Butler Parkers
neueste Masche
Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges
„Ihre Ausdrucksweise...
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Butler Parkers
neueste Masche
Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges
„Ihre Ausdrucksweise mißfällt mir außerordentlich", stellte Butler Josuah Parker fest. Ein verweisender Unterton in seiner beherrschten Stimme war unverkennbar. Steif und korrekt stand er vor der Anmeldung des kleinen, schäbigen Hotels. „Ob Mr. Harrison mich zu empfangen wünscht oder nicht, möchte ich, selbstverständlich mit Ihrer freundlichen Genehmigung, selbst von ihm hören." Der Mann hinter der Theke stieß ein gefährliches Knurren aus. Mißtrauisch zog er die Augen bis auf einen schmalen Spalt zusammen. In seinen Kreisen redete man nicht derart höflich oder kompliziert. Er fühlte sich leicht auf den Arm genommen, was seine an sich schon schlechte Laune nicht unerheblich steigerte. Der Nachtportier war gut und gern einen Kopf größer als der Butler. Und dazu noch viel breiter und muskulöser. Die hochgerollten Ärmel des bunt bedruckten Hawaiihemdes gaben dicke Muskelschlangen frei. Dieser Mann war gefährlich. Das sah und spürte Butler Parker. Doch er dachte nicht im Traum daran, die enge und schlecht beleuchtete Halle des kleinen Hotels zu verlassen. Abwartend sah Josuah Parker sein Gegenüber an. Der Muskelprotz über-
legte noch, was er tun sollte. Und er rätselte gleichzeitig darüber nach, wer der Mann vor der Theke wohl sein könnte. Nun, Josuah Parker paßte nicht in diese Umgebung. Hier wurde die Nachlässigkeit groß geschrieben. Josuah Parker hingegen zeigte sich korrekt gekleidet wie immer. Trotz der drückenden Schwüle an diesem späten Nachmittag war er ganz in Schwarz gekleidet. Melone und Regenschirm vervollständigten seinen Anzug. Josuah Parker wirkte in dieser seltsamen Aufmachung wie ein Überbleibsel vergangener Zeiten. Er sah sehr harmlos aus und schien zu den Menschen zu gehören, die grundsätzlich kein Wässerchen trüben können. Der Muskelprotz war inzwischen zu einem Resultat gekommen. Langsam umschritt er die Theke, breit grinste er den Butler an. Doch in seinen noch engen Augen glitzerte die Tücke. „Putz' endlich die Platte ...!" redete er den Butler noch einmal an. Überraschend sanft klang die Stimme „Harrison ist für dich nicht zu sprechen. Das reicht doch, oder ...?" „Ich protestiere in aller Form", antwortete Josuah Parker ohne ein Zittern in der baritonal gefärbten Stimme. „Ich
werde mich bei der Hotelleitung beschwe ren müssen...!" „Na, dann eben nicht...!" Der Muskelprotz stieß einen erleichterten Seufzer aus. Er hatte schon befürchtet, der Besucher könnte gehen, ihn damit um sei nen Spaß bringen. Er visierte die schwarze, steife Melone auf Parkers Kopf an. Ihm schwebte vor, sie mit einem harten Fausthieb über Parkers Ohren zu treiben. Eine durchaus verständli che Regung, da die Melone sich dazu ja förmlich anbot. Seine breiten Pranken zuckten hoch. Die Lippen verzogen sich bereits zu einem ironischen Grinsen. Bevor die Hände je doch die Melone erreichten, reagierte der Butler. Der mit Blei präparierte Griff des schwarzen Regenschirms bewegte sich blitzschnell nach oben und traf genau die Kinnspitze des Nachtportiers. Die Wirkung war überraschend. Ein aus keilendes Pferd hätte nicht härter schlagen können. Der Muskelprotz ächzte, verdrehte die Augen und ließ beide Arme fallen. Im gleichen Moment senkte sich der U niversal-Regenschirm des Butlers. Die Schirmspitze traf die Zehen des lin ken Fußes. Da diese Spitze ungewöhnlich scharf war, wurden die Zehen nicht gerade sanft behandelt. Automatisch knickte der Fleischberg zu sammen, riß den mißhandelten Fuß hoch. Eine reine Instinkthandlung, die er nicht kontrollierte. Darauf schien Josuah Parker nur ge
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wartet zu haben. Das Genick des Mannes bot sich ihm an. Er konnte einfach nicht widerstehen. Mit einem schnellen Handkantenschlag beendete Parker die unerfreuliche Diskus sion. Krachend fiel der Muskelprotz gegen die Holztheke, rutschte langsam an ihr herunter und blieb regungslos auf dem schmutzigen Steinboden liegen. Mit sparsamen Bewegungen stieg Josu ah Parker über den Mann. Er hing den Universal-Regenschirm an den gewohnten Platz am Unterarm und schritt gemessen der Treppe zu. Daß er gerade erst einen äußerst gefährlichen und kraftstrotzenden Gegner ausgeschaltet hatte, war ihm über haupt nicht anzusehen. Selbst sein Atem ging um keine Nuance schneller. Im Korridor der ersten Etage bog er nach links ab. Vor dem Zimmer mit der Num mer 12 blieb er stehen, klopfte kurz und diskret an. Abwartend trat er einen Schritt zurück. Sein Klopfen blieb ohne Antwort. Butler Parker wartete einige Sekunden, obwohl er bereits ahnte, daß Mr. Harrison ausgeflogen war. Dann griff er in die rechte Tasche seines schwarzen, kurzen Coverco ats und holte einen schmalen, blitzenden Gegenstand hervor. Er führte ihn in das Schlüsselloch hinein und ... sperrte die Tür auf. Das geschah mit einer Schnelligkeit und Selbstverständlichkeit, die selbst einem versierten Einbrecher atemloses Staunen abgenötigt hätte.
Parker trat ein. Mit einem schnellen, umfassenden Blick orientierte er sich. Alles deutete darauf hin, daß Mr. Joel Harrison ausgeflogen war. Der eintürige Schrank war weit geöffnet, zwei Schubladen der Kommode hingen heraus. Im Zimmer roch es nach warmem Zigarettenrauch. Aber auch nach einem aufdringlichen, süßlichen Parfüm der billi gen Kaufhaussorte. Josuah Parker ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken. Um nur wenige Minuten war er zu spät gekommen. Der Butler schloß die Tür, stieg nach un ten in die schmale, muffige Hotelhalle. Als er sie betrat, rappelte der Muskel protz sich gerade hoch. Noch waren seine Augen leicht glasig. Er starrte den Butler wie eine überirdische Erscheinung an, schien krampfhaft nachzudenken, wann und unter welchen Begleitumständen er diesen ganz schwarz gekleideten Mann wohl gese hen hatte. Er schaffte es nicht. Parker verbeugte sich andeutungsweise, als er an dem Nachtportier vor-beischritt. „Ich bedanke mich nachträglich für Ihre Freundlichkeit", sagte Josuah Parker. „Für mich ist es immer wieder eine reine Freude, mit höflichen Menschen zusammenarbeiten zu können." Zusätzlich lüftete er seine schwarze, stei fe Melone. In diesem Moment erinnerte sich der Fleischberg. Plötzlich wußte er, was pas siert war. Keuchend lehnte er sich gegen die The ke. Und starrte fassungslos dem Butler nach, der würdevoll wie ein Bischof die Halle verließ und die Straße betreten woll te.
Es kostete den Nachtportier sehr viel An strengung, ans Telefon zu kommen. Seine Hände zitterten noch, als er eine ganz be stimmte Nummer wählte. „Endlich ...!" seufzte er auf, als die Ver bindung hergestellt war, „hier spricht Mac. Bestellt dem Boß, daß Harrison entdeckt worden ist. Ja, doch, von so 'nem komi schen Kerl. Wenn ich den erwische, mache ich Hackfleisch aus ihm." Er warf den Hörer in die Gabel und dreh te sich langsam um. Seine Augen weiteten sich vor Schreck, als dicht vor ihm dieser ganz in Schwarz gekleidete Mann stand. Josuah Parker, der zurückgekommen war, verzog keine Miene. „Ich stehe zu Ihrer Verfügung", sagte er kühl. „Wenn ich recht hörte, wollen Sie doch Hackfleisch aus mir machen. Übri gens eine Ausdrucksweise, die ich sehr verabscheue." Der Muskelprotz erstickte fast. Er schloß für Bruchteile von Sekunden die Augen. Die Angst würgte ihn. Er hatte nicht die geringste Lust, noch einmal mit diesem unheimlichen Besucher anzuban deln. Als er die Augen öffnete, war die schwarze Erscheinung verschwunden. Da war der Nachtportier Mac Wor land fest davon überzeugt, nur geträumt zu haben. Er brauchte aber einige dop pelte Whisky, bis er wieder normal atmen konnte...! , Mike Rander, bekannter Anwalt und Strafverteidiger, bewohnte ein Penthouse in der Lincoln Park Avenue. Vom Dachgarten aus ging der Blick weit über den MichiganSee. Das Brausen des Verkehrs war hier oben in der Dachgartenwohnung des riesi gen Apartment-Hauses kaum zu verneh men. Mike Rander wohnte im Herzen der Riesenstadt 3
Chikago und dennoch auf einer kleinen, geworden. Innerhalb kürzester Zeit entwi grünen Insel, die er sich auf dem Dachgar ckelte er seine Anlagen, baute sie aus, ten hatte anlegen lassen. Das Penthouse brachte sie zu einer atemberaubenden Per glich einem kalifornischen Bungalow und fektion. bot allen Komfort. Darüber hinaus aber war Butler Josuah Parker war listenreich wie es eine raffiniert gesicherte Festung, für die ein Fuchs, kannte alle Tricks und erfand die Erfindungsgabe des Butlers verantwort immer wieder neue dazu. Er verblüffte lich zeichnete. Zu oft schön hatten rach seine Gegner mit Banalitäten, technischen süchtige Gangs und Einzelverbrecher ver Überraschungen und immensen Kenntnis sucht, Mike Rander oder Josuah Parker zu sen. überraschen und zu töten. Gangster, die bereits Kontakt mit ihm Die Gründe für solche Versuche waren gehabt hatten, fürchteten ihn wie die Pest. mehr als zahlreich. Neben seiner Arbeit als In einschlägigen Kreisen waren seine Strafverteidiger war Mike Rander ein erst schwarze Melone und sein Regenschirm klassiger Kriminalist, der sogar von Bun fast zu einem Mythos geworden. Selbst desbehörden häufig um Rat angegangen Anwalt Rander wurde aus seinem Butler wurde. nie ganz klug. Angebote, in Randers Firma Anwalt Mike Rander konnte sich dieses als Teilhaber einzutreten, lehnte der Butler Hobby durchaus leisten. Einmal, weil er stets ab. Er war und blieb der treue Butler finanziell ausgezeichnet abgesichert war, seines Herrn, der immer dann zur Stelle zum anderen, weil in seinem Anwaltsbüro war, wenn man ihn brauchte. Und Josuah erstklassige Mitarbeiter die Routinefälle Parker war immer schnell zur Stelle. Auch erledigten. wenn er sich einer barocken und reichlich Motor dieses Hobbys aber war der Butler umständlichen Ausdrucksweise bediente, die er selbst in den vertracktesten und ge Josuah Parker. Vor Jahren hatte der knapp 38 Jahre alte fährlichsten Situationen niemals aufgab. Mike Rander wollte sich gerade an den Mike Rander drüben in England den Butler engagiert. Als Junggeselle brauchte Rander Arbeitstisch setzen, als das Telefon klingel schließlich einen Menschen, der sich um te. Da dieser Anschluß nur über eine Ge heimnummer zu erreichen war, mußte es sein leibliches Wohl kümmerte. Nur nach langem Zögern hatte Josuah Parker sein. Rander hob den Hörer aus der Parker zugestimmt. Als eingefleischter Gabel und meldete sich. „Sir, ich bedaure Engländer hielt er nicht besonders viel von es ungemein, Sie stören zu müssen", be Amerika. Und selbst jetzt nach Jahren war gann Josuah Parker. „In Erledigung Ihres er ein eingefleischter Engländer geblieben. Auftrags begab ich mich in das bewußte Und ein steifleinener, überaus korrekter Hotel, um Mr. Harrison einen Besuch ab Butler dazu. Daß er die Staaten inzwischen zustatten." „Trafen Sie ihn an?" schätzte und liebte, ließ er sich grundsätz „Es ist mir peinlich eingestehen zu müs lich nicht anmerken. Wenn Anwalt Mike Rander die Krimina sen, Sir, daß ich Mr. Harrison um nur we listik als Hobby betrachtete, so war sie für nige Minuten verpaßte. Durch eine glückli che Fügung des Zufalls wurde ich dann den Butler zu einer Leidenschaft allerdings Zeuge eines 4
Gesprächs, das der Nachtportier mit einem Mann führte, den er in vulgärer Art als ,Boß' bezeichnete." „Ist ja toll, Parker ...! Hinter Harrisons Verschwinden steckt also doch eine Gang oder?" „Wenn Sie gestatten, Sir, möchte ich Ih nen beipflichten. Ich war in der erfreuli chen Lage, mir die vom Nachtportier ge wählte Telefonnummer merken zu kön nen." „Parker, machen Sie's bloß nicht so spannend. Wer versteckt sich hinter dieser Telefonnummer?" „Ich nahm mir die Freiheit, das zu er gründen, Sir. Dieser Anschluß ist identisch mit einer Großhandlung für Südfrüchte aller Art. Die betreffende Firma gehört einem gewissen Mr. Walt Hostans. Sie befindet sich im Gebiet der Industriehä fen." „Kennen wir diesen Hostans?" erkundig te Mike Rander sich. Auf Parkers Gedächt nis konnte er sich verlassen. „Ich kann leider nicht dienen, Sir." „Von wo aus rufen Sie jetzt an?'' „Um rationell zu arbeiten, Sir, fuhr ich sofort hinaus zu den Kais. Zur Zeit befinde ich mich in einer äußerst schmutzigen, öffentlichen Telefonzelle, genau gegenüber der Firma Hostans, die rein äußerlich einen recht ansprechenden Eindruck macht, wenn ich mir diese private Anmerkung vielleicht gestatten darf," „Natürlich, Sie dürfen", antwortete Rander und grinste. „Wie ich Sie kenne, wollen Sie sich die Firma mal aus der Nähe anse hen, oder?" „Sir, ich danke Ihnen für Ihr Verständ nis", gab Parker zurück. „Ich sollte zu Ihnen rauskommen, Par ker", schlug Rander vor. „Oh, ich möchte Ihre Zeit auf keinen
Fall unnötig in Anspruch nehmen", wehrte Parker das Hilfsangebot seines Herrn ab. „Mir ging es einzig und allein darum, meine weiteren Schritte mit Ihnen, Sir, gründlich abzustimmen." „Also gut, sehen Sie sich mal um. Wenn Sie sich per Telefon nicht innerhalb der nächsten Stunde melden, werde ich eine Hilfsexpedition ausrichten, Parker. Inzwi schen will ich mal mit meinen Freunden von der Polizei reden und mich nach die sem Walt Hostans erkundigen. Könnte ja sein, daß er dort registriert ist." Mike Rander legte auf und zündete sich eine Zigarette an. Im Grunde paßte es ihm nicht, daß Parker wieder einmal allein und auf eigene Faust handelte. Die Gefahr war schließlich zu groß. Gangster, die sich beobachtet fühlen, reagieren immer hart und schnell. Gewiß, Butler Parker war alles andere als ein Anfänger, aber auch der Geschickteste kann schließlich stol pern und Pech haben. Mike Rander sah auf seine Armbanduhr. Es war 19.43 Uhr. In genau einer Stunde lief die Frist ab, die er seinem Butler gestellt hatte. Hof fentlich meldete Parker sich schon viel früher. Rander hing schließlich an Josuah Parker, der für ihn weit mehr als nur ein Butler war. Um die Zeit wenigstens in etwa auszufül len, rief er das Hauptquartier der Stadtpolizei von Chikago an. ,Er ließ sich Leutnant Cur rent von der Zentralen Mordkommission geben. Nach wenigen Sekunden meldete sich eine harte Stimme. Sie erwärmte sich um eine Nuance, als Mike Rander seinen Na men nannte. „Ich wette, ich muß wieder mal Kin-
dermädchen spielen", sagte Current. Sein Lachen klang wie das Bellen eines heiseren Hundes. „Sitzen Sie in Schwierigkeiten, Rander? Sind Sie mal wieder über eine Leiche gestolpert? Was muß ich ausbü geln?" „Kennen Sie einen Walt Hostans?" „Keine Ahnung, Rander. Was soll er ausgefressen haben?" „Noch weiß ich das nicht. Parker interes siert sich für diesen Namen." „Parker ...?" Verblüffung herrschte auf der Gegenseite. Wenn Parkers Name er wähnt wurde, stutzte selbst der eisenharte Leutnant Current. Dann witterte auch er sofort einen Fall, der früher, oder später durch die Tageszeitungen ging. „Hören Sie, Rander, was liegt da bei euch an, he? Ich habe keine Lust, wieder mal vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Diesmal nicht ...!" „Nichts ist los, Current", antwortete Mi ke Rander harmlos. „Wir stolperten rein zufällig über diesen Namen. Hätte ich Sie sonst angerufen?" „Na ja ...! Ich werde im Archiv nach nachfragen, Rander. In spätestens zehn Minuten rufe ich wieder an." Der Anwalt bedankte sich und legte auf. Er war nicht besonders verwundert, als Current später anrief und ihm mitteilte, ein Walt Hostans sei der Polizei unbekannt. Was besagte das denn schon...? Hauptsa che war, Josuah Parker hatte die Spur die ses Mannes aufgenommen. Und wenn Par ker sich für einen Menschen interessierte, dann bestimmt nicht ohne Grund ...! Josuah Parker verließ die Telefonzelle und überschritt die breite Fahrbahn. Auf ihr herrschte gerade um diese Zeit ein toller Verkehr. Parker schien
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ihn überhaupt nicht zu bemerken. Steif und würdevoll wie ein nach Fröschen suchender Storch betrat er die Straße Das Kreischen der Bremsen um ihn herum ignorierte er souve rän. Er ging keinen Schritt schneller. Um ihn herum öffnete sich eine Gasse. Andeutungs weise nickend, sich damit bedankend, stelzte der Butler auf die andere Gehseite zu. Hartgesottene Lastwagenfahrer, nervöse Menschen aus Fabriken und Büros starrten ihm nach. Auch sie glaubten eine Erschei nung aus einem vergangenen Jahrhundert vor sich zu haben. Wer trug denn schon hier in Chikago solch einen altertümlichen, schwarzen Covercoat, eine schwarze Melo ne und dazu noch einen altväterlich gewi ckelten Regenschirm? Und das bei dieser drückenden Schwüle...? Butler Parker bog nach rechts ab, mischte sich unter die Passanten und blieb vor dem Tor zur Firma Walt Hostans stehen. Das Pförtnerhaus war leer. Aber an der niedergelassenen Barriere stand ein unter setzter, etwa 50 jähriger Mann, der eine Art Uniform trug. Er kniff die Augen zusammen, als Parker plötzlich vor ihm stand. „Ja ...?" fragte er nur und rieb sich die Augen. „Es ist mein dringender Wunsch, Mr. Hostans zu sprechen." „Wie war das ...?" Der Pförtner schnappte nach Luft. „Sie wollen den Boß sprechen?" „Man kann es auch so ausdrücken, wenn gleich mir meine Version bedeutend besser gefällt." „Der Boß ist jetzt nicht zu sprechen." „Setzen Sie ihn bitte von meinem Wunsch in Kenntnis." Mehr sagte Parker nicht. Er sah den Pfört ner ruhig an. Das reichte. Der un-
tersetzte, massige Mann huschte wie ein len Sie mir diese Fragen?" flüchtendes Wiesel in das Pförtnerhäus „Sie kennen das ,Pewell-Hotel' und chen und telefonierte. Nach wenigen seinen Nachtportier nicht?" Sekunden kam er zurück zur Barriere. „Nein, zum Donnerwetter. Aber jetzt „Sie sollen 'raufkommen." will ich endlich wissen...!-" Parker lüftete seine schwarze Melo„Sir, ich bedanke mich für Ihre ne und überquerte den Lagerhof, in freundliche Auskunft", unterbrach Pardem einige Tracks und Thermoswagen ker ihn mit sanfter Stimme. Er ver standen. Arbeiter sah er nicht. Das vier- beugte sich, zog seine Melone und stöckige Büro- und Lagerhaus am Ende schwenkte sie grüßend durch die Luft. des Grundstücks war bis auf einige Dann wendete er sich um und ließ Walt Fenster unbeleuchtet. Hostans einfach stehen. Als Parker die Halle betrat, kam ihm Der Inhaber der Früchtefirma brauch ein hoch gewachsener, schlanker, ele- te einige Sekunden, bis er sich von sei gant aussehender Mann entgegen. Er ner Verblüffung erholt hatte. Dann rea mochte etwa vierzig Jahre alt sein, trug gierte er allerdings sehr sauer. Mit einen kleinen Schnurrbart und kleidete schnellen Schritten eilte er dem Butler sich sehr teuer und sorgfältig. nach, faßte ihn an der Schulter und wir „Wollen Sie mich sprechen?" fragte belte ihn herum. Das heißt, er wollte er den Butler. „Ich bin Walt Hostans." Josuah Parker, den er für einen alten Seine grauen Augen ruhten prüfend Mann hielt, herumwirbeln. auf Parker. Erstaunen ließ Hostans sich Seine Muskeln schafften es allerdings nicht anmerken. nicht. Parker schien sich plötzlich in „Mein Name ist Parker, genauer aus eine Marmorstatue verwandelt zu ha gedrückt, Josuah Parker, Sir. Darf ich ben. Erst als Hostans Hand von seiner mir die Freiheit nehmen, Sie einige Mi- Schulter abrutschte, drehte Parker sich nuten zu belästigen?" um. Amüsiert verzogen sich die schmalen Milde und Freundlichkeit lagen auf Lippen von Walt Hostans. Solch eine seinem Gesicht. Anrede hatte er ganz sicher nicht er „Ich kann mich des Eindrucks nicht wartet. erwehren, daß Sie etwas von mir wol„Natürlich, schießen Sie los ...!" len", sagte er. „Darf ich mich erkunden, ob Ihnen „Ich will wissen ... Zum Teufel, so ein Mr. Joel Harrison bekannt ist?" können Sie mir nicht kommen ...! Wer „Joel Harrison?" fragte Hostans zu sind Sie eigentlich?" rück, „wer soll das sein?" „Da Sie meinen Namen bereits ken„Dazu möchte ich mich, mit Ihrer Erlaubnis, erst später äußern", antwortete nen, ihn also nicht noch einmal hören Josuah Parker. „Erhielten Sie in der wollen, werde ich mich näher erklären vergangenen Stunde einen Anruf, der müssen, Sir." Parker nickte zustimaus dem ,Pewell-Hotel' kam?" mend. „Ich bin Kriminalist aus Leiden „Hören Sie mal, Mr. Parker, was sol- schaft. Zur Zeit beschäftige ich mich mit len Ihre Fragen? Wer sind Sie eigent- dem Verschwinden eines Mannes, der lich? Nein, ich meine natürlich nicht aus unverständlichen Gründen nicht in den Schoß seiner recht angesehenen Fa Ihren Namen. Mit welchem Recht stel 7
