ULRICH KAHRSTEDT
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STAATSGEBIET UND STAATSANGEHÖRIGE IN AT HEN STUDIEN ZUM öFFENTLICHEN RECHT ATHENS, TEIL I
NEUDRUCK...
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ULRICH KAHRSTEDT
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STAATSGEBIET UND STAATSANGEHÖRIGE IN AT HEN STUDIEN ZUM öFFENTLICHEN RECHT ATHENS, TEIL I
NEUDRUCK DER AUSGABE STUTTGART 1934
1969
SCIENTIA VERLAG AALEN
Lizen zausgabe mit freundlicher Genehmigung des Verlages W. Kohlhammer GmbH., S tu t tgart T itelnummer 203/03911 Gesam therstellung: fo tokop wilheIm weihert, Hilpertstralie 8, Darms tadt PRINTED IN GERMANY .
Vorwort. Vor mehr als zehn Jahren habe ich bei Vandenhoeck & Ru precht den ersten Band eines Griechischen Staatsrechts veröffent licht. Lehrberuf, Politik und andere Arbeiten haben die Voll endung des zweiten, der Athen und seine Symmachien umfassen sollte, verlangsamt. Als er 1928 fertig war, entschwand jede Möglichkeit des Drucks angesichts der wirtschaftlichen Lage in Deutschland, zumal das Manuskript auf 65-70 Bogen im For mat des ersten Bandes geschätzt wurde. Die Notgemeinschaft konnte bei ihrer Etatslage nur festbegrenzte Hilfen in Aussicht stellen, die gegenüber der Länge des MS nicht ausreichten. Ich kam auf den Ausweg, den Band auf englisch in Amerika zu drucken, und fand wohlwollendes Interesse: Rostowzew in Yale, Ferguson in Harvard, Wertellbaker in Princeton, vor allem Me ritt in Ann Arbor taten, was sie konnten. Mit letzterem und seiner Universität war ich fast am Ziel, da trat die Wirtschafts krise auch in Amerika ein und alles war dahin. Was meine Dankbarkeit für die Bemühungen namentlich von Meritt nicht vermindert. Das vorliegende Buch ist das Ergebnis des nunmehr allein gebliebenen Weges. Mitscherlich, der die Herausg'abe diesel' Serie von Monographien gerade einleitete, stimmte zu, als ich vorschlug, den dicken Band in eiiIe Folge von Einzelheften" auf zulösen und in Abständen bei ihm erscheinen zu lassen; ihm ge bührt mein Dank, wenn d ie Arbeit von zehn Jahren nicht ver tan ist. Natürlich machte die Umarbeitung in Einzelhefte viele Änderungen nötig, und häufige Verweise auf spätere Hefte ließen sich nicht vermeiden; ich hoffe aber, daß der. hier vorgelegte Teil ein leidlich geschlossenes Ganzes bilden wird, Die weiteren
IV: sollen so bald folgen, wie die Tätigkeit eines Professors 1m neuen Reich mit ihren vielen neuen Aufgaben unter Dach und in frischei' Luft gestattet. Die Verzögerung nat den Vorteil, daß ich die neuen ameri kanischen Al'beiten über die athenischen Finanzurkunden und auch wohl· noch die neuen Denkmälerfunde vom Markt Vo)� Athen werde verwenden können. Zur Zitiermethode: Aristoteies olme Zusatz ist der im Zu sammenhang erhaltene Hauptteil der 'Aartvaiwv 1ToAtTEia j die Demosthenes-Scholien (ed. Dindorf) und die Anecdota Bekke riana sind nach den · modernen Seitenzahlen angeführt. Göttingen;
U. Kllhrstedt.
Inhaltsverzeichnis. 1. D a s S t a a t s g e b i e t.
Setl�
Vorwort 1. Der Bestand des Staatsgebiets . 2. Die Rechtslage des Bodens im Mutterlande 3. Der Bergbau . 4. Der Kolonialboden 5. Staatlicher Grundbesitz
III
1 5 19 32 42
H. D i e S t a a t s a n g e h ö r i g e n.
1. Die Bürgerschaft .
a) Vorbedingungen des Bürgerrechts b) Erwachen des Bürgerrechts, Verleihung', Verlust c) Inhalt des Bürgerrechts . a) Allgemeines . �) Schutz von Leben, Eigentum, Freiheit und Ehre, Vereins recht y) Materielle Ansprüche des Bürgers an den Staat d) Der bürgerliche Name e) Bürgerpässe f) Die Leiturgien . g) Einteilung der Bürgerschaft h) Familie und Geschlecht i) Die Stellung der Frau 2. D i e Metoiken 3. Ausländer in Athen 4. Die Sklaven und der Staat 6. Vom Staat verliehene Ehren B e i l a g e: Die athenischen Perioiken Register "
59 59 71 129 129
132 192 199 214 217 228
260 269 276 312 321 327 346 363
I. Das Staatsgebiet 1.
Der Bestond des Stoofsgebiets.
§ 1. Die Grenzen des Staates Athen sind, was das Mutterland angeht, in den Jahrhunderten, in denen wir seine Geschichte tlbersehen, im wesentlichen konstant geblieben, der U m f an g d er K o l o n i e n hat u m s o häufiger gewechselt. Letzteren habe ich Nachr. Ges. Gött. 1 931, 159 ff. behandelt, hier gentlgt es , die dort gewonnenen Ergebnisse zu wiederholen 1) . Die Tyrannen erwarben den Chersones, Lemnos (d. h . genauer: Hephaistia und Myrina), Imbros und Sigeion mit dem Fort Achilleion, vielleicht auch Rhaikelos am Golf von Saloniki 2). Alle diese Besitzungen gingen am Ende des 6. Jhdts. verloren. Die Ansiedlung von 4000 Athenern in Chalkis Herod. VI 77 ist unhistorisch, erst nach dem Siege tlber Xerxes werden Skyros und von neuem Lemnos und Imbros Kolonien, vielleicht auch Halonnesos. Im Zeichen des ersten Seebundes entstanden die Kolonien N axos, Andros, Kythnos und mehrere solche auf Eu boi a : Hestiaia, Chalkis, Eretria sind Kolonien 8). Ferner gehören hierher die festländischen Gebiete, die Thasos an Athen abtrat und in denen nach vielen Fehlschlägen die Kolonie Amphipolis 1) Es sei nur bemerkt, daß es rechtlich gleichgültig ist, ob das betr. Territorium ausschließlich, teilweise oder gar nicht von athenischen Bür gern besiedelt wird (u. § 16). Delos wird erst 167 Kolonie, vorher ist es zeitweise eine eigene Republik, zeitweise Territorium der delischen Am phiktyonie. Salamis ist bis 304 Untertanenland, nicht Kolonie (u. Bei lage § 4f.). 2) Die Verwaltung erfolgt durch Vertrauensmänner der Tyrannen, die formelle Zugehörigkeit zu Athen ist sicher durch Herod. VI 104 j VII 6 j vgl. Nachr. a. a. 0. 1 61. Was "der Chersones· damals und später territorial bedeutet, ist a. a. O. 176 ff. ausgeführt. 3) Für Chalkis vgl. speziell Nachr. a. a. O. 164 f.
2 entstand, dazu Brea, Plakia, Tyrodiza, N eapolis am Chersones und vielleicht noch weitere Besitzungen in Thrakien. Hinzu treten wieder der Chersones, Sinope, Amisos (Peiraieus) und Nymphaion bei Kertsch, auf den Inseln Samos mIt seiner Peraia und Eteokarpathos 1). I m archidamischen Kriege wurden atheni sches Staatsgebiet Aigina, Poteidaia, Lesbos bis auf Methymna2) und Notion, dagegen gehen Amphipolis, ein Teil der Peraia von Samos und bald wieder ein Teil der Peraia von Mytilene ver loren. Nach 421 kommen Skione, Torone und Melos neu hinzu. Der Krieg seit 412 und der Friede von 404 fegten das ganze athenische Kolonialreich hinweg. Der Wiederaufbau beginnt damit, daß Lemnos, Imbros und Skyros in den athenischen Staats verband zurückkehren, was der Königsfriede anerkennt. Im zwei. ten Seebund werden unter Verletzung von dessen Grundgeset.z Samos, Poteidaia und der Chersones wieder athenisch, letztere beiden sind an Philipp H. verlorengegangen, Samos wurde 322 wieder frei. Die Kolonie Adria 325/24 ist wohl ein Fehlschlag gewesen .. In den Diadochenkriegen wechseln die allein athenisch gebliebenen Inseln Lemnos, Imbros und Skyros ständig den Herrn, wahrscheinlich 280-262 sind sie athenisch, dagegen rechnet Salamis seit 304 als Kolonie (u. Beilage § 4). Dann kehren sie 167 zu Athen zurück, zugleich werden Delos und. Haliartos athenisch; die Erwerbungen Athens in der Kaiserzeit können hier beiseite bleiben.
§ 2. Das Mutterland, d. h. das athenische B ü r g e r ge b i e t i n A t t i k a in der klassischen Zeit, grenzt an Megara, das meist abhängige Eleutherai, dann ein Stück an Boiotien, d. h. Tanagra, dann an Oropos 3). Seine genauen Grenzen habe ich Athen. Mitt. 1 932, 1) Für letztere vgl. speziell Nachr. a. a. 0. 168 ff. 2) D . h. Mytilene mit seiner Peraia, Pyrrha, Autissa, Eresos. 3) Die urgeschichtlichen Zustände eines bis an den Isthmos reichenden Attika o der vielmehr Ionien gehen uns hier nichts an ; vgl. Aristot. 'Aer'\v.
3
8 ff. so weit fixiert, wie literarische Über lieferung und Beobachtung im Gelände es gestatten: von der Mündung des lapis über den Paß von Kandyli und auf dem Kamm der Kerata entlang, um die Quelle des Sarandapotamos westlich herum, auf dem Kamm nördlich des Oberlaufes dieses Flusses nach Osten bis sö. Kok kini, dann nach Norden zur Hauptwasserscheide, wieder nach Osten zum Berge Ozia, dann zum Liopesi, dann über den Bletsi und den Mavronoros zum Kap Kalamos. Erstreckungen der Macht Athens jenseits dieser Linie haben in klassischer Zeit immer nur den Charakter politischer Bevor mundung gehabt bei den "Perioikenstaaten" Eleutherai und Oro pos, amtlich �p\J)l6C; und h 'A).lqltupao\J 1�, zeitweilig Pla taiai und ganz vorübergehend Hysiai, die unten in der Beilage besprochen sind. Eine Ausdehnung des Bürgergebiets in dieser Richtung ist spät: wohl im 2. Jhdt. 1) ist Eleutherai ein Demos geworden, jedenfalls begegnet 'De\J8epvuloc; als Demotikon seitdem in deli schen Urkunden2). Damals ist also das Tal von Vilia-Gifto kastro-Mazi-Kokkini einverleibt worden. Noch jünger ist eine Erweiterung des Bürgergebiets an der Nordküste : noch bei Strab. IX 1, 22 ist Psaphis ein Ort in Oropos, so daß Rhamnus den letzten Demos Athens bildet; es erscheint aber IG I111122. und 1160 in der Kaiserzeit als Demos der Aiantis. Oropos ist. also in der Römerzeit zugunsten Athens verkleinert worden. Umgekehrt hat Eleusis zweimal einen eigenen Staat gebildet 3). Das erstem al nach dem Sturz der Dreißig 4), das zweitemal '!roA. fr. 2 ; Suid. s. TI apdAwv ; Schol. Aristoph. Wesp. 1223 ; Lysistr. 58 ; Schol.
Eurip. Hipp. 35. 1) Man wird an die allgemeine Neuordnung der Grenzen 167/66 denken. 2) Roussel, Delos Co1. Athen. IX B 1, 97; Bull. Corr. Hell. XXXII 415, 63. 3) Das selbständige Eleusis der Frühzeit geht uns hier nichts an : Philoch. fr. 28. 42 ; vgl. Hymn. Horn. V 490. 4) Aristot. 39, 1 ff. ; Xen. Hell. 11 4, 38 ; Diod. XIV 33, 6 ; Just. V 10, 41f. Die Wiedergewinnung Xen. a. a. O. 43 ; Just. a . a. O. 9 ; Aristot. 40, 4 : 401/00 ; vgl. Lys. XXV 9 ; Plat. Menex. 243f. Eine Urkunde der Republik
4 im frühen 3. Jhdt. von dem Sturz des Lachares an (März 295 : Ferguson, Olass. Philol. 1929, 20) bis spätestens Winter 287/86, denn im April 286 wird in Eleusis wieder nach dem athenischen Archon datiert (IG II2 1682). Ob in diesen Fällen nur der De mos Eleusis abgetrennt wurde oder die ganze eleusinische Ebene also einschließlich Thria und einiger anderer Demen, ist nicht zu sagen. Die das letztere voraussetzende Grenze bei Rheitoi Paus. 1 38, 1 meint die Urzeit, ist aber an sich das Gegebene. Man wird an eine Grenze auf dem Poikilos entlang und westlich Ohasia und Phyle zur boiotischen Grenze denken. Ob die be kannte Befestigung westlich Liosia mit einer der b eiden Epi s oden etwas zu tun hat, ist wieder nicht zu sagen. § 3. Die G r e n z e a u f d e r S e e s e i t e schließt Salamis aus, das erst "Perioikenort", dann Kolonie ist, die kleinen Inseln der Festlandküste aber ein. Eine Hoheitsgrenze auf dem Meere gibt es nicht. Ein am Land verankertes fremdes �chiff, sobald es durch ein Brett oder Seil mit dem Trockenen verbunden ist, ist innerhalb der Staatsgrenze 1). Umgekehrt gilt ein athenisches Schiff ilber See als athenischer Boden, sein Betreten ist filr den q>vyalä 2) gleichbedeutend mit der Rückkehr nach Athen und er öffnet den Strafvollzug ([Demosth.] L 48 f.). Die Z o l l g r e n z e deckt sich i m wesentlichen mit der politischen, jedoch liegt der $wpwv A11lrlv im Peiraieus außerhalb der Zollgrenze, so daß dort Waren ein- und wieder ausgeführt werden können, ohne ver zollt zu werden (Demosth. XXXV 28). Der Text zeigt zugleich, daß das· zollfreie Gebiet nur die Wasserßäche umfaßt, kein E le usis haben wir in dem sehr zerstörten Stein 'EHIlv. II 5 ff.; vgl. K ugeas a. a. O. 1 16 ff.; Pa laios TToAillwv I 179 ff. und meine A usführungen Nachr. Ges. Gött. 1 932, 77 ff. 1 ) Das z e igen d ie Bestimmungen für das Krim ina lverfahren �v IPP€aTTOI: Aristot. 57, 3 f. ; Poll. VIII 120: Beck. An. I 3 1 1 ; Harp. s. �v IPp€dTTOU; Demosth. XXIII 77 f. 2) Genauer: den Bürger, der sich durch Flucht dem Prozeß oder dem Strafvo llzug entzogen hat; e r ist kein q>uydC; im Rechtss inn, u. § 35.
5 trockenes Zollausland, Schuppen, Ladeplätze usw., letztere bilden das lJ.ln6plov, das zu dem 4lwpwv XIJ.l�V im Gegensatz steht, ferner, daß die anderen Häfen auch in ihrer Wasserfläche Zollinland sind. Praktisch geht fast der gesamte Import und Export Athens über den Peiraieus, was nicht ausschließt, daß es etwa in Eleu sis, Thorikos und Brauron Zollstellen gab. Jedoch ist über die Regelung der Zollgrenze an diesen Plätzen nichts bekannt. Er wähnt werden ayopai als Zollstellen [Xen.] n 6pol 4, 40, das sind die lcpoplal ayopai von Demosth. XXIII 37. 39 f., die hier (39) mit den öpla Tij� xwpa� gleichgesetzt werden, also wohl hart an der politischen Grenze zu denken sind: Eine Sonderstellung von Grenzgrundstucken ist nur durch moderne Ergänzung in IG 1I 2 373 entstanden, wo wir in der Verleihung von lYKTI'}O'I� jetzt lesen, daß der damit Bedachte sich bei seinem Bodenerwerb von den Grenzen, ano TWV 6piwv (neben TWV KOIVWV) fernhalten soll: vgl. Ferguson, Hell. Ath. 245; John son, Class. Philol. 1914, 425. Das wäre ein Unikum; Koehler er gänzte TWV l€PWV, das gibt einen vernünftigen Sinn. 2.
Die Rechtslage des Bodens im Mutterlande.
§ 4. Die Frage nach der Stellung des Grund und Bodens im öffentlichen Recht ist in erster Linie die nach dem Bestehen eines s t a a t l i eh e n E i g e n t urn s 0 d e r 0 b er e i g e n t urn s an ihm. Allgemeine Erwägungen lassen ein solches von vornherein als unwahrscheinlich erscheinen. In Sparta ist deutlich 1), daß das ursprüngliche Bodeneigentum den Königen zustand und all mählich auf Wege, Plätze und Heiligtümer zusammenschrumpfte - abgesehen von dem Hausgut der beiden Dynastien. Wenn wie in Athen die Krone ganz verschwand, ist es schwer vorzu stellen, daß die junge Republik mehr Rechte gewann, als die 1) Staatsrecht I 8 ff.
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sterbende Monarchie zu vererben hatte. Eher wird die Erschütte r ung Anlaß geboten haben, noch bestehende Rudimente abzu bauen : die Besieger der Krone waren ja die feudalen Grund herren, kein Staat im Sinn der reifen Polis oder einer modernen Republik. Dementsprechend hat der Staat keinerlei O b e r e i g e n t u m ü b e r d i e {€ P ci j was t€POV ist, is t eben nicht b'lIlodol�j Lex. Cant. s. TrpoßoAij. .
20 gelten mochten oder nicht. Auch die ausf ührlichste Behand lung des Minenbetriebs selbst [Xen.] nop. 4, 1 ff. hilft nicht weiter, die Schrift ist wohl nicht gerade eine Utopie 1), sie spricht aber nur von Wegen zur rationellen Ausgestaltung der Verwaltung und Ausbeutung der Staatsminen im fiskalischen Interesse, von der Verwertung staatlicher Sklaven, also Ein führung staatlicher Regie statt der Verpachtung (18 f. 30), der Ermutigung der Pächter, die notorisch das ihnen allein zufallende Risiko einer Neuabteufung scheuen, durch Teilung des Risikos einer ertraglosen Fehlbohrung zwischen Staat und Pächter (27f . ) u . a . Die nopoi sprechen v o n d�n staatlichen Gruben, ob e s da . neben private Minen gab, können sie weder belegen noch aus schließen, weil solche die Fragestellung der Broschüre nicht berühren. Wenn a. a. 0 . 4, 14f. von Nikias und Hipponikos als Minenunternehinern die Rede ist, sind sie nur in ihrer Eigenschaft als Pächter im Sinn von Aristot. 47, 2 j IG TI 2 1582 ff. gemeint 2). § 11. Wichtiger sind andere uns überlieferte Bestimmungen. Ein Gesetz fordert die A n m eid u n g n e u e r S eh ä c h t e bei dem Staat, eine eigene Klage betrifft die Anzeige solcher heim licher SchUrfungen:l). Diese Bestimmung ist a priori im Rahmen eines vollständigen staatlichen Regals sinngemäß, sie ist schwer vorzustellen, wenn der Staat eine bestimmte Bergbaudomäne hat und außerhalb derselben keine Metallsc hätze begegnen. Wie soll, wenn der Staat durch die Poleten die Parzellen der Do mäne aufteilt, jemand heimlich ein ganzes Bergwerk anlegen und •
1) So Momigliano 261 if, 2) Von privaten Athenern als Bergbauunternehmern ist oft die Rede: Diod. V 87, 1 ; [Aristot.] Oikon. II 2, 36; Thukyd. VI 91, 7; Andok. I 88; Xen. Mem. II 6, 2 ; Plut. Nik. 4; Aischin. III 101. Keine der Stellen schließt die Interpretation als Pächter in Laurion aus. S) Suid. Phot. Reitz. s. dTPdq>ou /lETd��ou b(1C1'\ (richtiger : dvaltoTpdq>ou' Lipsius Att. Recht II 4 09 Ul) ; Beck. An. I 18 4 .
21 ausbeuten ? Die Bestimmung setzt voraus, daß es sich um Minen außerhalb des Gebietes um Laurion handelt, wo die Pächter dicht aufeinander sitzen und kein Mensch ein neues Bergwerk unbeobachtet anlegen kann. Also entweder ein Regal fUr das ganze Land, dem jede neu aufgeschlossene Ader eo ipso ver fällt, oder irgendwelche fiskalische AnsprUche an Minen außer halb der Domäne. Das letztere ist der Fall : Suid. a. a. O. nennt eine Ab g a b e v o n 1/24" die der Staat von jedem der hier zur Rede stehenden Bergwerke erhebt und die der Ausbeuter durch seine Verheimlichung des Betriebs hinterzieht 1). Diese Abgabe hat nun im Rahmen der Verpachtung der staatlichen Gruben schlechterdings keinen Raum. Die Verpachtung erfolgt stets gegen ein Fixum, niemals gegen eine prozentuale Abgabe : die Urkunden IG II 2 1582 ff. nennen neben dem Pächter stets eine feste Zahl, die höchste ist 400 Dr. 1582, 8, öfters finden wir 150 (1582, 12 und 41 ff. allenthalben), kleinere Minen kosten 20 Dr. (1582, 106 ff.), deutlich handelt es sich um einmalige Pauschalen, es gibt nicht ein halb Dutzend benachbarte Bergwerke, die auf den Pfennig genau den gleichen Ertrag ergeben 2). Dazu kommt Demosth. XXXVII 22, wo eine solche Pacht 9000 Dr. beträgt. Ein Ertrag von 216 000 Dr. fUr einen Pächter wäre aber eine absurde Zahl. Ferner will [Xel1 .] n6pol 4, 18 f. 21 durch Ratio nalisierung der Betriebe und staatliche Regie den Profit des Staates auf 50 Ofo des Bruttoertrages steigern. Ein Sprung vOJl etwa 4,2 auf 50 % wäre ebenso abstrus. 1) Dasselbe meint Harp. s. aTrOVO lln. 2) Schönbauer 24 bestreitet, daß die Summen der Preis seien wegen der Differenz von der gleich zu nennenden Größenklasse bei Demosth. XXXVII. Wenn aber Aristoteles sagt, daß der Staat die Minen auf Frist 1tl1fpdOIC€I, und die Urkunde einen !lJvnTI'I� mit einer Geldsumme nennt, kann das uno möglich etwas anderes sein als die Kaufsumme. Es gab eben einfach Par zellen der verschiedensten Größe, es gab Unternehmer, die eine oder Viele solcher übernahmen, es gab endlich Perioden hoher und niedriger Preise.
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Die Versuche der Modernen , die Notiz über die Abgabe von 1/24 des Ertrages in das System der Verpachtung der Staats gruben einzupassen, sind denn auch von einer Verlegenheit in die andere gefallen. Momigliano will sie als eine jüngere Form der Pacht ansehen (255 ff.), sie sei seit etwa der Zeit Alexan ders an Stelle des Fixums getreten. Das scheitert an den Urkunden IG TI 2 1582 ff., die uns von der Mitte des 4. Jhdts. bis minde stens 307/06 begleiten und keinen Wandel in ihrer Gestaltung zeigen. Die alten Theorien von Boeckh über ein Einstandsgeld und eine Steuer, also eine doppelte Einnahme aus den Staats gruben, hat Schönbauer 17 f. mit Recht abgelehnt, es gibt nur eine solche und von einem Einstandsgeld weiß keine Quelle etwas. Schönbauer 18 f. selbst will in dem Vierundzwanzigstel die einzige und in der Zeit der rropOl vorübergehend statt des Fixums eingeführte Abgabe der staatlichen Pächter · sehen oder vielmehr aller Bergbauer : der Bergbau wäre damals im wesent lichen frei gewesen. Der Grund ist, daß die rropo\ niemals von den Pauschalsummen reden, sie reden aber ebensowenig von dem Vierundzwanzigstel und sie setzen das Fixum stillschweigend voraus. Denn 4, 28 f. wird moniert, daß das Risiko bei einer Fehlschürfung nur den Pächter, nicht den Staat trifft (der Ver fasser will das ändern), bei einer prozentualen Abgabe vom Er trag hätte aber der Staat, wenn nichts gefunden wird, auch nichts bekommen. Dazu ist wie gesagt das Ziel der Broschüre die Stei gerung des staatlichen Profits auf 50 010 des Ertrages, rein durch Rationalisierung des Betriebes. Hätte Athen damals den Bergbau in dem Gebiet der Staatsgruben gegen eine geringe Abgabe freigegeben, m üßten die rropo\ als wichtigsten Punkt die Her stellung eines vernünftigen Satzes der Abgabe fordern, ganz abgesehen von der Größe des Sprungs von 4,2 auf 50 Ofo 1). 1 ) Dazu kommt, daß die trOpOI wegen 5, 9 doch wohl jünger sind als 846 weitere Belege für die Datierung der Schrift gibt die Behandlung -
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Das Vierundzwanzigstel stellt sich also als fiskalische Abgabe von privaten Bergwerken dar, scharf zu scheiden von der anders und als Fixum normierten Abgabe der Pächter staatlicher Gru· ben. Die '1 TOO b!tva 'Aq>lbva{ou oder einem Nachbarn z. B. �p'(aaTTJPlov TOO b{lva 'AqHbva{ou. 1) IG II � 1582, 14 ff. 19 ff, 1 4 1 ff. 14 6 ff. 151 ff. 158 ff. 166 ff. 175 ff. 180 ff. ; 1587, 4 ff. ; der Name begegnet auch Aischin. m 101 ; Demosth. XXXVII 25 in gleichem Zusammenhang. 2) Vgl. Seltman, Athens, its history and coinage, 39 ff. 3) Vgl. auch Hyper. III 36 für das späte 4. Jhdt. : neue Schürfungen kommen vor, damals sogar mehr als zeitweilig früher, hindernd ist nur die Lähmung der privaten Initiative durch die Angst vor Sykophanten -
27 Staatspächter. Natürlich genügen solche FäHe nicht zur Erklä rung der Erstreckung der Staatsminen auf sämtliche Laurion benachbarte Demen, der Staat m�ß systematisch private Berg werke oder erfolgversprechende private Grundstücke aufgekauft haben : man würde gern wissen, welcher Staatsmann diesen weiten Blick hatte 1). § 13. Aber hiermit haben wir erst das Äußerliche des Pro zesses erfaßt. Es bleibt die Frage, ob die Staatsminen in Thorikos usw. Domäne wurden wie Laurion oder entsprechend ihrem Ver bleiben im Demos anders standen. Möglich ist ersteres durch aus : in den Demen, die das 1l00TU bilden, und im Peiraieus gibt es genug Staatsgrundstücke ; daß sie weniger Quadratmeter haben als der systematisch ausgedehnte Minenbezirk, ist recht1ich gleich gültig. Die Antwort gibt eine Erscheinung der Urkunden ; in ihnen wird häufig die genaue Lage des IlETuAAov bezeichnet durch die Angabe: in den lbr:lepll ToD bEIVU. Und zwar handelt es sich nicht nur um konventionelle Flurbezeichnungen, etwa nach einem früheren Eigentümer, z. B. dem letzten vor dem Übergang des betr. Areals an den Staat, sondern um Angaben des lebenden Eigentümers. Das Bergwerk II 2 1582, 88 ff. liegt in den lbr:lepll des Simonides, der unter den Nachbarn als Eigen tümern eines lplUO'TTJPtOV genannt wird, 1582, 123 ff. liegt der Fall genau so mit einem AleptAo� TTteeu�, vielleicht auch 1582, 23 ff. mit A!O'IIl�bll� Atoepavou� rUP1�TTtO�. Zudem ist der Strato kIes, dem Mitte der vierziger Jahre des 4. Jhdts. lbr:lep'l in Ana phlystos gehören (1582, 112 ff.), sicher niemand anders als der wir können hinzusetzen : und die Neigung der Gerichte der radikalen Demokratie, das Bergwerk als Staatsgut zu stempeln ; vorher wird gerade ein Fall der Art genannt. 1) Bei dieser Entwicklung versteht man auch die Häufigkeit der Pro z esse, ob eine Mine (VTO� TWV !l€TPWV lag. Es muß eine Gemengelage staatlicher und privater Grundstücke und Minen herausgekommen sein. :vgl. zu all dem Momigliano 251 f.
28 novIlP6TCXTO� in der gleichzeitigen Rede Demosth. XXXVII 48 1), der schon genannte Diphilos 1582, 123 ff. ist der Mann von Prosop. 4485, also bis Ende der zwanziger Jahre lebend, der Epichares von 1585, 7 ff. ist wohl der E. MiKWVO� XonE[bll� von Prosop. 5003, für den Kephisodotos von 1586, 1 ff. und den Epa meinon 1587, 17 ff. stehen Prosop. 8315 ff. bzw. 4759 ff. mehrere Zeitgenossen der betr. Urkunde zur Verfügung. Es ist also nicht zu leugnen, daß es staatliche Minen gibt, die in, d. h. unter PrivatgrundstUcken liegen, wie Momigliano a. a. O. 253 b etont, die Frage ist nur, ob wir mit ihm von einem Regal sprechen dUrfen 2). Wir haben J,1f.Tcx).).cx in tMcpll TOU bElVCX in Sunion 3), Amphitrope4), Ana phlystos 6), Thorikos 6), Bessa 7) und tni 0pcxO'UJ,1lj.1 8), bei anderen ist der Text zu zerstört 9). Die Angabe kommt also nicht vor im eigentlichen Gebiet von Lau rion, entsprechend dem oben gewonnenen Bilde, daß wir hier 1) Kirchner, Prosop. Att. n. 12 930, vielleicht mit 12931 und 1 2 937 iden tisch. 2) Daher auch die vielen privaten ipTaaT�pta in den Urkunden, die als Anrainer der von den Poleten genannten Parzellen begegnen : IG II 2 1682, 1 ff. 14ff. 46 ff. 56 ff. 63 ff. 69 ff. 88 ff. 92 ff. 99 ff. 123 ff. 129 ff. 146 ff. 161 ff. 176 ff. 180 ff. ; 1683, 4 ff. 21 ff. ; 1684, 1 ff. ; 1586, 7 ff. ; 1687, 4 ff. 3) 1682, 41 ff. ; 1688, 9 ff. 4) 1682, 88 ff. 92 ff. 6) 1582, 99 ff. 106 ff. 1 12 ff. 6) 1682, 136 ff. ; 1687, 17. Die Mine von 1684, 1 ff. liegt am Wege von Thorikos nach Anaphlystos, also sicher in einem der zwei genannten D emen. 7) 1686, 7 ff. 15 ff. ; 1588, 18 ff. 8) 1682, 14 ff. 1 46 ff. - 176 ff. ; 1687, 4 ff. Dazu kommt das Bergwerk von 1682, 123 ff., denn es grenzt an das ipTuaT�plov des Diphilos, genau wie später 1587, 4 ff. ein anderes, das als itri 0paaUllllJ liegend bezeichnet wird, an das �lqI\A€iov KaAOU�I€VOV ip"faaT�plov grenzt. Die Lage von itri 0paaUIlllJ am Wege Laurion-Th�rikos, die so für 1682, 123 ff. vorausgesetzt wird, bestätigt sich 1582, 63 ff., wo eine Parzelle östlich durch diesen Weg, westlich durch den Laurion-Thrasym on begrenzt wird. ' Etri 0paau lll!l lag offenbar etwas landeinwärts der erstgenannten Straße, also nnw. Laurion. 1582, 158 ff. 166 ff. 175 ff. passen dazu. 9) 1582, 9 ff. 29 ff. ; 1586, 1 ff. 7 ff. j 1588, 1 ff.
