KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN N A T U R - U N D K U LT U R K U N D L l C II E H E F T E -
OTTOZIERER...
58 downloads
953 Views
527KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN N A T U R - U N D K U LT U R K U N D L l C II E H E F T E -
OTTOZIERER
ATHEN GÖTTER. G E L E H R T E U N D E R O B E R E R
VERLAG MUBNAÜ
SEBASTIAN
-MÜNCHEN
LUX
-INNSBRUCK •BASEL
Die Wege nach Attika Heute erreicht man Athen, das Sehnsuchtsziel vieler seit Jugendtagen, auf drei Wegen: über die Meere, über den Balkan oder auf einer der Luftverkehrslinien. Einer der Seewege kommt von Westen, von Italien her. In der Abenddämmerung hat das Schiff Brindisi verlassen, die rege Hafenstadt, die wie ein Sporn am Absatz des italienischen „Stiefels" sitzt. Hier endete einst die Appische Straße, die berühmte Militärund Handelsstraße des Römerreiches, und hier begann ihre Fortsetzung in der Schiffahrtsstraße, die über das Ionische Meer nach Griechenland hinüberführte. Unser Zweitausendtonner nimmt während der Nacht den gleichen Kurs, auf dem einst die römischen Legionäre, Handelsherren, Provinzgouverneure und Studenten die Küste von Hellas angesteuert haben. Das Wasser ist hier, wo das Adriatische Meer mit dem Ionischen Meer zusammenstößt, oft sehr bewegt. Aber in der ersten Morgenirühe, wenn Ithaka und der Eingang in- den Golf von Patras in Sicht kommen, haben sich die Wogen geglättet. Hinter der bastionenreichen Enge von Patras öffnet sich spiegelblank der Golf von Korinth, der langgestreckt und tiefeingeschnitten Mittelgriechenland und die peloponnesische, südgriechische Halbinsel trennt. Weit hinter den kahlen Uferbergen ahnt der Reisende im Süden Olympia und Sparta und die Burgen der Fürsten von Tiryns und Mykenä, nach Norden hin das heilige Delphi, das uralte Orchomenos und das „siebentorige" Theben, lange Zeit die erbitterte Gegnerin Athens, Geburtsort des altgriechischen Nationaldichters Pindar. Gegen Mittag steigt im Osten das Bergmassiv Akro-Korinth über die blaue Golffläche, an dessen Hang sich über der modernen Stadt die Ruinen des alten Welthandelsplatzes Korinth ausbreiten. Die Stadt beherrschte einst den Isthmus von Korinth, die einzige feste Landbrücke zwischen dem Peloponnes und Mittelgriechenland. An der schmälsten und niedrigsten Stelle der Landenge wurde in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein schluchtartiger Durchlaß geschaffen, der „Kanal von Korinth". Der Lotse kommt an Bord; denn das Durchfahren mit einem Schiff mittlerer Größe ist gleichsam Millimeterarbeit; größere Schiffe müssen den Peloponnes umrunden und einen Umweg von mehr als 300 Kilometern machen, um nach Athen zu kommen. Die Maschinen werden auf Schritt-Tempo gedrosselt, und doch hat der Reisende das Gefühl, daß in dieser Klamm etwas schief gehen müsse. Man glaubt, die bis
zu achtzig Meter steil aufsteigenden Kanalwände rechts und links mit den Fingerspitzen streifen zu können. Aber die Ängste sind unbegründet. Wenn nach sechs Kilometer Fahrt das östliche Kanalende in Sicht kommt — wie das immer größer werdende Ausgangsportal eines Tunnels —, kann sich das Herz des Reisenden beruhigt wieder dem Kommenden zuwenden, jenem ersehnten Augenblick, da die Weite des Saronischen Golfes gewonnen ist und die berühmten Inseln Ägina und Salamis ins Blickfeld treten, dahinter die Halbinsel Attika und an ihrem Saum, breithingelagert und aufsteigend, der athenische Hafen Piräus. Darüber schweben die schimmernden Marmorgebilde der Akropolis. Das sind Augenblicke und Bilder, die für immer in der Erinnerung haften . . . Unvergeßlich ist auch die Anfahrt von Osten her, von den Meerengen Konstantinopels herab, durch das Marmarameer und die Dardanellen, vorüber an der trojanischen Ebene mit dem in der Ferne blauenden Ruinenhügel der homerischen Stadt. Der Dampfer durchfährt die klassische Welt der Inseln mit den Namen Imbros, Tenedos, Lemnos und Lesbos. Delphine umspielen, aus tintenblauer See aufschnellend, das Schiff, das sich nach einer Tag- und Nachtfahrt der Südspitze der Halbinsel Attika nähert. Zart in den seidigen Himmel gemalt, verkünden die schneeweißen Ruinen des Poseidontempels auf Kap Sunion die Nähe des athenischen Landes. Man sagt, daß die antiken Schiffer bei Kap Sunion schon das Blitzen der vergoldeten Spitze auf dem Speer der „Athene Promachos", der Vorkämpferin Athene, erblickten, deren Standbild einst auf der Akropolis emporragte. Das Schiff läuft — diesmal von Süden her — in den Saronischen Golf ein. Man sieht an Backbord die Insel Ägina blauen und vor dem Bug die kahlen Felsen von Salamis emporsteigen. Phaleron, der älteste der attischen Häfen, der heute Fischereiund Jachthafen ist, schmiegt sich in die Felsen; der Piräus — das Werk des Themistokles — liegt mit dem Gegitter der Masten und Schornsteine vor dir. Vorüber an rostigen Schiffsriesen, die arbeitslos vor der Kette liegen, an Tankern, weißen Luxusdampfern und zahllosen Frachtern, findet das Schiff seinen Anlegeplatz in einem der zahlreichen Hafenbecken. Kräne ächzen, Motore rattern, Schlepper wühlen die trüben Wasser auf, der vielfältige Lärm eines modernen Hafens empfängt den Reisenden. Aber ebenso schön ist es, von Eleusis und von den Felsnasen beim Kloster Daphne im Zuge der Heiligen Straße herabzusteigen 3
und sich der Stadt zu nahen. Auch von dieser Seite her liegt lange Zeit die ferne Akropolis wie eine verzauberte Insel vor dem Blick. Im warmen Licht ihres pentelischen Marmors ist sie vor den dunkler werdenden Osthimmel gezeichnet, während die Sonne golden hinter die Felsen von Eleusis hinabrollt. Und es bleibt noch der dritte Weg — der des Ikarus —, der durch den samtweichen, strahlenden Himmel führt, die Luftreise zum Athener Flughafen, der draußen an der Straße bei Phaleron liegt. Noch trägt man die unvergeßlichen Bilder der Balkanschluchten und des von Wolken umwitterten Götterberges Olymp in sich, das schneeige Strahlen des Parnass und das silberne Blinken der See mit ihren zahllosen, grüngrauen Inseln — da breitet sich jählings hinter dem Kamm des Hymettos das Gewürfel der großen Stadt aus, und deutlicher, als man es vom Meer oder vom Lande her erkennen kann, hebt sich der in ihr Herz gestreute antike Teil hervor: der Fels der Götter mit den zarten Umrissen der Tempel, die weiten Ruinenflächen des antiken Marktes, das Töpferviertel, der Nymphenhügel, die Pnyx — bis ins 4. vorchristliche Jahrhundert der Platz der Volksversammlung — und die Römerstadt mit dem Olympeion-Tempel. Woher aber auch immer der Suchende Athen betritt, er findet sich plötzlich im Gewühl einer südlich-lebhaften, von Geschäftigkeit überschäumenden Stadt. Breite Autostraßen oder die Untergrundbahn bringen den Fremden durch endlose von Industriebauten, Lagerhäusern und grauen Wohnvierteln gezeichnete Vorstädte in das Zentrum.
