Parkers Sturzflug in die »Hölle« Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges »Die Manier...
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Parkers Sturzflug in die »Hölle« Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges »Die Manieren eines Neandertalers dürften im Vergleich zu Ihrem Benehmen noch wohltuend gewesen sein«, stellte Butler Parker tadelnd fest. Er war von zwei Individuen in die Zange genommen worden, die ihm rücksichtslos die Läufe ihrer Schußwaffen gegen die Rippenpartie drückten. »Half die Klappe«, sagte der Mann, der links von Parker stand. »Du möchtest wohl gelöchert werden, wie?« fragte der Mann rechts. Parker ging auf diese Frage nicht weiter ein. Er befand sich mit seinen beiden Begleitern in der Tiefgarage eines Bürohauses und war ihnen im Augenblick hilflos ausgeliefert. Sie hatten ihm in der Nähe seines hochbeinigen »Monstrums« aufgelauert und ihn tatsächlich überrascht. Parker ärgerte sich, nicht vorsichtig genug gewesen zu sein, doch er zeigte es nicht. Sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos wie immer. Er hatte sich bereits wieder völlig unter Kontrolle. »Wir haben 'ne Nachricht für dich«, sagte der linke Mann. »Und für die Alte«, fügte der andere Mann hinzu. »Darf ich davon ausgehen, daß Sie Lady Agatha Simpson meinen?« erkundigte Parker sich.
»Eure Kleine ist hochgenommen worden«, redete der linke Mann weiter. »Miß Kathy Porter, wie ich vermuten muß?« Parkers Augen verengten sich kaum merklich. »Sie wird zu 'nem Eiszapfen werden, wenn ihr nicht schaltet«, warf der Wortführer lässig ein. »Ihr müßt euch mächtig beeilen, wenn sie gewisse Sachen überleben soll.« »Darf ich um nähere Einzelheiten bitten?« fragte Parker. »Wo befindet sich Miß Porter?« »In der Schweiz, Mann, das wissen Sie doch.« Der Linke lachte leise auf. »Und genau da werdet ihr erwartet.« »Erst mal in Davos«, setzte der Rechte hinzu. »Alles weitere dann da. Ist das klar?« »Sie sehen meine bescheidene Wenigkeit hilflos und verlegen«, gab Josuah Parker zurück. »Könnten Sie Ihre Worte möglicherweise noch mal wiederholen?« »Er hat 'ne lange Leitung«, stellte der Rechte fest. »Wahrscheinlich müssen wir ihn erst mürbe klopfen«, vermutete der Linke und schlug ohne jede Vorwarnung zu. Er hatte die erklärte Absicht, dem Butler einen Hieb auf den Magen zu versetzen und führte sie auch teilweise aus. Es war allerdings sein Pech, daß seine
nackte, ungeschützte Faust ausgerechnet auf dem Bambusgriff von Parkers Regenschirm landete. Da dieser Bambusgriff mit Blei ausgegossen war, wurde die zuschlagende Faust erheblich geprellt und verformt. Der Mann brüllte überrascht auf und irritierte seinen Partner, der nicht wußte, was da gerade gespielt worden war. Als er sich dann auf den Butler konzentrieren wollte, stieß der bereits erwähnte Bambusgriff an sein Kinn und brachte der Lade das Zittern bei. Anschließend setzte der Getroffene sich auf den harten Zementboden der Tiefgarage, stierte den Butler an und kippte dann im Zeitlupentempo nach hinten. »Ich bin untröstlich«, sagte Josuah Parker, bevor er den Mann behandelte, der sich die Hand massierte. Nach dieser Versicherung des Mitgefühls zog Parker seine schwarze Melone und setzte die Wölbung auf die Stirn des Mannes. Diese Wölbung war innen mit Stahlblech gefüttert. Die Berührung fiel dementsprechend aus. Der Begrüßte gurgelte diskret, verdrehte die Augen und fiel um wie ein gefällter Baum. Parker sammelte die Schußwaffen ein und kümmerte sich anschließend um die beiden Botschafter. Er verstaute sie mit erstaunlicher Leichtigkeit im Fond seines hochbeinigen Monstrums, verriegelte auf elektrischem Weg die hinteren Türen, setzte sich ans Steuer und verließ die Tiefgarage. Ihm ging es darum, sich in aller Ruhe mit den beiden Männern zu unterhalten. Sie hatten
ihm wahrscheinlich noch weitere Dinge zu berichten. Das Stichwort Kathy Porter hatte Parker unruhig werden lassen. Die junge Dame dieses Namens war seine erklärte Schülerin und darüber hinaus die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady Agatha Simpson. Sie befand sich tatsächlich in der Schweiz, um dort eine erkrankte Freundin zu besuchen. Kathy Porter war vor zwei Tagen nach Zürich geflogen und wollte in weiteren zwei Tagen wieder zurück nach London kommen. Inzwischen schien sich mit ihr einiges getan zu haben, was Parker als nicht mehr regulär bezeichnen konnte. »Den dritten Grad für diese Subjekte«, verlangte Lady Agatha grimmig. Sie war eine hochgewachsene, majestätisch wirkende Dame, die seit Jahren beschlossen hatte, nicht älter als sechzig zu sein. Lady Agatha Simpson, mit dem englischen Blutund Geldadel verschwistert und verschwägert, bestach durch ihre unorthodoxe Art und ihr Draufgängertum. Darüber hinaus betätigte sie sich als leidenschaftliche Amateurdetektivin, die grundsätzlich keiner Gefahr aus dem Weg ging. »Der erwünschte dritte Grad, Mylady, erübrigt sich, wenn ich darauf verweisen darf«, antwortete Parker. »Die beiden Gäste waren so frei, uns bereits entsprechende Erklärungen abzugeben.« »Und die lauten?« Lady Agatha war in größter Sorge. Kathy Porter war für sie so etwas wie eine Tochter.
»Die beiden Herren im Keller heißen Joe Grambus und Hale Stint«, berichtete Parker gemessen. »Sie entstammen der Londoner Unterwelt und wurden vor knapp zwei Stunden durch ein Ferngespräch aus der Schweiz damit beauftragt, meine bescheidene Wenigkeit in der bereits geschilderten Form zu unterrichten. Mehr wissen sie nicht zu sagen.« »Diese Lümmel lügen«, grollte die ältere Dame. »Sie haben nicht energisch genug gefragt, Mr. Parker, aber das kennt man ja von Ihnen. Sie sind zu weich!« »Wie Mylady meinen.« Parker deutete eine leichte Verbeugung an. »Ich werde diesen Subjekten die Daumenschrauben anlegen«, verkündete die resolute Dame schnaufend. »Es geht um Kathy, Mr. Parker, falls Sie das vergessen haben sollten.« »Dies, Mylady, ist meiner bescheidenen Person durchaus bewußt. In der nächsten halben Stunde wird man mehr über die Herren Grambus und Stint wissen, wie ich versichern darf.« »Was ich mir auch ausgebeten haben möchte, Mr. Parker.« »Ich möchte Mylady nicht in zusätzliche Unruhe versetzen«, schickte Josuah Parker voraus. »Der Hinweis auf die Schweiz ließ und läßt meine bescheidene Person allerdings stutzen.« »Was Sie nicht sagen!« »Darf ich Mylady vorher noch einen Kreislaufbeschleuniger servieren?« »Wird es so schlimm werden?« »Mylady werden eine Stütze brauchen«, vermutete Parker und
versorgte seine Herrin mit einem doppelten Kognak. Nachdem sie einen großen Schluck genommen hatte, sah sie ihn ungeduldig an. »Reden Sie doch schon endlich«, grollte sie. »Sie ahnen, in wessen Hand das gute Kind sich befindet?« »Mylady können sich an Mr. Paul P. Peawood erinnern?« »Peawood?« Agatha Simpson nahm noch einen Schluck, um sich Bruchteile von Sekunden später fast zu verschlucken. Der Name hatte bei ihr gezündet. »Peawood«, wiederholte Parker. »Mylady zerschlugen vor Jahresfrist die Organisation dieses Herrn, der einige Reedereien terrorisieren ließ und hohe Erpressungsgelder einstrich.« »Und der mir leider entwischte«, erinnerte Mylady sich wehmütig. »Er entkam im letzten Moment und setzte sich ins Ausland ab.« »Er schwor Mylady Rache, wenn ich daran erinnern darf.« »Sie glauben, Peawood sitzt in der Schweiz und hat Kathy in der Gewalt? « »Nur eine Vermutung, Mylady.« »Wie kommen Sie ausgerechnet auf diesen Peawood, Parker?« Mylady stärkte erneut ihren angegriffenen Kreislauf. »Jeder andere rachsüchtige Gangster würde versuchen, Mylady hier in London zu schaden«, antwortete Parker. »Mr. Peawood hingegen ist als verschlagen bekannt. Zudem dürfte er an dem leiden, was man Größenwahn und Selbstüberschätzung nennt. Er hat seine Gegner nie einfach nur umgebracht, sondern war dafür
bekannt, daß er sich sadistisch zu nennende Morde ausdachte.« »Ein unangenehmer Bursche«, fand Lady Agatha. »Den man auf keinen Fall unterschätzen darf, Mylady.« »Sie nehmen also an, er will uns stilvoll irgendwo in der Schweiz umbringen?« »Das ist leider zu vermuten, Mylady.« Parker wollte noch mehr zu diesem Thema sagen, doch in diesem Augenblick meldete sich das Telefon. Parker ging an den Apparat, meldete sich und hörte einen Moment zu. Dann legte er auf, nachdem er sich höflich bedankt hatte und wandte sich der Detektivin zu, die ihn ungeduldig anschaute. »Die Herren Grambus und Stint gehörten einwandfrei zu Mr. Peawoods damaliger Organisation in Southampton«, berichtete Parker. »Mein Gewährsmann hat nicht die geringsten Zweifel. Er warnt vor diesen beiden Typen, Mylady. Sie sind seiner Ansicht nach bekannt für ihre Hinterlist, Grausamkeit und Tücke.« »Sie werden bald wissen, wofür ich bekannt bin«, gab die ältere Dame grimmig zurück. »Mr. Parker, ich habe das Gefühl, daß ich sehr ärgerlich werde!« * Joe Grambus und Hale Stint sahen aus wie andere normale Mitbürger auch. Grausamkeit und Tücke hätte man ihnen kaum zugetraut. Sie besaßen durchschnittlich geformte Gesichter und keinesfalls grausam blickende Augen. Im Moment
blickten diese Augen sogar ängstlich drein, denn Lady Simpson hatte den Kellerraum betreten, den Butler Parker für sie reserviert hatte. »Ich würde gern mehr über Mr. Peawood und Miß Porter erfahren«, begann die ältere Dame und setzte den runden, geschlossenen Korb aus Weidengeflecht ab. »Was soll der Unsinn hier?« fragte Grambus und überspielte seine Besorgnis. »Für das hier wird Ihre Sekretärin ganz schön Ärger bekommen«, drohte Stint vorsichtig. Er wußte nicht, was er von Agatha Simpson halten sollte. »Was habe ich Ihnen gesagt, Mr. Parker? Sie beschimpfen mich, diese Lümmel!« Die Detektivin wandte sich zu Parker um, der hinter ihr aufgetaucht war. »Wahrscheinlich ahnen die Herren noch nicht mal in ihren kühnsten Träumen, was Mylady als Beitrag zur allgemeinen Unterhaltung mitgebracht haben«, erwiderte Parker gemessen. »Lassen Sie uns sofort 'raus«, verlangte Grambus. Sein Ton wurde bereits härter. »Mit uns kann man sowas nicht machen«, beschwerte sich Stint. Die beiden Gangster befanden sich in einem mehr als sparsam eingerichteten Raum. Sie saßen auf zwei niedrigen Hockern und waren an Händen und Füßen gefesselt. Fenster gab es in diesem Raum nicht. »Mr. Parker, zeigen Sie diesen Subjekten, was sie erwartet«, grollte Agatha Simpson in Richtung Parker. Sie deutete auf den Weidenkorb.