29 eine echte Staats domäne haben, das alte Gut der Peisistratiden, das konfisziert ist und keinen anderen Oberflächeneigentümer haben kann als den Staat. Dann müssen also die Bezeichnungen (Trl 0POCfU/ltp und Hügel Bambides (1582, 56 ff.) rechtlich anders stehende Territorien bezeichnen. Der letztere wird uns nicht aufzuhalten brauchen, vermutlich fehlt die Bezeichnung der ad ministrativen Einheit und es steht nur eine Flurbezeichnung, da sie dem Bedürfnis nach genauer Lokalisierung genügte - viel leicht ein Versehen des Steinmetzen. Aber (Tri 0pacru/lt{l ist so häufig ohne Zusatz genannt, daß es neben den Demen gestanden haben muß, wie Laurion ein exemtes Gebiet, aber nicht Domäne ' im Sinne restlosen privatrechtlichen Eigentums an Oberfläche und Untergrun d gleichmäßig. Mehr als eine Vermutung über die Genesis dieses bodenrecht lich buntscheckigen Bergwerksgebietes, wie es in den Urkunden des 4. Jhdts. uns abgeschlossen entgegentritt, ist nicht möglich. Ich möchte mir die Entwicklung folgendermaßen vorstellen : die Peisistratiden besaßen ein Familiengut mit Bergwerksbetrieb, Laurion, in der Zeit ihrer politischen Macht haben sie auf be nachbarten Landstrecken Bergbaurechte erworben, ohne die pri vaten Eigentümer von der Oberfläche zu verdrängen. Dies ist das Areal lTri 0pOCfuf.'tp, eventuell zuzüglich des Hügels Bambides. In diesem Umfang hat die Republik das Eigentum der Ty rannenfamilie geerbt, also als einfacher Eigentümer für das eine, als Inhaber des Bergbaurechtes für das andere Areal, in diesem Umfang ist es bei der Einteilung des Staatsgebietes in Demen als eigene Einheit neben diesen konstituiert worden 1). Der Staat hat dann die Bergbaupolitik der Tyrannen fortgesetzt und schritt Weise auf die benachbarten Demen übergreifend das Bergba urecht , 1) Wenn die D emen älter sind als der Sturz der Tyrannis, würden bereits die Peisistratiden dies Gebiet eximiert haben. Für unsere Frage ist das gleichgültig.
30 unter bestimmten Grundstücken erworben, ohne die Eigentümer der Oberfläche zu verdrängen, die von der Neuanlage vielmehr noch den Vorteil hatten, daß sie auf ihrem Areal �Pla(J'T�p\a an legen konnten 1), auf deren Ausnutzung der jeweilige Pächter der betr. Staatsmine schon deshalb angewiesen war, weil sich sonst der Transport des Rohmaterials verteuerte. Kein Wunder, daß sich die Privaten die Unterminierung ihrer Areale gern gefanen ließen, gegen Raubbau und Bodensenkungen schützte das die Pächter bindende Gesetz (0. S. 19), der Eigentümer vermied das Risiko, auf eigene Kosten einen Schacht abzuteufen, hatte aber, wenn der Ertrag den Erwartungen entsprach, den Vorteil, daß praktisch er allein in der Lage war, auf der ihm ja gebliebenen Oberfläche eine Verarbeitungsstelle für den Rohstoff einzu richten 2). Denn ein staatliches Monopol der Verarbeitung oder . des Verkaufs der gewonnenen Stoffe im Areal der staatlichen Gruben ist nach [Aristot.] Oik. II 2,36 einmal erwogen, aber nie verwirklicht worden. Die Frage der staatlichen Verwaltung der so rechtlich sehr unterschiedlich stehenden Parzellen und Minen im ganzen Berg werksgebiet geht uns hier nichts an (s. u. § 22 1.) 8). Wichtig ist hier die Erkenntnis für das Bergbau- und damit das Bo denrecht: sicher die Republik, vermutlich schon die Peisistratiden kannten 1) Vgl. die Fälle o. S. 28 2• 2) Diese Eigentumsverhältnisse sind jeweilig durch Kauf seitens des Staates
und öfter wohl durch Zession des Eigentümers entstanden. Bei einer Kon fiskation geht das Oberflächen-Eigentum auch an den Staat über. ·Es gibt im athenischen Recht keine partielle Konfiskation. 3) Es sei bemerkt, daß der Ausdruck nLaurion", der in der Liste der ein zelnen Minen ein bestimmtes von den Demen unterschiedenes Areal be zeichnete, im Sprachgebrauch natürlich gern auf das ganze bergbaulich genutzte Gebiet bezogen wurde. Einmal schleicht sich das sogar in die Urkundensprache : II t 1582, 6 0 ff. haben wir eine Überschrift für die fol gende Liste von Minen, die als nin Laurion " belegen eingeführt werden. Bereits Nr. 2 dieser Liste (64 ft'.) liegt in Thorikos, mehrere der dann fol genden in Amphitrope und Anaphlystos.
31 eine Trennung des Eigentums an der Oberfläche von dem am darunter liegenden Bergwerk. Der Staat hat außer dem Eigen tum an der echten Domäne Laurion das Bergbaurecht auf einer großen Zahl von Grundstücken rings um diese herum in den Demen Sunion, Anaphlystos. Amphitrope, Bessa, Thorikos. Auf diesen Grundstücken - nicht etwa : in diesen Demen - darf weder der Eigentümer der Oberfläche noch sonst ein Privater auf eigene Faust Bergbau betreiben. Wo der Staat dies Recht nicht erworben ' hatte, war , der Bergbau frei, aber steuerpflichtig mit 1/24 des Bruttoertrages 1). Es gibt in Athen kein Regal, sondern eine Domäne Laurion und ein eigenes Bergwerksrecht, das das ' Eigentum an der Mine von dem an der Oberfläche zu trennen erlaubt, ein Recht, das vermutlich die Tyrannen geschaffen und das sie und später die Republik im fiskalischen Interesse zur Vereinigung vieler lokaler Bergbaugerechtsame in der öffent lichen Hand nach Kräften ausgenutzt haben. Es ist aber durchaus möglich, daß auch Private Minen unter den Grundstücken anderer Privaten hatten : wenn der Ausdruck fDemosth.] XLII 3 auf die Goldwage gelegt werden darf, daß infolge eines Prozesses �in Bergwerk konfisziert wurde - es wird kein Eigentum an dem Grundstück darüber genannt - hätten wir hier einen Fall der Art. Jedoch kann der Redner sich auch summarisch aus gedrückt haben 2). Von einem staatlichen Bodeneigentum oder Obereigentum am Boden ist jedenfalls auf dem Gebiete des Bergrechtes keine Spur nachzuweisen 3). 1) Dies letztere kann ebenfalls eine Erbschaft der Peisistratiden sein, vgl. Momigliano a. a. O. 251: der Rest der allgemeinen Ertragssteuer der Tyrannen, die für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke wieder ein geschlafen ist (Aristot. 16, 4. 6; Thukyd. VI 54, 4; Diod. IX 37, 3; Suid. s. TO
'
Imtdpxou TElXiov). 2) Vielleicht haben wir IG II � 2635 ein Bergwerk im Eigentum eines Demos. 3) Erwähnungen der �ETana sonst Thukyd. 1I 55, I ; 'VI 91, 7 j Plin. n. h. XXXVII 70. Klagen über Rückgang Xen. Men. UI 6, 1 2 ; vgl. '!rop. 4, 1 . Neue
32 4.
Der Kolonial boden.
§ 14. Auf dem Boden athenischer anOlKlcu ist an sich, da sie erst seit dem 6. Jhdt. allmählich athenisch geworden sind, ur athenisches Recht nicht zu erwarten, andererseits ist ebenso theo retisch die Ausbildung staatlichen Eigentums kraft Eroberung vorstellbar. Auf jeden Fall bedarf es hier der gesonderten Be trachtung der Rechtslage des Grund und Bodens in deR Kolonien. Das Wesen einer anotKla ist die vom Volk von Athen vor genommene Einweisung athenischer Bürger und Götter als Grund besitzer in ein bestimmtes Areal: vgl. die IVllCP10"J.laTa über Kolonie gründungen IG I 2 45 (Brea)j 11 2 114 (Poteidaia) j 1629, 165 ff. (Adria) 1), endlich die Entsendung von Bürgern in fast allen eine solche Gründung betreffenden Stellen der literarischen Über lieferung 2). rEJ.lEVll athenischer Götter lUld Heroen - bzw. An� erkennung bestehender TEIlEVll. die damit von Athen überilOmmen werden - in Lemnos Suppl. Ep. Graec. 111 117, Chalkis Ael. var. hist. VI 1, 1, Eretria und Hestiaia IG I 2 376, Kythnos IG I 2 313, 147, Brea IG I 2 45, 8 ff. j Aigina IG IV 1, 29 ff. j Samos CIG II 2246j Curtius, Gymnas.Progr. Lübeck 1877, 8 n. 4 f. (= IGA 8) ; Suppl. Ep. Graec. I 375, endlich wohl Karpathos IG XII 1, Blüte i n der zweiten Hälfte des 4. Jhdts. Strab. III 2, 9 ; 1T 6 p . 4, 3; vgl. Hyper. III 36. Ende des Betriebes unter Augustus Strab. IX 1, 23; X I, 6; vgI. Paus. I I, 1. Daß sie erst 483/2 entdeckt wurden (Aristot. 22, 7) , ist handgreiflich falsch; Herod. VITI 144; Plut. Themist. 4 ; Nep. Themist. 2, 2 ; Polyain. 1 30, 6 ; Ael. Arist. inf. 'f. 'fETT. 187, 9 m. Schot setzen das Gegenteil voraus, mit Recht: kein Unternehmen wirft im zweiten Jahre s eines Bestehens solche Überschüsse ab, daß man davon eine Flotte bauen kann. Für [Xen.] 1T6p. sind die Minen uralt, mykenische Benutzung steht fest: Ure, Origin of tyranny 46 f.; Seltman a. a. O. 129 vgl. 138. 1) Gegen Behinderung der Gründung durch irgendwelche Machinationen werden Klagen vorgesehen : IG II � 30 in Suppt Ep. Graec. TII 73; vgl. I g 45, 20 ff. 2) Vgl. die Stellen Nachr. Gött. Ges. 1931, 159 ff. in den Anmerkungen. Im allgemeinen: Aristoph. Wolk, 203 ; Isokr. VIII 92; Demosth. VITI Hyp. 1 ; Harp. s. KXTlPOOxolj Suid. s . ri'} KXllPOUXlKtl ." Schol. Aristoph. a. a . O.
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977 1). Auch juristische Personen werden so eingewiesen, die Phyle Antiochis in Lemnos Suppt Ep. Graec. IU 117 ist sicher kein vereinzelter Fall gewesen. Daneben gibt es in Myrin� auf Lemnos (IG II 2 1051 a 8) und sicher überall Areale, die als &bEcrTrOTOI oder bl1�16crlOl bezeichnet werden. Erstere sind vom Staat bei der ersten Einweisung der Siedler zurl1ckbehalten worden, eine Reserve fl1r Nachschl1be von Kolonisten, wie sie aus dem Chersones bekannt sind (Demosth. VIII Hyp. 1). Eine einzelne Landzuweisung in einer längst bestehenden Kolonie haben wir Demosth. XX 115 in Chalkis. Die Grundstücke mit dem Zusatz brU.locrlO1 sind größere oder kleinere Domänen, wie sie im Mutterland auch vorkommen 2). Über ihre Nutzung durch Verpachtung s. u. §21. § 15. Äußerlich ist das Bild also genau wie im Mutterlande : staatliche und Tempelgrundstücke, dazu solche von Selbstver waltungskörpern und Privaten. Steht nun hinter dem ein Ober eigentum des Staates an all jenen KAflpOl im Unterschied von dem Grundbesitz physischer und juristischer Personen im Mutterlande? Die Kolonien heißen immer KT�,..LaTa von Athen 3), es ist von ihnen die Rede als > Ael1ValwV xwpa, OlKEla xwpa u. ä. 4). Aber das kann auch die Bedeutung haben, daß sie einen integrierenden Be standteil des politischen Gebietes der Republik bilden. Dies ist sicher der Fall : ein Angriff Dritter auf eine Kolonie verpflichtet Athens cru��.taXOI (IG I 2 45, 13 ff.) genau wie ein solcher auf das Mutterland 5). 1) Die Einweisung eines Heros, nicht einer Phyle als juristischer Person (s. u..) spiegelt sich wohl auch in dem Fall in Samos Ath. Mitt. 1926, a6 wieder: die Pandionis macht Geldgeschäfte, leiht Geld aus irgendeinem Fonds aus, das Ausbleiben der Zinsen schädigt den Pandion. 2) Diese bei den Kategorien von Boden werden es sein, die 431 auf Eu boia als Zufluchtsort für die Herden aus Attika dienen : Thukyd. II 14, 1. 3) Demosth. XIX 78. 275j Aischin. II 72j vgL Andok. III 12 und die Hypo theseis zu Demosth. VII, VIII und XIX. 4) Demosth.. III 28; VII 27 f. 42 f. u. ö . j vgl. 'll'6).€1� 1'wv ' A9l)va(wv I G II 1 950. 5) Diese politische Zugehörigkeit genügt zur Not, um den Ausdruck
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Jeder Versuch weiter vorzudringen hat auszugehen von der Bodenokkupation durch Athen bei der Kolonisierung selbst. Diese ist sehr verschieden gewesen 1). Die Kolonien des 6. Jhd ts. haben die Eingeborenen offenbar nicht völlig vertrieben : als die Perser Lemnos und Imbros besetzen, finden sie "Pelasger" vor 2), nach der Flucht der Koloni sten aus dem Chersones haben wir alsbald wieder eine von Eingeborenen besiedelte Gemeinde Elaius (Herod. VII 22. 33 ; IX 1 16). Auf Skyros ist dann im 5. Jhd t. die eingeborene Bevölkerung vollkommen evakuiert worden 3), ebenso nunmehr auf Lemnos lind Imbros4). In Hestiaia fand ebenfalls die schärfste Form Anwendung, die verjagte Bevölkerung wandte sich nach . . Makedonien 5). In Chalkis mußten dagegen nur die Hippoboten , also einzelne namhaft gemachte Familien, weichen, die Masse der Einheimischen blieb praktisch ungestört 6) ; wie in Chalkis lagen offenbar die Dinge in dem gleichzeitig an Athen gekommenen Eretria (IG I 2 39, 42), in Amphipolis sitzen neben den Kolonisten auch andere Bewohner 7). In Amisos = Peiraieus ist d ie mildere Form dadurch sicher, daß die Münzen der wieder befreiten Stadt den künstlichen Namen weiter tragen 8). Die Amisener haben sich [Demosth.] VII 24. 43 zu verstehen, der von der Abtretung einer Kolonie als 1fapav6)lwv redet. 1) Daß Athen nur lPl"J�OU)lEV al 1t6A�I� kleruchisiert habe (Isokr. IV 107); also nur leeren Boden, dessen Okkupation niemand schädigte, ist natürlich eine plumpe Idealisierung. 2) Herod. V 26 f. Manche athenische.n Siedler sind damals geflüchtet, Herod. VIII 11; der Hauptteil blieb und trat zunächst in den Seebund ein, erst spMer kamen die Inseln wieder unmittelbar in athenischen Besitz. 3) Vgl. die Quellenstellen Nachr. Gött. Ges. 1931, 162 2• 4) Später leben - abgesehen natürlich von Fremden und Sklaven - nur athenische Bürger dort : Demosth. IV 34 ; VII 4 ; XVIII 115; Phylarch. fr. 29 und die Urkunden IG XII 8 passim. Im Jahre 404 fehlen bekanntlich hier wie auf Skyros eingeborene Refiektanten auf die Inseln. 5) Plut. Per. 23 ; Diod. XII 7, 2 ; Strab. X 1, 3 ; vgl. Xen. Hell. II 2, 3. 6 ) Plut. a. a. 0. ; IG I � 39 ; u. S. 36. 7) Thukyd. IV 106, 2 ; 106, 1 . 8) Head, Hist. Num. 2 496.
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also an den Namen gewöhnt, natürlich an Ort und Stelle, nicht im Exil. Der Chersones war im 5. Jhdt. gleichfalls nur mit Athenern durchsetzt, ebenfalls die mildere Form 1 ) . Dann ist Aigina völlig evakuiert worden, Poteidaia, Mytilene, Eresos, Pyrrha, Antissa nicht. Skione, Torone und Melos erlitten das härtere Geschick, desgleichen im 4. Jhdt. Samos und Ses tos, d. h.die in anderer Form hergestellte Kolonie " Chersones" 2), im 2. Jhdt. ebenso Delos 3). Von anderen Kolonien hören wir nichts Näheres. Gleichwohl liegt kein rechtlicher Unterschied vor, auch der terminologische Unterschied von arrOlKlcx als rein athenisch besie deI tem Gebiet und �1TOIKlat, wo die Eingeborenen ganz oder teil weise belassen werden. ist eine Scholiastenphantasie (Suid. s. a1TOIKIl(J'lIÖ), trotz der Berufung auf Thukydides. Letzterer nennt VIII 69, 2 die Siedler auf dem völlig evakuierten Aigina �1TO �KO\, die Ko lonisten für Eretria und Poteidaia, neben denen die Eingeborenen mindestens z�m Teil blieben, nennen sich selbst das eine Mal �1TO\KOI, das andere Mal arrOIKOl : IG I 2 396 f. 1) Ich habe dies Nachr. Gött. Ges. 19 31 , 176 ff. ausgeführt. 2) Aigina : Nachr. a. a. O. 172 " Poteidaia 172 8, die lesbischen Plätze 172 9' Skione und Torone 173 2, Melos 174 I, Samos 174 5, Ses tos 175 1. 180 ff. 3) Es gibt nach 1 67 für Athen keine l�N\I OI mehr. Ein Delier, der sich
in Boiotien so nennt oder vor 167 so nannte (IG VII 373), muß sich auf Delos selbst als Rheneier bezeichnen (DÜfrbach, Choix d'inscr. 77), desgl. wohl ein Epheb e BuH. Corr. Hell. XV 257, 13. Daraus folgt nicht, daß alle Delier Rheneier wurden : Polyb. XXXII 17, 1 ff. erwähnt viele nach Achaia übergesiedelte ; nur wer auf Delos bleiben wollte, mußte das neue Ethnikon annehmen. Da Rom hinter der- Ordnung stand, konnte Rheneia sich gegen die Aufnahme der Leute nicht wehren. Als Delos verödete, kehrten keine Delier zurück: Paus. VIII 32, 2 sagt, daß nur 01 acpIKvOUIl€VOI Trap' ' A911vaiwv €l� TOU I€pou T�V cpp o updv die Insel b evölkerten - natürlich keine Garnison, die in der Kaiserzeit sinnlos wäre, sondern die Beamten und eventuell ein paar Polizisten, Roussel, Delos Col. Athen. 336. Wenn im ersten Jahrhundert sich jemand ÄrlAIO� nennt wie Roussel, Cultes 1 5 ; Delos Col. Athen. 18 1, ist das kein alter Delier, sondern ein Kleruch oder ein Fremder, der von der Ordnung von 167 natürlich nichts mehr weiß und nur seinen Wohnsitz angeben will.
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§ 16. Ü ber zwei gerade die entgegengesetzten Typen dar stellende Kolonien haben wir Urkunden. In dem Dekret über das nach Plut. Per. 23 nur z. T. evakuierte Chalkis (IG I 2 39, 4 ff.) wird dem Volk von Athen ausdrücklich das Recht vorbehalten, auch über den bei der ersten Anlage der Kolonie nicht benötigten Boden eventuell später zu verfügen, Athen sagt nur unter be stimmten Voraussetzungen zu, von diesem Rechte keinen Gebrauch zu machen, es liegt eine völlig freiwillige Selbstbescheid img auf der einen, echter Bittbesitz auf der anderen Seite vor. Die eingeborenen Chalkidier stehen als Einwohner der Kolonie im übrigen wie Metoiken, der athenischen Justiz indivi,duell unter stellt usw. (Nachr. a. a. O. 1 64 f.), sie haben, indem sie wohnen bleiben dürfen, sozusagen �"fKTllcrl�, aber doch nur sozusagen, sie haben nur Bittbesitz, über dem das Enteignungsrecht des athe nischen Staates steht, deutlich ein anderes Recht als im Mutter lande 1). Auf der anderen Seite wird IG I 2 40 für Hestiaia der Fall vorgesehen, daß jemand in der neuen Kolonie um seinen Land besitz kämpft. Die Instanzen werden vorgeschrieben, die dabei zu entscheiden haben. Als Mittel, sich zu behaupten, wird dem betreffenden Mann anheimgegeben, den "ihn Vertreibenden " durch Abtretung von Vieh zu besänftigen. Gelingt ihm dies nicht, muß er weichen. Daneben steht der Appell an den Rat der Kolonie offen, d. h. nicht der Rechtsweg. Leute, denen dieser versagt wird, sind natürlich nicht die athenischen Kolonisten, sondern die be drohten Eingeborenen 2) . Die Regelung war so, daß grundsätzlich jeder Hestiaier seinen Grundbesitz zu räumen hatte und, soweit Bedarf bestand, jedes Grundstück einem als Kleruchen an1) Vielleicht ist der o. S. 33 genannte Fall D emosth. XX 115 eine solche nachträgliche Enteignung. 2) So nimmt auch das Corpus an, mit Recht trotz Cary, Journ. Hell. Stud. 1925, 248.
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gemeldeten Athener als K��POc,; zugewiesen werden mußte. Der Rat der Kolonie konnte, wenn kein Bedarf war, im Einzelfall ein solches unokkupiert, d. h. in der alten Hand lassen, der ein gewiesene athenische Kolonist von sich aus verzichten und sich vOn dem betreffenden Eingeborenen auszahlen lassen, aber das rechtliche, das gerichtlichen Schutz genießende Eigentum des letzteren am Grund und Boden, war erloschen. Ganz logisch : Hestiaia ist athenisches Bürgergebiet geworden, auf ihm ist grund sätzlich nur für Bürger Bodeneigentum möglich, durch persönliche Vergünstigung kann es einzelnen Nichtbürgern zugebilligt werden. Ein Akt der athenischen Legislative bestimmt, ob und wann eine solChe Vergünstigung als vorliegend anzusehen ist. Die Bewilligung ist hier liberaler als im Mutterland, wenn der lokale Rat oder gar der Verzicht. des einzelnen Kleruchen dem Bedrohten dauerndes Bodeneigentum sichern. Die Analogie von Chalkis legt nahe zu vermuten, daß der so dem Eingeborenen gebliebene Boden lediglich Bittbesitz war und Athen ihn grundsätzlich stets praktisch bei einem Nachschub von Kolonisten noch enteignen konnte. Andererseits rückt der Vorgang dadurch, daß der Ein geborene durch Hergabe von Geldeswert den Kolonisten ab gefunden hat, in ein anderes Feld gegenüber der Regelung in Chalkis. Der Erhaltungszustand der Inschrift über Hestiaia ge stattet keine sichere Antwort, nur ein Ü berblick über das Gesamt material kann sie geben : u. S. 40. Praktisch hat das Verfahren in Hestiaia dahin geführt, daß die Eingeborenen so gut wie restlos weichen mußten 1). Aber selbst hier gab es eine lokale Ausnahme : IG I 2 41, 17 ff. sind eine Unterabteilung der Kolonie die 'E��wmol lv 'E��wrr\c;t, also keine Kolonisten, sondern Eingeborene, die als dauernd seßhaft gedacht werden, aber nicht neben der Kolonie ein eigenes Terri1) VgL die literarischen Quellen
o.
S. 34 a.
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torium bilden 1). Offensichtlich ist ihre Rechtsstellung die der großen Masse der Chalkidier von IG I 2 39 : Athen als Staat könnte sie vertreiben, gewährt ihnen aber korporativ den Bitt besitz an ihrem Boden und verzichtet auf Einweisung von Kle ruchen in diese eine Dorfmark ; was in Chalkis die Regel war, ist hier eine lokale Ausnahme 2). Umgekehrt ist das Recht des athenischen Kolonisten, auf seinen Anteil zu verzichten, i. J. 427 in Lesbos die Norm geworden, die literarischen Quellen 3) berichten, daß die Eingewiesenen ihre Grundstücke nicht selbst bewirtschafteten, sondern an Ein heimische, in der Praxis die alten Eigentümer, verpachteten und die Rente in Athen verzehrten. Das ist keine abweichende Rechts ordnung, sondern eine Folge der Zeitverhältnisse, die es einem Athener im wehrfähigen Alter so gut wie unmöglich machten, sich der Einrichtung eines Betriebes über See zu widmen. Und genau wie vielleicht gelegentlich in Hestiaia ist es in Mytilene, Eresos usw. öfters vorgekommen, daß Kolonisten ihren Anteil nicht gegen eine Pachtrente, sondern gegen eine einmalige Ab fi ndung einem Eingeborenen überließen, sogar ehe die endgültige Assignation formell erfolgt war. Es gibt nämlich nach Antip h. V 77 Mytilenaier, die allEICl OiKEIV hatten, und da keine partielle Evakuierung wie bei den Hippoboten in Chalkis, sondern eine solche "der Mytilenaier" usw. erfolgte 4), bietet sich die Analogie von Hestiaia zur Erklärung von selbst. Von diesen Leuten ist IG I 2 60 die Rede. Das Corpus ergänzt zwar, daß die betreffenden Mytilenaier den Boden, auf d en der Kleruch verzicht et hatte, 1) Die Justizverfassung von Hestiaia wird auch auf Ellopia erstreckt. 2) Vermutlich galten für die Ellopier die gleichen Voraussetzungen wie in Chalkis (I � 39, 4 ff. 21 ff.) : Eidesleistung, Treue gegen Athen usw. 3) Nachr. Gött. Ges. 1931, 172 9• 4) Thukyd. III 50,2 : nur Methymna wird geschont, nicht Teile der anderen Gemeinden.
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eiri zweites Mal abtreten mußten 1) . Das ist nach dem Parallel fall von Hestiaia sicher falsch und erledigt sich schon dadurch, daß das Psephisma auf Kosten der Mytilenaier aufgeschrieben und mit einem Verzeichnis der von der Bestimmung betroffenen Personen und Landstlicke versehen wird. Dies ist genau wie in dem Dekret über Chalkis, das auf Kosten der Chalkidier in Stein gehauen wird, weil es Garantien für sie enthält, an deren öffent licher Zugänglichkeit sie und nicht die Athener Interesse hatten. Auch das Dekret IG I 2 60 muß Garantien für die betreffendEm Mytilenaier enthalten haben, keine Verpflichtungen, eben die dbEla oiKElv, von der Antiphon spricht 2). . § 17. Es gibt also in allen athenischen Kolonien nur e m Bodenrecht : der ganze Boden gehört Athen, politisch und als zivilrechtlichem Eigentiimer. Es hat das Recht und im Prinzip die Absicht, jedes Grundstück einem athenischen Bürger oder einem vom athenischen Staat anerkannten Gott oder einer athe nischen juristischen Person zuzuweisen. Fallweise verzichtet ' Athen darauf in der Form, daß es unter bestimmten allein vom athenischen Volk festzusetzenden Bedingungen einen weiteren Besitz Einheimischer an bestimmten Grundstücken gestattet, fallweise in der Form, daß es dem Verzicht des einzelnen Kle ruchen auf seinen KXilpoc; gegen eine Rente oder Abfindung seitens des bisherigen Eigentümers Rechtskraft verleiht. In dem ersteren Fall entsteht aber sicher lediglich Bittbesitz des Eingeborenen, kein Eigentum, nicht �l1
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in der Frühzeit zur Abhaltung der Volksversammlung 1). Der Staat regelt das Aufschlagen von Buden auf ihm2), die Sauber haltung der Straßen und die Freihaltung der Passage 3). Wer sein Grundstück auf Kosten der Straße ausdehnen will, muß die Fläche vom Staat kaufen 4), letzterer ist also privatrechtlicher Eigentümer. Er nimmt denn auch die Straßen und Plätze der Haupts tadt ständig in Anspruch, für seine Feste und Prozessionen, gelegentlich für Truppenrevuen (Xen. Hell. II 3, 20), zur Auf stellung von Listen u. a. auf Stein 5), von Statuen und Stelen 6), genau wie das Innere staatlicher Gebäude 7). Staatliche Gesetze sperren einzelne Stellen auf jenen für Statuen 8 ). 1) Der Ostrakismos setzt die Agora als Ort der Handlung voraus : Plut. Arist. 7 ; Philoch. fr. 79 b ; Etym. Magn. s. lEoO'TPCXKlO'/.IOC; ; Schol. Demosth. ed. Diels-Schubart B 29 tf. ; Berl. Klass. Texte I 82 Didym. ed. bibI. Teubn. S. 47 ; Schol. Aristoph. Ritt. 855 ; vgl. die Fundplätze der erhaltenen Ost raka IG , I 2 283 ; Amer. J ourn. Arch. 1932, 391. Der Zustand lebt fort in festen Wendungen : es ist Gesetz aljlEubetv KCXTd T�V aropdv (Demosth. XX 9 ; Hyper. V 14 u. ö.). Das ist nur die Pflicht des Redners in der Ek klesie nach bestem Wissen und Gewissen das B este zu sagen, die D emosth. XX 100. 135 ; IL 67 ; Dein I 47 ; II 16 ; III 4 u. Ö. erwähnt wird, kein Gesetz, das dem Händler auf dem Markt das Betrügen verbot und in der Neben straße gestattete. Ferner sind bestimmte Angeklag'te und IiT1/.lOl von der 4ropd ausgeschlossen : Aristot. 57, 4; [Lys.l VI 24 ; Andok. I 76 ; Aischin. III 175 f. ; Demosth. XXIV 60. 1 03. 126 ; Suid. s. lvbElEIC; U. Ö. Das ist der Aus schluß aus der Ekklesie, kein Gesetz, den Käse in der Nachbarstraße aber JClicht am Marktplatz zu kaufen. Das Gesetz Aischin. I 21, das einen Teil qer aropd für �TCXIP'1KOTec; sperrt, ist Scholiastenphantasie. 2) Demosth. LV 31 f. ; LVII 31 f. 34 : Ausschluß von Ausländern und Platz gebühr. " 3) Aristot. 50, 2 ; vgl. [Xen.] ' Aaf]v. lfO).. 3, 4 ; Plat. Alkib. I 107 Be. ' ,4) Unter den Tyrannen [Aristot.] Oik.II 2, 4, anekdotisch, aber von Polyain. 1:0: 9, 30 für das 4. Jhdt. bestätigt. Vgl die Abtretung eines Teiles des Marktes an einen Gott durch das Volk Herod. V 89 . 5 ) Der KcxTd1.oroc; der Wehrpflichtigen ist bekannt, sonstige ListenIsaios V38. 6) Den Markt : Dein. I 43 ; IG II 2 125, 1 7 ; 653 ; 654, 53 tf. ; 665 ; 676, 31 ; 1382, 80 tf. j 766, 12 tf. j 791, 22 f. j 900 usw. Plätze vor Amtsgebäuden, also ,einen Platz oder eine Straße IG II 2 127, 10 f. ; 140, 31 ; 298 ; 487 ; 500, 36 ; 689, 26 ; 690 usw. Im Hafenbezirk IG II 2 125 , 17 f. '�7) IG J2 27; 63 , 23 ; 65, 24 ; 76, 48 ; 85, 6 ; H2 478, 29 f.; 674; 790 ; 848 ; 890 ; 899 usw. 8) Der Platz bei den Statuen der Tyrannenmörder : [Plut.] X Redn. 852 E ; =
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46 All dies gilt aber nur für das äO'TU und den Peiraieus, z. T. nur für ersteres. Die UO'TUVO}.lOl wirken nur in ihm, die uropa VOflO1 in beiden, demgemäß werden nur auf diesen beiden Märk ten von Staats wegen die Gewichte der Händler geprüft 1). Im äO'TU sind die Straßen also im wesentlichen Staatseigentum, aber auch nicht einmal alle, der Demos Skambonidai hat einen von ihm selbst verwalteten Marktplatz (IG I 2 188, 9), im Peiraieus sind der Markt und sichel' einige Straßen staatlich 2), aber auch nicht alle, da IG II 2 2623 für einen Platz das Eigentum des Demos Peiraieus feststeht und IG I 2 891 - vgl. Amer. Journ. Arch. a. a. O. - ein b11l.lOO'lOV 7'L"porruXov abgegrenzt wird, das natürlich zu einem staatlichen Gebäude gehört und von die sem nicht in ein Privatgrundstück, sondern auf einen Weg führt, und da ferner a. a. O. 892 ebenfalls bn/.loO'1a Grundstücke IG II 9 450 ; 966, 20 u. ö., zeitweise der bei den Bildern der aWTilpe� von 307/06 : IG II 9 646, ein dritter solcher Liv. XXXI 44, 5. Vg-I. die Wendung, daß eine Statue errichtet werden soll, wo es statthaft ist (IG II 9 977 j 1006, 47 ff. ; 1008, 70 ff. ; 1011, 49ff. 72) oder wo die VO/-lOI es nicht verbieten (lO08, 62 ; 1039, 39. 64). Ähnlich in der literarischen Überlieferung Aischin. III 183 ; D emosth. XIX 272 j XX 36 j XXVI 23. Später hat der Rat Vollmacht, die Aufstellung von Stelen zu genehmigen : IG II � 1012 ; 1042 d 14 f.; 1043, 43 ff. 68 ff. j 1048 ff. j 1070. Die eüEhJvQl bei den Eponymen (Aristot. 48, 4) sowie die Aufstellung von Entwürfen für Gesetze u. a. Kundmachungen bei diesen (Dem osth. XX Hyp. II 5 ; XXI 104 j XXIV 18. 23. 25 j Aischin. III 39) können noch in den Bereich des �OUX€UTtiPlov fallen. Die Versteigerung der TEXll am Markt (Plut. Alkib. 5) und die Gerichtssitzung daselbst (Antiph. V 10) meinen natürlich nur ßouXeuTtiplov und Heliaia. Daß es besonders schlimm sei, w enn die Dreißig a�f offenem Markt Verhaftungen vornehmen (Demosth. XXII 52 i XXIV 163 f.), ist Redensart. Wenn ein Privatmann den Markt schmückt, ist das seine Sache (Plut. Kim. 13 j praec. r. p. ger. 813 D). Die "Vertreibung" der Händler und Käufer vom Markt Demosth. X VIII 169 ist keine solch e , sondern ein Alarmruf, alles solle zur Ekklesie eilen. 1) Aristot.51, 1 f. In späthellenistischer Zei t ist in Eleusis eine weitere Stelle mit öffentlich ausgestellten Normalmaßen geschaffen worden (IG IP 1013) : im lepov und sicher in erster Linie den Bedürfnissen der 1ravliyupl� dienend. 2) IG II 9 380 ; Amer. Journ. Arch. 1932, 254 ff. j Plat. Ep. VII 324 C.
