Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Beiträge zum ausländischen öffentlichen Rech...
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Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht
Begründet von Viktor Bruns
Herausgegeben von Armin von Bogdandy · Rüdiger Wolfrum
Band 224
David Barthel
Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union Eine völkerrechtliche Untersuchung The African Union’s New Peace and Security Architecture An International Law Perspective (English Summary)
ISSN 0172-4770 ISBN 978-3-642-20033-5 e-ISBN 978-3-642-20034-2 DOI 10.1007/978-3-642-20034-2 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-PlanckInstitut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf : WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main im Sommersemester 2010 als Dissertation angenommen. Literatur und Staatenpraxis konnten bis einschließlich Juni 2010 berücksichtigt werden. Über die viereinhalb Jahre der Entstehung dieser Arbeit haben mich viele Menschen begleitet, denen ich an dieser Stelle aufrichtig danken möchte: Mein verehrter Doktorvater Herr Prof. Dr. Stefan Kadelbach, LL.M. hat mich nicht nur bei meinem Promotionsvorhaben herausragend betreut. In den vergangenen sechs Jahren habe ich als Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl fachlich und persönlich sehr viel von ihm lernen dürfen. Hierfür und für seine uneingeschränkte Unterstützung bei allen meinen Projekten bin ich ihm unendlich dankbar. Mit seiner klugen, zurückhaltenden und zugleich humorvollen Art wird er mir immer ein Vorbild sein. Herrn Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann danke ich für die gute Zusammenarbeit am Wilhelm Merton-Zentrum für Europäische Integration und Internationale Wirtschaftsordnung und die rasche Erstellung des überaus freundlichen Zweitgutachtens. Herr Prof. Dr. Michael Bothe und Herr Prof. Dr. Nikolaus Herrmann haben früh meinen Blick auf das Europa- und Völkerrecht gelenkt. Hierfür und für das große Interesse an dieser Arbeit danke ich ihnen ganz herzlich. Mein Dank gilt ferner den Direktoren des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Herrn Prof. Dr. Armin von Bogdandy und Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Rüdiger Wolfrum, für die freundliche Aufnahme meiner Dissertation in die Schriftenreihe des Instituts. Meine wunderbare Frau Rirhandu Mageza-Barthel, B.A. (Cape Town) M.A. hat mein gesamtes Studium und diese Arbeit persönlich und fachlich mit unbeschreiblichem Engagement unterstützt. Mit dem kritischen Blick einer südafrikanischen Politikwissenschaftlerin hat sie mir viele wertvolle Anregungen gegeben und meinen Blickwinkel auf das Thema wie auch meine Ansichten immer wieder herausgefordert. Ihre schier unerschöpfliche Geduld, mit der sie meinen Diskussionsbedarf ertrug – und den hatte ich reichlich –, haben mir erst ermöglicht, die Arbeit in
VIII
Vorwort
dieser Form zu erstellen. Ich bin mir ganz sicher, dass ich ohne sie nie so weit gekommen wäre. Danken möchte ich außerdem meinen Kollegen am Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität, die zum Gelingen dieser Arbeit erheblich beigetragen haben. Allen voran stand mir Dr. Thomas Kleinlein mit stets klugem Rat zur Seite. Christina Engemann, Alain Germeaux, Cornelia Janik, Dr. Niels Petersen und meine liebe Schwester Eva Barthel haben mit großer Mühe die ersten Fassungen dieser Arbeit Korrektur gelesen und viele wertvolle Hinweise gegeben. Dr. Julia Heesen, Dr. Armin Huhn, Jakob Kadelbach, Dr. Dennis Lepczyk und Frank Sauvigny danke ich für unsere anregenden Diskussionen und die Motivation weiterzumachen während so manch müder Stunde. Der Konrad-Adenauer-Stiftung verdanke ich nicht nur eine großzügige finanzielle Förderung in Form eines Promotionsstipendiums, sondern auch viele interessante Seminare und neugewonnene Freunde. Meine Tante Karin und mein Onkel Max Wildgrube haben mich von Beginn meines Studiums an mit unglaublicher Hingabe und Großzügigkeit gefördert. Ohne ihre vielen Büchergutscheine hätte ich mir sicherlich weit weniger Lesestoff einverleiben können. Ich hoffe, sie wissen, wie dankbar ich ihnen bin. Stefan Schupp hat mich bei unseren gemeinsamen Urlauben durch halb Europa kutschiert, damit ich mich von den Strapazen des Schreibens erholen konnte. Ihm sei hierfür und für unsere lange Freundschaft von Herzen gedankt. Meine Geschwister Daniel, Eva, Lea und Sarah und natürlich meine lieben Eltern Monika und Dr. med. Thomas Barthel haben mich auf meinem langen Bildungsweg vorbehaltlos und unermüdlich unterstützt. Es waren meine Eltern, die auf die Idee kamen, mich 1995 aus einer verschlafenen mecklenburgischen Kleinstadt an die Deutsche Schule Pretoria nach Südafrika zu schicken; eine kluge Entscheidung, wie sich herausstellte, die mir später Vieles ermöglicht hat. Die vorliegende Arbeit bildet gleichsam den Abschluss dieser langen und aufregenden (Bildungs-)Reise. Ich weiß, dass sie für mein Glück so manche Entbehrung auf sich genommen haben. Diese Arbeit ist ihnen gewidmet. Frankfurt am Main, im Oktober 2010
David Barthel
Inhaltsübersicht Einleitung.................................................................................................. 1 I. II. III. IV.
Von der Organisation der Afrikanischen Einheit zur Afrikanischen Union ....................................................................... 1 Einordnung der Afrikanischen Union als Internationale Organisation..................................................................................... 7 Zentrale Fragestellungen ................................................................. 8 Gang der Untersuchung................................................................ 11
1. Kapitel: Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union ................................. 13 I. II. III. IV. V. VI.
Die AU-Versammlung .................................................................. 13 Der AU-Ministerrat ...................................................................... 26 Die AU-Kommission .................................................................... 29 Das Panafrikanische Parlament .................................................... 34 Die Afrikanische Kommission für Menschenrechte................... 40 Der AU-Gerichtshof ..................................................................... 46
2. Kapitel: Der Friedens- und Sicherheitsrat................................ 51 I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX.
Zusammensetzung ......................................................................... 53 Ziele ................................................................................................ 55 Aufgaben und Organkompetenzen.............................................. 56 Die Zusammenarbeit mit der AU-Kommission.......................... 60 Das Gremium der Weisen ............................................................. 62 Das kontinentale Frühwarnsystem .............................................. 64 Der Militärstab............................................................................... 65 Die afrikanische Bereitschaftsarmee............................................. 66 Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den regionalen Wirtschaftsorganisationen............................................................. 81 X. Kooperationsverhältnisse zu außerafrikanischen Akteuren....... 88 XI. Die Finanzierung der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur............................................................... 93 XII. Zwischenergebnis .......................................................................... 97 XIII. Diagramm: Organisationsstruktur der Afrikanischen Union.... 99
X
Inhaltsübersicht
3. Kapitel: Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union ......................................................................... 101 I. II. III. IV.
Besonderheiten der OAE-Sicherheitspolitik............................. 103 Grundprinzipien in Anlehnung an Art. 2 UN-Charta............. 111 Besondere Grundprinzipien der Afrikanischen Union ............ 123 Zwischenergebnis ........................................................................ 179
4. Kapitel: Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik .......................................................................... 181 I. II. III. IV. V. VI.
Die gemeinsame afrikanische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik ......................................................................... 182 African Union Policy Framework for Post-Conflict Reconstruction and Development.............................................. 188 Der Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt ...................... 190 Das Sicherheitsverständnis der Afrikanischen Union .............. 207 Exkurs – Kontinentale Integration durch Sicherheit? .............. 213 Zwischenergebnis ........................................................................ 217
5. Kapitel: Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union ......................................................................... 219 I. II. III.
Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen vertraglicher Interventionsregelungen.............................................................. 224 Auslegung der Art. 4 lit. h) und j) KA-AU ............................... 249 Zwischenergebnis ........................................................................ 278
6. Kapitel: Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII UN-Charta ................................................................................. 281 I. II. III. IV. V.
Die Afrikanische Union – eine Regionalorganisation i.S.v. Kapitel VIII UN-Charta? ........................................................... 283 Die friedliche Beilegung von Streitigkeiten nach Art. 52 UN-Charta................................................................................... 296 Die Durchführung von Zwangsmaßnahmen nach Art. 53 Abs. 1 UN-Charta ....................................................................... 309 Sonderfall „humanitäre Intervention“ ....................................... 333 Zwischenergebnis ........................................................................ 339
Inhaltsübersicht
XI
7. Kapitel: Der Einsatz von Friedenstruppen im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur................................................................. 341 I. II. III. IV.
Definition ..................................................................................... 342 Rechtliche Grundlagen................................................................ 343 Einordnung der bisherigen AU-Missionen ............................... 347 Zwischenergebnis ........................................................................ 367
Resümee ................................................................................................. 369 Summary ............................................................................................... 381 Literaturverzeichnis .......................................................................... 393 Sachregister .......................................................................................... 435
Inhaltsverzeichnis Einleitung.................................................................................................. 1 I. II. III. IV.
Von der Organisation der Afrikanischen Einheit zur Afrikanischen Union ....................................................................... 1 Einordnung der Afrikanischen Union als Internationale Organisation..................................................................................... 7 Zentrale Fragestellungen ................................................................. 8 Gang der Untersuchung................................................................ 11
1. Kapitel: Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union ................................. 13 I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
Die AU-Versammlung .................................................................. 13 1. Zusammensetzung.................................................................... 14 2. Organkompetenzen ................................................................. 15 3. Entscheidungsfindung und Entscheidungsformen .............................................................. 19 Der AU-Ministerrat ...................................................................... 26 1. Zusammensetzung.................................................................... 26 2. Organkompetenzen ................................................................. 27 3. Entscheidungsfindung und Entscheidungsformen .............................................................. 29 Die AU-Kommission .................................................................... 29 1. Zusammensetzung.................................................................... 30 2. Organkompetenzen ................................................................. 32 Das Panafrikanische Parlament .................................................... 34 1. Zusammensetzung.................................................................... 35 2. Organkompetenzen ................................................................. 37 Die Afrikanische Kommission für Menschenrechte................... 40 1. Zusammensetzung.................................................................... 40 2. Organkompetenzen ................................................................. 42 3. Staatenberichtssystem .............................................................. 43 4. Herausforderungen .................................................................. 45 Der AU-Gerichtshof ..................................................................... 46
2. Kapitel: Der Friedens- und Sicherheitsrat .............................51 I.
Zusammensetzung ......................................................................... 53
XIV
Inhaltsverzeichnis
II. III.
Ziele ................................................................................................ 55 Aufgaben und Organkompetenzen.............................................. 56 1. Aufgaben................................................................................... 56 2. Organkompetenzen ................................................................. 58 IV. Die Zusammenarbeit mit der AU-Kommission.......................... 60 V. Das Gremium der Weisen ............................................................. 62 1. Zusammensetzung.................................................................... 62 2. Aufgaben................................................................................... 63 VI. Das kontinentale Frühwarnsystem .............................................. 64 VII. Der Militärstab............................................................................... 65 VIII. Die afrikanische Bereitschaftsarmee............................................. 66 1. Aufgaben................................................................................... 67 2. Aufbau ...................................................................................... 68 3. Konfliktszenarien..................................................................... 72 4. Regionale Mechanismen .......................................................... 74 a. Nordafrika............................................................................ 74 b. Zentralafrika......................................................................... 75 c. Ostafrika............................................................................... 76 d. Westafrika............................................................................. 77 e. Südliches Afrika................................................................... 79 f. Herausforderungen ............................................................. 80 IX. Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den regionalen Wirtschaftsorganisationen............................................................. 81 X. Kooperationsverhältnisse zu außerafrikanischen Akteuren....... 88 1. Die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen ................................................................................... 88 2. Die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union ........................................................................................ 90 XI. Die Finanzierung der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur............................................................... 93 XII. Zwischenergebnis .......................................................................... 97 XIII. Diagramm: Organisationsstruktur der Afrikanischen Union.............................................................................................. 99
3. Kapitel: Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union ......................................................................... 101 I.
II.
Besonderheiten der OAE-Sicherheitspolitik............................. 103 1. Staatenzentriertheit ................................................................ 104 2. Dekolonisierung und Anti-Apartheidkampf ....................... 106 Grundprinzipien in Anlehnung an Art. 2 UN-Charta............. 111
Inhaltsverzeichnis
III.
XV
1. Die souveräne Gleichheit und Interdependenz der Mitgliedstaaten................................................................. 111 2. Das Nichteinmischungsprinzip ............................................ 113 3. Das Gewaltverbot und die friedliche Beilegung von Konflikten ....................................................................... 118 a. Gewaltverbot ..................................................................... 118 b. Friedliche Streitbeilegung ................................................. 119 Besondere Grundprinzipien der Afrikanischen Union ............ 123 1. Der Respekt vor den seit Erreichen der Unabhängigkeit bestehenden Grenzen ................................ 123 a. Bedeutung des uti possidetis-Prinzips ............................. 125 b. Schwache Staaten und failed states ................................... 128 2. Das Verbot von Terrorismus und Subversion...................... 133 a. Subversion .......................................................................... 133 b. Terrorismus ........................................................................ 134 3. Die Verurteilung und Ablehnung verfassungswidriger Regierungswechsel .............................. 140 a. Lomé-Deklaration ............................................................. 142 b. Das Suspendierung- und Sanktionsregime der Afrikanischen Union ......................................................... 144 aa. Suspendierung ............................................................. 145 bb. Sanktionen ................................................................... 149 cc. Andere Rechtsfolgen .................................................. 151 4. Der Respekt vor demokratischen Grundsätzen, Menschenrechten, Rechtstaatlichkeit und guter Regierungsführung................................................................. 152 a. Banjul-Charta .................................................................... 155 aa. Individualrechte .......................................................... 155 bb. Rechte der afrikanischen Völker................................ 157 cc. Pflichten des Einzelnen und der Staaten ................... 158 dd. Weitere Entwicklung .................................................. 159 b. CSSDCA ............................................................................ 160 aa. Sicherheit und Stabilität.............................................. 161 bb. Entwicklung und Kooperation.................................. 162 cc. Umsetzungsmechanismus .......................................... 163 c. NEPAD .............................................................................. 164 aa. Sicherheitspolitische Aspekte der NEPAD .............. 166 bb. Declaration on Democracy, Political, Economic and Corporate Governance........................................ 167 cc. Umsetzungsmechanismen/APRM ............................ 168 d. Lomé-Deklaration und Declaration on the Principles Governing Democratic Elections in Africa ..................... 172
XVI
IV.
Inhaltsverzeichnis
e. Guidelines on Election Observation and Monitoring Missions.............................................................................. 173 f. African Charter on Elections, Democracy and Governance ........................................................................ 175 g. Herausforderungen ........................................................... 177 Zwischenergebnis ........................................................................ 179
4. Kapitel: Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik .......................................................................... 181 I.
II. III.
IV.
V. VI.
Die gemeinsame afrikanische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik ......................................................................... 182 1. Verteidigungs- und Sicherheitsbegriff der CADSP ................................................................................... 183 2. Zielsetzungen und Grundsätze der CADSP........................ 184 3. Gefahren für die gemeinsame Sicherheit und Verteidigung des Kontinents ................................................. 186 4. Umsetzungsmechanismen ..................................................... 187 African Union Policy Framework for Post-Conflict Reconstruction and Development.............................................. 188 Der Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt ...................... 190 1. Ziele des Nicht-Aggressions- und Verteidigungspaktes ............................................................... 191 2. Aggressionsdefinition und kollektive Selbstverteidigung .................................................................. 192 3. Verpflichtungen der Mitgliedstaaten .................................... 203 4. Umsetzungsmechanismen ..................................................... 206 Das Sicherheitsverständnis der Afrikanischen Union .............. 207 1. Kollektive Sicherheit.............................................................. 207 2. Menschliche Sicherheit .......................................................... 208 3. Weites Sicherheitsverständnis und Umsetzungsprobleme ............................................................ 211 Exkurs – Kontinentale Integration durch Sicherheit? .............. 213 Zwischenergebnis ........................................................................ 217
5. Kapitel: Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union ......................................................................... 219 I.
Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen vertraglicher Interventionsregelungen.............................................................. 224 1. Diskussionsstand in der Literatur......................................... 224 2. Intervention auf Einladung ................................................... 227 3. Stellungnahme ........................................................................ 230
Inhaltsverzeichnis
II.
III.
XVII
4. Die Reichweite des zwingenden Gehalts des Gewaltverbots und des Selbstbestimmungsrechts der Völker.................................... 231 a. Gewaltverbot ..................................................................... 231 b. Selbstbestimmungsrecht der Völker................................. 236 5. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Einwilligung ........................................................................... 238 a. Einwilligungsbefugnis ....................................................... 238 b. Maßgeblicher Zeitpunkt der Einwilligung ...................... 242 c. Umfang der Einwilligung.................................................. 245 d. Rücknahme der Einwilligung ........................................... 246 e. Zwischenergebnis .............................................................. 248 Auslegung der Art. 4 lit. h) und j) KA-AU ............................... 249 1. Art. 4 lit. h) KA-AU .............................................................. 249 a. Hintergrund der Norm ..................................................... 249 b. Voraussetzungen des Art. 4 lit. h) KA-AU im Einzelnen............................................................................ 253 aa. „Intervention in einem Mitgliedstaat“ ...................... 253 bb. „gemäß einer Entscheidung der Versammlung“....... 255 cc. „hinsichtlich schwerwiegender Umstände, namentlich Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ..................... 258 i. „Kriegsverbrechen“.............................................. 258 ii. „Völkermord“ ...................................................... 260 iii. „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ............ 262 dd. „sowie bei ernsthafter Bedrohung der legitimen Ordnung um Frieden und Sicherheit eines Mitgliedstaates wiederherzustellen“.......................... 264 i. Hintergrund der Änderung ................................. 264 ii. Regimesicherheit oder menschliche Sicherheit?............................................................. 265 iii. Auslegung ............................................................. 267 c. Wann liegt ein Tatbestand i.S.v. Art. 4 lit. h) KA-AU vor? ..................................................................................... 272 2. Art. 4 lit. j) KA-AU ............................................................... 273 a. Hintergrund der Norm ..................................................... 273 b. Voraussetzungen des Art. 4 lit. j) KA-AU im Einzelnen............................................................................ 275 Zwischenergebnis ........................................................................ 278
XVIII
Inhaltsverzeichnis
6. Kapitel: Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII UN-Charta ................................................................................. 281 I.
II.
III.
Die Afrikanische Union – eine Regionalorganisation i.S.v. Kapitel VIII UN-Charta? ........................................................... 283 1. Regionale Abmachung oder Einrichtung............................. 284 2. Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ...................................................... 285 3. Vereinbarkeit mit den Zielen und Prinzipien der Vereinten Nationen................................................................ 291 4. System friedlicher Streitbeilegung ........................................ 295 Die friedliche Beilegung von Streitigkeiten nach Art. 52 UN-Charta................................................................................... 296 1. Zuständigkeit der Afrikanischen Union............................... 296 a. Angebrachtheit von Maßnahmen regionaler Natur........ 296 b. Nur Streitigkeiten oder auch Situationen? ...................... 297 2. Priorität friedlicher Streitbeilegung durch die Afrikanische Union?.............................................................. 299 a. Konkurrierende Zuständigkeit ......................................... 299 b. Verstärkte Subsidiarität ..................................................... 300 c. Stellungnahme.................................................................... 302 d. Einordnung der Afrikanischen Union ............................. 306 Die Durchführung von Zwangsmaßnahmen nach Art. 53 Abs. 1 UN-Charta ....................................................................... 309 1. Der Begriff der „Zwangsmaßnahme“ in der UN-Charta ............................................................................. 310 a. Alle bindenden Entscheidungen sind Zwangsmaßnahmen........................................................... 310 b. Alle Maßnahmen nicht-militärischer und militärischer Art sind Zwangsmaßnahmen...................... 312 c. Nur militärische Maßnahmen sind Zwangsmaßnahmen........................................................... 315 2. Zugriffsrecht des UN-Sicherheitsrates auf die Afrikanische Union nach Art. 53 Abs. 1 S. 1. UN-Charta ............................................................................. 321 a. Unbedingtes Zugriffsrecht für die Durchführung militärischer Zwangsmaßnahmen..................................... 322 b. Zwangsmaßnahmen außerhalb der Region und gegen Nichtmitglieder der Afrikanischen Union ...................... 324 3. Ermächtigung nach Art. 53 Abs. 1 S. 2. 1. HS UN-Charta ............................................................................. 326
Inhaltsverzeichnis
IV.
V.
XIX
a. Zeitpunkt der Ermächtigung ............................................ 326 aa. Nachträgliche Ermächtigung ..................................... 327 bb. Konkludente Ermächtigung....................................... 329 b. Zulässigkeit einer Ermächtigung zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen gegen Drittstaaten ................... 331 Sonderfall „humanitäre Intervention“ ....................................... 333 1. Definition................................................................................ 333 2. Rechtfertigungsversuche........................................................ 335 3. Voraussetzungen einer humanitären Intervention ............................................................................ 337 4. Einordnung für die Afrikanische Union .............................. 339 Zwischenergebnis ........................................................................ 339
7. Kapitel: Der Einsatz von Friedenstruppen im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur................................................................. 341 I. II. III.
IV.
Definition ..................................................................................... 342 Rechtliche Grundlagen................................................................ 343 Einordnung der bisherigen AU-Missionen ............................... 347 1. Burundi ................................................................................... 348 a. AU-Praxis .......................................................................... 348 b. UN-Praxis .......................................................................... 349 2. Sudan....................................................................................... 350 a. AU-Praxis .......................................................................... 350 b. UN-Praxis .......................................................................... 354 3. Somalia .................................................................................... 358 a. AU-Praxis .......................................................................... 358 b. UN-Praxis .......................................................................... 361 4. Komoren ................................................................................. 362 5. Bewertung............................................................................... 365 Zwischenergebnis ........................................................................ 367
Resümee ................................................................................................. 369 Summary ............................................................................................... 381 Literaturverzeichnis .......................................................................... 393 Sachregister .......................................................................................... 435
Abkürzungsverzeichnis ACIL
African Commission on International Law
ACSRT
African Center for the Study and Research on Terrorism
AEC
African Economic Community
AHRLJ
African Human Rights Law Journal
AJIL
American Journal of International Law
AJoCIL
African Journal of International and Comparative Law
AMLD
AU Military Logistical Depot
AMU
Arab Maghreb Union
ANC
African National Congress
APF
African Peace Facility
APRM
African Peer Review Mechanism
APuZ
Aus Politik und Zeitgeschichte
ASF
African Standby Force
ASR
Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts
AU
Afrikanische Union
AU-PCRD
Framework Document on Post-Conflict Reconstruction and Development
AVR
Archiv des Völkerrechts
BDGVR
Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht
BrookJIntL
Brooklyn Journal of International Law
BYIL
British Yearbook of International Law
CADSP
Common African Defence and Security Policy
CalWILJ
California Western International Law Journal
CDS
Commission for Defence and Security
XXII
Abkürzungsverzeichnis
CEN-SAD
Community of Sahel-Saharan States
CEWARN
Conflict Early Warning and Response Mechanism
CEWS
Continental Early Warning System
COMESA
Common Market for Eastern and Southern Africa
COPAX
Conseil de Paix et de Sécurité de l’Afrique Centrale
CRISE
Centre for Research on Inequality, Human Security and Ethnicity
CSSDCA
Conference on Security, Stability, Development and Cooperation in Africa
DuJCIL
Duke Journal of Comparative and International Law
EAC
East African Community
EASBRIG
Eastern Africa States Brigade
ECCAS
Economic Community of Central African States
ECOBRIG/ESF
ECOWAS Standby Brigade
ECOSOCC
Economic, Social and Cultural Council
ECOWAS
Economic Community of West African States
EJIL
European Journal of International Law
EJIR
European Journal of International Relations
EPIL
Encyclopedia of Public International Law
EU
Europäische Union
FOMAC
Multinational Peacekeeping Force in Central Africa
FYoIL
Finnish Yearbook of International Law
GeoLJ
Georgetown Law Journal
GeoWashILRev
George Washington International Law Review
GIGA
German Institute of Global and Area Studies
GYIL
German Yearbook of International Law
HarvHumRJ
Harvard Human Rights Journal
Abkürzungsverzeichnis
XXIII
HumRQ
Human Rights Quarterly
ICISS
International Commission on Intervention and State Sovereignty
ICLQ
International and Comparative Law Quarterly
ICTR
International Criminal Tribunal for Rwanda
ICTY
International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia
IGAD
Inter-Governmental Development Authority
IGH
Internationaler Gerichtshof
ILC
International Law Commission
ILM
International Legal Materials
IPbürgR
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
IPG
Internationale Politik und Gesellschaft
IRRC
International Review of the Red Cross
ISS
Institute for Security Studies
IStGH
Internationaler Strafgerichtshof
JoAL
Journal of African Law
JoCSL
Journal of Conflict and Security Law
JoDem
Journal of Democracy
JoLP
Journal of Law and Policy
JoMAS
Journal of Modern African Studies
JoPR
Journal of Peace Research
KA-AU
Konstituierende Akte der Afrikanischen Union
KAIPTC
Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre
LJIL
Leiden Journal of International Law
LNTS
League of Nations Treaty Series
MARAC
Early Warning Observation and Monitoring System for Central Africa
MCPMR
Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
MoU
Memorandum of Understanding
MPEPIL
Max Planck Encyclopedia of Public International Law
MPYUNL
Max Planck Yearbook of United Nations Law
NEPAD
New Partnership for Africa’s Development
NEPAD-PCRP
African Post-Conflict Reconstruction Policy Framework
NILR
Netherlands International Law Review
NJoIntL
Nordic Journal of International Law
NQHR
Netherlands Quarterly of Human Rights
NYIL
Netherlands Yearbook of International Law
NYJoILP
New York Journal of International Law and Politics
OAE
Organisation der Afrikanischen Einheit
OAS
Organisation Amerikanischer Staaten
OMC
ECOWAS Observation and Monitoring Centre
Österr. Z öffentl. Recht und Völkerrecht
Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht
PAP
Pan-African Parliament
PCIJ
Publications of the Permanent Court of International Justice
PLANELM
AU Planning Element
PSC
Peace and Security Council
RdC
Recueil des Cours
REC
Regional Economic Community
RevIntSt
Review of International Studies
RGDIP
Revue Général de Droit International Public
RRM
Rapid Reaction Mechanism
SADC
Southern African Development Community
SADCBRIG
SADC Brigade
SAJHR
South African Journal of Human Rights
SAPR/PL
SA Publiekreg/SA Public Law
Abkürzungsverzeichnis
XXV
SAYIL
South African Yearbook of International Law
SHIRBRIG
UN Standby High Readiness Brigade
SIPRI
Stockholm International Peace Research Institute
StIGH
Ständiger Internationaler Gerichtshof
SWAPO
South West African People’s Organisation
U.N.T.S.
United Nations Treaty Series
UCLRev
The University of Chicago Law Review
UN
Vereinte Nationen
UNSAS
UN Standby Arrangement System
VaJIL
Virginia Journal of International Law
VanJTL
Vanderbilt Journal of Transnational Law
VuRÜ
Verfassung und Recht in Übersee
WisIntLJ
Wisconsin International Law Journal
YBILC
Yearbook of the ILC
YJIL
Yale Journal of International Law
ZANU-PF
Zimbabwe African National UnionPatriotic Front
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
ZVglRWiss
Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft
Einleitung
I. Von der Organisation der Afrikanischen Einheit zur Afrikanischen Union Als die gerade erst unabhängig gewordenen Staaten am 25. Mai 1963 in Verwirklichung der Idee des Panafrikanismus den Vertrag zur Gründung der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAE) unterzeichneten, verbanden sie damit die Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben, die sozio-ökonomische Entwicklung ihrer Länder, die Verbesserung der Lebenssituation ihrer Bevölkerungen und ein Ende der jahrhundertelangen Ausbeutung und Marginalisierung des Kontinents.1 Die OAE sollte vornehmlich die Solidarität zwischen den afrikanischen Staaten fördern, deren Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität verteidigen und gegen Kolonialismus und Apartheid angehen.2 Sie sollte Frieden, Sicherheit und Stabilität in Afrika schaffen und die kontinentale Integration vorantreiben.3 Die OAE war die erste und bis zu ihrer Auflösung am 9. Juli 2002 auch die umfassendste Internationale Organisation auf dem afrikanischen Kontinent, in der alle afrikanischen Staaten bis auf Marokko als Mitglieder vertreten waren.4
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Vgl. Präambel OAE-Charta vom 23. Mai 1963, ILM Vol. 2 (1963), S. 766. Zum Panafrikanismus, der nicht nur die Gründung der OAE, sondern auch die Afrikanische Union bis heute stark beeinflusst vgl. nur Emerson, International Organization 16/2 (1962), S. 275, 280 ff.; Legum, Pan-Africanism, 1962; Nkrumah, Africa Must Unite, 1963; Nyerere, JoMAS 1 (1963), S. 1 ff.; I. Geiss, The Pan-African Movement, 1974; Amate, Inside the OAU, 1986, S. 34 ff.; van Walraven, The Role of the Organization of African Unity in the Politics of Africa, 1999, S. 75 ff.; Williams, African Affairs 106/423 (2007), S. 253, 262; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 49 ff. 2 Art. II Abs. 1 lit. a), c) und d) OAE-Charta. Eingehend Hess, Die Organisation der afrikanischen Einheit, 1967, S. 23 ff. 3 Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 254; Udombana, GeoWashILRev 35 (2003), S. 55, 57. 4 Marokko trat 1984 aus Protest gegen die Mitgliedschaft der Demokratischen Arabischen Republik Sahara aus der OAE aus.
D. Barthel, Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 224, DOI 10.1007/978-3-642-20034-2_1, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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Die mit ihrer Gründung geweckten Erwartungen konnte die OAE indes nicht erfüllen. Die unzähligen humanitären, ökonomischen und ökologischen Krisen und Katastrophen die Afrika in den fast 40 Jahren des Bestehens der Organisation zu gegenwärtigen hatte, konnten trotz der ehrgeizigen Ziele der Staats- und Regierungschefs nicht im Sinne ihrer Bevölkerungen gelöst werden. So wurden seit 1970 mehr als 30 Kriege auf dem Kontinent geführt. Und noch im Jahr 2000 war knapp die Hälfte aller afrikanischen Staaten direkt oder indirekt von Gewaltkonflikten betroffen.5 Angesichts dieser Fehlschläge wird die Leistung der Organisation bei der Bewältigung afrikanischer Konflikte äußerst kritisch betrachtet.6 Die OAE selbst musste konstatieren, dass der afrikanische Kontinent einen traurigen Rekord an zwischenstaatlichen Kriegen und Konflikten hält, die gewaltige Flüchtlingsströme, ökonomische Katastrophen, einen enormen Verlust an menschlichem Leben und einen Abfluss der knappen Ressourcen verursachen.7 Die OAE scheiterte bei der Krisenbewältigung oft genug an ihren eigenen Grundprinzipien. Sie hielt viel zu lange am Gebot der Nichteinmischung in innerstaatliche Angelegenheiten, dem Respekt für die Souveränität und territoriale Integrität der Mitgliedstaaten und dem uti possidetis-Prinzip fest.8 Gerade das Nichteinmischungsprinzip, auf das sich 5
Schmidt, APuZ 4 (2005), S. 25, 29.
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Vgl. nur van Walraven, The Role of the Organization of African Unity in the Politics of Africa, 1999, S. 267 ff.; Muyangwa/Vogt, Reports of the International Peace Academy (2000), S. 1, 7 f.; Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 12; Matthies, Vereinte Nationen 2 (2002); S. 51 f.; Udombana, CalWILJ 33 (2002), S. 69, 76; Murithi, The African Union, 2005; Schmidt, APuZ 4 (2005), S. 25. 7 Yaoundé Declaration, Dok.Nr. AHG/Decl.3 (XXXII), Assembly of Heads of State and Government of the OAU, 32nd Ordinary Session vom 8. – 10. Juli 1996, S. 18, Absatz 6. In ihrer letzten außerordentlichen Sitzung mussten die Staats- und Regierungschefs selbstkritisch feststellen, dass sich die Herausforderungen für Frieden und Sicherheit in Afrika trotz aller Bemühungen bislang kaum verringert haben, vgl. §§ 5 ff. Report of the Chairperson of the Commission – Enhancing Africa’s Resolve and Effectiveness in Ending Conflicts and Sustaining Peace, Dok.Nr. SP/Assembly/PS/RPT(I) und §§ 7 f. Tripoli Declaration on the Elimination of Conflicts in Africa and the Promotion of Sustainable Peace, Dok.Nr. SP/Assembly/PS/DECL.(I), Assembly of the African Union, Special Session on the Consideration and Resolution of Conflicts in Africa vom 30. – 31. August 2009. 8 Vgl. Art. III OAE-Charta. Dazu Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, 1981, S. 228 ff.; 260 ff.; van Walraven, The Role of the Organization of African Unity in the Politics of Africa, 1999, S. 267 ff., 282 ff.;
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die Regierungen vor, während und nach begangenen Gräueltaten beriefen, trug ganz maßgeblich zum Versagen der Organisation bei.9 Der OAE fehlten aber auch die institutionellen Voraussetzungen für eine effektive Friedenssicherung und Konfliktbewältigung.10 So blieben die hierzu in der OAE-Charta vorgesehenen Organe, wie die Commission of Mediation, Conciliation and Arbitration und die Defence Commission zugunsten von ineffektiven ad hoc-Streitschlichtungsgremien ungenutzt.11 Das Ende des Kalten Krieges und die damit einhergehenden weltweiten politischen und wirtschaftlichen Veränderungen, die Zunahme bewaffneter Konflikte aber auch konkurrierender Wirtschafts- und Sicherheitsorganisationen auf dem Kontinent und die immer größere Bedeutung der Menschenrechte in den internationalen Debatten zwangen die Staats- und Regierungschefs in den 1990ern dazu, die Zielsetzungen und Strukturen der OAE zu überdenken und an die neuen weltpolitischen Realitäten anzupassen. Vor diesem Hintergrund stellten sie 1990 fest, dass Frieden und Sicherheit notwendige Voraussetzungen für die sozio-ökonomische Entwicklung des Kontinents sind:12 „[…] the possibilities of achieving the objectives we have set will be constrained as long as an atmosphere of lasting peace and stability does not prevail in Africa. We therefore renew our determination to work together towards the peaceful and speedy resolution of all the conflicts on our continent. […] It is only through the creation of stable conditions that Africa can fully harness its human and mateAbass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 8 ff.; Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 256, 262; Imobighe, OAU (AU) and OAS in Regional Conflict Management, 2003, S. S. 30 ff., 57 ff.; Schmidt, APuZ 4 (2005), S. 25 f. 9 Udombana, GeoWashILRev 35 (2003), S. 55, 57; Maluwa, NILR 51 (2004), S. 195, 217; Rechner, VanJTL 39 (2006), S. 543, 553 f.; Sarkin, JoAL 53/1 (2009), S. 1, 16. 10 Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 256, 260; Powell/Tieku, International Journal 2005, S. 937, 941; Schmidt, APuZ 4 (2005), S. 25, 26. 11 Muyangwa/Vogt, Reports of the International Peace Academy (2000), S. 1, 7 f.; Udombana, GeoWashILRev 35 (2003), S. 55, 71 f.; Maluwa, NILR 51 (2004), S. 195, 203 f. 12 Declaration of the Heads of State and Government of the Organization of African Unity on the Political and Socio-Economic Situation in Africa and the Fundamental Changes Taking Place in the World, Dok.Nr. AHG/Decl.1 (XXVI), Assembly of Heads of State and Government, 26th Ordinary Session vom 9. – 11. Juli 1990.
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rial resources and direct them to development. At this crucial juncture when our continent is emerging with difficulty, from a phase in its history that focused mainly on political liberation and nation building, and is about to embark on a new era laying greater emphasis on economic development, we need to strengthen the Organization of African Unity so that it may also become a viable instrument in the service of Africa’s economic development and integration.“ In den folgenden Jahren versuchte die OAE ihre politischen und institutionellen Konfliktlösungsfähigkeiten auszubauen. Ein wesentlicher Schritt hierfür war 1993 die Einrichtung des OAU Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, der vor allen Dingen die Entstehung von Konflikten verhindern sollte und im Übrigen strikt an die Grundprinzipien der OAE und die Zustimmung der Konfliktparteien gebunden war.13 Zwar blieben spürbare Erfolge aus, der neue Mechanismus war jedoch ein starkes politisches Signal der OAE-Staaten, sich verstärkt für Frieden und Stabilität in Afrika einsetzen zu wollen. Die OAE griff in der Folgezeit denn auch vermehrt selbst in innerund zwischenstaatliche Konflikte ein, sei es im Rahmen des neuen Mechanismus, durch Sondergesandte oder in Form kleinerer Missionen z.B. nach Ruanda (NMOG), Burundi (OMIB) und in die Zentralafrikanische Republik (MISAB). Gleichzeitig debattierten die Staats- und Regierungschefs die Errichtung einer OAE-eigenen Friedenstruppe, auch weil externe Akteure angesichts der mit hohen eigenen Risiken behafteten Auseinandersetzungen – etwa in Somalia und Ruanda – nicht mehr bereit waren, in afrikanische Konflikte hineingezogen zu werden.14 Diese insgesamt immer noch sehr zögerlichen Entwicklungen griffen 1999 der libysche Präsident Muammar al-Gaddafi zusammen mit Tha13 (Cairo) Declaration of the Assembly of Heads of State and Government of the OAU of the Establishment within the OAU of a Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, Dok.Nr. AHG/DECL.3 (XXIX), Assembly of Heads of State and Government of the OAU, 29th Ordinary Session vom 28. – 30. Juni 1993. Zum Mechanismus ausführlich Muyangwa/Vogt, Reports of the International Peace Academy (2000), S. 1 ff.; Matthies, Vereinte Nationen 2 (2002), S. 51 ff.; Udombana, CalWILJ 33 (2002), S. 69, 120 ff.; Nzisabira, Von der Organisation der Afrikanischen Einheit zur Afrikanischen Union, 2006, S. 50 ff. 14
Nzisabira, Von der Organisation der Afrikanischen Einheit zur Afrikanischen Union, 2006, S. 81 ff.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 92 ff. m.w.N.
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bo Mbeki aus Südafrika und Olusegun Obasanjo aus Nigeria auf und forcierten mit ihren jeweils eigenen Schwerpunkten die Diskussionen um die (Neu-)Ausrichtung und Weiterentwicklung der Organisation.15 Auf einer eigens hierzu einberufenen außerordentlichen Sitzung in Sirte schlug Gaddafi im September 1999 zur Überraschung der meisten Anwesenden vor, Kwame Nkrumahs Vision der „United States of Africa“ wieder aufleben zu lassen, mit einer einzigen Armee, Währung und politischen Führung.16 Zwar wollte die Mehrheit der Staaten diesen Vorschlägen nicht folgen, das Ende der OAE wurde mit der von den Mitgliedstaaten verabschiedeten Sirte Declaration dennoch besiegelt.17 In ihr beschlossen die Staats- und Regierungschefs, den afrikanischen Kontinent zu Beginn des 21. Jahrhunderts angesichts der fortschreitenden Globalisierung und der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Marginalisierung Afrikas mittels einer schlagkräftigen neuen Organisation besser zu positionieren und die Einheit der afrikanischen Staaten und Völker voranzubringen.18 Der Grundstein für die Afrikanische Union war damit gelegt. Sie bildet den Kern der vorliegenden Untersuchung. Nach eiligen Vertragsverhandlungen nahm die Versammlung der Staatsund Regierungschefs der OAE bereits am 11. Juli 2000 die Konstituierende Akte der Afrikanischen Union an.19 Sie trat nach ausreichender Ratifizierung am 26. Mai 2001 in Kraft.20 Die neue kontinentale Organisation wurde schließlich am 9. und 10. Juli 2002 in Durban, Südafrika feierlich ins Leben gerufen und zeitgleich die OAE nach fast 40-
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Dazu Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 103 f.
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Vgl. Nkrumah, Africa Must Unite, 1963. Zum libyschen Einfluss auf die Gründung der AU Nzisabira, Von der Organisation der Afrikanischen Einheit zur Afrikanischen Union, 2006, S. 110 ff.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 95. 17
Sirte Declaration vom 9. September 1999.
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§ 5 f., 8 Sirte Declaration.
19 Constitutive Act of the African Union vom 11. Juli 2000 (KA-AU), U.N.T.S. Vol. 2158 (2003), S. 3. Vgl. auch Decision on the Establishment of the African Union and the Pan-African Parliament, Dok.Nr. AHG/Dec.143 th (XXXVI), Assembly of Heads of State and Government of the OAU, 36 Ordinary Session vom 10. – 12. Juli 2000. 20
Vgl. Decision on the Implementation of the Sirte Summit Decision on the African Union, Dok.Nr. AHG/Dec.1 (XXXVII), Assembly of Heads of State and Government of the OAU, 37th Ordinary Session vom 9. – 11. Juli 2001.
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jährigem Bestehen aufgelöst. Da die KA-AU selbst nur recht wenige Regelungen zur Friedenssicherung und Konfliktbewältigung aufweist und auch der OAE-Mechanismus für Konfliktbewältigung überraschenderweise nicht in die neuen Strukturen integriert wurde, verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs noch am 9. Juni 2002 das Protocol relating to the establishment of the Peace and Security Council of the African Union, das zahlreiche Ergänzungen zur KA-AU enthält.21 Die Transitionsphase von OAE zur Afrikanischen Union, die dem Aufbau der neuen und der Eingliederung bestehender Strukturen, der Anpassung der OAE-Verträge und Programme sowie der Übertragung der Aktiva und Passiva diente, dauerte über zwei Jahre. Die Afrikanische Union übernahm als Nachfolgerin der OAE das gesamte primäre und sekundäre Recht der OAE als eigenes, soweit es mit der KAAU vereinbar war.22 Da die Mitglieder beider Organisationen identisch sind, ergaben sich diesbezüglich auch keine rechtlichen Probleme hinsichtlich der Bindung an bestehende Verträge, Konventionen und Resolutionen.23
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Protocol relating to the establishment of the Peace and Security Council of the African Union, Assembly of the African Union, 1st Ordinary Session vom 9. Juli 2002 (ProtokollPSC). 22
Vgl. Art. 33 Abs. 1 und 2 KA-AU; Decision on the Implementation of the Sirte Summit Decision on the African Union, Dok.Nr. AHG/Dec.1 (XXXVII), Assembly of Heads of State and Government of the OAU, 37th Ordinary Session vom 9. – 11. Juli 2001; Decision on the Interim Period, Dok.Nr. Ass/AU/Dec.1 (I), Assembly of the African Union, 1st Ordinary Session vom 9. – 10. Juli 2002. Zur schrittweisen Aufnahme der Tätigkeiten einer Internationalen Organisation und zur Übernahme der Aufgaben, Rechte und Pflichten durch eine neue Internationale Organisation (sog. Funktionsnachfolge bzw. Sukzession) vgl. Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 0407, 0605 ff.; Sands/Klein, Bowett’s Law of International Institutions, 5. Aufl. 2001, S. 526 ff.; Klabbers, International Institutional Law, 2002, S. 326 ff.; Amerasinghe, Principles of the Institutional Law of International Organizations, 2. Aufl. 2005, S. 473 ff. 23 Vgl. Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl., 2003, §§ 1648 ff.
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II. Einordnung der Afrikanischen Union als Internationale Organisation Die Afrikanische Union erfüllt wie schon ihre Vorgängerin alle Voraussetzungen, die in der Völkerrechtswissenschaft an eine Internationale Organisation gestellt werden:24 Sie ist ein aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen 53 Staaten bestehender, auf Dauer angelegter Zusammenschluss zur Verfolgung von vom Völkerrecht anerkannter Ziele. Die AU-Mitgliedstaaten standen sich bei Vertragsschluss auf der Basis der Gleichheit gegenüber und verzichteten (widerruflich) zugunsten des Zusammenschlusses auf die Ausübung eigener souveräner Rechte. Die Afrikanische Union kann einen eigenen, sich nicht zwingend mit dem der Mitgliedstaaten deckenden Willen bilden und ist mit einer Vielzahl eigener Organe ausgestattet. Sie kann außerdem in eigenem Namen Trägerin von Rechten und Pflichten auf dem Gebiet des Völkerrechts sein, besitzt also Völkerrechtspersönlichkeit. Ihre Rechtssubjektivität ist freilich anders als bei Staaten nicht allumfassend, sondern auf die Rechte beschränkt, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt.25 Sie ergibt sich für die Afrikanische Union nicht ausdrücklich aus der KA-AU, sondern aus der Zusammenschau ihrer Aufgaben und Kompetenzen.26 Ihre ebenfalls funktionell begrenzte Rechtspersönlich-
24
S. nur Virally, in: Abi-Saab (Hrsg.), The concept of international organization, 1981, S. 50, 51 ff.; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 0105 ff.; Sands/Klein, Bowett’s Law of International Institutions, 5. Aufl. 2001, S. 16 f; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, §§ 33 ff.; Amerasinghe, Principles of the Institutional Law of International Organizations, 2. Aufl. 2005, S. 9 ff.; White, The Law of International Organisations, 2. Aufl. 2005, S. 1 f.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 276 f. Rn. 12 ff. 25
Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 0301 ff.; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, §§ 1559 ff.; Amerasinghe, Principles of the Institutional Law of International Organizations, 2. Aufl. 2005, S. 67 ff.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 307 f. Rn. 93 ff. 26 Dazu Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 0326; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, § 1565. S.a. IGH, Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1949, S. 174, 178 f. zur Völkerrechtspersönlichkeit der Vereinten Nationen.
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keit nach innerstaatlichem Recht folgt aus Art. 1 General Convention on Privileges and Immunities of the OAU.27 Da nach Art. 29 Abs. 1 KA-AU nur afrikanische Staaten Mitglied der Afrikanischen Union werden können, lässt sie sich als beschränkt offene bzw. geschlossene Internationale Organisation einstufen.28 Anderen Bedingungen, z.B. die Beachtung von rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien oder der Menschenrechte unterliegen die Aufnahmestaaten nicht.29 Da die Afrikanische Union auf den afrikanischen Kontinent begrenzt ist, wird sie auch als regionale Internationale Organisation oder Regionalorganisation charakterisiert.30 In Afrika existieren darüber hinaus eine Vielzahl von kleineren subregionalen Wirtschaftsund Sicherheitsorganisationen, wie die Economic Community of West African States (ECOWAS) oder die Southern African Development Community (SADC), die auf eine Region innerhalb Afrikas bezogen sind. Sie werden im Rahmen dieser Untersuchung in Übereinstimmung mit der AU-eigenen Benennung als regionale Wirtschaftsorganisationen oder kurz RECs bezeichnet.
III. Zentrale Fragestellungen Die allgemein negative Einschätzung der Leistung der OAE in der Bewältigung afrikanischer Konflikte schlug sich auch auf die ersten Beur-
27 General Convention on Privileges and Immunities of the OAU vom 25. Oktober 1965, U.N.T.S. Vol. 1000 (1976), S. 393. Zur Rechtspersönlichkeit nach innerstaatlichem Recht vgl. nur Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 0323 ff.; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, §§ 1591 ff. 28
Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 0505; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, §§ 53 ff. 29 Olivier/Olivier, SAPR/PL 19 (2004), S. 351, 360. Anders z.B. Art. 3 Satzung des Europarates vom 5. Mai 1949, BGBl. 1950 I, S. 263; U.N.T.S. Vol. 87 (1951), S. 103; Kopenhagener Kriterien des Europäischen Rates vom 21. – 22. Juni 1993, abrufbar unter: http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/ docs/pressData/de/ec/72924.pdf (Stand: 31. Mai 2010). 30
Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 2201 ff., insb. 2219; Sands/Klein, Bowett’s Law of International Institutions, 5. Aufl. 2001, S. 18.
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teilungen der Afrikanischen Union durch. Von Beginn an wurde ihr unterstellt „alter Wein in neuen Schläuchen“ zu sein, übernimmt sie doch einige der Ziele und Prinzipien, die schon zur Lähmung der Vorgängerorganisation führten.31 Auch säßen in der neu gegründeten Organisation dieselben Staats- und Regierungschefs, die die alte OAE als „mutual admiration club“ genutzt hätten, so dass es keinen Grund gebe, einem vorgeblichen Wandel der Sicherheits- und Verteidigungspolitik afrikanischer Staaten zu vertrauen.32 Der Afrikanischen Union wird zudem ein top-down-Ansatz und besonders die mangelnde Partizipation nichtstaatlicher Institutionen vorgeworfen, was positive Entwicklungen in wirtschaftlichen und sozialen Bereichen und den Aufbau funktionierender Zivilgesellschaften erschwere.33 Schon ein flüchtiger Blick auf das Gründungsdokument und das ProtokollPSC reicht jedoch aus, um zu sehen, dass die AU keine bloße Umbenennung der OAE ist, sondern im Juni 2002 eine komplexe Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur für den afrikanischen Kontinent geschaffen wurde, die von mehreren Säulen getragen wird. So wurden zum einen neue institutionelle Voraussetzungen für eine verbesserte Konfliktprävention und -bewältigung geschaffen, allen voran der Friedens- und Sicherheitsrat, das kontinentale Frühwarnsystem und die afrikanische Bereitschaftsarmee. Zum anderen enthält die KA-AU eine ganze Reihe neuer Ziele und Prinzipien, die den Fokus der Afrikanischen Union verändern weg von den eingangs erwähnten staatenzentrieten Grundsätzen der OAE hin zu einem stärkeren Schutz und Beachtung der Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und guter Regierungsführung.34 Besonders stechen jedoch die beiden Interventionstatbestände in Art. 4 lit. h) und j) KA-AU hervor, die es der AU erlauben sollen, in Fällen von Kriegsverbrechen, Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen einen Mitgliedstaat vorzugehen. Die KA-AU sieht ferner die Errichtung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik vor.35 31 Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 256, 262; Maluwa, LJIL 16 (2003), S. 157, 158, 167 ff. 32 Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 37; Magliveras/Naldi, ICLQ 51 (2002), S. 415, 425; Udombana, CalWILJ 33 (2002), S. 69, 72. 33 Cilliers, ISS-Paper 70 (2003), S. 1, 14; Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 261; Schmidt, APuZ 4 (2005), S. 25, 28. 34
Vgl. nur Art. 3 lit. e), f), g), h) und Art. 4 lit. l), m) KA-AU.
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Art. 4 lit. d) KA-AU.
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Bislang führt die Afrikanische Union und die mit ihr geschaffene kontinentale Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur in der Völkerrechtswissenschaft trotz der vielen – auch rechtlichen – Innovationen ein Schattendasein.36 In der Literatur werden die Neuerungen, wenn überhaupt, nur dahingehend problematisiert, dass sich die Interventionsrechte in einem Spannungsverhältnis zur UN-Charta und dem Gewaltmonopol des UN-Sicherheitsrates befänden.37 Vor diesem Hintergrund ist es das zentrale Anliegen der vorliegenden Untersuchung, die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union ausgehend von drei Fragenkomplexen völkerrechtlich zu beleuchten: Der erste Fragenkomplex betrifft die neue institutionelle Struktur, die Ziele, Aufgaben und Politiken sowie die generelle (Neu-)Ausrichtung der Afrikanischen Union. Zu fragen ist vor allen Dingen, von welchen Organen die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur getragen und welche Ziele in ihrem Rahmen verfolgt werden sollen. Herausgearbeitet werden soll ferner, inwieweit die neue Architektur zu Verbesserungen beim Menschenrechtsschutz und der Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beitragen soll. Übergreifend gilt es, die neuen Strukturen, Aufgaben und Zielsetzungen völkerrechtlich einzuordnen. Im Rahmen des zweiten Fragenkomplexes sollen die Interventionsrechte der Afrikanischen Union nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU untersucht werden. Von besonderem Interesse ist hierbei, inwieweit solche vertraglichen Interventionsrechte völkerrechtlich zulässig sind und unter welchen Voraussetzungen und in welchen Fällen die Afrikanische Union überhaupt intervenieren können soll. Im dritten Fragenkomplex gilt es, das rechtlich und tatsächlich komplexe Verhältnis der Afrikanischen Union zu den subregionalen Wirtschaftsorganisationen und den Vereinten Nationen zu ergründen. Fraglich ist in diesem Zusammenhang vor allem, wie sich die Afrikanische Union in dieses Mehrebenensystem konkurrierender Sicherheitsorganisationen einordnen lässt, welche Ebene wann und in welchem Umfang für die Konfliktbewältigung auf dem Kontinent zuständig ist und in-
36 S. aber Nzisabira, Von der Organisation der Afrikanischen Einheit zur Afrikanischen Union, 2006, S. 109 ff. 37
Vgl. z.B. Hobe/Kimminich, Völkerrecht, 8. Aufl. 2004, S. 144; Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, S. 543 Rn. 39; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 429.
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wieweit sich hier auftretende Spannungen völkerrechtlich auflösen lassen.
IV. Gang der Untersuchung In Beantwortung dieser drei Fragenkomplexe werden zunächst die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union erörtert (Kapitel 1). Der Friedens- und Sicherheitsrat wird aufgrund seiner komplexen Struktur und seiner Bedeutung für die gesamte Sicherheitsarchitektur in einem eigenständigen Kapitel diskutiert. Ausgehend von dessen Funktionen und dem Aufbau der afrikanischen Bereitschaftsarmee sollen an dieser Stelle auch erste Erkenntnisse im Hinblick auf das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den regionalen Wirtschaftsorganisationen, den Vereinten Nationen und der Europäischen Union gewonnen werden (Kapitel 2). Hiernach werden die für die vorliegende Untersuchung maßgeblichen Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union analysiert, völkerrechtlich eingeordnet und die einzelnen Entwicklungen und Neuerungen nachgezeichnet. Besonderes Augenmerk soll in der Analyse auf die Entwicklungen im Bereich des Menschenrechtsschutzes und der Demokratieförderung gelegt werden (Kapitel 3). Daran anknüpfend wird die gemeinsame Verteidigungspolitik erörtert. Ebenfalls an dieser Stelle soll das eigene Sicherheitsverständnis der Organisation herausgearbeitet und zudem kurz auf den bisherigen Stand der (Sicherheits-)Integration eingegangen werden (Kapitel 4). Im Anschluss an diese eher strukturellen Betrachtungen sollen zwei Aspekte der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur diskutiert werden, die grundsätzliche Fragen hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit geltendem Völkerrecht aufwerfen. Zum einen werden die Interventionsrechte der Afrikanischen Union aus Art. 4 lit. h) und j) KAAU ausgelegt und auf ihre Völkerrechtskonformität hin untersucht (Kapitel 5). Zum anderen wird das rechtlich außerordentlich komplexe Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen im Rahmen von Kapitel VIII UN-Charta analysiert (Kapitel 6). In diesem Zusammenhang werden abschließend die bisherigen AU-Friedensmissionen völkerrechtlich eingeordnet und die UN-AU-Kooperation beleuchtet (Kapitel 7).
1. Kapitel: Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur wird seit 2002 von einer ganzen Reihe zum Teil neu geschaffener Organe implementiert. In diesem Kapitel sollen als Grundlage für die weitere Untersuchung die wesentlichen Organisations- und Entscheidungsstrukturen der AU erörtert werden, also diejenigen Organe aus Art. 5 Abs. 1 KA-AU,1 die maßgeblich die Arbeit der Afrikanischen Union bestimmen und der Um- und Durchsetzung der Ziele der Organisation dienen.2 Im Zentrum der Betrachtungen stehen hierbei in der Reihenfolge ihrer Relevanz für die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur die AUVersammlung (I.), der AU-Ministerrat (II.), die AU-Kommission (III.), das Panafrikanische Parlament (IV.), die Afrikanische Kommission für Menschenrechte (V.) und der Afrikanische Gerichtshof (VI.).
I. Die AU-Versammlung Die Versammlung der Staats- und Regierungschefs ist das politische Leit- und oberste Entscheidungsfindungsorgan der Afrikanischen Uni-
1 In Art. 5 Abs. 1 KA-AU aufgeführt sind: Versammlung der Staats- und Regierungschefs (Assembly of Heads of State and Government), AU-Ministerrat (Executive Council of Ministers), Panafrikanisches Parlament (PanAfrican Parliament), AU-Gerichtshof (Court of Justice), AU-Kommission (Commission of the African Union), Komitee der Ständigen Vertreter (Permanent Representatives Committee), spezialisierte Technische Komitees (Specialized Technical Committees), Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrat (Economic, Social and Cultural Council), AU-Finanzinstitutionen (Financial Institutions). 2 Zum Zusammenhang von Zielsetzung einer Organisation und der dafür notwendigen Struktur schon Virally, in: Abi-Saab (Hrsg.), The concept of international organization, 1981, S. 50, 53 f., 59; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 901 ff.
D. Barthel, Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 224, DOI 10.1007/978-3-642-20034-2_2, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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on3 und entspricht strukturell weitestgehend der Versammlung der Staats- und Regierungschefs der OAE.4 Die Zuständigkeiten, Arbeitsweise und Aufgaben der Versammlung sind in den Art. 6 bis 9 KA-AU und einer Verfahrensordnung5 näher festgelegt.
1. Zusammensetzung Die Versammlung besteht aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten oder deren rechtmäßig akkreditierten Vertretern.6 Der Vorsitzende der Versammlung wird unter Beachtung des Rotationsprinzips für einen Zeitraum von einem Jahr gewählt.7 Er wird von 14 Stellvertretern unterstützt, die nach geographischem Proporz und nach eingehenden Konsultationen gewählt werden.8 Richtet ein Mitgliedstaat eine ordentliche Sitzung der Versammlung aus, steht dessen Staats- oder Regierungschef der Sitzung vor.9 Zwischen den Sitzungen vertritt der Versammlungsvorsitzende in Abstimmung mit dem Vorsitzenden der Kommission die Afrikanische Union nach außen.10 Die Versammlung 3 Vgl. Art. 6 Abs. 2 KA-AU und Regel 2 VerfOVers: „The Assembly shall be the supreme organ of the Union“. 4
Vgl. Art. VII Abs. 1, Art. VIII - XI OAE-Charta.
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Rules of Procedure of the Assembly of the Union, Dok.Nr. ASS/AU/2(I)a, Assembly of the African Union, 1st Ordinary Session vom 9. – 10. Juli 2002 (VerfOVers). 6
Art. 6 Abs. 1 KA-AU; Regel 3 VerfOVers.
7
Art. 6 Abs. 4 KA-AU; Regel 15 Abs. 1 VerfOVers; zu den Aufgaben Regel 16 VerfOVers. Bemerkenswert ist, dass der Vorsitz der Versammlung im Jahre 2006 aufgrund der Darfur-Krise nicht wie vorgesehen an den Präsidenten des Sudans ging. Eine solche öffentliche Missbilligung der Vorgänge in einem Mitgliedstaat durch den Entzug einer immens prestigeträchtigen Funktion in der Afrikanischen Union ist bisher einmalig. Vgl. Declaration of the Assembly of the African Union, Dok.Nr. Assembly/AU/Decl. 2(VI), Assembly of the African Union, 6th Ordinary Session vom 23. – 24. Januar 2006. 8
Regel 15 Abs. 1 S. 2 VerfOVers.
9
Regel 15 Abs. 2 VerfOVers.
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Regel 16 Abs. 3 VerfOVers. Die durch Vertragsänderung vorgesehenen Art. 6 und 7(bis) Abs. 1 KA-AU übernehmen die Regelungen der VerfOVers in die KA-AU und sehen vor, dass die Amtsperiode des Vorsitzenden um jeweils ein Jahr erneuert werden kann. Vgl. zu den umfangreichen Vertragsänderungen
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tritt zweimal jährlich zu einer ordentlichen Sitzung zusammen.11 In der Regel findet eine ordentliche Sitzung in der letzten Januarwoche am AU-Hauptsitz in Addis Abeba, Äthiopien,12 die zweite Sitzung im Juli in einem Mitgliedstaat13 statt. Die Versammlung kommt darüber hinaus auf Ersuchen eines Mitgliedstaates oder des Vorsitzenden der Versammlung und mit Bewilligung einer Zweidrittelmehrheit der Mitgliedstaaten zu außerordentlichen Sitzungen zusammen.14
2. Organkompetenzen Die Organkompetenzen15 der Versammlung sind in Art. 9 KA-AU sowie Regel 4 VerfOVers festgelegt. Wie jede Internationale Organisation verfügt auch die AU kraft ihrer Organisationsgewalt über die Rechtssetzungsbefugnis bezüglich ihrer eigenen Organe und zur Sicherstel-
das Protocol on Amendments to the Constitutive Act of the African Union, Assembly of the Union, 1st Extraordinary Session vom 3. Februar 2003 und 2nd Ordinary Session vom 11. Juli 2003. Das Protokoll wurde bislang nicht von den notwendigen zwei Dritteln der Mitgliedstaaten ratifiziert. Zu den Änderungen ausführlich Maluwa, NILR 51 (2004), S. 195 ff. 11
Nach Art. 6 Abs. 3 S. 1 KA-AU und Regel 7 VerfOVers eigentlich nur einmal pro Jahr. S.a. Decision on the Periodicity of the Ordinary Session of the Assembly, Dok.Nr. ASS/AU/Dec. 53(III), Assembly of the African Union, 3rd Ordinary Session 6. – 8. Juli 2004; Decision on the Framework for the Organization of Future Summits, Dok.Nr. ASS/AU/Dec. 63(IV), Assembly of the African Union, 4th Ordinary Session vom 30. – 31. Januar 2005. 12
Regel 5 Abs. 1 VerfOVers i.V.m. Art. 24 Abs. 1 KA-AU.
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Regel 5 Abs. 1 VerfOVers. S.a. Regel 5 Abs. 2 ff. betreffend die Verpflichtungen des einladenden Mitgliedstaates hinsichtlich Finanzierung, Logistik und angemessener politischer Stimmung am Tagungsort. 14 15
Art. 6 Abs. 3 S. 2 KA-AU; Regel 11 Abs. 1 VerfOVers.
Die KA-AU spricht von „Powers and Functions“. Beide Begriffe werden allerdings synonym gebraucht, was sich aus einer Zusammenschau der Überschriften des Art. 9 KA-AU und Regel 4 VerfOVers ergibt. In Art. 9 Abs. 1 KA-AU wird vor Auflistung der einzelnen Rechte nur noch von „Functions“ gesprochen. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff „Kompetenzen“ i.S.v. Organkompetenzen für die Umschreibung der „Powers and Functions“ der AU-Organe verwendet.
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lung des internen Geschäftsgangs der Organisation.16 Die Versammlung legte dementsprechend ihre eigene Verfahrensordnung fest,17 die detaillierte Regelungen zum Verfahrensablauf (Regeln 8 bis 13 VerfOVers) sowie zur Wahl und Aufgaben des Versammlungsvorsitzenden (Regeln 15 und 16 VerfOVers) enthält. Wegen ihrer umfangreichen Kompetenzen ist die Versammlung zugleich oberstes Legislativ-, Exekutiv- und bis zur vollen Funktionsfähigkeit des AU-Gerichtshofes auch Judikativorgan der AU:18 Sie bestimmt als zentrales Entscheidungsfindungsorgan die gemeinsamen Politiken der Afrikanischen Union, entscheidet über die Arbeitsschwerpunkte der Organisation und legt das Jahresprogramm fest.19 Sie überwacht zudem die Umsetzung der Politiken und Entscheidungen der AU.20 Die Versammlung soll ferner die politische und sozioökonomische Integration des Kontinents beschleunigen.21 Kontrovers debattiert wird in diesem Zusammenhang, die AU langfristig in die United States of Africa mit einem African Union Government weiterzuentwickeln.22 16 Zum Ganzen Jessup, AJIL 51 (1957), S. 396, 399 ff.; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 1526; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, §§ 1196, 1201, 1205. 17
Vgl. Art. 8 KA-AU.
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Kritisch Udombana, CalWILJ 33 (2002), S. 69, 85.
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Art. 9 Abs. 1 lit. a) KA-AU; Regel 4 Abs. 1 lit. a) VerfOVers.
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Art. 9 Abs. 1 lit. e) KA-AU; Regel 4 Abs. 1 lit. b) VerfOVers.
21
Regel 4 Abs. 1 lit. c) VerfOVers.
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Vgl. Study on an African Union Government towards the United States of Africa vom 30. Juni 2006; Accra Declaration, Assembly of the African Union, 9th Ordinary Session vom 1. – 3. Juli 2007; Decision on the Report of the 9th Extraordinary Session of the Executive Council on the Proposals for the Union Government, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.156 (VIII), Assembly of the African Union, 8th Ordinary Session vom 29. – 30. Januar 2007; Decision on the Report of the Executive Council on the Audit of the Union and the Report of the Ministerial Committee on the Union Government, Doc. Assembly/AU/8 (X), Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.185 (X), Assembly of the African Union, 10th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2008; s. bereits § 3 Decision on the Report of the Committee of Seven Heads of State and Government chaired by the President of the Republic of Uganda on the Proposals of the Great Socialist Peoples Libyan Arab Jamahiriya, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.90 (V), Assembly of the African Union, 5th Ordinary Session vom 4. – 5. Juli 2005. Zum Ganzen auch Sturman, ISS-Paper 146 (2007), S. 1 ff.
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Bis zur vollen Funktionsfähigkeit des AU-Gerichtshofs ist die Versammlung für die Auslegung der Verträge zuständig und erfüllt insofern eine grundlegende Aufgabe eines Gerichtshofs einer Internationalen Organisation.23 Sie nimmt außerdem maßgeblichen Einfluss auf die personelle Besetzung der wichtigsten AU-Organe mit Ausnahme des Friedens- und Sicherheitsrates, da sie die Richter des fusionierten AUGerichtshofs,24 den Vorsitzenden der Kommission und seine Stellvertreter,25 die Kommissare26 und ausgehend von Art. 33 Banjul-Charta27 die Mitglieder der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte einund abberuft. Sie bewilligt den Haushalt und überwacht die finanziellen Angelegenheiten der AU.28 Eine für die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur überaus wichtige Aufgabe wird der Versammlung durch Art. 9 Abs. 1 lit. g) KA-AU i.V.m. Regel 4 Abs. 1 lit. d) VerfOVers zugewiesen: Hiernach gibt sie dem Ministerrat, dem Friedens- und Sicherheitsrat oder der Kommission Anweisungen zur Bewältigung von Konflikten, Krieg, terroristischen Akten, Notsituationen und der Wiederherstellung von Frieden. Die Versammlung entscheidet zudem über Interventionen
23 Art. 26 S. 2 KA-AU; Regel 4 Abs. 1 lit. s) VerfOVers. Kritisch zur Vertragsauslegung durch die Versammlung Viljoen/Baimu, NQHR 22/2 (2004), S. 241, 256 f. Generell zur Zuständigkeit zur Vertragsauslegung in Internationalen Organisationen Klabbers, International Institutional Law, 2002, S. 100 f.; Sands/Klein, Bowett’s Law of International Institutions, 5. Aufl. 2001, S. 445 ff.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 286 f. Rn. 39 ff. 24
Art. 9 Abs. 1 lit. h) KA-AU; Regel 4 Abs. 1 lit. n) VerfOVers; Art. 7 Abs. 1 Statute of the African Court of Justice and Human Rights vom 1. Juli 2008. 25 Art. 9 Abs. 1 lit. i) 1. HS. KA-AU; Regel 4 Abs. 1 lit. m) VerfOVers; Regeln 38 bis 42 VerfOVers. 26
Art. 9 Abs. 1 lit. i) 2. HS. KA-AU; Regel 4 Abs. 1 lit. t) VerfOVers.
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African (Banjul) Charta on Humans and People’s Rights, OAE Dok.Nr. CAB/LEG/67/3, Assembly of Heads of State and Government, 18th Ordinary Session vom 27. Juni 1981, U.N.T.S. Vol. 1520 (1988), S. 217; ILM 21 (1982), S. 58. 28 Art. 9 Abs. 1 lit. f) KA-AU; Regel 4 Abs. 1 lit. i) VerfOVers. Der AUHaushalt liegt 2010/11 bei 250.453697 US$, vgl. Decision on the Budget of the African Union for the 2010 Financial Year, Dok.Nr. Assembly/AU/ Dec.287(XIV), Assembly of the African Union, 14th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2010.
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nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU.29 Sie hat ferner das Recht, jedem Mitgliedstaat, der seine Beiträge zum Gesamthaushalt der Afrikanischen Union nicht leistet, mit nicht-militärischen Sanktionen unterschiedlicher Stärke zu belegen.30 In der Praxis nimmt diese Aufgabe vorwiegend der Ministerrat wahr.31 Die Versammlung kann auch Sanktionen gegen Mitgliedstaaten verhängen, die die Entscheidungen und Politiken der Afrikanischen Union nicht befolgen32 und im Fall eines verfassungswidrigen Regierungswechsels die Partizipation der verfassungswidrigen Regierung an den Aktivitäten der AU suspendieren und Sanktionen verhängen.33 Aus der Gesamtschau der bisherigen Entscheidungen der Versammlung ergibt sich allerdings, dass sie diesen Aufgabenkomplex bisher kaum wahrgenommen hat.34 So gut wie alle Initiativen in diesem Bereich gehen vom Friedens- und Sicherheitsrat aus. Die Versammlung darf ihre Kompetenzen jedem anderen AU-Organ übertragen35 und neue Organe i.S.v. Art. 5 Abs. 2 KA-AU schaffen, darunter spezialisierte Technische Ausschüsse, spezialisierte Agenturen,
29 Regel 4 Abs. 1 lit. e) und f) VerfOVers, die sich auf Art. 4 lit. h) KA-AU beziehen. 30
Art. 23 Abs. 1 KA-AU i.V.m. Regel 35 VerfOVers.
31
Siehe aber zuletzt Decision on Member States Contributions, Dok.Nr. Assembly/AU/265(XIII), Assembly of the African Union, 13th Ordinary Session vom 1. – 3. Juli 2009. 32 Regel 33 Abs. 2 VerfOVers; Art. 23 Abs. 2 KA-AU i.V.m. Regel 36 VerfOVers. Diese Regelung ist insoweit unglücklich, als dass nicht definiert wird, was unter „Politiken“ der Versammlung zu verstehen ist. Kritisch deshalb auch Fombad, in: ders./Kebonang, AU, NEPAD and the APRM, 2006, S. 9, 25. 33 Art. 23 Abs. 2 KA-AU; Regel 4 Abs. 1 lit. g) VerfOVers, sowie Art. 30 KA-AU i.V.m. Regel 37 VerfOVers. Dazu ausführlich Kapitel 3.III.3. 34
Vgl. aber z.B. Decision on Darfur, Dok.Nr. ASS/AU/Dec.54(III), Assembly of the African Union, 3rd Ordinary Session vom 6. – 8. Juli 2004 zur Entsendung einer Beobachtungsmission und Schutztruppe (AMIS) nach Darfur. 35
Art. 9 Abs. 2 KA-AU; Regel 4 Abs. 2 VerfOVers. Ein ausdrückliches Beispiel dieser Übertragung ist Decision on Election and Appointment of AUCommissioners, Dok.Nr. EX/CL/80 (IV), Executive Council, 4th Ordinary Session vom 12. – 16. März 2004 derzufolge der Ministerrat „upon delegation by the Assembly“ die Mitglieder der Kommission wählt und ins Amt beruft (Herv. d. Verf.). S.a. Decision on Election of Members of the PSC, Dok.Nr. EX/CL/81 th (IV), Executive Council, 4 Ordinary Session vom 12. – 16. März 2004.
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sowie ad hoc-Ausschüsse.36 Solange die Verbandskompetenzen der AU nicht zu Lasten der Mitgliedstaaten erweitert werden, die Versammlung also nicht mehr Kompetenzen überträgt als sie besitzt und sich nicht jeglicher Verantwortung entledigt, ist dies völkerrechtlich zulässig.37 Indes ist fraglich, ob die AU-Mitgliedstaaten der Versammlung das Recht einräumen wollten, wirklich alle Befugnisse, wie z.B. die Aufnahme eines neuen Mitgliedstaates, die Implementierung von Sanktionen oder die Autorisierung einer Intervention nach Art. 4 lit. h) KAAU auf „niedrigere“ AU-Organe übertragen zu können.38
3. Entscheidungsfindung und Entscheidungsformen Die Entscheidungen der Versammlung werden im Konsensusverfahren gefällt, wobei die Abwesenheit eines Mitgliedstaates der Annahme einer Entscheidung im Konsens nicht entgegensteht.39 Beim Konsensusverfahren wird im Gegensatz zum Einstimmigkeitsverfahren nicht auf die positive Zustimmung aller Beteiligten abgestellt, sondern auf das Fehlen ausdrücklicher Gegenstimmen.40 Auch Änderungen oder Revisionen der KA-AU sollen im Konsensusverfahren angenommen werden.41 Das Konsensusverfahren war schon in der OAE-Entscheidungsfindung
36 Art. 9 Abs. 1 lit. d) KA-AU; Regel 4 Abs. 1 lit. j), k) und l) VerfOVers. S.a. Meier, AVR 12 (1964/65), S. 14 ff. 37
Nach Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 142 ist es nur logisch, dass ein Organ ausschließlich die Kompetenzen übertragen kann, die es selbst durch die Verfassung erhalten hat, wobei gerade die Reichweite der Übertragung häufig umstritten ist. Zur Befugnis der Aufgabenübertragung und dem Grundsatz delegatus non potest delegare auch Sarooshi, The United Nations and the Development of Collective Security, 1999, S. 20 ff.; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, §§ 224 ff. 38
Ebenso Magliveras/Naldi, ICLQ 51 (2002), S. 415, 420.
39
Art. 7 Abs. 1 S. 1 KA-AU; Regel 18 Abs. 1 und 4 VerfOVers: „The Assembly shall take all its decisions by consensus […].“ 40 Vgl. Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, §§ 771 ff.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 10 Rn. 13; Wolfrum/Pichon, Consensus, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Dezember 2006, Rn. 3 ff. 41
Art. 32 Abs. 4 S. 1 KA-AU.
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vorherrschend.42 Es lässt sich aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Mitgliedstaaten ableiten.43 Im Regelfall ist damit kein Mitgliedstaat ohne sein Einverständnis an Entscheidungen der Versammlung gebunden.44 Kann keine Konsensusentscheidung erreicht werden, wird – bei gewichtigen Entscheidungen in geheimer Abstimmung – eine Entscheidung mit einer Zweidrittelmehrheit der Mitgliedstaaten herbeigeführt.45 Verfahrensfragen einschließlich der Frage, ob eine solche vorliegt, sollen mit einfacher Mehrheit in nicht-geheimer Abstimmung entschieden werden.46 Das Quorum jeder Sitzung beträgt zwei Drittel der Mitglieder der AU.47 Jeder Mitgliedstaat hat dabei eine Stimme,48 was angesichts der erheblichen Größen- und Bevölkerungsunterschiede der Staaten und in Ermangelung eines Vetorechts für die Akzeptanz und 42
Nach Legum, International Affairs 51/2 (1975), S. 208, 214 ist die konsensusorientierte Politik ein wesentlicher Aspekt des „African Way of doing things“ und findet seinen deutlichsten Ausdruck in der OAE/AU. S.a. Naldi, The Organization of African Unity, 2. Aufl. 1999, S. 19; van Walraven, The Role of the Organization of African Unity in the Politics of Africa, 1999, S. 203 f.; Magliveras/Naldi, ICLQ 51 (2002), S. 415, 420; Schmidt, APuZ 4 (2005), S. 25, 27. Zur Bedeutung des Konsenses auf der Microebene der afrikanischen Gemeinschaft Lehnert, Afrikanisches Gewohnheitsrecht und die südafrikanische Verfassung, 2006, S. 189 f. 43
Vgl. Art. 4 lit. a) KA-AU.
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Maluwa, AJoCIL 12 (2000), S. 201, 222 f.; Udombana, CalWILJ 33 (2002), S. 69, 92. 45 Art. 7 Abs. 1 S. 1 KA-AU; Regel 18 Abs. 1 und Regel 30 Abs. 1 VerfOVers. Gemäß Regel 30 Abs. 1 VerfOVers und im Unterschied zu Art. 7 Abs. 1 KA-AU und Regel 18 VerfOVers sollen „gewichtige Entscheidungen“ in geheimer Abstimmung erfolgen. Was unter einer solchen zu verstehen ist, wird weder in der VerfOVers noch der KA-AU spezifiziert und lässt sich bisher noch nicht aus der gängigen Verfahrenspraxis destillieren. Zweifelsohne gehören Entscheidungen über die Gründung neuer Organe, Vertragsänderungen und -revisionen, Sanktionen und Suspendierung der Mitgliedschaft hierzu. 46 Art. 7 Abs. 1 S. 2 KA-AU; Regel 18 Abs. 2, 3 und Regel 30 Abs. 2 VerfOVers. Aus dem Unterschied zwischen Regel 30 Abs. 1 und Abs. 2 ergibt sich, dass nach Abs. 2 hinsichtlich Verfahrensfragen eine geheime Wahl nicht in Frage kommt, da ausdrücklich von „jeder anderen Methode“ gesprochen wird, was im Umkehrschluss die geheime Wahl nach Abs. 1 gerade ausschließt. 47 Art. 7 Abs. 2 KA-AU; Regel 6 VerfOVers. Nicht unproblematisch für die Entscheidungsakzeptanz ist, dass bei einem Quorum von 36 Staaten, die Zweidrittelmehrheit schon mit 23 Stimmen erreicht ist. 48
Regel 26 Abs. 1 VerfOVers.
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Umsetzung getroffener Entscheidungen durch „große“ Mitgliedstaaten nicht unproblematisch ist.49 Die Afrikanische Union erzeugt wie andere Internationale Organisationen auch im Rahmen ihrer Verbandskompetenz sekundäres internes und externes Organisationsrecht.50 Diese Rechtserzeugungsbefugnis, die sich aus dem Gründungsvertrag der Organisation ergibt, ist beschränkt durch das Prinzip der begrenzten (Einzel-)Ermächtigung. Akte, die über die Verbandskompetenz der AU hinausgehen, stellen, soweit sie nicht von den Grundsätzen des effet utile und der implied powers gedeckt sind, ultra vires-Handeln dar und sind nichtig, denn Internationalen Organisationen steht im Gegensatz zu Staaten gerade keine „Kompetenz-Kompetenz“ zu.51 Dass die Ermächtigung zur Setzung 49
Schmidt, APuZ 4 (2005), S. 25, 27.
50
Der Begriff „Sekundärrecht“ wird hier bewusst vermieden, da dieser hauptsächlich im Rahmen des Europarechts gebräuchlich ist und sich auf das sekundäre Unionsrecht bezieht. Das primäre und sekundäre Recht einer Internationalen Organisation stellt eine in sich geschlossene Rechtsordnung dar. Sie ist partikuläres Völkerrecht, da diese Rechtsordnung nur für die Mitgliedstaaten dieser Organisation rechtsverbindlich ist. Es gilt in vollem Umfang nur für die Mitgliedstaaten und direkt oder indirekt für die der Staatsgewalt dieser Staaten unterworfenen Personen. Internes, vor allem die Arbeitsweise, Personalangelegenheiten und die innere Ordnung der Organisation betreffendes sekundäres Organisationsrecht und externes, die Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht direkt betreffendes sekundäres Organisationsrecht lassen sich nicht immer sauber voneinander trennen. Ob eine Entscheidung als internes oder externes Sekundärrecht zu qualifizieren ist, hängt von der der konkreten Regel oder Maßnahme zukommenden Wirkung ab. Zum Ganzen Bernhardt, BDGVR 12 (1973), S. 7, 9 ff.; Miehsler, BDGVR 12 (1973), S. 47, 68 ff.; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 1502 ff.; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, § 1200, §§ 1206 ff.; Alvarez, International Organizations as Law-makers, 2005, S. 143 ff.; Klein, International Organizations or Institutions, Internal Law and Rules, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, November 2006, Rn. 1 ff.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 317 f. Rn. 114 ff. 51
Zur Kompetenzübertragung auf Internationale Organisationen durch Staaten bereits der StIGH, Jurisdiction of the European Commission of the Danube, Advisory Opinion, P.C.I.J. Series B, Nr. 14 1926, S. 6, 64; IGH, Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1949, S. 174, 182 f. In IGH, Legality of the Use by a State of Nuclear Weapons in Armed Conflict, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1996, S. 66 para. 25 stellte der IGH fest, dass die Kompetenzen die Staaten einer Internationalen Organisation übertragen, meist explizit im konstituierenden Vertrag
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sekundären Rechts teilweise in der VerfOVers festgeschrieben ist, schadet nicht, da auch eine aufgrund des Gründungsvertrages erlassene Norm, in diesem Fall Art. 8 KA-AU, eine solche Ermächtigung enthalten kann.52 Ebenso unbedenklich ist es, dass in der KA-AU eine ausdrückliche Regelung in Bezug auf den mitgliedstaatlichen domaine réservé fehlt.53 Die relativ weite Aufgabenbeschreibung des Art. 9 KAAU spricht ebenfalls nicht gegen eine zulässige Ermächtigung zur Sekundärrechtssetzung, selbst wenn man hierin eine „Blankoermächtigung“ sehen mag. Die Entscheidungen der Versammlung lassen sich in unterschiedliche, aus dem Recht der Europäischen Union bekannte54 Handlungsformen einteilen: •
Verordnungen: sie sind direkt in allen Mitgliedstaaten anwendbar, die sie mit geeigneten Maßnahmen umsetzen sollen;55 sie binden überdies die AU-Organe und die regionalen Wirtschaftsorganisationen;56
festgelegt sind. Zum Ganzen Cassese, RdC 192 (1985 III), S. 331, 413 ff.; SeidlHohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 1507 ff.; 1602 ff.; Sands/Klein, Bowett’s Law of International Institutions, 5. Aufl. 2001, Rn. 11-052 ff.; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, §§ 209 ff.; Alvarez, International Organizations as Law-makers, 2005, S. 120 f.; Amerasinghe, Principles of the Institutional Law of International Organizations, 2. Aufl. 2005, S. 193 ff.; Sarooshi, International Organizations and their Exercise of Sovereign Powers, 2005, S. 18 f., 64 ff.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 352 Rn. 189 ff.; Kolb, Introduction au droit des Nations Unies, 2008, S. 111 f. Eher kritisch zum Prinzip der begrenzten Ermächtigung Klabbers, International Institutional Law, 2002, S. 60 ff. 52 Vgl. Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 1519 f. 53
Nach Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, § 216 haben diese Regelungen eher eine psychologisch-politisch-deklaratorische Bedeutung. Liest man Art. 4 lit. g) KA-AU genau, stellt man fest, dass nur auf die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaates durch einen anderen Mitgliedstaat abgestellt wird und nicht wie z.B. bei Art. 1 Abs. 2 OAS-Charta auf die Einmischung durch die Organisation selbst. 54 Vgl. Art. 288 AEUV; dazu Bieber et al., Die Europäische Union, 8. Aufl. 2009, § 6 Rn. 24 ff. 55
Regel 33 Abs. 1 lit. a) VerfOVers.
56
Regel 34 Abs. 2 VerfOVers.
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•
Richtlinien: sie sind an einige oder alle Mitgliedstaaten, an Unternehmungen oder Individuen adressiert. Sie binden die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Zielsetzung, überlassen jedoch den zuständigen nationalen Behörden die Art und Weise der Durchsetzung;57 sie binden überdies die AU-Organe und die regionalen Wirtschaftsorganisationen;58
•
Empfehlungen, Erklärungen, Resolutionen und Meinungen: sie sind nicht bindend und sind darauf gerichtet, die unterschiedlichen Vorstellungen der Mitgliedstaaten zu lenken und zu harmonisieren.59
Die Bindungswirkung der Rechtsakte der Versammlung geht nicht über den völkerrechtlichen Grundsatz hinaus, dass das durch eine Internationale Organisation gesetzte Recht in erster Linie diese selbst und die Mitgliedstaaten bindet.60 Die Handlungsformen zeigen außerdem, dass die Versammlung nicht nur internes organisationsbezogenes sekundäres Recht setzen darf, sondern auch externes sekundäres Recht, das in das materielle innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten einwirken kann.61 57
Regel 33 Abs. 1 lit. b) VerfOVers.
58 Regel 34 Abs. 2 VerfOVers; in Zusammenschau mit Regel 33 Abs. 1 lit. b) VerfOVers kann davon ausgegangen werden, dass Richtlinien für diejenigen Mitgliedstaaten bindend sind, an die sie gerichtet sind, denn Regel 34 Abs. 2 VerfOVers spricht nicht wie Regel 33 Abs. 1 Abs. b) VerfOVers von bestimmten oder allen Mitgliedstaaten sondern nur von Mitgliedstaaten. 59
Regel 33 Abs. 1 lit. c) VerfOVers.
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Vgl. Alvarez, International Organizations as Law-makers, 2005, S. 120 unter Verweis auf Art. 34 WVK, in dem es in Bezug auf Verträge heißt, dass sie einem Drittstaat ohne dessen Zustimmung weder Pflichten noch Rechte auferlegen können. Vgl. auch Sands/Klein, Bowett’s Law of International Institutions, 5. Aufl. 2001, Rn. 11-032 unter Verweis auf IGH, Effect of Awards of Compensation made by the UNAT, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1954, S. 47, 56 ff. und IGH, Certain Expenses of the United Nations, I.C.J. Reports 1962, S. 151, 169 f. 61 Nach Meinung einiger Autoren muss die Rechtsetzungsbefugnis für externes Organisationsrecht ausdrücklich im Gründungsakt vorhanden sein, so z.B. Sands/Klein, Bowett’s Law of International Institutions, 5. Aufl. 2001, Rn. 11-033; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, § 1320. Dies ist in Art. 23 KA-AU hinsichtlich der ausdrücklichen Befugnis der Versammlung Sanktionsentscheidungen zu treffen, wenn Mitgliedstaaten die Entscheidungen und Politiken nicht umsetzen, der Fall. Aber auch die Festsetzungen in der VerfOVers sind rechtlich zulässig, da sie auf der ausdrücklichen Ermächtigung in Art. 8 KA-AU beruhen.
24
1. Kapitel
Die ausdrückliche Verankerung der Befugnis zur Setzung externen Organisationsrechts in der KA-AU und VerfOVers ist insofern hilfreich, als dass sie zur hinreichenden Bestimmung der Kompetenzübertragung der Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund staatlicher Souveränität und dem in dubio mitius-Grundsatz beiträgt.62 Aus der Gesamtschau der Sitzungsprotokolle der Versammlung ergibt sich in der bisherigen Praxis allerdings ein abweichendes Bild von den in Art. 33 Abs. 1 VerfOVers aufgeführten Entscheidungsformen: Die absolut überwiegende Mehrzahl der Rechtsakte ergeht als Entscheidungen (Decisions), eine Minderheit als Erklärungen (Declarations).63 Der Begriff „Decisions“ ist letztendlich nur der Oberbegriff für alle Rechtsakte der Versammlung außer „Declarations“ und umfasst das ganze Spektrum der Handlungsformen einer Internationalen Organisation.64 Die rechtliche Verbindlichkeit entspricht nicht der in der VerfOVers vorgesehenen, insbesondere erfolgt, soweit ersichtlich, kein Durchgriff auf natürliche oder juristische Personen eines Mitgliedstaates, wie er für Richtlinien kennzeichnend sein soll. Eine Einteilung in „abstraktgenerelle“ und „konkret-individuelle“ Regelungen ist kaum möglich, da innerhalb der Entscheidungen der Adressatenkreis und der zu regelnde Sachverhalt häufig variiert. Die Rechtsverbindlichkeit der Beschlüsse der Versammlung muss folglich im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung des Wortlautes, des Adressaten, des Regelungskontextes und des materiellen Gehalts beurteilt werden.65 Die Rechtswirkungen sind je nach Topik unterschiedlich und reichen von unverbindlichen rein politischen Erklärungen der Mitgliedstaaten zu Themen von gemeinsamen Interesse (indiziert oft durch die Wörter „urges“, „appeals“, „endorses“, „encourages“, appreciates“ oder „welcomes“) bis hin zu verbindli62
Vgl. Alvarez, International Organizations as Law-makers, 2005, S. 121.
63
Vgl. nur Decisions and Declarations, Assembly of the African Union, 8th Ordinary Session vom 29. – 30. Januar 2007; Decisions and Declaration, Assembly of the African Union, 9th Ordinary Session vom 1. – 3. Juli 2007; Decisions and Declarations, Assembly of the African Union, 10th Ordinary Session vom 31 Januar – 2. Februar 2008; Decisions and Declarations, Tribute and Resolution, Assembly of the African Union, 11th Ordinary Session vom 30. Juni – 1. Juli 2008; Decisions and Declarations, Message of Congratulations and Motion, Assembly of the African Union, 12th Ordinary Session vom 1. – 3. Februar 2009. 64 65
Vgl. Klabbers, International Institutional Law, 2002, S. 197 ff.
Vgl. IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1971, S. 3 para 113 f.
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
25
chen Entscheidungen zu einzelnen Politikbereichen oder Angelegenheiten der AU (meist „adopts“ „approves“ oder „decides“). Die Mehrheit der Beschlüsse gehört zu den Anfragen, Bitten oder Aufforderungen an den Kommissionsvorsitzenden oder andere AU-Organe, die nicht näher spezifizierten Maßnahmen in bestimmten Politikbereichen oder aufgrund besonderer Ereignisse ergreifen sollen. Diese Beschlüsse haben nur organisationsinterne Rechtsverbindlichkeit, da nur die genannten Organe an sie gebunden sind. Die „Declarations“ haben im Allgemeinen einen unverbindlichen und oft eher symbolischen Charakter und reichen von Erklärungen zu Themen von gemeinsamen afrikanischen Interesse, z.B. zu WTO-Verhandlungen, zur UN-Reform oder zum Jahr des Afrikanischen Fußballs bis hin zu Danksagungen an einzelne Mitgliedstaaten oder afrikanische Persönlichkeiten. Auch hier müssen Adressatenkreis und Rechtswirkungen im Einzelfall bestimmt werden.66 Vorgesehen ist, dass die Entscheidungen der Versammlung innerhalb von 15 Tagen nach Unterzeichnung durch alle notwendigen Parteien im Official Journal of the African Union veröffentlicht werden sollen.67 Die Verordnungen und Richtlinien sollen automatisch 30 Tage nach Veröffentlichung oder wie in der jeweiligen Entscheidung näher spezifiziert durchsetzbar sein.68 Da das Official Journal of the African Union bisher nicht existiert, kann die Veröffentlichung der Entscheidungen für die Durchsetzbarkeit nicht entscheidend sein. In den Entscheidungen der Versammlung wird denn auch häufig ein genaues oder zumindest 66 Bedenken sollte man in diesem Zusammenhang, dass auf den ersten Blick unverbindliche Entscheidungen eines aus Staatenvertretern bestehenden Organs für den einzelnen Staat über die rein politische Verbindlichkeit hinaus rechtliche Verbindlichkeit entstehen lassen können, insbesondere wenn es um die Ausbildung und Auslegung einer opinio juris dieses Staates hinsichtlich einer in diesem Rechtsakt in Bezug genommenen völkerrechtlichen Norm geht. Vgl. IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 188, 203 zur Ausbildung einer opinio juris seitens der USA in Hinblick auf das Nichteinmischungsprinzip; vgl auch IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1996, S. 226 para. 70 zur normativen Gestaltungswirkung von Resolutionen der Generalversammlung. Zum Phänomen der „Verbindlichkeit“ unverbindlicher Entscheidungen Internationaler Organisationen s.a. Sands/Klein, Bowett’s Law of International Institutions, 5. Aufl. 2001, Rn. 11-046 ff. und Klabbers, International Institutional Law, 2002, S. 201. 67
Regel 32 VerfOVers.
68
Regel 34 Abs. 1 VerfOVers.
26
1. Kapitel
ermittelbares Datum (z.B. bis zur nächsten ordentlichen Sitzung) angegeben, bis zu dem die Entscheidung umgesetzt werden muss.
II. Der AU-Ministerrat Der Ministerrat fungiert als politisches Entscheidungs- und Exekutivorgan und ist in seiner Grundstruktur auf den ersten Blick dem Rat der Europäischen Union nachempfunden.69 Die Zusammensetzung, Aufgaben und Kompetenzen sind in Art. 10 bis 13 KA-AU und einer Verfahrensordnung70 niedergelegt.
1. Zusammensetzung Der Ministerrat setzt sich aus den Außenministern oder anderen von den Regierungen der Mitgliedstaaten ernannten Ministern oder Abgesandten zusammen.71 Er tritt mindestens zweimal jährlich – in der Praxis parallel zur Versammlung – zu einer ordentlichen Sitzung zusammen.72 Eine außerordentliche Sitzung kann auf Verlangen eines Mitgliedstaates und bei Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit der Mitgliedstaaten einberaumt werden.73 Der Ministerrat wählt einen Vorsitzenden und legt seine eigene Verfahrensordnung fest.74 Er ist der Versammlung gegenüber verantwortlich.75
69
Zum Rat siehe Bieber et al., Die Europäische Union, 8. Aufl. 2009, § 4 Rn. 43 ff. 70 Rules of Procedure of the Executive Council, Dok.Nr. Assembly/AU/2 (I)b, Assembly of the African Union, 1st Ordinary Session vom 9. – 10. Juli 2002 (VerfOExekutivR). 71
Art. 10 Abs. 1 KA-AU; Regel 3 VerfOExekutivR.
72
Art. 10 Abs. 2 S. 1 KA-AU; Regel 6 und 8 VerfOExekutivR.
73
Art. 10 Abs. 2 S. 2 KA-AU.
74
Art. 12 KA-AU; Regel 5 Abs. 1 lit. l) VerfOExekutivR.
75
Art. 13 Abs. 2 S. 1 KA-AU; Regel 2 VerfOExekutivR.
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
27
2. Organkompetenzen Dem Ministerrat kommen vielfältige Aufgaben zu:76 Er bereitet die Sitzungen der Versammlung vor und bestimmt, welche Gegenstände ihr zur Entscheidung vorgelegt werden.77 Für die Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur bedeutsam ist vor allem, dass der Ministerrat die Sanktionen umsetzt, die von der Versammlung und – in den Fällen ausstehender Beitragszahlungen – auch von ihm selbst verhängt werden.78 So wurden bisher eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten aufgrund ausstehender Beitragszahlungen sanktioniert: Benin, Côte d’Ivoire, Demokratische Republik Kongo, Eritrea, Guinea-Bissau, Kap Verde, Mauretanien, Niger, São Tomé und Príncipe, Seychellen, Somalia und Zentralafrikanische Republik.79 Die Hauptaufgabe des Ministerrates ist jedoch die Koordinierung und Harmonisierung der Politikfelder, Aktivitäten und Initiativen der Afrikanischen Union, die von gemeinsamem Interesse für die Mitgliedstaaten sind.80 Der Ministerrat ist auf „technische“ Politikfelder im weitesten Sinne fokussiert und behandelt keine hochpolitischen Zielsetzungen der AU, wie etwa Schaffung von Frieden und Sicherheit oder die Wahrung der Menschenrechte.81 Zu den Politikfeldern werden unter anderem Außenhandel, Energie, Industrie und Bodenschätze, Nahrungsmittel und Landwirtschaft, Umweltschutz, Transport und Kommunikation, Wissenschaft und Technologie sowie soziale Sicherungssysteme und 76
Vgl. Regel 5 Abs. 1 lit. a) bis u) VerfOExekutivR.
77
Regel 5 Abs. 1 lit. a) und b) VerfOExekutivR.
78
Vgl. Art. 23 Abs. 1 KA-AU; Regel 36 VerfOExekutivR.
79
Vgl. nur Decision on the Contributions of Member States, Dok.Nr. EX.CL/Dec.335(X), Executive Council, 10th Ordinary Session vom 25. – 26. Januar 2007; Decision on the Contributions, Dok.Nr. EX.CL/Dec.377(XI), Executive Council, 11th Ordinary Session vom 25. – 29. Juni 2007; Decision on the Contributions of Member States, Dok.Nr. EX.CL/Dec. 379(XII), Executive Council, 12th Ordinary Session vom 25. – 29. Januar 2008; Decision on the Contributions of Member States, Dok.Nr. EX.CL/Dec.418(XIII), Executive Council, 13th Ordinary Session vom 30. Juni – 1. Juli 2008; Decision on the Contributions of Member States, Dok.Nr. EX/CL/Dec.457(XIV), Executive Council, 14th Ordinary Session vom 26. – 30. Januar 2009; Decision on the Contributions of Member States, Dok.Nr. EX.CL/Dec.521(XVI), Executive Council, 16th Ordinary Session vom 25. – 29. Januar 2010 . 80
Art. 13 KA-AU; Regel 5 VerfOExekutivR.
81
Magliveras/Naldi, ICLQ 51 (2002), S. 415, 420 f.
28
1. Kapitel
Versicherungen gezählt.82 Die Zusammensetzung des Ministerrates wechselt dabei ähnlich der des Rates der Europäischen Union je nach Beratungsgegenstand.83 Ferner ist der Ministerrat für die Überwachung der Umsetzung der Politiken, Entscheidungen und Verträge der Versammlung verantwortlich,84 eine Aufgabe die in der Europäischen Union der Kommission zukommt.85 Als Nachfolgeorgan des Council of Ministers der OAE ist der Ministerrat im Auftrag der Versammlung auch für die Überwachung der Einhaltung der Gerichtsentscheidungen des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte zuständig.86 Er bestimmt die Politikfelder für die Kooperation zwischen der AU und Afrikas Partnern und stellt sicher, dass alle Aktivitäten und Initiativen mit den Zielen der AU übereinstimmen.87 Zudem wirbt er für die Kooperation und Koordination mit den RECs, der African Development Bank, anderen afrikanischen Institutionen und der United Nations Economic Commission for Africa (UNECA).88 Der Ministerrat wählt ferner die Kommissare89, die Richter des fusionierten AU-Gerichtshofs90 und Mitglieder der Afrikanischen Kommission für Menschen- und Völkerrechte, die dann von der Versammlung berufen werden91 und überwacht den Haushalt der AU.92
82
Art. 13 Abs. 1 lit. a bis l) KA-AU.