»Mylady, darf ich um Vergebung bitten«, schickte der Butler voraus und wich ostentativ zurück, wobei er eine abwehrende Haltung einnahm. »Mylady wissen, daß meine bescheidene Person gegen Schlangen allergisch ist.« »Papperlapapp.« Die ältere Dame blitzte ihren Butler an. »Sie sollen ja nur den Deckel aufklappen.« »Mylady unterschätzen vielleicht die Schnelligkeit und Giftigkeit diverser Reptilien«, lautete Parkers respektvolle Antwort. »Wie war das?« fragte Grambus. »Sagten Sie Reptilien?« vergewisserte sich Stint, dem sofort der Schweiß ausbrach. Er zog seine Beine unwillkürlich an. »Vipern«, sagte Lady Simpson. »Ich halte sie in einem Terrarium. « »Schlangen?« Grambus kümmerte sich ebenfalls um seine Beine und zog sie an seinen Körper heran. Er schluckte und starrte auf den noch geschlossenen Weidenkorb. »Nun haben Sie sich nicht so«, fuhr die resolute Dame die beiden Gangster an. »Wenn Sie sich nicht unnötig bewegen, wird Ihnen schon nichts passieren.« »Wo ... Worauf wollen Sie eigentlich 'raus?« fragte Stint. »Auf Informationen«, gab Lady Agatha zurück. »Sie scheinen meinem gutmütigen Butler gegenüber nicht offen gewesen zu sein. Sie müssen mehr wissen.« »Ehrenwort, sonst nichts«, stotterte Grambus. »Wir wissen nur das, was wir gesagt haben«, versicherte Stint hastig.
»Machen wir die Probe auf s Exempel.« Agatha Simpson griff mit spitzen Fingern nach dem einfachen Verschluß des Körbchens, öffnete ihn und stieß den Deckel dann blitzschnell auf. Gleichzeitig brachte sie sich in Sicherheit und zog sich in Richtung Kellertür zurück. Grambus und Stint stöhnten miteinander um die Wette, konzentrierten ihre Blicke auf den Korb und fuhren zurück, als der Kopf einer ersten Schlange langsam hervorkam. »N... Nein«, keuchte Grambus. »N... Nicht«, stotterte Stint. »Es sind drei Vipern«, erklärte die furchtlose Lady. »Mr. Parker, die Schlangengabel, bitte.« Parker reichte seiner Herrin die verlangte Gabel. Es handelte sich um einen langen Stock, der unten in drei Zinken endete. Lady Simpson ging auf Distanz, als die zweite Schlange sich sehen ließ, die erste überholte und langsam aus dem Weidenkorb glitt. »Hiiilfe«, stöhnte Grambus. »Das ist... Mord«, brüllte Stint. »Wo befindet sich Miß Porter?« erkundigte sich Lady Simpson, ohne auf diese Anschuldigungen einzugehen. »Überlegen Sie sich die Antwort! Sie haben unter Umständen nicht mehr viel Zeit, fürchte ich.« * Als die dritte Schlange aus dem Korb kroch, brachen die beiden Gangster im übertragenen Sinn zusammen.
»Wir sagen alles«, lenkte Grambus mit überraschend heiserer Stimme ein. »Was Sie wollen«, fügte Stint unnötigerweise hinzu. »Aber stopfen Sie die Biester zurück in den Korb!« Agatha Simpson wußte mit der Schlangengabel sehr geschickt umzugehen. Sie scheuchte die drei neugierigen Reptilien zurück in Richtung Korb und nickte den beiden Männern dann grimmig zu. »Sie sollten jetzt vielleicht reden«, ließ Parker sich höflich vernehmen. »Wo wird Miß Porter festgehalten?« »Das wissen wir wirklich nicht«, antwortete Grambus hastig. »Wir sind nur vom Chef angerufen worden und haben genau das bestellt, was wir ausrichten sollten.« »Aber wir können uns denken, wo Peawood steckt«, redete Stint weiter. »Er hat sich damals in die Schweiz abgesetzt.« »Und wo befindet sich dort sein derzeitiges Domizil?« lautete Parkers nächste Frage. »Sein was?« gab Grambus zurück. »Sein Domizil, sein gegenwärtiger Aufenthaltsort«, erläuterte Josuah Parker. »In Davos«, sagte nun Stint. »Er hat sich dort ein Haus gemietet. Mehr wissen wir auch nicht.« »Unter welchem Namen wohnt Mr. Peawood dort?« »Er... Er bringt uns um, wenn wir das verraten«, sorgte sich Grambus. »Der läßt uns auseinandernehmen«, fürchtete auch Stint. »Es hat keinen Sinn, Mr. Parker, diese Lümmel sind noch zu verstockt.« Agatha Simpsons
Schlangenstock langte nach einer Viper und schob das nervöse Tier wieder in Richtung Grambus und Stint, die fast gleichzeitig stöhnten. »Stop, Lady«, bat Grambus. »Er nennt sich da drüben in der Schweiz Canters.« » »Genau«, bestätigte Stint. »Canters, Richard Canters.« »Wieso konnte er Sie vor zwei Stunden so ohne weiteres erreichen?« »Weil... Weil wir immer noch mit ihm in Verbindung stehen.« Grambus beobachtete intensiv die schlanke, lange Schlange, die sich für seine Beine zu interessieren schien. »Weil... Weil wir Sie beobachten«, bekannte Stint. »Schon seit 'nem Jahr. Das ist die reine Wahrheit.« »Man erfrecht sich, mich zu beobachten?« Lady Simpsons Stimme klang wie entferntes Donnergrollen. »Was sagen Sie dazu, Mr. Parker? Das ist noch die Höhe!« »In der Tat, Mylady«, pflichtete der Butler seiner Herrin bei, um sich dann wieder den beiden Gangstern zuzuwenden. »Sie erhielten während dieser Zeitspanne nicht den Auftrag, Mylady und meine bescheidene Wenigkeit anzugreifen?« »Nie«, versicherte Grambus. »Sie hat er für sich reserviert«, plauderte Stint weiter aus. »Sie wissen doch, er hat 'ne Stinkwut auf Sie!« »Sie haben demnach gemeldet, daß Miß Porter in die Schweiz gereist ist?« Darauf wollten die beiden Gangster nicht antworten, doch als
zwei Schlangen sich wieder auf sie zubewegten, nickten Grambus und Stint gleichzeitig und im Takt. »Sie haben also eine bestimmte Adresse und Telefonnummer benutzt, um Mr. Peawood zu verständigen«, faßte Parker zusammen. »Auch diese Angäben sollten Sie noch machen.« Sie reagierten entsprechend. Parker nahm Notiz und prägte es sich ein. »Bis wann sollen Sie das vornehmen, was man im militärischen Sinn eine Vollzugsmeldung nennt?« fragte er weiter. »Mr. Peawood möchte doch mit Sicherheit von Ihnen erfahren, daß Sie Mylady und meine bescheidene Person verständigt haben, nicht wahr?« »Bis zwölf Uhr«, gestand Grambus. »Und dann sollten Sie Mylady und meiner Wenigkeit folgen?« »Stimmt«, räumte Stint ein. »Achtung, Lady, die Schlange! Das Biest will mir an die Waden!« »Stellen Sie sich gefälligst nicht so an!« Agatha Simpson angelte mit dem Schlangenstock nach einer besonders vorwitzigen Viper, hob sie auf und ... griff nach ihr. Sie behandelte sie ohne jede Scheu und Angst und duldete es, daß das Reptil sich um ihre Hand ringelte. Dann stopfte sie die Schlange in den Korb. Ähnlich verfuhr sie mit den beiden übrigen Kriechtieren. »Haben Sie noch nie Ringelnattern gesehen?« fragte sie dann kopfschüttelnd. »Völlig harmlos und ungiftig, das sieht man doch auf den ersten Blick!«
* »Hier May Trent«, meldete sich eine schwache Stimme. »Bitte, mit wem spreche ich?« »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, antwortete der Butler, »Miß Trent, läßt es sich einrichten, Miß Porter zu sprechen?« Parker hatte Kathy Porters Freundin in der Schweiz angerufen und war gespannt, was er zu hören bekam. »Ach, Mr. Parker!« Kathy Porters Freundin wirkte erleichtert. »Ich wollte gerade Sie anrufen.« »Aus einem aktuellen Anlaß, Miß Trent?« »Wegen Kathy. Sie ist, ja, wie soll ich es sagen, sie ist die ganze Nacht über nicht nach Hause gekommen. Und jetzt ist es fast schon wieder Mittag.« »Ihre Freundin hat nicht hinterlassen, wohin sie zu gehen gedachte?« fragte Parker weiter. »Nein, Mr. Parker, sie wollte nur einen Spaziergang machen. Ich würde am liebsten die Polizei verständigen. Hoffentlich ist Kathy nichts passiert.« »Darf ich mir erlauben, Ihnen einen Rat zu geben, Miß Trent?« »Aber natürlich, Mr. Parker.« »Lassen Sie die Polizei vorerst aus dem Spiel, Miß Trent! Ich werde mir die Freiheit nehmen, umgehend zu Ihnen in die Schweiz zu kommen.« »Sie glauben auch, daß Kathy etwas passiert ist?« »Das möchte ich nicht unbedingt sagen, Miß Trent. Machen Sie sich aber keine Sorgen!«