milie zurückkehren will. Ich hoffe, Ihnen damit ausreichend gedient zu haben, Sir." Erneut das höfliche Lüften der schwarzen Melone. Während Hostans noch an Parkers Worten herumkaute, hatte Parker sich wieder umgedreht und schritt würdevoll wie ein Premierminister zum Tor. Diesmal verzichtete Hostans darauf, Parker noch einmal zu folgen. Er hob aber seinen rechten Arm und winkte dem Pförtner am Tor verstohlen zu. Parker, der ihm den Rücken zuwandte, konnte das natürlich nicht sehen. Handelte der Butler nicht etwas leichtsinnig? Der Pförtner gab durch nichts zu erkennen, daß er die Handbewegung seines Chefs gesehen hatte. Er verschwand jedoch im Torhaus und beugte sich über ein Schaltbrett mit Klingelknöpfen und Drehschaltern. Josuah Parker hatte das Tor noch nicht ganz erreicht, als der Pförtner wieder an der Barriere erschien. Er grinste den Butler an und hinderte ihn nicht daran, das Grundstück zu verlas sen ...! Parker wußte natürlich längst Be scheid. Zwar besaß er keine Augen im Rükken, doch ein kleiner Handspiegel hat te ihm das Zeichen Mr. Hostans genau verraten. Er konnte sich also an fünf Fingern ausrechnen, daß er ab sofort beschattet und verfolgt werden sollte. Als höflicher Mensch tat Josuah Parker alles, dieses Vorhaben zu erleichtern. Er schritt langsam die belebte Straße hinunter. Vom See kam ein leichter, salziger Wind auf. Er war jedoch mit Feuchtigkeit geladen und 8
brachte kaum Erleichterung. Ein medizinisches Wunder, daß Jo suah Parker in seiner schwarzen Klei dung nicht schwitzte. Wie er das machte, war und blieb ein Geheimnis. Vor der Auslage einer Bücherei blieb Parker stehen. Falls nun ein Beobachter auftauchte, hatte er es mit einer gut eingespielten und straff geführten Organisation zu tun. Er war sehr gespannt, wie der Fall sich weiter entwickelte. Und richtig, schon nach wenigen Sekünden sah er neben sich einen jüngeren Mann auftauchen, der gelassen auf seinem Chewing-gum herumkaute und nur einen abfälligen Blick auf die Büeher warf. Warum blieb dieser junge Mann am Schaufenster stehen, wenn er von der Auslage nichts hielt? Parker schritt weiter. Steif und aufrecht, als habe er einen Ladestock verschluckt, bog er in eine enge Seitenstraße ein, die hinunter zu den Kaianlagen führte. Hier war es bereits recht dunkel. Die hohen Mauern der Lagerschuppen schirmten sogar den Widerschein der Leuchtreklamen ab. Parker hörte hinter sich leise, schnelle Schritte. Versuchte sein Beobachter aufzuholen? Wollte er vielleicht sogar zum Angriff übergehen? Jeder andere Mensch wäre stehenge blieben, hätte Verteidigungsstellung be zogen. Aber nicht Butler Parker. Angst war ein Fremdwort für ihn. Ohne auch nur eine Spur schneller zu gehen, hielt er auf die beiden Lokale zu, die am Ende der engen Gasse zu se hen waren. Da passierte es...! Er blieb sofort stehen, als ein harter
Gegenstand seinen Rücken berührte. „Mach' bloß kein Theater ...!" redete ihn eine hastige, schrille Stimme an, „los, komm' mit 'rüber in die Torein fahrt. Ich hab' 'ne Kanone in der Hand, Alterchen, die geht prompt los, wenn du Ärger machst...!" „Ich muß mir in aller Form Ihre Ver traulichkeiten verbitten", erwiderte Parker. Der Druck gegen seinen Rücken ver stärkte sich. Da gab Parker seinen Widerstand auf, ließ sich von dem wechselnden Druck des Revolvers in den dunklen Torweg dirigieren. Selbstverständlich dachte Parker nicht im Traum daran, schneller zu gehen. Es sah ganz so aus, als beherrsche er die Situation, nicht der junge Mann. Sie standen kaum am Torweg, als sich ein Wagen näherte. Dieser Überfall war bis in alle Einzelheiten vorbereitet worden. Parker rührte sich nicht. Er war innerlich gespannt, wie es weitergehen würde. Sollte sein kurzes Gespräch mit Mr. Hostans bereits gewirkt haben? Ganz wie Parker es erwartete, hielt der Wagen unmittelbar vor dem Torweg. „Los 'raus, Alter ...!" Parker schloß geblendet die Augen. Eine grelle Taschenlampe nahm ihm jede Sicht. Ihr Schein lag genau auf sei nem Gesicht. Finger, die wie Stahlklammern wirkten, nahmen den Butler in Empfang. Ohne jede Rücksicht wurde Josuah Parker in den Wagen gestoßen. Routinierte Hände durchsuchten ihn nach Waffen. Und fanden nichts. Parker wunderte das überhaupt nicht. Wenn er schon eine Waffe mitnahm und sie ver steckte, dann wählte er auch ein pas sendes und sicheres Versteck. Der Wagen ruckte schnell an. Mit ho-
her Geschwindigkeit fuhr er hinunter zur angrenzenden Verbindungsstraße, bog nach rechts ab und nahm wieder Fahrt auf. Josuah Parker saß ungerührt und steif auf dem linken Rücksitz. Er stellte keine Fragen, ignorierte die Anwesen heit seiner Entführer. Er machte aller dings auch nicht den geringsten Versuch, das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden. Nach knapp zehn Minuten schon endete die schnelle Fahrt. Der Wagen hüpfte über eine hohe Bodenschwelle, sackte tief in die Federn und blieb stehen. „Aussteigen ...!" kommandierte eine fremde, rauhe Stimme. „Wenn Sie gestatten, werde ich mich erheben", meinte Josuah Parker gemes sen. Er stieg aus dem Wagen und sah sich verstohlen um. Noch immer - das hatte die Fahrt bewiesen - befand er sich in der Nähe der Kais. Jetzt stand er in einem von hohen Mauern umgebenen Fabrikhof. Außer dem jungen Mann, der ihn verfolgt hatte, entdeckte Parker nun mit Sicherheit noch zwei weitere Män ner, die ihm mit dem Wagen nachge fahren waren. Irgendwie hatten sie so etwas wie Mitleid mit ihm. Sie verzichteten darauf, ihn zusammenzuschlagen oder mit roher Gewalt in den langen Steinanbau zu schleifen. Parker durfte frei gehen. Die drei Männer führten ihn an einen Lastenaufzug. Minuten später senkte sich die Bühne nach unten in den Kel ler. Die Schritte hallten in den niedrigen Gewölben wider. Parkers Nase unterschied fremdartige Gerüche, die ihn an Gewürze und Obst erinnerten. In einem fensterlosen Büroraum en dete der Fußmarsch. „Nun paß' mal gut auf", sagte er 9
Mann mit der rauhen Stimme, ein breit schultriger Mann, der wie ein Filmgangster aussah. „Ich wette, besonders viel kannst du nicht schlucken, Alterchen. Wir wollen dir nicht den Nerv töten, wenn du schnell das Maul auf machst und uns die Wahrheit sagst." „Sie wünschen, wenn ich nicht irre einige Informationen von mir?" erkun digte Parker. „Ihre Erlaubnis voraus schickend, werde ich mich setzen. Ich muß gestehen, daß dieser Abend recht anstrengend für mich ist." „Dann also 'raus mit der Sprache." Der Gangster mit dem narbigen, unan genehm bös aussehenden Gesicht, baute sich dicht vor dem Butler auf. „Wer schickt dich, hinter wem bist du her?" „Je schneller du redest, desto weniger Schmerzen wirst du haben. Wir können nämlich ganz prächtig aufdrehen, wenn man uns mit Zicken kommen will." Der dritte Mann hatte sich eingemischt. Er sah recht harmlos aus, war aber sicher der gefährlichste der drei Männer Sein Gesicht verriet einige Intelligenz. Er spielte mit einem Stück Gummischlauch, das er aus der Innentasche sei ner Jacke hervorgezogen hatte. „Darf ich eine Frage stellen?" bat Parker ihn ansehend. „Machen Sie schon .;.!" „Warum erkundigte Mr. Hostans sich nicht danach?" „Wer ...?" fragte der Gangster zurück. Er wollte harmlos tun, war jedoch ein schlechter Schauspieler. Ein kurzes, schnelles Flackern in seinen Augen ver riet ihn. Vielleicht merkte er selbst, wie wenig überzeugend er war. Er brauste sofort auf, schlug den improvisierten Gummiknüppel hart und schnell durch die Luft. Es zischte unangenehm. „'raus jetzt mit der Antwort", meinte er dann und grinste Parker dünn an; 10
„Ich werde eine Erklärung abgeben", antwortete Josuah Parker würdevoll wie ein Berufspolitiker. „Ich fragte Mr. Hostans einzig und allein nach einem gewissen Mr. Joel Harrison. Mr. Hostans gab vor, diesen Mann nicht zu kennen. Damit erlischt mein Interesse, an Ihrem Arbeitgeber, meine Herren." „Wie war der andere Name?" fragte der Mann mit dem narbigen Gesicht. Der Name Joel Harrison schien ihn hellhörig gemacht zu haben. „Joel Harrison", wiederholte Parker noch einmal, „darf ich unterstellen, mein Herr, daß Sie diesen Namen ken nen?" Der Gangster mit dem sanften Gesicht und den intelligenten Augen verlor die Geduld. Oder wollte verhindern, daß Parker weiterredete. Er holte mit dem Arm aus, um Parker den Gummischlauch durchs Gesicht zu ziehen. Nun war Butler Parker mit diesem Vorhaben nicht besonders einverstan den. Er schätzte es überhaupt nicht, ge schlagen zu werden. Das widersprach seinem ganz persönlichen Ehrbegriff. Bevor der Gummischlauch niederzischte, schwebte plötzlich der altväterlich gebundene Regenschirm in der Luft. Er traf genau das Handgelenk des Gangsters. Der Mann stieß einen Schrei aus, ließ den Gummischlauch fallen. Verdutzt starrte er auf seine Hand, die wie leblos heruntersank. Bevor die beiden an deren Gangster aktiv werden konnten, baute Josuah Parker seinen Vorsprung weiter aus. Er machte das sehr geschickt. Und noch konsequenter. Da der bewußte Regenschirm nun schon einmal in der Luft war, ließ Jo suah Parker ihn weiter wandern. . Der junge Lockvogel, der Parker in
den Torweg geschickt hatte, wollte noch blitzschnell ausweichen, sich abducken. Doch der verflixte Regenschirm mach te diese Bewegung mit und traf haargenau die Nase des Gangsters. Wasser schoß ihm in die Augen. Er brüllte zuerst, um dann in ein leicht fassungsloses Greinen überzugehen. Er hielt sich die Nase und dachte nicht im Traum daran, sich weiter mit Parker zu befassen. Der dritte Gangster stürzte sich auf den Butler. Und übersah dabei den Regenschirm, der sich auf dem Rückweg befand. So konnte es geschehen, daß Parkers Universal-Kampfwaffe im Genick des narbigen Gangsters landete. Die Wirkung war frappierend. Auch dieser Gangster interessierte sich plötzlich für den an sich recht schmut zigen Steinboden und beeilte sich, ihn aus nächster Nähe in Augenschein zu nehmen. Mit anderen Worten, er legte sich neben seinen Partner, der dort be reits gewisse Studien trieb. Josuah Parker erhob sich langsam. Mißbilligend schaute er auf die beiden Gangster am Boden, dann wanderte sein Blick hinüber zu dem jungen Mann, der mit der Untersuchung seiner mißhandelten und jetzt leicht bluten den Nase noch nicht fertig war. „Ich bedaure diesen Zwischenfall ungemein", sagte Parker dann mit einem verweisenden Unterton in der Stimme. „Ich möchte ausdrücklich versichern, daß ich Gewalttätigkeiten durchaus nicht schätze. Mein Interesse gilt nach wie vor Mr. Joel Harrison, dem ich eine Botschaft zu überbringen habe, ganz gleich, wo er sich zur Zeit auch aufhal ten mag. Richten Sie das bitte allen einschlägigen Stellen aus, die dafür in Be-
tracht kommen. Und jetzt muß ich Sie bitten, mich zu entschuldigen. Ich möch te Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Ich fürchte, ich habe Sie sogar belästigt und inkommodiert." Er lüftete seine schwarze Melone und schritt aus dem Kellerbüro. Parker besaß Nerven wie Drahtseile. Er drehte sich überhaupt nicht um, obwohl er doch unterstellen mußte, daß die drei Gang ster bewaffnet waren. Kaum hatte er die Tür jedoch hinter sich geschlossen, da erwachten die drei Gangster zu neuem Leben. Wie von diversen Taranteln gesto chen, sprangen sie hoch, hatten plötz lich ihre Waffen in den Händen. „Den kauf ich mir ...!" hustete der Gangster mit den sanften Augen. Er hielt die Waffe in der linken Hand, da die rechte noch nicht recht mitspielen wollte. Der pockennarbige Gangster massierte sich sein Genick und entsicherte gleichzeitig seinen Trommelrevolver. Der junge Gangster mit der bluten den Nase war allerdings noch nicht recht in Form. Vielleicht lag es daran, daß er erst als letzter das Kellerbüro verließ. Sie alle kannten sich in dem fast dunklen Keller aus. Sie waren sicher, Parker noch zu erwischen. Für diesen Fall hatten sie sich etwas vorgenom men. Sehr viel sogar. Sie wollten Parker durch die Mangel drehen, wie es in ihrer Fachsprache hieß. Was konnte der flüchtende Mann schon mit seinem komischen Regen schirm gegen drei Schußwaffen ausrich ten? Er hatte keine Chance ...! Sie rannten also in den Keller, wollten wie Sprinter losstarten, doch genau in diesem Moment explodierten die er sten Knallerbsen, die Josuah Parker vorsorglich ausgestreut hatte. Es han11
delte sich um eine Eigenentwicklung, die äußerst lautstark und schlecht rie chend war. Die Gangster mißverstanden diesen Krach, glaubten an Schüsse. Sie gingen sicherheitshalber in Deckung und ließen ihre Waffen sprechen. Der Lärm im Keller wurde dadurch verstärkt. Querschläger sirrten durch die Luft, der beißende Qualm der Knall erbsen intensivierte sich. Hustend, spuckend und fluchend muß ten die drei Gangster sich schließlich zurückziehen und die Verfolgung aufgeben. Josuah Parker hatte inzwischen den Fabrikhof erreicht und stieg in den Wagen der Gangster. Die freundliche Erlaubnis seiner Geg ner vorausschickend ließ er den Motor anspringen und fuhr los. Nein, natürlich nicht nach Hause. Wenn Butler Parker in Stimmung ge bracht worden war, konnte er einfach kein Ende finden...!
umschränkte Herrscher und Gebieter einer sehr reichen Familie war. Dem Alkohol restlos verfallen, gierte er nur noch nach einem Schluck Whisky, um seine elende körperliche Verfassung einigermaßen, und höchstens für eine Stunde zu überspielen. Er befand sich in einer Art Dämmer schlaf, dennoch lauschte er auf die Ge räusche in diesem einfachen Haus, das am Rand einer neu erbauten Siedlung stand. Seit dem letzten Schluck im „PewellHotel" war für ihn bereits eine halbe Ewigkeit verstrichen. Nun wartete er auf die Rückkehr seines Freundes Chris Downers. Richtiger ausgedrückt, er war tete auf die Whiskyflasche, die Downers ihm holen wollte. Harrison fühlte sich scheußlich. Trocken war sein Mund. Die rissigen Lippen schmerzten. In seinem Schädel aber tobte die Hölle. Irrsinnige Kopf schmerzen quälten ihn. Er wußte, daß schon ein Wasserglas voll Whisky aus reichte, um diese Schmerzen verschwin den zu lassen. Als irgendwo unten im Haus eine Tür Willenlos hatte Joel Harrison alles ging, richtete er sich sofort auf. Er hielt über sich ergehen lassen, die hastige sich den schmerzenden Kopf, schwenkte Flucht aus dem Zimmer des „Pewell- die Beine über die Bettkante und war Hotels", die Fahrt im Wagen und tete. Qualvoll lange dauerte es, bis sich schließlich das Hineinschaffen in dieses endlich die Tür öffnete. billige Holzhaus in der Nähe der riesiChris Downers trat ein. gen Schlachthäuser. Er war klein und schmal, glich gerade Jetzt lag er auf einem einfachen Bett, wegen seiner dunklen, unsteten Augen nur noch ein körperliches Wrack, aus einem Wiesel. Downers trug einen dun gemergelt, unrasiert und hohlwangig. kelgrauen, korrekten Anzug. Unter dem Die braunen Augen glänzten fiebrig. Arm hielt er eine Whiskyflasche. Das verschmutzte Hemd über der be „Mann, endlich ...!" stöhnte Harrihaarten Brust war weit geöffnet. son. Joel Harrison, knapp fünfzig Jahre Er ließ die Augen nicht von der Fla alt, mittelgroß und schlank, starrte hin sche. Er übersah das Grinsen seines auf zur Zimmerdecke. Nichts an ihm erFreundes, wartete, bis das Wasserglas innerte an den Joel Harrison, der noch gefüllt war. Ihm fiel auch nicht auf, daß vor knapp einem halben Jahr der un 12
die Flasche bereits vorher geöffnet worden war. Mit zitternden Händen griff er nach dem Glas. Er brauchte auch beide Hän de, um das Glas zum Mund führen zu können. Den scharfen, billigen Whisky trank er in sich hinein wie gewöhnliches Leitungswasser. Er .schüttelte sich wie im Fieber, als das Glas geleert war. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis das Zittern in sei nen Händen verschwand. Seine Augen verloren jede Nervosität. Tief holte er Luft und stand auf. „Helen wird gleich kommen", sagte Downers. „Sehr gut ...! Ich langweile mich scheußlich, Chris. Werden wir nun end lich mal bleiben?" „Jetzt brauchen wir nicht mehr abzuhauen. Hier findet dich kein Mensch." „Ich hab's nämlich satt, immer wie der verschwinden zu müssen." „Wir haben alle Schnüffler abgeschüt telt", meinte Downers. „Jetzt sind wir sicher." „Laß' die Flasche da auf dem Nachttisch stehen", bat Harrison mit heiserer Stimme. „Bevor du wieder trinkst, solltest du dich etwas herrichten", schlug Downers vor. „Helen ist zwar nicht sehr empfindlich, aber 'ne Frau sollte man trotzdem einigermaßen fit begrüßen." „Über solche Kleinigkeiten ist Helen längst weg", antwortete Harrison. Er griff nach der Flasche und füllte sich noch mal das Wasserglas. Erstaunt sah er hoch, als Downers ihm die Flasche blitzschnell wegzog. „Joel", meinte er hastig, „du mußt dich etwas einschränken. Der Zaster wird knapp. Ich brauche mal wieder 'ne kräftige Geldspritze." „Schon wieder Geld?" wunderte sich
Harrison, ohne sich aber zu entrüsten, „vor ein paar Tagen hab' ich dir doch erst 'nen Scheck über 1000 Dollar gegeben." „Na und? Was ist das schön ...! Das Leben ist teuer. Denk' doch mal daran, was es kostet, gewisse Leutchen zu schmieren. Aber von mir aus ...! Be halt' das Geld und laß' dich lieber einsperren. Ich hab's ohnehin satt, mich herumhetzen zu lassen. Ein Fischzug nach dem anderen geht mir an der Nase vorbei. Was hätte ich inzwischen alles verdienen können ...!" „Schon gut, Chris, schon gut ...!" be schwichtigte Harrison seinen Begleiter. „Ich werde dir einen neuen Scheck aus stellen. Ich fühl' mich nur hundeelend. Ich brauche noch einen ordentlichen Schluck." Als er sich das Glas füllte, klingelte es an der Tür. Harrison unterbrach die Füllung des Glases. Schnell hob er den Kopf, sah Downers an. „Keine Sorge, das muß Helen sein", meinte Downers. „ich geh' mal nach unten. Warte einen Moment." Harrison beruhigte sich sehr schnell. Er trank das Glas in großen Schlucken leer. Downers verließ das Zimmer und ging nach unten. Als er die Tür öffnete, schlüpfte eine Frau schnell und geschmeidig ins Haus. Sie war mittelgroß, vollschlank und hatte blondes Haar. Sie mochte höch stens 30 Jahre alt sein, was ihre recht gute Figur anbetraf. Ihr Gesicht jedoch wirkte älter. Selbst das sorgfältige Make-up schaffte es nicht, die bereits tief eingegrabenen Fältchen zu verdecken. Helen Napers sah trotz allem aufrei zend aus. Sie besaß eine gefährliche Ausstrahlung von Sex, Verkommenheit und Berechnung. Sie trug unter dem ge13
öffneten Sommermantel ein tief ausge schnittenes Kleid. Ihr Parfüm roch bil lig. „Alles in Ordnung?" fragte Downers sie. „Klar, alles in bester Ordnung. Wie sieht's denn oben aus? Was ist mit diesem Saufaus los?" „Er läßt sich gerade vollaufen." „Wunderbar. Dann werde ich wenig Arbeit mit ihm haben." „Er ist schon in der richtigen Stim mung, Helen", erklärte Downers und lächelte. „Ich glaube, du brauchst nicht lange um den heißen Brei herumzuschleichen. Komm' sofort zur Sache. Für mich wird er auch 'nen Scheck ausstellen." „Also schön, werde ich diesem wider lichen Kerl mal wieder um den Bart gehen. Sag', Chris, wird das lange gut gehen?" „Wie kommst du darauf? Hast du Angst?" „Na ja, immerhin spürten sie uns auf." „Aber sie erwischten uns nicht. Inzwischen bereinigt der Boß die Lage, Helen. Alle Spuren sind verwischt. Du weißt doch, wer uns an den Wagen fah ren will, der ist bisher immer noch drauf gegangen." Helen nickte. „Dann werde ich mal 'rauf zu ihm gehen, Chris", meinte sie und verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse. „Hoffentlich hab' ich es schnell hinter mir. Der Kerl ekelt mich an ...!"