83
Vgl. Udombana, CalWILJ 33 (2002), S. 69, 94.
84
Art. 13 Abs. 2 S. 2 KA-AU.
85
Vgl. Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 339 ff.
86
Art. 29 Abs. 2 Protocol to African Charter on Human and Peoples’ Rights on the Establishment of an African Court on Human and Peoples’ Rights; dazu Udombana, CalWILJ 33 (2002), S. 69, 97; Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 266. Nach Art. 46 Abs. 4 und 5 Statute of the African Court of Justice and Human Rights ist die Versammlung für die Durchsetzung der Entscheidungen des fusionierten AU-Gerichtshofs zuständig, die auch Sanktionen nach Art. 5 und 23 KA-AU bei der Nichtumsetzung einleiten kann. 87
Regel 5 Abs. 1 lit. j) VerfOExekutivR.
88
Regel 5 Abs. 1 lit. i) VerfOExekutivR.
89
S. dazu Regeln 37 f. VerfOExekutivR.
90
Art. 7 Abs. 1 Statute of the African Court of Justice and Human Rights.
91
Regel 5 Abs. 1 lit. e) und f) VerfOExekutivR.
92
Regel 5 Abs. 1 lit. h) VerfOExekutivR.
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
29
3. Entscheidungsfindung und Entscheidungsformen Das Verfahren und die Gegenstände der ordentlichen und außerordentlichen Sitzungen sind in der VerfOExekutivR detailliert festgelegt.93 Ebenso wie die Versammlung entscheidet der Ministerrat im Konsensusverfahren, bei Nichterreichen einer Konsensusentscheidung mit Zweidrittelmehrheit der stimmberechtigten Mitgliedstaaten in geheimer Wahl.94 Verfahrensfragen einschließlich derjenigen, ob eine Verfahrensfrage vorliegt, werden mit einfacher Mehrheit in nicht-geheimer Abstimmung entschieden.95 Das Quorum jeder Sitzung beträgt zwei Drittel der Mitgliedstaaten.96 Die Entscheidungen des Ministerrates lassen sich wie bei der Versammlung in unterschiedliche Kategorien einteilen: Verordnungen,97 Richtlinien,98 Empfehlungen, Erklärungen, Resolutionen und Meinungen.99 In der Praxis entscheidet der Ministerrat bislang ebenfalls nur in Form von „Decisions“ und „Declarations“. Im Gegensatz zur Versammlung ist ein deutlich größerer Anteil der Entscheidungen des Ministerrates, entsprechend seiner Kompetenzen, rechtlich nicht oder i.d.R. nur für den Kommissionsvorsitzenden, an den sie gerichtet sind, verbindlich. Dies liegt vornehmlich daran, dass zahlreiche Entscheidungen einen lediglich die Entscheidungen der Versammlung vorbereitenden Charakter haben.
III. Die AU-Kommission Die Funktionszuweisung als das Sekretariat der Afrikanischen Union,100 wird der eigentlichen Rolle der Kommission in der neuen Si93
Regel 6 bis 18 VerfOExekutivR.
94
Regel 19 Abs. 1 i.V.m. Regel 31 Abs. 1 VerfOExekutivR.
95
Regel 19 Abs. 2 und 3 i.V.m. Regel 31 Abs. 2 VerfOExekutivR.
96
Regel 7 VerfOExekutivR.
97
Regel 34 Abs. 1 lit. a), 35 Abs. 2 VerfOExekutivR VerfOExekutivR.
98
Regel 34 Abs. 1 lit. b), 35 Abs. 2 VerfOExekutivR. Die Verordnungen und Richtlinien sind automatisch 30 Tage nach Veröffentlichung im Official Journal of the African Union oder wie in der jeweiligen Entscheidung näher spezifiziert durchsetzbar (Regel 35 Abs. 1 VerfOExekutivR). 99
Regel 34 Abs. 1 lit. c) VerfOExekutivR.
100
Art. 5 Abs. 1 lit. e) und 20 Abs. 1 KA-AU.
30
1. Kapitel
cherheits- und Verteidigungsarchitektur wenig gerecht, da sie ganz maßgeblich an sämtlichen Konfliktpräventions- und –bewältigungsbemühungen der AU partizipiert. Aufbau, Funktionen und rechtliche Ausgestaltung der Kommission wurden durch die Versammlung in den Statuten der Kommission festgelegt.101 Die Kommission hat bisher noch keine eigene Verfahrensordnung.102 Der Sitz der Kommission ist am AU-Hauptsitz in Addis Abeba, Äthiopien.103 Im Rahmen der Diskussion um die langfristig angestrebte Weiterentwicklung der AU in die United States of Africa ist derweil in Planung, die Kommission in eine African Union Authority umzuwandeln mit bislang ungeklärter Kompetenz- und Aufgabenerweiterung.104
1. Zusammensetzung Die Kommission besteht aus einem Kommissionsvorsitzenden, einem Stellvertreter und acht Kommissaren105 sowie – zumindest idealiter – dem für eine reibungslose Arbeit notwendigen Personal.106 Die Mitglieder und Mitarbeiter der Kommission genießen Immunität nach der General Convention on Privileges and Immunities of the OAU vom 25.
101
Vgl. Art. 20 Abs. 3 KA-AU; Statutes of the Commission of the African Union, Dok.Nr. Ass/AU/2 (I) - d, Assembly of the African Union, 1st Ordinary Session vom 9. – 10. Juli 2002 (StatutKomm). 102
Vgl. aber Art. 17 StatutKomm.
103
Art. 5 Abs. 1 StatutKomm.
104
Vgl. Decision on the special Session of the Assembly on the Union Government, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec. 233(XII), Assembly of the African Union, 12th Ordinary Session vom 1. – 3. Februar 2009; Decision on the Transformation of the African Union Commission into the African Union Authority, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.263 (XIII) sowie § 3 Decision on the Establishment of an African Defence Council, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.258(XIII), Assembly of the African Union, 13th Ordinary Session vom 1. – 3. Juli 2009. 105
Art. 20 Abs. 2 KA-AU; Art. 2 Abs. 1 StatutKomm. Zu den Qualifikationsanforderungen an die Kommissare vgl. Art. 15 StatutKomm. 106 Art. 20 Abs. 2 S. 2 KA-AU; Art. 2 Abs. 3 StatutKomm, sowie Art. 18 StatutKomm zu den Einzelheiten hinsichtlich Auswahl, Einstellung und Beförderung. Sie besitzt zur Zeit ca. 300 fest angestellte Mitarbeiter bei 53 Mitgliedstaaten, die EU-Kommission hingegen knapp 20.000 Mitarbeiter bei 27 Mitgliedstaaten.
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
31
Oktober 1965 und der Wiener Diplomatenrechtskonvention vom 18. April 1961107.108 Die Kommissare werden aus den fünf Regionen der Afrikanischen Union109 zunächst für vier Jahre gewählt,110 wobei jede Region mindestens zwei Kommissare stellen darf,111 außer denjenigen Regionen, die den Kommissionsvorsitzenden und den Stellvertreter stellen.112 Diesen steht nur ein weiterer Kommissionsposten zu.113 Einen Großteil der Aufgaben der Kommission nimmt – ähnlich dem UN-Generalsekretär – der Kommissionsvorsitzende wahr.114 Er ist der höchste administrative Beamte und der rechtliche und diplomatische Vertreter der AU.115 Seine vielfältigen Aufgaben sind in Art. 8 StatutKomm, aber auch in den Protokollen und Verfahrensordnungen anderer Organe festgelegt und entsprechen weitestgehend dem Tätigkeitsfeld der Kommission nach Art. 3 StatutKomm. Er ist direkt dem Ministerrat gegenüber verantwortlich.116 Unterstützt wird der Kommissionsvorsitzende von seinem Stellvertreter, auf den er Aufgaben delegieren kann und von den Kommissaren.117 Die (nur grob eingeteilten) Zuständigkeitsbereiche der Kommission erstrecken sich auf alle Tätigkeitsfel-
107
BGBl. 1964 II, S. 959; U.N.T.S. Vol. 500 (1964), S. 95.
108
Art. 19 Abs. 2 StatutKomm.
109
Vgl. OAU Regions, Dok.Nr. CM/Res.464 (XXVI), Council of Ministers of the OAU, 26th Ordinary Session vom 23. Februar – 1. März 1976: „[...] there shall be five (5) regions of the OAU, namely, Northern, Western, Central, Eastern, and Southern.“ 110
Art. 10 Abs. 1 S. 1; Art. 16 StatutKomm. Eine Wiederwahl für weitere vier Jahre ist möglich, Art. 10 Abs. 1 S. 2 StatutKomm. 111 Mindestens ein Kommissar pro Region muss weiblich sein, Art. 6 Abs. 3 StatutKomm. 112
Art. 6 Abs. 2 S. 2 StatutKomm. Es dürfen keine zwei Kommissare Staatsangehörige desselben Mitgliedstaats sein, Art. 15 Abs. 3 S. 1 StatutKomm. 113
Art. 6 Abs. 2 S. 1 StatutKomm.
114
Erster Kommissionsvorsitzender war bis 2008 Alpha Oumar Konaré, ehemaliger Präsident Malis. Im Februar 2008 wählten die Staats- und Regierungschefs H.E. Jean Ping, bis dahin gabunischer Diplomat, zu dessen Nachfolger. 115
Art. 7 Abs. 1 lit. a) und b) und Art. 8 Abs. 1 lit. u) StatutKomm.
116
Art. 7 Abs. 2 StatutKomm.
117
Art. 8 Abs. 2 und 9 StatutKomm.
32
1. Kapitel
der der Afrikanischen Union: Frieden und Sicherheit,118 politische Angelegenheiten, Infrastruktur und Energie, Soziale Angelegenheiten, Humanressourcen, Wissenschaft und Technologie, Handel und Industrie, Ländliche Wirtschaft und Landwirtschaft sowie Wirtschaftsangelegenheiten.119 Jeder Kommissar ist für die Durchführung der Entscheidungen, Programme und Politiken, die in seinem Zuständigkeitsbereich getroffen werden, zuständig und direkt dem Kommissionsvorsitzenden gegenüber verantwortlich.120 In der Aufgabenerfüllung sind die Kommissionsmitglieder frei von Weisungen der Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Autoritäten außerhalb der Organisation.121 Umgekehrt sollen sich auch die Mitgliedstaaten jedweder Einflussnahme auf die Kommissionsmitglieder enthalten und deren einzigartige Verantwortung respektieren.122
2. Organkompetenzen Der Kommission wurde im StatutKomm und anderem primären und sekundären Recht eine kaum überschaubare und in der Praxis aufgrund erheblicher finanzieller und personeller Einschränkungen auch kaum ausführbare Vielzahl von Aufgaben übertragen.123 Die AU-Kommission ist in ihren Aufgaben dabei ähnlich ausgestaltet wie die EUKommission, wobei letztere deutlich mehr Kompetenzen inne hat, z.B.
118
Das sog. Department for Peace and Security. Es besteht zur Zeit aus 53 Vollzeitbeschäftigten und ist die Größte der acht Abteilungen der Kommission. Zum näheren Aufbau siehe Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 147 f. 119
Art. 12 Abs. 1 lit. a) bis h) StatutKomm. Für Fragen der Geschlechtergleichstellung und -gleichbehandlung, die sich auf alle Tätigkeitsbereiche der Kommission erstrecken, ist eine eigene Abteilung beim Kommissionsvorsitzenden angegliedert, die die Maßnahmen und Aktivitäten der Kommission koordinieren soll, Art. 12 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 1 lit. y) StatutKomm. Dazu Llyod/ Murray, JoAL 48/2 (2004), S. 165, 176 f. 120
Art. 11 StatutKomm.
121
Art. 4 Abs. 1 S. 1 StatutKomm.
122
Art. 4 Abs. 2 StatutKomm.
123
Ebenso Cilliers, The United Nations and Africa, Thesenpapier vom 18. April 2007, S. 1, 9.
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
33
ein sehr weitgehendes Initiativrecht.124 Ein Teil ihrer Kompetenzen wird in Art. 3 Abs. 2 StatutKomm aufgeführt: Die Kommission vertritt die Afrikanische Union und verteidigt deren Interessen unter Anleitung der Versammlung und des Ministerrates.125 Dazu kann sie, soweit damit beauftragt, Maßnahmen in Feldern gemeinsamer Verantwortung ergreifen, u. a. in den Bereichen Kontrolle von Pandemien, Katastrophenschutz, internationale Kriminalität und Terrorismus, Flüchtlinge und Vertriebene, Verhandlungen bzgl. des Außenhandels und externer Schulden, sowie Umweltmanagement.126 Sie unterbreitet den anderen Organen Handlungsvorschläge127 und bereitet die gemeinsamen Positionen der AU vor, koordiniert das Vorgehen der Mitgliedstaaten in internationalen Verhandlungen und arbeitet strategische Pläne und Studien zur Beratung im Ministerrat aus.128 Dies geschieht meist in Form eines Berichts (Report), die der Öffentlichkeit bisher allerdings kaum zugänglich sind. Die Kommission soll ferner die Entscheidungen der anderen Organe durchsetzen129 sowie die Umsetzung der Entscheidungen durch andere Organe in enger Kooperation mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter überwachen und koordinieren und dem Ministerrat hierüber regelmäßig Bericht erstatten.130 Ein wichtiges Aufgabenfeld der Kommission besteht außerdem in der Stärkung und Koordinierung mitgliedstaatlicher Aktivitäten in Bereichen von gemeinsamen Interesse,131 dem Einsatz für Integration und sozioökonomische Entwicklung132 und der Förderung von Frieden, Demokratie, Sicherheit und 124 Siehe dazu Bieber et al., Die Europäische Union, 8. Aufl. 2009, § 4 Rn. 63 ff. Die AU-Kommission ist denn auch weit davon entfernt, der „Motor der Gemeinschaft“ zu sein. Die ersten Ziele u. a. hinsichtlich der Stärkung von Frieden und Sicherheit, der Förderung der kontinentalen Integration und der institutionellen Transformation hat sich die AU-Kommission in ihrem Strategic Plan of the Commission of the African Union 2004 – 2007 vom Mai 2004 und dem Strategic Plan of the Commission of the African Union 2009 – 2012 vom Mai 2009 gesetzt. 125
Art. 3 Abs. 2 lit. a) StatutKomm.
126
Art. 3 Abs. 2 lit. n) StatutKomm.
127
Art. 3 Abs. 2 lit. b) StatutKomm.
128
Art. 3 Abs. 2 lit. i) und m) StatutKomm.
129
Art. 3 Abs. 2 lit. c) StatutKomm.
130
Art. 3 Abs. 2 lit. a) StatutKomm.
131
Art. 3 Abs. 2 lit. q) StatutKomm.
132
Art. 3 Abs. 2 lit. p) StatutKomm.
34
1. Kapitel
Stabilität.133 Hierfür leistet sie erhebliche operationelle Unterstützung für den Friedens- und Sicherheitsrat.134 Sie koordiniert und harmonisiert die Programme und Politiken der Afrikanischen Union mit denen der RECs135 und unterstützt die Mitgliedstaaten bei deren Umsetzung.136 Die Kommission arbeitet auch den Jahreshaushalt aus und verwaltet alle finanziellen Angelegenheiten der Organisation.137
IV. Das Panafrikanische Parlament Um die Partizipation der afrikanischen Völker an der Entwicklung und ökonomischen Integration des Kontinents sicherzustellen, sah schon der Vertrag über die Afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (AEC) von 1991 ein Panafrikanisches Parlament als Organ der AEC vor.138 Aber erst mit der Entscheidung, die OAE durch die Afrikanische Union zu ersetzen und die Institutionen der AEC zu übernehmen, kam die Errichtung eines Panafrikanischen Parlamentes auf Grundlage der Art. 5 Abs. 1 lit. c) und 17 Abs. 1 KA-AU voran.139 Das Panafrikanische Parlament verdeutlicht, wie auch die afrikanische Menschenrechtskommission, der AU-Gerichtshof oder die NEPAD das grundsätzliche Problem der Konsolidierung der vielen OAE-Programme samt dazugehöriger Organe und deren Integration in die neuen Strukturen der Afrikanischen Union. Das Parlament war zunächst ein Organ der AEC und wurde erst im Nachhinein zum AU-Organ. Bis es sich in einem zweiten von der Versammlung der AEC/AU näher zu bestimmenden Schritt in ein Legislativorgan mit umfassenden Gesetzgebungskompetenzen ent-
133
Art. 3 Abs. 2 lit. r) StatutKomm.
134
Art. 3 Abs. 2 lit. s) StatutKomm. Dazu sogleich in Kapitel 2.IV.
135
Art. 3 Abs. 2 lit. t) StatutKomm.
136
Art. 3 Abs. 2 lit. h) StatutKomm.
137
Im Einzelnen Art. 3 Abs. 2 lit. j), k), l), o), ff) StatutKomm. Zu den Einzelheiten bzgl. der Aufstellung des AU-Haushalts und des AU-Haushalts allgemein siehe Art. 20 ff. StatutKomm. 138 Art. 7 Abs. 1 lit. c) und Art. 14 Treaty Establishing the African Economic Community vom 3. Juni 1991 (Abuja Treaty), ILM 30 (1991), S. 1241 ff. 139
Abs. 8 UAbs. i) und ii) lit. b) Sirte Declaration, Dok.Nr. EAHG/Draft/ Decl. (IV) Rev. 1, Assembly of Heads of States and Government, 4th Extraordinary Session vom 8. – 9. September 1999.
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
35
wickelt,140 sind dem Parlament in der ersten Phase seiner Existenz ausschließlich konsultative Funktionen zugewiesen worden.141 Dass das Verhältnis von AEC und AU bezogen auf das Parlament letztendlich nicht endgültig geklärt ist, sieht man schon allein daran, dass unklar ist, wer die Verantwortung zur Fortentwicklung des Parlaments trägt.142
1. Zusammensetzung Die Zusammensetzung des Parlaments ist im ProtokollParlament und einer eigenen Verfahrensordnung143 geregelt. Es findet sich mindestens zweimal im Jahr zu einer ordentlichen Sitzung144 in Midrand, Südafrika zusammen.145 Das Parlament soll alle Völker Afrikas repräsentieren.146
140
Siehe dazu Art. 2 Abs. 3 und Art. 11 Protocol to the Treaty Establishing the African Economic Community relating to the Pan-African Parliament vom 2. März 2001 (ProtokollParlament). 141 Art. 2 Abs. 3 S. 1 und S. 2 lit. i) i.V.m. Art. 11 S. 1 ProtokollParlament. In der Literatur wird das Panafrikanische Parlament aufgrund der Aufgabenbeschränkung als „embryonic legislature“ bezeichnet, vgl. Cilliers/Mashele, African Security Review 13/4 (2004), S. 73, 75. Sehr kritisch zu dieser marginalen Rolle des Parlaments van Walraven, afrika spectrum 39 (2004), S. 197 ff. 142
Vgl. Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 263, 278 und Magliveras/Naldi, AHRLJ 3 (2003), S. 222, 230 ff. In Art. 2 Abs. 3 ProtokollParlament ist den Mitgliedstaaten des AEC und in Art. 11 der AEC-Versammlung die Verantwortung zur Fortentwicklung des Parlaments zugewiesen. Zwar besteht die Versammlung aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der AEC, aber nicht alle AEC-Mitgliedstaaten sind Vertragsparteien des Protokolls. Im Zusammenhang mit der Fortentwicklung des Parlaments sieht Art. 25 ProtokollParlament vor, dass das Protokoll fünf bzw. zehn Jahre nach Inkrafttreten von einer Staatenkonferenz überprüft wird, um es der Entwicklung des afrikanischen Kontinents anzupassen. 143
Rules of Procedure vom 21. September 2004.
144
Art. 14 ProtokollParlament; Regel 28 VerfOParlament. Zum Verfahrensablauf der Sitzungen siehe Regel 36 bis 48 VerfOParlament. 145 Art. 3 Decision on the Launching and the Establishment of the PanAfrican Parliament, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec. 39(III), Assembly of the African Union, 3rd Ordinary Session vom 6. – 8. Juli 2004; Regel 2 VerfOParlament. Südafrika ging als Sieger aus dem Wettbewerb mit Ägypten und Libyen hervor, hauptsächlich weil es die notwendige Infrastruktur bereithält und Libyen kein eigenes Parlament hat und es als unangebracht galt, ausgerechnet das
36
1. Kapitel
Die Mitgliedstaaten werden von einer gleichen Anzahl von Parlamentariern vertreten.147 Die Abgeordneten sind unabhängig und dürfen keine Funktionen in der nationalstaatlichen Exekutive oder Judikative innehaben.148 Sie genießen Immunität in allen Mitgliedstaaten nach der General Convention on Privileges and Immunities of the OAU und der Wiener Diplomatenrechtskonvention.149 Da die Parlamentarier von den Abgeordneten des jeweiligen nationalen Parlaments aus ihrem Kreis heraus gewählt werden,150 ist das Panafrikanische Parlament eher eine Versammlung von Parlamentariern als von unmittelbar gewählten Volksvertretern der afrikanischen Völker. Die indirekte Wahl der Parlamentarier wird denn auch stark kritisiert, weil viele nationale Parlamentarier selbst nicht durch freie und faire Wahlen legitimiert sind. Die nur mittelbare Legitimation des Panafrikanischen Parlaments durch die Entsendung nationaler Parlamentarier untermauert zudem den Vorwurf, dass den afrikanischen Völkern die AU von den Staats- und Regierungschefs oktroyiert worden ist, statt die Zivilgesellschaften an der Entwicklung des Kontinents aktiv partizipieren zu lassen.151 Gerade mit der Schaffung eines kontinentalen Parlaments war jedoch die große Hoffnung stärkerer demokratischer Legitimation und Transparenz der Entscheidungen der AU verbunden, die sich bislang nicht erfüllt hat. Eine allgemeine Direktwahl der Abgeordneten ist in einer der nächsten
kontinentale Parlament dort anzusiedeln. Vgl. Schmidt, APuZ 4 (2005), S. 25, 27 f. 146
Art. 2 Abs. 2 ProtokollParlament.
147
Fünf Parlamentarier davon mindestens eine Frau, Art. 4 Abs. 2 ProtokollParlament. Selbstverständlich können nur diejenigen Mitgliedstaaten Abgeordnete entsenden, die das Protokoll auch ratifiziert haben. Dies sind derzeit 46 Mitgliedstaaten, d.h. 230 Abgeordnete. Mit Ratifizierung des ProtokollParlament durch alle 53 AU-Mitgliedstaaten werden dem Parlament insgesamt 265 Abgeordnete angehören 148
Art. 6 und Art. 7 ProtokollParlament.
149
Art. 8 und 9 ProtokollParlament; Regel 10 bis 12 VerfOParlament.
150
Art. 5 Abs. 1 ProtokollParlament; siehe im Einzelnen Regel 6 bis 8 VerfOParlament. 151
Vgl. Udombana, CalWILJ 33 (2002), S. 69, 100; Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 271; Cilliers/Mashele, African Security Review 13/4 (2004), S. 73, 77, 79.
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
37
Phasen der Evolution des Parlaments in ein „volles“ Legislativorgan vorgesehen.152
2. Organkompetenzen Für die Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der AU relevant sind nur wenige Aufgaben des Parlaments: Es soll die Prinzipien der Menschenrechte und Demokratie vorantreiben, demokratische Institutionen konsolidieren und die Organe der AU, RECs und Mitgliedstaaten zu Rechtstaatlichkeit, guter Regierungsführung, Transparenz und Regierungsverantwortlichkeit anhalten.153 Es soll Frieden, Sicherheit und Stabilität fördern, die kontinentweite Solidarität, Kooperation und Entwicklung sowie einen völkerverbindenden afrikanischen Gemeinsinn stärken und die Koordination und Harmonisierung der Politiken, Maßnahmen und Programme der RECs und deren Parlamente verbessern.154 Desgleichen arbeitet es auf die Koordinierung und Harmonisierung des Rechts der Mitgliedstaaten hin.155 Das Parlament hat das Recht, die Entwicklung und Implementierung der Politiken und Programme der Afrikanischen Union zu überwachen.156 Es kann auf Anfrage anderer Organe, RECs oder nationaler Parlamente oder aufgrund eigener Initiative jeden beliebigen Gegenstand untersuchen, diskutieren oder seine Meinung zum Ausdruck bringen, insbesondere zu Menschenrechtsfragen, zur Konsolidierung demokratischer Institutionen und demokratischer Kultur sowie zur Förderung von guter Regierungsführung und Rechtstaatlichkeit.157 Unter ausdrücklichen Rekurs auf diese Kompetenz entsandte das Parlament z.B. im Dezember 2007 eine sechsköpfige Wahlbeobachtungsmission nach Kenia, die sich mit Kritik an den Wahlfälschungen und Unregelmäßigkeiten der Wahlen
152
Art. 2 Abs. 3 ProtokollParlament.
153
Art. 3 Ziff. 2, 3 ProtokollParlament; Regel 4 Abs. 1 lit. b) VerfOParla-
ment. 154
Art. 3 Ziff. 5, 6, 9; Art. 11 Ziff. 7 ProtokollParlament; Regel 4 Abs. 1 lit. e) VerfOParlament. Zu den Parlamenten der RECs Cilliers/Mashele, African Security Review 13/4 (2004), S. 73, 78 f. 155
Art. 11 Ziff. 3 ProtokollParlament; Regel 4 Abs. 1 lit. d) VerfOParlament.
156
Regel 5 lit. a)VerfOParlament.
157
Art. 11 Ziff. 1 ProtokollParlament; Regel 5 lit. c) VerfOParlament.
38
1. Kapitel
vom 27. Dezember 2007 nicht zurückhielt;158 gleiches gilt für die Wahlbeobachtungsmission in Simbabwe im Juni 2008.159 Von den Ständigen Ausschüssen, die das Parlament einrichten kann,160 ist besonders der Ausschuss für Kooperation, internationale Beziehungen und Konfliktlösung hervorzuheben.161 Er hat sich unter anderem mit den Krisen in der Côte d’Ivoire, der Demokratischen Republik Kongo, im Sudan und im Tschad befasst.162 Auf Grundlage der Empfehlungen des Ausschusses wurden Fact-Finding-Missionen in die Darfur Region, Sudan (Oktober 2004),163 nach Mauretanien (Oktober 2005)164 und weitere Missionen in den Tschad (Mai 2006), die Côte d’Ivoire (Oktober 2006)165 und in die Zentralafrikanische Republik (April 2007)166 entsandt. Die Entsendung der PAP-Mission in die Regi-
158
Vgl. Statement of the Pan-African Parliament Election Observer Mission to Kenya’s General Election held on the 27th December 2007, Dok.Nr. PAP/PRES/OBS./01/08 vom 23. Januar 2008. 159 Vgl. The Pan-African Parliament Election Observer Mission to the Presidential Run-Off and Parliamentary By-Elections in Zimbabwe, Interim Statement vom 29. Juni 2008, abrufbar unter: http://www.pan-africanparliament. org/News.aspx?ID=352 (Stand: 31. Mai 2010). 160 Art. 12 Abs. 14 ProtokollParlament; Regel 22 Abs. 1 und 3 VerfOParlament, sowie zu Einzelheiten der Arbeitsweise der Ausschüsse Regel 23 bis 25. 161
Regel 22 Abs. 1 lit. d) VerfOParlament.
162
Report on Peace and Security in Africa, Committee on Cooperation, International Relations and Conflict Resolution, 5th Ordinary Session vom 1. – 12. Mai 2006, S. 2 ff. 163 Resolution on Conflict Resolution, PAP-Res. 002/04, Ziff. 5, Pan-African Parliament, 2nd Ordinary Session vom 16. September – 1. Oktober 2004; Recommendation on the Pan-African Parliament Peace Mission to Darfur, PAPRec. 001/05, Pan-African Parliament, 3rd Ordinary Session vom 29. März – 11. April 2005; Executive Summary der 3rd Ordinary Session vom 29. März – 11. April 2005, S. 8 f. 164
Siehe dazu Report of the Pan-African Parliament Mission to Mauritania from 10. to 16. October 2005. 165 Report on Peace and Security in Africa, Committee on Cooperation, International Relations and Conflict Resolution, 5th Ordinary Session vom 1. – 12. Mai 2006, S. 6. 166 Resolution on the Central African Republic, Dok.Nr. PAP/ RES.01(VI)/06, Pan-African Parliament, 6th Ordinary Session vom 13. – 24 No-
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
39
on Darfur wird als historisch bezeichnet, zeigt das Parlament damit doch, dass es nicht vor den Problemen des Kontinents zurückweicht, wobei indes fraglich ist, welcher Gewinn aus der PAP-Mission für die Konfliktlösung in der Region gezogen werden kann.167 Das Panafrikanische Parlament unternahm überdies eine Reihe von Wahlbeobachtungsmissionen, so in die Demokratische Republik Kongo,168 nach Kenia,169 Simbabwe,170 Angola171 und Swasiland.172 Das Parlament verfügt allerdings über keinerlei Durchsetzungsmechanismen, die andere AU-Organe oder nationale bzw. regionale Parlamente zu einer Berücksichtigung oder gar Implementierung der getroffenen Entscheidungen zwingen könnten.173 Dies entspricht jedoch der Funktion des Parlaments, vorerst nur beratend tätig zu sein. Während der ersten Phase seiner Existenz soll es vornehmlich Legitimation für die panafrikanische Integration im Rahmen der AU aufbauen, anstatt durch forcierbare Maßnahmen selbst die Integration voranzutreiben, dies vor allem weil das Verhältnis zu den Parlamenten der RECs und den nationalen Parlamenten weitgehend ungeklärt ist.174
vember 2006; Report of the Pan-African Permanent Committee on Cooperation, International Relations and Conflict Resolution: On Peace and Security Situation in Africa, 7th Ordinary Session vom Mai 2007. 167 Kritisch auch Mashele, The 3rd Pan-African Parliament Session: The First Teeth of a Cild or the Roaring of Tamed Lion?, Sowetan, 5. April 2005, S. 11. 168
Report of the PAP-Observer Mission to the Democratic Republic of Congo vom Oktober 2006. 169 Statement of the PAP-Election Observer Mission to Kenya’s General Election Held on the 27th Dezember 2007. 170
Report of the PAP-Election Observer Mission to Zimbabwe, Dok.Nr. PAP/S/RPT/76/08 vom 27. Juni 2008. 171 Report of the PAP-Election Observer Mission to Angola, Dok.Nr. PAP/S/RPT/81/08 vom 5. September 2008. 172
Report of the PAP-Election Observer Mission to Swaziland vom 19. September 2008. 173 Nach Mpanyane, ISS-Paper 181 (2009), S. 1, 9 sollten dem PAP daher im Rahmen eines möglichen Transformationsprozesses als erstes Durchsetzungsbefugnisse zukommen, um seine Rolle zu stärken. 174 Cilliers/Mashele, African Security Review 13/4 (2004), S. 73, 79; Mashele, African Security Review 14/2 (2005), S. 107, 109.
40
1. Kapitel
V. Die Afrikanische Kommission für Menschenrechte Die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker wurde zur Förderung und zum Schutz der Rechte aus der Banjul-Charta eingerichtet.175 Die Menschenrechtskommission ist zwar ein Organ der Banjul-Charta und bezieht von diesem Vertrag ihre von der OAE/AU-Charta unabhängige Legitimation, sie soll jedoch innerhalb der OAE/AU funktionieren und mit dieser zusammenarbeiten.176 Demgemäß beschloss die Versammlung auf ihrer konstituierenden Sitzung im Juni 2002, dass die Menschenrechtskommission und das African Committee of Experts on Rights and Welfare of the Child ihre Aufgaben im Rahmen der AU wahrnehmen sollen.177 Die langfristige Kooperation oder gar Inkorporation der Menschenrechtskommission in die neuen AU-Strukturen ist allerdings bislang nicht geklärt.178
1. Zusammensetzung Die Menschenrechtskommission hat sich eine eigene Verfahrensordnung gegeben.179 Sie besteht aus 11 unabhängigen und unparteiischen Mitgliedern, die aus afrikanischen Persönlichkeiten mit höchster Repu175
Art. 30 Banjul-Charta. Zur Menschenrechtskommission ausführlich Welch, JoMAS 19/3 (1981), S. 401 ff.; ders., The JoMAS 29/4 (1991), S. 535, 539 ff.; ders., in: EL-Ayouty (Hrsg.), The Organization of African Unity after Thirty Years, 1994, S. 53 ff.; Tonndorf, Menschenrechte in Afrika, 1997, S. 215 ff., 324 ff.; Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 485 ff.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 310 ff. 176 Art. 30 Banjul-Charta spricht von „[…] shall be established within the Organization of African Unity […].“ 177
Decision on the Interim Period, Dok.Nr. ASS/AU/Dec. 1-8 (I), Dec. 2 (xi), Assembly of the African Union, 1st Ordinary Session vom 9. – 10. Juli 2002. Dies widerspricht nicht den Vorgaben aus Art. 5 Abs. 2 KA-AU, da es keinen Unterschied macht, ob die Versammlung neue Organe schafft oder bereits operierende Organe in den rechtlichen Rahmen der KA-AU überführt. 178
Dazu Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 217 ff.
179 Art. 42 Abs. 2 Banjul-Charta; Rules of Procedure of the African Commission on Human and Peoples’ Rights, 18th Ordinary Session of the African Commission on Human and Peoples’ Rights vom 6. Oktober 1995 (VerfOMenschenrechtskommission).
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
41
tation ausgewählt werden.180 Die Mitglieder werden von der Versammlung auf Grundlage einer Vorschlagsliste für einen Zeitraum von sechs Jahren gewählt,181 mit der Möglichkeit der Wiederwahl.182 Der Vorsitzende der AU-Kommission bestimmt einen Sekretär und stellt das für die Arbeit der Menschenrechtskommission notwendige Personal und Service zur Verfügung. Die Kosten hierfür trägt die AU.183 Die Menschenrechtskommission tritt zweimal im Jahr – nicht notwendigerweise an ihrem Hauptsitz in Banjul, Gambia184 – für 10 bis 15 Tage zusammen.185 Der Kommissionsvorsitzende darf an den Sitzungen teilnehmen, nicht aber an den Beratungen. Er besitzt zudem kein Stimmrecht.186 Akkreditierte Nichtregierungsorganisationen, mittlerweile sind es 375,187 dürfen ebenfalls an den öffentlichen Sitzungen mit Beob180 Vgl. Art. 31 Abs. 1, 32 Banjul-Charta; Regel 11 VerfOMenschenrechtskommission. 181 Vgl. Art. 33 Banjul-Charta. Dieses Verfahren ist aus Zeitgründen aufgegeben worden, so dass seit 2003 der Ministerrat die Kandidaten auswählt und die Versammlung die Entscheidung nur noch absegnet; vgl. Decision on the Appointment of Members of the African Commission on Human and Peoples’ Rights, Dec.EX/CL/57 (III), Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.23(II), Assembly of the African Union, 2nd Ordinary Session vom 10. – 12. Juli 2003; Decision on the Report on the Election of Members of the African Commission on Human and rd Peoples’Rights, Dok.Nr. EX/CL/Dec.56(III), Executive Council, 3 Ordinary Session vom 4. – 8. Juli 2003; zum neuen Verfahren Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 52. 182
Art. 36 S. 1 Banjul-Charta; Regel 13 VerfOMenschenrechtskommission.
183
Art. 41 Banjul-Charta; Regel 22 ff. VerfOMenschenrechtskommission. Zur chronischen Unterfinanzierung der Menschenrechtskommission Tonndorf, Menschenrechte in Afrika, 1997, S. 335; Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 55 ff.; Baricako, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 1, 12 ff.; Olaniyan, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 213, 242 f. 184 Decision of the Assembly of Heads of State and Government on the Offer of the Republic of The Gambia to Host the Secretariat of the African Commission on Human and Peoples’ Rights, Assembly of Heads of State and Government, 24th Ordinary Session vom 25. – 28. Mai 1988. 185 Regel 2 Abs. 1 und 4 VerfOMenschenrechtskommission. Zu den Einzelheiten der Sitzungen Regel 43 ff. VerfOMenschenrechtskommission. 186 187
Art. 42 Banjul-Charta.
Vgl. Final Communique of the 42nd Ordinary Session of the African Commission on Human and Peoples’ Rights vom 15. – 18. November 2007.
42
1. Kapitel
achterstatus teilnehmen.188 Die Mitglieder der Menschenrechtskommission genießen in Ausübung ihrer Funktion diplomatische Privilegien und Immunität nach der General Convention on the Privileges and Immunities of the Organization of African Unity.189
2. Organkompetenzen Die Menschenrechtskommission soll die Menschenrechte und Rechte der Völker fördern und die Einhaltung der Banjul-Charta sicherstellen, zu deren Beachtung und Förderung sich die Mitgliedstaaten und die AU in Art. 3 lit. h) KA-AU verpflichtet haben. Hierfür soll sie Dokumente sammeln, Studien und Untersuchungen zu afrikanischen menschenrechtsrelevanten Problemen durchführen, Seminare und Konferenzen zum Thema organisieren, Informationen weiterverbreiten, nationale und lokale Institutionen stärken und, soweit notwendig, seine Auffassung und Empfehlungen der jeweiligen Regierung mitteilen. Die Menschenrechtskommission soll eng mit anderen afrikanischen und internationalen Institutionen zum Schutz der Menschenrechte zusammenarbeiten. Auf Anfrage einer Vertragspartei, der Afrikanischen Union oder einer von letzterer anerkannten afrikanischen Regionalorganisation190 ist die Menschenrechtskommission dazu berufen, die BanjulCharta auszulegen.191 Die Menschenrechtskommission soll sich bei ihZum Prozedere Resolution on the Cooperation between the African Commission on Human and Peoples’ Rights and NGOs having Observer Status with the Commission, 25th Ordinary Session vom 26. April – 5. Mai 1999; Criteria for Granting of and for Maintaining Observer Status with the African Commission on Human and Peoples’ Rights, Dok.Nr. AHG/215 (XXXV), 12th Activity Report 1998 - 1999, Annex, S. 38 f. S.a. Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 406 ff. 188
Regel 75 f. VerfOMenschenrechtskommission.
189
Art. 43 Banjul-Charta.
190
Bei der AU akkreditiert sind bisher AMU, CEN-SAD, COMESA, EAC, ECCAS, ECOWAS IGAD und SADC, vgl. Consultative Meetings of Accra and Lusak, Dok.Nr. CAMAI/Consol.Report/(I), First Conference of African Ministers of Economic Integration (CAMEI) vom 27. – 28. März 2006, S. 3. 191
Art. 45 Banjul-Charta. Die Menschenrechtskommission hat im Rahmen des Art. 45 Abs. 1 lit. b) Banjul-Charta eine Reihe von Resolutionen verabschiedet, die neben der Interpretation der Banjul-Charta auch der Positionierung zu bestimmten Menschenrechtsfragen dienen, so z.B. Resolution on the
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
43
rer Arbeit von internationalen und anderen afrikanischen Menschenrechtsinstrumenten inspirieren192 und von internationalen Konventionen leiten lassen, die Regeln aufstellen, die die AU-Mitgliedstaaten anerkennen, aber auch von der afrikanischen Praxis, die mit internationalen Menschenrechtsnormen übereinstimmt, von Gewohnheitsrecht und anderen von den afrikanischen Staaten anerkannten Rechtsprinzipien.193 Die Vertragsstaaten verpflichten sich, alle zwei Jahre einen Bericht zu den legislativen und anderen Maßnahmen zur Umsetzung der in der Banjul-Charta garantierten Rechte und Freiheiten vorzulegen.194
3. Staatenberichtssystem Den Schwerpunkt der Arbeit der Menschenrechtskommission bildet das Staatenberichtssystem. Bei diesem veranlasst eine Vertragspartei im Falle einer (vermuteten) Verletzung der Banjul-Charta die Menschenrechtskommission zu einer eingehenden Untersuchung.195 Sie kann sich Adoption of the Declaration of Principles on Freedom of Expression in Africa und Resolution on Guidelines and Measures for the Prohibition and Prevention of Torture, Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment in Africa, vgl. 16th Activity Report 2002 – 2003, Annex VI; 17th Activity Report 2003 – 2004, Annex IV. Hierzu auch Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 518 ff. 192
Art. 60 Banjul-Charta.
193
Art. 61 Banjul-Charta.
194
Vgl. Art. 62 Banjul-Charta; im Einzelnen Regel 78 und 81 ff. VerfOMenschenrechtskommission; Guidelines for National Periodic Reports, 2nd Activity Report 1988 – 1989, Annex XII; Amendment of the General Guidelines for the Preparation of Periodic Reports by States Parties, Dok.Nr. DOC(OS(27 (XXIII), 1998. Ausführlich zu den Staatenberichten Tonndorf, Menschenrechte in Afrika, 1997, S. 343 ff.; Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 527 ff.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 368 ff.; Evans/Murray, in: dies. (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 49 ff. Eine ganze Reihe von Staaten hat bisher keinen Bericht abgeliefert, darunter Dschibuti, Eritrea, Liberia, Malawi, Sierra Leone und Somalia, vgl. Status on Submission of State Initial/Periodic Reports to the African Commission, abrufbar unter: http://www.achpr.org/english/_info/statereport_considered_en.html (Stand: 31. Mai 2010). 195 Im Einzelnen Art. 47 ff. Banjul-Charta und Regel 88 ff. VerfOMenschenrechtskommission. Ausführlich Ouguergouz, The African Charter on Human
44
1. Kapitel
aber auch mit menschenrechtsrelevanten Mitteilungen beschäftigen, die nicht von Staaten an sie gerichtet werden.196 Dieses Individual- und Popularbeschwerdeverfahren bildet das Gros der von der Kommission untersuchten Sachverhalte. Bevor sie sich mit einem solchen Fall eingehender befasst, soll sie den betreffenden Staat informieren.197 Sie kann sich jeder angemessenen Untersuchungsmethode bedienen und führt z.B. häufig Fact-Finding-Missionen durch.198 Sollte die Menschenrechtskommission bei der Untersuchung eines oder mehrerer Fälle auf die Existenz einer Serie ernsthafter oder massiver Menschenrechtsverletzungen stoßen, muss sie die Versammlung hierauf aufmerksam machen. Diese kann die Menschenrechtskommission dann mit einer eingehenden Untersuchung und Berichterstattung beauftragen.199 Alle Maßnahmen, die die Menschenrechtskommission nach Maßgabe der BanjulCharta ergreift, sollen solange geheim bleiben, bis die Versammlung anders entscheidet. Auch der Abschlussbericht soll erst veröffentlicht werden, wenn die Versammlung dies beschließt.200 Sie muss der Versammlung außerdem jährlich einen Bericht über ihre Aktivitäten übermitteln, der vor der Veröffentlichung von der Versammlung abgesegnet werden muss.201
and Peoples’ Rights, 2003, S. 570 ff.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 361 ff. 196
Im Einzelnen Art. 55 ff. Banjul-Charta, Regel 6, 102 ff. VerfOMenschenrechtskommission. S.a. Tonndorf, Menschenrechte in Afrika, 1997, S. 351 ff.; Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 584 ff.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 319 ff.; ders., in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 76 ff. 197
Art. 57 Banjul-Charta.
198
Art. 46 Banjul-Charta. Hierzu Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 362 ff.; Murray, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 139 ff. 199 Art. 58 Banjul-Charta. Ein solcher Fall war Constitutional Rights Project and Civil Liberties Organisation vs. Nigeria, Dok.Nr. AHG/215 (XXXV), 12th Activity Report 1998 – 1999, Annex V, S. 45 ff. Er wurde von der Versammlung jedoch nicht weiter verfolgt. 200 Art. 59 Abs. 1 und 2 Banjul-Charta; Regel 77 VerfOMenschenrechtskommission; dazu Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 652 ff. 201 Art. 59 Abs. 3 Banjul-Charta; Art. 54 Banjul-Charta und Regel 79 VerfOMenschenrechtskommission sprechen zwar nur davon, dass die Versammlung
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
45
4. Herausforderungen Die fehlende Kooperation mit den anderen AU-Organen und ihr Sitz in Gambia haben zu einer weitgehenden Isolation der Menschenrechtskommission geführt.202 Sie ist extrem abhängig von der AU, die sie finanziert und die Kommissionsmitglieder bestimmt. Gleichzeitig muss sie aber versuchen, ihre Unabhängigkeit zu bewahren, was bei einigen Mitgliedern nicht immer gelingt, die vorher oder sogar während ihrer Amtszeit noch nationalstaatliche oder internationale Positionen innehaben.203 Die Durchsetzungskraft der Menschenrechtskommission und damit auch der Banjul-Charta ist – anders als bei der Europäischen Menschenrechtskonvention204 – eher gering, da der Menschenrechtskommission außer dem Berichtswesen, das dazu noch stark eingeschränkt wird, keinerlei Durchsetzungs- und Überwachungsmechanismen verbleiben.205 Dennoch ist die Arbeit der Menschenrechtskommission bedeutsam, denn durch sie blieb und bleibt die Menschenrechts-
den Bericht „considern“ muss, jedoch wandelte sich die OAE-Praxis dergestalt, dass die Versammlung dem Bericht formell zustimmen muss. Die Berichte über die Aktivitäten der Menschenrechtskommission wurden bisher ohne weitere Debatte durchgewunken bzw. an den Ministerrat überwiesen, der die Berichte ohne nähere Auseinandersetzung absegnete. Zuletzt Decision on the 27th Activity Report of the African Commission on Human and Peoples’ Rights, Dok.Nr. EX.CL/Dec.575(XVI), Executive Council, 16th Ordinary Session vom 25. – 29. Januar 2010. S.a. Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 57 ff. 202 Vgl. Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 22 f.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 219. 203
Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 52 ff. Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 311. 204 Vgl. nur Art. 46 Abs. 1 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. 1954 II, S. 14, demzufolge sich die Vertragsparteien dazu verpflichten, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen. Das Ministerkomitee überwacht gemäß Art. 46 Abs. 2 EMRK den Vollzug. Hierzu Grabenwarter, EMRK, 3. Aufl. 2008, S. 94 ff. 205 Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 23; Naldi, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 20, 36 ff. weist aber zu Recht darauf hin, dass die Menschenrechtskommission ihre Rolle so gut es nach dem ihr zugeteilten Mandat eben geht, wahrnimmt. Insgesamt optimistischer Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 660 ff.
46
1. Kapitel
problematik in Afrika dauerhaft auf der Agenda der AU.206 Die Zusammenarbeit der Menschenrechtskommission mit nationalen, regionalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen hat zudem maßgeblich zur Verbreitung und zum Schutz der Menschenrechte in Afrika beigetragen.207 In der Grand Bay-Deklaration, Kigali-Deklaration und Banjul-Deklaration erkannten die OAE/AU-Mitgliedstaaten die Arbeit der Menschenrechtskommission ausdrücklich an und verpflichteten sich, ihren Berichtspflichten besser nachzukommen, mit der Menschenrechtskommission zusammenzuarbeiten und sie strukturell, finanziell und personell besser aufzustellen.208 Allerdings wird das Thema Menschenrechte nunmehr als integraler Bestandteil der Aktivitäten der AUOrgane und Mitgliedstaaten angesehen und insoweit die Stellung der Menschenrechtskommission in der Gesamtstruktur der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur weiter zurückgedrängt.209
VI. Der AU-Gerichtshof In der Geschichte der afrikanischen Internationalen Organisationen ist der AU-Gerichtshof ein relativ neues Organ. Erst Art. 18 Abs. 1 AECVertrag von 1991 sah einen Gerichtshof vor. Nachdem die AEC de facto mit der OAE fusionierte und nun in die Afrikanische Union integriert wurde,210 wurde er durch den AU-Gerichtshof ersetzt. Letzterer nimmt nunmehr die Funktionen wahr, die vorher dem AEC-
206
Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 23 f.
207
Vgl. Tonndorf, Menschenrechte in Afrika, 1997, S. 336 ff.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 406 ff. 208 §§ 16, 23 und 25 Grand Bay (Mauritius) Declaration and Plan of Action, OAU Ministerial Conference on Human Rights in Africa vom 12. – 16 April 1999; §§ 23 f. Kigali Declaration, Dok.Nr. MIN/CONF/HRA/Decl.1 (I), 1st AU Ministerial Conference on Human Rights in Africa vom 8. Mai 2003; Banjul Declaration on the 25th Anniversary of the African Charter on Human and Peoples’ Rights, Dok.Nr. Assembly/AU/Decl.3(VII), Assembly of the African Union, 7th Ordinary Session vom 1. – 2. Juli 2006. 209
Ebenso Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 26 f.
210
Vgl. Art. 33 Abs. 2 KA-AU; Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 263.
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
47
Gerichtshof zugewiesen waren.211 In dieser Entwicklung ist eine gewisse, wenn auch nicht endgültige Abkehr von den bis dahin favorisierten ad hoc-Streitschlichtungsgremien zu sehen. Diese entsprechen eher den afrikanischen Rechtstraditionen der auf Konsens beruhenden friedlichen Streitbeilegung, Vergebung und Aussöhnung der Streitparteien. Hingegen wird das Verfahren einer gerichtlichen Streitklärung vor internationalen Schiedsgerichten und Gerichtshöfen immer noch als einseitig „westlich“, streng formalisiert, ungleichbehandelnd, teuer, langwierig und vom Ausgang her unkontrollierbar empfunden, wie zuletzt die äußerst ablehnende Reaktion der AU gegen den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den sudanesischen Präsidenten Omar Hassan al-Bashir wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eindrücklich offenbarte.212 Einzelheiten über den AU-Gerichtshof sind in der KA-AU nicht festgelegt.213 Ein die Zusammensetzung, Zuständigkeit und Verfahrensord-
211
Udombana, BrookJIntL 28/3 (2003), S. 811, 840 f.; Viljoen/Baimu, NQHR 22/2 (2004), S. 241, 244; Magliveras/Naldi, ZaöRV 66 (2006), S. 187, 190. 212 Vgl. Decision on the Meeting of African States Parties to the Rome Statute of the International Criminal Court (ICC), Dok.Nr. Assembly/AU/ Dec.245(XIII) Rev.1, Assembly of the African Union, 13th Ordinary Session vom 1. – 3. Juli 2009; Decision on the Report of the Second Meeting of States Parties to the Rome Statute of the International Criminal Court (ICC), Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.279(XIV), Assembly of the African Union, 14th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2010; Communiqué on the 3 February 2010 Judgment of the International Criminal Court Appeals Chamber on Darfur vom 4. Februar 2010. Zu den Auswirkungen dieser Entscheidung auf die Situation in Darfur Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Darfur, Dok.Nr. PSC/PR/2(CXCVIII), Peace and Security Council, 198th Meeting vom 21. Juli 2009, S. 1 ff. Zu den Ursachen des Misstrauens afrikanischer Staaten insbesondere gegenüber dem IGH Maluwa, International Law in Post-Colonial Africa, 1999, S. 236 f.; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 39 ff.; s.a. Udombana, BrookJIntL 28/3 (2003), S. 811, 817 f.; van der Mei, LJIL 18/1 (2005), S. 113, 114 ff. Zu den Grundsätzen der Streitschlichtung auf der Mikroebene afrikanischer Gemeinschaften Lehnert, Afrikanisches Gewohnheitsrecht und die südafrikanische Verfassung, 2006, S. 17, 19 ff., 189 f. m.w.N. 213
Art. 18 Abs. 2 KA-AU.
48
1. Kapitel
nung näher regelndes Protokoll ist mittlerweile in Kraft getreten.214 Neben dem AU-Gerichtshof ist der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte ein weiteres Judikativorgan der AU.215 Er ist ausdrücklich für alle Menschenrechtsfragen im Zusammenhang mit der BanjulCharta zuständig, kann aber auch darüber hinaus tätig werden.216 Noch bevor das ProtokollGericht in Kraft trat und der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte seine Arbeit aufgenommen hatte, entschied die Versammlung, beide Gerichtshöfe zum African Court of Justice and Human Rights zu fusionieren.217 Für diesen Schritt werden hauptsächlich Rationalisierungsgründe ins Feld geführt, vor allem, dass
214 Protocol of the Court of Justice of the African Union, Assembly of Heads of States and Governments, 2nd Ordinary Session vom 11. Juli 2003 (ProtokollGericht). 215 Protocol to the African Charter on Human and Peoples’ Rights on the Establishment on an African Court on Human and Peoples’ Rights vom 10. Juni 1998 (ProtokollMenschengerichtshof). Das Protokoll trat am 25. Januar 2004 in Kraft und wurde bislang von 23 Staaten ratifiziert. Ausführlich zum Menschengerichtshof Naldi, The Organization of African Unity, 1999, S. 109 ff.; Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 687 ff.; Mangu, SAYIL 29 (2004), S. 136, 156 ff.; ders., NQHR 23/3 (2005), S. 379, 395 ff.; Bortfeld, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte, 2005, S. 89 ff.; Radunski, MenschenRechtsMagazin 10 (2005), S. 59, 69 ff.; van der Mei, LJIL 18/1 (2005), S. 113 ff.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 418 ff.; ders., in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 76, 129 ff.; Motala, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 271 ff. 216 Vgl. Art. 3 und 4 ProtokollMenschengerichtshof. S.a. Bortfeld, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte, 2005, S. 120 ff. 217
Decision on the Seats of the African Union, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec. 45 (III) Abs. 4, Assembly of the African Union, 3rd Ordinary Session vom 6. – 8. Juli 2004; Decision on the Merger of the African Court on Human and Peoples’ Rights and the Court of Justice of the African Union, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec. 83 (V), Assembly of the African Union, 5th Ordinary Session vom 4. – 5. Juli 2005; Draft Protocol on the Integration of the African Court on Human and Peoples’ Rights and the Court of Justice of the African Union, Dok.Nr. EX.CL/195 (VII) Annex 1, Assembly of the African Union, 5th Ordinary Session vom 4. – 5. Juli 2005. Zum Ganzen Kane/Motala, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 406 ff.
Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union
49
sich die AU zwei Gerichtshöfe schlichtweg nicht leisten könne.218 Dieses Vorgehen ist auf erhebliche Kritik gestoßen, da befürchtet wird, dass der intendierte Menschenrechtsschutz nicht ausreichend gewährleistet werde.219 Im Juli 2008 verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs schließlich das Protocol on the Statute of the African Court of Justice and Human Rights und das Statute of the African Court of Justice and Human Rights, die bisher nur von Mali und Libyen ratifiziert wurden.220 Mit diesem werden die bisherigen Protokolle beider Gerichtshöfe aufgehoben und die Zusammensetzung, Zuständigkeiten und der Zugang zum neuen Gerichtshof in einem eigenen Statut geregelt. So besteht der neue Gerichtshof aus zwei Kammern zu je acht Richtern, der Kammer für allgemeine Angelegenheiten und der Kammer für Menschenrechtsangelegenheiten.221 Dem neuen Gerichtshof obliegt nach Art. 28 unter anderem die Interpretation und Anwendung der KA-AU und anderer AU/OAE-Verträge, einschließlich der Banjul-Charta und der Kinder- und Frauenrechtscharta.222 Zudem ist er zuständig für alle Fragen des Völkerrechts, für die Überprüfung aller Entscheidungen der AU-Organe und für die Feststellung, ob ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen gegenüber anderen Mitgliedstaaten oder der AU verletzt hat.223 Während die Mitgliedstaaten und AU-Organe jedweden nach Art. 28 der Zuständigkeit des Gerichts unterfallenden Sachverhalt vor diesen bringen können, kann die Verletzung der Banjul-, Kinder- oder Frauenrechtscharta oder eines anderen von den Mitgliedstaaten ratifizierten Menschenrechtsabkommen auch durch die Menschenrechtskommission, das Kinderrechtskomitee, akkreditierte afrikanische intergovernmentale Organisationen, afrikanische nationale Menschenrechts218
Präambel DraftProtokoll. S.a. Udombana, BrookJIntL 28/3 (2003), S. 811, 849 ff.; Magliveras/Naldi, ZaöRV 66 (2006), S. 187, 190; Motala, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 271, 280 f. 219
Viljoen/Baimu, NQHR 22/2 (2004), S. 241, 252 ff.
220
Decision on the Single Legal Instrument on the Merge of the African Court on Human and Peoples’ Rights and the African Court of Justice, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.196 (XI), Assembly of the African Union, 11th Ordninary Session vom 30. Juni – 1. Juli 2008. 221
Vgl. Art. 16 Statute of the African Court of Justice and Human Rights.
222
African Charter on the Rights and Welfare of the Child vom 11. Juli 1990 und Protocol to the African Charter on Human and Peoples’ Rights on the Rights of Women in Africa vom 11. Juli 2003. 223 Vgl. Art. 28 lit. a) bis e), g) Statute of the African Court of Justice and Human Rights.
50
1. Kapitel
institutionen sowie Individuen und NGOs vor den Gerichtshof gebracht werden, letztere allerdings nur, insoweit der betroffene Staat dieser Zuständigkeit des Gerichtshofs vorher ausdrücklich zugestimmt hat.224 Im Endeffekt entspricht der Zugang zu den beiden Kammern des Gerichts im Wesentlichen dem zum Menschengerichtshof und zum AU-Gerichtshof.225 Da der Menschengerichtshof inzwischen seine Arbeit aufgenommen hat, soll er diese auch nach Ratifikation des neuen Statuts für eine Übergangszeit weiterführen, um eine geordnete Transition zum neuen Gerichtshof zu ermöglichen.226
224 Vgl. Art. 29 und 30 Statute of the African Court of Justice and Human Rights. 225
Vgl. Art. 5 und 34 ProtokollMenschengerichtshof und 18 ProtokollGe-
richt. 226 Art. 7 Protocol on the Statute of the African Court of Justice and Human Rights.
2. Kapitel: Der Friedens- und Sicherheitsrat Der Friedens- und Sicherheitsrat ist das zentrale Organ der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union. Er wurde auf Grundlage des Art. 5 Abs. 2 KA-AU durch einen eigenen völkerrechtlichen Vertrag eingerichtet1 und nahm am 25. Mai 2004 seine Arbeit auf, die übergangsweise noch vom Zentralorgan des OAEMechanismus für Konfliktbewältigung wahrgenommen worden war.2 Der Friedens- und Sicherheitsrat ist als ständiges Komitee für die Prävention, Bewältigung und Lösung von Konflikten zuständig.3 Mit ihm zusammen wurden eine ganze Reihe neuer Organe installiert, die ihn und die Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur stützen sollen: das Panel of the Wise, das Continental Early Warning System, das Military Staff Committee, die African Standby Force und der Peace Fund.4 Integraler Bestandteil der kontinentalen Sicherheitsarchitektur sind die regionalen Mechanismen zur Konfliktprävention, -bewältigung und lösung.5 Sie dienen nicht nur der Umsetzung der Entscheidungen der Versammlung und des Friedens- und Sicherheitsrates, sondern sind ganz wesentlich für die Errichtung der afrikanischen Bereitschaftsarmee und des kontinentalen Frühwarnsystems. Die regionalen Mechanismen 1 Protocol relating to the establishment of the Peace and Security Council of the African Union, Assembly of the African Union, 1st Ordinary Session vom 9. Juli 2002 (ProtokollPSC); Decision on the Establishment of the Peace and Security Council of the African Union, Dok.Nr. ASS/AU/Dec. 1-8 (I), Dec. 4, Assembly of the African Union, 1st Ordinary Session vom 9. – 10. Juli 2002. Das Protokoll wurde bisher von 44 der 53 AU-Mitgliedstaaten ratifiziert und trat am 26. Dezember 2003 in Kraft. Durch eine bislang nicht ratifizierte Vertragsänderung wird der Friedens- und Sicherheitsrat ausdrücklich in Art. 5 Abs. 1 lit. f) KA-AU aufgenommen. Im neuen Art. 20 (bis) KA-AU heißt es „There is hereby established, a new Peace and Security Council (PSC) of the Union, which shall be the standing decision-making organ for the prevention, management and resolution of conflicts.“ 2 Statement of Commitment to Peace and Security of the PSC, Dok.Nr. PSC/AHG/ST.(X), Solem Launching of the PSC vom 25. Mai 2004. 3
Art. 2 Abs. 1 S. 1 ProtokollPSC.
4
Art. 2 Abs. 2 ProtokollPSC.
5
Vgl. Art. 16 Abs. 1 ProtokollPSC.
D. Barthel, Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 224, DOI 10.1007/978-3-642-20034-2_3, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
51
52
2. Kapitel
sind unterhalb der AU-Ebene organisatorischer Bestandteil der sechs gewichtigsten afrikanischen subregionalen Wirtschaftsorganisationen in den fünf AU-Regionen, die in unterschiedlicher Ausprägung zugleich Sicherheitsfunktionen in ihrer Region wahrnehmen: der Arab Maghreb Union (AMU) in Nordafrika, der Economic Community of West African States (ECOWAS) in Westafrika, der Inter-Governmental Development Authoritiy (IGAD) und der East African Community (EAC) in Ostafrika, der Economic Community of Central African States (ECCAS) in Zentralafrika und der Southern African Development Community (SADC) im südlichen Afrika.6 Im folgenden Kapitel sollen die Struktur, Funktionsweise und Kompetenzen des Friedens- und Sicherheitsrates herausgearbeitet werden (I.III.). Erörtert werden müssen zudem die ihn unterstützenden Organe und insbesondere das kontinentale Frühwarnsystem und die afrikanische Bereitschaftsarmee, die nach ihrer vollständigen Implementierung essentieller Bestandteil der afrikanischen Konfliktpräventions- und bewältigungsbemühungen sein sollen (IV.-VIII.). Ausgehend von der spezifischen Struktur und Aufgabenzuweisung dieser Organe soll anschließend das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den regionalen Wirtschaftsorganisationen analysiert werden, das für das Verständnis, die Umsetzung und letztlich das Funktionieren der kontinentalen Sicherheitsarchitektur von grundlegender Bedeutung ist (IX.). Ferner soll die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und der Europäischen Union näher untersucht werden, um mögliche Verflechtungen und Interdependenzen aufzuzeigen (X.). In diesem Zusammenhang ist überdies die Finanzierung der Afrikanischen Union zu beleuchten, da sie gut geeignet ist, die materiellen Bedingungen und Grenzen der afrikanischen Konfliktpräventions- und -bewältigungsbemühungen zu veranschaulichen (XI.).
6 Vgl. Communiqué of the Experts’ Meeting on the Relationship between the AU and the Regional Economic Communities in the Area of Conflict Prevention, Management and Resolution vom 22. – 23. März 2005 und Roadmap for the Operationalization of the African Standby Force, Dok.Nr. EXP/AURECs/ASF(4(I), Experts’ Meeting on the Relationship between the AU and the Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution vom 22. – 23. März 2005. Zur Entwicklung unter der OAE Kern, Global Governance durch UN und Regionalorganisationen, 2002, S. 80 ff.
Der Friedens- und Sicherheitsrat
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I. Zusammensetzung Aufbau, Zielsetzungen, Aufgaben und Verfahren des Friedens- und Sicherheitsrates sind im ProtokollPSC und einer Verfahrensordnung7 festgelegt. Der Friedens- und Sicherheitsrat besteht aus 15 Mitgliedern, von denen zehn für zwei Jahre und fünf für eine Amtszeit von drei Jahren gewählt werden; dies soll ein gewisses Maß an Kontinuität sicherstellen.8 Ein ausscheidendes Mitglied kann unverzüglich wiedergewählt werden.9 Die Mitglieder werden nach den Grundsätzen einer gerechten regionalen Verteilung und Rotation gewählt.10 Die Mitgliedstaaten, die Repräsentanten im Friedens- und Sicherheitsrat stellen wollen, sollen besondere Voraussetzungen erfüllen: Sie sollen die notwendigen Kapazitäten und den Willen besitzen, ihrer Verantwortung im Rahmen dieser Mitgliedschaft nachzukommen. Ferner sollen die Mitglieder zumindest den Willen besitzen, die Ziele der AU hochzuhalten, an regionaler und kontinentweiter Konfliktlösung, Friedensschaffung und Friedenskonsolidierung zu partizipieren, die Verantwortung für regionale und kontinentale Konfliktlösungsinitiativen zu übernehmen, aber auch den finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Peace Fund und der AU nachzukommen.11 Der Friedens- und Sicherheitsrat wird von einem Vorsitzenden, bestimmt nach alphabetischer Reihenfolge der Mitglieder, jeweils für einen Kalendermonat geleitet,12 und nach außen repräsentiert.13 Um ein 7 Rules of procedure of the Peace and Security Council of the African Union, Executive Concil, 4th Ordinary Session vom 12. – 16. März 2004 (VerfOPSC). 8 Art. 5 Abs. 1 lit. a) und b) ProtokollPSC. Für drei Jahre (bis 2013) wurden zuletzt gewählt: Äquatorialguinea (Zentralafrika), Kenia (Ostafrika), Libyen (Nordafrika), Simbabwe (südliches Afrika), Nigeria (Westafrika); für zwei Jahre zuletzt: Burundi und Tschad (Zentralafrika), Dschibuti und Ruanda (Ostafrika), Mauretanien (Nordafrika), Namibia und Südafrika (südliches Afrika), Benin, Côte d’Ivoire und Mali (Westafrika); Decision on Election of the Members of the Peace and Security Council of the African Union, Dok.Nr. Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.280(XIV), Assembly of the African Union, 14th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2010. 9
Art. 5 Abs. 3 ProtokollPSC.
10
Art. 5 Abs. 2 1. HS. ProtokollPSC.
11
Art. 5 Abs. 2 2. HS. lit. a), c), d), e), f) und j) ProtokollPSC; vgl. für die nichtständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates Art. 23 Abs. 1 UN-Charta. 12
Art. 8 Abs. 6 ProtokollPSC; Regel 23 VerfOPSC.
54
2. Kapitel
zügiges Vorgehen sicherzustellen, müssen die Mitglieder zu jeder Zeit beim Hauptsitz in Addis Abeba, Äthiopien vertreten sein, an dem in der Regel auch die Sitzungen stattfinden.14 Der Friedens- und Sicherheitsrat besteht aus den ständigen Vertretern, Ministern oder Staatsund Regierungschefs der Mitglieder und kommt auf der Ebene der ständigen Vertreter mindestens zweimal monatlich zu einer ordentlichen Sitzung zusammen, bei Bedarf öfter.15 Die Sitzungen dienen auch dazu, den Friedens- und Sicherheitsrat über neuere Entwicklungen in bestimmten Konfliktsituationen zu informieren und dem Austausch mit Experten. Auf der Ebene der Minister oder Staats- und Regierungschefs findet eine ordentliche Sitzung mindestens einmal im Jahr statt.16 Das Quorum jeder Sitzung beträgt zwei Drittel der Mitglieder.17 Jedes Mitglied hat eine Stimme und Entscheidungen sind im Konsensusverfahren, bei Nichterreichen eines Konsenses in wichtigen Fragen mit Zweidrittelmehrheit, bei Verfahrensfragen mit einfacher Mehrheit zu treffen.18 Ein Vetorecht besteht – unabhängig von der Größe und dem politischen Gewicht der Mitgliedstaaten – nicht. Der Friedens- und Sicherheitsrat kann Unterausschüsse bilden, insbesondere ad hocAusschüsse zur Mediation oder Streitschlichtung.19 Er darf zudem die militärische, juristische und anderweitige Fachkompetenz heranziehen, die er für die Bewältigung seiner Aufgaben benötigt.20 Das Sekretariat des Friedens- und Sicherheitsrates ist aufgrund der engen Zusammenarbeit mit der AU-Kommission an diese angegliedert.21 Mitgliedstaaten, die gleichzeitig Mitglieder des Friedens- und Sicherheitsrates und Parteien eines Konflikts sind, dürfen bei den i.d.R. geschlossenen Sitzungen, die sich mit diesem Konflikt auseinandersetzen, 13
Regel 24 Abs. 1 VerfOPSC.
14
Art. 8 Abs. 1 und 3 ProtokollPSC; Regel 3 VerfOPSC. Zu den Einzelheiten des Sitzungsablaufs vgl. Regel 6 ff. VerfOPSC. 15
Art. 8 Abs. 2 S. 1 und 2 ProtokollPSC; Regel 2 S. 2 VerfOPSC.
16
Art. 8 Abs. 2 S. 3 ProtokollPSC; Regel 2 S. 2 VerfOPSC.
17
Art. 8 Abs. 8 ProtokollPSC; Regel 5 VerfOPSC.
18
Art. 8 Abs. 12 f. ProtokollPSC; Regel 27 ff. VerfOPSC.
19
Art. 8 Abs. 5 S. 1 und 2 ProtokollPSC.
20 Art. 8 Abs. 5 S. 3 ProtokollPSC. Dies geschieht z.B. durch die enge Kooperation mit dem Institut for Security Studies in Südafrika, das regelmäßig Aus- und Weiterbildungsseminare durchführt oder Expertisen erstellt. 21
Art. 10 Abs. 4 S. 3 ProtokollPSC.
Der Friedens- und Sicherheitsrat
55
nur ihre Sicht schildern, an Entscheidungsprozessen aber nicht teilnehmen.22 Der Friedens- und Sicherheitsrat kann auch öffentliche Sitzungen abhalten, zu denen die Konfliktparteien, die nicht Mitglieder sind, eingeladen werden, um ihre Argumente vorbringen und sich an der Diskussion beteiligen zu können. Sie besitzen jedoch kein Stimmrecht.23 Zu den öffentlichen Sitzungen können andere AU-Mitgliedstaaten eingeladen werden, die nicht Konfliktpartei und Mitglied des Friedens- und Sicherheitsrates sind, deren Interessen aber durch den Konflikt berührt sind, ferner die regionalen Mechanismen sowie internationalen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in den Konflikt involviert oder an ihm interessiert sind.24 Mit allen genannten Parteien können auch informelle Konsultationen stattfinden, sofern dies zweckdienlich ist.25
II. Ziele Wie der Name schon impliziert, ist es das primäre Ziel des Friedensund Sicherheitsrates, Frieden, Sicherheit und Stabilität in Afrika zu fördern, um den Schutz und den Erhalt von Leben und Eigentum sowie das Wohlergehen der Afrikaner und ihrer Umwelt zu garantieren und Bedingungen herzustellen, die nachhaltiger Entwicklung zuträglich sind.26 Er soll Konfliktsituationen antizipieren und verhindern und dort, wo es zu Konflikten gekommen ist, friedensschaffende und friedenskonsolidierende Maßnahmen zur Konfliktbewältigung ergreifen. Er soll zudem Postkonflikt-Wiederaufbauaktivitäten fördern und das Aufflammen von Gewalt verhindern.27 Der Friedens- und Sicherheitsrat hat ferner zum Ziel, die kontinentweiten Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu koordinieren und zu harmonisieren und die gemeinsame Verteidigungspolitik nach Art. 4 lit. d) KA-
22
Art. 8 Abs. 9 ProtokollPSC.
23
Art. 8 Abs. 10 lit. a) ProtokollPSC; Regel 15 Abs. 2 lit. a) VerfOPSC.
24
Art. 8 Abs. 10 lit. b) und c) ProtokollPSC; Regel 15 Abs. 2 lit. b) VerfOPSC. 25
Art. 8 Abs. 11 ProtokollPSC; Regel 16 VerfOPSC.
26
Art. 3 lit. a) ProtokollPSC.
27
Art. 3 lit. b) und c) ProtokollPSC.
56
2. Kapitel
AU zu entwickeln.28 Er soll zur Konfliktprävention demokratische Verfahren, gute Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit, den Schutz von Menschenrechten und Grundfreiheiten sowie den Respekt für die Unverletzlichkeit menschlichen Lebens und die internationalen Menschenrechte fördern und anregen.29 Der Friedens- und Sicherheitsrat soll bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben die Grundprinzipien der KA-AU, auf die noch einzugehen sein wird, der UN-Charta und der universellen Erklärung der Menschenrechte beachten.30
III. Aufgaben und Organkompetenzen 1. Aufgaben Der Friedens- und Sicherheitsrat nimmt zur Förderung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in Afrika vor allem Aufgaben in den Bereichen präventive Diplomatie und Frühwarnung, Friedensschaffung, gute Dienste, Mediation und Streitschlichtung, Friedensmissionen und Intervention nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU, Friedenskonsolidierung und Postkonflikt-Wiederaufbau sowie humanitäre Maßnahmen und Hilfe in Katastrophenfällen war.31 Er soll in Fällen potentieller oder bereits offen ausgebrochener Konflikte alle Maßnahmen und Initiativen ergreifen, die er zur Bewältigung dieser Situationen für notwendig erachtet.32 Ebenso kann der Friedens- und Sicherheitsrat Maßnahmen ergreifen, um die Eskalation eines Konflikts, für den bereits ein Abkommen getroffen worden ist, zu verhindern.33 Hierunter könnte beispielsweise die Entscheidung des Friedens- und Sicherheitsrates fallen, Personen oder Gruppen, die gegen den Darfur-Friedensvertrag verstoßen, mit gezielten Sanktionen zu belegen, u. a. das Einfrieren von Konten
28
Art. 3 lit. d) und e) ProtokollPSC.
29
Art. 3 lit. f) ProtokollPSC.
30
Im Einzelnen Art. 4 lit. a) bis k) ProtokollPSC, die nicht über die Ziele und Prinzipien aus Art. 3 und 4 KA-AU hinausgehen. 31 Art. 6 lit. a) bis f) ProtokollPSC. Hierzu auch Levitt, in: Blokker/Schrijver (Hrsg.), The Security Council and the Use of Force, 2005, S. 213, 218 ff. 32
Art. 9 Abs. 1 S. 1 ProtokollPSC.
33
Abs. 9 Abs. 1 S. 2 ProtokollPSC.
Der Friedens- und Sicherheitsrat
57
und Reisebeschränkungen.34 Er entscheidet nach eigenem Ermessen, in welcher Form er tätig wird und ob er z.B. den Kommissionsvorsitzenden, das Gremium der Weisen oder die regionalen Mechanismen heranzieht.35 In der Postkonflikt-Phase soll der Friedens- und Sicherheitsrat besonders bei der Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit, demokratischen Institutionen und der Vorbereitung, Organisation und Überwachung von Wahlen mitwirken.36 Als Beispiele für Wahlüberwachungsund -unterstützungsmissionen können die African Union Mission for Support to the Elections in the Comoros (AMISEC) auf den Komoren37 und die Wahlbeobachtungsmission für die Demokratische Republik Kongo dienen.38 In Phasen instabilen Friedens soll der Friedens- und Sicherheitsrat Programme umsetzen, die eine weitere konfliktbedingte Verschlechterung der sozio-ökonomischen Bedingungen verhindern.39 Um Mitgliedstaaten, die massiv von Konflikten betroffen sind, zu unterstützen, soll er versuchen, verhandelte Friedensabkommen zu konsolidieren, Rahmenbedingungen für den politischen, ökonomischen und sozialen Wiederaufbau der Gesellschaft und der staatlichen Institutionen zu schaffen und Programme zur Demobilisierung, Entwaffnung und Wiederein34 Vgl. Communiqué, Dok.Nr. PSC/MIN/Comm.(LVIII), Peace and Security Council, 58th Meeting vom 27. Juni 2006. 35
Art. 9 Abs. 2 ProtokollPSC.
36
Art. 14 Abs. 1 ProtokollPSC. Zum Postkonflikt-Wiederaufbau im Rahmen der Afrikanischen Union vgl. Report on the Elaboration of a Framework Document on Post Conflict Reconstruction and Development (PCDR), Dok.Nr. EX.XL/274 (IX), Executive Council, 9th Ordinary Session vom 25. – 29. Juni 2006 und Draft Policy Framework for Post-Conflict Reconstruction and Development (PCDR) vom Februar 2006. 37 Vgl. Communiqué on the Situation in the Comores, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XLVII), Peace and Security Council, 47th Meeting vom 21. März 2006; Communiqué on the Comoros, Dok.Nr. PSC/MIN/Comm.1 (LXXVII), Peace and Security Council, 77th Ordinary Session vom 9. Mai 2007 und Communiqué on the Comoros, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.1 (XCV), Peace and Security Council, 95th Ordinary Session vom 10. Oktober 2007; verlängert durch Communiqué on the Situation in the Comorian Island of Anjouan, Dok.Nr. PSC/PR/BR/PS/2(CVII), Peace and Security Council, 107th Ordinary Session vom 21. Januar 2008. 38
Vgl. Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(LIV), Peace and Security Council, 54th Meeting vom 2. Juni 2006. 39
Art. 14 Abs. 2 ProtokollPSC.
58
2. Kapitel
gliederung (DDR) zu implementieren. Er soll außerdem die Rückansiedlung und Reintegration von Flüchtlingen und Binnenflüchtlingen voranbringen sowie Nicht-Kombattanten, wie Senioren, Kinder und Frauen unterstützen.40 Überdies soll der Friedens- und Sicherheitsrat humanitäre Maßnahmen ergreifen und koordinieren, um das Leben der Zivilbevölkerung im Falle von Konflikten oder Naturkatastrophen zu normalisieren.41
2. Organkompetenzen Dem Friedens- und Sicherheitsrat sind in Art. 7 ProtokollPSC umfassende und weit reichende Kompetenzen eingeräumt worden. Bemerkenswert ist, dass sich die Unterzeichnerstaaten mit Blick auf die Kompetenzen des Friedens- und Sicherheitsrates ausdrücklich damit einverstanden erklären, dass er bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben in ihrem Namen tätig wird, dass sie seine Entscheidungen akzeptieren und umsetzen und dass sie ihm volle Kooperation und Unterstützung bei der Prävention, Bewältigung und Lösung von Krisen und Konflikten gewähren müssen.42 Der Friedens- und Sicherheitsrat soll Konflikte antizipieren und verhindern, in deren Folge es zu Menschenrechtsverletzungen und Völkermord kommen kann. Er soll die Zusammenstellung und Entsendung von Friedensmissionen autorisieren und die generellen Einsatzregeln einschließlich der Mandate für solche Missionen erstellen.43 Er soll im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 4 lit. h) KA-AU der Versammlung die Intervention in einen Mitgliedstaat empfehlen44, im 40
Art. 14 Abs. 3 lit. a) bis e) ProtokollPSC.
41
Art. 15 Abs. 1 ProtokollPSC.
42
Art. 7 Abs. 2 bis 4 ProtokollPSC.
43
Zu den Friedensmissionen der Afrikanischen Union ausführlich in Kapi-
tel 7. 44 Indes gibt es einen Missklang zwischen Art. 4 lit. h) 2. HS. KA-AU (in der bisher nicht in Kraft getretenen ergänzten Fassung) der besagt, dass die Versammlung aufgrund einer Empfehlung des Friedens- und Sicherheitsrates intervenieren kann und Art. 7 Abs. 1 lit. e) ProtokollPSC der Empfehlungen des Friedens- und Sicherheitsrates nur aufgrund der ersten drei Interventionsgründe des 1. HS, nicht aber aufgrund des, durch die Vertragsergänzung eingefügten 2. HS vorsieht. Dies ist jedoch unproblematisch, da die geänderte KA-AU, so-
Der Friedens- und Sicherheitsrat
59
Falle des Art. 4 lit. j) KA-AU die Modalitäten einer durch die Versammlung beschlossenen Intervention festlegen und die in der Lomé Deklaration vorgesehen Sanktionen im Falle eines verfassungswidrigen Regierungswechsels in einem Mitgliedstaat einleiten.45 Er kann Untersuchungen und geeignete Maßnahmen ergreifen, in Situationen, in denen die nationale Unabhängigkeit und Souveränität eines Mitgliedstaates durch Aggressionsakte bedroht ist und humanitäre Einsätze in Fällen bewaffneter Konflikte oder Naturkatastrophen vorbereiten und unterstützen.46 Der Friedens- und Sicherheitsrat soll die gemeinsame Verteidigungspolitik der AU implementieren, die regionalen und kontinentalen Bemühungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus harmonisieren und koordinieren und hierfür die Umsetzung der AlgierKonvention47 und anderer internationaler, kontinentaler oder regionaler Konventionen und Mechanismen sicherstellen. Er soll die enge Kooperation zwischen den RECs bzw. regionalen Mechanismen und der AU zur Förderung und Erhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität, sowie eine starke Partnerschaft mit den Vereinten Nationen und deren Unterorganisationen und anderen Internationalen Organisationen fördern und überdies Strategien und Abläufe entwickeln, damit externe Friedensinitiativen innerhalb der Zielsetzungen und Prioritäten der AU stattfinden.48 Der Friedens- und Sicherheitsrat soll auch die Fortschritte der Mitgliedstaaten bei der Förderung demokratischer Verfahren, guter Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechtsschutz und Schutz der Grundfreiheiten verfolgen, sowie zur Umsetzung der AU-, UN- und anderer internationaler Abrüstungs- und Rüstungsbeschränbald sie in Kraft tritt, dem Friedens- und Sicherheitsrat ohne weiteres im ProtokollPSC nicht vorgesehene neue Befugnisse übertragen kann. Anders Allain, MPYUNL, 8 (2004), S. 237, 282, der davon ausgeht, dass der Friedens- und Sicherheitsrat nicht die Kompetenz besitzt, der Versammlung Empfehlungen wegen „ernsthafter Bedrohung der legitimen Ordnung“ zu geben, da dies Art. 7 Abs. 1 ProtokollPSC nicht vorsehe. 45 Art. 7 Abs. 1 lit. a) bis g) ProtokollPSC. Vgl. auch Declaration on the Framework for an OAU Response to Unconstitutional Changes of Government, Dok.Nr. AHG/Decl.5 (XXXVI), Assembly of Heads of States and Government, 36th Ordinary Session vom 10. – 12. Juli 2000. 46
Art. 7 Abs. 1 lit. m) bis p) ProtokollPSC.
47
(Algier) OAE Convention on the Prevention and Combating of Terrorism vom 14. Juli 1999. 48
Art. 7 Abs. 1 lit. h) bis l) ProtokollPSC.
60
2. Kapitel
kungsverträge ermuntern.49 Ebenso wie die Kommission hat der Friedens- und Sicherheitsrat nach dem Gesagten eine kaum überschaubare Aufgabenfülle übertragen bekommen, die er in der Praxis wegen unzureichender Ausstattung und Finanzierung nur in den wesentlichen Kernbereichen wahrzunehmen in der Lage ist.
IV. Die Zusammenarbeit mit der AU-Kommission Der Friedens- und Sicherheitsrat arbeitet eng mit dem Kommissionsvorsitzenden zusammen, der seinerseits vom Kommissar für Frieden und Sicherheit unterstützt wird.50 Wie der UN-Generalsekretär für den UN-Sicherheitsrat ist der Kommissionsvorsitzende die wichtigste Stütze des Friedens- und Sicherheitsrates. Er ergreift unter dessen Autorität und in Konsultation mit allen Konfliktparteien Maßnahmen und verfolgt Initiativen, die er für notwendig erachtet, um Konflikte zu verhindern und zu lösen.51 Der Kommissionsvorsitzende weist den Friedens- und Sicherheitsrat meist in Form von Berichten auf Sachverhalte hin, die seiner Meinung nach den Frieden, die Sicherheit und die Stabilität des Kontinents gefährden. Er setzt sein Amt, entweder persönlich oder durch Sondergesandte, dafür ein, potentielle Konflikte zu verhindern, aktuelle Konflik49
Art. 7 Abs. 1 lit. m) und n) ProtokollPSC.
50
Art. 10 Abs. 4 ProtokollPSC; siehe auch Regel 25 f. VerfOPSC. Das Peace and Security Department der Kommission beschäftigt sich auch mit dem Aufbau der afrikanischen Bereitschaftsarmee, ist aber – obwohl die größte und personalstärkste Abteilung der AU-Kommission – aufgrund der nichtsdestotrotz geringen Kapazitäten und der ineffizienten Organisationsstruktur kaum in der Lage, diese gewichtigen Aufgaben wahrzunehmen, vgl. Communiqué der Annual Consultation between the African Union (AU), the Regional Economic Communities (RECs)/Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution, the G8 Member Countries and other Partners vom 14. Mai 2007. 51
Art. 10 Abs. 1 ProtokollPSC; Regel 26 Abs. 1 VerfOPSC. Als Beispiele hierfür können die Fact-Finding-Missionen in den Sudan und nach Eritrea dienen, vgl. Report of the Interim Chairperson on the Mission undertaken by a Delegation of the African Union to the Sudan and Eritrea, Dok.Nr. Central Organ/MEC/AMB/2.(LXXXVII), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 87th Ordinary Session at Ambassadorial Level vom 4. Dezember 2002.
Der Friedens- und Sicherheitsrat
61
te zu lösen und Friedenskonsolidierung sowie Postkonflikt-Wiederaufbau zu fördern.52 Überdies stellt der Kommissionsvorsitzende die Implementierung der Entscheidungen der Versammlung und des Friedens- und Sicherheitsrates nach Art. 4 lit. h) und j) sicher, einschließlich des Aufbaus und der Entsendung von Friedensmissionen.53 Er informiert den Friedens- und Sicherheitsrat zudem regelmäßig über alle Entwicklungen, die das Funktionieren der Missionen betreffen.54 Die Berichte des Kommissionsvorsitzenden, die die Situation im jeweiligen Krisengebiet beschreiben sowie seine Bemühungen und Maßnahmen und die anderer Organe und Parteien, dienen in der Praxis häufig als Grundlage für Entscheidungen des Friedens- und Sicherheitsrats.55
52 Art. 10 Abs. 2 lit. a) bis c) ProtokollPSC; Regel 26 Abs. 2 VerfOPSC. Siehe z.B. Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in the Sudan (Crisis in Darfur), Dok.Nr. PSC/PR/2(V), Peace and Security Council, 5th Meeting vom 13. April 2004. 53 Art. 10 Abs. 3 lit. a) S. 1 und Abs. 3 lit. b) ProtokollPSC; Regel 26 Abs. 3 VerfOPSC. Vgl. z.B. Communiqué, Dok.Nr. PSC/MIN/Comm.(XIII), Peace and Security Council, 13th Meeting vom 27. Juli 2004, S. 2 und Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Darfur, Sudan, Dok.Nr. PSC/PR/2 (XVII), Peace and Security Council, 17th Meeting vom 20. Oktober 2004 in denen dem Kommissionsvorsitzenden der Aufbau und die Organisation der African Union Mission in the Sudan (AMIS) übertragen wird. S.a. Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XVI), Peace and Security Council, 16th Meeting vom 17. September 2004, S. 2, in dem dem Kommissionsvorsitzenden die Planung einer AU-Mission in Somalia übertragen wird. 54 55
Art. 10 Abs. 3 lit. a) S. 2 ProtokollPSC; Regel 26 Abs. 3 VerfOPSC.
Vgl. z.B. Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in the Darfur Region of the Sudan, Dok.Nr. PSC/AHG/4(XXIII), Peace and Security Council vom 10. – 11. Januar 2005; Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in the Comores, Dok.Nr. PSC/PR/2(XLVII) vom 21. März 2006; Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Darfur, Dok.Nr. PSC/PR/2(LXIII) vom 18. September 2006; Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Somalia, Dok.Nr. PSC/PR/2(LXIX) vom 19. Januar 2007; Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Côte d’Ivoire, Dok.Nr. PSC/PR/2(LXXIII) vom 16. März 2007.
62
2. Kapitel
V. Das Gremium der Weisen 1. Zusammensetzung Das Gremium der Weisen soll den Friedens- und Sicherheitsrat insbesondere im Bereich der Konfliktprävention unterstützen.56 Die Arbeitsweise des Gremiums wurde in einem separaten Protokoll geregelt.57 Das Gremium der Weisen besteht aus fünf herausragenden afrikanischen Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, die einen außergewöhnlichen Beitrag für Frieden, Sicherheit und Entwicklung des Kontinents geleistet haben.58 Zurzeit sind dies Salim Ahmed Salim, früherer Generalsekretär der OAE (Ostafrika), Brigalia Bam, Vorsitzende der südafrikanischen Wahlkommission (Südliches Afrika), Ahmed Ben Bella, früherer algerischer Präsident (Nordafrika), Elisabeth K. Pognon, Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs von Benin (Westafrika) und Miguel Trovoada, früherer Präsident von Sao Tomé und Príncipe (Zentralafrika). Ausgewählt werden sie vom Kommissionsvorsitzenden in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz regionaler Repräsentation. Die Versammlung ernennt die Mitglieder dann für einen Zeitraum von drei Jahren.59 Das Gremium wählt sich einen Vorsitzenden für jeweils ein Jahr.60 Es soll sich so oft wie nötig am AU-Hauptsitz treffen, mindestens jedoch dreimal im Jahr oder wann immer es der Friedens- und Sicherheitsrat oder der Kommissionsvorsitzende dazu auffordert.61 Die Sitzungen des Gremiums sind nicht öffentlich; dessen ungeachtet kann es Experten zu den Sitzungen einladen.62 Die jeweilige Sitzungsagenda bestimmt das Gremium selbst. Es kann aber auch von anderen AU-Organen, insbesondere dem Friedens- und Sicherheitsrat, dem Panafrikanischen Parlament oder der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte gebeten wer56
Art. 11 Abs. 1 ProtokollPSC. Ausführlich zu diesem El Abdellaoui, ISSPaper 193 (2009), S. 1 ff. 57 Modalities for the Functioning of the Panel of the Wise as adopted by the Peace and Security Council, 100th Meeting vom 12. November 2007 (ProtokollPoW). 58
Art. 11 Abs. 2 S. 1 ProtokollPSC. Art. I Nr. 2 und 3 ProtokollPoW.
59
Art. 11 Abs. 2 S. 2 ProtokollPSC; Art. I Nr. 5 ProtokollPoW.
60
Art. IV Nr. 1 ProtokollPoW.
61
Art. 11 Abs. 6 ProtokollPSC; Art. IV Nr. 3 und 4 ProtokollPoW.
62
Art. IV Nr. 5 ProtokollPoW.
Der Friedens- und Sicherheitsrat
63
den, bestimmte Tagesordnungspunkte aufzunehmen.63 Das Quorum beträgt drei Stimmen.64 Das Gremium soll seine Empfehlungen dem Friedens- und Sicherheitsrat und Kommissionsvorsitzenden übermitteln sowie regelmäßig Bericht über seine Aktivitäten erstatten. Es kann außerdem in eigenem Ermessen Pressemitteilungen veröffentlichen.65
2. Aufgaben Das Gremium der Weisen soll den Friedens- und Sicherheitsrat und den Kommissionsvorsitzenden entweder auf Anfrage oder aus eigenem Antrieb in allen Fragen der Förderung und des Erhalts von Frieden, Sicherheit und Stabilität in Afrika beraten und unterstützen und sich zu diesen Fragen in der von ihm als angemessen empfundenen Form äußern.66 Hierzu soll es geeignete Kommunikationskanäle zwischen den Konfliktparteien und der Kommission etablieren, Fact-Finding-Missionen durchführen, stille Diplomatie mit Konfliktparteien betreiben, politischen Dialog anregen, vertrauensbildend wirken, Versöhnungsmaßnahmen fördern, die Konfliktparteien bei Auseinandersetzungen über die Umsetzung von Friedensverträgen beraten sowie die Mediationsteams während der offiziellen Verhandlungen unterstützen. Bei seiner Arbeit soll das Gremium darauf achten, dass seine Bemühungen mit der Kommission und dem Friedens- und Sicherheitsrat abgestimmt sind und tatsächlich zur Konfliktlösung beitragen. Es soll ferner eng mit allen anderen AU-Organen zusammenzuarbeiten.67 Die Kommission soll das Gremium mit allen für seine Arbeit notwendigen Informationen versehen und technische und sonstige Unterstützung leisten.68 Das Gremium der Weisen hat mittlerweile seine Arbeit aufgenommen, ist allerdings bisher bei keinem der vielen Konflikte, mit denen sich der Friedens- und Sicherheitsrat beschäftigt hat, nach außen sichtbar in Erscheinung getreten.
63
Art. IV Nr. 7 und 8 ProtokollPoW.
64
Art. IV Nr. 11 ProtokollPoW.
65
Art. V und VI ProtokollPoW.
66
Art. 11 Abs. 3 und 4 ProtokollPSC; Art. II Nr. 1-4 ProtokollPoW.
67
Art. III und VII ProtokollPoW.
68
Art. IV Nr. 6 und VIII ProtokollPoW.
64
2. Kapitel
VI. Das kontinentale Frühwarnsystem Dem Friedens- und Sicherheitsrat ist, um drohende Konflikte aufzuspüren und zu verhindern, ein kontinentales Frühwarnsystem zugeordnet.69 Ein solches Frühwarnsystem ist ganz grundsätzlich darauf angelegt, dass beim Auftreten potentieller Konflikte umgehend reagiert werden kann. Es funktioniert im Gegensatz zu nationalen Geheimdienst- oder Sicherheitssystemen auf der Basis von Kooperation und dem Zugang und der Auswertung von öffentlichen Informationen, aus denen (öffentlich-zugängliche) Strategien erarbeitet werden. Hierzu arbeiten Analyse- und operative Elemente des Frühwarnsystems idealiter eng zusammen.70 Das kontinentale Frühwarnsystem besteht aus einem sogenannten Situation Room, einem Beobachtungs- und Überwachungszentrum, das an das Direktorat für Konfliktmanagement angegliedert ist und das für die Sammlung und Auswertung von Informationen auf Grundlage eines Modells71 mit bestimmten Frühwarnindikatoren verantwortlich ist.72 Das Beobachtungs- und Überwachungszentrum soll im Idealfall täglich Informationen aus dem Büro des Kommissionsvorsitzenden, dem Friedens- und Sicherheitsrat, den Verbindungsbüros und aus den AU-Missionen auswerten, ferner Informationen über Wahlen, Menschenrechte und potentielle Menschenrechtsverletzungen sammeln, auswerten und hieraus eine Vielzahl unterschiedlicher Berichte zusammenstellen.73 Integraler Bestandteil des Frühwarnsystems sind die entsprechenden Beobachtungs- und Überwachungseinheiten der RECs, die auf ihrer Ebene ebenfalls Daten sammeln und verarbeiten und diese an das Beobachtungs- und Überwachungszentrum weiterleiten sollen.74 Anhand der gewonnenen Informationen soll der Kommissionsvorsitzende bei 69
Art. 12 Abs. 1 ProtokollPSC.
70
Vgl. Cilliers, ISS-Paper 102 (2005), S. 1.
71
Siehe zum Modell auch Art. 12 Abs. 4 ProtokollPSC. Bereits die Analyseprinzipien sind politisch umstritten, weshalb sich die Implementierung verzögert, vgl. Kinzel, GIGA-Fokus 1/2007, S. 1, 3. 72
Art. 12 Abs. 2 lit. a) ProtokollPSC.
73
Vgl. Draft Roadmap for the Operationalization of the Continental Early Warning System (CEWS), S. 3, Dok.Nr. PSD/EW/EXP/3(I), Meeting of Governmental Experts on Early Warning and Conflict Prevention vom 17. – 19. Dezember 2006. 74
Art. 12 Abs. 2 lit. b) ProtokollPSC.
Der Friedens- und Sicherheitsrat
65
potentiellen Konflikten oder Gefahren für die Sicherheit und Stabilität Afrikas den Friedens- und Sicherheitsrat frühestmöglich beraten und die beste Vorgehensweise vorschlagen.75 Die Hauptaufgabe des Frühwarnsystems besteht dementsprechend in der Sammlung von Daten, der strategischen Analyse, dem Erstellen von Berichten, der Zusammenarbeit mit Entscheidungsträgern und der Koordination auf dem Kontinent.76 Die AU-Kommission soll, um ein effektives Funktionieren des Frühwarnsystems zu ermöglichen, mit den Vereinten Nationen und deren Sonderorganisationen, anderen relevanten Internationalen Organisationen, Forschungszentren, akademischen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten.77 Das System befindet sich auf Ebene der Afrikanischen Union immer noch im Aufbau, der ganz maßgeblich von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützt wird.78 Die regionalen Komponenten sind bislang unterschiedlich weit fortgeschritten.79
VII. Der Militärstab Der Militärstab soll den Friedens- und Sicherheitsrat hinsichtlich aller militärischen und anderen sicherheitsrelevanten Aspekte der Förderung und des Erhalts von Frieden und Sicherheit auf dem afrikanischen Kon-
75
Art. 12 Abs. 5 ProtokollPSC.
76 Draft Roadmap for the Operationalization of the Continental Early Warning System (CEWS), S. 2, Dok.Nr. PSD/EW/EXP/3(I), Meeting of Governmental Experts on Early Warning and Conflict Prevention vom 17. – 19. Dezember 2006. Zur Kooperation mit den Frühwarnsystemen der RECs Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 138 ff. 77
Art. 12 Abs. 3 ProtokollPSC. Die Einzelheiten werden vom Kommissionsvorsitzenden ausgearbeitet, Art. 12 Abs. 7 ProtokollPSC. 78 Dazu Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 190. S.a. Framework for the Operationalization of the Continental Early Warning System, Dok.Nr. PSD/EW/FRAMEWORK(I), Meeting of Governmental Experts on Early Warning and Conflict Prevention vom 17. – 19. Dezember 2006. 79 Dazu sogleich unter VIII.4. Zu den unterschiedlichen Fortschritten und Schwierigkeiten der einzelnen Regionen beim Aufbau regionaler Frühwarnsysteme s.a. Bond/Meier, in: Ramcharan (Hrsg.), FS Sutterlin, 2005, S. 75 ff.; Cilliers, ISS-Paper 102 (2005), S. 1, 9 ff.; Kinzel, SWP-Studie (2008), S. 1, 13 ff.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 191 ff.
