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PARKERS Razzia in Athen Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Butler Parker war äußerst angenehm berührt. Er be fand sich auf der Akropolis und ließ die Schönheiten der Tempelanlagen auf sich wirken. Er hatte sich den alles beherrschenden Parthenon angesehen und war hinübergewechselt zum Erechtheion und genoß das Ebenmaß der Karyatiden, jener marmornen Frauenfi guren, die das Dach dieses kleinen Tempels trugen. Jo suah Parker übersah und überhörte das Stimmengewirr der vielen Besucher, die wie Heuschrecken ausge schwärmt waren und den Tempelberg von Athen bevöl kerten. Josuah Parker war nicht allein nach Athen ge kommen. Er begleitete Lady Agatha Simpson, die es sich urplötzlich in den Kopf gesetzt hatte, Griechenland zu besuchen. Für den Kriminal-Bestseller, den sie zu schreiben gedachte, benötigte sie einige Lokalstudien von Athen. Da die ältere Dame, die das sechzigste Le bensjahr überschritten hatte, immens vermögend war, spielte dieser kleine Ausflug für sie überhaupt keine
Rolle. Sie hatte an einer Stadtrundfahrt teilgenommen, sich mit Prospekten versorgt und ihren Butler gebeten, einige Farbfilme zu belichten. Sie plante, bereits einen Tag später wieder nach London zurück zu fliegen. Im Augenblick war die Lady nicht zu sehen. Sie hatte sich unters Volk gemischt, und der Butler brauchte sich keine Sorgen zu machen. Mit einem Kriminalfall war hier nicht zu rechnen. Dennoch blieb er nicht zu lange vor dem Erechtheion stehen. Er kannte schließ lich das unberechenbare Temperament seiner Herrin, die keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging. Zu dem gab es hier oben auf der Akropolis Scharen von ambulanten Händlern, die den Touristen einmalige Kaufangebote machten und mit Grabungsfunden lock ten. Josuah Parker verließ also die Schönheiten aus Marmor, schlenderte zurück zu den Propyläen und ent deckte dann Lady Agatha, die sich gerade von zwei Männern trennte, die es eilig hatten, den Tempelberg zu verlassen. »Da sind Sie ja endlich, Mr. Parker«, sagte sie und nickte ihm wohlwollend zu, »wie lange wollen Sie noch zwischen den Trümmern herummarschieren?« »Mylady haben sich an der klassischen Schönheit der Tempelanlagen ergötzt?« erkundigte sich Josuah Par ker. »Nun übertreiben Sie nicht gleich«, gab sie zurück, »es geht nichts über den Trafalgar Square in London, Mr. Parker... Sehen Sie sich doch diese Unordnung an! Überall Steine und Trümmer. Kennen die Griechen kei
ne Müllabfuhr?« »Es handelt sich um, wenn ich dies in aller Beschei denheit sagen darf, steinerne Zeugnisse einer ruhmrei chen Vergangenheit«, bemerkte Josuah Parker. »Nun ja«, meinte die Lady, »Sie liefern mir da gerade ein nettes Stichwort, Mr. Parker: ruhmreiche Vergan genheit.« »Mylady verspüren den Atem der Geschichte hier auf der Akropolis?« fragte Parker hoffnungsfroh. »Papperlapapp, Mr. Parker.« Sie winkte ihn näher zu sich heran. »Ich verspüre nicht den Atem der Geschich te, nein, ich habe sie in meinem Pompadour, um genau zu sein.« »Mylady erwecken mein bescheidenes Interesse.« »Ich habe Bronze aus Mykenä gekauft. Was sagen Sie jetzt?« »Mylady sehen meine Wenigkeit überrascht und er staunt.« »Eine einmalige Gelegenheit, Mr. Parker«, flüsterte sie fast, »ein kleines Standbild, eine Krieger-Plastik.« »Würden Mylady meine Wenigkeit in den Genuß eines flüchtigen Anblicks kommen lassen?« »Doch nicht hier, wo es von Spitzeln nur so wimmelt«, sagte sie betont vorsichtig, »Sie wissen doch, daß der Kauf solcher Altertümer verboten ist.« »Mylady konnte sich von der Echtheit des Kunstwerks überzeugen?« »Selbstverständlich«, behauptete sie, »eine Lady Simpson führt man nicht hinters Licht, Mr. Parker, das
sollten Sie aber inzwischen wissen.« »Gewiß, Mylady. Darf man höflichst fragen, was Myla dy zahlten?« »Achtzig Pfund«, flüsterte sie nun wieder, »und mit weiteren Altertümern ist fest zu rechnen.« »Mylady planen, noch mehr Kostbarkeiten dieser Pro venienz zu erstehen?« »Natürlich«, entgegnete sie triumphierend, »man muß die Gelegenheiten nützen. Kommen Sie, ich glau be, ich werde bereits beobachtet.« Parker war zwar nicht dieser Ansicht, doch er deutete eine knappe Verbeugung an, lüftete die schwarze Melo ne und geleitete seine resolute Herrin zum Eingang stor. Sie ließ den perlenbestickten Pompadour freudig pendeln. »Werde ich noch immer verfolgt?« fragte sie dann, als man das Tor passiert hatte, »ich möchte mich nicht umdrehen. Das könnte auffallen.« »Mylady dürften die Verfolger abgeschüttelt haben«, erklärte Parker in seiner höflichen Art, »möchten Myla dy sich noch das Dionysos-Theater ansehen, das im sechsten Jahrhundert vor der Zeitwende errichtet wur de?« »Mein Bedarf an Antike ist gedeckt«, gab sie zurück, »man kann alles übertreiben, Mr. Parker. Zudem habe ich meine Bronze-Plastik. Die werde ich jetzt erst in Si cherheit bringen. Und Sie sollten dafür sorgen, daß ich sie durch den Zoll bringe. Lassen Sie sich etwas einfal len, Mr. Parker...«
»Wie Mylady wünschen.« Parker war durch nichts zu erschüttern. Zudem ahnte er, was seine Herrin da ge kauft hatte. Bronzestücke dieser Art wurden sicher zu Hunderten an einem Vormittag an Touristen verkauft. Ein ganzer Berufszweig lebte davon. Daher war Josuah Parker auch etwas irritiert, als zwei Männer in hellen Sommeranzügen genau auf Lady Simpson und ihn zu kamen. Sie machten einen entschlossenen, sogar ver bissenen Eindruck. Josuah Parker entging keineswegs, daß die beiden Männer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich keit Schulterhalfter trugen, die sicher nicht leer waren. *** »Ihre Handtasche«, forderte der Mann mit dem aus geprägten Schnurrbart. Er hatte sich vor Lady Agatha aufgebaut und griff ahnungslos nach dem perlenbe stickten Pompadour der älteren Dame, der an langen Lederriemen an ihrem linken Handgelenk hing. Der Grieche sprach übrigens ein recht passables Englisch. »Was soll das?« donnerte Agatha Simpson, »wollen Sie sich an einer hilflosen Dame vergreifen, Sie Lüm mel?« »Die Handtasche«, wiederholte der Mann und wurde nachdrücklicher. Er ahnte keineswegs, in welcher Ge fahr er bereits schwebte. Er wußte nichts vom Inhalt des Pompadours. In ihm befand sich nämlich der soge nannte »Glücksbringer« der Lady Agatha, ein echtes
Pferdehufeisen, das aus Gründen der Humanität nur oberflächlich in dünnen Schaumstoff gehüllt war. »Würden die Herren sich möglicherweise identifizie ren?« schaltete sich der Butler ein. Er hatte mitbekom men, in welch gefährliche Schwingungen der Pompa dour geraten war. »Los, machen Sie schon!« Der zweite Mann, ein wenig kleiner als der erste, verlor die Geduld und faßte leicht sinnigerweise nach den Lederriemen des Handbeutels. Bevor er seine Finger jedoch zu schließen vermochte, verfärbte er sich und produzierte ein ersticktes Keu chen. Dann verbeugte er sich tief vor der älteren Dame und faßte nach seinem rechten Schienbein, gegen das Lady Simpson getreten hatte. »Sie Flegel«, tobte die Sechzigerin, »Sie wollen mich tatsächlich unsittlich belästigen?« Der erste Mann schaute fassungslos auf seinen Beglei ter, bekam einen roten Kopf vor Wut und wollte die äl tere Dame angreifen. Er übersah dabei den Pompa dour, der von unten nach oben pendelte und sich auf seine linke Bac-kenseite legte. Das Resultat war beeindruckend. Der Mann knickte in der Hüfte ein, verlor das Gleich gewicht und legte sich anschließend entkräftet auf die mächtigen Quadersteine, mit denen der Boden bedeckt war. Dann scharrte er noch ein wenig mit den Füßen und schloß unmittelbar darauf die Augen. »Mr. Parker, schützen Sie mich vor diesen Unholden«, verlangte die ältere Dame, um sich dann anklagend an
die Touristen zu wenden, die einen ersten, vorerst noch schütteren Halbkreis gebildet hatten. Nach dieser Auf forderung an ihren Butler verbreitete Agatha Simpson sich über die rohen und verwilderten Sitten gewisser Griechen und machte ihren Zuhörern deutlich, daß sie nicht gewillt war, sich bestehlen zu lassen. Man applaudierte der Lady und würdigte ihren Mut und ihre Einsatzbereitschaft. Sie maß den am Boden liegenden Mann mit grimmigem Blick und versetzte dann dem anderen, auf einem Bein tanzenden Frech ling einen energischen Rippenstoß. Daraufhin verlor auch er verständlicherweise sein Gleichgewicht, rutsch te weg und legte sich auf seinen Begleiter. »Kommen Sie, Mr. Parker«, sagte sie dann mit ihrer baritonal gefärbten Stimme, »ich möchte mich nicht weiter provozieren lassen.« Parker lüftete die schwarze Melone und geleitete Lady Simpson die breite Treppe hinunter. Aus Gründen ei ner gewissen Vorsicht war es seine Absicht, möglichst schnell in die engen Gassen der Altstadt hinabzustei gen. Parker hatte die Schulterhalfter unter den Jacketts der beiden Männer keineswegs übersehen. Er konnte sich zudem diesen Zwischenfall nicht erklären. Sollte dies alles tatsächlich nur mit der Bronze' zusammen hängen, die Lady Simpson für achtzig Pfund sich hatte aufschwätzen lassen? Plastiken dieser Art wurden doch überall feilgeboten und stammten seiner Ansicht nach keineswegs aus einem vorgeschichtlichen Grab. »Sie haben hoffentlich bemerkt, wie gut mein Kauf ge