Gibt es noch Alt-Athener? Wer zu sehen vermag, der beginnt die Entdeckungsfahrt durch die lange Geschichte Athens auf dem Fisch- oder Gemüsemarkt und liest in den Gesichtern der Menschen die Schicksale dieser Stadt. Etwa in der Mitte der Athina-Straße, die den Omonia-Platz und den Fuß der Akropolis verbindet, liegen sich Fisch- und Gemüsemarkt gegenüber. Schon am frühen Morgen, wenn die Fischer von Phaleron die Fänge der Nacht herangeschafft haben und die Obsthändler die Planen von den Bergen goldener Orangen, gelber Birnen und grünvioletter Artischocken ziehen, wogt hier das Volk, das die auf- und abbrandende Flut der Geschichte an den Strand Anikas getragen hat. Der kleine schwarzhaarige Rundkopf mit der klobigen Nase, der mit überschlagender Stimme „Lemoni! Avgäs! 4
Die Akropolis, das Dionysos-Theater und das Theater des Herodes: Poli kales Patates!" (Zitronen! Eier! Sehr schöne Kartoffeln!) ausruft, mag das späte Abbild eines vorgriechischen Pelasgers sein. Vor seinem Marktstand steht, den Knoten rötlich-kupfernen Haares im Nacken geschürzt, mit klassisch edlem Profil und veilchenblauen Augen eine junge Griechin, die — trüge sie den Chiton, das gefältelte Untergewand, und den Peplos, das um die Schultern geschlagene Tuch — eine Schwester der Aspasia, der Gattin des Perikles, sein könnte. Der Herr, der sie begleitet, hochgewachsen, dunkelhaarig und feueräugig, von edler Haltung und klarem Gesichtsschnitt, scheint ein Nachfahre der makedonischen Eroberer zu sein. Drüben in den Hallen des Fischmarkts entdecken wir hemdärmelig, klein und gedrungen hinter einem Zuber mit lebendigen Tintenfischen einen Mann mit einem Antlitz, wie man es sonst nur in Marmor gehauen in italienischen Museen findet. Er könnte ein Römer-Nachkomme sein, dieser Fischhändler mit dem verpflichtenden Namen Sokrates. Alle weit überragend, schleppt ein goldhaariger Riese einen geschlachteten Thunfisch herbei und wirft ihn auf das Eis. Wie er so 5
dasteht, grimmig, muskulös und ein wenig barbarisch, erinnert er an Goten, Waräger oder Frankenritter, die alle in dieser Stadt ihre Spuren hinterlassen haben. Dem alten Herrn mit dem wallenden Vollbart, dem ein kleiner Junge die Einkaufstasche nachträgt und der mit der Miene eines Feinschmeckers sich selbst sein mittägliches Fischgericht aus dem Besten wählt, fehlen nur das Samtwams, der pelzverbrämte Umhang und die Ehrenkette auf der Brust, und Tintoretto hätte ihn als venezianischen Edelmann malen können; denn auch die Venezianer haben eine Zeitlang das Antlitz dieser Stadt mitgeprägt. Der Junge aber, der dem „venezianischen Edelmann" — der übrigens Piaton heißt und ein Schuhgeschäft betreibt — soeben die geöffnete Tasche reicht, ist barfüßig und abgerissen. Sein kahlgeschorener Kopf, der gelbbraune Teint, die schwarzen Jettaugen hinter den mongolischen Lidfalten verraten deutlich, daß in seinen Adern Türkenblut fließt. Wenn wir uns umschauen, so begegnen wir allen, die jemals eine Rolle in der Geschichte dieser Stadt gespielt haben: darunter auch Slawen, Albaner, Deutsche, Franzosen und Briten und all die Mischungen, die sich aus der Vielfalt ergeben haben. Umso erstaunlicher bleibt, daß trotz aller Dezimierung und Ausmordung durch Schwert, Pest und Hunger verhältnismäßig viele Typen unsere Wege kreuzen, die aussehen, wie wir uns die alten Athener vorstellen. Nur — leider! Gerade diese Menschen sind, forscht man ihrer Herkunft nach, meist später zugewanderte Thraker, Albaner oder bestenfalls 1922 aus Kleinasien vertriebene Kolonialgriechen. Es sieht schlecht aus mit den Nachfahren der klassischen Hellenen. Schon um das Jahr 270 n. Chr. hat der attische Schriftsteller Dexippos festgestellt: „Es gibt kaum mehr echte Griechen! Hellas ist ein sterbendes Land . . . "
Die Griechen wandern ein Niemand weiß, wann die Stätte Athens zuerst von Menschen besiedelt worden ist. Jedenfalls muß die durch Gebirgsketten gegen das übrige Griechenland abgeschlossene Halbinsel Attika mit dem ragenden Bergfelsen der nachmaligen Akropolis schon sehr früh, vielleicht schon im dritten Jahrtausend vor Christus, den Anreiz zur Anlage einer geschürzten Siedlung gegeben haben. Vermutlich war die Urbevölkerung ein Mischvolk, das über See hergekommen war. Sicher hatten diese vorgriechischen Bewohner des athenischen Landes schon engere Berührung mit der Kultur des Seereiches von Kreta, 6
das einen regen Handel nicht nur mit Syrien und Ägypten betrieb, sondern seine Erzeugnisse — ö l , Getreide, Wein, Gewebe, Rollsiegel und Töpferwaren — auch nach Griechenland brachte. In jene Zeit, als im Niltal bereits die Neuzeit des uralten Pharaonenreiches begonnen hatte, als am Euphrat und am Tigris Altbabylonien und Altassyrien sich entfalteten und weiter westlich das Hethiter-Reich sich zur ersten kleinasiatischen Großmacht erhob, verlegt die Sage die Thronbesteigung des ersten vorgriechischen athenischen Königs und die Auftürmung der Zyklopenburg auf der Akropolis. Doch schon zu Anfang des zweiten Jahrtausends v. Chr. begannen Völker ganz anderer Herkunft über den Balkan nach Griechenland einzuwandern; auch die Halbinsel Attika, an deren Westküste Athen liegt, wurde im Laufe dieses Jahrtausends von ihnen besiedelt: es waren die indogermanischen Griechen. Sie mögen im Schutz des Burgberges ihre hölzernen Gehöfte gebaut haben, und auch sie entzogen sich zunächst nicht dem kretischen Einfluß. Aber sie waren kulturkräftig genug, das Übernommene in ihre eigene Lebenswelt einzuschmelzen. Später segelten sie dann selber nach Kreta hinüber, unterjochten es und zerstörten seine Paläste und Städte. Die griechische Legende erzählt von dem Sieg Athenes, der Tochter des Zeus, über Poseidon, den Meergott, und von der Einsetzung des Erechtheus als des ersten eigentlich griechischen Königs. Die Gönnerin des Erechtheus, Athene, pflanzte ihm in den Schatten des Heiligtums auf der Akropolis den ersten Ölbaum, den sie von Kleinasien herübergebracht hatte, als Friedensunterpfand und als Symbol zeitlosen Gedeihens. Seit diesen Urtagen wird auf der Akropolis, dicht am Erechtheion-Tempel, stets ein heiliger Ölbaum gehegt, der in ungebrochener Reihenfolge von dem ersten Ölbaum abstammen soll, den die Göttin der Griechenwelt geschenkt hatte. Vielleicht ist die Sage vom Sieg der griechischen Lieblingsgöttin Athene über den seebeherrschenden Poseidon ein Hinweis auf jene Kämpfe, in denen die über Land gekommenen griechischen Bauernkrieger die Macht des meergewaltigen Kreta gebrochen haben. Kurze Zeit, nachdem Kreta dem Ansturm der festländischen Griechen erlegen war, ging eine neue Wanderwelle über Griechenland hin. Von nachdrängenden Nordstämmen angestoßen, verließen um etwa 1230 v. Chr. die Dorer ihre bisherigen Wohnsitze in Mittelgriechenland und zogen südwärts, dem Peloponnes entgegen. Dabei drängten sie andere Stämme an die Ränder, vor allem in das geschützte Attika hinüber, das dadurch einen weiteren starken Zu7
wachs erhielt. Weil Anika nicht alle zu ernähren vermochte und viele über See gehen mußten, zu den Inseln hinaus, ja bis Kleinasien hinüber, wo sie Städte wie Milet oder Ephesus gründeten, nannten sich, so sagt man, die ewig Ziehenden „Ionier", Wanderer. Attika und Athen waren lange Zeit im Besitz der Ionier; eine langwährende Erbfeindschaft mit den Dorern, die auf dem Peloponnes die überlegene Macht Spartas begründeten, bahnte sich an. Aber auch Attika rührte seine politischen Kräfte. Das frühe Athen wurde von Königen regiert, die Bevölkerung teilte sich in Adel, Gewerbetreibende und Landbauern. Außerhalb der Ordnung standen die Sklaven. Noch war Athen eine kleine Landgemeinde, die im Schutz der überkommenen Felsenburg lebte. Den Göttern der indogermanischen Heimat und den Göttern der unterworfenen Urbewohner waren auf der Akropolis Altäre und steinerne und hölzerne Heiligtümer errichtet. Dem kleinen athenischen Staat gab nach dem Ende der Königsherrschaft um 600 v. Chr. der Aristokrat Solon die erste wirkliche Verfassung, in der die politischen Rechte der Bürger nach dem Besitz und Einkommen gestaffelt wurden. Solon führte auch den lange schwelenden Krieg gegen das damals noch übermächtige Inselchen Salamis endlich zum Sieg.
Geburt der Demokratie Nun wuchs und blühte die Stadt. Metöken — Fremde, die gegen Kopfsteuer und ohne Stimmrecht den Schutz der Stadt genossen — saßen um den Kern Athens, das immer noch aus Fachwerkbauten, hölzernen Gehöften, Buden und wenigen unter freiem Himmel liegenden Altären bestand. Unter der milden Diktatur des altathenischen Adeligen Peisistratos enstand um 550 auf der Akropolis der Hundert-Fuß-Tempel, Vorläufer des Parthenons. Er förderte die Kunst der Vasenmalerei, erbaute der Stadt die große Wasserleitung und schenkte ihr das allathenische Fest, die „Panathenäen", die in jedem olympischen Jahr mit Festzug und Wettkämpfen gefeiert wurden. Peisistratos gilt als der eigentliche Begründer der athenischen Machtstellung. Seine Söhne Hipparch und Hippias aber wurden nach seinem Tode verjagt. Der ungebrochene Freiheitssinn der Athener trug im Jahre 510 v. Chr. den edlen Kleisthenes empor, der den Einfluß des Adels für immer beseitigte.
