecht hinzuweisen. Die Mitteilung muss dem Versicherungsnehmer spätestens einen Monat vor dem Wirksamwerden der Erhöhung der Prämie zugehen. (2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn der Versicherer auf Grund einer Anpassungsklausel den Umfang des Versicherungsschutzes vermindert, ohne die Prämie entsprechend herabzusetzen. § 41 Herabsetzung der Prämie Ist wegen bestimmter gefahrerhöhender Umstände eine höhere Prämie vereinbart und sind diese Umstände nach Antragstellung des Versicherungsnehmers oder nach Vertragsschluss weggefallen oder bedeutungslos geworden, kann der Versicherungsnehmer verlangen, dass die Prämie ab Zugang des Verlangens beim Versicherer angemessen herabgesetzt wird. Dies gilt auch, wenn die Bemessung der höheren Prämie durch unrichtige, auf einem Irrtum des Versicherungsnehmers beruhende Angaben über einen solchen Umstand veranlasst worden ist. § 42 Abweichende Vereinbarungen Von § 33 Abs. 2 und den §§ 37 bis 41 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Abschnitt 4 Versicherung für fremde Rechnung § 43 Begriffsbestimmung (1) Der Versicherungsnehmer kann den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, schließen (Versicherung für fremde Rechnung). (2) Wird der Versicherungsvertrag für einen anderen geschlossen, ist, auch wenn dieser benannt wird, im Zweifel anzunehmen, dass der Versicherungsnehmer nicht als Vertreter, sondern im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt. (3) Ergibt sich aus den Umständen nicht, dass der Versicherungsvertrag für einen anderen geschlossen werden soll, gilt er als für eigene Rechnung geschlossen.
216
Anhang § 44 Rechte des Versicherten (1) Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu. Die Übermittlung des Versicherungsscheins kann jedoch nur der Versicherungsnehmer verlangen. (2) Der Versicherte kann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur dann über seine Rechte verfügen und diese Rechte gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist. § 45 Rechte des Versicherungsnehmers (1) Der Versicherungsnehmer kann über die Rechte, die dem Versicherten aus dem Versicherungsvertrag zustehen, im eigenen Namen verfügen. (2) Ist ein Versicherungsschein ausgestellt, ist der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherten zur Annahme der Leistung des Versicherers und zur Übertragung der Rechte des Versicherten nur befugt, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist. (3) Der Versicherer ist zur Leistung an den Versicherungsnehmer nur verpflichtet, wenn der Versicherte seine Zustimmung zu der Versicherung erteilt hat. § 46 Rechte zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, dem Versicherten oder, falls über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist, der Insolvenzmasse den Versicherungsschein auszuliefern, bevor er wegen seiner Ansprüche gegen den Versicherten in Bezug auf die versicherte Sache befriedigt ist. Er kann sich für diese Ansprüche aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer und nach deren Einziehung aus der Entschädigungssumme vor dem Versicherten und dessen Gläubigern befriedigen. § 47 Kenntnis und Verhalten des Versicherten (1) Soweit die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, sind bei der Versicherung für fremde Rechnung auch die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten zu berücksichtigen. (2) Die Kenntnis des Versicherten ist nicht zu berücksichtigen, wenn der Vertrag ohne sein Wissen geschlossen worden ist oder ihm eine rechtzeitige Benachrichtigung des Versicherungsnehmers nicht möglich oder nicht zumutbar war. Der Versicherer braucht den Einwand, dass der Vertrag ohne Wissen des Versicherten geschlossen worden ist, nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag ohne Auftrag des Versicherten geschlossen und bei Vertragsschluss dem Versicherer nicht angezeigt hat, dass er den Vertrag ohne Auftrag des Versicherten schließt.
VVG n. F.
217 § 48 Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ Ist die Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ genommen oder ist dem Vertrag in sonstiger Weise zu entnehmen, dass unbestimmt bleiben soll, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert ist, sind die §§ 43 bis 47 anzuwenden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass fremdes Interesse versichert ist. Abschnitt 5 Vorläufige Deckung § 49 Inhalt des Vertrags (1) Bei einem Versicherungsvertrag, dessen wesentlicher Inhalt die Gewährung einer vorläufigen Deckung durch den Versicherer ist, kann vereinbart werden, dass dem Versicherungsnehmer die Vertragsbestimmungen und die Informationen nach § 7 Abs. 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 2 nur auf Anforderung und spätestens mit dem Versicherungsschein vom Versicherer zu übermitteln sind. Auf einen Fernabsatzvertrag im Sinn des § 312b Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist Satz 1 nicht anzuwenden. (2) Werden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss nicht übermittelt, werden die vom Versicherer zu diesem Zeitpunkt für den vorläufigen Versicherungsschutz üblicherweise verwendeten Bedingungen, bei Fehlen solcher Bedingungen die für den Hauptvertrag vom Versicherer verwendeten Bedingungen auch ohne ausdrücklichen Hinweis hierauf Vertragsbestandteil. Bestehen Zweifel, welche Bedingungen für den Vertrag gelten sollen, werden die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom Versicherer verwendeten Bedingungen, die für den Versicherungsnehmer am günstigsten sind, Vertragsbestandteil. § 50 Nichtzustandekommen des Hauptvertrags Ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, im Fall des Nichtzustandekommens des Hauptvertrags eine Prämie für die vorläufige Deckung zu zahlen, steht dem Versicherer ein Anspruch auf einen der Laufzeit der vorläufigen Deckung entsprechenden Teil der Prämie zu, die beim Zustandekommen des Hauptvertrags für diesen zu zahlen wäre. § 51 Prämienzahlung (1) Der Beginn des Versicherungsschutzes kann von der Zahlung der Prämie abhängig gemacht werden, sofern der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Voraussetzung aufmerksam gemacht hat. (2) Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.
218
Anhang § 52 Beendigung des Vertrags (1) Der Vertrag über vorläufige Deckung endet spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem nach einem vom Versicherungsnehmer geschlossenen Hauptvertrag oder einem weiteren Vertrag über vorläufige Deckung ein gleichartiger Versicherungsschutz beginnt. Ist der Beginn des Versicherungsschutzes nach dem Hauptvertrag oder dem weiteren Vertrag über vorläufige Deckung von der Zahlung der Prämie durch den Versicherungsnehmer abhängig, endet der Vertrag über vorläufige Deckung bei Nichtzahlung oder verspäteter Zahlung der Prämie abweichend von Satz 1 spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsnehmer mit der Prämienzahlung in Verzug ist, vorausgesetzt, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge aufmerksam gemacht hat. (2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer den Hauptvertrag oder den weiteren Vertrag über vorläufige Deckung mit einem anderen Versicherer schließt. Der Versicherungsnehmer hat dem bisherigen Versicherer den Vertragsschluss unverzüglich mitzuteilen. (3) Kommt der Hauptvertrag mit dem Versicherer, mit dem der Vertrag über vorläufige Deckung besteht, nicht zustande, weil der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung nach § 8 widerruft oder nach § 5 Abs. 1 und 2 einen Widerspruch erklärt, endet der Vertrag über vorläufige Deckung spätestens mit dem Zugang des Widerrufs oder des Widerspruchs beim Versicherer. (4) Ist das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen, kann jede Vertragspartei den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Die Kündigung des Versicherers wird jedoch erst nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang wirksam. (5) Von den Absätzen 1 bis 4 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Abschnitt 6 Laufende Versicherung § 53 Anmeldepflicht Wird ein Vertrag in der Weise geschlossen, dass das versicherte Interesse bei Vertragsschluss nur der Gattung nach bezeichnet und erst nach seiner Entstehung dem Versicherer einzeln aufgegeben wird (laufende Versicherung), ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, entweder die versicherten Risiken einzeln oder, wenn der Versicherer darauf verzichtet hat, die vereinbarte Prämiengrundlage unverzüglich anzumelden oder, wenn dies vereinbart ist, jeweils Deckungszusage zu beantragen. § 54 Verletzung der Anmeldepflicht (1) Hat der Versicherungsnehmer die Anmeldung eines versicherten Risikos oder der vereinbarten Prämiengrundlage oder die Beantragung der Deckungszusage unterlassen oder fehlerhaft vorgenommen, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Anmelde- oder Antragspflicht weder vorsätzlich noch grob fahr-
VVG n. F.
219 lässig verletzt hat und die Anmeldung oder den Antrag unverzüglich nach Kenntniserlangung von dem Fehler nachholt oder berichtigt. (2) Verletzt der Versicherungsnehmer die Anmelde- oder Antragspflicht vorsätzlich, kann der Versicherer den Vertrag fristlos kündigen. Die Versicherung von Einzelrisiken, für die der Versicherungsschutz begonnen hat, bleibt, wenn anderes nicht vereinbart ist, über das Ende der laufenden Versicherung hinaus bis zu dem Zeitpunkt bestehen, zu dem die vereinbarte Dauer der Versicherung dieser Einzelrisiken endet. Der Versicherer kann ferner die Prämie verlangen, die bis zum Wirksamwerden der Kündigung zu zahlen gewesen wäre, wenn der Versicherungsnehmer die Anmeldepflicht erfüllt hätte. § 55 Einzelpolice (1) Ist bei einer laufenden Versicherung ein Versicherungsschein für ein einzelnes Risiko (Einzelpolice) oder ein Versicherungszertifikat ausgestellt worden, ist der Versicherer nur gegen Vorlage der Urkunde zur Leistung verpflichtet. Durch die Leistung an den Inhaber der Urkunde wird er befreit. (2) Ist die Urkunde abhandengekommen oder vernichtet, ist der Versicherer zur Leistung erst verpflichtet, wenn die Urkunde für kraftlos erklärt oder Sicherheit geleistet ist; eine Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen. Dies gilt auch für die Verpflichtung des Versicherers zur Ausstellung einer Ersatzurkunde. (3) Der Inhalt der Einzelpolice oder eines Versicherungszertifikats gilt abweichend von § 5 als vom Versicherungsnehmer genehmigt, wenn dieser nicht unverzüglich nach der Übermittlung widerspricht. Das Recht des Versicherungsnehmers, die Genehmigung wegen Irrtums anzufechten, bleibt unberührt. § 56 Verletzung der Anzeigepflicht (1) Abweichend von § 19 Abs. 2 ist bei Verletzung der Anzeigepflicht der Rücktritt des Versicherers ausgeschlossen; der Versicherer kann innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an, zu dem er Kenntnis von dem nicht oder unrichtig angezeigten Umstand erlangt hat, den Vertrag kündigen und die Leistung verweigern. Der Versicherer bleibt zur Leistung verpflichtet, soweit der nicht oder unrichtig angezeigte Umstand nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war. (2) Verweigert der Versicherer die Leistung, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, zu welchem dem Versicherungsnehmer die Entscheidung des Versicherers, die Leistung zu verweigern, zugeht. § 57 Gefahränderung (1) Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer eine Änderung der Gefahr unverzüglich anzuzeigen. (2) Hat der Versicherungsnehmer eine Gefahrerhöhung nicht angezeigt, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall nach dem Zeitpunkt eintritt, zu
220
Anhang dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen. Er ist zur Leistung verpflichtet, 1. wenn ihm die Gefahrerhöhung zu dem Zeitpunkt bekannt war, zu dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen, 2. wenn die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt worden ist oder 3. soweit die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war. (3) Der Versicherer ist abweichend von § 24 nicht berechtigt, den Vertrag wegen einer Gefahrerhöhung zu kündigen. § 58 Obliegenheitsverletzung (1) Verletzt der Versicherungsnehmer bei einer laufenden Versicherung schuldhaft eine vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllende Obliegenheit, ist der Versicherer in Bezug auf ein versichertes Einzelrisiko, für das die verletzte Obliegenheit gilt, nicht zur Leistung verpflichtet. (2) Bei schuldhafter Verletzung einer Obliegenheit kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er Kenntnis von der Verletzung erlangt hat, mit einer Frist von einem Monat kündigen. Abschnitt 7 Versicherungsvermittler, Versicherungsberater Unterabschnitt 1 Mitteilungs- und Beratungspflichten § 59 Begriffsbestimmungen (1) Versicherungsvermittler im Sinn dieses Gesetzes sind Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. (2) Versicherungsvertreter im Sinn dieses Gesetzes ist, wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen. (3) Versicherungsmakler im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler nach Satz 1. (4) Versicherungsberater im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen im Versicherungsfall berät oder gegenüber dem Versicherer außergerichtlich vertritt, ohne von einem Versicherer einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein.
VVG n. F.
221 § 60 Beratungsgrundlage des Versicherungsvermittlers (1) Der Versicherungsmakler ist verpflichtet, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grunde zu legen, so dass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen. Dies gilt nicht, soweit er im Einzelfall vor Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers diesen ausdrücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hinweist. (2) Der Versicherungsmakler, der nach Absatz 1 Satz 2 auf eine eingeschränkte Auswahl hinweist, und der Versicherungsvertreter haben dem Versicherungsnehmer mitzuteilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage sie ihre Leistung erbringen, und die Namen der ihrem Rat zu Grunde gelegten Versicherer anzugeben. Der Versicherungsvertreter hat außerdem mitzuteilen, für welche Versicherer er seine Tätigkeit ausübt und ob er für diese ausschließlich tätig ist. (3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Mitteilungen und Angaben nach Absatz 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten. § 61 Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers (1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 zu dokumentieren. (2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen. § 62 Zeitpunkt und Form der Information (1) Dem Versicherungsnehmer sind die Informationen nach § 60 Abs. 2 vor Abgabe seiner Vertragserklärung, die Informationen nach § 61 Abs. 1 vor dem Abschluss des Vertrags klar und verständlich in Textform zu übermitteln. (2) Die Informationen nach Absatz 1 dürfen mündlich übermittelt werden, wenn der Versicherungsnehmer dies wünscht oder wenn und soweit der Versicherer vorläufige Deckung gewährt. In diesen Fällen sind die Informationen unverzüglich nach Vertragsschluss, spätestens mit dem Versicherungsschein dem Versicherungsnehmer in Textform zu übermitteln; dies gilt nicht für Verträge über vorläufige Deckung bei Pflichtversicherungen.
222
Anhang § 63 Schadensersatzpflicht Der Versicherungsvermittler ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Versicherungsnehmer durch die Verletzung einer Pflicht nach § 60 oder § 61 entsteht. Dies gilt nicht, wenn der Versicherungsvermittler die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. § 64 Zahlungssicherung zugunsten des Versicherungsnehmers Eine Bevollmächtigung des Versicherungsvermittlers durch den Versicherungsnehmer zur Annahme von Leistungen des Versicherers, die dieser auf Grund eines Versicherungsvertrags an den Versicherungsnehmer zu erbringen hat, bedarf einer gesonderten schriftlichen Erklärung des Versicherungsnehmers. § 65 Großrisiken Die §§ 60 bis 63 gelten nicht für die Vermittlung von Versicherungsverträgen über Großrisiken im Sinn des Artikels 10 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz. § 66 Sonstige Ausnahmen Die §§ 60 bis 64, 69 Abs. 2 und § 214 gelten nicht für Versicherungsvermittler im Sinn von § 34d Abs. 9 Nr. 1 der Gewerbeordnung. § 67 Abweichende Vereinbarungen Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. § 68 Versicherungsberater Die für Versicherungsmakler geltenden Vorschriften des § 60 Abs. 1 Satz 1, des § 61 Abs. 1 und der §§ 62 bis 65 und 67 sind auf Versicherungsberater entsprechend anzuwenden. Weitergehende Pflichten des Versicherungsberaters aus dem Auftragsverhältnis bleiben unberührt. Unterabschnitt 2 Vertretungsmacht § 69 Gesetzliche Vollmacht (1) Der Versicherungsvertreter gilt als bevollmächtigt, 1. Anträge, die auf den Abschluss eines Versicherungsvertrags gerichtet sind, und deren Widerruf sowie die vor Vertragsschluss abzugebenden Anzeigen und sonstigen Erklärungen vom Versicherungsnehmer entgegenzuneh-
VVG n. F.
223 men, 2. Anträge auf Verlängerung oder Änderung eines Versicherungsvertrags und deren Widerruf, die Kündigung, den Rücktritt und sonstige das Versicherungsverhältnis betreffende Erklärungen sowie die während der Dauer des Versicherungsverhältnisses zu erstattenden Anzeigen vom Versicherungsnehmer entgegenzunehmen und 3. die vom Versicherer ausgefertigten Versicherungsscheine oder Verlängerungsscheine dem Versicherungsnehmer zu übermitteln. (2) Der Versicherungsvertreter gilt als bevollmächtigt, Zahlungen, die der Versicherungsnehmer im Zusammenhang mit der Vermittlung oder dem Abschluss eines Versicherungsvertrags an ihn leistet, anzunehmen. Eine Beschränkung dieser Vollmacht muss der Versicherungsnehmer nur gegen sich gelten lassen, wenn er die Beschränkung bei der Vornahme der Zahlung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. (3) Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast für die Abgabe oder den Inhalt eines Antrags oder einer sonstigen Willenserklärung nach Absatz 1 Nr. 1 und 2. Die Beweislast für die Verletzung der Anzeigepflicht oder einer Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer trägt der Versicherer. § 70 Kenntnis des Versicherungsvertreters Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis des Versicherers erheblich ist, steht die Kenntnis des Versicherungsvertreters der Kenntnis des Versicherers gleich. Dies gilt nicht für die Kenntnis des Versicherungsvertreters, die er außerhalb seiner Tätigkeit als Vertreter und ohne Zusammenhang mit dem betreffenden Versicherungsvertrag erlangt hat. § 71 Abschlussvollmacht Ist der Versicherungsvertreter zum Abschluss von Versicherungsverträgen bevollmächtigt, ist er auch befugt, die Änderung oder Verlängerung solcher Verträge zu vereinbaren sowie Kündigungs- und Rücktrittserklärungen abzugeben. § 72 Beschränkung der Vertretungsmacht Eine Beschränkung der dem Versicherungsvertreter nach den §§ 69 und 71 zustehenden Vertretungsmacht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen ist gegenüber dem Versicherungsnehmer und Dritten unwirksam. § 73 Angestellte und nicht gewerbsmäßig tätige Vermittler Die §§ 69 bis 72 sind auf Angestellte eines Versicherers, die mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Versicherungsverträgen betraut sind, und auf Personen, die als Vertreter selbständig Versicherungsverträge vermitteln oder abschließen, ohne gewerbsmäßig tätig zu sein, entsprechend anzuwenden.
224
Anhang Kapitel 2 Schadensversicherung Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften § 74 Überversicherung (1) Übersteigt die Versicherungssumme den Wert des versicherten Interesses (Versicherungswert) erheblich, kann jede Vertragspartei verlangen, dass die Versicherungssumme zur Beseitigung der Überversicherung unter verhältnismäßiger Minderung der Prämie mit sofortiger Wirkung herabgesetzt wird. (2) Schließt der Versicherungsnehmer den Vertrag in der Absicht, sich aus der Überversicherung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig; dem Versicherer steht die Prämie bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem er von den die Nichtigkeit begründenden Umständen Kenntnis erlangt. § 75 Unterversicherung Ist die Versicherungssumme erheblich niedriger als der Versicherungswert zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles, ist der Versicherer nur verpflichtet, die Leistung nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zu diesem Wert zu erbringen. § 76 Taxe Der Versicherungswert kann durch Vereinbarung auf einen bestimmten Betrag (Taxe) festgesetzt werden. Die Taxe gilt auch als der Wert, den das versicherte Interesse bei Eintritt des Versicherungsfalles hat, es sei denn, sie übersteigt den wirklichen Versicherungswert zu diesem Zeitpunkt erheblich. Ist die Versicherungssumme niedriger als die Taxe, hat der Versicherer, auch wenn die Taxe erheblich übersetzt ist, den Schaden nur nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zur Taxe zu ersetzen. § 77 Mehrere Versicherer (1) Wer bei mehreren Versicherern ein Interesse gegen dieselbe Gefahr versichert, ist verpflichtet, jedem Versicherer die andere Versicherung unverzüglich mitzuteilen. In der Mitteilung sind der andere Versicherer und die Versicherungssumme anzugeben. (2) Wird bezüglich desselben Interesses bei einem Versicherer der entgehende Gewinn, bei einem anderen Versicherer der sonstige Schaden versichert, ist Absatz 1 entsprechend anzuwenden. § 78 Haftung bei Mehrfachversicherung (1) Ist bei mehreren Versicherern ein Interesse gegen dieselbe Gefahr versichert und übersteigen die Versicherungssummen zusammen den Versicherungswert oder übersteigt aus anderen Gründen die Summe der Entschädigungen, die von jedem Versicherer ohne Bestehen der anderen Versicherung zu zahlen wären, den Gesamtschaden (Mehrfachversicherung), haften die
VVG n. F.
225 Versicherer in der Weise als Gesamtschuldner, dass jeder Versicherer den von ihm nach dem Vertrag zu leistenden Betrag zu zahlen hat, der Versicherungsnehmer aber insgesamt nicht mehr als den Betrag des Schadens verlangen kann. (2) Die Versicherer sind im Verhältnis zueinander zu Anteilen nach Maßgabe der Beträge verpflichtet, die sie dem Versicherungsnehmer nach dem jeweiligen Vertrag zu zahlen haben. Ist auf eine der Versicherungen ausländisches Recht anzuwenden, kann der Versicherer, für den das ausländische Recht gilt, gegen den anderen Versicherer einen Anspruch auf Ausgleichung nur geltend machen, wenn er selbst nach dem für ihn maßgeblichen Recht zur Ausgleichung verpflichtet ist. (3) Hat der Versicherungsnehmer eine Mehrfachversicherung in der Absicht vereinbart, sich dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist jeder in dieser Absicht geschlossene Vertrag nichtig; dem Versicherer steht die Prämie bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem er von den die Nichtigkeit begründenden Umständen Kenntnis erlangt. § 79 Beseitigung der Mehrfachversicherung (1) Hat der Versicherungsnehmer den Vertrag, durch den die Mehrfachversicherung entstanden ist, ohne Kenntnis von dem Entstehen der Mehrfachversicherung geschlossen, kann er verlangen, dass der später geschlossene Vertrag aufgehoben oder die Versicherungssumme unter verhältnismäßiger Minderung der Prämie auf den Teilbetrag herabgesetzt wird, der durch die frühere Versicherung nicht gedeckt ist. (2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn die Mehrfachversicherung dadurch entstanden ist, dass nach Abschluss der mehreren Versicherungsverträge der Versicherungswert gesunken ist. Sind in diesem Fall die mehreren Versicherungsverträge gleichzeitig oder im Einvernehmen der Versicherer geschlossen worden, kann der Versicherungsnehmer nur die verhältnismäßige Herabsetzung der Versicherungssummen und der Prämien verlangen. § 80 Fehlendes versichertes Interesse (1) Der Versicherungsnehmer ist nicht zur Zahlung der Prämie verpflichtet, wenn das versicherte Interesse bei Beginn der Versicherung nicht besteht; dies gilt auch, wenn das Interesse bei einer Versicherung, die für ein künftiges Unternehmen oder für ein anderes künftiges Interesse genommen ist, nicht entsteht. Der Versicherer kann jedoch eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen. (2) Fällt das versicherte Interesse nach dem Beginn der Versicherung weg, steht dem Versicherer die Prämie zu, die er hätte beanspruchen können, wenn die Versicherung nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, zu dem der Versicherer vom Wegfall des Interesses Kenntnis erlangt hat. (3) Hat der Versicherungsnehmer ein nicht bestehendes Interesse in der Absicht versichert, sich dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig; dem Versicherer steht die Prämie bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem er von den die Nichtigkeit begründenden Umständen Kenntnis erlangt.
226
Anhang § 81 Herbeiführung des Versicherungsfalles (1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt. (2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. § 82 Abwendung und Minderung des Schadens (1) Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. (2) Der Versicherungsnehmer hat Weisungen des Versicherers, soweit für ihn zumutbar, zu befolgen sowie Weisungen einzuholen, wenn die Umstände dies gestatten. Erteilen mehrere an dem Versicherungsvertrag beteiligte Versicherer unterschiedliche Weisungen, hat der Versicherungsnehmer nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln. (3) Bei Verletzung einer Obliegenheit nach den Absätzen 1 und 2 ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer. (4) Abweichend von Absatz 3 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat. § 83 Aufwendungsersatz (1) Der Versicherer hat Aufwendungen des Versicherungsnehmers nach § 82 Abs. 1 und 2, auch wenn sie erfolglos bleiben, insoweit zu erstatten, als der Versicherungsnehmer sie den Umständen nach für geboten halten durfte. Der Versicherer hat den für die Aufwendungen erforderlichen Betrag auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen. (2) Ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung zu kürzen, kann er auch den Aufwendungsersatz nach Absatz 1 entsprechend kürzen. (3) Aufwendungen des Versicherungsnehmers, die er gemäß den Weisungen des Versicherers macht, sind auch insoweit zu erstatten, als sie zusammen mit der sonstigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen. (4) Bei der Tierversicherung gehören die Kosten der Fütterung und der Pflege sowie die Kosten der tierärztlichen Untersuchung und Behandlung nicht zu den vom Versicherer nach den Absätzen 1 bis 3 zu erstattenden Aufwendungen.
VVG n. F.
227 § 84 Sachverständigenverfahren (1) Sollen nach dem Vertrag einzelne Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder die Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden, ist die getroffene Feststellung nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Die Feststellung erfolgt in diesem Fall durch gerichtliche Entscheidung. Dies gilt auch, wenn die Sachverständigen die Feststellung nicht treffen können oder wollen oder sie verzögern. (2) Sind nach dem Vertrag die Sachverständigen durch das Gericht zu ernennen, ist für die Ernennung das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Schaden entstanden ist. Durch eine ausdrückliche Vereinbarung der Beteiligten kann die Zuständigkeit eines anderen Amtsgerichts begründet werden. Die Verfügung, durch die dem Antrag auf Ernennung der Sachverständigen stattgegeben wird, ist nicht anfechtbar. § 85 Schadensermittlungskosten (1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer die Kosten, die durch die Ermittlung und Feststellung des von ihm zu ersetzenden Schadens entstehen, insoweit zu erstatten, als ihre Aufwendung den Umständen nach geboten war. Diese Kosten sind auch insoweit zu erstatten, als sie zusammen mit der sonstigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen. (2) Kosten, die dem Versicherungsnehmer durch die Zuziehung eines Sachverständigen oder eines Beistandes entstehen, hat der Versicherer nicht zu erstatten, es sei denn, der Versicherungsnehmer ist zu der Zuziehung vertraglich verpflichtet oder vom Versicherer aufgefordert worden. (3) Ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung zu kürzen, kann er auch den Kostenersatz entsprechend kürzen. § 86 Übergang von Ersatzansprüchen (1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden. (2) Der Versicherungsnehmer hat seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer. (3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1 nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht.