»Wann könnten Sie denn hier sein, Mr. Parker?« »Mylady und meine bescheidene Wenigkeit könnten morgen bereits in Luzern sein, Miß Trent.« »Gut, ich werde dann warten. Soll ich die Polizei wirklich nicht verständigen?« »Möglicherweise erübrigt sich das, Miß Trent. Nähere Erklärungen dazu folgen bei Ihnen in Luzern.« Nachdem Butler Parker noch einige Worte der Beruhigung gesagt hatte, legte er auf und wandte sich Lady Simpson zu, die aufmerksam zugehört hatte. »Warum können wir erst morgen in Luzern sein?« fragte sie und schüttelte den Kopf. »Ich will ja schließlich nicht zu Fuß dorthin gehen.« »Eine taktische Maßnahme, Mylady, wenn ich es so ausdrücken darf. Falls Mylady zustimmen, sollte man natürlich sofort aufbrechen und die Reise antreten.« »Das hört sich schon besser an. Ich werde einen Privat-Jet nehmen.« »Dies wollte ich Mylady gerade vorschlagen. Man könnte dann noch heute in der Schweiz sein und das Terrain sondieren.« »Und was geschieht mit diesen Subjekten im Keller?« »Man sollte sie tunlichst den Behörden überantworten, Mylady.« »Gut, das ist Ihre Sache, Mr. Parker.« Mylady war einverstanden. »Aber sollten diese Lümmel sich nicht gegen Mittag bei Peawood melden?« »Dies, Mylady, könnte man vielleicht unmöglich machen. Etwas
Ungewißheit würde Mr. Peawood nicht schaden.« »Wird das Kathy schlecht bekommen?« vergewisserte die passionierte Detektivin sich. »Dies scheint ausgeschlossen, Mylady«, antwortete der Butler. »An Gangstern wie Grambus und Stint ist Mr. Peawood nicht gelegen, ihm geht es einzig und allein um Mylady, wenn ich es so ausdrücken darf.« »Ich möchte dann in einer Stunde fliegen«, verlangte Agatha Simpson. »Ich möchte diesen Peawood nicht warten lassen. Sorgen Sie dafür, Mr. Parker, daß dieses Individuum einige herbe Überraschungen erleben wird!« »Mylady können sich auf meine bescheidene Wenigkeit verlassen«, gab der Butler zurück. »Ich werde mir erlauben, über die normale Grundausstattung hinaus zusätzliche Ausrüstung mitzunehmen.« * Grambus und Stint fühlten sich überhaupt nicht wohl. Sie waren fast gleichzeitig zu sich gekommen, hatten Kopfschmerzen und fühlten sich von Duftwolken umgeben, die man selbst beim besten Willen noch nicht mal als herb bezeichnen konnte. »Wo sind wir?« fragte Grambus. Er tastete in der ägyptischen Finsternis herum und zuckte zurück, als seine Fingerspitzen eine schleimig-feuchte Ziegelwand berührten. »Hier stinkt's wie in 'ner Kloake«, stellte Stint fest und schnüffelte hörbar.
»Und irgendwo rauscht Wasser.« Grambus streckte erneut und sehr zögernd seine Hand aus. »Wie sind wir hier 'reingekommen?« wollte Stint wissen. »Dieser Butler hat uns betäubt«, erinnerte sich Grambus. »Das Zeug muß im Tee gewesen sein, den er uns nach der Schlangengeschichte spendiert hat.« »Den Kerl bringe ich um«, schwor Stint. »Wo sind wir?« »Keine Ahnung, aber der Gestank ist schrecklich.« Grambus hatte die feuchte Ziegelwand wieder ertastet und stand vorsichtig auf. Bruchteile von Sekunden später stöhnte er. Er hatte sich den Kopf gestoßen und ließ sich schleunigst wieder nieder. Dann fuhr er zusammen, als er einen Fluch hörte, der in ein kräftiges Plantschen überging. »Hale, was ist?« brüllte Grambus. »Ist was passiert?« »Ich sitz' bis zum Bauch in 'ner stinkenden Brühe«, kam die halberstickte Antwort. »Mensch, Joe, wir sitzen in 'ner Kanalisation.« »Wie war das?« Grambus arbeitete sich ein wenig vor, spürte, daß sein Gesäß abglitt, schlug hilfesuchend mit den Armen um sich und landete ebenfalls in einer zähen Brühe, die penetrant stank. »Jetzt weißt du Bescheid«, hörte er Stint neben sich sagen. »Der Butler hat uns in 'ne Kanalisation gebracht.« »Daß kann er doch nicht machen.« Grambus ekelte sich. »Hat er aber gemacht.« Stint war weniger pingelig. »Dafür bring' ich den Butler um.«
»Hatten wir schon.« Grambus hatte wieder festen Boden unter seinen Schuhsohlen und inzwischen die Wand eines Kanalsschachts berührt. »Wir müssen weg von hier.« »Und wohin?« Stint rutschte aus und schlug der Länge nach zurück in das Abwasser, das über seinem Kopf zusammenschlug. »Irgendwohin«, sagte Grambus. »Komm', wir müssen uns aneinander festhalten.« »Und wo ist der Ausgang?« Stint geriet in Panik. »Keine blasse Ahnung.« Grambus nahm die Wanderung auf und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Zu seiner Überraschung konnte er sich voll aufrichten. »Haben wir kein Licht?« fragte Stint hustend und spuckend. »Mensch, daß wir daran nicht früher gedacht haben.« Grambus blieb stehen und fingerte nach seinem Gasfeuerzeug. Doch als er es anzünden wollte, kamen ihm Bedenken. »Und wenn's hier sowas wie Grubengas gibt?« fragte er. »Dann fliegen wir in die Luft.« »Hier herrscht doch'n ganz netter Luftzug«, beruhigte Stint ihn und ließ bereits sein Feuerzeug aufflammen. Im Schein der Gasflamme konnten die beiden Gangster sich endlich orientieren. Fast andächtig nahmen sie den fast zwei Meter hohen und zwei Meter breiten Kanalschacht zur Kenntnis, in dem sie sich befanden. Sie wateten bis zu den Knien in einer undefinierbaren Brühe, deren Strömung beachtlich war.
»Mensch, ist das groß«, wunderte Stint sich. »Sei mal still!« Grambus hatte ein Geräusch gehört. »Da schmatzt doch was«, fand Stint und bekam sofort eine Gänsehaut. »Ratten«, sagte Grambus. »Warum steigen wir eigentlich nicht da 'rauf auf das Betonband? Da ist's wenigstens trocken.« Die beiden Gangster kletterten aus der Brühe und benutzten jetzt das Betonband, das etwa einen halben Meter breit war. Doch schon nach wenigen Schritten blieben sie erneut stehen. »Das schmatzt immer lauter«, sorgte sich Stint. »So laut können Ratten nicht sein.« »Vielleicht ein Krokodil«, sagte Grambus. »Du spinnst wohl, wie?« Stint lachte auf, doch dieses Lachen klang nicht echt. »Haste davon noch nicht gelesen?« Grambus zog seine Schußwaffe. »In den Abwasserkanälen von New York schwimmen Krokodile 'rum. Die sind als Babykrokodile einfach 'runter in die Kanäle gespült worden, als sie zu groß wurden.« »Ich sag', was ich weiß!« Grambus ging zögernd und vorsichtig weiter, während die Gasflamme kleiner und schwächer wurde. »Hier kommen wir nie wieder 'raus!« Stint verlor den Mut. »Wir müssen uns bemerkbar machen.« »Und wie?« fragte Grambus. Statt einer Antwort feuerte Stint in schneller Reihenfolge drei Schüsse in die Dunkelheit. Die Geschosse
prallten irgendwo an den Ziegeln ab und jaulten als Querschläger in die Dunkelheit. * »Wann werden wir landen?« fragte Agatha Simpson ungeduldig. Sie befand sich zusammen mit Butler Parker an Bord eines kleinen achtsitzigen Privat-Jets, den Parker gemietet hatte. Sie flogen hoch über den Wolken und hatten den Kanal längst hinter sich. »Ich werde mich sofort beim Piloten erkundigen«, antwortete der Butler. »Nein, lassen Sie, Mr. Parker!« Lady Agatha erhob sich. »Ich selbst werde mit dem Mann reden. Ich möchte doch zu gern mal diesen Jet fliegen.« »Mylady beabsichtigen, den Jet zu handhaben?« fragte Parker zurück. Sein Gesicht blieb zwar auch jetzt ausdruckslos, doch in seiner Stimme schwang so etwas wie erste Panik mit. »Natürlich«, antwortete sie. »Sie wissen doch, daß ich eine begeisterte Pilotin bin.« »Dieser Jet hier, Mylady, ist mit Sicherheit keine Sportmaschine.« »Eben, Mr. Parker, eben. Er fehlt noch in meiner Sammlung.« Die ältere Dame marschierte nach vorn zum Cockpit und verschwand hinter der schmalen Tür, durch die sie sich mit einiger Mühe durchgezwängt hatte. Parker schickte ein diskretes Stoßgebet gen Himmel und konnte nur hoffen, daß der Pilot sich Myladys Wunsch widersetzte.