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von einem Wege anfangen, jedoch ist hier möglich, daß der be treffende Weg auch staatlic·h war 1). § 20. Außerhalb der Hauptstadt und des Peiraieus hat es in gewissem Umfange Staatsstraßen gegeben. Freilich wenn die Tyrannen Hermen als Meilensteine errichten (Plat. Hipp. 228 D), von denen wir IG 1 2 837 ein Beispiel haben, setzt das keine Staatsstraßen voraus, da die Tyrannen formell keine Funktionäre des Staates sind : wenn der Weg einem n"orfe gehörte, freute sich auch dieses über den Schmuck. Der bpoIlOe;, den ein Archon des 6. Jhdts. IG I 2 817 dem Volke stiftet, liegt in Eleusis, ist also rechtlich lEpOV. sicher ein . gepflasterter Weg im Heiligtum, . Die {Epa 6bOe; vom ä
3) 1582, 60. 63 ft'. 75 ft'. ' 4) 1582, 5 1 ft'. 123 ft'. 129 ft'. j 1583, 4 ft'; 21 ft'. j 1586, 15 ft'. j 1587, 17ft'. j 1588,4 ft'. 9 ft'. 13 ft'. Ebenso in der Stele IG 11 a 2636. 5) 1582, 19 ft'. 23ft'. 45 ft'. 85 ft'. 92 ft'. 99 ft'. 106 ft'. 1 1 2 ft'. 1 1 7 ft'. 135 ft'. 1 5 1 ft'. ; ] 584, 1 ft'. 9 ft'. j 1585, 7 ft'. 15 ft'. j 1587, 20 ft'. 6) 1586, 1 ft'. 7 ft'. j 1587, 4 ft'. 7) 1682, 12 ft'. 8) Sie betreffen rein technische Dinge der Form der ganzen Anlage j vgl. Oikonomos, Ath. Mitt. 1910, 313 f.
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legende Minen sein, die . Regelung hat in beiden Fällen Sinn 1). Der Terminus der Urkunden uvuO'aEl�lov oder nUhalOV uvuO'aEl ).lov wird von Oikonomos a. a. O. 300f. erklärt als aufgegeben und mit Schlacken und Erde gefüllt, der Zusatz nuAatov sei nur der besonderen Deutlichkeit wegen hinzugefUgt und gebe keinen abweichenden Sinn. Letzteres wird man a priori annehmen können, dagegen macht ersteres Schwierigkeiten. Der Kommen tar im Corpus zu 1582 betont, daß ein wegen Verfalls " auszu räumendes" Bergwerk nicht so heißen kann, weil das Verbum unoO'aTTEIV wäre, nicht uvuO'aTTElv. Dagegen ließe sich sagen, daß das Ausräumen des Schachtes notwendig ein "Hinauf" ' Schaffen der eingedrungenen Fremdkörper ist, ein Ausdruck mit uva also durchaus am Platze wäre 2). Ernster sind andere Dinge. Zunächst herrscht der Typ des "nUhatOV uvuO'aEl).lOV" in unseren Urkunden ziffernmäßig absolut vor, einschl. der uVaO'aE1I.w ohne nUhatOV 26 Fälle von im ganzen 31, deren Qualität überliefert oder sicher ergänzt ist. Der Zufall der Funde kann uns natürlich narren 3), aber dieser Ausweg hat schon etwas Peinliches. Unser Material zwingt uns bei der vorliegenden Interpretation von &vuO'aEl�ov anzunehmen, daß in der Mitte und gegen Ende des 4. Jhdts. 5/e der IlhuUU verfallen waren, wogegen die nopo l 4) und Strab. m 2, 9 entschieden protestieren. Entscheidend ist eine dritte Be obachtung. Die Urkunden geben den &n()lPuq>oIlEVO� der Mine und den WVTlT��, d. h. den bisherigen Inhaber und den neuen 1) Schönbauer a. a. O. 20 f. will O'UlKEXWPIJl.lfVa halten, es seien (für län gere Frist) "gewährteu Minen. Möglich, für die Wahl zwischen verfallenen und neu anzulegenden Minen hilft das auch nicht. 2) Vgl. Schönbauer a. a. O. 25. 3) Eine Kolumne von IG II 11 1582 bricht Zl. 84 in einer Liste von �P'fd011.111 ab (vgl. die Überschrift 60 ff.). 4 ) Die Schrift klagt, daß die Initiative z u Neuschürfungen fehle (4, 28 f.), aber nicht über den Verfall der bestehenden Gruben. Sie hält was existiert für die Basis eines großen künftigen Wohlstandes Athens, das ist keine zu ale tote Industrie.
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Pächter (s. u.). Wenn eme Mine bisher emen Pächter hatte, kann sie wohl im Einzelfall, wenn dieser die Lust verlor, aber doch nicht durchweg und normalerweise verfallen sein. Vor allem aber haben wir mehrere Fälle, wo der arrol'pacpoflEvoC; und der WVIl T�C; identisch sind, gerade auch bei avaO"uElfla 1). Dann hätten die bisherigen Pächter, die am besten den unbrauchbaren Zustand der Mine kennen mußten, sich darum gerissen, an diesem Ob jekt, das am Ende ihrer ersten Pachtzeit immer noch unbrauch bar war, eine zweite Pachtzeit hindurch noch einmal ihre Kraft und ihr Geld zu verpulvern. Es dürfte klar sein, daß avacruElpov nichts mit der zweiten Kategorie von Bergwerken . bei Aristoteles zu tun hat, die wegen Hemmungen für die Ar beit eine abweichende Dauer der Pachtzeit aufweist. Eine Son derstellung behalten nur die KalvoToflial (0. S. 52), die sich viel leicht mit jener zweiten aristotelischen Kategorie decken 2). Alle anderen Termini müssen Angaben über bergbautechnische Eigen schaften enthalten, genau wie KaTaTOfl� und O"UVTOIl�. Ich möchte vermutungsweise interpretieren, daß in den Urkunden lpl'uO"I1l0V Tagbau bedeutet, avaO"uElfloV einen Schacht, in dem man die gefundenen Erze hinaufschaffen muß. Dann wäre man im 4. Jhdt. z. T. zum Tagbau übergegangen, es gab alte Schächte, z. T. auch noch neue solche 3), endlich Tagbau-Parzellen, die keinen solchen Zusatz brauchten 4 ) . 1) 1582, 85 W. 92 W. 99 W. 106 W. 112 W. 117 W. 123 W. i 1587, 17 W. ; 1588, 4 W. 9 W. 13 W. , vermutlich auch 1 W. Das sind 12 Fälle von im Ganzen 17, wo wir bei avaodEllla beide Namen haben. 2) Sie werden in so zerstörten Inschriften erwähnt, daß kein Urteil möglich ist, ob sie eine abweichende Pachtdauer b esaßen. 3) Damit b ekommt die Unterscheidung avaodEI�IOV und 1T aAmov avaod EIIlOV Sinn. 4) KaTaTollli ein "Abstich nach unten" , wäre dann wohl ein begonnener Tag bau, OUVTOIlTJ etwa ein (wagerechter ?) Schacht, der von der Eintiefung des Tagbaus aus in das Gestein hineinführte. Die bisherige Interpretation ist dann dadurch irregeführt worden, daß Aristoteles das Wort ipydOl�lOv im Sinn der Umgangssprache gebrauchte, nicht im technischen Sinn des
55 Nun zu den Personen in den Urkunden. Bei jedem j..I ETCXAAOV steht der wvrlT�C; mit dem Preis am Schluß 1). Am Anfang ste ht eine Person, von der gesagt wird, daß sie die Mine & mypa lVaTO. In vielen Fällen sind, wie gesagt, a:rr O ypaO/lEVOC; ist vielmehr ganz deutlich der bisherige Inhaber der Pacht, dessen Frist abläuft und der, da er für etwa vorgekommenen Raubbau im Betriebe verantwortlich ist (0. S. 19), natürlich für die laufende Periode gebucht wird. Er weicht einem neuen WVI1T�C; oder er erneuert in den Fällen, wo arroypa q>O/lEVOC; und WVI1T�C; identisch sind, seine Pacht für eine neue Periode, nach Aristoteles drei Jahre I). Mit dieser Feststellung ist zugleich IG II 2 1582 datiert. Wir lernen Zl. 60 ft'. , daß die z. Zeit neu zu vergebenden Bergwerke von den bisherigen In habern angemeldet, d. h. wieder zur Verfügung gestellt werden auf Grund der Liste von 349/8. Die zu Ende gehende Pachtfrist hitt also 349/8 begonnen, es beginnt die neue, nach Aristoteles drei Jahre später, wir sind also mit IG II 2 1582 im Jahr 346/5. Nur noch eine letzte Stelle der genannten Urkunde bedarf einer weiteren Interpretation. Das Bergwerk von 1582, 75 ft'. hat eine Sonderstellung oder richtiger dieses und mindestens das folgende Zl. 83 ft'. , da es die abweichende Datierung der zitierten 1) Schön bauer 23 f. sagt, daß wir uns nicht vorstellen dürfen, daß nach je drei Jahren n otwendig der Pächter wechselte. Es bedarf aber keiner Vorstellung, sondern wir lernen au� den Urkunden, daß das in etwa der Hälfte der Fälle geschah. Ein Gesetz, daß nur wer den B etrieb geschädigt hatte weichen mußte, ist natürlich unmöglich ; bot nach Ablauf der Pacht frist ein Konkurrent mehr als der alte Inhaber, bekam er selbstverständlich den Zuschlag. Ob damit die Lust zu Verbesserungen des B etriebes litt, wie Schönbauer 24: einwendet, wird dem athenischen Staat sehr gleich gültig gewesen sein. Daß die ganze Regelung die Initiative der Pächter nicht förderte, sagen die 'lfOPOI ohnehin (0. S. 20). Die Ptolemaier, die sehr viel kaufmännischer dachten als die Athener, haben bei der Verpachtung ihrer Domänen j edenfalls keinen Anstoß daran genommen, daß die kurzen Pachtfristen und die Gefahr, aus dem Betrieb herausgesteigert zu werden , die Initiative lähmten.
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Stelle mit dem vorangehenden teilt - da die Inschrift unmittel bar danach abbricht, ist nicht zu sagen, ob nicht noch mehr ana loge Fälle zu dieser Gruppe gehörten. Hier heißt es nicht, daß jemand uTt'E"fpaljJaTO TO f..lha��ov, sondern es steht da dO'�VEYKE. Außerdem wird das Bergwerk nicht nur als lpyaO'If..lo v, sondern daneben als ElpyaO'f..lEvov bezeichnet, endlich der E\O'qJEPWV, ein I,y sanias, unterschieden von einem Antixenos, von dem etwa da gestanden haben muß, daß er die Mine hatte : (f..lhanov) ö E1XEv 'AVTiEEVO� ergänzt das Corpus mit Fragezeichen. Oikonomos 315 f. sieht in dem E\O'qJEPUV irgendeinen technischen Ausdruck der Bergwerkssprache, das Corpus zweifelt, was der Sah bedeuten , soll, Schönbauer 2 l f . denkt an eine Versteigerung während des Abbaus, also eine nachträgliche Änderung des Inhabers. Die Er klärung gibt uns jetzt die Inschrift selbst. Alle anderen JlETana werden, wie gesagt, neu versteigert, auf Grund der Liste von 349/8 also im Jahre 346/5. Dieses Bergwerk, das in jeder Silbe des Textes Besonderheiten hat, wird nun ausdrücklich zitiert als aus der Liste von 348/7 stammend. Es handelt sich um ein sol ches, dessen Pachtfrist noch nicht abgelaufen ist ; daher erstens die Konstatierung, daß es E\PYaO'f..lEvOV ist : die vom Pächter an gestellten Sklaven sind natürlich in Tätigkeit, haben nicht wie bei Ablauf der Pachtfrist selbstverständlich die Arbeit eingestellt und ihren Ranzen geschnürt. Daher zweitens das dbweichende Verbum für den rechtlichen Akt des Lysanias. 'ArroypaqJE0'9al heißt ein Bergwerk nach Ablauf der Frist ordnungsgemäß bei dem Staat anmelden und es zur Neuvei'pachtung zur Verfügung stellen. Das hat Lysanias nicht getan, sondern die Mine ein Jahr früher, als die Frist ablief, dem Staat abgegeben, E1O'�vEYKE genau wie dO'qJopa: die Abgabe von Werten an den staatlichen Fiskus. Zur nä.heren Beurteilung des Falles hilft der Umstand, daß der E\O'qJEpwV zugleich der neue WV'1T�'. 1, 1 0 ; Aischin. I 1 1 4 ; Harp. s. /-IETOIK10V, 01TOOTacJ{OU biKI). PoIl. VIII 91 ; vgl. lsaios fr. 11 und u. § 92 a. A. Suid. s. EI� Kuv6aap'fE� verwechselt V0901 und �UfTOIK01. 2) Demosth. XXXVI Hyp. 1. Eine Einschränkung ist die Bestimmung, daß der Neubürger und sein mit ihm in die Bürgerschaft aufgenommener Sohn bestimmte Ä mter nicht. bekleiden dürfen, sondern erst der Sohn des Neubürgers, der aus einer nach Verleihung des Bürgerrechts mit einer Athenerin geschlossenen Ehe stammt, [Demosth.] LIX 92. Das ist aber keine Frage der Erstreckung des Bürgerrechts, sondern der Beamtenqualifikation. Auch Altbürger haben diese formell nicht ohne weiteres (0. S. 59 f.). 3) Plut. Sol. 20 zitiert ein Gesetz, wonach die }'rau des Impotenten von dessen nächstem Verwandten geschwängert werden soll. Also geradezu eine Forderung der unehelichen Geburt in einem Einzelfall. 4) A. o. O. Hyp. H. ; 2. 4 f. 1 8 ft'. 29 ft'. u. ö. Er führt von Stund an seinen vollen bürgerlichen Namen : a. a. 0. 7. 37.
67 LIX 58ft'. 63 das Bürgerrecht einem Unehelichen verweigert, aber nicht, weil er unehelich geboren ist, sondern weil der Vater nicht beschwören kann oder will, daß die verstorbene Mutter Athe nerin war. Isaios VI 2 1 ft'. werden bei der Aufnahme in die Phratrie Schwierigkeiten gemacht, aber auch nicht weil der betr. Junge unehelicher Geburt ist, sondern weil man · an der Vaterschaft des ihn präsentierenden Bürgers Zweifel hegt. Ebenso stößt sich ein Bürger Isaios II! 55 an der von dem künftigen Schwiegervater oft'en zugegebenen unehelichen Geburt der Braut nicht im mindesten ; es steht fest, daß ihre Mutter Athenerin war, und die Unehelichkeit der Geburt der Braut berührt die Stellung der zu begründenden Familie gar nicht. Dem entspricht endlich der Ausdruck Aristot. 42, 1, wo für die Einführung in die bruuhat, die der in die Phratrie folgt, die Fälle unterschieden werden, daß alles in Ordnung ist, daß der Reflektant Il� l�EU9EP0C;; ist, also der Sohn einer Sklavin 1), und daß er nicht l€ lOVE KUTU TOUC;; VOIlOUC;;. Letzteres meint die bürgerliche, nicht die eheliche Abkunft, weil sonst bei der ganzen Fragestellung das perikleische Bürgergesetz ignoriert würde. Käme es inner halb der Möglichkeiten bürgerlicher Geburt noch auf ehelich und unehelich an, müßte ein dritter Faktor des Ausschlusses aus dem Bürgerrecht genannt werden. .
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Daß gleichwohl bei der Frage nach dem Vorhandensein des Bürgerrechts die Ehelichkeit des betr. Sohnes gern betont wird, ist begreiflich. Der Weg ersparte den viel umständlicheren 1) Das ist der typische Fall : freie Ausländerinnen mußten bei den engen Verhältnissen der Zeit auffallen, und ihre Söhne einzuschmuggeln war schwerer. - Wenn Demosth. XXII 61 das Bürgerrecht bestritten wird, weil die Mutter lI'Opvy\ sei, ist rechtlich bedeutsam nur die Tatsache, daß solche lI'Opvat erfahrungsgemäß Sklavinnen und Fremde zu sein pflegen. Endlich sei hier das Gesetz erwähnt, daß der Totschlag des f.101XO� bei einer Mätresse, die man �11' EAEUaEpO\� 1I'auJiv hat, wie der bei der Gattin behandelt wird, auch dies ein Zeichen, wie wenig die Ehe als solche in der athenischen Rechtssphäre b edeutet (Demosth. XXIII 53).
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Nachweis, daß die unehelich und nur vorubergehend verbundenen Eltern beide Athener waren und daß das Kind gerade aus dieser Verbindung und keiner anderen stammte. Wenn ein normaler Eheschluß der Eltern vorlag, waren praktisch alle Garantien gegeben, es sei denn der Gegner behauptete, die Ehe sei durch die Vorspiegelung des BUrgerrechts der einen Partei von dieser erschlichen worden. So verfährt der Beweis Isaios XII 2 f. 7. 9. Daran ändert es auch nichts, daß in manchen Fällen 1) bei der EinfUhrung in die Phratrie nach der Ehelichkeit des Sohnes gefragt wird. Hier handelt es sich um die Gesetze der einzelnen Phratrien als Selbstverwaltungskörper. Diese hatten verschieden scharfe Zulassungsbedingungen, manche ließen Neuburger zu, andere nicht 2) ; manche forderten eheliche Geburt 3), manche ließen uneheliche, aber zweifelsfrei athenische Söhne zu, wandten also einfach das perikleische Bürgerschaftsgesetz an (Demosth. XXXIX 18 ff.) 4). Die Frage, ob ehelich oder unehelich, ist wichtig nur fUr das Erbrecht, bzw. das Recht des aTXlcrTEu� gegenUber der Erbtochter ; so bei Solon 5), so in dem Gesetz von 403/2 6). Hier gilt der Unter schied von '(V�crlO� und v6eo�, ein Erbrecht des letzteren ist bei dem Vorhandensein ehelicher Kinder nach Solons Gesetz und noch am Ende des 5. Jhdts. nicht vorhanden 7), im 4. Jhdt. 1) Isaios VII 16f. j VIII 19. 2) Vgl. u. § 32. Bei Bürgerrechtsverleihungen darf der Neubürger in eine der Phratrien eintreten, deren VO/olOI dies gestatten. 3) IG II 2 1237, 108 ff. j vgl. Aristoph. VBg. �669 m. Schol. 4) Eine genaue Kontrolle der Herkunft durch die q>pdTOPE� findet in allen zitierten Fällen statt, da sie als Unterabteilung der Bürgerschaft jeder Bürger muß einer Phratrie angehören - die Verantwortung für die Reinerhaltung der Bürgerliste tragen. NOSOI i n den Phratrien werden Ari stoph. Vög. 1667 ff. vorausgesetzt. 5) D emosth. XX 102 j XLVI 14. 1 6 ; vg1. Aristoph. Vög. 1661 ff. m. Schol. 1653. 6) D emosth. XLIII 51 ; Isaios VI 47. 7) Aristoph. Vögel 1649 ff. 1655 f. 1661 ff. Dies Recht mag durch die Gesetz gebung von 403/2 reformiert worden sein.
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auf bestimmte Höchstsätze beschränkt 1). Nur erbrechtliche Be deutung, keine politische, hat auch die Verstoßung des Sohnes durch den- Vater : Themistokles' Verstoßung hat seine BUrgerqualitäten nicht berUhrt 2). Sehr bezeichnend ist endlich der Umstand, daß es offenbar gleichgUltig ist, aus welcher Ehe einer Athenerin ein Kind stammt, wenn nur beide Ehen mit Athenern abgeschlossen waren. Es gibt nämlich keine Kautelen gegen die perturbatio sangui nis : die Frau kann am Tage der Scheidung zu einem anderen Mann Ubersiedeln 3). Wenn sie schwanger ist, kann sie das dem Archon melden und damit eme neue lybo(Tllii durch ihre Ver wandten hinausschieben 4), aber kein Gesetz hält die b eiden Ehen zeitlich auseinander. § 27. Der Engherzigkeit der athenischen BUrgerrechtspolitik der - klassischen Zeit entspricht es, daß das Wort Epigamie 1) Der Höchstsatz hat offenbar gewechselt: 1000 Dr. bei Harp. Suid. Phot. s. vo6€'ia ; Beck. An. I 282, 500 Dr. bei Suidas s. iltiKAT1PO� ; Schol. Aristoph. Vögel 1656. Dieses Erbrecht wird oft berührt. Zur formellen Ehe gehören bestimmte Zeremonien, die auf Solon zurückgeführt werden (Herod. V 130 ; Lys. X 17 ; Plut. coniug. praec. 138 D ; Plat. Krit. 50 D ; v6�. V I 774 E ; vgl. [Demosth.] XLVI 1 8 ) und deren Vollziehung i m Einzelfall bei Erbschaftsprozessen von den Rednern oft behauptet oder bestritten wird, namentlich die feierliche llboal� der Frau durch den Vater, Bruder, Vor mund usw. : D emosth. XXXVI 32 ; XL 19; XLIV 49 ; XLV 5 5 ; LVII 41 ; LIX 114. 122 ; Hyper. II 5 ; V 16 ; Isaios ! 39 ; II 1. 3 ff. ; 1lI Hypoth. ; 2 ff. 9. 14. 41. 78 u. ö. ; VIII 8. 29. Andere Zeremonien im gleichen Zusammen hang erwähnt Isaios III 76. 7 9 ; VIII 18. 20. Sonstige Anspielungen auf das Erbrecht, den Stand des lv"alo� bzw. den des mangels Vorhandenseins von yv"alol rite Adoptierten (E!altOlI]T6�) z. B. Demosth. XLIV 7. 67; XLVI 14. 24 ; Hyper. fr; 56 ; Lys. I 33 ; Isaios VI Hypoth. ; Pap. Hib. I 14, 6 ff. [Demosth.} XLVI 15 jongliert mit den Begriffen ltOl11T6�, Neubürger, und daltOII]T6�. Adoptivsohn ; Aristoph. a. a. 0. 1649 bringt den v690� mit dem Sohn der tlv'l durcheinander, bei dem Dichter verzeihlicher als bei dem Rechtsanwalt. 2) Bzw., wenn man die Verstoßung als anekdotisch verwirft : man konnte sich vorstellen, daß jemand dltOKI1PuX6E1C; und doch Bürger war. Die Quellen : Plut. Themist. 2 ; Nep. Themist. 1, 2 j Ael. var. hist. n 12; Pap. Oxyrh. XIII 1608, 37. 3) Vgl. Demosth. XXX 33 ; XLI 4 ; Isaios II 8 f. 4) Demosth. XLIII 75 ; vgl. Aristot. 56, 6 f.
70 keinen Raum in ihr hat. Sicher überliefert ist eine solche nur einmal : Diod. XV 46, 6 für die i. J. 373 nach Athen geflüchteten Plataier. Deren Töchter würden also für unsere Frage als Athe nerinnen rechnen. Die Epigamie für die gleichen Plataier 427 Isokr. XIV Hyp . ; 51 ist eine durch den Vorgang von 373 ver anlaßte Verwechselung, i. J. 427 erhielten die Plataier das Bürger recht 1). Dies ist wohl zugleich die Erklärung des Sonderfalles : die betr. Familien waren einmal athenisch gewesen ; wenn man sich 373 scheute, den alten Rechtszustand zu erneuern, wo man keinen leeren Raum in Kolonien hatte und sie als Konkurrenten bei der Futterkrippe in Athen selbst hätte behalten mUssen, so zog man aus den alten Rechten der Zugewanderten wenigstens eine teilweise Konsequenz. Die Epigamie der Thebaner im Jahr 339/8 in dem gefälschten Psephisma Demosth. XVIII 187 er ledigt sich schon dadurch, daß es damals keinen Staat Theben , sondern nur einen solchen Boiotien gibt. Wir werden mit Sicher heit die Behauptung Lys. XXXIV 3 von der Epigamie der Eu boier im 5. Jhdt. und die moderne Ergänzung des Wortes Epi gamie in der Ehrung der Metoiken von 403 2) verwerfen können 8). 1) [Demosth.] LIX 104 ft'. j Lys. XXIII 2. 3 j Isokr. XII 94. Matthieu. Rev. Etud. Gr. 1 927, 69 ft'. b estreitet das Bürgerrecht von 427, m. E. zu Unrecht. Die Plataier sind in Skione und Torone angesiedelt worden, nicht in Attika, aber das sind athenische Kolonien und in ihnen werden nur athenische Bürger in KAf}pO\ eingewiesen (0. S. 32 ; vgl. zu dem Fall Nachr. Gött. Ges. 1931, 173). 2) IG 11 t 10 bei Wilhelm, Suppl. Ep. Gr. III 70. 3) Einige weitere in unsere Materie eben noch hineinreichende Bestim mungen des Eherechts seien hier berührt : das aUVOiKE1V eines Fremden mit einer Athenerin ([Demosth.] LIX 16 f . ; vgl. [Plat.] Eryx. 396 E) meint ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau, junge Mädchen bekommt der Fremde im Athen des 5. und 4. Jhdts. nicht zu sehen. Es wird als straf bar bezeichnet, sehr begreiflich, die rein bürgerliche Herkunft von Kindern der betr. Frau wurde unsicher. Aus dem gleichen Grunde ist die Wieder herstellung der Ehe durch den Mann nach entdeckter und verziehener Un treue verboten, [Demosth.] LIX 87. Die Anekdote Diog. Laert. 11 26 betr. erlaubte Vielweiberei ist albern j vgl. Athen. XIII 555 D. 556 A.
71 Zum Schluß sei bemerkt, daß, wenn wir hier ständig mit dem Begriff der A thenerin operieren mußten, ein Bürgerrech t von Frauen im technischen Sinn natürlich nicht besteht : ihre zivil rechtliche Handlungsfähigkeit ist gesetzlich beschränkt wie die der Minderjährigen 1), sie tragen auch kein Demotikon, wie die In schriften allenthalben lehren, vgL Aristot. 55, 3. Näheres über die Stellung der Frau im athenischen öffentlichen Recht s. u. § 89 ff. b) Erwachen des Bürgerrechfs, Verleihung, Verlusf. § 28. Das athenische Bürgerrecht erwacht in der reifen Demo kratie mit einer Abstimmung in dem einzelnen Demos, dem der betr. junge Mann angehört oder angehören will, und der ihr fol genden Eintragung in das Xl1ElapX1Kov lpa/J/Janlov. Der Akt, die öOKlpaaia, findet normal im 18. Lebensjahr statt und wird ver anlaßt durch den Vater bzw. Vormund, der den Bewerber vor stellt. Die Demoten haben sich von dem Vorhandensein dero. S. 60 ff. behandelten Qualitäten zu überzeugen und nach einem Eid mit \��UTclbEiÖ heimzurufen, keine Bürger ins Exil zu treiben, gegen die Errichtung der Tyrannis, die Einführung der Oligar� chie, gegen jede Beseitigung der Demokratie, gegen Schulden� tilgung und Landaufteilung zu stimmen. Das sind alles Ver� pflichtungen zur Abwehr bestimmter politischer Ideen des 4. Jhdts., Verjagung politischer Parteien, TiliÖ clvobaO'J.lOiÖ, XPEWV cl1TOK01Ttl. Und vor allem sind dies alles Dinge, die in keinem zivil- oder strafrechtlichen Spruchhof aktuell werden können, sondern ein� zig und allein bei Abstimmungen in der Volksversammlung. Dem entspricht auch die Terminologie : OU 'V'lq>\OUfl01 0A1TOPXiov, OU 'ltE!crOJ,lOl Mv T\iÖ lm'V'1q>i2':lJ. ' Em'V'lq>i2':Ecr901 ist technisch für das Volk, es sind keine Paranomieklagen, oder nicht nur sie 1) Diese Regeln werden natürlich in unzähligen Fällen in fast allen Ge richtsreden kurz berührt. Es lohnt nicht Zitate zu häufen. 2) D. h. nicht politische oder persönliche Freundschaft und Gegnerschaft, den Leumund, eventuelles Verhalten des Angeklagten in anderen Fällen auf sich wirken zu lassen. Rechtsgeschichtlich ist daran nur interessant, daß die Vorstrafen, die Frage der Rückfälligkeit usw. keine Rolle spielen dürfen. Zitiert auch Demosth. XLV 50 ; vgl. XXII 4 3 ; LVll 66. 3) Auch die Verpflichtung, keinen u1t€u9uvot; zum Amt des Herolds zu zulassen, gehört hierher. Die Herolde haben eine gerichtliche Dokimasie wie die Beamten (Demosth. XIX 338).