wesen ist, Mr. Parker«, betonte Lady Agatha selbstzu frieden, »man wollte ihn mir wahrscheinlich wieder ab jagen und erneut verkaufen. Aber mit einer Agatha Simpson kann man so etwas nicht machen!« »In der Tat, Mylady«, pflichtete Parker seiner Herrin höflich bei, »haben Mylady bedacht, daß die beiden Männer möglicherweise Angehörige der hiesigen Poli zei sein könnten?« »Das würde mir nichts ausmachen«, erwiderte sie prompt, »aber sicherheitshalber werde ich mich natür lich umgehend beschweren, Mr. Parker, setzen Sie sich mit der britischen Botschaft in Verbindung. Solch eine Attacke kann ich nicht hinnehmen.« »Die beiden Männer dürften die Verfolgung aufneh men, Mylady.« Parker drehte sich um und hielt Aus schau nach den beiden Trägern der hellen Sommeran züge. Noch waren sie nicht zu sehen. »Was macht das schon«, gab sie erfreut zurück, »ich bin bereit, mich mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Eine Lady Simpson nimmt jede Herausforderung an, das sollten Sie wissen!« Parker wußte es nur zu gut... *** »Ein recht hübscher Nachmittag«, meinte Lady Simp son eine halbe Stunde später im Hotel. Das weltbe kannte Haus am Syntagma-Platz bot einen herrlichen
Blick auf das königliche Schloß und den angrenzenden Park. Lady Agatha aber hatte für das alles keinen Blick. Sie packte ihre Bronze-Plastik aus und bewunderte sie nachgiebig. Die kleine Statuette sah in der Tat archa isch aus, erinnerte entfernt an ein langbeiniges Strich männchen und vermittelte dennoch überzeugend den Eindruck von Altertum und Weihe. »Man sieht's doch auf den ersten Blick«, stellte die äl tere Dame fest, »echter kann keine Grabbeigabe sein, Mr. Parker. Ich hoffe, Sie sind nicht anderer Meinung!« »Mein bescheidenes Kunstverständnis, Mylady, reicht nicht aus, ein endgültiges Urteil zu fällen«, erwiderte Josuah Parker, »auf jeden 'Fall aber scheint es sich um ein Kunstwerk besonderer Art zu handeln.« »Nicht wahr?« Sie sah ihn triumphierend an. »Und das für nur achtzig Pfund. Geschenkt, würde ich sagen.« »Meine Wenigkeit dachte mehr an die beiden Männer, die es wagten, Mylady zu belästigen«, redete der Butler weiter, »ohne Grund kann dies nicht geschehen sein.« »Natürlich nicht, Mr. Parker«, freute sich Lady Agatha diebisch; »man hat eingesehen, daß ich einen Spott preis gezahlt habe.« »Waren es jene beiden Männer, die Mylady die Statu ette anboten, wenn man fragen darf?« »Aber nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber das inter essiert mich auch nicht weiter. Sie haben die Lupe be sorgt?« »Selbstverständlich, Mylady.« Josuah Parker reichte
seiner Herrin eine große Lupe, mit der sie ihre Beute näher untersuchen wollte. Er hatte sie sich unten an der Rezeption des Hotels geben lassen. Lady Agatha nahm in einem bequemen Sessel Platz, holte die Statu ette vom Tisch und unterzog sie einer ausgiebigen Mus terung. Josuah Parker hingegen war auf den Balkon der Hotelsuite getreten und schaute hinüber auf den Vor platz des Gebäudes. . Die ältere Dame hielt das kleine Kunstwerk in der lin ken Hand und murmelte anerkennende Worte. Sie war mehr denn je davon überzeugt, einen einmaligen Fang gemacht zu haben. Sie schaute sich den rohen Bronze guß mit der schwarz-grünen Patina wohlgefällig an und blickte dann zu Parker hinüber, der gerade wieder ins Zimmer trat. »Sie hätten wahrscheinlich ein Vermögen dafür ausge geben«, behauptete sie. »Eine Möglichkeit, Mylady, die keineswegs auszu schließen ist«, lautete die Antwort des Butlers. ' »Oder Sie hätten den einmaligen Wert dieser Figur nicht erkannt«, stichelte sie munter weiter. »Auch dies, Mylady, hätte zutreffen können.« »Man muß eben einen besonderen Blick für solche ... Was ist denn das?!« Sie stutzte, schob die Hand mit der etwa zwanzig Zentimeter großen Statuette näher an ihre Augen heran und prüfte mit der Lupe nach. Ihr Gesicht nahm einen sehr ernsten Ausdruck an und färbte sich leicht rot.
»Mylady haben eine Entdeckung gemacht?« erkundig te sich Parker in seiner höflichen Art. »Ich ... Ich weiß nicht recht«, murmelte sie, »noch glaube ich an eine Täuschung.« »Mylady werden sicher in wenigen Sekunden endgül tige Gewißheit haben.« »Made in Hongkong«, las sie leise, aber durchaus deutlich, »das ... das kann doch nicht wahr sein, Mr. Parker!« »Die Kron-Kolonie Hongkong dürfte mit Sicherheit zur Zeit des griechischen Altertums noch nicht gegrün det worden sein«, verlautbarte der Butler. »Made in Hongkong«, wiederholte die bestürzte Lady noch mal. Ihr Gesicht hatte sich inzwischen krebsrot gefärbt, »Mr. Parker, was sage ich dazu?« »Mylady wurde offensichtlich das Opfer eines kleinen Betruges«, antwortete der Butler. »Kleiner Betrug? Achtzig Pfund, Mr. Parker! Das lasse ich mir nicht gefallen! Warum haben Sie mich nicht ge warnt? Es wäre Ihre Pflicht gewesen, mich auf diesen Irrtum aufmerksam zu machen!« »Mylady tätigten diesen Kauf, wenn ich darauf verwei sen darf, ohne meine Anwesenheit«, erklärte Parker ge messen. »Sie hätten es eben wissen müssen«, meinte sie grol lend, »selbstverständlich will ich mein Geld zurück ha ben.« »Dies, Mylady, wird sich nur schwer bewerkstelligen lassen.«
»Die Einzelheiten kümmern mich nicht, Mr. Parker. Tun Sie endlich etwas!« »Myladys Wunsch wird meiner Wenigkeit Befehl sein«, erwiderte der Butler, »wenn Mylady mich für einen Moment entschuldigen wollen ...« Parker ergriff seine schwarze Melone, deutete eine knappe Verbeugung an und verließ das Zimmer. Er hatte unten vor dem Hotel die beiden sommerlich ge kleideten Männer ausgemacht, als er auf dem Balkon war. Parker gedachte, diese beiden Verfolger in ein kur zes Gespräch zu verwickeln. *** Josuah Parker blieb etwa drei Minuten allein in der Halle des Hotels, dann erschienen bereits die sommer lich Gekleideten, die einen leidenden Eindruck mach ten. Einer von ihnen humpelte leicht, der andere zeigte ein einseitig geschwollenes Gesicht. Beide Lädierte nahmen links und rechts von Parker in Sesseln Platz. »Sie kennen uns?« fragte der Mann, dessen Wange ge schwollen war. Er sprach etwas zischend, was wohl mit einem inzwischen locker sitzenden Backenzahn zu tun hatte. , »Versuchten Sie nicht, Lady Simpson zu belästigen?« erkundigte sich der Butler. »Und das wird auch so bleiben«, trumpfte der Mann auf, »aus der Belästigung kann noch viel mehr werden, verlassen Sie sich darauf!«
»Könnten Sie mir freundlicherweise diesen Satz inter pretieren?« »Wir wollen die Statuette zurückhaben«, sagte der an dere Mann, »sobald das geschehen ist, werden Sie uns nicht wiedersehen. Sie werden dann keinen Ärger mehr mit uns haben.« »Darf ich mir gestatten, Ihnen vorab ein Kompliment zu machen?« fragte Josuah Parker, »Es ist Ihnen auf geschickte Weise gelungen, Mylady und meine Wenig keit zu verfolgen.« »Kleinigkeit«, sagte der Wangengeschädigte, »wir sind ja schließlich keine Anfänger.« »Und noch mal wird man uns nicht reinlegen«, sagte der andere Mann, »wer konnte denn auch wissen, daß die Dame so hart zuschlagen würde. Wir sind einfach überrascht worden.« »Ihre Lady wird für die Statuette natürlich entschä digt, werden«, erklärte der Mann, der eindeutig Schwierigkeiten mit seinem Backenzahn hatte. »Sie denken an die achtzig Pfund?« »Sie hat achtzig Pfund bezahlt?« Der Mann lächelte schief. »Sie bekommt sie zurück. Und dazu noch eine andere Figur, die garantiert aus dem Altertum stammt.« »Wenn Sie erlauben, werde ich Mylady diesen Vor schlag unterbreiten.« »Wir werden das Kriegsbeil für eine halbe Stunde be graben«, bekam Parker zu hören, »danach werden wir zu anderen Mitteln greifen. Das ist keine leere Dro
hung.« »Sie scheinen sich demnach für Hongkong-Nachbil dungen zu interessieren.« »Wieso Hongkong-Nachbildungen?« »Ein Warenzeichen, das dies ausweist, ist auf der Un terseite der kleinen Statuette deutlich zu erkennen, falls man eine wirksame Lupe benutzt.« »Zerbrechen Sie sich nicht unseren Kopf. Hören Sie, wir werden gleich mit Ihnen rauf zu der Lady fahren.« »Mylady könnte sich gestört fühlen, Mylady dürfte um diese Zeit ein wenig meditieren.« »Wir gehen«, sagte der Mann, der an seiner Wange tastete, »Sie wissen hoffentlich, daß wir nicht unbe waffnet sind.« »Dies ist meiner Aufmerksamkeit keineswegs entgan gen. Ich weiche natürlich der Gewalt, wenn ich so sagen darf.« Parker erhob sich und schritt würdevoll hinüber zum Fahrstuhl. Die beiden Männer, von denen jeder etwa dreißig Jahre zählte, folgten zwanglos, doch sie ließen keinen Zweifel daran, daß sie einen Fluchtversuch des Butlers im Keim ersticken würden. »Darf ich unterstellen, daß die von Mylady gekaufte Statuette einen Wert repräsentiert, der von einem Lai en gar nicht abzuschätzen ist?« fragte Josuah Parker, als man im Fahrstuhl stand. »Je weniger Sie wissen, desto besser für Sie und die Lady«, meinte der Mann, der Schwierigkeiten mit sei nem Bein hatte.