Sicherheitshalber legte Parker sich den Sicherheitsgurt an. Wie gut seine Vorsichtsmaßnahme war, sollte sich schon sehr bald zeigen. Der Jet machte plötzlich einen abrupten Hüpfer nach oben, legte sich bedrohlich auf die Seite und schmierte dann über die rechte Tragfläche nach unten ab. Mylady hatte also doch das Steuer übernommen und versuchte sich als Jet-Pilotin. Parker, ein Mann mit bekanntermaßen starken Nerven, erlebte im Anschluß an diese erste Kunstflugfigur weitere Überraschungen. Der abschmierende Jet wurde nämlich nicht nur abgefangen, sondern mit der Nase voran hoch gen Himmel gerissen. Parkers Magen rotierte wie ein Kreiselkompaß, der außer Kontrolle geraten war, produzierte eine gewisse Übelkeit, die der Butler schmerzhaft empfand. Parker kannte leider nur zu gut die stille Leidenschaft von Lady Simpson. Sie war der Ansicht, jede Technik beherrschen zu können und überschätzte sich dabei stets. Was nun die Fliegerei anbetraf, so überschätzte sie sich darin besonders. Parker nahm Zuflucht zu einem passenden Stoßgebet, versuchte sich zu orientieren und schaffte es nicht. Mylady drehten nämlich inzwischen eine gerissene Rolle und ließ den Jet dabei gründlich durchsacken. Die Magennerven meldeten Parker unmittelbar darauf, daß ihm bald sehr schlecht werden würde. Durch den starken Andruck war es ihm fast
unmöglich, sich den Angstschweiß von der Stirn zu wischen. Er schloß die Augen, um dem blitzschnellen Wechsel von Himmel- und Erdsicht zu entgehen. Und er schämte sich ungemein, als ihm ein diskreter Rülpser widerfuhr. »Nun, wie war ich?« hörte er dann irgendwann später die Stimme seiner Herrin. »Traumhaft, Mylady, wenn mir diese Umschreibung gestattet ist«, rang der Butler sich ab. »Sie sehen blaß aus«, fand Lady Agatha, die ihren Butler prüfend musterte. »Nur ein Widerschein des Lichts, Mylady.« Parker holte tief Luft. »Darf man fragen, Mylady, wie die beiden Piloten auf Myladys Kunstflug reagierten?« »Diese Grünschnäbel«, gab sie verärgert zurück. »Sie haben mich gebeten, das Cockpit zu verlassen.« »Unverzeihlich«, murmelte Parker ohne jeden Nachdruck. »Und sie sahen genau so gelbgrün aus wie Sie, Mr. Parker«, schloß die ältere Dame. »Sehr komische Lichtverhältnisse hier oben, finden Sie nicht auch?« Parker verzichtete auf eine Antwort. * Es war später Nachmittag, als der Jet in Zürich landete, von wo aus es per Auto nach Luzern gehen sollte. Butler Parker und Lady Simpson waren in Eile. Schon per Sprechfunk vom Jet aus hatte Parker einen Mietwagen angefordert, der aufgetankt auf dem
Parkplatz vor dem Flughafengebäude stand. Parker sorgte mit Diplomatie und Geschick dafür, daß seine Herrin sich nicht unnötig mit den Zollbeamten herumstritt, wie sie es gern tat. Gepäck hatten sie ohnehin kaum dabei, und was erforderlich war, sollte an Ort und Stelle eingekauft werden. Die Überraschungen aber, auf die Agatha Simpson setzte, waren ohnehin so klein und sahen derart unverdächtig aus, daß selbst der mißtrauischste Zollbeamte keinen Verdacht geschöpft hätte. »Ich werde selbstverständlich fahren«, sagte die resolute Dame, als man den Mietwagen erreicht hatte. Wohlgefällig schaute sie auf den Land-Rover, der sich ihr präsentierte. »Darf ich Mylady darauf aufmerksam machen, daß hier in der Schweiz der sogenannte Rechtsverkehr herrscht?« deutete Parker diskret an. »Sehr hübsch und interessant«, freute sie sich daraufhin und nickte wohlwollend. »Das wird für mich eine völlig neue Erfahrung sein.« »Möglicherweise auch für die Schweizer, Mylady«, warnte Josuah Parker. »Papperlapapp, Mr. Parker!« Sie schaute ihren Butler strafend an. »Wollen Sie mir etwa absprechen, daß ich schnell schalten kann?« »Das, Mylady, würde ich mir nie erlauben.« »Dann öffnen Sie gefälligst den Wagen!« Parker schlug in Gedanken ein Kreuz, sperrte die Türen auf und wartete, bis Agatha Simpson am
Steuer Platz genommen hatte. Sie startete, kuppelte und fuhr an. Selbstverständlich vergaß sie, daß Rechtsverkehr herrschte, und raste frohgemut einem ahnungslosen Eidgenossen entgegen, der sich an die gültigen Verkehrsregeln hielt. Der Mann riß seinen Wagen herum, um dem drohenden Zusammenstoß zu entgehen, fuhr über eine schmale Verkehrsinsel und landete anschließend vor der Säule einer Parkplatzuhr, die sich tief vor dem Kühler seines Wagens verbeugte. »Haben Sie diesen Flegel gesehen?« grollte Agatha Simpson in Richtung Parker. »Der Herr war mit Sicherheit ein wenig irritiert«, erläuterte Parker. »Mylady benutzten die falsche Straßenseite.« »Richtig«, räumte sie ein. »Aber es dauert nicht mehr lange, bis ich mich an diese kontinentalen Sitten gewöhnt habe.« »Mylady sollten vielleicht anhalten«, empfahl der Butler. »Der Fahrer hat seinen Wagen nicht ganz unter Kontrolle halten können.« »Ein blutiger Anfänger wahrscheinlich.« »Zudem nähern sich zwei Streifenbeamte auf Motorrädern«, fügte der Butler hinzu. »Die meinen doch hoffentlich nicht uns, oder?« Mylady gab nach und hielt. Wahrscheinlich hatte sie nun doch ein schlechtes Gewissen. »Man wird Mylady ein Strafmandat überreichen«, prophezeite Parker. »Darüber hinaus ist wohl auch noch mit einer Anzeige auf Schadenersatz zu rechnen.«
»Erledigen Sie diese Kleinigkeiten für mich«, verfügte Lady Agatha. »Und im Notfall verlange ich meinen Botschafter zu sprechen, machen Sie das diesen Leuten deutlich klar, Mr. Parker.« Es dauerte eine halbe Stunde, bis Josuah Parker die Formalitäten erledigt hatte. Nur dank seiner gemessenen Höflichkeit und eines Schecks ließ der Autofahrer sich beruhigen und verzichtete auf eine Schadenersatzklage. Nachdem Parker auch noch das Bußgeld entrichtet hatte, setzte er sich wie selbstverständlich ans Steuer, das von Lady Agatha erstaunlicherweise wortlos geräumt worden war. »Wieso sprechen Sie diese Rachensprache?« fragte sie, als Parker die Fahrt fortsetzte und zwar auf der richtigen Straßenseite. »Fremdsprachen, Mylady, waren und sind mein Hobby«, antwortete der Butler. »Ich spreche grundsätzlich nur Englisch«, verkündete die eigenwillige Dame. »Alles andere ist reine Zeitvergeudung.« »Wie Mylady meinen.« »Können Sie nicht etwas schneller fahren?« verlangte sie nach einer Weile ungeduldig. »Wie hieß noch Kathys Freundin in Luzern?« »May Trent, Mylady. Sie wohnt in der Altstadt am Ufer der Reuß.« »Kennen Sie dieses Mädchen?« »Es wurde von Miß Kathy Porter erwähnt, Mylady. Persönlich ist Miß Trent mir nicht bekannt.« »Hoffentlich weiß sie inzwischen mehr«, sagte Lady Agatha. »Falls nicht, fahren wir sofort weiter nach Davos und klopfen diesem Peawood
gehörig auf die Finger. Ich sterbe inzwischen fast vor Langeweile!« * »Gut, daß Sie schon da sind«, sagte die junge Dame und gab sofort die Tür zu ihrer kleinen Wohnung frei. »Sie sind bestimmt Lady Simpson und Butler Parker, nicht wahr?« »Miß Trent, wenn ich nicht irre?« entgegnete der Butler. »May Trent«, stellte die junge Dame sich vor. Sie war mittelgroß, schlank und trug einen Bademantel. »Kathy hat sich noch immer nicht gemeldet. Ihr ist bestimmt etwas passiert.« »Das wird sich alles schon finden«, erklärte Lady Simpson und sah sich ungeniert- neugierig in der kleinen Wohnung um, die freundlich eingerichtet war. Durch die beiden geöffneten Fenster des Wohnraumes sah man hinunter auf die Dächer alter Häuser, auf Erker und Giebel. »Darf ich Ihnen etwas anbieten?« fragte May Trent. »Ich brauche die Kaffeemaschine nur einzuschalten.« »Kaffee mit Kognak könnte nicht schaden«, erwiderte Lady Agatha und nickte zustimmend. »Aber dann erzählen Sie uns von Kathy, Miß Trent.« May Trent ging hinüber in die winzig kleine Küche, schaltete die Kaffeemaschine ein und hob hilflos die Schultern. »Viel gibt es da nicht zu erzählen«, bedauerte sie. »Kathy wollte sich ein wenig die Stadt ansehen.« »Wann verließ Miß Porter Ihre Wohnung?« erkundigte Parker sich.