228
Anhang § 87 Abweichende Vereinbarungen Von den §§ 74, 78 Abs. 3, den §§ 80, 82 bis 84 Abs. 1 Satz 1 und § 86 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Abschnitt 2 Sachversicherung § 88 Versicherungswert Soweit nichts anderes vereinbart ist, gilt als Versicherungswert, wenn sich die Versicherung auf eine Sache oder einen Inbegriff von Sachen bezieht, der Betrag, den der Versicherungsnehmer zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles für die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung der versicherten Sache in neuwertigem Zustand unter Abzug des sich aus dem Unterschied zwischen alt und neu ergebenden Minderwertes aufzuwenden hat. § 89 Versicherung für Inbegriff von Sachen (1) Eine Versicherung, die für einen Inbegriff von Sachen genommen ist, umfasst die jeweils dem Inbegriff zugehörigen Sachen. (2) Ist die Versicherung für einen Inbegriff von Sachen genommen, erstreckt sie sich auf die Sachen der Personen, mit denen der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt oder die zu diesem Zeitpunkt in einem Dienstverhältnis zum Versicherungsnehmer stehen und ihre Tätigkeit an dem Ort ausüben, für den die Versicherung gilt. Die Versicherung gilt insoweit als für fremde Rechnung genommen. § 90 Erweiterter Aufwendungsersatz Macht der Versicherungsnehmer Aufwendungen, um einen unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall abzuwenden oder in seinen Auswirkungen zu mindern, ist § 83 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 entsprechend anzuwenden. § 91 Verzinsung der Entschädigung Die vom Versicherer zu zahlende Entschädigung ist nach Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalles für das Jahr mit 4 Prozent zu verzinsen, soweit nicht aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangt werden können. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange der Schaden infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht festgestellt werden kann. § 92 Kündigung nach Versicherungsfall (1) Nach dem Eintritt des Versicherungsfalles kann jede Vertragspartei das Versicherungsverhältnis kündigen.
VVG n. F.
229 (2) Die Kündigung ist nur bis zum Ablauf eines Monats seit dem Abschluss der Verhandlungen über die Entschädigung zulässig. Der Versicherer hat eine Kündigungsfrist von einem Monat einzuhalten. Der Versicherungsnehmer kann nicht für einen späteren Zeitpunkt als den Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen. (3) Bei der Hagelversicherung kann der Versicherer nur für den Schluss der Versicherungsperiode kündigen, in welcher der Versicherungsfall eingetreten ist. Kündigt der Versicherungsnehmer für einen früheren Zeitpunkt als den Schluss dieser Versicherungsperiode, steht dem Versicherer gleichwohl die Prämie für die laufende Versicherungsperiode zu. § 93 Wiederherstellungsklausel Ist der Versicherer nach dem Vertrag verpflichtet, einen Teil der Entschädigung nur bei Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der versicherten Sache zu zahlen, kann der Versicherungsnehmer die Zahlung eines über den Versicherungswert hinausgehenden Betrags erst verlangen, wenn die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung gesichert ist. Der Versicherungsnehmer ist zur Rückzahlung der vom Versicherer geleisteten Entschädigung abzüglich des Versicherungswertes der Sache verpflichtet, wenn die Sache infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht innerhalb einer angemessenen Frist wiederhergestellt oder wiederbeschafft worden ist. § 94 Wirksamkeit der Zahlung gegenüber Hypothekengläubigern (1) Im Fall des § 93 Satz 1 ist eine Zahlung, die ohne die Sicherung der Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung geleistet wird, einem Hypothekengläubiger gegenüber nur wirksam, wenn ihm der Versicherer oder der Versicherungsnehmer mitgeteilt hat, dass ohne die Sicherung geleistet werden soll und seit dem Zugang der Mitteilung mindestens ein Monat verstrichen ist. (2) Soweit die Entschädigungssumme nicht zu einer den Vertragsbestimmungen entsprechenden Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung verwendet werden soll, kann der Versicherer mit Wirkung gegen einen Hypothekengläubiger erst zahlen, wenn er oder der Versicherungsnehmer diese Absicht dem Hypothekengläubiger mitgeteilt hat und seit dem Zugang der Mitteilung mindestens ein Monat verstrichen ist. (3) Der Hypothekengläubiger kann bis zum Ablauf der Frist von einem Monat dem Versicherer gegenüber der Zahlung widersprechen. Die Mitteilungen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen unterbleiben, wenn sie einen unangemessenen Aufwand erfordern würden; in diesem Fall läuft die Frist ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Entschädigungssumme. (4) Hat der Hypothekengläubiger seine Hypothek dem Versicherer angemeldet, ist eine Zahlung, die ohne die Sicherung der Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung geleistet wird, dem Hypothekengläubiger gegenüber nur wirksam, wenn dieser in Textform der Zahlung zugestimmt hat. (5) Die Absätze 1 bis 4 sind entsprechend anzuwenden, wenn das Grundstück mit einer Grundschuld, Rentenschuld oder Reallast belastet ist.
230
Anhang § 95 Veräußerung der versicherten Sache (1) Wird die versicherte Sache vom Versicherungsnehmer veräußert, tritt an dessen Stelle der Erwerber in die während der Dauer seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein. (2) Der Veräußerer und der Erwerber haften für die Prämie, die auf die zur Zeit des Eintrittes des Erwerbers laufende Versicherungsperiode entfällt, als Gesamtschuldner. (3) Der Versicherer muss den Eintritt des Erwerbers erst gegen sich gelten lassen, wenn er hiervon Kenntnis erlangt hat. § 96 Kündigung nach Veräußerung (1) Der Versicherer ist berechtigt, dem Erwerber einer versicherten Sache das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab der Kenntnis des Versicherers von der Veräußerung ausgeübt wird. (2) Der Erwerber ist berechtigt, das Versicherungsverhältnis mit sofortiger Wirkung oder für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats nach dem Erwerb, bei fehlender Kenntnis des Erwerbers vom Bestehen der Versicherung innerhalb eines Monats ab Erlangung der Kenntnis, ausgeübt wird. (3) Im Fall der Kündigung des Versicherungsverhältnisses nach Absatz 1 oder Absatz 2 ist der Veräußerer zur Zahlung der Prämie verpflichtet; eine Haftung des Erwerbers für die Prämie besteht nicht. § 97 Anzeige der Veräußerung (1) Die Veräußerung ist dem Versicherer vom Veräußerer oder Erwerber unverzüglich anzuzeigen. Ist die Anzeige unterblieben, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen, und der Versicherer den mit dem Veräußerer bestehenden Vertrag mit dem Erwerber nicht geschlossen hätte. (2) Abweichend von Absatz 1 Satz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, wenn ihm die Veräußerung zu dem Zeitpunkt bekannt war, zu dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen, oder wenn zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen war und er nicht gekündigt hat. § 98 Schutz des Erwerbers Der Versicherer kann sich auf eine Bestimmung des Versicherungsvertrags, durch die von den §§ 95 bis 97 zum Nachteil des Erwerbers abgewichen wird, nicht berufen. Jedoch kann für die Kündigung des Erwerbers nach § 96 Abs. 2 und die Anzeige der Veräußerung die Schriftform oder die Textform bestimmt werden.
VVG n. F.
231 § 99 Zwangsversteigerung, Erwerb des Nutzungsrechts Geht das Eigentum an der versicherten Sache im Wege der Zwangsversteigerung über oder erwirbt ein Dritter auf Grund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrags oder eines ähnlichen Verhältnisses die Berechtigung, versicherte Bodenerzeugnisse zu beziehen, sind die §§ 95 bis 98 entsprechend anzuwenden. Teil 2 Einzelne Versicherungszweige Kapitel 1 Haftpflichtversicherung Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften § 100 Leistung des Versicherers Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren. § 101 Kosten des Rechtsschutzes (1) Die Versicherung umfasst auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Die Versicherung umfasst ferner die auf Weisung des Versicherers aufgewendeten Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, welche die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnte. Der Versicherer hat die Kosten auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen. (2) Ist eine Versicherungssumme bestimmt, hat der Versicherer die Kosten eines auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreits und die Kosten der Verteidigung nach Absatz 1 Satz 2 auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit den Aufwendungen des Versicherers zur Freistellung des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme übersteigen. Dies gilt auch für Zinsen, die der Versicherungsnehmer infolge einer vom Versicherer veranlassten Verzögerung der Befriedigung des Dritten diesem schuldet. (3) Ist dem Versicherungsnehmer nachgelassen, die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, hat der Versicherer die Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zu bewirken. Diese Verpflichtung besteht nur bis zum Betrag der Versicherungssumme; ist der Versicherer nach Absatz 2 über diesen Betrag hinaus verpflichtet, tritt der Versicherungssumme der Mehrbetrag hinzu. Der Versicherer ist von der Verpflichtung nach Satz 1 frei, wenn er den Anspruch des Dritten dem Versicherungsnehmer gegenüber als begründet anerkennt.
232
Anhang § 102 Betriebshaftpflichtversicherung (1) Besteht die Versicherung für ein Unternehmen, erstreckt sie sich auf die Haftpflicht der zur Vertretung des Unternehmens befugten Personen sowie der Personen, die in einem Dienstverhältnis zu dem Unternehmen stehen. Die Versicherung gilt insoweit als für fremde Rechnung genommen. (2) Wird das Unternehmen an einen Dritten veräußert oder auf Grund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrags oder eines ähnlichen Verhältnisses von einem Dritten übernommen, tritt der Dritte an Stelle des Versicherungsnehmers in die während der Dauer seiner Berechtigung sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. § 95 Abs. 2 und 3 sowie die §§ 96 und 97 sind entsprechend anzuwenden. § 103 Herbeiführung des Versicherungsfalles Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat. § 104 Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers (1) Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer innerhalb einer Woche die Tatsachen anzuzeigen, die seine Verantwortlichkeit gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnten. Macht der Dritte seinen Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend, ist der Versicherungsnehmer zur Anzeige innerhalb einer Woche nach der Geltendmachung verpflichtet. (2) Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, Prozesskostenhilfe beantragt oder wird ihm gerichtlich der Streit verkündet, hat er dies dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Dies gilt auch, wenn gegen den Versicherungsnehmer wegen des den Anspruch begründenden Schadensereignisses ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. (3) Zur Wahrung der Fristen nach den Absätzen 1 und 2 genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige. § 30 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. § 105 Anerkenntnis des Versicherungsnehmers Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder dessen Anspruch anerkennt, ist unwirksam. § 106 Fälligkeit der Versicherungsleistung Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Anspruch des Dritten mit bindender Wirkung für den Versicherer durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist, vom Anspruch des Dritten freizustellen. Ist der Dritte von dem Versicherungsnehmer mit bindender Wirkung für den Versicherer befriedigt worden, hat der Versicherer die Entschädigung innerhalb von zwei Wo-
VVG n. F.
233 chen nach der Befriedigung des Dritten an den Versicherungsnehmer zu zahlen. Kosten, die nach § 101 zu ersetzen sind, hat der Versicherer innerhalb von zwei Wochen nach der Mitteilung der Berechnung zu zahlen. § 107 Rentenanspruch (1) Ist der Versicherungsnehmer dem Dritten zur Zahlung einer Rente verpflichtet, ist der Versicherer, wenn die Versicherungssumme den Kapitalwert der Rente nicht erreicht, nur zur Zahlung eines verhältnismäßigen Teils der Rente verpflichtet. (2) Hat der Versicherungsnehmer für die von ihm geschuldete Rente dem Dritten kraft Gesetzes Sicherheit zu leisten, erstreckt sich die Verpflichtung des Versicherers auf die Leistung der Sicherheit. Absatz 1 gilt entsprechend. § 108 Verfügung über den Freistellungsanspruch (1) Verfügungen des Versicherungsnehmers über den Freistellungsanspruch gegen den Versicherer sind dem Dritten gegenüber unwirksam. Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung gleich. (2) Die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Dritten kann nicht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen ausgeschlossen werden. § 109 Mehrere Geschädigte Ist der Versicherungsnehmer gegenüber mehreren Dritten verantwortlich und übersteigen deren Ansprüche die Versicherungssumme, hat der Versicherer diese Ansprüche nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu erfüllen. Ist hierbei die Versicherungssumme erschöpft, kann sich ein bei der Verteilung nicht Dritter nachträglich auf § 108 Abs. 1 nicht berufen, wenn der Versicherer mit der Geltendmachung dieser Ansprüche nicht gerechnet hat und auch nicht rechnen musste. § 110 Insolvenz des Versicherungsnehmers Ist über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen. § 111 Kündigung nach Versicherungsfall (1) Hat der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalles den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Freistellung anerkannt oder zu Unrecht abgelehnt, kann jede Vertragspartei das Versicherungsverhältnis kündigen. Dies gilt auch, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Weisung erteilt, es zum Rechtsstreit über den Anspruch des Dritten kommen zu lassen.
234
Anhang (2) Die Kündigung ist nur innerhalb eines Monats seit der Anerkennung oder Ablehnung des Freistellungsanspruchs oder seit der Rechtskraft des im Rechtsstreit mit dem Dritten ergangenen Urteils zulässig. § 92 Abs. 2 Satz 2 und 3 ist anzuwenden. § 112 Abweichende Vereinbarungen Von den §§ 104 und 106 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Abschnitt 2 Pflichtversicherung § 113 Pflichtversicherung (1) Eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine Verpflichtung durch Rechtsvorschrift besteht (Pflichtversicherung), ist mit einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen abzuschließen. (2) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Versicherungssumme zu bescheinigen, dass eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift entsprechende Pflichtversicherung besteht. (3) Die Vorschriften dieses Abschnittes sind auch insoweit anzuwenden, als der Versicherungsvertrag eine über die vorgeschriebenen Mindestanforderungen hinausgehende Deckung gewährt. § 114 Umfang des Versicherungsschutzes (1) Die Mindestversicherungssumme beträgt bei einer Pflichtversicherung, soweit durch Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, 250 000 Euro je Versicherungsfall und eine Million Euro für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres. (2) Der Versicherungsvertrag kann Inhalt und Umfang der Pflichtversicherung näher bestimmen, soweit dadurch die Erreichung des jeweiligen Zwecks der Pflichtversicherung nicht gefährdet wird und durch Rechtsvorschrift nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Ein Selbstbehalt des Versicherungsnehmers kann dem Anspruch des Dritten nach § 115 Abs. 1 in Verbindung mit § 117 Abs. 1 nicht entgegengehalten und gegenüber einer mitversicherten Person nicht geltend gemacht werden. § 115 Direktanspruch (1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen, 1. wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder 2. wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder 3. wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist. Der An-
VVG n. F.
235 spruch besteht im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen des § 117 Abs. 1 bis 4. Der Versicherer hat den Schadensersatz in Geld zu leisten. Der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherungsnehmer haften als Gesamtschuldner. (2) Der Anspruch nach Absatz 1 unterliegt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an. Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt. § 116 Gesamtschuldner (1) Im Verhältnis der Gesamtschuldner nach § 115 Abs. 1 Satz 4 zueinander ist der Versicherer allein verpflichtet, soweit er dem Versicherungsnehmer aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist. Soweit eine solche Verpflichtung nicht besteht, ist in ihrem Verhältnis zueinander der Versicherungsnehmer allein verpflichtet. Der Versicherer kann Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. (2) Die Verjährung der sich aus Absatz 1 ergebenden Ansprüche beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch des Dritten erfüllt wird. § 117 Leistungspflicht gegenüber Dritten (1) Dem Anspruch des Dritten nach § 115 kann nicht entgegengehalten werden, dass der Versicherer dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer nicht oder nur teilweise zur Leistung verpflichtet ist. (2) Ein Umstand, der das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, kann dem Anspruch des Dritten nach § 115 nur entgegengehalten werden, wenn das Schadensereignis später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem der Versicherer diesen Umstand der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat. Dies gilt auch, wenn das Versicherungsverhältnis durch Zeitablauf endet. Der Lauf der Frist beginnt nicht vor Beendigung des Versicherungsverhältnisses. Ein in den Sätzen 1 und 2 bezeichneter Umstand kann dem Anspruch des Dritten auch dann entgegengehalten werden, wenn vor dem Zeitpunkt des Schadensereignisses der hierfür zuständigen Stelle die Bestätigung einer entsprechend den Rechtsvorschriften abgeschlossenen neuen Versicherung zugegangen ist. Die vorstehenden Vorschriften dieses Absatzes gelten nicht, wenn eine zur Entgegennahme der Anzeige nach Satz 1 zuständige Stelle nicht bestimmt ist. (3) In den Fällen der Absätze 1 und 2 ist der Versicherer nur im Rahmen der vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme und der von ihm übernommenen Gefahr zur Leistung verpflichtet. Er ist leistungsfrei, soweit der Dritte Ersatz seines Schadens von einem anderen Schadensversicherer oder von einem Sozialversicherungsträger erlangen kann.
236
Anhang (4) Trifft die Leistungspflicht des Versicherers nach Absatz 1 oder Absatz 2 mit einer Ersatzpflicht auf Grund fahrlässiger Amtspflichtverletzung zusammen, wird die Ersatzpflicht nach § 839 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Verhältnis zum Versicherer nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Voraussetzungen für die Leistungspflicht des Versicherers vorliegen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Beamte nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs persönlich haftet. (5) Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, endet das Versicherungsverhältnis abweichend von § 16 erst mit dem Ablauf eines Monats, nachdem der Insolvenzverwalter diesen Umstand der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat; bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es der Insolvenzmasse gegenüber wirksam. Ist eine zur Entgegennahme der Anzeige nach Satz 1 zuständige Stelle nicht bestimmt, endet das Versicherungsverhältnis einen Monat nach der Benachrichtigung des Versicherungsnehmers von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens; die Benachrichtigung bedarf der Textform. § 118 Rangfolge mehrerer Ansprüche (1) Übersteigen die Ansprüche auf Entschädigung, die auf Grund desselben Schadensereignisses zu leisten ist, die Versicherungssumme, wird die Versicherungssumme nach folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, an die Ersatzberechtigten ausgezahlt: 1. für Ansprüche wegen Personenschäden, soweit die Geschädigten nicht vom Schädiger, von einem anderen Versicherer als dessen Haftpflichtversicherer, einem Sozialversicherungsträger oder einem sonstigen Dritten Ersatz ihrer Schäden erlangen können; 2. für Ansprüche wegen sonstiger Schäden natürlicher und juristischer Personen des Privatrechts, soweit die Geschädigten nicht vom Schädiger, einem anderen Versicherer als dessen Haftpflichtversicherer oder einem Dritten Ersatz ihrer Schäden erlangen können; 3. für Ansprüche, die nach Privatrecht auf Versicherer oder sonstige Dritte wegen Personen- und sonstiger Schäden übergegangen sind; 4. für Ansprüche, die auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind; 5. für alle sonstigen Ansprüche. (2) Ist die Versicherungssumme unter Berücksichtigung nachrangiger Ansprüche erschöpft, kann sich ein vorrangig zu befriedigender Anspruchsberechtigter, der bei der Verteilung nicht berücksichtigt worden ist, nachträglich auf Absatz 1 nicht berufen, wenn der Versicherer mit der Geltendmachung dieses Anspruchs nicht gerechnet hat und auch nicht rechnen musste. § 119 Obliegenheiten des Dritten (1) Der Dritte hat ein Schadensereignis, aus dem er einen Anspruch nach § 115 Abs. 1 herleiten will, dem Versicherer innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von dem Schadensereignis Kenntnis erlangt hat, in Textform anzuzeigen; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. (2) Macht der Dritte den Anspruch gegen den Versicherungsnehmer gerichtlich geltend, hat er dies dem Versicherer unverzüglich in Textform anzuzeigen. (3) Der Versicherer kann von dem Dritten Auskunft verlangen, soweit sie zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist. Belege kann der Versicherer insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Dritten billigerweise zugemutet werden kann.
VVG n. F.
237 § 120 Obliegenheitsverletzung des Dritten Verletzt der Dritte schuldhaft die Obliegenheit nach § 119 Abs. 2 oder 3, beschränkt sich die Haftung des Versicherers nach den §§ 115 und 117 auf den Betrag, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Obliegenheit zu leisten gehabt hätte, sofern der Dritte vorher ausdrücklich und in Textform auf die Folgen der Verletzung hingewiesen worden ist. § 121 Aufrechnung gegenüber Dritten § 35 ist gegenüber Dritten nicht anzuwenden. § 122 Veräußerung der von der Versicherung erfassten Sache Die §§ 95 bis 98 über die Veräußerung der versicherten Sache sind entsprechend anzuwenden. § 123 Rückgriff bei mehreren Versicherten (1) Ist bei einer Versicherung für fremde Rechnung der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber nicht zur Leistung verpflichtet, kann er dies einem Versicherten, der zur selbständigen Geltendmachung seiner Rechte aus dem Versicherungsvertrag befugt ist, nur entgegenhalten, wenn die der Leistungsfreiheit zu Grunde liegenden Umstände in der Person dieses Versicherten vorliegen oder wenn diese Umstände dem Versicherten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt waren. (2) Der Umfang der Leistungspflicht nach Absatz 1 bestimmt sich nach § 117 Abs. 3 Satz 1; § 117 Abs. 3 Satz 2 ist nicht anzuwenden. § 117 Abs. 4 ist entsprechend anzuwenden. (3) Soweit der Versicherer nach Absatz 1 leistet, kann er beim Versicherungsnehmer Rückgriff nehmen. (4) Die Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn die Frist nach § 117 Abs. 2 Satz 1 und 2 noch nicht abgelaufen ist oder der Versicherer die Beendigung des Versicherungsverhältnisses der hierfür zuständigen Stelle nicht angezeigt hat. § 124 Rechtskrafterstreckung (1) Soweit durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem Dritten ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht, wirkt das Urteil, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherungsnehmer ergeht, auch zugunsten des Versicherers. (2) Ist der Anspruch des Dritten gegenüber dem Versicherer durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden, muss der Versicherungsnehmer, gegen den von dem Versicherer Ansprüche auf Grund des § 116 Abs. 1 Satz 2 geltend gemacht werden, diese Feststellung gegen sich gelten lassen, es sei denn, der Versicherer hat die Pflicht zur Abwehr unbegründeter Entschädigungsansprüche sowie zur Minderung oder zur sachgemäßen Feststellung des Schadens schuldhaft verletzt.
238
Anhang Kapitel 2 Rechtsschutzversicherung § 125 Leistung des Versicherers Bei der Rechtsschutzversicherung ist der Versicherer verpflichtet, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen. § 126 Schadensabwicklungsunternehmen (1) Werden Gefahren aus dem Bereich der Rechtsschutzversicherung neben anderen Gefahren versichert, müssen im Versicherungsschein der Umfang der Deckung in der Rechtsschutzversicherung und die hierfür zu entrichtende Prämie gesondert ausgewiesen werden. Beauftragt der Versicherer mit der Leistungsbearbeitung ein selbständiges Schadensabwicklungsunternehmen, ist dieses im Versicherungsschein zu bezeichnen. (2) Ansprüche auf die Versicherungsleistung aus einem Vertrag über eine Rechtsschutzversicherung können, wenn ein selbständiges Schadensabwicklungsunternehmen mit der Leistungsbearbeitung beauftragt ist, nur gegen dieses geltend gemacht werden. Der Titel wirkt für und gegen den Rechtsschutzversicherer. § 727 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden. § 127 Freie Anwaltswahl (1) Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, aus dem Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütung der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag trägt, frei zu wählen. Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die sonstige Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Anspruch nehmen kann. (2) Rechtsanwalt ist auch, wer berechtigt ist, unter einer der in der Anlage zu § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9. März 2000 (BGBl. I S. 182, 1349), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Oktober 2003 (BGBl. I S. 2074) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung genannten Bezeichnungen beruflich tätig zu werden. § 128 Gutachterverfahren Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, hat der Versicherungsvertrag ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorzusehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungspflicht hierauf hinzuweisen. Sieht der Versicherungsvertrag kein derartiges Ver-
VVG n. F.
239 fahren vor oder unterlässt der Versicherer den Hinweis, gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt. § 129 Abweichende Vereinbarungen Von den §§ 126 bis 128 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Kapitel 3 Transportversicherung § 130 Umfang der Gefahrtragung (1) Bei der Versicherung von Gütern gegen die Gefahren der Beförderung zu Lande oder auf Binnengewässern sowie der damit verbundenen Lagerung trägt der Versicherer alle Gefahren, denen die Güter während der Dauer der Versicherung ausgesetzt sind. (2) Bei der Versicherung eines Schiffes gegen die Gefahren der Binnenschifffahrt trägt der Versicherer alle Gefahren, denen das Schiff während der Dauer der Versicherung ausgesetzt ist. Der Versicherer haftet auch für den Schaden, den der Versicherungsnehmer infolge eines Zusammenstoßes von Schiffen oder eines Schiffes mit festen oder schwimmenden Gegenständen dadurch erleidet, dass er den einem Dritten zugefügten Schaden zu ersetzen hat. (3) Die Versicherung gegen die Gefahren der Binnenschifffahrt umfasst die Beiträge zur großen Haverei, soweit durch die Haverei-Maßnahme ein vom Versicherer zu ersetzender Schaden abgewendet werden sollte. § 131 Verletzung der Anzeigepflicht (1) Abweichend von § 19 Abs. 2 ist bei Verletzung der Anzeigepflicht der Rücktritt des Versicherers ausgeschlossen; der Versicherer kann innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an, zu dem er Kenntnis von dem nicht oder unrichtig angezeigten Umstand erlangt hat, den Vertrag kündigen und die Leistung verweigern. Der Versicherer bleibt zur Leistung verpflichtet, soweit der nicht oder unrichtig angezeigte Umstand nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war. (2) Verweigert der Versicherer die Leistung, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, zu welchem dem Versicherungsnehmer die Entscheidung des Versicherers, die Leistung zu verweigern, zugeht. § 132 Gefahränderung (1) Der Versicherungsnehmer darf abweichend von § 23 die Gefahr erhöhen oder in anderer Weise ändern und die Änderung durch einen Dritten gestatten. Die Änderung hat er dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen.