„Damit, Sir, dürfte es meiner beschei denen Ansicht nach auf der Hand lie gen, daß Mr. Walt Hostans diese drei schlecht erzogenen Männer auf mich an14
setzte." Parker hatte seinen Bericht beendet Er stand vor Mike Randers Arbeitstisch trug seinen dunklen kleinen Dienstan zug und sab nicht danach aus, daß er erst vor wenigen Stunden drei Gangster ausgeschaltet hatte. „Hostans ist der Polizei unbekannt" meinte Rander und stand auf. ;,Das be sagt natürlich nichts. Nur verdammt leichtsinnig von diesem Burschen, gleich nach Ihrem Besuch derart kompakt zu reagieren." „Das macht auch mich allerdings etwas stutzig", warf Parker bescheiden ein. „Wie reagierten die drei Kerle im Keller, als Sie den Namen Joel Harrison erwähnten?" „Ich möchte sagen, sie wurden stutzig. Zumindest zwei der drei Gangster." „Es hilft alles nichts, über diesen Hostans werden wir mehr erfahren müssen", schlug Mike Rander vor. „Wollen Sie das übernehmen, Parker?" „Ich werde mich bemühen, zu Ihrer Zufriedenheit zu arbeiten, Sir." „Ich weiß, ich weiß, Parker. Leutnant Current ist natürlich mißtrauisch geworden. Zu dumm, daß die Harrisons die Polizei aus dem Spiel halten wollen. Zusammen mit ihr ließe sich viel mehr erreichen. Ich werde nochmal mit Mrs. Harrison sprechen. Vielleicht ändert sie dann ihren Entschluß ab, Parker. Sehen Sie eine Möglichkeit, die Spur Harri sons aufnehmen zu können?" „Ich werde mich an Mr. Hostans hal ten. An ihn und seine drei Leute."' „Schön, Sie haben selbstverständlich völlige Handlungsfreiheit, Parker. Drücken Sie nur nicht zu sehr auf die Tube. Sie haben ja gesehen, daß wir es mit einer Gang zu tun haben. Mit sol-
chen Leuten ist niemals zu spaßen." „Ich werde mich noch einmal an meinen Gewährsmann wenden, der mir die Adresse des .Pewell-Hotels' vermit telte", schlug Josuah Parker weiter vor. „Tun Sie, was Sie für richtig halten, Parker", verabschiedete Rander seinen Mitarbeiter, Freund und Butler. „Ich fahre gleich 'raus zu den Harrisons und schlage noch mal vor, die Polizei einzu schalten." Es klingelte. Parker entschuldigte sich und verließ das Arbeitszimmer. Er öffnete die Tür zum eigentlichen Dachgarten, schritt an den künstlichen Wänden aus Blattpflanzen und Blumen vorbei und erreichte die starke und solide Tür aus Stahl, die den Zugang vom Lift zum Penthouse versperrte. Bevor er jedoch öffnete, hielt er Aus schau nach dem Besucher Dazu benutz te er ein raffiniert eingebautes Spiegel system. Durch den Druck auf einen ver deckt angebrachten Knopf wurde neben der Tür ein Kästchen in der Größe einer Schallplatte frei. Parker erkannte Leutnant Current. Er ließ das Kontrollkästchen wieder zuspringen und sperrte die Stahltür auf. Current nickte Parker zu. Besonders gut gelaunt schien der Polizeioffizier nicht zu sein. Sein an sich schon hartes Gesicht sah grimmig aus. „Ihr Chef zu Hause?" fragte er Parker. „Ich freue mich, Sie begrüßen zu können", erwiderte der Butler. „Ich werde Sie sofort zu Mr. Rander führen." Er schloß die Tür zum Dachaufbau, in dem der Lift endete. Current trat un ruhig von einem Bein auf das andere. Er war nervös, schon die Art, wie er die Zigarette hielt, mit ihr spielte, verriet
das deutlich. „Sagen Sie mal Parker", fragte er daran abrupt, „wo waren Sie in der ver gangenen Nacht, he?" „Wie darf ich Ihre Frage verstehen, Sir?" erkundigte Parker sich höflich. „So, wie ich Sie stellte, zum Henker. Lassen Sie Ihre Mätzchen. Sie wollen nur Zeit gewinnen." „Sir, ich bin mir keiner Schuld bewußt", protestierte Butler Parker. „Wenn Sie mir jetzt bitte folgen wol len ...!" „Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet." „Oh, ich vergaß ihren Sinn, Sir, ich bitte, sie nochmal zu wiederholen." „Wo waren Sie in der vergangenen Nacht?" „Um darüber genaue Auskunft geben zu können, müßte ich erst mal meinen Terminkalender befragen, Sir." „Parker", schnaubte Current los. Er glich einem gereizten Büffel. „Parker, wenn Sie mich auf den Arm nehmen wollen, dann reagiere ich sauer." „Sir, ich würde mir niemals gestatten. Sie auf den Arm zu nehmen, wie Sie sich ausdrücken. Mein Respekt Ihnen gegenüber würde mir das grundsätzlich verbieten. Ganz zu schweigen von mei nen nur bescheidenen körperlichen Kräften, die das nicht zuließen. Übri gens ist denn etwas passiert?" „Kommen Sie, ich erzähle gleich, was los ist, Parker. Hoffentlich ist Ihr Alibi hieb- und stichfest!" „Die Schießerei in diesem Fabrikkeller deutet doch einwandfrei auf Parker hin", erklärte Current wenige Minuten später in Mike Randers Arbeitszimmer. „Ich fand auf dem Steinboden Reste von Knallerbsen und Knallbonbons. Ihr 15
Butler, Rander, spielt doch besonders gern mit diesen Feuerwerkskörpern, oder?" „Die Pyrotechnik interessiert ihn tatsächlich", meinte Rander lächelnd, „aber ich verstehe immer noch nicht ...!" Current unterbrach den Anwalt. „Gleich wird Ihnen ein Licht aufgehen, Rander. In diesem Fabrikkeller fanden wir einen Toten. Es handelt sich um einen jungen Mann, der erschossen wurde. Gut, er ist bei uns registriert, ist mehrfach wegen kleinerer Gaunereien vorbestraft. Das ändert jedoch nichts an den Tatsachen. Hier handelt es sich um einen Mord, begreifen Sie jetzt?" „Parker würde niemals einen Mord begehen." „Ob Mord oder nicht, ob Totschlag oder ob's sich um einen Akt der Not wehr handelt, Rander, wenn Parker da unten im Keller mitmischte, hätte er mich sofort verständigen müssen!" „Die Tatsache, daß er Sie nicht anrief, spricht doch für ihn", erwiderte Anwalt Rander. „Wieso kommen Sie eigentlich ausgerechnet auf Parker, Leutnant?" „Weil dieser junge Mann im Fabrikkeller ein Angestellter von Walt Hostans ist. Und nach diesem Mann erkundigten Sie sich doch bei mir, oder?" „Jetzt geht mir ein Licht auf", entgegnete Rander und wurde ernst, „den noch sind Sie auf dem Holzweg, Cur rent.. Parker hat mit der ganzen Geschichte nichts zu tun. Schon gar nichts mit dem Mord." „Und wie sieht's mit Ihnen aus, Rander?" Leutnant Current sah den Anwalt prüfend an. „Rander, mißverste hen Sie mich nicht. Ich schätze Sie, wir arbeiten oft zusammen. Wenn Sie da unten im Keller ... Na, Sie verstehen. Mir können Sie sich doch anvertrauen. 16
Ich weiß im voraus, daß Sie niemals unredlich handelten." „Fein, daß Sie mir vertrauen, Cur rent", antwortete Mike Rander. „Doch weder Parker noch ich haben mit den Tod des jungen Gauners etwas zu tun." „Und was ist mit Walt Hostans? Ein eigenartiges Zusammentreffen, daß kurz nach Ihrem Anruf ausgerechnet ein Angestellter dieses Mannes erschossen wurde. Eigenartig, daß wir am Tatort Feu erwerkskörper fanden, nicht wahr? Sie können mich nicht leimen, Rander. Ich habe das Gefühl, daß Sie gegen mich arbeiten wollen." „Unsinn, Current, und das wissen Sie auch...!" „Ich möchte Parker sprechen." Leutnant Current wandte sich um, glaubte, daß Parker hinter ihm stand. Doch er sah sich getäuscht. Butler Parker hatte es vorgezogen, auf leisen Sohlen zu verschwinden. „Wo steckt Ihr Butler, Rander?" brauste Current auf.
„Ich werde sofort nach ihm läuten."
Current und Rander warteten auf Josuah
Parker. Doch er war und blieb ver-
schwunden.
Current sah verkniffen aus. Sein Verdacht gegen Mike Rander und Butler Parker verstärkte sich. „Also schön, Current, ich werde Ihnen meine Karten auf den Tisch legen", be ruhigte Mike Rander endlich den Poli zeioffizier, den er sehr schätzte. „Was ich Ihnen sage, muß vorerst unter uns bleiben. Nein, keine Sorge, Sie können das verantworten." „Rander, versuchen Sie mich nicht 'reinzulegen", bat Current. Seine Stimme klang leise, „verdammt, ich habe keine Lust, gegen Sie und Parker dienstlich vorzugehen. Dazu kennen wir
uns zu gut." „Sie werden mit Ihrem Diensteid nicht in Konflikt kommen, Current. Hören Sie zu: Parker und ich suchen nach einem ge wissen Joel Harrison. Es handelt sich um eine private Ermittlung. Einer mei ner Klienten bat mich um diese Gefäl ligkeit. Joel Harrison, in zweiter Ehe verheiratet, kam im Alter von fast 50 Jahren auf die schiefe Bahn. Schon während seiner ersten Ehe trank er gern und viel. Nach der zweiten Eheschließung verschlimmerte sich das. Er soff, um es mal ganz brutal auszudrücken. Joel Harrison vernachlässigte seine Geschäfte, ließ die Zügel schleifen. Schön, wegen seines respektablen Vermögens konnte er sich das einige Zeit leisten. Ich möchte annehmen, daß Harrison zumindest eine Million schwer ist. Als die Trinkerei unsinnige Formen annahm, ging er auf eigenen Wunsch in eine Entziehungsanstalt. Die Kur schien zu wirken, aber schon nach wenigen Wochen rutschte er wieder ab. Er ließ sich tagelang nicht mehr zu Hause se hen, randalierte in seinem Haus und nahm undurchsichtige Geldübertragungen vor. Sein Chefbuchhalter kam dahinter. Innerhalb weniger Wochen hob er fast 180 000 Dollar ab und verweigerte jede Auskunft über den Zweck. Es kam, wie's kommen mußte. Nicht nur seine zweite Frau, auch die beiden Kinder Randy und Maud erklär ten sich mit der Entmündigung einver standen. Doch Joel Harrison war geris sen. Bevor es zu einer Untersuchung über seinen Geisteszustand und zu einer Verhandlung kam, verschwand er von der Bildfläche. Jetzt ist die Familie Harrison in be-
greiflicher Aufregung. Ohne Harrisons Anwesenheit kann die Entmündigung nicht durchgeführt werden. Ja, selbst die Sperrung der Konten stößt auf Schwierigkeiten. Der zuständige Richter will die einstweilige Anordnung nicht durchführen, zumal Joel Harrison von Zeit zu Zeit eine Karte oder einen Brief schreibt, sich also meldet und dabei recht vernünftig wirkt. Die Konten schmelzen zusammen. Joel Harrison hebt lustig Geld ab. Immer ganz hübsche Beträge. Ganz zu schweigen von den 180 000 Dollar, die er abzweigte und wahrscheinlich auf ein Geheimkonto einzahlte. Parker und ich sind nun hinter Joel Harrison her. Das ist unsere Geschichte. Es versteht sich am Rande, daß die Fa milie Harrison darauf bestand, die Po lizei aus dem Spiel zu halten. Schon wegen der Firma. Spricht es sich erst herum, daß Joel Harrison polizeilich gesucht wird, dann kann die Firma schlie ßen. Dann ist sie nicht mehr geschäfts tüchtig." „Eine tolle Geschichte", sagte Leutnant Current. Er drückte die Zigarette im Aschenteller aus, „ich nehme sie Ihnen aber ab, Rander. Ich werde Ihnen sogar diskret helfen. Vorher muß ich aber wissen, was im Keller passierte." „Parker war natürlich in diesem bewußten Keller. Doch er schoß nicht. Current. Durch einen diskreten Hinweis erfuhr er, wo Joel Harrison sich aufhalten sollte. Er ging der Sache nach, fand noch warme Spuren und einen Hinweis auf diesen Hostans. Um es präzise auszudrücken, Currant, Hostans wurde nicht direkt belastet. Nur seine Telefonnummer wurde gewählt." „Ich brauche Einzelheiten. Und Parker ...!" „Parker ...?" fragte Anwalt Rander 17
und lächelte. „Der befindet sich schon wieder auf dem Kriegspfad, Current. Sie kennen ihn doch. Er ist nicht zu hal ten, wenn er erst einmal Blut geleckt hat...!" Ein seltsam aussehendes Monstrum auf Rädern bewegte sich durch die Straßen von Chikago. Dieser eigenartig aussehende Wagen war eine gelungene Kreuzung aus einem Londoner Taxi aus der Zeit um die Jahrhundertwende und der bereits sagenhaften Blechlizzy, die Ford auf dem ersten Fließband der Welt baute. Alles an diesem Auto war eckig, mit Ausnahme der Räder. Hochbeinig rollte dieser fahrbare Untersatz in Richtung der Union Stock Yards, der riesigen Schlachthäuser der Stadt. Josuah Parker, untadelig gekleidet, saß am Steuer seines Privatwagens. Er übersah die amüsierten Blicke und das Grinsen der übrigen Verkehrsteilnehmer. Schließlich wußte er nur allein, welche inneren Qualitäten sein Wagen besaß. Der Umbau und das Hochfrisieren der technischen Anlagen hatte ihn sehr viel Geld gekostet. Eigenwillig wie er nun mal war, hatte er seinerzeit Ingenieure und Techniker fast bis zur Ver zweiflung gebracht und immer neue Zusatzwünsche geäußert. Am Davis Square hielt er den Wagen an, stieg aus und schritt gemessen in eine lärmende, übel riechende Seiten straße. Sein Ziel war eine Kellerknei pe, wo er seinen Nachrichtenlieferanten anzutreffen hoffte. Obwohl es noch recht früh am Morgen war, herrschte bereits ein toller Betrieb in der Kneipe. Angetrunkene Män ner standen vor der langen, leicht ge schwungenen Bartheke. Der Steinboden war mit Zigarettenstummeln und Asche 18
bedeckt. Drei Barkeeper hatten alle Hände voll zu tun, die Wünsche der Gäste zu erfüllen. Als Parker die Kneipe betrat, lärmte gerade eine Musik-Box los. Sie schaffte es nur mit Mühe und Not, den allgemeinen Krach zu übertönen. Und wurde dann erschreckend laut, denn die Besucher der Kneipe wandten sich wie auf ein geheimes Kommando hin zur Tür und musterten den Butler, Bis auf die Musik-Box erstarb jedes Gerausch. Parker lüftete höflich seine schwarze Melone, schritt über die restliehen Stufen und begab sich zur Theke. Selbst die Musik-Box wurde jetzt leiser, als habe auch sie den Butler endlieh gesehen und zur Kenntnis genommen. Das allgemeine Schweigen ging ohne Übergang in ein prustendes Gelächter über. Josuah Parker wirkte in dieser Umgebung auch wirklich zu komisch. Er forderte die lärmenden und angetrun kenen Gäste geradezu heraus, sich mit ihm zu befassen. Einige besonders cle vere Männer tuschelten bereits miteinander und heckten Streiche gegen den Butler aus. Für Parker sah es nicht besonders gut aus. Merkte er denn nicht, daß er sich als Zielscheibe förmlich anbot? „Was soll's denn sein?" fragte ihn einer der Barkeeper grinsend. „Was können Sie mir empfehlen?" gab Parker höflich zurück, „ich lasse mich stets gern beraten." „Momentchen, ich schlage vor, Sie nehmen Spezialcocktail" „Ausgezeichnet", erwiderte Parker. Er hing seinen altväterlich gebundenen Regenschirm über die Haltestange der Theke und erstieg einen freien Hocker.
Parker griff in seine innere Manteltasche und förderte ein altertümliches Zigarrenetui an den Tag. Als er es auf klappte, wurden pechschwarze Zigarren sichtbar Eine davon nahm Parker heraus und präparierte sie umständlich. Noch klangen die Stimmen gedämpft. Alles wartete auf den Cocktail des Hauses. Jeder, außer Parker, wußte ge nau, was diesem komischen Vogel, wie Parker bereits leise genannt wurde, vorgesetzt werden sollte.
her immer noch so gewirkt. Parker setzte das Glas ab, tupfte sich die Lippen mit einem Seidentuch ab. „Na ...?" fragte der Barkeeper und kniff die Augen zusammen. Er wartete darauf, daß sein ganz in Schwarz ge kleideter Gast nun endlich vom Hok ker kippte. „Nicht unbedingt schlecht zu nennen", bemerkte Parker beiläufig und nickte, „den nächsten Cocktail sollten Sie allerdings etwas besser mischen. Für meine Begriffe schmeckt er ein wenig fade." Der Barkeeper schwänzelte heran. Das schlug, wie man so sagt, dem Faß „Es wird Ihnen schmecken", sagte er die Krone ins Gesicht. und versuchte, ein relativ harmloses Ein Stöhnen und Seufzen ging durch Gesicht zu ziehen. „Am besten, Sie kip- die Kellerkneipe. Wildfremde Männer pen ihn in einem Zug hinunter." sahen sich verstört und verdutzt an. „Gewiß, gewiß ...!" Denn Josuah Parker blieb auf seinem Parker legte die noch nicht angezün- Barhocker sitzen, zeigte nicht die gedete Zigarre in den Aschenbecher und ringste Wirkung. Der Barkeeper war derart erschüttert, hob das Glas prüfend gegen das Neon daß er einen riesigen Fehler beging. licht. Er nickte anerkennend. Um sich zu stärken, goß er sich aus „Eine recht hübsche Farbe", kommendem Shaker einen an sich recht unbetierte er arglos. deutenden Schluck des Atomcocktails Um ihn herum erstarben die Stim men. Parker wurde zum Mittelpunkt ein, kippte ihn herunter und ... sackte wie nach einem fürchterlichen Fausthieb des Lokals. in sich zusammen. Er hob das Glas, setzte es an die Lip Josuah Parker schien ganz allein in pen und kippte den Cocktail tatsächlich der überfüllten Kneipe zu sein. ruckartig herunter. Er setzte die bereits präparierte ZiEr verzog keine Miene. garre in Brand und paffte drauf los. DieDoch das konnte mit einer etwaigen se schwarz-grün schillernden Zigarren Spätzündung zusammenhängen. Hofften ließ er sich eigens herstellen. Er ließ wenigstens die Barkeeper und die GäTabake dafür verwenden, die ein nor ste. Der Cocktail war nämlich nichts anmaler Raucher nur als besseres Gift oder deres als flüssiger Sprengstoff, den die Insektenmittel bezeichnet hätte. Männer hinter der Theke in aller Eile, Die Rauchentwicklung der Zigarre aber äußerst sachkundig zusammengewar enorm. braut hatten. Dichte Schwaden lösten sich von der Dieser Cocktail reichte aus, um bä renstarke Männer wie vom Blitz getrof- Glut. Die Gäste in Parkers Nähe wur fen umfallen zu lassen. Er mußte wie den unvermittelt von quälenden Hu stenanfällen geschüttelt, ein K.-O.-Schlag wirken. Und hatte bis19
Parker übersah und überhörte das al les. Zufrieden und entspannt rauchte er, wartete im übrigen auf den zweiten Cocktail nach Art des Hauses. Die Qualmwolken der Zigarre breiteten sich aus. Das allgemeine Tuscheln und Raunen ging in mehr oder weniger lautes Husten über. Die ersten Gäste räumten fluchtartig die Theke. Die beiden noch stehenden Barkeeper hielten sich die nassen Servietten vor Mund und Nase und traten eine hastige Flucht an. Fliegenschwärme an der Decke gerieten in schnelle Bewegung und versuchten zu fliehen. Vergeblich. Die Rauchschwaden waren schneller. Matt und kraftlos torkelten sie zu Bo den. An der Kellertreppe entstand einiges Gedränge. Flüchtende Gäste stauten sich vor dem schmalen Ausgang. Erst in diesen kritischen Momenten wurde Parker sich bewußt, was er angerichtet hatte. Hastig löschte er die Glut der Zigarre. Als eingeschworener Menschenfreund wollte er schließlich kein Unheil stiften. Als er die Kellerkneipe verließ - er ließ für den Cocktail einen Silberdollar zurück - öffnete sich eine Gasse. Würdevoll, mit der Melone nach allen Seiten grüßend, ging der Butler zurück auf die Straße. Er war sicher, seinen Informanten bald zu treffen. Sein Besuch in der Kellerkneipe verfolgte nämlich keinen anderen Zweck, als Hank Mondon auf merksam werden zu lassen ...! Nach einer knappen Stunde war Jo 20
suah Parker zwar um einige Dollarno ten erleichtert worden, dafür wußte er aber einiges über Walt Hostans, Während seiner Fahrt durch die Stadt sprach der Butler einen ersten Berich auf Tonband. Solch ein Gerät hatte er sich selbstverständlich in den Wagen einbauen lassen. Das hing nicht nur mit Parkers Vorliebe für technische Spielereien zusammen. Maßgebend dafür war sein Sinn für rationelles Arbeiten. Später brauchte er seinem Herrn Mike Rander keinen mündlichen Bericht zu er statten, sondern übergab nur das Ton band mit seinen Bemerkungen zu den jeweiligen Kriminalfällen, die er gerade bearbeitete. Josuah Parkers Ziel war die Firma von Walt Hostans. Die Barriere zum Innenhof und La ger war zwar geschlossen. Doch als er auf das Grundstück einkurvte, war der Pförtner derart verblüfft, daß er keine Fragen stellte, sondern hastig die sperrende Barriere hochschnellen Meß. So konnte Josuah Parker bis dicht vor den Eingang zum Bürohaus fahren. Durch irgendeine Alarmeinrichtung, die er noch nicht entdeckt hatte, wurde Josuah Parkers Kommen angekündigt. . Er verließ gerade das hochbeinige Monstrum von einem Wagen, als ihm zwei recht bekannte Männer entgegen kamen. Es waren der Gangster mit dem harmlosen Gesicht und den kalten Au gen, sowie der junge Mann, der ihn in den Torweg gezwungen hatte. „Wie klein ist doch die Welt", wun derte Parker sich. „So sieht.man sich wieder, meine Herren. Ich hoffe, Sie ver geben mir nachträglich die etwas rauhe Behandlung, die ich Ihnen angedeihen lassen mußte." „Was wollen Sie hier?" fragte der
Gangster mit dem harmlosen Gesicht. Seine rechte Hand stak in der Rocktasche. An der Ausbeulung war deutlich zu erkennen, daß der Gangster eine Waffe mit sich führte. „Irre ich mich nicht in der Annahme, daß Sie in der vergangenen Nacht von einem dritten Mann begleitet wurden?" fragte Parker, ohne die eigentliche Frage des Gangsters zu beantworten. „Was wollen Sie hier?" wiederholte der Mann noch mal. „Ich möchte Ihrem Chef, Mr. Hostans, meine Aufwartung machen." „Der is' für Sie nicht zu sprechen. Verschwinden Sie ...!" „Ich hoffe doch sehr, daß Sie einem alten' Mann keine Schwierigkeiten be reiten wollen", erklärte Parker und schüttelte verweisend den Kopf. „Wenn Sie nicht sofort abhauen, kön nen Sie was erleben, Sie verdammter Pinguin." Der junge Mann schaltete sich ein. Er kochte innerlich von Wut. Wahrschein lich dachte er an die Niederlage im Fabrikkeller. Er brannte darauf, sich da für zu revanchieren. „Melden Sie mich bitte Mr. Hostans" wandte Parker sich an den älteren Gangster. „Teilen Sie ihm freundlichst mit, daß ich mit ihm über die Motor yacht .Isabel' plaudern möchte. Als leidenschaftlicher Wassersportler für mich ein interessantes und unerschöpfliches Thema." „'raus...!" zischte der Gangster ge reizt. Allein der Hinweis auf eine Mo toryacht „Isabel" machte ihn nervös. Nur so war es zu verstehen, daß er eine recht ungeschickte Bewegung machte, die Josuah Parker unbedingt mißver stehen mußte. Parker glaubte an Tätlichkeiten und wehrte sich auf seine Weise. Durch den
Druck auf einen versteckt angebrachten Gummiball versprühte die Zierperle in der Krawatte eine stark riechende Flüssigkeit, die den beiden Gangstern den Atem nahm. Während sie noch verzweifelt nach Luft schnappten und nicht im Traum daran dachten, ihre Waffen zu ziehen, schritt Pariser gemessen und würdevoll an ihnen vorbei und betrat den Lift. Er schwebte bereits nach oben, als die bei den Gangster endlich wieder schalten konnten. Josuah Parker trat ein ohne anzuklopfen. Walt Hostans, der große, schlanke Mann mit dem Schnurrbart und den grauen Augen preßte seine Lippen zu sammen, als er Parker erkannte. „Verzeihen und entschuldigen Sie die se ungewöhnliche Form des Eindrin gens", meinte Parker höflich. „Zwei Ihrer Leute hatten es sich in den Kopf gesetzt, mich nicht zu Ihnen zu lassen." Hostans hatte sich zu einem matten Grinsen entschlossen. Seine linke Hand, die auf dem Schreibtisch lag, rutschte Zentimeter für Zentimeter zur Tischkante. Wollte er sie in die seitlich geöffnete Schublade fallen lassen? „Ich hasse es, Sir, umständlich um den Kern einer Sache herumzugehen", re dete Josuah Parker inzwischen weiter, „es ist immer und stets mein Bestreben, mich konkret und präzise auszudrücken. Wie jetzt und hier, Mr. Hostans." „Man hört's ...!" meinte Hostans iro nisch. Er hatte sich bereits sein Urteil über Parker gebildet. Er hielt diesen schwarz und altväterlich gekleideten Mann für einen geschwätzigen Trottel, den er bei der ersten Begegnung glatt überschätzt hatte. Diesmal wollte er es ihm nachdrücklich zeigen. Dieser um21
ständliche Bursche brauchte eine derbe Lektion. „Mehr durch Zufall als durch genaue Ermittlung geriet ich an Ihre Motor yacht .Isabel', Sir", redete Parker weiter. „Ein schönes, stolzes Boot, nicht wahr?" Hostans Blick wurde starr. Das Stichwort „Isabel" ging ihm sofort unter die Haut. Einfach unverständ lich, wie dieser schwarze Rabe an das Boot geraten war. Hostans neigte dazu, sich schnell ein anderes, neues Urteil zu bilden. Seine linke Hand hing an der Schreib tischkamte. Er brauchte sie vorsichtig abrutschen zu lassen oder sie zu senken. Und schon lag sie dann auf dem 38er in der Lade. „Ich ließ mir erzählen, Sir, daß Sie ein begeisterter Wassersportler sind, der selbst längere Fahrten nicht scheut." „Schon gut möglich", antwortete Ho stans langsam. Er war entschlossen, sein Gegenüber unschädlich zu machen. Noch wartete er damit Hostans wollte herausbekommen, wie viel dieser ulkige Bursche an der Tür eigentlich wußte. „Darüber hinaus lieben Sie Kanada, nicht wahr?" baute Josuah Parker die Konversation weiter aus. „Ich kann das durchaus verstehen. Auch ich liebe ka nadischen Whisky." „Sie sind verdammt gut informiert", entgegnete Hostans. Für ihn war jetzt alles klar. Sein Besucher wußte tatsächlich Bescheid. Damit sprach er sich selbst sein Urteil. Hostans Hand rutschte leicht und geschmeidig von der Schreibtischkante ab. Als er den 38er jedoch hochreißen wollte, erlebte er. eine grausame Enttäuschung. Parker war nämlich schneller. 22
In seiner rechten Hand lag ein solider 45er Colt, ein Exklusivmodell längst vergangener Zeiten, wie es die Siedler und Jäger im Westen des Landes vor vielen Jahren benutzten. Einige bemer kenswerte Rostflecke konnten den Ge samteindruck kaum stören. „Ich möchte Sie doch sehr bitten, um den Tisch herumzukommen", meinte Parker freundlich. „Im Waffenhand werk nur wenig erfahren, lege ich kei nen Wert darauf, daß Streit entsteht." Hostans war wütend, verlor langsam die Übersicht. Er kam sich nicht nur ausgespielt, sondern sogar noch verhöhnt vor. Jetzt erst ging ihm ein Licht auf. Dieser Mann, der sich Josuah Parker nannte, war ein gerissener Fuchs. Sein Auftreten, die umständliche Ausdrucksweise, die scheinbare Tölpelhaftigkeit, das alles war nichts als Maske. In Wirklichkeit" hatte er es mit einem ausgekochten Gegner zu tun, der kalt und berechnend sein Ziel verfolgte. Hostans bekam zum ersten Mal so et was wie Angst. Ahnte er, daß er an einen stärkeren Gegner geraten war? Er versuchte ruhig zu bleiben. Nur nicht alle Karten auf den Tisch legen, dachte er. Jeder Mensch ist zu kaufen. Vielleicht hat auch dieser Kerl seinen Preis, den ich nur herausfinden muß. „Sie gefallen mir", rang er sich wider Willen ab, „ich wette, Sie haben mir Vorschläge zu machen, oder?" „Gewiß, Sir. Ich suche nach wie vor nach einem Mann namens Joel Harrison." „Sie suchen ...?" „Nach Mr. Joel Harrison. Ihre .Isabel' interessiert mich nur am Rande." „Das ist doch ein fauler Trick, oder?" „Sie sind der Annahme, Sir, ich sei
hinter ganz anderen Dingen her?" „Natürlich. Sie schnüffeln mir nach wegen... Also, Sie wissen schon, was ich meine." „Oh, ich verstehe", meinte Parker und nickte. „Sie spielen auf Ihren illegalen Handel mit Alkoholika an, nicht wahr?" „Davon sagte ich kein Wort." „Das ist auch nicht nötig, Mr. Hostans. Nach meinen Informationen importieren Sie unter Umgehung der üblichen Zollvorschriften Alkohol aus Kanada nach Chikago." Hostans zerbiß einen gemeinen Fluch. Sein Gegenüber wußte also tatsächlich genau Bescheid. Und das vor den großen Abschlüssen, die er, Hostans. über die Bühne gehen lassen wollte. Sollte dieses tolle Geschäft sich nur wegen dieses undurchsichtigen Burschen zerschlagen? Hostans dachte nicht im Traum daran. Er kam zu dem Schluß, daß sein Ge genüber so schnell wie möglich aus dem Weg geräumt werden mußte. Ich werde ihn 'reinlegen, sagte sich Hostans. Zum Schein werde ich ihm meine Mithilfe anbieten. Von mir aus weiß ich sogar, wo Harrison steckt. Ich locke ihn in die Falle und schlage dann zu. Hart und gründlich, daß er mir nie wieder in die Quere kommen kann. „Also gut, sprechen wir von Harrison", wechselte Hostans geschmeidig das Thema, „was wollen Sie von ihm, he?" „Ihm Grüße seiner Familie überbringen." „Wie war das ...?" Hostans sah Parker verblüfft an. Hatte er es mit einem harmlosen Irren oder etwa mit einem raffinierten Hund zu tun, der ihn aufs Glatteis führen wollte?