»Das war gegen Abend«, lautete die Antwort. »Es war aber noch hell. Ich wurde erst unruhig, als sie zum Abendessen nicht zurückkehrte. Dann habe ich Stunde für Stunde gewartet, aber sie kam nicht, sie rief noch nicht mal an. Und als ich Sie verständigen wollte, riefen Sie ja schon aus London an.« »Machte Miß Porter einen unruhigen Eindruck?« wollte Parker weiter wissen. »Nein, ganz sicher nicht.« May Trent schüttelte den Kopf. »Da war nichts, was mir aufgefallen wäre. Sie ging und ist bis jetzt nicht zurückgekommen. Hätte ich die Polizei nicht doch informieren sollen? Vielleicht liegt sie in einem Krankenhaus. Mich würde man dann bestimmt nicht verständigen, sie hatte ja nichts bei sich, was auf meine Adresse hindeutet.« »Kathy liegt bestimmt nicht in einem Krankenhaus«, schaltete Lady Agatha sich ein. »Sie ist, sagen wir, von einem Bekannten eingeladen worden.« »Das begreife ich nicht.« May Trent wußte mit diesem Hinweis nichts anzufangen. »Warum hat sie mich dann nicht verständigt? Und woher wissen denn Sie das?« »Genauer gesagt, Miß Trent, Ihre Freundin dürfte entführt worden sein«, präzisierte der Butler. »Entführt?« May Trent war völlig verblüfft. »Leider«, redete Parker weiter. »Aber Mylady werden Miß Porter freikaufen, wie es wohl heißt.« »Darauf können Sie sich verlassen, Miß Trent!« Die ältere Dame nickte grimmig. »Kathy wird nichts
passieren. In ein paar Tagen werden Sie sie bestimmt wiedersehen. Wie wäre es jetzt mit einer Tasse Kaffee?« »Natürlich, entschuldigen Sie!« May Trent ging in die winzig kleine Küche hinüber und erschien wenig später mit einem Tablett, auf dem Geschirr und die Glaskanne mit Kaffee standen. Sie servierte, während Butler Parker sich um den Kognak kümmerte. Er holte eine lederumhüllte und flache Flasche aus einer der Innentaschen seines schwarzen Zweireihers und reichte seiner Herrin den obligaten Kreislaufbeschleuniger. »Sehr aromatisch«, lobte Lady Agatha, nachdem sie sich gelabt hatte. Sie meinte offensichtlich den Kognak, nicht den Kaffee. Aus Höflichkeit trank sie dann aber auch von dem Kaffee und stärkte anschließend erneut ihren Kreislauf. Parker, der seine Tasse leer getrunken hatte, lehnte sich entspannt zurück und wollte weitere Fragen stellen, doch er verspürte dazu plötzlich keine Lust mehr. Er kämpfte gegen ein dringendes Schlafbedürfnis an, schloß und öffnete die Augen im Wechselspiel und nahm fast gleichgültig zur Kenntnis, daß Mylady bereits eingeschlafen war und erste Schnarchtöne produzierte. »Der Flug wird Sie sicher angestrengt haben«, hörte er May Trents Stimme. Sie kam wie durch dicke Watte und war weit entfernt. Parker wollte höflich antworten, doch ein Gähnkrampf machte das zunichte. Er schloß die Augen, rutschte gegen Myladys Schulter
und... war ebenfalls in Morpheus Armen. Er bekam offensichtlich nicht mehr mit, daß May Trent zum Telefon ging und eine Nummer wählte. »Es ist soweit«, sagte sie. »Es ging leichter, als ich dachte. Und das wollen Profis sein? Da kann man doch nur lachen!« * »Licht!« Gangster Joe Grambus jubelte förmlich auf und aktivierte neue Kräfte. Schon seit Stunden befand er sich mit seinem Partner Stint unten in der Kanalisation. Sie waren herumgeirrt und hatten schon lange jede Orientierung verloren. Nun aber sahen sie Licht. Sie wateten längst wieder durch die Abwässer und hatten sich inzwischen auch an die penetranten Duftnoten gewöhnt. Sie waren keinem kleinen oder großen Krokodil begegnet, wie Joe Grambus befürchtet hatte. Sie hatten es wirklich nur mit Ratten zu tun gehabt deren Größe schon an die von Kaninchen herankam. Die beiden Gangster hatten es jetzt sehr eilig. Der Lichtschein wurde immer stärker und zog sie magisch an. Nach etwa fünf Minuten erreichten sie einen senkrecht nach oben führenden Schacht, der offensichtlich zu einer Straße Verbindung schuf. In die Betonwand eingelassene U-Eisen führten hinauf. Stint war schneller als Grambus. Er langte mit vor Aufregung zitternden Händen nach den U-Eisen
und arbeitete sich nach oben. Die Rettung war nahe! Endlich konnten sie diese scheußlich riechende Unterwelt verlassen und wieder frische Luft atmen... Hale Stint erreichte ein Abdeckgitter und stemmte sich mit aller Kraft dagegen. Er wollte es mit seiner rechten Schulter aus dem Rahmen drücken. »Mach' doch endlich«, rief Joe Grambus, der seinem Partner nachgestiegen war. »Das Ding sitzt eisern fest«, rief Stint keuchend. »Laß mich mal 'ran!« Grambus war voller Ungeduld. Er zerrte an den Beinen seines Freundes und wartete, bis Stint nach unten gekommen war. Dann eilte er über die U-Eisen nach oben und versuchte seinerseits sein Glück. »Das Gitter ist festgeschweißt«, rief er, um dann in sinnloser Wut mit der rechten Faust gegen die daumendicken Eisenstäbe zu hämmern. »Wir kommen hier nicht raus.« »Wir müssen rufen«, schlug Hale Stint vor. »Kannst du wenigstens was hören?« »'ne Straße kann das nicht sein«, meinte Grambus nach einer Weile. »Ist verdammt still da draußen, Hale.« »Dann müssen wir eben brüllen, bis uns jemand hört!« Die beiden Gangster holten tief Luft und strapazierten dann ihre Lungen. Sie riefen, schrien und brüllten. Sie ließen ihre Stimmbänder in allen Frequenzen vibrieren, doch von einer Antwort
jenseits des Absperrgitters war keine Rede. »Haben wir noch Patronen?« fragte Stint. »In meiner Kanone sind noch zwei«, antwortete Grambus, der inzwischen sehr heiser geworden war. »Ich hab' auch noch eine«, rief Stint. »Joe, wir müssen die abfeuern, dann wird uns bestimmt einer hören.« Die beiden Gangster, die inzwischen fast nebeneinander auf den U-Eisen standen, feuerten ihre drei Schüsse durch die Gitterstäbe und warteten auf eine Reaktion. »Das gibt's doch nicht«, stöhnte Stint nach einer Weile. »Die Schüsse muß man doch gehört haben!« »Wenn man bloß erkennen könnte, wo wir sind«, sagte Grambus wütend. »Ich kann nur den Himmel sehen.« Er wollte noch weitere Feststellungen treffen, doch dazu kam es nicht mehr. Irgend etwas schlurfte und surrte auf das Gitter zu. Sekunden später ergoß sich eine Woge von schmutzigem und nach Schmieröl riechendem Wasser über sie. Die beiden Gangster brüllten vor Zorn und schrien erneut aus voller Kehle. »Hallo«, meldete sich jenseits der Gitterstäbe plötzlich eine verdutzt klingende Stimme. »Hallo, ist da einer?« »Hol' uns hier 'raus?« schrie Grambus. »Hiiilfe!« Ein Gesicht erschien oben am Gitter.