66
2. Kapitel
tinent beraten und assistieren.80 Er besteht aus hochrangigen Militärs der Mitglieder des Friedens- und Sicherheitsrates, kann aber auch auf der Ebene der Verteidigungsminister zusammentreten.81 Soweit es für die effektive Aufgabenerledigung des Militärstabs notwendig ist, können auch AU-Mitgliedstaaten, die nicht Mitglieder des Friedens- und Sicherheitsrats sind, an den Diskussionen teilnehmen.82 Der Militärstab beriet den Friedens- und Sicherheitsrat zum Beispiel bei Zusammenstellung und Ausbau der African Union Mission in the Sudan (AMIS).83
VIII. Die afrikanische Bereitschaftsarmee Friedensunterstützende Missionen und vor allem auch die Interventionen nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU sollen im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur grundsätzlich von der afrikanischen Bereitschaftsarmee durchgeführt werden.84 Die Errichtung einer solchen kontinentalen Armee war schon vor Gründung der OAE von einigen Staats- und Regierungschefs der unabhängig gewordenen Staaten angeregt worden. Nkrumah forderte bereits 1958 ein African High Command, die Union Joint Services Supreme Military Command Headquarters und die Union Joint Services Strategic Reserve Force, konnte sich bei der Gründung der OAE indes nicht durchsetzen. Sierra Leone schlug 1965 vor, eine African Defence Organisation zu gründen. Und in den 1970ern debattierten die Staats- und Regierungschefs die Errichtung einer OAU Defence Force. In den 1990ern kamen schließlich Überlegungen zu einer African Crisis Response Force auf.85 Die
80
Art. 13 Abs. 8 ProtokollPSC. Vgl. im Einzelnen Chapter 4 Policy Framework for the Establishment of the African Standby Force and the Military Staff Committee (Part I), Dok.Nr. Exp/ASF-MSC/2 (I), African Military Experts Meeting vom 12. – 14. Mai 2003. 81
Art. 13 Abs. 9 S. 1 und Abs. 11 ProtokollPSC.
82
Art. 13 Abs. 9 S. 2 ProtokollPSC.
83
Vgl. nur Conclusions of the Third Meeting of the Military Staff Committee vom 25. April 2005 in der eine deutliche Truppenaufstockung der AMIS um fast 100 % vorgeschlagen wurde. 84 85
Art. 13 ProtokollPSC.
Vgl. Nkrumah, Africa Must Unite, 1963, S. 141 ff., 219 f.; van Walraven, The Role of the Organization of African Unity in the Politics of Africa, 1999,
Der Friedens- und Sicherheitsrat
67
Implementierung der afrikanischen Bereitschaftsarmee bildet damit gewissermaßen den Kulminationspunkt einer über vier Jahrzehnte währenden Diskussion unter den Mitgliedstaaten. Aufbau und Funktionsweise sind an anderen Standby-Modellen angelehnt, so vor allem am United Nations Standby Arrangement System (UNSAS) und der UN Standby High Readiness Brigade (SHIRBRIG).86
1. Aufgaben Die afrikanische Bereitschaftsarmee soll für Beobachtungs- und Überwachungsmissionen, für andere Formen von friedensunterstützenden Missionen und für Interventionen nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU eingesetzt werden. Vorgesehen sind außerdem präventive Einsätze, um die Eskalation oder das Wiederaufflammen von Konflikten oder deren Ausdehnung auf Nachbarstaaten oder -regionen zu verhindern. Ferner soll sie eingesetzt werden für friedenskonsolidierende Einsätze, einschließlich Postkonflikt-Entwaffnung und Demobilisierung sowie für humanitäre Einsätze, um das Leiden der Zivilbevölkerung zu mindern und zur Unterstützung bei schweren Naturkatastrophen.87 Die Bereitschaftsarmee soll für die Leistung von humanitärer Unterstützung während ihrer Missionen ausgestattet werden und die Aufgaben der humanitären Hilfsorganisationen in ihrem Einsatzgebiet übernehmen.88 Die Aufgabenbeschreibung zeigt, dass die Bereitschaftsarmee nicht als Armee im traditionellen Sinne mit der Abschreckung und Kriegsführung betraut wurde. Sie ist vielmehr für neue Einsatzformen konzipiert worden, bei denen die Einsatzkräfte neben militärischen auch polizeiliche und zivile Funktionen wahrnehmen sollen.89 In Ausübung ihrer Funktionen soll sie mit den Vereinten Nationen und UN-Unterorganisationen, anderen internationalen und regionalen Organisationen sowie nationalen Behörden und Nichtregierungsorganisationen zu-
S. 329 ff.; Franke, African Security Review 15/4 (2006), S. 2 ff.; ders., Security Cooperation in Africa, 2009, S. 52 ff. 86
Dazu Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 153 ff.
87
Art. 13 Abs. 3 ProtokollPSC.
88
Art. 15 Abs. 3 und 4 ProtokollPSC.
89
Zur vergleichweisen Entwicklung bei der NATO Varwick, Die NATO, 2008, S. 71 f.
68
2. Kapitel
sammenarbeiten.90 Die Einzelheiten jedes Einsatzes werden vom Friedens- und Sicherheitsrat auf Empfehlung des Kommissionsvorsitzenden beraten und festgelegt.91
2. Aufbau Die Bereitschaftsarmee besteht aus einsatzbereiten multidisziplinären Brigaden, die aus zivilen und militärischen Truppenteilen zusammengesetzt sind und in ihrem Heimatland zur schnellen Entsendung bereitstehen (stand by).92 In jeder der fünf AU-Regionen wurde eine REC mit dem Aufbau der Regional Standby Brigades beauftragt.93 Jede REC organisiert ihre regionale Brigade weitestgehend selbständig und angepasst an die regionalen Bedürfnisse. Die Gesamtverantwortung verbleibt jedoch bei der AU. Truppenstärke, Zusammensetzung, Einsatzbereitschaft und der Standort sollen in regelmäßigen Abständen und abhängig von aktuellen Krisen- und Konfliktsituationen in Zusammenschau mit den African Union Peace Support Standard Operating Procedures (SOPs) überprüft werden.94 Die truppenstellenden Mitgliedstaaten verpflichten sich, die Einsatzkräfte auf Anfrage der Kommission und nach Ermächtigung durch den Friedens- und Sicherheitsrat oder der Versammlung unverzüglich und ausreichend ausgestattet zur Verfügung zu stellen. Ganz grundsätzlich sollen sie die AU bei ihren Friedensbemühungen unterstützen und den Truppenkontingenten anderer Mitgliedstaaten das Recht auf Durchreise gewähren.95 Der Kommissionsvorsitzende ernennt für jeden Einsatz einen speziellen Repräsentanten und einen Oberbefehlshaber.96 Der 90
Art. 13 Abs. 4 ProtokollPSC. Vgl. auch Policy Framework for the Establishment of the African Standby Force and the Military Staff Committee (Part I), Dok.Nr. Exp/ASF-MSC/2 (I), African Military Experts Meeting vom 12. – 14. Mai 2003. 91
Art. 13 Abs. 5 ProtokollPSC.
92
Art. 13 Abs. 1 ProtokollPSC.
93
Siehe z.B. das Memorandum of Understanding on the Establishment of an Eastern African Standby Brigade (EASBRIG) vom 11. April 2005. 94
Art. 13 Abs. 2 ProtokollPSC.
95
Art. 13 Abs. 17 ProtokollPSC.
96
Art. 13 Abs. 6 ProtokollPSC.
Der Friedens- und Sicherheitsrat
69
Oberbefehlshaber hat dem speziellen Repräsentanten Bericht zu erstatten, der wiederum den Kommissionsvorsitzenden informiert hält.97 Nach bisherigen Planungen sollen die fünf regionalen Brigaden insgesamt mindestens 20.000 bis 25.000 Personen umfassen, im Einzelnen jeweils: •
ein Brigadehauptquartier98 mit Logistikeinheit (65 Personen, 16 Kfz);
•
ein Hauptquartier mit Logistikeinheit (120 Personen);
•
vier leichte Infanteriebataillone (je 750 Personen, insgesamt 70 Kfz);
•
ein Pionierverband (505 Personen);
•
eine leichte Fernmeldeeinheit (135 Personen);
•
eine motorisierte Aufklärungskompanie (150 Personen);
•
eine Hubschrauberstaffel (80 Personen, vier Luftfahrzeuge, 10 Kfz);
•
eine Militärpolizeieinheit (48 Personen, 17 Kfz);
•
eine leichte Logistikeinheit (190 Personen, 40 Kfz);
•
eine Sanitätseinheit (35 Personen, 10 Kfz);
•
120 Militärbeobachter und eine zivile Unterstützungskomponente.99
Zur Abdeckung aller möglichen Konfliktszenarien will die Afrikanische Union eine Bereitschaftsliste mit 300 bis 500 Militärbeobachtern und 240 zivilen Polizeibeamten zur Verfügung stellen.100
97
Art. 13 Abs. 7 ProtokollPSC.
98
Die Roadmap for the Operationalization of the African Standby Force, Dok.Nr. EXP/AU-RECs/ASF(4(I), S. 8, Experts’ Meeting on the Relationship between the AU and the Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution vom 22. – 23. März 2005 spricht von einer „Mission Headquarter Level Management Capability“ in Form eines Brigadehauptquartiers zunächst bestehend aus drei Offizieren einschließlich eines Brigadegenerals. 99 Roadmap for the Operationalization of the African Standby Force, Annex A, Dok.Nr. EXP/AU-RECs/ASF(4(I), Experts’ Meeting on the Relationship between the AU and the Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution vom 22. – 23. März 2005. 100
Ebenda.
70
2. Kapitel
Auf den ersten Blick erscheint die anvisierte Truppenstärke der Bereitschaftsarmee angesichts der vielen Konfliktlagen auf dem Kontinent und der tatsächlich im Einsatz befindlichen Soldaten und zivilen Kräfte als zu gering. So ist allein für die United Nations – African Union Mission in Darfur (UNAMID) eine Truppenstärke von knapp 19.500 Personen vorgesehen. Müsste die Afrikanische Union diese Mission alleine bewältigen, wären auf einen Schlag sämtliche Einsatzkräfte der Bereitschaftsarmee gebunden. Andere Konfliktlagen oder Notsituationen könnte die AU schon nicht mehr in Angriff nehmen. Allerdings muss man sich in der Bewertung der Truppenstärke die Aufgabenbeschreibung der Bereitschaftsarmee vor Augen halten. Sie soll vornehmlich für Beobachtungs- und Überwachungsmissionen und für andere Formen von friedensunterstützenden Missionen eingesetzt werden. Für diese Form des Einsatzes erscheint die in einem ersten Schritt vorgesehene Gesamttruppenstärke durchaus angemessen, vor allem auch, weil die AU friedensunterstützende Missionen nicht alleine, sondern in enger Kooperation mit den Vereinten Nationen durchführt.101 Für dererlei Funktionen waren in der African Union Mission in Burundi (AMIB) ca. 3.500 Soldaten im Einsatz, für die African Union Mission in Somalia (AMISOM) sind zur Zeit ca. 8.000 Personen einschließlich ziviler Kräfte vorgesehen. Im Übrigen stellt die vorgesehene Truppenstärke mitsamt der logistischen und planerischen Komponenten die Mitgliedstaaten und RECs schon jetzt vor immense Herausforderungen, so dass Planungen mit einer höheren Anzahl von Soldaten zum jetzigen Zeitpunkt unrealistisch wären.102 Kritisieren lässt sich allerdings, dass eine maritime Komponente, obwohl angesichts der generellen Transportund Logistikschwierigkeiten und der Piratenproblematik am Horn von Afrika dringend notwendig,103 in den bisherigen Planungen nicht vorgesehen ist.104 Die Kommission soll die allgemeinen Regeln für die Ausbildung des militärischen und zivilen Personals der nationalen Truppenkontingente im operativen und taktischen Bereich aufstellen. In die allgemeine Aus-
101
Ausführlich Kapitel 7 dieser Arbeit.
102
Dazu sogleich unter VIII.4.
103
Allein 2008 kam es zu 187 Übergriffen in afrikanischen Gewässern, insbesondere vor Somalia; vgl. Gibson, African Security Review 18/3 (2009), S. 68 f. 104
Hierzu und zu den aktuellen Planungen Cilliers/Malan, ISS-Paper 98 (2005), S. 1, 2 ff.; Kinzel, GIGA-Fokus 1/2007, S. 1, 2 f.; ders., SWP-Studie (2008), S. 1, 11 f., 28.
Der Friedens- und Sicherheitsrat
71
bildung soll auch die Ausbildung in Fragen der internationalen Menschenrechte und der Rechte von Nicht-Kombattanten integriert werden.105 Dazu soll die Kommission Standard Operating Procedures ausarbeiten, die auf die Standardisierung der nationalen Ausbildungsprogramme und -pläne und die Koordinierung der Ausbildungskurse der Bereitschaftsarmee und der Übungen für die Kommando- und Stabsebene und im Feld hinwirken sollen.106 Daneben soll sie in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen die afrikanischen Friedenskapazitäten in regelmäßigen Abständen überprüfen und mit Hilfe des UN-Sekretariats externe Initiativen zur Unterstützung der afrikanischen Bereitschaftsarmee in den Bereichen Ausbildung, Logistik, Ausrüstung, Kommunikation und Finanzierung koordinieren.107 Damit die afrikanische Bereitschaftsarmee effektiv funktionieren kann, wird engagiert an einer afrikaweiten integrierten und interoperativen Kommando-, Kontroll-, Kommunikations- und Informationssystem Infrastruktur (C3IS) gearbeitet. Sie soll die Einsatztruppen mit dem Missionshauptquartier, der AU, den Planungszentren (Planning Elements – PLANELMs) und den regionalen Mechanismen verbinden. Ebenso wird an einem System von Logistikdepots gearbeitet, das aus einem AU-Militärdepot (AU Military Logistical Depot – AMLD) und regionalen Depots bestehen soll.108 Insbesondere das 15-köpfige AUPLANELM, das an das Department for Peace und Security angegliedert ist, unterstützt die Kommission in der Aufstellung der Ausbildungsstandards aber auch der SOPs. Als multidimensionale strategische 105 Art. 13 Abs. 13 ProtokollPSC. So auch Policy Framework for the Establishment of the African Standby Force and the Military Staff Committee (Part I), Dok.Nr. Exp/ASF-MSC/2 (I), African Military Experts Meeting vom 12. – 14. Mai 2003. 106 Art. 13 Abs. 14 ProtokollPSC. Zur Ausbildung und den SOPs, die eng mit den UN abgestimmt werden sollen Roadmap for the Operationalization of the African Standby Force, Dok.Nr. EXP/AU-RECs/ASF/4(I), Experts’ Meeting on the Relationship between the AU and the Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution vom 22. – 23. März 2005 und Cilliers/Malan, ISS-Paper 98 (2005), S. 1, 5 f. 107 108
Art. 13 Abs. 15 f. ProtokollPSC.
Roadmap for the Operationalization of the African Standby Force, Dok.Nr. EXP/AU-RECs/ASF(4(I), Experts’ Meeting on the Relationship between the AU and the Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution vom 22. – 23. März 2005; Cilliers, ISS-Paper 160 (2008), S. 1, 4 f.
72
2. Kapitel
Einheit ist es ferner für die Planung, Ausbildung und Vorbereitung der Bereitschaftsarmee zuständig und soll dem Missionshauptquartier bei der Planung und Durchführung von AU-Einsätzen zur Seite stehen. Es kooperiert hierbei eng mit den regionalen PLANELMs, deren Bemühungen es zu koordinieren und harmonisieren gilt.109 Die PLANELMs sollen ferner ein kontinentales „standby system“ in Zusammenarbeit mit UNSAS und Draft Standard Operating Procedures und Standards für die Organisation und Ausrüstung der regionalen Brigaden ausarbeiten.110 Allerdings haben die RECs selbständig und ohne Rückkoppelung an die Kommission mit der Erarbeitung eigener Richtlinien für die Ausbildung und Ausstattung der Truppen innerhalb ihrer Regionen begonnen, so dass die Kompatibilität der einzelnen regionalen Brigaden zumindest einmal in Frage steht.111
3. Konfliktszenarien Für den Einsatz der Bereitschaftsarmee wurden verschiedene Konfliktszenarien entworfen, die als Grundlage für die Aufstellung und zeitliche Einsatzfähigkeit dienen sollen:112
109
Vgl. Cilliers, ISS-Paper 160 (2008), S. 1, 4 f.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 158. 110 Roadmap for the Operationalization of the African Standby Force, Dok.Nr. EXP/AU-RECs/ASF(4(I), Experts’ Meeting on the Relationship between the AU and the Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution vom 22. – 23. März 2005; Cilliers/Malan, ISS-Paper 98 (2005), S. 1, 2 ff. 111
Vgl. Cilliers, The United Nations and Africa, Thesenpapier vom 18. April 2007, S. 1, 8. 112 Policy Framework for the Establishment of the African Standby Force and the Military Staff Committee (Part I), Dok.Nr. Exp/ASF-MSC/2 (I), African Military Experts Meeting, Addis Abeba, Äthiopien vom 12. – 14. Mai 2003; Roadmap for the Operationalization of the African Standby Force, Annex A, Dok.Nr. EXP/AU-RECs/ASF(4(I), Experts’ Meeting on the Relationship between the AU and the Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution vom 22. – 23. März 2005. Zu den Szenarien und Anforderungen auch Cilliers/Malan, ISS-Paper 98 (2005), S. 1, 3 ff.; Kinzel, GIGAFokus 1/2007, S. 1, 3, 6.
Der Friedens- und Sicherheitsrat
73
•
Szenario 1: Bereitstellung militärischen Sachverstands im Rahmen einer politischen Mission innerhalb von 30 Tagen für bis zu 30 Tage ohne externe Unterstützung;
•
Szenario 2: paralleler Einsatz einer AU-Beobachtermission und einer UN-Mission innerhalb von 30 Tagen für bis zu 30 Tage ohne externe Unterstützung;
•
Szenario 3: Einsatz einer Beobachtermission innerhalb von 30 Tagen für bis zu 30 Tage ohne externe Unterstützung;
•
Szenario 4: Einsatz einer AU-Friedensmission im Rahmen von Kapitel VI UN-Charta und zur Krisenprävention innerhalb von 30 Tagen für bis zu 90 Tage ohne externe Unterstützung;
•
Szenario 5: Einsatz einer AU-Friedensmission innerhalb eines komplexen multidimensionalen Einsatzes innerhalb von 90 Tagen, der militärischen Komponente innerhalb von 30 Tagen, für bis zu 90 Tage ohne externe Unterstützung;
•
Szenario 6: Intervention der afrikanischen Bereitschaftsarmee falls die Vereinten Nationen nicht rechtszeitig eingreifen innerhalb von 14 Tagen für einen robusten militärischen Einsatz für bis zu 90 Tage ohne externe Unterstützung.113
Die Bereitschaftszeiten sind auch gemessen an NATO-Standards äußerst ehrgeizig, wenn nicht gar unrealistisch und bedürfen regelmäßiger und koordinierter Truppenübungen, hinreichend ausgerüsteter und tatsächlich bereitstehender Truppenteile und vor allem einer ausgeprägten Logistik.114 Die Fähigkeiten der Bereitschaftsarmee für die Szenarien 1 bis 3 sollten in einer ersten Phase bis zum 30. Juni 2006, für die Szenarien 4 bis 6 in einer zweiten Phase bis zum 30. Juni 2010 entwickelt werden.115 Dieser Zeitplan wurde bislang nicht eingehalten. In der ers113 Zum Diskussionsstand in der AU über diese „Rapid Deployment Capability“ Cilliers, ISS-Paper 160 (2008), S. 1, 9 ff. 114
Ebenso Baker, African Security Review 16/2 (2007), S. 120, 122; Cilliers, ISS-Paper 160 (2008), S. 1, 4; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 159. 115
Policy Framework for the Establishment of the African Standby Force and the Military Staff Committee (Part I), Dok.Nr. Exp/ASF-MSC/2 (I), African Military Experts Meeting vom 12. – 14. Mai 2003; Roadmap for the Operationalization of the African Standby Force, Dok.Nr. EXP/AU-RECs/ASF(4(I), Experts’ Meeting on the Relationship between the AU and the Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution vom 22. – 23. März 2005.
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2. Kapitel
ten Phase sollen die Regionen den Sitz, das Konzept und das Personal für das Brigadehauptquartier und dessen Beziehung zu den regionalen PLANELMs festlegen, vor allem aber die Datenbanken für die Militärbeobachter und zivilen Polizeibeamten einrichten und die Staaten festlegen, in denen Bereitschaftstruppen stationiert werden sollen.
4. Regionale Mechanismen Bevor im Anschluss das grundsätzliche Verhältnis der Afrikanischen Union zu den regionalen Wirtschaftsgemeinschaften bei der Konfliktprävention- und -bewältigung in Afrika untersucht wird, soll an dieser Stelle im Zusammenhang mit der Grundstruktur der afrikanischen Bereitschaftsarmee zunächst kurz der bisherige Stand der Umsetzung in der Aufstellung der regionalen Brigaden und des Frühwarnsystems erörtert werden.116
a. Nordafrika In Nordafrika hat die AMU aufgrund der Zerstrittenheit der Mitglieder bzw. Nichtmitglieder (Ägypten) bisher nur äußerst geringe Ansätze einer gemeinsamen regionalen Sicherheitsarchitektur erkennen lassen. Um den Aufbau der Northern Africa Standby Force (NASBRIG) streiten sich Ägypten, Libyen und Algerien, ohne dass sich eine tragfähige
116 Bislang haben vier von fünf RECs (SADC, ECOWAS, IGAD und ECCAS) angefangen, die notwendigen institutionellen Strukturen für die regionalen Bereitschaftstruppen zu schaffen, siehe dazu § 1 i) Communiqué der Annual Consultation between the African Union (AU), the Regional Economic Communities (RECs)/Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution, the G8 Member Countries and other Partners vom 14. Mai 2007. Umfassend zum Stand der regionalen Mechanismen Cilliers/Malan, ISS-Paper 98 (2005), S. 1, 6 ff.; ders., Cilliers, ISS-Paper 160 (2008), S. 1, 13 ff.; Kinzel, GIGA-Fokus 1/2007, S. 1, 3 ff.; ders., SWP-Studie (2008), S. 1, 13 ff.; Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 130 ff. Zur Harmonisierung der unterschiedlichen Mechanismen s.a. Art. 30 Protocol on Relations between the AU and the RECs, Dok.Nr. EX.CL/348 (XI), Executive Council, 11th Ordinary Session vom 25. – 29. Juni 2007.
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Lösung absehen lässt. Daran hat auch das libysch-ägyptische Projekt einer North Africa Regional Capability bisher nichts geändert.117
b. Zentralafrika In Zentralafrika hat ECCAS bereits 1999 einen Conseil de Paix et de Sécurité de l’Afrique Centrale (COPAX) als Konfliktpräventions-, bewältigungs- und -lösungsmechanismus etabliert.118 COPAX wurde 2000 in eine umfassendere Sicherheits- und Verteidigungsstruktur eingebunden. Darüber hinaus wurden die rechtlichen Grundlagen für eine Commission for Defence and Security (CDS), eine Multinational Peace Keeping Force in Central Africa (FOMAC) von ca. 2.200 Personen und ein Early Warning Observation and Monitoring System for Central Africa (MARAC) geschaffen.119 Hinzukommen soll eine 2.177 Personen starke Bereitschaftsbrigade.120 Weder die angestrebte Truppenstärke der FOMAC wurde bisher erreicht noch ist MARAC ausreichend arbeitsfähig, dies vor allem wegen personeller und finanzieller Engpässe und der überschneidenden Mitgliedschaften der zentralafrikanischen Staaten mit anderen subregionalen Organisationen.121
117 Vgl. Adebajo, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 131, 153 ff.; Kinzel, SWP-Studie (2008), S. 1, 20 f.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 76, 174 f. 118 Decision 001/Y/Fev of Heads of States and Government of Central African States vom 25. Februar 1999; zur Sicherheitspolitik der ECCAS Adebajo, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 131, 148 ff. 119 Art. 7, 13 ff. und 20 ff. Protocol Relating to a Peace and Security Council of Central Africa vom 24. Februar 2000. Einzelheiten über Aufbau und Kompetenzen von CDS, FOMAC und MARAC finden sich in den Standing Orders of the Defence and Security Commission vom 17. Juni 2002; Standing Orders of the Central African Multinational Force vom 17. Juni 2002 und Standing Orders of the Central African Early Warning Mechanism vom 17. Juni 2002. Detailiert zu MARAC Cilliers, ISS-Paper 102 (2005), S. 1, 15 f.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 202 f. 120
Cilliers, ISS-Paper 160 (2008), S. 1, 15 f.
121
Ebenda, S. 1, 16; Kinzel, SWP-Studie (2008), S. 1, 21.
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2. Kapitel
c. Ostafrika In Ostafrika müssen IGAD und EAC ihre Aufgaben miteinander abstimmen, da keine der beiden RECs alle Staaten der Region vereint. Dies hat zu erheblichen Spannungen und Verzögerungen im Aufbau eigener Kapazitäten geführt.122 Die Eastern Africa States Brigade (EASBRIG),123 die insgesamt 5.500 Personen umfassen soll, befindet sich im Aufbau ebenso ein Conflict Early Warning and Response Mechanism (CEWARN).124 EASBRIG besteht aus der Versammlung der ostafrikanischen Staats- und Regierungschefs, der Versammlung der ostafrikanischen Sicherheits- und Verteidigungsminister, dem Komitee der ostafrikanischen Generalstäbe, dem PLANELM in Nairobi, Kenia,125 einem Hauptquartier in Addis Abeba, Äthiopien126 und einem hieran angeschlossenen Logistikzentrum.127 EASBRIG-Missionen stehen ausdrücklich unter dem Mandat des Friedens- und Sicherheitsrats.128 Die ostafrikanischen Staaten einigten sich Anfang 2007, unabhängig von der Mitgliedschaft in IGAD oder EAC, auf ein gemeinsames, neues politisch-strategisches Planungs- und Führungsgremium (Eastern African Standby Brigade Coordination Mechanism - EASEBRICOM), das die Spannungen zwischen den beiden Organisationen mindern soll und als 122
Adebajo, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 131, 151 ff.; Kinzel, SWP-Studie (2008), S. 1, 18 f. 123 Memorandum of Understanding on the Establishment of an Eastern African Standby Brigade (EASBRIG) vom 11. April 2005; Policy Framework for the Establishment of the Eastern Africa Standby Brigade (EASBRIG) vom 11. April 2005. 124 Protocol on the Establishment of a Conflict Early Warning and Response Mechanism for IGAD Member States vom 9. Januar 2002. Im Einzelnen Bond/Meier, in: Ramcharan (Hrsg.), FS Sutterlin, 2005, S. 75 ff.; Cilliers, ISSPaper 102 (2005), S. 1, 12 ff.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 191 ff. 125 Art. 9 lit. a) Policy Framework for the Establishment of the Eastern Africa Standby Brigade (EASBRIG) vom 11. April 2005. 126 Art. 9 Abs. 4 Memorandum of Understanding on the Establishment of an Eastern African Standby Brigade. 127 Art. 5 Memorandum of Understanding on the Establishment of an Eastern African Standby Brigade. 128 Art. 15 Policy Framework for the Establishment of the Eastern Africa Standby Brigade.
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Sekretariat von EASBRIG fungiert.129 Insbesondere die Krisenherde im Sudan und Somalia aber auch die Feindseligkeiten zwischen Äthiopien und Eritrea tragen jedoch erheblich zur Verzögerung der Implementierung der EASBRIG und CEWARN bei.130 Letzterer ist darüber hinaus auch relativ kostspielig, so dass externe Geldgeber erst von der Effektivität der Konfliktprävention durch diesen Mechanismus überzeugt werden müssen.131
d. Westafrika ECOWAS in Westafrika ist die sicherheitspolitisch am weitesten entwickelte REC mit erheblicher Erfahrung bei der Durchführung von Friedensmissionen.132 Mit dem Protocol Relating to the Mechanism for Conflict Prevention, Management, Resolution, Peace-keeping and Security vom 10. Dezember 1999133 haben die Mitgliedstaaten die wichtigsten institutionellen Regelungen für den Aufbau einer ECOWAS Standby Brigade (ECOBRIG oder ESF) mit einer Gesamtstärke von ca. 6.500 Soldaten134 geschaffen. In dieser Truppenstärke ist eine kleinere 2.773 129
Cilliers, ISS-Paper 160 (2008), S. 1, 14; Kinzel, SWP-Studie (2008), S. 1,
19. 130 Kinzel, GIGA-Fokus 1/2007, S. 1, 4; ders., SWP-Studie (2008), S. 1, 18 f.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 167. 131
Ca. 600.000 US-$ p.a.; vgl. Cilliers, ISS-Paper 102 (2005), S. 1, 15.
132
Vgl. Brzoska, Die Friedens-Warte 82/1 (2007), S. 87, 90 f.; Adebajo, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 131, 139 ff. S.a. Malan, Developing the ECOWAS Civilian Peace Support Operations Structure, Thesenpapier vom Februar 2006. 133 ProtokollMCPMRPS, abgedruckt in JoCSL 5/2 (2000), S. 231 ff. Das Protokoll wurde geändert und ergänzt durch Protocol A/SP1/12/01 on Democracy and Good Governance Supplementary to the Protocol Relating to the Mechanism for Conflict Prevention, Management, Resolution, Peace-keeping and Security vom Dezember 2001. Eingehend Abass, JoCSL 5/2 (2000), S. 211 ff.; ders., Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 188 f.; Levitt, Global Dialogue 2005, S. 50 ff.; ders., WisIntLJ 24/3 (2006), S. 785, 807 f.; Malan, Developing the ECOWAS Civilian Peace Support Operations Structure, Thesenpapier vom Februar 2006; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 66 f. 134
Die ECOWAS Cease-fire Monitoring Group (ECOMOG) nach Art. 17 und Art. 28 ff. ProtokollMCPMRPS wird nunmehr in ECOBRIG transformiert.
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2. Kapitel
Soldaten umfassende Task Force für schnelle Einsatzbereitschaft enthalten.135 Das ECOWAS Warning and Response Network (ECOWARN) als das neue Frühwarnsystem ist noch nicht voll einsatzfähig, arbeitet aber bereits an der Datensammlung in vier Zonen.136 Der Mediation and Security Council137 hat seine Arbeit mittlerweile aufgenommen, ebenso auch die Defence and Security Commission.138 Letztere besteht aus den Chefs der Generalstäbe und ist nicht nur verantwortlich für alle technischen, administrativen und logistischen Fragen eines Einsatzes, sie berät vielmehr die Staats- und Regierungschefs und den ECOWASSicherheitsrat bei allen sicherheitspolitischen Angelegenheiten.139 Das Task Force Headquarter arbeitet seit 2006, ist aber noch im Aufbau befindlich und schlecht ausgestattet.140 Das ECOWAS-Sekretariat wurde zur effektiveren und effizienteren Arbeitsweise umgegliedert und ein eigenständiges Office of the Commissioner for Political Affairs, Peace and Security eingerichtet, dass das Committee for Political Affairs, Peace and Security unterstützt.141 Im Gegensatz zur EASBRIG sollen ECOBRIG-Missionen auf Initiative des ECOWAS-Mediation and Security Council auch ohne AU-Mandat eingesetzt werden.142 Obwohl ECOWAS die größten Erfahrungen mit Missionen in ECOWASMitgliedstaaten hat, sind das innerstaatliche Konfliktpotenzial vor allem in Sierra Leone, Liberia und der Côte d’Ivoire und die unterschiedliche
135
Cilliers, ISS-Paper 160 (2008), S. 1, 13; Kinzel, SWP-Studie (2008), S. 1, 13 f. Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 168 f. 136 Art. 23 ProtokollMCPMRPS. Die Daten werden vom am ECOWASSekretariat angegliederten Observation and Monitoring Centre (OMC) ausgewertet. Die Funktionsfähigkeit des OMC wird vor allem dadurch beeinträchtig, dass sich die ECOWAS-Mitgliedstaaten noch nicht auf ein einheitliches Datenanalysesystem geeinigt haben, es nur eine einzige abgesicherte Fernmeldeverbindung gibt und sie daher auf kommerzielle Verbindungen zurückgreifen müssen, die störungsanfälliger sind. Vgl. Cilliers, ISS-Paper 102 (2005), S. 1, 11 f.; Kinzel, SWP-Studie (2008), S. 1, 15 f.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 198 f. 137
Art. 8 ProtokollMCPMRPS.
138
Art. 18 ProtokollMCPMRPS.
139
Art. 19 ProtokollMCPMRPS.
140
Dazu Kinzel, SWP-Studie (2008), S. 1, 14.
141
Ebenda, S. 1, 15.
142
Art. 26 ff. ProtokollMCPMRPS. S.a. Cilliers/Malan, ISS-Paper 98 (2005), S. 1, 11.
Der Friedens- und Sicherheitsrat
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Ausrichtung der frankophonen, anglophonen und lusophonen Mitgliedstaaten ein wesentliches Hindernis beim Aufbau der regionalen Bereitschaftstruppen und des Frühwarnsystems.143
e. Südliches Afrika Im Rahmen einer eigenen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur im südlichen Afrika stattete die SADC das Organ on Politics, Defence and Security mit weit reichenden Aufgaben und Kompetenzen zur Friedensförderung, Konfliktprävention und -lösung aus.144 Im SADCVerteidigungspakt haben sich die Mitgliedstaaten überdies gegenseitigen Beistand und militärischer Zusammenarbeit zugesagt.145 Ein Memorandum of Understanding über die Operationalisierung einer regionalen Bereitschaftstruppe wurde mittlerweile verabschiedet und SADCBRIG offiziell ins Leben gerufen.146 Das MoU sieht daneben ein regionales PLANELM und ein Main Logistics Depot in Gaberone, Botswana vor.147 Bereits 2001 einigten sich die Mitgliedstaaten auf die Errichtung eines SADC Regional Early Warning Centre (REWC).148 Im Strategic 143 Vgl. Cilliers/Malan, ISS-Paper 98 (2005), S. 1, 7; Kinzel, GIGA-Fokus 1/2007, S. 1, 4; ders., SWP-Studie (2008), S. 1, 13; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 170 f. 144 Art. 9 Abs. 1 lit. b) und 10 Treaty of SADC as Amended vom 14. August 2001; Art. 2 Protocol on Politics, Defence and Security Cooperation vom 14. August 2001. Im Einzelnen zur überaus komplexen SADC-Struktur Cilliers, ISSPaper 102 (2005), S. 1, 16 ff. und ders./Malan, ISS-Paper 98 (2005), S. 1, 12 ff. Zum OPDS Vogt, Die regionale Integration des südlichen Afrikas, 2007, S. 156 ff.; Adebajo, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 131, 144 ff.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 69 f. 145
Vgl. nur Art. 7 SADC Mutual Defence Pact vom August 2003.
146
§ 15 Communiqué, SADC Summit vom 16. – 17. August 2007; vgl. Memorandum of Understanding amongst the Southern African Development Community Member States on the Establishment of a Southern African Development Community Standby Brigade vom August 2007. 147 148
Vgl. Art. 6 und 9 des Memorandums.
Art. 11 Abs. 3 lit. b) Protocol on Politics, Defence and Security Cooperation vom 14. August 2001. Die Aufgaben des Frühwarnsystems scheinen enger gefasst als bei anderen RECs, sind aber in praxi sehr umfassend und beinhalten z.B. auch Bereiche wie Naturkatastrophen, Kleinwaffen und Drogen. Da es unter sehr hoher Geheimhaltungsstufe entwickelt wird, sind Informationen über das Analysemodell schwer zu bekommen. Im Gegensatz zu den recht transpa-
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2. Kapitel
Indicative Plan for the Organ on Politics, Defence and Security Cooperation (SIPO) aus dem Jahre 2004 wurden mittel- und langfristige Zielsetzungen für die Sektoren Politik, Verteidigung, Staatensicherheit und öffentliche Sicherheit formuliert.149 Unter anderem ist vorgesehen, die regionalen Fähigkeiten für friedensunterstützende Operationen auszubauen und nationale militärische Kapazitäten zu erweitern und deren Einsätze in regionalen und internationalen friedenserhaltenden Operationen zu koordinieren.150 Derweil einsatzbereit ist das SADCBRIGPlanning Element, das als Arbeitsstab für die Doktrinen, Standardeinsatzverfahren, Training und die Herstellung der grundsätzlichen Führungsfähigkeit und Logistik zuständig ist.151 Die fortwährenden Querelen in Simbabwe, immer noch ein Schwergewicht in der SADC, die externe Unterstützer abschrecken, sind jedoch geeignet auf absehbare Zeit die weitere Entwicklung der südlichen Sicherheitsarchitektur zu verzögern.152
f. Herausforderungen Beim Aufbau der regionalen Brigaden dürfen die allgegenwärtigen Probleme der Mehrzahl der afrikanischen Streitkräfte nicht außer Betracht bleiben, so vor allem die schlechte finanzielle Ausstattung, die Duldung von Korruption und politisch-ökonomischer Interessenkonflikte innerhalb des Militärs, der Einsatz des Militärs für innen- und parteipolitische Zwecke und die militärische Protektion durch Fremd-
renten (im Aufbau befindlichen) Frühwarnsystem CEWAS oder der ECOWAS wird das SADC-Frühwarnsystem an die Geheimdienste der SADCMitgliedstaaten angegliedert, so dass strategische Berichte kaum zugänglich sein werden und die (erwünschte) Unabhängigkeit bei Verarbeitung eingehender Informationen bezweifelt werden muss. S.a. Cilliers, ISS-Paper 102 (2005), S. 1, 17 f., 21. 149
Dazu Vogt, Die regionale Integration des südlichen Afrikas, 2007, S.
162 f. 150 Objective 6 Policy Sector Strategic Indicative Plan for the Organ on Politics, Defence and Security Cooperation (SIPO) vom 5. August 2004. 151
Cilliers, ISS-Paper 160 (2008), S. 1, 14; Kinzel, SWP-Studie (2008), S. 1, 17; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 172. 152
S.a. Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 174 f.
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mächte.153 Diese Unzulänglichkeiten bleiben nicht ohne Folgen für den Aufbau einer effizienten und schlagkräftigen afrikanischen Bereitschaftsarmee, weil sie sich auf die regionalen Streitkräfte durchschlagen und den Aufbau der afrikanischen Bereitschaftsarmee auch weit über 2010 hinaus verzögern werden. Da Ausbildung, Ausrüstung, Logistik, Kommunikation und Mobilität schon für die eigenen Streitkräfte vieler afrikanischer Staaten eine ernsthafte Herausforderung darstellen, ist die Ausarbeitung eines funktionierenden Logistik-, Transport- und Kommunikationssystems im Rahmen der Afrikanischen Union entscheidend für die Effizienz und Schlagkraft der afrikanischen Bereitschaftsarmee, unabhängig davon in welchem Umfang die Missionen durchgeführt werden. So sind z.B. Waffensysteme verschiedener Produzenten, die in ein und derselben Armee eingesetzt werden, nicht kompatibel oder die Einsatzfahrzeuge häufig für die klimatischen Bedingungen SubsaharaAfrikas nicht ausgelegt und dementsprechend störanfällig. Ausrüstung für die Kommunikation ist ebenfalls kaum vorhanden. Durch die eingeschränkte Mobilität werden die angestrebten Truppenstärken für Missionen oftmals nicht oder nur sehr zögerlich erreicht, wie derzeit an AMISOM in Somalia zu beobachten ist. Der zügige Auf- und Ausbau der Hubschrauberstaffel ist daher unabdingbar, denn taktischer und operativer Lufttransport ist notwendig für ein schnelles und flexibles Eingreifen kleinerer Truppenverbände in den teilweise extrem unwegsamen Konfliktregionen.154
IX. Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den regionalen Wirtschaftsorganisationen Die Verflechtung von Afrikanischer Union und RECs in der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur ist außerordentlich komplex und sowohl rechtlich als auch politisch bisher weitestgehend ungeklärt. Das ProtokollPSC enthält einige Bestimmungen, die das Verhältnis der beiden Ebenen zueinander betreffen. Gemäß Art. 16 Abs. 1 S. 1 ProtokollPSC liegt die Hauptverantwortung für die Gewährleistung von 153 Vgl. Clayton, in: Furley/May (Hrsg.), African Interventionist States, 2001, S. 51 ff.; Meinken, Militärische Kapazitäten und Fähigkeiten afrikanischer Staaten, SWP-Studie, Februar 2005, S. 1, 10 ff.; Kinzel, GIGA-Fokus 1/2007, S. 1, 5 ff.; ders., SWP-Studie (2008), S. 1, 23 ff. 154
Vgl. Neethling, African Security Review 18/1 (2009), S. 1, 14.
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2. Kapitel
Frieden, Sicherheit und Stabilität in Afrika beim Friedens- und Sicherheitsrat und nicht bei den RECs. Der Friedens- und Sicherheitsrat und der Kommissionsvorsitzende sollen aufgrund der engen Verzahnung der Organisationen beim Aufbau der Bereitschaftsarmee und des kontinentalen Frühwarnsystems die Aktivitäten der RECs harmonisieren und koordinieren, um sicherzustellen, dass diese mit den Zielen und Prinzipien der AU vereinbar sind.155 Eine enge Zusammenarbeit des Friedens- und Sicherheitsrates und der RECs wird für notwendig erachtet, um eine effektive Förderung und den Erhalt von Frieden, Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten.156 Die Modalitäten dieser Partnerschaft sind allerdings einzelfallabhängig.157 Der Friedens- und Sicherheitsrat soll über den Kommissionsvorsitzenden seine Initiativen bzw. Maßnahmen mit den regionalen Mechanismen abstimmen.158 Umgekehrt sollen die regionalen Mechanismen den Friedens- und Sicherheitsrat über ihre Aktivitäten informieren und sie mit dessen Vorgehen harmonisieren und koordinieren.159 Der Kommissionsvorsitzende trifft sich hierfür mindestens einmal im Jahr160 mit Vertretern der RECs und sorgt auch ansonsten für die volle Einbeziehung der regionalen Mechanismen in die Entwicklung und Funktionsfähigkeit des Frühwarnsys-
155 Art. 16 Abs. 1 lit. a) ProtokollPSC. Z.B. Communiqué of the Second Periodic Meeting between the AU and the Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution vom 24. – 25. Oktober 2005. 156
Art. 16 Abs. 1 lit. b) ProtokollPSC.
157
Beispiele für eine solche Kooperation sind die friedens- und sicherheitsratsmandatierten Fact-Finding- und Friedensmissionen durch ECOWAS in Côte d’Ivoire und IGAD in Somalia. Vgl. Communiqué, Dok.Nr. PSC/AHG/Comm.(XX), Peace and Security Council, 10th Meeting vom 25. Mai 2004; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXIV), Peace and Security Council, 24th Meeting vom 7. Februar 2005; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXIX), Peace and Security Council, 29th Meeting vom 12. Mai 2005. 158 Vgl. z.B. Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.5 (CXCII), Peace and Security Council, 192nd Meeting vom 10. Juni 2009 zur Zusammenarbeit mit ECOWAS bezüglich der Präsidentschaftswahlen in Guinea Bissau. 159 160
Art. 16 Abs. 2 und 3 ProtokollPSC.
Nach § 36 Solemn Declaration on a Common African Defence and Security Policy vom 28. Februar 2004 und Decision on a Non-Aggression and Common Defence Pact, Dok.Nr. Ext/Assembly/AU/Dec.2 (II), Assembly of the African Union, 2nd Extraordinary Session vom 27. – 28. Februar 2004 alle 6 Monate.
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tems und der afrikanischen Bereitschaftsarmee.161 Idealiter nimmt er an den Sitzungen der regionalen Mechanismen teil, so wie umgekehrt diese in sie besonders betreffenden Fällen an den Sitzungen des Friedens- und Sicherheitsrates teilnehmen können.162 Zudem wurden Liaison-Büros bei der Kommission und den regionalen Mechanismen eingerichtet.163 Einen weiteren Ordnungsversuch stellt das Protocol on Relations between the AU and the RECs164 dar, das freilich noch von den meisten RECs ratifiziert werden muss. Ein Committee on Co-ordination soll hiernach die Koordinierung und Kooperation der Afrikanischen Union und der RECs in allen von der KA-AU vorgesehenen Politikbereichen sicherstellen,165 einschließlich der Errichtung des African Common Market.166 Die Zusammenarbeit zwischen AU und den RECs soll außerdem in Memoranda of Understanding näher geregelt werden.167 Ein erstes Memorandum zwischen der Afrikanischen Union und CEN-SAD, COMESA, EAC, ECCAS, ECOWAS, IGAD, SADC und AMU wurde im Juni 2008 geschlossen.168 Zweck des Memorandums ist nach Art. III zur vollen Operationalisierung der neuen afrikanischen Friedensund Sicherheitsarchitektur beizutragen, regelmäßig Informationen zwischen den Parteien auszutauschen, eine engere Partnerschaft und Kooperation zu knüpfen, gemeinsame Programme zu entwickeln, sowie sicherzustellen, dass die Aktivitäten der RECs mit den Zielen und Grundprinzipien der AU vereinbar sind. In Art. IV wird erneut her161
Art. 16 Abs. 4 und 5 ProtokollPSC.
162
Art. 16 Abs. 6 und 7 ProtokollPSC.
163
Vgl. Art. 16 Abs. 8 ProtokollPSC.
164
Dok.Nr. EX.CL/348 (XI), Executive Council, 11th Ordinary Session vom 25. – 29. Juni 2007. 165
Art. 7 des Protokolls.
166
Art. 12 ff. des Protokolls.
167
Art. 16 Abs. 9 ProtokollPSC. Siehe dazu auch § 1 iv) Communiqué, Annual Consultation between the African Union (AU), the Regional Economic Communities (RECs)/Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution, the G8 Member Countries and other Partners vom 14. Mai 2007. 168
Memorandum of Understanding on Cooperation in the Area of Peace and Security between the African Union, the Regional Economic Communities and the Coordinating Mechanisms of the Regional Standby Brigades of Eastern Africa and Northern Africa vom Juni 2008.
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2. Kapitel
vorgehoben, dass dem Friedens- und Sicherheitsrat die primäre Verantwortung für Frieden, Sicherheit und Stabilität auf dem Kontinent zukommt. Dessen ungeachtet soll die Rolle und Verantwortung der RECs in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen stärker gewürdigt werden. Die AU und die RECs verpflichten sich in Art. V zur Kooperation und Koordination, u. a. bei der Operationalisierung der Afrikanischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur, der Prävention und Lösung von Konflikten, bei humanitärer Hilfeleistung, beim Katastrophenschutz, beim Postkonflikt-Wiederaufbau, bei der Waffenkontrolle und Entwaffnung, bei der Terror-Abwehr, bei der Bekämpfung von transnationaler organisierter Kriminalität, bei der Grenzüberwachung sowie bei der Mobilisierung von Ressourcen.169 Die verstärkte Kooperation soll vor allem durch den Austausch von Informationen, regelmäßige Treffen, ständige Vertretungen an den Hauptsitzen der Organisationen und durch gemeinsame Aktivitäten erfolgen.170 Neu ist, dass sich beide Ebenen an die Grundsätze der Subsidiarität, Komplementarität und komparative Vorteile halten wollen, um ihre Partnerschaft zu optimieren. Die bedeutet eine gewisse Relativierung der primären Verantwortung des Friedens- und Sicherheitsrates nach Art. 16 Abs. 1 S. 1 ProtokollPSC. Gemäß Art. XX wird den RECs – unter Beachtung der Hauptverantwortung der Afrikanischen Union – das Recht zugestanden, sich der Konflikte innerhalb und zwischen ihren Mitgliedstaaten eigenverantwortlich anzunehmen, einschließlich der Entsendung von Friedensmissionen. Der Kommissionsvorsitzende und der Friedens- und Sicherheitsrat sollen jedoch über die Aktivitäten der RECs informiert werden. Die RECs müssen zudem sicherstellen, dass sie in Übereinstimmung mit dem ProtokollPSC handeln. Sie verpflichten sich überdies dem Friedens- und Sicherheitsrat oder anderen RECs ihre Ressourcen und Kapazitäten, einschließlich der Planungskapazitäten, sowie ihre Truppenteile der afrikanischen Bereitschaftsarmee zur Verfügung zu stellen, was ganz wesentlich für die Funktionsfähigkeit der gesamten Sicherheitsarchitektur ist. Diese Rollenverteilung entspricht in gewisser Weise dem Verhältnis des UN-Sicherheitsrates zu den Regionalorganisationen nach Kapitel VIII UN-Charta. Der Friedens- und Sicherheitsrat bleibt aber gemäß Art. XX Abs. 5 für alle Konflikte auf dem Kontinent zuständig und zwar auch dann, wenn ein regi169 Zu den einzelnen Feldern der Kooperation vgl. Art. VI ff. Memorandum of Understanding on Cooperation in the Area of Peace and Security. 170 Im Einzelnen Art. XVI ff. Memorandum of Understanding on Cooperation in the Area of Peace and Security.
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onaler Mechanismus bereits Maßnahmen ergriffen hat. Zudem steht es nach Art. XX Abs. 6 f. nur der Versammlung und dem Friedens- und Sicherheitsrat zu, über Interventionen nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU zu entscheiden. Gemäß Art. XXI des Memorandums sollen die Vertragsparteien ihre Ansichten und Beziehungen zu den Vereinten Nationen und anderen internationalen Akteuren harmonisieren, zum einen um die afrikanischen Interessen besser durchsetzen, zum anderen um mehr Unterstützung erhalten zu können. Der Kommissionsvorsitzende soll den UN-Sicherheitsrat jederzeit über die Aktivitäten der AU und der RECs informiert halten. Erfolgt durch das Memorandum eine gewisse Klarstellung des Verhältnisses der beiden Ebenen zueinander, so bleiben die Einzelheiten der Kooperation äußerst vage. Konstatiert werden kann jedoch, dass durch das Memorandum die primäre Verantwortung des Friedens- und Sicherheitsrates nach Art. 16 Abs. 1 S. 1 ProtokollPSC insoweit eine Aufweichung erfahren hat, als dass die RECs in ihrem Zuständigkeitsbereich selbständig tätig werden dürfen. Allerdings bleibt es dem Friedens- und Sicherheitsrat unbenommen, jederzeit eigene Maßnahmen zu ergreifen. Außerdem obliegt es ihm nach Art. XXIV, das Memorandum bindend für die Parteien auszulegen, so dass er Unklarheiten der Kompetenzverteilung zu seinen Gunsten beseitigen kann. Die genaue Aufgaben-, Kompetenz- und Verantwortungsverteilung zwischen der Afrikanischen Union und den RECs ist durch das Memorandum aber nicht endgültig und zufriedenstellend geregelt. Sie bleibt auch aufgrund der unterschiedlichen Interessen regionaler Hegemone in ihren jeweiligen RECs politisch hoch umstritten. Hinzu kommt, dass die Sicherheitsund Verteidigungsmechanismen der RECs teilweise schon recht lange vor dem Friedens- und Sicherheitsrat entstanden und z.B. im Falle von ECOWAS oder SADC auch konflikterprobt sind. Da neben dem Friedens- und Sicherheitsrat häufig ein zweiter, regionaler Sicherheitsrat existiert, der ähnliche Kompetenzen z.B. für die Autorisierung einer Intervention besitzt,171 müssen die RECs ihre Instrumente an die neuen Gegebenheiten und Kompetenzen der Afrikanischen Union und insbesondere des Friedens- und Sicherheitsrates weiter anpassen. Insgesamt illustrieren die Rolle des Friedens- und Sicherheitsrates sowie die Struktur der Bereitschaftsarmee und des kontinentalen Frühwarnsystems besonders treffend das sicherheitspolitische Zusammenspiel von Afrikanischer Union und regionalen Wirtschaftsorganisationen. In 171 Z.B. der ECOWAS-Sicherheitsrat nach Art. 22 und Art. 10 ProtokollMCPMRPS.
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2. Kapitel
der viel bemühten afrikanischen „Friedenspyramide“ bilden die RECs aufbauend auf den Mitgliedstaaten die mittlere Ebene der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur, während die AU die Spitze darstellt. Über den RECs und der AU befinden sich auf universeller Ebene lediglich die Vereinten Nationen. Ohne die von ihnen zur Verfügung gestellten Kapazitäten und den Einsatz der RECs bei der Konfliktprävention und -bewältigung auf regionaler Ebene ist die Gewährleistung von Frieden und Sicherheit auf kontinentaler Ebene nicht denkbar.172 Die RECs interagieren dabei sowohl miteinander als auch mit der Afrikanischen Union, wobei sie die kontinentalen Vorgaben und Programme relativ autonom umsetzen und in ihren jeweiligen Regionen ganz eigene, teils divergierende Sicherheitsinteressen verfolgen.173 Im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur ist damit das Verhältnis der beiden Ebenen ganz maßgeblich von den Grundsätzen der Interdependenz und Komplementarität geprägt,174 auch wenn die AU ihre Hauptverantwortung für Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent gerne in den Vordergrund rückt. Die Aufgabenteilung zwischen AU und RECs ermöglicht Ersterer auf die regionalen Erfahrungen und etablierten Mechanismen zurückzugreifen, vor allem weil die regionalen Mechanismen i.d.R. über ein besseres Verständnis für die Ursache eines Konfliktes, die wichtigen Konfliktparteien und kontextspezifischen Lösungsmöglichkeiten verfügen. Aufgrund der vielfältigen Erfahrungen einiger RECs im Bereich der Konfliktbewältigung ist deren Zuständigkeit in ihrer Einflusssphäre durchaus sinnvoll für eine zügige und effektive Friedenswahrung in und zwischen ihren Mitgliedstaaten. Den RECs wird darüber hinaus auch eine höhere Legitimation zur Konfliktlösung und ein größeres Interesse an der Lösung sie direkt betreffender Konflikte zugeschrieben, als der
172
So auch Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 106, 233, der die Aufgabenteilung zwischen AU und den RECs als „Herzstück“ der neuen afrikanischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur ansieht. 173
Zur Kooperation und Integrationsprozess in den RECs Hofmeier, in: Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – Ein verlorener Kontinent?, 2. Aufl. 2008, S. 213 ff.; Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 85 ff.; zur Sicherheitskooperation und -mechanismen in ECOWAS, SADC und IGAD Francis, Uniting Africa, 2006, S. 139 ff.; 181 ff.; 215 ff. 174 Franke, Cooperation and Conflict 43/3 (2008), S. 313, 332 f.; ders., Security Cooperation in Africa, 2009, S. 106 f.; 233 ff.
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kontinentalen Organisation oder gar den Vereinten Nationen.175 Umgekehrt profitieren die RECs von der stärkeren internationalen Verhandlungsmacht und Kredibilität der AU und damit auch von einer stärkeren Fokussierung externer Akteure auf die afrikanische regionale und kontinentale Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur.176 Die AU ist viel besser in der Lage, afrikanischen Sicherheitsinteressen bei den Vereinten Nationen und der Europäischen Union Gehör zu verschaffen und für diese zu werben, als der vielstimmige Chor der regionalen Wirtschaftsorganisationen. Mit Blick auf letzteres ist gerade die Proliferation von RECs mit überschneidenden Mitgliedschaften und Sicherheitsregimen in Konkurrenz zur Afrikanischen Union für die kontinentale Integration und die hinreichende Gewährleistung von Frieden und Sicherheit durchaus abträglich. So sind von den 53 AU-Mitgliedstaaten nicht weniger als 26 Mitglieder von zwei und weitere 19 Mitglieder von drei Regionalorganisationen. Swasiland und die Demokratische Republik Kongo gehören sogar vier Regionalorganisationen gleichzeitig an.177 Diese Überlappungen führen nicht nur zu unterschiedlichen Interessen in der jeweiligen Organisation, sondern auch zu geteilten Loyalitäten und zur weiteren Aufteilung knapper Ressourcen und Kapazitäten der Mitgliedstaaten. Zudem sind angesichts andauernder finanzieller Engpässe sowohl die AU als auch die RECs von den gleichen Geldgebern abhängig.178 Das MoU vom Juni 2008 versucht hier die unterschiedlichen Aktivitäten besser zu harmonisieren und zu koordinieren und die Konkurrenz um externe Unterstützung abzumildern. Dennoch bleibt die Eingliederung dieser parallelen Strukturen und Aufgabenzuweisungen in die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur eine Herkulesaufgabe für die Afrikanische Union, die dabei ganz erheblich vom politischen Willen 175 Powell, The African Union’s Emerging Peace and Security Regime, 2005, S. 1, 19 f.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 232 f. 176 Franke, Cooperation and Conflict 43/3 (2008), S. 313, 330; ders., Security Cooperation in Africa, 2009, S. 106 f., 233. 177 178
Vgl. Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 231, 256 ff.
Zum Ganzen Powell, The African Union’s Emerging Peace and Security Regime, 2005, S. 1, 21; Adebajo, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 131, 134; Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 142 ff.; Kinzel, SWP-Studie (2008), S. 1, 13; Mwanasali, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 41, 53 f.; von Soest, GIGA-Fokus 4/2008, S. 1, 3 f.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 256 ff.
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2. Kapitel
der Mitglieder der unterschiedlichen Regionalorganisationen abhängig ist. Dass die Mitgliedstaaten wirklich ernsthaft bereit und in der Lage sind, ihre unterschiedlichen Interessen und Einflussmöglichkeiten in der jeweiligen Regionalorganisation zugunsten der kontinentalen Bemühungen der Afrikanischen Union hinten anzustellen, muss zugegebenermaßen bislang eher bezweifelt werden.179
X. Kooperationsverhältnisse zu außerafrikanischen Akteuren 1. Die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen Das rechtlich schwierige Verhältnis zwischen Afrikanischer Union und Vereinten Nationen wird in Kapitel 6 und 7 ausführlich untersucht. Grundsätzlich sollen der Friedens- und Sicherheitsrat und der Kommissionsvorsitzende eng und kontinuierlich mit dem UN-Sicherheitsrat, dessen primäre Verantwortlichkeit für den Erhalt des internationalen Friedens und Sicherheit unberührt bleiben soll, dessen afrikanischen Mitgliedern, dem UN-Generalsekretär, den UN-Unterorganisationen und anderen Internationalen Organisationen zusammenarbeiten.180 Die AU behält sich vor, zur Erfüllung ihrer Verantwortung nach Kapitel VIII UN-Charta, die Vereinten Nationen um finanzielle, logistische und militärische Unterstützung zu bitten, falls dies notwendig wird.181 Andere Organisationen können sich an den Friedens- und Sicherheitsrat wenden, wenn es um Gegenstände gemeinsamen Interesses geht und der Friedens- und Sicherheitsrat dies für notwendig erachtet.182 Bereits die OAE hat auf institutioneller Ebene relativ eng mit dem UNGeneralsekretär zusammengearbeitet. Die Vereinten Nationen sind seit längerem mit einem Verbindungsbüro in Addis Abeba vertreten. 1990 wurde zwischen der OAE und den Vereinten Nationen ein erneuertes Kooperationsabkommen, das das Abkommen vom 15. November 1965
179
Ebenso Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 263 f.
180
Art. 17 Abs. 1, 3 und 4 ProtokollPSC.
181
Art. 17 Abs. 2 ProtokollPSC.
182
Art. 17 Abs. 4 S. 2 ProtokollPSC.
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ersetzt, unterzeichnet,183 das auch auf die engere Zusammenarbeit der Sekretariate gerichtet ist.184 Durch den Bericht „A more secure world“ des UN-Generalsekretärs wurde 2004 die Kooperation zwischen den Vereinten Nationen und Regionalorganisationen verstärkt auf die politische Tagesordnung gerückt. Letztere sollen z.B. ihre PeacekeepingEinheiten in das UN Standby Arrangement System (UNSAS) integrieren. Die UN-Mitgliedstaaten sollen wiederum Abkommen schließen, die es den Vereinten Nationen ermöglichen, ihre Ausrüstung Regionalorganisationen für deren Friedenseinsätze zur Verfügung zu stellen.185 2006 unterzeichneten der UN-Generalsekretär und der Kommissionsvorsitzende in Weiterentwicklung des Kooperationsabkommens von 1990 eine Deklaration zur Verbesserung der UN-AU-Kooperation und zur Verbesserung der Kapazitäten der Afrikanischen Union in den Bereichen Frieden und Sicherheit, Wahlen, Peacekeeping, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit über einen Zeitraum von zehn Jahren.186 Ein solches Abkommen hatte Kofi Annan in seinem Bericht „In Larger Freedom“ im März 2005 gefordert.187 Mitte Dezember 2006 schlug der Friedens- und Sicherheitsrat dann ein Coordination and Consultation Mechanism between the African Union Peace and Security Council and the United Nations Security Council vor.188 Im Juni 2007 verabschiedeten der UN- und der AU-Sicherheitsrat eine gemeinsame Erklärung,
183
Co-operation Agreement between the United Nations and the Organization of African Unity vom 9. Oktober 1990, U.N.T.S. Vol. 1580 (1990), S. 437. 184 Vgl. zur OAE-UN-Kooperation Kern, Global Governance durch UN und Regionalorganisationen, 2002, S. 88 ff.; Matthies, Vereinte Nationen 2 (2002); S. 51 ff.; Cilliers, The United Nations and Africa, Thesenpapier vom 18. April 2007, S. 1 ff.; Andrews/Holt, Stimson Center Issue Brief (2007), S. 1 ff. 185 „A more secure world: Our shared responsibility”, UN Report of the Secretary-General’s High-level Panel on Threats, Challenges and Change, 2004, S. 71. 186 Declaration Enhancing UN-AU-Cooperation; Framework for the TenYear Capacity Building Programme for the African Union vom 16. November 2006; Decision on Enhancing UN-AU Cooperation: Framework for the TenYear Capacity-Building Programme for the African Union, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.140 (VIII), Assembly of the African Union, 8th Ordinary Session vom 29. – 30. Januar 2007. 187 188
In Larger Freedom, A/59/2005 vom 21. März 2005, para 213.
Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm (LXVIII), Peace and Security Council, 58th Meeting vom 14. Dezember 2006.
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2. Kapitel
die Planungen für eine verstärkte institutionelle Kooperation zwischen beiden Organisationen vorsieht.189 Jenseits aller politischen Erklärungen unterstützt die Hauptabteilung für Friedenssicherungseinsätze bei den Vereinten Nationen (DPKO) die AU mit ihrer Expertise vor allem beim Ausbau der militärischen Kapazitäten und insbesondere der Bereitschaftsarmee.190 Auch die AUMission in Darfur wurde am Hauptquartier in Addis Abeba durch Spezialisten der Vereinten Nationen technisch und planerisch beraten.191 2006 wurde ein Peace Support Team der Vereinten Nationen eingerichtet, dass sowohl in New York als auch in Addis Abeba den Ausbau der Friedenskapazitäten der AU unterstützt und sie in finanziellen und logistischen Fragen berät.192
2. Die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union Bereits vor der Gründung der Afrikanischen Union entwickelte sich eine europäische Sicherheitspolitik gegenüber Afrika, die seit den 1990ern Fragen der Menschenrechte, Demokratieförderung und Konfliktbearbeitung in den Blick nahm.193 Seitdem hat sich die Zusammenarbeit zwischen der neugegründeten AU und der Europäischen Union grund-
189
Joint Communiqué Agreed by the UN Security Council and AU Peace and Security Council vom 16. Juni 2007. 190 Vgl. Holt/Shanahan, African Capacity Building for Peace Operations, Februar 2005, S. 54 f. S.a. § 11 SR-Res. 1809 vom 16. April 2008. 191 Vgl. Sudan: New mission deploys, provides assistance to the African Union in Darfur, in: United Nations Peace Operations Year in Review, 2005. 192 Dazu Andrews/Holt, Stimson Center Issue Brief (2007), S. 1, 5; kritisch Cilliers, The United Nations and Africa, Thesenpapier vom 18. April 2007, S. 1, 5, der moniert, dass anderen Bereichen, wie dem Kommissar für Frieden und Sicherheit, nicht ausreichend Personal sekundiert wird, vor allem zur Planung der AU-Missionen und zum allgemeinen capacity building. 193
Vgl. The EU and the issue of conflicts in Africa: peace-building, conflict prevention and beyond, Dok.Nr. SEC (96) 332 final, Europäische Kommission vom 6. März 1996; Conflict prevention and resolution in Africa - Common Position, Council of the European Union vom 2. Juni 1997, ABl. EG L 153 vom 11. Juni 1997, S. 1 f. Zur AU-EU-Kooperation ausführlich Schmidt, in: MüllerBrandeck-Bocquet et al. (Hrsg.), Die Afrikapolitik der Europäischen Union, 2007, S. 93 ff.; ders., GIGA-Fokus 5/2008, S. 1 ff.
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legend verändert und auf allen Ebenen intensiviert.194 Die Europäische Union ist mit der African Peace Facility der wichtigste externe Geldgeber der afrikanischen Konfliktbewältigungs- und Friedensbemühungen. Unterstützt wird außerdem der institutionelle Aufbau der AU (insbesondere die Kommission), die verstärkte Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen AU und RECs sowie die Schaffung von Frieden, menschlicher Sicherheit und guter Regierungsführung. Hierfür verabschiedete die EU-Kommission im Oktober 2006 ein Support Programme to the African Union im Umfang von 55 Mio. € bis zum Jahr 2013.195 Zugleich beschlossen die AU und die Europäische Union ein Twinning-Programm zur Verbesserung der institutionellen Zusammenarbeit der Kommissionen durch Training und Ausbildung sowie befristeten Austauschs von AU- bzw. EU-Experten.196 Zwischen beiden Organisationen finden überdies regelmäßig EU-Afrika-Troika-Treffen statt,197 die der Diskussion verschiedenster Themen dienen.198 2005 verabschiedete die Europäische Union ihre erste Afrikastrategie, die auf einer Reihe älterer EU-Dokumente199 basiert. Damit wird in der 194
Zu den verschiedenen EU-Akteuren in der Afrikapolitik übersichtlich Schukraft, in: Müller-Brandeck-Bocquet et al. (Hrsg.), Die Afrikapolitik der Europäischen Union, 2007, S. 127 ff. 195 Vgl. Joint Declaration, Meeting of the African Union Commission and the European Union Commission vom 2. Oktober 2006. 196
Memorandum of Understanding on the establishment of a partnership between the Commission of the European Communities and the Commission of the African Union to foster twinning and exchange vom 2. Oktober 2006. 197
Die EU-Afrika-Troika besteht im Kern aus der zum Zeitpunkt des Treffens gegenwärtigen und nächsten EU-Ratspräsidentschaft, der EU-Kommission, dem gegenwärtigen und nächsten Vorsitzenden der AU-Versammlung und der AU-Kommission, vgl. § 100 The Africa-EU Strategic Partnership – A Joint Africa-EU Strategy. 198 Vgl. z.B. Final Communiqué, 7th EU-Africa Ministerial Troika Meeting vom 10. Oktober 2006; Final Communiqué, 8th EU-Africa Ministerial Troika Meeting vom 15. Mai 2007. 199
Ein sicheres Europa in einer besseren Welt, Dok.Nr. 15895/03, Rat der Europäischen Union vom 12. Dezember 2003; Die Entwicklungspolitik der Europäischen Union „Der Europäische Konsens“, Gemeinsame Erklärung des Rates, des Europäischen Parlaments und der Kommission, Dok.Nr. KOM (2005) 311 endgültig, Kommission der Europäischen Union vom 13. Juli 2005; Eine Strategie der Europäischen Union für Afrika: Wegbereiter für einen Europa-AfrikaPakt zur Beschleunigung der Entwicklung Afrikas, Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialaus-
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europäischen Afrikapolitik zum einen der Fokus auf ganz Afrika (also einschließlich Nordafrikas) gelegt, zum anderen wird versucht, die Afrikapolitik der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten zusammenzubringen.200 Hauptziel der Afrikastrategie ist die Verwirklichung der Millenium Development Goals und die Förderung nachhaltiger Entwicklung, Sicherheit und guter Regierungsführung in Afrika. Die in der Strategie formulierte Sicherheitspolitik der Europäischen Union geht dabei von den Grundprinzipen aus, dass Frieden Vorbedingung für Entwicklung und dass „African Leadership“ notwendig für die Befriedung des Kontinents ist. Trotz der primären Verantwortung der AU behält sich die Europäische Union jedoch vor, mit zivilen und militärischen Mitteln, z.B. durch die EU-Battlegroups,201 im Rahmen von GASP und ESVP notfalls einseitig in afrikanische Krisensituationen einzugreifen. Die Europäische Union will ferner die Good Governance-Initiativen der AU und besonders den African Peer Review Mechanism im Rahmen der NEPAD unterstützen.202 Desgleichen sollen die afrikanischen Parlamente und die Zivilgesellschaft gefördert werden. Am 9. Dezember 2007 unterzeichneten beide Organisationen auf ihrem Gipfel in Lissabon eine neue gemeinsame EU-AU Strategische Partnerschaft.203 Sie basiert auf gemeinsamen Werten wie Demokratie, Respektierung der Menschenrechte, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Die Beziehungen beider Organisationen sollen auf ein neues Niveau gestärkter politischer Partnerschaft und verbesserter Kooperation auf allen Ebenen gehoben werden. Gemeinsame Probleme sollen gemeinsam gelöst, Frieden, Sicherheit, demokratische Regierungsführung, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung gestärkt und gefördert werden. Die neue Partnerschaft soll zudem „people-centred“ sein, also die schuss, Dok.Nr. KOM (2005) 489 endgültig, Kommission der Europäischen Union vom 12. Oktober 2005. 200
The EU and Africa: Towards a strategic partnership, Council of the European Union vom 19. Dezember 2005. Vgl. Grimm/Kielwein, DIEStellungnahme 9 (2005), S. 1 ff.; Schmidt, in: Müller-Brandeck-Bocquet et al. (Hrsg.), Die Afrikapolitik der Europäischen Union, 2007, S. 93, 115 ff. 201
Dazu Granholm/Jonson, EU-Battlegroups in Context, FOI-Report 1950, 2006, S. 1 ff.; Mölling, EU-Battlegroups, SWP-Diskussionspapier (2007), S. 1 ff.; Schukraft, in: Müller-Brandeck-Bocquet et al. (Hrsg.), Die Afrikapolitik der Europäischen Union, 2007, S. 127, 160 f. 202 203
Hierzu Kapitel 3.III.4.c.
Dazu Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.), The European Union and Africa, 2008; Schmidt, GIGA-Fokus 5/2008, S. 1, 3.
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Zivilgesellschaften einschließen. Ein erster Aktionsplan 2008 – 2010 zur Umsetzung der strategischen Partnerschaft definiert konkrete Vorhaben mit Zielvorgaben und Finanzierungsvorschlägen in allen Bereichen möglicher Kooperation, darunter Frieden und Sicherheit, demokratische Regierungsführung und Menschenrechte, Handel und Regionalintegration.204 Zur Umsetzung der Partnerschaft werden informelle gemeinsame Expertengruppen eingerichtet.205 Zudem wurden Vertretungen in Brüssel respektive Addis Abeba eingerichtet. Die Fortschritte in den einzelnen Bereichen werden in den EU-Afrika-Troika-Treffen erörtert,206 wobei es noch zu früh ist, konkrete Erfolge in der Umsetzung der strategischen Partnerschaft zu messen.
XI. Die Finanzierung der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur Der Finanzierung der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur kommt ganz wesentliche Bedeutung zu, da von ihr letztlich abhängt, inwieweit die Afrikanische Union ihre Aufgaben überhaupt wahrnehmen kann. Grundsätzlich dient ein als „Peace Fund“ bezeichneter Sonderfonds der Sicherstellung der Finanzierung der Aufgaben des Friedens- und Sicherheitsrates und insbesondere der Friedensmissionen. Er wird aus dem regulären Haushalt der Afrikanischen Union, aber auch aus Spenden der Mitgliedstaaten und anderen afrikanischen Quellen, einschließlich dem privaten Sektor, der Zivilgesellschaft und durch andere angemessene Geldbeschaffungsaktivitäten ausgestattet.207 Beiträge aus dem außerafrikanischen Raum kann der Kommissionsvorsitzende dann annehmen, wenn sie den Zielen und Prinzipien der AU nicht entgegenstehen.208 Innerhalb des Sonderfonds wurde zudem ein revolvie-
204 First Action Plan (2008-2010) for the Implementation of the Africa-EU Strategic Partnership vom 9. Dezember 2007. 205
S.a. Guidelines for Joint Experts Groups vom November 2008.
206
Vgl. EU-Africa Ministerial Troika meeting vom 16. September 2008; Joint Progress Report on the implementation of the Africa-EU Joint Strategy, AfricaEU Ministerial Troika vom 20. – 21. November 2008. 207
Art. 21 Abs. 1 und 2 ProtokollPSC.
208
Art. 21 Abs. 3 ProtokollPSC.
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render Treuhandfonds geschaffen.209 Die Kosten durchzuführender Missionen werden auf die Mitgliedstaaten in dem Maßstab umgelegt, wie sie zur regulären Finanzierung der Afrikanischen Union herangezogen werden. Denjenigen Mitgliedstaaten, die Truppenkontingente stellen, können die Kosten ihrer Beteiligung für einen Zeitraum von drei Monaten ersetzt werden. Die AU versucht, die angefallen Kosten dieser Mitgliedstaaten innerhalb von sechs Monaten zu erstatten, um anschließend zur vollen Finanzierung der Missionen überzugehen.210 Die schnelle Rückerstattung der Kosten ist für die truppenstellenden Staaten wichtig, weil die Truppen zunächst nur für einen Zeitraum von 30 Tagen in den Szenarien 1 bis 3 und 90 Tagen in den Szenarien 4 bis 6 ohne externe Hilfe auskommen sollen, danach aber auf die zusätzliche Hilfe der Vereinten Nationen oder der Afrikanischen Union angewiesen sind, damit sie weiter einsatzfähig bleiben. Aufgrund der Schwierigkeiten, den Staaten die Kosten rechtzeitig zurückzuerstatten, haben sich bisher insbesondere weniger liquide Mitgliedstaaten aus den Einsätzen des Friedens- und Sicherheitsrates herausgehalten.211 Seitens der Europäischen Union werden die afrikanischen Friedensbemühungen durch einen Rapid Reaction Mechanism (RRM) unterstützt. Dieser stellt schnell und unbürokratisch Hilfe in Krisensituationen bereit, dient aber auch dem langfristigen Wiederaufbau.212 Gewichtiger ist aber die im Rahmen der EU-AU-Kooperation Ende 2003/Anfang 2004 ins Leben gerufene African Peace Facility (APF) im Umfang von 250 Mio. € bis 2007, die die AU bei ihren Friedenseinsätzen auf dem Kontinent finanziell unterstützt.213 Durch die APF soll die Afrikanische Union befähigt werden, eigenverantwortlich und selbständig die Konflikte 209
Art. 21 Abs. 4 ProtokollPSC.
210
Art. 21 Abs. 5 bis 7 ProtokollPSC.
211 Vgl. bereits Annex F Policy Framework for the Establishment of the African Standby Force and the Military Staff Committee (Part II), Dok.Nr. Exp/ASF-MSC/2 (I), African Military Experts Meeting vom 12. – 14. Mai 2003. 212 Schukraft, in: Müller-Brandeck-Bocquet et al. (Hrsg.), Die Afrikapolitik der Europäischen Union, 2007, S. 127, 176 f. 213
Securing Peace and Stability for Africa – The EU-Funded African Peace Facility, EU-Kommission Juli 2004. Zum Entwicklungskontext des APF siehe Mid Term Evaluation of the African Peace Facility Framework-Contract vom 1. Dezember 2005, S. 1, 14 ff. S.a. Wadle/Schukraft, IPG 4 (2005), S. 99 ff.; Schukraft, in: Müller-Brandeck-Bocquet et al. (Hrsg.), Die Afrikapolitik der Europäischen Union, 2007, S. 127, 177 ff.; Scorgie, KAIPTC-Paper 16 (2007), S. 1, 14 f.
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auf dem Kontinent in Angriff zu nehmen. Die APF geht auf eine Anfrage der AU-Versammlung auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Maputo, Mosambik im Juli 2003 zurück, in der die Europäische Union um den Aufbau einer Peace Support Operation Facility for the African Union gebeten wurde, um die AU bei friedenserhaltenden und friedenskonsolidierenden Einsätzen zu unterstützen und so ihre Kapazitäten in diesem Bereich zu erhöhen.214 Die APF speist sich aus dem 9. Europäischen Entwicklungsfonds, nachdem sich im Dezember 2003 der AKP-EG-Ministerrat darauf geeinigt hatte, dass bisher nicht zugewiesene Mittel für langfristige Entwicklung, aber auch den einzelnen AKP-Ländern zugewiesene Mittel für den Aufbau der APF genutzt werden sollen.215 Von den bewilligten 250 Mio. € wurden 200 Mio. € für friedensunterstützende Maßnahmen, 35 Mio. € für den Ausbau der Friedenskapazitäten und 15 Mio. € für Revision und Evaluation des Programms veranschlagt.216 Es werden allerdings durch die APF keine militärischen Güter, wie Waffen, Munition oder militärische Ausrüstung finanziert, da durch den Europäischen Entwicklungsfond nur zivile Zwecke gefördert werden dürfen.217 Für die Jahre 2008 bis 2010 wurden im Rahmen des 10. Europäischen Entwicklungsfonds weitere 300 Mio. € bewilligt.218
214
Decision on the Establishment by the European Union of a Peace Support Operation Facility for the African Union, Dok.Nr. ASS/AU/Dec. 21(II), Assembly of the African Union, 2nd Ordinary Session vom 10. – 12. Juli 2003. 215 Beschluss Nr. 3/2003, AKP-EG-Ministerrat vom 11. Dezember 2003, ABl. EG L 345/108 vom 31. Dezember 2003. Seine notwendige Grundlage findet der APF in Art. 11 Cotonou-Abkommen. Zur rechtlichen Problematik der Finanzierung der APF aus Mitteln des Europäischen Entwicklungsfonds eingehend Zimmermann, in: Kadelbach (Hrsg.), Die Außenbeziehungen der Europäischen Union, 2006, S. 109, 120 ff. Zur politischen Diskussion über die Finanzierung der europäischen Afrikapolitk Schukraft, in: Müller-Brandeck-Bocquet et al. (Hrsg.), Die Afrikapolitik der Europäischen Union, 2007, S. 127, 179 ff. 216
Fact Sheet on the African Peace Facility, EU-Kommission vom Juli 2006.
217
Wadle/Schukraft, IPG 4 (2005), S. 99, 102.
218
Verordnung (EG) Nr. 617/2007 des Rates vom 14. Mai 2007 über die Durchführung des 10. Europäischen Entwicklungsfonds nach dem AKP-EGPartnerschaftsabkommen, ABl. EG L 152/1 vom 13. Juni 2007. S.a. Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Finanzierung der im mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2008 - 2013 bereitgestellten Gemeinschaftshilfe im Rahmen des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens und über die Bereitstellung von Finanzhil-
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Die AU bekommt in der Praxis Mittel aus der APF sehr kurzfristig durch Anfrage bei der EU-Kommission und nach Entscheidung des EEF-Komitees und des Ministerrates.219 Die AU ist hierbei für die sachgemäße Verwendung der bewilligten Mittel alleinverantwortlich.220 Bereits im Juli 2004 wurden die ersten 12 Mio. € für die AU-Mission in Darfur bewilligt, im September 2004 weitere 6 Mio. € für den Ausbau der AU-Kapazitäten im Bereich Frieden und Sicherheit. Bis Ende Juni 2006 wurden insgesamt 192 Mio. € für die AU-Mission in Darfur ausgegeben und knapp 20 Mio. € für die FOMUC-Mission in der Zentralafrikanischen Republik.221 Mittlerweile werden von anderen Akteuren Überlegungen für eine Peace Support Facility angestellt, die komplementär zur APF laufen und eine längerfristige, sicherere und flexiblere Finanzierung afrikanischer Friedeneinsätze gewährleisten soll.222 Letztendlich ist die Finanzierung der AU als solcher und speziell ihrer Bemühungen im Bereich Frieden und Sicherheit also im Wesentlichen von externer Unterstützung abhängig,223 die sie nur zu einem gewissen Grade beeinflussen kann: vor allem von der Europäischen Union, dem Internationalen Währungsfond, der Weltbank, dem UNDP und einer Reihe von Einzelstaaten wie Kanada, Großbritannien oder den USA. Diese Abhängigkeit hat denn auch gravierende Auswirkungen auf die Fähigkeit der AU, im Rahmen ihrer Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur autonom Frieden, Stabilität und Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent zu gewährleisten. Die Schwierigkeiten bei der Finanzierung der vielfältigen Aufgaben und damit einhergehend auch die chronische Unterbesetzung und mangelnde Ausstattung des Friedensfe für die überseeischen Länder und Gebiete, auf die der vierte Teil des EGVertrags Anwendung findet, ABl. EG L 247/32 vom 9. September 2006. 219
Wadle/Schukraft, IPG 4 (2005), S. 99, 102 f.
220
Schukraft, in: Müller-Brandeck-Bocquet et al. (Hrsg.), Die Afrikapolitik der Europäischen Union, 2007, S. 127, 177. 221
Fact Sheet on the African Peace Facility, EU-Kommission vom Juli 2006.
222
Communiqué, Annual Consultation between the African Union (AU), the Regional Economic Communities (RECs)/Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Management and Resolution, the G8 Member Countries and other Partners vom 14. Mai 2007. 223 Ebenso Schmidt, GIGA-Fokus 5/2008, S. 1, 6; Cilliers, ISS-Paper 160 (2008), S. 1, 11 f. S.a. Klingebiel et al., DIE-Studies 38 (2008), S. 70 ff. und Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 239 ff. mit guter Übersicht über die einzelnen Unterstützungsleistungen verschiedener Staaten und Internationaler Organisationen.
Der Friedens- und Sicherheitsrat
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und Sicherheitsrates und der Kommission stellen sicherlich eines der größten Hindernisse für die vielfältigen afrikanischen Friedensbemühungen dar,224 umso mehr, weil die Kosten der Friedenseinsätze das reguläre Budget der AU, aber auch des APFs um ein vielfaches übersteigen. Alleine die UNAMID-Mission in Darfur kostete im Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2010 schätzungsweise 1,6 Mrd. US-$, so dass schon hieran deutlich wird, wie weit das APF-Budget von 300 Mio. € für alle Friedensaktivitäten der AU hinter der tatsächlich notwendigen Ausstattung der afrikanischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur zurückbleibt.225
XII. Zwischenergebnis Mit dem Friedens- und Sicherheitsrat und der afrikanischen Bereitschaftsarmee haben die AU-Mitgliedstaaten die Themen Frieden, Sicherheit und Verteidigung – in Abkehr von unzähligen ad hoc-Gremien und durchsetzungsschwacher OAE-Organe – fest in der neuen afrikanischen Sicherheitsarchitektur verankert. Der Friedens- und Sicherheitsrat befasst sich trotz der die gesamte AU schwächenden personellen und finanziellen Restriktionen zügig mit den Krisen und Konflikten auf dem afrikanischen Kontinent. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern nimmt er seine Aufgaben dabei umfassend, durchsetzungsstark und recht transparent wahr. Er hat für die Förderung von Frieden, Stabilität und Sicherheit in Afrika eine weitaus größere Bedeutung als z.B. die Versammlung, die aufgrund ihrer Zusammensetzung und der wenigen Sitzungen im Jahr kaum effizient auf Krisen reagieren kann. Der Friedens- und Sicherheitsrat kann deshalb durchaus als der wichtigste institutionelle Grundpfeiler der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur bezeichnet werden. Die RECs sind fester Bestandteil der afrikanischen Sicherheitsarchitektur. Aufgrund ihrer engen Verzahnung mit der Afrikanischen Union beim Aufbau der Bereitschaftsarmee aber auch ganz generell bei der regionalen und kontinentalen Konfliktbewältigung schlagen alle Schwä224
Ebenso Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 266 f.
225 Zum Ganzen Wadle/Schukraft, IPG 4 (2005), S. 99, 108 f.; Cilliers, The United Nations and Africa, Thesenpapier vom 18. April 2007; Andrews/Holt; Stimson Center Issue Brief (2007); Kinzel, SWP-Studie (2008), S. 1, 7, 23 f. errechnet für die UN-Missionen im Jahr 2008 Kosten von fast 5 Mrd. US-$.
98
2. Kapitel
chen und Probleme, die auf der regionalen Ebene entstehen, direkt und spürbar auf die kontinentale Ebene durch. So befindet sich der Aufbau der Bereitschaftsarmee zeitlich weit im Rückstand; gleiches gilt für das kontinentale Frühwarnsystem. Auf der anderen Seite sichert die enge Zusammenarbeit den beiden Ebenen komparative Vorteile, gebündelte internationale Verhandlungsmacht und ein höheres Maß politischer Legitimation durch den Ausgleich unterschiedlicher Sicherheitsinteressen und die Kontrolle regionaler Hegemone. Wenn alle Mechanismen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur einmal implementiert sind, können die gravierenden Nachteile, die durch die Proliferation regionaler Wirtschafts- und Sicherheitsorganisationen mit überschneidenden Mitgliedschaften, unterschiedlich weit gehendem Integrationsstand und divergierenden Sicherheitsinteressen zu verzeichnen sind, auf kontinentaler Ebene im Rahmen der Versammlung, des Friedens- und Sicherheitsrates und des Panafrikanischen Parlaments durchaus ausgeglichen und so Frieden, Sicherheit und Stabilität auf dem gesamten Kontinent besser gewährleistet werden.
Der Friedens- und Sicherheitsrat
99
XIII. Diagramm: Organisationsstruktur der Afrikanischen Union Versammlung NEPAD HSGIC/HSG OC AUGerichtshof
Afrik. Bereitschaftsarmee
Menschenrechtskommission
ECOSOCC
Friedens- & Sicherheitsrat
Ministerrat
Militärstab
Komitee st. Vertreter
Panafrik. Parlament
Techn. Komitees Finanzinstitutionen
Kommission Gremium der Weisen
NEPAD Sekretariat /NPCA Abt. f. Friedenund Sicherheit
Kontinentales Frühwarnsystem
3. Kapitel: Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union Wurden in den beiden vorangehenden Kapiteln die grundlegenden Organisations- und Entscheidungsstrukturen erörtert, soll in der Untersuchung der kontinentalen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur nunmehr der Blick auf die hierfür maßgeblichen Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union gerichtet werden. Diese ergeben sich generell aus dem Gründungsdokument und können bei einer Regionalorganisation insgesamt ähnlich weit reichen wie die der Vereinten Nationen, nur dass sie auf die eigene Region bezogen bleiben.1 Die Afrikanische Union wurde im Wesentlichen mit dem Ziel gegründet, die sozio-ökonomische Entwicklung und Integration des Kontinents, die Demokratisierung der Mitgliedstaaten, die Beachtung der Menschenrechte und die Schaffung von Frieden, Stabilität und Sicherheit in Afrika voranzubringen. Die Ziele und Prinzipen der AU aus Art. 3 und 4 KA-AU entsprechen partiell denen der OAE und der Vereinten Nationen. Sie gehen jedoch, wie gezeigt werden soll, in vielerlei Hinsicht über diese hinaus. Aus der Gesamtschau der Ziele und Prinzipien lassen sich die Funktionen ableiten, die die Afrikanische Union erfüllen soll und für deren Wahrnehmung ihr Kompetenzen von den Mitgliedstaaten übertragen und die bereits untersuchten Organe eingerichtet wurden.2 Die Ziele legen hierbei die Politikbereiche fest, in denen die AU tätig werden kann, die Prinzipien stellen die Bedingungen auf, die die Organisation und die Mitgliedstaaten bei ihren Handlungen zu beachten haben. Die Ziele und Prinzipien der KA-AU sind demzufolge nicht nur politischer oder deklaratorischer Natur, sondern als Aufgaben- und Zuständigkeitsübertragungen zu verstehen, die konkrete Rechtsetzungsak1 Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 805, 2202 f.; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, § 64. S.a. Schreuer, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalisierung (92), Rn. 19. 2 Dazu schon Virally, in: Abi-Saab (Hrsg.), The concept of international organization, 1981, S. 50, 53 f., 59; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, §§ 209 f. Vgl. auch Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 351 ff. Rn. 188 ff. zur Aufgaben- und Kompetenzübertragung auf Internationale Organisationen.
D. Barthel, Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 224, DOI 10.1007/978-3-642-20034-2_4, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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102
3. Kapitel
te und Maßnahmen sowie Rechte und Verpflichtungen der Organisation und der Mitgliedstaaten zeitigen.3 Ordnet man vor diesem Hintergrund die insgesamt 35 Ziele und Prinzipien der Afrikanischen Union in Art. 3 und 4 KA-AU und der Vertragsänderung4 thematisch, so stützt sich die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur auf die folgenden neun Grundprinzipien:5 1. die souveräne Gleichheit und Interdependenz der Mitgliedstaaten; 2. die Nichteinmischung eines Mitgliedstaates in die inneren Angelegenheiten eines anderen Mitgliedstaates; 3. die friedliche Beilegung von Konflikten unter den Mitgliedstaaten und das Verbot der Anwendung oder Androhung von Gewalt; 4. der Respekt vor den seit Erreichen der Unabhängigkeit bestehenden Grenzen; 5. die Verurteilung und Ablehnung von Terrorismus und Subversion; 6.
die Verurteilung und Ablehnung verfassungswidriger Regierungswechsel;
7.
das Recht der AU auf Intervention in einem Mitgliedstaat;
8. die gemeinsame Verteidigungspolitik; 9. der Respekt vor demokratischen Grundsätzen, Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und guter Regierungsführung. Der genaue Inhalt und Umfang dieser neun Grundprinzipien soll in diesem Kapitel herausgearbeitet werden. Hierfür sollen zunächst zwei besonders wesentliche Grundsätze der OAE erörtert werden, die sich in dieser Form in der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur nicht mehr finden, die AU aber weiterhin prägen (I.). Da die ersten drei Grundprinzipien den Grundsätzen aus Art. 2 UN-Charta bzw. völkergewohnheitsrechtlichen Entsprechungen zugeordnet werden können,
3
Maluwa, AJoCIL 12 (2000), S. 201, 222, 224; Kindiki, AHRLJ, 3 (2003), S. 97, 110. 4 Art. 3 und 4 Protocol on Amendments to the Constitutive Act of the African Union, Assembly of the Union, 1st Extraordinary Session vom 3. Februar 2003 und 2nd Ordinary Session vom 11. Juli 2003. Ausführlich dazu Maluwa, NILR 51(2004), S. 195 ff. 5
Ähnlich Williams, African Affairs 106/423 (2007), S. 253, 261.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
103
sollen sie anschließend eher knapp erörtert werden (II.). Die letzten sechs Grundprinzipien stellen hingegen Eigentümlichkeiten der Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union dar, die stark von der völkerrechtlichen Entwicklung seit Bestehen der OAE geprägt und vor diesem Hintergrund einzuordnen sind (III.). Auch sie werden zunächst in ihren jeweiligen völkerrechtlichen Kontext eingebettet. Vor allem aber sollen in ihrer Analyse die Besonderheiten der afrikanischen Sicherheitsarchitektur herausgearbeitet werden, die den Handlungsrahmen der AU prägen und ihn von anderen Internationalen Organisationen unterscheidet. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Entwicklung des Menschenrechtsschutzes, von Rechtsstaatlichkeit und guter Regierungsführung unter der Ägide der AU gerichtet. In die nun folgenden Betrachtungen wird die OAE/AU-Praxis einbezogen, soweit sie geeignet ist, die Entwicklung und den aktuellen Stand der Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur nachzuzeichnen. Die gemeinsame Verteidigungspolitik nach Art. 4 lit. d) KA-AU und das Interventionsrecht nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU werden gesondert in den Kapiteln 4 und 5 behandelt.
I. Besonderheiten der OAE-Sicherheitspolitik Um die Entwicklung und Schwerpunktverschiebung hin zum jetzigen Kompetenzrahmen der Afrikanischen Union hervorzuheben, sollen zunächst zwei Besonderheiten der Sicherheitspolitik der OAE erörtert werden. Gemäß Art. II Abs. 1 lit. a), c) und d) OAE-Charta hatte die OAE im Kern folgende Zielsetzungen: •
die Förderung der Einheit und Solidarität der afrikanischen Staaten;
•
die Verteidigung der Souveränität, territorialen Integrität und Unabhängigkeit;
•
die Beseitigung aller Formen von Kolonialismus in Afrika.
Vier Prinzipien in Art. III OAE-Charta bildeten die „articles of faith“6 der Sicherheitskultur der OAE:7 Grundlegendes Prinzip war die souveräne Gleichheit der Mitgliedstaaten, das direkt zum Konsensus-Prinzip innerhalb der OAE führte. In Übereinstimmung mit dem Prinzip der 6
Elias, AJIL 59/2 (1965), S. 243, 248.
7
Vgl. Williams, African Affairs, 106/423 (2007), S. 253 ff.
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3. Kapitel
souveränen Gleichheit und der UN-Charta wurde ferner das Prinzip der Nichteinmischung institutionalisiert. Dem damaligen tansanischen Präsidenten Nyerere zufolge sollte das Prinzip der Nichteinmischung vor allem bedeuten, dass die OAE-Mitglieder nicht gegenseitig ihre internen Angelegenheiten beurteilen sollen, da jeder Staat schließlich seine eigenen speziellen Probleme habe.8 Zum ungeschriebenen Grundsatz der OAE wurde außerdem das uti possidetis-Prinzip. Viertes Grundprinzip der OAE war der Kampf gegen Kolonialismus, Imperialismus und Apartheid, als die wesentlichen Hindernisse hin zur Einheit Afrikas.
1. Staatenzentriertheit In Gesamtschau der Ziele und Prinzipien in Art. II und II OAE-Charta lässt sich unschwer die Staatenzentriertheit des „alten“ Sicherheitsverständnisses der OAE erkennen, in dem Staatenrechte und Souveränität weitaus wichtiger waren als der Schutz der Menschenrechte oder das Selbstbestimmungsrecht der Völker.9 Die OAE wirkte vor dem Hintergrund der gerade gewonnenen Unabhängigkeit vieler Mitgliedstaaten und der weißen Minderheitsregime in Südafrika, Namibia und Rhodesien besonders auf die Schaffung der politischen Einheit des Kontinents hin.10 Die ersten drei Prinzipien – die souveräne Gleichheit der Staaten, das Nichteinmischungs- und das uti posseditis-Prinzip – verdeutlichen die Sorge der jungen Mitgliedstaaten, die unumstrittene Regierungskontrolle zu erreichen bzw. nach Erreichen der Unabhängigkeit beizube-
8
Nyerere, JoMAS 1 (1963), S. 1, 5.
9
Dazu Umozurike, African Affairs 78/311 (1979), S. 197, 202; Clapham, Africa and the international system, 1996, S. 111; Mangu, NQHR 23/3 (2005), S. 379, 382. 10 Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 254 f.; mehr auf die wirtschaftliche und sozialen Zielsetzungen als auf politische oder militärische Integration abstellend Naldi, The Organization of African Unity, 2. Aufl. 1999, S. 4 f.; Amate, Inside the OAU, 1986, S. 61 weist darauf hin, dass in Art. II Abs. 2 OAECharta in jedem Politikbereich das Wort „Kooperation“ eingefügt worden war, um zu unterstreichen, dass die OAE ausdrücklich nur ein Kooperationsgremium sein sollte und keine politische Union, die den Verlust staatlicher Souveränität beinhalte.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
105
halten.11 Zum Zeitpunkt der Gründung der OAE herrschte zudem die Meinung vor, dass die Souveränität der Mitgliedstaaten sakrosankt sei und die OAE sich nicht in innerstaatliche Konflikte einmischen dürfe, auch nicht bei schwersten Menschenrechtsverletzungen.12 Aufgrund der strikten Interpretation des Souveränitätsprinzips wurden internationale und nationale Forderungen in Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen und undemokratische Regierungsführung als Vorwand für die Untergrabung der gerade gewonnenen Souveränität angesehen und als politische Opposition zum Machthaber empfunden.13 Bezüge zu Menschenrechten sind in der OAE-Charta hingegen eher indirekter Natur, z.B. in der Präambel, die vom Recht der Völker, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, spricht, oder davon, dass Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde essentielle Ziele für das Erreichen der legitimen Hoffnungen der afrikanischen Völker sind. Letztendlich sind die Zielsetzungen und Grundsätze der OAE-Charta vor allem Ausdruck für die Festschreibung der Rechte der afrikanischen Staaten und der Staats- und Regierungschefs, nicht jedoch der afrikanischen Völker. Dies blieb nicht ohne Folgen für die Menschenrechtssituation in den einzelnen OAE-Mitgliedstaaten.14 Das Festhalten am Nichteinmischungsprinzip, auf das sich afrikanische Staatslenker vor, während und nach begangenen Gräueltaten beriefen, trug nach allgemeiner Einschätzung denn auch maßgeblich zum Versagen der OAE in den Bereichen Friedenssicherung, Konfliktbewältigung und Menschenrechtsschutz bei.15
11
Welch, JoMAS 19/3 (1981), S. 401 f.; Rechner, VanJTL 39 (2006), S. 543,
547. 12
Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 39; Maluwa, NILR 51 (2004), S. 195, 217; Umozurike, African Affairs 78/311 (1979), S. 197, 198 ff. mit eingehenden Beispielen zu dieser Praxis. 13
Naldi, The Organization of African Unity, 2. Aufl. 1999, S. 6; Baimu/ Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 39; Mangu, NQHR 23/3 (2005), S. 379, 381. 14 15
In diese Richtung auch Mangu, SAYIL 29 (2004), S. 136, 139 f.
Ebenso van Walraven, The Role of the Organization of African Unity in the Politics of Africa, 1999, S. 267 ff., 282 ff.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 163 f.