„Mr. Harrison zog es vor einigen Wo chen vor, seine Familie zu verlassen. Sie sehnt sich nach ihm, möchte ihn sprechen und einige private Dinge mit ihm regeln. Hoffentlich ist diese Auskunft ausreichend genug." „Das ist es also ...!" antwortete Hostans mechanisch. „Was haben Sie denn zu bieten, falls ich Ihnen Harrisons Adresse nenne?" „Ich werde vergessen, wozu die .Isabel' dient." „Nichts wissen Sie ...! Nichts brauchen Sie zu vergessen. Mir kann keiner, verstehen Sie? Um mich bei der Polizei anzuschwärzen, brauchen Sie erst mal handfeste Beweise." „Gewiß, Sir ...!" Mehr sagte Parker nicht. Aber wie er das sagte, war hinreißend. Er schien alles zu wissen, was mit dem illegalen Schnapsgeschäft Hostans zusammenhing. „Ich werde mir den Fall gründlich überlegen", wich Hostans aus. Er war nun doch unsicher geworden. „Gegen Abend können Sie ja noch mal vorbeikommen. Sagen Sie, arbeiten Sie auf eigene Faust? Sind Sie Privatdetektiv?" „Nun, ich besitze die erforderliche Lizenz, um den Beruf eines Privatdetek tivs ausüben zu können, Sir. Bisher verzichtete ich jedoch darauf, mich der Lizenz zu bedienen. Ich bearbeite nur Kri minalfälle, die mich persönlich erwär men können. Ihre beiden Leute dürften sich inzwischen meine Wagennummer aufgeschrieben haben. Es wird leicht festzustellen sein, wo ich wohne, wie meine privaten Verhältnisse liegen und geregelt sind. Richtig, da wäre noch eine Sache, die ich nicht unerwähnt lassen möchte. Die Mordkommission unter Leutnant Current sucht nach dem Mör23
der eines Mannes, der in einem Fabrik keller erschossen wurde. Ob die beiden Überlebenden aus dem Keller auf die Dauer schweigen werden, ist eine Fra ge, die ich mir an Ihrer Stelle einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen würde. Sie gestatten, daß ich mich jetzt verabschiede. Es sind da noch einige Dinge, die unbedingt geregelt werden müssen." Parker zog seine Melone, verbeugte sich und ging zur Tür. Der angerostete Colt war inzwischen längst verschwun den. Hostans konnte sich nicht erinnern, wann und wie Parker das gemacht hatte. Bei diesem Mann ging eben alles un auffällig und viel zu schnell. Ungehindert erreichte Josuah Parker seinen hochbeinigen Wagen. Die beiden Gangster, die er angesprüht hatte, wa ren verschwunden. Lauerten sie in irgendeinem Hinterhalt auf ihn? Nichts tat sich. Der Butler fuhr zurück auf die Straße und nahm Kurs auf den Burnham Park, in dessen unmittelbarer Nähe die riesi gen Hafenanlagen der Stadt lagen. Er wußte, daß dort die „Isabel" vertäut war. Plante der Butler wieder einmal eine Überraschung? Wie ein Slalomläufer kurvte er mit seinem hochbeinigen Wa gen durch den starken Verkehr. Er fuhr sehr schnell, doch das fiel wegen seiner Geschicklichkeit kaum auf. Ein aufmerksamer Beobachter hätte leicht feststellen können, welch ein ra santes Anzügsvermögen das Monstrum auf Rädern besaß. Von der Kurvenfestigkeit ganz zu schweigen. Ein Tou renwagen hätte sich dahinter verstekken können. Noch brauchte Parker die Überlegen heit seines Spezialwagens nicht auszu spielen. Er wußte ohnehin, daß er 24
schneller sein würde als gewisse Leute, die von der „Isabel" ebenfalls magnetisch angezogen wurden...!
Gay Harrison, knapp 25 Jahre alt, schlank und von genormter Puppen schönheit, wies auf die beiden abgestempelten, entwerteten Schecks. „Sie kamen heute von der Bank", sag te sie zu Mike Rander. „Joel hob wieder einmal insgesamt 25 000 Dollar vom Firmenkonto ab." „Wo wurden die beiden Schecks eingereicht?" erkundigte Rander sich. Nach seiner Unterhaltung mit Leutnant Cur rent war er hinaus zu den Harrisons gefahren. Er wartete die Antwort auf seine Frage nicht ab, sondern untersuchte selbst die Schecks. „Wieder im Stadtgebiet von Chikago," stellte er fest. „Drüben in Lombard also." „So geht es doch nicht weiter", entrüstete sich Gay Harrison, die zweite Frau des verschwundenen Joel Harri son. „Kann man das Konto denn nicht sperren lassen?" „Schwer zu machen, Mrs. Harrison, Ihr Mann ist nach wie vor handlungsfähig. Die bisherigen Unterschriften unter den Schecks sind vollkommen echt. Ich empfehle Ihnen noch mal, die Poli zei einzuschalten. Sie findet möglicherweise einen Weg, wenigstens durch eine einstweilige richterliche Anordnung, Schecks Ihres Mannes sperren zu lassen." „Mit der Polizei will ich nichts zu tun haben, Mr. Rander. Sie muß aus dem Spiel bleiben." „Dann müssen Sie sich damit abfinden, daß weitere Schecks eintrudeln
werden, Mrs. Harrison. Vergessen Sie nicht, daß Ihr Mann sich wenigstens alle zwei Tage per Telefon in der Firma meldet und so seine Existenz beweist. Ohne Polizei ist einfach nichts zu machen." „Joel wird uns alle ruinieren ...!" sagte Mrs. Harrison aufgebracht. „Er muß doch irgendwo zu finden sein ...!" „Was haben Sie eigentlich gegen die Polizei einzuwenden?" wollte Rander wissen. „Wir müssen jeden Skandal vermei den. Gerade jetzt vor großen Abschlüs sen mit der Stadt. Das Geschäft würde darunter leiden. Dann ist es schon besser, wir lösen die Schecks ein." „Schön, es ist Ihr Geld, Mrs. Harri son. Haben Sie inzwischen überlegt, mit wem Joel gern und häufig zusammen war und trank?" „Er ließ sich nie in die Karten sehen. Joel war verschlossen. Damit will ich" nicht, sagen, daß wir eine schlechte Ehe führten." Sie sprach hastig, betonte ihre letzten Worte. „Aber mit den beiden Kindern ver trug Joel sich nicht besonders, wie?" „Das habe ich Ihnen doch schon alles auseinandergesetzt", war ihre nervöse Antwort. „Randy und Maud mögen mich nicht. Verständlich, ich bin nicht älter als sie. In mir sehen sie einen Eindringling. Hinzu kommt, daß Joel sie nach der Heirat knapp hielt." „Randy und Maud Harrison vermu ten, daß Sie dahinter stecken, nicht wahr?" „Das stimmt im gewissen Sinne auch", räumte sie sehr offen ein. Ihr Mund wurde hart. „Sie verplemperten das Geld und warfen es zum Fenster hin aus. Ich machte Joel klar, daß es so einfach nicht geht. Man sagt mir nach, daß ich eine habgierige Frau bin. Stimmt 25
aber nicht. Wer sollte sich um die Ge schäfte kümmern, als Joel das Trinken nicht lassen konnte?" Sie sprach schnell, hart und sachlich. Ihre Stimme stand im Gegensatz zu ihrem Aussehen. Rander wußte von der ' ersten Begegnung her, daß sie intelligent und gerissen war. Wahrscheinlich benutzte sie ihre puppenhafte Schönheit und das naive Aussehen dazu, um an dere Leute übers Ohr zu hauen. „Wo stecken Randy und Maud?" fragte er Gay Harrison. „Bestimmt nicht im Geschäft", antwortete sie ironisch. „Mrs. Harrison", wechselte Anwalt Rander das Thema, „was wird aus dem Geschäft, falls Ihr Mann ..." Er unter brach sich und sah sie aufmerksam an. Sie verstand ihn sofort. „Abgesehen vom mütterlichen Erbteil hat Joel mich als Haupterbin eingesetzt. Das ist es doch, was Sie wissen wollen, oder?" „Richtig...!" „Erfreulich für mich, daß Joel noch nicht tot aufgefunden wurde." „Das wäre tatsächlich nicht gut", pflichtete Mike Rander ihr bei. „Wie kommen Sie mit dem Chefbuchhalter aus?" „Mit Clark Glidden? Ausgezeichnet. Er hat sich sehr schnell auf mich eingestellt. Oh, jetzt begreife ich ...! Sagt man mir etwa nach, ich hätte mit Clark ein Verhältnis?" „Sie drücken sich sehr unverblümt aus, Mrs. Harrison." „Clark dürfte mein Alter haben, er sieht recht gut aus und versteht zu rechnen. Ich wette, um uns ranken sich bereits Gerüchte, wie?"
„Bisher hörte ich davon nichts."
„Gut, daß Sie's von mir erfahren, Mr.
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Rander. Ich könnte mir vorstellen, daß Randy und Maud solche Gerüchte in die Welt setzen." „Mir gegenüber äußerten sie sich nicht." „Mir ist's egal, was über mich geredet wird. Ich heiratete Joel, obwohl er erheblich älter ist als ich. Ich liebte ihn. Bis er wieder mit seiner Trinkerei an fing. Vor der Heirat wußte ich davon nichts. Im Laufe der Zeit wurde Joel mir gleichgültig. Gebe ich ganz offen zu. Aber dennoch bin und bleibe ich seine Frau. Warum wandte ich mich an Sie, damit Sie Joel aufspüren und wieder zurückholen?" „Früher oder später werden wir Ihren Mann finden, Mrs. Harrison. Ich zerbreche mir den Kopf darüber, bei wem er sich aufhalten mag. Gibt es da vielleicht eine Frau ...?" „Ich weiß es nicht, Mr. Rander. Ich kann nur das wiederholen, was ich schon sagte. Erst nach der Kur in der Entziehungsanstalt wurde es schlimmer mit. ihm. Wissen Sie, manchmal habe ich den Eindruck, daß er erst in dieser Pri vatklinik richtig mit dem Trinken begann. Ich weiß, das ist unsinnig, aber man macht sich schließlich so seine Gedanken." „Ich muß noch mal auf das eine Thema zurückkommen. Gibt es keine Frau, zu der er sich geflüchtet haben könnte?" „Ich weiß es wirklich nicht. Glauben Säe, Joel könnte etwas zustoßen?" „Keine Ahnung. Ich würde sagen, solange er sich Geld verschaffen kann, wird er immer interessant sein." „Mit anderen Worten, ich soll darauf verzichten, die Konten sperren zu las sen?" „Das schlage ich tatsächlich vor, Mrs. Harrison. Das ist die beste Versicherung
für das Leben Ihres Mannes." „Gut, ich werde mir die Sache überlegen", versprach Gay Harrison. Mike Rander verabschiedete sich von der Frau, die unter dem schönen und attraktiven Kern stahlhart war. Als er durch die Halle des Hauses ging, kam ihm ein schlanker und gro ßer Mann entgegen, der fast zu gut aus sah. Er trug eine Kollegmappe in der Hand. Seine Bewegungen waren ge schmeidig, lässig. Die scharfen Linien des gebräunten Gesichts verliehen die sem jungen Mann etwas Piratenhaftes. „Clark Glidden?" fragte Mike Rander. Sein Instinkt sagte ihm, daß das der Chefbuchhalter der Firma Harrison sein mußte. „Stimmt. Was kann ich für Sie tun?" fragte Glidden zurück. Seine Stimme klang fest und männlich. Seine Manie ren waren untadelig und selbstsicher. „Oh nichts ..!" murmelte Mike Rander. Er nickte und ging weiter. Er kümmerte sich nicht darum, daß Clark Glid den ihm sehr nachdenklich nachsah ...! Josuah Parker ließ sein hochbeiniges Monstrum auf dem großen Parkplatz zurück. Sein Ziel war das Hafenbecken, in dem kleine und große Motor- und Segelyachten festgemacht waren. Bei einem Hafenwärter erkundigte er sich freundlich und jovial nach dem Liegeplatz der „Isabel". „Oh, da haben Sie nicht weit zu ge hen", meinte der alte Mann, „biegen Sie hinter dem Lagerhaus nach rechts ab. Dann stolpern Sie über den Kahn. Ist aber kein Mensch drauf." „Oh, das stört mich kaum", sagte Par ker, „die .Isabel' ist häufig unterwegs, wie?" „Kann man wohl sagen, Mr. Hostans
ist ein begeisterter Wassersportler." „Steuert er die Yacht allein?" „Natürlich, da läßt er keinen anderen Menschen dran...!" Parkers Schritte griffen weiter aus. Er wollte seinen Vorsprung nutzen. In erfreulich kurzer Zeit erreichte er den Liegeplatz der Motoryacht. Sie befand sich in bester Farbe und Ordnung. Hostans schien in dieses Boot wirklich verliebt zu sein. Josuah Parker blieb einen Moment auf dem Kai stehen, orientierte sich nach allen Seiten. Dann stieg er über die in der Mauer eingelassene Treppe nach unten und balancierte über die Laufplanke an Deck der Yacht. Er warf einen kurzen Blick auf den offenen Ruderstand, blick te durch die Glasscheiben in das darun ter liegende Steuerhaus, das allseitig geschlossen war und suchte nach dem Zugang zur Maschine. Ein schmaler, blitzender Gegenstand in seiner Hand öffnete die Tür zum Niedergang. Sekunden später war der Butler be reits unter Deck verschwunden. Die ge räumige Kabine im Bug der Yacht wirkte unverdächtig. Alles sah tadellos aufgeräumt und sauber aus. Ob Hostans wirklich illegalen Whisky nach Chikago einschmuggelte? Falls ja, konnte es sich doch nur um geringe Mengen handeln. Mehr war hier doch nicht unterzubringen. Butler Parker wollte es genau wissen. Er untersuchte den Boden der Kabi ne, fand aber kein Luk, das nach un ten führte. Der Raum zwischen Kabi nenboden und Kiel schien ungenutzt zu sein. Er blieb stehen, überlegte scharf und 27
fragte sich, wie er als Schnapsschmugg ler handeln würde, um einen geheimen Laderaum zu verdecken. Womit er die Lösung auch schon ge funden hatte. Es war frappierend, wie schlüssig sei ne Gedanken waren. Er beschäftigte sich mit einer der Kojen. Nichts. Sie war unverrückbar fest eingebaut worden. Und die andere Koje? Nach Wegräumen der Schaumgummi matratzen fiel sein Blick auf eine Schraube, deren Schlitzkanten ziemlich zerfasert waren. Warum wurde diese Schraube so häufig herausgedreht? Das mußte einen ganz bestimmten Grund haben. Josuah Parker brauchte einen Schrau benzieher. In seiner Tasche fand sich natürlich prompt ein breites Universal-Taschenmesser mit dem dringend benötigten Schraubenzieher. Innerhalb weniger Minuten löste sich die Schraube. Und damit der Brettereinsatz der Koje. Parker hob ihn heraus und ... sah vor sich ein tiefes, dunkles Loch, das nach unten in den Kielraum führte. Aus einer seiner Manteltaschen zau berte er eine kleine, aber sehr lichtstarke Taschenlampe. Er leuchtete nach un ten. Und nickte zufrieden, als er die aufeinandergestapelten Flaschenkartons sah. Whisky aus Kanda. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Er verzichtete darauf, nach unten zu steigen. Der optische Beweis genügte ihm. Parker wußte genug. Schnell und geschickt brachte er die Koje wieder in Ordnung. Um sich dann 28
dem Maschinenraum zu widmen. Ihm lag nur daran, ein Auslaufen der „Isabel" zu verhindern. Dazu muß te er den ansehnlichen Schiffsdiesel außer Betrieb setzen. Mit kleinen Bord mittein, wie der Seemann zu sagen pflegt. Der Butler wußte sich wieder mal zu helfen. Aus seinen unergründlichen Mantel taschen zauberte er eine flache BlechSchachtel hervor, die er vorsichtig öffnete. Eine Art Plastikmasse, nicht größer als ein Kaugummi, klebte er auf die Einspritzpumpe. Mit schnellen Handgriffen befestigte er einen Miniaturzün der, riß ihn an. Obwohl dieser Zünder bereits brannte, dachte Josuah Parker nicht im Traum daran, besonders schnell zu gehen. Er hatte den Niedergang gerade hinter sich, gelassen, als unten im Ma schinenraum ein scharfer Knall zu hö ren war. Nicht besonders laut, schon oben auf dem Kai war er nicht mehr zu vernehmen. Butler Parker verzichtete darauf, noch mal nach unten zu gehen und nachzusehen. Er wußte, daß die Ein spritzpumpe zerschlagen worden war, Ohne sie konnte der Diesel nicht mehr arbeiten. Die „Isabel" saß damit am Liegeplatz fest. Parker verschloß die beiden Türen zu den Niedergängen, balancierte über die schwankende Laufplanke zur Kaitreppe und brachte sich in Deckung. Seit dem Betreten der Motoryacht waren zehn Minuten vergangen. Seiner Schätzung nach mußten Hostans Leute jetzt erscheinen. Falls Parker sich in seiner Kalkulation nicht getäuscht hafte. Was aber im Grunde undenkbar war.