75 gemeint. Der Eid will also nebenbei - praktisch wohl in erster Linie - den Bürger bei seinen politischen Abstimmungen binden, er ist ein Bürgereid, er ist, wie Andok. IV 3 ihn ganz richtig charakterisiert, ein Eid TfK; ßouA�.; Kai TOG bfll.lO u. Seine Zeitstellung ist dadurch sicher, daß er nicht mehr eine feste Richterliste der 6000 Heliasten, sondern eben als Bürger eid den Zustand der Heliaia voraussetzt, den Aristoteles dar stellt, wo jeder Bürger an sich Heliast ist und jeden Morgen zum Richten gehen kann wenn es ihm paßt. Seine Geburts stunde ist sicher der Moment, wo die feste Liste der 6000 der aristotelischen Ordnung Platz machte, d. h. zu Beginn des 4. Jhdts. Terminus ante quem ist Andok. a. a. O. Die Zeit paßt zum Inhalt : die Wiederkehr der Vorgänge von 411 und 404 soll unmöglich gemacht werden 1). Dieser Eid wird geleistet, wenn man das Alter von 30 Jahren erreicht hat, das die Heliaia erfordert (Demosth. XXIV 150f.), ver mutlichin den Demen, da diese denPersonenbestand am besten über sehen. Die naheliegende Vermutung, daß man mit dem "Richter eid" das "Richtertäfelchen" in Empfang nimmt, ist aber un wahrlilcheinlich. Diese Täfelchen sind Pässe, die auch zum Be treten der Volksversammlung nötig sind (u. § 75), also vor dem 1) Die Echtheit des Dokumentes ist gelegentlich b estritten worden : k ein Scholiast, der Einlagen fabriziert, würde einen so die politischen Stimmungen nach 404 wiedergebenden Text zuwege bringen. Er mag ge kürzt sein, der Editor, der ihn einlegte, konnte k eine zu lange Unter brechung des den rhetorisch gebildeten Leser allein interessierenden Rednertextes brauchen, daher die scheinbare Beschränkung der Dokimasie auf geloste Beamte, was natürlich verkehrt ist, und manche andere Un klarheit. Daß § 151 andere Schwurgötter als bei der Nennung des Richter eides PoIl. VIII 122 ; Beck. An. I 443 aufgeführt werden, was Busolt 1164. 1168 moniert, ist völlig in Ordnung. Diese meinen ausdrücklich den Eid auf dem Ardettos, wo, wie Theophrast bei Harp. s Apbi)TTolö weiß, _früher ein Richtereid stattfand, d. h. nicht mehr im 4. Jhdt. Es handelt sich hier um den Eid aus der Zeit der festen Richterliste der 6000, der eben um 400 mit der Neuordnung der Heliaia verschwand und als reiner Amtseid uns hier nichts angeht. . •
76 30. Lebensjahr gebraucht wurden. Die Wirkung dieser Alters grenze war immerhin, daß nach menschlichem Ermessen in jeder Volksversammlung eine klare Mehrheit von Bürgern vorhanden war, die auf die Demokratie politisch vereidigt waren. § 30. Mit der Dokimasie, dem lnpaq>EO'Sat d� ävhpa�, beginnt die eigene Verwaltung des Vermögens 1), das etwaige Vormünder auszuliefern haben, es beginnt die Fähigkeit, Prozesse zu führen 2); es beginnen die strafrechtliche Verantwortung 3), die Leiturgie pflicht 4), die WehrpflichtS) und das Recht zur Beteiligung an der Ekklesie 6). Einen Einschnitt in . die Ordnung dieser Dinge bedeutet die Einführung der aktiven Dienstpflicht der Epheben im Frieden i. J. oder um 337, die den beiden jüngsten Jahrgängen der Bürger die zivile Handlungsfähigkeit auf bestimmte Fälle be schränkte, z. B. Sicherung des Anspruches auf eine Erbschaft oder eine Erbtochter vor Gericht ; die politischen Rechte fehlen ganz 7). 1) Aischin. I 103 ; D emosth. XXVII Hyp. 1 ; 5. 36; XXXII 9 ; Hyper. fr. 192 ; Lys. fr. 43 ; Poil. VIII 104 ; Schol. Aischin. I 18. 2) Aischin. 1 1 8 ; D emosth. XXX 15 ff. ; Lys. X 31 ; XI 1 2 ; Plut. Dem osth. 6 ; Liban. Hyp. zu Demosth. 4 ; Zosim. Vita D emosth. (Dindorf VIII) S. 19 ; Harp. s. Al'\ElapXIKov ypallllaTElov. Vorher vertritt der Vater oder der Vor mund den Knaben : Demosth. XLIII Hyp. 2 ; 1 5 ; Aischin. I 13. 16 ; Antiph. Tetr. B I 1 u. ö. Vgl. die Haftung des Vaters für die Schulden seines Sohnes Aristoph. Wolk. 1268. 1277f. und die �1tiboal�, die ein Bürger für seinen Sohn und in dessen Namen nicht anders al.. für Frau und Tochter gibt (IG 11 � 2332 ff. an vielen Stellen). 3) Aischin. I 18. Eine Ausnahme macht der 1jl6vo� dKoualO� durch einen Knaben. Ihn trifft nach dem Mordgesetz die Atimie, d. h. sein Hinein". wachsen in die Reihen der Bürger wird aufgehalten, er wächst in die IiTIIlol hinein : Antiph. Tetr. B I 2. III 11, ganz wie in Sparta (Staatsr. I 43). 4) Lys. XXI 1 . 5) Vgl. unten im Text zur Ephebie. 6) Schol. Plat. Alkib. 1 105 A. Wenn über das Auftreten Jugendlicher in der Ekklesie geklagt wird, sind damit natürlich Unerfahrene, aber formell Erwachsene gemeint: Lys. XVI 20 ; Xen. Mem. III 6, 1 ; Aristoph. Ritt. 1373. 7) Aristot. 42, 5 u. ö. Näheres später bei der Behandlung der Wehrverfassung.
77 Das Erwachen des vollen Bürgerrechts war damit auf das 20. Lebensjahr verschoben, genauer : auf Mo aq>' iißYJ�. Die Frage ist, ob man die Eintragung in das AYJtlUPX1KOV lPu/l/luniov auf den Abschluß der Dienstzeit verschoben hat. Behauptet wird dies wiederholt 1), aber alle diese Stellen sind konfus, rechnen die Ephebie vom 18. Jahr rückwärts und kommen so zum 16. Jahr - ein besonders törichter Scholiast sogar vom 16. zum 14. und verraten so selbst, daß die Eintragung im 18. Jahr erfolgte. Entscheidend ist, daß Aristot. 42, 1 ff. ganz eindeutig die Doki masie im Demos als den ersten, die Aushebung als den zweiten Akt darstellt und daß es nach [Demosth.J XLIV 35 f. eine dop pelte Liste gab, der im Demos Zugelassenen und der zur Ek klesie Berechtigten, was unverständlich wäre, wenn beide Be griffe sich stets gedeckt hätten 2). Endlich ist es grundsätzlich kaU:m denkbar, daß man im Bürgerheer dienen sollte, · ehe das Bürgerrecht feststand. Das Novum lag darin, daß die Dokimasie fortan nicht mehr den sofortigen Genuß aller bürgerlichen Rechte, sondern nur die Anwartschaft auf sie nach Beendigung der Dienstzeit gab. Das meinen auch [Demosth.] XLVI 18. 2Q. 24 ; Hyper. fr. 192, wenn sie von dem Erwachen jener Rechte nach der Dienstzeit reden 3). Daß vor der Neuordnung von c. 337 die Dokimasie genau wie später im 18. Jahr lag, ist gesichert durch die Chronologie von Demosthenes' Jugend 4), ferner durch die Heirat eines jungen Mannes mit 18 Jahren Demosth. XL 4, d. h. offenbar sofort nach der Dokimasie wie Isaios IX 29. Eine 1) PoIl. VIII 105 ; Schol. Plat. Alkib. I 105 A ; Harp. Suid. Etym. Magn. �1tl lllETt� 1i�i'taat ; Schol. Aischin. I 18 i 111 122 vgl. 11 167 i vgl. Liban. Hyp. zu Demosth. 5. 2) Dann ist di� Rede jünger als 337. Blaß, Att. Bereds. 111 2 1, 569 vermißte noch jeden chronologischen Anhalt. 3) VgL auch [Plat.] Axioch. 366 E. 4) Er hat seinen Vater mit 7 Jahren verloren und dann 10 Jahre unter Vormundschaft gestanden : Demosth. XXVII 4 ff. 23 f. 26. 29. 35. 63. 69 ; Zosim. Vita Demosth. a. a. 0. ; Schol. Aristoph. Wesp. 5781 s.
78 spätere Eintragung ist [Demosth.] XLIV 35 ff. 40f. belegt, aber bei einem Demenwechsel nach einer Adoption 1). Diese ganze Ordnung, vor und nach der Einführung der Ephebendienstzeit, setzt die Demenordnung voraus. Das Er· wachen des Bürgerrechts vor deren Entstehung kann nicht an ders erfolgt sein als dUrch die Aufnahme in die Phratrie, di� auch in klassischer Zeit der im Demos vorangeht und auch von einer Feststellung der Qualifikation als Bürger begleitet ist (0. S. 71). Jedenfalls i st es nicht gestattet, sich für das archaische Athen eine allgemeine zentralisierte Bürgerliste vorzustellen, zu der es nicht einmal das klassische gebracht hat 2) . § 31. Neben jenem Hineinwachsen junger Athener in das Bürgerrecht gibt es stets die Verleihung desselben durch das Volk. Der Rechtssatz der Möglichkeit dieser Verleihung wird oft ausgesprochen oder vorausgesetzt :!). Historische Einzelfälle von größerer Bedeutung - beabsichtigt oder durchgeführt haben wir in der Verleihung durch die Tyrannen und nach ihrem Sturz durch Kleisthenes 4), die Plataier i . J. 427 5), Metoiken und 1) Seit der Einführung der aktiven Dienstpflicht kann der Rat junge Leute, die ihm noch nicht a.chtzehnjährig zu sein scheinen, zurückstellen und dem Demos, der sie eintrug, eine Geldstrafe auferlegen (Aristot. 42, 1 f.). Es bleibt offen, ob damit die Eintragung als Bürger ungültig und im nächsten Jahr zu erneuern war. An sich hatte der Rat nicht über den bürgerlichen Charakter, sondern über die Waffenfähigkeit zu entscheiden. Blieb die Eintragung des Demos bestehen, so stand der betr. Bürger im Al'\ElapXIKöv Tpa�"lflTE'!OV undim KaTdAoTo� der Wehrpflichtigen in verschiedenen Jahrgängen. Vermutlich wurde er . also auch für ersteres zurückgestellt. 2) Die Einzelheiten der Eintragung in die q>pdTOPE� s. u. bei der Be· handlung der Phra.trien. 3) Demosth. XII 8 ff. ; XX 84; XXXVI 30. 47 ; XLV 78. 85 ; LllI 1 8 ; LIX 2. 104 ff. ; Hyper. I 20 ; fr. 183 ; Isokr. VIII 50 ; Andok. II 23 i Lyk. 4 1 ; Lys. XIII 70 f. ; Aischin. III 8/l ; PoIl. VIII 56 ; Harp. Hes. Suid. Lex. Vindob. s. bl'\�o1tOU1T6� ; Harp. s. au,.I/-I0p(a ; vgl. Ephor. fr. 23 J ac. ; Oic. pro Balbo 30. Der Terminus ist 'lrOAIToTpaq>{a, z. B. IG II I add. 858. 4) Aristot. �811v. 'lroA. 18, 5 ; Polit. III 1, 10. In der Praxis wird Klei. sthenes die Verleihungen der Tyrannen mit Auswahl legitimiert haben, denn diese waren kraft realer Macht, nicht im Sinne der Demokratie
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Sklaven, die auf der Flotte i. J. 406 gedient haben 1), die Samier i. J. 405 (lG II 2 1, 1 2 11'. ; vgl. add.), viele Metoiken nach dem Sturz der Dreißig 2), Sklaven und Fremde i. J. 338 3). Einzelne als Neu bUrger bezeichnete Person begegnen - um von den Inschriften zu schweigen - in der Literatur ständig, zugewanderte Fremde, frUhere Metoiken und Sklaven4), daneben fremde FUrsten und Magnaten ohne übersiedlung nach Athen 5). Die letztere Art ist die jUngere, Solon sah noch vor, daß das BUrgerrecht nur "er liehen werden konnte, wenn der Fremde auf ewig aus seiner Heimat vertrieben oder sonst seinen Wohnsitz dauernd in Athen zu nehmen gesonnen war (Plut. Sol. 24). Die Form der Verleihung war stets die normale der Legis lative ; seitdem fUr Volksbeschlusse ein 1fPOßouAEu/Ja erforderlich korrekt erfolgt. Vielleicht hat er auch nur die Verleitungen im Volk be antragt, o. S. 61 1• 5) [Demosth.] LIX 104 ft'. ; Lys. XXIII 1 f. 13 u. ö. ; Diod. XII 76, 3 ; vg1. Isokr. IV 109 ; XIV Hyp. j 51 ; Thukyd. V 32, 1 . Bei der neuen Vertreibung 873 wurden sie nur Metoiken mit Isotelie : Theop. fr. 102 verglichen mit Diod. XV 46, 6 (verschrieben : Isopolitie). Dazu bekamen sie die Epigamie (0. S. 70). 1) Diod. XIII 97, 1 ; Aristoph. Frö. 692 ft'. m. Schol. : sie werden nPlataier", d. h. Bürger mit K�i'\POI in den Kolonien Skione und Torone ( 0. S. 70 1), in Athen will man sie nicht behalten. 2) IG II • 10; vgl. Suppt Ep. Graec. I 14 j II 11 j III 70 ; Aristot. 40, 2. 3) Lyk. 41 ; Hyper. Ir. 27f. ; [Plut.] X Redn. 848 F. Aischin. III 85 be hauptet dasselbe von den Olynthiern 348, zu Unrecht nach Theophr. fr. l02 ; IG II • 211 (die Scholien z. St. verwechseln Olynth und Euboia). 4) Von politisch bekannten Personen Herakleides 6 KAaZ:o�l�vlo� Plat. Ion · 541 D ; Aristot. 41, 3 ; IG II 1 8, Charidemos Demosth. XXIII Hyp. I 1 ; Ir 3. 65. 145. 151. 187 u. ö. , der v6eo� des Perikles Plut. Per. 37 u. ö. ; o. S. 62 1• Vgl. ferner Xen. Hell. II 2, 1 ; Theop. fr. 139 ; Demosth. XXIII 12. 119 ; XXXVI 30 ; XLIII 78. 85 ·; LIII 18 j LIX 2. 13 j Dein. I 43 ; Lys. XliI 70 f. ; Hyper. I 20 ; Andok. I 149 ; [Aischin.] Ep. XII Itl ; Ind. Acad. 001. VIII 24 ft'. ; Harp. s. �'faaIK�i'\�, nO�UYVWTO� ; Harp. Hes. Suid. s. bl'\J.101tOII'\T� ; Suid. s. i\plaTOcpdvl'\� P6bIQ�,A1taTOUpla; Scho1. Aischin.III 77;Plut. apophth.reg. imp. 1 2 ; comm. Hes. 65 ; X Redn. 835 F j Scho1. Aristoph. Wesp. 283 ; Frö. 970 ; Diog. La�rt. IX 65 ; Scho1. Ae1. Arist. Panath. 178, 16. - Ablehnung einer solchen Verleihung Plut. de Stoic. rep. 1034 A. . 5) Thukyd. II 29, 5 ; Aristoph. Ach. 145 m. Schol. ; Demosth. XII 8 ff. ; XX 29 f. ; XXIII 118. 141. 199 f. ; Suid. s. 'ATraTOupla.
80 ist, gilt dies auch für die Aufnahme in die Bürgerschaft 1). Darüber hinaus sind seit dem 4. Jhdt. - urkundlich belegt seit 369/8, s. u. - die Bedingungen besonders scharf : erst muß in einer Ekklesie die Zustimmung zu dem Antrag auf die Ver· leihung, also äbwx, eingeholt werden ; in einer zweiten folgt die Hauptabstimmung mit \Viiq>Ol, die zu ihrer Gültigkeit 6000 ab gegebene Stimmen erfordert. Ein Verstoß gegen diese Regel unterliegt der Paranomieklage wie jede Verletzung der Form der Gesetzgebung. So lauten die Vorschriften bei [Demosth.] LIX 88 ff. , die Inschriften bestätigen und klären das Bild : im 5. Jhdt. wird die Verleihung noch ganz in den unqualifizierten Formen der Legislative vorgenommen, ebenso im 4. bis mindestens 387/6 2), daher kann das Bürgerrecht sogar in einem Amendement zum 1TpoßouAeu/Jcx verliehen werden s), dann - nachweislich seit 369/9 - setzt die beschriebene schärfere Form ein : die Pl'ytanen werden angewiesen, für die nächste Ekklesie die Abstimmung mit Stimmsteinen anzuberaumen 4). Die genannten Texte führen uns bis in die Mitte des 3. Jhdts. ; von da an fehlt die Wendung regelmäßig, trotzdem die erhaltenen Verleihungen nicht seltener werden : offenbar hat man die Doppelabstimmung abgeschafft :» . 1) Schol. Aischin. 111 195; [Plut.] X Redn. 835 F. 836 A. Die Dreißig haben das Bürgerrecht verliehen, formell als aOToKpd.ToPE�, praktisch rein revolutionär, Pap. Oxyrh. XIII 1606, 191 f. 2) IG I I 1 10, 15 W. ; 1 13, 7 W. ; 122, 15 ; 160, 8 W. ; 11 9 10 ; 17 ; 19 ; 25. 3) IG I 9 110, 15 W. ; 11 9 1 9. 4) IG 11 9 103, 30 W. ; 109 b ; 207; 222 j 251 ; 297 ; 336 ; 350 ; 374 ; 385 , 392 W. j 398 ; 448, 31 W. (doppelte Abstimmung KaTa TOV VO/-lov) ; 507 f. usw. bis 707 ; 717 ; 721 ; 804 ; 806 ; 808 ; add. 472. Wenn dazwischen die Wen- . dung gelegentlich fehlt, ist das so zu verstehen, daß die Form sich von selbst verstand, ohne daß sie in jedem Einzelfall auf dem Stein genannt zu werden brauchte, zumal dieser damals nur Kopie und oft Excerpt, nicht mehr Urkunde ist - darüber in einem späteren Heft. Im Amen dement hat j etzt nur noch der Antrag auf B eauftragung der Prytanen mit der Hauptabstimmung Platz und auch dieser b egegnet nur zu B eginn der Periode : I G 11 9 109 b. 5) IG 1 1 9 845, 15 f. liegen die Dinge anders : eine Bürgerrechtsverleihung
81 Eine weitere Kautel ist 320 eingeführt worden, die Thesmo theten haben die vollzogene Verleihung des Bürgerrechts dem Gericht zur Ratifizierung, Dokimasie vorzulegen. Der älteste Fall ist IG TI 2 398 v. J. 320/19 (Dinsmoor, Arch. of Ath. 28), im Jahr zuvor (Dinsmoor 25) fehlt die Formel noch IG 11 2 385 1). Die Texte zeigen, daß jeweils der nächste Gerichtstermin be stimmt wird (a. a. O. allenthalben), daß ein Hof von 500, d. h. 501 Heliasten zuständig2) und daß die persönliche Anwesen heit des Neubürgers nicht erforderlich ist 8). Ein isolierter Fall von Dokimasie von schon vom Volk rezi pierten Neubtirgern . liegt im 5. Jhdt. bei den . Plataiern von 427 vor ([Demosth.] LIX 105), er ist aber anders gelagert. Es wird nur nachgeprüft, ob die sich Meldenden die plataiische Staats angehörigkeit besaßen, damit sich kein anderer einschmuggelt. Das war deshalb nötig, weil · es in der Volksversammlung tech nisch nicht möglich war, Hunderte von Nichtbürgern auftreten und auf ihre Personalien untersuchen zu lassen. Das Gericht hat den Personalbestand der in Bausch und Bogen rezipierten Plataier aufzunehmen, der Vorgang hat keine Verwandtschaft mit der Regelung von 320. wird für später eventuell in Aussicht genommen und der Rat angewiesen, gegebenenfalls die nötigen Anträge zu stellen. 1) Sie ist also wohl zu ergänzen IG 11 9 874 (nach 319/8), ebenso 392 ff., umgekehrt ist sie IG 11 9 336 v. J. 334/3 als falsche Ergänzung zu streichen (vgl. Busolt 945 '). Die Erwähnung der Thesmotheten IG 11 2 207, 11 hat sicher mit den hier behandelten Dingen nichts zu tun, die Heranziehung der bllcaon'}pla bei solchen. Verleihungen Hypoth. I 2 zu.Demosth. XXIII ist für die Zeit der Rede selbst ein Anachronismus. Dann steht die Formel stets da : IG 11 9 507 ; 538 ; 646 ; 648 ; 652 ; 654 ; 663 ; 667 usw. bis 979 ff. ; 988 ; 1055 ; add. 924, also solange wir überhaupt Kunde haben. Die Ergänzung 893, wo die Thesmotheten das Volk abstimmen lassen sollen, ist wohl ein Ver sehen des Corpus. I G 11 9 558 ; 707 fehlt die Bestimmung, vielleicht hat man um 303 vorübergehend die Kautel fallen lassen (Ferguson, Hellen. Ath. 130'), wahrscheinlicher ist Knappheit :der Steinkopie wie o. S. 80 '. 2) IG TI I 719 ; 851 ; 853 ; 855 f. u. ö. 3 ) IG 11 9 850 ; 8 53 f. ; 922 u. Ö.
Diese letztere hat sich organisch aus dem älteren Zustand heraus entwickelt. Es gab schon vorher die Möglichkeit, die Verleihung vor Gericht nachprüfen zu lassen, einfach durch die Paranomieklage (0. S. 80). Dies wird jetzt obligatorisch. Erst nach der Bestätigung durch das Gericht erfolgt fortan die Zu weisung des Neubürgers an Phyle, Demos und Phratrie 1). Der Inhalt der Dokimasie wird nirgends berührt. Sie wird verlaufen sein wie die Dokimasie der Beamten, so daß jeder Bürger auftreten und die Unwürdigkeit des Reflektanten be haupten konnte wegen unwahrer Angaben über seine Verdienste, athenerfeindlicher Haltung bei früheren Gelegenheiten u. ä . . Nicht überliefert ist, ob der Neubürger sich bewerben konnte oder die Verleihung ihm als freie Gabe dargebracht werden mußte. Daß in den Fällen Plut. de stoic. rep. 1034 A die Ehrung abgelehnt wird, ist kein Beweis für das letztere, .die betr. Stoiker mögen abgewinkt haben, ehe die formelle Prozedur vor Rat, Volk und Gericht eingeleitet wurde. Aber da die o. S. 79 ge nannten fremden Fürsten gewiß nicht brieflich um das Bürger recht gebeten haben werden, konnte sicher jeder Bürger auch ohne Wissen und Auftrag des zu Ehrenden die Verleihung be antragen. Daß der Antrag formell von einem Bürger eingebracht werden mußte 2), bedarf keiner Bemerkung : Nichtbürger können nichts beantragen. § 32. Zu allen Zeiten zeigen die Inschriften, daß die Bürger eingetragen werden sollen in die Phyle 3), den Demos und die Phratrie, die sie wünschen. Gelegentlich begegnet dabei der ein schränkende Zusatz �c.; 01 VOIlO1 KEAEUoum bzw. AEYOU(11 4), oder rrA�v �c.; 01 VO/lOI urroyopEuoum 5) . Dasselbe meint natürlich die 1) IG 11 2 980 ff. ; add. 924 u. ö. 2) Im Rat als 1Tpo�ouAEuf.ia, im Volk als Amendement in den Fällen o. S. 80. 3) Vgl. Lys. XXIII 2 : der angebliche Neubürger würde eo ipso zu einer Phyle gehören. 4) IG I 2 113, 7 ff. ; 11 2 222 ; 405 ; 448, 19 ff. 5) IG 11 r. 385 ; 804.
83 Zuteilung "KaTcl TOV VOIlOV" 1). Die genaueste Formulierung ist die von IG II 2 336 b 5, wo diese Einschränkung sich unmiß verständlich nur auf die Phratrie bezieht. Sehr begreiflich : · die Phylen und Demen sind künstliche Schöpfungen und völlig uniform. Sie können keine Gesetze haben, die die Aufnahme von Neubürgern zulassen , erschweren oder untersagen. Dagegen sind die Phratrien älter als die Uniformität der Demokratie und Träger z. T. sehr alter Ordnungen. Isaios VII 16 zitiert der Redner die speziellen Gesetze seiner Phratrie über die Zu lassung neuer Mitglieder, wir sahen o. S. 68, daß sie Unehe liche .teils aufnahmen, teils ausschlossen. Der Staat hat diese alten Gesetze wie überall so auch bei der Zuteilung der Neu bürger respektiert. Wenn eine Phratrie solche nicht zuließ, hatte niemand sie zu zwingen 2). Die Art und 'Weise, wie die Verteilung auf die Phylen usw. ge handhabt wurde, war verschieden. Bei größeren Sammelverlei hungen werden die neun Archonten beauftragt (IG II 2 1, 34 in den addenda) oder ein vom Rat niederzusetzender Ausschuß 3), bei den Plataiern fiel die Aufgabe wohl der Heliaia anläßlich der Do kimasie zu (0. S. 81), in der Regel fehlt jede Bestimmung darüber. Es gab also vermutlich einen normalen Weg, der nicht eigens erwähnt zu werden brauchte : man wird sich vorstellen, daß der endgültig Aufgenommene bei einer ein für allemal feststehenden Dienst stelle seinen Wunsch nach Phyle, Demos und Phratrie anmeldete und dieses Organ die betr. Körperschaften benachrichtigte4� 1) IG II 2 350 j 374 j 392f. j 395 j 438 ; 507 f. usw. bis 667 ; 696 j 710. 2) Die Formel ist sicher belegt seit der Zeit Alexanders, was natürlich nicht besag't, daß vorher die v6ilo1 der Phratrien weniger geachtet wurden. Johnson, Class. Philol. 1914, 424 will mit IG II 2 222 zeitlich herabgehen. das kann unterbleiben, wenn IG I 2 113, 10 richtig ergänzt ist, 3) Das ist IG I 2 UO, 17 . 22 ff. offenbar der Fall, er wird aus fünf Leuten gebildet. 4) Neubürger mit ihrem neuen Demotikon : IG IP 349 ; 1006, 106 ; 1039 b 31 j 1046 ; Hl31 u. Ö.
84 Gelegentlich wird eine Verteilung nur nach den Phylen " bE Kaxa" angeordnet, so bei den Samiern 405 1) und den Metoiken, die gegen die Dreißig die Waffen getragen hatten 2). Das ist bei den Samiern in der Ordnung. Hier werden Tausende von Neubürgern geschaffen, die aber weiter in Samos leben sollten ; es war sinnlos, die Demen Attikas mit ihren Namen auf dem Papier zu überschwemmen, vielmehr mußten die auf Samos vor handenen Flecken, Dörfer und Stadtquartiere der Hauptstadt zu Demen erklärt und diese auf die zehn Phylen verteilt werden. Eine Verteilung der Individuen kam nur soweit in Frage, als diese einem solchen neuen Demos auf der Insel fest zugewiesen werden mußten, und das wird durch das Domizil oder eine der Demenordnung verwandte Einteilung der Samier, elle sie Bürger wurden, längst der Fall gewesen sein. Ganz unverständlich aber wäre der gleiche Akt bei den Met oiken und Fremden von 403. Durch diese Verleihung entstand kein einziger neuer Demos, die Neubürger mußten unweigerlich den bestehenden Phylen und Demen zugewiesen werden. Die Lesung IG II 2 10 ist also gegenüber den Vorschlägen Suppl. Ep. Graec. a. a. O. festzuhalten 3). Daß zu irgendeiner Zeit, die uns hier angeht, Bürger ohne De motikon erscheinen , ist nicht richtig. Die lHpaq>ol, die in der Verlustliste IG I 2 949, 76 ff. neben den in Phylen, d. h. Ba taillonen zusammengefaßten Soldaten auftreten, sind keine Neu bürger, sind überhaupt keine Bürger, sondern Leute, denen das Recht verliehen wurde /.lET' 'A91lvaiwv (YTpaTE UE(J'9at 4). In militä1) IG 11 2 I, 34 in der Lesung der addenda. 2) IG 11 2 10 in der Lesung Suppl. Ep. Graec. I 14 j 11 11 j III 70. 3) Die Liste von Neubürgern, die den Text beg'leitet, nennt nur die Phylen, keine Demen. Vielleicht kann man daher das im Text Gesagte dahin ergänzen, daß die vorauszusetzende staatliche Stelle den Neubürger nur einer Phyle zuwies und die Organe der letzteren dem Demos inner halb der Phyle. Dann gehörte in die staatliche Urkunde nur der erste Akt. 4) Dies ist ein Teil der Isotelie, u. § 96.
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rischen und agonistischen Urkunden treten Bürger oft nur mit dem Phylennamen auf (u. § 73), aber als Mitglieder der der Phyle entsprechenden Truppe oder Sportsmannschaft., oder als Choregen, d h. auch Repräsentanten einer Phyle. Das trifft dann nat1irlich auch bei Neubürgern zu, vgl. den Sieg des Königs Ptolemaios rpu).�� rho).E)laibo� IG II 2 2314, 41 f. , hat aber mit der Neubürgerschaft nichts zu tun. Erst IG II 2 1043, 91 ff. begegnen am Schluß einer Ephebenliste Leute, die als 'M1lVaIOl bezeichnet werden, statt ein Demotikon zu tragen wie in den anderen Tei len der Liste, und die man als Neubürger betrachten wird, das ist aber erst 38/7 v. ChI'. Vielleicht galt damals der Satz, daß Fremde, die die Ephebie mitmachten und de�l Wunsch äußerten, athenische Bürger zu werden I), das Recht bei Beginn der Ephe bie erhielten und erst nach ihrem Ende den Demen zugewiesen wurden 2). In der Regel wird das Bürgerrecht dem Geehrten mit seiner Nachkommenschaft verliehen, aUrtf! Kai TTalcri, Kat �KT6vOl� : indem er seine nicht bürgerliche Qualität verliert., werden auch die Folgen einer Ehe mit einer Fremden beseitigt 3) . Das wird sich aber wohl stets nur auf die noch nicht erwachsenen Kinder be ziehen, und jedenfalls ist rein persönliche Verleihung möglich : IG II 2 336 erhält ein Fremder das Bürgerrecht, das sein Vater schon früher umd bei anderer Gelegenheit erhalten hat ; das häufige Fehlen von Kai TTalcri ist also nicht nur laxer Sprachge brauch. Seit der hellenistischen Zeit hat Athen wie andere TT6).El� be gonnen die Isopolitie zu verleihen, d. h. das Recht für aUe An1) Hinter den "'Ael1vaiOl" folgen viele Epheben mit fremuen Etlmika. 2) Die �1tEHpacpo\ der Kaiserzeit, z. B. Suppl. Ep. Graec. III 297, g'ehen uns hier vollends nichts an. 3) Allenthalben in den Verleihungs dekreten. Im 5. Jhdt. nur zweimal (lG I 2 1 13 ; 160) von den viel' ]'ällen o. S. 80 2, dann immer regelmäßiger, vorn späten 3. Jhdt. an wieder seltener.