106
3. Kapitel
2. Dekolonisierung und Anti-Apartheidkampf Der Kampf gegen Kolonialherrschaft und Apartheid war ein ganz wesentlicher Aspekt der Sicherheitspolitik der OAE bis zum Fall des Apartheidregimes in Südafrika 199416 und prägt noch immer das Sicherheitsverständnis der Afrikanischen Union. Art. III Abs. 6 OAECharta, der als Ziel die Befreiung aller abhängigen Gebiete in Afrika festlegt, reflektiert primär das Recht auf Selbstbestimmung der Völker vor dem Hintergrund afrikanischer Kolonialismuserfahrungen. Der Inhalt des Selbstbestimmungsrechts wird u. a. in der Friendly Relations Declaration umschrieben.17 Als Norm des Völkergewohnheitsrechts18 und zwingendes Völkerrecht19 ist das Selbstbestimmungsrecht von wesentlicher Bedeutung als Grundlage der Dekolonisierung abhängiger Gebiete, worunter die Verselbständigung eines bis dahin in rechtlicher Abhängigkeit befindlichen Gebiets zum völkerrechtlich souveränen Staat verstanden wird.20 Während des Dekolonisierungsprozesses war das Selbstbestimmungsrecht der Völker gleichbedeutend mit dem Recht auf einen eigenen politischen Status, d.h. mit einem Recht auf Loslö16
Vgl. Naldi, The Organization of African Unity, 2. Aufl. 1999, S. 16; van Walraven, The Role of the Organization of African Unity in the Politics of Africa, 1999, S. 211 ff. 17
Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der UN-Charta, A/RES/2625 (XXV) Annex der Generalversammlung vom 24. Oktober 1970 (Friendly Relations Declaration). Vgl. auch Art. 1 Abs. 1 S. 1 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966, BGBl. 1973 II, S. 1534; Art. 20 Abs. 1 Banjul-Charta. 18 Vgl. IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1971, S. 3 para 52; IGH, Western Sahara, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1975, S. 12 para. 54 f.; Kunig, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Entkolonisierung (15), Rn. 12; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, Rn. 778. 19 Dazu Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 264 ff.; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, Rn. 800; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 27 Rn. 9; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 28. 20 Kunig, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Entkolonisierung (15), Rn. 1 ff.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 27 Rn. 4; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 204 Rn. 116. S.a. Higgins, in: Dahlitz (Hrsg.), Secession and International Law, 2003, S. 21, 24. Aus historischer Perspektive untersucht die Dekolonisierung und Staatenwerdung in Afrika seit den 1950ern Meredith, The State of Africa, 2005.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
107
sung aus dem bisherigen Kolonialstaat.21 Dekolonisierung kann so als ein Anwendungsfall des Selbstbestimmungsrechts verstanden werden, ist aber nicht auf diesen beschränkt.22 Art. III Nr. 6 OAE-Charta wurde außerdem als Gebot für die Mitgliedstaaten verstanden, eine bestimmte Außenpolitik zu betreiben.23 Für die OAE war dieses Prinzip nämlich nicht nur beschränkt auf abhängige Gebiete, sondern ebenfalls anwendbar auf das Apartheidregime in Südafrika und auf Namibia.24 War bei Gründung der OAE die Hoffnung der damaligen Staateneliten darauf gerichtet, dass der afrikanische Kontinent und die einzelnen Staaten eine größere Rolle in der Welt spielen und einen gleichberechtigten Status neben den anderen Kontinenten erhalten würden, standen die Existenz kolonialer Staaten und weißer Minderheitsregime diesen Machtansprüchen entgegen und bildeten für die Nachbarstaaten Südafrikas und Rhodesiens eine konstante Bedrohung.25 Gleichwohl war die massive Unterstützung für Dekolo21 Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SVN, 2001, S. 70 f.; Nzisabira, Von der Organisation der Afrikanischen Einheit zur Afrikanischen Union, 2006, S. 21 f. 22 Man denke nur an die Wiedervereinigung Deutschlands als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts. Dazu Kunig, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Entkolonisierung (15), Rn. 3; Klabbers/Lefeber, in: Brölmann et al. (Hrsg.), Peoples and Minorities in International Law, 1993, S. 37, 40 f.; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, Rn. 781 f.; anders Thürer, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, 1976, S. 153 f. 23 Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, 1981, S. 111; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 70 f. 24 Naldi, The Organization of African Unity, 2. Aufl. 1999, S. 15 f.; Kunig, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Entkolonisierung (15), Rn. 6 f. 25 van Walraven, The Role of the Organization of African Unity in the Politics of Africa, 1999, S. 211. Vgl. z.B. Declaration on Southern Africa made by the Assembly of Heads of State and Government of the Organization of African Unity, Dok.Nr. AHG/Decl. 1 (XX), Assembly of Heads of State and Government of the OAU, 20th Ordinary Session vom 12. – 15. November 1984: „[…] Yet Africa’s political struggle is not over. Some thirty million people are still subjected to racist minority and colonial rule in South Africa and Namibia. […] While this situation continues, no African can be really free. No independent African State can claim that its sovereignty and independence is assured. As a Continent, Africa is, therefore, still not in a position to assert Africa’s rightful place in the world system of international relations. The total liberation
108
3. Kapitel
nisierungsbewegungen, Befreiungskämpfer und die sogenannten Frontstaaten, die durch das Liberation Committee26 und die OAE-Staaten geleistet wurde, völkerrechtlich nicht unproblematisch. Denn das Selbstbestimmungsrecht der Völker steht in Spannung mit anderen gleichrangigen völkerrechtlichen Grundprinzipien, die in die Art. III Nr. 2, 3 OAE-Charta aufgenommen wurden und die sich auf die territoriale Integrität und die Nichteinmischung in inneren Angelegenheiten eines Staates beziehen.27 Unter Bezug auf § 10 der GA-Res. 2105 (XX) vom 20.12.1965,28 dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker der Friendly Relations Declaration, Art. 7 der Aggressionsdefinition,29 Art. 1 Abs. 4 des I. Zusatzprotokolls30 und Art. 20 Banjul-Charta gingen jedenfalls die OAE-Staaten von der Legalität des bewaffneten Kampfes zur Überwindung institutionalisierter Apartheid aus. Sie rückten insoweit vom Prinzip der Nichteinmischung im Verhältnis zwischen ihren Mitgliedern zu Südafrika, Namibia und Rhodesien ab und erlaubten so den bewaffneten Kampf gegen Apart-
of Africa, and especially the liberation of Namibia and South Africa, thus remains as an urgent and central objective for all the nations and peoples of Africa, both singly and collectively. […] The countries of South Africa and Namibia cannot be excluded from Africa’s commitment to its freedom and its own future. The struggle against Apartheid, and the struggle for Namibian independence, is part of the total struggle for African freedom […].“ 26 Zur Arbeit des Liberation Committee Amate, Inside the OAU, 1986, S. 282 ff.; van Walraven, The Role of the Organization of African Unity in the Politics of Africa, 1999, S. 238 ff. 27 Die Problematik kann hier nur angedeutet werden. Eingehend Elias, AJIL 59/2 (1965), S. 243, 250; Naldi, The Organization of African Unity, 2. Aufl. 1999, S. 6; Castellino, International Law and Self-determination, 2000, S. 75 ff.; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 52 ff.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 29 Rn. 2; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, Rn. 791; Crawford, The Creation of States in International Law, 2. Aufl. 2006, S. 135 ff. 28
GA-Res. 2105 (XX) on the Implementation of the Colonial Declaration vom 20. Dezember 1965. 29 Definition of Aggression, GA-Res. 3314 (XXIX) Annex vom 14. Dezember 1974. 30
Art. 1 Abs. 4 I. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 1977, BGBl. 1990 II, S. 1551.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
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heid.31 Die OAE wertete darüber hinaus den Kampf der Völker, der in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Völkerrechts für ihre Befreiung oder Selbstbestimmung geführt wurde, einschließlich des bewaffneten Kampfs gegen Kolonialismus, Okkupation, Aggression und Vorherrschaft fremder Kräfte nicht als terroristischen Akt.32 Zwar wird gewaltsames Eingreifen von Drittstaaten in nationale Befreiungskämpfe, die mit dem Anspruch eines Volkes auf Selbstbestimmung geführt werden, grundsätzlich als Verstoß gegen das Gewaltverbot und das Interventionsverbot gewertet.33 Die Arbeit des Liberation Committee der OAE und das Vorgehen der meisten OAE-Mitgliedstaaten blieben indes weit unter dieser Schwelle, so dass die Unterstützungspraxis der OAE als völkerrechtskonform angesehen werden kann.34 Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, wie es die OAE verstand und praktizierte, war auf Dekolonisierung und den Kampf gegen Apartheid beschränkt.35 Zudem wurde das äußere Selbstbestimmungsrecht der Kolonialvölker stark durch das uti possidetis-Prinzip eingeschränkt, dem zufolge bestehende koloniale Grenzen zu respektieren waren.36 Jedweder und vor allem ethnisch begründeter Versuch der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts wurde von der OAE als Sezession
31 Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, 1981, S. 374 ff. spricht hier von einer „regionalen Sonderrechtsordnung“ hinsichtlich des „Kampfes gegen Apartheid“. 32 Art. 3 Abs. 1 OAU Convention on the Prevention and Combating of Terrorism vom 14. Juli 1999. 33
Vgl. nur Frowein, in: Tomuschat (Hrsg.), Modern Law of Self-Determination, 1993, S. 211, 214; Crawford, The Creation of States in International Law, 2. Aufl. 2006, S. 139 ff., 147 f.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 206 Rn. 120; a.A. wohl Roth, Governmental Illegitimacy in International Law, 2000, S. 215 f. 34
Amate, Inside the OAU, 1986, S. 282 ff.
35
Ouguergouz/Tehindrazanarivelo, in: Kohen (Hrsg.), Secession, 2006, S. 257, 260; in diese Richtung auch Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 164. 36 Vgl. Kunig, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Entkolonisierung (15), Rn. 11; Klabbers/Lefeber, in: Brölmann et al. (Hrsg.), Peoples and Minorities in International Law, 1993, S. 37, 75; Shaw, BYIL 67 (1996), S. 75, 123 f.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 29 Rn. 6 f.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 205 Rn. 118; dazu auch IGH, Burkina Faso v. Mali Frontier Dispute, I.C.J. Reports 1986, S. 554 para 24 ff.
110
3. Kapitel
gebrandmarkt.37 Nach Ende der Dekolonisierung hat sich die (äußere) Selbstbestimmungsproblematik ganz auf das Recht auf Sezession verlagert. Ein Sezessionsrecht der Völker, abgeleitet aus dem Selbstbestimmungsrecht, wird in der Völkerrechtswissenschaft vor dem Hintergrund der notwendigen Gewährleistung stabiler zwischenstaatlicher Beziehungen, dem Effektivitätsprinzip, der territorialen Integrität und der Souveränität der Staaten nur in engen Ausnahmefällen als zulässig angesehen.38 Die Position der OAE zu Sezessionsbestrebungen hat sich unter Ägide der Afrikanischen Union nicht wesentlich geändert. Eine mit Art. III Nr. 6 OAE-Charta oder Art. 20 Banjul-Charta vergleichbare Bestimmung findet sich in der KA-AU zwar nicht. Jedoch setzt sich die Afrikanische Union nach Art. 3 lit. b) KA-AU das Ziel der Verteidigung der territorialen Integrität der Mitgliedstaaten. Und das Recht auf Intervention in einem Mitgliedstaat nach Art. 4 lit. h) KA-AU im Falle der ernsthaften Bedrohung der legitimen Ordnung oder die Möglichkeit eines Mitgliedstaates gemäß Art. 4 lit. j) KA-AU eine Intervention zu erbitten, könnte von den Mitgliedstaaten dazu missbraucht werden, jegliche Ausübung des Selbstbestimmungsrechts zu unterbinden.39 Der ge37
Sezession kann als Schaffung einer neuen unabhängigen Entität durch die Abtrennung eines Teils des Territoriums und der Bevölkerung eines bereits existierenden Staates ohne dessen Einverständnis vertanden werden. Vgl. Kohen, in: ders. (Hrsg.), Secession, 2006, S. 3. Zur Problematik in Afrika van Walraven, The Role of the Organization of African Unity in the Politics of Africa, 1999, S. 310; Ouguergouz/Tehindrazanarivelo, in: Kohen (Hrsg.), Secession, 2006, S. 257, 265 ff. Hughes, Diplomacy and Statecraft 15/4 (2004), S. 833 ff. und Crawford, The Creation of States in International Law, 2. Aufl. 2006, S. 403 ff. geben einen Überblick über die Vielzahl von Sezessionsversuchen vor allem ethnischer Gruppen nach Erreichung der Unabhängigkeit des Staates: Biafra (Nigeria), Bioko-Äquatorialguinea, Cabinda (Angola), Caprivi Strip/Ihenge (Namibia), Casamance (Senegal), Eritrea (Äthiopien), Kap VerdeGuinea Bissau, Katanga (Kongo/Zaire), Komoren, Ogoni (Nigeria), Sanwi State Movement (Côte d’Ivoire), Somaliland/Punt (Somalia), Südsudan, Südliches Kamerun/Ambazonia (Kamerun) und Westsahara (Marokko/Mauretanien). 38
Vgl. nur Murswiek, AVR 31 (1993) S. 307, 328 ff.; Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 256 ff.; Dugard, in: Dahlitz (Hrsg.), Secession and International Law, 2003, S. 89, 93; Higgins, in: Dahlitz (Hrsg.), Secession and International Law, 2003, S. 21, 36 f.; Crawford, The Creation of States in International Law, 2. Aufl. 2006, S. 415 ff.; Klabbers, HumRQ 28 (2006), S. 186 ff. 39 So die Befürchtung Ouguergouz/Tehindrazanarivelo, in: Kohen (Hrsg.), Secession, 2006, S. 257, 272 f.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
111
naue Gehalt dieser beiden neuen Regelungen wird allerdings noch im Kapitel 5 dieser Arbeit zu klären sein.
II. Grundprinzipien in Anlehnung an Art. 2 UN-Charta 1. Die souveräne Gleichheit und Interdependenz der Mitgliedstaaten Die Gründungsstaaten waren bei der Ausarbeitung der OAE-Charta extrem zurückhaltend, als es um die Übertragung der gerade erst gewonnenen Souveränität und die Einschränkung der Autorität der Staats- und Regierungschefs ging. Vor diesem Hintergrund ist die Aufnahme des Prinzips der souveränen Gleichheit der Mitgliedstaaten in Art. III Nr. 1 OAE-Charta zu sehen. Die OAE-Staaten sorgten sich um die Verteidigung ihrer Souveränität und territorialen Integrität, die in ihren Augen erst nach langer Zeit und unter vielen Opfern erkämpft worden war, aber auch um die anhaltende Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und den in einigen Staaten noch immer vorhandenen Kolonialismus.40 Das Prinzip der souveränen Gleichheit diente außerdem zur Beruhigung der kleineren Mitgliedstaaten, die sich vor der Stärke der größeren Staaten vor allem in Hinblick auf Grenzkonflikte fürchteten.41 Nach dem Prinzip „One State, one Vote“ hatte daher jeder Staat eine Stimme in der OAE-Versammlung und im Ministerrat. Das Prinzip der souveränen Gleichheit führte im Rahmen der OAE zum Konsensusverfahren, das, wie in Kapitel 1 erörtert, in der KA-AU in Reinform nicht mehr existiert. Das Prinzip der souveränen Gleichheit der Mitgliedstaaten nach Art. 4 lit. a) KA-AU deckt sich mit Art. 2 Nr. 1 UN-Charta und Art. III Nr. 1 OAE-Charta und ist einer der ältesten Grundprinzipien des Völkerrechts.42 Staatensouveränität bedeutet zunächst einmal, dass Staaten keiner anderen Autorität, vor allem keiner anderen staatlichen Rechtsordnung, sondern nur dem Völkerrecht unterliegen, d.h. völkerrechtsunmittelbar sind.43 Ferner ist die Hoheitsgewalt über das Staatsterrito40
Amate, Inside the OAU, 1986, S. 60 f.
41 Vgl. Elias, AJIL 59/2 (1965), S. 243, 248; Naldi, The Organization of African Unity, 2. Aufl. 1999, S. 5. 42 43
Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 26 Rn. 7.
Dahm et al., Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, S. 215 f.; Meessen, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Souveränität (106), Rn. 3; Graf
112
3. Kapitel
rium und die Staatsbürger sowie die Unabhängigkeit anderer Staaten zu achten; die Hoheitsgewalt eines Staates wird demgemäß durch die Hoheitsgewalt eines anderen souveränen Staates begrenzt.44 Eingeschränkt werden kann die staatliche Souveränität indes durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf Internationale Organisationen mittels völkerrechtlicher Verträge.45 Mit der Souveränität der Staaten hat sich im Laufe der Völkerrechtsentwicklung das Gebot der Gleichheit der Staaten zum Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten46 verbunden und so eines der tragenden Grundprinzipien der Völkerrechtsordnung geformt.47 Präzisiert wird dieses Prinzip durch die Friendly Relations Declaration: Alle Staaten haben nach dem 6. Grundsatz die gleichen Rechte und tragen die gleichen Pflichten und zwar unbeschadet der tatsächlichen Unterschiede wirtschaftlicher, politischer oder sonstiger Art. Das Prinzip der souveränen Gleichheit sichert den Mitgliedern der Staatengemeinschaft zunächst einmal nur Rechtsgleichheit zu, d.h. unter den gleichen Voraussetzungen müssen die gleichen Rechtsfolgen eintreten.48 Gleichheit in diesem Sinne bedeutet eine formell gleiche Rechtsposition – in Internationalen Organisationen vor allem die gleichen Stimm- und Beteiligungsrechte.49 Aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit kann aber Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 189 Rn. 83; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 288, 515; ausführlich hierzu Jackson, Sovereignty, 2007. 44
Dahm et al., Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, S. 216.
45 Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 5 Rn. 8; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 189 Rn. 83. 46 Vgl. Klein, Sovereign equality among states, 1974, insb. S. 109 ff.; Kingsbury, EJIL 9 (1998), S. 599, 603 ff. 47 Auf den engen Zusammenhang von Souveränität und Gleichheit weisen auch Dahm et al., Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, S. 236 und Kingsbury, EJIL 9 (1998), S. 599 f., 603 ff. hin. 48 Dahm et al., Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, S. 235; Crawford, The Creation of States in International Law, 2. Aufl. 2006, S. 41; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 190 Rn. 88. 49 Auf diese beschränkend Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 26 Rn. 13; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 190 Rn. 88; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 528; kritisch hierzu Dahm et al., Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, S. 235 f.; Crawford, The Creation of States in International Law, 2. Aufl. 2006, S. 41. S.a. Maluwa, AJoCIL 12 (2000), S. 201, 223.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
113
auch gefolgert werden, dass Entscheidungen einstimmig, d.h. im Konsens zu fällen sind, es sei denn, es sind abweichende vertragliche Vereinbarungen vorhanden (z.B. Art. 7 Abs. 1 KA-AU).50 Ein weiterer Aspekt der souveränen Gleichheit ist der Grundsatz der Staatenimmunität (par in parem non habet iurisdictionem).51 Aus der souveränen Gleichheit der Staaten ergibt sich ferner, dass kein Staat verpflichtet ist, Hoheitsakten anderer Staaten Wirksamkeit zu verschaffen und kein Staat auf dem Territorium eines anderen Staates hoheitlich tätig werden darf.52 Auch wenn die Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union heute noch zurückhaltend sind, wenn es um die Übertragung nationaler Souveränität auf eine regionale oder sub-regionale Internationale Organisation geht,53 ist nicht zu verkennen, dass der Versammlung und dem Friedens- und Sicherheitsrat deutlich weitergehende Kompetenzen als der OAE-Versammlung zukommen.54 Mit der Aufnahme der „Interdependenz“ der Mitgliedstaaten in Art. 4 lit. a) KA-AU wird zudem die gegenseitige Abhängigkeit der afrikanischen Staaten in Zeiten der globalisierten Weltwirtschaft und wegen der Zunahme überregionaler Konflikte unterstrichen.
2. Das Nichteinmischungsprinzip Das Nichteinmischungsprinzip oder -gebot galt den OAE-Mitgliedstaaten lange Zeit als unantastbar.55 In einigen Fällen wurde es zunächst relativiert, um z.B. im Kongo 1964/65, in Nigeria 1967-70 oder in An-
50 Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 26 Rn. 7; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 190 Rn. 88. 51
Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 190 ff. Rn. 89 ff.
52
Meessen, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Souveränität (106), Rn. 8; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 26 Rn. 10; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 525. 53
Vgl. Powell/Tieku, International Journal 2005, S. 937, 946 f.
54
A.A. wohl Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 263, die davon ausgehen, dass die afrikanischen Staaten kaum nationale Souveränität abgegeben haben. Sie verkennen indes die sehr weitreichenden Kompetenzen der Versammlung und des PSC, z.B. zur Verhängung von Sanktionen und zur Intervention. 55
Udombana, CalWILJ 33 (2002), S. 69, 76.
114
3. Kapitel
gola 1975/76 auf informellem Wege vermittelnd aufzutreten.56 In den 1970ern änderte sich die Einstellung der OAE zum Prinzip der Nichteinmischung angesichts anhaltender Menschenrechtsverletzungen grundlegender. Ausschlaggebend hierfür waren vor allem die mörderischen Regime Idi Amins in Uganda, Jean-Bedel Bokassas in der Zentralafrikanischen Republik und Macias Nguemas in Äquatorialguinea sowie die den Grundsätzen der OAE widersprechende Intervention Tansanias in Uganda, die 1979 im Sturz Amins57 resultierte.58 Da der Menschenrechtschutz auch in der internationalen Staatengemeinschaft und den Vereinten Nationen eine zunehmend dominierende Rolle einnahm, wurden das Verhältnis von Nichteinmischungsprinzip und Achtung der Menschenrechte grundlegender überdacht.59 Die erfolgreiche ECOWAS-Intervention in Liberia im Jahre 1990 beförderte diese Entwicklung weiter.60 1993 wurde schließlich in Kairo der OAE Mechanismus für Konfliktprävention, -bewältigung und -lösung ins Leben gerufen.61 Dies bedeutete notwendigerweise, dass sich die OAE in institutionalisierter Form in innere Angelegenheiten eines Mitgliedstaates einmischen konnte.62 56
Tonndorf, Menschenrechte in Afrika, 1997, S. 223 f.
57
Vgl. hierzu Furley/May, in: dies. (Hrsg.), African Interventionist States, 2001, S. 69 ff. 58
Detailliert zu den vielen Konflikten in den 1970ern bei denen die Staatsund Regierungschefs am Prinzip der Nichteinmischung festhielten, aber auch zu den Regierungen, die dies offen kritisierten Umozurike, African Affairs 78/311 (1979), S. 197 ff.; Welch, JoMAS 19/3 (1981), S. 401 ff.; Tonndorf, Menschenrechte in Afrika, 1997, S. 223 ff.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 166 ff. 59 Welch, JoMAS 29/4 (1991), S. 535, 538; Harsch, Africa Recovery 17/3 (2003), S. 1, 4 f.; Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 39; Maluwa, NILR 51 (2004), S. 195, 217; Touray, African Affairs 104/417 (2005), S. 635, 639; Williams, African Affairs 106/423 (2007), S. 253, 268. 60 Vgl. Wippman, in: Damrosch (Hrsg.), Collective Intervention in Internal Conflicts, 1993, S. 157, 164 ff., 181. 61
(Cairo) Declaration of the Assembly of Heads of State and Government of the OAU of the Establishment within the OAU of a Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, Dok.Nr. AHG/DECL.3 (XXIX), Assembly of Heads of State and Government of the OAU, 29th Ordinary Session vom 28. – 30. Juni 1993. 62 Ebenso Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 45.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
115
Das in Art. 4 lit. g) KA-AU kodifizierte Nichteinmischungsprinzip ist Ausdruck des völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Interventionsverbots.63 Seine Grundlage findet das Interventionsverbot in der souveränen Gleichheit der Staaten.64 Es zählt zu den völkerrechtlichen Grundpflichten.65 Inhalt und Reichweite des Nichteinmischungsprinzips sind insbesondere deshalb schwierig zu bestimmen, weil die Angelegenheiten eines Staates, die seiner alleinigen Zuständigkeit unterfallen (domaine réservé) und in die nicht interveniert werden darf, nicht für alle Staaten gleich zu beurteilen oder zeitlich unveränderlich sind.66 Bereits der StIGH führte dazu im Fall Nationality Decrees in Tunis and Morocco aus: „The question whether a certain matter is or is not solely within the jurisdiction of a State is an essentially relative question; it depends on the development of international relations.“67 Im Fall Nicaragua vs. Vereinigte Staaten definierte der IGH den domaine réservé eines jeden Staates dahingehend, dass jedenfalls die Wahl des politischen, 63 Ausführlich zum völkerrechtlichen Nichteinmischungsprinzip und der OAE-Praxis Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, 1981; ders., Intervention, Prohibition of, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, April 2008, Rn. 1 ff. S.a. Declaration on the Inadmissibility of Intervention in the Domestic Affairs of States and the Protection of Their Independence and Sovereignty, GA-Res. 2131 (XX) vom 21. Dezember 1965; Declaration on the Inadmissibility of Intervention and Interference in the Internal Affairs of States, GA-Res. 36/103 vom 9. Dezember 1981 und 3. Grundsatz der Friendly Relations Declaration. 64
Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 51.
65
Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, Rn. 193.
66
Nolte, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 (7) Rn. 23 ff.; Brownlie, Principles of Public International Law, 6. Aufl. 2003, S. 291; Ziegler, Domaine Réservé, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, April 2008, Rn. 1 f. Die Frage, wann verbotene Intervention und wann erlaubte Einmischung in innere Angelegenheiten vorliegt, ist bisher nicht befriedigend beantwortet worden. Zur Bestimmung der Abgrenzung wurden in der Völkerrechtswissenschaft Fallgruppen vorgeschlagen, die eine differenzierte Betrachtung ermöglichen: „Ausübung militärischer Gewalt“, „Unterstützung von Aufständischen“, „subversive Intervention“, „wirtschaftlicher Zwang“; vgl. bereits Thomas/Thomas, Non-Intervention, 1956, S. 67 ff., 215 ff.; Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, 1981, S. 248 ff.; ders., Intervention, Prohibition of, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, April 2008, Rn. 22 ff.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 58 ff. 67 StIGH, Nationality Decrees issued in Tunis and Morocco, Advisory Opinion, P.C.I.J. Series B, Nr. 4 1923, S. 6, 24.
116
3. Kapitel
ökonomischen, sozialen und kulturellen Systems und die Formulierung der Außenpolitik vor dem Hintergrund der Souveränität eines Staates von diesem frei bestimmt werden können soll.68 Der domaine réservé umfasst somit die autonome Ausgestaltung der Verfassungs-, Sozial-, Kultur- und Wirtschaftsordnung.69 Vom Interventionsverbot untersagt sind sowohl subversive Maßnahmen als auch die Ausübung wirtschaftlichen, politischen oder sonstigen Drucks, mithin Zwangsmittel unterhalb der Gewaltschwelle.70 Gleiches gilt für Zwangsmittel oberhalb der Gewaltschwelle, um einen Vorteil zu erlangen oder um zu erreichen, dass sich ein Staat einem fremden Willen unterwirft.71 Die Anwendung militärischer Gewalt ist die stärkste Form der Verletzung des Interventionsverbots.72 Durch völkerrechtliche Verpflichtungen, insbesondere dem Beitritt zu Internationalen Organisationen, verändert sich der Umfang der alleinigen Zuständigkeit stetig.73 Die vertragliche Verpflichtung der AU-Staaten, z.B. nach Art. 3 lit. g) und h) und Art. 4 lit. m) KA-AU demokratische Grundsätze, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte zu fördern und zu respektieren, schließt es daher aus, sich in diesem Bereich auf eine eventuelle Einmischung in den domaine réservé zu berufen. Darüber 68 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 205. 69
Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Interventionsverbot (50), Rn. 7. 70 Kunig, Intervention, Prohibition of, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, April 2008, Rn. 5 f. Anders der „klassische“ Interventionsbegriff demzufolge nur solche Einmischungen in die inneren Angelegenheiten als völkerrechtswidrig gelten, die die Androhung oder Anwendung von militärischer Gewalt beinhalten (sog. dictatorial intervention); vgl. Lauterpacht, Oppenheim’s International Law, Vol. I, 8. Aufl. 1955, S. 305. 71
Vgl. § 2 Declaration on the Inadmissibility of Intervention in the Domestic Affairs of States and the Protection of Their Independence and Sovereignty, GA-Res. 2131 (XX) vom 21.12.1965; 3. Grundsatz der Friendly Relations Declaration. Ausführlich Zemanek, in: Vohrah et al. (Hrsg.), FS Cassese, 2003, S. 953 ff.; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 65 ff. 72 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 205. 73 Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Auflage, 1991, Interventionsverbot (50), Rn. 7; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 53; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 190 Rn. 83; Ziegler, Domaine Réservé, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, April 2008, Rn. 6 ff.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
117
hinaus bestehen im Bereich des Menschenrechtsschutzes jedenfalls in Hinblick auf die grundlegenden Individualrechte erga omnes-Verpflichtungen gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft.74 Ein Staat kann sich daher angesichts schwerer Menschenrechtsverletzungen grundsätzlich nicht mehr auf „innerstaatliche Angelegenheiten“ berufen.75 Das Nichteinmischungsprinzip wird in der KA-AU über diese allgemeinen Grundsätze hinaus durch das Interventionsrecht aufgrund schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen nach Art. 4 lit. h) KA-AU im Verhältnis der AU zu ihren Mitgliedstaaten stark eingeschränkt.76 Art. 4 lit. g) KA-AU untersagt ausdrücklich nur die Einmischung eines Mitgliedstaates in die inneren Angelegenheiten eines anderen. Er beinhaltet damit anders als Art. III Nr. 2 OAE-Charta und Art. 2 Nr. 7 UN-Charta kein Interventionsverbot im Verhältnis der Organisation zu ihren Mitgliedstaaten.77 In Art. 4 lit. h) KA-AU wurde folglich das Recht der AU, sich unter bestimmten Voraussetzungen in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaates einzumischen, ausdrücklich kodifiziert.78 Insofern haben die Mitgliedstaaten die Grenzen des Nichteinmischungsprinzips durch völkerrechtlichen Vertrag neu gezogen. Ein Wi74
Vgl. IGH, Reservations to the Convention on the Prevention of Genocide, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1951, S. 15, 23; IGH, Barcelona Traction, I.C.J. Reports 1970, S. 4 para 33 f.; Frowein, in: Bernhardt et al. (Hrsg.), FS Mosler, 1983, S. 241, 243 f.; ders., Obligations erga omnes, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Dezember 2008, Rn. 1 ff.; Condé, Handbook of International Human Rights Terminology, 2. Aufl. 2004, S. 81; Cassese, International Law, 2. Aufl. 2005, S. 262 f., 267 ff.; Kadelbach, in: Tomuschat/Thouvenin (Hrsg.), The Fundamental Rules of the International Legal Order, 2006, S. 21, 26, 35; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 60 f. Rn. 120; S. 588 Rn. 17. S.a. ICTY, The Prosecutor of the Tribunal vs. Anto Furundzija, Entscheidung vom 10. Dezember 1998 (IT-95-17/1), para. 151; ILC, Fragmentation of International Law, 58th Session, UN.Dok.Nr. A/CN.4/L.682 vom 13. April 2006, para. 380 ff. und die Kommentierung der ILC zu Art. 48 ASR. 75
Hierzu Nolte, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 (7) Rn. 41 ff.; Zemanek, in: Vohrah et al. (Hrsg.), FS Cassese, 2003, S. 953, 973; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, Rn. 193; Kadelbach, in: Tomuschat/Thouvenin (Hrsg.), The Fundamental Rules of the International Legal Order, 2006, S. 21, 26; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 641. 76
Ebenso Rechner, VanJTL 39 (2006), S. 543, 562 f.
77
Kindiki, AHRLJ 3 (2003), S. 97, 106; Maluwa, NILR 51 (2004), S. 195,
219 f. 78 Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 15; Meyns, in: Engel et al. (Hrsg.), FS Tetzlaff, 2005, S. 112, 116.
118
3. Kapitel
derspruch zwischen dem Nichteinmischungsprinzip aus Art. 4 lit. g) KA-AU und dem Recht der AU auf Intervention besteht damit nur auf den allerersten Blick.79
3. Das Gewaltverbot und die friedliche Beilegung von Konflikten Das Verbot der Anwendung oder Androhung von Gewalt unter den Mitgliedstaaten (Art. 4 lit. f) KA-AU) und die friedliche Beilegung von Konflikten (Art. 4 lit. e) KA-AU) stehen im engen systematischen Zusammenhang miteinander. In Anlehnung an die UN-Charta sind diese Grundprinzipien für die Sicherheitsarchitektur der Afrikanischen Union von erheblicher Relevanz. Ergänzt werden diese beiden Prinzipien durch Art. 4 lit. i) KA-AU, der die friedliche Koexistenz der Mitgliedstaaten und ihr Recht in Frieden und Sicherheit zu leben, herausstreicht. Diesem Prinzip kommt indes nur deklaratorische und keine über Art. 4 lit. f) und e) KA-AU hinausgehende Bedeutung zu.
a. Gewaltverbot Die Bestimmung des Art. 4 lit. f) KA-AU entspricht Art. 2 Nr. 4 UNCharta zwar nicht nach dem genauen Wortlaut, aber nach Inhalt, Sinn und Zweck. Verboten ist nach Art. 2 Nr. 4 UN-Charta die Androhung oder Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen der UN-Mitgliedstaaten. Art. 4 lit. f) KA-AU spricht nur vom Gewaltverbot zwischen den AU-Mitgliedern, wobei jedoch das Gleiche gemeint sein dürfte. Das Gewaltverbot ist gewohnheitsrechtlich verankert und stellt – in gewissem Umfang – zwingendes Völkerrecht dar.80 Wie in Art. 2 Nr. 4 UN-Charta ist nicht nur Krieg, sondern jede Anwendung und bereits die Androhung von Gewalt verboten, also auch „measures
79 Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 40; Kindiki, Intervention to Protect Civilians in Darfur, 2007, S. 45. Dies verkennt ganz offensichtlich Mulikita, Vereinte Nationen 2 (2002), S. 44 f. 80 Vgl. nur Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Vol. I, 9. Aufl. 1992, S. 428 f.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 27; Ronzitti, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 91, 93; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 91 ff., 99 ff.; Gazzini, JoCSL11/3 (2006), S. 319 ff.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
119
short of war“.81 „Gewalt“ in diesem Sinne wird nach herrschender Auffassung verstanden als bewaffnete (militärische) Gewalt.82 Politischer oder wirtschaftlicher Zwang fällt hingegen unter das generellere Interventionsverbot.83 Dieselbe Auslegung des Gewaltbegriffs dürfte für Art. 4 lit. f) KA-AU gelten. Vom Gewaltverbot umfasst ist nicht nur die direkte Anwendung militärischer Gewalt, z.B. das bewaffnete Eindringen von Truppen in das Territorium eines anderen Staates, sondern auch indirekte Formen von Gewalt. Hierunter fällt z.B. der Fall, dass ein Staat einem anderen Staat sein Territorium zur Verfügung stellt, damit dieser gewaltsam gegen einen dritten Staat vorgehen kann oder etwa die staatliche Unterstützung von Rebellen, Aufständischen oder Söldnern bei ihrem gewaltsamen Vorgehen gegen einen anderen Staat. Die Abgrenzung zwischen der Förderung solcher Aktivitäten unter Verletzung des Gewaltverbots und einer solchen, die diese Schwelle nicht überschreitet, ist äußerst diffizil.84 Dieses sich durch die IGH-Rechtsprechung und die Völkerrechtswissenschaft etablierte Verständnis des Gewaltverbots wird mit Änderung der KA-AU durch das in Art. 4 lit. o) und r) KA-AU normierte ausdrückliche Verbot an die Mitgliedstaaten, ihr Territorium als Basis für Subversionen gegen einen anderen Mitgliedstaat nutzen zu lassen, übernommen.
b. Friedliche Streitbeilegung Das Prinzip der friedlichen Streitbeilegung nach Art. 4 lit. e) KA-AU ist wie schon für die OAE und die Vereinten Nationen ein grundlegender Baustein der neuen Sicherheitsarchitektur.85 Die friedliche Beile81
Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 85.
82
Siehe nur Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 (4) Rn. 16 ff.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 12; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 86; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 647 Rn. 10; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 774. 83
Vgl. 1. und 3. Grundsatz Friendly Relations Declaration; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 (4) Rn. 19. 84 Dazu IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 228; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 (4) Rn. 26. 85 So schon für die OAE Maluwa, International Law in Post-Colonial Africa, 1999, S. 234.
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3. Kapitel
gung von Konflikten galt bei Gründung der OAE angesichts der anhaltenden Konflikte unter den Mitgliedstaaten (insbesondere wegen der kolonialen Grenzen) als Grundvoraussetzung für die friedliche Entwicklung in Afrika.86 Aus diesem Grund sah die OAE-Charta in Art. III Nr. 4 vor, dass Streitigkeiten friedlich durch Verhandlungen, Vermittlung, Vergleichs- oder Schiedsgerichtsverfahren gelöst werden sollen, unterstützt durch eine – nie in Erscheinung getretene – Commission of Mediation, Conciliation and Arbitration nach Art. XIX OAECharta.87 Art. 4 lit. e) KA-AU ist angelehnt an Art. 2 Nr. 3 und Art. 33 Abs. 1 UN-Charta, auch wenn dies aus dem Wortlaut der neuen Regelung im Vergleich zu Art. III Nr. 4 OAE-Charta nicht mehr ganz so deutlich hervorgeht. Das Prinzip der friedlichen Streitbeilegung ist gewohnheitsrechtlich und als für alle Staaten verbindlich anerkannt.88 Es ergänzt die anderen Grundsätze des Völkerrechts und speziell das Gewaltverbot, da die Souveränität und territoriale Integrität eines Staates nicht durch Anwendung von Gewalt gefährdet werden sollen.89 Es enthält eine Rechtspflicht für die betreffenden Streitparteien, miteinander (aktiv) eine friedliche Lösung zu finden.90 Eine Verpflichtung oder Beschränkung auf eines der in Art. 33 Abs. 1 UN-Charta genannten Mittel der friedlichen Streitbeilegung besteht nicht; es bleibt vielmehr den Streitparteien überlassen, andere Verfahren anzuwenden. Die einzelnen Verfahren stehen auch in keinem hierarchischen Verhältnis zueinander.91 86
Naldi, The Organization of African Unity, 2. Aufl. 1999, S. 14.
87
Eingehend Maluwa, International Law in Post-Colonial Africa, 1999, S. 238 ff. 88 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 290; Tomuschat, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 (3) Rn. 11; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 62 Rn. 2; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 612 Rn. 59. 89 Tomuschat, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 (3) Rn. 2; Maluwa, International Law in Post-Colonial Africa, 1999, S. 233. 90 IGH, North Sea Continental Shelf, I.C.J. Reports 1969, S. 3, 47 f.; Tomuschat, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 (3) Rn. 13 ff.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 62 Rn. 2. S.a. Manila-Declaration on the Peaceful Settlement of Disputes, GA-Res. 37/10 vom 15. November 1982. 91 Tomuschat, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 33 Rn. 24. Zu den einzelnen Verfahren ders. Rn. 26 ff.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht,
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
121
Daher kann es nicht als Verstoß gegen Art. 2 Nr. 3 und Art. 33 Abs. 1 UN-Charta gewertet werden, wenn sich die afrikanischen Staaten zur Streitbeilegung anderer Verfahren bedient haben oder Art. 4 lit. e) KAAU die Wahl der Mittel der Versammlung überlässt – eine Regelung, die Art. 36 Abs. 1 UN-Charta stark ähnelt. Nach Art. 33 Abs. 1 UNCharta ist zur friedlichen Erledigung von Streitigkeiten die Inanspruchnahme regionaler Abmachungen, wie der Afrikanischen Union, ausdrücklich zugelassen. Art. 4 lit. e) KA-AU scheint auf den ersten Blick weiterzugehen als Art. 2 Nr. 3 UN-Charta, als dass er die Mitgliedstaaten generell darauf verpflichtet, Streitigkeiten friedlich zu lösen und nicht auf „internationale“ Streitigkeiten beschränkt bleibt. Das Erfordernis der Internationalität eines Streits dient der Abgrenzung zu rein innerstaatlichen Sachverhalten, die zum domaine réservé des betreffenden Staates gehören und daher von der Verpflichtung zur friedlichen Streitbeilegung nicht erfasst sind.92 Da der domaine réservé unterschiedlich weit reicht, lässt sich nur schwer sagen, wann ein Konflikt rein innerstaatlich und damit nicht „international“ ist. Jedenfalls wenn ein Staat in einem Streit einem anderen Völkerrechtssubjekt gegenüber steht, ist dieser Streit als „international“ i.S.d. Art. 2 Nr. 3 UN-Charta zu bezeichnen.93 Genau diesen Fall erfasst aber auch Art. 4 lit. e) KA-AU, der von Konflikten „zwischen“ oder „unter“ Mitgliedstaaten spricht. Damit sind rein innerstaatliche Sachverhalte ausgeklammert und letztlich nichts anderes gemeint als mit „international“ in Art. 2 Nr. 3 UN-Charta. Angesichts der zahlreichen innerstaatlichen Konflikte in Afrika wäre eine weiterreichende, ebenfalls innerstaatliche Sachverhalte betreffende Regelung sicherlich wünschenswert gewesen, die die AU-Staaten verpflichtet, interne Streitigkeiten, z.B. mit Aufständischen oder Rebellengruppen möglichst auf friedlichem Wege zu lösen. In der Praxis der OAE waren lange Zeit informelle Streitschlichtungsmechanismen – vor allem ad hoc-Komitees – vorherrschendes Instrumentarium.94 Eine gewisse Abkehr von dieser Praxis und wichtige
5. Aufl. 2004, § 62 Rn. 2, 4 ff. und Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 614 ff. Rn. 66. 92
Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 613 f. Rn. 63 f.
93
Ebenda, S. 613 Rn. 64.
94
Eine gute Übersicht bietet Maluwa, International Law in Post-Colonial Africa, 1999, S. 240 ff., tabellarisch S. 250 ff. S.a. Tonndorf, Menschenrechte in Afrika, 1997, S. 223 f.
122
3. Kapitel
Etappe der Institutionalisierung der Streitschlichtung im Rahmen der OAE war die Schaffung des Mechanismus für Konfliktbewältigung.95 Die letzte und wesentlichste Entwicklung im Bereich der friedlichen Streitbeilegung ist der in Art. 5 Abs. 1 lit. d) KA-AU vorgesehene AUGerichtshof. Die Einrichtung des neuen AU-Gerichtshofs impliziert, dass eine institutionalisierte und formalisierte Form der Streitbeilegung als notwendig erkannt und akzeptiert worden ist, jedoch unter den Bedingungen und Besonderheiten der afrikanischen Staaten. Ob und inwiefern er in der Lage sein wird, Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten zu lösen, wird erst die Staatenpraxis zeigen. Auf eine ausdrückliche Unterwerfungserklärung wurde verzichtet. Auch ist die Reichweite der sachlichen Zuständigkeit jedenfalls in Bezug auf die friedliche Beilegung von Konflikten unklar. Der AU-Gerichtshof ist nach Art. 28 lit. g) Statute of the African Court of Justice and Human Rights zuständig für die vor ihn gebrachten Streitigkeiten und Anträge, die auf die Existenz von Tatsachen abstellen, die, wenn sie festgestellt werden würden, eine Verletzung einer Obliegenheit gegenüber einem Mitgliedstaat oder der Afrikanischen Union darstellen würden. Zu diesen Obliegenheiten könnte auch die Verpflichtung zur friedlichen Streitbeilegung nach Art. 4 lit. e) KA-AU gehören. Allerdings wäre der AUGerichtshof erst zuständig, wenn sich die betreffenden Mitgliedstaaten diesem unterwerfen. Außerdem würde die Obliegenheitsverletzung erst ex post festgestellt werden. Das Gleiche gilt, wenn der Gerichtshof überprüfen soll, ob sich die betreffenden Mitgliedstaaten an die Maßnahmen der Versammlung zur friedlichen Streitbeilegung gehalten haben.96 Auch hier wird der AU-Gerichtshof nicht als Instrument der friedlichen Streitbeilegung zwischen den Mitgliedstaaten tätig, sondern stellt nur im Nachhinein die Verletzung von Obliegenheiten fest. Ein wirksamer Mechanismus zur friedlichen Streitbeilegung ist der Weg über den AU-Gerichtshof in der jetzigen Form somit nicht. Sinnvoller wäre es gewesen, dem AU-Gerichtshof die Zuständigkeit für die friedliche Streitbeilegung ausdrücklich zuzusprechen. Denkbar und sinnvoll 95 (Cairo) Declaration of the Assembly of Heads of State and Government of the OAU of the Establishment within the OAU of a Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, Dok.Nr. AHG/DECL.3 (XXIX), Assembly of Heads of State and Government of the OAU, 29th Ordinary Session vom 28. – 30. Juni 1993. 96 Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich hier aus Art. 28 lit. e) (alle Akte, Entscheidungen, Verordnungen oder Richtlinien eines AU-Organs) und Art. 28 lit. h) Statute of the African Court of Justice and Human Rights (Inhalt und Umfang von Reparationen aufgrund einer Obliegenheitsverletzung).
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
123
wäre es dementsprechend gewesen, eine dem Europäischen Abkommen zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten97 ähnliche Regelung zu treffen. Die Organkompetenzen der Versammlung in diesem Bereich würden dadurch nicht eingeschränkt, da sie nach Art. 9 Abs. 2 KA-AU befugt ist, jedem anderen Organ ihre Aufgaben und Befugnisse zu übertragen, also auch ihre Aufgabe, für die friedliche Streitbeilegung zwischen den Mitgliedstaaten zu sorgen. Die Möglichkeit eine Streitigkeit vor den IGH zu bringen, wird in der KA-AU nicht erwähnt, obwohl alle AU-Staaten als Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auch Mitgliedstaaten des IGH-Statuts sind (Art. 93 Abs. 1 UN-Charta). Dies ist, neben dem nun eigenen AU-Gerichtshof, Ausdruck des politischen Grundsatzes „Try AU First“.98 Diesem zufolge soll erst die AU in die friedlichen Streitbeilegung eingeschaltet werden, bevor die Vereinten Nationen oder eines ihrer Organe damit befasst werden.99 Dass die AU-Staaten eine Streitigkeit nicht vor den IGH bringen dürfen, lässt sich der KA-AU und der Staatenpraxis der OAE/AU allerdings nicht entnehmen.
III. Besondere Grundprinzipien der Afrikanischen Union 1. Der Respekt vor den seit Erreichen der Unabhängigkeit bestehenden Grenzen Konflikte um die seit der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten bestehenden, auf der Berlin-Kongo-Konferenz von 1885 ohne Rücksicht auf ethnische oder nationale (afrikanische) Interessen gezogenen Gren-
97 Europäisches Abkommen zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten vom 29. April 1957, BGBl. 1961 II S. 82. 98 Zu diesem Prinzip schon Border Disputes among African States, Dok. Nr. AHG/Res. 16(I), Assembly of the Heads of State and Government of the OAU, 1st Ordinary Session vom 17. – 21. Juli 1964: „Recognising the imperious necessity of settling, by peaceful means and within a strictly African framework, all disputes between African States.“ 99
Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach Kapitel VIII SVN, 1997, S. 445 ff.; Maluwa, International Law in Post-Colonial Africa, 1999, S. 249.
124
3. Kapitel
zen100 beschäftigten die OAE von Anfang an. Bereits im Jahr ihrer Gründung kam es zu sechs Grenzkonflikten, von denen drei gewaltsam ausgetragen wurden (Marokko-Algerien, Äthiopien-Somalia, KeniaSomalia).101 Bei Erreichen der Unabhängigkeit hatten die afrikanischen Staaten grundsätzlich die Möglichkeit entweder die bisherigen Grenzziehungen zu akzeptieren oder ihre Grenzen zu verändern.102 Aber
100
Herbst, International Organization 43/4 (1989), S. 673 ff. weist zu Recht darauf hin, dass Grenzziehungen insoweit immer willkürlich sind, als dass sie politischen Notwendigkeiten unterworfen sind. Diese Notwendigkeiten bestanden bei Ausarbeitung der Grenzen in der Berlin-Kongo-Konferenz von 1885 vor allem darin, dass die Kolonialmächte nur wenig Informationen über die ethnologischen und topographischen Bedingungen in ihren Territorien hatten und so die Grenzziehung erschwert war und dass sie daneben keinerlei Interesse an kostenintensiven kriegerischen Auseinandersetzungen um die Territorien und deren Grenzverläufe hatten. Der rechtliche Staat in Afrika ist letztendlich also eine neue und verhandelte politische Einheit. Die Grenzen, die Grundzüge der Rechtsordnung und oft sogar die Namen der Staaten sind die Erfindungen kolonialer Herrschaft. Nur selten entsprachen die kolonialen Territorien der Größe und Identität präkolonialer afrikanischer Gesellschaften (z.B. Sansibar, Swasiland und Lesotho). Zur Staatenbildung in Afrika und den sich bis heute daraus ergebenden Problemen Jackson/Rosberg, World Politics 35/1 (1982), S. 1, 14; Ratner, AJIL 90/4 (1996), S. 590 ff.; Young, African Affairs 103 (2004), S. 23 ff.; Francis, Uniting Africa, 2006, S. 33 ff.; Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 27 ff.; Tetzlaff, in: Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – Ein verlorener Kontinent?, 2. Aufl. 2008, S. 35, 51 ff. 101
Imobighe, OAU (AU) and OAS in Regional Conflict Management, 2003, S. 28 f., 58 ff. 102 In der ersten All-African People’s Conference in Accra, Ghana 1958 wurde für letzteres plädiert: „The conference denounces artificial frontiers drawn by imperialist powers to divide the peoples of Africa, particularly those which cut across ethnic groups and divide people of the same stock; calls for the abolition or adjustment of such frontiers at an early date; calls upon the independent states of Africa to support a permanent solution to this problem, founded upon the wishes of the people.“, zitiert nach Emerson, International Organization 16/2 (1962), S. 275, 278. Der tansanische Staatspräsident Nyerere, einer der wichtigsten Gründerväter der OAE, sprach sich hingegen dafür aus: „We have no alternative but to start from the position which we inherited after the colonial partition of Africa. […] Yet for us to start making “claims” on each other’s territory would be to play into the hands of those who wish to keep Africa weak so as to improve their own relative strength in the future, and it might well lead us to the tragic absurdity of spending money on armaments while our people die for want of medical attention or starve from want of knowledge.“,
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
125
schon auf der ersten Sitzung der Staats- und Regierungschefs der OAE wurde das uti possidetis-Prinzip festgeschrieben,103 obwohl dieses Prinzip im panafrikanischen Selbstverständnis zunächst eine unerwünschte Fortschreibung des Kolonialismus bedeutete.104 Das Prinzip wurde allerdings nicht ausdrücklich in die OAE-Charta aufgenommen, da vermieden werden sollte, dadurch die Folgen des und den Kolonialismus als solchen offiziell zu dulden.105 Dass das uti possidetis-Prinzip in Art. 4 lit. b) KA-AU nunmehr ausdrücklich verankert worden ist, ist kein Ausdruck anachronistischen Denkens der Gründungsstaaten, sondern dem Umstand geschuldet, dass der Kontinent noch heute von teilweise gewaltsam ausgetragenen, ungelösten Grenzkonflikten wie z.B. dem zwischen Äthiopien und Eritrea106 und Sezessionsbestrebungen erschüttert wird.107
a. Bedeutung des uti possidetis-Prinzips Das uti possidetis-Prinzip ist eine Regel des Völkerrechts, die sich während der Dekolonisierung Lateinamerikas und Afrikas herausbildete. Es besagt, dass Staaten, die aus der Dekolonisierung heraus entstehen, die kolonialen Verwaltungsgrenzen, wie sie zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit bestehen, übernehmen. Hiernach werden aus den administrati-
Nyerere, JoMAS 1 (1963), S. 1, 2. S.a. Klabbers/Lefeber, in: Brölmann et al. (Hrsg.), Peoples and Minorities in International Law, 1993, S. 37, 57. 103
Border Disputes among African States, Dok.Nr. AHG/Res. 16(I), Assembly of the Heads of State and Government of the OAU, 1st Ordinary Session vom 17. – 21. Juli 1964. 104
Naldi, The Organization of African Unity, 2. Aufl. 1999, S. 12.
105
Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 68. 106 Dazu Cornwell, Ethiopia and Eritrea: Bordering on Disaster, ISS-Today vom 17. September 2007. S.a. Communiqué, Dok.Nr. PSC/HSG/Comm (CXL), Peace and Security Council, 140th Ordinary Session vom 29. Juni 2008. 107 S. dazu auch § 15 Report of the Chairperson of the Commission – Enhancing Africa’s Resolve and Effectiveness in Ending Conflicts and Sustaining Peace, Dok.Nr. SP/Assembly/PS/RPT(I), Assembly of the African Union, Special Session on the Consideration and Resolution of Conflicts in Africa vom 30. – 31. August 2009.
126
3. Kapitel
ven Grenzen die völkerrechtlich anerkannten Grenzen neuer Staaten.108 Der neue Staat wird in Bezug auf das unabhängig gewordene Gebiet Rechtsnachfolger des Kolonialstaates und tritt in dessen Rechtsstellung ein.109 Im Fall Burkina Faso vs. Mali betonte der IGH, dass uti possidetis ein generelles Prinzip des Völkerrechts ist, das dem Zweck dient, die gerade gewonnene Unabhängigkeit und Stabilität neuer Staaten nicht der Gefahr von Bürgerkriegen wegen der Grenzen auszusetzen. Der IGH entschied allerdings nicht ausdrücklich, dass uti possidetis eine gewohnheitsrechtliche Norm ist.110 Im Kontext der Dekolonisierung Afrikas entwickelte sich das uti possidetis-Prinzip weiter von der Aufrechterhaltung der administrativen Grenzen hin zum Eintritt der neuen Staaten in die bestehenden vertraglichen Festsetzungen der Grenzziehung zwischen den verschiedenen Kolonialmächten.111 Das uti possidetis-Prinzip ist jedoch kein zwingendes Völkerrecht, das verhindert, dass Staaten ihre Grenzen verändern oder neue Staaten aufgrund gegenseitigen Einvernehmens schaffen.112 Das uti possidetis-Prinzip diente während der Dekolonisierungsphase in Afrika externen und internen Zwecken: Extern sollte die Wahrscheinlichkeit zwischenstaatlicher gewaltsamer Konflikte verringert werden. Mit Erreichen der Unabhängigkeit gab es wenige traditionelle afrikanische Staaten, denen Souveränität rückübertragen hätte werden können, so dass es kaum eine andere Möglichkeit gab, die kolonialen Entitäten in die Unabhängigkeit zu entlassen.113 Die europäischen Staaten und die afrikanischen Eliten sahen in der Beibehaltung der Grenzen die beste, aber auch die sicherste Möglichkeit einer zügigen und „geordneten“ Dekolonisierung. Sie brauchten zudem nicht darauf zu warten, bis sich
108
Herbst, International Organization 43/4 (1989), S. 673, 686; Klabbers/Lefeber, in: Brölmann et al. (Hrsg.), Peoples and Minorities in International Law, 1993, S. 37, 54; Shaw, BYIL 67 (1996), S. 75, 97 ff.; Ratner, AJIL 90/4 (1996), S. 590 f., 598 f.; Castellino, International Law and Self-determination, 2000, S. 109 ff. 109
Dahm et al., Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, S. 381.
110
IGH, Burkina Faso v. Mali Frontier Dispute, I.C.J. Reports 1986, S. 554 para 20 ff. 111
Shaw, BYIL 67 (1996), S. 75, 117; Ratner, AJIL 90/4 (1996), S. 590, 596.
112
Ratner, AJIL 90/4 (1996), S. 590, 600.
113
Jackson/Rosberg, World Politics 35/1 (1982), S. 1, 14.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
127
in jedem Falle eine effektive Staatsgewalt herausgebildet hatte.114 Ohne eine solche Regelung hätten vielleicht alle Grenzen zur Disposition gestanden und die neuen Staaten wären womöglich irredentistischen Nachbarstaaten ausgeliefert gewesen.115 Intern wurde separatistischen Bewegungen und Minderheiten signalisiert, dass die Grenzverläufe nicht an ethnische Gegebenheiten angepasst werden würden.116 Es bestand (und besteht noch heute) die Angst der Regierungen, dass die neuen Vielvölkerstaaten in unzählige kleinere Saaten zerfallen würden, sobald dem Drängen auch nur einer ethnisch-nationalistischen Gruppe nachgegeben werden würde (sog. Domino-Effekt).117 Die neuen Regierungen befanden sich so in der eigentümlichen Situation, dass sie die nach Ansicht der eigenen Bevölkerungen künstlichen und aufgezwungenen Grenzen verteidigen mussten, um ihre eigene Legitimation nach Innen und Außen zu verfestigen, denn eine Legitimierung durch eine gewachsene nationale Identität bestand bei Erreichen der Unabhängigkeit nicht. Ohne eine gemeinsame nationale Identität hätte aber jedwede Veränderung an den existierenden Grenzen die Gefahr des Staatenzerfalls entlang ethnischer Zugehörigkeit bedeutet.118 Es waren häufig gerade die neuen Grenzen, die bestimmte Volksgruppen zwangen, sich zusammenzuschließen, um politische Partizipation und Ansprüche auf Ressourcen als homogene Gruppe und in Abgrenzung zu anderen Gruppen geltend machen zu können. Das Selbstbestimmungsrecht dieser Gruppen wurde derweil durch das Festhalten an den kolonialen Grenzen erheblich eingeschränkt.119
114
Herbst, International Organization 43/4 (1989), S. 673, 685 f.; Ratner, AJIL 90/4 (1996), S. 590, 595, 610; Castellino, International Law and Selfdetermination, 2000, S. 113 f., 137. S.a. Jackson, Quasi-States, 1990, S. 25. 115 Klabbers/Lefeber, in: Brölmann et al. (Hrsg.), Peoples and Minorities in International Law, 1993, S. 37, 57. 116 Ratner, AJIL 90/4 (1996), S. 590, 595 f.; in diese Richtung auch Herbst, International Organization 43/4 (1989), S. 673, 686; van Walraven, The Role of the Organization of African Unity in the Politics of Africa, 1999, S. 310 f. 117
Vgl. Jackson, Quasi-States, 1990, S. 42; van Walraven, The Role of the Organization of African Unity in the Politics of Africa, 1999, S. 284; Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 13 f. 118 119
Clapham, African Security Review 10/3 (2001), S. 7 ff.
Jackson/Rosberg, World Politics 35/1 (1982), S. 1, 15; ders., Quasi-States, 1990, S. 41; Herbst, International Organization 43/4 (1989), S. 673, 680 f., 686; Castellino, International Law and Self-determination, 2000, S. 132 ff.
128
3. Kapitel
Eng mit den vorgenannten Gründen verbunden war die Befürchtung, dass viele kleine Staaten politisch und wirtschaftlich kaum überlebensfähig und so den Interessen der alten Imperialmächte und neuen Supermächte hilflos ausgeliefert sein würden.120 Daneben herrschte in der Phase der Dekolonisierung angesichts der gewaltsamen „Balkanisierung Europas“ eine Obsession der afrikanischen Staateneliten für territorial große Staaten, wie sie durch die kolonialen Grenzziehungen entstanden waren. Diese Obsession gehört zu den Grundmythen der postkolonialen afrikanischen Staaten. Die Meinung, dass „Mini-states [are] a degradation of black people“ oder „African nationalism hates small states“ war weit verbreitet.121 Ein weiterer Grund für die Beibehaltung der kolonialen Grenzen war sicherlich, dass die Kolonialgebiete die einzigen politischen Vehikel waren, durch die sich der panafrikanische Gedanke und der daraus resultierende afrikanische Nationalismus ausdrücken konnten. Daher waren die neuen Staaten, obwohl aus künstlichen kolonialen Einheiten hervorgegangen, in den Augen der meisten gebildeten Afrikaner legitim, denn sie bildeten die Grundlage für die afrikanische Befreiung.122
b. Schwache Staaten und failed states Uti possidetis juris hat dazu geführt, dass die Staatsgrenzen auf dem afrikanischen Kontinent trotz zweier Weltkriege, dem Kalten Krieg und den Entwicklungen danach fast unverändert geblieben sind.123 Die Staaten auf dem afrikanischen Kontinent befinden sich dabei in der paradoxen Situation, relativ sicher von äußeren Bedrohungen, aber gleichzeitig
120
Hughes, Diplomacy and Statecraft 15/4 (2004), S. 833 f.
121 So Yakubu Dan-Yumma Gowon, nigerianischer Staatspräsident von 1966-1975 und Apollo Milton Obote, ugandischer Staatspräsident von 19661971 und 1980-1985, zitiert nach Neuberger, JoMAS 14/3 (1976), S. 523, 527. Dass die Aufteilung Europas aber zur Befreiung seiner Völker und zu, wenn oft auch kleineren, dafür aber friedlicheren und stabileren politischen Einheiten geführt hat, wird hierbei übersehen. Dazu auch Udombana, GeoWashILRev 35 (2003), S. 55, 95; Spears, African Security Review 16/2 (2007), S. 14, 23. 122
Jackson/Rosberg, World Politics 35/1 (1982), S. 1, 17 f.
123 Ebenda, S. 1; Herbst, International Organization 43/4 (1989), S. 673, 675; Clapham, African Security Review 10/3 (2001), S. 7 f.; Sturman, ISS-Paper 146 (2007), S. 1 f.; Tetzlaff, in: Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – Ein verlorener Kontinent?, 2. Aufl. 2008, S. 35, 44.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
129
eine ernsthafte Bedrohung für einen Großteil der eigenen Bevölkerung zu sein. In diesem Zusammenhang ist ein in der Politikwissenschaft viel diskutiertes Phänomen für das afrikanische Sicherheitsverständnis und das Konfliktpotential auf dem Kontinent von immenser Bedeutung – der sogenannte „schwache Staat“ (weak state). Als solcher wird ein Staat bezeichnet, der mangels hinreichender Volkswirtschaft kaum in der Lage ist, ein Mindestmaß an sozialer Absicherung zu garantieren oder die Grundlagen für ein effektives Staatswesen bereitzustellen. Zudem weist er kein kohärentes Gemeinschaftswesen oder eine ausreichende Zivilgesellschaft auf.124 Auf das Engste verbunden mit schwachen Staaten ist der Neopatrimonialismus, eine häufig anzufindende Regierungsform in Afrika, die durch geringe demokratische Legitimation, Klientelismus, die Personalisierung von Machtbeziehungen, Akkumulation von Ressourcen, Vermischung von Privatem und Öffentlichem, Repression und dem Prinzip des „Big Man“ gekennzeichnet wird.125 Die Staateneliten schwacher Staaten befinden sich hierbei in einer äußerst starken Position: Intern haben sie meist wenig zu befürchten, da die Zivilgesellschaften in der Regel in verschiedene Gruppen geteilt, unorganisiert und unterdrückt sind. Die Wahrscheinlichkeit externer Konflikte wurde verringert, da die Grenzen der neuen unabhängigen Staaten von der internationalen Gemeinschaft durch das uti possidetisPrinzip für unverrückbar erklärt worden sind. Der Staat mit seinem Apparat und die völkerrechtlich anerkannten Grenzen bilden für Regie124 Zum Begriff eingehend Sørensen, Security Dialogue 38/3 (2007), S. 357, 363 ff. Zum Problemkreis auch Jackson/Rosberg, World Politics 35/1 (1982), S. 1 ff.; ders., Quasi-States, 1990, S. 5 ff.; Osterkamp, in: Tetzlaff et al. (Hrsg.), Afrika zwischen Dekolonisation, Staatsversagen und Demokratisierung, 1995, S. 115 ff.; Young, African Affairs 103 (2004), S. 23 ff.; Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 31 ff.; Mair/Petretto, in: Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – Ein verlorener Kontinent?, 2. Aufl. 2008, S. 121 ff. 125 Zur Regierungsführung in Afrika und zum Neopatrimonialismus Médard, in: ders. (Hrsg.), États d’Afrique noire, 1991, S. 323 ff.; Schlichte, Krieg und Vergesellschaftung in Afrika, 1996, S. 93 ff.; Fengler, Politische Reformhemmnisse und ökonomische Blockierung in Afrika, 2001, S. 46 ff.; Cilliers, African Human Security Initiative, 2004, S. 1, 25 ff.; Meredith, The State of Africa, 2005, insb. S. 686 ff.; Erdmann, in: Däubler-Gmelin et al. (Hrsg.), Afrika – Europas verkannter Nachbar, Bd. 1, 2007, S. 129 ff.; ders./Engel, Commonwealth & Comparative Politics 45/1 (2007), S. 95 ff.; Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 35 ff.; Tetzlaff, in: Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – Ein verlorener Kontinent?, 2. Aufl. 2008, S. 35 ff., 54 ff.
130
3. Kapitel
rungen schwacher Staaten die einzige Möglichkeit, die Kontrolle über die teils riesigen Territorien und unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen zu erhalten, obwohl es kaum effektive politische Institutionen oder die Fähigkeit effektive Herrschaftsgewalt durchzusetzen gibt und auch sonst keine der dem Staat normalerweise zufallenden Aufgaben, wie die Sicherstellung der inneren und äußeren Sicherheit, sowie ein Mindestmaß an sozialer, wirtschaftlicher und politischer Sicherung erfüllt werden können. Ein schwacher Staat scheint von den Regierungen gerade erwünscht zu sein, um sich mittels neopatrimonial-klientelistischer Machtstrukturen materielle Vorteile zu erhalten und politische und wirtschaftliche Rivalen kleinzuhalten oder zu verdrängen.126 Um diese Machtstrukturen aufrechtzuerhalten, sind viele afrikanische Regierungen bis heute auf die für einen neopatrimonialen Regierungsstil typische Mischung aus Patronage und Gewalt angewiesen, teilweise die Konflikte der verschiedenen Gruppen untereinander schürend, so z.B. in Somalia, im Sudan oder in Sierra Leone.127 Ein Großteil der internen Konflikte entsteht vor allem daraus, dass die Staateneliten schwacher Staaten den fortwährenden Angriffen rivalisierender Gruppierungen – meist aus dem eigenen Militärapparat – ausgesetzt sind, die ihrerseits nach staatlicher Macht streben, da entweder die ökonomischen und politischen Möglichkeiten oder der politische Wille fehlen, diese Gruppen ausreichend in den Staats- und damit Machtapparat einzubinden.128
126 Spears, African Security Review 16/2 (2007), S. 14, 16, 19. In diese Richtung auch Clapham, African Security Review 10/3 (2001), S. 7, 12 ff.; Young, African Affairs 103 (2004), S. 23 ff., 45; Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 34 f. Zum Problem der Ressourcenkontrolle als Ursache für intra- und interstaatliche Konflikte eingehend Udombana, GeoWashILRev 35 (2003), S. 55, 97 ff. 127 Schlichte, Krieg und Vergesellschaftung in Afrika, 1996, S. 100 ff.; Udombana, GeoWashILRev, 35 (2003), S. 55, 88 ff.; Cilliers, African Human Security Initiative, 2004, S. 1, 26 f.; Francis, Uniting Africa, 2006, S. 51 ff.; Spears, African Security Review 16/2 (2007), S. 14, 17. 128 Fengler, Politische Reformhemmnisse und ökonomische Blockierung in Afrika, 2001, S. 51; Sørensen, Security Dialogue 38/3 (2007), S. 357, 364 f.; Tetzlaff, in: Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – Ein verlorener Kontinent?, 2. Aufl. 2008, S. 35, 53. Zum negativen Einfluss des Militärs auf die Innenpolitik und das Wirtschaftsleben in afrikanischen Staaten Basedau, GIGA-Fokus 12/2008, S. 1, 4 ff.
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Vom schwachen Staat abzugrenzen, obwohl häufig dasselbe damit gemeint ist,129 ist die völkerrechtlich bedeutsame Situation, dass die Handlungsfähigkeit der Regierung in einigen Staaten, z.B. Somalia oder Liberia, aufgrund einer außergewöhnlichen Konfliktsituation oder durch schleichenden Prozess stark eingeschränkt bzw. ganz aufgehoben ist. Die Fähigkeit zur Durchsetzung des Gewaltmonopols und zur Erfüllung der grundlegenden staatlichen Aufgaben ist in diesen failing oder failed states nicht mehr gegeben.130 Zwar ist in solchen Staaten der Wegfall der effektiven Staatsgewalt im Sinne der jellinekschen DreiElemente-Lehre festzustellen,131 dennoch sind ihre staatlichen Grenzen, die Staatlichkeit und die Rechtspersönlichkeit in der bisherigen Praxis der internationalen Staatengemeinschaft nicht in Frage gestellt worden;132 es wurden weder die Mitgliedschaften in Internationalen Organisationen beendet noch die Fortgeltung bestehender völkerrechtlicher Verträge bezweifelt.133 Nach der im Schrifttum weit verbreiteten Kontinuitätslehre geht ein Staat erst dann als Völkerrechtssubjekt unter, wenn der Wegfall der Staatsgewalt dauerhaft und endgültig ist.134 Der 129 Zur begrifflichen Unschärfe Milliken/Krause, Development and Change 33/5 (2002), S. 753, 764 f.; Geiß, Failed States, 2004, S. 20 ff.; Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 41 f. 130 Dazu Thürer, Die Friedens-Warte 74/3 (1999), S. 275 ff.; ders., Failing States, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Februar 2009, Rn. 1 ff.; Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, 2000, S. 42 ff.; Geiß, Failed States, 2004; Liebach, Die unilaterale humanitäre Intervention im „zerfallenen Staat“, 2004, S. 40 ff. Eine Einordnung unterschiedlicher Stufen von Staatlichkeit in Afrika nehmen Mair/Petretto, in: Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – Ein verlorener Kontinent?, 2. Aufl. 2008, S. 121, 129 ff. vor. 131 Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1959, S. 394 ff., insb. 427 ff. S.a. Art. 1 Konvention von Montevideo über die Rechte und Pflichten von Staaten vom 26. Dezember 1933, LNTS Bd. 165, S. 19 ff. 132
Vgl. Bartl, Die humanitäre Intervention durch den VN-Sicherheitsrat im „Failed State“, 1999, S. 77 ff.; Liebach, Die unilaterale humanitäre Intervention im „zerfallenen Staat“, 2004, S. 47 ff. 133 134
Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, 2000, S. 43.
Siehe nur Bartl, Die humanitäre Intervention durch den VNSicherheitsrat im „Failed State“, 1999, S. 80; Thürer, Die Friedens-Warte 74/3 (1999), S. 275, 297 f.; ders., Failing States, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Februar 2009, Rn. 13; Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, 2000, S. 43; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 5 Rn. 11; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 190 Rn. 86. A.A. van Eijk, AJoCIL 9 (1997), S. 573, 588.
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3. Kapitel
failed state besteht folglich so lange fort, solange sich auf seinem Territorium kein neuer Staat auf der Basis des Selbstbestimmungsrechts des betreffenden Volkes gebildet hat. Er bleibt rechtsfähig, ist aber vorübergehend handlungsunfähig.135 Für die OAE und Afrikanische Union reichte es in diesem Zusammenhang bisher immer aus, dass eine Regierung die Hauptstadt kontrollieren konnte, um als effektiv anerkannt zu werden.136 Festzustellen ist aber, dass die Staatengemeinschaft in Fällen des Staatenzerfalls die Eingriffsschwelle der Art. 39, Art. 2 Nr. 4 und Art. 2 Nr. 7 UN-Charta insoweit abgesenkt hat, dass ein Einschreiten des UN-Sicherheitsrates aufgrund der innerstaatlichen Verhältnisse dann als gerechtfertigt angesehen wird, wenn es zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen kam oder eine schwerwiegende Missachtung des Gebots der demokratischen Regierungsform vorlag.137 Das Festhalten Afrikas an den kolonialen Grenzen aus der Sorge heraus, dass jede Veränderung an diesen zu gewaltsamen Konflikten führen könnte, übersah und übersieht nach dem Gesagten noch immer die vielen gewaltsamen Konflikte, die sich gerade aus der starren Grenzziehung und dem Bestreben der Regierungen ergeben, ohne weitere demokratische Legitimation ihre eigene Macht zu sichern.138 Schwache und zerfallende Staaten bilden einen der Hauptgründe für die anhaltenden Konflikte in Afrika und stellen das größte Sicherheitsrisiko sowohl für die Bevölkerung als auch für die Nachbarstaaten und ganze Regionen auf dem Kontinent dar.139 Auch aus diesem Grund ist, wie noch zu zeigen sein wird, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Afrikanischen Union auf die Stärkung und den Schutz staatlicher Strukturen, Demokratie und Menschenrechte ausgerichtet.
135 Geiß, Failed States, 2004, S. 165 ff.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 5 Rn. 11. 136 Ebenso für die OAE Herbst, International Organization 43/4 (1989), S. 673, 687. 137 Thürer, Die Friedens-Warte 74/3 (1999), S. 275, 299; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 5 Rn. 11; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 190 Rn. 86. 138 Castellino, International Law and Self-determination, 2000, S. 137 ff; Spears, African Security Review 16/2 (2007), S. 14, 18; ähnlich Dugard, in: Dahlitz (Hrsg.), Secession and International Law, 2003, S. 89, 94 f. 139 Ebenso Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 45, zur Regionalisierung der Konflikte insb. S. 49 ff.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
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2. Das Verbot von Terrorismus und Subversion Art. 4 lit. o) und r) (neu) KA-AU stehen in engem Zusammenhang mit dem Gewaltverbot, der friedlichen Streitbeilegung und der friedlichen Koexistenz der Mitgliedstaaten, die durch subversive oder terroristische Aktivitäten einiger Mitgliedstaaten oder in diesen operierender Gruppen erheblich beeinträchtigt werden können. Die neue Regelung des Art. 4 lit. r) KA-AU geht auf die Vorschläge der Côte d’Ivoire zurück, die sich von Rebellengruppen aus Burkina Faso und Liberia bedroht sah.140 Gleichzeitig hat sie Anklänge an Art. III Nr. 5 OAE-Charta, der die vorbehaltlose Verurteilung jeglicher Form von politischen Morden sowie subversiven Aktivitäten seitens eines Nachbarstaates oder irgendeines anderen Staates als Prinzip der OAE vorsah. Die Bestimmungen sind zudem am 1. und 3. Grundsatz der Friendly Relations Declaration angelehnt. Ähnlich verpflichtet Art. 5 lit. b) und c) Nicht-Aggressionsund Verteidigungspakt die Mitgliedstaaten dazu:141 „[to] prevent its territory and its people from being used for encouraging or committing acts of subversion, hostility, aggression and other harmful practices that might threaten the territorial integrity and sovereignty of a Member State or regional peace and security [and to] prohibit the use of its territory for the stationing, transit, withdrawal or incursions of irregular armed groups, mercenaries and terrorist organizations operating in the territory of another Member State.“
a. Subversion Das Verbot von Subversionen nach Art. 4 lit. r) (neu) KA-AU geht nicht entscheidend über die Regelungen des Art. 4 lit. o) KA-AU hinaus. Subversion ist hier nicht näher definiert worden und ist im Einzelfall kaum nachzuweisen. Zur Interpretation kann Art. 1 lit. a) NichtAggressions- und Verteidigungspakt herangezogen werden, demzufolge unter Subversion zu verstehen ist: „[…] any act that incites, aggravates or creates dissension within or among Member States with the intention or purpose to destabilize or overthrow the existing regime or political order by, among other 140 141
Maluwa, NILR 51 (2004), S. 195, 221.
African Union Non-Aggression and Common Defence Pact vom 31. Januar 2005 (mit Stand Dezember 2009 in Kraft getreten).
134
3. Kapitel
means, fomenting racial, religious, linguistic, ethnic and other differences, in a manner inconsistent with the Constitutive Act, the Charter of the United Nations and the Lome Declaration.“ Die Trennlinie zwischen politischer Teilhabe, Terrorismus und subversiven Aktivitäten zur Herbeiführung eines gewaltsamen Umsturzes ist indes schwer zu ziehen. Die Regelung steht zudem in einem gewissen Widerspruch zum Bestreben der Afrikanischen Union nach mehr Demokratie, Rechtstaatlichkeit, guter Regierungsführung und Menschenrechten, da in der Vergangenheit die Berufung auf subversive Aktivitäten sowie die Bekämpfung des Terrorismus der Unterdrückung innerstaatlicher Opposition diente und mit der Einschränkung der Versammlungs-, Meinungs-, Rundfunk- und Pressefreiheit einherging.142
b. Terrorismus Im afrikanischen Kontext sind lange Zeit der Kampf der antikolonialen Befreiungsbewegungen als Terrorismus143 bezeichnet und dementsprechend z.B. der African National Congress (ANC), die South West African People’s Organisation (SWAPO) oder die Zimbabwe African National Union–Patriotic Front (ZANU-PF) als terroristische Organisationen eingestuft worden.144 Dies lag zum Teil darin begründet, dass die 142
Vgl. z.B. Art. III Abs. 2 Convention Governing the Specific Aspects of Refugee Problems in Africa von 1969, der die OAE-Mitgliedstaaten verpflichtet: „Signatory States undertake to prohibit refugees residing in their respective territories from attacking any State Member of the OAU, by any activity likely to cause tension between Member States, and in particular by use of arms, through the press, or by radio.“ Dazu auch Maluwa, NILR 51 (2004), S. 195, 223; Petretto, in: Schneckener (Hrsg.), Chancen und Grenzen multilateraler Terrorismusbekämpfung, 2007, S. 85, 88. 143
Zur schwierigen Definition und zur Entwicklung und Ursachen des Terrorismus in Afrika Hübschle, African Security Review 15/3 (2006), S. 2 ff.; Okumu/Botha (Hrsg.), Understanding Terrorism in Africa, 2007, S. 3 ff., 15 ff.; 23 ff.; Iroanya, Africa Insight 37/1 (2007), S. 63 ff. S.a. Friedlander/Marauhn, Terrorism, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 845 ff.; Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 27 ff. 144 Dazu Hübschle, African Security Review 15/3 (2006), S. 2, 8 ff. Die USA haben den ANC und Nelson Mandela erst am 1. Juli 2008 von ihrer Terrorliste gestrichen, vgl. NZZ-online vom 2. Juli 2008, abrufbar unter: http://www.nzz. ch/nachrichten/international/usa_streichen_nelson_mandela_und_anc_von_terr orliste_1.774689.html (Stand: 31. Mai 2010).
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
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Befreiungskämpfer Methoden anwendeten, die denen von GuerillaKämpfern, aber auch denen von Terroristen entsprachen.145 Eine Reihe postkolonialer afrikanischer Staaten hat in jüngerer Zeit Terrorakte erlebt. Die Schwersten und daher auch Bekanntesten sind sicherlich die gleichzeitigen Anschläge auf die US-Botschaften in Nairobi, Kenia und Dar es Salaam, Tansania im August 1998. Desgleichen sind in Marokko, Tunesien, Ägypten und Algerien regelmäßig Anschläge zu verzeichnen. In schwachen oder zerfallenden Staaten Afrikas kommt es aufgrund der Unfähigkeit, effektive Herrschaftsgewalt auszuüben und für Sicherheit und Ordnung zu sorgen zu einer Vielzahl von Terrorakten gegen die Zivilbevölkerung. Staaten wie Somalia bieten einen idealen Rückzugsraum für internationale Terrororganisationen wie Al-Qaida, um hier Geldwäsche zu betreiben, Waffen aufzukaufen und neue Kämpfer zu rekrutieren.146 Zwischen 1990 und 2002 verzeichnete Afrika 296 terroristische Akte mit insgesamt 6.177 Toten, wobei die größte Zahl der Toten auf die Anschläge in Kenia und Tansania 1998 zurückgehen. Terroristische Aktivitäten von Rebellengruppen in Angola, Äthiopien, Burundi, der Demokratischen Republik Kongo, Uganda und Sierra Leone sind hier allerdings nicht eingerechnet. Auch ohne diese Länder einzubeziehen, hat Afrika durch den Terrorismus nach Asien den zweithöchsten Verlust an Menschenleben zu verzeichnen.147 Bereits lange vor dem 11. September 2001 befasste sich die OAE mit dem Problem des Terrorismus. 1994 verurteilte und kriminalisierte sie erstmals ausdrücklich den Terrorismus in Afrika.148 Ein nächster, für die OAE sehr weitgehender Schritt in der Terrorismusbekämpfung 145
Cilliers, African Security Review 15/3 (2006), S. 58 f.; Makinda, in: Okumu/Botha (Hrsg.), Understanding Terrorism in Africa, 2007, S. 15 f. 146 Ausführlich Cilliers, African Security Review 15/3 (2006), S. 58, 65 ff.; Botha, in: Okumu/dies. (Hrsg.), Understanding Terrorism in Africa, 2007, S. 23, 32 f.; Makinda, in: Okumu/Botha (Hrsg.), Understanding Terrorism in Africa, 2007, S. 15, 18 f.; Mills, in: Davis (Hrsg.), Africa and the War on Terrorism, 2007, S. 17, 19 ff.; Petretto, in: Schneckener (Hrsg.), Chancen und Grenzen multilateraler Terrorismusbekämpfung, 2007, S. 85; Iroanya, Africa Insight 37/1 (2007), S. 63, 72; Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 45. 147 Zahlen nach Botha, in: Okumu/dies. (Hrsg.), Understanding Terrorism in Africa, 2007, S. 23, 26 f. 148
Vgl. §§ 10, 15, 16 Declaration on a Code of Conduct for Inter-African Relations, Dok.Nr. AHG/Decl.2 (XXX), Assembly of Heads of States and Government, 30th Ordinary Session vom 13. – 15. Juni 1994. Hierzu auch Ewi/ Aning, African Security Review 15/3 (2006), S. 32, 34 ff.
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3. Kapitel
stellt die Algier-Konvention von 1999 dar.149 Die Anschläge in Kenia und Tansania im August 1998 verdeutlichten ihr, dass diese Form des Terrorismus nicht mehr nur von innerstaatlichen Faktoren abhängig war, sondern eine internationale Dimension annahm. Die OAE-Staaten mussten daher einen umfassenderen Ansatz zur Bekämpfung des Terrorismus finden.150 Gewählt wurde in Art. 1 Abs. 3 Algier-Konvention eine eigene Definition des Terrorismus: „a) any act which is a violation of the criminal laws of a State Party and which may endanger the life, physical integrity or freedom of, or cause serious injury or death to, any person, any number or group of persons or causes or may cause damage to public or private property, natural resources, environmental or cultural heritage and is calculated or intended to (i) intimidate, put in fear, force, coerce or induce any government, body, institution, the general public or any segment thereof, to do or abstain from doing any act, or to adopt or abandon a particular standpoint, or to act according to certain principles; (ii) disrupt any public service, the delivery of any essential service to the public or to create a public emergency; or (iii) create general insurrection in a State, and (b) any promotion, sponsoring, contribution to, command, aid, incitement, encouragement, attempt, threat, conspiracy, organizing, or procurement of any person, with the intent to commit any act referred to in paragraph (a) (i) to (iii).“151 Allerdings werden in Art. 3 Abs. 1 Algier-Konvention „[…] the struggle waged by peoples in accordance with the principles of international law for their liberation or self-determination, including armed struggle against colonialism, occupation, aggression and domination by foreign forces […]“ von der Terrorismusdefinition ausgenommen. Die AlgierKonvention berücksichtigt somit den besonderen Kampf der Mitgliedstaaten gegen Kolonialherrschaft und Apartheid und beinhaltet eine für alle afrikanischen Staaten bis heute akzeptable Definition des Terroris-
149
OAU (Algier) Convention on the Prevention and Combating of Terrorism vom 14. Juli 1999. 150
Ewi/Aning, African Security Review 15/3 (2006), S. 32, 36.
151 Kritisch zu dieser Terrorismusdefinition Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 300, der sie als zu weit empfindet und nicht zu Unrecht befürchtet, dass dadurch legitime politische Opposition unterdrückt werden kann.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
137
mus.152 Die Mitgliedstaaten verpflichten sich vor allem, ihr Territorium nicht für terroristische Aktivitäten zur Verfügung zu stellen und diese auch nicht zu unterstützen, sowie zu verschärften Grenzkontrollen.153 Die Algier-Konvention setzt zur Bekämpfung des Terrorismus vornehmlich auf die Kooperation der Mitgliedstaaten in den Bereichen der innerstaatlichen Strafgesetzgebung,154 der Jurisdiktion,155 der Auslieferung mutmaßlicher Terroristen156 und des Informationsaustausches157. Einen Um- oder Durchsetzungsmechanismus sieht die Algier-Konvention indessen nicht vor, da es der OAE zunächst einmal nur um die Entwicklung und Darstellung eines gemeinsamen afrikanischen Standpunktes zum Terrorismus ging.158 Die Afrikanische Union und ihre Mitgliedstaaten mussten sich angesichts der Anschläge vom 11. September 2001 und dem danach ausgerufenen „Global War on Terror“ verstärkt mit der Herausforderung des internationalen Terrorismus auseinandersetzen159 und die AlgierKonvention dringend um effektive Umsetzungsmechanismen ergänzt werden. Die Mitgliedstaaten beriefen zu diesem Zweck ein High-Level Intergovernmental Meeting on the Prevention and Combating of Terrorism ein.160 Dieses arbeitete zunächst einen Plan of Action161 aus, der
152
Ewi/Aning, African Security Review 15/3 (2006), S. 32, 37; Yoroms, in: Okumu/Botha (Hrsg.), Understanding Terrorism in Africa, 2007, S. 3, 7. 153 Art. 4 Abs. 2 lit. a), b), c) Algier-Konvention. Lange, fast unkontrollierte Grenzverläufe bilden für viele afrikanische Staaten ein Hauptproblem bei der Bekämpfung des Terrorismus; vgl. Botha, in: Okumu/dies. (Hrsg.), Understanding Terrorism in Africa, 2007, S. 23, 37; Moki, in: Davis (Hrsg.), Africa and the War on Terrorism, 2007, S. 113, 116 f. 154
Art. 2 Algier-Konvention.
155
Art. 6 f. Algier-Konvention.
156
Art. 8 ff. Algier-Konvention.
157
Art. 5 Algier-Konvention.
158
Ewi/Aning, African Security Review 15/3 (2006), S. 32, 41.
159
Dazu Makinda, African Security Review 15/3 (2006), S. 19, 24, 27 f. auch zu den Anti-Terror-Maßnahmen einzelner AU-Mitgliedstaaten. Zu den Kosten des Counter-Terrorismus für die afrikanischen Staaten anschaulich an den Beispielen Botswana, Ghana und Kenia siehe Chau, in: Okumu/Botha (Hrsg.), Understanding Terrorism in Africa, 2007, S. 59 ff. 160
Dakar Declaration against Terrorism vom 17. Oktober 2001.
138
3. Kapitel
noch einmal die Position der Mitgliedstaaten zum Thema Terrorismus zusammenfasste und zur Ratifizierung der Algier-Konvention und allen anderen relevanten internationalen Konventionen aufforderte. Gleichzeitig diente der Plan of Action als Anleitung für die Mitgliedstaaten, um die Zusammenarbeit in den Feldern Grenzkontrollen, justizielle Zusammenarbeit und Auslieferung, Kontrolle der Finanzströme terroristischer Gruppierungen und Informationsaustausch zu verbessern.162 Zudem wurde vorgeschlagen, ein African Center for the Study and Research on Terrorism (ACSRT) einzurichten.163 Dieses Forschungszentrum nahm im Oktober 2004 seine Arbeit auf und hat seinen Sitz in Algier.164 Es ist strukturell an die Kommission angegliedert und dient vornehmlich als Think Tank.165 Es soll u. a. effektive Strategien für die Bekämpfung des Terrorismus entwickeln, Informationen zentral sammeln und auswerten, die Implementierung der Algier-Konvention forcieren und die Bemühungen der Mitgliedstaaten im Kampf gegen den Terrorismus unterstützen und koordinieren.166 2004 verabschiedeten die Mitgliedstaaten das vom High-Level Intergovernmental Meeting ausgearbeitete Zusatzprotokoll zur Algier-Kon-
161 Plan of Action, Dok.Nr. Mtg/HLIG/Conv.Terror/Plan.(I), African Union High-Level Inter-Governmental Meeting on the Prevention and Combating of Terrorism in Africa vom 11. – 14. September 2002. 162 §§ 10 ff. Plan of Action; dazu Moki, in: Davis (Hrsg.), Africa and the War on Terrorism, 2007, S. 113, 115 ff. 163
§§ 19 ff. Plan of Action; Decision on Terrorism in Africa, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.15 (II), Assembly of the African Union, 2nd Ordinary Session vom 10. – 12. Juli 2003; hierzu Ewi/Aning, African Security Review 15/3 (2006), S. 32, 39. 164
Declaration of the African Union High-Level Inter-Governmental Meeting on the Prevention and Combating of Terrorism in Africa, Dok.Nr. Mtg/HLIG/Conv.Terror/Decl. (II) Rev. 2, African Union High-Level InterGovernmental Meeting on the Prevention and Combating of Terrorism in Africa vom 13. – 14. Oktober 2002. 165 Art. III Abs. 1 Nr. i) und ii) Modalities for the Functioning of the African Center for the Study and Research on Terrorism, Dok. Nr. EX.CL/195 (VII) Annex V, Assembly of the African Union, 5th Ordinary Session vom 4. – 5. Juli 2005 (VerfOACSRT). 166
Art. VI VerfOACSRT.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
139
vention.167 Das Zusatzprotokoll zielt darauf ab, die Aufgaben des Friedens- und SicherheitsratEs zu konkretisieren, der nach Art. 3 lit. d) ProtokollPSC die Bemühungen im Kampf gegen Terrorismus koordinieren und harmonisieren und nach Art. 7 lit. i) ProtokollPSC die Umsetzung der Algier-Konvention sicherstellen soll. Nach Art. 3 des Zusatzprotokolls verpflichten sich die Mitgliedstaaten neben der Umsetzung der Algier-Konvention vor allem dazu, die fundamentalen Menschenrechte ihrer Bevölkerungen vor terroristischen Akten zu schützen,168 das Eindringen von Terroristen in und Training auf ihrem Territorium zu verhindern,169 die Finanzierung solcher Gruppierungen zu unterbinden,170 gegen Söldner vorzugehen,171 dem Friedens- und Sicherheitsrat jährliche Fortschrittsberichte über den Kampf gegen den Terrorismus und über terroristische Aktivitäten zukommen zu lassen,172 alle relevanten internationalen Abkommen zur Bekämpfung des Terrorismus zu unterzeichnen173 sowie Folter und andere erniedrigende Behandlungen von Terrorverdächtigen zu unterlassen.174 Der Friedensund Sicherheitsrat soll in Wahrnehmung seiner Aufgaben Mechanismen etablieren, die die Informationssammlung, -verarbeitung und verbreitung und den Austausch unter den Mitgliedstaaten ermöglichen175 und der Versammlung jährlich Bericht erstatten.176 Das Zusatzprotokoll ergänzt die Algier-Konvention nach dem Gesagten hauptsächlich um die neu geschaffenen Mechanismen der KA-AU und insbesondere den Friedens- und Sicherheitsrat. Es ermöglicht so eine bessere Umsetzung und Koordinierung bzw. Harmonisierung der 167
Protocol to the OAU Convention on the Prevention and Combating of Terrorism, Assembly of the African Union, 3rd Ordinary Session vom 8. Juli 2004. 168
Art. 3 Abs. 1 lit. a) Zusatzprotokoll-Algier-Konvention.
169
Art. 3 Abs. 1 lit. b) Zusatzprotokoll-Algier-Konvention.
170
Art. 3 Abs. 1 lit. c) Zusatzprotokoll-Algier-Konvention.
171
Art. 3 Abs. 1 lit. e) Zusatzprotokoll-Algier-Konvention. S.a. OAU Convention for the Elimination of Mercenarism in Africa, Dok.Nr. CM/817 (XXIX) Annex II Rev.1 vom 3. Juli 1977. 172
Art. 3 Abs. 1 lit. h) und i) Zusatzprotokoll-Algier-Konvention.
173
Art. 3 Abs. 1 lit. j) Zusatzprotokoll-Algier-Konvention.
174
Art. 3 Abs. 1 lit. k) Zusatzprotokoll-Algier-Konvention.
175
Art. 4 Abs. 1 lit. a) und b) Zusatzprotokoll-Algier-Konvention.
176
Art. 4 Abs. 1 lit. c) Zusatzprotokoll-Algier-Konvention.
140
3. Kapitel
AU- und der einzelstaatlichen Aktivitäten im Kampf gegen den Terrorismus. Der Friedens- und Sicherheitsrat, die Kommission und nicht zuletzt das ACSRT dienen den Mitgliedstaaten als zentrale Sammelstellen und Multiplikatoren von Informationen und außerdem als Dienstleister für Terrorismusforschung und nationale Normensetzung in diesem Bereich. Die Algier-Konvention und das Zusatzprotokoll ermöglichen der AU überdies ein geschlossenes Auftreten nach außen, speziell im Counter Terrorism Committee (CTC) des UN-Sicherheitsrates.177 Die meisten Mechanismen befinden sich indes noch im Aufbau. Weder der Friedens- und Sicherheitsrat noch die Kommission besitzen bisher die finanziellen und personellen Kapazitäten, die Umsetzung der Algier-Konvention durch die Mitgliedstaaten zu kontrollieren. Diese sind zudem sehr zurückhaltend, was die Ratifizierung der AlgierKonvention, des Zusatzprotokolls oder anderer internationaler Konventionen betrifft, ebenso mit der Übersendung der jährlichen Fortschrittsberichte.178 Dass die Mitgliedstaaten die Menschen- und Bürgerrechte im globalen Kampf gegen den Terrorismus hinreichend beachten, muss insbesondere wegen der Unterdrückung oppositioneller Bewegungen aufgrund angeblicher terroristischer Aktivitäten oder der Behandlung gefangengenommener mutmaßlicher Terroristen stark bezweifelt werden.179
3. Die Verurteilung und Ablehnung verfassungswidriger Regierungswechsel Der Grundsatz der Ablehnung verfassungswidriger Regierungswechsel und das damit einhergehende Suspendierungs- und Sanktionsregime ist einer der neuen und ganz wesentlichen Grundpfeiler der afrikanischen
177 Das CTC dient vornehmlich der Implementierung der SR-Res. 1373 vom 28. September 2001. S.a. SR-Res. 1535 vom 26. März 2004. 178 Mills, in: Davis (Hrsg.), Africa and the War on Terrorism, 2007, S. 17, 22; Petretto, in: Schneckener (Hrsg.), Chancen und Grenzen multilateraler Terrorismusbekämpfung, 2007, S. 85, 91 f. 179 Dazu Botha, ISS-Paper 90 (2004), S. 1 ff.; Ewi/Aning, African Security Review 15/3 (2006), S. 32, 41 ff.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 300 ff.; Petretto, in: Schneckener (Hrsg.), Chancen und Grenzen multilateraler Terrorismusbekämpfung, 2007, S. 85, 92 f.; Makinda/Okumu, The African Union, 2008, S. 63.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
141
Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur.180 So ungewöhnlich eine solche Regelung in einem Gründungsdokument einer Internationalen Organisation anmutet, so konsequent ist ihre Integration in die KA-AU angesichts der Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent und der OAE. Verfassungswidrige Regierungswechsel sind bis heute eines der größten Sicherheitsprobleme des afrikanischen Kontinents und ein fast ausschließlich afrikanisches Phänomen.181 In einer umfangreichen Untersuchung weist McGowan nach, dass die 48 Staaten südlich der Sahara zwischen 1956 und 2001 80 erfolgreiche, 108 erfolglose und 139 öffentlich gewordene geplante Staatsstreiche erlebten, wobei 45 Prozent der Staatsstreiche in Staaten Westafrikas verübt wurden.182 Nach dem Ende des Kalten Krieges war die Anzahl der Staatsstreiche rückläufig. Seit 2000 gab es sieben erfolgreiche Staatsstreiche, die letzten in Mauretanien im August 2008, in Guinea im Dezember 2008 und auf Madagaskar im März 2009.183 Young weist darüber hinaus nach, dass sich die Art des Staatsstreichs im Laufe der Zeit geändert hat. Wurden bis in die 1970er Jahre „nur“ Staatschefs gestürzt und der Sicherheitsapparat des Staates intakt gelassen, so ist spätestens seit dem Sturz Amins in Uganda 1979 zu beobachten, dass Aufständische aus der Peripherie oder aus Nachbarstaaten bei ihren Staatsstreichen nicht nur die Regierungsspitze auswechseln, sondern auch den gesamten Sicherheitsapparat und insbesondere die Armee auflösen. Dies führt dazu, dass sich ehemalige (bewaffnete) Soldaten in benachbarte Regionen zurückziehen, von dort aus 180
Ebenso Williams, African Affairs, 106/423 (2007), S. 253, 271.
181
McGowan, JoMAS 41/3 (2003), S. 339, 341.
182
Ebenda, S. 339 ff., subsumiert unter einen Staatsstreich den plötzlichen und oft gewaltsamen Umsturz einer existierenden Regierung durch eine kleine Gruppe, im Unterschied zu einer Revolution, bei der eine große Anzahl von Menschen für soziale, politische und wirtschaftliche Veränderungen eintreten. Ein Staatsstreich ist so immer ein Machtwechsel „von Oben“, der im abrupten Wechsel des Führungspersonals resultiert, aber nicht notwendigerweise in der Veränderung der grundlegenden staatlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik oder in der Neuverteilung von Macht innerhalb der verschiedenen politischen Gruppen. Vgl. auch Ikome, Good Coups and Bad Coups, Februar 2007, S. 1, 7 f., 20 ff.; tabellarische Übersicht bei Hartmann, VuRÜ 38 (2005), S. 201, 215 ff.; Zounmenou, African Security Review 18/3 (2009), S. 72 f. 183 Vgl. Decision on the Resurgence of the Scourge of Coups d’État in Africa, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec. 220(XII), Assembly of the African Union, 12th Ordinary Session vom 1. – 3. Februar 2009; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(CLXXXI), Peace and Security Council, 181st Meeting vom 20. März 2009. S.a. Basedau, GIGA-Fokus 12/2008, S. 1 f.
142
3. Kapitel
häufig wieder zurückschlagen und so schnell eine ganze Region destabilisieren (sog. Spillover-Effekt), wie z.B. der anhaltende Konflikt in der Grenzregion zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo zeigt.184
a. Lomé-Deklaration Die OAE reagierte auf die Vielzahl der verfassungswidrigen Regierungswechsel in der Regel mit offiziellem Desinteresse, da sie einen Staatsstreich als eine innere Angelegenheit des Staates ansah und sich an das Nichteinmischungsprinzip hielt. Die afrikanische Diplomatie nach einem Staatsstreich wurde denn auch nicht signifikant unterbrochen, obwohl die Mitgliedstaaten OAE-intern regelmäßig darüber stritten, wie sie in solchen Fällen angemessen reagieren sollten.185 Subversive Aktivitäten oder politische Morde wurden dagegen gemäß Art. III Nr. 5 OAE-Charta verurteilt. Eine Trendwende in der OAE-Politik wurde durch eine Reihe von Staatsstreichen in Sierra Leone in den 1990ern eingeleitet, die 1997 nach dem Sturz des Präsidenten Ahmad Tejan Kabbah in einem offiziellen Aufruf der OAE gipfelten, nicht mit der Militärjunta Johnny Paul Koromas zusammenzuarbeiten und in der Entsendung einer ECOWAS-Truppe unter Führung Nigerias zu dessen Entmachtung.186 Einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen diese ständige Bedrohung der Mitgliedstaaten machte die OAE im Jahr 2000 mit der LoméDeklaration über verfassungswidrige Regierungswechsel.187 In dieser einigten sich die Staats- und Regierungschefs zunächst darauf, in welchen Fällen sie von einem verfassungswidrigen Regierungswechsel ausgehen: 184
Young, African Affairs 103 (2004), S. 23, 44.