Und wirklich, schon nach wenigen Minuten, erschien ein geschlossener klei ner Lieferwagen am Kai. Hart wurde er abgebremst. Zwei bekannte Männer stiegen aus dem Wagen, liefen zur Kai treppe. Es waren der junge Gangster und sein Partner mit dem harmlos aus sehenden Gesicht. Hostans hingegen ließ sich nicht se hen. Parker, neben einem Kistenstapel stehend, genoß die Szene. Die beiden Gangster liefen an Bord, verschwanden im Ruderhaus. Dann kam der junge Bursche zurück, löste etwas umständlich die Vertäuung und rief seinem Partner etwas zu, was Packer nicht verstand. Der mächtige Anlasser des Diesels rumorte unter Deck. Nach dem Vorglühen wollte der Gangster den Motor in Gang setzen. Der Diesel dachte nicht daran. Er spuckte noch nicht einmal. Er blieb stumm wie ein Fisch. Wieder röhrte der Anlasser. Parker nickte zufrieden. Die kleine Sprengladung hatte also gute Arbeit getan. Er konnte gehen und sich den weiteren Ermittlungen widmen. Als er zwischen den Lagerschuppen verschwand und den Parkplatz an steuerte, hörte Parker hinter sich in kurzen Abständen das röhrende Schnarren des Anlassers. Wie lange mochten die beiden Gangster brauchen, bis sie dahinter kamen, daß der Diesel nicht mehr mitmachte ...? Parkers Weg führte an einer öffentlichen Fernsprechzelle vorbei. Nach Einwurf der notwendigen Mün zen rief der Butler einen gewissen Mr. Walt Hostans an. Er hatte Glück, Hostans meldete sich. „Hier spricht Josuah Parker", stellte
der Butler sich mit beherrschter Stimme vor, „ich komme gerade von der .Isabel', Mr. Hostans. Mir scheint, daß Ihre beiden Männer den Anlasser un nötig ruinieren." „Wie ...?" fragte Hostans gedehnt zurück. „Ich fürchte, daß die ,Isabel' nicht auslaufen kann, Mr. Hostans", setzte Parker seinem Gesprächspartner auseinander. „Damit dürfte es unmöglich sein, die flüssige Beiladung der Yacht auszuladen. Dort an den Kais können Sie das nicht riskieren. Ich werde mein Wissen um diesen Alkohol vergessen, sofern Sie mir sagen können, wo Mr. Harrison sich aufhält. Ein gutes Tauschgeschäft, wie mir scheint." „Hol' Sie der Teufel", brüllte Hostans, „das werden Sie noch bereuen, Parker. Ich lasse Sie hetzen, bis Sie nicht mehr japsen können. Darauf können Sie Gift nehmen." „Ich werde wieder anrufen, wenn Sie sich etwas beruhigt haben", meinte Jo suah Parker und legte auf ...! „Ich freue mich ungemein, Sie im Hause Mr. Randers begrüßen zu können." Josuah Parker empfing am anderen Tag Leutnant Current an der Stahltür, die auf den Dachgarten führte. Current verbiß sich ein Grinsen. Parker war eben unverbesserlich. Und störrisch da dazu. Wenn er nicht reden wollte, hielt er seinen Mund. Versuchte man ihn unter Druck zu setzen, reagierte er ungemein sauer. „Vom Ausflug zurück?" fragte Current, ohne auf den vergangenen Tag deutlicher anzuspielen. „Ich unternahm nur einen kleinen, harmlosen Spaziergang, Sir." „Schon die Morgenzeitungen gelesen, 29
Parker?" Die beiden Männer schritten auf das Penthouse zu. „Natürlich, Sir. Es gehört zu meinen Obliegenheiten und Pflichten, die Zeitungen zu sichten, bevor ich sie an Mr. Rander weiterreiche." „Irgend etwas Interessantes gefunden?" Currents Stimme klang gespielt harmlos. „Kaum, Sir", erwiderte Parker wortkarg. „Sollten Sie wirklich die Meldung übersehen haben, nach der eine Motor yacht .Isabel' unten im Hafen aus brannte?" „Nach der amtlichen Statistik von Chikago, Sir, ereignen sich alle drei Minuten ...!" „Ich weiß, ich weiß ...!" unterbrach Current den Butler. „Doch gerade dieser Brand interessiert mich ganz beson ders. Die Motoryacht gehörte nämlich einem Mr. Hostans." „Das ist allerdings erstaunlich, Sir." Mehr hatte Parker dazu nicht zu sagen. Natürlich kannte er die Meldung. Und hatte sich darauf bereits einen Vers ge macht. Er glaubte zu wissen, warum Hostans seine Yacht hatte in Flammen aufgehen lassen. Er wollte damit jede polizeiliche Untersuchung verhindern, gleichzeitig aber auch ihn, Parker, leerlaufen lassen. Ein sehr kostspieliges Verfahren, wie Parker meinte. Ob für Hostans das Geschäft mit Joel Harrison interessanter war? Darauf wußte der Butler sich noch keine Antwort zu geben. Da sie inzwischen das Haus erreichten und Mike Rander dem Polizeioffizier entgegenkam, konnte Parker Sich absetzen Allerdings nur für wenige Minuten. Denn kaum saß Current, als 30
Parker mit Getränken ins Arbeitszim mer seines Chefs kam. Als er gehen wollte, schüttelte Current den Kopf. „Bleiben Sie hier, Parker", meinte er lächelnd, „ich denke, wir legen jetzt mal der Reihe nach unsere Karten auf den Tisch. Nach dem Brand auf der .Isabel' muß ich wissen, was gespielt wird. Ich habe schließlich keine Lust, dienstlich gegen Sie vorgehen zu müssen." Parker blieb starr und steif wie ein Standbild stehen. Als er das unmerkliche Kopfnicken Mike Randers sah war er doch ungemein erleichtert. Nun konnte er wenigstens reden. Das Kopf nicken Mike Randers war gleichbedeu tend für die Freigabe einer umfassen den Aussage. Schnell klärte sich, was im Fabrik keller passiert war. Leutnant Current erfuhr nun aus erster Hand, wieso Josuah Parker sich derart intensiv um Walt Hostans kümmerte. Ganz am Rande nahm der Polizeioffizier zur Kennt nis, daß Hostans ein Schnapsschmuggler war. „Das deckt sich mit unseren Ermittlungen", rückte Current dann seiner seits mit der Sprache heraus. „Wir untersuchten das abgesoffene Wrack und fanden die zersprungenen Flaschen." „Konnten Sie Hostans erwischen?" warf Mike Rander ein. „Er ist wie vom Erdboden verschwun den. Nein, ich glaube nicht an eine end gültige Flucht. Er will wohl erst mal abwarten, wie der Fall sich entwickelt. Parker". Current wandte sich dem But ler zu, „können Sie mir ehrenwörtlich versichern, daß Sie mit dem Brand auf der Yacht nichts zu tun haben?" „Sir, ich gebe Ihnen mein Wort." „Danke, das reicht mir bereits, Par
ker. Ihrer Meinung nach steckt also Hostans hinter Harrisons Verschwinden?" „Sir, um der Wahrheit die Ehre zu ge ben, darauf möchte und kann ich mich nicht festlegen." Josuah Parker trat nä her an den Arbeitstisch des Anwalts, vor dem Leutnant Current saß. „Um noch einmal an den Nachtportier des .Pewell-Hotels' zu erinnern, dieser Mann redete seinen Boß nicht direkt an, als er die Nummer der Hostans-Firma wählte. Er bat nur darum, dem Boß etwas auszurichten." „Demnach kämen also diese beiden Hostans-Leute auch in Frage?" „Gewiß, Sir. Nachdem der Gangster mit dem Filmgesicht im Keller erschos sen wurde, bleiben noch ...!" „Jeff Cardy und Glenn Mossels. Ja, das sind die Namen dieser beiden Gang ster. Nach dem Auffinden der Leiche im Fabrikkeller vernahm ich diese beiden Burschen. Cardy ist der Mann mit dem harmlosen Gesicht, Mossels heißt der junge Mann, der nicht schnell genug hinter Gittern landen kann." „Sind diese beiden Männer in der Kartei vertreten?" „Natürlich. Wie gesagt, Rander, auch ich will meine Karten auf den Tisch legen. Cardy arbeitete früher als Kraftfahrer. Auch bei Hostans ist er jetzt offiziell als Fahrer angestellt." „Und dieser Mossels?" „Mossels ist gelernter Schreiner. Er saß bereits in zwei Fällen wegen Betrugs." „Als Schreiner dürfte es ihm leichtgefallen sein, die Yacht seines Chefs für den Transport der Alkoholika vorzubereiten", warf Parker ein. Er dachte an den versteckt angebrachten Zugang zum eigentlichen Laderaum. „Sir, könnte ich jetzt noch erfahren, wer der Tote aus dem Keller ist?"
„Sein Name lautet Gary Lurchess. Der saß ebenfalls. Wie Mossels und Cardy Er ist zur See gefahren. Paßt also auch in das Schmugglerbild, oder? Ins Schmugglerbild, das stimmt." Mike Rander betonte seine Worte absichtlich. „Ich weiß, Rander, worauf Sie hin aus wollen", redete Current weiter, „Schmuggler geben sich nicht mit Kid napping ab. Das meinen Sie doch, nicht wahr?" „Eben. Ich suche nach einer logischen Verbindung zwischen Hostans und dem Verschwinden Harrisons. Wie könnten Harrison und Hostans miteinander be kannt geworden sein? Was den Schnaps angeht, dem Harrison verfallen ist, dürfte die. Richtung zwar stimmen. Mehr aber auch nicht." „Was meinen denn Sie, Parker?" Current sah zu dem Butler hoch, der schweigend, aber sehr aufmerksam zuhörte. „Sir, um diese Frage nur in etwa genau beantworten zu können, müßte man mehr über die betreffenden Per sonen wissen. Mit anderen Worten, läßt es sich vielleicht ermöglichen, daß Mr. Rander spezielle Auskünfte über die be treffenden Gangster erhalten kann?" „Das war mal wieder kurz und knapp ausgedrückt", frotzelte Current grinsend zurück, „schön, läßt sich machen. Ich werde Ihnen die Berichte umge hend zuschicken, Rander. Einverstan den?" „Natürlich, Current. Per Telefon sagte ich Ihnen ja schon, nach wem wir suchen. Halten Sie sich an unsere Abmachung und treten Sie offiziell nicht in Erscheinung." „Das läßt sich leicht einrichten. Aber die Banken werde ich verständigen fas sen. Bisher wurden ja alle Schecks hier in Chikago zur Einlösung eingereicht. 31
Weitere Schecks werden mit Sicherheit folgen. Dann müssen wir sofort ver ständigt werden, damit wir uns an den betreffenden Kassenboten hängen kön nen. Der wird uns dann bestimmt zu Harrison führen. Oder zu dem Mann, der ihn festhält." „Current, vergessen Sie nicht, es han delt sich nicht um ein echtes Kidnap ping." „Sind Sie sicher?" „Vollkommen sicher, Leutnant. Har rison ruft in seiner Firma an, meldet sich mit normaler Stimme. Er sorgt dafür, daß er nicht nur mit seiner Frau oder mit seinem Chefbüchhalter Glidden spricht." „Wie macht er das?" „Er ruft einfach in verschiedenen Ab teilungen an, meldet sich als der Chef und verlangt: erst danach seine Frau oder Glidden zu sprechen. Es gibt» also immer Zeugen, die ihn gehört haben." „Sie glauben, er würde nur mit Schnaps festgehalten?" „So ungefähr ...! Vielleicht hat er auch seine Frau satt. Sie sieht sehr gut aus, räume ich ein, aber sie ist härter als ein Diamant. Selbst in ihren Träu me denkt sie bestimmt nur an die Bilanz der Firma." „Sie kann sich geschäftlich helfen?" „Helfen ...? Ich wette, sie ist sogar dem Chefbuchhalter überlegen. Man müßte übrigens herausfinden, wie die persönlichen und privaten Beziehungen zwischen Mrs. Harrison und Glidden sind." „Oh, Sie glauben ...?" Current hielt inne, um nach einer knappen Sekunde weiter zu reden, „Sie glauben, da könnte sich etwas abspielen?" „Durchaus drin", gab Mike Rander zurück. „Der Chefbuchhalter sieht sehr 32
gut aus." „Es wäre nicht das erste Mal, daß sich eine Frau mit einem anderen zusam mentut, um ihren eigentlichen Mann verschwinden zu lassen. Jetzt brauchen Sie nur noch zu sagen, daß diese Mrs. Harrison Alleinerbin ist." „Stimmt fast...!" „Wieso nur fast?" Current geriet in Eifer und beugte sich vor. „Da existieren noch zwei erwachsene Kinder aus Harrisons erster Ehe. Ein junger Mann namens Randy, dann eine Tochter, die Maud heißt. Sie können ihre Stiefmutter Gay nicht ausstehen." „Es wäre auch hier nicht das erste Mal, Sir", mischte Parker sich da mit al lem gebotenen Respekt in die Unterhaltung, „daß Geschwister sich einig darin werden, einen unerwünschten Eindring ling in die Familie auszuschalten. Dazu braucht man nur diese betreffende Person zu belasten und mit irgendei nem Verbrechen in Zusammenhang zu bringen." „Donnerwetter...!" Current sprang auf und sah Parker an. Ihm schien die Erleuchtung gekom men zu sein. Auch Mike Rander war beeindruckt. Nachdenklich rieb er sich das energische Kinn. „Zwei Möglichkeiten also", sagte er dann. „Entweder eine Verschwörung der Geschwister gegen die Stiefmutter, um damit gleichzeitig Joel Harrison loszuwerden und an die Erbschaft zu kommen, oder aber eine private Sache zwi schen Mrs. Harrison und ihrem Chefbuchhalter, um möglichst schnell an viel Geld zu kommen, bevor die Ehe ausein anderplatzt." „Rander...?" Der Anwalt nahm den Kopf herum,
sah den Leutnant fragend an. „Sie haben sich auch schon knapper ausgedrückt", sagte Current anzüglich, „ich stelle wieder mal fest, daß Parkers Anwesenheit einen schlechten Einfluß auf Ihren Stil hat. sonst könnten Sie sich niemals derart umständlich und weitschweifig ausdrücken, etwas, was ich an Ihnen überhaupt nicht kenne, obwohl ich doch schon seit einigen Jah ren gut mit Ihnen befreundet bin und bisher Ihre Ausdrucksweise niemals zu bemängeln hatte, was beileibe kein Vorwurf sein soll, Rander, um von Ihnen nicht mißverstanden zu werden!" Der Anwalt stutzte zuerst, dann breitete sich auf seinem Gesicht ein Grinsen aus. Selbst Josuah Parker gestattete sich in Anbetracht der Situation ein angedeutetes Lächeln. Da erst merkte Leutnant Current, daß auch er sich ungemein knapp aus gedrückt hatte. „Parker, aus meinen Augen", rief Current gespielt aufgebracht, „ich bin auf dem besten Weg, mich von Ihnen anstecken zu lassen, zumal alles darauf hindeutet, daß ich ...!" Er hielt inne, schlug sich erschreckt auf den Mund und verschluckte den Rest des Bandwurmsatzes. Erst ein kräftiger Schluck aus dem Glas brachte Ihn einigermaßen wieder zu sich! Es war dunkel geworden. Butler Parker steuerte sein hochbeiniges Monstrum durch die Straßen von Chikago. Er befand sich auf dem Weg zum „Pewell-Hotel", um dem Nachtportier einen Besuch abzustatten. Absichtlich hatte er bisher darauf verzichtet, diesen Mann zu sprechen. Er sollte sich erst mal in Sicherheit wiegen.
annehmen, seine Beteiligung an dem Komplott gegen Harrison sei unbekannt. Außer Mike Rander, Leutnant Current und ihm, Parker, wußte kein Mensch, daß der Nachtportier Mac Wor land den ersten und wichtigsten Hinweis auf Hostans geliefert hatte. Ja, selbst Hostans oder einer seiner Gangster sahen da nicht klar, wieso Parker sich um sie kümmerte. Der Butler hatte das Radio einge schaltet. Er hörte während der Fahrt die Frequenz der Polizei ab. In schneller und unaufhörlicher Folge kamen die Kennziffern durch, wurden Streifenwa gen abgerufen und kurze Hinweise für ihre Besatzungen geliefert. Josuah Parker kannte den Code die ser Frequenz. Die einzelnen Übertra gungen, Unfälle, Verbrechen und Mor de besaßen je eine besondere Kennziffer. Das erleichterte den Verkehr mit den Streifen in der Stadt. Noch war nichts Besonderes los in der Stadt. Doch das täuschte. Wie eine aufkommende, starke Brandung konnten sich die Hinweise auf Verbrechen überschlagen. Noch war die Stadt dabei, sich auf die Nacht vorzubereiten. Josuah Parker ließ seinen Wagen knapp vor dem „Pewell-Hotel" stehen. Ohne Hast und Eile schritt er gemessen auf den Eingang zu. Für seine Umgebung schien er sich überhaupt nicht zu interessieren. In Wirklichkeit aber sondierte er die beiden Straßenseiten. Im merhin hatte er sich bei Walt Hostans und seinen beiden Mitarbeitern mehr als unbeliebt gemacht. Darüber hinaus wußten Harrisons Freunde, daß er ihnen auf der Spur war. Die Straße vor dem kleinen schäbigen Hotel blieb ruhig. Parker ging in die Halle und blieb vor der hohen Anmeldetheke stehen. Der Nachtportier 33
war nicht zu sehen. Der Butler schlug mit dem Griff sei nes Universal-Regenschirmes auf die Tischklingel. Nichts rührte sich hinter der nur halb geöffneten Schiebetür, durch die das Hotelbüro zu erreichen war. Parker wartete geduldig, klingelte aber nicht mehr. Im Haus war es unheimlich still. Es war wie ausgestorben. Parkers fein ausgebildeter Instinkt witterte Gefahr. Von wo aus sie zu erwarten war, konnte er zur Zeit noch nicht feststellen. Schließlich ging er um die hohe Theke herum und näherte sich der Schiebe tür. Mit den Beleuchtungsverhältnissen in der Halle war er durchaus einver standen. Das nur schwache Licht ließ alle Konturen verschwimmen. Die Tür quietschte und ächzte, als Parker sie aufdrückte. Bis auf eine schwache Wandlampe war das Büro unbeleuchtet. Der Schein dieser Lampe reichte nicht aus, Einzelheiten im Zim mer zu erkennen. Josuah Parkers Gesicht glich einer Bronzemaske. In seinem Innern sah es allerdings anders aus. Seine Nerven meldeten höchsten Alarm. Bis etwas Schreckliches passierte, konnten nur noch Sekunden Vergehen. Der Butler suchte nach dem Lichtschalter. Bevor er jedoch Licht machen konnte, bleckten zwei Flammenzungen aus dem Zimmer auf. Josuah Parker befand sich bereits in Deckung. Aber noch im Abducken spür te er den Luftzug der beiden Geschosse, die unmittelbar hintereinander auf ihn abgefeuert worden waren. Glück gehabt...!
Butler Parkers vorsintflutlicher Colt
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aus den Tagen der Goldgräber dröhnte auf. Ein unterdrückter Aufschrei war die Antwort darauf. Parker machte einen flüchtenden Schatten aus, hätte einen zweiten Schuß anbringen können. Doch er kannte die Wirkungsweise des 45ers. Seine Durchschlagskraft war enorm. Der Butler verzichtete also darauf, einen weiteren Wirkungstreffer anzu bringen. Er haßte das Blutvergießen und hielt Schüsse immer für ein schlechtes Argument. Irgendwo fiel eine Tür ins Schloß. Flüchtete der heimtückische Schütze? Butler Parker war vorsichtig. Er schlüpfte in das Zimmer, hielt inne, lauschte. Nein, keine Geräusche mehr. Selbst die gewechselten Schüsse hat ten das Hotel bisher nicht alarmiertAls Parker sich tiefer in das Zimmer hineinpirschen wollte, stolperte er über eine Gestalt, die regungslos am Boden lag. Sofort kniete der Butler nieder und untersuchte den Toten. Eine leblose Gestalt war das, schlaff und weich. Parker wandte sich um, schaltete nun das Deckenlicht ein und blieb vor dem liegenden Mann stehen. Er erkannte ihn auf den ersten Blick. Er war identisch mit dem Nachtportier Mac Worland. Zwei genau gezielte Messerstiche hatten seinen Lebensfaden zerschnitten. Parker machte sich insgeheim einige Vorwürfe. Hätte er sich nicht früher um den Nachtportier kümmern müssen? War seine Taktik falsch gewesen? Leider ließ dieser Mord sich nicht mehr ungeschehen machen. Worland war tot, konnte nicht mehr sagen, mit wem er in Walt Hostans Firma geredet hatte. Eine böse Schlappe für Parker, der
sich gerade von einer Unterhaltung mit Worland sehr viel versprochen hatte. Vorn in der Halle wurden die ersten Stimmen laut. Neugierige und aufge scheuchte Hotelbewohner versammel ten sich vor der Anmeldetheke, getrau ten sich aber nicht in das Hinterzimmer hinein. Josuah Parker stieg über die Leiche und suchte nach der Stelle, von wo aus auf ihn geschossen worden war. Ein Blutfleck auf dem dünnen, abge schabten Teppich, einige Spritzer an der Tapete redeten eine deutliche Sprache. Der heimtückische Schütze war vom 45er getroffen worden. Es mußte sich zumindest um eine stark blutende Fleischwunde handeln. Der Mörder Mac Worlands hatte da mit seine erste Rate für den Mord am Nachtportier entrichtet. Weit konnte er unmöglich kommen. Parker fand die Tür, durch die der Mörder sich abgesetzt hätte. Sie führte hinaus in den kleinen, engen Hof. Am Fuß der vierstufigen Treppe, nur weni ge Meter von einem parkenden Buick entfernt, lag eine zweite Gestalt auf dem schmutzigen Pflaster. Der Mörder ...! Mit aller gebotenen Vorsicht trat der Butler an die Gestalt heran, untersuch te sie. Es handelte sich um den jungen Gangster, der Parker seinerzeit in den Torweg hineingelockt hatte. Glenn Mos sels, wie er hieß, lebte noch, brauchte aber drängend einen Arzt. Er verlor sehr viel Blut. Sein Atem war bereits flach und sein Puls ging langsam. Neben Massels aber lag die Waffe, ein 38er Revolver, dessen Lauf noch warm war. Mit der Fußspitze stieß Parker sie
von der ausgebreiteten Hand Mossels weg. So endete es doch immer, wenn man eine Waffe in die Hand nahm und als Außenseiter gegen das Gesetz verstieß . ...!
Joel Harrison starrte auf das aufgeschlagene Scheckheft. Er spielte mit dem Füller, den Chris Downers ihm gereicht hatte. Er brachte einfach nicht die Kraft auf, sich auf das Scheckheft und den Füller zu konzentrieren. Sein Hirn war umnebelt, träge, wie ausgelaugt. „Nun schreib' doch endlich", ermun terte Downers ihn. „Ich hat' 'ne prächtige Flasche mitgebracht, mein Junge. Guter Stoff, wird dir sehr gut sehmek ken." Joel Harrison gab sich einen inneren Ruck, richtete sich etwas auf. Er setzte den Füller auf das Scheckheft, wollte schreiben, doch seine zitternde Hand schaffte es nicht. Sinnlos zog der Füll halter wirre Striche und Zeichen auf das Papier. Downers runzielte die Stirn. Er war wütend. „Warte, ich werde dir 'nen Schluck holen", sagte er, sich zur Ruhe zwingend. „Verschmier' das Scheckheft nicht, mein Junge, sonst kann ich dir keinen Schnaps mehr kaufen." Downers stieg nach unten in das Holzhaus. In der engen, unaufgeräum ten Küche saß seine Freundin Helen Napers. Die üppige Blondine beschäftigte sich gerade mit einer Flasche Whisky. Sie hatte den Verschluß geöffnet, einen improvisierten Papiertrichter in die Flaschenöffnung geschoben und schüttelte vorsichtig ein weißes Pulver in die Flüssigkeit. „Übertreib's nicht", warnte Downers Helen Napers. „Harrison ist schon fast verblödet. Wenn's so weitergeht, kann er seinen Namen nicht mehr schreiben." 35
Helen Napers schloß die vergoldete Puderdose, in der sie das weiße Pulver verwahrte. Es handelte sich um Heroin, das dem Whisky für Harrison regelmäßig zugesetzt wurde, um jede Ent schlußfähigkeit auszuschalten. „Wie lange wollen wir dieses Spiel noch treiben?" fragte sie sachlich. Sie verschloß die Whiskyflasche und schüt telte sie ausgiebig. Das weiße Heroin löste sich augenblicklich auf. „Seit wann hast du was gegen Geld einzuwenden?" erkundigte sich Downers. „Gegen Geld habe ich nichts, nur ge gen Gitter", meinte sie. „Hast du Angst?" „Das auch. Vor allen Dingen geht Harrison mir auf die Nerven." „Schluck es irgendwie herunter, He len", redete Downers seiner Freundin zu. „Noch ein paar Wochen und wir kön nen Harrison in die Wüste schicken." „Und der Boß hat sein dickes Geschäft gemacht." „Wie meinst du das, Helen?" „Sag' mal, denkst du eigentlich nicht?" gab sie erregt zurück, „wir beschaffen dem Boß die Schecks, er kassiert sie ein und speist uns doch nur mit einem klei nen Taschengeld ab. Das meine ich, Chris." „Wir verdienen nicht schlecht." „Einen Dreck verdienen wir ...! Wer steckt denn den Löwenanteil in die Tasche, he? Der Boß ...! Wir ziehen mit Harrison durch die Gegend, wir tragen das Risiko. Aber der Boß kassiert und mästet sich an uns." „Ich bin mit dem zufrieden, was wir bekommen. Hat bisher immer prompt geklappt, Helen. Ist ja nicht das erste Mal, daß wir diese Masche reiten." „Eben, es wird Zeit, daß wir uns sei ständig machen " „Momentchen mal, soll das heißen, daß du aussteigen willst oder dem Boß an den Kragen ...!" Helen Napers ließ ihn nicht ausreden. „Ich will mehr verdienen", forderte 36
sie mit kalter Stimme, „wir besorg« dem Boß die Dreckarbeit, er aber kas siert ..!" „Helen, du solltest vorsichtiger sein", warnte Downers seine üppige, blonde Freundin. „Du kennst den Boß. Der fackelt nicht lange. Wenn er erst mal merkt, daß wir Extratouren reisen wol len, geht's uns an den Kragen." „Wir müssen eben schneller sein .. Die Sache mit Harrison wird für meine Begriffe viel zu lange ausgespielt. Du weißt, daß irgendein Schnüffler bereits hinter uns her ist. Möglich sogar, daß die Harrisons sich jetzt an die Polizei wenden." „Werden sie nicht machen, verlaß dich drauf." „Woher willst du das wissen?" „Ich hab's aus erster Hand, Helen... Komm', ist der Schnaps fertig? Harrison braucht seine Dosis. Erst wenn er total betrunken ist, kann er schreiben." Downers nahm die Flasche, zog die Tür auf. Er prallte fast mit Joel Harrison zusammen, der schwankend vor der Tür stand. „Seit wann bist du hier unten? schnauzte Downers Joel Harrison an. „Schnaps ...!" brabbelte Harrison, als habe er nichts verstanden. Er streckte die Hand nach der Flasche aus. Ein blö des Grinsen überzog sein Gesicht, als er Helen Napers am Küchentisch entdeckte. Sie zog eine Grimasse, die Ekel, aber auch gespielte Freude ausdrücken konnte. „Geh schon nach oben", rief sie Joel Harrison zu, „ich komm' gleich nach Süßer." Mißtrauisch musterte Downers den Angetrunkenen, der die Flasche fest an sich preßte. Sollte Joel Harrison seine Unterhaltung mit Helen Napers belauscht haben? War diesem Wrack so etwas überhaupt zuzutrauen? Er brachte Harrison nach oben ins Zimmer.