86 gehörigen des Vertragspartners, bei eInem Aufenthalt in Athen zivile bürgerliche Rechte auszuüben, in der Praxis vor allem wie ein Bürger Prozesse zu führen, dazu das Recht der Epi gamie 1) und wohl im Fall dauernder Übersiedelung das der Ausübung politischer Rechte. Die Verleihungen Athens scheinen sparsam erfolgt zu sein, belegt sind nur Priene IG II 2 693 und Rhodos Polyb. XVI 26, 9 ; immerhin mögen viele Fälle ver� schollen sein 2). § 33. Es bleiben der Verlust bzw. die Suspendierung des Bürgerrechts zu besprec hen. Die Aufnahme erfolgte durch die Abstimmung im einzelnen Demos . über die bürgerliche Qualität des jungen Mannes unter Offenhaltung des Appells an das Ge richt, dessen Entscheidung den betr. Bewerber zum Bürger bzw. zum Sklaven machte (0. S. 71). Dem entspricht genau die Form der Ausstoßung, 'wenn sich herausstellt, daß ein Unberechtigter sich eingeschlichen hat. Solche Nachprüfung, bICXII'�q>\(Jl�, bICXII'y] q>\(JIl6� erfolgt in der Regel in allen Demen zugleich auf Volks beschluß 3), ganz gelegentlich in einem einzelnen Demos wie in dem Fall Demosth. LVII Hyp. 1 ; 5 ff. 13. 26. 46. 60. 62, wo bei einem Brande die Bürgerliste des Demos verlorengegangen 1) Das perikleische Bürgerschaftsgesetz mit dem Verbot der Ehe mit Ausländerinnen ist im 3. Jhdt. außer Kraft, o. S. 63. 2) Die Isopolitie und Epigamie der nach Athen geflüchteten Plataier Diod. XV 46, 6 i. J. 373 nach der Zerstörung Plataiais (vgl. Xen. Hell. VI 3, 1 j Aischin. III 162 m. Schol. j Paus. IX 1, 8) steht zeitlich völlig isoliert. Aischin. a. a. O. zeigt auch, daß die Leute, die dauernd in Athen wohnten, das Ethnikon nAaTa1K6� beibehielten j es ist statt des anachronistischen lao1roAIT€ia zu lesen laOTlA€la, vgl. u. S. 79 & (der Diodor-Text ist aber nicht zu ändern, der Fehler liegt sicher bei ihm, nicht den Abschreibern). 3) Im allgemeinen : Aischin. I 77 f. m. Schol. j Schol. Plat. v 6f.l. IX 855 C . Beispiele aus der Geschichte : nach dem Sturz der Tyrannis Aristot. 13, 5 (unsicher : vgl. die Tradition über die Neuredigierung der Liste der von den Tyrannen Aufgenommenen a. a. O. 21, 2 ff. j o. S. 78 �), i. J. 445/4 Plut. Schol. Aristoph. Wesp. 718 j Aristoph. a. a. O. Per. 37 ; Philoch. fr. 90 Philoch. fr. 133 plus Androt. VI 716 ff ., i. J. 346/5 Harp. s. lHalv�cplal� das Fra�ment fehlt in den FHG. --
=
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ist 1). Auch hier stimmen die Demoten nach einem Eid mit Ipij u"f� erfolgt dem en tsprechend lediglich durch Beseitigung des Hindernisses, Ein stellung des Prozesses durch den Ankläger, Verzicht des Staates auf die geschuldeten Beträge, endlich auch Aufhebung des Ur teils, d. h. Verzicht auf den Strafvollzug oder Begnadigung. Dieses Begnadigungsrecht, das natürlich nur das Volk ausüben kann, ist in Athen niemals ganz unbestritt.en gewesen und im sogen. Richterei.d des 4. Jhdts., praktisch dem Bürgereid 2), findet sich der Satz, daß der Bürger niemals für eine Rückkehr der q>u"fab€� stimmen wird 3). Immerhin sind solche Amnestien vorgekommen : die Begnadigung des Alkibiades 4), die Rückkehr der Exulanten 404 5) und sonstige Rückberufungen von ins Aus1) Ein solcher Fall : Lyk. 93 (Kallistratos). Wenn im athenischen Lager bei Aigospotamoi 'PElJ'fOVTE� freiwillig auf der Flotte dienen ([Lys.) VI 47), hat man in der Notlage ein Auge zugedrückt, weil man Ruderer brauchte. Alkibiades, der sich auch dort blicken läßt (Xen. Hell. 11 1, 25 j Diod. XIII 105, 3 f.), ist nicht verurteilt : er ist i. J. 407 lediglich nicht wiedergewählt worden, er gehört zu der dritten Kategorie von o. S. 91. Der "'PU'fd�u Demosthenes schließt sich Plut. Demosth. 27 einer athenischen Gesandt schaft an j damit betritt er keinen athenischen Boden. 2) O. S. 73 f. j der Text Demosth. XXIV 149 ff. 3) Der Text unterscheidet dabei die Rückkehr der 'PEU'foVTE� und die von zum Tode verurteilten Personen. .Erstere sind; wie es sich in einem amtlichen Text gehört, echte 'Pu'fdbEC;, die 'PEU'fOVTE� €t i\pElou 'lfd'fou (u. § 37), letztere die hier behandelten Bürger, die sich dem Strafvollzug entziehen. Nach .dem überlieferten Text wäre die Begnadigung von uno echten 'PEu'foVTEC; frei, die nicht zum Tode, sondern zu einer Geldbuße verurteilt waren. Daß man ihn aber nicht so interpretierte, zeigt das Ver halten gegenüber D emosthenes 322, s. u. im Text. 4) Thukyd. VIII 49, 1 j 50, 1 j 53, 1 ff. ; 54, 1 ; 81, 3 ff. j 97, 2 j Diod. XIII . 42, 1 f. j 69, 1 j Plut. Alkib. 33 ; Nep. Alkib. 6, 5. 5) Xen. Hell. 11 2, 28 ; Lys. XXV 27 ; Andok. I 77 ff. ; II 22 ff. ; III 31.
94 land geflüchteten Bürgern 1) heben keine als Strafe verhängte €ikoVT€� in die mit Konfiskation des Vermög'ens, ohne daß die der Konstatiernng beigefügte Strafe gerade in d ieser zu bestehen brauchte. Eine automatische Konfiszierung bei dem Verfall des Termins kennt Athen überhaupt nicht, zumal sogar jede verhängte Geldbuße erst durch eine Sonderklage einge trieben werden muß (später bei der Rechtspfleg·e). Dasselbe meint [Demosth.] LIX 7. 2) Lys. XX 11. 14 f. 17 f. 35 ; XXV 1 1 ; Isokr. XVI 47 f. ; XVIII 35 ; Andok. I 73 f. 3) Andok. I 7 3. 78. 92 f. 4) Demosth. XLIII 5 8 ; LVIII 1 4. Das Nähere später bei der Behandlung des Kultus. 5) [D emosth.1 LIX 3. 7 ; vgl. für die Heliasten Aristot. 52, 3. IiTlf.lOI
115 Damit ist über die Begründung der Atimie alles gesagt: sie entsteht durch Urteil der Heliaia t), bei den ocpEihOVTE� durch öffentlichen Anschlag nach Ablauf der 9. Prytanie, durch Pse phism a dagegen nur in den zwei zitierten Ausnahmefällen in po litisch abnormen Verhältnissen 415 und 411. Es ist daher be greiflich, daß man mit diesem Rechtsfall seine Schwierigkeiteh hatte und streiten konnte, ob diese Atimie durch die Amnestie aufgehoben wal' oder nichP) . Es handelt sich hierbei natürlich nur um die Frage nach dem Vorhandensein der Epitimie, nicht um eine Strafe (vgl. z. B. Andok. I 144). Das Erlöschen der Atimie bietet einen we�teren Unterschied zwischen O cpEihOVTE� Tlp b�Il(� und den anderen aWIOI. Bei den ersteren ist die Atimie mit der Bezahlung der Schuld einsch! . des Aufschlags wegen Terminüberschreitung ([Demosth.] LIX 7 u. ·ö.) automatisch verschwunden 3), ebenso natürlich dUrch Erlaß der Schuld seitens des Staates in seinem oder des betr. Tempels Namen : Andok. I 73 ff. 77 ff. Bei allen anderen aTl�101 ist allemal ein ljJ�cpt(j�(a nötig mit besonderen Kautelen ; es muß erst dbEia bewilligt werden, an der Hauptabstimmung, die mit IjJ�CPOI stattfindet, müssen 6000 Bürger teilnehmen 4) . Wer ohne übEla für den dTII-lO � bittet, macht sich strafbar (Demosth. XXIV 50). An sich ist das Ganze eine Durchbrechung des o. S. 93 1) Aristot. 53, 6 läßt die Atimie über den unredlichen Diaiteten von der Gesamtheit seiner Kollegen verhängt werden. Das wäre ein Unikum im athenischen Recht : Harp. s. daaH€kia nennt die Heliasten i das ist natür· lich richtig und unser Papyrus hat einen alten Schreibfehler. 2) Andokides sagt ja (Rede I), [Lysias] sagt nein (Rede VI). 3) Demosth. XXV 71 ; XLIII 8 5 ; LVIII 50 ; Harp. s. 1faklVaip€To� u. Ö. 4) Demosth. XXIV 45 f. : eS gilt naturgemäß auch für die Epitimie der öqlE(koVTE�, d h. die Erlassung der Schuld. Beispiele für beantragte oder durchgeführte Restituierung der Ihl/.!Ol : Plut. Sol. 19 (s. aber u. § 44) ; Xen. Hell. II 2, 1 1 ; Demosth. XXVI 11 ; Lys. XXV 27 ; Hyper. fr. 27 ; An· dok. I 73 :ff. 77 :ff. 93 f. 107 ; Suid. s. t'mE'lJll ql iaaTo ; Aristoph. Frösche 688. 692 :ff. Die Fälle der Rückkehr der "qlu"fdbE�" o. S. 93f. bedeu ten auch die Aufhebung bestehender ö:Tl/llcu. .
116 berührten Prinzips, daß das Volk kein Begnadigungsrecht ausübt, aber da es zweifelsfrei das Recht in Anspruch nahm, völlig fremden Personen die TtOA1TEia, d. h. die Epitimie zu verleihen, lag es nahe, die Verleihung der letzteren an clTlIlOl ebenso zu behandeln. Zugleich sehen wir, daß die Kautelen bei der Ab stimmung über HvOI und clTlIlOl identisch sind, genauer wohl : daß die o. S. 80 besprochenen Regeln für die Erteilung des Bür gerrechts an Frelude sich an die Formen der Amnestierung von clTlIlOl angeschlossen haben. Ob letztere in hellenistischer Zeit auch die Ratifizierung der hergestellten Epitimie durch die Heliaia hatte wie die Neuverleihung, wissen wir niCht, da wir kein Schicksal von clTlIlO1 nach der Zeit der Redner ver folgen können. § 43. Die Atimie bedeutet allemal das Verbot, Anträge fUr die Ekklesie zu stellen und in ihr das Wort zu nehmen 1) : Ge� setze, die ein clTlIlO� einbringt, sind hinfällig (Demosth. XXII Hyp. I 2), d. h. unterliegen der Paranomieklage ([Demosth.] LIX 4 ff.). Ferner kann der clTlIlO� keine Prozesse austragen oder auch nur laufende fortführen, in denen er der Kläger ist 2) - gegen ihn laufende Klagen werden natürlich nicht unterbunden 1) Plut. Phok. 26 ; Aischin. I Hyp. I, 11 ; 1. 3. 19 ff. 28. 32 m. Schal. ; III 195 ; Demosth. XIX Hyp. 11 1 0 ; 286 ; XXII Hyp. I 2 ; 21 ff. 30. 32 ff. ; XXIV 50 ; XXV Hyp. 4 ; 4. 28. 38 ; XXVI 9 ; LVIII Hyp. 1 f. ; 45 ; Ep. III 16 f. ; Dein. 11 12 f. ; PalI. VIII 45 ; Beck. An. I 459 ; Suid. s. lvbElEl� ; Schal. Plat. VOll. IX 855 C. Der 1iT11l0� kann die Ekklesie überhaupt nicht besuchen: Plut. Phok. 33. Das ist die .Fernhaltung von der ayopd", dem frühesten Tagungsort der Ekklesie Aischin. 111 175 f. ; D emosth. XXIV 60. 103 (als Gesetz Salons zitiert) ; [Lys.l V I 9 ; Andok. I 76 ; Suid. s. fvbElEl� : es ist dem i.iTlllo� nicht verboten, auf dem Markt Brot zu kaufen (0. S. 45 1). Vgl. die allgemeinen Wendungen Demosth. XXI 87 ; XXIV 105 ; XXV 53. 2) Demosth. XXI 92 ; XXV !l4 ; XXVI 9 ; LVIII 17. 45 ; Dein. 11 2 ; An tiph. VI 35 ff. ; Phot. App. s. 1TPOOTIIlOV ; Schal. Aischin. I 2. 1 95.
117 und nicht als Zeuge auftreten 1), nicht testieren 2), nicht staat liche (und sicher auch kommunale) Ämter bekleiden, Gesandter, Richter sein oder im Rahmen seines Berufes, als Herold, Architekt, Schiffsbauer usw. staatliche Aufträge erhalten 3). Andererseits erlischt die Wehrpflicht (Hyper. fr. 27. 29). Ferner ist er von allen staatlichen Festen, Opfern und Heiligtümern ausgeschlossen 4 ), ver liert also auch den Anspruch auf Portionen am Opferfleisch und die Theorika. Der in eine ihm gesperrte Veranstaltung eingedrungene äTlf.lo� kann von jedem Bürger durch arru'fw'f� festgesetzt oder durch �VbEIEI� zur Verhaftung angezeigt werden, womit zugleich der Stl'afprozeß wie bei jeder solchen Verhaftung gegen ihn eröff net wird 5), dasselbe gilt von einem ÜTIf.lO�1 der als Beamter oder Richter betroffen wird 6) . Daß die Anmaßung der Epitimie ein Verbrechen ist genau wie Fahnenflucht u. a., wird Demosth. XXIV 103. 105' klar ausgesprochen, daß freilich die Todesstrafe ein für allemal vorgesehen sei 7), wird abgesehen von dem Prinzip 1) [Demosth.) LIX 26 ff'. ; Hyper. IV 11. Demosth. XXI 95 wird ein an
f,lo� als Zeuge g'enannt, aber seine l-lapTupia fehlt; er wird nicht vernommen,
sondern nur als ein Mann erwähnt, der Bescheid weiß. 2) Überliefert für die Entmündigung bei Wahnsinn Isaios I 50 ; IV 14 ff'. ; VI 6 ; VII 1. 43 u. ö. ; o. S. 15. Da aber die Entmündigung nichts ist als Atimie und unmöglich das Recht zum IiPXEtv, lKKArlO'ldrEIV usw. belassen haben kann, gilt vermutlich auch das Umgekehrte, und die hier genannten zivilrechtlichen Folgen eignen jeder Atimie. 3) Aischin I 19 ff'. ; Demosth. XX 156 ; XXIV 22. 50. 123 ; Aristot. Polit. III 6, 3 ; Beck. An. I 459 ; Schol. Plat. a. a. O. 4) Aischin. III 175 f. ; Demosth. XXII 73 ; XXIV 181 ; Lys. VI 9. 24 ; XIII 81 f. ; Antiph. V 10 ; VI 4 ; Andok. I 33. 71 ; Tim. fr. 140 f. ; vgl. Poil. VIII 90. Der 6opa, kann nur nach dbEla, der ausnahmsweisen Zulassung eines an sich nicht statthaften An trags, beschlossen werden (IG 1 2 92, 46 ff.). Es ist kein Zufall, daß die starken pekuniären Leistungen der Leiturgien sorgfältig den Rechtscharakter einer Steuer vermeiden : kein Pfennig, den ein Leiturge zahlt, �eht an oder durch die Staatskasse, abge sehen von der sekundär entstandenen npoucrq>opa, bei der der Pflichtige aber nur für andere Bürger Summen vorstreckt und auf die Dauer selbst nur zahlt, was ihn an reiner eicrq>opa, d. h. allemal noch db€la, trifft. § 50. Eine Vermögenskonfiskation ist nur möglich auf Grund eines gerichtlichen Urteils (Aristot. 47, 3 ) und zwar nur in der Form, daß nach ergangenem Urteil ein Privater, in praxi natür lich meist der siegreiche Ankläger selbst, in einer eigenen Fest stellungsklage an das Gericht beantragt, die und die namentlich aufgezählten Objekte als Bestandteil des betr. Vermögens und somit als Staatseigentum zu erklären, aTTO"fPaq>� 1). Unterbleibt diese zweite Klage 2), kann keine Konfiskation stattfinden, da zur Einleitung jedes Prozesses in der reifen Demokratie private Initiative nÖtig ist 3). Auch hier also eine Kautel gegen das Vor1) Aristot. 52, 1 ; Harp. Suid. Etym. Magn. Lex. Vind s. v. ; Beck. An. I 198 f.; Etym. Magn. s. I!vb€Ka. Der siegreiche Kläger als c'moypdqlwv [Demosth.] LIII Hyp., die Möglichkeit, daß jeder Dritte eintritt IG II ' 1013, 13 f. Einzelne ltTroypaqla{ : Demosth. XXVIII 1 ; XL 22 ; LIX 7 ; Hyper. III 34; IG 11 2 1628, 628. 637 ; 1631, 438 u. ö. in den Seeurkunden. 2) Fälle des Verzichts auf die c'moypaqlT] : D emosth. XXII 57 ; XXIV 166 ; IG 112 1631, 350ff. 3) Vgl. später bei dem Beamtenrecht die Justizhoheit und Initiativ gewalt.
135 gehen staatlicher Instanzen gegen das Privateigentum. Wenn ein gerichtliches Urteil ungültig ist, ist es auch die Konfiskation : als die gerichtlichen Sprüche, die unter den Dreißig ergangen waren, von der Demokratie kassiert wurden, konnten die heim kehrenden Exulanten ihre Güter beanspruchen 1). Die Amnestie von 403 hat diese Ansprüche abgeschnitten, aber sie war eben nötig. Konfiskation des Vermögens ist allemal verbunden mit der Todesstrafe 2) und der q>ul� im Rechtssinne (0. S. 95 ff.), in be stimmten Fällen mit der Atimie S), sie wird aber auch als eigene Strafe vorgesehen für Verweigerung einer Leiturgie (Demosth. XX 40), den Versuch, Staatsschuldner in Rat oder Volk freizu bitten (a. a. O. XXIV 50), in einem Einzelfall kraft 4'�q>\(1J.1a für Nichtablieferung trierarchischer ist die Kla:ge auf Entziehung irgendeines Objekts : hinterzogener Gelder des Staates, Pachtrecht an einer staatlichen Silbermine, nachlässig verwaltetes MUndelvermögen, geschmuggelte Ware usw. Einzelheiten später bei der Rechtspflege, vgl. vorläufig Isokr. XVIII 6. 8 ; Hyper. III 35 ; Aischin. I 1 10 (�lm ist das Verbum zu cpdc:nc;) ; D emosth. XXXV 51 ; LVIII Hyp. l f. ; 6. 8 f. u. ö. ; Plut. Sol. 24 ; PoIl. VIII 47 ; Suid. Phot. Etym. Magn. s . v. ; Beck. An. I 315 ; Aristoph. Ach. 819 f. 912 ff. ; IG P 4, 24 1.
137 ständigkeit oder Unvollständigkeit der Konfiskation ledigHch von der aTtolpaqni des Einbringers der zweiten Klage, also dessen freiem Willen abhängt, es gibt in Athen keine Begrenzung dessen, waS man vor Gericht beantragen kann (u. § 62 f.). Erfolgt die Konfiskation wegen einer SchtiId an den Staat und übersteigt der Ertrag der ersteren das SOU der letzteren, fällt der Über schuß an den Verurteilten zurück (Demosth. XL 20), deckt er es nicht, bleibt der Mann Staatsschuldner für den Rest (a. a. O. 22). Auch dies hält den Anspruch des Staates in privatrechtlichen Grenzen und nimmt der Konfiskation den Charakter des Zugriffs einer höheren Gewalt. Dasselbe tut die Regel, daß die Gläubiger des Verurteilten ihre Forderungen an die Masse bei dem St·aat anmelden und prozessual durchfechten können l). § 51. Die Unantastbarkeit des Hauses ist von der Demokratie anerkannt, bei · der Klageerhebung durch anaTwll1 zu den- EvbEKCl und bei dem Haftantrag an diese (fVbeltl�) , darf die Festnahme nicht im Hause des Beklagten vorgenommen werden und die gelegentlichen Ausnahmen werden als Gewalttat empfunden 2). Haussuchungen einer Partei im Hause des Gegners vor dem Prozeß zur Beschaffung des Beweismaterials sind vorgesehen, aber mit genauen Kautelen versehen 3). Private Pfandnahme im Hause ist für den Sieger in einer iMa MKTJ, die also ihm und nicht der Staatskasse eine Bereicherung bringen sollte, gestattet außer an Festtagen 4) . Er kann also sich persönlich im Hause 1) EVE1tiO'k'l'l'It; : Demosth. IL 46 ; PoIl. VIII 61 ; Deck. An. I 236. 290 ; Harp. s. iVE1tIO'k'l��a, 1tapakaTapoA"i Suid. Etym. Magn. s. iV€1tlO'k"'I'aa9al ; vgI. IG TI e 1579, 20 f. Eine Rede aus solchem Prozeß ist Lysias XIII. 2) 'A1tayw""; Demosth. XVTII 132; vgl. Lys. XII 30, lvIlEIEIEl�OVTE�, also äTlflO\, wegen Anmaßung bürgerlicher Rechte 6). Auch hier liegt Untersuchungshaft vor, nicht Schuldhaft. Unsere Betrachtung hat sich also zu beschränken auf Personen, die zu Geldstrafen verurteilt sind. Aristot. 63, 3 zitiert ein Ge1) Ich erinnere daran, daß er im 4. Jhdt. keinen Scheck auf seine Bank ausstellen kann, sondern persönlich hingehen muß. 2) Das bedarf eines gerichtlichen Spruches, 0. 8. 134. 3) Über diese später bei der Rechtsstellung der Beamten im allge· meinen. 4) Daß sie nur das bi\ oal, nicht das ElodYEIY T�V biKI)Y nennen, hat nichts auf sich. Auch bei dem normalen privater Initiative entspringenden Straf prozeß spricht man oft nur von der 61TayWYt'), der Ablieferung in das Gefäng nis ; das Weitere versteht sich von selbst. 5) Näheres später bei der Rechtspflege ; vgl. vorläufig etwa Demosth. XXIV 146 ; LIII 14. 6) Gegen liTI�lOI, die sich unter die Beamten und Richter einschleichen D emosth. XX 156 ; XXIV 22. 50 j gegen solche, die in der Ekklesie auf �reten a. a. O. XXV 4. 17. 28. 67. 69 ; XXVI 20f. u. ö.; gegen solche, die sich bei staatlichen Kulthandlungen eindrängen [Lys.l VI 9. 24 j Andok. I 10. 33. 71. 110 f. usw. Daß 6!jleiAovTE� TlfJ bt')'-'tl' unter die (lTl,-,OI rechnen, ist o. S. 112 ff. ausgeführt.
144 setz, wonach ein ocpE\Awv TtV bit�lV. der sich als Richter betätigt, falls das Urteil deswegen auf eine Geldstrafe lautet 1), bis zur Zahlung der alten Schuld und der neuen Buße in Haft sitzt. Also nicht mit dem Erwachen des Charakters aJs ocpeiAwv Tq; bJ1�lV tritt die Haft ein, sondern nur bei bestimmten Vergehen, die nur ein äTl�ot; begehen kann, tritt die Haft als Teil des Straf-:
vollzugs ein. Sozusagen bei einem qualifizierten ocpeiAwv, einem solchen, der sich trotz seiner Atimie als lniTlJlor; aufspielt. Dem entspricht auch der einzige uns bekannte Fall solcher Haft, Demosth. XXIV 126, wo ein ol()'J.la hat er , wenn Bürgen angeboten werden , diese allemal zu akzeptieren , außer bei Eisangelien wegen Hoch 1) Die Freiheit des Rates, n icht sein e Verpflichtun g, die Haft zu v er hän gen , folgt aus der Interpretation der Stelle o. S. 143. 2) TTpo�o�n ist ein e e!aaYYEAla, die das Volk zu r En tscheidun g an die H eliaia weiterreicht, v gl. später in der Rechtspfl ege. - An spielungen auf die Altern ative Haft oder Bürgen sonst Aristoph . Ly sistr. 680f. ; Ekkles. 106 4. Au ch Ly s. XXX 10 "�rrElaEu der An kläger den Rat, die Haft zu v er' hän gen , . der letztere konnte also auch ' anders. ;. 3) Die übrigen s man gels des praktischen Fortbestan des der Tö"l auch b ei e!aa'rYEAlal im Volk genau wie bei den Ressortprozessen des Rates (s. o.) kaum n och durch t!yyv'1Tai TO aÖTo T�I\O� TE�OUVTE� ablösbar war, es ist kein Zufall, daß die uns tatsä chlich bekann ten Bürgschaftsstellun gen in das späte 5., nicht mehr das 4. Jhdt. gehö ren . Weitere Fälle v on Un ter suchungshaft bei solchen Eisan gelien sind wohl Kleophon Aisc hin. 11 76 und die Ta/Jial Tft� 9EOU, unter den en der Opisthodom au sbrannte, Demosth. XXIV 1 36. Die j..IIiVVOl�, die P hot. App. s. cirraywYn als Ursache der Unter SU chungshaft n en nt, ist eben diese Form der politischen Eisan gelie.
156 verrat und Ressortprozessen wegen Unterschlagung staatlicher Einnahmen durch Steuerpächter und Verwandten. Das Gesetz des Kannonos läßt sich übrigens datieren. Es wird i. J. 406 zitiert als geltendes Recht, dagegen sehen wir die von ihm ausgeschlossene Haft bei Eisangelien ohne Gefährdung von Staat und Verfassung bei Pheidias 1), Anaxagoras 2) und noch in dem Religionsprozeß von 4 1 5, wo nach den Eisan gelien z. T. Haft, z. T. Bürgenstellung eintrittS). Das 4'�CPI(J'/JCl des Kannonos ist also jünger als 415 und älter als 406. Endlich sei noch bemerkt, daß Prozesse auf dem Wege über Rat �nd Volk auch durch EvbEI�I!I;, Haftantrag, eingeleitet werden können ; hier ist die Untersuc1lUngshaft die Folge des Willens des KClT�lOPO!l; wie o. S. 1 50 4). Es bleibt noch eine allgemeine Folgerung zu ziehen : wir sehen bei militärischen Befehlshabern und bei dem Rat ein Recht, ohne Antrag eines Privaten aus eigener Initiative die Unter suchungshaft zu verhängen. Wir sehen aber zugleich eine Ab schwächung dieser Gewalt in historischer Zeit sich vollziehen. Da die ganze Geschichte der athenischen a.pXai auf dem Gebiet der Rechtspflege ein Pl'ozeß des Verfalles ihrer Rechte ist, indem sie von selbständigen Urteilsfindern zu Briefträgern der Heliaia herabsinken und zugleich zunehmend die Initiative der Prozeß einleitung einbüßen 5), wird es . nicht zu kühn sein , auch die hier beobachtete Entwicklung nach rückwärts analog zu ver längern und anzunehmen, daß ursprünglich, sicher noch nach 1) Phit. P er. 31; Diod. XII 39,1 f. Die E rsparun g der Un tersuchun gshaft gegen über P heidias, die Nicole, P roc. de P hid. 33 ann ahm, hat Pareti, Rö m. Mitt. 1910, 304 wieder beseitigt. 2) Plu t. prof. v irt. 84 F ; de exil. 607 F. 3) An dok. I 13. 34. 36. 43 ff.; Plut. Alkib. 20; [Ly s.) V I 21; Thuky d. VI 53, 2; 60, 2; v gl. die An spielung auf Haft oder Bürgen An dok. I 2. 17. Bei der Flu cht des Angeklagten wird der Bürge v erhaftet, An dok. I 43 ff. 4) Solche Fälle liegen wohl vor Aischin. III 149; Dein . I 63. 5) Vgl. später bei dem Beamten recht.
157 Solon, die Beamten die Untersuchungshaft allemal frei verhängen oder Bürgen annehmen konnten, wie es beliebte. Den Terminus post quem für das Bestehen solcher Befugnisse gibt die Nennung der solonischen Steuerklassen in den Gesetzen, die die Über lebs eI dieses Rechts konservierten 1). § 5 7. Anerkannt ist das Recht des Bürgers, sich nur vor athe nischen Gerichten zu verantworten. Eine Auslieferung an die Justiz eines anderen Staates ist verboten und als sie 3 22 in höchster politischer Bedrängnis durch Antipater erfolgen mußte, ist das als ein Bruch der athenischell Prinzipien empfunden worden 2). Noch 336/35 hat Athen die gleiche ForderuJ.lg Alex anders abgelehnt 3). Das Gegenstück ist das Verbot für Bürger, untereinander vor ausländischen Gerichten aecht zu nehmen 4). Der Schutz der körperlichen Unverletzlichkeit des Bürgers ist durchgeführt; tätliche Angriffe einschließlich des sexuellen Miß brauchs sind strafbar oder vielmehr: machen ersatzpflichtig 5). Ein Rest älterer Zustände lebt in der [Demosth.] L IX 66 zitier ten Bestimmung fort - wenn auch sicher nur theoretisch - , 1) Keine Untersuchungshaft liegt vor bei der Arretierung von Radau · machern in der Ekklesie oder den Amtsst uben, Theat er usw. E s handelt sich um einen Hinauswurf. Ekklesie: Aristoph. Ach. 54 ff'. i Ekkles. 143 ; Ritt. 665 u . ö., Theater : a. a. O. Frd. 734; Demosth. XXI 17 9 ; Suid. s. �a� bO{))(Ol, Amtsstuben : Demosth. XXV 2 3 ; Aristoph. Ritt. 665 ; Lysistr. 433 f. 441 f., Markt : Aristoph. Ach. 827 . - E s sei eben nur bemerkt, daß die Evakuierungen der Zivilisten nach Salamis 480 oder in die langen Mauern 431 nichts mit einer staatlichen Beschränkun g der bürgerlichen Freiheit zu tun haben. Wer sich totschlagen lassen wollte, mochte bleiben. 2) P lu t. Phok. 9. 17-; Demosth. 28; X Redn. 864 E ; v gl. IG n' 457 B 17 ff'. 3) Arr. I 10, 4 ff'.; P lu t. Demosth. 23 ; X Redn. 841 E ; Diod. XVII 15, 1 ff'. 4) Etym. Magn. Lex. Vindob. s. [KKA'lTOo; TrOAl"; Beck. An. I 247 f. 5) Prozesse O�P€wo;) pla{wv, a!Kdao;: Aischin. I 7 2 ; Demosth. XXI Hyp. I 3 ; XLVII Hyp. 2 f. ; 8. 45 ; LIII 16 ; LIV 1 ; Hyper. fr. 120; Harp. s. alKlao; MKTJ; Beck. An. I 355. 366 ; Suid. s. ilPPlo;; [Plut.) X Redn. 844 D ; Aristoph. Wolk. 495 f. 1297 ; Vö g. 1046 f. m. Schol. ; Ekkl. 663. Klagen wegen schlech ter Behandlung der E ltern sin d brll.IISolCll b1KCll mit Strafe, n icht En tschädi gung: Xen. Mem. 11 2, 1 3 u. ö.
1 58 daß der Ehemann, der einen fJOlXO auf Prostitution (Aischin. I 195 m. Schol. ; Lyk. fr. 18 ; Beck. An. I 310 ; Suid. s. bOlC1�laoia, l>oKI,.,mOa€l�) meint die Feststellungsklage auf Vorhandensein der Atimie, die aktuell wird, wenn ein solcher Mann sich in der Volksversammlung als iTl'iTl�IO'> gebärdet. - Das Gesetz Lys. XXII 2. 5 f., das OlT01l'lDAOi bei Wucher mit dem Tode bedrohen soll, meint natürlich erst recht keinen abgegrenzten Stand, dem verboten wird, was anderen erlaubt ist (vgl. a. a. P TlToP UCll y pa'll n ;
O.
6).
3) Vgl.
u.
§ 81.