185
Hierzu Kufuor, in: Burchill (Hrsg.), Democracy and International Law, 2006, S. 413 ff.; Williams, African Affairs, 106/423 (2007), S. 253, 271. 186 Decision on Sierra Leone, Dok.Nr. CM/Dec.357 (LXVI), Council of Ministers of the OAU, 66th Ordinary Session vom 28. – 31. Mai 1997. S.a. Hartmann, VuRÜ 38 (2005), S. 201, 217; Kufuor, in: Burchill (Hrsg.), Democracy and International Law, 2006, S. 413, 432 f. 187 (Lomé) Declaration on the Framework for an OAU Response to Unconstitutional Changes of Government, Dok.Nr. AHG/Decl.5 (XXXVI), Assembly of Heads of States and Government, 36th Ordinary Session vom 10. – 12. Juli 2000.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
143
•
der Militärputsch gegen eine demokratisch gewählte Regierung;
•
die Intervention von Söldnern, um eine demokratisch gewählte Regierung auszuwechseln;
•
die Auswechslung einer demokratisch gewählten Regierung durch bewaffnete Dissidenten- oder Rebellenbewegungen;
•
die Weigerung der amtierenden Regierung, die Macht an die Partei zu übergeben, die als Gewinnerin aus freien, fairen und ordnungsgemäßen Wahlen hervorgegangen ist.188
Die Machtsicherung durch die Manipulation von Wahlen oder durch die kurzfristige Änderung der Verfassung wird indes nicht ausdrücklich von der Regelung umfasst.189 Da die Lomé-Deklaration spezifisch davon ausgeht, dass ein Militärputsch gegen eine „demokratisch gewählte Regierung“ verboten ist, kann dies durchaus so verstanden werden, dass ein Putsch gegen eine nicht demokratisch legitimierte Regierung, z.B. ein Militärregime, nicht von der Lomé-Deklaration erfasst wird. Dies eröffnet ein Schlupfloch für solche Umstürze, die sich gegen Militärregime richten, z.B. von Seiten anderer Militärs.190 Aber auch in solchen Fällen sollten die Grundsätze der Lomé-Deklaration Anwendung finden, da diese Umstürze intern und extern nicht minder destabilisierend wirken.191 Neu und bemerkenswert an der Lomé-Deklaration ist, dass sich alle afrikanischen Staaten ausdrücklich und in dieser Form erstmalig zu den „common values and principle of democratic governance“ bekennen. Die afrikanischen Staaten übernehmen damit – jedenfalls auf dem Papier – das „westliche“ Demokratieverständnis als die einzig legitime Form der Regierungsführung.192 Dies wird durch die Verabschiedung
188 Ebenso nunmehr Regel 37 Abs. 2 VerfOVers. Regel 37 Abs. 3 VerfOVers sieht zusätzlich auch den Umsturz einer demokratisch gewählten Regierung durch Gruppierungen, die von Söldnern unterstützt werden, als verfassungswidrig an. Dies dürfte allerdings den Anwendungsbereich in Hinblick auf die anderen Tatbestandsalternativen nicht erweitern. 189
Kritisch deshalb Ikome, Good Coups and Bad Coups, Februar 2007, S. 1, 33 f.; Williams, African Affairs 106/423 (2007), S. 253, 275. 190 Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 80; Fombad, in: ders./Kebonang, AU, NEPAD and the APRM, 2006, S. 9, 22. 191
Kufuor, in: Burchill (Hrsg.), Democracy and International Law, 2006, S. 413, 439. 192
Fombad, in: ders./Kebonang, AU, NEPAD and the APRM, 2006, S. 9, 22.
144
3. Kapitel
der African Charter on Democracy, Elections and Governance193 im Jahre 2007 bestätigt.
b. Das Suspendierung- und Sanktionsregime der Afrikanischen Union In der Lomé-Deklaration wurde erstmals ein Suspendierungs- und Sanktionsregime eingeführt, das zur Lösung eines internen (Verfassungs-)Konflikts beitragen sollte. Das Nichteinmischungsprinzip wurde dadurch für OAE-Verhältnisse sehr weit zurückgenommen. Zunächst sollte während einer sechsmonatigen Phase die verfassungswidrige Regierung von der Partizipation in der OAE ausgeschlossen werden, ohne dass dies die Mitgliedschaftsrechte und -pflichten des Staates beschränkt. Der OAE-Generalsekretär sollte währenddessen versuchen, in Zusammenarbeit mit anderen Staaten und wichtigen afrikanischen Persönlichkeiten eine für alle beteiligten Seiten einvernehmliche Lösung zu finden, mit dem Ziel, einen verfassungsgemäßen Zustand (wieder)herzustellen. Im Falle des Scheiterns dieser Bemühungen sollten zusätzlich zur Suspendierung gezielte nicht-militärische Sanktionen gegen die verfassungswidrige Regierung verhängt werden. In der KA-AU wurde diese Entwicklung in Art. 4 lit. p) KA-AU und Art. 30 KA-AU kodifiziert. Regelungen zu verfassungswidrigen Regierungswechseln finden sich zudem in Regel 37 VerfOVers und Art. 7 Abs. lit. g) ProtokollPSC. Das Suspendierungs- und Sanktionsregime der Lomé-Deklaration wurde von der KA-AU und dem dazugehörigen sekundären Recht übernommen und weiter ausgebaut. Der bisher letzte Schritt dieser Entwicklung ist die African Charter on Democracy, Elections and Governance,194 die in ihrem Kapitel VIII (Art. 23 ff.) Regelungen über den Umgang mit verfassungswidrigen Regierungswechseln enthält, die bei den folgenden Ausführungen berücksichtigt werden sollen.
193
Assembly of Heads of States and Government, 8th Ordinary Session vom 30. Januar 2007 (mit Stand Mai 2010 noch nicht in Kraft getreten). 194
Art. 23 African Charter on Democracy, Elections and Governance geht über die Definition verfassungswidriger Regierungswechsel aus der LoméDeklaration und Regel 37 Abs. 2 VerfOVers insoweit hinaus, als er die Änderung der Verfassung oder anderer Rechtssätze, die einen Regierungswechsel nach demokratischen Standards beeinträchtigen, als Form des verfassungswidrigen Regierungswechsels ansieht und damit eine mögliche und übliche Form der (Wahl)Manipulation erfasst.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
145
Die Staats- und Regierungschefs der AU-Staaten haben schon vom ersten Tag an im Rahmen des Art. 4 lit. p) KA-AU verfassungswidrige Regierungswechsel verurteilt und abgelehnt und versucht, zur Herstellung verfassungskonformer Zustände und innerstaatlicher Ordnung beizutragen.195 Der AU-Versammlung und dem Friedens- und Sicherheitsrat stehen dabei mehrere Instrumente zur Verfügung, um solche internen Konflikte zu lösen. Da verfassungswidrige Regierungswechsel letztlich ebenfalls eine Verletzung der Ziele und Prinzipien der KA-AU bedeuten und damit die Verletzung eines multilateralen Vertrages, ist es völkerrechtlich zulässig, wenn die Afrikanische Union bzw. die übrigen Mitgliedstaaten die in der KA-AU vorgesehenen Maßnahmen ergreifen.196
aa. Suspendierung Gemäß Art. 30 KA-AU197 suspendiert die Versammlung198 oder der Friedens- und Sicherheitsrat199 in einem Fall des verfassungswidrigen Regierungswechsels i.S.d. Lomé-Deklaration die Partizipation der je195
Vgl. Decision on the Situation in Madagascar, Dok.Nr. ASS/AU/Dec.7(I), Assembly of the African Union, 1st Ordinary Session vom 9. – 10. Juli 2002; Communiqué, Dok.Nr. Central Organ/MEC/AMB/Comm. (XCII), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 92nd Ordinary Session at Ambassadorial Level vom 12. – 13. Juni 2003, S. 4 zum Putsch in Mauretanien; Communiqué, Dok.Nr. Central Organ/MEC/ AMB/Comm. (XCIII), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 93rd Ordinary Session at Ambassadorial Level vom 24. Juli 2003, S. 1 f. zum Putsch in Sao Tome und Principe; Communiqué, Dok.Nr. Central Organ/MEC/AMB/Comm. (XCV), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 95th Ordinary Session at Ambassadorial Level vom 18. September 2003 zum Putsch in Guinea Bissau. 196 Vgl. Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 2001 ff.; Sands/Klein, Bowett’s Law of International Institutions, 5. Aufl. 2001, S. 541 ff.; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, §§ 1445 ff. S.a. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 631 Rn. 110 f. 197 Ebenso Regel 37 Abs. 1 VerfO Vers; Art. 25 Abs. 1 African Charter on Democracy, Elections and Governance. 198
Regel 37 Abs. 4 lit. e) VerfOVers.
199
Art. 25 Abs. 1 African Charter on Democracy, Elections and Governance.
146
3. Kapitel
weiligen Regierung an den Aktivitäten der Afrikanischen Union. Ein Ausschluss aus der Organisation ist nicht vorgesehen, auch nicht bei schwersten Verletzungen der KA-AU. Indes wird nicht der Staat als solcher von den Organen oder gar von der AU selbst suspendiert, sondern nur die verfassungswidrige Regierung von der Mitarbeit ausgeschlossen, da sie durch ihre Mitarbeit keine Anerkennung oder Legitimität erhalten soll.200 Die Obliegenheiten des Mitgliedstaates einschließlich der Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Organisation bleiben bestehen, da die Mitgliedschaft als solche nicht beeinträchtigt wird.201 Sobald im Mitgliedstaat wieder verfassungskonforme Zustände herrschen, wird der status quo in der AU wiederhergestellt.202 Die Rechtsfolgen des Art. 30 KA-AU gehen sehr weit, da die verfassungswidrige Regierung an keiner Aktivität der Afrikanischen Union teilnehmen darf. Dies trifft die Regierung insbesondere bei den Sitzungen der Versammlung der Staats- und Regierungschefs besonders hart, in denen praktisch alle wichtigen Entscheidungen innerhalb der AU getroffen werden.203 Unklar ist jedoch, ob Art. 30 KA-AU auch die Suspendierung von Vorteilen, die mit der Mitgliedschaft in der AU einhergehen, z.B. Hilfe in Katastrophenfällen, umfasst. Davon ist jedoch nicht auszugehen, da die Suspendierung einer Regierung nicht zur Beendigung der Mitgliedschaft führt oder führen soll.204 Die Suspendierung der Mitarbeit zielt eben nicht auf den Staat als solchen, sondern auf die Regierung.205 Das Verfahren im Falle eines verfassungswidrigen Regierungswechsels legt Art. 37 Abs. 4 VerfOVers fest: Sobald ein solcher Fall eintritt, soll der Vorsitzende der Versammlung und der Kommissionsvorsitzende im Namen der AU den Regierungswechsel verurteilen und auf die schnelle Beseitigung des verfassungswidrigen Zustandes drängen, eine klare und eindeutige Warnung aussprechen, dass dieser Zustand nicht akzeptiert 200
Magliveras/Naldi, ICLQ 51 (2002), S. 415, 424; Anyangwe, Zambian Law Journal 38 (2006), S. 43, 60. 201 Vgl. Art. 25 Abs. 2 African Charter on Democracy, Elections and Governance, der ausdrücklich betont, dass die Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte weiterhin gelten. 202 Magliveras/Naldi, ICLQ 51 (2002), S. 415, 424. S.a. Art. 26 African Charter on Democracy, Elections and Governance. 203
Ebenso Anyangwe, Zambian Law Journal 38 (2006), S. 43, 60.
204
So ausdrücklich Art. 37 Abs. 4 lit. e) VerfOVers.
205
Anyangwe, Zambian Law Journal 38 (2006), S. 43, 60 f.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
147
und von der Organisation nicht anerkannt wird, eine einheitliche Vorgehensweise auf bilateraler, zwischenstaatlicher, sub-regionaler und internationaler Ebene sicherstellen, den Friedens- und Sicherheitsrat bitten, die Angelegenheit zu beraten und unverzüglich die Mitgliedschaft und die Partizipation in den Organen der AU suspendieren. Gemäß Art. 37 Abs. 6 VerfOVers soll der Kommissionsvorsitzende alle relevanten Tatsachen des Falles sammeln, mit Blick auf die Wiederherstellung des verfassungsgemäßen Zustands angemessene Kontakte mit der verfassungswidrigen Regierung herstellen, ohne diese anzuerkennen, afrikanische Staatsführer und Persönlichkeiten um Unterstützung bitten, mit dem Ziel, dass die Täter des verfassungswidrigen Regierungswechsels mit der AU kooperieren und die Kooperation mit der jeweiligen Regionalorganisation einleiten.206 Das Suspendierungsregime nach Art. 30 KA-AU griff bereits kurz nachdem die Afrikanische Union ihre Arbeit aufgenommen hatte und wurde bislang auf die Zentralafrikanische Republik im Jahr 2003,207 Togo im Jahr 2005,208 Mauretanien im Jahr 2005,209 Madagaskar im Jahr
206
S.a. Art. 25 Abs. 3 African Charter on Democracy, Elections and Govern-
ance. 207 Communiqué, Dok.Nr. Central Organ/MEC/AMB/Comm. (XC), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 90th Ordinary Session vom 17. März 2003, aufgehoben durch Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXXIII)-(ii), Peace and Security Council, 33rd Meeting vom 24. Juni 2005. 208 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXIV), Peace and Security Council, 24th Meeting vom 7. Februar 2005 und Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXV), Peace and Security Council, 25th Meeting vom 25. Februar 2005: Mandatierung der ECOWAS, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die konstitutionelle Ordnung in Togo nach einem Militärputsch wiederherzustellen und die Begrüßung und ausdrückliche Unterstützung von durch ECOWAS verhängten Sanktionen und die Aufforderung an alle Mitgliedstaaten, diese durchzusetzen. Das de facto-Regime in Togo wurde von der Partizipation an den AU-Aktivitäten sowie von sämtlichen AU-Organen ausgeschlossen. Die Suspendierung und die Sanktionen wurden aufgehoben mit Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXX), Peace and Security Council, 30th Meeting vom 27. Mai 2005; vgl. auch Report of the Chairperson of the Commission on the Developments in Togo, Dok.Nr. PSC/PR/2(XXX), Peace and Security Council, 30th Meeting vom 27. Mai 2005. 209 Statement, Dok.Nr. PSC/PR/Stat.(XXXVI)-(ii), Peace and Security Council, 36th Meeting vom 4. August 2005; vgl. auch Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in the Islamic Republic of Mauritania,
148
3. Kapitel
2009210 und Niger im Jahr 2010211 angewandt; im Tschad wurde eine Suspendierung lediglich angedroht.212 Nach der manipulierten Wahl in Simbabwe, die große internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, hat die Afrikanische Union von der Feststellung eines Falles verfassungswidrigen Regierungswechsels i.S.d. Lomé-Deklaration und Art. 30 KA-AU und damit einhergehend einer Verurteilung oder gar Suspendierung der Regierung Mugabes abgesehen und auf die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit unter Vermittlung der SADC gedrängt.213 Dieses Vorgehen entspricht dem bisherigen OAE/AUVerständnis im Umgang mit manipulierten oder gewaltgeprägten Wahlen, wie zuvor auch in Kenia.214 Das Verhalten der AU ist aber auch dem besonderen Gewicht Simbabwes im südlichen Afrika und dem Umstand geschuldet, dass sich Mugabe nach dem (erzwungenen) Rückzug der Opposition im Einklang mit der Verfassung zum Sieger erklären konnte.215 So konnte die Organisation zwar von einem offensichtli-
Dok.Nr. PSC/PR/2(XXXVII), Peace and Security Council, 37th Meeting vom 8. September 2005; aufgehoben mit Communiqué on the Situation in The Islamic Republic of Mauretania, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(LXXVI), Peace and Security Council, 76th Meeting vom 10. April 2007. S.a. Report of the Chairperson of the Commission on the Evolving Developments in the Islamic Republic of Mauritania, Dok.Nr. PSC/PR/2(LXXVI), Peace and Security Council, 76th Meeting vom 10. April 2007. 210
Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(CLXXXI), Peace and Security Council, 181st Meeting vom 20. März 2009. 211 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.2(CCXVI), Peace and Security Council, 216th Meeting vom 19. Februar 2010. 212
Decision on the Situation in Chad, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.188 (X), Assembly of the African Union, 10th Ordinary Session vom 31. Januar. – 2. Februar 2008. Zum Ganzen Ikome, Coups and Bad Coups, Februar 2007, S. 1, 35 ff.; Williams, African Affairs 106/423 (2007), S. 253, 273 f. 213
Resolution on Zimbabwe, Dok.Nr. Assembly/AU/Res.1 (XI), Assembly of the African Union, 11th Ordninary Session vom 30. Juni – 1. Juli 2008. 214 Press Statement, Dok.Nr. PSC/PR/BR(CIX), Peace and Security Council, 109th Ordinary Session vom 21. Januar 2008; Decision on the Situation in Kenya following the Presidential Election of 27. December 2007, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.187 (X), Assembly of the African Union, 10th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2008, die dem Wortlaut nach stark der SimbabweResolution ähnelt. 215
S. 2.
FAZ vom 30. Juni 2008, Nr. 150 S. 1 f.; FAZ vom 2. Juli 2008, Nr. 152
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
149
chen Fall des Wahlbetrugs ausgehen,216 allerdings nicht zwingend von einem Fall des verfassungswidrigen Regierungswechsels i.S.d. Art. 30 KA-AU. Es ist dennoch zu konstatieren, dass sich die AU in Fällen manipulierter Wahlen nicht einfach aus dem innerstaatlichen Konflikt heraushält, sondern in Zusammenarbeit mit den RECs versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden, wie z.B. die Schaffung einer nationalen Einheitsregierung im Falle Kenias oder Simbabwes.
bb. Sanktionen Neben der Suspendierung der verfassungswidrigen Regierung sehen die Lomé-Deklaration, Art. 37 Abs. 5 VerfOVers, Art. 7 lit. g) ProtokollPSC und Art. 25 Abs. 7 African Charter on Democracy, Elections and Governance vor, dass die verfassungswidrige Regierung mit gezielten nicht-militärischen Sanktionen belegt werden soll. Daneben sieht Art. 23 Abs. 2 KA-AU eine Reihe von Sanktionen für den Fall vor, dass ein Mitgliedstaat die Grundsätze der Afrikanischen Union verletzt hat.217 Zu diesen gehört nach Art. 4 lit. p) KA-AU auch die Ablehnung verfassungswidriger Regierungswechsel. Allerdings gehen die Sanktionen aus Art. 23 Abs. 2 KA-AU nicht über diejenigen nach Regel 37 Abs. 5 VerfOVers und der Lomé-Deklaration hinaus. Vorgesehen sind als Sanktionen u. a. die Verweigerung von Visa für die Verantwortlichen, die Einschränkung der inter-governmentalen Zusammenarbeit, die Versagung von Transport- und Kommunikationsverbindungen mit anderen Mitgliedstaaten, Handelsbeschränkungen sowie andere Maßnahmen politischer oder wirtschaftlicher Art, die die Versammlung auf Vorschlag des Friedens- und Sicherheitsrates verhängt. Als Beispiel für die bisherige AU-Praxis können die Sanktionen gegen die de factoRegierung von Ndzuwani auf Anjouan, Komoren dienen: „[…] a) all Member States shall immediately take the necessary measures to prevent the entry into or transit through their territories of all the illegal Anjouanese authorities and all other persons that
216
Vgl. The Pan-African Parliament Election Observer Mission to the Presidential Run-Off and Parliamentary By-Elections in Zimbabwe, Interim Statement vom 29. Juni 2008. 217 Vgl. auch die Sanktionen nach Art. 23 Abs. 1 KA-AU bei Nichtzahlung der Beiträge. Dazu Sands/Klein, Bowett’s Law of International Institutions, 5. Aufl. 2001, S. 541; Schermers/Blokker, International Institutional Law, 4. Aufl. 2003, § 1455.
150
3. Kapitel
impede the reconciliation process and constitute a threat to peace and security in the Comoros, b) all Member States shall immediately freeze the funds, other financial assets and economic resources that are on their territories and are owned or controlled by the illegal authorities of Anjouan and all other persons and entities that impede the process of reconciliation and constitute a threat to peace and security in the Comoros, c) in order to facilitate the implementation of the measures […] the Government of the Union of the Comoros, in collaboration with the Commission, shall draw up a comprehensive list of all the individuals and entities concerned. […], d) all air and sea transport to or from Anjouan shall be monitored to ensure that they do not, in any way, benefit to the illegal authorities of Anjouan and to their supporters, bearing in mind the need to limit, as much as possible, the impact of these measures on the civilian population. [T]he measures imposed […] shall be applicable for an initial period of forty-five (45) days from the date of the adoption of the present communiqué. Should the illegal Anjouanese authorities comply fully and unconditionally with the demands of the Ministerial Committee and the relevant decisions of Council, before the expiration of this period, Council shall meet to terminate these measures, after consultation with the countries of the region. In the event of non-compliance, Council shall meet to adopt further measures, including sea and air blockade of the Island, as well as MAES support to the Comorian Government to enable it take all measures necessary to restore its authority in Anjouan […].“218
218 §§ 5, 11 Communiqué on the Comoros, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.1 (XCV), Peace and Security Council, 95th Ordinary Session vom 10. Oktober 2007; verlängert durch Communiqué on the Situation in the Comorian Island of Anjouan, Dok.Nr. PSC/PR/BR/PS/2 (CVII), Peace and Security Council, 107th Ordinary Session vom 21. Januar 2008. Gleichzeitig wurde eine Überwachungsund Unterstützungsmission für Wahlen, die African Union Mission for Support to the Elections in the Comoros (AMISEC) eingesetzt; vgl. Communiqué on the Situation in the Comores, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XLVII), Peace and Security Council, 47th Meeting vom 21. März 2006; Communiqué on the Comoros, Dok.Nr. PSC/MIN/Comm.1 (LXXVII), Peace and Security Council, 77th Ordinary Session vom 9. Mai 2007 und Communiqué on the Comoros, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.1 (XCV), Peace and Security Council, 95th Ordinary Session vom 10. Oktober 2007; Communiqué on the Situation in the Comorian Island
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
151
cc. Andere Rechtsfolgen Art. 25 African Charter on Democracy, Elections and Governance zeitigt noch weitergehendere, weder in der KA-AU noch dem sekundären Recht aufgeführte Rechtsfolgen, die im Falle eines verfassungswidrigen Regierungswechsels greifen können. Nach Art. 25 Abs. 4 soll den für den verfassungswidrigen Regierungswechsel Verantwortlichen die Teilnahme an Wahlen, die einen verfassungsgemäßen Zustand wiederherstellen sollen, untersagt werden sowie das Bekleiden eines verantwortungsvollen Amtes in einer politischen Institution des Staates.219 Die Verantwortlichen sollen vor dem zuständigen AU-Gerichtshof angeklagt werden (Abs. 5).220 Neben den Sanktionen gegen die Verantwortlichen sollen zudem Sanktionen nach Art. 23 KA-AU gegen jeden Mitgliedstaat verhängt werden, dem nachgewiesen werden kann, den verfassungswidrigen Regierungswechsel in einem anderen Mitgliedstaat angestiftet oder unterstützt zu haben (Abs. 6).221 Den Staaten ist ferner
of Anjouan, Dok.Nr. PSC/PR/BR/PS/2 (CVII), Peace and Security Council, 107th Ordinary Session vom 21. Januar 2008; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm(CXXIV), Peace and Security Council, 124th Ordinary Session vom 30. April 2008. S.a. Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm(CCIV), Peace and Security Council, 204th Meeting vom 17. September 2009; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.2(CCVII), Peace and Security Council, 207th Meeting vom 29. Oktober 2009 mit ähnlichen Sanktionen gegen den Präsidenten Moussa Dadis Camara und einzelne Mitglieder des National Council for Democracy and Development (CNDD) in Guinea, die am Putsch vom Dezember 2008 beteiligt waren und Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.1(CCXVI), Peace and Security Council, 216th Meeting vom 19. Februar 2010 mit Sanktionen gegen die de facto-Regierung von Andry Rajoelina auf Madagaskar. 219 Diese Sanktion soll nach § 6 lit. a) Decision on the Prevention of Unconstitutional Changes of Government and Strengthening of the Capacity of the African Union to Manage such Situations, Dok.Nr. Assembly/AU/ Dec.269(XIV), Assembly of the African Union, 14th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2010 nunmehr zusätzlich zu den bisherigen Maßnahmen verhängt werden können, auch wenn die African Charter on Democracy, Elections and Governance noch nicht in Kraft getreten ist. 220 Gemeint kann hier nur der AU-Gerichtshof sein, da er nach Zusammenlegung mit dem Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte der einzige afrikanische Gerichtshof sein wird. Die Kompetenzen würden sich insoweit aus Art. 28 lit. g) und h) Statute of the African Court of Justice and Human Rights ergeben. 221 Nunmehr auch § 6 lit. b) Decision on the Prevention of Unconstitutional Changes of Government and Strengthening of the Capacity of the African Un-
152
3. Kapitel
untersagt, den Verantwortlichen Unterschlupf oder Zuflucht zu gewähren (Abs. 8). Sie haben alles dafür zu tun, dass die Verantwortlichen vor Gericht gebracht werden bzw. die notwendigen Maßnahmen für ihre Auslieferung zu ergreifen (Abs. 9). Dafür sollen sie bilaterale Abkommen und Abkommen über Rechtshilfe schließen (Abs. 10). Nach Art. 26 der Charta sollen die Sanktionen wieder aufgehoben werden, sobald der Konflikt gelöst worden ist.222
4. Der Respekt vor demokratischen Grundsätzen, Menschenrechten, Rechtstaatlichkeit und guter Regierungsführung Ein zentrales neues Grundprinzip der Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur, das unmittelbar sowohl mit der Verurteilung verfassungswidriger Regierungswechsel als auch mit den Interventionsrechten zusammenhängt, ist die Achtung, Förderung und der Schutz demokratischer Grundsätze, guter Regierungsführung und Menschenrechte.223
ion to Manage such Situations, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.269(XIV), Assembly of the African Union, 14th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2010. 222
Vgl. z.B. Communiqué on the Situation in The Islamic Republic of Mauretania, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(LXXVI), Peace and Security Council, 76th Meeting vom 10. April 2007 das die Suspendierung Mauretaniens aufhebt. S.a. Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXXIII)-(ii), Peace and Security Council, 33rd Ordinary Meeting vom 24. Juni 2005 im Fall der Zentralafrikanischen Republik. 223 Gute Regierungsführung und demokratische Regierungsführung sind definitorisch nur schwer voneinander zu trennen und die Paradigmen als solche nicht unumstritten. Gute Regierungsführung kann weiter verstanden werden als demokratische und meint generell die Schaffung von gut funktionierenden, zuverlässigen, transparenten, rechtsstaatlichen und rechenschaftspflichtigen legislativen, exekutiven und judikativen Institutionen, die von den Staatsbürgern als legitim anerkannt werden und an deren Entscheidungen bzw. Entscheidungfindungsmechanismen sie tatsächlich auch teilhaben können. Bei der Bewertung von guter Regierungsführung in einem Staat wird sich an sechs Indikatoren orientiert: 1. Voice and Accountability; 2. Political Stability and Absence of Violence; 3. Government Effectiveness; 4. Regulatory Quality; 5. Rule of Law und 6. Control of Corruption. Dazu Steiner, Afrika im Blickpunkt 2 (2005), S. 1 ff.; Fombad, in: ders./Kebonang, AU, NEPAD and the APRM, 2006, S. 9, 11; Kaufmann et al., Governance Matters VII - Aggregate and Individual Govern-
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
153
Bereits bei der Ausarbeitung der OAE-Charta gab es Diskussionen, ob Bekenntnisse zu Menschenrechten und guter Regierungsführung aufgenommen werden sollen. Allerdings strichen die Staats- und Regierungschefs der teilnehmenden Staaten eine Klausel zur „guten Regierungsführung“ aus der Rohfassung der OAE-Charta, die besagte „[…] the aim of the government is the well being of the governed.“224 So enthielt die OAE-Charta letztlich keine ausdrücklichen Bekenntnisse zu Menschenrechten oder zu demokratischer Regierungsführung. Im Rahmen der immer stärkeren Fokussierung der internationalen Staatengemeinschaft auf den Menschenrechtsschutz wurden in den 1970 und 80er Jahren die Nichtbeachtung der Menschenrechte in Afrika vornehmlich durch die Vereinten Nationen, die internationalen Finanzinstitutionen, die Geberländer sowie durch internationale und lokale NGOs in den Vordergrund gerückt.225 Und auch die die Gräueltaten Idi Amins führten schließlich zu einem langsamen Umdenken der OAE und der sukzessiven Verabschiedung verschiedener Menschenrechts- und Demokratiedeklarationen und -programme.226 Das Nichteinmischungsprinzip, das die OAE noch daran hinderte, sich stärker für Menschenrechte in ihren Mitgliedstaaten einzusetzen, tritt nunmehr in der KA-AU deutlich in den Hintergrund.227 Hierin werden erstmals an mehreren Stellen klare Bekenntnisse zur Demokratie, Menschenrechten und guter Regierungsführung aufgenommen, so in der Präambel, in Art. 3 lit. e), g), h) und k) KA-AU sowie in Art. 4 h), l), m), n), o) und p) KA-AU. Die ausdrückliche Bezugnahme auf den Menschenrechtsschutz, demokratische Grundsätze und gute Regierungsführung ist ein immenser Fortschritt zur OAE.228 Diese Prinziance Indicators 1996-2007, 2008, S. 1, 7 f.; Tomuschat, Human Rights, 2. Aufl. 2008, S. 62 f. S.a. Seppänen, Good Governance in International Law, 2003. 224
Amate, Inside the OAU, 1986, S. 60.
225
Zur Entwicklung des Menschenrechtsschutzes der OAE auch Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 1 ff.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 163 ff.; Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 20 ff. 226 Harsch, Africa Recovery 17/3 (2003), S. 1, 4 f.; Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 262; Touray, African Affairs 104/417 (2005), S. 635, 639; Fombad, in: ders./Kebonang, AU, NEPAD and the APRM, 2006, S. 9, 18 f.; Williams, African Affairs 106/423 (2007), S. 253, 268. 227 228
Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 30 f.
Ebenso Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 29; Magliveras/Naldi, ICLQ 51 (2002), S. 415, 416; Kindiki, AHRLJ 3 (2003), S. 97, 100 f.; Murray,
154
3. Kapitel
pien sollen – wenigstens auf dem Papier – alle Politikfelder der Afrikanischen Union durchdringen und Handlungsmaxime der Organisation und der Mitgliedstaaten sein. Nicht nur die Mitgliedstaaten erklären sich bereit, im Rahmen ihrer Jurisdiktion den Schutz der Menschenrechte zu garantieren, sondern die Organisation selbst hat die institutionelle Pflicht übernommen, sicherzustellen, dass Menschenrechte in Afrika generell beachtet, gefördert und geschützt werden.229 Durch die vielfältigen Instrumentarien zum Schutz der Menschenrechte soll ferner die normative Vereinheitlichung der innerstaatlichen Ordnungen der Mitgliedstaaten erreicht werden.230 Aus der Bezugnahme auf die internationalen Menschenrechtsinstrumente231 lässt sich außerdem eine gewisse Abkehr vom „afrikanischen“ Verständnis von Menschenrechten herauslesen, auf das sogleich in Untersuchung der Banjul-Charta einzugehen ist. Der Zusammenhang zwischen Demokratie, guter Regierungsführung, Menschenrechten, nachhaltiger sozio-ökonomischer Entwicklung und der Integration des Kontinents wird in den Zielen und Prinzipien der Afrikanischen Union nunmehr ausdrücklich anerkannt.232 Die Verschiebung des Gewichts weg von Staaten- hin zu Menschenrechten wird z.B. in Hinblick auf die Straflosigkeit von Staats- und Regierungschefs, die Menschenrechtsverletzungen begangen hatten, deutlich. Aus der „culture of impunity“ der OAE entwickelt sich in der Afrikanischen Union langsam eine „culture of accountability“.233 So wurde mit dem ehemaligen tschadischen Präsidenten Hissene Habré erstmals ein afrikanischer Staatschef wegen Menschenrechtsverletzungen vor ein Gericht gestellt; dies zwar im Senegal aber aufgrund einer Entscheidung der Afrikanischen Union unter ausdrücklicher Bezugnahme
Human Rights in Africa, 2004, S. 32 f.; Naldi, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 20, 46. 229
Kindiki, AHRLJ 3 (2003), S. 97, 101; Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 29; Naldi, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 20, 22. 230
Tonndorf, Menschenrechte in Afrika, 1997, S. 215.
231
Vgl. Art. 3 lit. e) und h) KA-AU.
232
Vgl. Art. 3 lit. c) KA-AU. S.a. Naldi, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 20, 22. 233
Baker, Third World Quarterly 25/8 (2004), S. 1487, 1497; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 106. A.A. Manby, HumRQ 26 (2004), S. 983, 1005 ff. S.a. Makinda/Okumu, The African Union, 2008, S. 58.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
155
auf Art. 3 lit. h), Art. 4 lit. h) und o) KA-AU und im Namen Afrikas.234 Allerdings ist bis heute die tatsächliche Einhaltung der Menschenrechte und eine demokratische Regierungsform, anders als bei der Europäischen Union, keine zwingende Beitrittsvoraussetzung.235
a. Banjul-Charta 1981 verabschiedeten die OAE-Staaten die Banjul-Charta, der erste und bis heute maßgebliche Vertrag für den Menschenrechtsschutz in Afrika.236 Mit der Banjul-Charta wurden Menschenrechte nunmehr offiziell von der OAE anerkannt, auch wenn die Durchsetzungsmechanismen der Charta bis heute schwach bleiben.237 Sie geht in der Präambel ausdrücklich davon aus, dass das Konzept der Menschenrechte von den historischen Traditionen und Werten Afrikas beeinflusst ist. Die Rechte der Völker werden als Bestandteil der Menschenrechte vom Anwendungsbereich der Banjul-Charta erfasst. Menschenrechte werden zudem in Bezug gesetzt zum Recht auf Entwicklung sowie zu den politischen und bürgerlichen Rechten, die nur wahrgenommen werden können, wenn auch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte verwirklicht werden.238
aa. Individualrechte Die Banjul-Charta zählt in Art. 3 ff. eine Reihe von klassischen Individualrechten auf, die denen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte weitgehend entsprechen. Sie enthält aber auch Rechte der zwei-
234 Decision on the Hissene Habre Case and the African Union, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.127(VII), Assembly of the African Union, 7th Ordinary Session vom 1. – 2. Juli 2006. S. dazu Williams, African Affairs 106/423 (2007), S. 253, 269. 235 Kritisch auch Hartmann, VURÜ 38 (2005), S. 201 f.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 174. 236 Eingehend Tonndorf, Menschenrechte in Afrika, 1997, S. 215 ff., 271 ff.; Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 235 ff.; Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008. 237
Dazu bereits Kapitel 1.V.
238
Vgl. Präambel Banjul-Charta.
156
3. Kapitel
ten und dritten Generation,239 wie das Recht des Einzelnen auf Teilnahme an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten, auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern und öffentlichem Eigentum,240 das Recht auf Eigentum und ordentliche Arbeitsbedingungen,241 das Recht auf bestmögliche Gesundheit242 sowie das Recht auf Bildung, Teilhabe am kulturellen Leben der Gemeinschaft und der Schutz der moralischen und traditionellen Werte der Gemeinschaft durch den Staat.243 Da einige Vorschriften wie die Presse- sowie die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit nach Art. 9 f. Banjul-Charta in Abhängigkeit von nationaler Gesetzgebung gewährleistet werden, bemüht sich die Menschenrechtskommission in Anwendung und Auslegung der BanjulCharta um die weitestgehende Aufrechterhaltung der Mindestgarantien in Übereinstimmung mit internationalen Standards.244
239 Zum Schutz der zweiten und dritten Generation der Menschenrechte durch die Menschenrechtskommission Naldi, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 20, 31 ff. Zu den Individualrechten und die Auslegung durch die Menschenrechtskommission Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 75 ff.; Manby und Olaniyan, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 171 ff. und S. 213 ff. 240 Art. 13 Banjul-Charta; zu Art. 10, 11 und 13 Banjul-Charta z.B. Communications 251/2002, Lawyers for Human Rights vs. Swaziland, African Commission on Human Rights, 18th Activity Report 2004 – 2005, Annex III, S. 12 ff. 241
Art. 14 und 15 Banjul-Charta.
242
Art. 16 Banjul-Charta. S.a. Communication 100/93, Union Interafricaine des Droits de l’Homme vs. Zaire, African Commission on Human Rights, 9th Activity Report 1995 – 1996, Annex VIII; Communications 105/93, 128/94, 130/94, 152/96, Media Rights Agenda and Constitutional Rights Project vs. Nigeria, African Commission on Human Rights, 12th Activity Report 1998 – 1999, Annex V, S. 60 para. 89 ff.; Communications 241/2001, Purohit and Moore vs. The Gambia, African Commission on Human Rights, 16th Activity Report 2002 – 2003, Annex VII, S. 62 ff. para. 78 ff. 243 244
Art. 17 Banjul-Charta.
Siehe z.B. Communications 105/93, 128/94, 130/94, 152/96, Media Rights Agenda and Constitutional Rights Project vs. Nigeria, African Commission on Human Rights, 12th Activity Report 1998 – 1999, Annex V, S. 52 ff. para. 65 ff. und Communications 242/2001, Interights, Institute for Human Rights and Development in Africa, and Association Mauritanienne des Droits de l’Homme vs. Islamic Republic of Mauritania, African Commission on Human Rights, 17th Activity Report 2003 – 2004, Annex VII, S. 101 ff. para. 76 ff. zur Meinungsund Vereinigungsfreiheit. Zum Ganzen Viljoen, International Human Rights
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
157
bb. Rechte der afrikanischen Völker Im Unterschied zur allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und anderen Menschenrechtsinstrumenten enthält die Banjul-Charta im Einklang mit der herausgehobenen Stellung der „Gemeinschaften“ in Afrika eine ganze Reihe von Rechten der afrikanischen Völker, die gleichzeitig die andere Seite der Individualrechte darstellen und mit diesen auf das Engste verknüpft sind,245 u. a. das Recht auf Existenz und Selbstbestimmung,246 das Recht auf freie Verwertung ihres Reichtums und ihrer natürlichen Ressourcen,247 das Recht auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung unter Berücksichtigung ihrer Freiheiten und Identität,248 das Recht auf nationalen und internationalen Frieden und Sicherheit249 sowie das Recht auf eine zufriedenstellende Umwelt, die für ihre Entwicklung förderlich ist.250 Der Begriff des „Volkes“ ist in der Banjul-Charta nicht definiert worden, was die Handhabung durch die Menschenrechtskommission bisher jedoch nicht erschwert hat.251 Sie hat durch eine Reihe von Entscheidungen ihr eigenes Verständnis von „Volk“ entwickelt. Dazu gehören das gesamte „Staats-
Law in Africa, 2007, S. 414; Manby, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 171, 212; Naldi, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 20, 26 ff. m.w.N. 245 Dazu Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 203 ff.; Baldwin/Morel, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 244 ff. 246
Art. 20 Abs. 1 Banjul-Charta.
247
Art. 21 Abs. 1 Banjul-Charta; s. aber Art. 21 Abs. 4 und 5 Banjul-Charta.
248
Art. 22 Banjul-Charta.
249
Art. 23 Abs. 1 Banjul-Charta.
250
Art. 24 Banjul-Charta. Dazu Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 287 ff. 251 Z.B. Communication 75/92, Katangese Peoples’ Congress vs. Zaire, African Commission on Human Rights, 8th Activity Report 1994 – 1995, Annex VI; Communication 155/96, The Social and Economic Rights Action Center and the Center for Economic and Social Rights vs. Nigeria, African Commission on Human Rights, 15th Activity Report 2001 – 2002, S. 31 ff. para. 43 ff. S.a. Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 204 ff.; Baldwin/Morel, Group Rights, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 245 ff.
158
3. Kapitel
volk“ als solches,252 eine aufgrund der gemeinsamen Herkunft, ethnischen Zugehörigkeit, Sprache oder kulturellen Gebräuche identifizierbare Gruppe253 und indigene Gemeinschaften.254
cc. Pflichten des Einzelnen und der Staaten Die Banjul-Charta enthält im Gegensatz zu anderen Menschenrechtsinstrumenten auch Pflichten der Staaten und des Einzelnen; dies wiederum aufgrund der besonderen Stellung der Gemeinschaft im afrikanischen Gesellschaftsverständnis und der engen Bindung des Einzelnen an und dessen Verantwortung für diese.255 So soll der Einzelne seine Rechte und Freiheiten mit Rücksicht auf die Rechte der anderen, kollektive Sicherheit, Moral und gemeinsamen Interessen ausüben,256 die harmonische Entwicklung der Familie wahren und für den Zusammenhalt und Respekt der Familie arbeiten,257 der nationalen Gemeinschaft dienen,258 die Sicherheit seines Heimatstaates nicht gefährden, die soziale und nationale Solidarität, die nationale Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit erhalten und stärken, zur Verteidigung des Lan-
252 Communications 147/95 und 149/96, Sir Dawda K. Jawara vs. The Gambia, African Commission on Human Rights, 13th Activity Report 1999 – 2000, Annex V, S. 96 ff. para. 72 ff. 253 Communication 211/98, Legal Resources Foundation vs. Zambia, African Commission on Human Rights, 14th Activity Report 2000-2001, Annex V, S. 86 ff. para. 73. 254 Report of the African Commission’s Working Group of Experts on Indigenous Populations/Communities, African Commission on Human and Peoples’ th Rights, 28 Ordinary Session vom 23. Oktober – 6. November 2000, S. 89 ff. S.a. Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 281 ff.; Baldwin/Morel, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 245, 248 f. 255 Dazu bereits Elias, The Nature of African Customary Law, 1956, S. 76 ff.; M’Baye/Ndiaye, in: Vasak (Hrsg.), The International Dimensions of Human Rights, Bd. 2., 1982, S. 583, 589 f.; Maluwa, International Law in Post-Colonial Africa, 1999, S. 130 ff.; Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 377 ff. 256
Art. 27 Banjul-Charta.
257
Art. 29. Abs. 1 Banjul-Charta.
258
Art. 29 Abs. 2 Banjul-Charta.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
159
des beitragen, nach besten Kräften arbeiten und seine Steuern zahlen.259 Diese Pflichten des Einzelnen korrelieren nicht zwingend mit der Gewährleistung der Rechte aus der Banjul-Charta und sind dazu geeignet, die Individualrechte ganz erheblich zu beschränken, vor allem, weil sie überwiegend den Staat als Begünstigten der Pflichten ins Zentrum rücken. Die Inklusion der Individualpflichten gegenüber dem Staat ist daher ein wesentlicher Schwachpunkt der Banjul-Charta.260
dd. Weitere Entwicklung 1990 folgte der Banjul-Charta die Verabschiedung der afrikanischen Kinderrechtscharta, die 1999 in Kraft trat.261 Ebenfalls 1990 sprachen sich die Staats- und Regierungschefs für stärkere Demokratisierungsbemühungen in ihren Ländern aus.262 Nach dem Ende des Kalten Krieges verlangten auch die internationalen Finanzinstitutionen wie IWF und Weltbank sowie westliche Staaten als Konditionen für weitere Entwicklungszusammenarbeit die Einhaltung von Menschenrechten und demokratischen Grundsätzen. Mit der politischen und institutionellen Neuausrichtung der OAE in den 1990ern ging daher die Verabschiedung weiterer Menschenrechtsschutz- und Demokratieinstrumente einher.263 Mit einer Reihe von Konferenzen auf Botschafter- und Ministerebene und der Verabschiedung der Grand Bay-Deklaration richtete sich die OAE in Menschenrechtsfragen – weg von der Menschenrechtskommission – neu aus und integrierte diese Thematik stärker als
259
Art. 29 Abs. 3 bis 6 Banjul-Charta.
260
Ebenso Naldi, in: Evans/Murray (Hrsg.), The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2. Aufl. 2008, S. 20, 29 m.w.N. A.A. wohl Ouguergouz, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, 2003, S. 420 f. 261
African Charta on the Rights and Welfare of the Child, Dok.Nr. CAB/LEG/24.9/49, Assembly of Heads of States and Government, 26th Ordinary Session vom 9. – 11. Juli 1990. 262 § 10 Declaration of the Heads of State and Government of the Organization of African Unity on the Political and Socio-Economic Situation in Africa and the Fundamental Changes Taking Place in the World, Dok.Nr. AHG/ Decl.1 (XXVI), Assembly of Heads of State and Government, 26th Ordinary Session vom 9. – 11. Juli 1990. 263
Vgl. Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 25 ff.; Hartmann, VuRÜ 38 (2005), S. 201; Williams, African Affairs 106/423 (2007), S. 253, 270 f. S.a. Akokpari, EISA-Occasional Paper 14 (2003), S. 1, 4 ff.
160
3. Kapitel
bisher in ihre Politik und die der Mitgliedstaaten.264 Und auch in der Algier-Deklaration von 1999 bekannten sich die OAE-Mitgliedstaaten nachdrücklich zu Menschenrechten, und zwar unabhängig von den Befreiungskämpfen der Vergangenheit.265
b. CSSDCA In Anlehnung an die OSZE wurde 1999 die Conference on Security, Stability, Development and Cooperation in Africa (CSSDCA) ins Leben gerufen,266 in deren Rahmen die OAE/AU-Mitgliedstaaten zu mehr Demokratie, guter Regierungsführung und Menschenrechten als Grundvoraussetzungen von Sicherheit, Stabilität und Entwicklung in den Mitgliedstaaten und auf dem gesamten Kontinent angeregt werden sollen. Diese Bekenntnisse wiederholten die Mitgliedstaaten in der 2000 verabschiedeten CSSDCA-Deklaration.267 Sie erkennen damit ausdrücklich die Verbindung von Menschenrechten, Demokratie, Frieden und Sicherheit an.268 Ziel der CSSDCA ist es, die Arbeit der OAE/AU in den vier Politikbereichen (sog. Calabashes) Sicherheit, Stabilität, Entwicklung und Kooperation zu konsolidieren und gemeinsame Strate-
264 Grand Bay (Mauritius) Declaration and Plan of Action, OAU Ministerial Conference on Human Rights in Africa vom 12. – 16. April 1999. S.a. Murray, Human Rights in Africa, 2004, S 26 f. 265 Algiers Declaration, Dok.Nr. AHG/Decl. 1 (XXXV), Assembly of Heads of States and Government, 35th Ordinary Session vom 12. – 14. Juli 1999. 266
Kampala Document: Africa Moves to Launch A Conference on Security, Stability, Development & Co-operation in Africa, Kampala Forum on Security, Stability, Development and Co-operation in Africa vom 19. – 22 Mai 1991; Sirte Declaration, Dok.Nr. EAHG/Draft/Decl. (IV) Rev.1, Assembly of Heads of States and Government, 4th Extra-Ordinary Session vom 8. – 9. September 1999. Zur Entwicklung seit 1991 Llyod/Murray, JoAL 48/2 (2004), S. 165, 168; Manby, HumRQ 26 (2004), S. 983, 992; Tieku, African Security Review 16/2 (2007), S. 26, 30. 267
Conference on Security, Stability, Development and Cooperation in Africa (CSSDCA) Solem Declaration, Dok.Nr. AHG/Decl.4 (XXXVI), Assembly of th the Heads of States and Governments, 36 Ordinary Session vom 10. – 12. Juli 2000. Dazu ausführlich Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 6 f.: Manby, HumRQ 26 (2004), S. 983 ff. 268 § 9 lit. b) und h) CSSDCA-Deklaration. S.a. Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 123.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
161
gien und Werte für die Organe der OAE/AU zu entwickeln.269 Für jeden Politikbereich werden in der CSSDCA-Deklaration eigene Zielsetzungen und Leitlinien unterbreitet, die sich teilweise wiederholen, nicht klar voneinander abgrenzbar und in ihrer Quantität kaum umsetzbar sind. Im Dezember 2001 und Mai 2002 wurden die vier Calabashes im Rahmen eines Memorandum of Understanding näher definiert.270
aa. Sicherheit und Stabilität Nach dem Verständnis der CSSDCA ist Sicherheit Grundvoraussetzung für Frieden, Stabilität, Entwicklung und Kooperation. Hiernach umfasst „[t]he concept of security […] all aspects of society including economic, political, social and environmental dimensions of the individual, family and community, local and national life. The security of a nation must be based on the security of the life of the individual citizens to live in peace and to satisfy basic needs while being able to participate fully in societal affairs and enjoying freedom and fundamental human rights.“271 Das durch die CSSDCA gewählte Verständnis von Sicherheit geht über einen rein militärische Überlegungen umfassenden Begriff von Sicherheit hinaus und beinhaltet auch die Prävention, Eingrenzung und Lösung von Konflikten sowie die Beachtung der Menschen-, Grund- und Bürgerrechte mit dem Ziel Frieden und Sicherheit auf dem gesamten Kontinent und auf allen Ebenen menschlichen und staatlichen Handelns herzustellen.272 Die Notwendigkeit eigener afrikanischer Friedenstruppen wird bereits hier festgehalten, aber auch die Ablehnung von ausländischer, sprich außerafrikanischer Einmischung in interne 269
§ 7 und 9 CSSDCA-Deklaration.
270
Memorandum of Understanding on Security, Stability, Development and Cooperation in Africa, Heads of State and Government First Standing Conference on Security, Stability, Development and Cooperation in Africa vom 8. – 9. Juli 2002 (MoUSSDCA). 271 § 10 lit. a) und b) CSSDCA-Deklaration. Siehe schon Ouagadougo Declaration, Dok.Nr. AHG/Decl. I (XXXIV), Assembly of Heads of States and Government, 34th Ordinary Session vom 8. – 10. Juni 1998. 272
Ebenso Llyod/Murray, JoAL 48/2 (2004), S. 165, 168 f. Zur Entwicklung und zum neuen Sicherheitsverständnis der OAE/AU s.a. Hendricks, in: Ulbert/Werthes (Hrsg.), Menschliche Sicherheit, 2008, S. 137, 139 f.
162
3. Kapitel
Konflikte.273 Angeregt wird überdies die Errichtung eines afrikanischen Frühwarnsystems. Ebenso sollen die Ursachen und Folgen von Flüchtlingswellen und Vertreibungen von der CSSDCA angegangen werden.274 Ein Teil dieser Vorgaben ist durch die Entwicklungen seit 2002 bereits umgesetzt worden. Stabilität ist nach der CSSDCA-Deklaration nur zu erreichen, wenn sich die Staaten streng an die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung, Partizipation der Bevölkerung an öffentlichen Angelegenheiten sowie Menschen- und Grundrechte halten und wenn politische Organisationen religiösen, ethnischen und rassischen Extremismus vermeiden.275 Die Mitgliedstaaten verpflichten sich daher, den Demokratisierungsprozess in Afrika voranzutreiben, zu guter Regierungsführung und zur Förderung demokratischer Institutionen, einschließlich der Ermöglichung freier und fairer Wahlen. Rechtsstaatlichkeit und der Schutz von Menschen- und Bürgerrechten sollen ebenso gewährleistet und gefördert werden wie die Partizipation von Zivilgesellschaften im politischen Prozess. Die Mitgliedstaaten sollen zudem sicherstellen, dass staatliche Ausgaben und Reichtum gleichmäßig auf die Bürger verteilt und die Ausbeutung nationaler Ressourcen transparent erfolgt. Die negativen Folgen interner und externer Ausbeutung afrikanischer Ressourcen und die allgegenwärtige Korruption sollen stärker als bisher bekämpft werden. Ferner sollen Richtlinien für den Umgang mit verfassungswidrigen Regierungswechseln ausgearbeitet werden. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen sollen verurteilt und die notwendige Zusammenarbeit mit den zuständigen Institutionen für die strafrechtliche Verfolgung der Täter gewährleistet werden.276
bb. Entwicklung und Kooperation Für den dritten Politikbereich wird vor allem auf Eigenverantwortlichkeit, ökonomische Kooperation und Integration, Teilhabe der Bevölkerung an der ökonomischen Entwicklung, gleicher Zugang zu Ressourcen, Transparenz politischer Entscheidungen und partnerschaftliche 273
§ 10 lit. e) und f) CSSDCA-Deklaration.
274
§ 14 Abs. 1 lit. a), b), c), d), f), g), j) und k) CSSDCA-Deklaration.
275
§ 11 CSSDCA-Deklaration.
276
§§ 11 lit. a), b) und c), 14 Abs. 2 lit. a), b), c), d), f), i), j) und l) CSSDCADeklaration.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
163
Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Regierung abgestellt. Der Zugang zu Ressourcen und Märkten sowie ein Schuldenerlass werden als notwendige Bedingung ökonomischer Entwicklung in Afrika verstanden.277 Auch soll durch verbesserte Kooperation mit anderen Entwicklungsländern ein weltweites entwicklungszentriertes System von Wirtschaftsbeziehungen vorangebracht werden, das die besondere Situation der afrikanischen Wirtschaften berücksichtigt.278 Die bisher genannten Politikfelder werden ergänzt durch die Kooperation der Mitgliedstaaten auf regionaler und sub-regionaler Ebene, die die Entwicklung und Integration fördern soll. Hierzu soll die AEC dienen, in deren Rahmen die Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten und der RECs koordiniert und harmonisiert werden sollen. Gleiches gilt für die Beziehungen zu anderen Entwicklungs- und Industrieländern und den Ausbau der Nord-Süd- und Süd-Süd-Beziehungen. Ferner sollen gemeinsame natürliche Ressourcen gemeinschaftlich ausgebaut, verwaltet und genutzt werden.279 Damit die regionale (Wirtschafts-)Integration beschleunigt wird, sollen die AEC und andere ökonomische Programme rasch implementiert, sowie die Koordination und Kooperation auf den Ebenen der OAE/AU und der RECs verbessert werden, vor allem in den Bereichen Schuldenerlass, Handel, Investitionen, HIV/AIDS-Bekämpfung und Infrastruktur.280
cc. Umsetzungsmechanismus Eine CSSDCA-Konferenz soll sich alle zwei Jahre mit der Umsetzung der CSSDCA-Deklaration beschäftigen. An der Konferenz sollen auch Parlamentarier des Panafrikanischen Parlaments partizipieren. Zwischen den Sitzungen sollen sich regelmäßig Beamte der Mitgliedstaaten auf Arbeitsebene treffen und die Umsetzung der Entscheidungen der Konferenz überwachen.281 Die Mitgliedstaaten verpflichten sich weiter dazu, die Ziele und Leitfäden der CSSDCA in nationalen Institutionen zu inkorporieren und nationale focal points und Koordinationsbüros zu schaffen, um die nationale Umsetzung der CSSDCA-Deklaration zu 277
§ 12 lit. b), d), e), f) und g) CSSDCA-Deklaration.
278
§ 14 Abs. 3 lit. a), b), d), f), i) und k) CSSDCA-Deklaration.
279
§ 13 lit. a), b), c), d), e) und f) CSSDCA-Deklaration.
280
§ 14 Abs. 4 lit. a), b), c), e), f), g) und j) CSSDCA-Deklaration.
281
§ 15 lit. a) und b) CSSDCA-Deklaration.
164
3. Kapitel
unterstützen und zu überwachen.282 Die Hauptverantwortung für die Überwachung und Implementierung der CSSDCA liegt auf AU-Seite beim Kommissionsvorsitzenden.283 In der Kommission wurde zunächst eine CSSDCA-Coordination Unit284 und später das African Citizens’ Directorate (CIDO) eingerichtet, das neben den CSSDCA-bezogenen Koordinations- und Überwachungsaufgaben auch dafür zuständig ist, die Beteiligung der Zivilgesellschaften an den Aktivitäten der Afrikanischen Union zu erhöhen.285 Die CSSDCA-Deklaration ist letztlich eine politische Erklärung, deren Einhaltung mangels Sanktionssystem kaum durchsetzbar und nur sehr schwierig zu überwachen ist. Allerdings hat sie in bisher nicht gekannter Deutlichkeit die Verknüpfung von Frieden, Sicherheit, Entwicklung, demokratischer Regierungsform und Menschenrechten anerkannt und das alte Sicherheitsverständnis der OAE-Staaten von Staatensicherheit zur umfassenden menschlichen Sicherheit erweitert. Zudem hat der CSSDCA-Prozess in diesem Bereich wichtige Entwicklungen hin zur Afrikanischen Union angestoßen, so die Notwendigkeit einer gemeinsamen Verteidigungspolitik oder die Schaffung eines Frühwarnsystems und afrikanischer Friedenstruppen zur Konfliktbewältigung und zum Schutz der Menschenrechte.
c. NEPAD Mehr Demokratie und gute Regierungsführung in den Mitgliedstaaten soll vor allem auch durch die New Partnership for Africa’s Development (NEPAD) aus dem Jahr 2001 erreicht werden.286 Die NEPAD ging aus dem Zusammenschluss zweier bis dahin auch im Rahmen der G8282
§ 15 lit. c) CSSDCA-Deklaration; Abschnitt IV MoUSSDCA.
283
§ § 15 lit. d) ff. CSSDCA-Deklaration. S.a. Art. 3 Abs. 2 lit. h) StatutKomm; Abschnitt IV MoUSSDC. 284
Siehe Ziff. 20 ff. Report of the 3rd Ordinary Session of the Executive Council on the Proposed Structure, Human Resource Requirements and Conditions of Service for the Staff of the Commission of the African Union and their Financial Implications, Dok.Nr. Ex/CL/39 (III), Executive Council, 3rd Ordinary Session vom 4. – 8. Juli 2003. 285
Ausführlich hierzu Tieku, African Security Review 16/2 (2007), S. 26,
33 ff. 286 Abrufbar unter http://www.nepad.org/2005/files/documents/inbrief.pdf (Stand: 31. Mai 2010).
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
165
Konsultationen diskutierter Programme zur sozio-ökonomischen Entwicklung Afrikas, dem Millennium Partnership for Africa’s Recovery Programme (MAP)287 und dem Omega Plan hervor. Zunächst als von der Afrikanischen Union getrennt laufendes Programm, teilweise sogar als eigene Organisation verstanden, wurde die NEPAD mittlerweile weitestgehend in die AU-Strukturen integriert.288 In erster Linie ist die NEPAD als der „socio-economic blueprint for Africa“289 das Wirt-
287 Abrufbar unter (Stand: 31. Mai 2010).
http://www.nepad.org/2005/files/documents/24.pdf
288 §§ 8 ff. Declaration on the Implementation of the New Partnership for Africa’s Development (NEPAD), Dok.Nr. Assembly/AU/Decl.8 (II), Assembly of the African Union, 2nd Ordinary Session vom 10. – 12. Juli 2003; § 22 Decision on the Implementation of the New Partnership for Africa’s Development, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.38 (III), Assembly of the African Union, 3rd Ordinary Session vom 6. – 8. Juli 2004; Decision on the Integration of NEPAD into the Structure and Processes of the African Union, Dok.Nr. Assembly/AU/ Dec.124 (VII), Assembly of the African Union, 7th Ordinary Session vom 1. – 2. Juli 2006; Decision on the Integration of NEPAD into African Union Structures and Processes, Dok.Nr. Assembly/AU/ Dec.153 (VIII), Assembly of the African Union, 8th Ordinary Session vom 29. – 30. Januar 2007; Decision on the Report of the Heads of State and Government Implementation Committee on NEPAD, Dok.Nr. Assembly/AU/ Dec.191 (X), Assembly of the African Union 10th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2008; Decision on the African Peer Review Mechanism, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.198 (XI), Assembly of th the African Union, 11 Ordninary Session vom 30. Juni – 1. Juli 2008; Decision on the Report of Heads of State and Government Implementatiion Committee on NEPAD, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.205 (XI), Assembly of the African Union, 11th Ordninary Session vom 30. Juni – 1. Juli 2008; Decision on the Integration of NEPAD into the Structures and Processes of the African Union including the Establishment of the NEPAD Planning and Coordination Agency (NPCA), Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.283(XIV), Assembly of the African Unth ion, 14 Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2010. S.a. Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 179. 289
Vgl. Declaration on the New Common Initiative (MAP and OMEGA), Dok.Nr. AHG/Decl. 1 (XXXVII), Assembly of Heads of State and Government, 37th Ordinary Session vom 9. – 11. Juli 2001; Declaration on the Implementation of the New Partnership for Africas Development (NEPAD), Dok.Nr. ASS/AU/Decl. 1 (I), Assembly of the African Union, 1st Ordinary Session vom 9. – 10. Juli 2002. Zur Entwicklung, Akokpari, EISA-Occasional Paper 14 (2003), S. 4 f.; Gumedze, SAJHR 22 (2006), S. 144, 146 ff.
166
3. Kapitel
schafts- und Entwicklungsprogramm der Afrikanischen Union.290 Im Kontrast zu anderen Programmen verfolgt die NEPAD jedoch einen langfristigen und umfassenden Entwicklungsansatz, der politische und wirtschaftliche Aspekte und Menschenrechte als integrale Bestandteile von Entwicklung versteht.291 Langzeitziel der NEPAD ist die Überwindung der Armut in Afrika und nachhaltiges Wachstum und Entwicklung der afrikanischen Staaten, um die Marginalisierung des Kontinents im Globalisierungsprozess aufzuhalten.292
aa. Sicherheitspolitische Aspekte der NEPAD Im Rahmen dieser Untersuchung relevante Aspekte der NEPAD finden sich zunächst in der Erklärung der Unterzeichnerstaaten, dass sie Demokratie und Menschenrechte in den Staaten und Regionen fördern und schützen wollen. Ferner sollen Standards der Zurechenbarkeit, Transparenz und Teilhabe entwickelt werden.293 Schließlich gibt es die Peace and Security Initiative als eine der drei Säulen des NEPAD-Ansatzes zur nachhaltigen Entwicklung, neben der Democracy and Political Governance Initiative und der Economic and Corporate Governance Initiative.294 Die Peace and Security Initiative besteht aus drei Elementen: der Förderung von Langzeitbedingung für Entwicklung und Sicherheit, dem Ausbau der afrikanischen Institutionen im Bereich Frühwarnung und Konfliktprävention, -bewältigung und -lösung sowie der Institutionalisierung der Kernanliegen der NEPAD durch die jeweilige Führung der Mitgliedstaaten.295 Um die afrikanischen Kapazitäten zu verbessern, 290 Kritisch zu den wirtschaflichen und entwicklungspolitischen Ansätzen der NEPAD Bunwaree, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 227 ff.; Landsberg, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 207, 212 ff. S.a. Chibundu, in: Levitt (Hrsg.), Africa – Mapping New Boundaries in International Law, 2008, S. 257 ff. 291 Cilliers, ISS-Paper 70 (2003), S. 1 f.; Llyod/Murray, JoAL 48/2 (2004), S. 165, 180; Manby, HumRQ 26 (2004), S. 983, 988 f.; Mangu, SAYIL 29 (2004), S. 136, 146. Zum Zusammenhang von Entwicklung, Demokratie und Menschenrechtsschutz s.a. Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 237 ff. 292
Ziff. 67 NEPAD-Dokument.
293
Ziff. 49 NEPAD-Dokument.
294
Ziff. 71 ff. NEAPD-Dokument.
295
Ziff. 72 NEPAD-Dokument.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
167
sollen die existierenden regionalen und sub-regionalen Institutionen auf den Gebieten Konfliktprävention, -bewältigung und -lösung, Peacemaking, Peacekeeping und Peace Enforcement, Postkonflikt-Wiedergutmachung und -Wiederaufbau sowie beim Kampf gegen die Proliferation von Waffen und Landminen gestärkt werden.296 Für die zweite hier noch interessierende Säule, die Democracy and Political Governance Initiative, stellen die Mitgliedstaaten ausdrücklich fest, dass: „[i]t is generally acknowledged that development is impossible in the absence of true democracy, respect for human rights, peace and good governance. With [NEPAD], Africa undertakes to respect the global standards of democracy, the core components of which include political pluralism, allowing for the existence of several political parties and workers unions, and fair, open and democratic elections periodically organised to enable people to choose their leaders freely.“297 Ziel der Democracy and Political Governance Initiative ist die Stärkung der politischen und administrativen Rahmenbedingungen der Mitgliedstaaten im Einklang mit den Prinzipien der Demokratie, Transparenz, Zurechenbarkeit, Integrität, Respektierung von Menschenrechten und Förderung von Rechtsstaatlichkeit.298 Hierfür sollen die an der NEPAD partizipierenden Staaten u. a. Mindeststandards für ihre Regierungsprozesse und -praktiken einführen und demokratische und gute Regierungsführung fördern. Erreicht werden soll dies vor allem durch institutionelle Reformen und verbesserte politische Teilhabe in den Staaten.299
bb. Declaration on Democracy, Political, Economic and Corporate Governance Ergänzt wird die NEPAD durch die im Jahr 2002 verabschiedete Declaration on Democracy, Political, Economic and Corporate Governance.300 296
Ziff. 74 NEPAD-Dokument.
297
Ziff. 79 NEPAD-Dokument.
298
Ziff. 80 NEPAD-Dokument.
299
Eingehend Ziff. 81 ff. NEPAD-Dokument.
300
NEPAD Declaration on Democracy, Political, Economic and Corporate Governance, Dok.Nr. AHG/235 (XXXVIII) Annex I, Assembly of Heads of
168
3. Kapitel
In der NEPAD-Demokratie-Deklaration bekennen sich die Unterzeichnerstaaten erneut zu Demokratie und guter Regierungsführung, zu Menschenrechten, Rechtstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Recht, Grund- und politischen Rechten, zu freien und fairen Wahlen sowie zu Chancengleichheit und Gewaltenteilung.301 Die NEPAD-DemokratieDeklaration zielt überdies auf die Stärkung transparenter Wirtschaftspolitik als Grundlage für Wirtschaftswachstum und Armutsbekämpfung und auf die sozio-ökonomische Entwicklung der Unterzeichnerstaaten.302 Um den Bekenntnissen zu Demokratie, guter Regierungsführung und Menschenrechten Nachdruck zu verleihen, verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten in einem Plan of Action zu umfangreichen Änderungen ihrer Verfassungen und Regierungssysteme zur Gewährleistung von mehr Partizipation, freier und fairer Wahlen, Rechtstaatlichkeit, guter Regierungsführung und dem Schutz und der Förderung von Menschen- und Bürgerrechten.303
cc. Umsetzungsmechanismen/APRM Implementiert und überwacht werden soll der NEPAD-Prozess durch das zwanzigköpfige Heads of States and Government Implementation Committee (HSGIC).304 Das HSGIC wird durch ein NEPAD-Steering State and Government, 38th Ordinary Session vom 8. Juli 2002 (NEPADDemokratie-Deklaration). 301
Im Einzelnen § 7 NEPAD-Demokratie-Deklaration.
302
Im Einzelnen §§ 16 ff. NEPAD-Demokratie-Deklaration.
303
§§ 13 f. NEPAD-Demokratie-Deklaration.
304
Nach Ziff. 200 NEPAD-Dokument eigentlich nur fünfzehn Länder. Unabhängig von diesen formalen Vorgaben sind für die Jahre 2008 bis 2010 folgende Länder Mitglieder des HSGIC: für Nordafrika: Ägypten, Algerien, Libyen und Tunesien; für Zentralafrika: Demokratische Republik Kongo, Gabun, Kamerun und Republik Kongo; für Ostafrika: Äthiopien, Madagaskar, Ruanda und Sudan; für Westafrika: Benin, Mali, Nigeria und Senegal; für das südliche Afrika: Lesotho, Malawi, Namibia und Südafrika; vgl. Decision on the Report of Heads of State and Government Implementation Committee on NEPAD, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.205 (XI), Assembly of the African Union, 11th Ordninary Session vom 30. Juni – 1. Juli 2008. Durch Decision on the Integration of NEPAD into the Structures and Processes of the African Union including the Establishment of the NEPAD Planning and Coordination Agency (NPCA), Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.283(XIV), Assembly of the African Union, 14th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2010 werden die NEPAD-
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
169
Committee und ein NEPAD-Sekretariat unterstützt. Die Kommission unterstützt ihrerseits die NEPAD-Staaten bei der Umsetzung des Programms.305 Integraler Bestandteil des NEPAD-Prozesses ist der African Peer Review Mechanism (APRM). Er dient der (Selbst-)Überprüfung der Umsetzung und Einhaltung der im Rahmen der NEPAD und der NEPADDemokratie-Deklaration vereinbarten politischen und ökonomischen Ziele und Programme in den jeweiligen Mitgliedstaaten. Der APRM soll die Annahme der gemeinsamen Politiken und Standards beschleunigen und durch Weiterverbreitung von Erfahrungen und „best practice“ politische Stabilität, Wirtschaftswachstum, nachhaltige Entwicklung und sub-regionale und kontinentale Wirtschaftsintegration fördern.306 Die Mitgliedschaft und somit die Überprüfung der eigenen Politik ist freiwillig und steht allen Staaten offen, die die NEPAD-DemokratieDeklaration und das APRM-MoU unterzeichnet haben.307 Die erste Organe weiter in die AU-Strukturen integriert und umbenannt – das Heads of States and Government Implementation Committee (HSGIC) soll zukünftig NEPAD Heads of State and Government Orientation Committee (HSGOC) heißen, das NEPAD-Sekretariat zukünftig NEPAD Planning and Coordination Agency (NPCA). 305 Art. 3 Abs. 2 lit. h) StatutKomm. Dies geschieht durch eine an die Kommission angegliederte NEPAD-Coordination-Unit. S. im Einzelnen hierzu Ziff. 16 ff. Report of the 3rd Ordinary Session of the Executive Council on the Proposed Structure, Human Resource Requirements and Conditions of Service for the Staff of the Commission of the African Union and their Financial Implications, Dok.Nr. Ex/CL/39 (III), Executive Council, 3rd Ordinary Session vom 4. – 8. Juli 2003. Dazu auch Cilliers, ISS-Paper 70 (2003), S. 1, 8 f. 306 §§ 1 f. The African Peer Review Mechanism (APRM), Dok.Nr. AHG/235 (XXXVIII) Annex II, Assembly of Heads of State and Government, 38th Ordinary Session vom 8. Juli 2002; Memorandum of Understanding on the African Peer Review Mechanism, Dok.Nr. NEPAD/HSGIC/03-2003/APRM/MOU, HSGIC vom 9. März 2003 (APRM-MoU). 307 § 4 APRM-Dokument; §§ 17 f., 30 f. APRM-MoU. Bisher sind 28 Staaten dem APRM beigetreten: Ägypten, Algerien, Angola, Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Dschibuti, Gabun, Ghana, Kamerun, Kenia, Lesotho, Mali, Mauretanien, Mauritius, Malawi, Mosambik, Nigeria, Republik Kongo, Ruanda, Sambia, São Tomé und Príncipe, Senegal, Sierra Leone, Südafrika, Sudan, Tansania und Uganda; vgl. § 3 Decision on the African Peer Review Mechanism, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.198 (XI), Assembly of the African Union, 11th Ordninary Session vom 30. Juni – 1. Juli 2008. Sehr kritisch zur Freiwilligkeit Akokpari, EISA-Occasional Paper 14 (2003), S. 14 f. S.a. Gumedze, SAJHR 22 (2006), S. 144, 166.
170
3. Kapitel
Überprüfung eines Mitgliedstaates soll in der Regel innerhalb von 18 Monaten erfolgen, nachdem dieser dem APRM-Prozess beigetreten ist. Danach sollen periodische Überprüfungen alle zwei bis vier Jahre stattfinden.308 Der APRM wird von einem APR-Forum als höchstem Entscheidungsgremium überwacht. Es wird ferner unterstützt durch das APR-Panel, das aus fünf bis sieben afrikanischen Persönlichkeiten besteht, durch die APR-Teams, die die Länderbesuche vornehmen und das APR-Sekretariat, eine Untergliederung des NEPAD-Sekretariats, für die technische und sonstige Unterstützung.309 Wie die NEPAD-Strukturen sollen die APRM-Strukturen vollständig in die AU-Strukturen integriert werden, auch um Spannungen zwischen den AU- und NEPAD-Organen zu vermeiden.310 Der APRM orientiert sich an einer Vielzahl von Standards, Kriterien und Indikatoren, die bei der Beurteilung des nationalen Stands der Demokratisierung, guter Regierungsführung, des Menschenrechtsschutzes und der sozio-ökonomischen Entwicklung helfen sollen.311 Der Überprüfungsprozess erfolgt in fünf Phasen: erstens aus umfassenden Vorabstudien zur jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Entwicklung, zweitens einem Besuch durch ein APR-Team, drittens der Ausarbeitung eines Berichts in enger Kooperation mit dem untersuchten Mitgliedstaat, viertens der Vorlage an die zuständigen Staats- und Regierungschefs des APR-Panels und fünftens der Veröffentlichung des Länderberichts.312 Die teilnehmenden Mitgliedstaaten können innerhalb 308
§ 13 APRM-Dokument.
309
Einzelheiten siehe African Peer Review Mechanism Organisation and Processes, abrufbar unter: http://www.issafrica.org/AF/RegOrg/nepad/apr morgproc.pdf (Stand: 31. Mai 2010). Dazu Cilliers, ISS-Paper 64 (2002), S. 1 ff.; ders., ISS-Paper 70 (2003), S. 4 ff. 310
Vgl. § 6 Decision on the African Peer Review Mechanism. S.a. Cilliers, ISS-Paper 64 (2002), S. 1, 3; Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 41. 311 Im Einzelnen siehe Objectives, Standards, Criteria and Indicators for the African Peer Review Mechanism, abrufbar unter: http://www.issafrica.org/AF/ RegOrg/nepad/aprmobject.pdf (Stand: 31. Mai 2010). 312 Vgl. §§ 17 ff. APRM-Dokument und African Peer Review Mechanism Organisation and Processes. Bisher haben u. a. Algerien, Benin, Ghana, Kenia, Lesotho, Mali, Mosambik, Nigeria, Ruanda, Südafrika und Uganda am APR teilgenommen; s. Communiqué, issued at the End of the 8th Summit of the Committee of Heads of State and Government Participating in the African Peer Review Mechanism (APR Forum) vom 30. Januar 2008; Communiqué, issued at the End of the 9th Summit of the Committee of Heads of State and Government
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
171
der vierten Phase der Überprüfung einigen (sanften) Druck auf den überprüften Staat ausüben, sich kooperativer zu verhalten bzw. seine Politik zu ändern.313 Die Partizipation von NGOs oder der Zivilgesellschaft in Erstellung der Berichte ist nur insoweit vorgesehen, als die Länderteams diese in der zweiten Phase der Überprüfung konsultieren können. Die Unterzeichnerstaaten und vor allem der zu überprüfende Staat behalten indes die volle Kontrolle über den gesamten Überprüfungsprozess. Letztlich entscheiden die Unterzeichnerstaaten selbst über den Inhalt und Umfang der Überprüfung und des Abschlussberichts, was zumindest gegen die Objektivität und die Vollständigkeit des APRM-Prozesses sprechen dürfte.314 NEPAD, APRM und CSSDCA überschneiden sich in vielen Bereichen, sowohl in den Zielsetzungen als auch in der Umsetzungs- und Überwachungsstruktur. Durch die Freiwilligkeit der Überprüfung und die großen Einflussmöglichkeiten der überprüften Staaten auf den Endbericht besteht die Gefahr, dass die Überwachung durch den APRM letztlich noch schwächer ist, als die Überprüfung der Einhaltung und Umsetzung der Ziele der CSSDCA, die an alle AU-Mitgliedstaaten gerichtet ist.315 Jedoch ist zu berücksichtigen, dass seitens der internationalen Akteure, die die Afrikanische Union politisch und finanziell unterstützen, ein großes Interesse am NEPAD-Prozess besteht, was für größere Einhaltung der Vorgaben und bessere Überwachung als bei der CSSDCA spricht. Belastbare Belege hierfür wird indes erst die sich bisher nur sehr langsam entwickelnde Staatenpraxis liefern können.
Participating in the African Peer Review Mechanism (APR Forum) vom 29. Juni 2008; Communiqué, issued at the End of the 11th Summit of the Committee of Heads of State and Government Participating in the African Peer Review Mechanism (APR Forum) vom 30. Juni 2009. Zu den Einzelheiten Cilliers, ISSPaper 70 (2003), S. 3 f.; Mangu, SAYIL 29 (2004), S. 136, 149 ff.; Grimm/Nawrath, GIGA-Fokus 3/2007, S. 1, 3 ff.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 211 ff. 313
§ 23 APRM-Dokument.
314
Cilliers, ISS-Paper 70 (2003), S. 1, 14; Melber, in: Fombad/Kebonang, AU, NEPAD and the APRM, 2006, S. 5 f. 315 Ebenso Cilliers, ISS-Paper 64 (2002), S. 1, 5 f.; Akokpari, EISAOccasional Paper 14 (2003), S. 14; Manby, HumRQ 26 (2004), S. 983, 993 f.; Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 41; Landsberg, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 207, 221.
172
3. Kapitel
d. Lomé-Deklaration und Declaration on the Principles Governing Democratic Elections in Africa 2000 stellte die OAE in der bereits erwähnten Lomé-Deklaration über verfassungswidrige Regierungswechsel im Rahmen der AU weitergeltende „Grundsätze demokratischer Regierungsform in Afrika“ auf, an die sich alle Mitgliedstaaten halten und die auf staatlicher und substaatlicher Ebene gelten sollen:316 •
• • •
• • •
•
•
die Annahme einer demokratischen Verfassung, deren Vorbereitung, Inhalt und Änderung in Übereinstimmung mit generell akzeptierten demokratischen Grundsätzen erfolgen soll; der Respekt vor der Verfassung und Einhaltung der Gesetze und anderer Legislativakte des Parlaments; Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Justiz;317 die Förderung politischen Pluralismus oder jeder anderen Form demokratischer Partizipation sowie die Rolle der afrikanischen Zivilgesellschaften, einschließlich der Sicherstellung der Geschlechterbalance im politischen Prozess;318 das Prinzip des demokratischen Machtwechsels und die Anerkennung der Rolle der Opposition; die Organisation freier und fairer Wahlen in Übereinstimmung mit bisherigen Verträgen;319 die Garantie der Meinungs- und Pressefreiheit einschließlich des Zugangs zu den Medien für alle am politischen Prozess Teilhabenden; die verfassungsmäßige Gewährleistung der Grundrechte und freiheiten in Übereinstimmung mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Banjul-Charta;320 die Garantie und Förderung der Menschenrechte.321
316
Declaration on the Framework for an OAU Response to Unconstitutional Changes of Government, Dok.Nr. AHG/Decl.5 (XXXVI), Assembly of Heads of States and Government, 36th Ordinary Session vom 10. – 12. Juli 2000. Dazu Cilliers/Sturman, ISS-Paper 58 (2002), S. 1 f. 317 S.a. Art. 1 Ouagadougo Declaration, Dok.Nr. AHG/Decl. I (XXXIV), Assembly of Heads of States and Government, 34th Ordinary Session vom 8. – 10. Juni 1998. 318
S.a. § 14 lit. i) CSSDCA-Deklaration.
319
S.a. § 14 lit. a) CSSDCA-Deklaration; Art. 13 Abs. 1 Banjul-Charta.
320
S.a. Art. 25 f. Banjul-Charta.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
173
Kriterien für demokratische Wahlen formulierte die OAE in ihrer letzten Sitzung in der OAU/AU Declaration on the Principles Governing Democratic Elections in Africa.322 In dieser Deklaration erkennen die Staats- und Regierungschefs an, dass demokratische Wahlen die Grundlage für jede repräsentative Regierung und regelmäßige Wahlen ein elementarer Baustein des Demokratisierungsprozesses ist. Zudem sind sie Teil der kontinentalen Konfliktpräventions-, -bewältigungs- und –lösungsstrategie.323 Mitgliedstaatliche Wahlen sollen frei und fair, auf Grundlage demokratischer Verfassungen und unter den notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen, in einem System der Gewaltenteilung und unabhängiger Justiz, in regelmäßigen Abständen und durch unparteiische, kompetente und rechenschaftspflichtige Wahlkommissionen abgehalten werden.324 Allerdings ist die Deklaration für die AU-Staaten rechtlich nicht verbindlich. Viele der Grundsätze sollen zudem erst durch nationalstaatliche Regelungen umgesetzt werden, was insbesondere bei solchen Staaten Fragen aufwirft, die keinen ausgeprägten demokratischen Rechtssetzungsprozess besitzen oder nicht dem demokratischen Regime entsprechen, dass die Afrikanische Union zu fördern versucht.325
e. Guidelines on Election Observation and Monitoring Missions In engem Zusammenhang mit der letztgenannten Deklaration sollen die AU Guidelines on Electoral Observation and Monitoring Missions326 demokratischere Wahlen in Afrika ermöglichen. Wahlbeobachtungs321
S.a. Art. 3 lit. h) KA-AU; Art. 4 lit. h) KA-AU.
322
OAU/AU Declaration on the Principles Governing Democratic Elections in Africa, Dok.Nr. AHG/Decl. 1 (XXXVIII), Assembly of Heads of States and Government, 38th Ordinary Session vom 8. Juli 2002. 323
Art. II Nr. 1 – 3 OAU/AU Declaration on the Principles Governing Democratic Elections in Africa. 324 Art. II Nr. 4 lit. a ff. OAU/AU Declaration on the Principles Governing Democratic Elections in Africa. Dazu auch Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 83 ff. 325 Maluwa, LJIL 16 (2003), S. 157, 166; Fombad, in: ders./Kebonang, AU, NEPAD and the APRM, 2006, S. 9, 23. 326
Abrufbar unter: http://www.africa-union.org/News_Events/Calen dar_of_%20Events/Election%20Democratie/ELECTION%20OBSERVATIO N%20%20MONITORING%20GUIDELINES.pdf (Stand: 31. Mai 2010).
174
3. Kapitel
missionen werden hiernach als integraler Bestandteil des Demokratisierungsprozesses in Afrika verstanden und sollen daher regelmäßig durch die AU durchgeführt werden.327 Nach diesen Richtlinien sind die formelle Einladung durch den Staat, in dem die Wahl abgehalten wird, ausreichend Zeit, die Mission vorzubereiten, Zugang zu Informationen für die Planung, Zugang zu professioneller Unterstützung und eine ausreichende logistische und finanzielle Unterstützung Voraussetzungen einer AU-Wahlbeobachtungsmission.328 Ein Election Assessment Team soll zwei bis drei Monate vor der Wahl die Situation im Land beobachten.329 Das Team berät dann auf Grundlage seiner Erkenntnisse die AU, ob, in welchem Umfang, auf welche Art und für wie lange eine Wahlbeobachtungsmission entsandt wird.330 In den Richtlinien werden überdies der Mindestumfang des Mandats und ein Code of Conduct für die Mitarbeiter festgelegt.331 Die potentielle Wirkung dieser Richtlinien wird jedoch dadurch geschwächt, dass kein Mitgliedstaat verpflichtet ist, AU-Wahlbeobachter einzuladen. Aber selbst wenn die Afrikanische Union eingeladen wird, soll sie nur unter den genannten Umständen zusagen, also wenn genügend Zeit und Ressourcen vorhanden sind. Zudem kann sie ihre Wahlbeobachter zurückziehen, wenn die Richtlinien nicht eingehalten werden oder die Situation im Land eine Wahlbeobachtung nicht zulässt.332 Ob diese Restriktionen zu Verbesserungen beitragen können, muss bezweifelt werden. Es wäre gerade angesichts knapper Ressourcen sicherlich sinnvoller, wenn in Fällen offensichtlicher Verstöße die Wahlbeobachtungen fortgesetzt würden, um wenigstens im Nachhinein die Umstände öffentlich machen zu können, aufgrund derer der betreffende Staat hinter den AU-Standards zurückgeblieben ist.
327
§§ 1.1 und 6.1 ff. AU Guidelines on Election Observation and Monitoring Missions. 328
§ 3.3 AU Guidelines on Election Observation and Monitoring Missions.
329
§ 3.4 AU Guidelines on Election Observation and Monitoring Missions.
330
§§ 3.8 f., 4.1, 4.3, 4.6, 4.9 AU Guidelines on Election Observation and Monitoring Missions. 331 Im Einzelnen §§ 4.2, 5.1 AU Guidelines on Election Observation and Monitoring Missions. 332 §§ 3.10, 3.12 AU Guidelines on Election Observation and Monitoring Missions.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
175
f. African Charter on Elections, Democracy and Governance Zuletzt wurde 2007 die bereits im Zusammenhang mit der Verurteilung verfassungswidriger Regierungswechsel erwähnte African Charter on Elections, Democracy and Governance verabschiedet, die allerdings bisher nur von 29 Mitgliedstaaten unterzeichnet und nur von Äthiopien, Mauretanien und Sierra Leone ratifiziert worden ist. Durch die Charta sollen die Einhaltung von Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechten in jedem Mitgliedstaat gefördert und die Abhaltung freier und fairer Wahlen angeregt werden. Verfassungswidrige Regierungswechsel sollen verhindert und verurteilt und die Unabhängigkeit der Justiz und gute Regierungsführung sowie nachhaltige Entwicklung und menschliche Sicherheit gestärkt und gefördert werden, ebenso Bürgerbeteiligung, Transparenz, Informations- und Pressefreiheit und Geschlechtergleichheit.333 In Umsetzung der Charta sollen die Mitgliedstaaten folgende Grundsätze beachten: •
der Respekt für Menschenrechte und demokratische Grundsätze;
•
der Zugang und Ausübung von Staatsgewalt im Rahmen der Verfassung;
•
die Repräsentativität der Regierung;
•
die Abhaltung regelmäßiger freier und fairer Wahlen;
•
Gewaltenteilung;
•
Geschlechtergleichheit in öffentlichen und privaten Institutionen;
•
die effektive Partizipation der Bürger in demokratischen Prozessen und in öffentlichen Angelegenheiten;
•
Transparenz und Zuverlässigkeit in der Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten;
•
die Verurteilung und Ablehnung von Korruption und Straflosigkeit;
•
die Verurteilung und Ablehnung von verfassungswidrigen Regierungswechseln;
•
die Stärkung politischen Pluralismus und Anerkennung der Rolle, Rechte und Verantwortung von rechtmäßig konstituierten politischen Parteien, einschließlich Oppositionsparteien,
333
Art. 2 African Charter on Elections, Democracy and Governance.
176
3. Kapitel
denen ein eigenständiger rechtlicher Status gewährt werden soll.334 Die Staaten verpflichten sich in der Charta auf Demokratie, Rechtstaatlichkeit, gute Regierungsführung, verfassungsmäßige Machtausübung, Achtung der Menschen-, Grund- und Bürgerrechte, Nichtdiskriminierung und den Minderheitenschutz.335 Zur Durchsetzung und Förderung der „Culture of Democracy and Peace“ sollen die Mitgliedstaaten Programme und andere Maßnahmen entwerfen und durchführen.336 Demokratische Institutionen sollen gestärkt, Institutionen zur Demokratieförderung eingerichtet und zivile Kontrolle über bewaffnete Streitkräfte und Sicherheitsorgane ermöglicht werden. Die Staaten sollen ferner die notwendigen legislativen und administrativen Maßnahmen ergreifen, um verfassungswidrige Regierungswechsel zu verhindern.337 Sie verpflichten sich zudem, regelmäßig freie und faire Wahlen abzuhalten und die hierfür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen sowie Wahlbeobachtungsmissionen der AU-Kommission zuzulassen.338 Ebenso verpflichten sie sich auf eine Reihe von Maßnahmen, um eine bessere politische, wirtschaftliche und soziale Regierungsführung herzustellen, z.B. die Stärkung der Parlamente und Parteien, die Förderung der Zivilgesellschaften, die Gewährleistung von Informations- und Pressefreiheit, Frauenförderung, eine bessere Kooperation zwischen staatlichen und privaten Sektoren, eine transparente und effiziente Verwaltung, eine unabhängige Justiz und die Bekämpfung von Krankheiten wie HIV/AIDS.339 Die Mitgliedstaaten werden zudem aufgefordert, sich aktiv am NEPAD-Prozess zu beteiligen, Frieden, Stabilität und Sicherheit durch partizipative politische Systeme zu fördern und ihren Bürgern ein Minimum an Sozialversorgung und Bildung zu ermöglichen.340 Die Umsetzung der Ziele der Charta soll durch die Mitgliedstaaten gewährleistet und von der Kommission unterstützt werden, die 334
Art. 3 African Charter on Elections, Democracy and Governance. S.a. Murray, Human Rights in Africa, 2004, S. 97 ff. 335
Art. 4 ff. African Charter on Elections, Democracy and Governance.
336
Art. 11 ff. African Charter on Elections, Democracy and Governance.
337
Art. 14 f. African Charter on Elections, Democracy and Governance.
338
Art. 17 ff. African Charter on Elections, Democracy and Governance mit Bezug auf OAU/AU Declaration on the Principles Governing Democratic Elections in Africa. 339
Art. 27 ff. African Charter on Elections, Democracy and Governance.
340
Art. 36 ff. African Charter on Elections, Democracy and Governance.
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
177
eigene Programme entwickeln, die mitgliedstaatlichen Aktivitäten überwachen und koordinieren und die RECs einbeziehen soll.341 Die Mitgliedstaaten sollen zudem der Kommission alle zwei Jahre einen Bericht über die Umsetzung der Charta übermitteln.342 Die Versammlung und der Friedens- und Sicherheitsrat sollen bei Verletzungen der Charta die bereits erläuterten Maßnahmen im Rahmen der KA-AU und des ProtokollPSC treffen.343
g. Herausforderungen Die soeben erörterten Programme und Bekenntnisse zu guter Regierungsführung, Demokratie und Menschenrechten im primären und sekundären Recht der Afrikanischen Union spiegeln nicht die tatsächlichen Verhältnisse in vielen afrikanischen Staaten wider, die von einer „leadership crisis“ geprägt sind, also der Unfähigkeit afrikanischer Staats- und Regierungschefs effektive Regierung und Herrschaftsgewalt sicherzustellen. Die Situation in Afrika in Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte und demokratischere Regierungsführung hat sich in den letzten Jahren trotz der vielfältigen AU-Instrumentarien denn auch nur leicht verbessert. Es haben sich eine Reihe von Mischsystemen staatlicher Herrschaft zwischen Diktatur und Demokratie etabliert, allerdings nicht nur als übergangsweise, sondern als anhaltende Form der Ausübung politischer Herrschaft.344 Nach einer Untersuchung des Freedom House über die Gewährung politischer und bürgerlicher Rechte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in den 48 Subsahara-Staaten über einen Zeitraum von 20 Jahren konnten 1999 neun Länder als frei, 25 als teilweise frei und 19 als unfrei bezeichnet werden, im Gegensatz zu 1989, wo nur drei Länder als frei und 14 als teilweise frei und ganze 34 Staaten als unfrei bezeichnet wurden. 2009 wurden zehn freie Staaten gezählt, 23 teilweise freie und immer noch 15 unfreie Staaten.345 Diese – jedenfalls mit Blick auf teilweise freie und unfreie 341
Art. 44 f. African Charter on Elections, Democracy and Governance.
342
Art. 49 Abs. 1 African Charter on Elections, Democracy and Govern-
ance. 343
Art. 46 African Charter on Elections, Democracy and Governance.
344
Ausführlich zu diesem Problemkreis Tetzlaff, in: Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – Ein verlorener Kontinent?, 2. Aufl. 2008, S. 35 ff. 345 Zur Methode und Zahlen http://www.freedomhouse.org (Stand: 31. Mai 2010). Zur Demokratisierung in Afrika ausführlich Fombad, in: ders./Kebo-
178
3. Kapitel
Staaten – positive Entwicklung sagt allerdings nicht alles über den Stand der Demokratisierung in Afrika aus. Demokratische Regierungsführung wird in vielen Staaten immer noch mit der bloßen Abhaltung von Wahlen gleichgesetzt.346 Zwischen 1989 und 2000 wurden in SubsaharaAfrika 70 Präsidentschaftswahlen mit mehr als einem Kandidaten und 42 Parlamentswahlen mit mindestens zwei Parteien abgehalten.347 Trotz der Zunahme an Wahlen wurden Ende 2000 gut ein Drittel der Subsahara-Staaten noch immer von den gleichen Regierungschefs regiert wie zu Zeiten der Einparteiregierung vor 1990.348 Und durch die unzähligen Versuche von Wahlmanipulation vor und während der Wahl und die teilweise gewaltsamen Wahlauseinandersetzungen, wie zuletzt in Kenia und Simbabwe, können nur in wenigen Staaten die Wahlen als den AUStandards genügend bezeichnet werden.349 Viele Regierungen sichern ihre Macht durch ihnen nützende Verfassungsänderungen so ab, dass zwar Wahlen abgehalten werden können und die Opposition an diesen auch teilnehmen und Stimmen erringen darf, der Sieg der Regierungspartei aber ungefährdet bleibt, da die gegnerische Partei z.B. nur eine gewisse Anzahl an Sitzen im Parlament erhält. Ebenso undemokratisch sind der Umgang mit der – häufig zerstrittenen – Opposition und der immer noch sehr starke Einfluss des Militärs auf die innenpolitischen und wirtschaftlichen Entscheidungen in vielen Ländern.350 Gute Regienang, AU, NEPAD and the APRM, 2006, S. 9, 11 f.; Erdmann, GIGA-Fokus 10/2007, S. 1 ff.; ders., in: Däubler-Gmelin et al. (Hrsg.), Afrika – Europas verkannter Nachbar, Bd. 1, 2007, S. 129 ff.; ders./von Soest, GIGA-Fokus 8/2008, S. 1 ff. Eine im Ergebnis ähnliche Zählung findet sich bei Tetzlaff, in: Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – Ein verlorener Kontinent?, 2. Aufl. 2008, S. 35, 40 ff.: hiernach sind 12 Staaten als frei und demokratisch, 18 als teilweiswe freie „Fassadenoder gelenkte“ Demokratien und 18 als unfrei, instabil und undemokratisch anzusehen. 346
Zum Demokratiebegriff im Völkerrecht zuletzt Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 28 ff. m.w.N. 347
Zahlen nach van de Walle, JoDem 13/2 (2002), S. 66 f.
348
Ebenda, S. 66, 71; Meredith, The Fate of Africa, 2005, S. 681.
349
Dazu auch § 13 Report of the Chairperson of the Commission – Enhancing Africa’s Resolve and Effectiveness in Ending Conflicts and Sustaining Peace, Dok.Nr. SP/Assembly/PS/RPT(I), Assembly of the African Union, Special Session on the Consideration and Resolution of Conflicts in Africa vom 30. – 31. August 2009. 350 Zum Ganzen ausführlich van de Walle, JoDem 13/2 (2002), S. 66, 68 ff.; Fombad, in: ders./Kebonang, AU, NEPAD and the APRM, 2006, S. 9, 14 ff.; Erdmann, GIGA-Fokus 10/2007, S. 1, 5; ders./von Soest, GIGA-Fokus 8/2008,
Die Ziele und Grundprinzipien der Afrikanischen Union
179
rungsführung und der Schutz von Menschenrechten ist zudem dort nicht möglich, wo die Regierungen keine effektive Herrschaftsgewalt über große Teile des Staatsterritoriums ausüben können, vor allem also in den schwachen Staaten Afrikas, wo Rebellen- oder Milizengruppen Teile des Territoriums und notwendige Ressourcen kontrollieren.351 Die Afrikanische Union versucht hier mit den Instrumentarien der CSSDCA, NEPAD und der African Charta on Elections, Democracy and Governance den bisherigen Entwicklungen entgegenzusteuern. Allerdings sind diese Instrumente teilweise freiwillig und teilweise noch nicht einmal in genügender Anzahl ratifiziert worden, so dass sie bislang nicht hinreichend greifen können.
IV. Zwischenergebnis Der Afrikanischen Union wurden durch die teils neuen Grundprinzipien vielfältige Aufgaben und damit politische Handlungsmöglichkeiten im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur übertragen. Einige der dargestellten Grundprinzipien und Instrumentarien reflektieren innovative Überlegungen und Herangehensweisen der afrikanischen Staaten im Verhältnis zueinander und zur AU, welche bis zum Ende des Kalten Krieges undenkbar gewesen wären. Sie ergeben sich indes, insbesondere hinsichtlich der Verurteilung und Sanktionierung verfassungswidriger Regierungswechsel und der Bekämpfung des Terrorismus aus der tatsächlichen Konfliktlage auf dem Kontinent, so dass ihre Aufnahme in die KA-AU dringend geboten war, um der Organisation hier Handlungsmöglichkeiten zu verschaffen. Allerdings konnte auch gezeigt werden, dass die in der KA-AU kodifizierten Neuerungen der Entwicklung der OAE vor allem seit den 1990ern entsprechen. Die neuen Grundprinzipien stellen demnach eine Konsolidierung der komplexen politischen Entwicklung auf dem Kontinent dar, die mit den internationalen Entwicklungen im Bereich Terrorismusbekämpfung, Demokratieförderung und Menschenrechtsschutz einhergeht. Das Recht auf Intervention, die Verurteilung und Ablehnung von verfassungswidrigen Regierungswechseln und die Bekenntnisse zu Men-
S. 1, 3 f. auch zum „elektoralen Autoritarismus“. Zum Einfluss des Militärs vgl. Basedau, GIGA-Fokus 12/2008, S. 1, 4 ff. 351 Tetzlaff, in: Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – Ein verlorener Kontinent?, 2. Aufl. 2008, S. 35, 45 f.