240
Anhang (2) Hat der Versicherungsnehmer eine Gefahrerhöhung nicht angezeigt, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen. Er ist zur Leistung verpflichtet, 1. wenn ihm die Gefahrerhöhung zu dem Zeitpunkt bekannt war, zu dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen, 2. wenn die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt worden ist oder 3. soweit die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war. (3) Der Versicherer ist abweichend von § 24 nicht berechtigt, den Vertrag wegen einer Gefahrerhöhung zu kündigen. § 133 Vertragswidrige Beförderung (1) Werden die Güter mit einem Beförderungsmittel anderer Art befördert als vereinbart oder werden sie umgeladen, obwohl direkter Transport vereinbart ist, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. Dies gilt auch, wenn ausschließlich ein bestimmtes Beförderungsmittel oder ein bestimmter Transportweg vereinbart ist. (2) Der Versicherer bleibt zur Leistung verpflichtet, wenn nach Beginn der Versicherung die Beförderung ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers oder infolge eines versicherten Ereignisses geändert oder aufgegeben wird. § 132 ist anzuwenden. (3) Die Versicherung umfasst in den Fällen des Absatzes 2 die Kosten der Umladung oder der einstweiligen Lagerung sowie die Mehrkosten der Weiterbeförderung. § 134 Ungeeignete Beförderungsmittel (1) Ist für die Beförderung der Güter kein bestimmtes Beförderungsmittel vereinbart, ist der Versicherungsnehmer, soweit er auf dessen Auswahl Einfluss hat, verpflichtet, Beförderungsmittel einzusetzen, die für die Aufnahme und Beförderung der Güter geeignet sind. (2) Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich oder grob fahrlässig, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, die Verletzung war nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht. (3) Erlangt der Versicherungsnehmer Kenntnis von der mangelnden Eignung des Beförderungsmittels, hat er diesen Umstand dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. § 132 ist anzuwenden. § 135 Aufwendungsersatz (1) Aufwendungen, die dem Versicherungsnehmer zur Abwendung oder Minderung des Schadens entstehen, sowie die Kosten für die Ermittlung und Feststellung des Schadens hat der Versicherer auch insoweit zu erstatten, als sie zusammen mit der übrigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen. (2) Sind Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung oder zur Ermittlung und Feststellung des Schadens oder zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der durch einen Versicherungsfall beschädigten Sache gemacht oder Beiträge zur großen Haverei geleistet oder ist eine persönliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Entrichtung solcher Beiträge entstan-
VVG n. F.
241 den, hat der Versicherer den Schaden, der durch einen späteren Versicherungsfall verursacht wird, ohne Rücksicht auf die von ihm zu erstattenden früheren Aufwendungen und Beiträge zu ersetzen. § 136 Versicherungswert (1) Als Versicherungswert der Güter gilt der gemeine Handelswert und in dessen Ermangelung der gemeine Wert, den die Güter am Ort der Absendung bei Beginn der Versicherung haben, zuzüglich der Versicherungskosten, der Kosten, die bis zur Annahme der Güter durch den Beförderer entstehen, und der endgültig bezahlten Fracht. (2) Der sich nach Absatz 1 ergebende Wert gilt auch bei Eintritt des Versicherungsfalles als Versicherungswert. (3) Bei Gütern, die beschädigt am Ablieferungsort ankommen, ist der Wert, den sie dort in beschädigtem Zustand haben, von dem Wert abzuziehen, den sie an diesem Ort in unbeschädigtem Zustand hätten. Der dem Verhältnis der Wertminderung zu ihrem Wert in unbeschädigtem Zustand entsprechende Bruchteil des Versicherungswertes gilt als Betrag des Schadens. § 137 Herbeiführung des Versicherungsfalles (1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig den Versicherungsfall herbeiführt. (2) Der Versicherungsnehmer hat das Verhalten der Schiffsbesatzung bei der Führung des Schiffes nicht zu vertreten. § 138 Haftungsausschluss bei Schiffen Bei der Versicherung eines Schiffes ist der Versicherer nicht zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, der daraus entsteht, dass das Schiff in einem nicht fahrtüchtigen Zustand oder nicht ausreichend ausgerüstet oder personell ausgestattet die Reise antritt. Dies gilt auch für einen Schaden, der nur eine Folge der Abnutzung des Schiffes in gewöhnlichem Gebrauch ist. § 139 Veräußerung der versicherten Sache oder Güter (1) Ist eine versicherte Sache, für die eine Einzelpolice oder ein Versicherungszertifikat ausgestellt worden ist, veräußert worden, haftet der Erwerber abweichend von § 95 nicht für die Prämie. Der Versicherer kann sich gegenüber dem Erwerber nicht auf Leistungsfreiheit wegen Nichtzahlung der Prämie oder wegen Nichtleistung einer Sicherheit berufen, es sei denn, der Erwerber kannte den Grund für die Leistungsfreiheit oder hätte ihn kennen müssen. (2) Der Versicherer ist abweichend von § 96 nicht berechtigt, das Versicherungsverhältnis wegen Veräußerung der versicherten Güter zu kündigen. (3) Der Versicherungsnehmer ist abweichend von § 97 nicht verpflichtet, dem Versicherer die Veräußerung anzuzeigen.
242
Anhang § 140 Veräußerung des versicherten Schiffes Wird ein versichertes Schiff veräußert, endet abweichend von § 95 die Versicherung mit der Übergabe des Schiffes an den Erwerber, für unterwegs befindliche Schiffe mit der Übergabe an den Erwerber im Bestimmungshafen. § 141 Befreiung durch Zahlung der Versicherungssumme (1) Der Versicherer ist nach Eintritt des Versicherungsfalles berechtigt, sich durch Zahlung der Versicherungssumme von allen weiteren Verbindlichkeiten zu befreien. Der Versicherer bleibt zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die zur Abwendung oder Minderung des Schadens oder zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der versicherten Sache aufgewendet worden sind, bevor seine Erklärung, dass er sich durch Zahlung der Versicherungssumme befreien wolle, dem Versicherungsnehmer zugegangen ist. (2) Das Recht des Versicherers, sich durch Zahlung der Versicherungssumme zu befreien, erlischt, wenn die Erklärung dem Versicherungsnehmer nicht innerhalb einer Woche nach dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer Kenntnis von dem Versicherungsfall und seinen unmittelbaren Folgen erlangt hat, zugeht. Kapitel 4 Gebäudefeuerversicherung § 142 Anzeigen an Hypothekengläubiger (1) Bei der Gebäudefeuerversicherung hat der Versicherer einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, unverzüglich in Textform anzuzeigen, wenn die einmalige oder die erste Prämie nicht rechtzeitig gezahlt oder wenn dem Versicherungsnehmer für die Zahlung einer Folgeprämie eine Frist bestimmt wird. Dies gilt auch, wenn das Versicherungsverhältnis nach Ablauf der Frist wegen unterbliebener Zahlung der Folgeprämie gekündigt wird. (2) Der Versicherer hat den Eintritt des Versicherungsfalles innerhalb einer Woche, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, in Textform anzuzeigen, es sei denn, der Schaden ist unbedeutend. § 143 Fortdauer der Leistungspflicht gegenüber Hypothekengläubigern (1) Bei nicht rechtzeitiger Zahlung einer Folgeprämie bleibt der Versicherer gegenüber einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, bis zum Ablauf eines Monats ab dem Zeitpunkt zur Leistung verpflichtet, zu welchem dem Hypothekengläubiger die Bestimmung der Zahlungsfrist oder, wenn diese Mitteilung unterblieben ist, die Kündigung mitgeteilt worden ist. (2) Die Beendigung des Versicherungsverhältnisses wird gegenüber einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, erst mit dem Ablauf von zwei Monaten wirksam, nachdem ihm die Beendigung und, sofern diese noch nicht eingetreten war, der Zeitpunkt der
VVG n. F.
243 Beendigung durch den Versicherer mitgeteilt worden ist oder er auf andere Weise hiervon Kenntnis erlangt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn das Versicherungsverhältnis wegen unterbliebener Prämienzahlung durch Rücktritt oder Kündigung des Versicherers oder durch Kündigung des Versicherungsnehmers, welcher der Hypothekengläubiger zugestimmt hat, beendet wird. (3) Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend für die Wirksamkeit einer Vereinbarung zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer, durch die der Umfang des Versicherungsschutzes gemindert wird oder nach welcher der Versicherer nur verpflichtet ist, die Entschädigung zur Wiederherstellung des versicherten Gebäudes zu zahlen. (4) Die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags kann gegenüber einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, nicht geltend gemacht werden. Das Versicherungsverhältnis endet jedoch ihm gegenüber nach Ablauf von zwei Monaten, nachdem ihm die Nichtigkeit durch den Versicherer mitgeteilt worden ist oder er auf andere Weise von der Nichtigkeit Kenntnis erlangt hat. § 144 Kündigung des Versicherungsnehmers Hat ein Hypothekengläubiger seine Hypothek angemeldet, ist eine Kündigung des Versicherungsverhältnisses durch den Versicherungsnehmer unbeschadet des § 92 Abs. 1 und des § 96 Abs. 2 nur wirksam, wenn der Versicherungsnehmer mindestens einen Monat vor Ablauf des Versicherungsvertrags nachgewiesen hat, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung spätestens zulässig war, das Grundstück nicht mit der Hypothek belastet war oder dass der Hypothekengläubiger der Kündigung zugestimmt hat. Die Zustimmung darf nicht ohne ausreichenden Grund verweigert werden. § 145 Übergang der Hypothek Soweit der Versicherer den Hypothekengläubiger nach § 143 befriedigt, geht die Hypothek auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil eines gleich- oder nachstehenden Hypothekengläubigers geltend gemacht werden, dem gegenüber die Leistungspflicht des Versicherers bestehen geblieben ist. § 146 Bestätigungs- und Auskunftspflicht des Versicherers Der Versicherer ist verpflichtet, einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, die Anmeldung zu bestätigen und auf Verlangen Auskunft über das Bestehen von Versicherungsschutz sowie über die Höhe der Versicherungssumme zu erteilen. § 147 Änderung von Anschrift und Name des Hypothekengläubigers Hat der Hypothekengläubiger dem Versicherer eine Änderung seiner Anschrift oder seines Namens nicht mitgeteilt, ist § 13 Abs. 1 auf die Anzeigen und Mitteilungen des Versicherers nach den §§ 142 und 143 entsprechend anzuwenden.
244
Anhang § 148 Andere Grundpfandrechte Ist das Grundstück mit einer Grundschuld, Rentenschuld oder Reallast belastet, sind die §§ 142 bis 147 entsprechend anzuwenden. § 149 Eigentümergrundpfandrechte Die durch die §§ 142 bis 148 begründeten Rechte können nicht zugunsten von Hypotheken, Grundschulden oder Rentenschulden, die dem Versicherungsnehmer zustehen, geltend gemacht werden. Kapitel 5 Lebensversicherung § 150 Versicherte Person (1) Die Lebensversicherung kann auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines anderen genommen werden. (2) Wird die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen genommen und übersteigt die vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten, ist zur Wirksamkeit des Vertrags die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich; dies gilt nicht bei Kollektivlebensversicherungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Ist der andere geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt oder ist für ihn ein Betreuer bestellt und steht die Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem Versicherungsnehmer zu, kann dieser den anderen bei der Erteilung der Einwilligung nicht vertreten. (3) Nimmt ein Elternteil die Versicherung auf die Person eines minderjährigen Kindes, bedarf es der Einwilligung des Kindes nur, wenn nach dem Vertrag der Versicherer auch bei Eintritt des Todes vor der Vollendung des siebenten Lebensjahres zur Leistung verpflichtet sein soll und die für diesen Fall vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten übersteigt. (4) Soweit die Aufsichtsbehörde einen bestimmten Höchstbetrag für die gewöhnlichen Beerdigungskosten festgesetzt hat, ist dieser maßgebend. § 151 Ärztliche Untersuchung Durch die Vereinbarung einer ärztlichen Untersuchung der versicherten Person wird ein Recht des Versicherers, die Vornahme der Untersuchung zu verlangen, nicht begründet. § 152 Widerruf des Versicherungsnehmers (1) Abweichend von § 8 Abs. 1 Satz 1 beträgt die Widerrufsfrist 30 Tage. (2) Der Versicherer hat abweichend von § 9 Satz 1 auch den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 zu zahlen. Im Fall des § 9 Satz 2 hat der Versicherer den Rück-
VVG n. F.
245 kaufswert einschließlich der Überschussanteile oder, wenn dies für den Versicherungsnehmer günstiger ist, die für das erste Jahr gezahlten Prämien zu erstatten. (3) Abweichend von § 33 Abs. 1 ist die einmalige oder die erste Prämie unverzüglich nach Ablauf von 30 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen. § 153 Überschussbeteiligung (1) Dem Versicherungsnehmer steht eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen; die Überschussbeteiligung kann nur insgesamt ausgeschlossen werden. (2) Der Versicherer hat die Beteiligung an dem Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchzuführen; andere vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze können vereinbart werden. (3) Der Versicherer hat die Bewertungsreserven jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. Bei der Beendigung des Vertrags wird der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zugeteilt und an den Versicherungsnehmer ausgezahlt; eine frühere Zuteilung kann vereinbart werden. Aufsichtsrechtliche Regelungen zur Kapitalausstattung bleiben unberührt. (4) Bei Rentenversicherungen ist die Beendigung der Ansparphase der nach Absatz 3 Satz 2 maßgebliche Zeitpunkt. § 154 Modellrechnung (1) Macht der Versicherer im Zusammenhang mit dem Angebot oder dem Abschluss einer Lebensversicherung bezifferte Angaben zur Höhe von möglichen Leistungen über die vertraglich garantierten Leistungen hinaus, hat er dem Versicherungsnehmer eine Modellrechnung zu übermitteln, bei der die mögliche Ablaufleistung unter Zugrundelegung der Rechnungsgrundlagen für die Prämienkalkulation mit drei verschiedenen Zinssätzen dargestellt wird. Dies gilt nicht für Risikoversicherungen und Verträge, die Leistungen der in § 54b Abs. 1 und 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bezeichneten Art vorsehen. (2) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer klar und verständlich darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Modellrechnung nur um ein Rechenmodell handelt, dem fiktive Annahmen zu Grunde liegen, und dass der Versicherungsnehmer aus der Modellrechnung keine vertraglichen Ansprüche gegen den Versicherer ableiten kann. § 155 Jährliche Unterrichtung Bei Versicherungen mit Überschussbeteiligung hat der Versicherer den Versicherungsnehmer jährlich in Textform über die Entwicklung seiner Ansprüche unter Einbeziehung der Überschussbeteiligung zu unterrichten. Ferner hat der Versicherer, wenn er bezifferte Angaben zur möglichen zukünftigen Entwicklung der Überschussbeteiligung gemacht hat, den Versicherungsnehmer auf Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von den anfänglichen Angaben hinzuweisen.
246
Anhang § 156 Kenntnis und Verhalten der versicherten Person Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, ist bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch deren Kenntnis und Verhalten zu berücksichtigen. § 157 Unrichtige Altersangabe Ist das Alter der versicherten Person unrichtig angegeben worden, verändert sich die Leistung des Versicherers nach dem Verhältnis, in welchem die dem wirklichen Alter entsprechende Prämie zu der vereinbarten Prämie steht. Das Recht, wegen der Verletzung der Anzeigepflicht von dem Vertrag zurückzutreten, steht dem Versicherer abweichend von § 19 Abs. 2 nur zu, wenn er den Vertrag bei richtiger Altersangabe nicht geschlossen hätte. § 158 Gefahränderung (1) Als Erhöhung der Gefahr gilt nur eine solche Änderung der Gefahrumstände, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen werden soll; die Vereinbarung bedarf der Textform. (2) Eine Erhöhung der Gefahr kann der Versicherer nicht mehr geltend machen, wenn seit der Erhöhung fünf Jahre verstrichen sind. Hat der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 vorsätzlich oder arglistig verletzt, beläuft sich die Frist auf zehn Jahre. (3) § 41 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Herabsetzung der Prämie nur wegen einer solchen Minderung der Gefahrumstände verlangt werden kann, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrminderung angesehen werden soll. § 159 Bezugsberechtigung (1) Der Versicherungsnehmer ist im Zweifel berechtigt, ohne Zustimmung des Versicherers einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen sowie an die Stelle des so bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen. (2) Ein widerruflich als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter erwirbt das Recht auf die Leistung des Versicherers erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles. (3) Ein unwiderruflich als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter erwirbt das Recht auf die Leistung des Versicherers bereits mit der Bezeichnung als Bezugsberechtigter. § 160 Auslegung der Bezugsberechtigung (1) Sind mehrere Personen ohne Bestimmung ihrer Anteile als Bezugsberechtigte bezeichnet, sind sie zu gleichen Teilen bezugsberechtigt. Der von einem Bezugsberechtigten nicht erworbene Anteil wächst den übrigen Bezugsberechtigten zu. (2) Soll die Leistung des Versicherers nach dem Tod des Versicherungsnehmers an dessen Erben erfolgen, sind im Zweifel diejenigen, welche zur Zeit des Todes als Erben berufen sind,
VVG n. F.
247 nach dem Verhältnis ihrer Erbteile bezugsberechtigt. Eine Ausschlagung der Erbschaft hat auf die Berechtigung keinen Einfluss. (3) Wird das Recht auf die Leistung des Versicherers von dem bezugsberechtigten Dritten nicht erworben, steht es dem Versicherungsnehmer zu. (4) Ist der Fiskus als Erbe berufen, steht ihm ein Bezugsrecht im Sinn des Absatzes 2 Satz 1 nicht zu. § 161 Selbsttötung (1) Bei einer Versicherung für den Todesfall ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn die versicherte Person sich vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Versicherungsvertrags vorsätzlich selbst getötet hat. Dies gilt nicht, wenn die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist. (2) Die Frist nach Absatz 1 Satz 1 kann durch Einzelvereinbarung erhöht werden. (3) Ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, hat er den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 zu zahlen. § 162 Tötung durch Leistungsberechtigten (1) Ist die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen als des Versicherungsnehmers genommen, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod des anderen herbeiführt. (2) Ist ein Dritter als Bezugsberechtigter bezeichnet, gilt die Bezeichnung als nicht erfolgt, wenn der Dritte vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod der versicherten Person herbeiführt. § 163 Prämien- und Leistungsänderung (1) Der Versicherer ist zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie berechtigt, wenn 1. sich der Leistungsbedarf nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar gegenüber den Rechnungsgrundlagen der vereinbarten Prämie geändert hat, 2. die nach den berichtigten Rechnungsgrundlagen neu festgesetzte Prämie angemessen und erforderlich ist, um die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsleistung zu gewährleisten, und 3. ein unabhängiger Treuhänder die Rechnungsgrundlagen und die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 überprüft und bestätigt hat. Eine Neufestsetzung der Prämie ist insoweit ausgeschlossen, als die Versicherungsleistungen zum Zeitpunkt der Erst- oder Neukalkulation unzureichend kalkuliert waren und ein ordentlicher und gewissenhafter Aktuar dies insbesondere anhand der zu diesem Zeitpunkt verfügbaren statistischen Kalkulationsgrundlagen hätte erkennen müssen. (2) Der Versicherungsnehmer kann verlangen, dass an Stelle einer Erhöhung der Prämie nach Absatz 1 die Versicherungsleistung entsprechend herabgesetzt wird. Bei einer prämienfreien Versicherung ist der Versicherer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 zur Herabsetzung der Versicherungsleistung berechtigt.
248
Anhang (3) Die Neufestsetzung der Prämie und die Herabsetzung der Versicherungsleistung werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Herabsetzung und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. (4) Die Mitwirkung des Treuhänders nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 entfällt, wenn die Neufestsetzung oder die Herabsetzung der Versicherungsleistung der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf. § 164 Bedingungsanpassung (1) Ist eine Bestimmung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers durch höchstrichterliche Entscheidung oder durch bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärt worden, kann sie der Versicherer durch eine neue Regelung ersetzen, wenn dies zur Fortführung des Vertrags notwendig ist oder wenn das Festhalten an dem Vertrag ohne neue Regelung für eine Vertragspartei auch unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde. Die neue Regelung ist nur wirksam, wenn sie unter Wahrung des Vertragsziels die Belange der Versicherungsnehmer angemessen berücksichtigt. (2) Die neue Regelung nach Absatz 1 wird zwei Wochen, nachdem die neue Regelung und die hierfür maßgeblichen Gründe dem Versicherungsnehmer mitgeteilt worden sind, Vertragsbestandteil. § 165 Prämienfreie Versicherung (1) Der Versicherungsnehmer kann jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung verlangen, sofern die dafür vereinbarte Mindestversicherungsleistung erreicht wird. Wird diese nicht erreicht, hat der Versicherer den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 zu zahlen. (2) Die prämienfreie Leistung ist nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation unter Zugrundelegung des Rückkaufswertes nach § 169 Abs. 3 bis 5 zu berechnen und im Vertrag für jedes Versicherungsjahr anzugeben. (3) Die prämienfreie Leistung ist für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode unter Berücksichtigung von Prämienrückständen zu berechnen. Die Ansprüche des Versicherungsnehmers aus der Überschussbeteiligung bleiben unberührt. § 166 Kündigung des Versicherers (1) Kündigt der Versicherer das Versicherungsverhältnis, wandelt sich mit der Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um. Auf die Umwandlung ist § 165 anzuwenden. (2) Im Fall des § 38 Abs. 2 ist der Versicherer zu der Leistung verpflichtet, die er erbringen müsste, wenn sich mit dem Eintritt des Versicherungsfalles die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte.
VVG n. F.
249 (3) Bei der Bestimmung einer Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 hat der Versicherer auf die eintretende Umwandlung der Versicherung hinzuweisen. (4) Bei einer Lebensversicherung, die vom Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgeschlossen worden ist, hat der Versicherer die versicherte Person über die Bestimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 und die eintretende Umwandlung der Versicherung in Textform zu informieren und ihnen eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Monaten einzuräumen. § 167 Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung kann jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlangen, die den Anforderungen des § 851c Abs. 1 der Zivilprozessordnung entspricht. Die Kosten der Umwandlung hat der Versicherungsnehmer zu tragen. § 168 Kündigung des Versicherungsnehmers (1) Sind laufende Prämien zu zahlen, kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen. (2) Bei einer Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist, steht das Kündigungsrecht dem Versicherungsnehmer auch dann zu, wenn die Prämie in einer einmaligen Zahlung besteht. (3) Die Absätze 1 und 2 sind nicht auf einen für die Altersvorsorge bestimmten Versicherungsvertrag anzuwenden, bei dem der Versicherungsnehmer mit dem Versicherer eine Verwertung vor dem Eintritt in den Ruhestand ausgeschlossen hat; der Wert der vom Ausschluss der Verwertbarkeit betroffenen Ansprüche darf die in § 12 Abs. 2 Nr. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bestimmten Beträge nicht übersteigen. § 169 Rückkaufswert (1) Wird eine Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist, durch Kündigung des Versicherungsnehmers oder durch Rücktritt oder Anfechtung des Versicherers aufgehoben, hat der Versicherer den Rückkaufswert zu zahlen. (2) Der Rückkaufswert ist nur insoweit zu zahlen, als dieser die Leistung bei einem Versicherungsfall zum Zeitpunkt der Kündigung nicht übersteigt. Der danach nicht gezahlte Teil des Rückkaufswertes ist für eine prämienfreie Versicherung zu verwenden. Im Fall des Rücktrittes oder der Anfechtung ist der volle Rückkaufswert zu zahlen. (3) Der Rückkaufswert ist das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung, bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses jedoch mindestens der Betrag des Deckungskapitals, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt; die aufsichtsrechtlichen Regelungen über Höchstzillmersätze bleiben unberührt. Der
250
Anhang Rückkaufswert und das Ausmaß, in dem er garantiert ist, sind dem Versicherungsnehmer vor Abgabe von dessen Vertragserklärung mitzuteilen; das Nähere regelt die Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 2. Hat der Versicherer seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, kann er für die Berechnung des Rückkaufswertes an Stelle des Deckungskapitals den in diesem Staat vergleichbaren anderen Bezugswert zu Grunde legen. (4) Bei fondsgebundenen Versicherungen und anderen Versicherungen, die Leistungen der in § 54b des Versicherungsaufsichtsgesetzes bezeichneten Art vorsehen, ist der Rückkaufswert nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik als Zeitwert der Versicherung zu berechnen, soweit nicht der Versicherer eine bestimmte Leistung garantiert; im Übrigen gilt Absatz 3. Die Grundsätze der Berechnung sind im Vertrag anzugeben. (5) Der Versicherer ist zu einem Abzug von dem nach Absatz 3 oder 4 berechneten Betrag nur berechtigt, wenn er vereinbart, beziffert und angemessen ist. Die Vereinbarung eines Abzugs für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten ist unwirksam. (6) Der Versicherer kann den nach Absatz 3 berechneten Betrag angemessen herabsetzen, soweit dies erforderlich ist, um eine Gefährdung der Belange der Versicherungsnehmer, insbesondere durch eine Gefährdung der dauernden Erfüllbarkeit der sich aus den Versicherungsverträgen ergebenden Verpflichtungen, auszuschließen. Die Herabsetzung ist jeweils auf ein Jahr befristet. (7) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer zusätzlich zu dem nach den Absätzen 3 bis 6 berechneten Betrag die diesem bereits zugeteilten Überschussanteile, soweit sie nicht bereits in dem Betrag nach den Absätzen 3 bis 6 enthalten sind, sowie den nach den jeweiligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Fall der Kündigung vorgesehenen Schlussüberschussanteil zu zahlen; § 153 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt. § 170 Eintrittsrecht (1) Wird in die Versicherungsforderung ein Arrest vollzogen oder eine Zwangsvollstreckung vorgenommen oder wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers eröffnet, kann der namentlich bezeichnete Bezugsberechtigte mit Zustimmung des Versicherungsnehmers an seiner Stelle in den Versicherungsvertrag eintreten. Tritt der Bezugsberechtigte ein, hat er die Forderungen der betreibenden Gläubiger oder der Insolvenzmasse bis zur Höhe des Betrags zu befriedigen, dessen Zahlung der Versicherungsnehmer im Fall der Kündigung des Versicherungsverhältnisses vom Versicherer verlangen könnte. (2) Ist ein Bezugsberechtigter nicht oder nicht namentlich bezeichnet, steht das gleiche Recht dem Ehegatten oder Lebenspartner und den Kindern des Versicherungsnehmers zu. (3) Der Eintritt erfolgt durch Anzeige an den Versicherer. Die Anzeige kann nur innerhalb eines Monats erfolgen, nachdem der Eintrittsberechtigte von der Pfändung Kenntnis erlangt hat oder das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. § 171 Abweichende Vereinbarungen Von § 152 Abs. 1 und 2 und den §§ 153 bis 155, 157, 158, 161 und 163 bis 170 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers, der versicherten Person oder des Eintrittsberechtigten abgewichen werden. Für das Verlangen des Versicherungsnehmers auf Umwandlung nach
VVG n. F.