»Ein Hinweis, den man keineswegs auf die sogenannte leichte Schulter nehmen sollte«, erwiderte Josuah Par ker, um anschließend die scharfe Spitze seines Univer sal-Regenschirms auf die Zehenpartie des links von ihm stehenden Mannes zu stoßen. Dieser Mann, der bereits Ärger mit seinem Bein hatte, zog zischend die Luft in die Lungen und wurde von ei ner mächtigen Schmerzwelle überflutet. Er senkte un willkürlich den Kopf und kam daher mit dem bleigefüt terten Bambusgriff des Regenschirms in Kontakt. Der Mann verdrehte daraufhin die Augen und rutschte an der Wand des aufwärtsstrebenden Fahrstuhls hinunter. Der zweite Mann war natürlich aufmerksam gewor den, hatte die Lage allerdings noch nicht völlig durch schaut. Er schob sich von der Wand ab, gegen die er sich gelehnt hatte, und beugte sich vor, um an Parker vorbei besser sehen zu können. Er sah allerdings nur eine erstaunliche Fülle von bun ten Sternen, da der Butler es nicht versäumt hatte, den Griff des Schirmdaches gegen seinen Magen zu drücken. Der Mann gurgelte, schnappte nach Luft und besuchte anschließend ebenfalls den Boden des Fahr stuhles. Josuah Parker kümmerte sich nur noch um den Ta scheninhalt der beiden Männer, lüftete dann in seiner höflichen Art die schwarze Melone und verließ an schließend den Fahrstuhl, um zu Lady Simpson zurück zugehen. An den beiden Männern war er im Moment nicht weiter interessiert. Er wußte mit letzter Sicher
heit, daß er sie wiedersehen würde. *** »Wenn man Sie braucht, sind Sie natürlich nicht da«, behauptete Lady Agatha gereizt und funkelte Parker an. Sie saß fest verschnürt im Sessel und schien giftig. Ihr Haar war zerzaust, ihre Bluse leicht eingerissen. »Mylady erhielten ungebetenen Besuch?« fragte Par ker, während er fachkundig die Stricke löste, mit denen man seine Herrin gefesselt hatte. »Man hat mich auf unfaire Art überlistet«, sagte sie, »angeblich wollte das Zimmermädchen Handtücher bringen.« »Mylady sehen meine Wenigkeit bestürzt.« »Es waren drei Personen«, sagte sie, als sie endlich wieder frei war, »eine junge Frau und zwei Männer. Al les natürlich Gangster.« »Mylady wurden in eine handgreifliche Auseinander setzung verwickelt?« fragte Parker. »Ich habe es diesen Subjekten gegeben«, sagte sie, »einem der Lümmel dürfte ich das Nasenbein gebro chen haben. Es war ein herber Schlag.« »Darf man erfahren, Mylady, aus welchen Gründen dieser ungebetene Besuch abgestattet wurde?« »Man wollte mir diesen Tand aus Hongkong abjagen«, gab sie zurück, »aber das ist den Gangstern nicht ge lungen.« »Mylady befinden sich nach wie vor im Besitz der klei
nen Statuette?« »Natürlich, was dachten Sie denn?« Sie zwinkerte ih rem Butler zu und erhob sich. Dann deutete sie auf das Strichmännchen aus Bronze, auf dem sie gesessen hat te. Die kleine Figur hatte sich unter der ansehnlichen Körperlast der Lady ein wenig verformt. Agatha Simp son hob die' Figur hoch, betrachtete sie einen Moment und warf sie dann verächtlich auf ein Sofa. »Mylady verfügen über eine Geistesgegenwart, die man nur als traumhaft bezeichnen kann«, behauptete Josuah Parker, »man durchsuchte die Hotelsuite?« »Nur flüchtig, Mr. Parker. Viel Zeit scheinen die drei Subjekte nicht zu haben. Man konnte mich übrigens nur fesseln, weil man mich mit einem Revolver bedroh te.« »Mylady beugten sich der nackten Gewalt«, konsta tierte Josuah Parker, »eine Entscheidung, die man nur als weise bezeichnen kann und muß.« Während Parker zum nahen Sofa ging, um sich die Statuette anzusehen, fragte Agatha Simpson nach den beiden sommerlich gekleideten Verfolgern. Parker gab die gewünschte Auskunft und handelte sich prompt ein Grollen ein. »Sie haben diesen Lümmeln die Freiheit geschenkt?« entrüstete sie sich dann intensiv. »Ich hätte sie unbe dingt verhören müssen.« »Die beiden Herren werden mit Sicherheit erneut Myladys Weg kreuzen«, stellte Parker fest, »bis zu die sem Zeitpunkt wissen Mylady sicher mehr über diese
Statuette.« Er hatte sie in die Hand genommen und wog sie nach denklich. Er konnte sich diese Bronzefigur zum ersten Mal aus nächster Nähe ansehen, und Parker war beein druckt. Schon nach wenigen Sekunden wußte er, warum die kleine Figur so begehrt war. »Werfen Sie diese Imitation in den Papierkorb«, for derte Lady Agatha ihn auf, »ich möchte an dieses Ge schäft nicht mehr erinnert werden.« »Mylady mögen verzeihen, daß meine Wenigkeit sich erlaubt, entschieden zu widersprechen«, ließ Parker sich vernehmen. Er hob die Statuette höher und prä sentierte sie seiner Herrin. »Achtzig Pfund für diese Imitation«, ärgerte sich Lady Agatha. »Achtzig Pfund für eine Statuette aus reinem Gold, Mylady.« »Wie war das?« Sie sah den Butler entgeistert an. »Diese angebliche Bronzefigur besteht offensichtlich aus Gold, wie man bereits am Gewicht unschwer erken nen kann.« »Gold?« Ihre Stimme klang ein wenig belegt. »Davon, Mylady, sollte man ausgehen. Die letzte Si cherheit wird allerdings erst eine Prüfung durch den Fachmann erbringen.« »Lassen Sie doch mal sehen ...« Sie griff nach der Fi gur und ging an ein Fenster. Dann kratzte sie mit ihrem Fingernagel an der Patina und machte sich anschlie ßend daran, das Figürchen zu verbiegen.
»Ich ahnte doch gleich so etwas«, meinte sie dann und schaute den Butler triumphierend an, »ich wollte es na türlich nicht, sagen, aber ich ahnte es. Sie müssen zuge ben, Mr. Parker, daß man eine Lady Simpson wirklich nicht hereinlegen kann, oder?« »Mylady muß man immer wieder Bewunderung zol len«, entgegnete Josuah Parker, der mit dieser Behaup tung gerechnet hatte. In seinem glatten Pokergesicht rührte sich selbst jetzt kein Muskel. *** Josuah Parker sah sich die Statuette noch mal gründ lich an, während Agatha Simpson hinüber in ihr Schlaf zimmer gegangen war, um sich umzuziehen. Parker be nutzte die Lupe, um damit das »Made in Hongkong« genau zu studieren. Er hatte sich inzwischen ver gewissert, daß die angebliche Bronze tatsächlich aus massivem Gold bestand. Er konnte sich diesen mehr als seltsamen Wider spruch nicht erklären. Warum, so fragte er sich, hatte man das Gold als Bronze getarnt? Warum war die kost bare Statuette für den lächerlichen Preis von achtzig Pfund an Lady-Agatha verkauft worden? Warum hatte man das »Made in Hongkong« eingestempelt? Wer aber mochten die beiden Männer sein, die um das Geheimnis der kleinen, zwanzig Zentimeter hohen Fi gur wußten? Wer war der Verkäufer dieser Figur gewe sen? Hatte er nicht gewußt, um was es sich tatsächlich
handelte? Parker entschied sich, dies erst mal zu unter stellen. Zwei Herren hatten versucht, Lady Agatha die Statuet te bereits auf der Akropolis abzunehmen. Sie waren ihr und ihm, Josuah Parker, bis ins Hotel gefolgt. Wer mochten die beiden Männer und die Frau sein, die Lady Simpson im Zimmer überfallen hatten? Gehörten sie einer Bande an? Handelte es sich um zwei verschie dene Gruppen? »Ich habe mich entschlossen, noch "mal zur Akropolis zu gehen, Mr. Parker«, sagte die ältere Dame, als sie zurück in den Wohnraum der Suite kam. Sie hatte sich umgekleidet, was man allerdings kaum sah. Die stattli che Lady hatte ihre majestätische Fülle in ein viel zu weites Tweed-Kostüm gehüllt, ihre Lieblingskleidung, die sie bereits vorher getragen hatte. »Mylady möchten sich noch mal an dem klassischen Ebenmaß der Tempelbauten erfreuen?« fragte Parker. »Ich möchte versuchen, eine zweite Figur zu bekom men«, erwiderte sie, »ein besseres Geschäft könnte ich kaum machen, Mr. Parker.« »Mylady würden sich einer akuten Gefahr aussetzen.« »Schnickschnack,' Mr. Parker, ich bin nicht ängstlich.« »Darf man fragen, warum die drei Eindringlinge hier in der Suite so plötzlich das Feld räumten?« erkundigte sich der Butler. »Weil angerufen wurde«, gab Lady Agatha wegwer fend zurück, »irgendwer läutete. Die junge Frau ging
ans Telefon, hörte nur kurz zu und forderte die beiden Flegel dann auf, schleunigst zu verschwinden. Ich neh me an, daß sie so etwas gesagt hat, denn Griechisch versteht ja kein vernünftiger Mensch.« »Man verzichtete also darauf, die Suite und Myladys Gepäck eingehend zu durchsuchen? « »Man hätte nichts gefunden. Ich saß ja auf der Statu ette«, meinte sie triumphierend, »und keine Gewalt der Welt hätte mich dazu gebracht, aufzustehen, Mr. Par ker. Ich wußte, daß ich auf einem Goldschatz saß.« »Eine Geschichte, Mylady, die man nur als rätselhaft bezeichnen kann.« »Eine Geschichte, die ich klären werde«, erwiderte sie unternehmungslustig, »falls nötig, werde ich noch ein paar Tage länger in Athen bleiben.« »Mylady wollen darauf verzichten, sich mit der hiesigen Polizei in Ver bindung zu setzen?« »Damit man mir diesen Goldschatz wegnimmt? Mr. Parker, wo denken Sie hin? Ich habe ihn rechtmäßig er worben. « »Die Statuette könnte gestohlen worden sein.« »Dann hätte der Besitzer eben besser aufpassen müs sen. Jetzt gehört sie mir.« Sie nahm die Statuette in die Hand und betrachtete sie geradezu liebevoll. Sie wog sie in ihrer rechten Hand und genoß eindeutig das Gewicht, das Gold bedeutete. »Man sollte vielleicht einen Experten befragen, Myla dy, ob diese kleine Statue echt ist, was ihr Alter be trifft.«
»Das interessiert mich nicht, Mr. Parker. Gold ist zeit los«, lautete die Antwort der Lady, »und nur achtzig Pfund habe ich dafür bezahlt. Es ist einfach nicht zu glauben.« Parker war nicht in der Lage, dazu Stellung zu neh men. Wieder mal schien ein Stichwort gefallen zu sein, denn das Telefon läutete. Parker begab sich an den Ap parat und nannte seinen Namen. »Sie kennen mich nicht, mein Name tut auch nichts zur Sache«, sagte eine Männerstimme in einem akzent freien Englisch, »ist Ihre Lady an weiteren Statuetten interessiert?« »Mylady hat inzwischen erkannt, daß es sich um eine an sich wertlose Imitation aus Hongkong handelt«, er widerte Parker höflich, »Mylady möchte nicht noch mal hintergangen werden.« »Na schön«, gab die Männerstimme klein bei, »aber falls sie interessiert ist, ich meine, es könnte ja sein, dann braucht sie nur um elf ins Stadion zu kommen. Sie kann mich dort treffen, ich werde mich schon be merkbar machen. « Bevor Parker antworten konnte, wurde auf der Gegen seite aufgelegt. *** »Ich traue meinen Augen nicht, Mr. Parker«, sagte Lady Agatha eine Stunde später, »Sie haben gewußt, wo es weitere Statuetten gibt?«