180
3. Kapitel
schenrechten und Demokratie bezeichnen wesentliche und einschneidende, aber kontinuierliche Änderungen der Sicherheitsinteressen afrikanischer Staaten und sind nunmehr kodifizierte zentrale Grundpfeiler der neuen afrikanischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur. Insofern unterscheiden sich die sicherheits- und verteidigungsrelevanten Bestimmungen einschließlich der Beachtung der Menschenrechte und guter Regierungsführung signifikant von denen der OAE-Charta. Deutlich wurde zudem, dass das Nichteinmischungsprinzip, das einen der wichtigsten Pfeiler des „alten“ Sicherheitsverständnisses bildete, durch die KA-AU und die Staatenpraxis weitgehend zurückgedrängt worden ist. In Hinblick auf die Demokratie- und Menschenrechtsschutzinstrumente der OAE/AU lässt sich konstatieren, dass sich diese auf unterschiedliche Bereiche von Sicherheit, demokratischer Regierungsführung und Menschenrechte konzentrieren. Da sie sich in den Zielsetzungen und Mechanismen an vielen Stellen überlappen und bislang kaum harmonisiert sind, wird ihre Einhaltung und Umsetzung nicht gerade erleichtert. Zudem besteht die Gefahr, dass die knappen personellen und finanziellen Ressourcen so weiter aufgeteilt werden. Festzuhalten ist aber, dass sich die Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union, einem, wenn es denn umgesetzt wird, sehr umfassenden Überprüfungsregime in Hinblick auf die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, guter Regierungsführung und Menschenrechte unterworfen haben. Für die Mitgliedstaaten bedeutet dies im Vergleich zur OAE eine drastische Weiterentwicklung in diesen für die Erreichung menschlicher Sicherheit wichtigen Bereichen und eine immer weitergehende Einmischung in bis dahin streng geschützte interne Angelegenheiten.
4. Kapitel: Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik Kollektive Sicherheit und Verteidigung waren bereits bei der Gründung der OAE wichtige Anliegen der afrikanischen Staatenwelt, auch wenn den weitreichenden Plänen des ghanaischen Präsidenten Nkrumah für ein gemeinsames Verteidigungssystem mit einer großen afrikanischen Armee von der Mehrheit der gerade erst unabhängig gewordenen Staaten nicht gefolgt wurde.1 Die OAE-Charta enthielt eine Reihe von Regelungen, die das Verhältnis der OAE zu den Mitgliedstaaten im Falle von Konflikten betrafen. Vor allem sollten die Mitgliedstaaten gemäß Art. II Abs. 2 lit. f) OAE-Charta in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik kooperieren. Eingegrenzt wurde dieser Grundsatz sogleich durch die Prinzipien der Nichteinmischung und souveränen Gleichheit der Mitgliedstaaten gemäß Art. III Nr. 1 und 2 OAE-Charta.2 Und auch die Errichtung einer Defence Commission nach Art. XX OAECharta wurde nicht in Beziehung zum Grundsatz der Kooperation in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gesetzt. Aufgrund der Veränderungen der mitgliedstaatlichen Einstellung zu den Prinzipien der Nichteinmischung und zur Absolutheit ihrer Souveränität in den 1990ern initiierten die OAE-Mitgliedstaaten neben dem Mechanismus für Konfliktbewältigung eine Reihe anderer afrikanischer Initiativen mit einem Fokus auf Sicherheit und Verteidigung, so zuletzt die Bamako Declaration on an African Common Position on the Illicit Proliferation, Circulation and Trafficking of Small Arms and Light Weapons vom Dezember 2000.3 Zusammen mit den diversen regionalen Initiativen ergab sich aus diesen Verträgen ein umfangreiches afrikanisches Sicherheitssystem, das als Grundlage für die KA-AU, das ProtokollPSC und die neue gemeinsame Verteidigungspolitik dienen konnte. Angesichts der Erfahrungen in Hinblick auf das Ende des Kalten Krieges und der internationalen 1
Vgl. Amate, Inside the OAU, 1986, S. 170 ff.
2
Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 9.
3
S.a. Convention for the Elimination of Mercenaries in Africa vom 3. Juli 1977; African Nuclear-Weapons-Free Zone Treaty vom Juli 1995; OAU Convention on the Prevention and Combating of Terrorism vom 14. Juli 1999. D. Barthel, Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 224, DOI 10.1007/978-3-642-20034-2_5, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
181
182
4. Kapitel
Gleichgültigkeit für afrikanische Probleme – insbesondere der Genozid in Ruanda wirkte hier traumatisch – erkannten die afrikanischen Staaten, dass sie selbständiger für die Sicherheit auf dem Kontinent sorgen müssen.4 Die in der Folge dieser Entwicklungen vereinbarte Ausarbeitung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik für den afrikanischen Kontinent nach Art. 4 lit. d) KA-AU ist ein maßgebliches neues Grundprinzip der Afrikanischen Union und wesentlicher Bestandteil der Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur.5 In Zusammenhang mit den im vorherigen Kapitel herausgearbeiteten Zielen und Grundprinzipien sollen im Folgenden die sicherheits- und verteidigungspolitischen Programme der Afrikanischen Union in Umsetzung von Art. 4 lit. d) KA-AU analysiert werden (I.-III.). Anhand der bislang gewonnen Erkenntnisse soll an dieser Stelle außerdem das eigene Sicherheitsverständnis der Organisation erörtert werden (IV.). Herausgearbeitet werden muss hierbei vor allem, wem Sicherheit dienen soll – den Mitgliedstaaten und/oder deren Bevölkerungen – und wie Sicherheit durchgesetzt werden soll, rein militärisch und/oder durch nichtmilitärische Maßnahmen. Zum Abschluss der Betrachtungen zur Grundstruktur der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur soll in einem Exkurs auf den Stand der bisherigen sicherheitspolitischen Integration eingegangen werden (V.).
I. Die gemeinsame afrikanische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik Unter Bezug auf Art. 3 lit. a bis h), 4 lit. d) KA-AU und Art. 3 lit. e), 7 lit. h) ProtokollPSC verabschiedeten die Mitgliedstaaten am 28. Februar 2004 die Common African Defence and Security Policy (CADSP).6 Die 4
Touray, African Affairs 104/417 (2005), S. 635, 637.
5 Im Zuge der Vertragsänderung wird das Ziel der Entwicklung und Förderung gemeinsamer Politiken auf den Gebieten Handel, Verteidigung und Außenbeziehungen, um die Verteidigung des Kontinents und die Stärkung seiner Verhandlungspositionen sicherzustellen, als neuer Art. 3 lit. p) in die KA-AU aufgenommen. 6
Solemn Declaration on a Common African Defence and Security Policy vom 28. Februar 2004; Decision on a Non-Aggression and Common Defence Pact, Dok.Nr. Ext/Assembly/AU/Dec.2 (II), Assembly of the African Union, 2nd Extraordinary Session vom 27. – 28. Februar 2004. S.a. Decision on a Com-
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
183
CADSP ist kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern eine politische Erklärung der Mitgliedstaaten. In Einklang mit den Grundsätzen der Afrikanischen Union soll in der CADSP der politische Wille der Mitgliedstaaten zum Ausdruck kommen, die gemeinsamen Anstrengungen für Frieden, Sicherheit, Stabilität, Gerechtigkeit und Entwicklung in Afrika zu verstärken und die Integration des Kontinents im Interesse der Bevölkerungen voranzubringen.7
1. Verteidigungs- und Sicherheitsbegriff der CADSP Die CADSP basiert auf den gemeinsamen Vorstellungen der Mitgliedstaaten darüber, was sie kollektiv tun müssen, um Afrikas Sicherheit und Verteidigung gegen gemeinsame Gefahren, die den Kontinent bedrohen, sicherzustellen.8 Für den Bereich Verteidigung gilt eine für alle Mitgliedstaaten gemeinsame Definition, die sowohl das traditionelle, militärische und staatenzentrierte Verständnis des Einsatzes von Streitkräften zum Schutz der Souveränität und territorialen Integrität des Staates umfasst, als auch das weniger traditionelle nicht-militärische Verständnis von Verteidigung, bei dem es um den Schutz der Bürgerrechte, kulturellen, sozialen und ökonomischen Werte und der Lebensweise der Völker geht. Den Mitgliedstaaten soll bewusst werden, dass ihre nationale Verteidigung untrennbar mit der regionalen und kontinentalen Verteidigung verbunden ist.9 Ähnlich weit geht die Definition für den Bereich Sicherheit, die das traditionelle, staatenzentrierte Verständnis von Sicherheit, als das Überleben des Staates und seinen Schutz durch militärische Mittel gegen äußere Aggression genauso umfasst, wie ein nicht-militärisches Verständnis angesichts des neuen internationalen Klimas und der hohen Anzahl innerstaatlicher Konflikte. Die Ursachen für innerstaatliche Konflikte verlangen nach Auffassung der Unterzeichnerstaaten eine Schwermon Defence and Security, Dok.Nr. ASS/AU/Dec. 8 (I), Assembly of the African Union, 1st Ordinary Session vom 9. – 10. Juli 2002. Zur Entwicklung der CADSP und Ghaddafis Rolle hierbei Maluwa, NILR 51 (2004), S. 195, 210 f.; Touray, African Affairs 104/417 (2005), S. 635, 640 ff.; Franke, African Security Review 15/4 (2006), S. 2 ff. 7
Präambel CADSP.
8
§ 4 CADSP.
9
§ 5 CADSP.
184
4. Kapitel
punktverlagerung auf „menschliche Sicherheit“, die sowohl auf politische, als auch auf soziale und ökonomische Notwendigkeiten abstellt. Dieses sich in der CADSP entwickelnde, neue multidimensionale Verständnis von Sicherheit umfasst Fragen der Menschenrechte, wie z.B. das Recht auf volle Partizipation am Prozess der Staatsführung, auf gleiche Entwicklung, auf Zugang zu Ressourcen und zum Lebensnotwendigen, außerdem das Recht auf Schutz vor Armut, auf förderliche Bildungs- und Gesundheitsbedingungen, auf Schutz vor Marginalisierung aufgrund des Geschlechts, auf Schutz vor Naturkatastrophen sowie das Recht auf Schutz vor der Verschlechterung der Umweltbedingungen. Auf nationaler Ebene sollen die Sicherheit des Einzelnen, der Familie, der Gemeinschaft und des gesamten Gesellschaftslebens des Staates in seiner ökonomischen, politischen und sozialen Dimension gewährleistet werden. Diese Zielsetzung gilt ebenso für die regionale Ebene. Für die kontinentale Ebene gilt ferner, dass die Sicherheit eines afrikanischen Staates untrennbar verknüpft ist mit der Sicherheit eines jeden anderen afrikanischen Staates und dem Kontinent als Ganzem.10
2. Zielsetzungen und Grundsätze der CADSP Angesichts der gemeinsamen historischen, politischen, wirtschaftlichen und internationalen Erfahrungen, die die Mitgliedstaaten miteinander verbinden und mit Blick auf eine stärkere Integration des Kontinents formuliert die CADSP eine ganze Reihe von Zielen, die durch die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik erreicht werden sollen. Als die Wichtigsten seien hier genannt:11 •
die Sicherstellung kollektiven Handelns gegen interne und externe Bedrohungen Afrikas in Übereinstimmung mit der KAAU;
•
die Stärkung der Kooperation im Bereich der Verteidigung zwischen den Mitgliedstaaten und Konsolidierung und Harmonisierung der nationalen und regionalen Sicherheit und Verteidigung und nationalen Gesetzgebung und Exekutive;
•
die Förderung der afrikanischen Integration und Sicherung der gemeinsamen Werte und fundamentalen Interessen und der
10
§ 6 CADSP.
11
Ausführlich § 13 CADSP.
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
185
Unabhängigkeit und Integrität individueller Staaten, Regionen und des Kontinents; •
die Stärkung der AU-Kapazitäten für und Koordinierung der frühzeitigen Konfliktbewältigung, einschließlich der Entsendung und Unterhaltung von Peacekeeping Missionen;
•
die Entwicklung und Stärkung kollektiver Verteidigung und strategischer Kompetenzen sowie militärischer Einsatzbereitschaft der Mitgliedstaaten und des Kontinents;
•
die Stärkung der AU-Kapazitäten zur Entwicklung und Förderung gemeinsamer Positionen in den Bereichen Außenbeziehungen und Handel, um die Sicherheit des Kontinents zu festigen und seine Verhandlungsposition zu stärken;
•
die Bereitstellung eines Rahmens für die Schaffung und Operationalisierung der afrikanischen Bereitschaftsarmee;
•
die Anregung zum Abschluss von Nichtangriffspakten zwischen den Mitgliedstaaten und die Harmonisierung solcher Verträge;
•
die Bereitstellung eines Rahmens um sicherzustellen, dass das humanitäre Völkerrecht bei Konflikten zwischen Mitgliedstaaten eingehalten wird, sowie zur Adressierung der Flüchtlingsund Vertriebenenproblematik.
Neben den Grundprinzipien aus Art. 4 KA-AU sollen weitere Grundsätze die Basis der gemeinsamen afrikanischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bilden:12 die Unteilbarkeit der Sicherheit afrikanischer Staaten, das traditionelle afrikanische Prinzip der gleichmäßigen Lastentragung und gegenseitigen Unterstützung, die grundlegende Verbindung und symbiotische Beziehung, die zwischen Sicherheit, Stabilität, menschlicher Sicherheit, Entwicklung und Kooperation in einer sich gegenseitig verstärkenden Weise existiert, das Verbot von Kriegspropaganda oder des Schürens von Hass aufgrund von Rasse, Ethnie, Geschlecht oder Religion, die Befassung mit der Flüchtlings- und Vertriebenenproblematik, die Beibehaltung der engen Arbeitsbeziehung zwischen der AU und den RECs und die stärkere Zusammenarbeit zwischen subregionalen und regionalen Organisationen und der AU sowie die Stärkung der Bindung zu den Vereinten Nationen.
12
Im Einzelnen § 11 f. CADSP.
186
4. Kapitel
3. Gefahren für die gemeinsame Sicherheit und Verteidigung des Kontinents Die CADSP identifiziert eine Reihe von Gefahren für die gemeinsame Sicherheit und Verteidigung, denen sich die Mitgliedstaaten oder Regionen ausgesetzt sehen können. Aus den in der CADSP aufgeführten Bedrohungen ergeben sich die Politikfelder, in denen die Mitgliedstaaten gemeinsam agieren wollen.13 Gefahren für die gemeinsame Sicherheit und Verteidigung können innerstaatliche und zwischenstaatliche Spannungen und Konflikte, instabile Postkonflikt-Situationen sowie schwere Menschenrechtsverletzungen sein.14 „Zwischenstaatliche Konflikte/Spannungen“ sind Situationen, die die Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit der Mitgliedstaaten unterminieren, Fälle der tatsächlichen Anwendung oder Androhung von Waffengewalt zwischen Mitgliedstaaten, mangelnde Respektierung des Nichteinmischungsprinzips sowie die Aggression durch einen Staat oder eine Koalition von Staaten in Verletzung der KA-AU und der UN-Charta.15 Unter „innerstaatlichen Konflikten/Spannungen“ versteht die CADSP die Existenz schwerwiegender Umstände, also Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, mangelnder Respekt vor der Unverletzlichkeit menschlichen Lebens, Straflosigkeit, politische Morde, terroristische Aktivitäten und Subversion, Staatsstreiche und verfassungswidrige Regierungswechsel, Situationen, die die Förderung demokratischer Institutionen und Strukturen verhindern und untergraben, die fehlende Förderung und Schutz der Menschenrechte, individueller und kollektiver Freiheiten, Armut, ungleichmäßige Verteilung natürlicher Ressourcen und Korruption sowie politischer, religiöser und ethnischer Extremismus und Rassismus.16 „Instabile Postkonflikt-Situationen“ liegen vor, wenn in der Postkonflikt-Periode aufgrund unzureichend effektiver und vollständiger Demobilisierung, Entwaffnung und Wiedereingliederung kein stabiler Frieden hergestellt werden kann, ferner das Fehlen nachhaltiger Postkonflikt-Rehabilitierung und mangelnder Wiederaufbau.17 Andere Faktoren die nach der CADSP Unsicherheit herbeiführen können, sind die Flüchtlings13
§ 10 CADSP.
14
Vgl. 7 ff. CADSP.
15
§ 8 Nr. i) CADSP.
16
§ 8 Nr. ii) CADSP.
17
§ 8 Nr. iii) CADSP.
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
187
und Vertriebenenproblematik, Landminen, die illegale Weiterverbreitung von Kleinwaffen, pandemische Krankheiten wie HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria, Umweltzerstörung, Organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Drogenhandel und Geldwäsche.18 Als „externe Gefahrenquellen“ für die Verteidigung und Sicherheit des Kontinents identifiziert die CADSP unter anderem die Aggression von Außen einschließlich der Invasion afrikanischer Länder, internationale Konflikte und Krisen mit negativen Auswirkungen auf die afrikanische Sicherheit, das Söldnertum, der internationale Terrorismus, die negativen Auswirkungen der Globalisierung und die unfairen internationalen politischen und ökonomischen Politiken, Praktiken und Regime, der Erwerb, Bau und die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, grenzüberschreitende Kriminalität wie Drogen- und Menschenhandel, unilaterale Handlungen, die auf die Isolation afrikanischer Staaten abzielen und außerdem die Entsorgung von chemischen und nuklearen Abfällen in Afrika.19
4. Umsetzungsmechanismen Die CADSP wird durch eine Reihe von Organen auf AU- und RECEbene implementiert.20 Für die Afrikanische Union zuständig sind die Versammlung,21 der Friedens- und Sicherheitsrat22 und die Kommission.23 Die Aktivitäten dieser Organe werden durch den Friedens- und Sicherheitsrat koordiniert.24 Zudem soll er die Beziehungen zu den RECs weiter ausbauen und harmonisieren und sich alle sechs Monate mit den dafür zuständigen Vertretern der RECs beraten.25 Die CADSP fasst damit im Wesentlichen nur die Bestimmungen des Art. 16 ProtokollPSC zusammen, weist dem Friedens- und Sicherheitsrat aber keine
18
§ 8 Nr. iv) CADSP.
19
§ 9 CADSP.
20
§ 14 CADSP.
21
§ 15 CADSP.
22
§§ 16 ff. CADSP.
23
§ 25 CADSP.
24
§ 27 CADSPA.
25
Dazu ausführlich §§ 28 ff. CADSP.
188
4. Kapitel
darüber hinausgehenden Zuständigkeiten zu. Den Verteidigungsministern der Mitgliedstaaten soll im Rahmen eines spezialisierten technischen Fachkomitees i.S.v. Art. 14 Abs. 1 und 2 KA-AU eine formalisierte Rolle in der Umsetzung der CADSP zukommen.26 Für die Zusammenarbeit nach Kapitel VIII UN-Charta wird es für notwendig erachtet, einen Rahmen für Konsultationen und die Koordinierung und Harmonisierung der Politiken zu schaffen.27 Auch insoweit geht die CADSP nicht über das ProtokollPSC hinaus.28
II. African Union Policy Framework for Post-Conflict Reconstruction and Development 2005 veröffentlichte die Kommission parallel zu Entwicklungen in der NEPAD29 ein rechtlich unverbindliches Framework Document on PostConflict Reconstruction and Development, auf das hier als Teil der Sicherheits- und Verteidigungsprogramme kurz eingegangen werden soll.30 Ziel des AU-PCRD ist die Verbesserung der Effizienz, Effektivi-
26
§ 28 lit. b) CADSP.
27
§§ 37 ff. CADSP.
28
Vgl. Art. 17 f. ProtokollPSC.
29
Vgl. African Post-Conflict Reconstruction Policy Framework (NEPADPCRP), abrufbar unter: http://www.issafrica.org/AF/RegOrg/nepad/ pcrpoljun05.pdf (Stand: 31. Mai 2010). 30 Annex zum Report on the Elaboration of a Framework Document on Post-Conflict Reconstruction and Development (AU-PCRD), Dok.Nr. EX.CL/274 (IX), Executive Council, 9th Ordinary Session vom 25. – 29. Juni 2006. Vgl. § 6 Decision on the Report of the Chairperson of the Commission on Conflict Situations in Africa, Dok.Nr. EX.CL/Dec.225 (VII), Executive Council, 7th Ordinary Session vom 28. Juni – 2. Juli 2005; Decision on the AU Policy on Post-Conflict Reconstruction and Development, Dok.Nr. EX.CL/Dec.302 (IX), Executive Council, 9th Ordinary Session vom 25. – 29. Juni 2006 mit dem Vorschlag ein African Union standing multidimensional Committee zur besseren Umsetzung und Ressourcenmobilisierung einzurichten. S.a. § 4 Decision on the Activities of the Peace and Security Council of the African Union on the Peace and Security Situation in Africa, Dok.Nr. Assembly/AU/ Dec.120(VII), Assembly of the African Union, 7th Ordinary Session vom 1. – 2. Juli 2006; § 5 Decision on the Activities of the Peace and Security Council of the African Union and the State of Peace and Security in Africa, Dok.Nr. Assembly/AU/
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
189
tät und Koordinierung der Maßnahmen in der Postkonflikt-Phase und hierdurch die Schaffung der Grundlage für soziale Gerechtigkeit und nachhaltigen Frieden. Das Strategiepapier dient der Friedenskonsolidierung, der Bekämpfung der Konfliktursachen, der Förderung zügiger Planung und Umsetzung von Wiederaufbaumaßnahmen sowie der Verbesserung der Komplementarität und Koordinierung zwischen den verschiedenen Akteuren des Wiederaufbauprozesses.31 Unter Postkonflikt-Wiederaufbau und Entwicklung versteht das Strategiepapier: „[…] a comprehensive set of measures that seek to: address the needs of countries emerging from conflict, including the needs of affected populations; prevent escalation of disputes; avoid relapse into violence; address the root causes of conflict; and consolidate sustainable peace. PCRD is conceived within the African vision of renewal and sustainable development and while its activities are integrated, and many must be pursued simultaneously, they are envisaged in the emergency (short-term), transition (medium-term) and development (long-term) phases.“32 Das AU-PCRD geht von fünf Grundsätzen aus, die als Minimalstandards alle Maßnahmen und Programme in diesem Bereich beeinflussen sollen:33 Afrikanische Führerschaft, nationale und lokale Eigenverantwortlichkeit (Ownership), Inklusion, Gleichheit und Nichtdiskriminierung, Kooperation und Kohärenz sowie die Schaffung von Kapazitäten für einen nachhaltigen Frieden. Das Strategiepapier formuliert ferner sechs Elemente (sog. indicative Elements) einschließlich einer Vielzahl besonderer Zielsetzungen, Standards und Benchmarks, denen sämtliche Wiederaufbaumaßnahmen und Programme während der PostkonfliktPhase eines Landes unterliegen und an denen sie gemessen werden sollen:34 Sicherheit, humanitäre/Notfall-Unterstützung, politische Regierungsführung und Transition, sozio-ökonomischer Wiederaufbau und Entwicklung, Menschenrechte, Gerechtigkeit und Versöhnung sowie Frauen und Geschlecht. Wesentlicher Bestandteil des AU-PCDR ist zudem die frühzeitige Mobilisierung ausreichender Ressourcen und die
Dec.145(VIII), Assembly of the African Union, 8th Ordinary Session vom 29. – 30. Januar 2007. 31
§ 8 AU-PCRD.
32
§ 14 lit. a) AU-PCRD.
33
Vgl. §§ 15 ff. AU-PCRD.
34
Zu den Elementen vgl. §§ 21 ff. AU-PCRD.
190
4. Kapitel
Sicherung der Unterstützung internationaler, nationaler und lokaler Akteure in allen Phasen des Postkonflikt-Wiederaufbaus.35 Hauptverantwortlich für die Überwachung, Koordinierung und Umsetzung der Maßnahmen und Programme im Rahmen des AU-PRCD ist auf kontinentaler Ebene vor allem die Afrikanische Union und hierbei insbesondere der Friedens- und Sicherheitsrat, die Kommission, das Panafrikanische Parlament und die afrikanische Menschenrechtskommission. Auf regionaler Ebene sind die RECs verantwortlich, auf nationaler Ebene die jeweilige Regierung.36 Ausdrücklich partizipieren sollen zudem die Zivilgesellschaften auf allen Ebenen des AU-PRCD und in allen Wiederaufbauphasen.37 Hieran wird deutlich, dass es sich beim AU-PRCD um ein politisches Papier handelt, das zwar eine Vielzahl von Zielen und Standards aufstellt, allerdings keine konkreten Kompetenzen zu deren Implementierung und Überwachung überträgt. Letztlich bleibt es damit den von divergierenden Interessen geleiteten Akteuren überlassen, inwieweit sie das AU-PCRD beachten und umsetzen, wobei die Umsetzung seitens der Afrikanischen Union recht aktiv verfolgt wird.38
III. Der Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt Der bisher letzte programmatische Schritt hin zu einer umfassenden Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Afrikanischen Union bildet der African Union Non-Aggression and Common Defence Pact.39 Anders 35
Im Einzelnen §§ 47 ff. AU-PCRD.
36
Vgl. §§ 52 ff. AU-PCRD.
37
§ 58 AU-PCRD.
38
Vgl. Report of the Stakeholders Workshop on the Implementation of the PCRD Policy, Dok.Nr. PCRD/Workshop/1 (II) vom 19. Juli 2007. 39 African Union Non-Aggression and Common Defence Pact vom 31. Januar 2005, Assembly of the African Union, 4th Ordinary Session vom 30. – 31. Januar 2005. S.a. Decision on a Non-Aggression and Common Defence Pact, Dok.Nr. Ext/Assembly/AU/Dec.2 (II), Assembly of the African Union, 2nd Extraordinary Session vom 27. – 28. Februar 2004; Decision on the Draft African Union Non-Aggression and Common Defence Pact, Dok.Nr. Assembly/AU/ Dec.71 (IV), Assembly of the African Union, 4th Ordinary Session vom 30. – 31. Januar 2005. Zur Notwendigkeit eines solches Verteidigungspaktes für Afrika N’Guesso, African Geopolitics Special Edition, Juni 2005, S. 27 ff. Er, der Präsi-
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
191
als die CADSP ist der Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt ein völkerrechtlicher Vertrag, der im Dezember 2009 in Kraft trat.
1. Ziele des Nicht-Aggressions- und Verteidigungspaktes Der Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt wurde von den Mitgliedstaaten mit dem Ziel eines gemeinsamen und starken Afrikas geschlossen, das von den Prinzipien der friedlichen Koexistenz, NichtAggression, Souveränität, Nichteinmischung und territorialen Integrität geprägt ist. Jegliche Form von Konflikten in und zwischen den Mitgliedstaaten soll beendet und die Bedingungen für eine prosperierende sozio-ökonomische Entwicklung und Integration des Kontinents geschaffen werden. Die Mitgliedstaaten bekräftigen hierin, dass die Förderung einer starken „Kultur der Demokratie“ durch freie und faire Wahlen, der Respekt vor Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, der Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit sowie die Formulierung nachhaltiger Entwicklungspolitiken lebensnotwendig für kollektiven Frieden, Sicherheit und Stabilität sind.40 Hauptzweck des Nicht-Aggressions- und Verteidigungspaktes ist es, die Kooperation der Mitgliedstaaten in den Bereichen Nicht-Aggression und gemeinsame Verteidigung zu verbessern, das friedliche Zusammenleben zu fördern, intra- und interstaatliche Konflikte zu verhindern und sicherzustellen, dass Streitigkeiten friedlich gelöst werden.41 Um dieses Ziel zu erreichen, will der NichtAggressions- und Verteidigungspakt den Rahmen für die AU definieren, in dem diese intervenieren oder Interventionen ermächtigen kann, um Situationen von Aggression zu verhindern oder zu begegnen. Jede Aggressionshandlung oder Androhung mit einer solchen gegen einen Mitgliedstaat wird hierbei als Aggressionshandlung oder Androhung gegen alle Mitgliedstaaten verstanden.42
dent der Republik Kongo, gilt als Erfinder und maßgebliche Antriebskraft hinter dem Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt. 40
Präambel Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
41
Art. 2 lit. a) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
42
Art. 2 lit. b) und c) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
192
4. Kapitel
2. Aggressionsdefinition und kollektive Selbstverteidigung Der Begriff der „Aggression“ im Sinne des Nicht-Aggressions- und Verteidigungspaktes ist angelehnt an Art. 1 der Aggressionsdefinition43 und wird definiert als jedwede bewusste und gewollte Anwendung bewaffneter Gewalt oder jedweder andere feindliche Akt eines Staates, einer Gruppe von Staaten, einer Organisation von Staaten oder nichtstaatlichen Akteuren sowie jedweder ausländischen oder externen Entität gegen die Souveränität, politische Unabhängigkeit, territoriale Integrität oder menschliche Sicherheit der Bevölkerung eines der Vertragsstaaten, wenn dies unvereinbar mit der UN-Charta oder der KA-AU ist.44 „Nicht-Aggression“ ist im Umkehrschluss das friedliche Verhalten eines Mitgliedstaates, einer Gruppe von Staaten, einer Organisation von Staaten oder nicht-staatlichen Akteuren, das keiner Aggressionshandlung entspricht.45 Beispielhaft zählt Art. 1 lit. c) Nr. i. bis viii. verschiedene Aggressionshandlungen auf, von denen die Folgenden den Art. 1 und 3 lit. a) bis g) Aggressionsdefinition im Wesentlichen entsprechen:46 •
die Anwendung von Waffengewalt gegen die Souveränität, territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit eines Mitgliedstaates oder jede andere mit der KA-AU oder der UNCharta unvereinbare Handlung;
•
die Invasion oder der Angriff bewaffneter Streitkräfte gegen das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates, oder die, wenn auch nur vorübergehende, militärische Okkupation, die aus einer solchen Invasion oder einem solchen Angriff resultiert, oder die gewaltsame Annexion des Hoheitsgebietes eines Mitgliedstaates oder eines Teils desselben;
•
die Bombardierung des Hoheitsgebietes eines Mitgliedstaates oder die Anwendung von Waffen jedweder Art gegen das Territorium eines Mitgliedstaates;
43
Definition of Aggression, GA-Res. 3314 (XXIX) Annex vom 14. Dezember 1974. 44
Art. 1 lit. c) S. 1 Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
45
Art. 1 lit. p) KA-AU.
46
Zu den einzelnen Handlungsalternativen der Aggressionsdefinition s. Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 22 ff.
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•
die Blockade von Häfen, Küsten oder des Luftraums eines Mitgliedstaates;
•
der Angriff auf die Land-, See- oder Luftstreitkräfte, oder die Marine und Flotten eines Mitgliedstaates;
•
der Einsatz von Streitkräften eines Staates, die sich mit Zustimmung eines anderen Staates auf dessen Hoheitsgebiet befinden, unter Verstoß gegen die in diesem Pakt vorgesehenen Bedingungen;
•
die Tatsache, dass ein Staat sein Hoheitsgebiet einem anderen Staat zur Verfügung stellt, sodass dieses vom anderen Staat dazu benutzt wird, einen Akt der Aggression gegen einen dritten Staat zu begehen;
•
das Entsenden von bewaffneten Banden, Söldnern oder anderen transnational organisierten kriminellen Gruppierungen durch oder im Namen eines Mitgliedstaates oder die Gewährung jeglicher Unterstützung für diese, wenn sie feindliche Handlungen gegen einen Mitgliedstaat begehen, die von solcher Schwere sind, dass sie den oben aufgeführten Handlungen entsprechen, oder die wesentliche Beteiligung daran.
Liegt eine dieser Aggressionshandlungen vor, so sichern sich die Mitgliedstaaten gegenseitig zu, alleine oder kollektiv mit allen verfügbaren Mitteln gegen die Aggression vorzugehen.47 Die Aggressionsdefinition in Art. 1 lit c) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt verweist damit letztendlich auf das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 VNCharta. Dieses ist eine bedeutende Ausnahme vom allgemeinen Gewaltverbot nach Art. 2 Nr. 4 UN-Charta.48 Das Selbstverteidigungsrecht steht dabei als ein individuelles Recht dem von einem bewaffneten Angriff betroffenen Staat zu, aber auch kollektiv handelnden Staaten, die nicht ihrerseits Opfer eines bewaffneten Angriffs sein müssen.49 Eines gesonderten vertraglich geregelten Bündnisses bedarf es für die Ausübung kollektiver Selbstverteidigung nicht. Ausreichend ist viel-
47
Art. 4 lit. a) und b) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
48
Vgl. Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 3; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 10; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 177. 49
Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 37; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 41.
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4. Kapitel
mehr, dass die Hilfeleistung mit Zustimmung des von dem bewaffneten Angriff betroffenen Staates erfolgt.50 Das Selbstverteidigungsrecht darf dem insoweit eindeutigen Wortlaut von Art. 51 UN-Charta nach nur in Anspruch genommen werden, wenn ein „bewaffneter Angriff“ vorliegt. Die Tathandlungen, wie sie die Aggressionsdefinition und der Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt enthalten, definieren zwar nicht den Begriff des „bewaffneten Angriffs“ in Art. 51 UN-Charta, der auch sonst nicht legal definiert ist, sondern den der „Angriffshandlung“ (act of aggression) aus Art. 39 UN-Charta. Da aber der „bewaffnete Angriff“ einen Unterfall der „Angriffshandlung“ bildet, kann die Aggressionsdefinition auch für Art. 51 UN-Charta Auslegungshilfe sein.51 Insofern bilden die dort genannten Tathandlungen vor allem Beispiele dafür, wann gewaltsames Vorgehen gegen einen Staat als bewaffneter Angriff i.S.v. Art. 51 UNCharta eingeordnet werden kann. Dies ist z.B. bei der Invasion oder der Bombardierung des Hoheitsgebietes eines Staates ganz augenscheinlich der Fall.52 Die Beispiele der Aggressionsdefinition zeigen auch, dass für einen bewaffneten Angriff nicht schon jede Form der Gewaltanwendung genügt. Der Angreifer muss vielmehr militärische Gewalt von einiger Intensität ausüben.53 Der IGH entschied im Fall Nicaragua vs. 50 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 195, 199; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 38; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 41 f.; Dinstein, War, Aggression and SelfDefence, 4. Aufl. 2005, S. 255. 51
Schulze, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Selbstverteidigung (102), Rn. 3; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 21; Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 137 f.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 784. Kritisch zur Heranziehung der Aggressionsdefinition Stelter, Gewaltanwendung unter und neben der UN-Charta, 2007, S. 200 ff. m.w.N. 52 Vgl. Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 28; Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 138; Stelter, Gewaltanwendung unter und neben der UN-Charta, 2007, S. 202 f. 53
Schulze, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Selbstverteidigung (102), Rn. 3, 6; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 20; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 187 ff.; Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 168 f.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 653 Rn. 19; Zemanek, Armed Attack, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, April 2009, Rn. 7, 10. A.A. Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 28.
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Vereinigte Staaten hierzu, dass ein Angriff eine gewisse Größenordnung (scale) und erhebliche Auswirkungen (effects) zeitigen muss, um ihn von weniger einschneidenden Gewalthandlungen, wie etwa Grenzscharmützeln, unterscheidbar zu machen, die das Selbstverteidigungsrecht noch nicht auszulösen vermögen.54 Es wird auch nicht jede Unterstützung, z.B. die Bereitstellung von Finanzierung, Logistik oder Waffen mit einem bewaffneten Angriff gleichgesetzt, der zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung berechtigt.55 Liegt ein bewaffneter Angriff vor, so müssen Selbstverteidigungsmaßnahmen zeitlich unmittelbar auf diesen folgen, wobei dem angegriffenen Staat eine zweckentsprechende Vorbereitungszeit der militärischen Gegenmaßnahmen oder die Verhandlung von Waffenstillstandsabkommen selbstverständlich nicht verwehrt ist.56 Zudem müssen die Selbstverteidigungsmaßnahmen verhältnismäßig im Hinblick auf den vorangegangenen Angriff sein; sie müssen geeignet und erforderlich sein und dürfen in ihrem Umfang und Wirkungen nicht außer Verhältnis zur Schwere des Angriffs stehen.57 Etwaige Bestrafungsaktionen sind mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unvereinbar.58 Die Inanspruchnahme 54 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 195. S.a. IGH, Case Concerning Oil Platforms, I.C.J. Reports 2003, S. 161 para. 51. 55
IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 195; ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Dusko Tadić – Appeal, Entscheidung vom 15. Juli 1999 (IT-94-1A), para. 145; ausführlich zu dieser Einschränkung Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 143 ff. m.w.N. 56 Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 38; Meiser/von Buttlar, Militärische Terrorismusbekämpfung unter dem Regime der UN-Charta, 2005, S. 41; Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 169 f.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 792 f. 57 Vgl. IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 176; IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1996, S. 226 para 41; IGH, Case Concerning Oil Platforms, I.C.J. Reports 2003, S. 161 para. 76. S.a. Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 42; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 120 ff.; Löw, Gewaltverbot und Selbstverteidigungsrecht nach dem 11. September 2001, 2009, S. 213 f. 58 Schulze, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Selbstverteidigung (102), Rn. 26; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 42. Vgl. auch 1. Grundsatz Friendly Relations Declara-
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4. Kapitel
des Rechts auf Selbstverteidigung muss gemäß Art. 51 S. 2 UN-Charta umgehend dem UN-Sicherheitsrat gemeldet werden und darf auch nur solange in Anspruch genommen werden, bis dieser eigene erforderliche Maßnahmen ergriffen hat.59 Art. 1 lit. c) Nr. ix. bis xi. Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt enthält noch drei weitere Aggressionshandlungen, die sich nicht in Art. 3 lit. a) bis g) Aggressionsdefinition wiederfinden: •
solche Spionagetätigkeiten, die für militärische Aggression gegen einen Mitgliedstaat genutzt werden können;
•
technische Unterstützung jedweder Art, Geheimdienstinformationen oder Ausbildung für einen anderen Staat, um diese für Aggressionshandlungen gegen einen Mitgliedstaat einzusetzen;
•
die Förderung, Unterstützung, Beherbergung oder Bereitstellung jeglicher Hilfestellung für die Begehung terroristischer Handlungen oder anderer gewalttätiger transnational organisierter Verbrechen gegen einen Mitgliedstaat.
Besonders mit der letzten Aggressionshandlung und der generellen Einbeziehung nicht-staatlicher Akteure als mögliche Angreifer geht Art. 1 lit c) deutlich über den Anwendungsbereich der Aggressionsdefinition der Vereinten Nationen hinaus. Die Ausdehnung der möglichen Aggressionshandlungen wirft vor allem die Frage auf, unter welchen Bedingungen sich die AU-Mitgliedstaaten auf das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 UN-Charta gegenüber nicht-staatlichen Akteuren und speziell terroristischen Organisationen berufen dürfen. Die um diesen Problemkomplex kreisende völkerrechtliche Debatte kann im Rahmen dieser Arbeit nur angedeutet werden. Sie hat sich seit den Anschlägen vom 11. September 2001 erheblich intensiviert und ihren Abschluss bisher noch nicht gefunden.60
tion: „States have a duty to refrain from acts of reprisal involving the use of force.“ 59 Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 4, 41; dazu auch Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 101 ff.; Stelter, Gewaltanwendung unter und neben der UN-Charta, 2007, S. 255 ff. 60 Umfassend Meiser/von Buttlar, Militärische Terrorismusbekämpfung unter dem Regime der UN-Charta, 2005; Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006; Wettberg, The International Legality of
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Ursprünglich galten Staaten als einzig mögliche Angreifer, gegen die das Recht auf Selbstverteidigung zulässig war.61 Aber bereits Art. 3 g) Aggressionsdefinition, dem Art. 1 lit. c) Nr. viii. Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt in etwa entspricht, rückte auch nicht-staatliche Akteure in den Anwendungsbereich des Selbstverteidigungsrechts. Generelles Merkmal der dort beschriebenen „indirekten“ Form der Aggression ist, dass militärische Angriffe von nicht-staatlichen Akteuren ausgeführt werden, also nicht ein Staat direkt als Aggressor auftritt. Jedoch war lange Zeit nahezu unumstritten, dass man die Gewaltakte Privater einem Staat zurechnen können muss, um gegen diesen das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 UN-Charta in Anspruch nehmen zu können.62 Für das Maß der Zurechnung stellte der IGH im Fall Nicaragua vs. Vereinigte Staaten auf die wirksame Kontrolle (effective control) eines Staates über die nicht-staatlichen Akteure und deren Operationen ab, legte also einen recht strengen Zurechnungsmaßstab an.63 Die Privaten müssten letztlich als de facto-Organe des Entsendestaates erscheinen, damit diesem ihr Verhalten als eigenes zugerechnet werden kann.64 Der Internationale Strafgerichtshof für Jugoslawien lockerte in seiner Tadić-Entscheidung den Zurechnungsmaßstab dahingehend, dass eine Self-Defense Against Non-State Actors, 2007; Löw, Gewaltverbot und Selbstverteidigungsrecht nach dem 11. September 2001, 2009. 61
Vgl. Zemanek, Armed Attack, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, April 2009, Rn. 5. 62 Ausführlich zur Zurechnung nicht-staatlicher Gewaltakte vor dem 11. September 2001 Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 137 ff.; Wettberg, The International Legality of SelfDefense Against Non-State Actors, 2007, S. 28 ff.; Löw, Gewaltverbot und Selbstverteidigungsrecht nach dem 11. September 2001, 2009, S. 69 ff. S.a. Krajewski, AVR 40 (2002), S. 183, 188; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UNCharta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 30; Stahn, ZaöRV 62 (2002), S. 183, 216 ff.; Bruha/Tams, in: Dicke et al. (Hrsg.), FS Delbrück, 2005, S. 85, 93 f.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 653 f. Rn. 19; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 788 f. 63 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 109, 115. S.a. IGH, Case Concerning Armed Activities on the Territory of the Congo, Entscheidung vom 19. Dezember 2005, para. 133, 146 f. 160 f. 64 Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 32; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 203; Löw, Gewaltverbot und Selbstverteidigungsrecht nach dem 11. September 2001, 2009, S. 69.
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allgemeine bzw. übergreifende Kontrolle (overall control) ausreiche, jedenfalls wenn es sich um bewaffnete Gruppen oder militärische oder paramilitärische Einheiten mit hierarchischer Organisation handele. Für Individuen und unorganisierte Gruppen gelte weiterhin der Maßstab der „effective control“, wie ihn der IGH aufgestellt hat.65 Demgegenüber bestätigte der IGH seine Rechtsprechung im Fall Bosnien vs. Serbien,66 so dass der Streit um den richtigen Zurechnungsmaßstab noch nicht beigelegt sein dürfte.67 Im Ergebnis stimmten Rechtsprechung, Staatenpraxis und Literatur jedenfalls darin überein, dass einem Staat die Handlungen Privater dann zuzurechnen sind, wenn diese entsandt wurden, um in einem anderen Staat gewaltsame Handlungen zu begehen. Bei der Unterstützung nicht-staatlicher Akteure durch einen Staat bedurfte es für die Zurechnung eines gewissen Maßes an Kontrolle der Akteure und deren Handlungen durch den Hintergrundstaat. Nicht ausreichend war indes die bloße Duldung von Gewaltakten Privater ausgehend vom eigenen Territorium auf das Gebiet eines anderen Staates. Dies galt vor allen Dingen auch für solche Duldungskonstellationen, in denen der Ausgangsstaat gar nicht in der Lage war, den nichtstaatlichen Akteuren auf seinem Territorium Einhalt zu gebieten.68 Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hat sich die Bewertung des Rechts auf Selbstverteidigung nach Art. 51 UN-Charta gegen nichtstaatliche Akteure vor allem in Bezug auf die Kriterien der Zurechnung, Intensität und Gegenwärtigkeit eines Angriffes verändert.69 So stößt die Zurechnung bewaffneter Angriffe durch Terrororganisationen zu einem 65 ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Dusko Tadić – Appeal, Entscheidung vom 15. Juli 1999 (IT-94-1-A), para. 115 ff., 145. S.a. Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 162 ff. 66 IGH, Case Concerning the Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Entscheidung vom 26. Februar 2007, para. 399 ff. 67 So Dinstein, Aggression, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Mai 2009, Rn. 29 f.; Zemanek, Armed Attack, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, April 2009, Rn. 6. 68 Vgl. Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 137 ff., 165 ff. m.w.N. 69 Ausführlich Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 179 ff.; 222 ff.; Löw, Gewaltverbot und Selbstverteidigungsrecht nach dem 11. September 2001, 2009, S. 75 ff. S.a. Stelter, Gewaltanwendung unter und neben der UN-Charta, 2007, S. 216 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 791, 841 ff.; Zemanek, Armed Attack, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, April 2009, Rn. 14 ff.
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bestimmten Hintergrundstaat, gegen den das Selbstverteidigungsrecht zulässig wäre, an Grenzen, da sich diese Gruppierungen aufgrund ihrer Organisationsstruktur keinem bestimmten Staat mehr zuordnen lassen.70 Fraglich ist daher, ob man auf die staatliche Zurechnung verzichten kann, soweit terroristische Anschläge in ihrer Intensität einem „bewaffneten Angriff“ i.S.v. Art. 51 UN-Charta gleichkommen.71 Die Rechtsprechung, überwiegende Staatenpraxis und Literatur gehen der umfassenden Untersuchung Wandschers zufolge wohl weiterhin von der Notwendigkeit der Zurechnung privater Gewaltakte zu einem Hintergrundstaat aus.72 So hielt beispielsweise der IGH angesichts der Debatte im Fall Demokratische Republik Kongo vs. Uganda unter Rekurs auf Art. 4, 5 und 8 ASR73 am Erfordernis der Zurechenbarkeit des Handels nicht-staatlicher Akteure fest.74 Die Staatenpraxis nach dem 11. September 2001 stellte maßgeblich darauf ab, dass Afghanistan bzw. das de facto-Regime der Taliban Al-Qaida ihr Territorium als Trainingsraum, Basis für die Ausübung terroristischer Angriffe und als Rückzugsgebiet zur Verfügung gestellt hat. Auf die effektive Kontrolle AlQaidas durch das Taliban-Regime kam es insoweit nicht an.75 In diese Richtung lassen sich auch die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates in Zusammenhang mit dem 11. September deuten, in denen ausdrücklich das Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung gegen de70
Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 841; Zemanek, Armed Attack, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, April 2009, Rn. 18. 71 Bejahend z.B. Bruha/Bortfeld, Vereinte Nationen 5 (2001), S. 161, 165; Bruha, AVR 40 (2002), S. 383, 395; Dinstein, Aggression, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Mai 2009, Rn. 31: „It is today quite obvious that aggression can be committed by non-State actors, regardless of the involvement of any foreign State.“ 72 Vgl. Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 179 ff.; 232 ff. S.a. Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 33 ff. 73 Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, GARes. 56/83 vom 12. Dezember 2001. 74
IGH, Case Concerning Armed Activities on the Territory of the Congo, Entscheidung vom 19. Dezember 2005, para. 133, 146 f., 160 f. S.a. Wettberg, The International Legality of Self-Defense Against Non-State Actors, 2007, S. 42 ff. 75
Meiser/von Buttlar, Militärische Terrorismusbekämpfung unter dem Regime der UN-Charta, 2005, S. 33; Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 183 ff. m.w.N.
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4. Kapitel
rerlei Gewaltakte hervorgehoben wurde und die Terroranschläge der Al-Qaida auch auf die Unterstützung durch das Taliban-Regime als de facto-Regierung Afghanistans zurückgeführt wurden.76 Für die Zurechnung genügt es nach verbreiteter Auffassung daher nunmehr, dass ein Staat Terrororganisationen bewusst aktiv oder passiv unterstützt, indem er ihnen z.B. einen „sicheren Hafen“ bietet, von dem aus Anschläge geplant und begangen werden oder in den sich die Terroristen nach einem verübten Anschlag unbehelligt wieder zurückziehen können.77 In diese Richtung positionieren sich letztlich auch die Unterzeichnerstaaten des Nicht-Aggressions- und Verteidigungspaktes, wenn sie in der letzten Aggressionsalternative genügen lassen, dass terroristische Handlungen irgendwie gefördert werden oder einer Terrororganisation ein sicherer Rückzugsraum gewährt wird. Kontrovers diskutiert wird neben der Zurechnung das Merkmal der Gegenwärtigkeit eines Angriffs. Die Gegenwärtigkeit ist bei terroristischen Anschlägen deswegen schwierig zu beurteilen, da der Angriff mit dem Tod der Angreifer auch sofort beendet sein kann. Hier hat sich die Staatenpraxis hin zu der vor dem 11. September 2001 mehrheitlich abgelehnten accumulation of events-Doktrin entwickelt, aber auch ein Recht auf präventive Selbstverteidigung wird in diesem Zusammenhang
76 Vgl. SR-Res. 1368 vom 12. September 2001, SR-Res. 1373 vom 28. September 2001 und insbesondere SR-Res. 1378 vom 14. November 2001, in der es heißt: „Condemning the Taliban for allowing Afghanistan to be used as a base for the export of terrorism by the Al-Qaida network and other terrorist groups and for providing safe haven to Usama Bin Laden, Al-Qaida and others associated with them […].“ Im Einzelnen Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 198 ff. m.w.N. S.a. Bruha/Tams, in: Dicke et al. (Hrsg.), FS Delbrück, 2005, S. 85, 96; Meiser/von Buttlar, Militärische Terrorismusbekämpfung unter dem Regime der UN-Charta, 2005, S. 23 ff. 77
Vgl. Cassese, EJIL 12 (2001), S. 993, 997; Bruha, AVR 40 (2002), S. 383, 406 f.; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 33 f.; Meiser/von Buttlar, Militärische Terrorismusbekämpfung unter dem Regime der UN-Charta, 2005, S. 54; Stelter, Gewaltanwendung unter und neben der UN-Charta, 2007, S. 225 f.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 791, 846. Enger Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 250 f. die zusätzlich verlangt, dass ein Staat die ungefähre Kenntnis über Ziel und Ausmaß des Anschlags hat. Dem Staat müsse die generelle Kontrolle über das „ob“ der Tat verbleiben, d.h. er müsse in der Lage sein, durch die Einstellung seiner Unterstützung einen Angriff zu verhindern.
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erwogen.78 In Bezug auf terroristische Angriffe wird ein bewaffneter Angriff nunmehr wohl auch dann als gegenwärtig angesehen, wenn bereits begangene und noch bevorstehende Anschläge zu einem fortgesetzten Angriff zusammengefasst werden können, die von derselben Quelle ausgehen, denselben Staat betreffen und neue Angriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, so dass für den betroffenen Staat eine andauernde Gefahr terroristischer Gewaltakte besteht.79 Nach wie vor müssen die Gewaltakte nicht-staatlicher Akteure die Intensität eines bewaffneten Angriffs erreichen. Umstritten ist jedoch, wann genau diese Schwelle bei einem terroristischen Angriff überschritten ist und insbesondere ob eine Anzahl vieler kleinerer Anschläge zu einem großen intensiven Angriff zusammengefasst werden können.80 Generell müssen für die Beurteilung, ob ein terroristischer Angriff die für die Annahme eines bewaffneten Angriffs i.S.v. 51 UN-Charta erforderliche Intensität aufweist, seine Auswirkungen mit denen eines herkömmlichen bewaffneten Angriffs verglichen werden unter Berücksichtigung des Ausmaßes der verursachten Personen- und Sachschäden sowie der Art und Weise und Mittel des Anschlags.81 Ein bewaffneter Angriff nach diesen Kriterien lag z.B. bei den Anschlägen in New York vor. Die Verteidigungsmaßnahmen, die in Reaktion auf einen Angriff nichtstaatlicher Akteure ergriffen werden dürfen, müssen auch weiterhin verhältnismäßig sein, wobei die Wiederholungsgefahr solcher Angriffe 78 Ausführlich Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 175 ff.; Meiser/von Buttlar, Militärische Terrorismusbekämpfung unter dem Regime der UN-Charta, 2005, S. 40 ff., 64 ff.; Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 269 ff., 284 ff.; Stelter, Gewaltanwendung unter und neben der UN-Charta, 2007, S. 226 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 847 ff. S.a. Wettberg, The International Legality of Self-Defense Against Non-State Actors, 2007, S. 214 f.; Löw, Gewaltverbot und Selbstverteidigungsrecht nach dem 11. September 2001, 2009, S. 59 ff. 79 Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 273. S.a. Stelter, Gewaltanwendung unter und neben der UN-Charta, 2007, S. 239. 80 Ausführlich Meiser/von Buttlar, Militärische Terrorismusbekämpfung unter dem Regime der UN-Charta, 2005, S. 34 ff.; Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 263 ff. 81 Krajewski, AVR 40 (2002), S. 183, 200; Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 268 f.
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4. Kapitel
in der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit mitbedacht werden muss.82 Es wird für die Verhältnismäßigkeit der Selbstverteidigung gegen den Hintergrund- bzw. Aufenthaltsstaat auch danach zu differenzieren sein, inwieweit dieser die nicht-staatlichen Akteure unterstützt und ob er in der Lage und gewillt ist, gegen die Angreifer vorzugehen oder nicht.83 Im letzteren Fall wird argumentiert, trete sein Recht auf territoriale Integrität und Souveränität hinter das Selbstverteidigungsrechts zurück, da es nicht rechtens sein könne, die Terrororganisation unter den Schutz der Souveränität des Aufenthaltsstaates zu stellen. Der Aufenthaltsstaat müsse daher Verteidigungsmaßnahmen gegen die Terroristen auf seinem Gebiet hinnehmen, nicht jedoch solche gegen seine eigenen Einrichtungen.84 Die knappen Ausführungen zeigen, dass sich Gewaltakte nichtstaatlicher Akteure nicht ohne Weiteres in die von der IGH-Rechtsprechung und Literatur vor dem 11. September 2001 entwickelten Kriterien einordnen lassen und sich im Rahmen der Auslegung von Art. 51 UN-Charta schwierige Fragen hinsichtlich der Zurechenbarkeit, Intensität und Gegenwärtigkeit eine Angriffs und der Verhältnismäßigkeit von Verteidigungsmaßnahmen stellen. Art. 1 lit. c) Nr. xi. Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt lässt sich in diesem Zusammenhang als Positionierung der Vertragsstaaten in der Debatte zugunsten einer Lockerung des Zurechnungsmaßstabes werten, indem sie bereits die Förderung, Unterstützung und Beherbergung terroristischer Organisa82 Meiser/von Buttlar, Militärische Terrorismusbekämpfung unter dem Regime der UN-Charta, 2005, S. 96 f.; Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 280 ff.; Wettberg, The International Legality of Self-Defense Against Non-State Actors, 2007, S. 219 f.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 851. 83 Dazu Meiser/von Buttlar, Militärische Terrorismusbekämpfung unter dem Regime der UN-Charta, 2005, S. 56 ff.; Wettberg, The International Legality of Self-Defense Against Non-State Actors, 2007, S. 220 ff. 84 Vgl. Schulze, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Selbstverteidigung (102), Rn. 19 ohne Begründung; Bruha/Bortfeld, Vereinte Nationen 5 (2001), S. 161, 166; Cassese, EJIL 12 (2001), S. 993, 999; Bruha, AVR 40 (2002), S. 383, 407 ff.; Krajewski, AVR 40 (2002), S. 183, 202 ff.; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 36; Wettberg, The International Legality of Self-Defense Against Non-State Actors, 2007, S. 225; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 844 f. Kritisch Stahn, ZaöRV 62 (2002), S. 183, 229 f.; Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, 2006, S. 256 ff.; Löw, Gewaltverbot und Selbstverteidigungsrecht nach dem 11. September 2001, 2009, S. 161 ff.
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
203
tionen als Zurechnungskriterium genügen lassen. Gänzlich zu überzeugen vermag dieser Aggressionstatbestand indes nicht. Zum einen ist nicht erkennbar, welchen Mehrwert dieser Aggressionshandlung im Vergleich Art. lit. c) Nr. viii. zukommt, unter dessen Tatbestandsalternative „die Gewährung jeglicher Unterstützung von bewaffneten Banden, Söldnern oder anderen transnational organisierten kriminellen Gruppierungen“ die Tathandlungen des Art. 1 lit. c) Nr. xi. unschwer subsumiert werden können. Insoweit könnte man von einer Konkretisierung der Unterstützungshandlung in Bezug auf terroristische Aktivitäten sprechen. Zum anderen – und viel problematischer – verzichtet die Aggressionsalternative in Art. 1 lit. c) Nr. xi. im Gegensatz zu Art. 1 lit c) Nr. viii. und den von der Rechtsprechung und Völkerrechtslehre vor und nach dem 11. September 2001 entwickelten Kriterien darauf, dass Unterstützungshandlungen bzw. die daraus resultierenden Gewaltakte ihrer Intensität nach herkömmlichen bewaffneten Angriffen gleichkommen müssen. Dies ist aber zwingende Voraussetzung, um sich auf das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 UN-Charta berufen zu können. Denselben Bedenken sehen sich auch die Aggressionshandlungen in Art. 1 lit. c) Nr. ix. und x. ausgesetzt.85 Letzten Endes überdehnen diese Tathandlungen also die von der Rechtsprechung und Lehre entwickelten Kriterien mit der Folge, dass sich die Mitgliedstaaten im Ernstfall zur Rechtfertigung von Verteidigungsmaßnahmen wohl nur schwerlich auf Art. 1 lit. c) Nr. ix. bis xi. berufen könnten.
3. Verpflichtungen der Mitgliedstaaten Im Rahmen des durch die CADSP und den Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt zum Ausdruck kommenden Sicherheitsverständnisses verpflichten sich die Mitgliedstaaten dazu, nachhaltige Entwicklungspolitik zu fördern, um das Wohlergehen ihrer Bevölkerung zu verbessern, einschließlich der Achtung der Würde und Grundrechte eines jeden Einzelnen im Rahmen einer demokratischen Gesellschaft.86 Sie sollen ferner Völkermord, andere Formen des Massenmordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhindern87 und zur Beilegung 85 Kritisch bezüglich dieser Ausweitung des Selbstverteidigungsrechts auch van Steenberghe, RGDIP 113/1 (2009) S. 125, 140 ff. 86
Art. 3 lit. c) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
87
Art. 3 lit. d) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
204
4. Kapitel
ihrer Konflikte zuerst Lösungen im Rahmen friedlicher Streitbeilegung und in Rückgriff auf die regionalen oder kontinentalen Mechanismen anstreben.88 Die Mitgliedstaaten verpflichten sich ferner dazu, sich der Gewaltanwendung oder Androhung von Gewalt in ihren gegenseitigen Beziehungen und in jedweder mit der UN-Charta unvereinbaren Weise zu enthalten. Keine Überlegungen irgendwelcher Art, seien sie politischer, wirtschaftlicher, militärischer, rassischer oder religiöser Natur, dürfen ihnen als Rechtfertigung für eine Aggression dienen.89 Die Staaten sollen ferner ihre freundlichen und friedlichen Beziehungen untereinander in Übereinstimmung mit den Grundprinzipien der AU weiterentwickeln und ausbauen.90 Die Mitgliedstaaten sichern sich im Rahmen des Nicht-Aggressionsund Verteidigungspaktes gegenseitige Unterstützung für ihre gemeinsame Verteidigung und Sicherheit gegen jedwede Aggression zu und wollen alleine oder kollektiv mit allen verfügbaren Mitteln gegen Aggressionen vorgehen.91 Der Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt enthält damit eine absolute Beistandspflicht, anders als etwa Art. 5 S. 1 NATO-Vertrag, demzufolge die Vertragsparteien die Maßnahmen treffen, die sie für „erforderlich“ halten, ihnen also die zu ergreifenden Maßnahmen anheimgestellt sind und auch die Entscheidung, ob überhaupt ein Bündnisfall vorliegt.92 In jedem Fall dürfen die Mitgliedstaaten kollektive Selbstverteidigung nach Art. 51 UN-Charta nur dann ausüben, wenn sich der angegriffene Mitgliedstaat als Opfer eines bewaffneten Angriffs sieht und, soweit möglich, ein formelles Hilfeersuchen bzw. zumindest ein Einverständnis mit der Hilfeleistung vorliegt.93 Die Mitgliedstaaten sichern sich in diesem Zusammenhang wei88
Art. 15 Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
89 Art. 3 lit. a) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt. S.a. Art. 5 Abs. 1 Aggressionsdefinition. 90
Art. 3 lit. b) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
91
Art. 4 lit. a) und b) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
92
Vgl. Seidl-Hohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 2305; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 60 Rn. 40; Bölingen, Die Transformation der NATO im Spiegel der Vertragsentwicklung, 2007, S. 43; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 464. 93
Vgl. IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 195; Schulze, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Selbstverteidigung (102), Rn. 37; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 51 Rn. 38; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 11 Rn. 42; Stelter, Gewaltanwen-
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
205
ter zu, keine territorialen Eroberungen oder Vorteile anzuerkennen, die sich aus einem Akt der Aggression ergeben.94 Als Teil der Vision eines starken und vereinten Afrikas soll eine „Afrikanische Armee“ in der letzten Phase der politischen und wirtschaftlichen Integration des Kontinents geschaffen werden. In der Zwischenzeit sollen sich die Mitgliedstaaten nach besten Kräften bemühen, die Herausforderungen der gemeinsamen Verteidigung und Sicherheit durch die Implementierung der CADSP und die frühzeitige Operationalisierung der afrikanischen Bereitschaftsarmee anzugehen.95 Bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, der transnationalen organisierten Kriminalität oder der Destabilisierung eines Mitgliedstaates sollen die Mitgliedstaaten verstärkt kooperieren.96 Sie sollen die Nutzung ihres Hoheitsgebietes oder der Bevölkerung zur Begehung subversiver oder feindlicher Aktivitäten, Aggressionshandlungen oder anderer schädlicher Handlungen verhindern, wenn diese geeignet sind, die territoriale Integrität oder Souveränität eines Mitgliedstaates oder den regionalen Frieden und Sicherheit zu bedrohen.97 Gleiches gilt für die Stationierung, den Transit, Rückzug oder Einfall irregulärer bewaffneter Gruppen, Söldner oder terroristischer Organisationen.98 Die Mitgliedstaaten sichern sich für den Fall der Bedrohung durch terroristische Angriffe oder anderer organisierter internationaler Verbrechen gegenseitige Rechtshilfe und jedwede andere Unterstützung zu. Irreguläre bewaffnete Gruppen, Söldner oder Terroristen, die eine Gefahr für einen Mitgliedstaat darstellen, sollen festgenommen und angeklagt werden.99 Zudem sollen die Mitgliedstaaten ihre militärischen und Geheimdienstkapazitäten durch Kooperation und gegenseitige Unterstützung ausbauen.100
dung unter und neben der UN-Charta, 2007, S. 260; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 783. 94
Art. 4 lit. c) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
95
Art. 4 lit. d) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
96
Art. 5 lit. a) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
97
Art. 5 lit. b) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
98
Art. 5 lit. c) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
99
Art. 6 lit. a) und b) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
100
Art. 7 Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
206
4. Kapitel
4. Umsetzungsmechanismen Verantwortlich für die Um- und Durchsetzung des Nicht-Aggressionsund Verteidigungspaktes ist der Friedens- und Sicherheitsrat.101 Ob der Friedens- und Sicherheitsrat damit auch die Instanz ist, die über das Vorliegen eines Bündnisfalles entscheidet, wird nicht ausdrücklich in Art. 9 Nicht-Aggressions- und Verteidigungspaktes festgehalten. Er kann aber durchaus in diese Richtung ausgelegt werden, vor allem, wenn man die umfassenden Kompetenzen des Friedens- und Sicherheitsrates aus Art. 7 ProtokollPSC mitberücksichtigt.102 Die Mitgliedstaaten verpflichten sich zudem, den militärischen Missionen, die vom Friedens- und Sicherheitsrat beschlossen werden, ihre volle Unterstützung zu gewähren, einschließlich der afrikanischen Bereitschaftsarmee. Sie sollen ferner ihre Zusammenarbeit mit dem Hauptquartier und dem Militärstab ausbauen und verstärken.103 Die Kapazitäten für die afrikanischen Untersuchungs-, Informations- und Trainingszentren sollen ebenfalls ausgebaut und gestärkt werden, um Präventionsmaßnahmen gegen Aggressionshandlungen effizienter einleiten zu können.104 Zu den neu zu schaffenden Institutionen, die den Friedens- und Sicherheitsrat unterstützen sollen, gehören die African Peace Academy, das bereits erwähnte African Centre for Study and Research on Terrorism und die African Commission on International Law (ACIL). Weitere Mechanismen können im Bedarfsfall eingerichtet werden.105 Die African Peace Academy soll als Forschungszentrum eine afrikanische Friedensdoktrin ausarbeiten und als Bezugspunkt für die Förderung von Frieden und Stabilität auf dem Kontinent dienen.106 Die ACIL soll alle rechtlichen Aspekte in Zusammenhang mit der Förderung von Frieden
101
Art. 9 Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
102 Art. 7 lit. o) ProtokollPSC erlaubt dem PSC „to examine and take such appropriate action within its mandate in situations where the national independence and sovereignty of a Member State is threatened by acts of aggression, including by mercenaries.“ 103
Art. 10 lit. a) und b) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
104
Art. 11 lit. a) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
105
Art. 11 lit. b) und c) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
106
Art. 12 lit. a) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
207
und Sicherheit auf dem Kontinent untersuchen, einschließlich Fragestellungen bzgl. afrikanischer Grenzen.107
IV. Das Sicherheitsverständnis der Afrikanischen Union In der KA-AU, dem ProtokollPSC und den bisher in Kapitel 3 und 4 erörterten Programmen finden sich eine Vielzahl divergierender Aussagen zum Sicherheitsverständnis der Afrikanischen Union. Der Sicherheitsbegriff, der der neuen Sicherheitsarchitektur zu Grunde liegt, soll im Folgenden näher untersucht werden. Vom Sicherheitsverständnis der AU hängen nicht nur Reichweite und Umfang des Schutzes der Adressaten ab, sondern es entscheidet auch über den Tätigkeitsumfang und auf politischer Ebene über das Selbstverständnis der Organisation.
1. Kollektive Sicherheit Die Gewährleistung kollektiver oder gemeinsamer (common) Sicherheit – verstanden als die gemeinsame Abwehr von inneren und äußeren Bedrohungen – ist ein Aspekt des Sicherheitsverständnisses der AU.108 Bereits Art. 3 lit. b) und 4 lit. d) KA-AU und die Funktion des Friedens- und Sicherheitsrates als kollektives Sicherheits- und Frühwarnsystem109 gehen von einem kollektiven Sicherheitsverständnis aus. Am deutlichsten wird das Verständnis kollektiver Sicherheit in der CADSP formuliert. In §§ 2 f., 11, 12 Präambel CADSP wird die Notwendigkeit kollektiven Vorgehens in den Feldern Sicherheit und Verteidigung hervorgehoben.110 Und § 12 Nr. i) und § 13 lit. a) und m) CADSP streichen heraus:
107 Art. 14 lit. a) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt. S.a. Art. 4 f. Statute of the African Union Commission on International Law, Dok.Nr. EX.CL/478 (XIV) a, Executive Council, 14th Ordinary Session vom 26. – 30. Januar 2009. 108
Meyns, in: Engel et al. (Hrsg.), FS Tetzlaff, 2005, S. 112, 118.
109
Art. 2 Abs. 1 ProtokollPSC.
110
Ähnlich § 9 lit. b) CSSDCA-Deklaration und Abschnitt I lit. d) CSSDCA-MoU. Vgl. auch § 5 CADSP.
208
4. Kapitel
„The indivisibility of the security of African States: the security of one African country is inseparably linked to the security of other African countries, and the African continent as a whole. Accordingly, any threat or aggression on one African country is deemed to be a threat or aggression on the others, and the continent as a whole; [A] Common African Defence Policy is established in pursuit of a number of objectives and goals including [to] ensure collective responses to both internal and external threats to Africa [and to] develop and enhance the collective defence and strategic capability as well as military preparedness of Member States of the AU and the Continent.“ Dem Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt lässt sich ebenfalls ein Sicherheitsverständnis entnehmen, dass auf kollektive Sicherheit gerichtet ist. Gemäß Art. 2 lit. a) Nr. i) ist der Verteidigungspakt auf die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich der gemeinsamen Verteidigung gerichtet. Und gemäß Art. 2 lit. c) wird jeder Akt der Aggression gegen einen Mitgliedstaat als Akt der Aggression gegen alle Mitgliedstaaten gewertet. Schließlich verpflichten sich die Mitgliedstaaten nach Art. 4 lit. a) - c): „[…] to provide mutual assistance towards their common defence and security vis-à-vis any aggression or threats of aggression. State Parties undertake, individually and collectively, to respond by all available means to aggression or threats of aggression against any Member State.“
2. Menschliche Sicherheit Das Sicherheitsverständnis der Afrikanischen Union geht jedoch hierüber hinaus und bezieht das Konzept der „menschlichen Sicherheit“ mit ein. Unter menschlicher Sicherheit kann der Schutz der grundlegenden Lebensbedingungen einschließlich der Rechte und Freiheiten des Menschen vor existenziellen Bedrohungen, um langfristig ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen, verstanden werden. Andere Definitionen gehen deutlich weiter und beziehen den Schutz vor Hunger, Krankheit und Umweltverschmutzung mit ein.111 Immer im Vorder-
111 Zu den verschiedenen Definitionsansätzen King/Murray, Political Science Quarterly 116/4 (2001/02), S. 585, 592 ff.; Alkire, CRISE-Working Paper (2003), S. 1, 2 ff.; Owen, Disarmament Forum 3 (2004), S. 15 ff.; von Tiger-
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209
grund stehen bei allen definitorischen Ansätzen die Beziehungen des Staates zu seinen Bürgern und weniger die Beziehungen zwischen Staaten. Primär geht es also um den Schutz der Bürger und ihrer Rechte und weniger um den Schutz der Souveränität oder territorialen Integrität von Staaten oder den Schutz der Regierungen.112 Menschliche Sicherheit erweitert das Sicherheitsverständnis zum einen dahingehend, dass nicht mehr nur militärische Sicherheit vom Sicherheitsbegriff umfasst wird, sondern auch Entwicklung und Menschenrechte, zum anderen dahin, dass die Gewährleistung von Sicherheit auf überstaatliche Ebenen wie regionale oder internationale Organisationen ausgedehnt wird. Menschliche Sicherheit ist dabei keinesfalls losgelöst von staatlicher oder kollektiver Sicherheit. Sie ist vielmehr von ihr abhängig und überschneidet sich mit dieser, geht jedoch darüber hinaus.113 Menschliche Sicherheit bedeutet überdies, dass der Sicherheitsbegriff entterritorialisiert wird; d.h. nicht der geographische Raum, von dem eine Gefahr ausgeht, sondern die konkrete Gefahr selbst bestimmt die zu ihrer Beseitigung erforderlichen Kompetenzen und Kapazitäten eines Akteurs.114 Ansätze dieses Sicherheitsverständnisses ergeben sich bereits aus der KA-AU, insbesondere aus Art. 3 lit. g) und h) und Art. 4 lit. m) und h) KA-AU sowie der Präambel, überdies aus Art. 3 lit. a) und f) ProtokollPSC. Nach § 10 Abs. 1 und lit b) CSSDCA-Deklaration soll:
strom, Human Security and International Law, 2007, S. 27 ff.; Hampson, in: Williams (Hrsg.), Security Studies, 2008, S. 229 ff.; Ulbert/Werthes, in: dies. (Hrsg.), Menschliche Sicherheit, 2008, S. 13 ff.; Varwick, Die NATO, 2008, S. 69 f.; kritisch Tomuschat, Human Rights, 2. Aufl. 2008, S. 63 ff. Zum grundlegenden Ansatz der menschlichen Sicherheit UNDP, Human Development Report, 1994, S. 1, 22 ff. S.a. The Responsibility to Protect, Report of the International Commission on Intervention and State Sovereignty, Dezember 2001, S. 15. 112
UNDP, Human Development Report, 1994, S. 1, 23; Ogata, State Security – Human Security, 2001, S. 1, 10; Alkire, CRISE-Working Paper (2003), S. 1, 3; Cilliers, African Human Security Initiative, 2004, S. 1, 11; Benedek, in: Dicke et al. (Hrsg.), FS Delbrück, 2005, S. 25 ff.; Hutchful, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 63; Ulbert/Werthes, in: ders. (Hrsg.), Menschliche Sicherheit, 2008, S. 13, 16. 113 Alkire, CRISE-Working Paper (2003), S. 1, 4, 31 f.; Cilliers, African Human Security Initiative, 2004, S. 1, 8; von Tigerstrom, Human Security and International Law, 2007, S. 51; Hutchful, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 63 f., 78. 114
Varwick, Die NATO, 2008, S. 69 f.
210
4. Kapitel
„Security […] be seen in its wholesomeness and totality including the right of peoples to live in peace with access to the basic necessities of life […]. The concept of security must embrace all aspects of society […]. The security of a nation must be based on the security of the life of the individual citizens to live in peace and to satisfy basic needs while being able to participate fully in societal affairs and enjoying freedom and fundamental human rights.“115 Ziel des CSSDCA ist es nach Abschnitt II lit. a) CSSDCA-MoU daher: „to [d]evelop a collective continental architecture for promoting security and inter-African relations, that goes beyond the traditional military definition and embraces imperatives pertaining to human security, principles relating to good governance, the promotion of democracy and respect for human rights […].“ Ein ähnliches Verständnis von Sicherheit und Verteidigung ergibt sich aus den Definitionen nach §§ 5 und 6 CADSP.116 Deutliche Hinweise auf ein weites Sicherheitsverständnis der Organisation finden sich auch im Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt, so in der Präambel und in Art. 1 lit. c): „[…] the use, intentionally and knowingly, of armed force or any other hostile act by a State, a group of States, an organization of States or non-State actor(s) or by any foreign or external entity, against [the] human security of the population of a State Party to this Pact […].“ Schließlich wird menschliche Sicherheit nach Art. 1 lit. k) NichtAggressions- und Verteidigungspakt sogar eigens definiert als: „[…] the security of the individual in terms of satisfaction of his/her basic needs. It also includes the creation of social, economic, political, environmental and cultural conditions necessary for the survival and dignity of the individual, the protection of and respect for human rights, good governance and the guarantee for each individual of opportunities and choices for his/her full development.“
115
Ähnlich §§ 9 lit. c) und h) CSSDCA-Deklaration. Vgl. auch Abschnitt I lit. b), c), h), i), j) und l) CSSDCA-MoU. 116
Ähnlich § 14 lit. c) AU-PCRD.
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
211
3. Weites Sicherheitsverständnis und Umsetzungsprobleme Die AU verwendet in ihren Verträgen und Programmen demnach unterschiedliche Begriffe der Sicherheit: „kollektive“ bzw. „gemeinsame“ Sicherheit und „menschliche“ Sicherheit. Die Verträge und Programme divergieren allerdings nicht nur terminologisch, sondern auch hinsichtlich der Reichweite der zu gewährleistenden Sicherheit. Vor allem beim Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt kommt eine Präferenz militärischer Sicherheit zum Vorschein, die so z.B. in der CSSDCA und CADSP nicht zu finden ist.117 Demgegenüber sind die von der Afrikanischen Union initiierten Programme NEPAD, das AU-PCRDStrategiepapier, die Declaration on the Principles Governing Democratic Elections in Africa und die African Charter on Elections, Democracy and Governance im Kern darauf angelegt, die Menschenrechtssituation, sozio-ökonomische Entwicklung und Regierungsführung in den Mitgliedstaaten zu verbessern, konzentrieren sich mithin auf die Gewährleistung menschlicher Sicherheit. Und auch das Interventionsrecht aus Art. 4 lit. h) KA-AU kann als Ausdruck dieses neuen Sicherheitsverständnisses gewertet werden. Deutlich erkennbar ist jedenfalls die Entwicklung der Afrikanischen Union fort von der durch die OAE propagierten Staaten- bzw. nationaler Sicherheit, verstanden als (militärischer) Schutz des Staates, seiner Grenzen, Bevölkerung, Institutionen und Werte von externen Bedrohungen oder Angriffen,118 hin zu einem weiten Sicherheitsverständnis, das kollektive Sicherheit und menschliche Sicherheit mit einschließt und das die Staaten verpflichtet, sowohl die staatliche Existenz als auch die Menschen auf ihren Territorien zu schützen.119 Adressaten dieses Sicherheitsverständnisses sind damit nunmehr die Mitgliedstaaten und die Bevölkerungen. Das Sicherheitsverständnis der Afrikanischen Union nähert sich insgesamt dem im UN-Bericht „A more secure world“ aus dem Jahre 2004 entwickelten Sicherheitsbegriff der „comprehensive collective security“
117
Ebenso Meyns, in: Engel et al. (Hrsg.), FS Tetzlaff, 2005, S. 112, 118 f.; Tieku, African Security Review 16/2 (2007), S. 26, 34. 118 Ogata, State Security – Human Security, 2001, S. 1, 9. S.a. Owen, Disarmament Forum 3 (2004), S. 15 f.; Woyke (Hrsg.), Militärpolitik/Sicherheitspolitik, Handwörterbuch Internationale Politik, 8. Aufl. 2000, S. 288 f. 119 Meyns, in: Engel et al. (Hrsg.), FS Tetzlaff, 2005, S. 112, 122; Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 137.
212
4. Kapitel
an.120 Diesem zufolge ist kein Staat mehr in der Lage, der vielfältigen Bedrohungen in der Welt alleine Herr zu werden, so dass die Staaten kooperieren müssen, um ihnen hinreichend begegnen zu können. Zum Kern dieses Sicherheitsverständnisses gehört die Verantwortung jedes einzelnen Staates, der internationalen Staatengemeinschaft und Internationaler Organisationen, das Leben, die Rechte und die Würde der Menschen zu schützen. Kennzeichen eines solchen umfassenderen kooperativen Sicherheitsverständnisses ist es zudem, dass an den Ursachen einer potentiellen Bedrohung angesetzt wird, um deren Entstehung entgegenzuwirken und nicht erst militärisch bei einer bereits entstandenen Bedrohung eingegriffen wird. Statt militärischer Abschreckung wird mehr Gewicht auf die Unterbindung von Entwicklungen gelegt, die zu Aggressionen führen könnten.121 In der Realität ist allerdings menschliche oder kooperative Sicherheit ohne eine effektive nationale Sicherheit nicht denkbar.122 Ein Staat der innere Sicherheit nicht oder nur schlecht gewährleistet, weil er z.B. bestimmte Gebiete des Staatsterritoriums gar nicht kontrolliert, weil er keine rechtsstaatlichen Institutionen bietet oder weil er selbst für Übergriffe auf die Zivilbevölkerung verantwortlich ist, um z.B. eine Oppositionsbewegung niederzuschlagen, ist nicht in der Lage, menschliche Sicherheit im oben definierten Sinne zu gewährleisten. Er stellt vielmehr selbst eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit der Zivilbevölkerung dar. Dies ist denn auch ein Hauptproblem der Gewährleistung umfassender Sicherheit in Afrika, nämlich die Unfähigkeit vieler afrikanischer Staaten ihren Bürgern innere oder äußere Sicherheit zu garantieren. Menschliche Sicherheit kann sich jedoch nur in einer für den Menschen durch den Staat nach außen und innen gesicherten Umgebung entfalten.123 Schwache Staaten können zudem keine ausreichend zuverlässige
120
UN Report of the Secretary-General’s High-level Panel on Threats, Challenges and Change, New York 2004, S. 14 ff. S.a. Meyns, in: Engel et al. (Hrsg.), FS Tetzlaff, 2005, S. 112, 118 f. 121 Vgl. Woyke (Hrsg.), Militärpolitik/Sicherheitspolitik, Handwörterbuch Internationale Politik, 8. Aufl. 2000, S. 289 m.w.N.; Gärtner, Stichwort „Kooperative Sicherheit“, in Internationale Sicherheit, 2005, S. 75. S.a. Jaberg, Systeme kollektiver Sicherheit in und für Europa, 1998, S. 273 ff.; Cohen, in: ders./ Mihalka, The Marshall Center Papers 3 (2001), S. 1, 3 ff. 122
Cilliers, African Human Security Initiative, 2004, S. 1, 9 ff. S.a. von Tigerstrom, Human Security and International Law, 2007, S. 51. 123
Cilliers, African Human Security Initiative, 2004, S. 1, 9 ff., 20 ff.
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
213
und langfristige Grundlage für eine weitgehende Sicherheitskooperation bilden.124
V. Exkurs – Kontinentale Integration durch Sicherheit? In Zusammenhang mit den bisher diskutierten Strukturen, Kompetenzen und Programmen der Afrikanischen Union fragt sich, inwieweit die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur die in Art. 3 lit. a) und c) KA-AU angestrebte kontinentale Integration befördert hat.125 Im Unterschied zum europäischen Integrationsprozess126 ist die Integration durch eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik im af-
124 Hutchful, in: Akokpari et al. (Hrsg.), The African Union and its Institutions, 2008, S. 63, 74. 125 Integration soll hier verstanden werden als verbindliche gemeinsame Verabredung von festgelegten Regelungen für einzelne Wirtschafts- und Politikbereiche, die mit erheblicher Einschränkung der jeweiligen nationalen Einflussmöglichkeiten einher gehen bzw. als gegenseitige Verflechtung von Akteuren unter Ersatz des ausschließlich nationalstaatlichen durch einen multinationalen Entscheidungsrahmen, dessen Entscheidungsorgane bestimmte, früher von den Nationalstaaten wahrgenommene Kompetenzen kraft völkerrechtlichen Vertrags zur eigenen selbständigen Ausübung zugewiesen erhalten. Vgl. Meyers, in: Bundeszentrale für politische Bildung, Grundwissen Politik, 1991, S. 220, 250; Hofmeier, in: Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – Ein verlorener Kontinent?, 2. Aufl. 2008, S. 213, 216 f. Zu den unterschiedlichen Integrationsbegriffen ausführlich Lang, Der internationale Regionalismus, 1982, S. 2 ff.; Bellers/Häckel, in: Rittberger (Hrsg.), Theorien der internationalen Beziehungen, 1990, S. 286, 292 ff.; Varwick, Sicherheit und Integration in Europa, 1998, S. 71 ff. 126
Guter Überblick der Debatte bei Borchert, Europas Sicherheitsarchitektur, 1999, S. 161 ff.; Wagner/Hellmann, in: Jachtenfuchs/Kohler-Koch (Hrsg.), Europäische Integration, 2. Aufl. 2003, S. 569 ff.; Smith, Europe’s Foreign and Security Policy, 2004, S. 5 f. S.a. Marauhn, Building a European Security and Defence Identity, 1996, S. 61 ff.; Varwick, Sicherheit und Integration in Europa, 1998, insb. S. 71 ff.; von Kielmansegg, Die Verteidigungspolitik der Europäischen Union, 2005, S. 36 ff. Grundlegend Deutsch, Political Community and the North Atlantic Area, 1957; ders., in: Rosenau (Hrsg.), International Politics and Foreign Policy, 1961, S. 98 ff.; ders., Die Analyse internationaler Beziehungen 1968, insb. S. 224 ff.; Haas, Beyond the Nation-State, 1964; Bellers/Häckel, in: Rittberger (Hrsg.), Theorien der internationalen Beziehungen, 1990, S. 286 ff.; Adler/Barnett (Hrsg.), Security Communities, 1998.
214
4. Kapitel
rikanischen Kontext bisher kaum erforscht.127 Die Debatte kann für die Afrikanische Union im Rahmen dieser Untersuchung nur angedeutet werden. Anders als die sicherheitspolitische Integration in Europa oder im Rahmen der NATO wird dieser Prozess in Afrika überwiegend nicht durch demokratische, sondern vielmehr durch schwache bzw. instabile Staaten vollzogen.128 Da diese oft nicht in der Lage sind, effektive Herrschaftsgewalt auszuüben und innere und äußere Sicherheit zu gewährleisten und auf diese Weise die Hauptgefahr für die Sicherheit der Staaten, Regionen und Bevölkerungen von innerhalb der staatlichen Grenzen ausgeht, bedarf es für die sicherheits- und verteidigungspolitische Integration im afrikanischen Kontext anderer Erklärungsansätze.129 Die sicherheits- und verteidigungspolitische Integration der Afrikanischen Union und der RECs wird seit 2002 zumindest auf dem Papier offensiv angegangen. Die Afrikanische Union ist stark bemüht, die Integration des Kontinents mittels groß angelegter und (über)ehrgeiziger Programme wie CSSDCA, NEPAD und CADSP und der damit einhergehenden Implementierung komplexer Strukturen so schnell wie möglich voranzutreiben. Dies zeigen nicht zuletzt die bisher nicht sehr weit ausgereiften, politisch hoch umstrittenen und auf der alten Idee des Panafrikanismus beruhenden Pläne für die United States of Africa mit einem African Union Government als „Endziel“ der kontinentalen In127
Vgl. aber Olivier/Olivier, SAPR/PL 19 (2004), S. 351 ff.; Hammerstad, RevIntSt 31 (2005), S. 69 ff.; Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 79 ff.; Franke, Cooperation and Conflict 43/3 (2008), S. 313 ff.; ders., Security Cooperation in Africa, 2009, insb. S. 223 ff., der die AU als „loosely-coupled security community“ einordnet und mit Blick auf die Zusammenarbeit mit den RECs von einer „multi-layered security community“ spricht. Zur regionalen Wirtschaftsintegration in Afrika Qobo, ISS-Paper 145 (2007), S. 1 ff.; Hofmeier, in: Ferdowsi (Hrsg.), Afrika – Ein verlorener Kontinent?, 2. Aufl. 2008, S. 213 ff.; Vogt, Die regionale Integration des südlichen Afrikas, 2007; von Soest, GigaFokus 4/2008, S. 1 ff. 128 Hammerstad, RevIntSt 31 (2005), S. 69, 76. Für Borchert, Europas Sicherheitsarchitektur, 1999, S. 165 ist Demokratie Grundvoraussetzung für Integration. S.a. Olivier/Olivier, SAPR/PL 19 (2004), S. 351, 360. Zur NATO Hauser, Die NATO, 2008, S. 17 f.; Varwick, Die NATO, 2008, S. 45. 129 Zu den Auswirkungen undemokratischer und instabiler Regime für die Integration in Sicherheitsgemeinschaften bereits Deutsch, in: Rosenau (Hrsg.), International Politics and Foreign Policy, 1961, S. 98, 103. S.a. Nathan, LSEWorking Paper 55 (2004); dies., EJIR 12/2 (2006), S. 275 ff.; Hammerstad, RevIntSt 31 (2005), S. 69, 77 ff.
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
215
tegration.130 Durch die angestrebte militärische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten soll zunächst das notwendige Vertrauen zwischen diesen geschaffen werden, um enger zu kooperieren, aber auch um durch verstärkte militärische, politische und wirtschaftliche Abhängigkeiten mehr Sicherheit zu gewährleisten und die Anwendung zwischenstaatlicher Gewalt im Rahmen des Systems kollektiver Sicherheit zu unterbinden.131 Einer zügigen Kooperation oder gar Integration in diesen hochpolitischen Feldern stehen jedoch nationalstaatliche Interessen und Vorbehalte der Mitglieder entgegen, die ebenso bei anderen Integrationsgemeinschaften zu finden sind:132 Sicherheits- und Verteidigungspolitik berührt die nationale Souveränität, die Existenz und territoriale Integrität und damit lebenswichtige Interessen eines Staates. Daher sind auch die AU-Staaten zunächst einmal geneigt, sich ein großes Maß an Unabhängigkeit und Flexibilität zu erhalten. Zudem besteht für die Mitgliedstaaten das aufgrund der bisher kaum vorhandenen Mechanismen, Kapazitäten und Ressourcen tatsächliche Risiko, dass die AU die lebenswichtigen Interessen der Mitgliedstaaten, also die Sicherung gegen externe Angriffe und die Beilegung interner Konflikte nicht genau-
130
Vgl. Study on an African Union Government towards the United States of Africa vom 30. Juni 2006; Accra Declaration, Assembly of the African Union, 9th Ordinary Session vom 1. – 3. Juli 2007; Decision on the Report of the 9th Extraordinary Session of the Executive Council on the Proposals for the Union Government, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.156 (VIII), Assembly of the African Union, 8th Ordinary Session vom 29. – 30. Januar 2007; Decision on the Report of the Executive Council on the Audit of the Union and the Report of the Ministerial Committee on the Union Government, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.185 (X), Assembly of the African Union, 10th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2008. S. bereits § 3 Decision on the Report of the Committee of Seven Heads of State and Government chaired by the President of the Republic of Uganda on the Proposals of the Great Socialist Peoples Libyan Arab Jamahiriya, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.90 (V), Assembly of the African Union, 5th Ordinary Session vom 4. – 5. Juli 2005. In Planung ist auch, die Kommission in eine African Union Authority umzuwandeln; vgl. Decision on the special Session of the Assembly on the Union Government, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec. 233 (XII), Assembly of the African Union, 12th Ordinary Session vom 1. – 3. Februar 2009. Zum Ganzen Sturman, ISS-Paper 146 (2007), S. 1 ff. 131 N’Guesso, African Geopolitics Special Edition, Juni 2005, S. 27, 43; Dokken, African Security Politics Redefined, 2008, S. 79 ff. 132
Zu Integrationshemmnissen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik vgl. von Kielmansegg, Die Verteidigungspolitik der Europäischen Union, 2005, 43 ff. m.w.N. S.a. Hammerstad, RevIntSt 31 (2005), S. 69, 87.
216
4. Kapitel
so effektiv und zuverlässig wahrnehmen kann, wie die Mitgliedstaaten selbst dies zu können glauben. Damit bleibt aber eine sicherheits- und verteidigungspolitische Integration für diese recht unattraktiv. Und auch der noch immer anhaltende Staatenzentrismus hindert die Mitgliedstaaten daran, sich stärker auf die Ziele der afrikanischen Einheit und Solidarität, wie sie in Art. 3 lit. a) und c) KA-AU verankert sind, zu konzentrieren.133 Integrationshemmend wirkt sich außerdem die bisher nicht ausreichend enge und koordinierte Verzahnung der AU mit den RECs und diesen untereinander aus. Da die RECs Grundbausteine der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur sind, schlagen sich Unzulänglichkeiten auf dieser Ebene, wie z.B. Doppelmitgliedschaften, divergierende Sicherheitsinteressen und damit einhergehend eine Vielzahl unterschiedlichster und schwer zu harmonisierender Programme, die schlechte finanzielle und personelle Ausstattung der Organe, und der schwache Institutionalisierungsgrad direkt auf die Funktionsfähigkeit der kontinentalen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur durch.134 Für eine zügige Integration im Rahmen der Afrikanischen Union spricht indes, dass die einzelnen Mitgliedstaaten de facto kaum in der Lage sind, innere und äußere Sicherheit zu garantieren, gemeinsam jedoch wichtige Herausforderungen wie regionale Konflikte oder den internationalen Terrorismus konzertiert und ressourcenschonend angehen können. Hier kann eine auf einem umfassenden Sicherheitsverständnis beruhende wirtschaftliche, politische und militärische Kooperation einzelner Mitglieder zu einer Verbesserung der staatlichen und regionalen Sicherheitslage führen.135 Insoweit ist es ein Ziel der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik durch verstärkte Kooperation mehr Sicherheit für die Staaten und den Kontinent zu gewährleisten.136 In Kombination mit Programmen wie NEPAD, CSSDCA und CADSP kann durch eine verstärkte wirtschafts-, entwicklungs- und sicherheitspolitische Kooperation der Mitgliedstaaten dem umfassenden Sicher-
133
Olivier/Olivier, SAPR/PL 19 (2004), S. 351, 357 f., 363.
134
In diese Richtung auch von Soest, Giga-Fokus 4/2008, S. 1 ff. mit Blick auf die Wirtschaftsintegration. Vgl. auch Vogt, Die regionale Integration des südlichen Afrikas, 2007, S. 337 ff. zur integrationshemmenden Wirkung überschneidender Mitgliedschaften im südlichen Afrika und insb. in der SADC. S.a. Franke, Cooperation and Conflict 43/3 (2008), S. 313, 334. 135
Hammerstad, RevIntSt 31 (2005), S. 69, 87.
136
Konaré, African Geopolitics Special Edition, Juni 2005, S. 15 ff.
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
217
heitsverständnis der Afrikanischen Union besser Rechnung getragen werden. Die wirtschaftliche Integration durch AEC, NEPAD und innerhalb der RECs ist dabei als fester Bestandteil der Steigerung von Sicherheit durch Integration zu denken.137 Die umfängliche sicherheits- und verteidigungspolitische Integration der afrikanischen Staaten kann nach dem Gesagten nicht als bisher erreichter Zustand angesehen werden. Es besteht jedoch ein deutlich höherer Grad der Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten in diesem Bereich als noch bei der OAE. Der AU kommen zudem deutlich mehr Kompetenzen und Durchsetzungsmöglichkeiten zu. Wie auch andere Internationale Organisationen ist die Afrikanische Union bei ihren Integrationsbestrebungen vom politischen Willen der einzelnen Mitgliedstaaten abhängig. So bemüht hier vor allem die Kommission und der Friedens- und Sicherheitsrat sind, die sicherheitspolitische (und auch sonstige) Kooperation und Integration zu beschleunigen, als „Motoren der Integration“ können sie bisher nicht fungieren. Sicherheits- und verteidigungspolitische Integration ist und bleibt damit ein langfristiges Ziel der Afrikanischen Union.
VI. Zwischenergebnis Die Schaffung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik für den afrikanischen Kontinent nach Art. 4 lit. d) KA-AU ist seit 2002 in ersten Programmen offensiv angegangen worden. Dessen ungeachtet ist zu konstatieren, dass sich die bisher untersuchten Programme einschließlich CSSDCA und NEPAD in ihren Zielsetzungen überschneiden und bisher auch nicht ausreichend umgesetzt sind, um für die Staaten und Bevölkerungen spürbare Wirkungen entfalten zu können. Problematisch ist dabei nicht nur die Proliferation parallel laufender Programme und ihr unklarer wechselseitiger Bezug. Vor allem ihr schwacher Durchsetzungsgrad ermöglicht es den Regierungen, den status quo entgegen aller Bekenntnisse zu mehr Kooperation, Sicherheit, Stabilität, Demokratie und Menschenrechten zu ihren Gunsten zu erhalten. Letztlich wird erst die Staatenpraxis zeigen, inwieweit insbesondere die CSSDCA, NEPAD und CADSP geeignet sind, zu Verbesserungen beim Schutz und der Förderung der Menschenrechte, guter Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit beizutragen. Alle Programme bestätigen allerdings, 137
N’Guesso, African Geopolitics Special Edition, Juni 2005, S. 27, 35.
218
4. Kapitel
in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen der Afrikanischen Union speziell in den letztgenannten Bereichen, die Neuausrichtung der Organisation hin auf die Gewährleistung menschlicher Sicherheit und die damit einhergehende Verbindung von Menschenrechten, Demokratie, Entwicklung, Frieden und Sicherheit. Hauptadressat der Aktivitäten der Afrikanischen Union sind damit nicht mehr nur die Staats- und Regierungschefs, sondern die Bevölkerungen der afrikanischen Staaten, deren Lebenssituation verbessert und durch die gemeinsame Verteidigungspolitik und den Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt vor inneren, einschließlich innerstaatlichen und äußeren Bedrohungen geschützt werden soll. Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik bildet zudem eine wichtige Voraussetzung für eine stärkere Kooperation in allen anderen, weniger offensiv angegangenen Politikbereichen und für die langfristige regionale und kontinentale Integration. Im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur können inner- und zwischenstaatliche Spannungen durch die hierfür vorgesehenen und in der Praxis äußert aktiven Organe weitestgehend friedlich abgebaut und so das notwendige Grundvertrauen für die regionale und kontinentale Zusammenarbeit und langfristige Integration der Mitgliedstaaten geschaffen werden.
5. Kapitel: Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union Bi- und multilaterale Verträge, die einzelnen Staaten weitreichende Interventionsrechte übertragen, gab es bereits vor Gründung der Vereinten Nationen, so z.B. das Traité d’amitié protectrice zwischen Frankreich und dem Fürstentum Monaco vom 17. Juli 1918,1 das Treaty of Friendship zwischen Persien und der UdSSR vom 26. Februar 1921,2 aber auch danach, wie das Treaty of Guarantee zwischen Zypern, Griechenland, Türkei und Großbritannien vom 16. August 1960 zeigt.3 Nach Ende der Dekolonisierung wurden zahlreiche, später novellierte Verteidigungs- und militärisch-technische Unterstützungsabkommen zwischen Frankreich und afrikanischen Staaten geschlossen, beispielsweise mit Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Côte d’Ivoire, die Frankreich lange Zeit erlaubten (aber nicht verpflichteten), bei inneren Unruhen zu intervenieren, falls die Regierung des jeweiligen Landes um Hilfe rief.4 Die Übertragung von Interventionsrechten auf Regionalorganisationen ist hingegen ein relativ neues und kaum untersuchtes völkerrechtliches Phänomen. Vertragliche Interventionsrechte finden sich – wenn auch nur in sekundären Bestimmungen – bei einigen afrikanischen Wirt-
1
de Martens, Nouveau Recueil Générale des Traités, Troisième Série, 11 (1922/23), S. 313. 2 Societé des Nations, Recueil des Traités et des Engagements Internationaux enregistrés par le Secrétariat de la Societé des Nations, Vol. 9, No. 268, S. 383. 3 U.N.T.S. Vol. 382 (1960), S. 3. Dazu Brownlie, International Law and the Use of Force, 1963, S. 318; Doswald-Beck, BYIL 56 (1985), S. 189, 246 f.; Ronzitti, Rescuing Nationals Abroad, 1985, S. 115 ff.; ders., in: Cassese (Hrsg.), The Current Legal Regulation of the Use of Force, 1986, S. 147, 157 f.; Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988, S. 342 ff.; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 613 ff. 4 Gute Übersicht bei Chipman, French Power in Africa, 1989, S. 116 ff. S.a. Clapham, Africa and the international system, 1996, S. 96; Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 298 ff.; Hough, in: Du Plessis/Hough (Hrsg.), Managing African Conflicts, 2000, S. 167, 170 ff.