251 § 165 und für seine Kündigung nach § 168 kann die Schrift- oder die Textform vereinbart werden. Kapitel 6 Berufsunfähigkeitsversicherung § 172 Leistung des Versicherers (1) Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Versicherer verpflichtet, für eine nach Beginn der Versicherung eingetretene Berufsunfähigkeit die vereinbarten Leistungen zu erbringen. (2) Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann. (3) Als weitere Voraussetzung einer Leistungspflicht des Versicherers kann vereinbart werden, dass die versicherte Person auch keine andere Tätigkeit ausübt oder ausüben kann, die zu übernehmen sie auf Grund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. § 173 Anerkenntnis (1) Der Versicherer hat nach einem Leistungsantrag bei Fälligkeit in Textform zu erklären, ob er seine Leistungspflicht anerkennt. (2) Das Anerkenntnis darf nur einmal zeitlich begrenzt werden. Es ist bis zum Ablauf der Frist bindend. § 174 Leistungsfreiheit (1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat. (2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei. § 175 Abweichende Vereinbarungen Von den §§ 173 und 174 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.
252
Anhang § 176 Anzuwendende Vorschriften Die §§ 150 bis 170 sind auf die Berufsunfähigkeitsversicherung entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten dieser Versicherung nicht entgegenstehen. § 177 Ähnliche Versicherungsverträge (1) Die §§ 173 bis 176 sind auf alle Versicherungsverträge, bei denen der Versicherer für eine dauerhafte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eine Leistung verspricht, entsprechend anzuwenden. (2) Auf die Unfallversicherung sowie auf Krankenversicherungsverträge, die das Risiko der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit zum Gegenstand haben, ist Absatz 1 nicht anzuwenden. Kapitel 7 Unfallversicherung § 178 Leistung des Versicherers (1) Bei der Unfallversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei einem Unfall der versicherten Person oder einem vertraglich dem Unfall gleichgestellten Ereignis die vereinbarten Leistungen zu erbringen. (2) Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Die Unfreiwilligkeit wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet. § 179 Versicherte Person (1) Die Unfallversicherung kann für den Eintritt eines Unfalles des Versicherungsnehmers oder eines anderen genommen werden. Eine Versicherung gegen Unfälle eines anderen gilt im Zweifel als für Rechnung des anderen genommen. (2) Wird die Versicherung gegen Unfälle eines anderen von dem Versicherungsnehmer für eigene Rechnung genommen, ist zur Wirksamkeit des Vertrags die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich. Ist der andere geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt oder ist für ihn ein Betreuer bestellt und steht die Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem Versicherungsnehmer zu, kann dieser den anderen bei der Erteilung der Einwilligung nicht vertreten. (3) Soweit im Fall des Absatzes 2 nach diesem Gesetz die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, sind auch die Kenntnis und das Verhalten des anderen zu berücksichtigen.
VVG n. F.
253 § 180 Invalidität Der Versicherer schuldet die für den Fall der Invalidität versprochenen Leistungen im vereinbarten Umfang, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist. Eine Beeinträchtigung ist dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung dieses Zustandes nicht erwartet werden kann. § 181 Gefahrerhöhung (1) Als Erhöhung der Gefahr gilt nur eine solche Änderung der Umstände, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen werden soll; die Vereinbarung bedarf der Textform. (2) Ergeben sich im Fall einer erhöhten Gefahr nach dem geltenden Tarif des Versicherers bei unveränderter Prämie niedrigere Versicherungsleistungen, gelten diese mit Ablauf eines Monats nach Eintritt der Gefahrerhöhung als vereinbart. Weitergehende Rechte kann der Versicherer nur geltend machen, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung arglistig nicht angezeigt hat. § 182 Mitwirkende Ursachen Ist vereinbart, dass der Anspruch auf die vereinbarten Leistungen entfällt oder sich mindert, wenn Krankheiten oder Gebrechen bei der durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt haben, hat der Versicherer die Voraussetzungen des Wegfalles oder der Minderung des Anspruchs nachzuweisen. § 183 Herbeiführung des Versicherungsfalles (1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn im Fall des § 179 Abs. 2 der Versicherungsnehmer vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Versicherungsfall herbeiführt. (2) Ist ein Dritter als Bezugsberechtigter bezeichnet, gilt die Bezeichnung als nicht erfolgt, wenn der Dritte vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Versicherungsfall herbeiführt. § 184 Abwendung und Minderung des Schadens Die §§ 82 und 83 sind auf die Unfallversicherung nicht anzuwenden. § 185 Bezugsberechtigung Ist als Leistung des Versicherers die Zahlung eines Kapitals vereinbart, sind die §§ 159 und 160 entsprechend anzuwenden.
254
Anhang § 186 Hinweispflicht des Versicherers Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen. § 187 Anerkenntnis (1) Der Versicherer hat nach einem Leistungsantrag innerhalb eines Monats nach Vorlage der zu dessen Beurteilung erforderlichen Unterlagen in Textform zu erklären, ob und in welchem Umfang er seine Leistungspflicht anerkennt. Wird eine Invaliditätsleistung beantragt, beträgt die Frist drei Monate. (2) Erkennt der Versicherer den Anspruch an oder haben sich Versicherungsnehmer und Versicherer über Grund und Höhe des Anspruchs geeinigt, wird die Leistung innerhalb von zwei Wochen fällig. Steht die Leistungspflicht nur dem Grunde nach fest, hat der Versicherer auf Verlangen des Versicherungsnehmers einen angemessenen Vorschuss zu leisten. § 188 Neubemessung der Invalidität (1) Sind Leistungen für den Fall der Invalidität vereinbart, ist jede Vertragspartei berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahre nach Eintritt des Unfalles, neu bemessen zu lassen. In der Kinderunfallversicherung kann die Frist, innerhalb derer eine Neubemessung verlangt werden kann, verlängert werden. (2) Mit der Erklärung des Versicherers über die Leistungspflicht ist der Versicherungsnehmer über sein Recht zu unterrichten, den Grad der Invalidität neu bemessen zu lassen. Unterbleibt diese Unterrichtung, kann sich der Versicherer auf eine Verspätung des Verlangens des Versicherungsnehmers, den Grad der Invalidität neu zu bemessen, nicht berufen. § 189 Sachverständigenverfahren, Schadensermittlungskosten Die §§ 84 und 85 Abs. 1 und 3 sind entsprechend anzuwenden. § 190 Pflichtversicherung Besteht für den Abschluss einer Unfallversicherung eine Verpflichtung durch Rechtsvorschrift, hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Versicherungssumme zu bescheinigen, dass eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift entsprechende Unfallversicherung besteht.
VVG n. F.
255 § 191 Abweichende Vereinbarungen Von § 178 Abs. 2 Satz 2 und den §§ 181,186 bis 188 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person abgewichen werden. Kapitel 8 Krankenversicherung § 192 Vertragstypische Leistungen des Versicherers (1) Bei der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen einschließlich solcher bei Schwangerschaft und Entbindung sowie für ambulante Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen zu erstatten. (2) Der Versicherer ist zur Leistung nach Absatz 1 insoweit nicht verpflichtet, als die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen. (3) Als Inhalt der Krankheitskostenversicherung können zusätzliche Dienstleistungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Leistungen nach Absatz 1 stehen, vereinbart werden, insbesondere 1. die Beratung über Leistungen nach Absatz 1 sowie über die Anbieter solcher Leistungen; 2. die Beratung über die Berechtigung von Entgeltansprüchen der Erbringer von Leistungen nach Absatz 1; 3. die Abwehr unberechtigter Entgeltansprüche der Erbringer von Leistungen nach Absatz 1; 4. die Unterstützung der versicherten Personen bei der Durchsetzung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Erbringung der Leistungen nach Absatz 1 und der sich hieraus ergebenden Folgen; 5. die unmittelbare Abrechnung der Leistungen nach Absatz 1 mit deren Erbringern. (4) Bei der Krankenhaustagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung das vereinbarte Krankenhaustagegeld zu leisten. (5) Bei der Krankentagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den als Folge von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen. (6) Bei der Pflegekrankenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im Fall der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für die Pflege der versicherten Person zu erstatten (Pflegekostenversicherung) oder das vereinbarte Tagegeld zu leisten (Pflegetagegeldversicherung). Absatz 2 gilt für die Pflegekostenversicherung entsprechend. Die Regelungen des Elften Buches Sozialgesetzbuch über die private Pflegeversicherung bleiben unberührt. § 193 Versicherte Person (1) Die Krankenversicherung kann auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines anderen genommen werden. Versicherte Person ist die Person, auf welche die Versicherung genommen wird.
256
Anhang (2) Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, ist bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch deren Kenntnis und Verhalten zu berücksichtigen. § 194 Anzuwendende Vorschriften (1) Soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird, sind die §§ 74 bis 80 und 82 bis 87 anzuwenden. Die §§ 23 bis 27 und 29 sind auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden. § 19 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 ist auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu vertreten hat. Abweichend von § 21 Abs. 3 Satz 1 beläuft sich die Frist für die Geltendmachung der Rechte des Versicherers auf drei Jahre. (2) § 38 ist auf die Krankenversicherung mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 mindestens zwei Monate betragen muss. Zusätzlich zu den Angaben nach § 38 Abs. 1 Satz 2 hat der Versicherer den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass 1. der Abschluss einer neuen Krankenversicherung nach der Kündigung des Versicherers nach § 38 Abs. 3 für den Versicherungsnehmer mit einer neuen Gesundheitsprüfung, einer Einschränkung des Umfangs des bisherigen Versicherungsschutzes sowie einer höheren Prämie verbunden sein kann, 2. Bezieher von Arbeitslosengeld II unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch einen Zuschuss zu den Beiträgen erhalten können, die sie für eine private Kranken- oder Pflegeversicherung zahlen, 3. der Träger der Sozialhilfe unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 und 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch Beiträge zur privaten Kranken- oder Pflegeversicherung übernehmen kann. (3) Steht dem Versicherungsnehmer oder einer versicherten Person ein Anspruch auf Rückzahlung ohne rechtlichen Grund gezahlter Entgelte gegen den Erbringer von Leistungen zu, für die der Versicherer auf Grund des Versicherungsvertrags Erstattungsleistungen erbracht hat, ist § 86 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden. (4) Die §§ 43 bis 48 sind auf die Krankenversicherung mit der Maßgabe anzuwenden, dass ausschließlich die versicherte Person die Versicherungsleistung verlangen kann, wenn der Versicherungsnehmer sie gegenüber dem Versicherer in Textform als Empfangsberechtigten der Versicherungsleistung benannt hat; die Benennung kann widerruflich oder unwiderruflich erfolgen. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, kann nur der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung verlangen. Einer Vorlage des Versicherungsscheins bedarf es nicht. § 195 Versicherungsdauer (1) Die Krankenversicherung, die ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann (substitutive Krankenversicherung), ist vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 und der §§ 196 und 199 unbefristet. Wird die nicht substitutive Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung betrieben, gilt Satz 1 entsprechend. (2) Bei Ausbildungs-, Auslands-, Reise- und Restschuldkrankenversicherungen können Vertragslaufzeiten vereinbart werden. (3) Bei der Krankenversicherung einer Person mit befristetem Aufenthaltstitel für das Inland kann vereinbart werden, dass sie spätestens nach fünf Jahren endet. Ist eine kürzere Laufzeit
VVG n. F.
257 vereinbart, kann ein gleichartiger neuer Vertrag nur mit einer Höchstlaufzeit geschlossen werden, die unter Einschluss der Laufzeit des abgelaufenen Vertrags fünf Jahre nicht überschreitet; dies gilt auch, wenn der neue Vertrag mit einem anderen Versicherer geschlossen wird. § 196 Befristung der Krankentagegeldversicherung (1) Bei der Krankentagegeldversicherung kann vereinbart werden, dass die Versicherung mit Vollendung des 65. Lebensjahres der versicherten Person endet. Der Versicherungsnehmer kann in diesem Fall vom Versicherer verlangen, dass dieser den Antrag auf Abschluss einer mit Vollendung des 65. Lebensjahres beginnenden neuen Krankentagegeldversicherung annimmt, die spätestens mit Vollendung des 70. Lebensjahres endet. Auf dieses Recht hat der Versicherer ihn frühestens sechs Monate vor dem Ende der Versicherung unter Beifügung des Wortlauts dieser Vorschrift in Textform hinzuweisen. Wird der Antrag bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Vollendung des 65. Lebensjahres gestellt, hat der Versicherer den Versicherungsschutz ohne Risikoprüfung oder Wartezeiten zu gewähren, soweit der Versicherungsschutz nicht höher oder umfassender ist als im bisherigen Tarif. (2) Hat der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht nach Absatz 1 Satz 3 auf das Ende der Versicherung hingewiesen und wird der Antrag vor Vollendung des 66. Lebensjahres gestellt, gilt Absatz 1 Satz 4 entsprechend, wobei die Versicherung mit Zugang des Antrags beim Versicherer beginnt. Ist der Versicherungsfall schon vor Zugang des Antrags eingetreten, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. (3) Absatz 1 Satz 2 und 4 gilt entsprechend, wenn in unmittelbarem Anschluss an eine Versicherung nach Absatz 1 Satz 4 oder Absatz 2 Satz 1 eine neue Krankentagegeldversicherung beantragt wird, die spätestens mit Vollendung des 75. Lebensjahres endet. (4) Die Vertragsparteien können ein späteres Lebensjahr als in den vorstehenden Absätzen festgelegt vereinbaren. § 197 Wartezeiten (1) Soweit Wartezeiten vereinbart werden, dürfen diese in der Krankheitskosten-, Krankenhaustagegeld- und Krankentagegeldversicherung als allgemeine Wartezeit drei Monate und als besondere Wartezeit für Entbindung, Psychotherapie, Zahnbehandlung, Zahnersatz und Kieferorthopädie acht Monate nicht überschreiten. Bei der Pflegekrankenversicherung darf die Wartezeit drei Jahre nicht überschreiten. (2) Personen, die aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheiden, ist die dort ununterbrochen zurückgelegte Versicherungszeit auf die Wartezeit anzurechnen, sofern die Versicherung spätestens zwei Monate nach Beendigung der Vorversicherung zum unmittelbaren Anschluss daran beantragt wird. Dies gilt auch für Personen, die aus einem öffentlichen Dienstverhältnis mit Anspruch auf Heilfürsorge ausscheiden. § 198 Kindernachversicherung (1) Besteht am Tag der Geburt für mindestens einen Elternteil eine Krankenversicherung, ist der Versicherer verpflichtet, dessen neugeborenes Kind ab Vollendung der Geburt ohne Risikozuschläge und Wartezeiten zu versichern, wenn die Anmeldung zur Versicherung spätestens
258
Anhang zwei Monate nach dem Tag der Geburt rückwirkend erfolgt. Diese Verpflichtung besteht nur insoweit, als der beantragte Versicherungsschutz des Neugeborenen nicht höher und nicht umfassender als der des versicherten Elternteils ist. (2) Der Geburt eines Kindes steht die Adoption gleich, sofern das Kind im Zeitpunkt der Adoption noch minderjährig ist. Besteht eine höhere Gefahr, ist die Vereinbarung eines Risikozuschlags höchstens bis zur einfachen Prämienhöhe zulässig. (3) Als Voraussetzung für die Versicherung des Neugeborenen oder des Adoptivkindes kann eine Mindestversicherungsdauer des Elternteils vereinbart werden. Diese darf drei Monate nicht übersteigen. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für die Auslands- und die Reisekrankenversicherung nicht, soweit für das Neugeborene oder für das Adoptivkind anderweitiger privater oder gesetzlicher Krankenversicherungsschutz im Inland oder Ausland besteht. § 199 Beihilfeempfänger (1) Bei der Krankheitskostenversicherung einer versicherten Person mit Anspruch auf Beihilfe nach den Grundsätzen des öffentlichen Dienstes kann vereinbart werden, dass sie mit der Versetzung der versicherten Person in den Ruhestand im Umfang der Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes endet. (2) Ändert sich bei einer versicherten Person mit Anspruch auf Beihilfe nach den Grundsätzen des öffentlichen Dienstes der Beihilfebemessungssatz oder entfällt der Beihilfeanspruch, hat der Versicherungsnehmer Anspruch darauf, dass der Versicherer den Versicherungsschutz im Rahmen der bestehenden Krankheitskostentarife so anpasst, dass dadurch der veränderte Beihilfebemessungssatz oder der weggefallene Beihilfeanspruch ausgeglichen wird. Wird der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Änderung gestellt, hat der Versicherer den angepassten Versicherungsschutz ohne Risikoprüfung oder Wartezeiten zu gewähren. § 200 Bereicherungsverbot Hat die versicherte Person wegen desselben Versicherungsfalles einen Anspruch gegen mehrere Erstattungsverpflichtete, darf die Gesamterstattung die Gesamtaufwendungen nicht übersteigen. § 201 Herbeiführung des Versicherungsfalles Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person vorsätzlich die Krankheit oder den Unfall bei sich selbst herbeiführt. § 202 Auskunftspflicht des Versicherers; Schadensermittlungskosten Der Versicherer ist verpflichtet, auf Verlangen des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person einem von ihnen benannten Arzt oder Rechtsanwalt Auskunft über und Einsicht in Gutachten oder Stellungnahmen zu geben, die er bei der Prüfung seiner Leistungspflicht über die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung eingeholt hat. Der Auskunftsanspruch
VVG n. F.
259 kann nur von der jeweils betroffenen Person oder ihrem gesetzlichen Vertreter geltend gemacht werden. Hat der Versicherungsnehmer das Gutachten oder die Stellungnahme auf Veranlassung des Versicherers eingeholt, hat der Versicherer die entstandenen Kosten zu erstatten. § 203 Prämien- und Bedingungsanpassung (1) Bei einer Krankenversicherung, bei der die Prämie nach Art der Lebensversicherung berechnet wird, kann der Versicherer nur die entsprechend den technischen Berechnungsgrundlagen nach den §§ 12, 12a und 12e in Verbindung mit § 12c des Versicherungsaufsichtsgesetzes zu berechnende Prämie verlangen. Die Möglichkeit, mit Rücksicht auf ein erhöhtes Risiko einen angemessenen Risikozuschlag oder einen Leistungsausschluss zu vereinbaren, bleibt unberührt. (2) Ist bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. Dabei darf auch ein betragsmäßig festgelegter Selbstbehalt angepasst und ein vereinbarter Risikozuschlag entsprechend geändert werden, soweit dies vereinbart ist. Maßgebliche Rechnungsgrundlagen im Sinn der Sätze 1 und 2 sind die Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten. Für die Änderung der Prämien, Prämienzuschläge und Selbstbehalte sowie ihre Überprüfung und Zustimmung durch den Treuhänder gilt § 12b Abs. 1 bis 2a in Verbindung mit einer auf Grund des § 12c des Versicherungsaufsichtsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung. (3) Ist bei einer Krankenversicherung im Sinn des Absatzes 1 Satz 1 das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens berechtigt, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Tarifbestimmungen den veränderten Verhältnissen anzupassen, wenn die Änderungen zur hinreichenden Wahrung der Belange der Versicherungsnehmer erforderlich erscheinen und ein unabhängiger Treuhänder die Voraussetzungen für die Änderungen überprüft und ihre Angemessenheit bestätigt hat. (4) Ist eine Bestimmung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers durch höchstrichterliche Entscheidung oder durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärt worden, ist § 164 anzuwenden. (5) Die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach den Absätzen 2 und 3 werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. § 204 Tarifwechsel Bei einem bestehenden unbefristeten Versicherungsverhältnis kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer verlangen, dass dieser nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 12c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Versiche-
260
Anhang rungsaufsichtsgesetzes Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung annimmt. Soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, kann der Versicherer für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen. Der Versicherungsnehmer kann die Vereinbarung eines Risikozuschlags und einer Wartezeit dadurch abwenden, dass er hinsichtlich der Mehrleistung einen Leistungsausschluss vereinbart. § 205 Kündigung des Versicherungsnehmers (1) Vorbehaltlich einer vereinbarten Mindestversicherungsdauer bei der Krankheitskosten- und bei der Krankenhaustagegeldversicherung kann der Versicherungsnehmer ein Krankenversicherungsverhältnis, das für die Dauer von mehr als einem Jahr eingegangen ist, zum Ende des ersten Jahres oder jedes darauf folgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten kündigen. Die Kündigung kann auf einzelne versicherte Personen oder Tarife beschränkt werden. (2) Wird eine versicherte Person kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig, kann der Versicherungsnehmer binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht eine Krankheitskosten-, eine Krankentagegeld- oder eine Pflegekrankenversicherung sowie eine für diese Versicherungen bestehende Anwartschaftsversicherung rückwirkend zum Eintritt der Versicherungspflicht kündigen. Die Kündigung ist unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nicht innerhalb von zwei Monaten nachweist, nachdem der Versicherer ihn hierzu in Textform aufgefordert hat, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Versäumung dieser Frist nicht zu vertreten. Macht der Versicherungsnehmer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, steht dem Versicherer die Prämie nur bis zu diesem Zeitpunkt zu. Später kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis zum Ende des Monats kündigen, in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist. Der Versicherungspflicht steht der gesetzliche Anspruch auf Familienversicherung oder der nicht nur vorübergehende Anspruch auf Heilfürsorge aus einem beamtenrechtlichen oder ähnlichen Dienstverhältnis gleich. (3) Ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag, dass bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters oder bei Eintreten anderer dort genannter Voraussetzungen die Prämie für ein anderes Lebensalter oder eine andere Altersgruppe gilt oder die Prämie unter Berücksichtigung einer Alterungsrückstellung berechnet wird, kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis hinsichtlich der betroffenen versicherten Person binnen zwei Monaten nach der Änderung zum Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens kündigen, wenn sich die Prämie durch die Änderung erhöht. (4) Erhöht der Versicherer auf Grund einer Anpassungsklausel die Prämie oder vermindert er die Leistung, kann der Versicherungsnehmer hinsichtlich der betroffenen versicherten Person innerhalb eines Monats nach Zugang der Änderungsmitteilung mit Wirkung für den Zeitpunkt kündigen, zu dem die Prämienerhöhung oder die Leistungsminderung wirksam werden soll. (5) Hat sich der Versicherer vorbehalten, die Kündigung auf einzelne versicherte Personen oder Tarife zu beschränken und macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, kann der Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung die Aufhebung des übrigen Teils der Versicherung zu dem Zeitpunkt verlangen, zu dem die Kündigung wirksam wird. Satz 1 gilt entsprechend, wenn der Versicherer die Anfechtung oder den
VVG n. F.
261 Rücktritt nur für einzelne versicherte Personen oder Tarife erklärt. In diesen Fällen kann der Versicherungsnehmer die Aufhebung zum Ende des Monats verlangen, in dem ihm die Erklärung des Versicherers zugegangen ist. § 206 Kündigung des Versicherers (1) Die ordentliche Kündigung einer substitutiven Krankheitskosten-, Krankentagegeld- oder Pflegekrankenversicherung durch den Versicherer ist ausgeschlossen. Sie ist ferner ausgeschlossen für eine Krankenhaustagegeldversicherung, die neben einer Krankheitskostenvollversicherung besteht. Eine Krankentagegeldversicherung, für die kein gesetzlicher Anspruch auf einen Beitragszuschuss des Arbeitgebers besteht, kann der Versicherer abweichend von Satz 1 in den ersten drei Jahren unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines jeden Versicherungsjahres kündigen. (2) Für die ordentliche Kündigung einer nicht substitutiven Krankenversicherung, die nach Art der Lebensversicherung betrieben wird, gilt Absatz 1 entsprechend. (3) Liegen bei einer Krankenhaustagegeldversicherung oder einer Krankheitskostenteilversicherung die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vor, kann der Versicherer das Versicherungsverhältnis nur innerhalb der ersten drei Versicherungsjahre zum Ende eines Versicherungsjahres kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. (4) Wird eine Krankheitskostenversicherung oder eine Pflegekrankenversicherung vom Versicherer wegen Zahlungsverzugs des Versicherungsnehmers wirksam gekündigt, sind die versicherten Personen berechtigt, die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Benennung des künftigen Versicherungsnehmers zu erklären; die Prämie ist ab Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses zu leisten. Die versicherten Personen sind vom Versicherer über die Kündigung und das Recht nach Satz 1 in Textform zu informieren. Dieses Recht endet zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherte Person Kenntnis von diesem Recht erlangt hat. (5) Die ordentliche Kündigung eines Gruppenversicherungsvertrags, der Schutz gegen das Risiko Krankheit enthält, durch den Versicherer ist zulässig, wenn die versicherten Personen die Krankenversicherung unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung, soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingungen der Einzelversicherung fortsetzen können. Absatz 4 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. § 207 Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses (1) Endet das Versicherungsverhältnis durch den Tod des Versicherungsnehmers, sind die versicherten Personen berechtigt, binnen zwei Monaten nach dem Tod des Versicherungsnehmers die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Benennung des künftigen Versicherungsnehmers zu erklären. (2) Kündigt der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis insgesamt oder für einzelne versicherte Personen, gilt Absatz 1 entsprechend. Die Kündigung ist nur wirksam, wenn die versicherte Person von der Kündigungserklärung Kenntnis erlangt hat. Handelt es sich bei dem gekündigten Vertrag um einen Gruppenversicherungsvertrag und wird kein neuer Versicherungsnehmer benannt, sind die versicherten Personen berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung, soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingungen der Einzelversicherung fortzusetzen.
262
Anhang Das Recht nach Satz 3 endet zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherte Person von diesem Recht Kenntnis erlangt hat. (3) Verlegt eine versicherte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einen anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, setzt sich das Versicherungsverhältnis mit der Maßgabe fort, dass der Versicherer höchstens zu denjenigen Leistungen verpflichtet bleibt, die er bei einem Aufenthalt im Inland zu erbringen hätte. § 208 Abweichende Vereinbarungen Von den §§ 194 bis 199 und 201 bis 207 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person abgewichen werden. Für die Kündigung des Versicherungsnehmers nach § 205 kann die Schrift- oder die Textform vereinbart werden. Teil 3 Schlussvorschriften § 209 Rückversicherung, Seeversicherung Die Vorschriften dieses Gesetzes sind auf die Rückversicherung und die Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt (Seeversicherung) nicht anzuwenden. § 210 Großrisiken, laufende Versicherung Die Beschränkungen der Vertragsfreiheit nach diesem Gesetz sind auf die in Artikel 10 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz genannten Großrisiken und auf laufende Versicherungen nicht anzuwenden. § 211 Pensionskassen, kleinere Versicherungsvereine, Versicherungen mit kleineren Beträgen (1) Die §§ 37, 38, 165, 166, 168 und 169 sind, soweit mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen abweichende Bestimmungen getroffen sind, nicht anzuwenden auf 1. Versicherungen bei Pensionskassen im Sinn des § 118b Abs. 3 und 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, 2. Versicherungen, die bei einem Verein genommen werden, der als kleinerer Verein im Sinn des Versicherungsaufsichtsgesetzes anerkannt ist, 3. Lebensversicherungen mit kleineren Beträgen und 4. Unfallversicherungen mit kleineren Beträgen. (2) Auf die in Absatz 1 Nr. 1 genannten Pensionskassen sind ferner nicht anzuwenden 1. die §§ 6 bis 9, 11, 150 Abs. 2 bis 4 und § 152 Abs. 1 und 2; für die §§ 7 bis 9 und 152 Abs. 1 und 2 gilt dies nicht für Fernabsatzverträge im Sinn des § 312b Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs; 2. § 153, soweit mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen abweichende Bestimmungen getroffen sind; § 153 Abs. 3 Satz 1 ist ferner nicht auf Sterbekassen anzuwenden.