187 !laß Vereine alles beschließen und vereinbaren können, was nicht gegen die bllPOO'IU YPU/l�taTU verstößt, d. h. gegen das kodi� nzierte Recht zuzüglich aller in Kraft stehenden Psephismen. Es werden damit ausdrücklich als juristische Person im Sinn der Demen und Phratrien anerkannt Kultvereine, Berufsvereine wie VUOT<Xl oder lITt �EIUV � Eie; l/lITopluV OiXO.uEVOl l) , ge8ellige Vereine (O'UO'O'iTlOl) und Begräbnisgenossenschaften (OpOTUcplOl) - im 4. Jhdt. ist dann der Begriff der EPUV01, lPUVIO'TUI geläufig als Verein zu gegenseitiger Unterstützung (Plat. VOll. XI 915 E). Verboten ist demgemäß die Bildung von hU1PEiul zur Beseiti gung der demokratischen Verfassung (Demosth. XLVI 26), zu mal nach den Erfahrungen am Ende des 5. Jhdts. Wenn jene Formulierung des Caius genau und erschöpfend ist, stehen die Vereine besser als die bürgerlichen Einzelpersonen ; diese durften, wie gesehen, insofern durchaus nicht alles tun, was nicht gegen die bl1/l00'1U ypu.u.uUT<X verstieß, als auch jede nie verbotene Tat zum Gegenstand einer Anklage gemacht werden konnte und es lediglich von den Geschworenen abhing, ob sie sie als &blKIU willkürlich bestrafen wollten. Wir finden also Vereins bildung für wirtschaftliche Zwecke wie die Pachtung eines Zolles (Andok. I 133), unpolitische t1:U1PEiut im allgemeinen ([Plat.] Axioch. 364 A), Berufsvereine , der Ärzte (IG II 2 7 72), der Rheder (II 2 1012 ; II 1 1339), der Schauspieler, Musiker usw. 2) , ein KOIVOV TWV lpYUZ:O/lEVWV (II 1 1332), farblose lPUVIO'TUP) und ungezählte Kultvereine : neben " 1) E!� AE{CXV o!X6 IEVOI sind natürlich hocharchaisch, nach der Erstarkung der Staatsgewalt unter der Tyrannis sicher nicht mehr vorhanden. 2) TexvlTcxl TOO �IOVUOOU : Athen. IX 407 B ; IG II z 1105 f. j 1132 ; 1334, 16. 66 ff. ; 1320 ; 1330 f. ; 1838 ; 1349 ; add. 133 1 ; II 1 1338 ; 1351 ; Fouill. de Delph. 1lI 2, 4,7 ff. 68 ff. , , 3) IG II t 1265 ; 1291 ; 1345 ; 1369 ; 1553, 9 f. 23 f. ; 1556, 27 ; 1557, 105 ff. ; 1,5!>8, 20 ; 1583, 33 f. ; 2354 ; 2699 ff. ; 2719 ; 2721 f. ; 2743 ; 2763 f. ; 11 1 1330 ; 3308 ; Suppl. 1328 c.
188
den genannten Orgeonen 1) und Thiasoten 2) begegnen solche für die verschiedensten Kulte, wobei man freilich damit rechnen kann, daß hinter den von Göttern genommenen Titeln der Ver eine gelegentlich andere Zwecke, namentlich berufliche stehen, was für , Asklepiasten und Dionysiasten sehr nahe liegt 3 ). Die Titel der Thiasoten. und Orgeonen werden nicht scharf ge schieden 4) : IG II 2 1316 nennt sich derselbe Verein bald so bald so, die Verehrer der Bendis wechseln auch mit dem Titel S) und sie sind überhaupt kein alter Verband von Orgeonen, sondern erst mit dem Eindringen der fremden Götter entstanden. Das letztere gilt auch von den Verehrern der großen Mutter und den o. Anm. H. genannten Vereinen, in denen sich eine Gruppe von befreundeten FamiHen zusammensch1ießt. Ferner haben wir farblos gesellige Vereine wie die �a\ Ta),El� II 2 1267, die �EKab\(J'Tai 2701, die O'U"j"K),\vOl II 2 2350 und O'UV8UT0l 2360; ferner solche lokalen oder landsmannschaftlichen Charakt'ers, wie die Para1ier II 2 1254, die rU1Ta),�TTlOl lv aO'TEi I 2 189, 10 ff., die A),tl.IOUO'lOl lv aO'TEi Demosth. LVII 1 0 6), vermutlich auch die TTPOO'-
•
1) IG 11 2 1252 f. ; 1255 1. ; 1259 ; 1284 ; 1289 ; 1294 ; 1314 ; 1316 ; 1324 .; 1327 ff. ; 133 4 ; 1337 ; 1361 ; 1599 ; 2355 (eine Gruppe von Familien) i 2499 ; 2501. 2) IG II • 1261, 1 ff. 25 ff. 44 ff. ; 1262 f. ; 1271 ; 1273 ; 1275 ; 1277 f. ; 1297 ; 1316 ff. ; 2720 ; 2343 ; 2345 (eine Gruppe von Familien), 2346 f. ; II 1 1328 ; 1331 j Suppl. Ep. Graec. 11 9 f. ; Isaios IX 30. 3) Sarapiasten IG 11 2 1292, Asklepiasten 1293 ; 2353, Dionysiasten 1325 f., Sabaziasten 1335, Heraisten 1339, Soteriasten 1343, Jobakchen 1368, Arte miasten 11 1 Suppl. 1334 b. Hierher gehören die Ainphierasten von Rham nus II 2 1322, die Eikadeer 11 • 1258 j 1596, 1 2 ; 2631 f� wohl auch die Ar leder II 2 2633, die Plyneer 11 1 1327 und die Etioniden TI OA��I. I 44 ff. n 2. Im späten 3. Jhdt. nehmen die Kulte zur Verehrung speziell zu wandernder Götter rapide zu : Ferguson, Hell. Ath. 220 ff. 4) Vgl. Wade-Gery, Class. Quart. 1931, 1 f. Suppl. Ep. Graec. 111 127, bzw. 11 2 1255 f. ; 5) IG II 2 add. 1317 b 132 4 ; 1361. 6) Also echte Landsmannschaften, Familien aus bestimmten Dörfern , die in der Hauptstadt wohnen. =
189 1f\(r",a IG II 2 832, 12 ff., das den Personen, denen die lebens längliche (JlTI1(JI\; im Prytaneion bewilligt war, eine UnterstUtzung 1) Die Überlieferung nannte Solon und Peisistratos (Plut. Sol. 31 ), es ist sehr unwahrscheinlich, daß ein Verdienst des Vaters der Demokratie nachträglich auf den Tyrannen übertragen worden ist, das Umgekehrte liegt sehr nahe. 2) IG I 9 1 in der Ergänzung Suppl. Ep. Graec. 111 1 zeigt den Aus druck dbUvQTOI : Kleruchen in Salamis, die dbUVQTOI werden, sind von Steuern und Heeresdienst frei, eine Armenrente wie im 4. Jhdt. folgt nicht daraus. Schol. Aischin. I 103 führt auch dieses Gesetz auf Solon zurück. 3) Ein Obolos Lys. XXIV 13. 26 i Philoch. fr. 68 i zwei Obolen Aristot. 49, 4. Irrtümlich drei Obolen Schol. Aischin. a. a. O. Die Vorbedingungen Aristot. a. a. O. i Lys. XXIV 1. 4 ff. 10. 16 i Beck. An. I 200 . Die Betonung des guten Lebenswandels im Prozeß um die Rente Lys. a. a. O. 1. 15 1f. 24 1. u. ö. beweist keine gesetzliche Vorbedingung auf dem Gebiet der Moral. - Die Zahlung erfolgte in Drachmen (Xen. Hell. 11 3, 48), im 4. Jhdt. einmal in der Prytanie (Aischin. I 104), im 3. Jhdt. bei 12 Phylen also monatlich mit 9 Dr. (philochoros' Zeit : Harp. s. dbuVQTOI). Beides zeigt, daß der Betrag von 2 Obolen pro Tag abgerundet wurde, bei Pry tanien von 35 und Monaten von 29 Tagen ging dieser Satz nicht auf volle Drachmen auf. 4) Lys. a. a. O. 13. 22 1. ; Xen. a. a. O. 5) Lys. a. a. O. 26 i Aristot. Harp. a. a. O. 6) Lys. XXIV ist eine Rede in solchem Prozeß ; vgl. Isokr VII 54.
195 zuspricht, wenn sie in einen - wohl unverschuldeten - Not stand geraten. Die UnterstUtzung umfaßte zeitweise auch die Ausstattung der Töchter. Eine dahin gehende Regelung zitiert lange vor jenem 41�q)1 €KdTY) (�",€pa nach der Geburt) : Demosth. XXXIX 20 ; XL 28.
200 tikon führen, nicht den Vatersnamen, um die alten Geschlechter auch äußerlich zu nivellieren. Dem widerspricht kraß die Be hauptung a. a. O. 13, 5, daß seit Solon die lrrwvU/..tial der Bür ger genommen wurden von den TorrOl lv or� lYElU P lOUV, denn auch dies ist die Ersetzung des rraTp09Ev KaAE10'9at durch eine topographische Bezeichnung. Die einzige Erklärung ist, wie Beloch Griech. Gesch. I 2 2, 328 f. gesehen hat, daß die Demen ordnung peisistratidisch ist und die Quellen die in vorklei sthenischer Zeit begegnenden bl11l0TlKa irgendwie erklären mußten. Da wurde natürlich der gute Solon der Schöpfer des Systems, nicht der böse Tyrann, der vielmehr die neue Ordnung- mög lic hst wieder beseitigen mußte 1), um den Verdiensten des Klei sthenes Gelegenheit zu geben in der Chronik zu erscheinen. Das Verbot, den Vatersnamen amtlich zu führen, seine Ver� drängung durch das bllllOTIKOV, ist in Athen in historisch hellen Zeiten nicht befolgt worden, selbst in der Ekklesie erfolgt der Aufruf des Redners dreisteIlig (Schol. Plat. Gorg. 451 B), eine Vorladung vor Gericht nennt den Gegner allemal auch rrarp69Ev (Xen. Oik. 7, 3), die sogen. Richtertäfelchen, d. h. die Bürger ausweise des 4. Jhdts. (u. § 75), geben den Namen zwar nicht immer rrarp69Ev Kai TOU b�l-lou wie Aristot. 63, 4 ; Schol. Aristoph. Plut. 273 fordern, aber doch in der Mehrzahl der Fälle ; nicht selten freilich fehlt der Vatersname 2). Die ältesten Inschriften, wo man in erster Linie die Spuren der den Vatersnamen unterdrückenden Ordnung suchen wird, sind sehr spärlich" und in der Datierung z. T. so wenig ge sichert, daß hier die literarischen Zeugnisse nicht ganz zu ent behren sind. Sie lehren durch ihre nur bei einer zugrunde lie1) Ganz gegen sein Interesse, da er der l" eind der alten Geschlechter war. 2) Vgl. die erhaltenen Täfelchen IG II � 1835 ff. Wenn in der Dokima sie der Beamten nach Vater und D emos gefragt wird (Aristot. 55, 3 u. ö.), handelt es sich nur um die Feststellung der bürgerlichen Herkunft.
201 genden Urkunde erklärbaren Einst.immigkeit, daß in der An. klage gegen Themistokles dreistellige Namen im amtlichen Text standen 1) . Dagegen wird ein Gegner des Aristeides in analogem Zusammenhang zehn Jahre früher 2) nur mit Namen und Demo tikon genannt. Vor 500 haben wir den Ankläger des MegakIes nach dem kylonischen Frevel Plut. Sol. 12 mit einem echten Demotikon 8), vor allem Peisistratos selbst : lK 4I\Xa\MJV 4) , also kein altes Dorf, sondern ein erst durch die Demenordnung zum politischen B egriff geworden er Stadtteil von Brauron 5). Inschriften und literarische Texte zeigen einen festen Brauch : der eponyme Archon wird grundsätzlich nur mit d�m Namen genannt. Das ist so fest, daß literarische Quellen selbst bei ho monymen Archonten den zweiten Träger des Namens als lITt TOU bElva apxovTo� TOU IlETIi Tbv bElva bezeichnen. Amtlich ver wendet man hier ausnahmsweise das Demotikon : es begegnet IG I 2 124, um den Archon von 406/5 von dem Namensvetter von 412/1 zu unterscheiden (ebenso Aristot. 24, 1), später IG II 2 1634, 1. 6 bei dem Archon von 390/89 wegen des gleich namigen Beamten von 393/2, IG II 2 1474, 12 ff. bei dem Ar chon von 318/7 wegen des Homonymen 321/0, endlich II 2 665, 1 ; 666, 1 bei Nikias 6 )OTpUVEU� wegen des Nikias von 296/5 6). § 72. Sonst wiegt auf den Steinen für "fpallllaTEu�, l1T\(1TaTl'J� und Antragsteller der Psephismen der Personenname ohne Zu1) Krater. fr. 5 ; Plut. Themist. 23 ; Phot. App. Lex. Cant. s. dcrayy€A.ia. 2) Krater. fr. 6 bei Plut. Arist. 26.
3) Was neben anderen Dingen den kylonischen Frevel datiert, alles Sträuben der Modernen hilft nichts, vgl. später bei der Behandlung des Falles anläßlich der richterlichen Hoheit der Beamten. 4) Plut. Sol. 10; Plat. Hipp. 228 B ; Beloch a. a. O. 330 f. 5) Solon hat natürlich kein Demotikon, das Wort LaA.af.!ivIO� ist kein sol ches und überhaupt Konfusion (Diog. Laert. I 45). 6) Dreistellig begegnet er 668, 17 ff. mit seinen zwei -rrd PEb p O I zusammen, aber nicht in der Datierung, sondern nach Ablauf des Amtes in einer Eh rung.
202 satz im 5. Jhdt. absolut vor 1). Bis zur Generation des peloponne sischen Krieges haben wir für den ypallJ.laTEU� das Demotikon nur IG I 2 50, 3 ff. und wahrscheinlich I 2 22 und 37. Im letzten Vier tel des Jahrhunderts wird dieser Zusatz bei i hm wenigstens in den Ü berschriften häufiger 2), daneben erscheint vereinzelt der Vaters name als einziger Zusatz 3) , etwas häufiger ist die Verbindung beider4). Im Text hat der ypaJ.lJ.laTEu� das Demotikon IG I 2 125 und 126 (= II 2 1), der Epistates nur in letzterem Text. Ein Epistates mit Vatersnamen ohne Demotikon begegnet in der Athen. VI 234 DE zitierten Urkunde, die in diese Zeit gehört, wenn der .Antragsteller der bekannte Alkibiades ist. Normal aber herrscht in Inschriften, die in der Überschrift die Namens� form erweitern, im Text die alte Einstelligkeit weiter, in I G I 2 1 2 5 f . gehen in der Präambel beide Formen durcheinander. Die Beamtennamen auf den Steinen der Hellenotamien zeigen zuerst den ypaJ.lJ.laT€u� mit dem bloßen Namen (IG I 2 191 ff.), seit 450 herrscht der Zusatz des Demos für ihn und die Helle notamien selbst (194 ff.), seit 439 begegnet wiederholt der drei stellige Name (210 ff.), aber daneben das Demotikon ohne Vaters namen (216 ff.). Auf den Übergabeurkunden der Ta!l(al Tfl� 9EOÜ (232 ff.) sind die den Bestand vorrechnenden Beamten, meist ö bEiva Kai O'uv&pXOVT€�, fast stets mit dem Demotikon aufgeführt, ausgenommen die letzte Urkunde des Pronaos (255) und viel leicht die von 429/8 (237), die den dreistelligen Namen bzw. den Raum zu seiner Ergänzung aufweisen. Die den Bestand über nehmenden TaJ.l(al werden ebenso aufgeführt, dreisteIlig nur 419/18 (267), die früheren Tall(al, von denen die Berichterstatter die Ob1) IG I 2 allenthalben, dazu IG XII I, 977 ; zur Chronologie dieser Ur kunde s. Amer. Joum. Arch. XVII 265 '. 2) IG I 9 76 ; 1 10 ; 115 ; 124 ; 126 ; 144. 3) IG I I 81. In 77 und 87 ist unsicher, ob dieser oder der Demos ZU ergänzen ist. 4) IG I 9 82; 84 ; 96 ; 109.
203 jekte übernomme n haben, zeigen das Demotikon nur einmal (240), die zum Schluß alles übernehmenden Hellenotamien sind drei* stellig (255). Dagegen ist der lpa/J/JaTEUr; des berichtenden Kol legiums meist dreistellig genannt, nur mit dem Demotikon ledig lich 232, 253 (?), 254, 267, der der früheren Ta/Jlal ebenso (zwei stellig nur 266 f.), der der neu antretenden desgleichen (zweistellig nur 232, 267, 277, 281). Bei der Aufzählung der tnETEla ist der rp CJll/JaTEUr; zweistellig nur 232 und 272, sonst stets dreistellig. Man sieht, daß man den Vatersnamen gelegentlich unterdrückt, nicht das Demotikon. Oft sind zwei 'fpa/J/JaTEir; in derselben Ur kunde verschieden behandelt, häufiger noch die Tal1ial selbst und ihr lpa/J/JaTEUr;. Es herrscht die Tendenz, den letzteren als den eigentlich datierenden Beamten recht genau zu bezeichnen, es gibt aber offenbar keine Vorschrift über das Patronymikon, nur der Demos wird seit der Mitte des 5. Jhdts. regelmäßig gesetzt. In den Kassenabrechnungen der Ta/Jiat Ti'jr; geoü und der TWv ä)'Awv gewv zeigt sich das gleiche Schwanken zwischen der Drei stelligkeit und dem Zusatz nur des Demotikon. Der npÜJTOr; lpa/Jl1aTEUr; des Rates in den Datierungen ist dreistellig IG I 2 295, 1 ff. 13 ff. ; 296, 1 ff;, zweistellig 304, 1 ff. und 310, 88 ff. Der Eponym des Kollegiums selbst (6 beiva Kai (JuvapXOVTEr;) ist 297 dreistellig, sonst zweistellig 1), sein lpa/J/JaTeUr; zweistellig (293?, 297, 304, 310) oder dreistellig (295 f. 298. 302). Die die Zah lungen empfangenden Strategen und mlpebpo1 2) sind 295 ff. wohl alle zweistellig, 302 meist dreistellig, z. T. auch noch zweistellig, 304, 17 einmal einstellig, 304, 34 ff. zweistellig, ebenso die anderen 304 genannten Beamten. Man erkennt : die Einstelligkeit ist im Ab sterben, die Dreistelligkeit verdrängt die Zweistelligkeit durchaus nicht, ist aber im Aufstieg, das Patronymikon ohne Demotikon Wird vermieden. 1) IG I I 295 f. ; 298 ; 302 ; 304 ; 310, wohl auch 293. 2) Nämlich der Hellenotamien, vgl. später bei der Stellvertretung der Beamten.
204 Dagegen nennen die Epistaten von Eleusis den rrpwTo� YP <X/l /l<XTeu� des Rates einstellig IG I 2 311 ; 313, 174 f.; was schon zwanzig Jahre vorher bei den T<X/Jl<Xl Tij� geoD nicht vorkommt, sich selbst und ihren yp<X/l)l<XTeu� zweistellig (311 ff.). Die Lo gistenurkunde IG I 2 324 verteilt die Namensformen .!5enau so/ gibt aber einem T<X)li<x� TWV a??.. w v gew v bald drei Stellen (Z1. 55f. 82), bald eine (80 f. 99). Um kleinere Kollegien zu übergehen : in den Abrechnungen für den Bau des Parthenon (IG I 2 340 bis 355) wird der 1tpttTO� yp<X)l/l<XTeu� des Rates einstellig genannt 340, 349 und 351 ff., zweistellig 347, der YP<X/l/l<XTeu� der Bau epistaten zweistellig 340, 343, 346, der EurYP<X)l)l<XTEU� stets ein stellig, die Epistaten selbst, soweit die starke Zerstörung der Texte ein Urteil zuläßt, wohl immer zweistellig, ebenso die da tierenden yp<X/l)l<XTe'i� anderer Behörden, die an die Epistaten zahlen 1). Die Epistaten der Propylaien haben 363 ff; für ihren Sekretär und wohl sich selbst zweistellige Namen, für den YP<X/l )l<XTeu� des Rates die Einstelligkeit. Die Epistaten für die ay a?. )l<XT<X, nach 421 amtierend und damit jünger als der Durchschnitt der bisher besprochenen verwandten Behörden, nennen sich und ihren Sekretär gelegentlich dreisteIlig, meist aber sich und den YP <X)l)l<XTeu� des Rates zweistellig (370), die Epistaten, die 372 über das Inventar des Erechtheion berichten, nennen alle Per sonen zweistellig, ebenso die E1tUJ"T clT <Xl rro/lrre(wv 379. Die Po leten führen 325 ff. die Namen der Verurteilten meist drei stellig an, einmal zweistellig 2). Architekten, Künstler, Unter nehmer und Arbeiter erscheinen in den Bauurkunden meist zwei st...ellig (273 ff.), aber noch 369, 13 j 374, 230 einstellig. Der ungleiche Erhaltungszustand der Texte aus verschiedenen Jahrzehnten verbietet eine Statistik, der Gesamteindruck ist aber 1) Tamiai 340 j 342 j 847 ; 352, Hellen otamiai 342 f. j 347 f., Praktores 350 usw. 2) IG I � 331 , 7, atio keine der ältesten erhaltenen Urkunden der Gattun g.
205 z weifellos der, daß es keine bindende Vorschrift gegeben hat, wie der Bürger in amtlichen Urkunden zu heißen hat, sondern nur einen lebendigen Sprachgebrauch, der sich im Urkunden stil spiegelt. In den Präambeln der Psephismen lebt die Ein stelligkeit bis in die zweite Hälfte des 5. Jhdts. herrschend fort, in der Zeit des peloponnesischen Krieges kommt die Zwei stelligkeit auf, ganz vereinzelt die Dreistelligkeit. Behörden pflegen schon in der Zeit der großen perikleischen Bauten die Namen zweistellig zu geben und machen im peloponnesischen Kriege der Dreistelligkeit stärkere Konzessionen, aber selbst hier dringt immer wieder einmal die Ei�stelligkeit durch. Nur die Form der Zweistelligkeit, daß das Patronymikon gesetzt und das Demotikon verschwiegen wird, ist verschwindend selten, sie ist wirklich praktisch so gut wie unterdrückt zugunsten der Nennung nur des Demotikon j nur neben letzterem faßt der Vatersname langsam Fuß 1). Amtliche Texte außer den Präambeln und den Abrechnungen der Behörden haben selten Gelegenheit, Namen in einer für uns lehrreichen Form zu geben. Immerhin sei auch hier erwähnt, daß lange die Einstelligkeit bleibt, fü·r den Oikisten von Brea (IG I 2 45, 8), für Personen, die Aufträge von der Ekklesie er halten 2), die vaunrrrol im Neorion (74, 16), andererseits wird 108, 38 f. ein Stratege zweistellig genannt, ebenso wohl 50, 3 ff. der TpallllaTElJ� des Rates. Jedoch wird um 430, also als die Behörden leise anfangen, dreistellige Namen zu gebrauchen, auch· die Aufstellung einer Lfste (von Trierarchen?) rraTp6eEv 1) Aus literarischen Quellen haben wir in zitierten Urkunden zwei stellige Namen Aristot. 29, 1 j 34, 3 j 38, 3, ein en einstelligen 29, 3, alle drei Fonnen [Plut.] X Redn. 833 E. 834 A und wohl Plut. Alkib. 22 - alles aus dem letzten halben Menschenalter des Jahrhunderts j das Bild ent spricht durchaus dem d er Inschriften. Ungewöhnlich sind die drei Namen nur mit Patronymika Thukyd. IV 119, 2. 2) IG I 1I 54, 13 f. j 76, 60.
206 TOU b�/loU angeordnet (75, 6. 38), ein Zeichen wie das Volk selber der Notwendigkeit sich anpaßt, unter 30000 Bürgern schärfer zu unterscheiden als in den engeren Verhältnissen der früheren Zeit nötig war, eine andere Liste hat stets Namen und Patronymikon, also die seltenste Form 1), die Gefallenen listen haben nur die ·Namen (IG I 2 928 ff.), typisch ist endlich die Art, wie die gegen Syrakus in See stechenden Strategen IG I 2 302, 41 f. in Suppl. Ep. Graec. III 34 auftreten : einer einstellig, einer zweistellig, einer dreistellig 2). Steine, wo Privatpersonen o der Beamte außer Dienst (auf Weihungen) zu uns reden, zeigen erst recht ein starkes Schwan ken. Weihende und Künstler nennen sich lange mit einem Namen S), Name und Patronymikon ohne D emotikon erscheinen in ar chaischen Texten 4), aber auch durch das ganze 5. Jhdt. hindurch, also ganz im Gegensatz zu den amtlichen Texten 5). Die Zwei stelligkeit mit dem Demotikon allein begegnet auf einem ar chaischen Text (421), bei dem Polemarchen von 490 (609) u. ö. 6), die Dreistelligkeit erscheint nicht vor der Mitte des Jahrhun derts, immerhin ein Jahrzehnt oder mehr vor ihrem Auftreten in den staatlichen Urkunden 7). Die Choregen nennen sich auf ihren Siegesanathemen teils mit dem Vatersnamen (769 f. ; 770 a), teils mit dem Demotikon (771 f. ; vgl. Plut. Themist. 5), nie mit Kai
1) Sie ist nach Phylen geordnetj eine Liste von Diaiteten kann es nicht s ein, da die feste Ordnung des Diaitetenwes ens jünger ist (vgl. später bei diesem). 2) Die Ergänzung stammt von West'j auch wenn wir die Angabe der Richtung der Expedition streichen und so Platz gewinnen, bleibt die Nennung der Namen ungleich. 3) IG I t 392 1. j 400 j 408 ff. 4) IG I i 4J9 ; 467 ; 469 ; 472 ; 480 ; 483 ; 485 1. ; 761. 5) I G I \I 499 ; 504 f. ; 508 f. ; 527; 529 ; 534 ; 536 ; 544 ; 556 ; 572 ; 574 ; 585, 589; 598 usw. bis 778; 816 ; 819; 828 aus dem Ende des Jahrhunderts. In offiziell ist auch der Zusatz des Geschlechtsnamens I � 502. 6) I G I \I 575 ; 602 f. ; 650 ; 657 ; 667 ; 757 usw. . 7) Der KÜnstler von I G I \I 400 ; ferner 474 ; 525 ; 535; 546 ; 571 u. Ö.
207 beiden, aber ihre btMO'KCXAol stets nur mit dem Eigennamen (a. a. 0.). Die Ostraka vom Scherbengericht IG I 2 908 ff. haben schon i. J. 487/6 teils Namen und Demotikon, teils die Dreistelligkeit (908, vgl. 914), i. J. 485/4 nur Namen und Patronymikon, i. J. .482 und 470 das Demotikon, noch i. J. 443 (911) gehen alle mehr stelligen Formen durcheinander. Die Grabsteine haben am selten. sten die amtliche Zweistelligkeit (z. B. I 2 1070 ; 1072), öfter nUr den Vatersnamen oder die Dreistelligkeit 1), meist nur den Namen des Verstorbenen selbst (vgl. I 2 970 ff.) . § 73. Die Entwickelung seit dem 4. Jhdt. zeigt zunächst bei den sogen. Richtertäfelchen, d h. den Bürgerausweisen, öfters die Zwei., überwiegend die Dreistelligkeit (IG 11 2 1835 ff. ; o. S. 200). Lehrreich ist es, wieder ' die Präambeln der Rats- und Volksbeschlüsse zu verfolgen 2). Die TPCX�j.tCXT€\� und dVCXTPCXq>€\� S) zeigen folgendes Bild : bis 386 haben wir in Präambeln, deren Namen erhalten oder ihrer Länge nach sicher sind, 14 ein stellige, 12 zweistellige 4), 5 dreistellige, 386-377 4 einstellige, 2 zweistellige, 5 dreistellige, 377-352 nur noch 2 einstellige, 8 zweistellige, aber 29 dreistellige, 352-336 fehlen die ein stelligen, es gibt 4 zweistellige und 25 dreistellige. Von 336 an bis 317 haben wir noch einen einstelligen Namen (IG 11 2 385), einmal Namen und Patronymikon (365), 7 normal zwei stellige und 40 dreistellige, später herrschen die letzteren ab solut. Mehr als ein sich wandelnder Usus liegt nicht vor, es läßt sich auch nicht erkennen, daß mit dem Wechsel der herr•
1) Diese auch in der Grabinschrift des His torikers Thukydides: Marcell. Thukyd. 16. 55 ; Anon. Vita Thukyd. 10. 2) Nach IG II 2 1 ff., ergänzt durch Ditt. Syll I B 158 ; IG 1I I 1534 B ; VII 4252 f. ; Suppl. Ep. Grllec. III 71 ; 86; 88 und die delischen Inschriften ; vgl. Dinsmoor, Arch. of Athens 7 fr. 3) Die Inschriften der letzteren nach der Chronologie von Dinsmoor . a. a . O. 17 ff. 4) D. h. Name und Demotikon. ,
208 schenden Partei der Gebrauch sich änderte : der eine einstellige Name IG II 2 385 ist wohl ein Aristokrat 1), die zweistelligen drängen sich auch :noch einmal in dieser Zeit (II 2 380 ff. ; 387 f.), es sind z . T. Aristokraten von Kassandros' Richtung, die die "kleisthenische" Form anwenden (387 f.), aber 380 ff. schwankt der Gebrauch für die Sekretäre in derselben Inschrift, genau wie früher im Text einstellige, in der Überschrift der Stele zwei bis dreistellige Namen erscheinen 2). Eine ähnliche Prüfung ergibt für die Epistaten der Präam beln bis 377 v. Chr. : 19 einstellige, 1 1 zweistellige und viel leicht (II 2 70) einen dreistelligen. Von 377 -352 haben wir nur noch einen eInstelligen Namen, dageg-en 14 zweistellige, von da an herrscht die Zweistelligkeit absolut 3). Die npoEbpOl, die seit der Mitte des Jahrhunderts zunehmend genannt werden; sind von 336 stets zweistellig, 336 - 317 haben wir 23 zwei stellige gegen 5 dreistellige, bis 300 haben wir nur noch 8 zwei stellige Namen und Namengruppen 4) gegen 21 dreistellige, dazu den Fall II 2 502, wo der erste n p oEbpo\;, d. h. der Epistates dreist�llig, die (]'uj.mpoEbpOl aber zweistellig auftreten, nach 300 herrscht die Dreistelligkeit (vgl. auch Diog. La�rt. VII 10), nur daß regelmäßig die (]'uI-mp6EbpOl, wo sie aufgezählt werden, zwei stellig sind 5) . Schärfer sind die Übergänge bei der Nennung des Antrag stellers. Lange Zeit herrscht der Eigenname allein, 354/3 er scheint zum erstenmal die Dreistelligkeit (II 2 136), 353/2 die ZweisteHigkeit (139). Es folgt eine ganz kurze Periode - des 1) Wenn die Inschrift 321/0 gehört : Dinsmoor a. a. O. 25. 2) O. S. 202 j dazu IG II 9 2 j 1 3 j 17j 32 j 37 usw. 3) So auch Demosth. XXIV 71, der einzeln genannte 1Tp6ellpo� ist der Epistates. 4) Wenn mehrere 1Tp6ellpol genannt sind. 5) IG II 2 697 j 700 ; 727 ; 730 j 797 j 800 j 832 ; 852. Kaiserzeitliche Ab weichungen wie 1072 und 1077 gehen uns hier nichts an.
209 Schwankens zwischen der Ein- und Dreistelligkeit, die erstere erscheint das letzte M al 347/6 (II 2 114), dann herrscht die letztere 1). Hier allein kann man bei der einzigartigen Plötzlich kei t des überganges an ein ljJ�cpl(Jlla denken, das anordnete, den Antragsteller rraTp69Ev Kai TOV b�1l0U zu nennen, wobei es einige Zeit dauerte, bis der Gebrauch auch den Steinmetzen i� Fleisch und Blut übergegangen war 2). Aber in allen anderen Fällen von oben liegt nichts vor als ein Usus. Die übrigen Stellen, die in Volksbeschlüssen Personen zu nennen haben, ändern das Bild nicht, ein Verzeichnis wohl von Kleruchen soll I G II 2 30 c rroTp69EV [K�\ TOV btillOU] aufgestellt werden, Gesandte erscheinen zweistellig S). Auch nach den sieb ziger Jahren bleibt das Bild, die Zweistelligkeit herrscht 4), amtierende Personen erscheinen wenn unmißverständlich oft noch einstellig 5). Eine Namensliste II 2 143 hat bereits die Drei stelligkeit, seit der Zeit Philipps tritt diese stärker hervor : ein Epimelet 215, 9, ein Architekt 244, 45 f. ; daß eine Liste von Epheben und ihren Lehrern rraTp69Ev Kal TOV b�lloU aufgestellt wird, ist nichts N eues (478, 28). Die Zweistelligkeit ist seltener 8), amtierende · Strategen usw. begegnen noch gern einstellig 7). Letzteres bleibt auch noch weiter im Gebrauch 8), sonst kommt der Name ohne Zusatz nur noch ganz vereinzelt vor (z. B. 354 ; 411), auch die Zweistelligkeit (360, 45 ; 410, 16 ff.) wird gegen1) Vgl. [plut.) X Redn. 848 D. 850 F. 851 DF ; Diog. Laßrt. a. a.