»Wie... Wie kommt ihr denn da 'rein?« fragte der Mann, der nach unten schaute. Er war begreiflicherweise leicht verwirrt. »Wir haben uns verlaufen«, erklärte Grambus wütend. »Wir wollten nach Schottland, du Idiot, aber wir müssen den falschen Weg genommen haben!« * »Ich muß mich doch sehr wundern, Mr. Parker«, sagte Lady Agatha und musterte ihren Butler mit strengem Blick. »Wie konnte Ihnen nur so etwas passieren?« »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit zerknirscht und beschämt«, gestand Parker. »Ich hatte von Anfang an einen gewissen Verdacht«, redete die ältere Dame weiter. »Ich war sogar mißtrauisch.« »Davon weiß ich hingegen leider nichts zu berichten«, räumte Josuah Parker ein. »Ich hielt die junge Dame durchaus für Miß May Trent.« »Dieses kleine Luder hat Sie nach allen Regeln der Kunst 'reingelegt.« Lady Agatha schien sich darüber ehrlich zu freuen. Ihrer Stimmlage war das durchaus zu entnehmen. Es machte ihr wohl nichts aus, daß auch sie die Leidtragende war. »Mr. Peawood scheint seine Weichen sehr nachhaltig gestellt zu haben«, bemerkte der Butler. »Die Frage ist zu stellen, was aus der richtigen Miß May Trent geworden ist.« »Die Frage stellt sich, wie wir wieder frei kommen«, antwortete die
Detektivin grimmig. »Wo stecken wir überhaupt?« »Es scheint sich um eine Art Almhütte zu handeln. Myladys Einverständnis vorausgesetzt, werde ich mir gestatten, die hinderlichen Fesseln zu beseitigen.« Parker hatte sich in dem düsteren Raum umgesehen. Seine Einschätzung der Lage schien richtig zu sein. Durch ein schmales Fenster fiel wenig Mondlicht in ihr Gefängnis, dessen Wände aus dicken Holzbohlen bestanden. Parker hatte bereits auch eine offene Kochstelle entdeckt, spärliches, rustikales Mobiliar und eine niedrige Tür. Es war für ihn eine Kleinigkeit, sich seiner Fesseln zu entledigen, die seine Hände und Füße zusammenhielten. Anschließend kümmerte er sich um Lady Simpson, die sich jetzt aufrichtete und verärgert wirkte. »Wie sind wir hierher geschafft worden?« wollte sie wissen. Sie trat ans Fenster und sah nach draußen. »Sieht tatsächlich nach einer einsamen Almwiese aus, Mr. Parker.« »Der von der angeblichen Miß Trent servierte Kaffee muß präpariert gewesen sein«, mutmaßte der Butler. »Anschließend wird man Mylady und meine bescheidene Person in einem Wagen hierher gebracht haben.« »Sie wissen doch auch, daß Peawood dahinter steckt, nicht wahr? « »Davon muß man ausgehen, Mylady.« Parker nickte andeutungsweise. »Verblüffend, erstaunlich und beunruhigend zugleich ist die
Tatsache, daß man Mylady und meine Wenigkeit nicht besser und nachdrücklicher außer Gefecht setzte.« »Wie soll ich denn das nun wieder verstehen?« Die Detektivin schüttelte verständnislos den Kopf. »Dieses Subjekt überschätzt sich und ist leichtsinnig. Das könnte der Grund sein.« »Mr. Peawoods Gründe dürften anderer Natur sein, Mylady.« »Schön, aber darüber unterhalten wir uns vor der Hütte«, gab sie ungeduldig zurück. »Worauf warten wir eigentlich noch?« Die resolute Dame ging zur Tür und griff nach der schweren Holzverriegelung. »Mylady, bitte nicht!« Parkers Stimme klang nachdrücklich und warnend. Myladys Hand zuckte zurück. Sie wandte sich ihrem Butler zu und trat dann einen Schritt von der Tür zurück. »Was haben Sie denn?« wollte sie wissen. »Wollen Sie hier etwa übernachten?« »Keineswegs, Mylady.« Parker schüttelte den Kopf. »Ich gehe allerdings davon aus, daß die Tür in irgendeiner Art und Weise böse Überraschungen bietet.« »Können Sie sich nicht etwas deutlicher ausdrücken?« »Das Verlassen der Hütte, Mylady, erscheint meiner Wenigkeit als etwas zu einfach. Hier könnte es sich durchaus um eine Einladung handeln, die in den Tod führt.« »Sie haben eine verrückte Phantasie, Mr. Parker!« Lady Agatha wich einen weitern Schritt von der Tür zurück. Ihre Phantasie war auch
nicht gerade unterentwickelt. »Was könnte hinter der Tür sein? Drücken Sie sich gefälligst präziser aus!« »Eine Sprengladung, Mylady, um nur eine von vielen Möglichkeiten anzudeuten.« »Und wie wollen Sie herausfinden, ob das stimmt?« »Man könnte das Fenster benutzen, Mylady, um die Hütte zu verlassen.« »Und warum tun Sie's nicht endlich?« »Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, Mylady, daß das Fenster entsprechend präpariert ist.« »Zuzutrauen wäre das diesem Peawood.« Die Detektivin ließ sich auf einem einfachen Schemel nieder. »Wie wäre es denn mit dem Dach? Besonders solide sieht es nicht aus.« »Ein wertvoller Beitrag und Hinweis, Mylady.« Parker sah zu den Dachsparren hoch, die die dicken Holzschindeln trugen. »Mehr habe ich nicht anzubieten, Mr. Parker.« Agatha Simpsons Stimme war wieder ungeduldig geworden. »Das heißt, wir können hier auch wurzeln schlagen.« »Ich möchte davon ausgehen, Mylady, daß Mr. Peawood sich irgendwo in der Nähe aufhält und die Almhütte beobachtet. Er dürfte sich in einem Zustand freudiger Erwartung befinden.« »Er hofft, daß wir einen Fehler begehen?« »Dies, Mylady, dürfte seinen sadistischen Neigungen voll und ganz entsprechen.« »Also, was werden wir tun?« Parker verzichtete auf eine Antwort. Er ging zur Tür, griff mit seiner schwarz behandschuhten
Hand nach dem schweren Holzknebel und ... drückte die Tür auf, als sei von einer lebensgefährlichen Situation niemals die Rede gewesen. Es geschah nichts! * »Ausgezeichnet«, sagte der kleine, schlanke und drahtig aussehende Mann. Er nickte anerkennend und setzte sein Fernglas für einen Moment ab. »Haben Sie das mitbekommen, Füllers?« »Klar, Chef«, antwortete der Mann, der Füllers hieß. Er war untersetzt, kräftig und hatte ein grob geschnittenes Gesicht. »Auch die Feinheit?« vergewisserte sich der drahtige Mann und nahm wieder das Glas hoch. »Welche Feinheit, Chef?« Steve Füllers war ein wenig ratlos. »Er ist durch die Tür gekommen, Füllers.« Der Drahtige lächelte. »Jeder andere Mensch hätte sie wie die Pest gemieden und auch das Fenster.« »Ich bestimmt, Chef«, räumte Steve Füllers ein. »Sie wären durch das Schindeldach nach draußen gestiegen, oder?« »Wahrscheinlich, Chef.« Füllers zuckte die Achseln. »Und wären dann in die Luft gepustet worden!« Der Drahtige lehnte sich zurück. Er saß auf einem umgestürzten Baumstamm und amüsierte sich königlich. »Begreifen Sie jetzt, warum ich Parker und Lady Simpson hierher gelockt habe?«
»Sie spielen Katz-und-Maus mit den beiden Typen, klar.« Steve Füllers nickte. »Sehr anregend, Füllers.« Der Drahtige schüttelte den Kopf, als sein untersetzter Begleiter das Gewehr hob. »Lassen Sie das! Für einen Schuß sind Parker und Lady Simpson mir nun doch zu schade.« Der Drahtige war Paul P. Peawood. Beherrschend in seinem hohlwangigen Gesicht waren die Hakennase und die dunklen Augen. Von diesem Mann gingen Fanatismus und Bedrohung aus. Selbst wenn er lächelte, waren seine Augen daran nie beteiligt. »Ich könnt' die beiden Typen in ein paar Sekunden umlegen«, sagte Steve Füllers enttäuscht. »Ich weiß, Füllers, ich weiß!« Paul P. Peawood nickte. »Aber der ganze Spaß hat doch gerade erst angefangen. Die Hütte dort drüben war ein erster Test.« »Haben Sie gewußt, daß die da durch die Tür nach draußen kommen würden, Chef?« »Ich habe es gehofft.« Peawood nahm das Fernglas wieder hoch und beobachtete weiter. »Ich bin nicht enttäuscht worden. Wahrscheinlich geht diese Reaktion auf Parkers Konto. Er denkt kraus, verstehen Sie? Parker versucht, sich in meine Gedankenwelt zu versetzen. « »Und wenn er das immer schafft, Chef?« »Er wird es nicht immer schaffen, Füllers .« »Sie kennen den Burschen besser als ich, Chef. Ich bin immer für 'nen schnellen Schlußstrich. Nur kein unnötiges Risiko!«
»Diesen Schlußstrich, Füllers, können wir jederzeit ziehen, verlassen Sie sich darauf! Ich denke, wir fahren zurück.« »Sie ahnen bestimmt schon, was dieser Butler jetzt tun wird.« »Grambus und Stint werden ihm längst verraten haben, daß ich in Davos wohne. Parker wird also dort erscheinen. « Paul P. Peawood stand auf und ging mit schnellen, energischen Schritten hinunter zum nahen Feldweg, wo ein Jeep stand. Er setzte sich auf den Beifahrersitz und ließ sich dann von seinem Leibwächter Füllers hinunter ins Tal bringen. Er hatte sich eine Zigarre angezündet und beschäftigte sich in Gedanken mit Parker und Agatha Simpson. Er freute sich auf weitere Begegnungen. An einer schnellen Erledigung dieser Affäre war ihm nicht gelegen. Er wollte mit seinen beiden verhaßten Gegnern spielen und sie durch alle Höllen jagen. Peawood fühlte sich ihnen haushoch überlegen und sah sich als Marionettenspieler, der die Fäden fest in Händen hielt. Er wollte seine Rache genießen. Parker und Lady Simpson hatte er es schließlich zu verdanken, daß seine Organisation in England zerschlagen worden war. Und nur zu gut erinnerte er sich an seine Flucht. Er war gehetzt und gejagt worden wie ein Wild. Dafür sollten Parker und Lady Simpson jetzt zahlen. »Sorgen Sie dafür, Füllers, daß die Sprengladungen auf dem Schindeldach wieder verschwinden«, sagte er plötzlich. »Das heißt, meiner