VVG n. F.
263 (3) Sind für Versicherungen mit kleineren Beträgen im Sinn von Absatz 1 Nr. 3 und 4 abweichende Bestimmungen getroffen, kann deren Wirksamkeit nicht unter Berufung darauf angefochten werden, dass es sich nicht um Versicherungen mit kleineren Beträgen handele. § 212 Fortsetzung der Lebensversicherung nach der Elternzeit Besteht während einer Elternzeit ein Arbeitsverhältnis ohne Entgelt gemäß § 1a Abs. 4 des Betriebsrentengesetzes fort und wird eine vom Arbeitgeber zugunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers abgeschlossene Lebensversicherung wegen Nichtzahlung der während der Elternzeit fälligen Prämien in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt, kann die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer innerhalb von drei Monaten nach der Beendigung der Elternzeit verlangen, dass die Versicherung zu den vor der Umwandlung vereinbarten Bedingungen fortgesetzt wird. § 213 Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten bei Dritten (1) Die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch den Versicherer darf nur bei Ärzten, Krankenhäusern und sonstigen Krankenanstalten, Pflegeheimen und Pflegepersonen, anderen Personenversicherern und gesetzlichen Krankenkassen sowie Berufsgenossenschaften und Behörden erfolgen; sie ist nur zulässig, soweit die Kenntnis der Daten für die Beurteilung des zu versichernden Risikos oder der Leistungspflicht erforderlich ist und die betroffene Person eine Einwilligung erteilt hat. (2) Die nach Absatz 1 erforderliche Einwilligung kann vor Abgabe der Vertragserklärung erteilt werden. Die betroffene Person ist vor einer Erhebung nach Absatz 1 zu unterrichten; sie kann der Erhebung widersprechen. (3) Die betroffene Person kann jederzeit verlangen, dass eine Erhebung von Daten nur erfolgt, wenn jeweils in die einzelne Erhebung eingewilligt worden ist. (4) Die betroffene Person ist auf diese Rechte hinzuweisen, auf das Widerspruchsrecht nach Absatz 2 bei der Unterrichtung. § 214 Schlichtungsstelle (1) Das Bundesministerium der Justiz kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz privatrechtlich organisierte Einrichtungen als Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten 1. bei Versicherungsverträgen mit Verbrauchern im Sinn des § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2. zwischen Versicherungsvermittlern oder Versicherungsberatern und Versicherungsnehmern im Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen anerkennen. Die Anerkennung ist im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen. Die Beteiligten können diese Schlichtungsstelle anrufen; das Recht, die Gerichte anzurufen, bleibt unberührt. (2) Privatrechtlich organisierte Einrichtungen können als Schlichtungsstelle anerkannt werden, wenn sie hinsichtlich ihrer Antworten und Vorschläge oder Entscheidungen unabhängig und
264
Anhang keinen Weisungen unterworfen sind und in organisatorischer und fachlicher Hinsicht die Aufgaben erfüllen können. (3) Die anerkannten Schlichtungsstellen sind verpflichtet, jede Beschwerde über einen Versicherer oder einen Versicherungsvermittler, Vermittler nach § 66 und Versicherungsberater zu beantworten. (4) Die anerkannten Schlichtungsstellen können von dem Versicherungsvermittler, Vermittler nach § 66 oder Versicherungsberater ein Entgelt erheben. Bei offensichtlich missbräuchlichen Beschwerden kann auch von dem Versicherungsnehmer ein Entgelt verlangt werden. Die Höhe des Entgeltes muss im Verhältnis zum Aufwand der anerkannten Schlichtungsstelle angemessen sein. (5) Soweit keine privatrechtlich organisierte Einrichtung als Schlichtungsstelle anerkannt wird, kann das Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Aufgaben der Schlichtungsstelle durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates einer Bundesoberbehörde oder Bundesanstalt zuweisen und deren Verfahren sowie die Erhebung von Gebühren und Auslagen regeln. § 215 Gerichtsstand (1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig. (2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden. (3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.
Artikel 2 Änderung des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz über den Versicherungsvertrag Das Einführungsgesetz zu dem Gesetz über den Versicherungsvertrag in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 25. Februar 2000 (BGBl. I S. 154), wird wie folgt geändert: 1. Die Bezeichnung des Gesetzes wird wie folgt gefasst: „Einführungsgesetz zum Versicherungsvertragsgesetz“. 2. Das Erste Kapitel wird wie folgt gefasst: „Erstes Kapitel Übergangsvorschriften zum Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts
VVG n. F.
265 Artikel 1 Altverträge, Allgemeine Versicherungsbedingungen (1) Auf Versicherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) am 1. Januar 2008 entstanden sind (Altverträge), ist das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis dahin geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 2008 anzuwenden, soweit in Absatz 2 und den Artikeln 2 bis 6 nichts anderes bestimmt ist. (2) Ist bei Altverträgen ein Versicherungsfall bis zum 31. Dezember 2008 eingetreten, ist insoweit das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden. (3) Der Versicherer kann bis zum 1. Januar 2009 seine Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Altverträge mit Wirkung zum 1. Januar 2009 ändern, soweit sie von den Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes abweichen, und er dem Versicherungsnehmer die geänderten Versicherungsbedingungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestens einen Monat vor diesem Zeitpunkt in Textform mitteilt. (4) Auf Fristen nach § 12 Abs. 3 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag, die vor dem 1. Januar 2008 begonnen haben, ist § 12 Abs. 3 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag auch nach dem 1. Januar 2008 anzuwenden.
Artikel 2 Vollmacht des Versicherungsvertreters, Krankenversicherung Auf Altverträge sind die folgenden Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes bereits ab 1. Januar 2008 anzuwenden: 1. die §§ 69 bis 73 über die Vertretungsmacht des Versicherungsvertreters und der in § 73 erfassten Vermittler; 2. die §§ 192 bis 208 für die Krankenversicherung, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die auf Grund dieser Vorschriften geänderten Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Tarifbestimmungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestens einen Monat vor dem Zeitpunkt in Textform mitgeteilt hat, zu dem die Änderungen wirksam werden sollen.
Artikel 3 Verjährung (1) § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist auf Ansprüche anzuwenden, die am 1. Januar 2008 noch nicht verjährt sind. (2) Wenn die Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs länger ist als die Frist nach § 12 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung, ist die Verjährung mit dem Ablauf der in § 12 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung bestimmten Frist vollendet. (3) Wenn die Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kürzer ist als die Frist nach § 12 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember
266
Anhang 2007 geltenden Fassung, wird die kürzere Frist vom 1. Januar 2008 an berechnet. Läuft jedoch die längere Frist nach § 12 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung früher als die Frist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ab, ist die Verjährung mit dem Ablauf der längeren Frist vollendet. (4) Die Absätze 1 bis 3 sind entsprechend auf Fristen anzuwenden, die für die Geltendmachung oder den Erwerb oder Verlust eines Rechtes maßgebend sind.
Artikel 4 Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung (1) § 153 des Versicherungsvertragsgesetzes ist auf Altverträge nicht anzuwenden, wenn eine Überschussbeteiligung nicht vereinbart worden ist. Ist eine Überschussbeteiligung vereinbart, ist § 153 des Versicherungsvertragsgesetzes ab dem 1. Januar 2008 auf Altverträge anzuwenden; vereinbarte Verteilungsgrundsätze gelten als angemessen. (2) Auf Altverträge ist anstatt des § 169 des Versicherungsvertragsgesetzes, auch soweit auf ihn verwiesen wird, § 176 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden. (3) Auf Altverträge über eine Berufsunfähigkeitsversicherung sind die §§ 172, 174 bis 177 des Versicherungsvertragsgesetzes nicht anzuwenden.
Artikel 5 Rechte der Gläubiger von Grundpfandrechten (1) Rechte, die Gläubigern von Grundpfandrechten gegenüber dem Versicherer nach den §§ 99 bis 107c des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung zustehen, bestimmen sich auch nach dem 31. Dezember 2008 nach diesen Vorschriften. Die Anmeldung eines Grundpfandrechts beim Versicherer kann nur bis zum 31. Dezember 2008 erklärt werden. (2) Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und Reallasten, 1. die in der Zeit vom 1. Januar 1943 bis zum 30. Juni 1994 zu Lasten von Grundstücken begründet worden sind, 2. für die eine Gebäudeversicherung bei einer öffentlichen Anstalt unmittelbar kraft Gesetzes oder infolge eines gesetzlichen Zwanges bei einer solchen Anstalt genommen worden ist und 3. die nach der Verordnung zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-1-1, veröffentlichten bereinigten Fassung als angemeldet im Sinn der §§ 99 bis 106 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag gelten, sind, wenn das Versicherungsverhältnis nach Überleitung in ein vertragliches Versicherungsverhältnis auf Grund des Gesetzes zur Überleitung landesrechtlicher Gebäudeversicherungsverhältnisse vom 22. Juli 1993 (BGBl. I S. 1282, 1286) fortbesteht, zur Erhaltung der durch die Fiktion begründeten Rechte bis spätestens 31. Dezember 2008 beim Versicherer anzumelden. Die durch die Verordnung zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag begründete Fiktion erlischt mit Ablauf des 31. Dezember 2008.
VVG n. F.
267 Artikel 6 Versicherungsverhältnisse nach § 190 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag Das Versicherungsvertragsgesetz gilt nicht für die in § 190 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung bezeichneten Altverträge.“
3. Artikel 10 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst: „Für einen Versicherungsvertrag über ein Großrisiko können die Parteien das Recht eines anderen Staates wählen.“
Artikel 3 Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909, 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 20 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2614), wird wie folgt geändert: 1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 330 wie folgt gefasst: „§ 330 Auslegungsregel bei Leibrentenvertrag“. 2. § 330 wird wie folgt geändert: a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst: „§ 330 Auslegungsregel bei Leibrentenvertrag“. b) Satz 1 wird wie folgt gefasst: „Wird in einem Leibrentenvertrag die Zahlung der Leibrente an einen Dritten vereinbart, ist im Zweifel anzunehmen, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwerben soll, die Leistung zu fordern.“
Artikel 4 Änderung des Handelsgesetzbuchs Der Zehnte Abschnitt des Fünften Buchs und § 905 des Handelgesetzbuchs in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 30 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2614) geändert worden ist, werden aufgehoben.
Artikel 5 Änderung des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch Das Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4101-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 10), wird wie folgt geändert: 1. Nach dem Siebenten Abschnitt wird folgender Achter Abschnitt eingefügt: „Achter Abschnitt Übergangsvorschrift zum Handelsrechtsreformgesetz
268
Anhang Artikel 38 Hat die Änderung der Firma eines Einzelkaufmanns oder einer Personenhandelsgesellschaft ausschließlich die Aufnahme der nach § 19 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs in der ab dem 1. Juli 1998 geltenden Fassung vorgeschriebenen Bezeichnung zum Gegenstand, bedarf diese Änderung nicht der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister.“ 2. Folgender Sechsundzwanzigster Abschnitt wird angefügt: „Sechsundzwanzigster Abschnitt Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts Artikel 63 Der Zehnte Abschnitt des Fünften Buchs und § 905 des Handelsgesetzbuchs sind auf Versicherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) am 1. Januar 2008 entstanden sind, bis zum 31. Dezember 2008 anzuwenden.“
Artikel 6 Änderung der Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung Die Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung vom 8. November 1994 (BGBl. I S. 3378), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 29. Mai 2006 (BGBl. I S. 1278), wird wie folgt geändert: 1. In § 31 Abs. 1 Nr. 1 wird die Angabe „§ 68 Abs. 1 bis 3“ durch die Angabe „§ 80“ ersetzt. 2. § 54 wird wie folgt gefasst: „§54 Zeitwert der Kapitalanlagen Für zum Anschaffungswert oder zum Nennwert ausgewiesene Kapitalanlagen ist im Anhang jeweils der Zeitwert anzugeben. Die Ermittlung des Zeitwerts erfolgt 1. für Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken nach § 55 sowie 2. für die übrigen Kapitalanlagen nach § 56. Zudem sind die Gesamtsumme der Anschaffungskosten der in die Überschussbeteiligung einzubeziehenden Kapitalanlagen, die Gesamtsumme des beizulegenden Zeitwerts selbiger Kapitalanlagen und der sich daraus ergebende Saldo anzugeben.“ 3. Dem § 64 wird folgender Absatz 9 angefügt: „(9) § 54 in der vom 1. Januar 2008 an geltenden Fassung ist erstmals auf den Jahresabschluss für das nach dem 31. Dezember 2006 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden.“
Artikel 7 Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes Das Versicherungsaufsichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1992 (BGBl. 1993 I S. 2), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. Mai 2007 (BGBl. I S. 923), wird wie folgt geändert: 1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert: a) Die Angabe zu § 10 a wird wie folgt gefasst: „§ 10a Mehrere Anträge; Information bei betrieblicher Altersversorgung und bei Krankenversicherung“.
VVG n. F.
269 b) Die Angabe zu § 11 b wird wie folgt gefasst: „§ 11b Treuhänder in der Lebensversicherung“. c) Die Angabe zu § 85 a wird wie folgt gefasst: „§ 85a Information über Geschäftstätigkeit im Ausland“. d) Die Angabe zu Anlage D wird wie folgt gefasst: „D. Informationen bei betrieblicher Altersvorsorge“. 2. In § 8 Abs. 1 Satz 1 werden der Punkt am Satzende durch ein Komma ersetzt und folgende Nummer 4 angefügt: „4. im Fall des Betriebs der Krankenversicherung Tatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, dass das Versicherungsunternehmen Tarife einführen wird, die im Sinn des § 204 des Versicherungsvertragsgesetzes einen gleichartigen Versicherungsschutz gewähren wie die Tarife eines anderen mit ihm konzernmäßig verbundenen Versicherungsunternehmens, sofern durch die Einführung solcher Tarife die Belange der Versicherten nicht ausreichend gewahrt werden.“ 3. In § 10 Abs. 3 werden die Wörter „Artikel 10 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „Artikel 10 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz“ ersetzt. 4. § 10a wird wie folgt gefasst: „§ 10a Mehrere Anträge; Information bei betrieblicher Altersversorgung und bei Krankenversicherung (1) Antragsvordrucke dürfen nur so viele Anträge auf Abschluss rechtlich selbständiger Versicherungsverträge enthalten, dass die Übersichtlichkeit, Lesbarkeit und Verständlichkeit nicht beeinträchtigt werden. Der Antragsteller ist schriftlich und unter besonderer Hervorhebung auf die rechtliche Selbständigkeit der beantragten Verträge einschließlich der für sie vorgesehenen Versicherungsbedingungen sowie auf die jeweils geltenden Antragsbindungsfristen und Vertragslaufzeiten hinzuweisen. (2) Lebensversicherungen und Pensionskassen, soweit sie Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erbringen, haben die Versorgungsanwärter und Versorgungsempfänger, die nicht zugleich Versicherungsnehmer sind, nach Maßgabe der Anlage D zu informieren. (3) Vor Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrags ist von dem Interessenten der Empfang eines amtlichen Informationsblattes der Bundesanstalt zu bestätigen, welches über die verschiedenen Prinzipien der gesetzlichen sowie der privaten Krankenversicherung aufklärt.“ 5. § 11b wird wie folgt gefasst: „§11b Treuhänder in der Lebensversicherung Soweit bei den nach dem 28. Juli 1994 geschlossenen Lebensversicherungsverträgen die Prämien mit Wirkung für bestehende Versicherungsverträge geändert werden können, dürfen entsprechende Änderungen erst in Kraft gesetzt werden, nachdem ihnen ein unabhängiger Treu-
270
Anhang händer zugestimmt hat. Für den Treuhänder gilt § 12b Abs. 3 und 4 entsprechend. Die Mitwirkung des Treuhänders entfällt, wenn Änderungen nach Satz 1 der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen.“ 6. § 12 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 wird der Satzteil vor Nummer 1 wie folgt gefasst: „Soweit die Krankenversicherung ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann (substitutive Krankenversicherung), darf sie im Inland vorbehaltlich des Absatzes 6 nur nach Art der Lebensversicherung betrieben werden, wobei“. b) Absatz 4a Satz 2 wird wie folgt gefasst: „Für Versicherungen mit befristeten Vertragslaufzeiten nach § 195 Abs. 2 und 3 des Versicherungsvertragsgesetzes sowie bei Tarifen, die regelmäßig spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres enden, gilt Satz 1 nicht.“ c) Folgender Absatz 6 wird angefügt: „(6) Substitutive Krankenversicherungen mit befristeten Vertragslaufzeiten nach § 195 Abs. 2 und 3 sowie § 196 des Versicherungsvertragsgesetzes können ohne Alterungsrückstellung kalkuliert werden.“ 7. § 12b wird wie folgt geändert: a) In Absatz 2 Satz 4 werden die Wörter „dies hätte erkennen müssen“ durch die Wörter „dies insbesondere anhand der zu diesem Zeitpunkt verfügbaren statistischen Kalkulationsgrundlagen hätte erkennen müssen“ ersetzt. b) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt: „(2a) Das Versicherungsunternehmen hat für jeden nach Art der Lebensversicherung kalkulierten Tarif jährlich die erforderlichen mit den kalkulierten Sterbewahrscheinlichkeiten durch Betrachtung von Barwerten zu vergleichen. Ergibt die der Aufsichtsbehörde und dem Treuhänder vorzulegende Gegenüberstellung für einen Tarif eine Abweichung von mehr als 5 vom Hundert, hat das Unternehmen alle Prämien dieses Tarifs zu überprüfen und mit Zustimmung des Treuhänders anzupassen. Absatz 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.“ c) In Absatz 5 wird die Angabe „§ 178g Abs. 3“ durch die Angabe „§ 203 Abs. 3“ ersetzt. 8. § 12c wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 werden der Punkt durch ein Komma ersetzt und folgende Nummer 5 angefügt: „5. das Verfahren zur Gegenüberstellung der kalkulierten mit den zuletzt veröffentlichten Sterbewahrscheinlichkeiten nach § 12b Abs. 2a Satz 1 und 2 sowie die Frist für die Vorlage der Gegenüberstellung an die Aufsichtsbehörde und den Treuhänder festzulegen.“ b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst: „(2) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1und2sindimEinvernehmenmit dem Bundesministerium der Justiz zu erlassen.“ 9. Die Überschrift des § 85a wird wie folgt gefasst: „§ 85a Information über Geschäftstätigkeit im Ausland“. 10. In § 110a Abs. 4 Nr. 2 werden die Wörter „§§ 10 und 10a mit der Maßgabe, dass in der Verbraucherinformation nach Anlage D Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe h auch die Anschrift einer
VVG n. F.
271 sonstigen Stelle anzugeben ist, an die sich der Versicherungsnehmer bei Beschwerden über den Versicherer nach dem ausländischen Recht wenden kann, §§“ durch die Wörter „die §§ 10, 10a,“ ersetzt. 11. In § 111 Abs. 2 werden die Wörter „des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz“ ersetzt. 12. In § 113 Abs. 2 Nr. 4 wird die Angabe „Abschnitt III“ gestrichen. 13. In § 118e Abs. 5 Satz 3 wird die Angabe „Abschnitt III“ gestrichen. 14. Die Anlage D wird wie folgt geändert: a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst: „Informationen bei betrieblicher Altersvorsorge“. b) Die Abschnitte I und II werden aufgehoben sowie die Angabe „Abschnitt III“ gestrichen.
Artikel 8 Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes Das Pflichtversicherungsgesetz vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), zuletzt geändert durch Artikel 296 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407), wird wie folgt geändert: 1. § 2 Abs. 2 wird wie folgt geändert: a) In Satz 3 werden die Wörter „des Sechsten Titels des Zweiten Abschnitts des Gesetzes über den Versicherungsvertrag und des § 3“ durch die Wörter „der §§ 100 bis 124 des Versicherungsvertragsgesetzes sowie der §§ 3 und 3b“ ersetzt. b) In Satz 4 werden die Wörter „des § 3 Nr. 9 bis 11“ durch die Wörter „der §§ 116 und 124 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. 2. § 3 wird wie folgt gefasst: „§3 Ist der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht zur Leistung verpflichtet, weil das Fahrzeug den Bau- und Betriebsvorschriften der Straßenverkehrs-ZulassungsOrdnung nicht entsprach oder von einem unberechtigten Fahrer oder von einem Fahrer ohne die vorgeschriebene Fahrerlaubnis geführt wurde, kann der Versicherer den Dritten abweichend von § 117 Abs. 3 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes nicht auf die Möglichkeit verweisen, Ersatz seines Schadens von einem anderen Schadensversicherer oder von einem Sozialversicherungsträger zu erlangen. Soweit der Dritte jedochvoneinem nach§2Abs. 1Nr. 1bis 5von der Versicherungspflicht befreiten Fahrzeughalter Ersatz seines Schadens erlangen kann, entfällt die Leistungspflicht des Versicherers.“ 3. In § 3a Satz 1 wird die Angabe „§3Nr.1“ durch die Wörter „§ 115 Abs.1 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. 4. Nach § 3a wird folgender § 3b eingefügt: „§3b Schließt der Erwerber eines veräußerten Fahrzeugs eine neue KraftfahrzeugHaftpflichtversicherung, ohne das auf ihn übergegangene Versicherungsverhältnis zu kündigen, gilt dieses mit Beginn des neuen Versicherungsverhältnisses als gekündigt.“
272
Anhang 5. In § 4 Abs. 2 Satz 3 wird die Angabe „§3 Nr.4 und 5“ durch die Wörter „§ 117 Abs. 1 und 2 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt.
Artikel 9 Änderung weiterer Rechtsvorschriften (1) § 94 des Arzneimittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 24. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2510) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. In Absatz 2 werden die Wörter „§§ 158c bis 158k des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 30. Juni 1967 (BGBl. I S. 609)“ durch die Wörter „§ 113 Abs. 3 und die §§ 114 bis 124 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. 2. In Absatz 3 Satz 2 werden die Wörter „§§ 158c bis 158k des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 113 Abs. 3 und die §§ 114 bis 124 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. 3. In Absatz 4 werden die Wörter „§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. (2) In § 19a Abs. 5 der Bundesnotarordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 303-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 358) geändert worden ist, werden die Wörter „§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. (3) In § 51 Abs. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 303-8, veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 358) geändert worden ist, werden die Wörter „§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. (4) Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 315-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 13 des Gesetzes vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), wird wie folgt geändert: 1. In § 145 Abs. 2 wird die Angabe „ ,§ 884 Nr. 4“ gestrichen. 2. In § 146 Abs. 3 wird die Angabe „und § 884 Nr. 4“ gestrichen. (5) In § 20 Abs. 1 Nr. 5 des Umwelthaftungsgesetzes vom 10. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2634), das zuletzt durch Artikel 129 des Gesetzes vom 19. April 2006 (BGBl. I S. 866) geändert worden ist, werden jeweils die Wörter „§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. (6) § 7 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über die Verjährung von deutschen Auslandsschulden und ähnlichen Schulden in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 401-5, veröffentlichten bereinigten Fassung wird gestrichen. (7) In § 45 Abs. 7 der Patentanwaltsordnung vom 7. September 1966 (BGBl. I S. 557), die zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 358) geändert worden ist,
VVG n. F.
273 werden die Wörter „§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§117 Abs. 2des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. (8) In § 25 Abs. 2 Satz 2 und § 67 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 1975 (BGBl. I S. 2735), das zuletzt durch Artikel 25 des Gesetzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3416) geändert worden ist, werden die Wörter „§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. (9) In § 54 Abs. 1 Satz 3 der Wirtschaftsprüferordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. November 1975 (BGBl. I S. 2803), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. September 2007 (BGBl. I S. 2178) geändert worden ist, werden die Wörter „§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§117 Abs. 2des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. (10) In § 6 Abs. 3 der Bewachungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Juli 2003 (BGBl. I S. 1378), die zuletzt durch Artikel 84 des Gesetzes vom 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1818) geändert worden ist, wird die Angabe „§ 158c Abs. 2“ durch die Angabe „§ 117 Abs. 2“ ersetzt. (11) Das Atomgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 (BGBl. I S. 1565), zuletzt geändert durch Artikel 161 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407), wird wie folgt geändert: 1. § 14 Abs. 1 wird wie folgt gefasst: „(1) Wird die Deckungsvorsorge bei Anlagen und Tätigkeiten, bei denen eine Haftung nach dem Pariser Übereinkommen in Verbindung mit § 25 Abs. 1 bis 4, nach § 25a, nach einem der in § 25a Abs. 2 genannten internationalen Verträge oder nach § 26 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a in Betracht kommt, durch eine Haftpflichtversicherung erbracht, gelten für diese, ohne dass ein Direktanspruch im Sinn von § 115 des Versicherungsvertragsgesetzes begründet wird, die §§ 117 und 119 bis 122 des Versicherungsvertragsgesetzes entsprechend mit der Maßgabe, dass die Frist des § 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes zwei Monate beträgt und ihr Ablauf bei der Haftung für die Beförderung von Kernmaterialien und radioaktiven Stoffen, die ihnen nach § 26 Abs. 1a gleichgestellt sind, für die Dauer der Beförderung gehemmt ist; bei Anwendung des § 117 Abs. 3 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes bleibt die Freistellungsverpflichtung nach § 34 außer Betracht. § 109 des Versicherungsvertragsgesetzes ist nicht anzuwenden.“ 2. § 34 Abs. 3 wird wie folgt gefasst: „(3) Im Übrigen finden auf die Freistellungsverpflichtung die §§ 83 und 87 und die Vorschriften des Teils 2 Kapitel 1 des Versicherungsvertragsgesetzes mit Ausnahme der §§ 103 und 118 entsprechende Anwendung, ohne dass gegen den zur Freistellung Verpflichteten ein Direktanspruch im Sinn von § 115 des Versicherungsvertragsgesetzes begründet wird.“ (12) In § 5 Abs. 4 der Atomrechtlichen Deckungsvorsorge-Verordnung vom 25. Januar 1977 (BGBl. S. 220), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2365, 2976) geändert worden ist, werden die Wörter „§ 158c Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. (13) In § 6 Abs. 1 Satz 6 der Verordnung über die Lebens- und Rentenversicherung aus Anlass der Neuordnung des Geldwesens in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer
274
Anhang 7602-6-a, veröffentlichten bereinigten Fassung werden die Wörter „§§ 39, 189 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag sinngemäß“ durch die Wörter „§§ 38, 211 des Versicherungsvertragsgesetzes entsprechend“ ersetzt. (14) In §4 Satz 1 der Zweiten Verordnung über die Schadens-, Unfall- und Krankenversicherung aus Anlass der Neuordnung des Geldwesens in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7602-7-2-a, veröffentlichten bereinigten Fassung werden die Wörter „§ 51 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 74 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. (15) In § 9 Abs. 4 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. März 1994 (BGBl. I S. 406), das zuletzt durch Artikel 13a Nr. 4 des Gesetzes vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1330) geändert worden ist, werden die Angabe „§ 176“ durch die Angabe „§ 169“ und die Angabe „§174“ durch die Angabe „§ 165“ ersetzt. (16) Das Betriebsrentengesetz vom 19. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3610), zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554), wird wie folgt geändert: 1. § 2 Abs. 2 wird wie folgt geändert: a) In Satz 4 werden die Wörter „§ 176 Abs. 3 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag berechneten Zeitwerts“ durch die Wörter „§ 169 Abs. 3 und 4 des Versicherungsvertragsgesetzes berechneten Wertes“ ersetzt. b) In Satz 6 werden die Wörter „§ 176 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 169 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. 2. In § 7 Abs. 1 Satz 3 wird die Angabe „§11“ durch die Angabe „§14“ ersetzt. (17) § 10 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Aufhebung des Hilfskassengesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 8230-1, veröffentlichten bereinigten Fassung wird aufgehoben. (18) § 9 Abs. 2 Nr. 1 der Signaturverordnung vom 16. November 2001 (BGBl. I S. 3074), die durch Artikel 2 des Gesetzes vom 4. Januar 2005 (BGBl. I S. 2) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. In Satz 1 werden die Wörter „§ 158b Abs. 2 und die §§ 158c bis 158k des Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch die Wörter „§ 113 Abs. 2 und 3 und die §§ 114 bis 124 des Versicherungsvertragsgesetzes“ ersetzt. 2. Satz 2 wird wie folgt gefasst: „Zuständige Behörde nach § 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes ist die Behörde nach § 116 des Telekommunikationsgesetzes.“ (19) In § 3 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 der Eisenbahnhaftpflichtversicherungsverordnung vom 21. Dezember 1995 (BGBl. I S. 2101), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 3. August 2005 (BGBl. I S. 2270, 2420) geändert worden ist, wird jeweils die Angabe „§ 158c Abs. 2 Satz 1“ durch die Angabe „§117 Abs. 2 Satz 1“ ersetzt. (20) In § 43 Abs. 3 und § 50 Abs. 2 des Luftverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 698), das durch Artikel 2 des Gesetzes vom 1. Juni 2007 (BGBl. I S. 986) geändert worden ist, werden jeweils 1. das Wort „besonderen“ gestrichen und die Wörter „Gesetzes über den Versicherungsvertrag“ durch das Wort „Versicherungsver-
VVG n. F.