»Der Chefportier des Hotels war so entgegenkom mend, mir einige Adressen zu empfehlen«, erwiderte der Butler. Er hatte den soeben gemieteten Land-Rover vor einem Souvenirladen am Rand der Altstadt ange halten und stieg aus, um Lady Simpson die Wagentür zu öffnen. Doch sie konnte und wollte nicht antworten. Bereits in den beiden Schaufensterauslagen hatte sie eine erhebliche Anzahl jener kleinen Figuren entdeckt, die ihr nur zu bekannt waren. Es handelte sich um überschlanke Bronze-Statuetten, die entweder Rund schild samt Schwert, oder aber eine Leier trugen. Es gab auch sehr vorgeschichtlich aussehende Gestalten, die ihre langen Arme bittend ausstreckten. »So beeilen Sie sich doch, Mr. Parker«, drängte Myla dy, als Parker in seiner beherrscht-korrekten Art die Wagentür schloß. »Mylady zu Diensten.« Der Butler lüftete seine schwarze Melone, legte sich den Bambusgriff seines Universal-Regenschirmes über den angewinkelten Un terarm und folgte seiner Herrin, die bereits den Souve nirladen stürmte. Aus dem Hintergrund des Raumes erschien ein kleiner rundlicher Grieche, der eine akute Umsatzsteigerung witterte. Mit schnellem Blick seiner dunklen Augen hatte er die beiden Eintretenden als Engländer einge stuft. Er fragte deshalb in gutem Englisch nach den di versen Wünschen der Kunden. »Keine Umstände, mein Lieber«, meinte Agatha Simpson, die sich wohlwollend gab. Sie stand bereits
vor der Auslage und entdeckte dann ein Wandregal, das ebenfalls mit ähnlichen Figürchen gefüllt war. »Original-Nachbildungen aus dem Akropolis-Muse um«, sagte er, »echte Bronze, beste Qualität.« »Beste Qualität aus Hongkong?« fragte die ältere Dame sarkastisch. »Möglich, aber wenn, dann nach unseren Formen, Madam.« »Sie sprechen mit einer Lady«, warf Josuah Parker ein, »wie teuer sind diese Nachbildungen, die an sich als recht hübsch bezeichnet werden können?« »Nach Ihrer Währung von drei bis zwanzig Pfund, je nach Größe.« Der Grieche musterte verstohlen seine Kundschaft. »Mylady wurde auf eine Nachbildung aufmerksam ge macht, die einen Wert von achtzig Pfund hat.« »Nein, so etwas haben wir nicht, so etwas werden Sie auch nirgendwo finden, wenigstens nicht in dieser Art.« Der Grieche breitete erst mal bedauernd die Hän de auseinander, um dann auf die Regale zu deuten. »Ich bin ein seriöser Geschäftsmann. Es kann natürlich sein, daß man solche Imitationen als echte Kunstwerke verkauft und dann frei kalkulierte Preise verlangt. Auf solche billigen Tricks aber fallen eigentlich nur noch touristische Dummköpfe herein.« »Wem sagen Sie das, junger Mann!« Mylady lächelte wissend und dachte eindeutig an ihre Statuette aus Gold. »Wie gern und oft werden diese Nachbildungen hier denn gekauft?«
»Sie sind beliebte Mitbringsel, Mylady«, lautete die Antwort, »sie sind geschmacklich einwandfrei und be stehen durchaus aus Bronze.« »Sie beziehen diese Imitationen von einem Großhänd ler?« fragte der Butler. »Mylady wird Ihnen später den tieferen Sinn dieser Frage erläutern.« »Ich möchte über meine Geschäftspraktiken eigentlich nichts sagen«, entschuldigte sich der Geschäftsmann, »mißverstehen Sie mich bitte nicht, aber...« »Ich will Ihnen keine Konkurrenz machen, junger Mann«, beruhigte die ältere Dame den Griechen, der doch immerhin fünfzig sein mochte, »mein Butler wird Sie für die Auskunft entschädigen.« »Wir alle beziehen sie von einem Großhändler, der eine Art Monopol hat«, gab der Grieche sofort Aus kunft. Er hatte in der rechten, schwarz behandschuhten Hand des Butlers eine englische Banknote entdeckt, die für ihn bestimmt war. Er nahm sie diskret an sich und ließ sie wie durch Zauberei in der Außentasche seines Jacketts verschwinden. Anschließend lieferte der er freute Geschäftsmann dann auch noch die Adresse dieses Großhändlers. »Es gibt natürlich noch einige kleinere Hersteller«, lieferte er dann noch eine zusätzliche Information, »aber die dürften wohl kaum von Interessen sein, ja?« »Auch diese Namen und Adressen könnten Mylady nützen«, meinte Josuah Parker und deutete auf einen Notizblock, »würden Sie die Güte haben, entsprechen de Hinweise schriftlich zu fixieren? «
»Um was geht es denn eigentlich?« wollte der Grieche wissen. Ihm waren Bedenken gekommen. »Mylady arbeitet an einer Enzyklopädie über interna tionale Souvenirs«, behauptete Parker aus dem Steg reif. »Ach so.« Der Grieche nickte verstehend. »Das wird bestimmt ein toller Bestseller.« »Die Fachwelt wartet bereits mit Spannung darauf«, meinte der Butler, »sobald Sie alle Adressen niederge schrieben haben, könnten Sie meiner Wenigkeit ein kleines Sortiment an Statuetten zusammenstellen. Ich denke an etwa zwölf Exemplare.« »Was soll ich denn mit diesem Schund?« fragte Lady Agatha mißbilligend. »Schließlich kostet das alles Geld.« »Falls Mylady belästigt werden sollten, könnten Myla dy Ausweichexemplare jener Statuette anbieten, die Mylady auf der Akropolis kauften.« »Richtig, das wollte ich Ihnen ja gerade vorschlagen«, sagte sie und errötete noch nicht mal ob dieser Behaup tung, »nur mit List kann man diesen Gangstern begeg nen.« Sie hoffte wohl immer noch, einen besonderen Fang machen zu können, und sah sich die vielen Exemplare der kleinen Imitationen an. Sie wog sie in der Hand, prüfte und war schließlich enttäuscht. »Hier ist für mich nichts mehr zu holen«, sagte sie schließlich leise zu Parker, der sich gerade den Notiz zettel geben ließ, »wir sollten doch noch mal hinauf zu
diesen fliegenden Händlern auf der Akropolis gehen.« »Mylady hoffen, den Händler zu sehen, der Mylady die Statuette verkaufte?« »Vielleicht weiß dieser Trottel überhaupt nicht, was er anzubieten hat«, hoffte sie. »Dafür aber gewisse Leute, die Mylady bereits beläs tigten«, erinnerte der Butler. »Darf man anregen und sogar vorschlagen, nun einen Juwelier aufzusuchen, der den Wert der Statuette abschätzen könnte?« »Einverstanden«, sagte sie überraschenderweise, »ich will meinen Triumph voll auskosten.« »Verfügen Sie über einen Hinterausgang?« Parker wandte sich noch mal dem Griechen zu, der die gekauf ten Imitationen gerade verpackt hatte. »Einen Hinterausgang?« fragte der Mann verdutzt. »Mylady legt keinen Wert darauf, lästigen Bekannten zu begegnen«, sagte Josuah Parker. Mit der Spitze sei nes Universal-Regenschirmes deutete er auf jene bei den Männer, die zusammen mit ihm im Lift nach oben ins Hotel gefahren waren. Sie standen auf der anderen Seite der schmalen Straße und warteten eindeutig dar auf, daß Mylady und Butler Parker endlich das Geschäft verließen. *** »Sie glauben doch nicht etwa, daß ich der Gewalt wei chen werde, Mr. Parker«, sagte Lady Agatha grimmig und brachte ihren Pompadour in Schwingungen, »ich
werde die Herausforderung selbstverständlich anneh men.« »Dies, Mylady, erlaubte ich mir zu unterstellen«, erwi derte Josuah Parker, der das Temperament seiner Her rin nur zu gut kannte, »Mylady wollen und werden aber allein den Schauplatz einer möglichen Auseinanderset zung bestimmen.« »Das ist allerdings richtig, ich lasse mir nichts auf zwingen.« Sie nickte dem Butler wohlwollend zu, »wie gut Sie das doch sehen. Gehen wir.« Parker bezahlte die Kopien und ließ sich dann zusam men mit Lady Simpson durch einen schmalen Korridor in einen Hinterhof bringen. Der Grieche deutete auf eine Mauer, in die eine Pforte eingelassen war. Sie sei unverschlossen, sagte er, dahinter erreiche man eine Parallelstraße. Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und schritt voraus. Er wollte so schnell wie möglich die schmale Pforte hinter sich bringen. Seiner Schätzung nach mußten die beiden Männer inzwischen bemerkt haben, daß Agatha Simpson und er das Souvenirgeschäft längst verlassen hatten. Mit einer recht aufdringlichen Verfolgung war also zu rechnen, eine Tatsache allerdings, gegen die Butler Parker nichts einzuwenden hatte. Ja, er hoffte sogar, daß man ihnen bedenkenlos und konsequent fol gen würde. Die Pforte war tatsächlich unverschlossen. Parker ließ Mylady selbstverständlich den Vortritt. Dann wandte er sich um und sah bereits die beiden Verfolger, die gera
de aus dem Haupthaus kamen und in den Hinterhof liefen. Sie waren sehr schnell, entdeckten ihrerseits das Duo Parker-Lady Simpson und wurden noch schneller. Parker, stets überaus höflich, lüftete grüßend die schwarze Melone und deutete eine leichte Verbeugung an. Um dann aber eventuellen Schüssen zu ent kommen, passierte auch er die Pforte und zog sie hinter sich zu, achtete jedoch darauf, daß sie nicht ins Schloß fiel. »Mir paßt das überhaupt nicht, Mr. Parker«, stellte Lady Agatha klar, »ich möchte mir nicht nachsagen las sen, daß eine Lady Simpson die Flucht ergreift.« »Mylady flüchten keineswegs«, erwiderte Parker, »Mylady werden, wie gewünscht, innerhalb weniger Se kunden zur sogenannten Offensive übergehen.« »Das hört sich bereits besser an.« Sie sah ihn wohl wollend und unternehmungslustig an. »Mylady haben natürlich längst bemerkt, daß ich mir erlaubte, die Pforte nur anzulehnen.« »Habe ich das? Äh, natürlich, so etwas entgeht mir nicht.« »Sobald die beiden Verfolger die Pforte erreicht haben werden, könnte man das Türblatt der Pforte dazu be nutzen, die beiden Männer in einige Verlegenheit zu bringen.« »So was schwebte mir bereits vor«, behauptete sie prompt, »es versteht sich, daß ich die Tür aufstoßen werde, Mr. Parker ...« Parker spähte vorsichtig durch den schmalen Spalt der