S
Erechtheion mit der Karyatidenhalle und (rechts) der Parthenon-Tempel. Die Szene spielt gegenüber dem Akropolis-Berg in der steinernen Felsenarena Pnyx am Nymphenhügel. Die Menschen im weißen Chiton drängen zu Tausenden die Terrassen hinauf und lassen nur die von skythischen Polizeisklaven abgesperrten Blöcke in der Mitte der Felswand frei. Aus den Wohnhöhlen des Nymphenhügels, vom Topf- und Vasenmarkt — dem Kerameikon — und von der zu Füßen der Akropolis liegenden Agora, dem Hauptmarkt, schieben sich die Massen lärmend heran. Leidenschaftlich ist der Redekampf der Politiker. Immer deutlicher wird, daß die Partei der Adeligen diesmal nicht gewinnen wird; Bauern, Handwerker, Fischer sind gewillt, der Stadt eine neue, bessere Verfassung zu geben. Der freie Bürger soll künftig die Geschicke des Stadtstaates bestimmen. Auf dem Versammlungsplatz der Pnyx, umsäumt von Wohnhöhlen, Gräbern, Zisternen und Treppen, und angesichts der Akropolis 9
und der Agora wird der Staat in eine neue Form gegossen, die nun auch auf politischem Gebiet die Trennlinie zum benachbarten Erdteil Asien deutlich macht, wo Tyrannen, Gottkönige und Satrapen über willenlose Massen regieren. Zug um Zug taucht ein junges, strahlendes Antlitz aus der Dämmerung der Geschichte empor, das Antlitz eines eigenständigen, sich selbst bestimmenden Erdteils, der Europa heißt. Schon längst hat die Griechenwelt sich vom Zauberbann der asiatischen Magie gelöst, und ihre Philosophen bemühen sich, ihr ein eigenes Lebensbild zu entwerfen. Schon ist die Kunst freier, menschlicher geworden und kehrt sich dem Ideal der Schönheit und des allumfassenden Ausdrucks zu. Dem asiatischen Beschwörer und Dämonenpriester stellt Griechenland den Gelehrten, den Forscher, den Weisen gegenüber; gebrochen ist auch der Bann der Mysterienkulte drüben in Eleusis und Delphi im Tageslicht der Vernunft. Auf der Pnyx zu Athen vollendet sich die Loslösung der kleinen Halbinsel Europa vom Riesenleib Asiens, indem sich ein freies, selbstbewußt gewordenes Volk eine demokratische Staatsform gibt, in der die Gesamtheit der Bürger und der ausgeloste Rat der Fünfhundert die Entscheidungen trifft. Aber es wird das Bekenntnis zur Freiheit in einem weltweiten Krieg erhärten müssen, den Asiens Vormacht — Persien — vor allem gegen die Stadt führen wird, die des Griechentums Haupt und Herz ist: Athen.
Sieg bei Marathon und Salamis Als der entscheidende Kampf der Kontinente losbricht, gewinnt Athen die erste Runde bei Marathon, auf dem „Fenchelfeld", 42 Kilometer entfernt am anderen Ufer Attikas, wo seine Hopliten, die Schwerbewaffneten, unter dem Kommando des Fürsten Miltiades im Jahre 490 die Perser ins Meer werfen. Aber man ist klug genug in Athen, um zu wissen, daß eine Großmacht wie Persien sich damit nicht geschlagen geben wird. Der Sohn des Miltiades, Kimon, baut die Akropolis zur Festung aus; noch heute zeugt die am südlichen Steilabfall mächtig getürmte Mauer von seinem gigantischen Unternehmen. Jüngere politische Führer der Stadt freilich glauben, daß auch noch so gewaltige Festungsmauern das nahende Unheil nicht aufzuhalten vermögen. Etwas ganz Neues, Umwälzendes muß geschehen, das Leben Athens zu retten. Themistokles, ein Mann aus zugewandertem Geschlecht, der deshalb seine Ausbildung in dem weniger vornehmen, vor den 10
Manni Hesse
Digital unterschrieben von Manni Hesse DN: cn=Manni Hesse, c=DE Datum: 2007.01.01 07:27:08 +01'00'
Stadtmauern gelegenen Gymnasium Kynosarges erhalten hat, ist es, der Athens alte Bindung zum Lande lösen und den Stadtstaat aufs nahegelegene Meer hinausführen will. Er holt sich aus Delphi einen Orakelspruch, der vom Schutz durch „hölzerne Mauern" spricht, und Themistokles deutet den orakelhaften Spruch im Sinne seiner eigenen militärischen Absichten: die „hölzernen Mauern" sind Kriegschiffe. Athen geht auf die allbeherrschende See. An Stelle des alten Fischerhafens Phaleron wird der Piräus zum Kriegshafen ausgebaut, Dreiruderer werden auf Stapel gelegt, Ruderer, Matrosen und Schiffsführer ausgebildet und die Kosten für die Seerüstung durch die Erträgnisse aus den Silberbergwerken von Laurion eingebracht. Hart sind die politischen Auseinandersetzungen mit der wenig fortschrittlichen Partei des Aristides, der schließlich als mißliebiger Bürger durch das „Scherbengericht" verbannt wird. Der Weg ist frei. In kurzer Zeit sind hundert Kriegsschiffe zum Einsatz bereit. Denn schon zieht der persische Großkönig Xerxes mit unendlichen Heerscharen aus Asien heran. Durchbricht er die Sperre am Thermopylen-Paß, so ist Attika den plündernden Horden preisgegeben. Die Stunde Athens hat geschlagen. Mit Sack und Pack, Kindern, Alten und Sklaven ziehen die Schwerbewaffneten zum Piräus ab, setzen nach der Insel Salamis über und bemannen die Flotte, die sich mit den Geschwadern Äginas, Korinths, Spartas und der griechischen Inselstaaten vereint. In die ausgestorbenen Gassen Athens aber dringen nach ihrem Sieg an den Thermopylen die skythischen Bogenschützen, die Vortrupps der persischen Panzerreiter und der zahllosen Hilfsvölker des Großkönigs. Sie finden vereinsamte Gehöfte, leere Marktbuden und verlassene Tempel vor. Als sie die gewundene Bergstraße zur Götterburg hinaufsteigen, sehen sie den ragenden Felshügel des Areopag, auf dem der Rat der Alten zu tagen pflegt, von weißgekleideten Gestalten bedeckt. Die Väter der Stadt haben die schmähliche Flucht abgelehnt, sie wahren das Heimatrecht und sind zurückgeblieben. Die Pfeile schwirren von den Sehnen. Aus dem Pinienwald zu Füßen des Areopag kommen die tödlichen Geschosse, und Mann für Mann stirbt schweigend der Senat Athens. Vom fernen Salamis aus sehen die Flüchtlinge, wie sich schwarze, feuerdurchlohte Wolken über der Akropolis ballen und wie ihre Stadt in Schutt und Asche sinkt. 11
Wenige Zeit später stehen sich die Flotten in der Meerenge gegenüber, die sich zwischen der Insel Salamis und der Festlandküste erstreckt. Großkönig Xerxes hat sich einen Thronsitz in die Felswand nahe Eleusis schlagen lassen und wird Zeuge seiner vernichtenden Niederlage. Er flüchtet nach Asien zurück und hinterläßt seinen Schwager Mardonios mit dem Landheer, das ein Jahr später bei Platäa vernichtet wird. Griechenland hat gesiegt, Europas Weg in die Zukunft ist gesichert, und Athen und seine Flotte haben den Triumph erkämpft. N u r : Athen liegt in Trümmern.
Das Goldene Zeitalter Wie ein Phönix steigt die Stadt, schöner als je zuvor, aus der Asche. Der Mann, der über die jetzt anhebende glücklichste Epoche des Stadtstaates herrscht, ist der Sohn des Admirals Xanthippos, Perikles, der als Achtzehnjähriger bei Salamis mitgefochten hat. Athen wird eine einzige Baustelle. Die neue Akropolis wird aus dem Marmor errichtet, den man am nahen Pentelikon-Berge bricht, kein hölzernes Heiligtum zeugt mehr von alter Zeit. Perikles findet geniale Helfer in den Baumeistern Iktinos und Kallikrates und in dem Bildhauer und Architekten Phidias. Tausende von Steinmetzen werken mit ihren Gehilfen an Säulenstämmen, marmornen Balken, Steinstufen, Friesen, Giebelfiguren und Ornamenten. Einer der dort meißelnden Steinmetze heißt Sokrates, der die einfachen Leute ins Gespäch zieht und die Jugend um sich sammelt, mit ihnen philosophiert und die sittlichen Grundlagen ihres Lebens erneuern will. Mit seinem Freunde, dem gelehrten Anaxagoras und dem feinsinnigen Phidias weilt Perikles auf den Werkplätzen, auf denen die Bauten und Plastiken immer schöner und vollkommener emporwachsen. Krönung soll das „Jungfrauengemach" der Stadtgöttin Athene sein, der Parthenon-Tempel. Unvergleichlich ist die nicht errechenbare Harmonie im Zueinander seiner Länge, Höhe und Breite und im Zusammenklang seiner Bauglieder. Dramatisch bewegte Szenen entstehen auf den Metopen, den Friesplatten, und den langen Reliefbändern. Gewaltig sind die Figuren, die unter der Leitung des Phidias mit der Darstellung der Götter- und Kentaurenkämpfe in den Tempelgiebeln entstehen. Nahe an den Propyläen — den Eingangstoren zum heiligen Bezirk — ragt über 16 Meter hoch die 12
Statue der Athene Promachos auf, deren Schild und Speer mit Gold bedeckt sind. Auf vorspringender Felsnase neben dem Portalbau wächst der Tempel der Nike auf, der Siegesgöttin, in edelstem ionischem Stil, zugleich eines der Schatzhäuser des neugegründeten Attischen Seebundes, eines Verteidigungspaktes, dessen Haupt und Führerin Athen ist. Neuerrichtet wird auch das von den Persern verbrannte Erechtheion, jetzt der zweite Tempel zu Ehren der Stadtgöttin Athene. Er birgt den heiligen Salzwasserbrunnen und die Dreizackspur des Poseidon. Ihm vorgelagert ist eine offene Halle, deren Gebälk von Koren — Mädchenfiguren — getragen wird. Man nennt diese Koren auch Karyatiden, und in diesem Namen erhält sich ein Stück bezeichnender Zeitgeschichte. Im Winter 480/479, als die persische Besatzungstruppe in Attika und einem Teil Mittelgriechenlands lag, gab es Mädchen, die sich mit den Eroberern anfreundeten. Nach dem Sieg mußten die „Besatzungsmädchen" Zwangsarbeit beim Wiederaufbau leisten. Besonders berüchtigt waren die Mädchen aus Karyä. Aus Spott nannten die Athener jene gebälktragenden Jungfrauen der Korenhalle „Karyatiden". Freilich murren viele der kleinen Inselstaaten des Attischen Seebundes, Perikles verschwende die eingezählten Summen beim Bau seiner Götterburg. Aber der Herr Athens ist trunken von der Schönheit, der Größe und dem Glanz der leuchtenden Tage. Auch die Innenstadt Athens läßt er schmücken. Über der Agora entsteht das Hephaistion oder Theseion, das Heiligtum des sagenhaften Stadthelden Theseus. Der Marktplatz erhält das Odeion — eine Musikhalle —, das neue Rathaus, die „Bemalte Halle" und die herrlichen Säulengänge. Zu Füßen der Akropolis wird das alte Dionysostheater erneuert, über dem sich am Berghang die schlanken Säulen des Asklepieions erheben, der Kultstätte des Asklepios, des Gottes der Heilkunde. Zum Piräus, der etwa eine Wegstunde vom Stadtzentrum Atnens entfernt ist, werden die dreifachen „Langen Mauern" gebaut, die der gesamten attischen Bevölkerung im Kriegsfalle Schutz gewähren können. Hier werden im Belagerungsfalle die Viehherden zusammengetrieben, und die Bewohner der Umgebung errichten sich in dieser dreifach gesicherten „Fluchtburg" Zelte und Laubhütten. Die Hafenstadt selbst wird mit Lagerhäusern, Werften, Türmen und Schiffshäusern ausgestattet, in denen weltweit verpflichtete Seehandelsgcsellschaften ihren Sitz haben. 13