275 tragsgesetzes“ ersetzt und 2. folgender Satz angefügt: „§ 114 des Versicherungsvertragsgesetzes gilt nicht.“ (21) § 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 28 Abs. 4 des Gesetzes vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. Absatz 9 wird aufgehoben. 2. Absatz 10 wird Absatz 9 und ihm wird folgender Satz angefügt: „Die vorstehenden Regelungen zum Versicherungsvertrag sind auf eine Anwartschaftsversicherung in der privaten Krankenversicherung entsprechend anzuwenden.“
Artikel 10 Artikel 43 des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 20. Juli 2007 (BGBl. I S. 1595) geändert worden ist, wird aufgehoben.
Artikel 11 (1) Kapitel 8 des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) wird wie folgt gefasst: „Kapitel 8 Krankenversicherung § 192 Vertragstypische Leistungen des Versicherers (1) Bei der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen einschließlich solcher bei Schwangerschaft und Entbindung sowie für ambulante Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen zu erstatten. (2) Der Versicherer ist zur Leistung nach Absatz 1 insoweit nicht verpflichtet, als die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen. (3) Als Inhalt der Krankheitskostenversicherung können zusätzliche Dienstleistungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Leistungen nach Absatz 1 stehen, vereinbart werden, insbesondere 1. die Beratung über Leistungen nach Absatz 1 sowie über die Anbieter solcher Leistungen; 2. die Beratung über die Berechtigung von Entgeltansprüchen der Erbringer von Leistungen nach Absatz 1; 3. die Abwehr unberechtigter Entgeltansprüche der Erbringer von Leistungen nach Absatz 1; 4. die Unterstützung der versicherten Personen bei der Durchsetzung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Erbringung der Leistungen nach Absatz 1 und der sich hieraus ergebenden Folgen; 5. die unmittelbare Abrechnung der Leistungen nach Absatz 1 mit deren Erbringern. (4) Bei der Krankenhaustagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung das vereinbarte Krankenhaustagegeld zu leisten.
276
Anhang (5) Bei der Krankentagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den als Folge von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen. (6) Bei der Pflegekrankenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im Fall der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für die Pflege der versicherten Person zu erstatten (Pflegekostenversicherung) oder das vereinbarte Tagegeld zu leisten (Pflegetagegeldversicherung). Absatz 2 gilt für die Pflegekostenversicherung entsprechend. Die Regelungen des Elften Buches Sozialgesetzbuch über die private Pflegeversicherung bleiben unberührt. (7) Bei der Krankheitskostenversicherung im Basistarif nach § 12 des Versicherungsaufsichtsgesetzes kann der Leistungserbringer seinen Anspruch auf Leistungserstattung auch gegen den Versicherer geltend machen, soweit der Versicherer aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist. Im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis haften Versicherer und Versicherungsnehmer gesamtschuldnerisch. § 193 Versicherte Person; Versicherungspflicht (1) Die Krankenversicherung kann auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines anderen genommen werden. Versicherte Person ist die Person, auf welche die Versicherung genommen wird. (2) Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, ist bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch deren Kenntnis und Verhalten zu berücksichtigen. (3) Jede Person mit Wohnsitz im Inland ist verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst und für die von ihr gesetzlich vertretenen Personen, soweit diese nicht selbst Verträge abschließen können, eine Krankheitskostenversicherung, die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung umfasst und bei der die für tariflich vorgesehene Leistungen vereinbarten absoluten und prozentualen Selbstbehalte für ambulante und stationäre Heilbehandlung für jede zu versichernde Person auf eine betragsmäßige Auswirkung von kalenderjährlich 5 000 Euro begrenzt ist, abzuschließen und aufrechtzuerhalten; für Beihilfeberechtigte ergeben sich die möglichen Selbstbehalte durch eine sinngemäße Anwendung des durch den Beihilfesatz nicht gedeckten Vom-Hundert-Anteils auf den Höchstbetrag von 5 000 Euro. Die Pflicht nach Satz 1 besteht nicht für Personen, die 1. in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind oder 2. Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung oder 3. Anspruch auf Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes haben oder 4. Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind für die Dauer dieses Leistungsbezugs und während Zeiten einer Unterbrechung des Leistungsbezugs von weniger als einem Monat, wenn der Leistungsbezug vor dem 1. Januar 2009 begonnen hat. Ein vor dem 1. April 2007 vereinbarter Krankheitskostenversicherungsvertrag genügt den Anforderungen des Satzes 1. (4) Wird der Vertragsabschluss später als einen Monat nach Entstehen der Pflicht nach Absatz 3 Satz 1 beantragt, ist ein Prämienzuschlag zu entrichten. Dieser beträgt einen Monatsbeitrag für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung, ab dem sechsten Monat der
VVG n. F.
277 Nichtversicherung für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung ein Sechstel eines Monatsbeitrags. Kann die Dauer der Nichtversicherung nicht ermittelt werden, ist davon auszugehen, dass der Versicherte mindestens fünf Jahre nicht versichert war. Der Prämienzuschlag ist einmalig zusätzlich zur laufenden Prämie zu entrichten. Der Versicherungsnehmer kann vom Versicherer die Stundung des Prämienzuschlages verlangen, wenn ihn die sofortige Zahlung ungewöhnlich hart treffen würde und den Interessen des Versicherers durch die Vereinbarung einer angemessenen Ratenzahlung Rechnung getragen werden kann. Der gestundete Betrag ist zu verzinsen. (5) Der Versicherer ist verpflichtet, 1. allen freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten a) innerhalb von sechs Monaten nach Einführung des Basistarifes, b) innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der im Fünften Buch Sozialgesetzbuch vorgesehenen Wechselmöglichkeit im Rahmen ihres freiwilligen Versicherungsverhältnisses, 2. allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, nicht zum Personenkreis nach Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nr. 3 und 4 gehören und die nicht bereits eine private Krankheitskostenversicherung mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben, die der Pflicht nach Absatz 3 genügt, 3. Personen, die beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben, soweit sie zur Erfüllung der Pflicht nach Absatz 3 Satz 1 ergänzenden Versicherungsschutz benötigen, 4. allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die eine private Krankheitskostenversicherung im Sinn des Absatzes 3 mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben und deren Vertrag nach dem 31. Dezember 2008 abgeschlossen wird, Versicherung im Basistarif nach § 12 Abs. 1a des Versicherungsaufsichtsgesetzes zu gewähren. Ist der private Krankheitskostenversicherungsvertrag vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen, kann bei Wechsel oder Kündigung des Vertrags der Abschluss eines Vertrags im Basistarif beim eigenen oder einem anderen Versicherungsunternehmen unter Mitnahme der Alterungsrückstellungen gemäß § 204 Abs. 1 nur bis zum 30. Juni 2009 verlangt werden. Der Antrag muss bereits dann angenommen werden, wenn bei einer Kündigung eines Vertrags bei einem anderen Versicherer die Kündigung nach § 205 Abs. 1 Satz 1 noch nicht wirksam geworden ist. Der Antrag darf nur abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherer versichert war und der Versicherer 1. den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder 2. vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist. (6) Ist der Versicherungsnehmer in einer der Pflicht nach Absatz 3 genügenden Versicherung mit einem Betrag in Höhe von Prämienanteilen für zwei Monate im Rückstand, hat ihn der Versicherer zu mahnen. Ist der Rückstand zwei Wochen nach Zugang der Mahnung noch höher als der Prämienanteil für einen Monat, stellt der Versicherer das Ruhen der Leistungen fest. Das Ruhen tritt drei Tage nach Zugang dieser Mitteilung beim Versicherungsnehmer ein. Voraussetzung ist, dass der Versicherungsnehmer in der Mahnung nach Satz 1 auf diese Folge hingewiesen worden ist. Das Ruhen endet, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinn des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch wird; die Hilfebedürftigkeit ist auf Antrag des Berechtigten vom zuständigen Träger nach dem Zweiten oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu bescheinigen. Während der Ruhenszeit
278
Anhang haftet der Versicherer ausschließlich für Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind. Angaben zum Ruhen des Anspruchs kann der Versicherer auf einer elektronischen Gesundheitskarte nach § 291a Abs. 1a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vermerken. Darüber hinaus hat der Versicherungsnehmer für jeden angefangenen Monat des Rückstandes an Stelle von Verzugszinsen einen Säumniszuschlag von 1 vom Hundert des Beitragsrückstandes zu entrichten. Sind die ausstehenden Beitragsanteile, Säumniszuschläge und Beitreibungskosten nicht innerhalb eines Jahres nach Beginn des Ruhens vollständig bezahlt, so wird die Versicherung im Basistarif fortgesetzt. Satz 6 bleibt unberührt. (7) Bei einer Versicherung im Basistarif nach § 12 des Versicherungsaufsichtsgesetzes kann das Versicherungsunternehmen verlangen, dass Zusatzversicherungen ruhen, wenn und solange ein Versicherter auf die Halbierung des Beitrags nach § 12 Abs. 1c des Versicherungsaufsichtsgesetzes angewiesen ist. § 194 Anzuwendende Vorschriften (1) Soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird, sind die §§ 74 bis 80 und 82 bis 87 anzuwenden. Die §§ 23 bis 27 und 29 sind auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden. § 19 Abs. 4 ist auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu vertreten hat. Abweichend von § 21 Abs. 3 Satz 1 beläuft sich die Frist für die Geltendmachung der Rechte des Versicherers auf drei Jahre. (2) Steht dem Versicherungsnehmer oder einer versicherten Person ein Anspruch auf Rückzahlung ohne rechtlichen Grund gezahlter Entgelte gegen den Erbringer von Leistungen zu, für die der Versicherer auf Grund des Versicherungsvertrags Erstattungsleistungen erbracht hat, ist § 86 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden. (3) Die §§ 43 bis 48 sind auf die Krankenversicherung mit der Maßgabe anzuwenden, dass ausschließlich die versicherte Person die Versicherungsleistung verlangen kann, wenn der Versicherungsnehmer sie gegenüber dem Versicherer in Textform als Empfangsberechtigten der Versicherungsleistung benannt hat; die Benennung kann widerruflich oder unwiderruflich erfolgen. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, kann nur der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung verlangen. Einer Vorlage des Versicherungsscheins bedarf es nicht. § 195 Versicherungsdauer (1) Die Krankenversicherung, die ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann (substitutive Krankenversicherung), ist vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 und der §§ 196 und 199 unbefristet. Wird die nicht substitutive Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung betrieben, gilt Satz 1 entsprechend. (2) Bei Ausbildungs-, Auslands-, Reise- und Restschuldkrankenversicherungen können Vertragslaufzeiten vereinbart werden. (3) Bei der Krankenversicherung einer Person mit befristetem Aufenthaltstitel für das Inland kann vereinbart werden, dass sie spätestens nach fünf Jahren endet. Ist eine kürzere Laufzeit vereinbart, kann ein gleichartiger neuer Vertrag nur mit einer Höchstlaufzeit geschlossen wer-
VVG n. F.
279 den, die unter Einschluss der Laufzeit des abgelaufenen Vertrags fünf Jahre nicht überschreitet; dies gilt auch, wenn der neue Vertrag mit einem anderen Versicherer geschlossen wird. § 196 Befristung der Krankentagegeldversicherung (1) Bei der Krankentagegeldversicherung kann vereinbart werden, dass die Versicherung mit Vollendung des 65. Lebensjahres der versicherten Person endet. Der Versicherungsnehmer kann in diesem Fall vom Versicherer verlangen, dass dieser den Antrag auf Abschluss einer mit Vollendung des 65. Lebensjahres beginnenden neuen Krankentagegeldversicherung annimmt, die spätestens mit Vollendung des 70. Lebensjahres endet. Auf dieses Recht hat der Versicherer ihn frühestens sechs Monate vor dem Ende der Versicherung unter Beifügung des Wortlauts dieser Vorschrift in Textform hinzuweisen. Wird der Antrag bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Vollendung des 65. Lebensjahres gestellt, hat der Versicherer den Versicherungsschutz ohne Risikoprüfung oder Wartezeiten zu gewähren, soweit der Versicherungsschutz nicht höher oder umfassender ist als im bisherigen Tarif. (2) Hat der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht nach Absatz 1 Satz 3 auf das Ende der Versicherung hingewiesen und wird der Antrag vor Vollendung des 66. Lebensjahres gestellt, gilt Absatz 1 Satz 4 entsprechend, wobei die Versicherung mit Zugang des Antrags beim Versicherer beginnt. Ist der Versicherungsfall schon vor Zugang des Antrags eingetreten, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. (3) Absatz 1 Satz 2 und 4 gilt entsprechend, wenn in unmittelbarem Anschluss an eine Versicherung nach Absatz 1 Satz 4 oder Absatz 2 Satz 1 eine neue Krankentagegeldversicherung beantragt wird, die spätestens mit Vollendung des 75. Lebensjahres endet. (4) Die Vertragsparteien können ein späteres Lebensjahr als in den vorstehenden Absätzen festgelegt vereinbaren. § 197 Wartezeiten (1) Soweit Wartezeiten vereinbart werden, dürfen diese in der Krankheitskosten-, Krankenhaustagegeld- und Krankentagegeldversicherung als allgemeine Wartezeit drei Monate und als besondere Wartezeit für Entbindung, Psychotherapie, Zahnbehandlung, Zahnersatz und Kieferorthopädie acht Monate nicht überschreiten. Bei der Pflegekrankenversicherung darf die Wartezeit drei Jahre nicht überschreiten. (2) Personen, die aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheiden oder die aus einem anderen Vertrag über eine Krankheitskostenversicherung ausgeschieden sind, ist die dort ununterbrochen zurückgelegte Versicherungszeit auf die Wartezeit anzurechnen, sofern die Versicherung spätestens zwei Monate nach Beendigung der Vorversicherung zum unmittelbaren Anschluss daran beantragt wird. Dies gilt auch für Personen, die aus einem öffentlichen Dienstverhältnis mit Anspruch auf Heilfürsorge ausscheiden. § 198 Kindernachversicherung (1) Besteht am Tag der Geburt für mindestens einen Elternteil eine Krankenversicherung, ist der Versicherer verpflichtet, dessen neugeborenes Kind ab Vollendung der Geburt ohne Risikozuschläge und Wartezeiten zu versichern, wenn die Anmeldung zur Versicherung spätestens zwei Monate nach dem Tag der Geburt rückwirkend erfolgt. Diese Verpflichtung besteht nur
280
Anhang insoweit, als der beantragte Versicherungsschutz des Neugeborenen nicht höher und nicht umfassender als der des versicherten Elternteils ist. (2) Der Geburt eines Kindes steht die Adoption gleich, sofern das Kind im Zeitpunkt der Adoption noch minderjährig ist. Besteht eine höhere Gefahr, ist die Vereinbarung eines Risikozuschlags höchstens bis zur einfachen Prämienhöhe zulässig. (3) Als Voraussetzung für die Versicherung des Neugeborenen oder des Adoptivkindes kann eine Mindestversicherungsdauer des Elternteils vereinbart werden. Diese darf drei Monate nicht übersteigen. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für die Auslands- und die Reisekrankenversicherung nicht, soweit für das Neugeborene oder für das Adoptivkind anderweitiger privater oder gesetzlicher Krankenversicherungsschutz im Inland oder Ausland besteht. § 199 Beihilfeempfänger (1) Bei der Krankheitskostenversicherung einer versicherten Person mit Anspruch auf Beihilfe nach den Grundsätzen des öffentlichen Dienstes kann vereinbart werden, dass sie mit der Versetzung der versicherten Person in den Ruhestand im Umfang der Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes endet. (2) Ändert sich bei einer versicherten Person mit Anspruch auf Beihilfe nach den Grundsätzen des öffentlichen Dienstes der Beihilfebemessungssatz oder entfällt der Beihilfeanspruch, hat der Versicherungsnehmer Anspruch darauf, dass der Versicherer den Versicherungsschutz im Rahmen der bestehenden Krankheitskostentarife so anpasst, dass dadurch der veränderte Beihilfebemessungssatz oder der weggefallene Beihilfeanspruch ausgeglichen wird. Wird der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Änderung gestellt, hat der Versicherer den angepassten Versicherungsschutz ohne Risikoprüfung oder Wartezeiten zu gewähren. (3) Absatz 2 gilt nicht bei Gewährung von Versicherung im Basistarif. § 200 Bereicherungsverbot Hat die versicherte Person wegen desselben Versicherungsfalles einen Anspruch gegen mehrere Erstattungsverpflichtete, darf die Gesamterstattung die Gesamtaufwendungen nicht übersteigen. § 201 Herbeiführung des Versicherungsfalles Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person vorsätzlich die Krankheit oder den Unfall bei sich selbst herbeiführt. § 202 Auskunftspflicht des Versicherers; Schadensermittlungskosten Der Versicherer ist verpflichtet, auf Verlangen des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person einem von ihnen benannten Arzt oder Rechtsanwalt Auskunft über und Einsicht in Gutachten oder Stellungnahmen zu geben, die er bei der Prüfung seiner Leistungspflicht über die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung eingeholt hat. Der Auskunftsanspruch kann nur von der jeweils betroffenen Person oder ihrem gesetzlichen Vertreter geltend ge-
VVG n. F.
281 macht werden. Hat der Versicherungsnehmer das Gutachten oder die Stellungnahme auf Veranlassung des Versicherers eingeholt, hat der Versicherer die entstandenen Kosten zu erstatten. § 203 Prämien- und Bedingungsanpassung (1) Bei einer Krankenversicherung, bei der die Prämie nach Art der Lebensversicherung berechnet wird, kann der Versicherer nur die entsprechend den technischen Berechnungsgrundlagen nach den §§ 12, 12a und 12e in Verbindung mit § 12c des Versicherungsaufsichtsgesetzes zu berechnende Prämie verlangen. Außer bei Verträgen im Basistarif nach § 12 des Versicherungsaufsichtsgesetzes kann der Versicherer mit Rücksicht auf ein erhöhtes Risiko einen angemessenen Risikozuschlag oder einen Leistungsausschluss vereinbaren. Im Basistarif ist eine Risikoprüfung nur zulässig, soweit sie für Zwecke des Risikoausgleichs nach § 12g des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder für spätere Tarifwechsel erforderlich ist. (2) Ist bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. Dabei dürfen auch ein betragsmäßig festgelegter Selbstbehalt angepasst und ein vereinbarter Risikozuschlag entsprechend geändert werden, soweit dies vereinbart ist. Maßgebliche Rechnungsgrundlagen im Sinn der Sätze 1 und 2 sind die Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten. Für die Änderung der Prämien, Prämienzuschläge und Selbstbehalte sowie ihre Überprüfung und Zustimmung durch den Treuhänder gilt § 12b Abs. 1 bis 2a in Verbindung mit einer auf Grund des § 12c des Versicherungsaufsichtsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung. (3) Ist bei einer Krankenversicherung im Sinn des Absatzes 1 Satz 1 das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens berechtigt, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Tarifbestimmungen den veränderten Verhältnissen anzupassen, wenn die Änderungen zur hinreichenden Wahrung der Belange der Versicherungsnehmer erforderlich erscheinen und ein unabhängiger Treuhänder die Voraussetzungen für die Änderungen überprüft und ihre Angemessenheit bestätigt hat. (4) Ist eine Bestimmung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers durch höchstrichterliche Entscheidung oder durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärt worden, ist § 164 anzuwenden. (5) Die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach den Absätzen 2 und 3 werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. § 204 Tarifwechsel (1) Bei bestehendem Versicherungsverhältnis kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer verlangen, dass dieser 1. Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versiche-
282
Anhang rungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung annimmt; soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, kann der Versicherer für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen; der Versicherungsnehmer kann die Vereinbarung eines Risikozuschlages und einer Wartezeit dadurch abwenden, dass er hinsichtlich der Mehrleistung einen Leistungsausschluss vereinbart; bei einem Wechsel aus dem Basistarif in einen anderen Tarif kann der Versicherer auch den bei Vertragsschluss ermittelten Risikozuschlag verlangen; der Wechsel in den Basistarif des Versicherers unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung ist nur möglich, wenn a) die bestehende Krankheitskostenversicherung nach dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde oder b) der Versicherungsnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat oder das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, aber die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt und diese Rente beantragt hat oder ein Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen oder vergleichbaren Vorschriften bezieht oder hilfebedürftig nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ist oder c) die bestehende Krankheitskostenversicherung vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde und der Wechsel in den Basistarif vor dem 1. Juli 2009 beantragt wurde; 2. bei einer Kündigung des Vertrags und dem gleichzeitigen Abschluss eines neuen Vertrags, der ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Krankenversicherungsschutz ersetzen kann, bei einem anderen Krankenversicherer a) die kalkulierte Alterungsrückstellung des Teils der Versicherung, dessen Leistungen dem Basistarif entsprechen, an den neuen Versicherer überträgt, sofern die gekündigte Krankheitskostenversicherung nach dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde; b) bei einem Abschluss eines Vertrags im Basistarif die kalkulierte Alterungsrückstellung des Teils der Versicherung, dessen Leistungen dem Basistarif entsprechen, an den neuen Versicherer überträgt, sofern die gekündigte Krankheitskostenversicherung vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde und die Kündigung vor dem 1. Juli 2009 erfolgte. Soweit die Leistungen in dem Tarif, aus dem der Versicherungsnehmer wechseln will, höher oder umfassender sind als im Basistarif, kann der Versicherungsnehmer vom bisherigen Versicherer die Vereinbarung eines Zusatztarifes verlangen, in dem die über den Basistarif hinausgehende Alterungsrückstellung anzurechnen ist. Auf die Ansprüche nach den Sätzen 1 und 2 kann nicht verzichtet werden. (2) Absatz 1 gilt nicht für befristete Versicherungsverhältnisse. (3) Soweit die Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung betrieben wird, haben die Versicherungsnehmer und die versicherte Person das Recht, einen gekündigten Versicherungsvertrag in Form einer Anwartschaftsversicherung fortzuführen. § 205 Kündigung des Versicherungsnehmers (1) Vorbehaltlich einer vereinbarten Mindestversicherungsdauer bei der Krankheitskosten- und bei der Krankenhaustagegeldversicherung kann der Versicherungsnehmer ein Krankenversicherungsverhältnis, das für die Dauer von mehr als einem Jahr eingegangen ist, zum Ende des
VVG n. F.