Pforte in den Innenhof. Die beiden Verfolger hasteten bereits heran. Sie kamen offensichtlich gar nicht auf den Gedanken, hier überrascht werden zu können. Sie rechneten mit blinder Flucht der beiden Opfer, die sie sich aufs Korn genommen hatten. »Wenn Mylady jetzt freundlicherweise offensiv wer den könnten ...?« Parker trat zur Seite und deutete auf die schwere, schmale Tür. Agatha Simpson nahm einen Anlauf und brachte ihre majestätische Fülle in Bewe gung. Sekunden später warf sie sich kraftvoll gegen das Türblatt, das unter dem Eindruck der freigesetzten Energie förmlich explodierte. Parkers an sich hoch gesteckte Erwartungen wurden voll erfüllt. Er hörte beim Herumkrachen der schmalen, aber schweren Tür pforte auf der anderen Seite einen erstickten Aufschrei, der von einem leichten Brüller begleitet wurde. Dann herrschte Stille. »Man soll eine Lady Simpson nicht unterschätzen«, sagte die ältere Dame und schob sich ungeniert durch die nun halb geöffnete Tür in den Innenhof. Parker, der unmittelbar folgte, blieb beeindruckt ste hen. Auf dem Boden lagen die beiden Männer, die er vom Hotel-Fahrstuhl her kannte. Sie machten einen sehr lädierten Eindruck und waren keineswegs in der Verfassung, etwaige Fragen zu beant worten. Parker kassierte zwei kurzläufige Revolver, die die beiden Männer verloren hatten, und deutete dann in Richtung Lady Agatha eine Verbeugung an. »Schon gut«, meinte sie großzügig, »nur keine Kom
plimente, Mr. Parker. Was glauben Sie, sollte ich diese beiden Flegel nicht noch sicherheitshalber mit dem Pompadour behandeln?« »Momentan, Mylady, dürfte dies nicht notwendig sein«, erwiderte Josuah Parker, »die beiden Männer sind kaum in der Lage, solch eine Sonderbehandlung werten zu können.« *** »Ein recht hübscher Nachmittag«, bemerkte Agatha Simpson, als sie wieder im Hotel waren. Parker hatte Tee kommen lassen, servierte ihn jedoch selbst in sei ner unnachahmlichen Manier. Er war ein Butler, wie man ihn nur noch auf dem Bildschirm oder auf der Leinwand bewunderte. Für diese Zeremonie hatte er sich selbstverständlich weiße Handschuhe überge streift. »Mylady genießen den Aufenthalt in Athen?« erkun digte sich Parker. »Ich freue mich auf den Besuch im Stadion«, meinte sie, »man spielt dort doch Fußball, wie?« »Nicht unbedingt und direkt«, lautete Parkers Ant wort, »dieses Stadion wurde um etwa dreihundert vor der Zeitenwende ansatzweise errichtet und um hun dertdreißig nach Christi vollendet. Nach seiner Zerstö rung während der Türkenbesetzung wurde es um die Jahrhundertwende für die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit neu erbaut.«
»Richtig«, bestätigte sie, »ich wollte nur hören, ob Sie sich auch informiert haben, Mr. Parker. Wer wird in diesem Stadion wohl auf mich warten? Habe ich da eine bestimmte Vorstellung?« »Mylady denken gewiß an jenen fliegenden Händler, der die Goldstatuette verkaufte.« »Richtig«, wiederholt sie noch mal, »er hat also weite re Kopien in Gold anzubieten. Ich werde mich überra schen lassen, Mr. Parker. Wahrscheinlich weiß dieser Mann inzwischen, daß ich nicht gerade unbemittelt bin.« »Er könnte sich in der Tat informiert haben, Mylady, es könnte sich aber, wie Mylady längst wissen, um eine Falle handeln.« »Ich fürchte keine Fallen, Mr. Parker.« Ihr Blick zeigte leichte Empörung. »Gewiß nicht, Mylady, doch gegen einen möglichen Schuß aus dem Hinterhalt sollten Mylady gewisse Vor kehrungen treffen.« »Und wie stelle ich mir die vor, Mr. Parker? Noch et was mehr Rum für den Tee, bitte. Ich möchte nicht an der falschen Stelle sparen.« Parker wertete im Sinn seiner Herrin den Tee ein we nig auf und widmete sich dann der Frage, die an ihn ge richtet worden war. Er schlug vor, weit vor der verein barten Zeit ins Stadion zu fahren. »Ich soll mich in dieser Arena langweilen?« empörte sie sich. »Mylady dürfen davon ausgehen, daß auch die Gegen
seite wesentlich früher dort erscheinen wird.« »Das könnte sein.« Sie dachte einen Moment nach. »Gut denn, Mr. Parker, ich werde diese Variante durch spielen.« »Bis Einbruch der ersten Dämmerung ist das Stadion Ziel vieler Touristen«, redete Parker weiter, »Mylady könnten sich unter das Volk mischen und dann Positi on beziehen.« »Ich werde eine der Beutewaffen mitnehmen, Mr. Par ker. Was hat sich denn bisher so angesammelt?« »Vier Revolver stehen momentan zur Verfügung«, zählte der Butler auf, »sie stammen von den beiden Männern, die Mylady auf dem Innenhof zur Strecke brachten. Zwei Schußwaffen konnte meine We nigkeit im Fahrstuhl des Hotels bergen, zwei im Innen hof.« »Recht nett«, sagte sie wohlwollend, »ich werde alle vier Waffen mitnehmen.« »Die hiesigen Behörden könnten eine etwaige Kano nade mißverstehen, Mylady«, warnte 'Josuah Parker, »zudem erkühnte ich mich bereits, diese vier Waffen per Päckchen der Polizei zuzusenden.« »Ja, warum denn das?« Sie sah ihn gereizt an. »Man sollte unterstellen, daß die beiden geschädigten Waffenträger der Polizei einen Tip zukommen lassen, die dann ihrerseits eine Durchsuchung der Suite vor nehmen würde.« »Das sollte man nur wagen«, gab die ältere Dame er freut zurück, »ich glaube, Mr. Parker, ich würde dann
wohl ärgerlich werden.« Während ihrer Worte langte sie fast automatisch nach ihrem Pompadour und zog den darin befindlichen Glücksbringer prüfend in der Hand. »Während der Fahrt hinüber in das an sich nahe Sta dion, Mylady, könnte man zusätzlich einen Juwelier aufsuchen und ihn um eine Expertise bitten«, schlug Parker vor, »danach können Mylady dann, falls er wünscht, die Statuette möglicherweise an einem siche ren Ort unterbringen.« »An einem sicheren Ort...« Sie nickte nachdenklich. »Mylady denken, wie meine Wenigkeit vermutet, an ein Banksafe, das nur in Myladys Gegenwart geöffnet werden könnte.« »Richtig«, bestätigte sie munter, »daran habe ich tat sächlich gerade gedacht. Was für ein Zufall!« Parker wollte die Suite verlassen, um sich in sein eige nes Hotelzimmer zu begeben, als er vor der Tür, die auf den Korridor führte, ein dumpfes Geräusch hörte, das ihn an einen Fall erinnerte. Der Butler blickte hinüber zum Türgriff und stellte fest, daß er sich langsam, fast im Zeitlupentempo senkte, um dann wieder zurück in die Normallage zu schnellen. Er kam umgehend zu dem Schluß, daß sich draußen auf dem Korridor etwas ereig net haben mußte ... *** »Das ist ja dieser Statuettenverkäufer«; staunte Lady
Agatha, als Parker einen mittelgroßen, schlanken Mann ins Zimmer führte, der ungefähr dreißig sein mochte. Der Mann machte einen mehr als angeschlagenen Ein druck. Er schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können. »Der Herr bedarf meiner Hilfe, Mylady, er scheint ein deutig verletzt zu sein«, sagte Parker und führte den er schöpften Mann zu einem Sessel. Der Statuettenver käufer, dessen Gesicht wachsbleich war, ließ sich vor sichtig nieder und stöhnte dabei. »Eine Rückenverletzung«, meinte Parker, »meiner be scheidenen Ansicht nach dürfte es sich um eine Stichoder Schußverletzung handeln.« »Ich war Pfadfinderin«, erklärte die ältere Dame, »ich kenne mich in Erster Hilfe aus, Mr. Parker. Überlassen Sie mir den Mann ... Eine Schere, Handtücher, heißes Wasser, Pflaster, Antibiotika und ... Ich denke, ich wer de erst mal überprüfen, ob Sie zurechtkommen, Mr. Parker.« »Sehr wohl, Mylady.« Parker entwickelte Schnelligkeit und Feingefühl, als er dem Mann das Jackett abstreifte. Er holte aus einer seiner vielen Westentaschen wie durch Zauberei eine kleine, zusammenklappbare Sche re, öffnete sie und durchtrennte dann das Oberhemd des Verletzten. Anschließend begutachtete Parker die Wunde. »Genieren Sie sich nicht, mich um Hilfe zu bitten, Mr. Parker«, ließ die ältere Dame sich vernehmen, »sieht es schlimm aus?«
»Ein Messerstich, Mylady, der bereits einen großen Blutverlust bewirkte.« »Muß der Mann ins Hospital?« Agatha Simpson näherte sich dem Verletzten und warf einen flüchtigen Blick auf die Wunde. Sie verzog ihr Gesicht und begab sich ins Badezimmer. Nach wenigen Augenblicken kam sie mit nassen und trockenen Hand tüchern zurück. »Wo nehme ich Heftpflaster her?« fragte sie Parker. »Mylady haben sich geschnitten und benötigen von der Rezeption einen Verbandskasten«, schlug Parker vor, »wenn Mylady erlauben, werde ich den Verletzten ins Schlafzimmer tragen.« Diesmal beharrte Agatha Simpson nicht darauf, diesen Vorschlag bereits vorgedacht zu haben. Sie eilte ans Te lefon und donnerte ihre Wünsche und Anweisungen per Draht nach unten in die Rezeption. Parker trug den stöhnenden Mann in den großen Schlafraum und legte ihn vorsichtig auf ein Sofa am Fenster. »Sprechen Sie Englisch?« erkundigte er sich. »Wann sind Sie verletzt worden?« »Vor zehn Minuten oder so«, erwiderte der Grieche stöhnend. Sein Englisch war gut zu verstehen, »ich bin mit einem Messer angegriffen worden.« »Die Messerspitze dürfte nur Ihr Schulterblatt getrof fen haben«, beruhigte Parker den Mann, was allerdings nicht ganz zutraf, »möchten Sie in ein Hospital ge bracht werden?« »Nein, nein«, wehrte der Grieche ab, »dort werden sie mich finden und umbringen. «
»Wie interessant«, fand Lady Agatha, die zurückge kommen war, »und wer will Sie warum umbringen?« »Ich schließe mich Myladys Frage durchaus an«, sagte Parker, »Sie haben Ärger wegen der Statuette aus Gold, nicht wahr?« »Ich Idiot«, sagte der Grieche und riß sich zusammen, »ich wollte nur ein paar Kopien abzweigen ...« »Von wem und wo?« Parker versorgte bereits die Wunde und wartete auf den Verbandskasten. Er wurde schneller gebracht als gedacht. Als vorn an der Tür der Suite angeklopft wurde, winkte Mylady ab und ging selbst, um den Verbandskasten in Empfang zu nehmen. Parker schob sich noch näher an den Verletzten heran. »Sie sind in Sicherheit«, sagte er eindringlich und sprach bewußt langsam, damit der Verletzte ihn ver stand, »Sie haben nichts mehr zu befürchten. Woher haben Sie die Statuette, die Sie Mylady verkauft haben? Wie viele dieser Kopien haben Sie an sich gebracht?« »Ich habe sie aus einem Wagen«, erwiderte der Mann mühsam und mit schwacher Stimme, »aus einem klei nen Lastwagen.« »Wer ist der Besitzer dieses Wagens und wo stand er? « »Sie wissen von dem Gold, Sir?« fragte der Verletzte. »Wußten Sie es nicht?« antwortete Parker mit einer Gegenfrage. »Ich habe nichts gewußt«, beteuerte der Mann, »glau ben Sie mir, ich hatte keine Ahnung.« »Wo war dieser Lastwagen?« Wenn es sein mußte,