Während in den Gymnasien Gelehrte wie Anaxagoras, Protagoras oder Gorgias lehren, spielt man im Dionysostheater die Tragödien der zeitgenössischen Dichter: Äschylos, Sophokles und Euripides. Die Lebenszeiten dieser großen Drei sind seltsam mit der Schlacht von Salamis verbunden. Äschylos, der schon bei Marathon als Hoplit mitgekämpft hat, steht bei Salamis als Schwerbewaffneter auf der „Paralos"; Sophokles, im Jahre 480 noch ein Jüngling, führt nach dem Sieg über die Perser den Waffentanz der Jugend bei Salamis an, und Euripides wird, als seine Mutter durch das furchtbare Geschehen erschreckte, am Strande von Salamis zu früh geboren. Im Jahre 472 wird die Tragödie „Die Perser" von Äschylos — das erste wirkliche Drama der Literaturgeschichte — im Dionysostheater uraufgeführt. Die Dramen des Sophokles folgen. Es sind Spiele um die Allmacht der ins Leben der Menschen eingreifenden Götter. Euripides aber schafft schon modern anmutende, aus den Charakteren der Rollen sich entwickelnde Gesellschaftsstücke. Der letzte in der Reihe — Aristophanes — ist mit einem modernen Kabarettisten zu vergleichen, der seinen Geist und Witz in der Kritik versprüht und politische Absichten damit verbindet. Aristophanes gehört zur Partei derer, die Perikles angreifen, über sein Verhältnis zur veilchenlockigen Milesierin Aspasia schmähen und die zum Umsturz drängen. Wer aber baut, schafft und werkt das Ungeheuere? Dieses klassische Athen zählt etwa fünfhunderttausend Einwohner. Doch nur etwa vierzigtausend sind freie, stimmberechtigte Bürger. Die übrigen sind Unfreie und Sklaven ohne Namen, ohne Recht und Gesicht. Noch zu Lebzeiten des Perikles verdunkelt sich der Himmel über Athen. Der Kampf mit Sparta um die Vorherrschaft in Griechenland beginnt. Der überkommene Stammeshaß der Dorer und der Ionier kommt in dem dreißigjährigen Peloponnesischen Krieg zum Ausbruch. Als Perikles im Jahre 429 der in Athen wütenden Pest erlegen ist, entbrennt der Kampf mit aller Leidenschaft. Athen unterliegt und geht durch eine Zeit übler Wirren. Aber auch aus diesen Jahren leuchten Namen strahlenden Glanzes auf: die Namen eines Piaton und eines Aristoteles und die der Redner und Staatsmänner Demosthenes und Äschines. Wie Sterne stehen sie am verdüsterten Himmel Attikas. Dann wagt eine neuaufstrebende Großmacht aus dem griechischen Norden den Sprung mitten hinein in die innergriechische Uneinigkeit. König Philipp von Makedonien schlägt im Jahre 338 die Ver14
einigten Griechen bei Chäroneia; sein Sohn Alexander macht aus Griechenland und damit auch aus Athen eine Provinz. Die Zeit der Klassik wechselt hinüber in die des Hellenismus, jener Epoche, in der die Kultur Griechenlands zur Zivilisation fast der ganzen bekannten Welt wird.
Makedonen, Kelten, Römer Von der Akademie des Piaton am Kephissosbach und vom Lykeion des Aristoteles am Ilissos vermag der Athener heute nur noch die Stellen zu zeigen, wo sie gelegen haben; von der dritten der großen Philosophenschulen, die sich wie ein Abschiedsgeschenk der Antike im Herzen der unvergleichlichen Stadt ausbreitete, kann man dem Fremden nur noch einige Basismauern auf der Agora vorweisen: Reste der „Bemalten Halle", in der die Philosophen Zenon und Kleanthes einst die Philosophie und Tugendlehre des Stoizismus verkündet hatten; die Tugenden der Gerechtigkeit und Einsicht, der Tapferkeit und Besonnenheit und die vollkommene Pflichterfüllung im Dienst der Menschheit. Die hellenistische Zeit, die Zeit nach Alexander dem Großen, hat in der Stadt selbst nur ein paar Grabmaler hinterlassen. Wenn man weitere Spuren der hellenistischen Epoche finden will, muß man die Athener Museen besuchen, in denen sich die geretteten Bildwerke in Bronze und Stein gesammelt haben. Die drei großen Museen des heutigen Athen, das Archäologische Museum nahe der Universität, der prunkvolle Bau des AgoraMuseums und der in einer Senke der Akropolis gelegene, sehr moderne Bau des Akropolis-Museums, sind überreich an Schätzen. Nirgendwo vermag man deutlicher die imponierende Entwicklung der bildenden Künste, ja das Heranwachsen Europas zur „abendländischen Kunst" zu studieren als hier, inmitten der angehäuften Kostbarkeiten. Von der Vasenmalerei bis zur vollendeten, über Menschengröße erhöhten Rundplastik, vom riesigen Bild des Göttervaters bis zur Kleinstatuette in Bronze und Ton erzählen die noch erhaltenen Werke die ganze Geschichte der griechischen und vor allem der athenischen Kunst: die urtümliche, starre, herbe und strenge Bildhauerkunst der frühen, der archaischen Zeit; das Reifen zum klassischen Stil mit seiner Ausgewogenheit, seiner maßvollen Haltung und der Schönheit und Harmonie seiner Formen; die hellenistische Kunst, bis in die Zeit des Kaisers Augustus, in der die Geschlossenheit der Form gesprengt wird, die plastischen Bildwerke oft nur noch der Verherrlichung der Einzelperson dienen und die Architektur vielerorts nur noch Fassadenkunst ist. 15
In Athen gibt es, genau wie im gleichzeitigen Abschnitt Pergamons, nach 280 v. Chr. plötzlich die Vorliebe für Gallierdarstellungen und für Barbarenmotive. Das erinnert daran, daß um diese Zeit die ganz Europa beunruhigenden Wogen der keltischen (der gallischen) Wanderungen auch Attika erreichten und bis an die Tore Athens brandeten. Am Thermopylenpaß und bei Delphi wurden sie zur Umkehr gezwungen und zogen hinüber nach Kleinasien, wo sie sich niederließen und ihrem Siedlungsraum auf dem Hochland den Namen Galatien gaben. Im Archäologischen Museum steht unter den Bildwerken auch eine vollständig erhaltene Bronzefigur des Poseidon, wie er den Dreizack schwingt. Diese Statue hat man vor einiger Zeit bei Ausbaggerungsarbeiten im Hafen Piräus an Land gezogen. Als im Piräus eine neue Tankstelle ausgeschachtet werden sollte, stießen die Arbeiter auf eine Reihe sorgfältig in Stroh verpackter Bronzefiguren aus der klassichen Epoche der athenischen Kunst. Diese Funde erinnern an die Zeit, als die siegreichen Römer nach der Eroberung der Stadt mit der Demontage der athenischen Kunstschätze für die eigenen Villen, Paläste und Stadtplätze begannen. Damals wurden die Athener gezwungen, die schönsten Bronzen, Marmorbilder und sogar die Säulenreihen sorgfältig zu verpacken, zum Elafen zu schaffen und dort einzulagern, damit sie bei passender Gelegenheit nach Italien verschleppt werden konnten. Bevor die Verfrachtung möglich war, mag durch eines der nicht seltenen Erdbeben die Lagerhalle der antiken Spediteure eingestürzt sein. Die wohlverpackten Bronzen lagen zweitausend Jahre geschützt unter dem Schutt und entgingen so der Plünderung durch die Buntmetallsammler aller Jahrhunderte. Der Poseidon war ins Wasser gestürzt und wurde aus der Tiefe des Elafens geborgen. Eine schreckliche Zeit erlebte Athen unter dem römischen Diktator Lucius Cornelius Sulla, der im Jahre 87 v. Chr. die Stadt nach langer, schreckensvoller Belagerung erstürmte. Aus den uralten Platanen der Akademie am Kephissosbach ließ der eiserne Römer BeJagerüngsmaschinen bauen. Als seine Legionen in die Straßen eindrangen, gab er die Stadt für mehrere Tage zur Plünderung frei. Aber eines entzog der philosophisch gestimmte Sulla der Vernichtung: die Schriften des Piaton und des Aristoteles. In der römischen Besatzungszeit erfolgte der weitere Ausverkauf Atnens. Seine Gelehrten und Künstler gingen fortan nach Italien hinüber, wo Rom als der neue Mittelpunkt der antiken Welt aufstrahlte. Bilderfriese, Statuen und Marmorsäulen wanderten auf 16
Die Halle der Karyatiden an der Seite des Erechtheions. Schiffen übers Meer in die Länder der Sieger — zuerst nach Italien in die Villen der Senatoren und Ritter, in den Völkerwanderungstagen auf König Geiserichs Galeeren ins neugegründete Vandalenreich auf nordafrikanischem Boden. Noch vor wenigen Jahren hat man im Golf an der tunesischen Ostküste das Wrack eines solchen Plündererschiffes mit zahlreichen griechischen Statuen gefunden, und immer wieder schwemmt die Flut am tunesischen oder libyschen Gestade die weißen Marmorleiber griechischer Götter und die Häupter von Marmorbüsten hellenistischer Philosophen und Staatsmänner an. Rom wurde die gelehrige Schülerin Athens. Ein Geschlecht wuchs heran, das sich am griechischen Geist geschult hatte, das die Schriften Piatons und des Aristoteles und die Lehren des Stoizismus zu schätzen wußte. Und wieder zogen die Römer nach Athen, aber dieses Mal nicht mit Legionären, sondern mit ihren Studenten und all jenen, die sich am griechischen Geiste entzünden wollten; unter 17
ihnen der feingebildete römische Geschichtsschreiber und Verlagsbuchhändler Titus Pomponius Atticus, der kunstsinnige Marcus Tullius, Cicero, der bedeutendste Redner Roms, und Horaz, der Dichter lebensweiser Oden, vaterländischer Festlieder und ergötzlicher Satiren. Sie besuchten die Philosophenschulen Athens, und viele folgten ihnen.