283 ersten Jahres oder jedes darauf folgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten kündigen. Die Kündigung kann auf einzelne versicherte Personen oder Tarife beschränkt werden. (2) Wird eine versicherte Person kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig, kann der Versicherungsnehmer binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht eine Krankheitskosten-, eine Krankentagegeld- oder eine Pflegekrankenversicherung sowie eine für diese Versicherungen bestehende Anwartschaftsversicherung rückwirkend zum Eintritt der Versicherungspflicht kündigen. Die Kündigung ist unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nicht innerhalb von zwei Monaten nachweist, nachdem der Versicherer ihn hierzu in Textform aufgefordert hat, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Versäumung dieser Frist nicht zu vertreten. Macht der Versicherungsnehmer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, steht dem Versicherer die Prämie nur bis zu diesem Zeitpunkt zu. Später kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis zum Ende des Monats kündigen, in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist. Der Versicherungspflicht steht der gesetzliche Anspruch auf Familienversicherung oder der nicht nur vorübergehende Anspruch auf Heilfürsorge aus einem beamtenrechtlichen oder ähnlichen Dienstverhältnis gleich. (3) Ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag, dass bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters oder bei Eintreten anderer dort genannter Voraussetzungen die Prämie für ein anderes Lebensalter oder eine andere Altersgruppe gilt oder die Prämie unter Berücksichtigung einer Alterungsrückstellung berechnet wird, kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis hinsichtlich der betroffenen versicherten Person binnen zwei Monaten nach der Änderung zum Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens kündigen, wenn sich die Prämie durch die Änderung erhöht. (4) Erhöht der Versicherer auf Grund einer Anpassungsklausel die Prämie oder vermindert er die Leistung, kann der Versicherungsnehmer hinsichtlich der betroffenen versicherten Person innerhalb eines Monats nach Zugang der Änderungsmitteilung mit Wirkung für den Zeitpunkt kündigen, zu dem die Prämienerhöhung oder die Leistungsminderung wirksam werden soll. (5) Hat sich der Versicherer vorbehalten, die Kündigung auf einzelne versicherte Personen oder Tarife zu beschränken, und macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, kann der Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung die Aufhebung des übrigen Teils der Versicherung zu dem Zeitpunkt verlangen, zu dem die Kündigung wirksam wird. Satz 1 gilt entsprechend, wenn der Versicherer die Anfechtung oder den Rücktritt nur für einzelne versicherte Personen oder Tarife erklärt. In diesen Fällen kann der Versicherungsnehmer die Aufhebung zum Ende des Monats verlangen, in dem ihm die Erklärung des Versicherers zugegangen ist. (6) Abweichend von den Absätzen 1 bis 5 kann der Versicherungsnehmer eine Versicherung, die eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 Satz 1 erfüllt, nur dann kündigen, wenn er bei einem anderen Versicherer für die versicherte Person einen neuen Vertrag abschließt, der dieser Pflicht genügt. Die Kündigung wird erst wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die versicherte Person bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist. § 206 Kündigung des Versicherers (1) Jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 erfüllt, ist durch den Versicherer ausgeschlossen. Darüber hinaus ist die ordentliche
284
Anhang Kündigung einer Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und einer Pflegekrankenversicherung durch den Versicherer ausgeschlossen, wenn die Versicherung ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann. Sie ist weiterhin ausgeschlossen für eine Krankenhaustagegeld-Versicherung, die neben einer Krankheitskostenvollversicherung besteht. Eine Krankentagegeldversicherung, für die kein gesetzlicher Anspruch auf einen Beitragszuschuss des Arbeitgebers besteht, kann der Versicherer abweichend von Satz 2 in den ersten drei Jahren unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines jeden Versicherungsjahres kündigen. (2) Liegen bei einer Krankenhaustagegeldversicherung oder einer Krankheitskostenteilversicherung die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vor, kann der Versicherer das Versicherungsverhältnis nur innerhalb der ersten drei Versicherungsjahre zum Ende eines Versicherungsjahres kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. (3) Wird eine Krankheitskostenversicherung oder eine Pflegekrankenversicherung vom Versicherer wegen Zahlungsverzugs des Versicherungsnehmers wirksam gekündigt, sind die versicherten Personen berechtigt, die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Benennung des künftigen Versicherungsnehmers zu erklären; die Prämie ist ab Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses zu leisten. Die versicherten Personen sind vom Versicherer über die Kündigung und das Recht nach Satz 1 in Textform zu informieren. Dieses Recht endet zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherte Person Kenntnis von diesem Recht erlangt hat. (4) Die ordentliche Kündigung eines Gruppenversicherungsvertrags, der Schutz gegen das Risiko Krankheit enthält, durch den Versicherer ist zulässig, wenn die versicherten Personen die Krankenversicherung unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung, soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingungen der Einzelversicherung fortsetzen können. Absatz 3 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. § 207 Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses (1) Endet das Versicherungsverhältnis durch den Tod des Versicherungsnehmers, sind die versicherten Personen berechtigt, binnen zwei Monaten nach dem Tod des Versicherungsnehmers die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Benennung des künftigen Versicherungsnehmers zu erklären. (2) Kündigt der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis insgesamt oder für einzelne versicherte Personen, gilt Absatz 1 entsprechend. Die Kündigung ist nur wirksam, wenn die versicherte Person von der Kündigungserklärung Kenntnis erlangt hat. Handelt es sich bei dem gekündigten Vertrag um einen Gruppenversicherungsvertrag und wird kein neuer Versicherungsnehmer benannt, sind die versicherten Personen berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung, soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingungen der Einzelversicherung fortzusetzen. Das Recht nach Satz 3 endet zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherte Person von diesem Recht Kenntnis erlangt hat. (3) Verlegt eine versicherte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einen anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, setzt sich das Versicherungsverhältnis mit der Maßgabe fort, dass der Versicherer höchstens zu denjenigen Leistungen verpflichtet bleibt, die er bei einem Aufenthalt im Inland zu erbringen hätte.
VVG n. F.
285 § 208 Abweichende Vereinbarungen Von den §§ 194 bis 199 und 201 bis 207 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person abgewichen werden. Für die Kündigung des Versicherungsnehmers nach § 205 kann die Schrift oder die Textform vereinbart werden.“ (2) § 12 Abs. 1b des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1992 (BGBl. 1993 I S. 2), das zuletzt durch Artikel 7 dieses Gesetzes geändert worden ist, wird wie folgt geändert: a) In Satz 1 Nr. 2 werden die Angabe „§ 178a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 und 4“ durch die Angabe „§ 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 und 4“ und die Angabe „§ 178 a Abs. 5“ durch die Angabe „§ 193 Abs. 3“ ersetzt. b) In Satz 1 Nr. 3 wird die Angabe „§ 178a Abs. 5 Satz 1“ durch die Angabe „§193 Abs. 3 Satz 1“ ersetzt. c) In Satz 2 wird die Angabe „§ 178f Abs. 1“ durch die Angabe „§204 Abs. 1“ ersetzt. d) In Satz 3 wird die Angabe „§ 178h Abs. 1“ durch die Angabe „§205 Abs. 1“ ersetzt. e) In Satz 4 Nr. 2 werden die Wörter „(§ 16 in Verbindung mit § 178k des Versicherungsvertragsgesetzes)“ gestrichen. (3) In § 13 Abs. 5 der Kalkulationsverordnung vom 18. November 1996 (BGBl. I S. 1783), die durch Artikel 45 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) geändert worden ist, wird die Angabe „§ 178 f Abs. 1 Nr. 2“ durch die Angabe „§ 204 Abs. 1 Nr. 2“ ersetzt.
Artikel 12 Inkrafttreten, Außerkrafttreten (1) Artikel 5 Nr. 1 tritt mit Wirkung vom 25. April 2006 in Kraft. In Artikel 1 tritt § 7 Abs. 2 und 3 des Versicherungsvertragsgesetzes am Tag nach der Verkündung in Kraft. Im Übrigen tritt dieses Gesetz vorbehaltlich des Absatzes 2 am 1. Januar 2008 in Kraft. Gleichzeitig treten außer Kraft: 1. Das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 43 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378), dieses wiederum geändert durch Artikel 10 dieses Gesetzes; 2. die Verordnung zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-1-1, veröffentlichten bereinigten Fassung; 3. die Dritte Verordnung zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-1-3, veröffentlichten bereinigten Fassung; 4. die Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-3, veröffentlichten bereinigten Fassung; 5. das Gesetz zur Überleitung landesrechtlicher Gebäudeversicherungsverhältnisse vom 22. Juli 1993 (BGBl. I S. 1282, 1286). (2) Artikel 11 dieses Gesetzes tritt am 1. Januar 2009 in
286
Anhang Kraft. Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden.
Berlin, den 23. November 2007 Der Bundespräsident Horst Köhler Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel Die Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries
VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV
3
287
Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV)* vom 18. Dezember 2007
Auf Grund des § 7 Abs. 2 und 3 des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) verordnet das Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und im Benehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: §1 Informationspflichten bei allen Versicherungszweigen (1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes folgende Informationen zur Verfügung zu stellen: 1. die Identität des Versicherers und der etwaigen Niederlassung, über die der Vertrag abgeschlossen werden soll; anzugeben ist auch das Handelsregister, bei dem der Rechtsträger eingetragen ist, und die zugehörige Registernummer; 2. die Identität eines Vertreters des Versicherers in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat, wenn es einen solchen Vertreter gibt, oder die Identität einer anderen gewerblich tätigen Person als dem Anbieter, wenn der Versicherungsnehmer mit dieser geschäftlich zu tun hat, und die Eigenschaft, in der diese Person gegenüber dem Versicherungsnehmer tätig wird; 3. die ladungsfähige Anschrift des Versicherers und jede andere Anschrift, die für die Geschäftsbeziehung zwischen dem Versicherer, seinem Vertreter oder einer anderen gewerblich tätigen Person gemäß Nummer 2 und dem Versicherungsnehmer maßgeblich ist, bei juristischen Personen, Personenvereinigungen oder -gruppen auch den Namen eines Vertretungsberechtigten; 4. die Hauptgeschäftstätigkeit des Versicherers; 5. Angaben über das Bestehen eines Garantiefonds oder anderer Entschädigungsregelungen, die nicht unter die Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. EG Nr. L 135 S. 5) und die Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger (ABl. EG Nr. L 84 S. 22) fallen; Name und Anschrift des Garantiefonds sind anzugeben; 6. a) die für das Versicherungsverhältnis geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen einschließlich der Tarifbestimmungen; b) die wesentlichen Merkmale der Versicherungsleistung, insbesondere Angaben über Art, Umfang und Fälligkeit der Leistung des Versicherers; *
Die Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG (ABl. EG Nr. L 228 S. 1), der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. EG Nr. L 271 S. 16) sowie der Richtlinie 2002/ 83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. EG Nr. L 345 S. 1).
288
Anhang 7. den Gesamtpreis der Versicherung einschließlich aller Steuern und sonstigen Preisbestandteile, wobei die Prämien einzeln auszuweisen sind, wenn das Versicherungsverhältnis mehrere selbständige Versicherungsverträge umfassen soll, oder, wenn ein genauer Preis nicht angegeben werden kann, Angaben zu den Grundlagen seiner Berechnung, die dem Versicherungsnehmer eine Überprüfung des Preises ermöglichen; 8. gegebenenfalls zusätzlich anfallende Kosten unter Angabe des insgesamt zu zahlenden Betrages sowie mögliche weitere Steuern, Gebühren oder Kosten, die nicht über den Versicherer abgeführt oder von ihm in Rechnung gestellt werden; anzugeben sind auch alle Kosten, die dem Versicherungsnehmer für die Benutzung von Fernkommunikationsmitteln entstehen, wenn solche zusätzlichen Kosten in Rechnung gestellt werden; 9. Einzelheiten hinsichtlich der Zahlung und der Erfüllung, insbesondere zur Zahlungsweise der Prämien; 10. die Befristung der Gültigkeitsdauer der zur Verfügung gestellten Informationen, beispielsweise die Gültigkeitsdauer befristeter Angebote, insbesondere hinsichtlich des Preises; 11. gegebenenfalls den Hinweis, dass sich die Finanzdienstleistung auf Finanzinstrumente bezieht, die wegen ihrer spezifischen Merkmale oder der durchzuführenden Vorgänge mit speziellen Risiken behaftet sind, oder deren Preis Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt, auf die der Versicherer keinen Einfluss hat, und dass in der Vergangenheit erwirtschaftete Beträge kein Indikator für künftige Erträge sind; die jeweiligen Umstände und Risiken sind zu bezeichnen; 12. Angaben darüber, wie der Vertrag zustande kommt, insbesondere über den Beginn der Versicherung und des Versicherungsschutzes sowie die Dauer der Frist, während der der Antragsteller an den Antrag gebunden sein soll; 13. das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Namen und Anschrift derjenigen Person, gegenüber der der Widerruf zu er- klären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufs einschließlich Informationen über den Betrag, den der Versicherungsnehmer im Falle des Widerrufs gegebenenfalls zu zahlen hat; 14. Angaben zur Laufzeit und gegebenenfalls zur Mindestlaufzeit des Vertrages; 15. Angaben zur Beendigung des Vertrages, insbesondere zu den vertraglichen Kündigungsbedingungen einschließlich etwaiger Vertragsstrafen; 16. die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Recht der Versicherer der Aufnahme von Beziehungen zum Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages zugrunde legt; 17. das auf den Vertrag anwendbare Recht, eine Vertragsklausel über das auf den Vertrag anwendbare Recht oder über das zuständige Gericht; 18. die Sprachen, in welchen die Vertragsbedingungen und die in dieser Vorschrift genannten Vorabinformationen mitgeteilt werden, sowie die Sprachen, in welchen sich der Versicherer verpflichtet, mit Zustimmung des Versicherungsnehmers die Kommunikation während der Laufzeit dieses Vertrages zu führen; 19. einen möglichen Zugang des Versicherungsnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde und Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zu-
VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV
289
gang; dabei ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit für den Versicherungsnehmer, den Rechtsweg zu beschreiten, hiervon unberührt bleibt; 20. Name und Anschrift der zuständigen Aufsichtsbehörde sowie die Möglichkeit einer Beschwerde bei dieser Aufsichtsbehörde. (2) Soweit die Mitteilung durch Übermittlung der Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen erfolgt, bedürfen die Informationen nach Absatz 1 Nr. 3, 13 und 15 einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form. §2 Informationspflichten bei der Lebensversicherung, der Berufsunfähigkeitsversicherung und der Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr (1) Bei der Lebensversicherung hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes zusätzlich zu den in § 1 Abs. 1 genannten Informationen die folgenden Informationen zur Verfügung zu stellen: 1. Angaben zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten; dabei sind die einkalkulierten Abschlusskosten als einheitlicher Gesamtbetrag und die übrigen einkalkulierten Kosten als Anteil der Jahresprämie unter Angabe der jeweiligen Laufzeit auszuweisen; 2. Angaben zu möglichen sonstigen Kosten, insbesondere zu Kosten, die einmalig oder aus besonderem Anlass entstehen können; 3. Angaben über die für die Überschussermittlung und Überschussbeteiligung geltenden Berechnungsgrundsätze und Maßstäbe; 4. Angabe der in Betracht kommenden Rückkaufswerte; 5. Angaben über den Mindestversicherungsbetrag für eine Umwandlung in eine prämienfreie oder eine prämienreduzierte Versicherung und über die Leistungen aus einer prämienfreien oder prämienreduzierten Versicherung; 6. das Ausmaß, in dem die Leistungen nach den Nummern 4 und 5 garantiert sind; 7. bei fondsgebundenen Versicherungen Angaben über die der Versicherung zugrunde liegenden Fonds und die Art der darin enthaltenen Vermögenswerte; 8. allgemeine Angaben über die für diese Versicherungsart geltende Steuerregelung. (2) Die Angaben nach Absatz 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 haben in Euro zu erfolgen. Bei Absatz 1 Nr. 6 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass das Ausmaß der Garantie in Euro anzugeben ist. (3) Die vom Versicherer zu übermittelnde Modellrechnung im Sinne von § 154 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes ist mit folgenden Zinssätzen darzustellen: 1. dem Höchstrechnungszinssatz, multipliziert mit 1,67, 2. dem Zinssatz nach Nummer 1 zuzüglich eines Prozentpunktes und 3. dem Zinssatz nach Nummer 1 abzüglich eines Prozentpunktes. (4) Auf die Berufsunfähigkeitsversicherung sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der in den Versicherungsbedingungen verwendete Begriff der Berufsunfähigkeit nicht mit dem Begriff der Berufsunfähigkeit oder der
290
Anhang Erwerbsminderung im sozialrechtlichen Sinne oder dem Begriff der Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen in der Krankentagegeldversicherung übereinstimmt. (5) Auf die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr sind Absatz 1 Nr. 3 bis 8 und Absatz 2 entsprechend anzuwenden. §3 Informationspflichten bei der Krankenversicherung (1) Bei der substitutiven Krankenversicherung (§ 12 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes) hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes zusätzlich zu den in § 1 Abs. 1 genannten Informationen folgende Informationen zur Verfügung zu stellen: 1. Angaben zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten; dabei sind die einkalkulierten Abschlusskosten als einheitlicher Gesamtbetrag und die übrigen einkalkulierten Kosten als Anteil der Jahresprämie unter Angabe der jeweiligen Laufzeit auszuweisen; 2. Angaben zu möglichen sonstigen Kosten, insbesondere zu Kosten, die einmalig oder aus besonderem Anlass entstehen können; 3. Angaben über die Auswirkungen steigender Krankheitskosten auf die zukünftige Beitragsentwicklung; 4. Hinweise auf die Möglichkeiten zur Beitragsbegrenzung im Alter, insbesondere auf die Möglichkeiten eines Wechsels in den Standardtarif oder Basistarif oder in andere Tarife gemäß § 204 des Versicherungsvertragsgesetzes und der Vereinbarung von Leistungsausschlüssen, sowie auf die Möglichkeit einer Prämienminderung gemäß § 12 Abs. 1c des Versicherungsaufsichtsgesetzes; 5. einen Hinweis, dass ein Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung in fortgeschrittenem Alter in der Regel ausgeschlossen ist; 6. einen Hinweis, dass ein Wechsel innerhalb der privaten Krankenversicherung in fortgeschrittenem Alter mit höheren Beiträgen verbunden sein kann und gegebenenfalls auf einen Wechsel in den Standardtarif oder Basistarif beschränkt ist; 7. eine Übersicht über die Beitragsentwicklung im Zeitraum der dem Angebot vorangehenden zehn Jahre; anzugeben ist, welcher monatliche Beitrag in den dem Angebot vorangehenden zehn Jahren jeweils zu entrichten gewesen wäre, wenn der Versicherungsvertrag zum damaligen Zeitpunkt von einer Person gleichen Geschlechts wie der Antragsteller mit Eintrittsalter von 35 Jahren abgeschlossen worden wäre; besteht der angebotene Tarif noch nicht seit zehn Jahren, so ist auf den Zeitpunkt der Einführung des Tarifs abzustellen, und es ist darauf hinzuweisen, dass die Aussagekraft der Übersicht wegen der kurzen Zeit, die seit der Einführung des Tarifs vergangen ist, begrenzt ist; ergänzend ist die Entwicklung eines vergleichbaren Tarifs, der bereits seit zehn Jahren besteht, darzustellen. (2) Die Angaben zu Absatz 1 Nr. 1, 2 und 7 haben in Euro zu erfolgen. §4 Produktinformationsblatt (1) Ist der Versicherungsnehmer ein Verbraucher, so hat der Versicherer ihm ein Produktinformationsblatt zur Verfügung zu stellen, das diejenigen Informationen enthält, die für den Abschluss oder die Erfüllung des Versicherungsvertrages von besonderer Bedeutung sind.
VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV
291
(2) Informationen im Sinne des Absatzes 1 sind: 1. Angaben zur Art des angebotenen Versicherungsvertrages; 2. eine Beschreibung des durch den Vertrag versicherten Risikos und der ausgeschlossenen Risiken; 3. Angaben zur Höhe der Prämie in Euro, zur Fälligkeit und zum Zeitraum, für den die Prämie zu entrichten ist, sowie zu den Folgen unterbliebener oder verspäteter Zahlung; 4. Hinweise auf im Vertrag enthaltene Leistungsausschlüsse; 5. Hinweise auf bei Vertragsschluss zu beachtende Obliegenheiten und die Rechtsfolgen ihrer Nichtbeachtung; 6. Hinweise auf während der Laufzeit des Vertrages zu beachtende Obliegenheiten und die Rechtsfolgen ihrer Nichtbeachtung; 7. Hinweise auf bei Eintritt des Versicherungsfalles zu beachtende Obliegenheiten und die Rechtsfolgen ihrer Nichtbeachtung; 8. Angabe von Beginn und Ende des Versicherungsschutzes; 9. Hinweise zu den Möglichkeiten einer Beendigung des Vertrages. (3) Bei der Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung ist Absatz 2 Nr. 2 mit der Maßgabe anzuwenden, dass zusätzlich auf die vom Versicherer zu übermittelnde Modellrechnung gemäß § 154 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes hinzuweisen ist. (4) Bei der Lebensversicherung, der Berufsunfähigkeitsversicherung und der Krankenversicherung ist Absatz 2 Nr. 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Abschluss- und Vertriebskosten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1) sowie die sonstigen Kosten (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 2) jeweils in Euro gesondert auszuweisen sind. (5) Das Produktinformationsblatt ist als solches zu bezeichnen und den anderen zu erteilenden Informationen voranzustellen. Die nach den Absätzen 1 und 2 mitzuteilenden Informationen müssen in übersichtlicher und verständlicher Form knapp dargestellt werden; der Versicherungsnehmer ist darauf hinzuweisen, dass die Informationen nicht abschließend sind. Die in Absatz 2 vorgegebene Reihenfolge ist einzuhalten. Soweit die Informationen den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung betreffen, ist auf die jeweils maßgebliche Bestimmung des Vertrages oder der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen hinzuweisen. §5 Informationspflichten bei Telefongesprächen (1) Nimmt der Versicherer mit dem Versicherungsnehmer telefonischen Kontakt auf, muss er seine Identität und den geschäftlichen Zweck des Kontakts bereits zu Beginn eines jeden Gesprächs ausdrücklich offenlegen. (2) Bei Telefongesprächen hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer aus diesem Anlass nur die Informationen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 6 Buchstabe b, Nr. 7 bis 10 und 12 bis 14 mitzuteilen. Satz 1 gilt nur, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer darüber informiert hat, dass auf Wunsch weitere Informationen mitgeteilt werden können und welcher Art diese Informationen sind, und der Versicherungsnehmer ausdrücklich auf die Mitteilung der weiteren Informationen zu diesem Zeitpunkt verzichtet.