Schätzung nach wird Parker das wohl besorgen und dort an der Hütte warten. Kommando zurück, Füllers! Das Gesetz des Handelns bleibt bei mir.« »Wollen wir ihm nicht 'ne kleine Überraschung bereiten, Chef?« erkundigte sich Füllers. »Bis die beiden Typen in Davos sind, könnte doch noch 'ne Menge passieren, wie?« »Ich werde mir etwas einfallen lassen, Füllers.« Peawood lächelte boshaft. »Parker und Lady Simpson dürfen nicht mehr zur Ruhe kommen. Sie müssen sich schließlich freuen, wenn ich mit ihnen Schluß mache. Sie müssen mir auf den Knien dafür danken!« * »Natürlich wußte ich gleich, daß die Tür ungefährlich ist«, sagte Agatha Simpson mit der großen Selbstverständlichkeit, während sie sich von der Wand löste, an der sie automatisch Deckung genommen hatte. Man sah ihr deutlich an, daß der Schreck ihr noch in den Gliedern saß. »Eine kleine Spielerei des Mr. Peawood«, antwortete Parker. »Mit weiteren Überraschungen dürfte fest zu rechnen sein, Mylady.« »Peawood will uns das Fürchten lehren, wie?« »In der Tat, Mylady! Er forderte zu einem tödlichen Schachspiel heraus.« »Wogegen Sie hoffentlich etwas unternehmen werden, Mr. Parker.« »Mylady dürfen sich auf meine bescheidene Person verlassen«, gab
Parker zurück. »Der Weg zurück ins Tal könnte bereits weitere Prüfungen bringen.« »Sie glauben, dieses Subjekt würde uns auflauern?« »Indirekt, Mylady. Ich möchte meinen, daß Mr. Peawood vorerst nicht an einem gezielten Schuß aus dem Hinterhalt interessiert ist.« »Sondern?« »Er möchte wahrscheinlich Mylady und meine Person in den Zustand einer intensiven Nervenzerrüttung versetzen. « »Dieses Individuum kennt meine Nerven nicht, Mr. Parker.« Ihre Stimme grollte schon wieder. »Wir werden es Peawood mit gleicher Münze heimzahlen. Das bitte ich mir aus.« »Fühlen Mylady sich dem nächtlichen Fußmarsch gewachsen?« »Was für eine Frage!« Sie sah ihn strafend an. »Dieser kleine Spaziergang wird mir gut tun. Worauf warten wir noch?« »Mylady erlauben, daß man sich über den Rückweg einig wird.« »Das gibt's doch überhaupt nichts zu überlegen«, antwortete die ältere Dame. »Dort ist der Weg.« »Der im übertragenen Sinn mit Überraschungen gepflastert sein könnte.« »Dann nehmen wir eben einen anderen Weg.« »Genau darauf könnte Mr. Peawood aber ebenfalls setzen, Mylady.« »Dann marschieren wir eben einfach durchs Gelände.« »Was beschwerlich werden dürfte, Mylady.«
Parker deutete hinunter in die Dunkelheit des Tals. Die Lichter der Ortschaften waren längst eingeschaltet und machten deutlich, wie weit man zu gehen hatte und wie steil dieser Weg werden würde. »Es gäbe noch eine weitere Möglichkeit, Mylady«, ließ Parker sich vernehmen. »Sie wollen mir doch wohl nicht zumuten, hier oben zu übernachten, wie?« »Ein Vorschlag, den ich wärmstens empfehlen möchte, Mylady. Ein Feuer ließe sich schnell anzünden.« »Und was haben wir davon, wenn wir bleiben?« »Die Pläne Mr. Peawoods könnten so durchkreuzt werden. Den Abstieg könnte man darüber hinaus zu einer Zeit in Angriff nehmen, den Mylady selbst bestimmen kann.« »Also schön.« Sie war erstaunlicherweise sofort einverstanden. »Sie müssen ja immer Ihren Kopf durchsetzen. Sorgen Sie für ein Feuer!« »Und für eine bequeme Lagerstatt, Mylady.« Parker hatte sich die Situation schnell, aber gründlich überlegt. Er war nicht bereit, auf Peawoods Pläne einzugehen. Er traute diesem Gangster alles zu. Wahrscheinlich ließ Peawood die Abstiegsroute überwachen. Seine Kreaturen warteten nur darauf, in seinem Sinne zu handeln und für Verwirrung und Angst zu sorgen. Parker brachte seine Herrin in die kleine Almhütte zurück und sorgte für ein Feuer. Dann stieg er ohne große Mühe auf das Schindeldach und fand hier einige raffiniert angebrachte Sprengkörper. Sie
waren durch ein Geflecht von Kontaktschnüren miteinander verbunden. Bei öffnen und Hochdrücken der Schindeln wäre es mit Sicherheit zur Zündung gekommen. Parker barg die Sprengkörper, entsicherte sie und nahm sie dann mit zurück in die Hütte. Er wollte die Sprengkörper bei passender Gelegenheit gegen Peawood einsetzen. »Ob er versuchen wird, uns hier zu überraschen?« fragte. Lady Agatha, nachdem sie die Sprengkörper besichtigt hatte. »Ein Mann wie Mr. Peawood, Mylady, ist nur schwer auszurechnen«, gestand Josuah Parker. »Gewisse Sicherheitsvorkehrungen dürften durchaus angebracht sein.« »Und dann müssen wir wohl abwarten.« Agatha Simpsons Gesicht nahm einen grimmigen Ausdruck an. »Ich habe es gar nicht gern, Mr. Parker, herumgestoßen zu werden.« »Dieses Mißbehagen, Mylady, betrifft auch meine bescheidene Wenigkeit«, antwortete der Butler. »Darf ich mich für einige Minuten beurlauben?« »Wohin wollen Sie?« »Man sollte für einige Abwehrwaffen sorgen, Mylady«, lautete Parkers Antwort. »Mr. Peawood könnte ungeduldig werden und zurückkommen. Dafür sollte man gerüstet sein.« * Die junge Dame, die sich als May Trent ausgegeben hatte, befand sich
in einer luxuriösen Hotelsuite und hatte sich gründlich verwandelt. Sie trug einen eleganten Hausanzug und trug jetzt aschblondes Haar. Sie beobachtete Paul P. Peawood, der auf dem Balkon des Salons stand und über den See blickte. In der rechten Hand hielt er ein Funksprechgerät, das er gerade abgeschaltet hatte. Peawood kam ins Zimmer zurück. »Sie sind in der Hütte geblieben und haben ein Feuer angezündet«, sagte Peawood. »Sie werden da warten, bis es wieder hell geworden ist«, antwortete die junge Frau. Sie hieß Judy Glaston und war die Vertraute des Gangsters. »Deine Leute werden sich die Beine in den Bauch stehen.« »Dafür wird Parker keine gute Nacht haben«, sagte Peawood. »Er rechnet natürlich mit einem Überfall da oben auf der Alm.« »Ein seltsamer Mensch, dieser Parker.« Judy Glaston ging zu Peawood hinaus auf den Balkon. »Er ist doch nicht nur ein Butler, oder?« »Wie kommst du denn darauf?« »Er ist ein Herr, anders kann ich das nicht ausdrücken. Wieso macht er sich nicht selbständig? Dieser Parker könnte doch machen, was immer er will, er würde stets Spitze sein.« »Nun übertreibe nicht gleich«, gab Peawood zurück. »Du denkst doch ähnlich«, redete Judy Glaston weiter. »Würdest du dich sonst so mit ihm einlassen?« »Wir werden ihn bald selbst fragen können«, entgegnete Peawood. Er war nachdenklich geworden. »Gut, ich wundere mich auch, warum er
bei dieser verschrobenen Lady als Butler arbeitet.« »Könntest du ihm nicht ein Angebot machen?« »Ein Angebot?« »Für dich zu arbeiten, Paul.« »Ausgeschlossen!« Peawood schüttelte den Kopf. »Dazu hasse ich ihn viel zu sehr.« »Du bist der Chef.« Sie lächelte. »Oder solltest du nur eifersüchtig auf Parker sein?« Er sah sie eindringlich an, und seine Augen glühten förmlich. Der Mann wurde zu einem schmalen Strich. »Sag' so etwas nie wieder«, lautete dann die leise Antwort. »In deinem Interesse, Judy, sag' so etwas nie wieder! Mit einem Mann wie Parker spiele ich nur!« »Schon gut, Paul.« Sie merkte, daß sie zu weit gegangen war. »Du bist ihm natürlich haushoch überlegen. Was ist eigentlich mit dieser Lady los?« Er hatte sich abgewendet und sah über den Vierwaldstätter See hinaus. Es dauerte seine Zeit, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte. Er lächelte nun ironisch, als er seiner Freundin antwortete. »Lady Agatha Simpson«, zählte er auf. »Eine Frau, deren Vermögen man kaum schätzen kann. Sie kann sich leisten, was immer sie sich wünscht. Sie ist 'ne skurrile Mischung aus Marktweib und Dame. Und sie hält sich für eine Detektivin dazu. Ohne ihren Butler würde sie schon längst nicht mehr leben.« »Und Kathy Porter, Paul?« Sie fragte bewußt beiläufig, doch Peawood bekam durchaus mit, wie
brennend interessiert sie an dieser Frau war. »Eine sagenhafte Frau«, erwiderte er gezielt boshaft. »Einsame Rasse und Klasse. In allen Sätteln gerecht. Sie ist eine Frau mit vielen Gesichtern. So etwas wie sie hätte ich gern in meiner Organisation.« »Dann dreh' doch sie um«, lautete ihre Antwort. »Wann kann ich mir dieses Wundertier mal ansehen, Paul?« »Bald schon«, sagte er und lachte in sich hinein. »Du wirst Augen machen, Judy. Sie ist wirklich Spitze.« Sie ging in den Wohnraum zurück und wußte schon jetzt, daß sie diese Kathy Porter ablehnte. Sie schaltete das Fernsehgerät ein, doch sie konnte sich auf die Musiksendung, die dort gesendet wurde, nicht konzentrieren. Paul P. Peawood hatte sein kleines Funksprechgerät zur Hand genommen, schaltete es ein und fragte bei seinem Außenposten an, was es Neues gebe. Er rief diese Außenstelle wiederholt an, doch sie meldete sich nicht. Und in diesen Minuten des Wartens hatte der Gangster plötzlich das Gefühl, daß nicht alles so lief, wie er es sich vorher ausgerechnet hatte. Oben in den Bergen mußte seinen beiden Leuten eine Panne passiert sein! * Parkers Waffe bestand aus einer völlig regulären Gabelschleuder, wie Halbwüchsige sie gern verwenden.