Paulus predigt den Athenern Im Jahre 52 n. Chr. kam auf seiner Reise durch Griechenland auch der Apostel Paulus nach Athen, dessen Sprache er ebenso beherrschte wie das Hebräische und Lateinische. Die Stadt war schon damals ziemlich herabgekommen. Die einst volkreichen Straßen lagen verödet, aber immer noch sah man am Straßensaum Kultbilder von mancherlei Gottheiten und Tempel, in denen den Göttern Assyriens, Ägyptens und Afrikas in bunter Vielzahl Verehrung und Opfer gezollt wurden. „Paulus", so erzählt die ,Apostelgeschichte', war „schmerzlich erregt, da er die Stadt voll von Götzenbildern sah. Er redete nun in den Synagogen zu den Juden und zu den Heiden, die jüdisch geworden waren. Auch auf der Agora predigte er täglich zu allen, die dort anwesend waren. Dabei gerieten einige der epikureischen und der stoischen Weltweisen mit ihm zusammen. Einige bemerkten: ,Was will dieser Schwatzkopf eigentlich sagen?' Andere: .Er scheint der Verkünder fremder Götter zu sein.' Paulus hatte nämlich das Evangelium von Jesus und der Auferstehung gepredigt. Und man nahm ihn und führte ihn auf den Areopag und sagte: ,Dürfen wir wissen, was das für eine neue Lehre ist, die du da verkündigst? Du gibst uns ja ganz neue Dinge zu hören, und wir möchten gern wissen, was das zu bedeuten hat.' Alle Athener nämlich und die Fremden, die dort wohnten, hatten nichts anderes mehr im Kopf als Neuigkeiten zu verbreiten und Neuigkeiten zu erfahren." Da stand nun Paulus auf dem Areopag und sprach: ,„Ihr Männer von Athen! Ich sehe, Ihr seid in vieler Weise, ich möchte sagen, für religiöse Dinge interessiert. Als ich nämlich durch die Stadt ging und Eure Heiligtümer betrachtete, fand ich auch einen Altar, auf dem geschrieben steht: ,Dem unbekannten Gott'. Was Ihr da, ohne es zu kennen, verehrt, das verkünde ich Euch." Die Apostelgeschichte berichtet weiter von dem, was Paulus den Athenern vorgetragen, daß das ganze Menschengeschlecht Gottes Geschlecht sei, daß Gott, der die Welt und alles, was darin ist, erschaffen habe, nicht der sei, den sie in ihren Tempeln verehrten, 1Ü
.
auch nicht der, den sie in Gold, Silber und Stein abgebildet hätten, und daß er auch ihre Opfer nicht brauche, da er doch selber allem Geschaffenen Odem und Leben spende; er fordere vielmehr Buße: „denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten wird nach Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestellt und für den er allen Menschen gegenüber Zeugnis abgelegt hat, indem er ihn auferweckte von den Toten." Der Erfolg des Apostels unter den skeptisch und stoisch dahinlebenden Athenern war gering, und er wandte sich mit den wenigen Anhängern, die er in Athen gewonnen hatte, in das nahegelegene Korinth, die unter Julius Cäsar wiedererstandene Welthandelsstadt, gründete eine Gemeinde und blieb dort eineinhalb Jahre. Wie verfallen Athen in dieser Zeit war, das bezeugt der griechische Geograph Strabon, der schreibt, die Stadt sei so verwüstet, daß „man sie nur noch mit der Neugier des Antiquars betrachte". Und einige Zeit später berichtet der griechisch-römische Geschichtsschreiber Plutarch, Apollopriester in Delphi und Freund des römischen Kaisers, ganz Griechenland sei heutzutage nur noch in der Lage, dreitausend Bewaffnete zu stellen — genau so viel, wie allein die Stadt Megara einst in die Schlacht von Platäa geschickt habe. Das änderte sich mit einem Schlage, als der Nachfolger des Kaisers Trajan, der große Publius Aelius Hadrianus, den Kaiserthron bestieg. Rom nannte ihn spöttisch den „kleinen Griechen" — Graeculus. Der deutsche Kulturhistoriker Ferdinand Gregorovius sagt: „Kein anderes Land konnte Hadrian so mächtig anziehen wie Griechenland, jene Schatzkammer der höchsten Ideale des Altertums und deshalb noch immer, wie zu Ciceros Zeiten, das Reiseziel gebildeter Menschen . . ." So verband sich die letzte Blüte des antiken Athens mit dem Namen Hadrians, der so oft dort weilte, so vieles dort baute und erneuerte, daß seine Freunde glaubten, er wolle Athen zur Hauptstadt seines Weltreichs machen, sobald es die Opposition der Millionenstadt Rom und die Staatszustände nur zuließen. Dort, am Hymettos-Hügel und in der seidigen Ätherluft Attikas, im Frieden einer „philosophischen Stadt", die — nach den Worten des lange in Athen lebenden Dichters Lukian „zu Bescheidenheit und Bedürfnislosigkeit erzieht und das stille Glück der Weisheit reifen läßt" —, fühlte sich der Kaiser wohler als im Getümmel und Intrigengespinst Roms. Er wußte, daß es in der Vergangenheit viele große Männer gegeben hatte, die in der Erinnerung an Perikles, Phidias, Piaton und Aristoteles die Stadt geehrt und geschmückt 19
hatten, auch als ihre Freiheit längst untergegangen war. Sie hatten in der Stadt Ehrenbauten errichtet, und selbst der Vorgänger des Hadrian, Kaiser Trajan, hatte inmitten seiner Feldzüge noch die Zeit gefunden, Athen ein neues Forum zu schenken. Sollte sich Hadrian, der Philosoph und Griechenschwärmer, von dem Judenkönig Herodes oder dem Syrerkönig Antioehos beschämen lassen? Nein! Er wollte alles übertreffen und dem großen Namen wieder den Glanz geben, dessen er würdig war. Der Kaiser begann zu bauen. In der östlich vom Götterberg gelegenen Talsenke wuchs eine Römerstadt aus dem Boden, die Stadtmauern wurden in weitem Bogen bis dicht ans alte Lykeion erweitert und umfaßten die neue Hadrianstadt. Nach dem Bauplan des römischen Pantheons wurde ein Tempel für die Götter des Reiches errichtet, ein schönes Gymnasium mit hundert riesigen Säulen entstand und eine Bibliothek, von der der Reiseschriftsteller Pausanias sagt, sie sei herrlich über alle Maßen mit ihrem Goldziegeldach, den glatten Säulen aus libyschem Marmor und den vielhundert Statuen aus Bronze und Stein. Das neue Viertel erhielt Säulenhallen und eine Schule des Stoizismus, die aus grauem Stein gefügt war. Doch die Krönung von allem sollte das Olympieion sein — das Heiligtum des „Allgriechischen Zeus" — ein Riesentempel, dessen Dach von hundertvier korinthischen Säulen getragen wurde, die wie Urwaldstämme aufragten, bis sie später ein Erdbeben fällte. In diesem gewaltigsten aller Tempel ließ Hadrian ein mit Gold und Elfenbein umkleidetes Zeusbild aufstellen, dem das olympische Bild des größten griechischen Bildhauers, des Phidias, zum Vorbild diente. Neben den Neubauten ließ der Kaiser die Ruinen wieder aufrichten. Er erneuerte das alte Dionysostheater, stellte die verfallene Agora wieder her und verschönte sie. Auch die zerbröckelte Treppe zur Akropolis, die das Endstück der Heiligen Straße zu den Propyläen war, ließ er aus weißem Marmor neu errichten. Ein Freund Hadrians, der große Redner und Kunstmäzen Herodes Atticus, erbaute unter der Mauer des Kimon ein prächtiges, mit Zedernholz und goldbelegten Platten geschmücktes zweites Theater, dessen ausgeplünderte, notdürftig wieder eingerichtete Ruinen in unserer Zeit Schauplatz der „Attischen Festspiele" sind. Am Eingangstor der Hadriansstadt, das als Ruine erhalten ist, liest man heute einen zweiteiligen Spruch. Der auf die Altstadt bezogene lautet: „Dies ist Athen, die alte Stadt des Tlieseus"; und 20
Die wiederhergestellte Stoa (Säulenhalle) des Attalos an der Athener Agora, im Hintergrund der Lykabettos-Berg. der zur Neustadt hin: „Dies aber ist Hadrians Stadt, nicht mehr die des Theseus."