konnte Josuah Parker auch durchaus knapp und gezielt Fragen stellen. »In Piräus«, stöhnte der Mann, »da war ein Zusam menstoß. Ein Lastwagen mit einem anderen. Dabei fie len ein paar kleine Kisten auf die Straße und platzten auf.« »Wie viele dieser Statuetten nahmen Sie an sich?« »Gut zwanzig oder so. Mehr ganz sicher nicht.« »Und wo befinden sich die Statuetten jetzt?« wollte Lady Agatha wissen. Sie war mit dem Verbandskasten zurückgekommen. »Bei einem Freund«, erwiderte der Mann mit deutlich schwächer werdender Stimme, »ich will alles zurückge ben, aber ich brauche noch Ihre Kopie, Sir. Bitte, ich brauche sie, sonst bringt man mich um ...« »Die Adresse Ihres Freundes«, Parker sah den Ver letzten erwartungsvoll an, doch er glitt in eine Ohn macht hinüber und war nicht mehr in der Lage, diese wichtige Frage zu beantworten. Butler Parker versuchte erst gar nicht, den Mann aus seiner geistigen Abwesen heit herauszuholen. Er verfügte jetzt über richtiges Ver bandsmaterial und konnte dem Verletzten einen or dentlichen Notverband anlegen. »Muß er ins Hospital?« fragte Agatha Simpson. »Meiner bescheidenen Meinung nach unbedingt, Mylady.« »Dort wird man ihn umbringen, Mr. Parker.« »Die Täter, die diesem Mann den Messerstich beige bracht haben, dürften in der Tat vor und hinter dem
Hospital auf den Bedauernswerten lauern, Mylady. Man könnte sich allerdings eine kleine List einfallen lassen.« »So etwas wollte ich gerade vorschlagen.« Sie nickte begeistert. »Man könnte einen Krankenwagen anfordern, Myla dy. Nach den Regeln der internationalen Hotellerie müßte solch ein Krankenwagen an einen möglichst un auffälligen Seiteneingang des Hauses geschleust wer den, um jedes Aufsehen zu vermeiden.« »Der oder die Täter bekommen das aber mit und kon zentrieren sich auf diesen Wagen, nicht wahr?« »Davon können Mylady ausgehen. Während man also auf den Abtransport wartet, müßte man den Verletzten ganz offiziell durch den Vordereingang aus dem Hotel und dann in Sicherheit bringen.« »Dieser Plan könnte von mir sein, Mr. Parker.« »Mit Sicherheit, Mylady«, pflichtete Parker ihr höflich bei, »die Frage ist nur, wie man den Verletzten ungese hen durch die belebte Hotelhalle bringt. »Um solche Details kümmere ich mich nie, Mr. Par ker«, lautete die umgehende Antwort der passionierten Detektivin, »diese Kleinigkeiten überlasse ich Ihnen!« *** Josuah Parker stand am Fenster einer Etagen-Teekü che und schaute auf dem Innenhof des Hotels. Dort schob sich gerade ein Krankenwagen mit der Rückseite
an einen Kelleraufgang heran. Zwei Krankenträger stie gen aus, öffneten die hinteren Wagentüren und ver schwanden kurz darauf mit einer Trage im Haus. Wenig später entdeckte der Butler zwei Bekannte. Es handelte sich um jene beiden Männer, die er inzwi schen schon zweimal nachdrücklich ausgeschaltet hat te. Einmal war dies im Hotel-Fahrstuhl gewesen, zum zweiten an der Mauerpforte, die von Lady Agatha be wegt worden war. Die beiden Männer schienen zäh wie die Kletten zu sein. Auch hier hatten sie sich wieder eingefunden und beobachteten den Krankenwagen. Sie standen bereits auf dem Innenhof und hatten ein wenig Maske gemacht. Sie trugen graue Kittel und ga ben sich als Handwerker aus. Einer von ihnen hielt eine Ölkanne in der Hand und versorgte die Scharniere des Tores. Der zweite hämmerte mit einer Zange am Schloß herum. Nun, besonders überzeugend wirkten die bei den Pseudo-Handwerker gerade nicht, doch es reichte vollkommen aus, um keine neugierigen Fragen beant worten zu müssen. Parkers Aufmerksamkeit konzentrierte sich keines wegs nur auf diese beiden Männer. Er beobachtete wei ter und rechnete damit, daß auch jene Dreiergruppe in der Nähe war, von der Lady Agatha in ihrer Hotelsuite überrascht und gefesselt worden war. Trotz sorgfältiger Aufmerksamkeit konnte er keine weiteren verdächtigen Personen ausmachen. Möglich, daß diese Dreiergruppe auf der schmalen Straße hinter dem Hotelhof Stellung bezogen hatte.
Um jede Eventualität zu vermeiden, holte Josuah Par ker seine Patent-Gabelschleuder aus der Innentasche seines schwarzen Zweireihers. Es handelte sich, vom Urprinzip her gesehen, um eine Gabelschleuder oder Zwille, wie sie von Jungen immer wieder gern benutzt wird. Parker hatte dieses Prinzip selbstverständlich er weitert und wesentlich effektiver gemacht. Seine Ga belschleuder ließ sich erst mal zusammenklappen und raumsparend transportieren. Zum anderen verfügte sie über besonders starke Gummistränge, die in der Lage waren, die Spezialgeschosse des Butlers selbst über er staunliche Entfernungen hinweg zu befördern. Als Mu nition dienten ihm dabei hart oder nur oberflächlich gebrannte Tonmurmeln verschiedener Größe. Für den Fall der äußersten Notwehr konnte der Butler darüber hinaus auch noch kleine Stahlkugeln verschießen, doch diese Munition wandte er nur in Extremfällen an. Er entschied sich für nur oberflächlich gebrannte Ton murmeln und wartete, bis die beiden Krankentranspor teure mit ihrer Bahre erschienen. Dann öffnete Parker das Fenster der kleinen Teeküche, legte eine erste Ton murmel in die Lederschlaufe, die die beiden Gum mistränge miteinander verband, spannte und visierte den ersten Mann unten am Tor an. Eine Sekunde spä ter zischte sein Geschoß nach unten und erwischte den Mann, der nach wie vor hartnäckig die Scharniere ölte. Der Getroffene blieb wie erstarrt stehen, zuckte dann mit erheblicher Spätzündung und warf die Ölkanne zu Boden. Danach beeilte er sich, ihr zu folgen. Er blieb
regungslos auf den Steinplatten des Innenhofes liegen. Sein Partner, der natürlich nichts gehört hatte, mußte wohl gerade gesehen haben, daß die beiden Kranken träger auf der Kellertreppe erschienen. Er drehte sich um, wollte seinen Begleiter informieren und starrte dann fassungslos auf den Mann am Boden. Bevor der zweite Pseudo-Handwerker reagieren konnte, traf ihn das nächste Tongeschoß des Butlers. Der Mann tat einen Hüpfer wie eine fußkranke Heuschrecke, sprang gegen die Begrenzungsmauer und rutschte dann eben falls zu Boden. Die beiden Krankenträger, die mit einer leeren Bahre zurückgekommen waren, erwiesen sich als diensteifrig und dankbar. Im Hotel selbst waren sie nicht fündig ge worden. Nun aber entdeckten sie zwei am Boden lie gende Männer, die sich nicht rührten. Nach einem blitzschnellen Meinungsaustausch stürzten sie sich förmlich auf die beiden Bewußtlosen und beeilten sich, sie in den Krankenwagen zu verladen. Parker war mit dieser nicht geplanten Reaktion und Einlage äußerst zufrieden. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der Krankenwagen sich in Bewegung setzte. Er wischte in Höchstfahrt durch das geöffnete Tor und verschwand dann in der schmalen Straße hinter dem Hotel. Butler Parker verließ die Teeküche und begab sich ge messen hinüber zu den Fahrstühlen. Er fuhr in das Kellergeschoß des Hotels und erreichte die Wirtschafts räume des großen Hauses. Er hatte genau den richtigen Zeitpunkt erwischt. Zwei Hotelangestellte waren gerade
damit beschäftigt, eine große Transport-Kleiderkiste aus Sperrholz, die auf einem Rolluntersatz stand, über eine Rampe zu schieben. Das Ziel dieses Transports war ein geschlossener Lieferwagen des Hotels, der zur Aufnahme der gebrauchten Wäsche diente. Parker lüftete grüßend seine schwarze Melone, als die beiden Angestellten ihm freundlich zuwinkten. Parker verteilte noch mal je eine Banknote und machte den beiden Männern deutlich, daß jetzt der geeignete Zeit punkt gekommen sei, die Kleiderkiste wegzuschaffen. »Sie haben alle Kleinigkeiten geregelt, Mr. Parker?« fragte Lady Agatha eine Viertelstunde später, als er die Suite der älteren Dame betrat. »Sehr wohl, Mylady, wobei es überraschende Nebenef fekte gab, wie ich bemerken möchte.« »Erzählen Sie mir das während der Fahrt«, gab sie zu rück, »ich möchte den Verkäufer der Statuette nicht zu länge allein lassen.« »Die Fahrt nach Faliron kann sofort angetreten wer den, Mylady«, antwortete der Butler, »der Chef der Pri vatklinik hat bereits alle Vorbereitungen für eine Ope ration getroffen.« »Und wie sieht es mit Verfolgern aus, Mr. Parker?« »Sie dürften einem Krankenwagen folgen, in dem sie jedoch keineswegs den Andenkenverkäufer antreffen werden«, schloß Josuah Parker höflich. »Dieser Mann liegt wohlversorgt in einer bequem ausgestatteten Wä schekiste.«
*** Es war noch heiß in der Stadt, obwohl die Sonne be reits tief stand. Josuah Parker saß auf dem Beifahrersitz des gemiete ten Land-Rover und hatte sich den Sicherheitsgurt um geschnallt. Er kannte die mehr als eigenwillige Fahr weise seiner Herrin, die sie natürlich auch gerade hier in Athen beweisen wollte. Sie verblüffte selbst routinierte Taxifahrer, die ihre Fahrspur blitzschnell und völlig nach Belieben wechsel ten. Sie schockierte altgediente Großstadtfahrer, die immerhin versuchten, sich möglichst ohne Blechscha den durch den wilden Verkehr zu schlängeln. Lady Agatha kurvte mit dem geländegängigen Wagen begeis tert durch die Straßen und erinnerte irgendwie an jene legendären Kamikazeflieger, die den Selbstmord auf ihre Stirnbänder geschrieben hatten. Sie pflügte durch die Blechlawine, die die Straße füllte und hinterließ hinter sich quietschende Reifen und Bremsen. Verzwei felte Taxifahrer, in Ehren ergraut, hämmerten auf ihre Lenkräder und glaubten, ein Phantom zu sehen. Myla dy visierte jeden hinderlichen Wagen entweder frontal an, oder aber sie schnitt, überholte Autos in einer Art, die zwangsläufig Notbremsungen auslösten. »Diese Leute hier haben einfach keine Disziplin«, sag te sie im Plauderton zu Butler Parker. »Mylady sehen dies außerordentlich scharfsichtig«, gab Parker in seiner höflichen Art zurück.