Er hatte sie sich mit seinem superscharfen Taschenmesser aus einem Strauch herausgeschnitzt und zurechtgestutzt. Aus dem Schweißband seiner schwarzen Melone stammten die beiden Gummistränge und die Lederschlaufe zum Einlegen diverser Geschosse. Hilfsmittel dieser Art trug der Butler stets bei sich. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß man zu jeder Zeit gerüstet sein mußte. Als Geschosse gedachte er kleine Steine zu verwenden, die er neben der Almhütte reichlich gefunden hatte. Effektiver und lautloser konnte man sich wohl kaum eine Waffe vorstellen, falls sie sich in den Händen eines Meisters befand. Und Parker war ein Meister, wie sich bald zeigte. Es hatte sich bei Mylady noch mal entschuldigt und war dann in der Dunkelheit untergetaucht. Parker hatte sich auf die Pirsch begeben, um Gangster zu jagen. Er wollte einem etwaigen Angriff zuvorkommen. Dank seiner schwarzen Berufskleidung verschmolz er mit der Dunkelheit. Parker bewegte sich mit der Geschmeidigkeit und Lautlosigkeit eines erfahrenen Indianers. Die Natur war ihm nicht fremd, obwohl er sonst in einer Millionenstadt lebte. Zwei Wege führten regulär nach unten ins Tal: Da war einmal der breite Weg, der durchaus von einem Jeep befahren werden konnte. Dann gab es noch einen schmalen Pfad, der wesentlich steiler war. Parker hatte sich für diesen Pfad entschieden, denn dort hoffte er Beute zu machen.
Nach etwa zehn Minuten - er pirschte sich gerade an einen scharfen Knick heran - blieb er stehen und baute sich hinter einer dicken Fichte auf. Zigarettenrauch war ihm entgegengetrieben. Hinter dem Knick mußte einer von Peawoods Leuten stehen, der natürlich der Versuchung nicht widerstanden hatte, sich eine Zigarette anzuzünden. In der reinen Bergluft hier oben waren diese Rauchschwaden fast schon eine Beleidigung und konnten einfach nicht > übersehen < werden. Butler Parker wich nach links aus, stieg ein wenig hangwärts und schlug einen kleinen Bogen. Ihm kam es darauf an, den Zigarettenraucher in der Flanke zu erwischen. Zudem wollte er erst mal herausfinden, ob es sich nur um einen Posten handelte, oder ob Peawood dort mehrere Männer aufgestellt hatte. Nach wenigen Minuten wußte der Butler Bescheid. Es handelte sich um einen Mann, der es sich neben einem Strauch bequem gemacht hatte. Der Mann fühlte sich sicher und rauchte ungeniert. Er dachte noch nicht mal daran, die Glutzone der Zigarette hinter der hohlen Hand zu verbergen. Er konnte sich wahrscheinlich überhaupt nicht vorstellen, hier überrascht zu werden. Parker sah noch mehr. Der Mann verfügte über ein Gewehr mit Zielfernrohr. Sogar der Schalldämpfer war nicht vergessen worden. Nachdrücklicher hätte man den schmalen Pfad nicht blockieren können ...
Butler Parker holte seine Geheimwaffe aus der Innentasche seines Zweireihers, griff nach einem kleinen Stein, der rund und flach war, legte ihn in die Lederschlaufe und spannte die beiden Gummistränge. Er visierte den Mann dort unten am Strauch an und schickte das Geschoß rasant auf die Reise. Der Erfolg war frappierend. Der Mann, seitlich am Kopf getroffen, blieb zuerst noch für Bruchteile von Sekunden starr sitzen, dann aber legte er sich im Zeitlupentempo nach hinten und warf sich dem Tiefschlaf in die Arme. * »Wo haben Sie sich denn die ganze Zeit herumgetrieben?« fragte Lady Agatha verärgert, als Parker wieder in der Almhütte erschien. »Mylady werden verzeihen, meine bescheidene Wenigkeit befand sich auf einer Art Pirsch«, gab Parker zurück. »Ich darf hinzufügen, daß sie erfolgreich verlief.« »Das hört sich schon besser an. Und wen oder was haben Sie erbeutet, Mr. Parker?« »Zwei Personen männlichen Geschlechts, Mylady. Sie blockierten sowohl den Pfad als auch den Hauptweg.« »Und wo stecken diese Lümmel jetzt?« »Im Holzschuppen hinter der Hütte, Mylady.« »Wie, Sie haben die Kerle bereits hierher gebracht?« Agatha Simpson konnte sich nur noch wundern.
»Ich wollte sie nicht etwaigen Unbilden der Nacht ausliefern, Mylady.« »Ich habe aber gar nichts gehört?« Die Detektivin staunte weiter. »Ich bemühte mich um Lautlosigkeit, Mylady«, antwortete der Butler. »Und ich habe aufgepaßt wie ein Luchs«, wunderte sich die Sechzigerin. »Na ja, möglicherweise kann ich auch kurz eingenickt sein. Was sind das für Lümmel?« »Zwei handfeste Profis, wenn ich es so umschreiben darf. Sie waren ausgezeichnet bewaffnet, wie ich ergänzend hinzufügen möchte.« »Und was geschieht jetzt mit den beiden Lümmeln?« »Man sollte sich nicht weiter um sie kümmern, Mylady.« »Damit sie uns später Ärger bereiten? Das gefällt mir überhaupt nicht! Können wir sie nicht außer Gefecht setzen? Ich meine, für eine begrenzte Zeit?« »Mylady haben bestimmte Vorstellungen?« fragte der Butler gemessen und höflich. »Dafür sind Sie zuständig«, erklärte sie kategorisch. »Mit solchen unwichtigen Dingen befasse ich mich nicht.« »Es gäbe da' eine bestimmte Möglichkeit, Mylady, die aber erst noch einer genauen Überprüfung bedarf.« »Dann überprüfen Sie, Mr. Parker! Und dann möchte ich zurück in die Stadt. Glauben Sie, daß der Weg jetzt frei ist?« »Davon erlaube ich mir auszugehen, Mylady. Wenn es
gestattet ist, werde ich mich für einige Minuten beurlauben.« Die ältere Dame hatte nichts dagegen. Sie ging aber hinüber in den kleinen, niedrigen Schuppen, in dem sich die beiden Gangster befanden, die inzwischen wieder zu sich gekommen waren. Parker hatte sie an Händen und Füßen gefesselt. Sie blinzelten in das Licht der Kerze, die Lady Agatha mitgenommen hatte. Und dann beging einer der beiden Männer einen Kardinalfehler. Er trat mit seinen gefesselten Beinen nach der Besucherin. Sekunden später bereute er es sehr. Agatha Simpson hatte ihm eine Ohrfeige verpaßt, die nicht von schlechten Eltern war. Der Mann sackte halb betäubt zurück und schnappte nach Luft. »Flegel«, kommentierte die Lady diesen Angriff auf ihre Person. »Was erlauben Sie sich eigentlich? Sie haben es mit einer älteren, hilflosen Dame zu tun.« »Ich ... Ich habe nichts getan«, sagte der zweite Gangster schnell. Er duckte sich und suchte Deckung. »Schade«, meinte Agatha Simpson grimmig. »Wo wird Miß Porter festgehalten? Kommen Sie mir ja nicht mit faulen Ausreden! Sie werden eine ungefähre Ahnung haben.« »Das ... Das weiß nur der Chef«, gab der Angesprochene hastig zurück und beobachtete Lady Simpsons Hand. »Und der redet nur mit Füllers.« »Halt's Maul, du Idiot!« Der Geohrfeigte sah seinen Partner giftig an.
»Was soll denn das?« Lady Simpsons Stimme grollte, bevor die Sechzigerin noch mal nachdrücklich zulangte. Der Mann mit dem giftigen Blick kassierte eine neue Ohrfeige und sah nur noch Sterne. »M... Mehr weiß ich nicht«, stammelte der zweite Mann beeindruckt. »Wer ist Füllers?« wollte Lady Agatha wissen. »Reden Sie schnell, sehr schnell, ich glaube nämlich, daß ich sonst ärgerlich werde!« »Steve Füllers«, folgte die überhastete Antwort prompt. »Er ist die rechte Hand vom Chef.« »Peawood also, der sich hier in der Schweiz Richard Canters nennt?« »Sie wissen's ja schon«, seufzte der Mann erleichtert auf. »Ich ... Ich habe nichts gesagt.« »Und wo finde ich diesen Füllers unten in der Stadt?« Agatha Simpson rieb die Innenflächen ihrer Hände betont gegeneinander. Deutlicher konnte eine Geste kaum sein. »Ehrlich, Madam, ehrlich, Ehrenwort, ich weiß es nicht.« »In 'ner Pension in der Altstadt«, ließ sich überraschenderweise der Geohrfeigte vernehmen. »Der Laden heißt >Zum PilatusGalerie