Goten und Franken Nur wenig mehr als hundert Jahre währte die Blütezeit des von Hadrian erneuerten Athens. Dann wurde die Stadt des Theseus und die Stadt des Kaisers eine Beute der Barbaren. Das dritte nachchristliche Jahrhundert brachte dem Römerimperium, in dem Athen wieder bevorzugte Provinzstadt geworden war, die Zerrüttung' unter den „Soldatenkaisern", die dem Militär ihre Stellung verdankten und meist nur so lange regierten, wie es den Armeeführern genehm war. Pestepidemien, Hungersnöte, Wirtschaftskrisen und Bauernaufstände gingen wie Fieberschauer über das Reich hin, an dessen Grenzen mächtigere und zahlreichere Bar21
barenvölker auftauchten als je zuvor. Die größte Gefahr drohte von den germanischen Goten. Zwar gelang es dem tapferen Kaiser Marcus Aurelius Claudius IL, die gotischen Heeresmassen auf dem Balkan bei Nisch zu schlagen, aber eben dieses Scheitern ihres Angriffs vom Lande her brachte die wilden Nordvölker auf eine andere, verheerendere Idee. Der Geschichtsschreiber der Goten, der Grieche Zosimos, schreibt: „Um diese Zeit traten die übriggebliebenen Goten, zusammen mit Herulern, Vandalen, Peukern und Skythen, die Fahrt durchs Schwarze Meer an. Sie hatten sich am Dnjestrstrom versammelt, bauten an die zweitausend Langschiffe und bemannten sie mit dreihundertzwanzigtausend Kriegern . . . Dann fuhren sie durch die Dardanellen und weiter längs der Küste des Mittelmeeres.. ." Noch waren die Goten ohne schweres Belagerungsgerät und ohne Erfahrung gegenüber den befestigten Städten. Sie wurden vor Thessalonike zurückgeworfen, begannen aber nun die See zwischen Kreta und Attika als Piraten unsicher zu machen. Ihre Raubscharen landeten eines Tages auch nahe dem Piräus. Vom offenen Meer herein wälzten sich die plündernden Horden gegen die verfallenen Mauern Athens. Die Budenstädte und Elendsviertel, die sich im Gelände der niedergelegten „Langen Mauern" hinzogen, gingen in Flammen auf, Verwüstung und Zerstörung zerwühlte ganz Attika. Mit Mühe gelang es dem Rhetor Dexippos, mit Hilfe römischer Truppen die Barbaren vernichtend zu schlagen und Athen selber zu retten. Wie groß die Gefahr gewesen sein muß, geht aus einem Brief hervor, den Kaiser Claudius an einen Freund gerichtet hat: „Wir haben an die dreihundertzwanzigtausend Goten vernichtet und zweitausend Schiffe versenkt. Die Flüsse sind bedeckt mit Schilden und alle Küsten Attikas mit Schwertern und Spießen übersät. Die Gefilde verschwinden unter den Gebeinen der Gefallenen, kein Weg ist frei von Toten, eine riesige Wagenburg ist im Stich gelassen. Wir haben so viele Weiber gefangen, daß jeder unserer Soldaten zwei oder drei als Sklavinnen fortführen kann . . . " Als kurze Zeit später das Weltreich sich dem Christentum zuneigte und Kaiser Konstantin die neue Reichshauptstadt an die Meerengen nach Konstantinopel verlegte, gewann Athen noch einmal kulturelle Bedeutung. Seine große geistige Tradition wahrend, wurde es erneut eine Hochburg der Philosophie, die sich weiterhin Plato und Aristoteles verpflichtet fühlte. 22
1 1 j 1 j 1 I 1 J 1 1 i I
Aber die Goten, die sich inzwischen in West- und Ostgoten getrennt hatten, kamen wieder. Die entwurzelten Westgoten brachen im Jahre 395 unter König Alarich in Griechenland ein und eroberten Athen. Wennschon sich Alarich mäßigte, wurden doch schwere Zerstörungen angerichtet und die bescheidenen Lebenskräfte der Stadt weiter geschwächt. Die Besetzung dauerte nicht lange. Die Goten glaubten, in Italien ergiebigere Lebensverhältnisse zu finden und zogen ab. Doch die Bedrohung blieb. Erst dem großen oströmischen Kaiser Justinian gelang es, die Goten- und Vandalengefahr im ersten Drittel des 6. nachchristlichen Jahrhunderts abzuwehren. Aber er war kein Freund des philosophischen und tief im Heidentum verwurzelten Athens. Seine Kommissionen holten fort, was Goten und Vandalen an Kunstschätzen übriggelassen hatten. Das berühmteste Werk, das er aus der Stadt entfernte, war eine Bronze-Quadriga, die lebensgroße Darstellung eines Viergespanns, ein kostbares Werk der hellenistischen Schule. Er bestimmte es für den Neubau der Pferderennbahn in ByzanzKonstantinopel. Die Quadriga ist im Jahre 1204 — bei der Plünderung Konstantinopels durch Venezianer und lateinische Kreuzfahrer — nach Venedig gebracht worden und steht heute auf der Empore über dem Portal der Markuskirche, ein herrliches Schaustück für jeden Italienreisenden. Justinian war es auch, der im Jahre 529 die Universität Athens schließen ließ und damit die letzten Bande zerschnitt, die Athen noch mit seiner antik-heidnischen Vergangenheit verknüpfte. Von nun an verödete die Stadt vollends, sie verschwand gleichsam aus der Geschichte, so daß manche Forscher behaupten, Attika sei fortan vierhundert Jahre lang eine menschenleere Wüste gewesen und Athen ein unbewohnter Ruinenhügel. Zwar hat man diese Behauptung widerlegt, doch bleibt gewiß, daß Athen in der Folge lange Zeit ein bedeutungsloser Platz war, in dessen öden Straßen bulgarische und slawische Horden ihre Lagerfeuer entzündeten. Erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts taucht der Name Athens wieder in den Chroniken auf. In jener Zeit war aus Venedig ein Kreuzfahrerheer aus französischen, flandrischen und burgundischen Rittern aufgebrochen, um im Auftrag des Rates der Stadt das reiche Konstantinopel zu erobern. Unter dem uralten Dogen Enrico Dandolo erstürmten die Ritter die Märchenstadt am Bosporus und gründeten ein lateinisches, d. h. abendländisches Kaiserreich. Graf Balduin von Flandern wurde der erste „Lateinische Kaiser" in Konstantinopel, und die Schar der Ritter zog mit ihren gepanzerten 23
Dienstieuten nach Griechenland hinab, um dort Grafschaften und Herzogtümer zu gründen. Unter diesen Staatsgründern befand sich auch der burgundische Ritter Otto de la Roche. Er wählte sich Athen zur Residenz, nahm die dörfliche Stadt in Besitz und baute sich auf der Akropolis seine Burg. Gestützt auf seine fränkische Gefolgschaft regierte de la Rodle und sein Geschlecht zum Wohle des Landes bis zum Jahre 1311 über Attika. 1336 erschien ein anderer Eroberer vor den Mauern der Akropolis-Burg und nahm sie ein. Es war der Florentiner Nerio Acciajuoli, der eine neue Herzogsdynastie in die Chronik der athenischen Geschichte eintrug. Aber schon standen die vor den Mongolen aus Turkestan geflohenen Türken vor den Pforten Europas, und die Tage waren vorüber, wo sich Abenteurer, nur auf die eigene Kraft gestützt, hier am Rande Europas behaupten konnten. Die Herzöge von Athen unterstellten sich zunächs dem Löwen von San Marco — der Seemacht Venedigs —, und als auch die venezianischen Galeeren in die Verteidigung gedrängt wurden, dem türkischen Sultan. Das war der Anfang vom Ende. Die Stadt, von der die europäische Geschichte ihren Ausgang genommen hatte, geriet in die weitausgestreckten Fangarme des Osmanischen Reiches der Türken, die das Erbe der Griechen, Makedonen, Römer und Kreuzfahrer übernahmen —• und vergeudeten.