Downers ging zum Tisch, der neben dem Fenster stand. Er griff nach dem Füllhalter und sah sich nach Harrison um. Der trank bereits. Er hatte die Flasche einfach an den Mund gesetzt. Wie Wasser ließ er den präparierten Whisky in sich hineinlaufen. „Los jetzt", rief er Harrison zu, „ich brauche den Scheck." Er nahm das lange, schmale Heft hoch, stutzte und ... fluchte. Jeder noch eingeheftete Scheck war restlos bekrit zelt worden. Sie alle waren völlig unbrauchbar. Downers warf das Scheckheft auf den Tisch. Dann ohrfeigte er Harrison so lange, bis er außer Atem war. Er hätte Harrison am liebsten umgebracht. Willenlos ließ Joel Harrison alles über sich ergehen. Er grinste blöde, als Downers von ihm abließ. Als er zur Flasche greifen wollte, riß Downers sie ihm aus der Hand. Dann verließ er das Zimmer und be eilte sich, ans Telefon zu gelangen, Er
mußte den Boß unbedingt informieren und fragen, wie sie an ein neues Scheck heft kamen. Denn ohne Scheckheft gab's kein Geld, war Harrison vollkommen wertlos... Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Downers daran, daß Harrison ihnen vielleicht einen Streich gespielt hatte. Aber war das diesem willenlosen Wrack überhaupt zuzutrauen ...? Anwalt Rander und sein Butler Josuah Parker statteten Leutnant Current einen Besuch ab. Das Büro des Leut nants im Hauptquartier der Polizei war klein und einfach eingerichtet. Alles war auf reine Zweckmäßigkeit abgestellt. „Wir kamen gerade zufällig vorbei", behauptete Mike Rander und blinzelte Current zu. „Diesen Zufall kenne ich. Sie wollen wissen, was aus Glenn Mossels gewor
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den ist, oder?" „Das auch ...!" „Er überstand die Operation, Rander. An eine Sprecherlaubnis ist vorerst aber nicht zu denken. Mossels verlor zu viel Blut, die Operation schwächte ihn." „Zu dumm ...!" „Was glauben Sie, wie ich darauf warte, mit Mossels sprechen zu können. Nach der Ermordung des Nachtpor tiers Worland ist er der einzige Mann, der uns etwas über den Boß sagen kann." „Schon etwas über Hostans gehört?" „Die Großfahndung nach ihm läuft. Bisher ohne jeden Erfolg. Aber das be sagt noch nichts. Die Jungens müssen sich erst mal einspielen." „Eine Frage am Rande, Current, Mossels wird doch bewacht, nicht wahr?" „Sehr scharf sogar, Rander. Mossels darf nicht von seinem Boß umgebracht werden. Wir sind sogar noch einen Schritt weiter gegangen und bauten für diesen unbekannten Chef der Gang eine Falle. Selbst im Spital nimmt alles an, Mossels liege in der zweiten Etage. In Wirklichkeit ließen wir ihn bereits in das Polizeihospital bringen. Nur einige wenige eingeweihte Pfleger wissen Be scheid. Kann sein, daß der Boß ver sucht, an Mossels heranzukommen. Dann wird er sein blaues Wunder erleben," „Sir, darf ich eine bescheidene Frage einwerfen?" erkundigte Josuah Parker sich höflich. Current nickte. Er kniff die Augen zusammen, paßte scharf auf. Wenn Jo suah Parker mit bescheidenen Fragen kam, die er dazu noch höflich stellte, dann verfolgte er stets einen ganz be sonderen Zweck damit. „Sie wollten die Güte haben, Sir, mich die genauen Unterlagen über Hostans, Cardy, Lurchess und Mossels einsehen zu lassen." „Was bezwecken Sie damit, Parker?" „Nur ein allgemeines Interesse, Sir." 38
„Ihnen soll einer trauen. Ich wette, Sie kochen bereits wieder ihre eigene Suppe." Parker verzichtete auf eine Antwort Er wartete, bis er den Schnellhefter in Händen hielt, der vor Current lag. Dann zog er sich in die Zimmerecke neben der Tür zurück und studierte die Unterlagen. Current und Mike Rander schwiegen. Sie sahen sich an, schauten hinüber zu Parker und warteten darauf, daß der Butler sich endlich äußerte. Doch Josuah Parker dachte nicht daran, zu den Unterlagen Stellung zu nehmen. Er schloß den Schnellhefter und gab ihn an Leutnant Current zurück. „Na ...?" erkundigte sich Current. „Was haben Sie entdeckt, Parker?" fragte Mike Rander. „Ich bedaure, Sir, mein Interesse konnte nicht geweckt werden." „Nichts ...?" wunderte sich Leutnant Current. Er glaubte dem Butler kein Wort. Josuah Parker hüllte sich in Schweigen. Er verwandelte sich wieder in eine leblose Statue. Current verzichtete dar auf, weitere Fragen an Parker zu rich ten. Aus Erfahrung wußte er, daß es sinnlos war. „Haben Sie wirklich nichts entdeckt?" erkundigte sich Mike Rander Minuten später, als sie Current verlassen hatten, „Vielleicht den Hauch eines Verdachts Sir...!" „Und in welcher Richtung?" „Sir, wenn Sie gestatten, würde ich der Privatklinik, in der Mr. Harrison seine Entziehungskur absolvierte, einen kurzen Besuch abstatten." „Was versprechen Sie sich denn da von?" „Ich möchte die dortige Atmosphäre studieren, Sir." „Also schön, studieren Sie, Parker. Ich beschäftige mich mal ausgiebig mit Mr. Glidden. Über diesen Chefbuchhalter muß doch etwas zu erfahren sein ...!"
Die Privatklinik befand sich im Westen der Stadt, in der Nähe des Oak brook York Polo Club. Hinter der hohen Steinmauer war nur das rote Dach des Gebäudes zu sehen. Und die vielen Baumkronen des Parks. Ein schweres Gittertor versperrte den Zutritt zur Klinik. Selbst von diesem Tor aus waren der Park und das Ge bäude nicht einzusehen. Eine Art spani sche Wand aus Hecken und Sträuchern nahm jede Sicht. Josuah Parker hielt sein hochbeiniges Monstrum an, stieg aus und näherte sich der Anmeldung, die in einem klei nen Pförtnerhaus untergebracht war. Seine schwarze Melone schwenkend, beugte er sich vor das Sprechfenster. „Mir liegt daran, den Chefarzt zu sprechen", sagte er zum Pförtner, einem untersetzten Mann mit groben Gesichts zügen, der eine Art Privatuniform trug. „Den Chef wollen Sie sprechen? Sind Sie angemeldet?" „Ich komme im Auftrag der Familie Harrison." Parker mußte einen Moment warten. Der Pförtner telefonierte mit der Klinik. Dann stand er auf und drückte auf einen Knopf. Surrend öffnete sich das elektrisch angetriebene Tor. „Sie können durchfahren, aber bleiben Sie auf dem Asphaltweg." Parker erkletterte seinen Wagen, setzte sich ans Steuer und fuhr in den Park hinein. Er war weiträumiger, als er von außen aussah. Und sehr gepflegt. Der sattgrüne Rasen war kurz geschoren. Nicht ein einziges Blatt Unkraut konn te der Butler entdecken. Für einen kurzen Augenblick dachte er fast wehmütig an die englischen Rasen drüben in seiner Heimat. Vor der Klinik hielt er an, stieg aus. Das zweistöckige Gebäude befand sich in tadelloser Verfassung. Es gab zwei Seitentrakte, allerdings waren sie nur einstöckig. Parker fiel auf, daß alle Fen-
ster unvergittert waren. Viele Scheiben bestanden allerdings aus Milchglas. An der Tür wurde er bereits von einer jungen Dame in einem weißen Kittel erwartet. Sie war groß, schlank und hatte aschblondes Haar, Kluge, braune Augen in dem interessanten Gesicht sahen ihn freundlich an. „Ich bin Margy Bessers", stellte sie sich vor, „Doktor Givons schickt mich." „Ich begrüße Sie", antwortete Parker und machte einen gekonnten Kratzfuß. Elegant schwang seine schwarze Melone durch die Luft, „ich hoffe nicht zu stö ren." „Darf ich vorausgehen ...?" fragte Miß Bessers. Ohne Parkers Antwort abzuwarten, ging sie zurück ins Haus. Josuah Parker genoß das sanfte Schwingen ihrer Hüften. Weiblicher Schönheit war er nicht abhold. Er schätzte alles, was harmonisch und schön war. „Ich komme wegen Mr. Joel Harri son", plauderte Parker, der Margy Bes sers eingeholt hatte. Innerhalb weniger Sekunden verwandelte er sich in einen harmlosen, älteren Mann, der kein Wäs serchen trüben kann, „wie Sie vielleicht wissen. Miß Bessers ist Mr. Harrison nach seiner Entlassung aus der Klinik verschwunden." „Verschwunden ...?" Sie blieb vor dem Lift stehen und sah ihn erstaunt an. „Sagen wir besser, er lehnt es ab, zurück in den Schoß seiner Familie zu kehren." „Das tut mir aber leid. Mr. Harrison war ein angenehmer. Patient." „Wahrscheinlich verfiel er wieder dem Teufel Alkohol", salbaderte Parker geschickt weiter. „Die Entwöhnungskur scheint bei ihm nicht angeschlagen zu haben." „Das kann ich mir aber kaum vor stellen. Als wir ihn entließen, trank er keinen Tropfen mehr. Er haßte den Al kohol," „Nun ja, Haß schlägt manchmal in 39
Liebe um. Und umgekehrt." Parker lächelte und betrat den Lift. „Mr. Harrison kam seinerzeit freiwillig zu Ihnen, Miß Bessere?" „Das stimmt Viele unserer Patienten kommen freiwillig. Sie verstehen, Doktor Givons Klinik ist exklusiv. Wir neh men nicht jeden Patienten auf." „Ich ließ mir sagen, daß Sie fast immer voll belegt sind." „Das stimmt, Mister Parker. Wir machen die traurige Erfahrung, daß gera de wohlhabende Leute schnell dem Al kohol verfallen. Es muß mit ihrer inneren Langweile zusammenhängen." Oben verließen sie den Lift und schritten über den Korridor Nichts erinnerte an eine Klinik. Hier herrschte die Atmosphäre eines gepflegten Hotels. „Ich könnte mir vorstellen, daß Sie Personalschwierigkeiten haben", fragte Parker überraschend. „Wie kommen Sie darauf?" wunderte sich Miß Bessers. „Spezialisten dieser Branche dürften rar sein, nicht wahr?" „Wir können uns nicht beklagen, Mr. Parker. Doktor Givons arbeitet schon seit Jahren mit einem eingespielten Stammpersonal zusammen." „Das Personal wechselt also kaum?" „Kaum ...!" entgegnete Miß Bessers. Ihr Blick wurde aufmerksam. Schnell sah sie Parker an. Paßten ihr diese Fragen nicht? Butler Parker bemerkte diesen Blick, doch er reagierte nicht darauf. Hartnäckig fragte er wei ter. „Wurden in letzter Zeit irgendwelche Entlassungen oder Kündigungen vor genommen?" „Mr. Parkier, ich verstehe nicht, was Sie mit diesen Fragen bezwecken", antwortete Margy Bessers, „ich bin nicht befugt, darüber zu sprechen. Wenden Sie sich an den Chef." „Oh, ich fürchte, ich verstimmte Sie", entschuldigte Parker sich freundlich, „halten Sie es einem alten Mann zugut, 40
daß er zu viel plappert!" „Ich bin keineswegs verstimmt", be hauptete Margy Bessers, „ich möchte dem Chef nur nicht vorgreifen." Parker bluffte in seiner bekannten Art. Er wußte nichts Konkretes, seine Fragen sollten nur Unsicherheit, zumin dest aber Nachdenklichkeit hervorru fen. Ein Trick, der sich schon oft aus gezahlt hatte. In diesem Fall kam sogar noch eine bestimmte Gefühlsschwin gung hinzu. Seiner Schätzung nach mußte Joel Harrison in dieser Klinik doch einmal gründlich ausgepackt haben. Vielleicht kannte Doktor Givons den tieferen Grund für die Trinksucht Harrisons. Und dann war da noch etwas. Hatte Mrs. Gay Harrison nicht erklärt, gera de nach der Entlassung aus der Klinik habe ihr Mann mehr denn je getrunken. Als Mike Rander davon erzählte, hatte Parker insgeheim die Ohren weit aufgesperrt. Nun war er gespannt, was er erfah ren würde. Er rechnete mit jeder Über raschung ...! Butler Parker nahm langsam den Kopf herum. Doktor Givons Augen blieben ruhig Er lächelte sogar. Mit einer schnellen Handbewegung tat er die spitzen und grellen Schreie ab, die selbst hier in seinem Arbeitszimmer zu hören waren. „Nur keine Sorge", meinte er dann zu Parker, „ein neuer Patient, dessen Entziehungskur beginnt. Solche Leute schreien oft." „Sehr unangenehm", bemerkte Par ker. Stocksteif saß er vor Doktor Gi vons, einem straffen Endvierziger, dessen glattes Gesicht wie ein undurch dringlicher Vorhang wirkte. Die kühlen, klugen Augen verbargen sich hin ter spiegelnden Brillengläsern. „Man gewöhnt sich daran", stellte Doktor Givons fest. „Sie kommen als
wegen Harrisons Verschwinden ...! Tut mir leid, da werde ich Ihnen nicht hel fen können." „Wie Mrs. Harrison behauptet, be gann ihr Mann erst nach seiner Ent lassung richtig zu trinken. Mißverstehen Sie mich nicht, Sir, das kann ein durchaus subjektiver Eindruck sein." „Er ist es ...! Als wir Mr. Harrison entließen, war er entwöhnt. Ich selbst untersuchte ihn. Die Kur war ein vol ler Erfolg. Garantien, daß unsere Pa tienten nach der Entlassung grundsätz lich nicht mehr trinken, können wir na türlich nicht übernehmen." „Ich möchte annehmen, Sir, daß Sie Ihr Personal für vollkommen zuverlässig halten." „Selbstverständlich. Ich arbeite mit den Pflegern schon seit Jahren zusam men." „Wer beschäftigte sich mit Mr. Harrison, falls diese Frage gestattet ist." „Moment mal, Mr. Parker." Doktor Givons stand auf und schüttelte den Kopf. „So geht es ja nicht. Wollen Sie meiner Klinik was anhängen? Da werde ich nicht mitspielen. Was bezwecken Sie mit Ihren Fragen?" „Ich würde mich sehr gern mal mit dem Pfleger unterhalten, der Mr. Har rison, betreute. Da Sie Ihrem Personal voll vertrauen, zu Recht, wie ich ohne weiteres unterstellen möchte, können Sie nichts dagegen haben, daß ich die sem Mann einige Fragen stelle. Ich möchte natürlich nicht aufdringlich erscheinen, Sir." Doktor Givons preßte die Lippen zu sammen. Hatte er Parker eben noch für eine Witzblatterscheinung gehalten, änderte er jetzt schnell seine Meinung. „Gut, ich habe nichts dagegen", sagte er grimmig. „Sie ahnen nicht, Sir, welchen Gefal len Sie mir erweisen." „Ja, schon gut", wehrte Doktor Givons nervös ab. Er drückte eine Taste der Sprachanlage. „Steffens soll zu mir 41
kommen. Sofort." „Ich weiß, daß ich Ihre kostbare Zeit unnötig in Anspruch nehme", plauder te Parker inzwischen weiter, „keiner bedauert das mehr als ich." „Beden wir doch offen miteinander", meinte Doktor Givons, „Sie glauben, daß in meiner Klinik einiges nicht stimmt." „Aber Sir ...!" protestierte Parker, „nicht im Traum würde es mir einfallen, Sie oder Ihre Leute zu verdächti gen. Wenngleich ich einige Fälle kenne, in denen ungetreue Angestellte ihren Chef hintergingen." Bevor Doktor Givons antworten konnte, klopfte es an der Tür. Steffens trat ein. Er war mittelgroß, hatte einen leichten Bauchansatz und besaß ein gut mütiges, offenes Gesicht ohne jeden Arg. Seine hellblauen Augen verrieten Naivität. „Das ist Steffens, er kümmerte sich um Harrison. Steffens, das ist Mr. Par ker. Er möchte Ihnen einige Fragen stellen. Antworten Sie frei und offen." „Aber Sie brauchen doch nicht zu gehen, Sir", erklärte Parker, obwohl Dok tor Givons weiß Gott keine Anstalten machte, sein Arbeitszimmer zu verlassen. „Nur ein Mensch, der etwas zu verbergen hat, würde diese Unterhaltung an Ort und Stelle überwachen." Doktor Givons bekam einen roten Kopf. Er ärgerte sich schrecklich. Um sich vor Steffens keine Blöße zu geben, verließ er wütend sein eigenes Zimmer. Das war für Parker das Zeichen, mit seinen Fragen zu beginnen. So ganz nebenbei vergewisserte er sich, daß die Sprechanlage abgestellt war. Was er Steffens zu sagen hatte, brauchte Dok tor Givons nicht unbedingt zu hören...! „Reden Sie nicht um den beißen Brei herum, Mr. Rander", sagte Gay Harri son burschikos, „ich habe Sie längst durchschaut. Sie glauben, daß ich Joel absichtlich an den Alkohol brachte, nicht 42
wahr?" „Sprach ich auch nur ein einziges Wort davon?" „Aber Sie denken es ....! Sie glauben ich hätte mit meinem Chefbuchhalter Glidden ein Verhältnis. Lassen Sie uns die Dinge beim Namen nennen!" „Also gut" „Sie sind auf dem Holzweg, Rander. Glidden ist ein guter Buchhalter. Er sieht gut aus, weiß ich alles, aber er interessiert mich nicht. Ich will Ihnen mit wenigen Worten sagen, was mit mir los ist." „Vielleicht ist es gut, wenn wir uns offen aussprechen." Mike Rander nickte und beschäftigte sich mit seinem Glas. Er saß in Gay Harrisons Büro. Irgendwo in einem anderen Büro arbeitete Glidden. Alle anderen Angestellten waren längst gegangen. Im Bürotrakt war es sehr still. „Ich komme von ganz unten, Mr. Rander, verstehen Sie? Ich bin durch jeden Dreck gegangen, den es gibt. Ich arbeitete als Bardame, als Modell, als Kellnerin in einem Motel und als Geschäftsführerin einer Tankstelle. Ein Engel war ich bestimmt nicht. Ich wollte nach oben, jedes Mittel war mir recht. Bis ich Joel kennenlernte. Er war betrunken, als wir uns sahen. Er war restlos herunter, aber er hatte Geld. Glauben Sie mir, Rander, ich wit terte meine ganz große Chance. Ich setzte alles auf diese Karte und schmiß mich an ihn 'ran, wie man so sagt. Joel spielte überraschend schnell mit. Wir heirateten bald. Vielleicht gefiel es ihm, daß ich sein Geld zwar schätzte aber es nicht ausgeben wollte. Er brauchte sich nicht besonders an zustrengen, meinen Geschäftssinn zu entwickeln. Ich scherte mich nicht dar um, daß seine beiden Kinder aus erster Ehe mich ablehnten. Ich arbeitete mit ihm im Geschäft, begriff sehr schnell
um was es ging. Machtlos nur war ich gegen seine Trinkerei. Die Meß er sich einfach nicht ausreden. Ihm war schlecht beizukom men. Während der ganzen Zeit war und blieb ich ihm eine gute Ehefrau. Ich denke nicht im Traum daran, das alles durch eine Liebelei aufs Spiel zu setzen. Da kann kommen, wer will. Ich halte die Stellung, wenn Sie so wollen, weil ich nicht zurück will in den Dreck. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?" „Sehr deutlich", murmelte Mike Rander. „Mokieren Sie sich, Rander", nahm sie ihren Faden wieder auf, „mich kann das nicht erschüttern. Mit Joels Verschwinden habe ich nichts zu tun. Im Gegenteil, er muß so schnell wie möglich wieder zurück ins Haus, sonst rui niert er das ganze Geschäft. Das sind meine Sorgen. Um noch mal auf Glidden zurückzukommen, Rander, er interessiert mich nur als Mitarbeiter und Chefbuchhal ter. Wegen Glidden werde ich meine Ehe mit Joel niemals platzen lassen. Randy und Maud warten doch nur darauf, daß sie mir ein Bein stellen kön nen. Ich weiß das sehr genau." Rander war beeindruckt. Er glaubte Gay Harrison. Gerade wegen ihres ausgeprägten Geschäftssinns. „Wie sieht es mit der Erbfolge nach Joels Tod aus?" fragte er unverblümt. Mit dieser attraktiven Frau, die kalt rechnete, konnte man Fraktur reden. „Sagte ich Ihnen doch schon, ich wür de die Alleinerbin sein, vom mütterli chen Erbteil der ersten Frau abgesehen. Rander, glauben Sie, Joel könnte etwas passieren?" „Schwer zu sagen, wir wissen schließ lich nicht, wer ihn unter Alkohol hält." „Sie suchen doch schon seit Tagen nach ihm. Da müssen Sie doch irgend einen Hinweis bekommen haben." „Wissen Sie mit dem Namen Hostans
etwas anzufangen?" Sie schüttelte den Kopf. „Ihr Mann muß doch vor seinem Ver schwinden einen besonders guten Freund gehabt haben, einen, mit dem er gern und oft trank." „Diese Freunde brachte er niemals ins Haus." „Sie glauben aber, daß er nach seiner Kur erst richtig trank?" „Habe ich das gesagt?"1 „So ungefähr." „Ich bleibe dabei, Rander. Nach seiner Rückkehr von Doktor Givons schüt tete er den Alkohol förmlich in sich hinein. Tagelang war er betrunken, bis er dann plötzlich verschwand." „Hört sich so an, als hätte er das Trinken erst richtig in der Klinik gelernt." „Ich kann's nicht beweisen." „Die Klinik hat einen guten Namen." „Na und ...? Es gibt viele gute Na men, die nur hohler Schein sind." Mike Rander glaubte, vor der Tür zum Korridor ein Geräusch zu hören. Er handelte sofort, selbst auf die Gefahr hin, sich lächerlich zu machen. Er drückte sich vom Boden ab, sprang aus dem Sessel und rannte zur Tür. Ruckartig riß er sie auf. Er hatte sich nicht getäuscht. Ein paar Schritte von der Tür entfernt stand Glidden. Er schien gerade erst gekommen zu sein. „Was ist?" fragte er lächelnd. „Nichts", gab Mike Rander zurück. Er grinste zurück. Als er wieder vor Gay Harrison stand, stellte er zu seiner Verwunderung fest, daß Mrs. Harrisons Gesicht sich rot färbte. Sie war verle gen und ärgerlich zugleich. „Was soll das Theater?" fragte sie endlich. „Sehen Sie doch. Mrs. Harrison. Ihr Chefbuchhalter Glidden scheint von Ihnen etwas zu wollen." Glidden erschien in der noch geöffne ten Tür. 43
„Brauchen Sie mich noch, Mrs. Harri son?" fragte er. „Nein, Sie können gehen", erwiderte sie scharf. Glidden verbeugte sich, winkte Rander mit der Hand zu und verschwand hinter der Tür, Rander zündete sich eine Zigarette an und blieb stehen. „Ich werde auch gehen", sagte er, „vielen Dank, daß ich Sie sprechen konnte." „Ich weiß, was Sie denken", meinte Gay Harrison. „Gliddens Dummheit oder Neugier lasten Sie mir an, stimmt es?" „Kaum", sagte Mike Rander nur. Dann ging er ...! Zu Hause angekommen, rief Mike Rander den Auftragsdienst an. So erfuhr er von einem dringenden Anruf Leutnant Currents, der erst vor knapp einer Viertelstunde erfolgte. Umgehend ließ Rander sich im Hauptquartier mit dem Detektivleutnant verbinden. Current war sofort am Apparat. „Fein, daß Sie mich noch erreichen", sagte Current hastig, „ich wollte gerade losfahren." „Was ist passiert?" fragte Anwalt Mike Rander. „Vor knapp einer Stunde wurden zwei Schecks präsentiert und auch honoriert. Das geschah in einer Bank un ten im Süden der Stadt, an einem Nachtschalter." „Wie hoch ist die Gesamtsumme?" „Runde 8000 Dollar. Ganz hübsche Summe, wie?" „Ist dieser Kassierer Ihnen durch die Lappen gegangen?" „Der Bankbeamte wollte ihn hinhal ten, aber der Überreicher der Schecks roch Lunte. Er hatte es plötzlich sehr 44
eilig." „Hört sich nicht besonders gut an, Current." „Wir brauchen die Flinte nicht gleich ins Korn zu werfen, Rander. Der Mann der Bank merkte sich die Wagennum mer, Die identifizierten wir inzwischen. Der Wagen des Schecküberreichers ge hört einem gewissen Jeff Cardy. Geht Ihnen jetzt ein Licht auf?" „Donnerwetter, das ist doch einer von Hostans Leuten, nicht wahr?" „Stimmt genau. Diesem Cardy wollen wir jetzt mal auf die Finger klopfen." „Falls er noch unter der Registrier adresse zu finden ist." „Darauf lasse ich es ankommen. Wol len Sie mitkommen, Rander?" „Klar, ich fahre sofort los. Wo treffen wir uns?" „In Cicero, Rander. Hier ist die ge naue Adresse: Laramie-Street, 1326. Laut Registrierkarte muß Cardy dort wohnen." Mike Rander ließ den Hörer in die Gabel fallen, holte seinen 38er aus der Schreibtischlade und verließ sofort wieder die Wohnung. Es war für ihn eine Selbstverständlichkeit, an Currents Seite gegen diesen Gangster anzugehen. Obwohl er sich sehr beeilte, traf er erst nach Leutnant Current in der La ramie-Street ein. Auf den ersten Blick sah er, was pas siert war. Hinter Currents zivil aussehendem Wagen standen zwei Autos der Mord kommission. Das besagte eigentlich genug. Der uniformierte Beamte neben der Haustür wollte ihn zuerst nicht hereinlassen. Als er Randers Namen hörte, gab er allerdings den Weg frei. „Wo ist es passiert?" erkundigte sich Rander. „Unter dem Dach, Sir", antwortete der Beamte.