»Wozu gibt es Regeln für den Straßenverkehr?« redete sie munter weiter, »und dann dieses Gehupe! Man soll te eine Eingabe an das hiesige Parlament machen, fin den Sie nicht auch? Auf uns unerfahrene, hilflose Tou risten sollte man doch etwas mehr Rücksicht nehmen.« »Wie Mylady meinen.« Parker war ein Mann der Selbstbeherrschung. Lady Agatha hatte gerade zu ei nem Überholmanöver angesetzt und übersah souverän einen entgegenkommenden Lastwagen, der frontal auf sie zuhielt. »Alles eine Frage der Nerven, Mr. Parker«, sagte sie wohlgelaunt, »wollen wir wetten, daß er zurückstecken wird?« »Mylady würden solch eine Wette mit Sicherheit ge winnen«, erklärte der Butler und sollte sich nicht ge täuscht haben. Der Lastwagenfahrer bremste ur plötzlich und pflügte dann einen hölzernen Blumenkü bel am Straßenrand um. Der schwere Wagen wurde zur Seite gerissen und drängte einen Zivilfahrer in den Stand eines Obstverkäufers. Das Ergebnis war verheerend. Südfrüchte aller Art flo gen durch die Luft, überreife Tomaten zerplatzten auf den Windschutzscheiben verdutzter und gänzlich unbe teiligter Mitfahrer. Eine Massenbremsung führte dann zum Zusammenbruch des Verkehrs. Mylady aber fuhr zielsicher weiter und fühlte sich äußerst wohl. Sie wink te einigen Fahrern zu, die ihr drohend die Fäuste zeig ten. »Nette Menschen, im Grund genommen«, fand sie,
»hier scheint man noch Damen zu schätzen, Mr. Par ker.« »Mylady wollten einen Juwelier aufsuchen«, erinnerte Parker, »Mylady könnten vielleicht in eine Seitenstraße einbiegen, falls es sich nicht gerade um eine Einbahn straße handelt.« »Und dann zu einer vertrauenswürdigen Bank«, sagte sie, »oder sollte ich die Statuette nicht doch lieber zur Botschaft bringen? « »Dazu müßte man zurück in die City, Mylady«, erklär te Parker, »möglicherweise verlöre man dadurch viel Zeit.« »Nun gut.« Sie nickte gewährend, »die griechischen Banken sollen ja auch nicht gerade schlecht sein, wenn man sie auch nicht mit der Bank von England verglei chen kann.« Parker deutete diskret auf ein attraktives Juwelierge schäft, als Agatha Simpson in eine Seitenstraße einbog. Sie reagierte verblüffend schnell und bremste sehr un geniert. Hinter ihr kreischten andere Bremsen und fluchten Fahrer. Sie stieg aus und maß die empört verzweifelten Verkehrsteilnehmer mit eisiger Miene. »Diese Leute scheinen ihren Führerschein per Ver sandhaus-Katalog bekommen zu haben«, stellte sie dann fest, »Mr. Parker, sehen Sie doch, wie dicht man aufgefahren ist. Unglaublich!« »Myladys Fahrstil ist eben unnachahmlich«, urteilte Parker, »falls man übrigens hätte verfolgt werden sol len, dürften inzwischen alle Verfolger mehr oder weni
ger nachhaltig gestrandet sein, wenn ich mir diese Be merkung erlauben darf.« *** Das klassische Stadion glich einem offenen Rechteck, das auf der entgegengesetzten Seite durch ein Halb rund begrenzt wurde. Die Sitzreihen stiegen steil an. Das blendende Weiß des verwendeten Steines blendete selbst um diese Tageszeit noch die Augen. »Recht nett, aber nichts gegen Wembley«, meinte Agatha Simpson. Sie hatte für einen Moment gehalten und schaute in die Anlage hinein, die sich durch Eben maß auszeichnete. Als begeisterte Anhängerin des Fuß ballspiels englischer Prägung gab es für sie keine Alter native. Wie Parker es vorausgesagt hatte, waren auch um die se Zeit noch viele Touristengruppen unterwegs, um sich diese Sportanlage anzusehen. Parker hatte sich in nerlich entspannt. Die Statuette, übrigens tatsächlich aus reinem Gold, wie der Juwelier bestätigt hatte, be fand sich im Safe einer Bankfiliale. Der Gegenstand, der die bisherigen Zwischenfälle ausgelöst hatte, be fand sich damit in Sicherheit. Eine Statuette aus Bronze hatte Parker sicherheitshalber mitgenommen, um auf dringliche Verfolger abzulenken. »Ich denke, jetzt sollten Sie weiterfahren«, meinte die passionierte Detektivin und deutete auf das Lenkrad, »diese Schnellstraßen langweilen mich.«
Butler Parker kam diesem Wunsch nur zu gern nach. Er wechselte mit seiner Herrin den Sitz und bewegte den Land-Rover anschließend in Richtung Faliron, wo sich die Privatklinik befand, in die er den Verletzten hatte schaffen lassen. Die Fahrt verlief ohne Zwischen fälle. Mylady aber langweilte sich sichtlich und wartete voller Ungeduld auf Attacken. Sie fühlte sich nur dann wohl, wenn es turbulent zuging. Josuah Parker blieb auf der Hut. »Mochte Lady Simpson auch während der Fahrt durch die Stadt ein mittleres Chaos angerichtet haben, es war nach wie vor nicht ausgeschlossen, daß die Verfolger ihre Spur wiederentdeckten. Diese Leute durften auf keinen Fall wissen, wo man den verletzten Anden kenhändler untergebracht hatte. Der Chef der kleinen, aber exklusiven Privatklinik, ein gewisser Georgios, schlank, etwa fünfundfünfzig Jahre alt, empfing seine Gäste bereits auf der Treppe der Kli nik. Er versicherte wortreich und in fast akzentfreiem Englisch, er sei glücklich und stolz, Lady Simpson be grüßen zu dürfen. »Es ist selbstverständlich, daß ich helfen werde«, meinte er dann, »die Wunde des Mannes ist bereits versorgt worden.« »Ist dieser Mann ansprechbar?« erkundigte sich Aga tha Simpson. »Man wird sehen«, gab Georgios zurück, »er ist natür lich sehr geschwächt, sein Blutverlust ist hoch gewesen. Darf ich fragen, wie Sie an meine Adresse gekommen
sind?« »Mr. Parker ist für solche Dinge zuständig«, infor mierte Lady Agatha den griechischen Arzt, »ich glaube, er kennt in London einen Ihrer Kollegen.« »In der Tat«, bestätigte Parker, »ich war so frei, die sen Herrn vom Hotel aus in London anzurufen und um eine erstklassige Adresse zu bitten. Ihr Name, Sir, wur de spontan genannt.« »Wie auch immer«, meinte Agatha Simpson ungedul dig, »ich möchte jetzt diesen jungen Mann sehen, Dok tor. Im Vertrauen, ich bin da einer einmaligen, interna tionalen Gangsterbande auf der Spur.« »Der Verletzte ist ein Gangster?« Dr. Georgios schluckte beeindruckt. »Ich muß Ihnen da etwas mit teilen, was vielleicht von Bedeutung sein könnte.« »Genieren Sie sich nicht, mein Bester«, ermunterte die Detektivin den Arzt, »ich werde meinen Freunden und Bekannten Ihre Praxis hier in Athen empfehlen. Und sollten Sie mal nach London kommen, würde ich mich freuen, wenn Sie bei mir den Tee nehmen wür den.« »Eine Auszeichnung«, bedankte sich Georgios und führte seine Gäste ins Haus. Mit einem Fahrstuhl ging es in die zweite Etage der Klinik. Nach wenigen Minu ten standen Lady Simpson und Butler Parker vor dem Bett, in dem der Verletzte lag. Er hatte die Augen ge schlossen und schien noch unter der Nachwirkung ei ner leichten Narkose zu stehen. »Sie wollten Mylady eine Mitteilung von eventueller
Bedeutung machen«, erinnerte der Butler den Arzt. »Es war während der Behandlung«, sagte Dr. Georgi os leise, »der Mann dort erwähnte mehrfach den Na men > Goldhelm Goldhelm < angeru fen und ihm eine Art Tausch vorgeschlagen, oder?« »Wo ... Woher wissen Sie das?« Der Verletzte sah den Butler überrascht an. »Weil es recht leicht ist, Ihre Geschichte auf die Tatsa chen zu reduzieren. Sie haben ein Lager des > Gold helms < ausgeraubt und einige Kisten gestohlen, die mit Statuetten gefüllt waren. Ich will zugeben, daß Sie vom wahren Wert dieser kleinen Statuen nichts wuß ten, als Sie dies jedoch entdeckten, hofften Sie auf ein einmalig gutes Geschäft. Ist es so gewesen? « »So ungefähr, Sir.« Der Verletzte senkte den Kopf. »Einen Autounfall hat es demnach nicht gegeben«, re dete der Butler höflich und gemessen weiter, »ich möchte es noch mal verdeutlichen und daher wiederho len: Sie haben das Lager des > Goldhelms < besucht, ohne vielleicht zu wissen, daß es ihm gehört. Sie waren an Bronzestatuen interessiert und wollten eigentlich nur auf recht billige Art bei einem einschlägigen Groß händler einkaufen.« »So ist es genau gewesen, Sir, von Gold habe ich nichts gewußt. Aber als ich es dann sah, fiel's mir wie Schup pen von den Augen. Ich habe Blut und Wasser ge schwitzt.« »Der sogenannte „Goldhelm« ging auf Ihren Vor schlag, den Sie natürlich per Telefon unterbreiteten, ein?« »Er wollte mir fünftausend Dollar zahlen. Und ich
habe daran geglaubt, ich Esel. Ich hätte es besser wis sen müssen.« »Könnte Ihr Freund Sie nicht verraten haben?« »Mein Freund? Wie kommen Sie auf meinen Freund?« »Weil Sie diesen Großeinkauf, um es mal so zu nen nen, schon aus Gewichtsgründen nicht allein tätigten.« »Daran habe ich auch schon gedacht, Sir. Aber eigent lich ist er nicht der Mann, der einen verrät.« »Gold verdirbt bekanntlich den Charakter«, erinnerte der Butler, »nennen Sie mir Name und Adresse dieses Freundes. Auch Ihr Name wäre von einigem Interesse.« »Hören Sie, ich liefere mich Ihnen damit doch glatt aus!« »Ausgeliefert sind Sie bereits«, erklärte Josuah Par ker, »und es dürfte sich für Sie gelohnt haben. Sie wur den aus dem Hotel geschmuggelt und befinden sich hier in relativer Sicherheit.« »Sie wollen das Gold für sich behalten, wie?« »Vorerst möchte ich wissen, warum Sie Mylady die Statuette verkauften, obwohl Sie doch bereits wußten, daß sie aus Gold besteht.« »Weil man hinter mir her war«, sagte der Verletzte, »ich hatte da ein paar Leute vom „Goldhelm« auf der Akropolis erkannt und wollte das Ding so schnell wie möglich loswerden.« »Sie brachten die Statuette aus Gold ohne zwingenden Grund zur Akropolis? Sie werden verstehen und begrei