; j I
.
j \ I
Unterm Halbmond und dem geflügelten Löwen Wenn man sich von der schnurgeraden Athina-Straße her dem Fuß der Akropolis nähert, stößt man auf das sogenannte „Tür- I kische Viertel", das, ineinander verschachtelt, mit seinen engen gewundenen Gäßchen, den dunklen Gewölben und dem Gewirr seiner Trödlerläden ganz den Eindruck eines orientalischen Bazars macht. Aber das Elendsviertel am Fuß des Tempelfelsens ist nur zum geringen Teil wirklich unter der Herrschaft des Halbmonds erbaut worden, das meiste, was hier steht, sind Notbauten kleinasiatischer Griechen, die im Jahre 1922 nach der Vertreibung aus der Türkei des Kemal Atatürk in Massen ins griechische Mutterland zurückströmten. Die Türkenherrschaft begann um die Mitte des 15. Jahrhunderts, ' als Mohammed Fatih, der Eroberer Konstantinopels, seinem Feldherrn Omar den Befehl gab, mit dem fränkischen Herzogtum in Athen ein Ende zu machen. Vor der Übermacht wichen die herzoglichen Geschwader aus, verließen den Piräus und zogen sich in den 24
Das Theater des Herodes Atticus am Fuße der Akropolis. Schutz starker Befestigungen nach Nauplia und nach Kreta zurück. Die Türken landeten und nahmen Athen. Der letzte Herzog, Sieur Franco aus dem florentinischen Geschlecht der Acciajuoli, wurde 1460 auf Befehl des Sultans ermordet. Attika wurde zu einem Paschaük, einer osmanischen Provinz. Aus den christlichen Klöstern und Kirchen machten die neuen Herren Moscheen. Die Bevölkerung wurde vor die Wahl gestellt, entweder zum Islam überzutreten oder sich 25
versklaven zu lassen. Auf der Akropolis verstärkte der Pascha die Befestigungen, verwandelte die noch erhaltenen antiken Bauten in Steinbrüche und holte aus ihnen, was er für die Wehranlagen brauchte. Wieder senkte sich der Vorhang über Athen. Aber auch die Bäume der Türken wuchsen nicht in den Himmel. Die Großmacht des Ostens, die 1529 bis Wien vorgedrungen war und jahrzehntelang mit ihren Piratengeschwadern das Mittelmeer von Algier bis Zypern und von Kreta bis Mallorca 'gebrandschatzt hatte, verlor im Jahre 1571 im Kampf mit der spanisch-venezianisch-päpstlichen Flotte die Seeschlacht von Lepanto, die letzte Galeerenschlacht in der Seekriegsgeschichte. Aber erst mehr als ein Jahrhundert später gelang es, ihre gegen das Herz des Abendlandes gerichtete Stoßkraft zu brechen. Seitdem drängte Österreich-Ungarn gemeinsam mit Rußland die Türken nach Asien zurück, im Mittelmeer kämpften Venedig und Spanien im Bund mit Kaiser und Papst gegen den Halbmond. So durfte 1687 eine venezianische Flotte es wagen, bemannt mit hannoveranischen Söldnern unter dem Grafen Königsmark, vor dem Piräus aufzukreuzen. Admiral Morosini befahl die Landung der Infanterie und des Artilleriekorps und begann den Angriff auf die türkische Besatzung der Stadt. Das Bombardement der Venezianer war verheerend. Die Türken rissen den herrlichen Niketempel nieder und schichteten ihn zum Bollwerk; am Parthenon, der als einziger klassisdier Tempel der Akropolis noch vollständig erhalten war, lagerten sie ihre Pulverfässer. Es geschah am 26. September 1687, daß eine Brandkugel der Venezianer das Dach des Parthenons durchschlug und ins Pulvermagazin fiel. Die Explosion war fürchterlidi und riß einen Krater in das Herz des sdtönsten aller Tempel, einen Explosionstrichter, den man heute noch deutlich sehen kann. Zwar konnten die Soldtruppen Venedigs die in Trümmer geschossene Akropolis und zugleich auch Athen besetzen, aber es war unmöglich, Stadt und Festung gegen die alsbald eingeleiteten türkischen Gegenaktionen zu halten. Am 4. April 1688 mußte Athen wieder geräumt werden. Die kunsteifrigen Venezianer nahmen an Säulen, Kapitellen, Statuen mit, was ihre Schiffe tragen konnten. Freilich verdarben sie dabei vieles. Eine der Galeeren mit Kunstschätzen scheiterte zudem bei Kap Matapan und ging unter. Athen war wieder im Besitz der Türken und blieb es weitere eineinhalb Jahrhunderte lang. 26
Die Stadt wandelte ihr Gesicht so vollständig, daß Reisende des 18. Jahrhunderts Athen als völlig orientalische Stadt beschreiben. Sie fanden enge, finstere Gassen mit zwei- und dreistöckigen Häusern, mit flachen Dächern, vergitterten Fenstern und vorspringenden Erkern. Galerien um die reichen Innenhöfe wurden von antiken Säulen getragen, Springbrunnen plätscherten in schönen Becken. In solchen Häusern wohnten die vornehmen Türken, die Paschas und Aghas, die meist auch die Landbesitzer in Attika waren. Der Rest des unterdrückten Volkes verdiente sich als Knechte, Taglöhner oder Sklaven das tägliche Brot, oder verdingte sich als Hirten, Ackerer und ölmüller. Die Akropolis mit der Ruine des Parthenons war in eine finstere, vieltürmige Festung umgewandelt, auf der Terrasse des Herodes Atticus vor den Propyläen saß wie ein Nest der Ausguck der türkischen Besatzung. Wo der Nike-Tempel gestanden hatte, drohte eine Geschützbastion. 1772 kamen vom Balkan her räuberische Albanesen, die zur griechischen Halbinsel drängten, ein wildes, kriegerisches Volk, das dem Sultan bisher die Kerntruppen seiner Janitscharen gestellt hatte. Auf die Nachricht von ihrer Annäherung befahl der türkische Kommandant Athens — das nun „Atine" oder auch „Setine" hieß — in größter Eile, binnen weniger Wochen eine Stadtmauer zu errichten. Das geschah unter den Peitschenhieben der Soldaten, das Material nahm man der Einfachheit halber von den noch vorhandenen antiken Ruinen. Die Aquädukte des Kaisers Hadrian und des Kaisers Antoninus Pius wurden abgebrochen, und auch der Rest der Römerstadt als Steinbruch benützt. Am Pantheon-Tempel wurden neue Verwüstungen angerichtet. Wie Athen vor dieser großen Abbruchaktion ausgesehen hat, vermögen wir heute nur noch aus den Zeichnungen und Beschreibungen zu ersehen, die Ende des 17. Jahrhunderts von kunstfreudigen Männern angelegt wurden. Der französische Gesandte an der Hohen Pforte zu Konstantinopel, Marquis de Nointel, ließ Athen durch den Maler Jacques Carrey 1674 in all seinen Teilen abbilden. 1751 stellten die englischen Reisenden Stuart und Revett eine Mappe voller Skizzen her, die ahnen lassen, wieviel die Menschheit in dieser Stadt durch die Barbarei kriegerischen Denkens verloren hat. So überschritt Athen — als eine Stadt mit etwa zehntausend Einwohnern — die Schwelle des 19. Jahrhunderts und trat damit in jene Epoche ein, die, von der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen aufgewühlt, sich der nationalen Freiheits27
idee verschrieben hatte. Alle wollten frei und unabhängig sein: Polen, Italiener, Deutsche und — auch die Griechen. Die dreihundertjährige drückende Fremdherrschaft der Türken neigte sich ihrem Ende entgegen.
Die Freiheit kehrt zurück Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als der Boden schon unter den vulkanisch heraufsteigenden Gewalten der griechischen Freiheitsbewegung erschüttert wurde, machten die türkischen Herren Griechenlands auch in Athen alle Anstrengungen, um ihre Machtstellung zu sichern. Die Festung Akropolis wurde verstärkt, neue Barbarei wurde an den antiken Bauten verübt. Um diese Zeit war Lord Thomas Bruce, Graf von Elgin und Kincardine, britischer Botschafter in Konstantinopel. Es tat dem kunstsinnigen Engländer in der Seele weh, als er bei einem Besuch in Athen die türkischen Arbeiterkolonnen bei ihrem Zerstörungswerk beobachtete. Da der Lord über Geld in fast unbegrenztem Maße verfügte und 'die_ Paschas — die hohen Beamten der türkischen Landesverwaltung — bestechlich waren, konnte er die Erlaubnis erwirken, mit Hilfe von Bauleuten, Künstlern und Arbeitern vom Parthenon, vom Theseus-Tempel und von anderen Bauwerken so viel an Statuen, Reliefs und architektonischen Zierformen wegzuschaffen, als noch vorhanden war und unter Deck Platz fand. In Hast wurden die überlebensgroßen Giebelfiguren des Parthenons, die rings um den Tempel laufenden Friesbilder mit Szenen aus der griechischen Sage und die Plattenreliefs unter den Traufrinnen des Tempels mit der Darstellung des Panathenäenzuges verpackt; anderes ließ er in Gips abgießen. Auch Gegenstände des Kunstgewerbes, Vasen, Kleinbronzen und in Edel- und Halbedelsteine geschnittene Kleinkunstwerke —• Kameen — kaufte er auf, ließ alles an Bord eines Frachters bringen und schickte es nach England. Freilich ging es beim Erwerb der Kostbarkeiten in der Flast und Heimlichkeit nicht ohne neue Zerstörungen ab, aber wer durfte sagen, welches Schicksal die Kunstschätze ohne das Eingreifen Lord Elgins erlitten hätten! Im Jahre 1816 kaufte die britische Regierung auf Beschluß des Parlaments die gesamten „Elgin Marbles" zu 35 000 Pfund für das Britische Museum an, wo sie aufgestellt wurden und den Kunstfreunden jener Zeit erstmals die bedeutendsten griechischen Kunstwerke unmittelbar vor Augen führten; denn 28
Athen war seit laneem .>;„•» cverschlossene Stadt.