„Hat's 'ne Schießerei gegeben?" „Nee, der war schon weg, als Current kam, Sir." Der Beamte nickte nur. „Momentchen mal, Cardy wurde ermordet?" Im Treppenhaus roch es nach feuch ter Tapete, nach Moder und nach Toi lette. Mike Rander beeilte sich, nach oben zu kommen. Vor dem letzten Treppen absatz gings kaum weiter. Bildberichter und Pressereporter belagerten den Zugang zu der Mansardenwohnung, in der Jeff Cardy tot aufgefunden worden war. Nur mühsam boxte Mike Rander sich einen Weg durch die nachrichtenhungrige Meute. Current kam ihm entgegen. „Zu spät", sagte er bedauernd, „als, mein Assistent und ich ankamen, war er bereits tot Erschossen ...! Zwei Treffer in der Brust warfen ihn sofort um." „Und die 8000 Dollar dürften ver schwunden sein, wie?" „Natürlich, in Cardys Tasche fanden wir noch Silbergeld, alles andere nahm der Mörder an sich." „Ob Hostans das getan hat?" gab der Anwalt zu überlegen. „Vorerst nicht zu beweisen, Rander. Im Moment ist das auch nicht so wichtig. Für mich steht es jetzt fest, daß Joel Harrison von ganz ausgekochten Gangstern festgehalten wird. Beide Schecks trugen seine Unterschrift." „Warum mag der Boß der Gang Car dy umgebracht haben? Ob er alle Brükken hinter sich abbrechen will?" „Dann sehe ich schwarz für Joel Harrison. Dann wird er nicht mehr lange leben." „Eine Gegenfrage, Current. Muß er überhaupt noch leben?" Current sah den Anwalt überrascht an.
„Na hören Sie mal", sagte er dann, „vergessen Sie nicht die Schecks mit seiner Unterschrift." „Na und ...? Die kann Harrison lan ge vor seiner Ermordung am laufenden Band ausgestellt haben." Jetzt verstand Current Er nickte langsam. „Für Joel Harrisons Leben gebe ich keinen Pfifferling mehr", meinte er dann müde...! Noch lebte Joel Harrison. Er hatte unerträgliche Kopfschmerzen, lag auf dem einfachen Bett und stierte zur Decke hoch. Seit Stunden hatte er nachts mehr ge trunken. Der Alkoholspiegel in seinem Blut sank zusehends. Die Nebel in sei nem Gehirn lichteten sich etwas. Damit stellten sich die Schmerzen im Kopf ein, gleichzeitig aber war Harrison endlich mal in der Lage, eigene Gedanken zu fassen. Nachträglich ärgerte er sich darüber, das Scheckheft verdorben zu haben. An Einzelheiten konnte er sich jedoch nicht erinnern. Wie es dazu gekommen war, wußte er einfach nicht. Trocken war sein Mund, rissig die Lippen. Seine Gedanken, Wünsche und Vorstellungen kreisten um den heiß er sehnten Whisky, den Downers ihm mit bringen wollte. Er ließ lange auf sich warten. Unten im Haus war das Klappen einer Tür zu hören. Hoffnungsvoll richtete er sich auf. Damit verstärkten sich die Schmerzen in seinem Kopf. Er hielt sich die Schlä fen, ließ sich schnell wieder zurücksinken und schloß die brennenden Augen. Nur sein Gehör funktionierte ohne Schwierigkeiten. Er wartete auf das Knarren der hölzernen Treppenstufen. Gleich mußte Chris Downers das Zim 45
„Ich werde Chris sagen, daß du schon mer betreten und die Flasche Whisky wieder das Zimmer verlassen hast." auf den Nachttisch stellen. „Ich brauch' ja nur 'nen winzig kleiDoch Downers erschien nicht. Im Haus wurde es wieder stall. Da verlor Har- nen Schluck, Helen. Irgendwo muß doch rison die Geduld. Seine Gier nach Whis- was sein ...!" ky war zu groß, um still auf dem Bett „Du gehst mir auf die Nerven ...! liegen zu bleiben. Warte, ich hol' dir ein Glas." Mühsam stand er auf. Er schwankte, Harrison war so schwach, daß er sich als er neben dem Bett stand. Der Mann setzen mußte. Kurz danach kam sie mit mußte sich am Bettpfosten festhalten, einem gefüllten Glas zu ihm. so schwach waren seine Beine. Ihr Benehmen ihm gegenüber hatte Die Gier nach der Flasche trieb ihn sich schlagartig verändert. Sie lächelte. Die scharfen Linien um ihren Mund voran. waren verschwunden. Ich brauche nur die Treppe 'runter„Ich weiß", sagte sie, „daß Chris dich zugehen, sagte er sich, unten ist Whis schlecht behandelt." ky, ich weiß es ganz genau. Sie haben Er nickte, setzte das Glas wie ein mich hier oben glatt vergessen, diese Schweine. Sie saufen das Zeug selbst Verdurstender an die Lippen. Es dau erte nur Sekunden, bis das Glas leer aus und lassen mich glatt verkommen. war. Ihm wurde überhaupt nicht bewußt, „Hier, ich habe noch einen Schluck", daß er die Tür erreichte, es schaffte, an meinte sie. Freigiebig goß sie Harrison die Treppe zu kommen. Sich am Gelän der festhaltend, stieg er Stufe für Stufe noch mal ein. Sie lehnte sich gegen die mühsam nach unten. Er glich einem al- Wand des engen Treppenhauses und lächelte Joel Harrison an. ten, restlos verbrauchten Mann. Keu „Warum bleibst du eigentlich bei chend ging sein Atem. Unterwegs mußte er wiederholt stehenbleiben, wenn Chris?" fragte sie. „Wo soll ich denn hin?" gab er zu das Gleichgewichtsgefühl zu stark aus rück. Seine Zunge verlor langsam die der Reihe tanzte. Schwere, der Schnaps breitete sich beNoch stand er auf der Treppe. reits in seinem Blut aus. „Ich will nicht Da öffnete sich die Tür zur Küche. entmündigt werden." Helen Napers, die üppige Blondine, „Das schaffst du auch ohne Chris." trat ins Treppenhaus, sah mit einem „Wie denn ...?" fragte er und reichte Blick, daß Harrison das Zimmer ver ihr das leere Glas. lassen hatte. „Hast du schon mal daran gedacht, „Bist du wahnsinnig?" herrschte sie ihn an, „los, zurück in dein Zimmer, Joel, daß wir beide auch allein durch kommen können?" Joel. Willst du erwischt werden?" „Du mit mir, Helen?" „Whisky ...!" murmelte Harrison bit tend. Erstaunt sah er sie an. Auf diesen Ge„Chris ist noch nicht zurück", erwi- danken war er noch nicht gekommen. derte sie scharf. „Verschwind endlich, „Warum eigentlich nicht?" bohrte sie oder willst du zurück in die Privatkli- vorsichtig weiter. „Hauptsache, wir kön nik?" nen uns über Wasser halten." „Da hab' ich wenigstens regelmäßig „Würdest du das tun?" was bekommen." Eigensinnig blieb er „Natürlich ...! Merkst du denn nicht, stehen. daß Downers dich ausnimmt?" 46
„Ich ... ich weiß nicht...!" „Ich weiß es, das genügt. Wir beide würden uns viel besser verstehen. Wir könnten zu meiner Tante fahren. Sie wohnt irgendwo bei Flint. Da findet dich kein Mensch, dort hast du deine Ruhe, brauchst dich nicht herumstoßen zu las sen. Hauptsache, wir können es uns lei sten und brauchen vor deiner Frau kei nen Kniefall zu tun." „Ich habe Geld, viel Geld." „Stimmt, aber du wirst im Moment nicht an einen einzigen Cent kommen können." „Das Scheckbuch, ich weiß ...!" „Chris ist unterwegs, um ein neues zu holen." „Er wird uns doch nie weggehen lassen, Helen." Nachdem Harrison seine Dosis getrunken hatte, redete er fließend. Fast zu schnell. Das Heroin im Schnaps tat seine Wirkung. Schmerzen im Schädel hatte er nicht mehr. Er fühlte sich leicht und frei wie ein Vogel in der Luft. „Sollen wir's riskieren?" fragte sie und lächelte aufmunternd. „Wir müssen aber erst warten, bis Chris mit dem Scheckbuch da ist." „Brauchen wir nicht, Helen." i,Und das Geld?" „Ich habe da noch ein Sonderkonto, von dem er nichts weiß. Fällt mir jetzt ein." „Ein Sonderkonto ...?" staunte sie. „180 000 Dollar", sagte er stolz. „Kannst du an das Geld?" wollte sie wissen. Ihre Augen glänzten gierig. „Natürlich...!" „Komm' jetzt", sagte sie und half ihm hoch, „mein Wagen steht hinter dem Haus. Wir wollen sofort losfahren." Schwerfällig stolperte er die restlichen Stufen hinunter, ließ sich wie ein kleines Kind durch die Küche führen. Sie drückte die Außentür auf. Im Hof war der Wagen zu erkennen.
Hier draußen war es recht dunkel. Harrison stolperte, als er eine Stufe übersah. Helen Napers war nicht in der Lage, ihn zu halten. Sie beugte sich über den Mann, der stöhnend auf dem harten Lehmboden lag. Sie wollte noch etwas sagen, doch in diesem Moment spürte sie einen Luftzug am Kopf, dann explodierte eine Sprengladung hinter ihren Augen. Sie sah grelle Blitze, spürte aber schon nichts mehr. Schwer fiel sie über Harri son, der überhaupt nicht begriff, daß Helen Napers erschlagen worden war.. .! Als Mike Rander nach Hause kam, wollte Josuah Parker mit aller gebührenden Diskretion seinem Herrn beibringen, daß er eine wichtige Entdekkung gemacht habe. Schon nach den ersten Worten winkte Rander ab. „Ihre Nachricht kommt zu spät, Parker", meinte er, „Cardy ist erschossen worden. Er wird uns nicht mehr helfen können." „Vielleicht doch, Sir, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf. Cardy arbeitete vor seiner Anstellung bei Hostans als Fahrer in der Privatklinik des Doktor Givons." „Das ist mir allerdings neu, Parker." Mike Rander rieb sich das Kinn. Diese Nachricht überraschte ihn. „In der Klinik, Sir, in der Mr. Harri son vom Alkohol entwöhnt wurde." „Haben Sie sich Doc Givons genau angesehen?" „Ich war so frei, Sir." „Er und seine Sekretärin Miß Bessers sind nicht sonderlich erbaut darüber, daß ich Fragen stellte." „Liegt ein konkreter Verdacht gegen sie vor?" „Nein, Sir, um der Wahrheit die Ehre 47
zu geben. Ich unterhielt mich darüber hinaus noch mit einem Mr. Steffens. Er ißt Pfleger in der Klinik und betreute seinerzeit Mr. Harrison." „Geht dieser Mann in Ordnung?" „Er machte einen recht guten Eindruck auf mich, Sir. Er kann sich noch genau an Cardy erinnern." „Warum mußte Cardy gehen?" „Jeff Cardy wurde dabei et tappt, so drückte dieser Steffens sich aus, Sir, als er Alkoholika und Bauchwaren in die Klinik und in die Zimmer einiger Pa tienten schmuggelte. Daraufhin entließ ihn Doktor Givons." „Trafen Cardy und Harrison je zusammen?" „Nein, Sir, Cardy wurde weit vor Mr. Harrisons Einlieferung in die Klinik entlassen." „Was konnten Sie denn sonst noch ausgraben, Parker? Cardy wird uns nicht mehr weiterhelfen können." „Weiß man, Sir, wer Cardy ermorde te? Legen Sie meine Frage bitte nicht als Anmaßung oder Unbescheidenheit aus." „Zum Teufel, Sie wissen genau, daß ich das nicht tue, Parker. Tja, wer ist der Mörder Cardys? Das ist die Preisfrage ...! Er kassierte vor seiner Er mordung noch zwei Schecks ab, die Harrison ausgestellt hatte. Cardy gehörte demnach einwandfrei zu den Gangstern, die Harrison festhalten und ausnehmen. Daran gibt's nichts mehr zu zweifeln." „Als seine Mörder' kämen demnach entweder Hostans oder der Boß der Gang in Betracht, Sir. Falls beide Per sonen nicht miteinander identisch sind." „Eben, soweit sind Current und ich auch schon gekommen. Hören Sie, Parker, daß Cardy mal in Givons Klinik arbeitete, ist recht aufschlußreich. Ob die Klinik nicht doch der Ausgangs punktist?" 48
„Sir, zur Zeit sehe ich keine Möglichkeit, das zu beweisen", entgegnete Josuah Parker. Er sprach sichtlich schnell, was sonst nicht seine Art war. Wollte er etwas vertuschen? Mike Rander wur de das Gefühl nicht los, daß er dicht vor der Lösung des Falles stand, daß Parker bereits mehr wußte als er. „Sagen Sie, Parker", schloß Rander die Unterhaltung. „Sie verschweigen mir doch nichts, oder?" „Sir", kam die treuherzige Antwort Parkers, „ich weiß nicht mehr als Sie, was Sie mir bitte nicht als Unbescheidenheit auslegen sollten." „Was planen Sie für morgen, Parker?" „Ich werde mir noch etwas die Beine vertreten", meinte Parker, „falls Sie mich nicht brauchen, Sir, würde ich gern sofort gehen." „Wollen Sie wieder mal auf eigene Faust einen Fall lösen?" „Ich bedanke mich für Ihre Erlaubnis und für das gezeigte Entgegenkom men", sagte Parker, ohne Randers Fra ge zu beantworten. Dann verließ er auf leisen Sohlen das Arbeitszimmer und traf Vorbereitungen für seinen nächtlichen Ausflug. ..! Butler Parker war bereits seit einer Stunde gegangen, als Anwalt Rander angerufen wurde. Leutnant Current war in der Leitung. Seine Stimme klang scharf und kalt wie immer. „Ist was passiert?" fragte Anwalt Rander und dachte im gleichen Moment voller Sorge an seinen Butler. Er wußte ja aus Erfahrung, wie riskant der Butler arbeitete. „Keine Sorge, was mit Ihrem Parker los ist, weiß ich nicht. Dafür stöberten wir das Versteck von Harrison auf, Rander. Ja, ich hole Sie an der Woh nung ab. Nein, nein, Zeit verlieren wir nicht, denn Harrison ist längst weg. Nur
eine Frauenleiche blieb zurück. leere Flaschen. Bis gleich ...!"
Und
Mike Rander warf sich nur einen leichten Mantel über und verließ die Wohnung. Leider hatte Current sich nicht deutlich genug ausgedrückt. Welche Frau mochte da ermordet worden sein? Unwillkürlich dachte er an Gay Harrison. Ob ihr etwas passiert war? , Schon nach wenigen Minuten näherte sich ein Wagen in schneller Fahrt dem Haus. Current hielt nur kurz an, noch im Ausrollen des Wagens stieg Mike Rander zu ihm und sah den Detektiv leutnant fragend an. „Wir wurden von Nachbarn alarmiert", rückte Current sofort mit der Sprache heraus, „der Tatort liegt in der Nähe der Union Stock-Yards." „Wissen Sie schon, was passiert ist?" „Nur vom Hörensagen. Das zuständige Revier leitete die Meldung an mich weiter. Ein Wagen kollidierte mit einem Torpfosten, das gab einen ziemlichen Krach. Die Polizei wurde verständigt, fuhr 'raus und fand auf dem Hof eine tote Frau. Als sie das Haus durchsuch ten, stießen sie auf leere Whiskyflaschen und fanden in einem Dachzimmer ein Scheckheft, das von einem Kind, vollge schmiert worden zu sein schien." „Dieses Kind heißt Joel Harrison, wie?" „Genau ...! Gut, daß ich die zuständigen Kollegen der Reviere unter der Hand verständigte. So wußten sie wenigstens etwas mit dem Namen Harrison anzufangen." „Na, ich lasse mich überraschen" meinte Rander. „Sieht so aus, als müß te Harrison noch leben." „Richtig, sonst hätte der Mörder der Frau ihn gleich mit umgebracht. Bleibt natürlich alles Spekulation, Rander. Was wirklich vorgefallen ist, könnte uns nur der Mörder sagen." Leutnant Current fuhr scharf und
schnell. Da die Straßen um diese Zeit recht leer waren, konnte er auf das Tempo drücken. Immerhin brauchten sie mehr als eine halbe Stunde, bis sie das Gebiet der riesigen Schlachthöfe erreichten Vor einem windschiefen, verlotterten Holzhaus parkten zwei Streifenwagen der Polizei, ein Krankenwagen und der Spezialwagen der zuständigen Mord kommission. Current und Mike Rander sahen sich zuerst die ermordete Frau an. Sie war bereits vermessen, fotografiert und er kennungsdienstlich behandelt worden, wie es in der Fachsprache so kalt heißt. „Tut mir leid, mit diesem Gesicht weiß ich nichts anzufangen", erklärte Mike Rander nach einem kurzen Blick auf die Tote. „Noch nie gesehen." „Mir geht's auch so ...!" stellte Leutnant Current fest. Er wandte sich an einen Detektivsergeanten. „Von mir aus könnt ihr sie wegschaffen lassen. Wo befindet sich das Scheckheft?" Nun, es lag auf einem Tisch. Die Be amten hatten es aus dem Dachzimmer nach unten geholt. „Tatsächlich, das ist Harrisons Unterschrift", meinte Rander, nachdem er sich die vollgekritzelten Schecks ansah. „Entweder versuchte er. sich in Unter schriften oder er war nicht ganz rich tig im Kopf, als er die Vordrucke aus füllen wollte." „Gehen wir nach oben, mal die vielen leeren schlug Curent vor, „ein Harrison noch nicht an tung gestorben ist."
sehen Sie sich Flaschen an", Wunder, daß Alkoholvergif
In der Dachkammer stellten Spurensicherer die Fingerabdrücke fest. Die leeren Flaschen boten sich dazu förm lich an. Mike Rander, der sich eine Zi garette angezündet hatte, blieb an der Tür stehen. Er dachte an Joel Harrison, aber auch 49
an Josuah Parker. Ob sein Butler bereits auf der richtigen Spur war? Ob er von diesem Holzhaus wußte, in dem Joel Harrison festgehalten worden war? Current wurde abgerufen. Unten im Treppenhaus unterhielt er sich mit einem Zivilbeamten, der einen Gegenstand aus seinem Taschentuch wickelte. Current starrte auf dieses Beweisstück. Langsam drehte er sich um, rief Rander an. „Kommen Sie 'runter", bat er mit lauter Stimme. „Das hier wird Sie bestimmt interessieren." „Haben Sie was gefunden?" Mike Rander stieg nach unten. Cur rent öffnete die Hand und grinste dünn. „Was sagen Sie dazu?" fragte er. „Betrachten Sie sich mal den Schlüsselanhänger."' Mike Rander legte den Kopf schief, um besser buchstabieren zu können. „Verdammt", erwiderte er langsam und nahm den Kopf wieder gerade, „die Gravur auf dem Schlüsselschildchen lautet auf die Firma Harrison. Joel wird ihn verloren haben." „Nicht Joel... Sehen Sie genauer hin. Rander." Der Anwalt las noch mal, stutzte. Dann verfinsterte sich sein Gesicht. „Mrs. Harrison", wiederholte er die Gravur auf dem schmalen Schlüssel schildchen. „Na, jetzt möchte ich nicht in der Haut von Gay Harrison stek ken!" „Kommen Sie mit, Rander?" „Selbstverständlich. Sie wollen Sie unter Mordverdacht verhaften, wie?" „Zumindest habe ich ihr einige ver dammt unangenehme Fragen zu stellen, Rander...!" Chris Downers, der Mann, der Joel 50
Harrison festgehalten und unter Alko hol gesetzt hatte, saß in einer Kneipe und prüfte die allgemeine Lage. Noch nachträglich wurde ihm heiß unter der Jacke. Um ein Haar wäre er der Polizei genau in die Arme gelaufen, als er zurück ins Holzhaus wollte. Inzwischen wußte er mehr. Was sich zugetragen hatte, war bis zu den neugierigen Menschen, also auch bis zu ihm, durchgesickert. Im Hof des Holzhauses hatte die Polizei eine weibliche Leiche gefunden. Er hatte sie nicht sehen können, konnte sich aber vorstellen, daß Helen Napers die Tote war. Nun grübelte er darüber nach, was wohl passiert sein mochte. Kann sein, sagte er sich, daß Harrison durchdrehte und sie umbrachte. Aber besitzt er überhaupt noch die Energie, solch eine Tat zu begehen? Kaum möglich...! Wenn Joel Harrison es aber nicht war, wer kommt dann als Mörder in Betracht? Blieb nur der Boß, für den er seit langer Zeit arbeitete. Der Boß mochte sich eingeschaltet haben. Hatte er Joel Harrison gleich mitgenommen? Warum mag er das getan haben? Chris Downers kannte den Boß. Noch wußte er nicht genau, ob er ihn anrufen sollte. Downers war vorsichtig und gerissen. Er hatte nicht die gering ste Lust, seiner Freundin Helen in den Tod zu folgen. Nach einem weiteren Whisky kam er zu einem Entschluß. Ich werde zum Boß hinausfahren, überlegte er, aber ich pfeife ihm was und melde mich nicht vorher telefonisch an. Überraschend tauche ich bei ihm auf und rede mal deutlich mit ihm. Wenn er mich 'reinlegen will, muß er verdammt schnell sein. Und ab sofort wird er auch mehr Geld spucken müssen, sonst lege ich ihm mal gründlich die Daumenschrauben an.