fen, daß ich Ihren Worten kaum Glauben schenken kann.« »Ich suchte nach Ausländern, denen ich nach der ers ten Figur weitere Kopien verkaufen konnte, verstehen Sie? Diese eine Kopie war so eine Art Köder. Ich wußte doch, daß man früher oder später merken würde, daß die Statuette aus Gold ist.« »Eine Erklärung, die ich vorerst akzeptiere«, erwider te Josuah Parker, »nun aber sollten Sie wieder der Ruhe pflegen und neue Kräfte für den versprochenen Flug sammeln.« Der Verletzte stand auf, verließ das Halbrund der Sträucher und .. . wurde dann wie von einer unsichtba ren Faust niedergestreckt. Er wurde förmlich zur Seite geschleudert und fiel in einen Strauch. Josuah Parker sah sich daraufhin veranlaßt, erst mal in Deckung zu gehen. Er ging davon aus, daß hier scharf geschossen wurde! *** »Bedauerlicherweise kam es nicht mehr zu einer Nen nung der Namen und Adressen, Mylady«, sagte Josuah Parker, »der Schuß kam ein wenig zu überraschend, wenn ich so sagen darf.« »Nun ja, mir wäre das nicht passiert, Mr. Parker, aber geschehen ist eben geschehen. Wann wird dieser Statu ettenverkäufer wieder ansprechbar sein?« »Seine Verletzung ist außerordentlich schwer,
Mylady«, erklärte Parker, »Dr. Georgios wird den Be dauernswerten in eine größere Klinik bringen müssen. Die erforderlichen Schritte wurden von ihm bereits ein geleitet. Darüber hinaus ist jeden Moment mit dem Er scheinen der Polizei zu rechnen.« »Das ist aber sehr dumm.« Die Detektivin schüttelte ärgerlich den Kopf. »Ich habe absolut keine Lust, mich ausfragen zu lassen, Mr. Parker. Am liebsten würde ich zurück in die Stadt fahren. Da ist ja schließlich immer noch das Treffen mit diesem Subjekt, das mich im Sta dion sehen möchte. Werde ich das zeitlich noch schaf fen?« »Mylady können den Garten dieser Privatklinik sofort und umgehend verlassen«, sagte Parker und deutete zur Mauer hinüber, die unter schwerem üppigem Blatt werk fast verborgen war, »meine Wenigkeit könnte in zwischen den Wagen holen.« »So werde ich es machen, Mr. Parker. Später werde ich der Polizei dann Rede und Antwort stehen.« Die Signale der herankommenden Polizeiwagen waren bereits zu hören, als Agatha Simpson in den Land-Ro ver stieg. Sie rückte wie eine mächtige Glucke auf den Beifahrersitz und stieß einen Seufzer der Zufriedenheit aus. Parker beeilte sich, den ein wenig auffallenden Wagen erst mal in Seitenstraßen zu bringen. Er konnte sich mehr als lebhaft vorstellen, daß die griechische Po lizei nach ihnen fahndete. Er hatte Dr. Georgios übri gens vor der Abfahrt grünes Licht gegeben. Der Arzt konnte alles aussagen, was immer er wußte.
»Was halten denn Sie von der Geschichte, die der Ver letzte Ihnen da aufgetischt hat?« erkundigte sich die äl tere Dame schließlich. »Seine letzte Version, Mylady, dürfte den Tatsachen entsprechen«, erwiderte Josuah Parker, »es handelte sich zuerst wohl um einen Diebstahl, der dann al lerdings geradezu katastrophale Ausmaße annahm. Es dürfte sich um sehr viel Gold handeln, das jetzt in ei nem unbekannten Versteck liegt, falls es von dem Freund des Verletzten nicht bereits weggeschafft wor den ist.« »Sehr schön.« Die Lady nickte. »Und jetzt wird dieser „Goldhelm« annehmen, daß ich eingeweiht worden bin. Der Schütze im Garten der Klinik hat doch gesehen, daß Sie sich eingehend mit dem Andenkenverkäufer unterhalten haben.« »Die Aktivitäten des sogenannten >Goldhelms Glücksbringer < nahm rasch Fahrt auf und zischte durch die Luft. Er landete, wohl mehr aus Zufall, auf der Stirn der schlanken Frau, die sofort zu Boden ging. Das echte Pferdehufeisen, nur oberflächlich in Schaum stoff gehüllt, hatte seine Wirkung getan. »Falls Sie möglicherweise eine Bewegung machen, die man falsch deuten könnte, sähe man sich gezwungen, Sie drastisch in Ordnung zu rufen«, rief Parker dem Mann zu, der tatsächlich nach einer Waffe greifen woll te. Der Man, tief davon beeindruckt, daß seine Begleite rin auf den Steinquadern lag, hob umgehend die Arme.
»Nicht schießen«, rief er hastig, »nur nicht schießen! Wir haben das nicht geplant.« »Das werden Sie mir näher erklären müssen, Sie Lüm mel!« Agatha Simpson stieg zusammen mit Parker nach unten und baute sich dann vor dem Mann auf, der etwa dreißig Jahre zählte. »Sie wollten tatsächlich eine Lady Simpson überlisten?« erkundigte sich die Detektivin grimmig. »Ich glaube, ich muß Sie ohrfeigen.« Der Mann beging einen Kardinalfehler. Er sah die ältere Dame vor sich und rechnete sich eine Chance aus, doch noch entwischen zu können. Er ver zichtete auf alle Höflichkeit und wollte Lady Simpson mit einem blitzschnellen Schlag zu Boden strecken. Die resolute Dame, deren Arme und Hände goldgestählt waren, erwies sich allerdings als schneller. Sie versetzte dem Mann eine ihrer derben Ohrfeigen, die es in sich hatten. Der Mann absolvierte umgehend einen Über schlag zur Seite und dann nach hinten, legte sich auf die Sitzreihe, rutschte ab und landete völlig benommen zwei Reihen tiefer. »Haben Sie das mitbekommen, Mr. Parker?« entrüs tete sie sich freudig, »dieses Subjekt wollte mich schla gen. Über dieses Thema werde ich mich mit ihm noch ausführlich unterhalten. Unhöflichkeiten dieser Art dulde ich grundsätzlich nicht!« ***
»Ich glaube, mein Kreislauf ist ein wenig angegriffen«, stellte Agatha Simpson eine Viertelstunde später fest. »Wenn ich mir erlauben darf, Mylady eine kleine Er frischung anzubieten?« Während Parker fragte, langte er in die rechte Innentasche seines schwarzen Zweirei hers und holte eine lederbezogene Taschenflasche her vor, deren Verschluß er abschraubte und als Becher be nützte. Parker, auf fast jede Eventualität eingerichtet, war in der Lage, seiner Herrin einen Kognak anzubie ten. »Schon besser«, sagte sie und musterte dann wohlge fällig die beiden Gefangenen, die Parker in einen der Umkleideräume geschafft hatte. Sie saßen ziemlich be treten auf harten Bänken und sahen sich außerstande, überraschende Angriffe zu starten. Nach bewährter Methode hatte der Butler ihre jeweiligen Daumen mit einander verschnürt. Als Bindemittel dient eine Ny lonschnur, wie sie zum Angeln benutzt wird. Einige Meter davon - auf einem entsprechenden Stück Karton gewickelt - führte Parker stets mit sich. Der dritte Mann, der sich nach dem Pfeilschuß in wilden Sprün gen und langen Sätzen nach unten in Richtung Aschen bahn abgesetzt hatte, war von Parker nicht aufgehalten worden. Wahrscheinlich rannte dieser Mann jetzt wie ein Irrwisch durch die Straßen und juckte und kratzte sich wie besessen. »Handelt es sich bei diesen beiden Herrschaften um jene, Mylady, die sich
in Myladys Suite ungebeten einfanden?« fragte Par ker. Agatha Simpson, die sich bereits informiert hatte, nickte. »Eindeutig«, erklärte sie dann, »ein Irrtum ist ausge schlossen, Mr. Parker.« »Der sogenannte „Goldhelm« wird mit Ihrem Versa gen nicht so recht einverstanden sein«, redete der But ler weiter, »nehmen Sie bitte möglichst davon Abstand, Mylady beteuern zu wollen, daß Ihnen der Name > Goldhelm < unbekannt ist.« »Sie machen einen Riesenfehler«, sagte die junge Frau, die schmal, schlank und sportlich durchtrainiert war. Sie mochte etwa fünfundzwanzig sein, hatte ein exotisch geschnittenes Gesicht, grüne Augen und blon des Haar. »Bei dieser Ihrer Bemerkung handelt es sich schon fast um einen Standardausspruch wenn ich so sagen darf«, meinte Parker, »kann ich unterstellen, daß Sie jetzt umgehend Ihre Freilassung fordern werden?« »Die ist Ihre einzige Chance«, erwiderte die junge Frau, »ich werde dafür sorgen, daß Sie unbehelligt aus Athen kommen, das verspreche ich Ihnen.« »Und wie wollen Sie verhindern, daß Lady Simpson oder meine Wenigkeit von dem Goldschatz sprechen werden, um den es doch offen geht?« »Sie werden ihn zurückgeben und ihr Ehrenwort ge ben, den Mund zu halten.« »Was für ein Ausdruck!? Eine Lady Simpson hält nicht den Mund, merken Sie sich das gefälligst«, grollte die
ältere Dame. »Entschuldigen Sie«, entgegnete die junge Frau schnell, »so war das nicht gemeint. Von mir aus kön nen Sie später auch reden, Hauptsache, das Gold kommt wieder in die Hand seines Eigentümers.« »In die Hände dieses >Goldhelms Goldhelm < war,» eine freundlichere Villengegend können Sie sich gar nicht vorstellen. Hier werden wir ganz unter uns sein.«
»Sorgen Sie gefälligst dafür, daß man mir die Fesseln abnimmt«, schaltete sich die Detektivin ein, »oder ha ben Sie Angst vor einer hilflosen Frau?« »Ich fürchte mich vor unkontrollierbaren Natureigen schaften«, lautete die Antwort des >Goldhelms