europäische Reisende fast ganz
Aufst ge^Z^iLe^Zu^™/*?adn dd i e Ader Griechen. Schon 1822 kr freien Ah7 A ' T l u , "r k e™ ° P o 1 ^ ^ r vier Jahre z u ben hepi- '„ • A ^r , , kehrten mit einem starken Bclagerungsncer wieder. Noch heute zeugen die in den Fels der Akropolis eingehauenen Rinnen davon, wie die belagerten Freiheitskämpfer das kärgliche Regenwasser sammelten, um dem Sturm trotzen zu können. Athen wurde fast völlig zerstört; nur die Akropolis hielt sich. Erst am 5. Juni 1827 kapitulierte die griechische Besatzung vor der Übermacht Reschid Paschas. Das beinahe entvölkerte Attika hatte seitdem nur noch strategische Bedeutung. Auf der Akropolis richteten sich die Türken abermals in einem Bollwerk ein. Sie fällten die letzten ölhaine am Nymphenhügel, schlugen die Zypressen von Kepoh nieder und schichteten die Säulentrommeln, das Marmorgebälk und die Steinplastiken in ihre Artilleriestellungen. Inzwischen aber hatte sich halb Europa am Gedanken der griechischen Freiheit entzündet. Die Idee vom Selbstbestimmungsrecht und der schon auf dem Wiener Kongreß geborene „Philhellenismus" entfachten erneut das Feuer des Krieges gegen die Türkenherrschaft. Deutsche, Franzosen, Briten, Albaner und Griechen betrieben gemeinsam die Befreiung des Landes und jener Stadt, deren Name sich in die Herzen vieler Generationen eingebrannt hatte. Nach schrecklichen Kämpfen kam endlich der Friede zustande. Das Londoner Protokoll vom 3. Februar 1830 gab Griechenland die Freiheit zurück, die es vor mehr als zweitausend Jahren verloren hatte. Der zum König des Landes erwählte bayrische Königssohn Otto von Witteisbach verlegte den Regierungssitz von Nauplia an die ehrwürdigste Stätte Griechenlands, nach Athen, und hielt am 25. Dezember 1833 Einzug in die Stadt. An den Straßen wehten die weißblauen Banner Bayerns und die blauweißen Neu-Griechenlands, Evzonen — griechische Freischärler — und bayrische Grenadiere marschierten Schulter an Schulter in das Trümmerfeld, das Athen hieß. Es waren kaum zweitausend Menschen, die aus den Schutthalden hervorkrochen, keine hundert unter ihnen waren als Nachfahren der Griechen anzusprechen. So begann- Athens neuere Geschichte. Der neue König fand beim Wiederaufbau der Stadt vor allem die Unterstützung seines königlichen Vaters, Ludwigs I. von Bayern. Die Neuanlage der gänzlich zerstörten Stadt wurde nach den Plänen
29
des Baumeisters Leo von Klenze vorgenommen, der bereits in München großartige Bauten geschaffen hatte. Auch der aus Koblenz stammende Architekt Friedrich Gärtner, der Gestalter der Münchner Ludwigstraße, wirkte mit und prägte der neuen Prachtstraße Athens seinen Stil auf, so daß die Ähnlichkeit mit dem klassizistischen Teil Münchens sehr deutlich wurde. Das königliche Schloß, von Gärtner erbaut, die Akademie, die beiden Gebäude der Kammern und die Staatsbibliothek tragen dieses Siegel. Der Grundstein zum klassizistischen Archäologischen Museum wurde gelegt und der Raum um das schöne Schloß durch die Anlage eines botanischen Gartens neu begrünt. Im Laufe der Zeit ist aus dem Schloßpark eine halbtropische Anlage erwachsen, deren Palmenallee berühmt ist. Von überallher kehrten vertriebene oder emigrierte Griechen in die neue, rasch emporblühende Stadt zurück. Sie kamen aus Fanar bei Konstantinopel, vom Balkan, aus Kleinasien und nicht zuletzt vom kargen Peloponnes und aus Thessalien. Dazu kamen Heimkehrer aus Amerika, Ägypten und von der Levante; auch Franzosen, Deutsche, Italiener, Albaner und Briten ließen sich in den aufwachsenden Stadtvierteln nieder, und Athen schwoll bald schon über die ihm ursprünglich gesteckten Grenzen. Die Bürger entsannen sich des ehemals geübten Gewerbefleißes, und die Stadt wurde Wirtschaftszentrum des Südostens. Der Piräus entwickelte sich neben den Häfen von Marseille und Alexandrien zum drittgrößten des Mittelmeeres. Als gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die olympische Idee neu entflammte, sollte Athen Schauplatz der ersten Olympischen Spiele der neuen Zeitrechnung werden, die für das Jahr 1896 vorgesehen waren. Der Auslandsgrieche Georgios Averoff stiftete für die sportlichen Anlagen und die Vorbereitungen eine Million Drachmen, der Rest wurde durch private Sammlungen aufgebracht. Mit den Geldern erbaute Athen ein prachtvolles Marmorstadion auf dem Felde der ehemaligen Hadriansstadt und erlebte vor siebzigtausend Zuschauern den Triumph des griechischen Bauernsohnes Loui1; im modernen Marathonlauf.
Erinnerungen Längst sind Lykabettos und Akropolis nur noch Inseln in dem sich fast uferlos ausdehnenden Meer der Weltstadt geworden. Von den Stätten des einst heiligen Eleusis herüber wölken die Staubfahnen moderner Portlandzementwerke, über dem Piräus qualmen die Schornsteine der Industrie, tönt das dumpfe Tuten der Riesen30
tanker, di e d e n w., Nearchos und n a s s.i s en ansteuern. Unternehmende Griechen wie gs Um At-Ü n haben im Geist antiker Seefahrer-Syndikate meneehall 55 e nieder Flotten, Lagerhäuser und Werften iusambeiden sind • Flughäfen der Anderthalbmillioneiistadt c> zu wichtigen Zwischenstationen der Europa-Asien- und Amer rient wr° -Luftlinien geworden. Wir aber — die wir „Griechenland mit der Seele suchen" — fluchten aus dem weltstädtischen Getriebe chromblitzender Autos, lärmvoller Straßenkaffees, wimmelnder Märkte und eng belebter Geschäftstraßen in die Stille einer der altertümlichen Weinschenken, wie sie sich an den Treppenstraßen unterhalb der Akropolis finden, und blicken hinauf zum Götterberg. Auf dem Tisch vor uns steht ein Krug mit „Rhezina", dem typischen, mit Pinienharz versetzten Landwein. Auch diese dem Fremden oft unverständliche geschmackliche Eigenart griechischen Weines ist ein Stück Geschichte: Als bei der Abschnürung durch die Türken den Athenern das Pech für die Abdichtung der Fässer ausging, verwendeten sie das Harz von den Pinien der Umgebung und gewöhnten sich so sehr an das herbe Aroma, daß sie es nicht mehr missen wollten. Während wir uns gütlich tun, greift die Erinnerung zurück, und Bilder tauchen aus der Vergangenheit, lebensvoll wie einst: Epheben durchlaufen die Sandbahnen des Gymnasiums im Hain des Lykeion, weißgekleidete, bärtige Philosophen wandeln und diskutieren unter den Säulen der „Bemalten Halle" am Markt; Festlärm ertönt mit Zimbelschall, Paukengedröhn und Flötenklang. Inmitten der Panathenäen-Prozession tragen rosenbekränzte Jungfrauen das Schiff der Athene die Felsenstraße zur Akropolis hinauf. Von Baustelle zu BausteMe schreitet, in Phrygierhelm und Chiton, die edle Gestalt des Perikles, der das Gespräch der Steinmetze und Zimmerleute sucht, um das „Ohr am Herzen des Volkes" zu haben. Hopliten in spitzem Helm und Panzer, mit Schild und Speer, stehen Wache vor den Schatzhäusern mit den Weihegeschenken für die Stadtgöttin, für Apoll und die vielen athenischen Ortsgötter. Der Sohn des Bildhauers Sophroniskos, Sokrates, steht inmitten einer Jünglingsschar und führt sie, von alltäglichen Dingen ausgehend, auf die Wege zur Wahrhaftigkeit und Weisheit... rin
Doch wie mit einem Schlag schwinden die Bilder: Das laute Leben hat jetzt, da die Geschäfte und Arbeitsstätten schließen, auch unsere stille Zuflucht erreicht. Am Abend weilen wir im Dionysostheater 31
unter dem Akropolisfelsen oder im Theater des Herodes Atticus, wo bei der Aufführung antiker Dramen erneut die Vergangenheit beschworen wird. Aber ein einziger Blick auf die internationale Besucherschaft, auf die Flut des Scheinwerferlichts und den von Neonleuchten magisch angestrahlten Tempelberg und das dumpfe Pfeifen einer den attischen Himmel kreuzenden Düsenmaschine lassen uns spüren, daß unwiderbringlich dahin ist, was unsere Sehnsucht in Athen gesucht hat. Nur der Traum, die Phantasie und das Wissen um Vergangenes bleiben und — beglücken.
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky. Umschlagbild: Rekonstruktion der Akropolis; Titelbild: Glockenturm der Griechisch-orthodoxen Kirche, hoch über der Stadt; Photos: Ullstein-Bilderdienst und Archiv. L u x - L e s e b o g e n 3 5 4 (Geschichte) H e f t p r e i s 3 0 P f g . Natur- und Kulturkundliehe Hefte - Bestellungen (vierteljährl. 6 Hefte DM 1.80) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt. — Alle früher erschienenen Lux-Lesebogen sind in jeder guten Buchhandlung vorrätig. — Druck: Hieronymus Mühlberger, Augsburg. — Verlag: Sebastian Lux, Murnau vor München. — Herausgeber: Antonius Lux.