D. Barthel, Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 224, DOI 10.1007/978-3-642-20034-2_6, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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5. Kapitel
schaftsorganisationen. So hat der neue ECOWAS-Sicherheitsrat weitreichende Befugnisse, militärische Missionen in Form von Überwachungsmissionen, Peacekeeping und Peace Enforcement, aber auch Missionen zur Durchsetzung von Sanktionen oder zur Wahrnehmung von Polizeiaufgaben zu autorisieren.5 Und der SADC-Sicherheitsrat soll die Menschen und die Entwicklung der Region vor Instabilität schützen, die sich aus dem Zusammenbruch von Recht und Ordnung sowie inner- und zwischenstaatlichen Konflikten ergeben und diese Konflikte durch friedliche Mittel und militärische Maßnahmen lösen.6 Die KA-AU ist indessen der erste Gründungsvertrag einer Internationalen Organisation, der das Recht auf Intervention aus humanitären Gründen ausdrücklich als Grundprinzip verankert hat.7 Die Afrikanische Union hat nach Art. 4 lit. h) KA-AU: „the right […] to intervene in a Member State pursuant to a decision of the Assembly in respect of grave circumstances, namely: war crimes, genocide and crimes against humanity as well as a serious threat to legitimate order to restore peace and stability to the Member State of the Union upon the recommendation of the Peace and Security Council.“8 Und nach Art. 4 lit. j) KA-AU können Mitgliedstaaten eine Intervention durch die AU anfordern, damit Frieden und Sicherheit in einem Mitgliedstaat wiederhergestellt werden. Die Interventionsregelungen veranschaulichen den Trend der OAE zur AU weg von der einst stark behüteten Souveränität der Mitgliedstaaten hin zum Schutz der Menschenrechte besonders deutlich. Sie bilden – im Zusammenspiel mit den bereits erörterten institutionellen Neuerungen des Friedens- und Sicherheitsrates und der afrikanischen Bereitschafts5
Art. 10 und 22 ProtokollMCPMRPS.
6
Art. 9 Abs. 1 lit. b) SADC-Treaty i.d.F. vom 14. August 2001; Art. 2 Abs. 2 lit. a), e) und f), Art. 11 Abs. 2 und 3 SADC-Protocol on Politics, Defence and Security Co-operation. Hierzu Levitt, WisIntLJ 24/3 (2006), S. 785, 818 ff. 7 Ebenso Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 40; Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 276; Kioko, IRRC 85 (2003), S. 807 f.; Meyns, in: Engel et al. (Hrsg.), FS Tetzlaff, 2005, S. 112, 116; Powell, The African Union’s Emerging Peace and Security Regime, 2005, S. 1, 14; Schmidt, APuZ 4 (2005), S. 25 f.; El Ouazghari, HSFK-Report 14 (2007), S. 1, 11. 8
I.d.F. der Vertragsänderung durch Protocol on Amendments to the Constitutive Act of the African Union, Assembly of the Union, 1st Extraordinary Session vom 3. Februar 2003.
Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union
221
armee sowie der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – einen ganz wesentlichen Grundpfeiler der neuen afrikanischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur.9 Das Recht auf Intervention nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU lässt sich jedoch nicht so ohne weiteres mit den anderen Grundprinzipien der Afrikanischen Union vereinbaren, die in Kapitel 3 herausgearbeitet wurden. Spannungen bestehen insbesondere zwischen der uneingeschränkten Anerkennung der Staatensouveränität, dem Nichteinmischungsprinzip und dem Gewaltverbot als wichtige Grundsätze der AU einerseits und dem weiten Sicherheitsverständnis der Organisation, dem Selbstbestimmungsrecht der Völker sowie dem Schutz fundamentaler Menschenrechte andererseits.10 Vertragliche Interventionsregelungen sehen sich denn auch grundsätzlichen Bedenken ausgesetzt. Diese bestehen vor allem hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit zwingendem Völkerrecht, also mit Normen, von denen nach Art. 53 S. 2 WVK11 die internationale Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit annimmt, dass von ihnen nicht abgewichen werden darf und die dementsprechend auch vertraglich nicht abbedungen werden können.12 Der Grund für 9 Magliveras/Naldi, ICLQ 51 (2002), S. 415, 418; El Ouazghari, HSFKReport 14 (2007), S. 10 f.; Williams, African Affairs 106/423 (2007), S. 253, 266 ff. 10
Cilliers/Sturman, African Security Review 11/3 (2002), S. 29 f.; Mangu, SAYIL 29 (2004), S. 136, 142; ders., NQHR 23/3 (2005), S. 379, 386; Powell/ Tieku, International Journal 2005, S. 937, 946. Für Allain, MPYUNL 8 (2004), S. 237, 238 ist das Interventionsrecht in Art. 4 lit. h) KA-AU und das dazugehörige Verfahren in ProtokollPSC der „first true blow to the constitutional framework of the international system established in 1945 predicated on the ultimative control of the use of force by the Untited Nations Security Council.“ 11 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, BGBl. 1985 II, 927. 12 Zu den Normen zwingenden Völkerrechts werden das Gewaltverbot, das Völkermordverbot, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das Folterverbot, das Verbot von Sklaverei, das Verbot rassischer Diskriminierung und Apartheid und der Schutz der Zivilbevölkerung nach humanitärem Völkerrecht gezählt. Ausführlich zum zwingenden Völkerrecht Rozakis, The Concept of Jus Cogens in the Law of Treaties, 1976; Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992; ders., in: Tomuschat/Thouvenin (Hrsg.), The Fundamental Rules of the International Legal Order, 2006, S. 21 ff.; Frowein, Jus Cogens, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. III, 1997, S. 65 ff.; Orakhelashvili, Peremptory Norms in International Law, 2006; Villiger, Commentary on the Vienna Convention on the Law of
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5. Kapitel
diese Einschränkung der Vertragsfreiheit der Staaten ist, dass die Verpflichtungen, die sich aus zwingendem Völkerrecht ergeben, aufgrund ihres Charakters als gemeinsames Interesse der internationalen Staatengemeinschaft eingehalten werden müssen und nicht etwa im Interesse der Vertragsparteien auf Grundlage von Reziprozität.13 Verstießen die vertraglichen Interventionsrechte der KA-AU gegen zwingendes Völkerrecht, würde dies ganz gravierende Folgen zeitigen: Entweder wäre, folgt man dem strikten Wortlaut von Art. 44 Abs. 5 i.V.m. Art. 53 S. 1 WVK, die gesamte KA-AU oder, lässt man eine Teilung des Vertrages in nichtige und zulässige Vertragsbestimmungen zu,14 zumindest Art. 4 lit. h) KA-AU und möglicherweise auch Art. 4 lit. j) KA-AU ab initio nichtig.15 Eine Heilung durch ausdrückliche Annahmeerklärung oder stillschweigende Duldung nach Art. 45 lit. a) und b) WVK wäre bei Verletzung von zwingendem Völkerrecht nicht möglich, da ein Verstoß gegen Art. 53 WVK nicht zu den heilbaren
Treaties, 2009, Art. 53, S. 665 ff. S.a. die Normen in IGH, Barcelona Traction, I.C.J. Reports 1970, S. 4 para 33 f.; IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 190 und IGH, Democratic Republic of the Congo v. Rwanda, Entscheidung vom 3. Februar 2006, S. 6 para. 64, in der der IGH die Völkermordkonvention ausdrücklich zu den zwingenden Normen zählt. 13 Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988, S. 4 f.; Kadelbach, in: Tomuschat/Thouvenin (Hrsg.), The Fundamental Rules of the International Legal Order, 2006, S. 21, 34 f.; Orakhelashvili, Peremptory Norms in International Law, 2006, S. 67. S.a. Kadelbach/Kleinlein, GYIL 50 (2007), S. 303, 315. 14
Scheuner, ZaöRV 27 (1967), S. 520, 527 ff.; ders. ZaöRV 29 (1969), S. 28, 36 ff.; Rozakis, The Concept of Jus Cogens in the Law of Treaties, 1976, S. 122 ff.; Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988, S. 299 f.; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 326 f.; Cassese, International Law, 2. Aufl. 2005, S. 206; Orakhelashvili, Peremptory Norms in International Law, 2006, S. 147 ff.; ILC, Fragmentation of International Law, 58th Session, UN.Dok.Nr. A/CN.4/L.682 vom 13. April 2006, para. 365 Fn. 506, para. 367. 15
Hierzu Rozakis, The Concept of Jus Cogens in the Law of Treaties, 1976, S. 97 ff.; Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988, S. 293 ff.; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 324 f.; Dahm et al., Völkerrecht, Bd. I/3, 2. Aufl. 2002, S. 713; Orakhelashvili, Peremptory Norms in International Law, 2006, S. 133 ff. S.a. ILC, Fragmentation of International Law, 58th Session, UN.Dok.Nr. A/CN.4/L.682 vom 13. April 2006, para. 365 ff.
Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union
223
Mängeln des Art. 45 WVK zählt.16 Die Erfüllung dieser Bestimmung wäre folglich durch die Mitgliedstaaten nicht geschuldet und auch Sekundärpflichten auf Schadensersatz wegen Vertragsbruches entstünden nicht.17 Zudem müssten die Mitgliedstaaten nach Art. 71 Abs. 1 WVK soweit wie möglich die Wirkungen ihrer Handlungen, die sie auf Grundlage der nichtigen Bestimmung vorgenommen haben, beseitigen und ihre gegenseitigen Beziehungen in Einklang mit zwingendem Völkerrecht bringen.18 Vor diesem Hintergrund wird sich in diesem Kapitel der grundlegenden Frage zugewandt, inwieweit die Interventionsregelungen der Afrikanischen Union mit geltendem Völkerrecht zu vereinbaren sind. Bislang wurde diese Problematik in der Völkerrechtswissenschaft nur in Ansätzen behandelt.19 Weder sind die generellen Zulässigkeitsvoraussetzungen vertraglicher Interventionsregelungen hinreichend geklärt, noch sind die Interventionsalternativen der KA-AU bisher ausgelegt und eingehend auf ihre Völkerrechtskonformität hin untersucht worden. Ausgehend vom aktuellen Diskussionstand in der Völkerrechtswissenschaft werden daher zunächst die Voraussetzungen herausgearbeitet, nach denen militärische Interventionen überhaupt vertraglich festgelegt werden dürfen (I.). Anschließend sollen die verschiedenen Interventionsalternativen des Art. 4 lit. h) und j) KA-AU definiert und konkretisiert sowie an den herausgearbeiteten Voraussetzungen gemessen werden (II.).
16 Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988, S. 293; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 237; Orakhelashvili, Peremptory Norms in International Law, 2006, 146 f.; Villiger, Commentary on the Vienna Convention on the Law of Treaties, 2009, Art. 53, S. 675. Differenzierend Rozakis, The Concept of Jus Cogens in the Law of Treaties, 1976, S. 128 f., der sich dafür ausspricht, das zwar nicht die Vertragsparteien, jedoch die internationale Staatengemeinschaft den Vertrag durch Weiteranwendung heilen könnte. 17
Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 324 f.
18
Dazu auch Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 11 Rn. 16; Orakhelashvili, Peremptory Norms in International Law, 2006, S. 139 f.; Villiger, Commentary on the Vienna Convention on the Law of Treaties, 2009, Art. 71, S. 880 f. 19
Z.B. Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 15 ff.; Magliveras/Naldi, ICLQ 51 (2002), S. 415, 418 f.; Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 276 f.; Kindiki, AHRLJ 3 (2003), S. 97, 105 ff.
224
5. Kapitel
I. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen vertraglicher Interventionsregelungen 1. Diskussionsstand in der Literatur Die Übertragung von Interventionsrechten auf einen anderen Staat oder eine Internationale Organisation wird in der Völkerrechtswissenschaft kontrovers diskutiert, wobei teils wenig von ähnlichen Problemkreisen wie der Intervention auf Einladung differenziert wird. Grundsätzlich geht das Völkerrecht von der Annahme aus, dass Staaten das Recht haben, Verträge auszuhandeln und zu schließen, mit der Folge, dass Verpflichtungen gegenüber anderen Vertragsstaaten oder gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft entstehen. Nach erfolgter Ratifikation binden die Verträge auch nachfolgende Regierungen des Vertragsstaates.20 Eine Reihe von Autoren argumentiert vor diesem Hintergrund, dass Staaten sich ihrer Souveränität durch die Integration in oder durch Übertragung von Kompetenzen auf eine andere souveräne Entität (teilweise) begeben dürfen. Die Staaten oder deren Bevölkerungen hätten nach einer Übertragung von Kompetenzen nicht mehr ohne weiteres das Recht, einseitig die so abgegebenen Souveränitätsteile zurückzufordern. Wenn Staaten jedoch ihre Souveränität ganz durch Integration in eine andere souveräne Entität verlieren können, so müsse es möglich sein, dass sie ihre Souveränität auch nur teilweise auf eine andere Entität übertragen, z.B. indem sie dieser das Recht einräumen, zu bestimmen, wann fremde Truppen das Territorium des übertragenden Staates betreten dürfen. Es wäre nicht einsichtig, Staaten diese weniger starke Form der Souveränitätsrücknahme zu verwehren.21 Nach Frowein besteht für Staaten grundsätzlich die Möglichkeit, in Verträgen Interventionsrechte auf Regionalorganisationen zu übertragen. Diese Interventionen seien auch nicht als Zwangsmaßnahmen i.S.v. Art. 53 Abs. 1 UN-Charta zu werten, da sie sich aufgrund der frei ausgehandel20 Vgl. Art. 6, 16, 26 und 42 WVK. S.a. Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 610; Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 17; Wolfrum, in: Reinisch/Kriebaum (Hrsg.), FS Neuhold, 2007, S. 471, 473. 21 So vor allem Farer, HumRQ 10/2 (1988), S. 157, 168; ders., in: Damrosch (Hrsg.), Enforcing Restraint, 1993, S. 316, 331 f. S.a. Thomas/Thomas, NonIntervention, 1956, S. 91 f.; Verosta, in: Miehsler et al. (Hrsg.), FS Verdross, 1980, S. 689 f., 697 ff.; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 610, 617 f.; Roth, Governmental Illegitimacy in International Law, 2000, S. 188 f.; Abass, Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 202.
Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union
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ten Verträge nicht gegen den freien Willen des betroffenen Staates richten und keine Verletzung des Gewaltverbots darstellen würden.22 In der Völkerrechtsliteratur wird ferner die französische Praxis, mit einer Reihe afrikanischer Staaten Interventionsvereinbarungen in vertraglicher Form zu vereinbaren, die z.B. dann greifen, wenn es in dem betreffenden Staat zu Unruhen gekommen ist, als völkerrechtlich zulässig angesehen, sofern diese Vereinbarungen frei und ohne Zwang ausgehandelt worden sind.23 Restriktiver als die vorgenannte Ansicht hält Kadelbach den Einsatz militärischer Gewalt auf fremden Staatsterritorium dann für zulässig, wenn der betroffene Staat hierzu eingewilligt hat, diese Einwilligung nach dem internen Recht des einladenden Staates rechtlich beachtlich ist und sich der Intervenient an die Bedingungen des einladenden Staates hält. Da jedoch eine Regierung dem Intervenienten keine Hoheitsbefugnisse einräumen dürfe, die den Kernbereich staatlicher Souveränität und damit auch das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung verletzen, seien vertragliche Interventionsrechtsübertragungen dann verboten, wenn sie dem Intervenienten freies Ermessen einräumen, wann und zu welchem Zweck er Truppen entsendet.24 Ähnlich beurteilt Hannikainen Verträge, die die Gefahr einer „dictatorial intervention“ bergen, also Staaten ermöglichen, ohne aktuelle Einwilligung militärisch zu intervenieren, um in die innerstaatliche politische Willensbildung des betroffenen Staates einzugreifen. Ein solcher Vertrag sei völkerrechtlich wegen Verstoßes gegen das Gewaltverbot unzulässig. Im Gegensatz dazu stünden vertragliche Interventionsregelungen aus humanitären Gründen oder zu Verteidigungszwecken, die seines Erachtens auch ohne erneute aktuelle Einwilligung völkerrechtlich zulässig seien und nicht gegen das Gewaltverbot verstößen.25 Dinstein zufolge wären Verträge – obwohl im Konsens der Vertragsparteien geschlossen – die die Vertrags22
Frowein, in: Delbrück (Hrsg.), The Future of International Law Enforcement, 1992, S. 111, 120 f.; ders., in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 67 f. mit Hinweis auf IGH, Certain Expenses of the United Nations, I.C.J. Reports 1962, S. 151, 164 f. 23
Vgl. Frowein, in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 68; Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 297 ff., 349 ff.; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 75. 24 25
Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 236 ff.
Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988, S. 346 ff.
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staaten vom Gewaltverbot ausnehmen und als Konfliktlösungsmöglichkeit auch Krieg vorsehen, wegen Verstoßes gegen zwingendes Völkerrecht ab initio nichtig, weil jeder Staat und die Staatengemeinschaft ein durch die UN-Charta rechtlich geschütztes Interesse daran habe, dass kein Krieg ausbreche und auch ein vermeintlich nur die Vertragsparteien betreffender Krieg die gesamte internationale Gemeinschaft destabilisieren könne.26 Nichtsdestoweniger stehe einem Staat aber das Recht zu, entweder auf ad hoc-Basis oder für die Zukunft, aufgrund eines Vertrages zwischen zwei oder mehr Staaten seine Einwilligung in eine militärische Intervention durch die Vertragsparteien auf seinem Territorium zu erklären. Die vertragliche Einwilligung betreffe jedoch nur die Vertragsparteien, so dass eine Intervention einer Internationalen Organisation in Nichtvertragsparteien unzulässig wäre.27 Doswald-Beck weist ganz grundsätzlich darauf hin, dass es einen entscheidenden Unterschied zwischen der Souveränitätsaufgabe aufgrund eines Zusammenschlusses von Staaten und einem Interventionsvertrag gebe, nämlich, dass ersterem keine Norm des Völkerrechts entgegenstehe, das zweite aber in Konflikt zu Art. 2 Nr. 4 UN-Charta und damit jus cogens stehe.28 Und auch Wippman spricht sich mit Blick auf zwingendes Völkerrecht dafür aus, dass die Vertragsfreiheit von Staaten hinsichtlich der Einschränkung ihrer Souveränität und die Bindungswirkung solcher Verträge nicht grenzenlos sein könne.29 Er relativiert dies jedoch für Interventionsrechte zum Menschenrechtsschutz, da ein solches vertragliches Interventionsrecht eine Einschränkung der Souveränität eines Staates sei, die sich bereits aus anderen Menschenrechtsinstrumenten ergebe. Da die Verletzung eines Vertrages zum Schutze der Menschenrechte keine gewaltsamen Maßnahmen nach sich ziehen dürfen, weil dies keine völkerrechtlich zulässige und auch nicht von den Menschenrechtsinstrumenten vorgesehene Form der Durchsetzung bzw. Wiedergutmachung der Vertragseinhaltung sei, sei ein vertragliches Interventionsrecht nicht entbehrlich.30 Aus diesem Grund dürfe 26
Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 100 f.
27
Ebenda, S. 115 f. S.a. Brownlie, International Law and the Use of Force by States, 1963, S. 321; Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 17. 28
Doswald-Beck, BYIL 56 (1985), S. 189, 245 f.
29
Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 617 f.
30
Ebenda, S. 607, 631, 679. Vgl. auch Ronzitti, Rescuing Nationals Abroad, 1985, S. 6 f.; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 72 f.; Weller, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 277, 321.
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ein Staat auf dem Gebiet eines anderen Staates rechtmäßig Gewalt anwenden, wenn der betroffene Staat den Intervenienten hierzu eingeladen bzw. in die Gewaltanwendung in der konkreten Situation oder vorher vertraglich eingewilligt hat.31 Ein Staat dürfe aber nicht in etwas einwilligen, auch nicht durch Vertrag mit einem anderen Staat, was er selbst nicht vornehmen darf. Deshalb seien z.B. Verträge zur Begehung von Völkermord oder zur Durchsetzung einer Apartheidpolitik nichtig, denn diese verstießen gegen zwingendes Völkerrecht.32
2. Intervention auf Einladung Im Rahmen der Überlegungen über die Zulässigkeit vertraglicher Interventionsregelungen kann die eine ähnliche Ausgangslage in den Blick nehmende Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Intervention auf Einladung fruchtbar gemacht werden, da auch hier der Einwilligung des von der Intervention betroffenen Staates maßgebliche Bedeutung zukommt.33 Bei einer Intervention auf Einladung erteilt ein Staat einem anderen i.d.R. eine ad hoc-Einwilligung aufgrund derer der Intervenient auf dem Staatsterritorium des einladenden Staates (militärisch) eingreift. Die Zulässigkeit einer solchen Intervention ist mit Blick auf die Verletzung zwingenden Völkerrechts und insbesondere des Gewaltverbots und des Selbstbestimmungsrechts der Völker ebenso umstritten, wie bei vertraglichen Interventionsregelungen. Ein Großteil der Völkerrechtswissenschaft spricht sich, jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen dafür aus, dass eine Intervention auf Einladung nicht gegen das Gewaltverbot und das Selbstbestimmungsrecht verstößt, da bei einer solchen Intervention das (militärische) Eingreifen aufgrund der Einwilligung eines souveränen Staates erfolgt.34 Eine In31 Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 620. S.a. Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Vol. I, 9. Aufl. 1992, S. 435. 32
Hargrove, in: Damrosch/Scheffer (Hrsg.), Law and Force in the New International Order, 1991, S. 113, 116 f.; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 622; ders., DuJCIL, Vol. 7 (1996), S. 209, 215; Harrell, YJIL 33 (2008), S. 417, 431. 33
Zur Intervention auf Einladung ausführlich Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999. 34 Vgl. nur Doswald-Beck, BYIL 56 (1985), S. 189; Farer, HumRQ 10/2 (1988), S. 157, 162; Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in Interna-
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tervention auf Einladung aus humanitären Gründen wird ebenfalls als zulässig angesehen.35 Argumentiert wird dabei ähnlich wie bei vertraglichen Interventionsregeln, dass der einwilligende Staat aufgrund seiner Souveränität das Recht habe, eine Einladung zum militärischen Eingreifen auszusprechen, und diese Einwilligung dann dem Intervenienten das Interventionsrecht verleihe. Da eine solche Einmischung nicht gegen den Willen des einwilligenden Staates oder aufgrund von Zwang gegen diesen erfolge, könne auch nicht von einer „Intervention“ gesprochen werden, denn die Einwilligung schließe Zwang gerade aus.36 Es bestehe jedenfalls kein generelles Verbot für Staaten, fremde militärische Hilfe auf ihrem Hoheitsgebiet anzunehmen. Das Prinzip der Souveränität der Staaten enthalte nicht nur das Recht, frei von Interventionen zu bleiben, sondern auch das Recht auf gewisse Souveränitätsrechte zu verzichten und in eine Intervention einzuwilligen.37 Zudem sei es nicht einleuchtend, von verbotener militärischer Gewalt eines Staates gegen einen anderen Staat zu sprechen, wenn letzterer um militärisches Vorgehen gegen Dritte auf seinem Territorium bittet.38 Gegen eine Einladungsbefugnis einer Regierung wird vorgebracht, dass eine Intervention erheblich in die innerstaatliche Ordnung des Staates eingreife und z.B. im Falle eines Bürgerkrieges die militärische Stärke zugunsten der Regierungspartei steigere. Aus Sicht der unterliegenden Partei läge hier durch den Intervenienten ein Verstoß gegen den Schutzzweck des Gewaltverbots und des Selbstbestimmungsrechts der Völker tional Law, 1988, S. 341 f.; Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Vol. I, 9. Aufl. 1992, S. 435; Nolte, ZaöRV 53 (1993), S. 603, 622; ders., Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 208 ff., 573, 579; Wouters et al., NYIL 34 (2003), S. 139, 170; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 16; Harrell, YJIL 33 (2008), S. 417, 427 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 807 mit Verweis auf IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 246. Zur Staatenpraxis Ronzitti, Rescuing Nationals Abroad, 1985, S. 78 ff.; Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 261 ff.; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 71 ff. 35
Ronzitti, Rescuing Nationals Abroad, 1985, S. 113.
36
Vgl. Lauterpacht, Oppenheim’s International Law, Vol. I, 8. Aufl. 1955, S. 305; Thomas/Thomas, Non-Intervention, 1956, S. 91; Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 19. Ebenso Wippman, DuJCIL 7 (1996), S. 209 f. 37 38
Roth, Governmental Illegitimacy in International Law, 2000, S. 186 ff.
Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 574; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 656 f. Rn. 23.
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vor.39 Auch sei fraglich, ob eine einladende Regierung, die sich internem bewaffneten Widerstand ausgesetzt sieht, überhaupt noch effektive Herrschaftsgewalt ausübe und damit das Einladungsrecht besitze, vor allem dann, wenn sie nur durch eine Intervention von außen an der Macht bleiben kann. Zudem sei die Missbrauchsgefahr von „vorgetäuschten“ Interventionen zur Machterhaltung extrem groß.40 Uneinheitlich beurteilt wird darüber hinaus, zu welchem Zweck eine Intervention auf Einladung erfolgen darf. Als gesichert gilt, dass – schon im Hinblick auf die mögliche Verletzung zwingenden Völkerrechts – nicht jeder Eingriff zu jedem Zweck gerechtfertigt ist. In der Staatenpraxis werden Interventionen beispielsweise dann als zulässig angesehen, wenn es um die Bekämpfung von gewaltsamen Sezessionsbestrebungen oder Militärputschen geht, weil die Intervention gegen Konfliktparteien gerichtet ist, die entweder nicht die Macht im Gesamtstaat anstreben (Sezessionskonflikt) oder objektiv keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben können (Militärputsch). Ein Eingreifen in einem solchen Fall ist mit dem Gewaltverbot vereinbar.41 Anders wird die direkte militärische Hilfe eines Drittstaates für Aufständische beurteilt. Sie verstößt gegen das Interventions- und Gewaltverbot.42 Gleiches gilt für Interventionen auf Seiten einer Bürgerkriegspartei, da hier die Legitimationswirkung der Einladung der (umkämpften) Regierung zumindest zweifelhaft ist.43
39 Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 71 f. 40 Farer, HumRQ 10/2 (1988), S. 157, 162 f.; Wippman, DuJCIL 7 (1996), S. 209, 214; Roth, Governmental Illegitimacy in International Law, 2000, S. 185. 41 Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Vol. I, 9. Aufl. 1992, S. 437 f.; Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 563 f.; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 112 f. 42
Vgl. IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 206 ff., 246. S.a. Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 70; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 66 f., 87 ff. Differenzierend Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UNCharta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 (4) Rn. 30. 43 Thomas/Thomas, Non-Intervention, 1956, S. 94; Brownlie, International Law and the Use of Force by States, 1963, S. 317; Farer, HumRQ 10/2 (1988), S. 157, 162 f.; Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Vol. I, 9. Aufl. 1992, S. 437; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 68 ff.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 656 f. Rn. 23.
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3. Stellungnahme Die verschiedenen Auffassungen auf ihren wesentlichen Kern reduziert kann konstatiert werden, dass Staaten aufgrund ihrer Souveränität über eine Vielzahl von Materien völkerrechtliche Verträge abschließen und Kompetenzen auf Internationale Organisationen übertragen dürfen, die sie in ihrer Souveränität beschneiden. Aus der Staatensouveränität folgt auch, dass sie grundsätzlich in militärische Interventionen in ihr Staatsterritorium einwilligen können, wobei in der Literatur soweit ersichtlich kein Unterschied dahingehend gemacht wird, ob die Intervention von einem anderen Staat oder einer Internationalen Organisation durchgeführt wird. So oder so wird eine Intervention völkerrechtlich nur unter der Voraussetzung als zulässig angesehen, dass erstens kein zwingendes Völkerrecht i.S.v. Art. 53 WVK und hier vor allem das Gewaltverbot und das Selbstbestimmungsrecht der Völker verletzt wird und zweitens eine wirksame vertragliche oder ad hoc-Einwilligung desjenigen Staates vorliegt, in den interveniert werden soll. Umfang und Reichweite zwingenden Völkerrechts werden jedoch unterschiedlich beurteilt. Würde etwa das Gewaltverbot in seiner Gesamtheit zwingendes Völkerrecht darstellen, was oft zu lesen ist, wären die Interventionsregelungen ohne weiteres nach Art. 53 S. 1 WVK nichtig, da eine militärische Intervention nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU unschwer vom Schutzbereich des Gewaltverbots erfasst wäre. Von der nun folgenden Bestimmung des zwingenden Gehalts des Gewaltverbots und des Selbstbestimmungsrechts hängt damit ganz wesentlich ab, ob die vertraglichen Interventionsregelungen der KA-AU völkerrechtskonform sind. Im Anschluss daran muss mit Blick auf die zweite Rechtmäßigkeitsvoraussetzung herausgearbeitet werden, unter welchen Bedingungen einer Einwilligung überhaupt Wirksamkeit zukommt, vor allem wer die Erklärung abgeben darf, ihr maßgeblicher Zeitpunkt und Umfang, sowie die Bedingungen, unter denen sie wirksam zurückgezogen werden kann. Erst hiernach lassen sich die Voraussetzungen abschließend beurteilen, an denen Art. 4 lit. h) und j) KA-AU im Rahmen der Auslegung gemessen werden müssen.
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4. Die Reichweite des zwingenden Gehalts des Gewaltverbots und des Selbstbestimmungsrechts der Völker a. Gewaltverbot Das Gewaltverbot ist gewohnheitsrechtlich anerkannt und in Art. 2 Nr. 4 UN-Charta verankert. Es stellt nach allgemeiner Meinung zwingendes Völkerrecht dar.44 Die Reichweite des zwingenden Gehalts des Gewaltverbots ist indes bis heute umstritten.45 Einen ersten Ansatzpunkt zu dessen Bestimmung liefert die Rechtsprechung des IGH. Er interpretierte in der Nicaragua-Entscheidung den Inhalt UN-Charta dergestalt, dass dieser nicht unabänderlich festgelegt, sondern dynamisch ist und über die Zeit durch die Staatenpraxis geändert werden kann.46 Demnach besteht die Möglichkeit der Entwicklung des Inhaltes und der Reichweite des, aber auch neuer Ausnahmen vom Gewaltverbot im Wege der dynamischen Auslegung von Art. 2 Nr. 4 UN-Charta auf der Grundlage geänderter Staatenpraxis.47 Mit Verweis auf die Arbeit der ILC urteilt der Gerichtshof: „the law concerning the prohibition of
44
Siehe nur Verdross, AJIL 60 (1966), S. 55, 60; Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988, S. 323 ff.; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 226 ff.; Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Vol. I, 9. Aufl. 1992, S. 428 f.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 27; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 91 ff., 99 ff.; Ronzitti, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 91, 93; Samtleben, in: Rodríguez et al. (Hrsg.), FS Campos, 2005, S. 663, 680; Gazzini, JCSL 11/3 (2006), S. 319 ff. 45
„More authority exists for the category of jus cogens than exists for its particular content“, so Brownlie, Principles of Public International Law, 6. Aufl. 2003, S. 490. S.a. Delbrück, Die Friedens-Warte 74/1-2 (1999), S. 139 ff.; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 29; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 10; Ronzitti, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 91, 93; Schrijver, in: Blokker; ders. (Hrsg.), The Security Council and the Use of Force, 2005, S. 31, 40 f.; Stelter, Gewaltanwendung unter und neben der UN-Charta, 2007, S. 135 ff. 46 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 176. 47 Hilpold, EJIL 12/3 (2001), S. 437, 443; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 7 f.; Gazzini, JCSL 11/3 (2006), S. 319, 321.
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force itself constitutes a conspicuous example of a rule in international law having the character of jus cogens.“48 Und weiter führt er aus: „as regards certain particular aspects of the principle in question, it will be necessary to distinguish the most grave forms of the use of force from the less grave forms.“49 Unterschieden werden demnach unterschiedliche „Schweren“ des Gewaltverbots, wobei aber offen bleibt, welcher spezifische Inhalt des Gewaltverbots zwingend ist. Zudem entschied der IGH in einem obiter dictum, dass eine Intervention auf Ersuchen der Regierung statthaft ist.50 In Bestimmung des zwingenden Gehalts des Gewaltverbots kann auch Art. 3 lit. e) Aggressionsdefinition weiterhelfen. Hiernach wird eine, gleichsam als die „schwerste“ Stufe des Gewaltverbots anzusehende Angriffshandlung insoweit negativ formuliert, als dass Aggression vorliegt, im Falle „[of] the use of armed forces of one State which are within the territory of another State with the agreement of the receiving State, in contravention of the conditions provided for in the agreement or any extension of their presence in such territory beyond the termination of the agreement.“ Daraus kann im Umkehrschluss gefolgert werden, dass militärisches Handeln auf fremdem Hoheitsgebiet mit und im Rahmen einer Zustimmung keine Angriffshandlung darstellt und die Voraussetzungen von „Aggression“ i.S.d. GA-Res. 3314 (XXIX) nicht vorliegen. Aus der obigen Definition kann ferner der Schluss gezogen werden, dass Staaten prinzipiell das Recht haben, der Anwesenheit fremder Truppen auf ihrem Territorium zuzustimmen, diese also auf ihr Hoheitsgebiet einzu-
48 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 190. 49 50
Ebenda, S. 14 para. 191.
Ebenda, S. 14 para. 246 spricht allerdings von „allowable“, so dass er jedenfalls allenfalls die Möglichkeit einer Rechtfertigung der Verletzung des Interventionsverbotes durch eine Einladung der Regierung eröffnet. Explizit geht der IGH auf diese Problematik aber nicht ein; eine abschließende Aussage unter welchen Voraussetzungen eine Intervention auf Einladung zulässig ist, trifft er nicht. Dazu Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 170 f.
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laden.51 Wie der IGH misst ebenfalls Art. 3 e) Aggressionsdefinition einer Einwilligung des betroffenen Staates bei der Klärung, wann verbotene Gewaltanwendung (in seiner schwersten Form) vorliegt, gewichtige Bedeutung zu. In die gleiche Richtung argumentiert auf den ersten Blick die ILC, derzufolge die Einwilligung eines Staates zu einer Intervention eines anderen Staates die normale Anwendung der zwischen diesen Staaten geltenden Regeln außer Kraft setzt. Nach Art. 20 ASR schließt die Einwilligung eines Staates zur Vornahme einer bestimmten Handlung eines anderen Staates die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme in Bezug auf den ersteren Staat aus, soweit die Maßnahme innerhalb des Rahmens der Einwilligung verbleibt. Die Wirkung, die der Einwilligung zukommt, entspricht der Regel volenti non fit injuria, die ein allgemeiner Rechtsgrundsatz und ein fest etabliertes Prinzip des Völkerrechts ist. Hiernach verliert durch die Einwilligung des betroffenen Völkerrechtssubjekts eine an sich rechtswidrige Handlung des verpflichteten Völkerrechtssubjekts ihre Völkerrechtswidrigkeit und löst keine Haftung aus. Allerdings hilft dieser Aspekt einer Einwilligung für die Frage, welche Auswirkung eine Einwilligung für die Bestimmung des zwingenden Gehalts des Gewaltverbotes hat, nicht viel weiter. Nach Art. 26 ASR hat nämlich eine Einwilligung in eine Handlung dann keine unrechtsauschließende Wirkung, wenn die Handlung nicht in Übereinstimmung mit Verpflichtungen vorgenommen wird, die sich aus zwingendem Völkerrecht ergeben. In ihrem Kommentar führt die ILC hierzu aus, dass „[o]ne state cannot dispense another from the obligation to comply with a peremptory norm, e.g. in relation to genocide or torture, whether by treaty or otherwise. But in applying some peremptory norms the consent of a particular state may be relevant. For example, a State may validly consent to a foreign military presence on its territory for a lawful purpose.“ Das Prinzip volenti non fit iniuria findet demnach keine Anwendung, wenn zwingendes Völkerrecht verletzt wird. Die Einwilligung wirkt in diesem Fall nicht rechtfertigend. Es müssen demzufolge zwei unterschiedliche Wirkungen einer Einwilligung unterschieden werden: Zum einen kann diese rechtfertigend wirken, jedenfalls solange zwingendes
51
Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 72. S.a. Doswald-Beck, BYIL 56 (1985), S. 189; Roth, Governmental Illegitimacy in International Law, 2000, S. 186.
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Völkerrecht nicht verletzt wird. Zum anderen kann die Einwilligung aber auch relevant werden, um Inhalt und Reichweite des jus cogensGehalts einer Norm und hier insbesondere des Gewaltverbots zu definieren.52 In der völkerrechtlichen Literatur wird der zwingende Gehalt des Gewaltverbots eher restriktiv bestimmt. Nach Ansicht Wippmans ist vom Gewaltverbot in Art. 2 Nr. 4 UN-Charta nur die Gewalt umfasst, die ohne Einwilligung des betroffenen Staates erfolgt.53 Ebenso verstößt für Ronzitti eine Gewaltanwendung mit Einwilligung des betreffenden Staates, unabhängig davon, ob diese konform mit Art. 2 Nr. 4 UNCharta ist, nicht gegen zwingendes Völkerrecht. Dies gelte jedenfalls für vertragliche Abmachungen, soweit sich eine Intervention an die im Vertrag ausgelegten Kriterien halte. Ihm zufolge „[has] the peremptory rule banning the use of force in international relations […] a narrower definition than the corresponding rule contained in Art. 2 (4) of the U.N.Charta. The international community considers the prohibition to have peremptory character when force is used for particular “odious” ends, such as aggression or the maintenance of colonial domination.“ Der jus cogens-Charakter des Gewaltverbots steht nach dieser Ansicht also nicht in voller Übereinstimmung mit dem Gewaltverbot in Art. 2 Nr. 4 UN-Charta.54 Andere Autoren sprechen sich ebenfalls dafür aus, dass das Gewaltverbot in Art. 2 Nr. 4 UN-Charta nicht so verstanden werden kann, dass es Staaten verbietet, ihr souveränes Recht wahrzunehmen, andere Staaten zu bitten, auf ihrem Territorium Gewalt anzuwenden.55 Zwar könne eine solche Intervention aufgrund der Einwilli-
52
Vgl. ILC, 8th Report on State Responsibility by R. Ago, YBILC I/1979, S. 31 ff.; Verosta, in: Miehsler et al. (Hrsg.), FS Verdross, 1980, S. 689 f.; Ronzitti, in: Cassese (Hrsg.), The Current Legal Regulation of the Use of Force, 1986, S. 147, 148; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 112. 53
Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 622.
54
Ronzitti, in: Cassese (Hrsg.), Rescuing Nationals Abroad, 1985, S. 133; ders., The Current Legal Regulation of the Use of Force, 1986, S. 147, 150, 159 f.; ders., in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 91, 93. Ebenso Abass, Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 200. 55 Schachter, Michigan Law Review 82/5-6 (1984), 1620, 1645; Abass, ICLQ 53 (2004), S. 211, 224.
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gung des betroffenen Staates das Gewaltverbot verletzen, die Verletzung zwingenden Völkerrechts, insbesondere des Aggressionsverbotes folge daraus aber nicht.56 So nimmt auch Ago, früherer Berichterstatter der ILC zur Staatenverantwortlichkeit, in seinem Bericht eine Unterscheidung zwischen verbotener Aggression als zwingendes Völkerrecht und anderen Formen der Gewaltanwendung vor.57 Ebenso kommt Kadelbach zu dem Schluss, dass einzig das Aggressionsverbot zum zwingenden Gehalt des Gewaltverbotes gehört.58 Und in ihrer Kommentierung zu Art. 26 ASR geht die ILC davon aus, dass „[t]hose peremptory norms that are clearly accepted and recognized include the prohibitions of aggression […].“ In der Kommentierung zu Art. 40 ASR stellt die ILC ebenfalls nur auf das Aggressionsverbot ab. Festhalten lässt sich demnach, dass in der Völkerrechtswissenschaft nur dem Aggressionsverbot eindeutig jus cogens-Charakter zugesprochen wird; das Verbot anderer (weniger schwerer) Gewaltanwendungen, welches auch in Art. 2 Nr. 4 UN-Charta enthalten ist, hat hingegen keinen zwingenden Charakter.59 Entscheidender Unterschied zwischen einer verbotenen Aggression und geringeren Formen der Gewaltanwendung ist dabei die wirksame Einwilligung des betroffenen Staates in die Gewaltanwendung, die eine Aggression ausschließt. Geht man demnach davon aus, dass das Gewaltverbot in Art. 2 Nr. 4 UN-Charta zum einen das Aggressionsverbot als zwingendes Völkerrecht umfasst, zum anderen aber auch geringere Formen der Gewaltanwendung, die dieses nicht berühren, so ist letztere Form durch vertragliche oder ad hoc-Einwilligung derogierbar.
56 Abass, Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 202 ff. 57
ILC, State Responsibility, Yearbook of ILC II/1980, S. 26, 44 f.
58
Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 234 ff.; vgl. auch Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988, S. 356; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 15 Rn. 59. 59
Abass, Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 197; Ronzitti, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 91, 94.
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b. Selbstbestimmungsrecht der Völker Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.60 Ausdrücklich auf die Selbstbestimmung der Völker rekurrieren Art. 1 Nr. 2 und Art. 55 UN-Charta. Es ist zudem Gegenstand verschiedener Resolutionen der Generalversammlung, beispielsweise der Declaration on the granting of independence to colonial countries and peoples61 und von Entscheidungen des IGH62. Es ist auch in Art. 20 Abs. 1 Banjul-Charter verankert. Der Inhalt des Selbstbestimmungsrechts wird in der Friendly Relations Declaration beschrieben. Unterschieden werden kann generell zwischen innerem und äußerem Selbstbestimmungsrecht. Ersteres bedeutet, dass ein Staatsvolk frei und ohne Einmischung von außen über seinen politischen Status entscheiden und seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung frei gestalten können soll, daneben auch das Recht eines Volkes seine Eigenarten zu pflegen und zu bewahren.63 Es richtet sich zudem auf die Teilhabe an staatlichen Entscheidungen.64 In seiner äußeren Dimension bezieht sich
60
Vgl. nur IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1971, S. 3 para 52 f.; IGH, Western Sahara, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1975, S. 12 para. 54; Kunig, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Entkolonisierung (15), Rn. 12; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 260; Cassese, Selfdetermination of peoples, 1995, S. 67 ff.; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, Rn. 778. 61 GA-Dekl. 1514 (XV) vom 14.12.1960. Zu dieser ausführlich Partsch, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Selbstbestimmung (101), Rn. 15 f. 62 IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1971, S. 3 para 52; IGH, Western Sahara, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1975, S. 12 para. 54 ff.; IGH, Burkina Faso v. Mali Frontier Dispute, I.C.J. Reports 1986, S. 554 para 25; IGH, East Timor (Portugal v. Australia), I.C.J. Reports 1995, S. 90 para 31. 63 Vgl. 4. Grundsatz Friendly Relations Declaration; vgl. auch Abs. 2 GADekl. 1514 (XV) vom 14.12.1960; Partsch, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Selbstbestimmung (101), Rn. 25 ff.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 30 Rn. 1 ff.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 205 Rn. 117; Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, 1981; Thürer/Burri, Self-Determination, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Dezember 2008, Rn. 17; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 690 f. 64 Klabbers, HumRQ 28 (2006), S. 186, 202 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 691.
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237
das Selbstbestimmungsrecht auf die Veränderung eines mit dem Selbstbestimmungsrecht nicht übereinstimmenden Territorialstatus, z.B. also die Geltendmachung des Rechts auf Entkolonisierung.65 Als unstrittig kann mittlerweile gelten, dass alle Völker Träger des Selbstbestimmungsrechts sind und nicht mehr nur die sich in kolonialer Abhängigkeit befindlichen.66 Das Selbstbestimmungsrecht der Völker zählt zu den Normen des zwingenden Völkerrechts, wobei der genaue Gehalt zwingenden Rechts unterschiedlich weit gefasst wird.67 Vorliegend relevant ist der zwingende Gehalt des Selbstbestimmungsrechts hinsichtlich souveräner Staaten, die Aspekte ihrer Souveränität vertraglich auf andere Staaten oder Internationale Organisationen übertragen wollen. Hierbei ist zu bedenken, dass Staaten bei ihrer Gründung (und danach), die Ausdruck der Selbstbestimmung des in diesem nunmehr verfassten Volkes ist, ihre jeweilige politische, soziale und wirtschaftliche Identität festlegen und diese auch vor Eingriffen von außen schützen dürfen. Umfasst ist vom zwingenden Gehalt insoweit der absolute Kern staatlicher Identität. Eine Souveränitätsübertragung auf andere Staaten oder Internationale Organisationen darf daher nicht so weit gehen, dass diese in freiem Ermessen über innere Angelegenheiten des Staates befinden können, denn der Staat und das dahinterstehende Volk könnte dann nicht mehr frei und ohne Zwang über ihre politische, soziale und wirtschaftliche Iden-
65 Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 27 Rn. 11; § 29 Rn. 1; Thürer/Burri, Self-Determination, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Dezember 2008, Rn. 15. Einschränkend Klabbers, HumRQ 28 (2006), S. 186, 202 ff. 66 Vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 1 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (IPbürgR), BGBl. 1973 II, S. 1534. Eingehend Higgins, in: Dahlitz (Hrsg.), Secession and International Law, 2003, S. 21, S. 26 ff.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 28 Rn. 4 ff.; Thürer/Burri, SelfDetermination, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Dezember 2008, Rn. 33 ff. „Volk“ i.d.S. muss notwendigerweise von „Minderheiten“ und „Autochthone (indigene) Völker“ abgegrenzt werden, da diesen unterschiedliche völkerrechtliche Rechte zugesprochen werden, vgl. Kohen, in: ders. (Hrsg.), Secession, 2006, S. 9. 67 Vgl. nur Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988, S. 357 ff.; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 219 ff., 264 ff.; Cassese, Self-determination of peoples, 1995, S. 133 ff.; Viljoen, International Human Rights Law in Africa, 2007, S. 28 und die Kommentierung zu Art. 26 ASR.
238
5. Kapitel
tität entscheiden.68 Eine Intervention aufgrund einer solchen vertraglichen Basis wäre ausschließlich geprägt von den eigenen Entscheidungen und Zwecksetzungen des Intervenienten und letztlich wäre der Staat mit einer solchen Regelung der Gefahr ausgesetzt, dass er von außen dominiert und jede innerstaatliche (verfassungsrechtliche) Entwicklung unterbunden würde, die dem Intervenienten nicht gefällt.69
5. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Einwilligung Ist der Umfang des zwingenden Gehalts des Gewaltverbots und des Selbstbestimmungsrechts der Völker zumindest abstrakt geklärt, muss nunmehr die zweite Voraussetzung einer rechtmäßigen vertraglichen Interventionsregel erörtert werden: das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung, die zugleich eine völkerrechtswidrige Aggression ausschließt. Zu untersuchen ist dafür, wer für einen Staat, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt seine Einwilligung erteilen darf. Fraglich ist außerdem, ob eine einmal erteilte Einwilligung wieder zurückgezogen werden kann und welche Auswirkungen dies auf die Rechtmäßigkeit einer Intervention zeitigen würde.
a. Einwilligungsbefugnis Ein grundlegendes Prinzip des Staatenverkehrs ist, dass Staaten nach außen durch ihre Regierungen vertreten werden; diese sprechen und handeln im Namen des Staates.70 Einladungen zur Intervention fremder
68 Schachter, Michigan Law Review 82/5-6 (1984), 1620, 1645; DoswaldBeck, BYIL 56 (1985), S. 189, 250; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 221 f.; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 631, 675, 677 f.; Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 569 f. mit Verweis auf die Friendly Relations Declaration. S.a. Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988, S. 346 f. 69 Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 569 f. Ähnlich Doswald-Beck, BYIL 56 (1985), S. 189, 250; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 631, 675, 677 f. 70
Siehe schon StIGH, German Settlers in Poland, Advisory Opinion, P.C.I.J. Series B, Nr. 6 1923, S. 6, 22.; ILC, 8th Report on State Responsibility by R. Ago, YBILC I/1979, S. 31, 33; Doswald-Beck, BYIL 56 (1985), S. 189 f. Wie schwierig es ist, festzustellen wer der legitime Vertreter eines Staates ist, zeigt
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Truppen (also z.B. nach Art. 4 lit. j) KA-AU) haben grundsätzlich durch das Staatsoberhaupt bzw. durch die in Art. 7 Abs. 2 WVK genannten Staatsorgane zu erfolgen, durch letztere indes nur, wenn keine Zweifel an der Einigkeit über die Einladung an der Staatsspitze bestehen und in Notsituationen, wie Militärputschen, wenn das oberste Staatsorgan an der Ausübung seines Amtes gehindert ist.71 Die Wirksamkeit einer Einladung setzt voraus, dass sie von einer den Gesamtstaat repräsentierenden Regierung ausgesprochen wird.72 Unterschiedliche Bewertung findet in der Völkerrechtslehre allerdings die Frage, ob für die Wirksamkeit einer Einladung auf die effektive Herrschaftsgewalt oder auf die (demokratische) Legitimation einer Regierung abgestellt werden muss.73 Die Repräsentativität richtet sich jedoch nach bisher noch herrschender Auffassung in erster Linie nach der effektiven Herrschaftsgewalt, aber auch nach der Anerkennung durch die internationale Staatengemeinschaft.74 Derjenige Staat, der die Verletzung von Völkerrecht durch die Einwilligung eines anderen Staates zu rechtfertigen versucht, muss nachweisen, dass diese von der kompetenten staatlichen Stelle ergangen ist.75
der Konflikt im Tschad in den 1970ern bis Ende der 1980er Jahre, wo Frankreich und Libyen immer wieder auf Seiten der jeweils von ihnen anerkannten Regierung unter Berufung auf eine ihnen von dieser erteilten Einladung intervenierten, s. dazu Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 81 ff. 71
Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 339 ff., 582 auch zur Zurückweisung einer ausgesprochenen Einladung im Fall der Verfassungskrise in Togo von 1991. 72 Eine ausführliche Untersuchung der Staatenpraxis vor dem Ende des kalten Krieges bietet Doswald-Beck, BYIL 56 (1985), S. 189, 190 ff. 73 Vgl. Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 596 ff.; Roth, Governmental Illegitimacy in International Law, 2000; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 83 ff. S.a. Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988, S. 341; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 73. 74 Vgl. Schachter, International Law in Theory and Practice, 1991, S. 115; Wouters et al., NYIL 34 (2003), S. 139, 156; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, Rn. 154 f.; Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 145 ff. m.w.N. 75
Abass, ICLQ 53 (2004), S. 211, 215.
240
5. Kapitel
Ob auch unterstaatliche Gruppierungen eine Einwilligung aussprechen können, ist hingegen streitig.76 Im Fall einer vertraglichen Einwilligung steht ihnen dieses Recht jedenfalls nicht zu. Bei einer ad hoc-Einladung kommt es wohl darauf an, ob die Gruppe schon über einen eigenständigen Teil des staatlichen Territoriums Herrschaftsgewalt ausübt.77 Im Falle schwerer interner Konflikte ist es demnach kritisch zu beurteilen, wenn die Intervention aufgrund einer Einladung erfolgt, der nicht alle unterstaatlichen Gruppierungen zugestimmt haben.78 Wenn die Legitimation der einladenden Regierung zweifelhaft geworden ist und vor allem dann, wenn sie Partei in einem Bürgerkrieg ist, ist die rechtliche Zulässigkeit einer Einwilligung in die Intervention durch Truppen anderer Staaten jedenfalls schwierig zu begründen.79 Verliert die Regierung in einem Bürgerkrieg die effektive Herrschaftsgewalt, wie es in Somalia oder Liberia der Fall war, so kann dieser nicht mehr die Kompetenz zugesprochen werden, völkerrechtlich relevante Handlungen vorzunehmen. Dieses Recht besäßen dann alle an dem Konflikt maßgeblich beteiligten Parteien zusammen, da der Konflikt Ausdruck der Selbstbestimmung des Volkes ist. Dieses würde verletzt werden, wenn von außen zugunsten einer Partei eingegriffen wird.80 Auch wird davon ausgegangen, dass einer nicht gewählten Regierung kein Recht zusteht, Truppen anderer Staaten zum Zweck ihrer Wiedereinsetzung, z.B. ge-
76 Eingehend Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607 ff.; ders., DuJCIL 7 (1996), S. 209 ff. 77
Abass, ICLQ 53 (2004), S. 211, 216.
78
Roth, Governmental Illegitimacy in International Law, 2000, S. 195.
79
Thomas/Thomas, Non-Intervention, 1956, S. 94; Brownlie, International Law and the Use of Force by States, 1963, S. 317; Farer, HumRQ 10/2 (1988), S. 157, 162 f.; Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Vol. I, 9. Aufl. 1992, S. 437; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 68 f.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 656 f. Rn. 23. Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 435 ff. schließt für den afrikanischen Kontext, aber auch in Fällen mangelnder oder schwacher Legitimation der Regierung, deren Befugnis fremde Truppen zur Unterstützung einzuladen nicht aus, da auch solche Regierungen die elementare Schutz- und Ordnungsfunktion repräsentieren; dies vor dem Hintergrund häufiger gewaltsamer Übergriffe regierungsfeindlicher oder unkontrollierbarer Gruppierungen oder Militäreinheiten auf die Zivilbevölkerung und den regional-destabilisierenden Charakter vieler afrikanischer Konflikte. 80 Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 627 ff.; ders., DuJCIL 7 (1996), S. 209, 230.
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241
gen einen erfolgreichen Militärputsch herbeizurufen.81 Eine „Marionettenregierung“ besitzt ebenfalls keine Befugnis zur Einladung fremder Truppen, da sie mittels ausländischer Hilfe an die Macht gekommen ist und dementsprechend vom eingreifenden Staat in großem Maß abhängig ist.82 Hier wäre das Missbrauchspotential der Regierung, fremde Truppen gegen die eigene Bevölkerung einsetzen zu lassen, viel zu groß.83 Eine solche Regierung kann als offenkundig unzuständig i.S.v. Art. 46 WVK angesehen werden. Umgekehrt wird in einem inneren Konflikt der amtierenden Regierung von der internationalen Staatengemeinschaft selbst dann der alleinige Vertretungsanspruch zugestanden, wenn sie umkämpft ist.84 Eine durch freie und faire Wahlen legitimierte Regierung kann daher noch geraume Zeit nach ihrer Entmachtung als legitimiert angesehen werden, Truppen anderer Staaten zu ihrer Unterstützung zu rufen.85 Ab einer gewissen faktischen Machtausübung der Rebellen oder Putschisten, indiziert durch die Kontrolle über weite Teile des Territoriums und den Umfang der Unterstützung durch die Bevölkerung, muss der bis dahin amtierenden Regierung allerdings die effektive Herrschaftsgewalt abgesprochen werden, so dass sie dann nicht mehr allein einladungsbefugt wäre.86 Die soeben genannten Voraussetzungen werden wohl nur für die zusätzlich erforderliche ad hoc-Einladungsbefugnis nach Art. 4 lit. j) KAAU relevant, da jedenfalls für die vertragliche Einwilligung in Art. 4 lit. h) KA-AU, der im Gegensatz zu Art. 4 lit. j) keine gesonderte Einla81 Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 247. I.E. ebenso Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 631, 677 f. 82
Schachter, International Law in Theory and Practice, 1991, S. 114; Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 585. In diese Richtung auch ILC, 8th Report on State Responsibility by R. Ago, YBILC I/1979, S. 36; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 626. 83
Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 114.
84
Doswald-Beck, BYIL 56 (1985), S. 189, 197 f.; Wippman, DuJCIL 7 (1996), S. 209, 220; Peterson, Recognition of Governments, 1997, S. 45 ff. 85 So z.B. im Fall der Regierung Sierra Leones, die nach einem Putsch im Mai 1997 ECOWAS um militärisches Eingreifen baten, oder auch der Putsch gegen Präsident Aristide in Haiti 1990. S. dazu ausführlich Wippman, DuJCIL 7 (1996), S. 209, 217 ff.; Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 422 ff. 86
Doswald-Beck, BYIL 56 (1985), S. 189, 197 f.; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 232 f.; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 626 ff.; ders., DuJCIL 7 (1996), S. 209, 213 ff. Weitergehend Thomas/ Thomas, Non-Intervention, 1956, S. 94.
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5. Kapitel
dung des Mitgliedstaates vorsieht, davon ausgegangen werden muss, dass die Mitgliedstaaten die KA-AU nach geltendem Völkervertragsrecht und in Vereinbarkeit mit ihrem jeweiligen innerstaatlichen Recht ratifiziert haben. Einer besonderen Form bedürfte die Einladung im Falle von Art. 4 lit. j) KA-AU nicht.87 Die vertragliche Übertragung von Interventionsrechten in Form von Art. 4 lit. h) KA-AU richtet sich dagegen nach den allgemeinen Regelungen der Art. 12 ff. WVK und erfolgte selbstverständlich schriftlich.
b. Maßgeblicher Zeitpunkt der Einwilligung Fraglich ist, zu welchem Zeitpunkt eine Einwilligung vorliegen muss. Zum einen kann die Einwilligung einmalig abstrakt durch die Ratifikation des Vertrages und damit durch die Unterwerfung unter das vertragliche Interventionsregime erteilt werden. Sie kann zum anderen, vor allem in den bislang bekannten Fällen der Intervention auf Einladung, erst situationsbezogen, also ad hoc vor einer Intervention erteilt werden. Die Kommentierung zu Art. 20 ASR setzt voraus, dass die Einwilligung zu einer ansonsten rechtswidrigen Handlung vor oder noch während der Vornahme der Handlung erteilt werden soll.88 Nach Ronzetti muss die Einwilligung im Vorhinein einer an sich völkerrechtswidrigen Handlung erteilt werden. Werde die Einwilligung erst danach erteilt, könne sie höchstens als Verzicht auf das Recht auf Entschädigung für die begangene völkerrechtswidrige Handlung interpretiert werden, soweit ein solcher Verzicht im konkreten Fall überhaupt zulässig sei.89 Ein Verzicht ist bei einer Verletzung zwingenden Völkerrechts allerdings genauso wenig möglich wie eine Einwilligung.90 Unklar bleibt jedoch, ob die Einwilligung vorher abstrakt oder nur für eine konkrete Situation erteilt werden darf. Roth spricht sich dafür aus, dass die Einwilligung nicht nur vorher auf unbestimmte Zeit vertrag87
Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 580 f.
88 „Consent to the commission of otherwise wrongful conduct may be given by a State in advance or even at the time it is occurring. By contrast, cases of consent given after the conduct has occurred are a form of waiver or acquiescence, leading to loss of the right to invoke responsibility.“ S.a IGH, Certain Expenses of the United Nations, I.C.J. Reports 1962, S. 151, 164 f. 89
Ronzitti, in: Cassese (Hrsg.), The Current Legal Regulation of the Use of Force, 1986, S. 147, 160 f. 90
Verosta, in: Miehsler et al. (Hrsg.), FS Verdross, 1980, S. 689, 696 f.
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lich, sondern gerade im Moment einer Intervention vorliegen muss. Für ihn ist eine in der Vergangenheit abgegebene abstrakte Einwilligung keine relevante Einwilligung, wenn es um die Beurteilung einer möglichen Verletzung zwingenden Völkerrechts durch eine militärische Intervention geht.91 Ebenso hat nach Auffassung Walters eine Regierung nicht die Möglichkeit, durch eine zeitlich vorverlagerte und abstrakt erteilte Einwilligung an eine Regionalorganisation, die zeitliche und rechtliche Wirkung der Einladung auszudehnen. Vielmehr könne eine Regierung ihre Einwilligung vorher nur für solche Fälle erteilen, denen sie auch aktuell zustimmen könnte. Für die Zulässigkeit einer Intervention sei demnach die Einwilligung aufgrund der aktuellen Konfliktsituation und nicht die zu einem früheren Zeitpunkt gegebene abstrakte Einwilligung maßgeblich. Ein Vertrag vermöge daher eine Intervention in einer Situation nur rechtfertigen, in der die Regierung noch hinreichend repräsentativ ist und die Einladung noch selbst aussprechen kann, da sie nicht auf den Schutz verzichten könne, den das Völkerrecht z.B. Aufständischen gewähre, wenn diese die Repräsentativität der Regierung durch ihre politische oder militärische Stärke in Frage stellen.92 Hannikainen lässt hingegen, ohne nähere Begründung, die vertragliche Einwilligung genügen, vor allem für Verträge, bei denen es um Interventionen aus Gründen der kollektiven Selbstverteidigung oder aus humanitären Gründen geht.93 Abass argumentiert in Auslegung von Art. 10 ProtokollMCPMRPS und Art. 4 lit. h) KA-AU, dass eine konkrete Einwilligung des betreffenden Mitgliedstaates zu einer Intervention auf seinem Territorium rechtlich überflüssig sei. Die Vertragsregelung nehme Vorrang vor den gewohnheitsrechtlichen Regelungen zum Einwilligungserfordernis von Staaten ein.94 Sollte z.B. im Falle einer failed state-Situation ein Eingreifen von außen erforderlich werden, stün91
Roth, Governmental Illegitimacy in International Law, 2000, S. 190 ff.
92
Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 240. Anders wohl S. 214 wo er davon ausgeht, dass einer vorherigen vertraglichen Zustimmung für eine Zwangsmaßnahme einer Regionalorganisation gegen diesen Staat rechtfertigende Wirkung zukommt, wenn es sich um eine eindeutige Verpflichtung des späteren Adressaten handelt sowie um ein Recht auf das der einzelne Staat wirksam verzichten kann. Außerdem müsse die Bindungswirkung für die Zukunft aus dem Vertragstext hervorgehen. 93 Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 1988, S. 346. 94 Abass, Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 164.
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5. Kapitel
de einer Intervention eine mangelnde gegenwärtige Einwilligung der (nicht mehr vorhandenen) Regierung nicht entgegen, wenn der Staat einer Regionalorganisation angehört, die eine Interventionsmöglichkeit in einem solchen Fall vertraglich vorsieht. Durch die Ratifikation eines solchen Vertrages sei eine zeitlich vorgelagerte Einwilligung erfolgt und es bedürfe daher nicht einer erneuten Einwilligung. Es sei sogar gerade der Vorzug solcher vertraglichen Regelungen, dass in einem Notfall, beispielsweise einem Militärputsch oder während eines stattfindenden Völkermordes keine erneute Einwilligung einer nicht mehr vorhandenen oder unkooperativen Regierung notwendig sei, da der Staat durch die Ratifikation der KA-AU dem Interventionsrecht der Organisation zugestimmt habe und nun auch an diese Regelung gebunden sei.95 In vermittelnder Ansicht hält es Wippman grundsätzlich für notwendig, dass eine Regierung zweimal in eine Intervention auf Grundlage eines Vertrages einwilligt: einmal in Form der Ratifikation und zum zweiten Mal in der konkreten Situation. Bedeutung erhalte die abstrakte vertragliche Einwilligung aber in dem Fall, in dem aufgrund des Vertrages gegen oder ohne ausdrücklichen Willen des Staates interveniert werden soll. In einem solchen Fall rechtfertige die Einwilligung in Form der Ratifikation solange eine Intervention und sei auch eine implizite gegenwärtige Einwilligung vorhanden, bis sie von der dazu legitimierten Stelle ausdrücklich zurückgezogen werde. Die Einwilligung zeitigt seiner Auffassung nach also solange Rechtswirkungen, bis sie durch einen ausdrücklichen Gegenakt zurückgezogen wird, der der Ratifikation entspricht.96 Ein solcher wäre z.B. der Austritt aus der Internationalen Organisation. Diese Überlegungen vermögen zu überzeugen. Insbesondere sprechen Effektivitäts- und gerade die Interventionsgründe dafür, vornehmlich auf die vertragliche Einwilligung abzustellen, da entweder angesichts eines stattfindenden Völkermordes ein Zuwarten auf die Einwilligung einer unkooperativen Regierung der betroffenen Bevölkerung nicht zumutbar ist, oder bei Bürgerkriegs- oder failed stateSituationen eine Regierung unter Umständen rechtlich gar nicht mehr in der Lage ist, wirksam ad hoc einzuwilligen, z.B. weil ihre Legitimität
95 Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 19; ders. Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 204. Ebenso Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 277. 96
Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 623.
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umstritten oder sie vollständig aufgelöst worden ist.97 Diese Unsicherheiten hinsichtlich der Einladungsbefugnis werden vermieden, wenn primär auf die vertragliche Zustimmung abgestellt wird. Zudem wussten die Vertragsstaaten bei der Ratifikation der Interventionsregelungen der KA-AU, dass das Interventionsregime möglicherweise in Fällen greifen kann, in denen keine ad hoc-Einwilligung – aus welchen Gründen auch immer – erlangt werden kann.98
c. Umfang der Einwilligung Ein wichtiger Aspekt der Rechtmäßigkeit einer Intervention mit vertraglicher oder ad hoc-Einwilligung des betreffenden Staates ist, dass sich der Intervenient an die vom einwilligenden Staat aufgestellten Bedingungen hält, vor allem sich nicht länger auf dem Territorium des Staates aufhält, als dieser es ihm erlaubt. Sollte er dennoch länger verweilen, würde die Intervention nicht mehr rechtmäßig sein und als Form der Aggression gegen zwingendes Völkerrecht verstoßen.99 Da die Mitgliedstaaten durch die Ratifikation der KA-AU der Versammlung und dem Friedens- und Sicherheitsrat anheimgestellt haben, die Bedingungen, den Umfang und Dauer einer Intervention aufgrund der in Art. 4 lit. h) und j) KA-AU genannten Voraussetzungen festzulegen, geht die Einwilligung eben auch soweit, wie der Umfang der Intervention letztendlich im konkreten Einzelfall durch Beschluss entweder im Konsensusverfahren oder durch 2/3-Mehrheit festgelegt wird. Allerdings ist der betroffene Staat an der Ausarbeitung aller wichtigen Entscheidungen der AU-Versammlung oder des Friedens- und Sicherheitsrates beteiligt und hat damit genügend Einflussmöglichkeiten auf das Einsatzmandat.
97 Abass, Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 204; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 116. 98 Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 19; Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 277; Kindiki, AHRLJ 3 (2003), S. 97, 107. 99
So ausdrücklich Art. 3 lit. e) Aggressionsdefinition. S.a. Kommentierung zu Art. 20 ASR; Ronzitti, in: Cassese (Hrsg.), The Current Legal Regulation of the Use of Force, 1986, S. 147, 156.
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d. Rücknahme der Einwilligung Sind Staaten aufgrund einer vertraglichen oder ad hoc-Einwilligung einem Interventionsregime unterworfen, so stellt sich die Frage, ob sie die einmal erteilte Einwilligung widerrufen und sich diesem Regime wieder entziehen dürfen. Grundsätzlich binden Verträge, die Staaten untereinander eingehen, diese für die Zukunft (Art. 26 WVK). Da das Recht, Interventionsrechte auf eine Internationale Organisationen zu übertragen, aus der staatlichen Souveränität abgeleitet wird, muss aus dieser jedoch auch das Recht fließen, die vertragliche Einwilligung im Ernstfall wieder zurückzuziehen. Da ein Interventionsrecht einer Internationalen Organisation die Souveränitätsrechte des Mitgliedstaates in ihrem Kern berührt, würde eine Übertragung ohne Rücknahmemöglichkeit einer Aufgabe der Souveränität gleichkommen. Dürfte der Staat seine Einwilligung nicht zurückzuziehen, würde dieser daran gehindert, sich selbständig politisch weiterzuentwickeln und damit das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung verletzt werden. Sollte ein Staat oder eine Internationale Organisation dennoch intervenieren, wäre dies zudem möglicherweise eine Verletzung des Aggressionsverbots.100 Deswegen kann nicht angenommen werden, dass Interventionsrechte ohne wenigstens implizite Einschränkung oder Rücknahmemöglichkeit übertragen werden.101 Grundsätzlich muss daher jeder Regierung das Recht zustehen, die vertragliche Einwilligung in eine Intervention jederzeit zurückzuziehen, auch wenn sie damit vertragswidrig handelt.102 Den anderen Vertragsparteien steht in einem solchen Fall nicht das Recht zu, der Vertragsverletzung gewaltsam etwa durch eine militärische Intervention zu begeg-
100 Vgl. Art. 3 lit. e) Aggressionsdefinition, der jede über das Ende der Vereinbarung hinausgehende Anwesenheit bewaffneter Truppen auf dem Gebiet des (ehedem) zustimmenden Staates als Akt der Aggression wertet. S.a. Thomas/Thomas, Non-Intervention, 1956, S. 95 f.; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 647. 101 Farer, in: Damrosch (Hrsg.), Enforcing Restraint, 1993, S. 316, 341. In die gleiche Richtung Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 623, 646 ff.; ders., DuJCIL 7 (1996), S. 209, 235. Anders wohl Harrell, YJIL 33 (2008), S. 417, 430. 102 Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 20 f.; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 116.
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nen.103 Sie haben vielmehr nur einen Anspruch auf (finanzielle) Wiedergutmachung.104 Die Rücknahme der vertraglichen oder gegenwärtigen Einwilligung muss wiederum durch die amtierende Regierung und zudem ausdrücklich erfolgen. Bis dahin gelten die Vertragsbestimmungen weiter.105 In Fällen, in denen beispielsweise aufgrund eines Militärputsches oder Bürgerkrieges eine effektive Regierung nicht mehr existiert, müssen alle Konfliktparteien die Rücknahme der Einwilligung gemeinsam erklären.106 Für die Rücknahme der Einwilligung kann insofern nichts anderes gelten als für ihre wirksame Erteilung. Bei einer vertraglichen Einwilligung genügt also eine einseitige Aufkündigung des Vertrages durch eine der Konfliktparteien nicht, die durch Ratifikation erklärte und weiter geltende Einwilligung zurückzunehmen.107 Insoweit gilt auch hier wieder Art. 7 WVK. Im Falle dass eine Regierung schwere Menschenrechtsverletzungen gegenüber der eigenen Bevölkerung begeht, kann sie wohl schon aus diesem Grund nicht mehr als Vertretung des Staatsvolkes angesehen werden. Folglich wäre sie nicht in der Lage, ihre Einwilligung wirksam zurückzuziehen. Schwieriger zu beurteilen ist allerdings der Fall, wo nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist, da dies die Repräsentativität der Regierung als solches nicht in Frage stellt. Diese könnte ihre Einwilligung wohl wirksam zurückziehen,108 wobei fraglich ist, inwieweit der Minderheitenschutz dem entgegensteht. Letztendlich kommt es hier maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalles an.
103
IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 262. 104 Thomas/Thomas, Non-Intervention, 1956, S. 96; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 648. 105
Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 631; Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 20 f. 106 Den Konfliktparteien kommt, soweit sie einen gewissen Organisationsgrad, Einfluss und territoriale Kontrolle erreichen, ein limitierter Status als Völkerrechtssubjekte zu, der sie befähigt, völkerrechtliche Verträge abzuschließen, z.B. Friedensverträge, oder Verträge, die wie das Cotonou Agreement vom 25. Juli 1993 einer Regionalorganisation erlauben, in einem Staat PeacekeepingFunktionen zu erfüllen. S.a. Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 642 f.; Brownlie, Principles of Public International Law, 6. Aufl. 2003, S. 63. 107
Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 631, 649 ff.
108
Ebenda, S. 607, 679 f.
248
5. Kapitel
Die eindeutigste Form der Rücknahme einer vertraglichen Einwilligung ist die Kündigung des Vertrages bzw. die Beendigung der Mitgliedschaft in einer Internationalen Organisation (vgl. Art. 54 WVK). Selbst wenn ein Vertrag keine Kündigungsmöglichkeit enthält, kann sich gemäß Art. 56 Abs. 1 lit. b) WVK aus der Natur des Vertrages ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht ergeben. Dies ist in Fällen eines vertraglichen Interventionsrechts aufgrund der dadurch berührten grundlegenden Interessen eines Staates in Hinblick auf seine Souveränität, territoriale Integrität und das Selbstbestimmungsrecht der Fall. Solche Verträge enthalten zumindest ein implizites Recht der Kündigung oder des Rücktritts. Auch das Prinzip clausula rebus sic stantibus nach Art. 62 WVK könnte hier eine Rolle spielen.109 Im Falle der Afrikanischen Union haben die Mitgliedstaaten nach Art. 31 Abs. 1 KA-AU das Recht ihre Mitgliedschaft aufzukündigen. Problematisch ist hierbei allerdings, dass die Kündigung letztlich erst nach einem gewissen Zeitraum wirksam wird, da nach Art. 31 Abs. 2 KA-AU die Vertragsverpflichtungen noch ein Jahr weiter gelten. Eine Intervention im Zeitraum zwischen der Notifikation über den Austritt und dem tatsächlichen Ende der Mitgliedschaft ist allerdings nicht mehr zulässig, da der Mitgliedstaat insoweit deutlich gemacht hat, dass er seine Einwilligung ebenfalls zu Art. 4 lit. h) KAAU zurückzieht.110 Anderes muss für bereits laufende Interventionen gelten, da insoweit Art. 31 Abs. 2 KA-AU die Mitgliedstaaten eindeutig verpflichtet, ihre Obliegenheiten zu erfüllen und die KA-AU zu beachten. Insoweit besteht für diese Maßnahmen ein gewisser „Bestandsschutz“. Mit der Vertragsänderung der KA-AU entfällt das Kündigungsrecht,111 so dass die allgemeinen Regeln nach Art. 54 ff. WVK greifen.
e. Zwischenergebnis Nach der hier vertretenen Auffassung sind den Anforderungen an eine wirksame Einwilligung in eine Intervention nach Art. 4 lit. h) KA-AU durch die Ratifikation der KA-AU bereits genüge getan. Einer zusätzlichen Einwilligung im Zeitpunkt der Intervention bedarf es, anders als bei Art. 4 lit. j) KA-AU, für Interventionen nach Art. 4 lit. h) KA-AU 109
Dazu Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 15 Rn. 92 ff.
110
Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 20.
111
Vgl. Art. 12 Protocol on Amendments to the Constitutive Act of the African Union.
Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union
249
nicht. Den Mitgliedstaaten bleibt es unbenommen, ihre Einwilligung durch Austritt aus der Afrikanischen Union zurückzuziehen, wobei die Kündigung den hier aufgestellten völkerrechtlichen Anforderungen genügen muss.
II. Auslegung der Art. 4 lit. h) und j) KA-AU Im Folgenden sollen die Interventionstatbestände nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU ausgelegt, konkretisiert und an den soeben herausgearbeiteten Voraussetzungen gemessen werden. Da zwingendes Völkerrecht auf die Auslegung völkerrechtlicher Verträge ausstrahlt, dürfen die Interventionsregelungen der KA-AU nicht in Widerspruch zu der oben skizzierten Reichweite des zwingenden Gehalts des Gewaltverbots und des Selbstbestimmungsrechts der Völker ausgelegt werden. Bei der Interpretation muss also versucht werden, einen Konflikt zwischen zwingendem Völkerrecht und den Vertragsnormen durch jus cogensfreundliche Auslegung möglichst zu vermeiden.112
1. Art. 4 lit. h) KA-AU a. Hintergrund der Norm Die langwierigen Konflikte mit Südafrika, Rhodesien und im Tschad führten 1978 dazu, dass sich die OAE erstmals ernsthaft mit der Möglichkeit der Intervention durch eine interafrikanische Militärtruppe auseinandersetzte.113 Mit Resolution AHR/Res. 102 (XVIII) Rev. 1 wurde 1980 die erste Pan-African Peacekeeping Force mandatiert, um die Sicherheit und Verteidigung des Tschad sicherzustellen, solange die staatlichen Truppen noch nicht dazu in der Lage waren. Die Zusammensetzung der Truppe, aber auch der gesamte Einsatz wurde von der Billi112
Hierzu McNair, The Law of Treaties, 1961, S. 383 ff.; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 342; Byers, NJoIntL 66 (1997), S. 211, 218; Dahm et al., Völkerrecht, Bd. I/3, 2. Aufl. 2002, S. 712 f. S.a ILC, Kommentar zu Art. 26 ASR, para. 3. 113
Resolution on the Inter-African Military Force of Intervention, Dok.Nr. CM/Res. 635 (XXXI), Council of Ministers of the OAU, 31st Ordinary Session vom 7. – 18. Juli 1978.
250
5. Kapitel
gung durch die Regierung im Tschad abhängig gemacht.114 Das Sicherheitssystem der OAE war ja darauf angelegt, dass gegen den Willen der OAE-Mitgliedstaaten eine Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten nicht möglich sein sollte.115 Weiterer Anlass für die Hinwendung der afrikanischen Staaten zu einem eigenen Interventionsregime waren eine Reihe von Militäreinsätzen im Rahmen der ECOWAS in Liberia 1990,116 Sierra Leone 1997,117 Guinea-Bissau 1998 und Côte d'Ivoire 2002.118 Das Vorgehen der ECOWAS war unter den Mitgliedstaaten jedoch umstritten. Einige gingen davon aus, dass ECOWAS keinerlei Kompetenzen besaß, in die internen Angelegenheiten eines Mitgliedstaates zu intervenieren und dass dies nur mit Einwilligung aller Bürgerkriegsparteien möglich wäre.119 Eine vertragsrechtliche Grundlage
114
Resolution on Chad, Dok.Nr. AHR/Res. 102 (XVIII) Rev. 1, Assembly of the OAU, 18th Ordinary Session vom 24. – 27. Juni 1981. S.a. Resolution on Chad, Dok.Nr. CM/Res.769 (XXXIV), Council of Ministers of the OAU, 34th Ordinary Session vom 6. – 15. Februar 1980; Resolution on Chad, Dok.Nr. th AHG/Res. 101 (XVII), Assembly of the OAU, 17 Ordinary Session vom 1. – 4. Juli 1980. Zum Ganzen Cot, in: Cassese (Hrsg.), The Current Legal Regulation of the Use of Force, 1986, S. 167 ff.; Olonisakin, Reinventing Peacekeeping in Africa, 2000, S. 49 ff. 115
Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 11.
116
Vgl. Nolte, ZaöRV 53 (1993), S. 603 ff.; Wippman, in: Damrosch, (Hrsg.), Enforcing Restraint, 1993, S. 157 ff.; Olonisakin, Reinventing Peacekeeping in Africa, 2000, S. 67 ff., 100 ff.; Sesay, in: Du Plessis/Hough (Hrsg.), Managing African Conflicts, 2000, S. 193 ff.; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 78 ff.; Franck, in: Holzgrefe/Keohane (Hrsg.), Humanitarian Intervention, 2003, S. 204, 221 ff.; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 294 ff.; Gestri, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 211 ff.; Gans, ECOWAS, 2006, S. 165 ff.; Coleman, International Organisations and Peace Enforcement, 2007, S. 73 ff.; Harrell, YJIL 33 (2008), S. 417, 438 ff. 117 Dazu Olonisakin, Reinventing Peacekeeping in Africa 2000, S. 97 ff.; de Wet, NJoIntL 71 (2002), S. 1, 24 ff.; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 312 ff.; Gans, ECOWAS, 2006, S. 185 ff.; Levitt, WisIntLJ 24/3 (2006), S. 785, 799 ff.; Manusama, The United Nations Security Council in the Post-Cold War Era, 2006, S. 276 ff. 118
Zu den beiden letztgenannten Konflikten Levitt, WisIntLJ 24/3 (2006), S. 785, 805 ff. 119 So die Vertreter der Côte d’Ivoire, Senegals und Burkina Fasos im Falle der Intervention in Liberia. Dazu Wippman, in: Damrosch (Hrsg.), Enforcing
Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union
251
für die Entsendung von Truppen durch die ECOWAS bestand jedenfalls für lange Zeit nicht.120 Vor allem aber die Untätigkeit der Staatengemeinschaft während des Völkermords in Ruanda 1994 verdeutlichte den afrikanischen Staatseliten, dass sie sich auf ausländische und vor allem UN-Hilfe zur Beendigung schwerer Konflikte nicht verlassen konnten. Der Völkermord wurde zum bis heute nachwirkenden Trauma für die afrikanische Staatengemeinschaft angesichts der Tatenlosigkeit der Vereinten Nationen. In ihren Augen konnte oder wollte das UN-System nicht ausreichend für Frieden und Stabilität auf dem Kontinent sorgen.121 Der International Panel of Eminent Personalities to Investigate the 1994 Genocide in Rwanda forderte die OAE aus diesem Grund auf, geeignete Strukturen aufzubauen, um zukünftig solchen Konflikten begegnen zu können.122 Folge dieser Entwicklung ist die Abkehr der OAE/AU vom UN-System hin zum Aufbau des bereits untersuchten eigenen komplexen Systems der Friedenssicherung einschließlich einer Bereitschaftsarmee und Interventionsrechten.123 Neben der Interventionspraxis in Afrika spielte die Responsibility to Protect124 bei der Ausarbeitung der KA-AU und insbesondere Art. 4 lit. Restraint, 1993, S. 157, 167 f.; Gestri, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 211, 218; Gans, ECOWAS, 2006, S. 176. 120
Vgl. Nolte, ZaöRV 53 (1993), S. 603, 612 ff.; Sesay, in: Du Plessis/Hough (Hrsg.), Managing African Conflicts, 2000, S. 193, 211 ff.; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 296 f.; Harrell, YJIL 33 (2008), S. 417, 440. 121
Vgl. Byers/Chesterman, in: Holzgrefe/Keohane (Hrsg.), Humanitarian Intervention, 2003, S. 177, 191; Kioko, IRRC Vol. 85 (2003), S. 807, 812 f. S.a. Mulikita, Vereinte Nationen 2 (2002), S. 44 f. 122 The International Panel of Eminent Personalities to investigate the 1994 Genocide in Rwanda and the Surrounding Events, 2000, para. 24.22 ff., ILM 40 (2001), S. 141. 123 124
Ebenso Allain, MPYUNL 8 (2004), S. 237, 259 f., 262 f.
The Responsibility to Protect, Report of the International Commission on Intervention and State Sovereignty, Dezember 2001. Dazu Thakur, Security Dialogue 33/3 (2002), S. 323 ff.; ders., in: Ulbert/Werthes (Hrsg.), Menschliche Sicherheit, 2008, S. 110 ff.; Kolb, IRRC 85 (2003), S. 119, 129 ff.; Evans, WisIntLJ 24/3 (2006), S. 703 ff.; Hamilton, HarvHumRJ 19 (2006), S. 289 ff.; Kindiki, Intervention to Protect Civilians in Darfur, 2007, S. 5 ff., 28 ff.; Stahn, AJIL 101/1 (2007), S. 99 ff.; Welsh, in: Goold/Lazarus (Hrsg.), Security and Human Rights, 2007, S. 363 ff.; Bellamy, in: Williams (Hrsg.), Security Studies, 2008, S. 422 ff.; Sarkin, JoAL 53/1 (2009), S. 1, 8 ff.
252
5. Kapitel
h) KA-AU eine gewichtige Rolle. Ein Großteil der afrikanischen Staaten sympathisierte zu diesem Zeitpunkt mit dem Konzept der International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS).125 Von Manchen wird in Art. 4 lit. h) KA-AU auch eine erste Normierung der Responsibility to Protect gesehen.126 Die ICISS geht in der Responsibility to Protect von der Prämisse aus: „State sovereignty implies responsibility, and the primary responsibility for the protection of its people lies with the state itself. Where a population is suffering serious harm, as a result of internal war, insurgency, repression or state failure, and the state in question is unwilling or unable to halt or avert it, the principle of non-intervention yields to the international responsibility to protect.“127 Diese Annahme findet sich ähnlich im Bericht „A More Secure World: Our Shared Responsibility“.128 Die UN-Generalversammlung erkennt in ihrer Resolution 60/1 zum World Summit Outcome 2005 ebenfalls die Responsibility to Protect an.129 Und auch der UN-Sicherheitsrat bezieht sich in Res. 1674 auf die Responsibility to Protect, wie sie im World Summit Outcome 2005 verankert ist.130 Diesen unterschiedlich weit gehenden Dokumenten lässt sich ein neues Souveränitätsverständnis der Staatengemeinschaft entnehmen, nachdem tendenziell die Staatensouveränität nicht mehr absolut gilt, sondern ihre Grenze in den Menschenrechten findet. Insoweit liegen die menschenrechtlichen Belange der Bürger eines Staates nicht mehr nur in der Alleinverantwortung und -entscheidung ihres jeweiligen Staates, sondern in der Verantwortung der gesamten internationalen Gemeinschaft.131 Die Responsibility to Protect kann aber trotz ihrer Verbürgungen in den vier ge125
Williams, African Affairs 106/423 (2007), S. 253, 275.
126
So ausdrücklich Murithi, African Security Review 16/3 (2007), S. 14, 16 f. In diese Richtung auch Kagwanja/Mutahi, ISS-Paper 139 (2007), S. 1, 5; Sarkin, JoAL 53/1 (2009), S. 1, 19 ff. 127
The Responsibility to Protect, S. 13, 17.
128
„A More Secure World: Our Shared Responsibility“, Report of the HighLevel Panel on Threats, Challenges and Change, UN-Dok.Nr. A/59/565 vom Dezember 2004, S. 56 f. para. 201. 129 2005 World Summit Outcome, GA-Res. 60/01 vom 24. Oktober 2005, para. 138 f. 130 131
SR-Res. 1674 vom 28. April 2006, para. 4.
Evans, WisIntLJ 24/3 (2006), S. 703, 708 f.; Stahn, AJIL 101/1 (2007), S. 99, 101.
Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union
253
nannten Dokumenten nicht als bindende Völkerrechtsnorm angesehen werden, wie sie in Art. 38 IGH-Statut definiert werden. Vielmehr handelt es sich bei der R2P wohl um eine völkerrechtliche Norm in ihrem Entwicklungsstadium.132
b. Voraussetzungen des Art. 4 lit. h) KA-AU im Einzelnen Art. 4 lit. h) KA-AU lässt sich in zwei Tatbestandsalternativen aufteilen, die getrennt voneinander ausgelegt werden sollen. Zum einen hat die Afrikanische Union das Recht auf Intervention in einem Mitgliedstaat gemäß einer Entscheidung der Versammlung hinsichtlich schwerwiegender Umstände, namentlich Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Erst durch Vertragsänderung eingeführt wurde zum anderen die – bisher nicht ratifizierte und in der Literatur umstrittene – Alternative der Intervention bei ernsthafter Bedrohung der legitimen Ordnung, um Frieden und Sicherheit eines Mitgliedstaates aufgrund der Empfehlung des Friedens- und Sicherheitsrates wiederherzustellen.
aa. „Intervention in einem Mitgliedstaat“ Uneinheitlich beantwortet wird die Frage, ob unter „Intervention“ i.S.v. Art. 4 lit. h) und lit. j) KA-AU die Anwendung von militärischer Gewalt zu verstehen ist und damit in jedem Fall das Gewaltverbot berührt wäre. Man könnte unter den Begriff auch ausschließlich nichtmilitärische Mittel, z.B. Mediation, Beobachtungsmissionen oder gezielte Sanktionen fassen. Grundsätzlich wird im Völkerrecht unter „Intervention“ die ungerechtfertigte Einmischung von außen in die Autonomie der einzelnen Staaten bei der Ausgestaltung ihrer inneren, politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Ordnung verstanden. Hierunter fallen subversive Maßnahmen, die Ausübung wirtschaftlichen, politischen oder sonstigen Drucks sowie Zwangsmittel oberhalb der Gewaltschwelle, die dazu eingesetzt werden, einen Vorteil zu erlangen oder um zu erreichen, dass sich ein Staat einem fremden Willen un-
132
So Evans, WisIntLJ 24/3 (2006), S. 703, 712 ff.
254
5. Kapitel
terwirft.133 Die Anwendung militärischer Gewalt ist dabei die stärkste Form einer Intervention.134 Nach Auffassung Tagwerkers, Grays und Nzisabiras135 ist indes unter systematischen Gesichtspunkten mit Blick auf das Gewaltverbot nach Art. 4 lit. f) KA-AU und die Sanktionsrechte nach Art. 23 KA-AU das Interventionsrecht aus Art. 4 lit. h) KA-AU auf nicht-militärische Mittel zu begrenzen. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Gewaltverbot nach Art. 4 lit. f) KA-AU seinem klaren Wortlaut nach ausdrücklich nur die einzelnen Mitgliedstaaten bindet. Das Interventionsrecht aus Art. 4 lit. h) KA-AU bleibt insoweit unberührt, als dass es der AU bzw. in ihrem Rahmen den Mitgliedstaaten kollektiv erlaubt, in einem Mitgliedstaat einzugreifen. Zudem bezieht sich das nicht-militärische Sanktionsrecht des Art. 23 KA-AU auf einen anderen Sachverhalt, nämlich auf das Nichtzahlen der Beiträge (Abs. 1) und auf die Nichtbefolgung von Entscheidungen der Versammlung oder der Politiken der AU (Abs. 2). Das Sanktionsregime muss daher vom Interventionsregime strikt unterschieden werden. Diese Trennung verdeutlicht die abgestuften Eingriffsmöglichkeiten der Afrikanischen Union, mit zunehmender Eingriffsintensität von nicht-militärischen Sanktionen nach Art. 23 KAAU hin zu militärischen Interventionen nach Art. 4 lit. h) KA-AU. Die Autoren übersehen unter systematischen Gesichtspunkten zudem die für die Auslegung von Art. 4 lit. h) KA-AU und nach Art. 31 Abs. 3 WVK relevanten vertraglich geregelten Befugnisse des Friedens- und Sicherheitsrates zur Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent, einschließlich der Aufstellung von Friedenstruppen und Empfehlung von Interventionen nach Art. 4 lit. h) und j) KAAU.136 So soll die afrikanische Bereitschaftsarmee u. a. für Beobach133 Oppermann, Intervention, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. II, 1995, S. 1436; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 65 ff.; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 54 ff.; Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 36 Rn. 76; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 633. S.a. IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 202, 205. 134
IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 205. 135 Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 127, 130; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 49 Fn. 65; Nzisabira, Von der Organisation der Afrikanischen Einheit zur Afrikanischen Union, 2006, S. 127. 136
Art. 6 lit. a) bis f), 7 und 9 ProtokollPSC.
Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union
255
tungs- und Überwachungsmissionen, für Präventiveinsätze und für Interventionen in Mitgliedstaaten nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU eingesetzt werden.137 Diesen Einsatzbefugnissen ist ein unterschiedlich weit gehendes militärisches Vorgehen immanent.138 Das Interventionsrecht auf nicht-militärische Interventionen zu begrenzen, ist auch unter teleologischen Gesichtspunkten angesichts der schwerwiegenden Interventionsgründe nicht einsichtig. Schon aus Effektivitätsgründen müssen vom Interventionsrecht der Afrikanischen Union auch militärische Interventionen jedenfalls als ultima ratio erfasst sein.139 Es wäre fraglich, wie man einen Völkermord mit nicht-militärischen Maßnahmen unterbinden oder beenden will. Dass dies auf rein nicht-militärischem Wege nicht funktioniert, zeigt aktuell am deutlichsten die Darfur-Krise. Nur durch den Einsatz militärischer Gewalt wird die afrikanische Bereitschaftsarmee in den meisten Fällen in der Lage sein, Frieden oder zumindest Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten.140 Festzuhalten bleibt demnach, dass Interventionen nach Art. 4 lit. h) KA-AU sowohl nicht-militärisches als auch militärisches Eingreifen umfassen können.
bb. „gemäß einer Entscheidung der Versammlung“ Jede Intervention bedarf der vorherigen Entscheidung der Versammlung der Staats- und Regierungschefs. Besonderheiten für diese Entscheidungen, die gravierende Folgen zeitigen können, sind weder in Art. 4 lit. h) und j) KA-AU noch in Regel 4 Abs. 1 lit. e) und f) VerfOVers vorgesehen. Folglich gelten die allgemeinen Abstimmungsregeln der Versammlung, so dass die Entscheidung über eine Intervention entweder im Konsensusverfahren oder bei Nichterreichung eines Kon-
137
Art. 13 Abs. 3 ProtokollPSC.
138
Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 40; Kindiki, AHRLJ 3 (2003), S. 97, 107, 113; Levitt, in: Blokker/Schrijver (Hrsg.), The Security Council and the Use of Force, 2005, S. 213, 220. 139 Zum Effektivitätsgrundsatz bei der Vertragsauslegung s. nur. SeidlHohenveldern/Loibl, Internationale Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 1602; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 11 Rn. 16. 140
Ebenso Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 40; Kindiki, AHRLJ 3 (2003), S. 97, 107; ders., Intervention to Protect Civilians in Darfur, 2007, S. 46, 49 f.
256
5. Kapitel
senses mit einer Zweidrittelmehrheit gefällt wird.141 Bei der Entscheidung über eine Intervention dürfte es sich um eine „gewichtige Entscheidung“ i.S.v. Regel 30 Abs. 1 VerfOVers handeln, die, wenn kein Konsens erreicht werden kann, in geheimer Abstimmung erfolgt. Aufgrund der Möglichkeit, Interventionsentscheidungen mit Zweidrittelmehrheit zu fällen, kann es also dazu kommen, dass eine Intervention gegen den aktuellen Willen des von der Intervention betroffenen Mitgliedstaates beschlossen wird. Insoweit wurde das Konsensprinzip der OAE hinsichtlich Interventionen in einem Mitgliedstaat aufgegeben.142 Soweit der Friedens- und Sicherheitsrat die Interventionsentscheidung der Versammlung vorbereitet,143 ist zu bedenken, dass Konfliktparteien, insofern sie Mitglieder desselben sind, in den Sitzungen, die sich mit diesem Konflikt auseinandersetzen, nur ihre Sicht schildern, nicht aber an den Entscheidungsprozessen teilnehmen dürfen.144 In der Versammlung ist ihr Stimmrecht allerdings nicht beschnitten. Da die KA-AU demnach den Fall vorsieht, dass eine Intervention gegen den gegenwärtigen Willen des betroffenen Mitgliedstaates beschlossen werden kann, wird wieder die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Einwilligung relevant, um entscheiden zu können, ob die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Intervention vorliegen und auch um entscheiden zu können, ob eine rechtmäßige Gewaltanwendung im Rahmen der vertraglichen Regelungen oder – je nach Grad der Gewaltausübung und der Umstände des Einzelfalls – verbotene Aggression seitens der AU bzw. deren Mitgliedstaaten vorliegt. Wie bereits weiter oben argumentiert, wirkt die Einwilligung durch Ratifikation der KAAU solange fort, d.h. eine gegenwärtige Einwilligung wird als gegeben unterstellt, solange der betroffene Staat seine vertragliche Einwilligung nicht ausdrücklich zurückzieht. Ausreichend dürfte hierfür nicht schon die Enthaltung oder ein „Nein“ in der Abstimmung der Versammlung sein, sondern erforderlich wäre auf gleichgelagerter Stufe mit der Rati141
Art. 7 Abs. 1 S. 1 KA-AU; Regel 18 Abs. 1 VerfOVers.
142
Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 15 f.; ders., Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 165; Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 44; Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 276; El Ouazghari, HSFK-Report 14 (2007), S. 12; Powell, The African Union’s Emerging Peace and Security Regime, 2005, S. 1, 12; dies./Tieku, International Journal 2005, S. 937, 948; Tieku, African Security Review 16/2 (2007), S. 26, 29. 143
Art. 7 Abs. 1 lit. e) ProtokollPSC.
144
Art. 8 Abs. 9 ProtokollPSC.
Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union
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fikation der Austritt aus der AU nach Art. 31 Abs. 1 KA-AU. Andernfalls käme es bei der Abstimmung in der Versammlung darauf an, ob die Regierung wirksam die gegenwärtige Einwilligung erteilen oder verweigern kann, was zwar i.d.R. anzunehmen sein wird, in Bürgerkriegssituationen oder bei schweren Menschenrechtsverletzungen, um die es bei einer Interventionsentscheidung nach Art. 4 lit. h) KA-AU schließlich geht, im Einzelfall aber sehr zweifelhaft sein kann. Daher ist es aus Effektivitätsgründen sinnvoll, ausschließlich auf die vertragliche Einwilligung abzustellen. Könnte der Mitgliedstaat, in dem aufgrund seiner Verletzungen von Völkerrecht und den Grundsätzen der KA-AU nach Art. 4 lit. h) KA-AU interveniert werden soll, die Entsendung der Truppen blockieren, verlöre die Regelung, aber auch die mit ihrer Durchsetzung betrauten Organe wie die afrikanische Bereitschaftsarmee ihren Sinn, da das Ziel des effektiven Menschenrechtsschutzes durch die AU nicht ernsthaft verfolgt werden könnte. Daher bleibt der Mitgliedstaat nach der hier vertretenen Auffassung bis zum Austritt aus der AU an seine vertragliche Zustimmung zu Interventionen gebunden. Angemerkt sei aber, dass in der bisherigen AU-Praxis ein Einsatz von Truppen in einem Mitgliedstaat immer mit der ausdrücklichen Einwilligung des betroffenen Staates erfolgt ist und die größtmögliche Einbindung aller betroffenen Parteien versucht wurde, schon allein um die Akzeptanz der getroffenen Lösungen zu erhöhen.145 Fraglich ist allerdings, ob die Versammlung – gleichsam als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Art. 4 lit. h) KA-AU146 – vor einer Interventionsentscheidung die Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates gemäß Art. 53 Abs. 1 S. 2 UN-Charta einholen muss. Dieses das Verhältnis AU-UN betreffende Problem wird im nächsten Kapitel ausführlich behandelt.
145 146
Zur AU-Praxis näher unter Kapitel 7.
Im Unterschied zu den Vertragsbestimmungen von AU und ECOWAS darf im Rahmen der SADC gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. d) SADC-Protocol on Politics, Defence and Security Co-operation auf militärische Gewaltanwendung nur als letztes Mittel und nur nach Ermächtgung durch den UN-Sicherheitsrat zurückgegriffen werden.
258
5. Kapitel
cc. „hinsichtlich schwerwiegender Umstände, namentlich Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ Die Afrikanische Union hat in der Praxis bislang nicht entschieden, ob sie sich bei der Interpretation des Art. 4 lit. h) KA-AU an den Definitionen „Kriegsverbrechen“, „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Völkermord“ des Internationalen Strafgerichtshofes orientieren wird. Art. 7 Abs. 1 lit. e) ProtokollPSC setzt jedenfalls voraus, dass, wenn der Friedens- und Sicherheitsrat der Versammlung Interventionen aufgrund schwerwiegender Umstände empfiehlt, diese nach den maßgeblichen internationalen Verträgen und Instrumenten definiert werden.147 Heranzuziehen ist für die Auslegung des Art. 4 lit. h) KA-AU daher vor allem das Römische Statut des IStGH, das in Art. 6 ff. Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert148 sowie die Statuten der Internationalen Strafgerichtshöfe für Jugoslawien149 und Ruanda150. Deutlich wird an diesen drei Tatbestandsalternativen, dass die maßgebliche Zielsetzung des Art. 4 lit. h) KA-AU der Menschenrechtsschutz ist.151
i. „Kriegsverbrechen“ Kriegsverbrechen wurden bereits in Art. 6 lit. b) des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg vom 8. August 1945 normiert und kristallisierten sich genauer im System der Genfer Konventionen von 1949 und den Zusatzprotokollen heraus.152 Kriegsverbrechen 147
Vgl. Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 42 Fn.