Downers zahlte, verließ die Bar und setzte sich in seinen Wagen. Vielleicht war es sein Fehler, daß er die Lage zu harmlos beurteilte und sich für zu clever hielt...!. Josuah Parker schritt durch die Dun kelheit. Sein Ziel war die hohe Mauer der Privatklinik des Doktor Givons. Ihr wollte er einen überraschenden und heimlichen Besuch abstatten. Bestimmte Verdachtsmomente warteten auf die Klärung. Dieser Besuch sollte dazu dienen. Als er die Mauer erreicht hatte, entfaltete Parker eine äußerst zielstrebige Tätigkeit. Zuerst einmal beschäftigte er sich mit seinem Universal-Regenschirm. Er schraubte den Schirmgriff aus dem Gewinde und löste ihn vom Stock. Heraus rollte eine dünne, aber ungemein starke Nylonschnur, die am Griff befestigt war. Mit einer geschickten Wurfbewegung schickte er diesen jetzt lockeren Griff auf die Reise. Elegant segelte er durch die Luft und legte sich als eine Art Mauerhaken über die Krone der Steinmauer. Alles weitere war eine reine Spielerei. Die Nylonschnur als Kletterseil benutzend, enterte der Butler die Mauer. Es verstand sich am Rande, daß er selbst während dieser Kletterpartie nichts von seiner Steifheit und angemessenen Würde verlor. Es war über haupt ein Wunder, wie schnell und geschickt er dennoch die Mauer erstieg. Eine Kraftanstrengung sah man dem Butler nicht an. Dieses Spiel wiederholte sich auf der anderen Seite noch mal. Nach der Lan dung auf dem Rasen verstaute Parker sein Kletterseil, wieder im Schirmstock, schraubte den Griff auf und lustwan delte durch den weiträumigen, stillen
Park. Erleuchtete Fenster schimmerten durch das Gesträuch. Alles hier machte einen friedlichen und unverdächtigen Eindruck. Josuah Parker schlug einen weiten Bogen. Er wollte sich die beiden Seitentrakte ansehen. Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Er hatte ein feines, scharrendes Geräusch gehört. Ganz automatisch fiel seine Hand in eine der Innentaschen seines schwarzen Covercoats. Sekunden danach baute sich vor ihm ein dunkler Schatten auf. Gereiztes Knurren deutete an, daß es sich um eine schwere und große Dogge han delte. Das Tier nahm Maß. Josuah Parker ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Wenn er den Kriegspfad beschritt, war er für jeden Zwischenfall gewappnet. Auch jetzt und hier. Bevor das schwere und gereizte Tier ihn anspringen konnte, drückte der But ler auf den Knopf der mitgebrachten Sprühdose. Mit feinem Zischen trieb das Druckgas eine übelriechende Flüssig keit aus der Düse. Die Dogge nieste, hustete und kratzte sich mit der Pfote die Nase. Parker versprühte eine zweite Dosis. Die aber reichte vollkommen aus, um das Tier außer Gefecht zu setzen. Die Dogge setzte sich, wischte sich die Augen, hustete und kratzte sich leicht verlegen. Sie vergaß zu knurren, als Parker weiter ging, als habe sich nichts ereignet. Wehmütig sah die Dogge ihm nach. Anderweitig beschäftigt, vergaß sie, den Eindringling nach Art der Sippe zu behandeln. Der Butler erreichte den rechten Seitentrakt. Vor einer Gartentür blieb er einen 51
Moment stehen. Erfreulicherweise war die Tür unverschlossen, er brauchte also nur einzutreten. Im letzten Moment konnte er sich an die dunkle Hauswand flüchten. Schritte näherten sich schnell und energisch. Weiße Kittel schälten sich aus der Dunkelheit. Er hörte Stimmen, die wohl bewußt gedämpft klangen. Parker kannte diese Stimmen. Sie gehörten Doktor Givons und sei ner Sektretärin Margy Bessers. Ein er freulicher Zufall, daß diese beiden Per sonen ausgerechnet jetzt erschienen. „Wir haben uns nichts vorzuwerfen" sagte Doktor Givons gerade. „Was getan werden mußte, geschah." „Ich weiß, Paul", erwiderte die Sekre tärin. „Aber du weißt doch, wie schnell man einem Menschen einen Strick dre hen kann. An deiner Stelle wäre ich vorsichtig." Sie verschwanden im Haus. Josuah Parker wartete einen Moment und schlüpfte dann auch ins Haus. Unhörbar waren seine Schritte. Wie ein schwarzes Gespenst schwebte er durch den langen Korridor, auf dem nur zwei Notlichter brannten. Er sah gerade noch, wie Givons und Miß Bessers ein Zimmer betraten und die Tür hinter sich verschlossen ...! Downers erreichte den Oakbrook York Polo Club. Hier in der Nähe wohnte der Mann, der sein Boß war, dem er jetzt allerdings die Pistole auf die Brust setzen wollte. Bevor er losging, untersuchte er sei nen 38er. Er war fest entschlossen sofort zu schießen, falls der Boß ihn überlisten wollte. Weit hatte Downers nicht zu gehen. 52
Rechts von ihm befand sich der hohe lange Zaun des Clubgeländes, hinter dem dichte Hecken und Büsche standen. An einem freien Platz vor dem Club gebäude schlossen sich kleine Holzhäu ser an. Hier sah alles wie eine gepflegte Parklandschaft aus. Downers kannte seinen Weg. Nach wenigen Minuten, bog er in eine stille Seitenstraße ein. Zu beiden Seiten dieser Straße standen abgestellte und parkende Wagen. Nur wenige Fenster zeigten um diese Zeit noch Licht. Da war auch schon das Haus. Im Erdgeschoß brannte Licht. Vor der Garage stand ein Buick. Downers stieg über die niedrige Hek ke, pirschte sich an das Haus heran und versuchte durch das Fenster zu sehen. Dichte Vorhänge nahmen jede Sicht. Er klopfte vorsichtig gegen die Fensterscheibe. Er hörte Schritte, vernahm das Knarren von Dielenbrettern. Der dichte Vor hang wurde zur Seite geschoben. Dow ners brachte sein Gesicht nähe an die Scheibe heran, damit der Boß ihn er kennen konnte. Der Mann hinter der Scheibe lächelte, nickte. Dann fiel der Vorhang wieder herunter. Jetzt bediente sich Downers eines raffinierten Tricks. Während der Boß zur Tür ging, also auch seine Vorbereitungen treffen konnte, rannte Downers um das Haus herum und ... fand ein halb geöffnetes Fenster. Das paßte ihm ausgezeichnet in den Kram. Schnell stieg er ein. Er befand sich bereits im Wohnraum, als der Boß von der Tür zurückkam. „Was soll das alles?" fragte der Mann. „Vorsicht ist die Mutter der Porzel-
lankiste", gab Downers zurück. „Ich habe keine Lust, wie Helen zu enden." „Wie Helen ...? Was ist mit ihr?" „Stell' dich doch nicht so an ...! Du weißt genau, daß sie tot ist." „Sie ist...?" „... von dir umgebracht worden" sagte Downers nachdrücklich. „Mich kannst du nicht hinters Licht führen. Ich weiß auch, daß du Harrison abge schleppt hast. Aber so lasse ich mich nicht abspeisen, mein Junge." „Du bist verrückt...!" „Vielleicht, aber dabei fühle ich mich verdammt wohl. Versuche nicht mich 'reinzulegen." „Unsinn .. Du solltest mir genau erzählen, was mit Helen und Harrison los ist. Ich falle aus allen Wolken." Mißtrauisch sah Downers seinen Chef an, wunderte sich wieder einmal, wie harmlos und gerissen dieser Mann wirkte. Ihm traute man gewiß nichts Schlimmes zu. „Na schön", meinte Downers, „vielleicht weißt du wirklich von nichts. Momentchen, erst brauche ich einen Schluck." , „Hinter dir stehen die Flaschen", sagte der Boß. Downers trat einen Schritt zurück. Ohne seinen Chef aus den Augen zu lassen, füllte er sich ein Glas. Den gezogenen 38er ließ er dabei nicht sinken. Hastig nahm Downers einen Schluck. Seine anfängliche Furcht vor dem Boß legte sich. Bis er plötzlich schwankte und ihm der Schweiß ausbrach. Er merkte gar nicht, daß sich der 38er senkte. Schwer rutschte Downers in einen Sessel. Er keuchte, Sehstörungen stellten sich ein. Der Boß trat vor Downers, nahm ihm
die Waffe aus der Hand. „Du Idiot ...!" grinste er dann hämisch, „ich wußte, daß du früher oder später kommen würdest. Deshalb prä parierte ich jede Flasche. Ich kenne doch deinen Durst. Du bist prompt auf die sen Trick hereingefallen. In ein paar Minuten lebst du nicht mehr, Downers. Damit ist der letzte Mitwisser ausgeschaltet. Und was Harrison angeht, nun, den werde ich noch mal gründlich ausnehmen und dann ebenfalls verschwin den lassen. Dann hab ich's geschafft und kann mich zur Ruhe setzen." Downers Gesichtszüge wurden schlaff. Sein Kopf fiel zurück, er sackte in sich zusammen. Der Boß lächelte sanft und sah auf Downers herunter. Seine Rechnung ging Stück für Stück auf...!
„So, gleich wissen wir mehr", sagte Current. Mike Rander nickte. Sie stiegen aus dem Wagen, gingen durch den gepflegten Vorgarten und läuteten an der Tür. Es dauerte einige Zeit, bis das Haus mädchen erschien. „Wir müssen Mrs. Harrison sprechen", sagte Current. „Mrs. Harrison ist weggefahren", ant wortete das Mädchen, „kann ich etwas ausrichten?" „Wissen Sie, wohin Mrs. Harrison fuhr?" „Sie wurde von Mr. Glidden abge holt, Sir." „Was ist denn los?" mischte sich eine andere Stimme in die Unterhaltung. Ein junger Schlaks von einem Mann mit arroganten Gesichtszügen erschien in der Tür. Harrison, wie er sich vorstellte. „Sie suchen meine verehrte Stiefmutter? Da haben Sie Pech. Sie ließ sich von Ihrem Chefbuchhalter abholen, 53
verstehen Sie? Ich wette, sie machen wieder Überstunden." „Kommt das häufig vor?" „He, was geht Sie das an?" fragte Randy Harrison überheblich. „Ich bin Leutnant Current von der Zentralen Mordkommission!" „Aha, ist passiert?"
meiner
Stiefmutter
was
Rander zuckte es in der Hand, kurz und knapp zuzuschlagen. Der junge Mann benahm sich einfach unmöglich. Current hielt sich zurück. „Sie wissen also nicht genau, wohin Mrs. Harrison fuhr?" „Sehen Sie doch mal in Gliddens Wohnung nach", kam die gemeine und anspielende Antwort. Current und Rander ließen sich die Adresse geben. Als sie zurück zum Wagen eilten, meinte Current: „Diesem Bengel möchte ich mal die Flötentöne beibringen, Rander. Was glauben Sie, werden wir Mrs. Harrison bei Glidden finden?" „Ich lege mich nicht fest. Meiner Schätzung nach nicht...!" Rander behielt recht. Sie klingelten an Gliddens Wohnung, die sich ganz in der Nähe befand. Doch Glidden war nicht zu Hause. Wohin mochte er mit seiner Chefin Mrs. Harrison gefahren sein? „Die Sache kommt mir sehr unheim lich vor, Mrs. Harrison", sagte Clark Glidden. Er blieb in der Diele des Hauses stehen, sah sich nach allen Seiten um. „Sind Sie sicher, Clark, daß das hier die richtige Adresse ist?" fragte Mrs. Harrison. „Natürlich, ein Irrtum ist ausgeschlos 54
sen. Hierher sollten wir kommen und Harrison finden." „Ich schlage vor, wir durchsuchen mal die Zimmer", antwortete Gay Harrison energisch. „Ich werde das Gefühl nicht los, daß wir in einer Falle sitzen." „Wir werden eben vorsichtig sein müssen, Clark. Kommen Sie, wir wollen es schnell hinter uns bringen." Sie fuhren, beide herum, als hinter ihnen eine Tür ins Schloß fiel. Ein Mann stand vor ihnen. In der Hand hielt er einen schweren Revolver. „Auch meine Meinung, wir wollen es schnell hinter uns bringen", sagte er sanft und höflich. „Schön, daß Sie ge kommen sind, Mrs. Harrison." „Wer sind Sie ...? Was soll das? Mo ment mal, ich glaube, Ihr Gesicht habe ich schon mal gesehen. Sind Sie nicht...?" „Wer ich bin, ist jetzt gleichgültig", unterbrach der Boß der Gang sie. „Sie sitzen tatsächlich in einer Falle." „Ist mein Mann hier im Hause?" frag te Gay Harrison mit erstaunlich ruhiger Stimme. „Natürlich. Und Sie, Mrs. Harrison, werden ihn umbringen! Ihr Begleiter wird Ihnen dabei helfen. Vor Gericht wird sich das später sehr nett machen. Die Firmenchefin ermordet zusammen mit Ihrem Freund und Chefbuchhalter den eigentlichen Besitzer des Geschäfts. Die unlauteren Motive drängen sich förmlich auf, zumal Ihre Stiefkinder, Mrs. Harrbon, doch nur darauf warten, Ihnen ein Bein zu stellen." „Wer hat das alles ausgeheckt? Etwa Randy Harrison?" „Trauen Sie ihm so etwas zu?" fragte der Boß lächelnd. „Natürlich ...! Er scheint überhaupt hinter diesem Komplett gegen meinen
Mann zu stecken."
war hart.
„Vielleicht stimmt's, aber das kann Sie jetzt nicht mehr interessieren. Wir wollen es möglichst schnell hinter uns bringen, wie Sie sagten, Mrs. Harrison."
Sie glaubten nämlich, einen Süchtigen vor sich zu haben. Mit geübten Griffen wollten sie den Butler einfangen. Sie kannten Griffe, die den stärksten Mann aufs Kreuz legten. Parker bluffte gekonnt.
Glidden hatte bisher nichts gesagt. Jetzt spannte er seine Muskeln. Er dachte nicht daran, sich in diese Falle bringen zu lassen. „Wallen Sie was?" redete der Boß ihn da an. Augenblicklich fiel dieser so kühn aussehende Mann in sich zusammen. Er schüttelte schnell den Kopf. Er wollte etwas sagen, doch es schnürte ihm die Kehle zu. Nur ein Krächzen war zu hören. Gay Harrison sah ihn verächtlich an. „Gehen wir also hinauf", sagte der Boß. „Sie werden oben auf der Galerie stehenbleiben. Keine Sorge, falls ich Sie erschießen muß, weil Sie nicht spuren, werde ich eben Mr. Harrison belasten. Für mich ist das Jacke wie Hose." Mrs. Harrison und Glidden gingen langsam nach oben. Der teuflische Plan des Gangsterbosses näherte sich seinem Abschluß. Gay Harrison und Glidden saßen in der Falle ...! Butler trakt.
Parker
verließ
den
Seiten
Er hatte nicht das gefunden, wonach er suchte. Ganz unzufrieden war er allerdings nicht. Er kannte die nächste Adresse, die er besuchen mußte. Wie der Geist eines original-englischen Butlers marschierte er steif und gemessen durch den langen Korridor. Sein Pech, daß er beim Verlassen der Treppe von zwei Krankenpflegern entdeckt wurde, die draußen neben der Tür schnell eine Zigarette rauchten. Der Zusammenstoß mit diesen beiden Männern
Er lief nicht weg. Ruhig blieb er stehen und lüftete seine schwarze Melone. „Gestatten Sie, daß ich mich vorstel le", sagte er höflich. Dann aber don nerte die Melone schnell auf den Kopf des Pflegers, der bereits anlangen wollte. Da Parkers Melone mit starkem Stahlblech ausgefüttert war, war der Angreifer sofort groggy. Er verdrehte die Augen und fiel ge gen seinen Partner, der dadurch leicht aus der allgemeinen Angriffsrichtung kam. Bevor er sich wieder aufrappeln konnte, hatte Parker schon die bewußte Sprühdose in der Hand und ließ sie zischen. Der Pfleger hustete und wischte sich die Augen. Er rutschte gegen die Wand und sah sehr traurig aus. Butler Par ker wandte sich um und schritt ohne jede Hast zur Mauer. Erst als er sich auf der anderen Seite der Mauer her unterließ, hörte er die Stimmen der beiden Männer, die inzwischen wieder handlungsfähig wurden. Josuah Parker brauchte nicht weit zu gehen. Um den Weg abzukürzen, stieg er über einige niedrige Hecken, bis er ein ganz bestimmtes Haus erreichte. Prü fend legte er seine Hand auf die Motorhaube eines parkenden Wagens. Sie war noch heiß. Da wußte Parker, daß er zumindest Mrs. Harrison gefunden hatte. Er kann55
te schließlich das Kennzeichen ihres Cadillac ...! „Bleiben Sie dort an der Wand stehen", befahl der Gangsterboß. Er deu tete auf Joel Harrison, der schnarchend auf dem Bett lag und von nichts ahnte. Gay Harrison gehorchte nur sehr widerwillig, Glidden hingegen, der Mann mit dem athletisch gebauten Körper, war schnell. Er hatte Angst.. Der Gangster zog eine zweite Waffe aus der Tasche. Es handelte sich um eine 22er Pistole. Die Sicherung klickte. „In ein paar Minuten ist alles über standen", sagte er sanft „Sie werden sich dann in einer Zelle ausruhen können." Er hob die Pistole. Mrs. Harrison stöhnte auf. Sie wollte sich auf den Gangster stürzen, doch die Glieder versagten ihr den Dienst. Glidden schloß nur die Augen. Der Schuß dröhnte ...! Mrs. Harrison schrie auf, Glidden sackte halb ohnmächtig an der Wand herunter. Der Gangsterboß blieb stehen, sah verwundert auf seine Hand, die plötz lich ohne Waffe war. Dann fuhr er blitzschnell herum, sah vor sich eine schwarz gekleidete Gestalt, die einen rauchenden, altertümlichen Colt in der Hand hielt. „Ich bedaure es ungemein, so nach drücklich handeln zu müssen", sagte Josuah Parker. der wieder einmal zur richtigen Zeit eingetroffen war. „Ich schlage vor, Mr. Steffens, Sie werfen die andere Waffe auch noch weg!" „Sie verdammter Hund", fluchte der Angesprochene. Er schien aufgeben zu wollen. Doch das war nichts als ein Trick. Er warf sich plötzlich gegen Mrs. 56
Harrison, schleuderte sie in Richtung Parker und rannte zur Treppe. Glidden tat nichts, um ihn aufzuhalten. Aber Parker kam in Bewegung. Er ging nicht besonders schnell. Ja, oben an der Treppe blieb er sogar ste hen. Als Steffens, der Pfleger aus der Kli nik, über die Treppe hastete, die Diele erreichte, da hechtete Parker durch die Luft genau in das Genick des Verbre chers. Für Sekunden sah er dabei wie eine schwarze Fledermaus aus, ein Eindruck, der sich durch den flatternden schwar zen Covercoat noch zusätzlich ver stärkte. Steffens brach zusammen. Nach kurzer Gegenwehr steckte er auf. Gegen Josuah Parker war kein Kraut gewachsen. Trotz der handfesten Auseinanderset zung war Parkers Krawatte noch nicht mal verrutscht. „Ich schlage vor, Madam", redete er Mrs. Harrison an, „daß Sie jetzt die Polizei verständigen. Mr. Glidden könn te sich derweil in den Sessel setzen und erholen." Parker war derart mit sich zufrieden, daß er sich eine seiner schwarzen Zigarren anzündete und glatt vergaß, wie gefährlich diese Rauchschwaden waren. Es kam, wie es kommen mußte. Zuerst machte Glidden schlapp. Selbst die zähe Mrs. Gay Harrison war nicht mehr imstande, ans Telefon zu gehen. Da sah Parker sich gezwungen, den Anruf zu übernehmen. Mit wohlgesetzten Worten informierte er die Zentrale der Polizei und bat um dringenden Besuch von Leutnant Current und Anwalt Mike Rander. Steffens, den Gangsterboß, fesselte er
nicht. Parker begnügte sich damit, Rauch schwaden in Richtung des Gangsters zu blasen. Dadurch hielt er Steffens in Ohnmacht. Später schaffte es erst ein Polizeiarzt, den betäubten Gangster wieder zu sich zu bringen. Parker, der auf Cur rent und seinen Herrn wartete, stand vor dem Holzhaus und rauchte seine Zigarre. Ihm fiel tatsächlich nicht auf, daß einige schlafende Vögel in den Ästen und Zweigen jäh erwachten und Hals über Kopf flüchteten ...! Leutnant Current gab den Vertretern der Presse seinen Bericht. Er faßte sich kurz, da die Pressestelle der Zentralen Mordkommission noch einen zusätz lichen Artikel ausarbeitete. Mike Rander und sein Butler Parker hielten sich im Hintergrund, wie es so ihre Art war. Parker spielte mit einer Zigarre. Noch hatte er sie nicht angezündet. „Steffens, der Pfleger aus der Klinik des Doktor Givons, interessierte sich schon seit Jahren für Patienten, die süchtig waren und viel Geld hatten. Er kannte ja aus erster Hand, wie quälend solch eine Entziehungskur ist. Heimlich und gegen sehr viel Geld verschaffte er den Patienten Alkoholika oder Rausch gifte. Mit der Zeit baute er dieses System aus. Er legte sich einige Männer zu, die diese Patienten nach der Entlassung animierten, sich von ihren Geschäften und Familien abzusetzen. Steffens kannte da ein immer wirksames Argu ment, das seine Leute verwendeten. Er redete den betreffenden Opfern ein, sie sollten entmündigt werden. Sie können sich vorstellen, wie die armen Leute reagierten. Sie flüchteten sich geradezu in die Arme ihrer Henker. Joel Harrison nun war das bisher ge 58
winnträchtigste Opfer. Hier wollte Steffens ganz groß verdienen. Er verbrann te sich die Finger daran, wie Sie alle wissen. Zusammen mit seinen Mitarbeitern Downers, Cardy und Helen Napers schaffte er Joel Harrison in ein billiges Hotel, dessen Portier ebenfalls in seinem Dienst stand. Als die Nachforschungen nach Harrison zu gefährlich wurden, wollte Steffens seine Gang abbauen, zumal er Verrat fürchtete. Der Nachtportier, der nur Cardy kannte, mußte sterben, um erst mal diese Spur zu verwischen. Dann war ein kleiner Gauner namens Mossels an der Reihe, der im Auftrage Cardys den Nachtportier erstach. Mos sels wurde von Mr. Parker in Notwehr angeschossen. Mossels wird uns bald sa gen können, Wo sich sein eigentlicher Chef, Hostans, ein Schnapsschmuggler versteckt hält. Sie müssen verstehen, wie raffiniert Steffens war. Er lenkte den ersten Ver dacht stets über den Nachtportier auf Cardy, der ebenfalls für Hostans zu sätzlich arbeitete. Nichts als Tarnung, um etwaige Ermittlungen zu erschwe ren. Helen Napers, Downers Freundin, fiel dem Bandenboß zum Opfer. Steffens erschlug sie, als sie Joel Harrison weg schaffen wollte. Aus eigensüchtigen Mo tiven übrigens. Sie wollte Harrison allein anzapfen und ausnehmen. Downers bekam es mit der Angst zu tun. Er wollte einmal Steffens warnen, zum anderen sich mit Geld abfinden lassen. Steffens baute ihm eine Falle in Form einiger präparierter Whiskyflaschen. Den Polizeiärzten gelang es allerdings, ihn zu retten. Er Wird rückhaltlos gegen Steffens aussagen, der allerdings seinerseits bereits ein Geständnis ablegte.
Mrs. Gay Harrison hat mit die sen Dingen selbstverständlich nichts zu tun. Auch ihren Chefbuchhalter Glidden trifft keine Schuld. Auch auf die Klinik des Doktor Givons fällt kein Schatten; Gegen seine ungetreuen Angestellten kann man erst dann etwas unterneh men, wenn man was weiß. Mr. Harrisons Gesundheitszustand ist schlimm. Die Ärzte werden ihn allerdings bald heilen können. Ich weiß, meine Herren, Sie wollen wissen, wie wir dieses Verbrechen klären konnten. Mr. Josuah Parker hat einen hervorra genden Anteil daran. Ihn machte stutzig, daß Joel Harri son gerade nach seiner Entlassung aus der Klinik besonders stark trank. Sein Verdacht fiel auf den Pfleger, dem er in einer privaten Unterhaltung allerlei
entlockte. Bei einer allerdings heimlichen Untersuchung des Zimmers fand Mr. Parker in Steffens Schrank einige Giftampullen. Er suchte Steffens Privatwohnung auf und stieß auf den Gang ster, der sein letztes und größtes Verbrechen plante. Richtig, ich brachte eben den Namen von Walt Hostans ins Gespräch. Nun, dieser Schnapsschmuggler, der sich als Großhändler für Obst und Südfrüchte tarnte, läuft zwar noch frei herum, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn erwischen. Gegen ihn läuft eine Staatenfahndung. Sie wissen, was das bedeutet. Er dürfte kaum eine Chance haben. Für Detailfragen stehe ich gern zur Verfügung. Ich werde mich bemühen ...
ENDE
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