2)
O.
Nicht den Sohreibern, die Steine sind nach 403 keine Urkunden
im
technischen Sinn mehr, sondern Kopien mit einer gewissen Freiheit der Stilisierung (vgl. später im Zusammenhang der Legislative). 3) IG 11 • 34, 36 ff. ; 41, 16 ff. ; 43, 75 ff.
4)
Vgl.
11
I
102, 18 f. ; 116, 54 ff. ; 124, 20 ff. ; 127, 35 f. i 176 u.
tegen, Gesandte, u. a. 5) IG 11 9 104 ; 108 ; 110 ; 111, ] 8 ; 118, 7 ; 145 ; 150 u. 6) Vgl. etwa 11 • 204, 75 ff., 276.
7) IG II • 207 c 12 ff. 21 ff. j 218; 228, 1 1 ; 264. 8) IG 11 • 404; 408 ; 414 j 505, 81 ; 558, 5.
ö.
ö. :
Stra-
210 über der Dreistelligkeit selten, die mindestens bei einer ersten Nennung einer Person völlig vorherrscht. Im 3. Jhdt. fallen Ausnahmen auf 1), im ganzen ist eine kürzere Form nur noch üblich, wenn auf eine vorher dreistellig genannte Persönlichkeit im Text zurückverwiesen wird. Daß auch im Verlauf · der hellenistischen Zeit keine Vor� schrift für die Art der Anführung bürgerlicher Namen erlassen worden ist, zeigen die weiterhin begegnenden Ausnahmen von der nunmehr normalen Dreistelligkeit: Name und Demotikon 2), sogar ganz altmodisch Name und Patronymikon 8) treten auf. Die Einstelligkeit ist dagegen ganz selten 4) , jedoch werden IG TI 2 2336 die Beamten, die zur aTtapXtl beisteuern, ganz regellos
ein-, zwei- und dreistellig g enannt. Die literarischUberlieferten Ur.;. kunden zeigen dasselbe Bild : Dreistelligkeit mit Ausnahmen 5). In den M"(Ol der Beamten des 4. Jhdts. finden wir die Ein� stelligkeit oft bei Objekten, die allgemein bekannte Personen geweiht haben, z. B. Kleon IG 11 2 1425, 91, Iphikrates 1487, 40 j 1489, 6, Eubulos 1573, 74, ferner bei den Antragstellern von Gesetzen und Psephismen, auf die die Berichterstatter ver� weisen 6),
endlich bei amtierenden apxa(7) und gelegentlich
1) Ein Herold einstellig II � 678, 20, auvEbpo\ zweistellig 686, 23 f. und seltene andere Fälle. 2) I G II I 848, 1 8 ; 876 ; 878; 912 f. (z. Teil) ; 918; 950 ; 1006 (z. Teil) ; 1019, 13. 18. 41 u. Ö. 3) IG II !I 839, 49 ff. (Areopagiten und Private) ; 848, 22 ff. 36 hier als Abkürzung des Zl. 41 f. voll gegebenen Namens, der b 18 ff. zur normalen Zweistelligkeit abgekürzt wird wie 1035, 6. 12. 4) Ich konstatiere nur II D 839, 54 ff. 5) [Plut.] X Redn. 850 F. A51 D. 852 E ; Athen. VI 234 F ; Diog. L�rt. VII 12 usw. 6) IG II g 1632, 1 9 ; 1672, 11. 303 ; 1673, 65 - aber neben der Drei stelligkeit : 1629, 728 f. 7) IG I[ � 1607, 20 i 1672, 271 ff. ; an letzterer Stelle ist die Mehrzahl zweistellig. _.
211 früheren solchen 1). Die Trierarchen in den Seeurkunden sind meist zweistellig 2). In den Katalogen von Beamten (II 2 1696 ff.) haben wir Zwei- und Dreistelligkeit selbst bei der gleichen Be hörde (vgl. II 2 1706 und 1715) 8), auch Wechsel in der gleichen In schrift begegnet 4). In den Diadikasien über Leiturgiepflichten TI 2 1928 ff. herrscht die Dreistelligkeit. Eine Sonderstellung nehmen die Inschriften über die großen Agone ein, wo die mitkämpfenden Athener als Vertreter ihrer Vaterstadt gegen Ausländer oder als Vertreter einer Phyle gegen die anderer stehen. Hier ist also (vgl. z. B. TI 2 956 ff. allent halben) die normale Form dreistellig, aber statt des Demotikon das Wort 'Aet'Jvaio� oder die Phyle 5). § 74. Der Gebrauch der Schriftsteller ist abgesehen von Stellen, wo sie Urkunden zitieren oder benützen, mit Vorsicht zu ver wenden. Die Historiker haben kaum Anlaß, die auftretenden Personen mit der amtlichen Namensform vorzustellen; manche wie Plutarch und Diodor stehen den Feinheiten des athenischen Rechts sehr fern; aber auch Aristoteles, Thukydides und Xeno phon sind sehr zwanglos 6). Wichtiger sind die Redner, die die Schriftsätze ihrer Prozesse zu zitieren haben und im Text zum mindesten verraten, wie der Sprachgebrauch des täglichen Lebens war. Wir finden allent-, 1) IG II a 1487, 92 f.j 1631, �52. Vgl. die Nennung von Eubulos 1 627, 354; 1631, 231 und Demades 1629, 3!9. 698 einstellig bei Verweis auf ihre kommissarische Stellung zum Ankauf von Kriegsmaterial. 2) IG II ! 1604 ff. passim. DreiStclligkeit kommt vor: 1631, 347 u. Ö. 3) Vgi. die Listen von Buleuten 1697 ff. allenthalben : oft nur der Name, z. T. der Demos, z. T. statt dessen der Vatersname, ebenso 1742 ff. p assim. LEtztere Form auch bei der Liste der 'Il'dPEbpOl des Archon II a 1696. 4) IG II \I 1740 j 1742 j 1744 u. Ö. 5) Das gUt für alle Agone, auch Demosth. XXI 60 nennt im Zusammen hang mit Choregien den Bürger nach der Phyle statt des Demos. Das alles hat mit dem amtlichen Namenwesen nichts zu tun. 6) Vgi. z. B. die Liste der Ostrakisierten Aristot. 22, 4 ff. o der die Be nennung der Personen in der Erzählung 45, 1.
212 halben ein starkes Schwanken 1). Kläger und Beklagte erscheinen an Stellen, wo man einen korrekten Sprachgebrauch erwarten sollte, bald dreistellig, bald nur mit dem Demotikon 2), im Text der Reden meist in der letzteren Form 3) , aber auch einstellig 4) oder mit dem Vatersnamen ohne Demotikon (Andok. I 47). Zeugen im Text der /laP't'upim oder bei dem amtlichen Aufruf zur mündlichen Wiederholung des Zeugnisses in der Verhand lung haben bald nur das Demotikon 5), bald die Dreistelligkeit 6), bald stehen beide Formen nebeneinander ([Demosth.] LIX 23). Erwähnungen der Zeugen im Text geben oft die erstere Form 7)., a.ber auch nicht selten die . Dreistelligkeit B). Gläubiger und Schuldner, Erblasser und Erben, Vertragspartner, Bürgen · usw. zeigen daa Demotikon an Stellen mit amtlichem Charakter 9) und auch im Text der Rede 10). Angehörige und Verwandte, Freunde und · Feinde einer Partei erscheinen, wo nicht der bloße Name genügt, gern mit dem Patronymikon 11), anderswo wech selt dies mit dem Demotikon 12), meist begegnet das letztere allein 18), selten ist hier die Dreistelligkeit wie Lyk. 24. Bei Rückblicken auf die Erlebnisse solcher Personen in frUheren 1) Im fo lgenden gebe ich nur Beispiele. 2) D emosth. XXI 103; XXXIX 37 ; XLV 46. 3) D emosth. XLVII 28 ; Hyper. III 12. 28 f. 34 f. ; And ok. I 615. 4) Andok. I 13. 15. 35. 47. 5) D emosth. XXXV 13 ; XLVII 11 ; LVIII 33 ; LIX 40. 6) Aischin. I 155 ; Demosth. XLIV 8 f. 55 ; LVIII 35. 7) D emosth. XXI 82. 93. 107. 121. 168 ; XXIX 22. . 24 f. 28. 32. 84 ; LIX 47 f. 54. 61. 7 1 ; Lys. XXXI 16 ; Isaios III 22 f. 8) D emosth. XXXV 14. 20. 34 ; LIV 31 ; LIX 123. 9) D emosth . XXXIII 15. 22; XXXV 10; XLII 2 8. 10) Demosth. XLV 28; XLVIII 5 ; L 17 ; Lys. XIII 5 8 ; Isaios II 2 9 ; IV 9 ; VI 3. 27. 1 1) Aischin. I 150; Demosth. LVIII 67; Andok. I 117 ; IV 32. 12) Demosth. XXVII 4 ; LIV 7 ; vgl Plat. Apol. 33 E. 13) Demosth. XXI 1 74. 208 ; XXV 44 ; XXVII 14. 5 8 ; XXXVIII 17; XL 6 ; XLIII 3 . 1 9 ; L 27 ; LII X ; LVII 20 f. 37 f. ; L1X 58 ; Lyk. 22 f. ; Lys. XIX 1 5 f. ; lsaios 11 3. 9; VII 7; VIII 8.
213 Zeiten werden sie eingeführt teils mit dem Vatersnamen (Demosth. LVm 30), teils mit diesem und dem Demotikon durcheinander l), teils nur mir letzterem 2), teils in dieser Form und einstellig durcheinander (Hyper. m 1). Auch bei in irgendwelchen amtlichen Stellungen zu nennen den Personen wechselt der Gebrauch stark, so erscheinen Diai teten oft mit dem bloßen Namen S), oft mit dem Demotikon 4). Lys. XII 55 nennt zwei der Zehnmänner von 403, einen ein stellig, einen mit dem Demotikon, meist setzt man das letztere ohne Patronymikon : bei dem ßao'tAEu� [Demosth.] LIX 72, einem Strategen Lys. XXI 8, Buleuten Demosth. XXII 40. ; Lys. XXI . . 10, ebenso bei Choreuten Demosth. XXI 62, Trierarchen Demosth. L 41. 52 j Lys. XXI 9, aber auch das Patronymikon ohne Demotikon kommt vor : Lys. XXX 28 bei einem avaTpa TWV V6�lWV 5). Man sieht im allgemeinen das starke Vorwiegen der Zwei stelligkeit mit dem Demotikon und deutlicher noch die besondere
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Seltenheit von Patronymikon ohne Demotikon j das letztere ist die einzige nachweisbare Wirkung der o. S. 199 f. zitierten Ord nung des Namen wesens. Als das Normale empfindet man im 4. Jhdt. im lebendigen Sprachgebrauch die Dreistelligkeit 6), man kürzt nur gern ab und zieht dann das Demotikon allemal dem Vaters namen vor, selbst in den besten Familien ; der vornehme Peri patiker heißt stets Al1��TPlO� CPaAl1pEu� 7). 1) Demosth. XXX 60. 134 ff. ; Ep. III 24. 2) D emosth. XX 146 ; LlX 33 ; Dein. I 23. 58 ; Hyper. I 6. 21 ; II 46. 3) Demosth. XXIX 31 ; XLV 60; XLVI 5. 4) A. a. O. XL 16 ; XLV S ; XLVII 5. 5) Die Redner führen oft Personen mit anderen Zusätzen ein als den besprochenen, m it dem Namen eines alten Geschlechtes Demosth. XXI 182, dem Beruf a. a. O. XXV, 47 ; L 17 ; LlX 26. 28, als .den [Kolonisten] von Aigina" Andok. I 65, den Areopagiten Dein. I 53 U. a. - vgl. Demos'th. . LVIll 42; Isa.ios VIII 3. Da.s geht uns hier nichts an. 6) Demosth. XXXIX 9 ; XL M i vgi. Xen. Oik. 7, 8. 7) Plut. Demosth. 1 1 ; Diod. XVUI 74, S ; XIX 68, 3 ; XX 27, 1 u. Ö.
2 14 In der Komödie stellt man sich teils mit dem Demotikon vor, teils mit dem Patronymikon 1), der Gesprächston wechselt die Namensform mit Leichtigkeit 2).
e) 8ürgerpässe. § 75. Im 4. Jahrhundert hat Athen einen regelrechten Paß als Personalausweis für seine Bürger geschaffen, das mvaKlov, das modern so genannte Richtertäfelchen, das aber durchaus nicht nur für den Gebrauch des Heliasten allein bestimmt war. Die moderne Bezeichnung ist schon deswegen unglücklich) weil es im 4. Jhdt. keine feste Liste der Heliasten gab, sondern . jeder Bürger, der sich am bIKao'T�PIOV einstellte, geborener Heliast war. · Diese 1TlvaKla oder oUJ.'ßoXa dies ist amtlich, s. u. - dienen gewiß als Ausweis bei diesem Akt der Auslosung der Gerichts höfe aus den sich Meldenden am Morgen jedes Geriehtstages 3), aber auch bei der Auslosung der Beamten dienen sie offenbar als das Los des betr. Bürgers (Demosth. XXXIX 12) und die Ausweise, die jetzt bei dem Betreten der Ekklesie vorzuzeigen sind .), können auch nichts anderes sein, da wir weitere Arten von Ausweisen weder aus den literarischen Quellen noch aus Bodenfunden kennen 5). Die Täfelchen weisen durch die Buch-
1) An stoph. Ach. 406 j Wolk. 134. 2) Vgi. Plat. G org. 487 C. 3) Aristot. 63, 2. 4j 64, 1. 5 usw. 4) Ari stoph. Ekkl es. 291; eine Versamml ung ohne Kontrolle der PIl6 se i st tumultuarisch (Plut. Phok. 33). Bei der ou>.>.oYl'l TOO !n'lJ.lou findet nach IG II i. 1749, 75 fr. eine bldboO\� TWv oufJp6>.wv statt, eine (EinsammI ung und) Wiederverteilung der Pässe, natürlich anläßlich der Auszahlung des iKIU.110IaOTIK6v. Hier haben wir den amtlichen Namen der Pässe. 5) Diese ouJ.illo>.a haben wir IG Jl G 1835 fr. j d az u Amer. Journ. Arch. 1932, 292 f. ; vgl. Hommel, Heliaia 39 11'. Nach Aristot. 63, 4 waren sie aus Holz, die uns erhaltenen sind aus Metall. Das kann ein Unterschied der Zeiten sein, wenn auch nicht mit Hommel a. a. O. 40 ein Ersatz des Metalls durch das Holz spät im 4. Jhdt. anzunehmen ist. Metallersatz ist ein Zeichen der Not, was für das Athen der Zeit gewiß nicht zutrifft. Demosth. a. a. O. spricht freilich i. J. 548 (Blass, Att. Bered s. TII 1, 474) von Xa>'Klov, m ei nt also unsere Metall-
215
staben A-K, seit 307 A-M, jeden Bürger einer Abteilung der Heliasten zu (Aristot. 63, 4). Ferner tragen sie die Namen des Bürgers, stets mit dem Demotikon, in der Mehrzahl der Fälle auch mit dem Patronymikon, wie auch Aristot. a. a. O. angibt. Endlich haben sie meist einen oder mehrere Stempel ; es be gegnen an solchen eine Eule, eine Doppeleule, ein Gorgonen kopf, ein Frauenkopf, der erstgenannte gelegentlich zweimal auf einer Tafel. Es ist längst vermutet worden (vgl. Hommel a. a. O. mit Literatur), daß wir hier einen Reflex der Auslosung der Beamten vor uns haben, um unerlaubte Iterationen zu ver hindern. Das ist sicher richtig, wie Demosth. a. a. O. lehrt : zwei völlig gleichnamige BUrger bringen bei einer Auslosung von Beamten Konfusion, da man nicht weiß, welcher erlost ist, "außer wenn ein xaAKiov ein <J1'\/JEio v hat", d. h. wenn ein Paß bereits den Stempel flir das betr. Amt trägt, denn dessen In,. haber kann ihn nicht zur Auslosung einreichen, ohne daß er wegen Versuchs der Iterierung des Amtes abgewiesen wird" so daß nur der andere Homonymos Chancen hat. Die paar er haltenen Stempel auf bestimmte Ämter zu beziehen ist natür lich nicht möglich, nur die Eule muß, da sie allein zweimal auf einem Täfelchen erscheint, der Würde des Buleuten entsprechen, die jeder BUrger zweimal bekleiden konnte (Aristot. 62, 3). Die Pässe sind sicher von einer amtlichen Stelle ausgegeben worden. Sie sind nach der Beschriftung z. T. mit den Text einrahmenden Punkten versehen worden (IG Ir 2 1861 ff.), um eine Änderung des Namens zu verhindern, was nach einer amtlichen Maßregel aussieht ; ferner sind die Namen usw. frei von orthographischen Fehlern. Hätte jeder Lastträger und Tage,
,
täfelchen, aber unsere Exemplare aus Bronze reichen bis in d ie Zeit der 12 Phylen (da sie 12 Losungsgruppen für die Heliaia voraussetzen : M als höchste Zahl) und gehen sicher bis 400 zurück (s. u.). Man mag öfters ge wechselt haben oder d ie Demen (s. u.) waren in d er Wahl d es Materi al s frei.
216 löhner seinen Namen selbst eingetragen, wUrden die '1tlValCla genau so viele Fehler enthalten wie die Ostraka des 5. Jhdts. Andererseits zeigen. die manchmal vorhandenen, manchmal feh lenden Punkte, der manchmal vorhandene, manchmal fehlende Vatersname, daß nicht alle Pässe von einem Zentralbureau aus gegeben wurden, für das man bei der Führung der BUrgerlisten le diglich in den Demen ( 0. S. 71 f.) auch schwer ein Organ würde ausfindig machen können. Die Erklärung liegt damit auf der Hand : die Pässe wurden von den Demen bei der Eintragung in die Bürgerliste ausgestellt, der eine Demos war dabei etwas genauer, der andere weniger genau 1). Die Zuweisung an die einzelnen Richterabteilungen muß dann der Demos vorgenommen haben j da die Gruppen ungefähr gleich stark waren (Aristot. 63, 4), sicher ganz einfach so, daß jeder Demos bei jedem neu ausgestellten Paß den jeweils nächsten Buchstaben einfügte, immer von A-K, später bis M gehend und dann von vorn be ginnend 2). Die Zeit der Einführung der Pässe muß das frühe 4. Jhdt. gewesen sein. Einzelne von ihnen zeigen eben noch die Ge1) Solch ein Demos konnte auch das aöJ.I�o).ov eines Verstorbenen neu verwenden, wie es IG 11 11 1889 ; 1 898 geschehen ist. Der Besitz von zwei Täfelchen war strafbar (Demosth. XXXIX 12 }, immerhin sind zwei völlig identische (11 • 1 887) in einem Grabe gefunden. Vielleicht hat der Eigen tümer seinen Paß verloren, einen neuen erwirkt und hinterher den alten wiedergefunden, oder, da nur die eine Tafel ein Loch hat (zum iJ.l1t1lYVÖVUl bei der Richterlosung, s. u.), die andere nicht : er hat sich, als die neue Form mit Loch aufkam, einen neuen Paß besorgt und die Rückgabe des alten verbummelt. 2) Dann hatte, wie ohnehin zu erwarten, jeder Bürger einen solchen Paß. Ob er von ihm ' Gebrauch machte war seine Sache. Manche der er haltenen Pässe haben keine Stempel, die eine Beamtenstellung verraten, der lnhaber machte es dann wie Isokrates (XV 27), der keinen Ehrgeiz entwickelte, Pöstchen zu bekleiden. Daß es Bürger gab, die den Heliasten eid nicht geleistet hatten (Demosth. XXIV 21), besagt nicht, daß sie keinen Paß hatten, der Eid kam erst bei dem Eintritt in das Alter in Frage, das für Geschworene vorgesehen war.
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,
217
wöhnung der Schreiber an das voreukleidisch� Alphabet 1), zum Teil sind sie auch noch ohne das Loch, das zum Aufhängen der Täfelchen bei der Richterlosung dient (Aristot. 64, ,2). Das von AristoteIes 63 ff. beschriebene System ist nach Aristoph. Ek kIes. 682 ff. j Plut. 277 f. 1160 um 390 offenbar schon im Gange gewesen. Da eine Kontrolle in der Ekklesie bei der Einführung der Besoldung durch llClCAl')alaaTtlca unentbehrlich ist und diese um 400 begonnen hat 2), kommen wir auch für die Pässe auf diese Jahre. Die letzte datierte Erwähnung ist Theophr. Charakt. 6, 4, der mit den aUJ.lßoAa, die den freien Eintritt zu den Schauspielen eröffnen 3), nichts anderes meint u�d sogar im Unterschied von Aristot.eles den amtlichen Ausdruck verwendet. f) Die Leiturgien. § 76 Zu den Bürgerpflichten gehört in der klassischen Zeit das oft erwähnte Syst.em der Leiturgien, der nDienste" für den Staat, die von den Wohlhabenden geleistet werden und deshalb, als nur einen Teil der Bürger treffend, hier für sich behandelt sein mögen 4). Idee und Terminologie setzen voraus, daß der .
1) Vgl. Hommel a. a. O. 43 108. 2) Sie ist dem 5. Jhdt. unbekannt und wird nach der Restauration von 403 nach einigem Zögern eingeführt (Aristot. 41, 3), rasch von 1 auf 3 Obolen steigend. Der letztere Satz ist 392 schon erreicht: Aristoph. Ekkles. 183 ff. 292. 300 ff. u. ö. 3) Nämlich so, daß man gegen ihre Vorzeigung das 9EWP1KOV erhält (0. S. 197). 4) Das Wort AE1ToupY{a, AlJToupy!a (vgl. Beck. An. I 277).bedeutet an sich jeden Dienst am . Staate oder irgendeinem größeren Ganzen, wird daher auch in Zeiten, wo es amtlich für ganz bestimmte Lasten verwen det wird, in allgemeinerem Sinn gebraucht: für den Dienst als Soldat (Demosth. XXI 165), an Bord (a. a. O. L 35) - vgl. die Wendung Lys. XIX 58 : Leiturgien mit dem Geld und der Person - für Beamtenpfiichten (Demosth. XXXIX 9), selbst für gesellschaftliche Verpflichtungen (Isaios IH 80). In hellenistischer Zeit wird das Wort für die Amtspflichten der Beamten verwendet : IG II 11 682, 61 i 989 : 1 013, 49 ff. ; 1285; 1304, 3 f. ; 1309 a, wonach 417, 4 f. zu deuten und zu datieren ist, ebenso für den Wachdienst und andere Obliegenheiten der Epheben : II 11 1028, 28 ; 1029,
218
Beamte, wenn nicht für seine Tätigkeit bezahlt, so doch frei von pekuniäre.n Aufwendungen auf Grund seines Amtes ist. In archaischer und dann nooh stärker in hellenistischer Zeit ist aber ein .solches Amt ein Opfer, die Trennung der Begriffe c:iPX� und AmouPTla ist notwendig demokratisch 1). Der Sprachgebrauch literarischer Quellen grenzt den Begriff der Leiturgie verschieden ab, schließt ElI1<popa und rrpoElI1<popa bald ein 2), bald aus 3), er wird sogar unter Ausschluß der Trierarchie ver wandt 4) wie unter ihrer Einbeziehung 5), fast allemal eingeschlossen ist die Choregie 6), aber selbst hier ist Demosth. XIX 282 eme Ausnahme, oft ist der Sprachgebrauch ganz locker 7). . 17; 1039, 22. 54 ; 1043, 47. - Die Leiturgien im technischen Sinn als Last der Wohlhabenden : [Xen.] 'AeTJv. wo>.. 1, 1 3 ; D emosth. xvrn 257 ; XX Hyp. II 1. 4. 9 ; 18 f. ; Isaios VII 5 ; XI 48 ; fr. 22, 1 ; Schol Ael. Arist. Panath. 195, 1 u. Ö. 1) Vgl. den Sprachgebrauch Isokr. VII 2 5 (auch XII 145) : früher war das IipXElv eine >,uToupyla und keine �1J.1Topla. 2) Lys. VII 31 ; XXV 12 ; Isokr. VIII 20. 3) Demosth. XXI 153; XXVII 64. 66 ; XLVII 54 ; Lys. XVIII 7; XX 23; Isaios XI 50. 4) Demosth. XX 151 ; XXI 151 f. ; XXVII 64. 66 ; Isaios VI 60 ; VII 38 ; Plut. Nik. 1 2 ; X Redn. 839 C j Xen. Oik. 7, 3 ; Theophr. Char. 22, 6 ; 26, 6. 5) Demosth. XX 1 8 ; XXI 1515 ; XXVIII 3 ; XXIX 7 ; XXXII 24 ; L 21 1 Lys. XXV 1 2 ; Isokr. VIII 20 ; vgl. IG 11 2 649, 12 ff. 21 ff. ; vgl. die Stellen der folgenden Anmerkung. 6) Trierarchie, Choregie und elaepopd als Einheit : Demosth. VIII 70 ; XVIII 257 ; XIX 230 ; Lys. XIX 29. 57 ; Isaios V 41 j Antiph. Tetr. A II 18 vgl. A 111 8. "Choregie, Trierarchie u. a. Leiturgien" : D emosth. XXXVIII 3 ; LyS. VII 31 und sogar IG 11 2 649 bei Dinsmoor, Arch. of Athens 7 f. , Zeile 21 ff. Choregie,' Trierarchie und XPl1lldTwv lmMauo: : [Demosth.] Ep. 11 1 2 ; IG 11 I 649 a. a. O. Zeile 10 ff. 51 ff. Choregie und Trierarchie:. Isaios VII 35 ; Zosim. Vita D emosth. Dindorf VIII 21. Chore gie, Gymnasiarchie und Trierarchie [Xen.] 'Ael1v. wo>.. !, 13. Choregie und Gymnasiarchie werden mit der Phylen- (nicht staatlichen) Leiturgie der tandTopEC; Demosth. XX 21 als lYKUK>'IOI >'ElToupylat der Trierarchie gegen übergestellt. 7) So bei Einschluß von Stiftung von Geld für patriotische Zwecke Lyk. 139 ; vgl. [Demosth.] Ep. 11 12, des Loskaufs kriegsgefangener Bür ger Demosth. VIII 70; vgl. XIX 230, aller Beweise staatstreuer Gesinnung
219 Die korrekte Abgrenzung des Begriffs ergibt sich aus der für die meisten Zeiten seiner Existenz wichtigsten Bestimmung des Systems, dem Verbot der Belastung einer Person mit mehr als einer Leiturgie in einem Jahre : Demosth. XX 1 9 ; XXI 155 ; L 9. Wir beobachten, daß sich Choregie und Trier archie als gleichzeit.ige Belastung gegenseitig ausschließen (Demosth. XX u. XXI a. a. 0.), beides sind also Leiturgien im technischen Sinne wie selbstverständlich. Dasselbe gilt von diesen beiden Leistungen und der npoEu1cpopa (Demosth. L 9). Dagegen schließt sich keine dieser Lasten mit der einfachen eiO'cpopa, der Vermögenssteuer, aus 1). pie letztere rechnet also . nicht als Leiturgie. Das Ergebnis bestätigt sich, wenn man sieht, daß die Klage auf aVTlboO'l� bei Trierarchie, Choregie und npoE10'cpopa, nicht bei der normalen Steuerpflicht vorkommt (u. § 77). Die drei ersteren Begriffe sind also echte Leiturgien und dazu natürlich die der Chotegie völlig gleiche Gymnasiar chie 2). Ferner gehört in diese Reihe bis nach der Mitte des 4. Jhdts. die Stellung der zehn Epimeleten der Dionysien, von denen Aristot. 56, 6 sagt, daß sie in seiner Zeit geloste Beamte mit einem festen Etatsposten waren, früher aber das Fest auf eigene Kosten, d. h. als AEITOUPTOÜVTE�, leiteten ; letzteres war nach Demosth. XXI 1 71 noch um 350 der Fall S). Die jüngste Demosth. XIX 282 ; vgl. PoIl. 111 67 oder gar der 1'lt'lfoTpocpia, um bei sportlic ? en Agonen vor Athen oder dem Ausland zu glänzen Lyk. 139 ; Xen. Olk. 2, 6 ; Sympos. 1, 2. 1) Demosth. XX 19. 28 ; XXIV 172; Lys. XIX 29 ; XXI I 1f. ; Isokr. X V 145. 2) Demosth. IV 36 nennt beidein·einem Atem,XX 21 faßt er die agonistischen Leiturgien als Einheit zusammen und bezüfert sie auf reichlich sechzig, eine Zahl, die die Chöre allein nie erreichen konnten ohneEinschluß deryuJ,lVaOlap x{al lIlit ihren Mannschaften von AaJ,l1Tab ocpe POlO der 1TUP P\(JTIXd�. Diese letzteren erscheinen denn auch als "Chöre" Isaios V 36 und sogar amtlich IG 11 1 1286 ; dasselbe ist 11 1 1383 ; [Plut.] X Redn. 835 B ; Lys. XXI 2 gemeint (für die kleinen Panathenaien, die keine musischen Chöre haben). Näheres . später bei der Besprechung des Kultus. B) Die Architheorie forderte oft pekuniäre Opfer, ist aber keine Leitur gie trotz Lys. XXI 1 1f. und Busolt 1219, da der apXIBewper; Diäten erhält,
220 echte Liturgie ist die
npoEuJ'q>opci,
ihre Schaffung stellte eme
Durchbrechung des noch von Demosth. XX 25 wiederholten Satzes dar, daß leiturgische
Aufwendungen niemals
durch
staatliche Kassen gehen. Das zitierte, eine überbürdung verhindernde Gesetz bestimmt weiter, daß jeder Pflichtige nur ein Jahr um das andere mit einer Leiturgie belastet werden darf (Deinosth. XX 8), zwischen zwei Trierarchien sollen nach Isaios vrr 38 sogar zwei freie Jahre liegen 1). Das Verbot der Kontinuierung und Kumulierung der Leiturgien ist in den Notzeiten des p eloponnesischen Krieges außer acht gelassen, aber nicht formell suspendiert worden. Lys. XIX 29 sagt ein Redner von sich, er habe in vier oder fünf Jahren - da er die Tendenz hat, seine Leistungen groß darzustellen, können wir ruhig sagen : in fünf Jahren - drei Trierarchien und zwei Choregien geleistet, also entweder · ohne freie Zwischenjahre oder mit solchen und unter Kumulierung von zwei Leiturgien 2). Noch krasser ließ der Fall Lys. XXI 1 ff. Der Redner hat geleistet 411/0 zwei Choregien, 410/9 und 403/2 je eine solche und zwei Gymnasiarchien, 405/4 je eine Choregie
und Gymnasiarchie,
dazu wohl 409/8- 403/2, jedenfalls sieben Jahre lang, die Tri erar" chie : eine ständige Kumulierung der Lasten. Er fügt aber hin zu (5), daß er mehr als das Vierfache dessen geleistet habe, was das Gesetz erforderte, setzt also dessen unveränderte theo retische Geltung voraus. Er spricht von neun Jahren (411/0403/2), bei günstigster Rechnung der Pflicht- und der Freijahre wenn auch unzureichende (vgl. Androt. fr. 4 ; IG II g 365 ; [Demosth.) Ep. III 10 bzw. Andok. I 182 ; Beck. An. I 199 ; Aristot. Eth. Nikom. 1122 A).