292
Anhang (3) Die in §§ 1 bis 4 vorgesehenen Informationspflichten bleiben unberührt. §6 Informationspflichten während der Laufzeit des Vertrages (1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer während der Laufzeit des Versicherungsvertrages folgende Informationen mitzuteilen: 1. jede Änderung der Identität oder der ladungsfähigen Anschrift des Versicherers und der etwaigen Niederlassung, über die der Vertrag abgeschlossen worden ist; 2. Änderungen bei den Angaben nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe b, Nr. 7 bis 9 und 14 sowie nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 bis 7, sofern sie sich aus Änderungen von Rechtsvorschriften ergeben; 3. soweit nach dem Vertrag eine Überschussbeteiligung vorgesehen ist, alljährlich eine Information über den Stand der Überschussbeteiligung sowie Informationen darüber, inwieweit diese Überschussbeteiligung garantiert ist; dies gilt nicht für die Krankenversicherung. (2) Bei der substitutiven Krankenversicherung nach § 12 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes hat der Versicherer bei jeder Prämienerhöhung unter Beifügung des Textes der gesetzlichen Regelung auf die Möglichkeit des Tarifwechsels (Umstufung) gemäß § 204 des Versicherungsvertragsgesetzes hinzuweisen. Bei Versicherten, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, ist der Versicherungsnehmer auf Tarife, die einen gleichartigen Versicherungsschutz wie die bisher vereinbarten Tarife bieten und bei denen eine Umstufung zu einer Prämienreduzierung führen würde, hinzuweisen. Der Hinweis muss solche Tarife enthalten, die bei verständiger Würdigung der Interessen des Versicherungsnehmers für eine Umstufung besonders in Betracht kommen. Zu den in Satz 2 genannten Tarifen zählen jedenfalls diejenigen Tarife mit Ausnahme des Basistarifs, die jeweils im abgelaufenen Geschäftsjahr den höchsten Neuzugang, gemessen an der Zahl der versicherten Personen, zu verzeichnen hatten. Insgesamt dürfen nicht mehr als zehn Tarife genannt werden. Dabei ist jeweils anzugeben, welche Prämien für die versicherten Personen im Falle eines Wechsels in den jeweiligen Tarif zu zahlen wären. Darüber hinaus ist auf die Möglichkeit eines Wechsels in den Standardtarif oder Basistarif hinzuweisen. Dabei sind die Voraussetzungen des Wechsels in den Standardtarif oder Basistarif, die in diesem Falle zu entrichtende Prämie sowie die Möglichkeit einer Prämienminderung im Basistarif gemäß § 12 Abs. 1c des Versicherungsaufsichtsgesetzes mitzuteilen. Auf Anfrage ist dem Versicherungsnehmer der Übertragungswert gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 5 des Versicherungsaufsichtsgesetzes anzugeben; ab dem 1. Januar 2013 ist der Übertragungswert jährlich mitzuteilen. §7 Übergangsvorschrift; Inkrafttreten (1) Der Versicherer kann die in dieser Verordnung bestimmten Informationspflichten bis zum 30. Juni 2008 auch dadurch erfüllen, dass er nach den Vorgaben des bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Rechts informiert. (2) § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 2 sowie § 4 treten am 1. Juli 2008 in Kraft. Im Übrigen tritt diese Verordnung am 1. Januar 2008 in Kraft. Berlin, den 18. Dezember 2007 Die Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries
Stichwortverzeichnis
A Abandon 130 Ablaufleistung 138 Abschlusskosten 18, 27, 31, 32, 41, 180, 185, 186 Abschlussprovisionen 185 Absonderungsrecht 110 Abtretungsverbot 111 generelles 111 Abwehr der durch einen Dritten geltend gemachten Ansprüche 108 Adoption 157 Adoptivkind 157 AGB 111 Alles-oder-nichts-Prinzip 20 Alles-oder-Nichts-Prinzip 20 Allgemeine Rechtsschutzbedingungen 124 Allgemeine Versicherungsbedingungen 110, 146 Inhaltskontrolle 118 Allgemeinen Versicherungsbedingungen 118 Alpha-Gamma-Kosten 31, 42 Altersangabe 139, 140 Altersversorgung 26 betriebliche 32 Altersvorsorge 134 betriebliche 134 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz 145 Alterungsrisiko 156 Alterungsrückstellung 160, 162, 166 übertragbare 163 Alterungsrückstellungen 152, 156, 165 Altverträge 194, 195 Beitragszuschlag 159 Amortisationszuschläge 31, 42 Amtspflichtverletzung 121 anderer Mitgliedsstaat der EU 162 Änderung 110 Anerkenntnis 109, 111, 113, 114, 124, 148, 150 "mittelbares" prozessuales 111
Anerkenntnisverbot 113 Anerkenntnisverbot Haftpflicht 199 Anfechtung 144, 161 Anmeldepflicht 127 Annahme ausdrückliche 52 konkludente 52 Annahmefiktion 53 Anpassungsklausel 143, 161 Anpassungsrecht 61 Ansparphase 138 Anspruch 109, 110 ärztliche Feststellung 150 des Dritten 108, 109 Geltendmachung 150 Minderung 150 Wegfall 150 Ansprüche 110, 144 Geltendmachung 110 Anspruchsabwehr 108 Anspruchsberechtigte 122 mehrere 122 Anspruchserhebung 107 Anspruchsvoraussetzungen 150 Antragsmodell 16, 18, 46, 47, 48, 50, 53, 54, 174, 176, 185 Antragsverfahren 184 Anwaltswahl freie 125 Anwartschaftsversicherung 160 Anwartschaftsversicherungen 161 Anzeige 109 unterlassene 109 Anzeigenobliegenheit 113 Anzeigeobliegenheitsverletzung 58 Anzeigepflicht 58, 113, 127, 128, 131, 154 Verletzung der 127, 139, 154 vorvertragliche 54, 57, 165 Anzeigepflichten 131 vorvertragliche 21 Anzeigepflichtverletzung 22, 58, 59 schuldlose 22
294
Äquivalenzprinzip 163 Arbeitsfähigkeit 147 dauerhafte Beeinträchtigung 147 Arbeitslosengeld II 155 Arbeitsunfähigkeit 154 arglistiger Täuschung 23 Arrest 146 Arrestvollziehung 110 Asylbewerber 164 AUB 150, 151 Aufenthalt 118 des Versicherungsnehmers 118 Aufenthaltstitel befristeter 156 Aufhebung 161 Aufrechnungsbefugnis 124 Aufwendungen 129 Aufwendungsersatz 103, 120, 129 erweiterter 104 Auge und Ohr 13 Ausbesserung 130 Ausbildungskrankenversicherung 156 Auskünfte 122 Auskunftspflicht 132 Auskunftspflichten des Versicherers 158 Auslandskrankenversicherung 156 Auslandskrankversicherung 157 Ausschließlichkeitsvermittler 87 Ausschließlichkeitsvertreter 83, 98, 184 Ausschluss 112, 113 Ausschlüsse 127, 129 Außenverhältnis 120 Auswirkungen 112 deckungsschädliche 112 AVB 69, 111, 130, 150
B Banken 190 Bankenvertrieb 190 Basistarif 163 Bedingungsanpassung 141, 142, 159, 200 Beeinträchtigung 150 Grad der 150 Beerdigungskosten 133, 134 Beförderung 126 Gefahren der 126 Beförderungsmittel 128
Stichwortverzeichnis
Befragungspflicht 35, 37 Befreiung 130 Befreiungsanspruch 111, 113, 114 Abtretung 111 Befriedigungsverbot 113 Befristung Krankentagegeldversicherung 201 Befristungsmöglichkeit 156 Beginn und Ende der Versicherung 197 Begründung Umfang der 87 Begründungspflicht 87 Beihilfe 157 Beihilfeanspruch 157 Beihilfebemessungssatz 157 Beihilfeberechtigte 164 Beihilfeempfänger 157, 201 Beitragsanpassung 159 Beitragspflicht Befreiung 147 Beitragszuschuss des Arbeitgebers 161 Belastung 110 Belege 122 Belehrung 20, 55 Belehrungspflicht 150 Belehrungspflichten 21 Beratung des VN 197 Beratungsanlass 36 Beratungsdokumentation 78, 92, 96 Beratungsgrundlage 71, 74 Beratungspflicht 13, 35, 37, 38 anlassbezogene 81 Beratungspflichten 15, 16, 34, 79 Beratungspraxis 184 Beratungsverzicht 89 Berechnungsbeispiel 181, 187 Berechnungsgrundlagen 159 versicherungstechnische 159 Bereicherungsanspruch 155 Bereicherungsverbot 158, 201 Berufsgruppenverzeichnis 149 Berufsunfähigkeit 147 Definition 147 Berufsunfähigkeitsversicherung 17, 41, 133, 143, 147, 194, 200 Beschäftigte 156 freiberuflich 156 selbstständig 156 Beschwerde 169
Stichwortverzeichnis
Bestandsgruppen 136 Bestätigungspflicht 132 Betreuer 134, 149 Betriebshaftpflichtversicherung 108 Beweislast 21, 59, 60, 61 Bewertungsreserve 136, 137 Bewertungsreserven 28, 135, 137, 138 Bezugsberechtigte mehrere 140 Bezugsberechtigter 140, 141, 147 unwiderruflicher 140 widerruflich 140 Bezugsberechtigung 140 BGH 121, 144 Binnenschifffahrt 126, 127 BVerfG 135
D Datenerhebung 169 Deckung 117, 118, 125 Begrenzung 118 Umfang 125 vorläufige 68 Deckungsanspruch 109, 111, 112 Fälligkeit 109 Deckungskapital 30, 144, 145, 146 ungezillmert 144 Deckungsklage 112 Deckungsprozess 111, 112, 114, 119 Deckungsstock 26 Deckungssumme 110 Minderung 110 Deckungsverhältnis 114 Direktanspruch 26, 118, 119, 120, 121, 122, 124 Direktanspruch Pflichtversicherung 200 Direktversicherer 72 Dokumentationspflicht 37 Dokumentationspflichten 15, 79, 91 Dokumentationsverzicht 94 Drohung 165
E EGVVG Änderungen des 192 Eigentümergrundpfandrechte 133
295
Einmalprämie 66, 144 Einsichtnahme Recht auf 158 Eintritt der Versicherungspflicht 201 Eintrittspflicht 120 Einwendungen 120 Einwilligung 111, 134, 169 schriftliche 134 Einwilligungserfordernis 134 Einzelversicherung 162 Elternzeit 168 Entbindung 153, 157 Entschädigung 109, 110 Entgegennahme 110 Entschädigungsanspruch unbegründeter 124 Entschädigungsansprüche 124 Entschädigungsforderung 110 Änderung 110 Belastung 110 Übertragung 110 Vernichtung 110 Erben 140 Erbschaft Ausschlagung 140 Erkrankungen akute 166 Ermittlungsverfahren 113 Ersatz derjenigen Aufwendungen 120 Ersatzansprüche 155 gesetzlicher Übergang 155 Übergang 103 Ersatzberechtigten 129 Ersatzberechtigter 129 Ersatzpflicht 121 Erstprämie 25, 66, 131 Fälligkeit der 25 Erwerbsunfähigkeitsversicherung 147 europäischer Wirtschaftsraum 117, 146, 162, 163
F Fahrlässigkeit 20, 113 grobe 20, 113 Fälligkeit 109 Fälligkeit der Prämie 198 Fälligkeit des Freistellungs- und Zahlungsanspruchs 109
296
Stichwortverzeichnis
Fälligkeitsvoraussetzungen 150 Fälligkeitsvorschriften 25 Familienversicherung 160 Fernabsatz 38 Fernabsatzrichtlinie 134 Fernabsatzverträge 168 Fiktionsklauseln 53 Flusskaskoversicherung 127 Folgeprämie 67, 131, 143 Form 23, 56 Änderungen der 23 Formfreiheit grundsätzliche 23, 56 Fortsetzung der Lebensversicherung nach der Elternzeit 201 Fragepflicht anlassbezogene 80 Freistellung 109, 114 Anspruch 109 Freistellungsanspruch 107, 110, 114 Abtretung 110 Verfügungen über 110 Fremde Rechnung 67 Fristversäumnis 150 Fristversäumung 123 Fristwahrung 113, 122 Früherkennung 153 Frühstorno 31 Frühstornofälle 145
Geschäftsbetrieb 109 Geschäftsfähigkeit 134, 149 beschränkte 134 Geschäftsunfähigkeit 134 Geständnis 111, 112 Gesundheitsdaten gesundheitsbezogene 168 Gesundheitsprüfung 155 Gesundheitsschädigung 150 Gewerbeanalyse 16, 36 Gewerbematrix 86 Gewinnverbände 136 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 163 Gläubiger 25, 57 Großrisiken 168 Großrisiko 38 Grundabsicherung 164 Grunddeckung 117 Grundpfandrechte 133 Gläubigerrechte 194 Grundschuld 133 Grundschulden 195 Grundstück 133 Grundstücke 195 Gruppenversicherung 134 Gruppenversicherungsvertrag 162 Gutachten 158 Gutachterverfahren 126 Güterversicherung 129
G
H
Garantien 136 Gebäudefeuerversicherung 131, 195 Gebäudeversicherung 131, 195 Gebrechen 150 Gefahränderung 127, 128, 139 gefahrerhebliche Umstände 22 Gefahrerhöhung 62, 63, 64, 128, 140, 149, 198 Gefahrminderung 140 Gefahrumstände 58 Geltendmachung 154 Frist 154 Gerichtsstand 170 Gesamtschuldner 119, 120 Innenverhältnis 120 Geschädigte 110 mehrere 110
Haftpflicht 115 allgemeine 115 Haftpflichtfrage 107 Haftpflichtprozess 112, 119 Haftpflichtrisiken 117 Haftpflichtumstand 109 Haftpflichtversicherer 107 Haftpflichtversicherung 107, 108, 115, 117, 118, 121, 183 Kfz 121 Haftpflichtversicherungsbedingungen 113 Haftpflichtversicherungsvertrag 109 Haftpflichtversicherungsverträge 107 Haftung 121, 183, 188 Haftungsgrund 112 Haftungsminimierung 83 Haftungsprozess 111
Stichwortverzeichnis
Haftungsrecht 114 materielles 114 Halbzwingendes Recht 114, 126 Handelsrecht 137 Handelswert 129 gemeiner 129 Handlung 112 widerrechtliche 141 Hauptleistungspflichten 34 Haushaltsanalyse 16, 36, 85 Haverei 129 große 127, 129 Heilbehandlung 153, 154 Aufwendungen 153 medizinisch notwendige 153 stationäre 154 Heilfürsorge 160 Heilfürsorgeberechtigte 164 Herbeiführung 111 vorsätzliche 111 Herbeiführung des Versicherungsfalls 199 HGB 108 Hinterlegung 108 Höchstlaufzeit 156 Höchstrechnungszinssatz 29 Höchstzillmersätze 145 Hypothek 131, 132 Übergang 132 Hypotheken 133, 195 Hypothekengläubiger 131, 132
I Inbegriff von Sachen 104 Inbegriffsversicherung 104 Individualvereinbarung 38, 111 individuelle Quotierung 73 Information Inhalt der 39 Information des VN 197 Informationen 39 Informationsblatt 78 Informationsgrundlage 71 Informationspflicht 13, 156 Verletzung der 46 Informationspflichten 16, 39, 46, 68, 131 Insolvenz 110 des VN 110 Insolvenzmasse 121
297
Insolvenzquote 110 Insolvenzrisiko 118 Insolvenzverfahren 26, 110, 118, 121, 146 Insolvenzverwalter 121 Internetberatung 91 Internetversicherer 72 Invalidität 150, 151 Grad der 151 Neubemessung 151 Invaliditätsentschädigung 150, 151 Invaliditätsgrad 151 Investmentfonds 26 invitatio ad offerendum 19, 51 Invitatiomodell 19, 51, 53, 54, 58, 176, 184, 185
J Jährliche Unterrichtung 200
K Kalkulation 156 Kapitalanlagen 136 Kapitalausstattung 138 Kapitalwert der Rente 109 Kausalität 23 Kausalitätserfordernis 21 Kausalitätsgegenbeweis 128 Kenntnis der versicherten Person 139 Kenntnis des Vertreters 199 Kieferorthopädie 157 Kindernachversicherung 157 Kinderunfallversicherung 151 Klagefrist 25 Kollektiv-Lebensversicherungen 134 Kollisionshaftpflicht 127 Kommunikation 180, 181, 182, 187 Kompositversicherungsverträge 45 Kosten 109, 129 außergerichtliche 108 der Verteidigung 108 Ersatz 130 gerichtliche 108 verauslagte 109 vorschießen 108 Kostenanteil 32 Kostenerstattung 164
298
Kostenerstattungsanspruch 158 Kostensysteme 179, 186 Krankenhaustagegeld 154 Krankenhaustagegeldversicherung 153, 157, 160, 161 Krankenheitskostenvollversicherung 161 Krankentagegeld 154 Krankentagegeldversicherung 156, 157, 167 substitutive 161 Krankenversicherung 17, 43, 61, 68, 143, 147, 152, 155 nicht substitutive 155 substitutive 155 Krankenversicherungen 185 Krankenversicherungsschutz 156 befristeter 156 Krankheit 153, 154 Krankheiten 150 Krankheitskostenversicherung 157, 160 substitutive 161 Kundennutzen 19 Kündigung 59, 60, 63, 105, 114, 132, 135, 138, 143, 144, 145, 146, 147, 160, 161, 162, 165, 167 berechtigte 127 ordentliche 161, 162 Kündigung nach Versicherungsfall 105 Kündigungserklärung 162 Kündigungsfrist 161 Kündigungsrecht 22, 59, 60, 65, 114, 127, 128, 130, 144, 159, 160 ordentliches 159 Kündigungsrechte 161 Kündigungsrechts 161
L Landfahrzeuge 115 Laufende Versicherung 69 Laufzeit 23, 24 Änderungen der 23 Laufzeiten 57 Lebensmittelpunkt 163 Lebensversicherung 17, 26, 27, 41, 44, 55, 66, 68, 133, 137, 168, 185, 194 fondsgebundene 30, 137 Fortsetzung der 168 nach Art der 155, 156, 159, 161, 167
Stichwortverzeichnis
Lebensversicherungsbedingungen 135 allgemeine 135 Leistung 120, 121, 124, 143, 144, 147, 149, 156 Leistungen 153 vertragstypische 153 Leistungen der Krankenversicherung 201 Leistungsänderung 141 Leistungsantrag 150 Leistungsausschluss 113, 159, 166 Leistungsbedarf 141 leistungsfrei 121 Leistungsfreiheit 20, 21, 25, 64, 65, 109, 113, 121, 127, 128, 158 Leistungsmanagement 152 Leistungsmanagements 152 Leistungsminderung 161 Leistungspflicht 119, 121, 123, 124, 127, 128, 130, 132, 148, 149, 150, 151 bei Invalidität 149 Umfang 123 Leistungspflichten des Haftpflichtversicherers 107 Leistungsverpflichtung 121, 129 Leistungsverweigerung 114, 127 Leistungsvoraussetzungen Veränderung der 150 Luftfahrtgüterversicherung 126 Luftfahrtkaskoversicherung 126 Luftfahrtversicherung 126 Luftfahrzeughaftpflicht 115
M Makler 53 Maklerbedingungen 111 Maklervertrag 78 Managed Care 152 Manipulation 111 Marktgrundlage 71 Marktuntersuchung 71, 73 qualitative 73 quantitative 73 Mehrfachversicherung 100 Mehrfachvertreter 75, 83, 98, 184 Mehrleistung 160, 166 Minderungspflicht 102 Mindestrückkaufswert 145 Mindeststandards 83
Stichwortverzeichnis
Mindestversicherungsdauer 160 des Elternteils 157 Mindestversicherungssumme 117, 121, 122 Mindestwert 144 Mitgliedstaat der EU 146 anderer 146 Mittagsregel 56 Mitteilung Form der 76 Mitteilungspflicht 71, 75 Zeitpunkt der 76 Mitversicherten 113 Mitversicherter 113 Modellrechnung 29, 30, 44, 138, 200 normierte 29 mündiger Verbraucher 18 Mutterschaft 166
N Nachhaftungszeit 123 Nachmeldepflicht 22 Nachprüfung 148 Nachweispflicht 161 Neugeborenes 157 Nichtigkeit 132 Nichtversicherung 164 Nießbrauch 108 Nutzungsrecht Erwerb 106
O Objektdeckungen 117 Obliegenheit 128 Obliegenheiten 20, 34, 112, 127 des Dritten 122 des Versicherungsnehmers 20 vertragliche 65 Obliegenheitsverletzungen 123 öffentlicher Dienst 157 Opferschutz 122
P Pachtvertrag 108 Partei 111 Parteiautonomie 126
299
Pensionskassen 134, 168 regulierte 134 Personenschäden 122 Pfändungsschutz 144 Pflege Aufwendungen 154 Pflegebedürftigkeit 154 Pflegekostenversicherung 154 Pflegekrankenversicherung 154, 157, 167 substitutive 161 Pflegepflichtversicherung 157 Pflegetagegeldversicherung 154 Pflegeversicherung 157 freiwillige 157 Pflichten 20, 38 des Versicherungsnehmers 20 Pflichtversicherung 26, 114, 115, 151 Zweck 118, 121 Pflichtversicherungen 107, 110 Planungsfehler 107 Policenmodell 17, 18, 39, 46, 49, 50 Prämie 23, 24, 34, 66, 69, 114, 125, 130, 141, 157, 159, 160 Änderung 159 Änderungen der 23 Fälligkeit der 66 Haftung 130 Neufestsetzung 141, 157 Nichtzahlung 130, 168 Unteilbarkeit 114 Unteilbarkeit der 24, 66 Prämien 134, 144, 159 laufende 144 Prämienänderung 140, 141 Prämienanpassung 67, 128, 142 Prämienanpassungsrecht 142 Prämienerhöhung 63, 161 Prämienfälligkeit 135 Prämienherabsetzung 140 Prämienkalkulation 29, 138, 143, 145, 159 Prämienrückgewähr 17 Prämienrückstände 143 Prämienzuschlag Änderung 159 Praxis 172 Privathaftpflichtversicherung 108 Privatrecht 122 Produkt 107 Inverkehrbringen 107
300
Produktinformationsblatt 18, 43 Pro-rata-temporis-Regel 24, 66 Prozessführungsautonomie 114 Psychotherapie 157
Q Quotierung 73
R Reallast 133 Reallasten 195 Rechnung fremde 67 Rechnungsgrundlagen 159 Rechte erworbene 160, 162, 166 Rechtsanwalt 125 Rechtsfolgen 21, 23, 25, 46 Rechtskrafterstreckung 123 Rechtspflichten 34 Rechtsschutzbaustein 125 Rechtsschutzversicherung 124 Rechtsstreit 114 Rechtsverstoß 107 Rechtsweg 169 Rechtzeitig 44 Rechtzeitigkeit 17, 44 Reisekrankenversicherung 156, 157 Rente 109, 147, 166 Kapitalwert der 109 Rentenanspruch 109 Renteneintrittsalter 156 Rentenschuld 133 Rentenschulden 195 Rentenversicherung gesetzliche 166 Rentenversicherungen 138 Restschuldkrankenversicherung 156 Riester-Modell 145 Risiko 34 Risikoanalyse 16, 36, 82, 85 Risikoausschluss 118, 121, 160 Risikoausschlüsse 121 Risikoeinschätzung 142 unzureichende 142 Risikogemeinschaft 138 Risikoprüfung 58, 156, 158
Stichwortverzeichnis
Risikoversicherungen 30, 138 Risikozuschlag 157, 159, 160, 166 Rohüberschuss 135 Rückabwicklungsprobleme 122 Rückgriff 123 Rückkaufswert 27, 30, 31, 55, 134, 135, 141, 143, 144, 145, 146, 200 Berechnung 145 Rücktritt 58, 59, 127, 144, 161 des Vrsicherers 127 Rücktrittsrecht 22, 58 Rückversicherung 167 Rückwärtsversicherung 56 Ruhegehalt 166 Ruhestand 144 Rundumberatung 36
S Sachversicherung 104 Sachverständigenverfahren 151 Schaden 107, 122, 124, 130 Abwendung 129, 130 Betrag 129 Ermittlung 129 Feststellung 107, 124, 129 Minderung 124, 129, 130 Schadenabwehrpflicht 102 Schaden-Abwendungs- und minderungspflicht 199 Schadenabwicklungsunternehmen 125 Schadenereignis 113, 120, 122 Schadenermittlungskosten 103 Schadenersatz 118, 119 Schadenersatzanspruch 111 Schadenersatzpflicht 96 Schadenfall 23 Schadenfolgen 112 Schadensereignis 107, 108 Schadensermittlungskosten 151, 158 Schadensersatzpflicht 38 Schadenshöhe 122 Schadensversicherung 100 Scheinmakler 98 Scheinmaklerhaftung 98 Schifffahrt 115 Schiffsbesatzung Verhalten 130 Schiffsunfall 127
Stichwortverzeichnis
Schiffsversicherung 127, 130 Schlichtungsstelle 169, 201 Schlussüberschussanteil 146 Schuldformen 113 Schuldrechtmodernisierungsgesetz 13 Schutzbedürfnis 134 Schwangerschaft 153, 166 Seeversicherung 126, 167, 168 Selbstbehalt 118, 159 Änderung 159 Selbsttötung 141 SGB XI 157 Sicherheit 109 Sicherheitsleistung 108 Sonderkündigungsrecht 24 Sozialhilfeempfänger 164 Sozialversicherungsträger 122 Standardquotierung 73 Stellungnahme 158 Sterbetafeln 159 Sterbewahrscheinlichkeiten 159 stille Reserven 14, 138 Stille Reserven 136 stillen Reserven 27 Stornoabzug 31 Stornoabzüge 145 Suizid 141
T Tarifwechsel 159, 160, 166 Täuschung arglistige 165 Telefonberatung 91 Telefongespräche 18 Textform 17, 22, 23, 44, 56 Tod des Versicherungsnehmers 162 eines anderen 133, 139 Todesfall eines anderen 134 Tötung durch Leistungsberechtigte 141 Transparenz 30, 136 Transparenzgebot 135 Transportgüter 115 Transportversicherung 126 Treuhänder 141, 159 unabhängiger 141, 159
301
U Übermaß-Vergütungen 153 Überschuss 28, 135, 136 Überschussanteile 55, 134, 141, 143 Überschussbeteiligung 27, 29, 135, 136, 138, 139, 143, 194, 200 Übertragung 110 Überversicherung 100 Umwandlung 143, 147 Unfall 154 Definition 149 Unfallbereich 115 Unfallfolgen 153 Unfallversicherung 17, 41, 68, 147, 148 Unteilbarkeit der Prämie 24 Unternehmen 108, 109 Erwerber 109 Unternehmererklärung 90, 95 Untersuchung 134 ärztliche 134 Unterversicherung 100, 199 Urteil 109, 124 rechtskräftiges 109, 124
V Veräußerung 106, 124, 130, 199 Verbraucherschutz 13 Verbundsysteme 191 Verdienstausfall 154 Verfügung 110 Verfügungen über den Freistellungsanspruch 200 Verfügungsverbot 110 Vergleich 109, 110, 124 Vergütung 178, 185 Verhalten der versicherten Person 139 Verjährung 25, 57, 119, 120, 193 Verjährung und Klagefrist 197 Verkäufer 129 Verletzung 62 Verletzungshandlung 111 Vermittlerpflichten 79 Vermittlungsprozess 47 Vermögen 110 des Versicherungsnehmers 110 Vernichtung 110 Versicherer 109
302
Versichertengemeinschaft 163 versichertes Interesse fehlendes 101 Versicherung 141 beitragsfreie 30 laufende 69, 168 prämienfreie 141, 143, 144, 168 Ruhen der 165 Umfang 126 Versicherungen fondsgebundene 145 mit kleinen Beträgen 168 Versicherungsbedingungen 16, 17, 39 Versicherungsbeginn formeller 192 materieller 192 technischer 192 Versicherungsdauer 155 Versicherungsfall 107, 120, 143, 144, 150, 151, 156 Definition 107 Eintritt 129 Herbeiführung des 101 vorsätzliche Herbeiführung 120, 158 Versicherungsfalls 114 Eintritt 114 Versicherungsforderung 146 Versicherungsjahr 117 Versicherungsleistung 141, 155 Erfüllbarkeit 141 Herabsetzung 142 prämienfreie 143 Versicherungsleistungen 159 Herabsetzung 142 Versicherungsmakler 48, 52, 70, 71, 75, 82, 83, 85, 88, 97, 109, 172, 183 Versicherungsperiode 144 Versicherungspflicht 118, 121, 122, 160, 163, 164, 201 ausnahmen 164 Versicherungsschein 17, 155 abweichender 53 Vorlage 155 Versicherungsschutz 118, 123 Anforderungen 117 Begrenzung 118 Mitversicherter 123 Umfang 121
Stichwortverzeichnis
Versicherungssumme 108, 109, 110, 117, 122, 129, 130, 132, 151 Aufteilung 122 Versicherungs-TÜV 85 Versicherungsunternehmen 190 VersicherungsunternehmensRechnungslegungsverordnung 135 Versicherungsvereine kleinere 168 Versicherungsverhältnis 114, 120, 121, 123, 131, 132 Beendigung 120, 121, 123, 131, 132 Fortsetzung 162 krankes 120 Nichtbestehen 120 ordnungsgemäßes 121 Versicherungsverhältnisse befristete 167 Versicherungsvermittler 70, 71 Versicherungsvertrag 113, 117, 118, 132 eigenständiger 68 Nichtigkeit 132 Parteien 113 Zustandekommen 34 Versicherungsverträge 117 getrennte 117 Versicherungsvertreter 70, 74, 75, 76, 79, 83 Versicherungsvertriebe strukturierte 189 Versicherungswert 104, 129 Versicherungszweige 107 Versorgungsanalyse 85 Verspätung 151 Verteilungsgrundsätze 136 Verteilungsverfahren 122 Vertrag 138 Beendigung 138 Kündigung 127 Vertragliche Obliegenheiten 198 Vertragsabschluss 138 Vertragsanpassung 60 Vertragsbeendigung vorzeitige 144 Vertragsbeginn 56 Vertragsbestimmungen 17 Vertragsdauer 197 Vertragsende 56 Vertragserklärung 17 Vertragsinformationen 175
Stichwortverzeichnis
Vertragskündigung 127 Vertragslaufzeit 156 Vertragspartei 114 Vertragsschlussmodelle 46 Vertragsverletzung 20 Vertreter 184 rechtsgeschäftlicher 173 Vertretungsmacht 99 Vertriebe 189 Vertriebskosten 18, 31, 42 Verwertbarkeit 144 Verwertung 144 Verzicht 37, 46, 77, 110 Verzichtslösung 50 Verzinsung der Entschädigu 105 Verzögern 113, 122 schuldhaftes 113, 122 Vollbeweis 112 Vollmacht des Versicherungsvertreters 193 Vollmachtsformulare 175 Vollversicherungstarife 163 Vorläufige Deckung 199 Vorsatz 112 Vorvertragliche Anzeigepflicht 198 Vorzeitige Vertragsbeendigung 198 VVG-InfoVO 139 VVG-Reform 107
W Wahlrecht 135 Wahltarife 163 Wartezeit 156, 160, 166 Wartezeiten 157, 158 Wechsel des Krankenversicherers 163
303
Wert 129 gemeiner 129 Wertentwicklung 136 Wertminderung 129 Widerruf 134 Widerrufsfrist 19, 53, 134, 135 Widerrufsrecht 19, 53, 54, 55 allgemeines 19 einheitliches 19 Widerrufsrecht des VN 197 Wiederbeschaffung 105 Wiederherstellung 105, 130 Wirksamkeit 149 Wirtschaftlichkeitsgebot 153
Z Zahlungsanspruch 109, 111 Fälligkeit 109 Zahlungsfrist 143 Zahlungsverzug 66, 67, 131 des Versicherungsnehmers 162 Zahlungsverzug Erstprämie 198 Zahlungsverzug Folgeprämie 198 Zahnbehandlung 157 Zahnersatz 157 Zeitablauf 138 Zeitwert 30, 145 Zeuge 111 Zeugenaussage 112 Zinsen 108 Zinssätze 139 Zwangsversteigerung 106 Zwangsvollstreckung 108, 110, 146 Abwendung 108 Zweifel 112
304
Notizen