1) Wenn das stimmt : die Reden des Demosthenes und Isaios sind nahe zu gleichzeitig und die Tendenz der ersteren ließe erwarten, daß er diese weitere Erleichterung nicht verschweigt. Isaios a. a. O. sagt auch, daß man �früher" aUV€XÜH; Leiturgien leistete, was in dieser Form sicher falsch ist (s. u.). 2) A. a. O. 57 wird über die Zeit, über die sich sieben Trierarchien er streckten, nichts gesagt; dasselbe gilt von Isa.ios VI 60.
gäbe das vier Leiturgien, er zählt achtzehn auf 1) : gan� richtig, mehr als das Vierfache. Im 4. Jhdt. ist das Gesetz lange unbestritten, eine freiwillige Kumulierung von Choregie und Trierarchie durch Hypereides wird (plut.] X Redn. 848 E als Unikum hervorgehoben. Zer stört wurde das Gesetz und damit jede wirtschaftliche Vernunft in dem ganzen System erst durch Demosthenes' Neuordnung der Trierarchie, der diese den 300 1TPO€\O'q>EPOVT€� übertrug 2), also diese Art der Kumulierung jederzeit möglich, in der Praxis vermutlich zur Regel machte.
§ 77. Die Ablehnung einer Leiturgie kann erfolgen in den
, Zeiten, die das Gesetz über die Höchstbelastung achten, wegen Übernahme
einer anderen Leiturgie oder
Nicht-Ablauf
der
Schonfrist, der xPOVOt Tfi� aT €�Eia� (Aristot. 56, 3), bei Choregen für Knabenchöre - und sicher genau so bei Gymnasiarchen für Knabenriegen -, wenn der Pfli�htige noch nicht 40 Jahre alt ist (a. a. 0.). In solchen Fällen stellt das Gericht durch btabtKa<Tia
fest, ob die Pflicht besteht oder nicht S). Nach den
IG 11 2 1928 ff. erhaltenen Listen erledigter btabtKa<Tiat 4) lautete da.s Urteil stets, daß statt eines bestimmten Bürgers ein be stimmter anderer die Last zu übernehmen hat, das setzt für das Verfahren voraus, daß der von dem für die betr. Leiturgie zu ständigen Beamten designierte bzw. von der Phyle vorgeschlagene 1) Sieben Trierarchien, fünf Choregien, drei Gymnasiarchien, dazu rech net er eine dpX\9EWpla, die dpPl1qlopla seiner Tochter - beides keine Lei turgien im Sinne des Gesetzes -, ferner eine Regatta, die sich natürlich mit einer der Trierarchien deckt, was er ebenso natürlich nicht sagt. 2) Demosth. XVIII 103 f. ; Aischin. III 222 ; Rarp. Suid. Phot. Etym. Magn. s. aUj.ij.iQP{a. 3) F.ür die Trierarchie Aristot. 61, 1, das gleiche gilt notwendig für alle Leiturgien. Vgl. Res. Suid. Etym. Magn. s. !nabIKaala ; sie bezeichnen sie als Klagen von bplaBi')val ßOU'-6fJEVOI tt6TE XP� '-EITOUP"fEIV aOTouc;. Im 5. Jhdt. liegt die blablKaala der Trierarchie noch bei dem Rat [Xen.] ,
Ael'\v. 1tO>'. S, 4. 4) Wenn es sich hier nicht
um
dVTlb6aEI� handelt, s. u.
222 BUrger 1) einen anderen namhaft machen mußte,
der
nach
seiner Ansicht eher an der Reihe war, worauf der betr. Beamte diesen Protest als Klage des ersteren auf den normalen Prozeß weg brachte. Eine Ablehnung, weil man gleichzeitig Beamter ist, ist nicht allgemein zugelassen, VGn der Trierarchie sind nur die neun Archonten frei (Demosth. XX 27 f.), Strategen, Taxiarchen und Phylarchen sind als Trierarchen jedenfalls nicht belegt - Uber scheinbare Ausnahmen s. später bei der Behandlung der Landes verteidigung -, fUr die Ubrigen Leiturgien fehlt das Material. Wichtig ist, dagegen die Ablehnung einer Leiturgie mit der BegrUndung, daß man pekuniär die Last nicht tragen könne. Sie erfolgt auch vor der die Leiturgen designierenden Behörde und ebenfalls in der Form, daß man einen zweiten, reicheren BUrger angibt, gegen den dann der betr. Beamte die Klage 1) Der für die Designierung der Pflichtigen zuständige Beamte ist für die einzelnen Leiturgien verschieden : für die Trierarchie die Strategen, bzw. später der aTpaT'1'fÖC; �1tl Ta.evc; für die dVTt Maelopa (Il 2 1241, 13 ff.), geben Hypotheken (IG Il 2 2723) alles durch den Phratriarchen. Von Einnahmequellen der Phratrie kennen wir nur die Straf gelder, die bei Verstößen gegen die Statuten eingezogen werden von privaten Mitgliedern wie von Beamten und Priestern, die ihre Pflichten versäumen 2), dazu kommen die Einnahmen aus Grundbesitz, der wohl stets durch Verpachtung genutzt wird, und aus Hypotheken (beides s. o.) - ob einzelne oder alle Phra trien regelmäßige Beiträge erhoben, steht dahin, letzteres wäre bei der Zwangsmitgliedschaft jedes Bürgers eigentlich eine di rekte Steuer, für Athen also unwahrscheinlich. Dagegen wird testamentarische Vermachung zugunsten der Phratrie bei den Geldmitteln (und dem Grundbesitz) wichtig gewesen sein. Die Kasse für all diese Einnahmen, vermutlich formell auch das Eigentum an allen Liegenschaften, gehört dem Zeus der Phra trie (IG II 2 1237 a. a. 0.). Jedoch ist sie juristische Person neben dem Gotte. Denn sie kann ausgeschiedenen Mitgliedern Geldstrafen androhen (a. a. O. 29 ff.) . Wenn das nicht reine Theorie bleiben soll, muß sie notwendig klagen können. Und -
1) Grenzsteine IG TI g 2621 f., Pachtvertrag Il g 1241, Kauf oder Ver kauf eines Grundstücks TI ! 1600. 2) IG 11 g 1237, 29 ff. 45 ff. 52 ff. 88 ff. 94 ff.
245 der Staat und seine Gerichte müssen nicht nur die Aufnahme bedingungen (0. S. 68 . 83), sondern auch die übrigen VOJlO1 der ein zelnen Phratrie anerkennen. Schon o. S. 161 war der Satz zu erwähnen, daß bei Mord prozessen nächst den Angehörigen die q>paTopE� des Getöteten die Verfolgung einzuleiten berechtigt sind insofern als bei einem Fehlen naher Verwandter ein Ausschuß der q> P(iTOPE� eintritt 1). Das ist kein Prozeß, den die Phratrie als solche führt, da die betr. q>paTopE� von den Epheten, d. h. Areopagiten selbst aus gewählt werden ; es ist nur ein Prozeß einzelner privater q>paTopE�2) . Einmal hat sich Athen vielleicht die Unterabteilungen der Phratrien, nicht nur die letzteren als Einheit, zunutze gemacht. Bald nach Solon ist (Aristot. 13, 2) einmal die Stelle des Archon, damals noch die des echten Präsidenten der Republik, beseitigt und durch ein Zehn männer-Kollegium ersetzt worden, in dem die Eupatriden fünf, die kürzlich emanzipierten Bauern drei und die ebenfalls erst frisch mit politischen Rechten versehenen Nichtgrundbesitzer zwei Stellen besetzen 3). Dieser Einteilung müssen also irgend welche Wahlkurien entsprochen haben und es liegt am nächsten, hier an lEV'1 und 6P1EÜJVE� zu denken, die wenigstens der Glie derung in Eupatriden einerseits, Bauern und Nichtgrundbesitzer andererseits entsprechen. Sicherheit ist hier natürlich nicht zu erreichen. § 84. Neben den 30 lEV'1 werden als Unterteile der 12 Trittyen der Frühzeit (0. S. 230) genannt je 4 N au k r a ri e n, deren es also .
.
1) IG I I 115, 15 ff. j 20 ff. j Demosth. XLIll 57. 2) Erst recht liegt keine Handlung der Phratrie vor, wenn "die q>pdTOPE�" als Zeugen auftreten (Isaios V I 10 j IX 8). 3) Die von der Natur der Entwickelung diktierte Gliederung der athe nischen Bevölkerung der Zeit in EUTraTpibal, YEwpyol und brU.l100Pyol, bzw. in Athen lTrIYEW�IOPOI (vgl. Hasebroek, Wirtsch.- u. Gesellsch.-Gesch. 47) wird oft genannt : Plut. Thes. 25 ; Aristot. Ä9l'\v. TroA. fr. 5 ; Beck. An. I 257 ; Etym. Magn. s. lTrIYEW/lOPOl j Phot. Etym. Magn. s. EÖTraTplbal j Schol. Plat. Axioch. 371 D j vgl. Schol. Aristoph. Vög. 33 f, •
246 48 gab 1). Die Zahlen der lEV'l und der Naukrarien sind also inkommensurabel und beide Institutionen haben nichts mitein ander zu tun. Die Naukrarien sind offenbar die jüngere Insti tution, denn im klassischen Athen der Demenordnung und durch diese sind sie spurlos verschwunden 2), hatten also den Nimbus nicht, der die alten Phylen wenigstens rudimentär am Leben erhielt. Das fehlende Fortleben auf kultischem Gebiet, wo sonst alte Ord nungen Spuren hinterlassen, zeigt auch ihren profanen Cha rakter. Als vorhanden belegt sind sie unter Solon, der sie i n seinen Gesetzen oft nannte 3), ferner zur Zeit. des ky Ionischen Frevels . (Herod. V 71) und, da sie die von Peisistratos geschaffenen Pan athenaien feiern, unter der Tyrannis (Schol. Aristoph. Wolk. 37). Endlich haben sie nach Kleidem. fr. 8 die Phylenreform über dauert, was, wenn diese peisistratidisch ist zU: dem Gesagten paßt, wenn sie jünger ist, noch weiter herabführt, auf jeden Fall aber den zitierten Angaben widerspricht, nach denen die Demenordnung den N aukrarien ein Ende gemacht habe. Ferner sagt Kleidem. a. a. 0., daß ihre Zahl auf 50 erhöht, also in Beziehung zu den Phylen gebracht wurde : es ist also eine positive ü berlieferung vorhanden, die die zehn Phylen und die Naukrarien gleichzeitig bestehen läßt. Der Widerspruch löst sich denn auch alsbaJd auf, wenn wir bei den Naukrarien die zivilen und die militärischen, speziell maritimen Aufgaben sondern, - nach welch letzteren sie - heißen. Denn der Name ist das einzig Klare an der Sache, vauKpapol heißt nichts als Schiffsherren, Eigentümer von Schiffen, vaVKpa1 ) Aristot. 8, 3 i PoIl. VllI 108 (mit falscher Zahl) i Res. s. vauKAapol i vgl. die Stellen der folgenden Anmerkung. 2) Aristot. 21, 5 ; Poil. a. a. O. i Harp. s. b �",apxoc; ; Rarp. Phot. s. vau Kpapia j Schol. Aristoph. Wolk. 37 - z. T. mit allerhand Konfusion, vor allem Verwechselung von vauKpapol und vauKpapial, s. u. 3) Aristot. 8, S i Phot. s. v.
247 Gruppen solcher, die zu bestimmten Zwecken zusammen gefaßt werden (vgl. Phot. s. vauKpapia: TOU(j; vauKpapou(j; TOU(j; KaTel T�V vauKpapiav) . Daher gibt es die rrpuTaVEt(j; (Herod. a. a. 0.), eben die Vorsitzenden einer aus Schiffseigentümern be stehenden vauKpapia. Der Ausgangspunkt jedes Verständnisses ist die Tats ache, daß Themistokles als erster staatliche Schiffe hat bauen lassen 1), daß er nicht nur Athen zur stärksten See macht umgewandelt , sondern die völlig neue Idee aufgebracht hat, daß der Staat als solcher Kriegsschiffe hält, eine Idee, die auf das Landheer erst mit der Artillerie des 4. Jhdts. übergreift. Bis dahin gehört das Schiff dem Privaten genau wie das Pferd, mit dem er in den Krieg reitet: Krieg, Handel und Piraterie sind dreieinig, haben dieselben Schiffe, genau wie Solon es kennt, der eine Vereinsbildung zum Zweck des Seeraubs nennt (Digest. XLVII 22, 4), also von Eigentümern von kampffähigen Schiffen. Auch im Xerxeszuge treten neben den staatlichen Schiffen neuen Typs noch isoliert solche privaten Schiffe in Athen auf : Herod. VIII 1 7 ; Plut. Alkib. 1 2) . Nachdem solche Nachzügler verschwunden waren, herrscht das staatliche Schiff mit dem leiturgischen Trierarchen, für Naukraren ist kein Raum in AthenS). Vor her aber sind sie unentbehrlich, und der Staat hat keine Seemacht, außer er organisiert die Besitzer solcher Schiffe, läßt sich von ihnen einen Teil der vorhandenen Fahrzeuge für den Krieg stellen und ordnet Kommando und Besatzung für die Zeit, wo die betr. Scbiffe dem Staate dienen, ' dem Polemplat
1) Aristot. 22, 7 ; Herod. VII 144; Polyain. I 30, 6 ; vgl. Thukyd. I 14, 1 1. ; Just. 11 12, 12. 2) Den Sp�teren kam das seltsam vor, da sie sich keine privaten Kriegs schiffe mehr denken konnten. 3) Alle modernen Versuche, die Naukraren in Beziehung zu staatlichen Schiffen zu verstehen, laufen sich denn auch fest. Die Bed eutung des Schrittes des Themistokles scheint Glotz , Histoire Grecque 11 54 zu sehen.
248 archen unterstehend (Beck. An. I 283), statt wie sonst mit ihren privaten vauKA.'lPo1 Waren zu transportieren oder - wenigstens in Solons Zeit - Piraterie zu treiben. Die vauKpapial sind also Gruppen von Bürgern, die Schiffe besitzen und die pro Gruppe dem Staat ein Schiff im Kriegsfall zur Verfügung zu stellen haben ; welches der Fahrzeuge aus dem Eigentum ihrer Mitglieder sie dazu nahmen, war sicher ihre Sache. Der Kapitän war offen bar eben der 1TPUTaVLC; der Naukrarie, auch von den Mitgliedern der betr. Gruppe gestellt und wie Herod. a. a. O. zeigt ständig vorhanden. Ob er notwendig der Eigentümer des dem Staate gestellten Schiffes war, ist eine andere Sache, vermutlich lag . das ganz bei der betr. Naukrarie selbst. Natürlich gab es nicht 48 vauKpap0l 1), sondern 48 vauKpapiat, kein Staat kann bestimmen, wie viele seiner Bürger sich ein Schiff bauen oder kaufen, und die vauKpapOl als &pX� (Aristot. 8, 3 vgl. Phot. s. vauKpapOl) sind natürlich die 1TpUTaV€lC;;, man wird &pX� nicht indem man ein Schiff besitzt, sondern indem man an der Spitze einer Gruppe von Schiffsbesitzern steht. Diese N aukrarien mit ihrem festen Mitgliederbestand 2) hat der archaische Staat mit seinem kümmerlichen Apparat eigener Organe für alle möglichen Zwecke benutzt, Einhebung und Aus zahlung von Geldern : El()"(popai nennen Aristoteles und die Le xika 3), freilich als eigene aristotelische Interpretation, nicht nach dem Wortlaut der solonischen Gesetze 4). Sie leiten die ,
1) So Pollux, er nennt 12, da er die Gesamtzahl und die Zahl pro Phyle Aristot. 8, 3 verwechselt. 2) Man kann d�lcpla�IJTEtv vavKpapla�, das kann bedeuten : um die Frage der Zugehörigkeit zu einer vavKpapia oder die Entlastung von der P1licht prozessieren - etwa weil man nur ein altes defektes Schiff besitzt. Wahrscheinlicher ist allerdings, daß auch hier "� vavKpapia" die Stellung des 1tPUTaVl� an der Spitze der Gruppe ist. 3) Aristot. 8, 3 j Res. s. v. i Poll. VIII 108. 4) Die Gelder für die 9EWpoi nach Delphoi, die die Kolakreten aus zahlen, stammen aus den vavKAlJplKd, also eben jenen von den vauKpaplal eingehobenen Geldern: Androt. fr. 4 Schol. Aristoph. Vög. 1541. =
249 Panathenaien (0. S. 246), haben dagegen mit der Staats leitung als solcher nichts zu tun : die dies behauptende Angabe Herod. V 71 hat Thukyd. I 126, 8 beiseite geschoben. Daß jede Naukrarie außer dem Schiff auch zwei Reiter zu stellen hatte (PoIl. VIII 108), ist vielleicht eine weitere Ver wendung der Gruppen, wahrscheinlich aber Konfusion, da Athen eine Reitertruppe erst im 5. Jhdt. aufgestellt hat, sie vor The mistokles also ein Anachronismus ist (vgl. später bei der Armee). Die Demenordnung hat all jenen außerhalb der Schiffsge stellung liegenden Aufgaben der Naukrarien ein Ende gemacht wirksamer als sie freili�h der Ausbau des Verwaltungsapparates und der Leiturgien für Finanzverwaltung und staatliche Feste. Seit Themistokles sind sie auch für die Marine verschwunden. In unserem Zusammenhang ist nur wichtig, daß die Nau krarien keine Einteilung der Bürgerschaft sind, sondern Gruppen einzelner Personen zu bestimmten Zwecken, ähnlich wie später die Symmorien der dcrqlEpovTE!ö. Ihre Verwendung für Festfeiern, Gelderhebungen usw. gehören in die Darstellung des Kultus, der Finanzen usw. 1). § 85. Älter als die zehn Phylen und von den alten vier Phylen völlig unabhängig ist eine weitere Einteilung der Bürgerschaft, die in Vermögensklassen, richtiger in Einkommenklassen, denn nach letzteren werden sie · abgestuft und sie heißen TEA!'), und TEA11 sind nicht Vermögensbestände, sondern Abgaben bzw . Ein nahmen des Staates 2). Die Überlieferung führt die vier Klassen 1) Die Naukrarien als Aushebungsbezirke für Matrosen (z. B. Busalt 573 . 818) sind moderne Erfindlmg. Wir werden bei der Betrachtung der Landes verteidigung sehen, daß es in Athen bis c. 337 überhaupt keine Aushebung der Matrosen gab - nicht einmal eine Stammrolle für sie -, sondern der Staat sich auf den Andrang des VaUTlKÖC; dxAoc; verließ. 2) Zum Sprachgebrauch; Demosth. XXIV 40. 97. 122. 144 ; LVll 34 ; Antiph. V 77 ; Andok. I 93 ; Poil. VIII 97. 99. 132. ·155 f. ; vgl. IX 30; Beck. An. I 255. 267. S08 ; Harp. s. laonA€IC;, 1T€VTYlKO On; ; Suid. Phot. S. 1TwATl'ra{ ; Plut. Alkib. 5 ; Aristoph. Ritt. 306 ; Wesp. 658 ; IG I 11 140, 14 ; II 11 287 ; .
1214, 25 ff. ; 1241, 13 ff.
250 meist auf Solon zurück 1), andere wollten noch weiter hinauf, welche Version Aristot. 7, 3 berücksichtigt, die naturalwirt schaftliche Grundlage ist auch hocharchaisch 2). Jedoch gibt zweierlei zu denken : erstens sind in dem Versuch bald nach Solon (0. S. 245), in dem den Archon ersetzenden Regierungs kollegium alle Schichten zu berücksichtigen, die Posten auf die Berufsstände verteilt worden, Adel, Bauern und Nichtgrund besitzer, nicht auf die Klassen, was, wenn sie bestanden, (loch dR.s Bequemste gewesen wäre (Aristot. 13, 2). Zweitens haben difl Tyrannen ihre direkten Steuern auch nicht nach Klassen erhoben (Aristot. 16, 4. 6). Älter als ,Sol on kann die Ordnung r.icht sein, da sie die Bauernbefreiung kennt 3) und kleine land wirtschaftliche Betriebe voraussetzt, ob solonisch oder etwas jünger, muß unentschieden bleiben. Die Einteilung ist bekannt : Pentakosioniedimnen, Ritter (\n1TE:I\;), Zeugiten, Theten. Sie basiert auf dem Einkommen, nicht dem Vermögen, die Sätze sind : über 500, über 300; über 200, unter 200 (oder keine) !l€Tpa �l']pa Kai uypa4). Die gesamte ü berlieferung ist sich einig, daß die Abstufung nur nach Natural erträgen oder deren Fehlen erfolgt ist, Medimnen Korn und Me1) Aristot. Polit. 11 9, 4 ; Plut. Sol. 18.
2) Daß die erste Klasse jünger sei als die anderen (z. B. Hasebroek, Griech. Wirtsch.- u. Gesellsch.-Gesch. 162), ist moderne Folgerung aus dem künstlichen Namen der Pentakosiomedimnen, während die anderen Be zeichnungen Worte der lebendigen Sprache wählen : Reiter, Bauern, Lohn gänger. Es ist aber kein Anhalt dafür, daß sie als technische Ausdrücke fiir die Einteilung der Bürgerschaft älter sind als jener Ausdruck. 3) Vgl. Hasebroek a. a. O. 176 ; Busolt 832. 864 I. 4) Aristot. 'Aenv. '!roA. 7, 4; Polit. II 9, 4; PoIl. VIII 129 11'. j Harp. Hes. Suid. Phot. Etym. Magn. Etym. Gud. s. 9iiTe�, 9J')TIK6v j Harp. Hes. Suid. Phot. Etym. Gud. s. bnrd� bzw. hnrdba, imrel�; Harp. Suid. Phot. s. TreVTa KOOIOf..l E�If..l V OI ; Hes. Suid. s. {K TI�IlWdTUJV ; Hes. s. Zeu'(iolOv ; Beck. An. I 267 ; Schol. Plat. Polit. VIII 550 C j Schol. Aristoph. Ritt. 627 ; Kratin. d. Jg. fr. 9 ; Plut.. Sol. 18. 29 j Olr(Kp. Arist. - Cato 1. Kleinere Lücken und Konfusionen, namentlich die Verwechselung von T€Ao� {'!rTr€UJV und stehen dem Reiterkorps der klassischen Zeit halten uns nicht auf.
251 treten Öl und Wein. Eine spätere Umrechnung auf Barein kommen kennt keine antike Quelle, sie ist eine völlig moderne Erfindung (u. § 86). Von Geld ist nur in dem Demosth. XLIII 54 zitierten Gesetz die Rede, das die (Mindest-) Höhe der Mit gift regelt, die der dYXl(TT�C;; höherer TEAI'J, der eine Erbtochter des Thetenstandes nicht heiraten will und daher ausstatten muß, dieser mitgibt. Die Sätze sind 500, 300, 150 Dr. - d ie Theten haben dem Eigengut der �rriKAI'JPOC;; nichts zuzulegen - also wohl ein Jahreseinkommen nach dem Preisniveau der solonischen Zeit 1) mit einer Ermäßigung für die Zeugiten 2). Formell sind die vier TEAl') nie abgesch afft worden, sie wUl::den nur mit dem Herauswachsen aus den naturalwirtschaftlichen Verhältnissen gegenstandslos. Stets galt die Bestimmung, daß die TEA'l die Qualifikation zum Beamten diktierten ; TCllJint T�C;; SEOO können offiziell nur Pentakosiomedirrmen · werden, zu den Stellen der neun Archonten haben bis c. 480 eine, bis 457 zwei, seitdem drei Klassen Zutritt, die Theten sind überhaupt zu keinen 1) Beloch, Griech. Gesch. I 9. 1,
298 f.
2) Steuerklassen nach Geld sind lediglich ein Gedanke, mit dem die Re aktion des ausgehenden 5. Jhdts. spielte, in dem Programm Aristot. 4, 2 sollen sie die Berechtigung, Beamter zu werden, bestimmen. Der Aufstieg z. B. vom Theten zum Ritter wie Aristot. 7, 4'bedeutet in d� Zeit, als die To.l') leben, den Erwerb von Grundbesitz (Wade-Gery, Class, Quat. 1931, SO), z. B. durch Ansiedelung auf Salamis im Sinn von IG I 9 1. Auf fallend ist die Gleichsetzung eines Medimnos Weizen oder Gerste und eines nMaßes", also eines Metretes UTPwv, d. h. Ö l oder Wein, da alle diese Einheiten ganz verschiedene Werte darstellen und ganz verschiedene Bodenflächen zur Erzeugung fordern. Die Sache hat aber ihre Richtigkeit, wenn man die Zahlen von Jarde, Cereales 184 ft'. vergleicht (die Quanten der Maße bei Beloch, Griech. Gesch. I 2 1, 286): ein l'iletretes Öl ist im Durchschnitt 4-6 mal soviel wert wie ein Medimnos Weizen - natür lich gehen uns hier nur die Zahlen relativ früher Zeit an - und bedarf zur Produktion einer 4-6 mal größeren Fläche. Der Medimnos Weizen und der Metretes Land wein liegen im Preis sich nahe, bald ist der eine bald der andere teurer, und beide brauchen zur Gewinnung etwa das gleiche Areal. Das System bleibt natürlich auch so sehr grobschlächtig, mehr ist für das 6. Jhdt. aber nicht zu erwarten. -
252 apxa{ zugelassen 1). Das ist in klassischer Zeit leere Form, schon im 5. Jhdt. dadurch deutlich, daß die politisch wichtigsten Be hörden, Strategen und Hellenotamien, keine Sonderqualifikation nach TEA1l haben, die unwichtig gewordenen neun Archonten sie aber fortschleppen, ferner dadurch, daß die Frage nach dem TEAo� in die 1rp6KP1(J'1� verwiesen ist 2), eine Formalie in den Phylen und Demen, die nur bei den Losbeamten vorgenommen wird 3) und bei der zudem niemand eine wahre Antwort erwartet4). Daß die Wehrpflicht einmal die vier TEAll berücksichtigte wenn es auch übertrieben ist, sie einfach als Wehrordnung zu nehmen - ist dadurch . klar, daß der Ausdruck SijTE� für Ruder dienstpflichtige lebendig blieb, auch als von den alten natural ' wirtschaftlichen Klassen keine Rede mehr war 5). Andererseits wird seit der Generation nach den Perserkriegen der Bestand der Lailddienstpflichtigen in delli bekannten KaTaAolo� stamm1) Aristot Ae'lv. 'lroA. 7, 3 ; 8, 1 ; 26, 2; 47, 1 ; Polit. 11 9, 4 ; Suid. Phot. .s. 9fJTE� ; Etym. Magn. Etym. Gud. s. 9'lT1K6v; Plut. Arist. 1 ; Schol. Plat. Polit. VIII 550 C ; Schol. Aristoph. Ritt. 627 ; vgl. Plat. v61-l. V 744 C. 2) In der Dokimasie wird gefragt, ob der betr. Ta TEA'l TEAEI (Arist. 515, 3 u. ö.), im Zusammenhang mit der }I'rage nach der Erfüllung der Wehr pflicht, dem EU 'lrOIEIY TOU� lOVEac;, bürgerlicher Abkunft u, ä. , also lauter Fragen, die das Vorhandensein des Bürgerrechts und der Epitimie fest stellen wollen. Das TEA11 TEAdv bedeutet also das Zahlen der Abgaben, die Erfüllung finanzieller Pflichten gegen den Staat, sonst würde die Frage nach dem häufigsten Grunde für das Fehlen der Epitimie, das 6 lIlU.lo(J'\ov gezahlt haben : (lv��l<JKOV, also ständig, als Vorschrift und Institution. Diese Summen als Steuerbeträge zu nehmen verbietet die Vernunft. Erstens gibt es in Athen keine Einkommensteuer - die e!<J<popa ist die Abgabe eines Prozentsatzes des Vermögens -, zweitens wären die Beträge das Vielfache des EInkommens nach den G�enzen der betr. T€�l1. Daher hat Boeckh die Theorie aufgestellt, wir hätten hier die in Drachmen umgerechneten kapitalisierten Sätze des steuer pflichtigen Vermögens oder vielmehr des allein steuerpflichtigen Vermögensteiles der Angehörigen der T€�lh auf Grund deren jene Prozentsätze bei den e!<J<popal erhoben worden seien 1). Als Stütze hierfür sollten die Angaben des Demosthenes dienen 2), daß er 90 000 Dr. Vermögen besessen und somit 500 Dr. d<J cpopa nKaTrJJ.I.. dpX. 1917 und 1 919, sobald es sich selbst über lassen ist. Daher wird es geographisch zu Boiotien gerechnet Strab. 1X 1, 3 ; vgl. 2 , 6 ; Schol. Plat. Krit. 110 E, als ursprünglich boiotisch genannt Paus. I 34, 1. Livius' Wendung Oropus Atticae XLV 27 ist ungenau und denkt an die politischen Grenzen der Zeit der Klassiker. Als Grenzstadt wird es genannt' Plut. Lys. 29; Diod. XII 65, 3 ; Plin. n. h. IV 24 j Schol. Demosth. Dind. S. 84 ; Schol. Thukyd. 11 23, 2 in Pap. Oxyrh. VI 853 ; Tim. s. v. Die Grenzen bestätigen den geographischen Zusammenhang mit Boio tien : Athen. Mitt. 1 932, 20 ff. Im G. Jhdt. ist Oropos athenisch im Sinn des Perioikenverhältnisses : Herod. VI 101 j Thukyd. a. a. O. u. ö., seit wann steht offen. 411 von den Boiotern erobert Thukyd. VIII 60, 1 ; damit Athen entfremdet : Diod. XIV 17, 1. 3 ; Lys. XXXI 9. 14. Wieder athenisch in den siebziger Jahren des 4. Jhdts. : Isokr. XIV 20, 37, d. h. nach der Auflösung des boiotischen Bundes. Wieder verloren 367 : Xen. Hell. VII 4, 1 j Diod. XV 76, 1 j De'
347 satzungsrecht (Thukyd. VIII 60, 1), die Epheben marschieren auf ihren Obungsmärschen durch oropisches Gebiet genau wie durch athenisches 1), an der Spitze der lokalen Verwaltung steht ein b�llapxo�, der Athener und nicht Oropier ist 2), also vom athe nischen Volk gewählt und hingeschickt wird. Athenische phy .sische und juristische Personen erwerben Grundeigentum, nach der Wiedergewinnung 338/7 haben alle athenischen Phylen solches erhalten 3), welche Regelung bei der nächsten Wieder erwerbung 304 wohl wiederholt wurde : Suppl. Ep. Gr. m 1 17. Und schon 415 haben athenische Privatpersonen Grundstücke in Oropos : IG I 2 332. Die Legislative wird von Athen aus besorgt, athenische Pse phismen grenzen TEIlEVt] und Phylengrundstücke ab (Hyper. m mosth. XVIII 99 ; Schol. Aischin. m 85 ; vgl. Plut. Demosth. 5 ; Demosth. V 10 ; VI SO ; XVI 11. 18 ; XIX 22. 220. 326. Von Philipp II. an Athen zurückgegeben : Diod. XVIII 56, 1 ; [Demad.] 9 ; Paus. I 34, 1 . Von Anti patros Athen entzogen : Diod. a. a. O. Durch D emetrios wohl wieder athenisch i. J. 304 : Suppl. Ep. Gr. In 1 17 ; vgl. Beloch. Griech. Gesch. IV 2, 600, dann bald dauernd boiotisch, wie die Inschriften des 3. und 2. Jhdts. in IG VII zeigen. Die Bezeichnung als UlrTJKOOC; Athens i. J. 150 Pausan. VII 11, 4 ist falsch, wie seine eigene weitere Erzählung, Polyb. XXXIII 2; Plut. Cat. 22 und vor allem IG VII 411 beweisen (vgl. auch Herakl. Klazom. Dikaiarch 7). Daß Athen damals Kleruchen hingeschickt hat, folgt trotz Rostowzew Cambr. Anc. Rist. VIII 295 weder aus Paus. a. a. -0. noch aus Dittenb. Syll. I 8 675, dagegen wird die damals hingelegte athe nische Besatzung den Beginn der neuen athenischen Epoche von Oropos bezeichnen. Denn um 122 ist Oropos athenisch, also wohl seit der Neu
lblal MKal 170 ff., iblal IEpWail1;al 265 ff. tEP01'tOlOi, Metoiken als 286 f.
Kannonos, 1p