30. 148 Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998, BGBl. 2000 II, S. 1394. 149 Statute of the International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia (ICTY), eingesetzt durch SR-Res. 827 vom 25. Mai 1993. 150 Statute of the International Criminal Tribunal for Rwanda (ICTR), eingesetzt durch SR-Res. 955 vom 8. November 1994. 151 152
Ebenso Tieku, African Security Review 16/2 (2007), S. 26, 28 f.
I. Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde vom 12. August 1949, BGBl. 1954 II, S. 783; II. Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See vom 12. August 1949, BGBl. 1954 II, S. 813; III. Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 12. August 1949, BGBl. 1954 II, S. 838; Genfer Abkommen
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sind gemäß Art. 8 Abs. 2 lit a) Nr. i bis vii Römisches Statut153 schwere Verletzungen der Genfer Konventionen, zudem die in Art. 8 Abs. 2 lit. b) Nr. i bis xxvi Römisches Statut aufgezählten schweren Verstöße gegen die innerhalb des feststehenden Rahmens des Völkerrechts im internationalen bewaffneten Konflikt anwendbaren Gesetze und Gebräuche, ferner die in Art. 8 Abs. 2 lit. c) Nr. i bis iv aufgezählten schweren Verstöße gegen den gemeinsamen Artikel 3 der vier Genfer Konventionen im Fall eines bewaffneten Konflikts, der keinen internationalen Charakter hat sowie die nach Art. 8 Abs. 2 lit. e) Nr. i bis xii Römisches Statut normierten schweren Verstöße gegen die innerhalb des feststehenden Rahmens des Völkerrechts anwendbaren Gesetze und Gebräuche im bewaffneten Konflikt, der keinen internationalen Charakter hat. Unterschieden werden demnach Tathandlungen, die im Rahmen von internationalen bewaffneten Konflikten und solche, die im Rahmen nichtinternationaler bewaffneter Konflikte begangen werden.154 Damit eine Handlung ein Kriegsverbrechen darstellt, darf sie jedenfalls nicht losgelöst, sondern muss im funktionalen Zusammenhang mit einem internationalen oder nicht-internationalen bewaffneten Konflikt erfolgen.155 Deutlich wird in der Systematik des Art. 8 Abs. 2 Römisches Statut
über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949, BGBl. 1954 II, S. 917; I. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte, BGBl. 1990 II, S. 1551; II. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte, BGBl. 1990 II, S. 1637. Zur Entwicklung hin zu Art. 8 Römisches Statut Bothe, in: Cassese et al. (Hrsg.), International Criminal Court, Bd. I, 2002, S. 383 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 296 ff. 153 Eingehend Bothe, in: Cassese et al. (Hrsg.), International Criminal Court, Bd. I, 2002, S. 390 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 330 ff.; Schabas, International Criminal Court, 2. Aufl. 2004, S. 57 ff. 154 Zur Frage wann ein internationaler oder nicht-internationaler Konflikt vorliegt Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 321 ff. 155
ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Dusko Tadić, Entscheidung vom 7. Mai 1997 (IT-94-1-T), para. 572 f.: „[…] a sufficient nexus must be established between the alleged offence and the armed conflict which gives rise to the applicability of international humanitarian law. […] It would be sufficient to prove that the crime was committed in the course of or as part of the hostilities in, or occupation of, an area controlled by one of the parties. […] The only question, to be determined in the circumstances of each individual case, is whether the offences were closely related to the armed conflict as a whole.“ S.a. Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 325 Rn. 837 f.
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auch die Anknüpfung der (sekundären) Regeln der Strafbarkeit von Kriegsverbrechen nach Art. 8 Römisches Statut an die (primären) Regelungen des jus in bello, die sich sowohl im Völkervertrags- als auch im Völkergewohnheitsrecht finden. Aus dieser Verknüpfung folgt, dass eine Tathandlung, die nicht durch jus in bello verboten ist, kein Kriegsverbrechen i.S.v. Art. 8 Römisches Statut sein kann. Ebenso wenig fällt umgekehrt jede Handlung, die nach dem Recht bewaffneter Konflikte verboten ist, unter Art. 8 Römisches Statut, dessen Anwendungsbereich insoweit enger ist als der der Primärnormen.156 Subjektiv muss der Täter Kenntnis von den tatsächlichen Umständen haben, aus denen sich das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts ergibt und zudem das Wissen und Wollen zur Begehung der konkreten Tathandlung, wobei die eigene rechtliche Einordnung des bewaffneten Konflikts bzw. der Tathandlung nicht von Bedeutung ist.157
ii. „Völkermord“ Völkermord – das „crime of crimes“158 – wurde zuerst in Art. II der Völkermordkonvention,159 daran angelehnt in Art. 4 bzw. Art. 2 der Statuten der Internationalen Strafgerichtshöfe für Jugoslawien und Ruanda und nunmehr in Art. 6 Römisches Statut definiert.160 Die Regelungen der Völkermordkonvention sind heute völkergewohnheitsrechtlich anerkannt;161 sie gelten erga omnes und das Völkermordverbot ist zwingendes Völkerrecht.162 Nach Art. 6 Römisches Statut bedeutet 156 Bothe, in: Cassese et al. (Hrsg.), International Criminal Court, Bd. I, 2002, S. 387. 157
Ebenda, S. 389 f.; Schabas, International Criminal Court, 2. Aufl. 2004, S.
56. 158 ICTR, The Prosecuter v. Georges Anderson Nderubumwe Rutaganda, Entscheidung vom 6. Dezember 1999 (ICTR-96-3), para. 451. 159 Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9. Dezember 1948, BGBl. 1954 II, S. 730. 160
Eingehend zur Entwicklung des Völkermordverbots Schabas, Genocide in International Law, 2. Aufl. 2009, S. 17 ff. 161 Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 275; Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 204 Rn. 538. 162
Cassese, in: ders./Gaeta/Jones (Hrsg.), International Criminal Court, Bd. I, 2002, S. 337 f.; ders., International Criminal Law, 2003, S. 98; Schabas, International Criminal Court, 2. Aufl. 2004, S. 37.
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„Völkermord“ objektiv die Tötung von Mitgliedern einer Gruppe,163 die Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern einer Gruppe, die vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für eine Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen, die Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb einer Gruppe gerichtet sind oder die gewaltsame Überführung von Kindern einer Gruppe in eine andere Gruppe.164 Die Handlungen müssen subjektiv in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören (sog. dolus specialis).165 Aus dem Tatbestandsmerkmal „ganz oder teilweise zu zerstören“ wird abgeleitet, dass die Absicht, nur einige Mitglieder einer Gruppe zu vernichten, nicht ausreichend ist, sondern nach der Vorstellung des Täters muss ein gewichtiger Teil der Gruppe betroffen sein.166 Hinzutreten muss dann der jeweilige Vorsatz bezüglich der Tathandlungen, also z.B. Tötungsvorsatz.167 Völkermord kann bereits dann vorliegen, wenn der objektive und subjektive Tatbestand nur für ein eng begrenztes geographisches Gebiet oder Bezirk und/oder für eine zahlenmäßig kleine Gruppe vorliegt.168 Der subjektive Tatbestand kann zwar durch die Handlungen des Täters und die Anzahl der Opfer indiziert sein, muss im Einzelnen aber nachgewiesen werden, was in der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten 163 Zur Gruppendefinition ICTR, The Prosecuter v. Jean-Paul Akayesu, Entscheidung vom 2. September 1998 (ICTR-96-4-T), para. 511 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 206 ff.; Schabas, Genocide in International Law, 2. Aufl. 2009, S. 117 ff. 164 Im Einzelnen Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 213 ff.; Schabas, Genocide in International Law, 2. Aufl. 2009, S. 172 ff. 165 S.a. Art. II Völkermordkonvention; IGH, Case Concerning the Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia and Montenegro), Entscheidung vom 26. Februar 2007, para. 186 ff., zur Frage der Zurechenbarkeit para. 377 ff. Zum Ganzen Cassese, International Criminal Law, 2003, S. 103 ff.; Schabas, Genocide in International Law, 2. Aufl. 2009, S. 241 ff. 166
Schabas, International Criminal Court, 2. Aufl. 2004, S. 39.
167
Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 221 Rn. 589.
168
ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Goran Jelisić, Urteil vom 14. Dezember 1999 (IT-95-10-T), para. 83; ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Radislav Krstić, Entscheidung vom 2. August 2001 (IT-98-33-T), para. 589 f.; Schabas, International Criminal Court, 2. Aufl. 2004, S. 39.
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5. Kapitel
stößt.169 Dort wo der subjektive Tatbestand nicht nachgewiesen werden kann, kann immer noch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen vorliegen.170 Nicht umfasst von der Völkermorddefinition sind ethnische Säuberungen, dass heißt also die zwangsweise Vertreibung (und Ermordung) einer Zivilbevölkerung, die zu einer bestimmten Gruppe gehört, aus ihren angestammten Gebieten, Dörfern oder Städten.171 Allerdings können ethnische Vertreibungen das Ausmaß und den Charakter und damit den objektiven Tatbestand von Völkermord annehmen.172 Hinzutreten muss aber immer der besondere subjektive Tatbestand.173
iii. „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ Ebenso wie Kriegsverbrechen waren „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bereits Gegenstand des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg. Der Zusammenhang zwischen internationalem bewaffnetem Konflikt und der Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie ihn noch Art. 6 lit. c) des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg vorsah, ist heute allerdings nicht mehr ausschlaggebend.174 Nach Art. 7 Abs. 1 Römisches Statut fallen unter 169
Vgl. ICTR, The Prosecuter v. Jean-Paul Akayesu, Entscheidung vom 2. September 1998 (ICTR-96-4-T), para. 523; ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Goran Jelisić, Entscheidung vom 14. Dezember 1999 (IT-95-10-T), para. 107 f. 170
Schabas, International Criminal Court, 2. Aufl. 2004, S. 41.
171
Cassese, in: ders./Gaeta/Jones (Hrsg.), International Criminal Court, Bd. I, 2002, S. 338; Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 218 f. Rn. 580. 172 ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Karadžić and Mladić, Review of the Indictment pursuant to Rule 61 of the Rules of Procedure and Evidence vom 11. Juli 1996 (IT-95-18-R61), para. 94. S.a. ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Dragan Nikolić, Review of the Indictment pursuant to Rule 61 of the Rules of Procedure and Evidence vom 20. Oktober 1995 (IT-94-2-R61), para. 34. 173 ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Karadžić and Mladić, Review of the Indictment pursuant to Rule 61 of the Rules of Procedure and Evidence vom 11. Juli 1996 (IT-95-18-R61), para. 94; ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Goran Jelisić, Entscheidung vom 14. Dezember 1999 (IT-95-10-T), para. 107 f. 174 ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Dusko Tadić, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction vom 2. Oktober
Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union
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„Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bestimmte Handlungen, die im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs begangen werden. Unter diese Handlungen fallen beispielsweise die vorsätzliche Tötung, Ausrottung, Versklavung, Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung, Freiheitsentzug oder sonstige schwerwiegende Beraubung der körperlichen Freiheit unter Verstoß gegen die Grundregeln des Völkerrechts, Folter, Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation, die Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen oder aus Gründen des Geschlechts und das Verbrechen der Apartheid. Nach Art. 7 Abs. 2 lit. a) muss der Angriff gegen die Zivilbevölkerung in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation, die einen solchen Angriff zum Ziel hat, erfolgen. Die einzelnen Tathandlungen werden in Art. 7 Abs. 2 lit. b) – i) Römisches Statut genauer definiert.175 Der objektive Tatbestand ist erfüllt, wenn ein Täter (auch nur ein einziges Mal176) eine der Handlungen vornimmt, die schwerwiegendste Angriffe gegen die Menschenwürde darstellen. Die Tathandlung muss allerdings im Zusammenhang mit einem ausgedehnten oder systematischen Angriff gegen eine Zivilbevölkerung177 vorgenommen werden, der in irgendeiner Weise von der – nicht zwingend offiziellen – Politik eines Staates,178 der Regierung oder einer Organisation, die in einem bestimmten Territorium die de facto-Herrschaftsgewalt inne hat, unterstützt oder toleriert wird.179 Der Täter selbst muss nicht Bestandteil 1995, para. 141. S.a. Cassese, International Criminal Law, 2003, S. 64; Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 226; Schabas, International Criminal Court, 2. Aufl. 2004, S. 42 f. 175
Im Einzelnen Cassese, in: ders./Gaeta/Jones (Hrsg.), International Criminal Court, Bd. I, 2002, S. 373 ff.; ders., International Criminal Law, 2003, S. 74 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 251 ff. Insbesondere zur Tathandlung „Vergewaltigung“ Schabas, International Criminal Court, 2. Aufl. 2004, S. 46 ff. 176 ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Dusko Tadić, Entscheidung vom 7. Mai 1997 (IT-94-1-T), para. 649. 177
Ebenda, para. 644.
178
Ebenda, para. 653. Dazu auch Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 247 Rn. 642 ff. 179 Vgl. ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Dragan Nikolić, Review of the Indictment pursuant to Rule 61 of the Rules of Procedure and Evidence
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5. Kapitel
staatlicher Organe, z.B. der Polizei sein.180 Subjektiv ist zu verlangen, dass der Täter sich des Kontextes seiner Handlung bewusst ist, also des ausgedehnten oder systematischen Angriffs bzw. der dahinterstehenden Politik gegen bestimmte Personengruppen. Zudem muss der spezielle subjektive Tatbestand der konkreten (Tötungs-, Folter-, Versklavungsund Verfolgungs-) Handlung erfüllt sein.181
dd. „sowie bei ernsthafter Bedrohung der legitimen Ordnung um Frieden und Sicherheit eines Mitgliedstaates wiederherzustellen“ Nicht nur definitorisch, sondern auch hinsichtlich der Auswirkungen für das Verständnis und den Anwendungsbereich des Interventionsrechts schwer einzuordnen ist die im Rahmen des Vertragsänderungsverfahrens 2003 eingeführte Ergänzung des Art. 4 lit. h) KA-AU um das Merkmal der „ernsthafter Bedrohung der legitimen Ordnung um Frieden und Sicherheit eines Mitgliedstaates wiederherzustellen“. Der neue Interventionsgrund hat wenig zu tun mit den anderen Gründen des Art. 4 lit. h) KA-AU, insbesondere ist er kein völkervertraglich oder -gewohnheitsrechtlich anerkannter Tatbestand des Völkerstrafrechts.182
i. Hintergrund der Änderung Die Änderung des Art. 4 lit. h) KA-AU geht ganz wesentlich auf das Betreiben Libyens zurück. Ursprünglich wurde die Formulierung „as vom 20. Oktober 1995 (IT-94-2-R61), para. 26; ICTR, The Prosecuter v. JeanPaul Akayesu, Entscheidung vom 2. September 1998 (ICTR-96-4-T), para. 579 ff.; ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Dusko Tadić, Entscheidung vom 7. Mai 1997 (IT-94-1-T), para. 649 ff. S.a. Cassese, in: ders./Gaeta/Jones (Hrsg.), International Criminal Court, Bd. I, 2002, S. 356 ff. 180 ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Dusko Tadić, Entscheidung vom 7. Mai 1997 (IT-94-1-T), para. 654. 181
Dazu ICTY, The Prosecutor of the Tribunal v. Dusko Tadić, Entscheidung vom 7. Mai 1997 (IT-94-1-T), para. 656, 659; ICTR, The Prosecuter v. Clément Kayishema and Obed Ruzindana, Entscheidung vom 21. Mai 1999 (ICTR-951-T), para. 133 f. S.a. Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 250 Rn. 651 ff.; Schabas, International Criminal Court, 2. Aufl. 2004, S. 41. 182 Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 42; Maluwa, NILR 51 (2004), S. 195, 218.
Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union
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well as in cases of unrest or external aggression in order to restore peace and stability to the Member of the Union“ vorgeschlagen, die nach ihrer Begründung vor allem darauf abzielte, die territoriale Integrität des afrikanischen Kontinents und die Souveränität und territoriale Integrität eines jeden Mitgliedstaates zu erhalten.183 Der Schwerpunkt der Diskussion über die Änderung lag dem Rechtsberater der Afrikanischen Union Kioko zufolge auf „external aggression“ und nicht darauf, unbeliebte Regierungen am Leben zu erhalten. Da jedoch bereits die Entwicklung einer afrikanischen Verteidigungspolitik als Vertragsziel verankert ist, wurde dieser Aspekt aus dem Text gestrichen. Die Erweiterung der Interventionsgründe war bei den Mitgliedstaaten auch deshalb stark umstritten, weil ein Mechanismus innerhalb der Afrikanischen Union fehle, um zu entscheiden, wann eine solche Bedrohung vorliege, wie „legitime Ordnung“ definiert werden könne und aufgrund des ungeklärten Verhältnisses dieses Interventionsgrundes zu den anderen Tatbestandsalternativen. Anderen Mitgliedstaaten ging es in Befürwortung der Vertragsänderung darum, die Eingriffsschwelle für Interventionen insoweit zu senken, dass bei Konfliktlagen, die nicht den Anforderungen von Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit genügten, die aber nichtsdestoweniger den regionalen Frieden und Sicherheit gefährdeten, eine Intervention möglich wäre. Insofern soll die Ergänzung des Art. 4 lit. h) KA-AU der Afrikanischen Union die notwendige Flexibilität für eine Intervention einräumen.184
ii. Regimesicherheit oder menschliche Sicherheit? In der Literatur wird befürchtet, dass durch die Vertragsänderung eine erneute Hinwendung zur bedingungslosen Sicherung auch undemokratischer Regierungen weg vom, den Zielen und Grundsätzen der AU eigentlich näherliegenden Menschenrechtsschutz erfolge. Die bisherige Erfahrung zeige, dass die tatsächliche oder gefürchtete ernsthafte Bedrohung amtierender Regierungen der erste Schritt zu Menschenrechts-
183 Explanatory Memorandum Libyens zitiert nach Kioko, IRRC 85 (2003), S. 807, 812. Ebenso Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 39. 184 Vgl. Kioko, IRRC 85 (2003), S. 807, 812; Maluwa, NILR 51 (2004), S. 195, 215 f. mit Hinweis auf Vorbehalte Ägyptens.
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5. Kapitel
verletzungen war.185 Einige afrikanische Staats- und Regierungschefs sahen bisher selbst friedliche Demonstrationen für einen Regimewechsel als „ernsthafte Bedrohung der legitimen Ordnung“ an, aufgrund derer die Afrikanische Union nunmehr intervenieren könnte.186 Auch stehe zu befürchten, dass Autonomie- oder Sezessionsbestrebungen mit Berufung auf dieses Prinzip unterbunden würden, da diese von der AU (wie schon vorher von der OAE) abgelehnt werden.187 Zudem wird vorgebracht, dass der neue Interventionsgrund die Schwelle für Interventionen senke und zwar sowohl im Hinblick auf diejenigen Fälle, in denen es tatsächlich zu schweren innerstaatlichen Konflikten gekommen ist, als auch im Hinblick auf die anderen Interventionsgründe.188 Die Kritik in der Literatur ist angesichts der langen Geschichte von Menschenrechtsverletzungen in den meisten Mitgliedstaaten verständlich. Eine weite Auslegung des Merkmals „ernsthafte Bedrohung der legitimen Ordnung“, das alle möglichen internen Konflikte umfassen kann, könnte schnell zur Folge haben, dass die AU durch Interventionen Regierungen an der Macht hält, anstatt – wie es die anderen Interventionsgründe nahelegen – Menschenrechte zu schützen. Nach einer Interpretation in der Literatur dürfte daher nur eingeschritten werden, wenn eine legitime i.S.e. demokratisch legitimierten Ordnung in Gefahr ist und nicht dann, wenn ein illegitimes Regime nur seine Absetzung durch die Bevölkerung verhindern will, z.B. indem es die Regierungsämter nicht niederlegt, obwohl es in freien und fairen Wahlen abgewählt worden ist.189 Baimu und Sturman gehen so weit zu sagen, dass nur eine Regierung, die durch freie und faire Wahlen an die Macht gekommen ist, eine legitime Ordnung darstellt. Sie geben aber zu, dass 185
Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 43; sich dem anschließend Fombad, in: ders./Kebonang, AU, NEPAD and the APRM, 2006, S. 9, 21. Ein Beispiel hierfür ist die manipulierte Wahl in Simbabwe im April und Juni 2008, nach der es zu Ausschreitungen, politischen Morden, Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen an Anhängern der Opposition kam. 186 Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 41. Ebenso Powell, The African Union’s Emerging Peace and Security Regime, 2005, S. 1, 14, die aber dieses Problem zutreffend als „worst case scenario“ bezeichnet. 187 Ouguergouz/Tehindrazanarivelo, in: Kohen (Hrsg.), Secession, 2006, S. 257, 272 f. 188 Powell, The African Union’s Emerging Peace and Security Regime, 2005, S. 1, 13; dies./Tieku, International Journal 2005, S. 937, 945; Levitt, WisIntLJ 24/3 (2006), S. 785, 830. 189
Heyns et al., GYIL 46 (2003), S. 252, 276.
Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union
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schon das Merkmal „freie und faire Wahlen“ im afrikanischen Kontext schwer zu verwirklichen und in praxi noch schwerer zu bestätigen ist, was die Ermittlung, wann eine „ernsthafte Bedrohung der legitimen Ordnung“ vorliegt, extrem komplex und kontrovers macht.190 Letztlich kann, solange der AU-Gerichtshof seine Arbeit noch nicht aufgenommen hat, nur die Versammlung gemäß Art. 26 KA-AU abschließend diese Bestimmung interpretieren. Die Versammlung und der Friedensund Sicherheitsrat, der der Versammlung eine Intervention empfehlen soll, könnten sich bei der Auslegung des Merkmals an der bereits erläuterten Lomé Declaration, der Declaration Governing Democratic Elections in Africa und der African Charter on Democracy, Elections and Governance orientieren.
iii. Auslegung Für die Wortlautauslegung des Art. 4 lit. h) KA-AU helfen die genannten Deklarationen indes wenig, da sowohl das Tatbestandsmerkmal „ernsthafte Bedrohung“ als auch „legitime Ordnung“ kaum eingrenzbar interpretierbar sind. Eine Möglichkeit, demokratische Regierungsformen zu erhalten, wäre sicherlich ein vertragliches Interventionsrecht demokratischer Staaten, im Falle eines Militärputsches in einem Vertragsstaat zu intervenieren, um die demokratische Grundordnung wiederherzustellen.191 Jeder (Mitglied-)Staat hat jedoch das Recht auf die Wahl seiner eigenen Regierungsform, wobei diese nicht zwingend demokratisch sein muss.192 Auch hat ein größerer Teil der Mitgliedstaaten, gemessen an den AU-Standards, undemokratische Regierungen, so dass äußerst fraglich ist, ob Art. 4 lit. h) KA-AU nur diesen Fall vorsieht. Er spricht jedenfalls ausdrücklich nur von „legitimer“ Ordnung, womit nicht zwingend demokratische Ordnung gemeint ist. Unter systematischen Erwägungen muss bedacht werden, dass die KAAU und das sekundäre Recht für bestimmte Formen innerer Konflikte, die unter „ernsthafte Bedrohung der legitimen Ordnung“ subsumiert werden könnten, andere Handlungsmechanismen vorsehen als die Intervention nach Art. 4 lit. h) KA-AU. Bei einer der augenscheinlich 190
Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 41.
191
Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 631, 670.
192
Vgl. IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 205, 258; 3. Grundsatz Friendly Relations Declaration.
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schwersten Bedrohungen einer jeden legitimen Ordnung, dem verfassungswidrigen Regierungswechsel, geht die KA-AU einen anderen und weniger einschneidenden Weg als die militärische Intervention. Als Reaktionsmöglichkeiten auf Fälle verfassungswidriger Regierungswechsel statuieren Art. 4 lit. p) KA-AU und Art. 30 KA-AU die Verurteilung und Ablehnung dieser Taten und die Suspendierung der Partizipationsmöglichkeiten der verfassungswidrigen Regierung an den Aktivitäten der Afrikanischen Union sowie die Verhängung von Sanktionen nach Regel 37 Abs. 5 VerfOVers, Art. 7 Abs. lit. g) ProtokollPSC i.V.m. Art. 23 Abs. 2 KA-AU.193 Auch Art. 25 African Charter on Democracy, Elections and Governance sieht nur die Suspendierung der Mitgliedschaft und eine Reihe von Maßnahmen, darunter ökonomische Sanktionen vor. Da die Charta erst 2007 verabschiedet wurde, hätte man die Änderung der KA-AU bereits berücksichtigen und z.B. als Reaktionsmöglichkeit im Falle eines verfassungswidrigen Regierungswechsels eine Verweisung von Art. 25 der Charta auf den neuen Art. 4 lit. h) KAAU vornehmen können; dies jedenfalls wenn „verfassungswidriger Regierungswechsel“ gleichbedeutend sein soll mit „ernsthafter Bedrohung der legitimen Ordnung“. Aus der Systematik der Regelungen des primären und sekundären Rechts ergibt sich folglich, dass es sich hier um zwei unterschiedliche Regime handelt: dem Sanktions- und Suspendierungsregime im Falle verfassungswidriger Regierungswechsel auf der einen, dem Interventionsregime im Falle ernsthafter Bedrohung der legitimen Ordnung auf der anderen Seite. Ein verfassungswidriger Regierungswechsel kann demnach kein (Unter-)Fall der „ernsthaften Bedrohung der legitimen Ordnung“ i.S.v. Art. 4 lit. h) KA-AU sein, da beide Situationen unterschiedliche Rechtsfolgen zeitigen. Dies entspricht auch der bisherigen Praxis der AU-Versammlung und des Friedens- und Sicherheitsrates, die bei verfassungswidrigen Regierungswechseln nur das Suspendierungs- und Sanktionsregime angewandt haben, ohne auf Art. 4 lit. h) KA-AU zu rekurrieren.194 Vom Tatbestand „verfassungswidriger Re193 194
Vgl. Kapitel 3.III.3.b.
Vgl. Decision on the Situation in Madagascar, Dok.Nr. ASS/AU/Dec.7(I), Assembly of the African Union, 1st Ordinary Session vom 9. – 10. Juli 2002; Communiqué, Dok.Nr. Central Organ/MEC/AMB/Comm. (XC), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 90th Ordinary Session vom 17. März 2003 (aufgehoben durch Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXXIII) - (ii), Peace and Security Council, 33rd Ordinary Meeting vom 24. Juni 2005); Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/ Comm.(XXV), Peace and Security Council, 25th Meeting vom 25. Februar 2005;
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gierungswechsel“ werden aber eine Reihe von Fällen erfasst, die allesamt die „legitime Ordnung“ bedrohen können, namentlich: „any putsch or coup d’Etat against a democratically elected government; any intervention by mercenaries to replace a democratically elected government; any replacement of a democratically elected government by armed dissidents or rebels; any refusal by an incumbent government to relinquish power to the winning party or candidate after free, fair and regular elections or any amendment or revision of the constitution or legal instruments, which is an infringement on the principles of democratic change of government.“195 Daher bleiben nur wenige Sachverhalte übrig, die unter Art. 4 lit. h) KA-AU subsumiert werden können. Fallen demzufolge viele Fälle der Bedrohung staatlicher Ordnung nicht unter den Anwendungsbereich der Norm, muss unter teleologischen Gesichtspunkten versucht werden, das Tatbestandsmerkmal weiter zu konkretisieren. Zunächst sollte im Vergleich zu den anderen Interventionsgründen die Interventionsschwelle nicht übermäßig unter die der ersten drei Interventionsalternativen absinken, so dass offenkundig nicht jede Demonstration gegen eine Regierung oder jeder Fall der inneren Unruhen in einem Mitgliedstaat als „ernsthafte Bedrohung“ bezeichnet werden kann. Die Auslegung muss sich aber vor allem im Einklang mit dem zwingenden Gehalt des Selbstbestimmungsrechts der Völker befinden. Bei einer Intervention aufgrund Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen wird das Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Volkes wohl nicht im Kern berührt, da Interventionen aus diesen Gründen dem Menschenrechtsschutz dienen und gerade die Bevölkerung vor Unfreiheit und Zwang schützen sollen. Desgleichen muss also bei einer Intervention zur Wiederherstellung der legitimen Ordnung der Bevölkerung die Möglichkeit verbleiben, in freiem Ermessen über innere Angelegenheiten des Staates zu befinden. Nur so kann ein Konflikt dieses Interventionsgrundes mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker vermieden werden. Letztlich verbleiben in enger Auslegung des Tatbestandsmerkmals nur zwei Fälle, die diesen Anforderungen genügen: der Bürgerkrieg in ei-
Statement, Dok.Nr. PSC/PR/Stat.(XXXVI)-(ii), Peace and Security Council, 36th Meeting vom 4. August 2005; Communiqué on the Comoros, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.1 (XCV), Peace and Security Council, 95th Ordinary Session vom 10. Oktober 2007. 195
Art. 23 African Charter on Democracy, Elections and Governance.
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5. Kapitel
nem Mitgliedstaat und eine failed state-Situation. Diese Konfliktlagen zeitigen zum einen massive Menschenrechtsverletzungen, die in ihrer Schwere den ersten drei Interventionsalternativen entsprechen können. Zum anderen stellen diese gravierenden inneren Konflikte für jeden Staat – unabhängig von der Legitimität der Regierung – eine starke Beeinträchtigung bis hin zum völligen Zusammenbruch von Sicherheit und Ordnung, mithin also der staatlichen bzw. der bis dahin geltenden (legitimen) Ordnung dar. Begünstigter der Intervention ist nicht automatisch die Regierung oder eine (andere) bestimmte Konfliktpartei, sondern auch die Bevölkerung, die wie z.B. in Somalia vor gewaltsamen Übergriffen seitens der Konfliktparteien geschützt werden muss. Im Idealfall wird durch die Intervention die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung erst wieder ermöglicht, z.B. durch die Gewährleistung freier und fairer Wahlen in der Postkonflikt-Phase. Diese beiden Fälle werden zudem nicht vom Sanktionsregime für verfassungswidrige Regierungswechsel erfasst, sondern sind deutlich schwerwiegender. Die hier vorgenommene enge Interpretation kommt auch dem Ansatz der Responsibility to Protect am nächsten, die eine Intervention, neben den ersten drei Interventionsgründen des Art. 4 lit. h) KA-AU, aufgrund des Zusammenbruchs staatlicher Ordnung und der damit einhergehenden Bedrohung der Zivilbevölkerung z.B. durch einen Bürgerkrieg für zulässig erachtet.196 Da diese Konfliktsituationen sich unter Umständen regional auswirken können, entspricht diese Auslegung überdies dem oben geschilderten Willen der Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Vertragsänderung, in solche Konflikte eingreifen zu können, um ein Übergreifen auf andere Mitgliedstaaten oder Regionen zu verhindern. Folge der engen Auslegung ist, dass die Interventionsschwellen der vier Interventionsgründe des Art. 4 lit. h) KA-AU ähnlich hoch sind und die Zielrichtung der Interventionen – der Menschenrechtsschutz – weitestgehend übereinstimmen. Ferner konfligiert Art. 4 lit. h) KA-AU aufgrund des engen Anwendungsbereiches nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, das durch eine Intervention eher ermöglicht und gestärkt als eingeschränkt wird. Die Begrenzung einer „ernsthaften Bedrohung der legitimen Ordnung“ auf Fälle von Bürgerkriegen oder failed state-Situationen führt überdies dazu, dass der Afrikani-
196 The Responsibility to Protect, S. 33. So i.E. auch Kioko, IRRC 85 (2003), S. 807, 818.
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schen Union sog. pro-demokratische Interventionen197 rechtlich nicht gestattet sind.198 Seitens der AU darf vielmehr überhaupt nicht einseitig zur Sicherung einer Regierung oder einer bestimmten Staatsform eingegriffen werden, sondern nur in solchen Fällen, in denen die Staatsgewalt zumindest vorübergehend handlungsunfähig ist, um die Bevölkerung bei der Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts, beispielsweise durch Wahlen oder die Einsetzung einer Übergangsregierung zu unterstützen und ihre Menschenrechte zu schützen. Ebenfalls zerschlagen sich bei der hier gefundenen Lösung die Bedenken in der Literatur, dass Regime zu Lasten der Bevölkerung gestützt werden sollen, da eine Intervention in einer Bürgerkriegs- oder failed state-Situation zunächst einmal die vom Zusammenbruch staatlicher Ordnung betroffene Bevölkerung und mithin auch den Menschenrechtsschutz im Blick hat. Schlussendlich sind für die Afrikanische Union bei allen vier Interventionsgründen die politischen und militärischen Kosten einer Intervention gleich hoch.199
197 Hierzu zuletzt Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 160 ff. m.w.N. 198
Anders Levitt, WisIntLJ 24/3 (2006), S. 785 ff. Diesem zufolge ist sowohl in Art. 4 lit. h) KA-AU als auch in Art. 22 und Art. 10 ProtokollMCPMRPS und Art. 11 Abs. 2 lit. b) Nr. ii) SADC-Protocol on Politics, Defence and Security Co-operation das Recht auf pro-demokratische Intervention zugunsten „demokratisch konstituierter Regierungen“ normiert. Levitt übersieht indes zwei Dinge: Zum einen verkennt er die sich aus der Systematik des primären und sekundären Rechts ergebende Unterscheidung zwischen „verfassungswidrigen Regierungswechseln“ und der „ernsthaften Bedrohung der legitimen Ordnung“. Für erstere steht nach dem hier angenommen Verständnis nicht das Interventionsregime, sondern ausschließlich das darauf explizit bezogene Sanktionsregime der KA-AU, ProtokollPSC, VerfOVers und African Charter on Democracy, Elections and Governance, zur Verfügung. Zum zweiten überdehnt er die Interpretation von Art. 22 und Art. 10 ProtokollMCPMRPS und Art. 11 Abs. 2 lit. b) Nr. ii) SADC-Protocol on Politics, Defence and Security Cooperation, die beide jedenfalls nach dem Wortlaut keine pro-demokratische Intervention zulassen. Art. 11 Abs. 2 lit. b) Nr. ii) SADC-Protocol on Politics, Defence and Security Co-operation sieht zwar die Befugnis vor, dass sich die SADC mit verfassungswidrigen Regierungswechseln befasst, dies soll aber nach Art. 11 Abs. 1 lit. c) und Abs. 3 lit a) friedlich oder nach Art. 11 Abs. 3 lit. c) und d) nur aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates durch Zwangsmaßnahmen geschehen. 199
Darauf weist zu Recht Kioko, IRRC 85 (2003), S. 807, 816 hin.
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5. Kapitel
c. Wann liegt ein Tatbestand i.S.v. Art. 4 lit. h) KA-AU vor? Praktische Schwierigkeiten dürfte die sehr weitreichende Konsequenzen nach sich ziehende Feststellung bereiten, wann eine der Tatbestandsalternativen des Art. 4 lit. h) KA-AU vorliegt. Der Afrikanischen Union stehen hier verschiedene Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung offen, die sie in vielen Fällen bereits genutzt hat. In praxi führte der Kommissionsvorsitzende zahlreiche Missionen in Krisengebiete durch und berichtet darüber dem Friedens- und Sicherheitsrat,200 der wiederum seine Entscheidungen und Empfehlungen der Versammlung vorlegte. Die „Reports“ des Kommissionsvorsitzenden erläutern i.d.R. den Verlauf eines Konfliktes, bereits ergriffene Maßnahmen der AU und deren Wirkungen und geben weitere Handlungsempfehlungen, auf die der Friedens- und Sicherheitsrat und konsekutiv die Versammlung die eigenen Entscheidungen und Empfehlungen stützen. Bisher erarbeitete der Kommissionsvorsitzende über 40 solcher Berichte. Nur einmal wurde bis heute die Frage aufgeworfen, ob ein Tatbestand des Art. 4 lit. h) KA-AU vorliegt. Dies wurde von der Versammlung ausdrücklich verneint.201 Neben dem Kommissionsvorsitzenden und dem Friedensund Sicherheitsrat kann sich auch das Panafrikanische Parlament über einzelne Krisen in Afrika informieren, wobei den Sachverhaltsermittlungen des Parlaments im Gegensatz zu den Kommissionsberichten kaum Bedeutung zukommt. Letztlich ist die Entscheidung, ob der Tatbestand des Art. 4 lit. h) KA-AU vorliegt, eine politische Entscheidung der Versammlung, in der die Staats- und Regierungschefs die politischen, militärischen und sonstigen Kosten einer Intervention (oder eben einer Nichtintervention) einfließen lassen müssen. 200 Art. 3 Abs. 2 lit. s) StatutKomm; Art. 10 Abs. 3 lit. a) S. 2, Abs. 4 ProtokollPSC; Regel 26 Abs. 3 VerfOPSC; Siehe z.B. Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in the Islamic Republic of Mauretania, Dok.Nr. PSC/PR/2(XXXVII) vom 8. September 2005; Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in the Comores, Dok.Nr. PSC/PR/2(XLVII) vom 21. März 2006; Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Darfur, Dok.Nr. PSC/PR/2(LXIII) vom 18. September 2006; Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Côte d’Ivoire, Dok.Nr. PSC/PR/2(LXXIII) vom 16. März 2007; Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Somalia, Dok.Nr. PSC/PR/2(CV) vom 18. Januar 2008. 201
Vgl. Abs. 2 Decision on Darfur, Dok.Nr. ASS/AU/Dec. 54(III), Assembly of the African Union, 3rd Ordinary Session vom 6. – 8. Juli 2004 in dem die Versammlung feststellt, dass es sich bei der Situation der Zivilbevölkerung in Darfur nicht um einen Völkermord handelt.
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2. Art. 4 lit. j) KA-AU a. Hintergrund der Norm Bereits 1965 gab es in der Verteidigungskommission der OAE202 eine lebhafte Debatte, ob ein System von abrufbaren nationalen Einheiten geschaffen werden sollte, die auf Ersuchen eines Mitgliedstaates und auf Beschluss der OAE bei erheblichen inneren Schwierigkeiten (serious internal troubles) eingesetzt werden könnten.203 Dieser Vorschlag Sierra Leones wurde aber aufgrund der Bedenken anderer Mitgliedstaaten zurückgewiesen, die darauf abzielten, dass eine Mißbrauchsgefahr für diktatorische oder unpopuläre Regime bestehen würde, sich mittels eines solchen Eingreifens ihrer Macht zu erhalten.204 Auch der OAE-Gipfel der Staats- und Regierungschefs 1978 beschäftigte sich angesichts des Eingreifens französischer Truppen in der zairischen Provinz Shaba in den Jahren 1977/78 mit der Frage des Eingreifens auf Einladung. Der OAE-Ministerrat einigte sich darauf, dass die Sicherheit und Verteidigung Afrikas in die ausschließliche Verantwortung der Afrikaner falle, dass aber jeder afrikanische Staat das unveräußerliche Recht habe, jedwede Maßnahmen zu ergreifen, um seine Souveränität, Sicherheit, Freiheit und Unabhängigkeit zu sichern und zu schützen.205 Gleichzeitig gaben sie sich besorgt ob der schwierigen Situation auf dem Kontinent, hervorgerufen durch verschiedene nicht-afrikanische (Streit)Kräfte, die den Prozess der Dekolonisierung beeinträchtigten und die Unabhängigkeit und Souveränität Afrikanischer Staaten gefährdeten. Darüber hinaus verurteilten sie die fortwährende Politik der Einmischung, Aggression, Intervention und Expansion externer Kräfte, die auf Beherrschung und Ausbeutung afrikanischer Staaten und deren Bevölkerungen abzielten. Man war sich der Gefahren bewusst, die für die OAE aus einer Politik der Einmischung in interne Angelegenheiten des afrikanischen Kontinents erwachsen. Daher wurde festgehalten, dass keine Macht oder Gruppe außerhalb Afrikas das Recht hätte, sich in interne
202
Zu dieser Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 53 ff.
203
Amate, Inside the OAU, 1986, S. 173 f.
204
Ebenda.
205
Resolution on the inter-african military force of intervention, Dok.Nr. CM/Res. 635 (XXXI), Council of Ministers, 31st Ordinary Session vom 7. – 18. Juli 1978.
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afrikanische Angelegenheiten einzumischen.206 Der tansanische Präsident Nyerere brachte die damalige afrikanische Position zu Interventionen auf Einladung in einer Rede vor den Staats- und Regierungschefs wohl am besten auf den Punkt: Er erklärte, dass jeder afrikanische Staat das Recht habe, militärische Hilfe von einem Land seiner Wahl anzufordern. Allerdings ginge dieses Recht nur soweit, als dass damit keine neo-kolonialistische Beherrschung Afrikas oder einzelner afrikanischer Staaten verbunden sei. Fremde Mächte hätten kein Recht, afrikanische Regierungen an der Macht zu halten, die allgemein als korrupt oder inkompetent gälten oder als Mörderbande angesehen würden, denn die afrikanischen Völker hätten das gleiche Recht, solche Regierungen abzulösen, wie die Völker anderer Staaten. Forderte ein Regime ständig auswärtige Hilfe an, um die Kontrolle über das Land zu behalten, dann würde man sich fragen müssen, ob die Regierung wirklich die Unterstützung des Volkes hat.207 Ein nächster Schritt hin zur jetzigen Norm wurde durch die Etablierung des Mechanismus für Konfliktbewältigung der OAE vollzogen.208 Vor dem Hintergrund einer geänderten Weltlage nach dem Ende des Ost/West-Konflikts wurde in der Kairo-Deklaration die Notwendigkeit festgehalten, kollektiv (durch den neuen Mechanismus der OAE) die internen Konflikte afrikanischer Staaten zu lösen.209 Es ging den OAE-Mitgliedstaaten hierbei darum, ihre eigene Rolle und die Rolle der OAE bei der Konfliktbewältigung in Afrika stärker als bisher hervorzuheben, diese aber auch insoweit realistisch einzuschätzen, dass man auf die finanzielle, logistische und militärische Hilfe der Vereinten
206
Resolution on military interventions in Africa and of measures to be taken against neo-colonialist manoeuvres and interventions in Africa, Dok.Nr. CM/Res. 641 (XXXI), Council of Ministers, 31st Ordinary Session vom 7. – 18. Juli 1978. 207
Zitiert nach Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 379 f.
208
(Cairo) Declaration of the Assembly of Heads of State and Government of the OAU of the Establishment within the OAU of a Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, Dok.Nr. AHG/DECL.3 (XXIX), Assembly of Heads of State and Government of the OAU, 29th Ordinary Session vom 28. – 30. Juni 1993. 209 § 8 ff. Kairo-Deklaration. S.a. §§ 11 f. Declaration on the Political and Socio-Economic Situation in Africa and the Fundamental Changes Taking Place in the World, Dok.Nr. AHG/DECL.1 (XXVI), Assembly of Heads of State and Government of the OAU, 29th Ordinary Session vom 9. – 11. Juli 1990.
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Nationen angewiesen sein würde.210 Unter Beachtung der Ziele und Grundsätze der OAE-Charta, vor allem der souveränen Gleichheit, dem Nichteinmischungprinzip und der Souveränität und territorialen Integrität der OAE-Mitgliedstaaten, sollte der Mechanismus auf der Grundlage der Zustimmung und Kooperation der Konfliktparteien und in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen funktionieren.211 Dies stellte eine – zumindest rechtspolitische – Entwicklung weg von den bis dahin vorherrschenden einseitigen Hilfeleistungen nichtafrikanischer Staaten (oft genug Frankreichs) bei internen Konflikten hin zu einer Präferenz für kollektive OAE- oder UN-Maßnahmen dar, ohne allerdings die Möglichkeit einseitigen Eingreifens einzelner Staaten gänzlich auszuschließen.212 Nach dem Ende des Kalten Krieges rückten regional führende Mächte stärker in den Vordergrund, wenn es um begrenzte militärische Interventionen auf Einladung in einem internen Konflikt ging, so etwa Nigeria in Sierra Leone 1991 und 1997 oder in Liberia 1990.213 Aber auch Frankreich griff in innerstaatliche Konflikte auf dem Kontinent ein, so in Ruanda 1990, in Zaire 1991, im Tschad 1992 (und angedroht 2008214) und in der zentralafrikanischen Republik 1996/1997.215
b. Voraussetzungen des Art. 4 lit. j) KA-AU im Einzelnen Art. 4 lit. j) KA-AU ist Ausprägung der völkerrechtlich anerkannten, aber nicht unumstrittenen Staatenpraxis der „Intervention auf Einladung“. Im Unterschied zu Art. 4 lit. h) KA-AU geht in Art. 4 lit. j) KAAU die Initiative einer Intervention nicht von der Afrikanischen Union selbst, sondern von einem Mitgliedstaat aus. Unklar ist, ob nur der betroffene Mitgliedstaat eine Intervention „in order to restore peace and security“ erbitten darf oder aber auch andere Mitgliedstaaten an seiner statt. Gemäß Art. 4 lit. k) ProtokollPSC muss der Friedens- und Sicherheitsrat das Recht der Mitgliedstaaten, eine In210
§ 25 Kairo-Deklaration.
211
§ 14 Kairo-Deklaration.
212
Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 395.
213 Eingehend Wippman, in: Damrosch (Hrsg.), Enforcing Restraint, 1993, S. 157 ff. 214
FAZ vom 7. Februar 2008, Nr. 32 S. 6.
215
Vgl. Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 331 ff.
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tervention der AU in Übereinstimmung mit Art. 4 lit. j) KA-AU anfordern zu können, beachten. Dies könnte für eine weite Auslegung des Art. 4 lit. j) KA-AU sprechen, so dass jeder Mitgliedstaat eine Intervention in einen anderen Mitgliedstaat erbitten könnte.216 Indes wiederholt Art. 4 lit. k) ProtokollPSC nur die auslegungsbedürftige Norm aus Art. 4 lit. j) KA-AU. Dass der Friedens- und Sicherheitsrat gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. f) ProtokollPSC die Modalitäten einer Intervention in einem Mitgliedstaat nach Art. 4 lit. j) KA-AU bestimmt, hilft bei der Interpretation ebenfalls nicht weiter. „The right of member states to request intervention“ kann in Anlehnung an Regel 4 Abs. 1 lit. f) VerfOVers jedoch auch eng interpretiert und das Einladungsrecht auf den Mitgliedstaat beschränkt werden, in dessen Territorium Frieden und Sicherheit wiederhergestellt werden soll. Die Versammlung entscheidet hiernach über die Intervention in einem Mitgliedstaat auf Anfrage dieses Mitgliedstaates (on intervention in a Member State at the request of that Member State). Obwohl also vom Recht der „Mitgliedstaaten“ gesprochen wird, muss darunter nicht das Recht eines oder mehrerer Mitgliedstaaten verstanden werden, eine Intervention in einem anderen Mitgliedstaat anfordern zu können. Vielmehr muss Art. 4 lit. j) KA-AU dahingehend ausgelegt werden, dass allen Mitgliedstaaten das Recht zusteht zu beantragen, dass bei ihnen interveniert wird.217 Diese enge Interpretation entspricht außerdem dem hergebrachten Verständnis der Intervention auf Einladung, bei der nur auf die Einladungsbefugnis der anerkannten Vertreter des betroffenen Staates abgestellt wird. Wie schon bei Art. 4 lit. h) KA-AU wird auch bei Art. 4 lit. j) KA-AU befürchtet, dass sich einige Staaten auf eine Bedrohung von Frieden und Sicherheit berufen könnten, um mit Hilfe der AU Aufstände gegen das eigene Regime oder Sezessionsbestrebungen zu zerschlagen.218 Diese Befürchtung wird von der bisherigen Interventionspraxis afrikanischer Staaten nicht gestützt und entspricht nicht der Entstehungsgeschichte der Norm. Wie bereits erläutert, ist eine Intervention auf Einladung nicht aus jedem Grund und eine Einladung nicht durch jede Regierung völkerrechtlich zulässig. So wird mit Blick auf den Schutzgehalt des Selbstbestimmungsrechts der Völker einer Regierung, die dieses dem 216 So Kioko, IRRC 85 (2003), S. 807, 817; Allain, MPYUNL, 8 (2004), S. 237, 283 f. 217 218
So auch Cilliers/Sturman, African Security Review 11/3 (2002), S. 29, 36 f.
Baimu/Sturman, African Security Review 12/2 (2003), S. 37, 43 f.; Ouguergouz/Tehindrazanarivelo, in: Kohen (Hrsg.), Secession, 2006, S. 257, 272 f.
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eigenen Volk verweigert, das Recht abgesprochen, sich mittels fremder Truppen die völkerrechtswidrige Herrschaft zu sichern.219 Gleiches gilt für eine Regierung, die schwere Menschenrechtsverletzungen begeht, also z.B. Völkermord oder Apartheid betreibt.220 Ebenso wird eine Intervention fremder Truppen zum Zweck der Beeinflussung eines friedlichen politischen Prozesses als gegen das Selbstbestimmungsrecht verstoßend und damit als völkerrechtlich unzulässig erachtet,221 desgleichen ein Eingreifen fremder Truppen zur Niederschlagung von Volksaufständen.222 Da Art. 4 lit. j) KA-AU als Kodifizierung des völkerrechtlich anerkannten Interventionsrechts auf Einladung zu verstehen ist, müssen in Anwendung der Norm dieselben Restriktionen gelten. Art. 4 lit. j) KA-AU geht ferner davon aus, dass eine Intervention auf Einladung nur zulässig ist, um Frieden und Sicherheit wiederherzustellen. So schwierig im Einzelnen die Auslegung dieser beiden Begriffe sein mag, deutlich wird jedenfalls, dass nur die erhebliche Beeinträchtigung der innerstaatlichen Ordnung einen Staat berechtigt, eine Intervention von außen zu erbitten. Die Bestimmung muss ferner im systematischen Zusammenhang mit den Interventionsgründen aus Art. 4 lit. h) KA-AU und dort insbesondere mit der neuen Tatbestandsalternative gesehen werden, die die Interventionsschwelle nach der hier vertretenen Auslegung sehr hoch anlegt. Eine ähnliche Eingriffsschwelle dürfte für Art. 4 lit. j) KA-AU gelten. Jedoch sind Interventionen auf Einladung
219 Vgl. Cassese, in: ders. (Hrsg.), The Current Legal Regulation of the Use of Force, 1986, S. 505, 516 f.; ders., Self-determination of peoples, 1995, S. 200; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 809 ff. S.a. Art. 7 Aggressionsdefinition. Eine ausführliche Analyse der Staatenpraxis hierzu bietet Doswald-Beck, BYIL 56 (1985), S. 189, 200 ff.; Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 247 f. 220
Schachter, International Law in Theory and Practice, 1991, S. 115; Wippman, DuJCIL 7 (1996), S. 209, 215; Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 236, 248, 259 f., 579. 221 Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 566. In diese Richtung auch Doswald-Beck, BYIL 56 (1985), S. 189, 242 f.; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 629. 222 Cassese, in: ders. (Hrsg.), The Current Legal Regulation of the Use of Force, 1986, S. 505, 516 f.; Schachter, International Law in Theory and Practice, 1991, S. 115; Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Vol. I, 9. Aufl. 1992, S. 438; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 629; Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 579. S.a. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 237 f.
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aus anderen als in Art. 4 lit. h) KA-AU angenommenen Gründen denkbar und völkerrechtlich zulässig, z.B. im Falle eines Militärputsches oder einer gewaltsamen Sezessionsbestrebung.223 Insofern ist der Anwendungsbereich des Art. 4 lit. j) KA-AU weiter als der von Art. 4 lit. h) KA-AU. Eine Einladung einer Regierung nach Art. 4 lit. j) KA-AU muss aber immer den unter I.5 erörterten Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung in die Intervention genügen, so dass gerade repressive Regierungen keine Interventionen fordern können, die das Recht der Bevölkerung auf politische, soziale und wirtschaftliche Partizipation und Entwicklung einschränken, da ansonsten der zwingende Gehalt des Selbstbestimmungsrechts verletzt würde. Die militärischen, finanziellen und politischen Kosten, die eine Intervention zeitigt, müssen überdies mit bedacht werden, so dass nicht zu befürchten ist, dass die AU jeder Interventionsbitte einer Regierung nachgeben wird. Insgesamt ist Art. 4 lit. j) KA-AU also eng auszulegen, beschränkt auf Fälle erheblicher innerstaatlicher Beeinträchtigungen des Friedens und der Sicherheit, und darauf, dass die Regierung nach den für die Intervention auf Einladung anerkannten Grundsätzen überhaupt eine Einladungsbefugnis besitzt.224
III. Zwischenergebnis Die Interventionsrechte der Afrikanischen Union in Art. 4 lit. h) und j) KA-AU sind im Recht der Internationalen Organisationen in dieser Form neu und bisher einzigartig. Sie normieren zum einen völkerrecht-
223 Vgl. Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Vol. I, 9. Aufl. 1992, S. 437 f.; Nolte, Eingreifen auf Einladung, 1999, S. 563 f.; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 112 f. 223 Vgl. IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 206 ff.; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 70; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 66 f., 87 ff. 224 Dem Befund Nzisabira, Von der Organisation der Afrikanischen Einheit zur Afrikanischen Union, 2006, S. 126 f., dass die Intervention auf Einladung nach Art. 4 lit. j) KA-AU völkerrechtlich völlig unproblematisch ist, kann nach dem Gesagten keinesfalls zugestimmt werden.
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liche Entwicklungen wie die Responsibility to Protect (Art. 4 lit. h) KAAU), zum anderen die völkerrechtlich anerkannte Intervention auf Einladung (Art. 4 lit. j) KA-AU). Bemerkenswert ist im afrikanischen Kontext der sich jedenfalls aus der hier vorgenommen Auslegung ergebende starke Menschenrechtsfokus der Interventionsalternativen. Maßstäbe setzt die KA-AU zudem durch die Verknüpfung dieser Interventionsregeln mit institutionellen Neuerungen wie dem Friedens- und Sicherheitsrat und der afrikanischen Bereitschaftsarmee, die eine erfolgreiche Intervention auf Grundlage der KA-AU überhaupt erst ermöglichen können. Nachgewiesen werden konnte, dass die Interventionsrechte der KA-AU aufgrund ihres hier angenommenen engen Anwendungsbereiches und aufgrund der vertraglichen Einwilligung der Mitgliedstaaten völkervertragsrechtlich zulässig und mit zwingendem Völkerrecht vereinbar sind. Im Falle einer Intervention aufgrund von Art. 4 lit. j) KAAU muss aber immer eine nach den dargestellten Kriterien wirksame Einladung der Regierung und unter Umständen auch der anderen Konfliktparteien vorliegen, um eine Verletzung zwingenden Völkerrechts auszuschließen. Zudem besteht für die Mitgliedstaaten jederzeit das Recht, ihre Unterwerfung unter das vertragliche Interventionsregime durch Austritt aus der Organisation zurückzuziehen.
6. Kapitel: Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII UN-Charta Kapitel VIII UN-Charta ordnet das (Rang-)Verhältnis zwischen den Vereinten Nationen und Regionalorganisationen bei der friedlichen Beilegung örtlich begrenzter Streitigkeiten und der Durchführung von Zwangsmaßnahmen. Dem universalistischen Ansatz eines Systems kollektiver Sicherheit wie es die UN-Charta insgesamt vorsieht, steht mit dem in Kapitel VIII UN-Charta enthaltenen Regionalismus ein dezentralisiertes System der Friedenswahrung durch Regionalorganisationen gegenüber.1 Zwar ist die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch ein System kollektiver Sicherheit von ihrer theoretischen Konzeption her auf die Verwirklichung auf universaler Ebene angelegt, jedoch hindert dies nicht die Schaffung regionaler Systeme, da sicherheitsfördernde Institutionen in einer Region ein besser überschaubares und ausbalancierbares Kräftesystem gewährleisten und so auf unterer Ebene Sicherheit auch im Universalinteresse gewährleisten können.2 Regionalorganisationen sollen dementsprechend mit gewisser Autonomie von den Vereinten Nationen in eigener Zuständigkeit lokale Konflikte beilegen und dadurch den Zielen der Vereinten Nationen – allen voran der Wahrung des Weltfriedens – dienen. Sie ergänzen insoweit das Weltsicherheitssystem und verhindern die Ausweitung von Konflikten.3 Regionale Systeme funktionieren nach den gleichen Voraussetzungen wie ein universales System kollektiver Sicherheit. Allerdings kommt aufgrund der räumlichen Begrenztheit eine dem universellen System fremde Außenorientierung hinzu, so dass regionale Systeme kollektiver 1 Scelle, Manuel de Droit International Public, 1948, S. 785; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 32; Lang, Der internationale Regionalismus, 1982, S. 44 ff.; Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 21; ders., Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 27, 73. 2 So Meyn, in: Schwarz (Hrsg.), Sicherheitspolitik, 3. Aufl. 1978, S. 111, 125; Schmolinsky, Friedenssicherung durch regionale Systeme kollektiver Sicherheit, 2000, S. 45. 3
Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 32 f.
D. Barthel, Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 224, DOI 10.1007/978-3-642-20034-2_7, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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6. Kapitel
Sicherheit auch Komponenten von Systemen kollektiver Verteidigung enthalten können. Die Grenzen zwischen beiden Systemen sind auf regionaler Ebene, anders als es die Aufteilung in Art. 51 und 52 f. UNCharta zunächst vermuten lässt, fließend.4 Den regionalen Systemen kollektiver Sicherheit werden eine Reihe von Vorteilen bei der Konfliktprävention und -bewältigung zugeschrieben:5 Der für ein solches System notwendige Konsens zwischen den beteiligten Staaten würde eher erreicht als auf universaler Ebene.6 Die Mitgliedstaaten hätten aufgrund ihrer räumlichen Nähe die Folgen eines Krieges zwischen ihnen stärker zu fürchten als außerhalb der Region befindliche Staaten. Sie seien daher eher an einer Verhinderung bzw. Beilegung von Konflikten interessiert.7 Die Mitgliedstaaten wären zur Streitbeilegung auch dadurch besser befähigt, dass sie die lokalen Besonderheiten, Traditionen und Problemzusammenhänge besser verstünden und durch persönliche Verbindungen die Streitbeilegung fördern könnten.8 Ihre Einmischung würde desweiteren über eine höhere Legitimität verfügen als die von Drittstaaten. Aufgrund der Aufgabenbegrenzung regionaler Systeme kollektiver Sicherheit, könnten Konflikte außerdem schneller und effektiver angegangen werden als auf universeller Ebene.9 Art. 52 ff. UN-Charta sind Ausdruck eines nur unzulänglichen und semantisch unklaren Mittelweges der bis heute existierenden Konkurrenz zwischen regionalen und universellen Bestrebungen in der Konfliktprävention und -bewältigung.10 Aufgrund dieses Kompromisscha4 Kimminich, in: Lutz (Hrsg.), Kollektive Sicherheit in und für Europa, 1985, S. 47, 55; Nolte, ZaöRV 54 (1994), S. 95, 111 f.; Frowein, in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 62; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 70 f.; Schmolinsky, Friedenssicherung durch regionale Systeme kollektiver Sicherheit, 2000, S. 45. 5
Vgl. MacFarlane/Weiss, Third World Quarterly 15/2 (1994), S. 277, 282 f.; Kern, Global Governance durch UN und Regionalorganisationen, 2002, S. 15 f.; Scorgie, KAIPTC-Paper 16 (2007), S. 1, 7 f. 6
Czempiel, Die Reform der UNO, 1994, S. 76 f.
7
MacFarlane/Weiss, Third World Quarterly 15/2 (1994), S. 277, 282 f.
8
Schmolinsky, Friedenssicherung durch regionale Systeme kollektiver Sicherheit, 2000, S. 46 f. m.w.N. 9 MacFarlane/Weiss, Third World Quarterly 15/2 (1994), S. 277, 283; Kern, Global Governance durch UN und Regionalorganisationen, 2002, S. 16. 10 Russell, A History of the United Nations Charta, 1958, S. 688 ff.; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 13 f.; Lang, Der internationale Regionalismus, 1982, S. 25 ff.; Wolfrum, ZaöRV 53 (1993), S. 576 f.; Wolf, Regional Arran-
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
283
rakters ist die rechtliche Beziehung zwischen universeller und regionaler Ebene bei der Wahrung des Weltfriedens schwer zu bestimmen. Die einzelnen Regelungen werden bis heute kontrovers diskutiert, sowohl was das Verhältnis von Kapitel VIII UN-Charta zum sicherheitsratszentrierten Ansatz nach Art. 24 UN-Charta, als auch damit zusammenhängend, was den Vorrang entweder des universellen oder des regionalen Systems kollektiver Sicherheit bei der friedlichen Streitbeilegung nach Art. 52 UN-Charta und bei der Durchführung von Zwangsmaßnahmen nach Art. 53 UN-Charta betrifft. In diesem Kapitel soll dieser sehr umfangreiche Fragenkomplex zugespitzt auf das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur diskutiert werden. Hierfür muss zunächst die AU als Internationale Organisation in Kapitel VIII UN-Charta richtig verortet werden (I.). Bedeutsam für die Bestimmung des Verhältnisses beider Ebenen zueinander ist, welcher der beiden Organisationen bei der friedlichen Konfliktbewältigung in Afrika Vorrang zukommt. Das eigene Selbstverständnis der AU, die maßgebliche Instanz zur Friedenswahrung in Afrika zu sein, soll hierbei mit in die Betrachtungen einfließen (II.). Ferner sind die Interventionsrechte der Afrikanischen Union nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU an den Voraussetzungen des Art. 53 UN-Charta zu messen und auf deren Kompatibilität hin zu untersuchen. Ganz wesentlich ist hierfür der Begriff der „Zwangsmaßnahme“, den es ebenso zu erörtern gilt, wie das komplexe Verhältnis beider Ebenen zueinander bei deren Durchführung (III.). Abschließend soll noch kurz der Problemkreis „humanitäre Intervention“ erörtert werden (IV.). Inwieweit die bisherigen Missionen der Afrikanischen Union mit Kapitel VIII UN-Charta zu vereinbaren sind, ist dann Gegenstand des letzten Kapitels dieser Arbeit.
I. Die Afrikanische Union – eine Regionalorganisation i.S.v. Kapitel VIII UN-Charta? Zunächst ist zu klären, ob es sich bei der Afrikanischen Union um eine Regionalorganisation i.S.d. Kapitel VIII UN-Charta handelt. Dies ist Grundvoraussetzung, um überhaupt im Rahmen der Art. 52 ff. UN-
gements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 92 f.; Hummer/ Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 3 ff., insb. 8 ff. und 14 ff.
284
6. Kapitel
Charta tätig werden zu können. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale einer Regionalorganisation sind in Art. 52 UN-Charta festgelegt. Eine Regionalorganisation ist demzufolge eine regionale, mit den Zielen der UN-Charta vereinbare Einrichtung oder Abmachung zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale sind bis heute umstritten.
1. Regionale Abmachung oder Einrichtung Obwohl begrifflich in Art. 52 Abs. 1 UN-Charta getrennt, werden Abmachungen oder Einrichtungen jedenfalls im Ergebnis synonym behandelt, da die Voraussetzungen für ein Tätigwerden nach Kapitel VIII UN-Charta, ihre Zielsetzungen und die rechtlichen Konsequenzen ihrer Maßnahmen dieselben sind.11 Verwendet wird häufig auch der Oberbegriff der Regionalorganisation.12 Regionalorganisationen i.S.v. Art. 52 f. UN-Charta müssen nach verbreiteter Ansicht aus souveränen Staaten bestehen und auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruhen. Die Mitgliedschaft darf zudem nicht erzwungen sein.13 Völkerrechtspersönlichkeit der Regionalorganisation ist indes keine notwendige Voraussetzung.14 Bei der Afrikanischen Union handelt es sich unschwer um eine Regionalorganisation in diesem Sinne, da sie durch einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen souveränen Staaten gegründet und mit eigenen Organen und Völkerrechtssubjektivität ausgestattet worden ist. Auf11 Dazu Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 319; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 20 f.; Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 2; Wolfrum, ZaöRV 53 (1993), S. 576 f.; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 39 f. 12
Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 39. 13 Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 319; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 21. S.a. Kühne, Friedenssicherung durch regionale Organisationen in Europa, 1998, S. 44 ff.; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 136 ff.; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 32 ff. 14
Theuermann, in: Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 231, 234; Wolfrum, ZaöRV 53 (1993), S. 576 f.; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 93.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
285
grund ihrer spezifischen Mitgliederstruktur erfüllt die AU ferner alle von den verschiedenen Auffassungen in der Literatur vorgebrachten Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal „Regionalität“: enge geographische Nachbarschaft,15 kulturelle, sprachliche und historische Verknüpfung,16 dauerhafte und hinreichend stabile Verbindung der Mitgliedstaaten17 und nicht-universelle Mitgliedschaft18.
2. Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit Eine Regionalorganisation i.S.v. Kapitel VIII UN-Charta muss der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dienen. Abzugrenzen ist in diesem Zusammenhang zwischen regionalen Systemen kollektiver Sicherheit und solchen kollektiver Selbstverteidigung. Erste werden von Art. 52 und 53, letztere hingegen von Art. 51 UNCharta erfasst, denn Art. 51 und Kapitel VIII UN-Charta sehen unterschiedliche Voraussetzungen, Funktionen und Rechtsfolgen vor. Insbesondere setzt Art. 51 UN-Charta das Vorliegen eines bewaffneten Angriffs voraus.19 Die Systeme unterliegen zudem unterschiedlichen Berichtspflichten aus Art. 51 S. 2 und 54 UN-Charta.20 Die Afrikanische
15
Yepes, RdC II/1947, S. 227, 249 f.; Boutros-Ghali, Contribution a L’Étude des Ententes Régionales, 1949, S. 45 ff.; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 24 ff., 33; Farer, in: Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 275, 276. 16 Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl. 1964, S. 542; Theuermann, in: Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 231, 234. 17 Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 39 ff.; Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach Kapitel VIII SVN, 1997, S. 93 ff.; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 134 f.; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 31. 18 Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 319 f.; ebenso Kühne, Friedenssicherung durch regionale Organisationen in Europa, 1998, S. 51 ff. 19 20
Dazu bereits Kapitel 4.III.2.
Ausführlich hierzu Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 52 ff.; Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 4; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 47 ff.; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach
286
6. Kapitel
Union nimmt zwar eine Reihe anderer als sicherheitspolitischer Aufgaben wahr, so vor allem hinsichtlich der sozio-ökonomischen Entwicklung des Kontinents. Für die Einordnung in Kapitel VIII UN-Charta relevant sind aber einzig die Funktionen bzw. Kompetenzen der Organisation im Bereich der Friedenssicherung.21 Die Definition und Konzeption eines Systems kollektiver Sicherheit ist stark vom Vorbild der Vereinten Nationen geprägt. Oberstes Ziel ist die Friedenswahrung unter den Mitgliedern. Zu diesem Zweck und zur Vermeidung von Angriffskriegen und bewaffneten Auseinandersetzungen bezieht es in seinen Mitgliederkreis Staaten mit ein, die als potentielle Kriegsgegner in Betracht kommen. Streitigkeiten sollen möglichst friedlich innerhalb des Systems gelöst werden. Gelingt dies nicht, so kann das Mitglied, das zur ungerechtfertigten bewaffneten Gewalt greift, durch die anderen Mitglieder des Systems zum Unterlassen der Aggression gezwungen werden. Ideale Voraussetzungen eines Systems kollektiver Sicherheit sind, dass es erstens ein absolutes Gewaltverbot enthält, zweitens die institutionellen und politischen Voraussetzungen zur bindenden Feststellung der Verletzung des Gewaltverbots sowie drittens die militärischen Fähigkeiten besitzt, gegen den verletzenden Mitgliedstaat (Zwangs-)Maßnahmen selbst oder durch die Mitgliedstaaten herbeizuführen, um Frieden wiederherzustellen.22
Kapitel VIII SNV, 2001, S. 140 ff.; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 42 f. 21 Dazu Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 90 f., 98; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91. 22 Vgl. Bindschedler, in: Schätzel/Schlochauer (Hrsg.), FS Wehberg, 1956, S. 67 ff.; Scheuner, in: Strupp/Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1961, Kollektive Selbstverteidigung, S. 242 f.; Kimminich, in: Lutz (Hrsg.), Kollektive Sicherheit in und für Europa, 1985, S. 47, 51 f.; Ipsen, in: ders./Fischer (Hrsg.) Chancen des Friedens, 1986, S. 55 ff.; Doehring, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Kollektive Sicherheit (55), Rn. 2; ders., Systeme kollektiver Sicherheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, 1992, S. 669, 671 Rn. 2; Delbrück, Collective Security, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. I, 1992, S. 646, 647 ff.; Schaub, Neutralität und Kollektive Sicherheit, 1995, S. 43 ff.; Freudenschuß, in: Cede/SucharipaBehrmann, United Nations, 2001, S. 73 f.; Krisch, Selbstverteidigung und kollektive Sicherheit, 2001, S. 167 ff.; Wolfrum, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 1 Rn. 13; Rittberger/Zangl, Internationale Organisationen, 3. Aufl. 2003, S. 192 f.; Lebedev, African Geopolitics Special Edition, Juni 2005, S. 183, 185; Varwick, Die NATO, 2008, S. 12 f. Systemtheoretische Unter-
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
287
Ein System kollektiver Selbstverteidigung (auch Verteidigungsbündnis) ist hingegen auf die Abwehr von externen Bedrohungen oder Angriffen auf die Gemeinschaft oder eines ihrer Mitglieder gerichtet. Der Aggressor, gegen den ein Verteidigungsbündnis vorgeht, ist immer ein Nichtmitglied.23 Ein Verteidigungsbündnis kann Elemente eines Systems kollektiver Sicherheit enthalten, d.h. auch hier sollen die Mitglieder sich nicht gegenseitig angreifen und ihre Streitigkeiten im Rahmen des Bündnisses friedlich lösen. Allerdings ist das Primärziel nicht die interne Friedenswahrung, sondern die Abwehr von externen Angriffen gegen das Bündnis und der Schutz der Souveränität und territorialen Integrität der Mitgliedstaaten. Erfolgt ein Angriff auf ein Mitglied oder die Gemeinschaft, so kann dieses mit Unterstützung durch die anderen Bündnispartner rechnen. Eine Zentralinstanz zur bindenden Entscheidung über das Vorliegen eines Angriffs und die zu treffenden Maßnahmen ist im Gegensatz zu einem System kollektiver Sicherheit ebenso wenig notwendig, wie die Durchsetzung eines umfassenden Gewaltverbots. Gehandelt wird vielmehr vor dem Hintergrund des Selbstverteidigungsrechts, was in Art. 51 UN-Charta deutlich zum Ausdruck kommt. Die Einschränkung einzelstaatlicher Souveränität ist bei einem Verteidigungsbündnis also weniger weitgehend als bei einem System kollektiver Sicherheit.24 Aus der KA-AU heraus lässt sich eine Einordnung in eines der beiden Systeme nur bedingt vornehmen. Zum einen enthält sie in Art. 4 lit. e) und f) KA-AU zwei grundlegende Merkmale eines Systems kollektiver Sicherheit, nämlich die Pflicht zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten und ein absolutes Gewaltverbot. Zum anderen sollen jedoch gemäß Art. 4 lit. d) KA-AU eine gemeinsame Verteidigungspolitik etabliert und nach Art. 3 lit. b) KA-AU die Souveränität, territoriale Integrität
suchung bei Jaberg, Systeme kollektiver Sicherheit in und für Europa, 1998, insb. S. 141 ff. 23 Ipsen, in: ders./Fischer (Hrsg.) Chancen des Friedens, 1986, S. 55, 57 f.; ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 60 Rn. 1. 24
Vgl. Doehring, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Kollektive Sicherheit (55), Rn. 2; ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, 1992, S. 669, 672 Rn. 3; ders., Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, Rn. 419, 458 f.; Delbrück, Collective Security, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. I, 1992, S. 646, 647; Schaub, Neutralität und Kollektive Sicherheit, 1995, S. 47 f.; Wolfrum, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 1 Rn. 13. Zur Unterscheidung von kollektiver Sicherheit und kollektiver Selbstverteidigung auch Bowett, in: Boutros-Ghali (Hrsg.), FS de Aréchaga 1994, S. 425 ff.
288
6. Kapitel
und Unabhängigkeit der Mitgliedstaaten geschützt werden. Dies könnte eher für ein System kollektiver Selbstverteidigung sprechen. Auch ein solches kann die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung und zum Gewaltverbot enthalten. Die KA-AU sieht jedoch in Art. 5 Abs. 1 lit. a) und f) (neu) mit der Versammlung und dem Friedens- und Sicherheitsrat zwei Organe vor, die für die Mitgliedstaaten verbindliche Entscheidungen bezüglich der friedlichen Streitbeilegung, nicht-militärischer und im Falle von Art. 4 lit. h) und j) KA-AU auch militärischer Maßnahmen treffen können.25 Dies ist im Unterschied zu einem System kollektiver Selbstverteidigung notwendige Voraussetzung eines Systems kollektiver Sicherheit. Indes geht die Entscheidungskompetenz dieser Organe nicht so weit, bei einer Verletzung des Gewaltverbots unter den Mitgliedern Zwangsmaßnahmen zu beschließen oder durchzusetzen. Das Interventionsrecht aus Art. 4 lit. h) KA-AU bezieht sich, wie im letzten Kapitel gezeigt wurde, nur auf ganz gravierende Fälle von Menschenrechtsverletzungen. Es ist aber keine generelle Kompetenznorm zur Ergreifung militärischer Maßnahmen gegen einen Aggressor. Insofern hat die Afrikanische Union im Falle einer Aggression durch einen Mitgliedstaat zwar die Möglichkeit eine Verletzung des Gewaltverbots und damit auch eine Verletzung der Prinzipien der KA-AU festzustellen. Diese Feststellung kann dann nichtmilitärische Sanktionen gemäß Art. 23 Abs. 2 KA-AU nach sich ziehen. Die Einhaltung des Gewaltverbots militärisch erzwingen kann sie anders als der UN-Sicherheitsrat jedoch nicht. Zieht man das ProtokollPSC zur Einordnung heran, wird schon in der Präambel deutlich, dass der Friedens- und Sicherheitsrat als zentrales Instrument der Konfliktprävention und -bewältigung auf dem Kontinent konzipiert ist. Er fungiert als Mechanismus der kollektiven Sicherheit und als Frühwarnsystem für die schnelle und effiziente Reaktion auf Konflikte und Krisensituationen in Afrika.26 Der Friedens- und Sicherheitsrat hat indes nicht die Kompetenz, umfassende Zwangsmaßnahmen gegen aggressive Mitglieder einzuleiten. Der Schwerpunkt seiner Funktionen liegt auf diplomatischer Konfliktprävention, Peacebuilding und Postkonflikt-Wiederaufbau.27 Diesen Maßnahmen kommt kein Zwangscharakter zu, insoweit sie mit Einverständnis der Konflikt-
25 Art. 9 Abs. 1 lit. g) KA-AU; Art. 23 Abs. 2 KA-AU; Art. 30 KA-AU. S.a. Regel 4 und 33 VerfOVers. 26
Art. 2 Abs. 1 ProtokollPSC.
27
Vgl. Art. 6 lit. a) b), c), d) und e); Art. 14 ProtokollPSC.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
289
parteien vorgenommen werden. Auch die Bereitschaftsarmee soll, wie bereits dargestellt, in diesem Rahmen vornehmlich als Peacekeepingund Peacebuilding-Truppe fungieren und ist nicht dafür vorgesehen, Aggressionen unter den Mitgliedstaaten durch militärische Maßnahmen zu unterbinden. Sie ist vielmehr Instrument eines auf der Zustimmung der Konfliktparteien beruhenden Konfliktvermeidungs- und Lösungsmechanismus. Für ein System kollektiver Sicherheit spricht, dass der Friedens- und Sicherheitsrat selbständig und aus eigenem Antrieb im Namen der Mitgliedstaaten entscheiden kann und die Mitgliedstaaten an die Entscheidungen gebunden sind und sie umsetzen müssen. Ferner müssen sie ihm volle Kooperation bei der Konfliktprävention und bewältigung leisten und seine Arbeit unterstützen.28 Der Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt stellt nicht explizit nur auf Aggressionen von außen, sondern generell auf solche von Staaten oder Staatengruppen gegen einen Vertragsstaat ab. Zielsetzungen des Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakts sind die Förderung der friedlichen Koexistenz in Afrika, die Prävention zwischen- oder innerstaatlicher Konflikte und die friedliche Beilegung von Auseinandersetzungen in oder zwischen Mitgliedstaaten.29 Dies spricht dafür, dass mit dem Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt ein System kollektiver Sicherheit anvisiert ist. Auf der anderen Seite sichern sich die Mitgliedstaaten gegenseitige Hilfe für ihre gemeinsame Verteidigung und Sicherheit gegen jede Form der Aggression zu und verpflichten sich, individuell und kollektiv mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Mitgliedstaaten gerichtete Aggressionshandlungen vorzugehen.30 Die Verteidigung gegen Aggressionshandlungen ist damit primär bei den Staaten und nicht bei der Afrikanischen Union angesiedelt. Dies spricht – wie in Kapitel 4.III.2 erörtert – eher für ein System kollektiver Selbstverteidigung, denn auch hier fehlen die Kompetenzen eines unabhängigen Organs letztentscheidend die militärischen Reaktionen auf Aggressionshandlungen eines Mitgliedstaates festzulegen. Die AU verfolgt nach dem Gesagten also die wesentlichen Zwecke eines Systems kollektiver Sicherheit, nämlich die Verhinderung von Aggression unter den Mitgliedstaaten und die Friedenswahrung. Sie verfügt zudem über institutionalisierte und teilweise verbindliche Streitbei28
Art. 7 Abs. 2, 3 und 4; Art. 9 Abs. 1; Art. 13 Abs. 17 ProtokollPSC.
29
Art. 2 lit. a) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt. S.a. Art. 1 lit. j), 3 lit. a) und 15 Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt. 30
Art. 4 lit. a) und b) Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt.
290
6. Kapitel
legungsmechanismen und ein Gewaltverbot unter den Mitgliedstaaten. Im Kern ist sie demnach als System kollektiver Sicherheit zu verstehen, selbst wenn sie letztlich keine einseitigen militärischen Maßnahmen gegen ein Mitglied zur Unterbindung einer Aggression treffen kann. Daneben enthält die AU vor allem im Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt Bestimmungen zur kollektiven Selbstverteidigung. Die AU soll danach langfristig, wenn alle Instrumente umgesetzt sind, Funktionen sowohl eines Systems kollektiver Sicherheit als auch eines Systems kollektiver Selbstverteidigung erfüllen, wobei ersterer größere Bedeutung zukommt. Dies hat seinen Grund schon allein darin, dass afrikanische Staaten seit Ende der Dekolonisierung keinen bewaffneten Angriffen von außerhalb des Kontinents ausgesetzt waren, sondern in der bisherigen Praxis, auf die in Kapitel 7 detailliert einzugehen sein wird, innerstaatliche und zwischenstaatliche Konflikte die Sicherheitspolitik der Mitgliedstaaten und der Organisation beherrschen.31 Diese Doppelfunktion ist für die Einordnung nach Art. 52 f. UN-Charta indes unschädlich. Durch die Verschiebung der Aufgaben regionaler Organisationen und die Wahrnehmung sowohl von Funktionen kollektiver Sicherheit und kollektiver Selbstverteidigung setzt sich in der Literatur und Praxis immer mehr die Auffassung durch, dass die Unterscheidung dieser beiden Bündnisarten nicht mehr eindeutig zu ziehen ist.32 Wie bei der AU deutlich wird, können Systeme kollektiver Sicherheit gleichzeitig auch Funktionen kollektiver Selbstverteidigung wahrnehmen und umgekehrt.33 Letztlich wird daher bei der Einordnung nach Art. 51 bzw. 52 UN-Charta nicht so sehr die institutionelle und kompetenzielle Struktur einer Organisation, sondern vielmehr die Funktion der Regionalorganisation im konkreten Fall entscheidend sein. Im Falle einer kollektiven Reaktion auf einen bewaffneten Angriff von außerhalb des Systems wird auf Art. 51 UN-Charta, im Falle der Binnenorientierung der Organisation auf Art. 52 bzw. 53 UN-Charta 31
In diese Richtung auch van Steenberghe, RGDIP 113/1 (2009) S. 125,
134 f. 32 Delbrück, Collective Security, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. I, 1992, S. 646, 648. S.a. Kühne, Friedenssicherung durch regionale Organisationen in Europa, 1998, S. 37 ff. 33 Vgl. Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 11; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, 1991, Art. 52 Rn. 42; Frowein, in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 62; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
291
abgestellt werden müssen.34 Dementsprechend wird bei Maßnahmen der AU, außer im Fall der Verteidigung gegen einen Aggressor von außerhalb, der bisher nicht relevant geworden ist, vorrangig Kapitel VIII UN-Charta zur Anwendung kommen.
3. Vereinbarkeit mit den Zielen und Prinzipien der Vereinten Nationen Eine Organisation deren Ziele und Grundsätze denen der Vereinten Nationen widersprechen, kann nicht als Regionalorganisation i.S.v. Kapitel VIII UN-Charta anerkannt werden. Dies bringt Art. 52 Abs. 1 letzter HS. UN-Charta zum Ausdruck.35 Die Vereinbarkeit muss für jede Regionalorganisation anhand der Satzung und der Praxis geprüft werden.36 Hierfür sind vornehmlich Art. 1 und 2 UN-Charta heranzuziehen, deren Ziele und Grundsätze nicht isoliert, sondern im Lichte des Gesamtkontextes der UN-Charta zu interpretieren sind.37 Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Verhältnis von Art. 52 zu Art. 103 UN-Charta, für das geklärt werden muss, nach welcher Norm eine Kollision zwischen der UN-Charta und dem Gründungsdokument einer Regionalorganisation zu lösen ist. Insbesondere die vertraglichen Interventionsregeln der KA-AU könnten gegen Art. 103 UN-Charta verstoßen. Hieraus könnte sich die Nichtigkeit der Art. 4 lit. h) und j) KA-AU ergeben, wenn die UN-Charta gegenüber anderen
34 Bowett, Self-defence in International Law, 1958, S. 222 f.; Akehurst, BYIL 42 (1967), S. 175, 180; Theuermann, in: Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 231, 232, 251 f. auch für die Berichtspflicht nach Art. 51 bzw. 54 UN-Charta; Wolfrum, ZaöRV 53 (1993), S. 576, 579; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 68 f., 88; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 44 f. 35
Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 107.
36
Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 56. 37
Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 108; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 54.
292
6. Kapitel
Verträgen der UN-Mitgliedstaaten „höheres Recht“ darstellt.38 Dagegen spricht bereits, dass Art. 103 UN-Charta diese Rechtsfolge anders als Art. 53 WVK nicht vorsieht, sondern selbst nur vom „Vorrang“ vor den konfligierenden Vertragsbestimmungen ausgeht.39 Art. 103 UNCharta ist eher eine klassische Konfliktklausel, die weder verbietet, einen Vertrag, der gegen Art. 103 UN-Charta verstößt, zu schließen, noch diesen für nichtig erklären kann.40 Die Vertragsparteien müssen primär den Normenkonflikt zugunsten der UN-Charta auflösen, d.h. ihren Verpflichtungen aus dem anderen völkerrechtlichen Vertrag soweit wie möglich in Übereinstimmung mit der UN-Charta nachkommen.41 Diese Auffassung wird auch mit Blick auf Art. 30 Abs. 1 WVK bestätigt, der ebenfalls nicht davon ausgeht, dass völkerrechtliche Verträge, die im Gegensatz zur UN-Charta stehen, nichtig sind. Diese bleiben vielmehr hinsichtlich der konfligierenden Normen unangewendet.42 Fraglich ist aber, ob Art. 103 UN-Charta vorliegend überhaupt Anwendung findet. Nach Art. 52 Abs. 1 2 HS. UN-Charta sind Regionalorganisationen unzulässig, wenn sie gegen die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen verstoßen. Die Norm geht damit weiter als Art. 103 UN-Charta, der den Vorrang der Verpflichtungen aus der UN-Charta postuliert und damit die Nichtanwendung einzelner der UN-Charta 38
So Simma, EJIL 1999, S. 1, 5. Differenzierend nach Vertragsvorschriften, die einen direkten Verstoß gegen die UN-Charta bilden und solchen, die diese unberührt lassen Bernhardt, in: Simma, UN-Charta, 1991, Art. 103 Rn. 16; ders., in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. II, 2. Aufl. 2002, Art. 103 Rn. 15. S.a. Levitt, in: Blokker/Schrijver (Hrsg.), The Security Council and the Use of Force, 2005, S. 213, 230 ff. 39 Ronzitti, Rescuing Nationals Abroad, 1985, S. 131; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 28; ILC, Fragmentation of International Law, 58th Session, UN.Dok.Nr. A/CN.4/L.682 vom 13. April 2006, para. 334. 40 ILC, 3rd Report on the Law of Treaties by H. Waldock, YBILC II/1964, S. 36; Zemanek, RdC 266 (1996), S. 21, 230; Czapliński, in: Tomuschat/ Thouvenin, The Fundamental Rules of the International Legal Order, 2006, S. 83, 84; Kadelbach/Kleinlein, GYIL 50 (2007), S. 303, 318. 41 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, Rn. 641; Sciso, Österr. Z öffentl. Recht und Völkerrecht 38 (1987), S. 161, 169 f.; Dupuy, MPYUNL 1 (1997), S. 1, 13 ff. S.a. Kolb, Introduction au droit des Nations Unies, 2008, S. 179 f. 42 ILC, Fragmentation of International Law, 58th Session, UN.Dok.Nr. A/CN.4/L.682 vom 13. April 2006, para. 339 f.
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entgegenstehender Satzungsbestimmungen einer Organisation regelt, die Satzung als solche aber bestehen lässt. Hingegen führt Art. 52 Abs. 1 2. HS. UN-Charta zur Unzulässigkeit des entgegenstehenden Vertrages.43 Art. 52 Abs. 1 2. HS. UN-Charta ist jedoch insoweit enger als Art. 103 UN-Charta, als dass er lediglich auf die für Art. 52 UN-Charta relevanten Ziele und Grundsätze der UN-Charta Bezug nimmt und nicht wie Art. 103 UN-Charta auf die gesamte Satzung der Vereinten Nationen.44 Art. 103 UN-Charta seinerseits bezieht sich allerdings nur auf die Pflichten aus der UN-Charta, Art. 52 Abs. 1 2. HS. UN-Charta auf die Art. 1 und 2 UN-Charta insgesamt.45 Verstößt eine Satzung einer Regionalorganisation nicht gegen Art. 1 und 2 UN-Charta aber gegen andere Verpflichtungen aus der UN-Charta, wird Art. 103 UNCharta also wieder relevant.46 Ansonsten greift hier Art. 52 UNCharta. Dies hat zur Folge, dass für die Mitglieder einer Regionalorganisation zum einen die Verpflichtungen aus der UN-Charta bestehen bleiben, ohne dass diese sich auf entgegenlautende Satzungsbestimmungen berufen können.47 Zum anderen werden die Gründungsverträge von Regionalorganisationen UN-konform ausgelegt, um Normenkollisionen zu vermeiden.48 Da eine Instanz fehlt, die über die Vereinbarkeit entscheidet, kommt der Praxis der Vereinten Nationen besondere Bedeutung zu. Nach überwiegender Ansicht ist die Inanspruchnahme einer Regionalorganisation als implizite Anerkennung des Gründungsvertrages und dessen Vereinbarkeit mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen
43
Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 324; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 37; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UNCharta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 55. Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 108 spricht hingegen von Nichtigkeit des Gründungsvertrages der Regionalorganisation. 44
Vgl. Bernhardt, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. II, 2. Aufl. 2002, Art. 103 Rn. 9 ff. S.a. ILC, Fragmentation of International Law, 58th Session, UN.Dok.Nr. A/CN.4/L.682 vom 13. April 2006, para. 331. 45
Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 324; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 108 f. 46 Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 55. 47 48
Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 37.
Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 57.
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6. Kapitel
zu werten.49 Die OAE war diesbezüglich die erste Regionalorganisation, die konkret im Zusammenhang mit Art. 52 UN-Charta erwähnt wurde. Nach SR-Res. 199 vom 30. Dezember 1964 sollte die OAE im Rahmen des Art. 52 UN-Charta dabei helfen, friedliche Lösungen für alle Probleme und Streitigkeiten zu finden, die den Frieden und die Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent berühren.50 Dies kann zumindest als indirekte Anerkennung der OAE als Regionalorganisation i.S.v. Kapitel VIII UN-Charta gewertet werden und ist nach dem oben Gesagten Ausdruck der Vereinbarkeit der OAE-Charta mit der UNCharta. Die Transformation der OAE zur Afrikanischen Union hat an dieser Bewertung jedenfalls in der Praxis nichts geändert.51 Die Generalversammlung räumte der AU bereits am 15. August 2002 Beobachterstatus als Nachfolgerin der OAE ein.52 Wie in Kapitel 3 ausführlich erläutert, entsprechen zudem wichtige Grundprinzipien der Afrikanischen Union denen der Vereinten Nationen aus Art. 1 und 2 UN-Charta. In der bisherigen Streitschlichtungs- und Konfliktbewältigungspraxis der AU ist deren Vereinbarkeit mit der UN-Charta bislang jedenfalls nicht bezweifelt worden. Die herausragende Rolle des Friedensund Sicherheitsrates wird vom UN-Sicherheitsrat anerkannt und unterstützt, einschließlich des Aufbaus der afrikanischen Bereitschaftsarmee.53 Die Resolutionen zur Darfur-Krise, in denen der UN-Sicherheitsrat der AU für die eigenverantwortliche Implementierung der Mission der Afrikanischen Union im Sudan dankt und diese unterstützt, sind ebenfalls ein Indiz für die Konformität der KA-AU mit der UN-
49 Vellas, Le Régionalisme International et l’Organisation des Nations Unies, 1948, S. 110; Boutros-Ghali, Contribution a L’Étude des Ententes Régionales, 1949, S. 145; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 17 Rn. 2, 37; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 109; Hummer/ Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 57. 50 Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 26, 69. S.a. Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach Kapitel VIII SVN, 1997, S. 220 ff. 51 Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 69; Mulikita, Vereinte Nationen 2 (2002), S. 44. A.A. Magliveras/Naldi, ICLQ 51 (2002), S. 415, 418 f. 52 53
UN Press Release GA/10038 vom 15. August 2002.
Vgl. Statement by the President of the Security Council, Dok.Nr. S/PRST/2004/44 vom 19. November 2004.
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Charta. Gleiches gilt in Bezug auf die Krise in Côte d’Ivoire.54 Und in SR-Res. 1809 vom 16. April 2008 wird die Rolle der AU bei der friedlichen Streitbeilegung und Lösung von Konflikten in Afrika im Rahmen von Kapitel VIII UN-Charta ausdrücklich gewürdigt und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen beiden Organisationen angestrebt. Vor allem aber die Aufstellung einer gemeinsamen UN-AU-Hybridmission zur Bewältigung des Darfur-Konflikts spricht für die Anerkennung der AU im Rahmen des Kapitel VIII UN-Charta und der grundsätzlichen Vereinbarkeit der KA-AU mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen.55
4. System friedlicher Streitbeilegung Nach Art. 52 Abs. 2 UN-Charta sollen die Mitglieder einer Regionalorganisation örtliche Streitigkeiten nach besten Kräften friedlich beilegen. Daraus wird allgemein gefolgert, dass eine Regionalorganisation i.S.v. Art. 52 UN-Charta ein System friedlicher, nicht aber notwendigerweise zwangsweiser56 Streitbeilegung enthalten muss, da sie nur so ihre friedens- und sicherheitswahrenden Aufgaben in einer bestimmten Region effektiv erfüllen kann. Das System friedlicher Streitbeilegung muss nicht nur wie in Art. 2 Abs. 3 UN-Charta satzungsmäßig veran-
54
Zur Kooperation zwischen Vereinten Nationen und Afrikanischer Union in Côte d’Ivoire bei der Wiederherstellung innerstaatlicher Ordnung vgl. nur SR-Res. 1527 vom 4. Februar 2004; SR-Res. 1528 vom 27. Februar 2004; SRRes. 1572 vom 15. November 2004; SR-Res. 1594 vom 4. April 2005; SR-Res. 1603 vom 3. Juni 2005; SR-Res. 1609 vom 24. Juni 2005; SR-Res. 1633 vom 21. Oktober 2005; SR-Res. 1721 vom 1. November 2006. 55 Siehe nur SR-Res. 1547 vom 11. Juni 2004; SR-Res. 1556 vom 30. Juli 2004; SR-Res. 1564 vom 18. September 2004; SR-Res. 1574 vom 19. November 2004; SR-Res. 1590 vom 24. März 2005; SR-Res. 1591 vom 29. März 2005; SRRes. 1663 vom 24. März 2006; SR-Res. 1679 vom 16. Mai 2006; SR-Res. 1706 vom 31. August 2006; SR-Res. 1769 vom 31. Juli 2007; SR-Res. 1779 vom 28. September 2007; SR-Res. 1784 vom 31. Oktober 2007; SR-Res. 1828 vom 31. Juli 2008. 56 Vgl. Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 38 f.; Theuermann, in: Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 231, 235; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 105 ff.; Hummer/ Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 61 ff. m.w.N.
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kert sein, sondern es müssen darüber hinaus die notwendigen institutionellen Rahmenbedingungen vorliegen.57 Die Afrikanische Union jedenfalls, wie in Kapiteln 1 und 2 ausführlich erörtert, verfügt mit dem Friedens- und Sicherheitsrat, der Versammlung, der Kommission und dem AU-Gerichtshof, über ein solches differenziertes institutionalisiertes und auch in der Praxis funktionierendes System der friedlichen Streitbeilegung. Festhalten lässt sich demnach, dass die Afrikanische Union eine Regionalorganisation i.S.v. Art. 52 f. UN-Charta ist, so dass ihr Tätigwerden an den weiteren Voraussetzungen des Kapitels VIII UN-Charta zu messen ist.
II. Die friedliche Beilegung von Streitigkeiten nach Art. 52 UN-Charta 1. Zuständigkeit der Afrikanischen Union a. Angebrachtheit von Maßnahmen regionaler Natur Regionalorganisationen sind nach Art. 52 Abs. 1 UN-Charta diejenigen Streitigkeiten zugewiesen, bei denen „Maßnahmen regionaler Art angebracht sind“. Dem Wortlaut nach muss ein Konflikt also regional begrenzt sein und durch friedliche Maßnahmen gelöst werden können. Die ergriffenen Maßnahmen müssen ferner für die Lösung des Konflikts geeignet sein.58 Die „örtliche Begrenzung“ einer Streitigkeit nach Art. 52 Abs. 2 UN-Charta lässt sich dahingehend auslegen, dass die Streitigkeit innerhalb eines oder zwischen den Mitgliedern einer Regionalorganisation i.S.v. Art. 52 UN-Charta stattfinden muss. Sind Dritt57
Vellas, Le Régionalisme International et l’Organisation des Nations Unies, 1948, S. 41; Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 924; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 38; Theuermann, in: Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 231, 234 f.; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 60. Anders Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 98 ff. der Art. 52 Abs. 2 als Kompetenzverteilungsvorschrift versteht, die keine weitere Voraussetzung für eine Regionalorganisation i.S.v. Art. 52 UN-Charta postulieren will. 58 Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 47 f.
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staaten außerhalb der Regionalorganisation in die Streitigkeit involviert, etwa weil sie eigene Ansprüche geltend machen oder die Ansprüche anderer Parteien aufgrund eigener Interessen vertreten, so greift Art. 52 Abs. 2 UN-Charta nicht, da in einem solchen Fall die Streitigkeit nicht mehr örtlich begrenzt ist. Die Wahrung des Friedens nach Art. 24 Abs. 1 UN-Charta fällt dann wieder primär dem UN-Sicherheitsrat zu.59 Die Regionalorganisationen entscheiden aber zunächst selbst durch die Inanspruchnahme ihrer Kompetenzen darüber, ob sie zuständig und ihre Maßnahmen zur friedlichen Streitbeilegung eines lokalen Konflikts angebracht sind.60
b. Nur Streitigkeiten oder auch Situationen? Art. 52 Abs. 2 UN-Charta erwähnt die Beilegung von Situationen i.S.v. Kapitel VI UN-Charta nicht, sondern bezieht sich seinem Wortlaut nach nur auf Streitigkeiten. Unter einer „Streitigkeit“ wird der Fall subsumiert, dass eine Partei bestimmte Ansprüche gegen eine andere Partei erhebt, die von dieser zurückgewiesen werden, und keine der Parteien einlenkt.61 Unter einer „Situation“ kann eine internationale Spannungslage verstanden werden, in der entweder die Streitparteien oder der Streitgegenstand noch nicht endgültig feststehen oder die Parteien noch keine Ansprüche erhoben haben.62 Die Situation ist insofern als Vorstufe zu einer Streitigkeit zu verstehen.63 Da vom Begriff der Situation, anders als bei Streitigkeiten, auch Konflikte innerhalb des Souveränitätsbereiches eines Staates erfasst sind,64 ist die Klärung der Frage, ob die
59
Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 79 f.
60
Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 321; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 46. 61 Escher, Friedliche Erledigung von Streitigkeiten nach dem System der Vereinten Nationen, 1985, S. 3; Schweisfurth, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 34 Rn. 14. 62 Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 131 f. m.w.N. 63 Schweisfurth, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 34 Rn. 15. 64 Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 79; Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 5; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 93;
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AU Maßnahmen zur friedlichen Streitbeilegung auch in (internen) Spannungslagen ergreifen darf, nicht nur rechtlich, sondern auch praktisch äußerst bedeutsam, wie man an der jüngeren Praxis z.B. in Fällen verfassungswidriger Regierungswechsel leicht erkennen kann. Ausgehend von systematischen Erwägungen ist zu konstatieren, dass nach Art. 52 Abs. 4 UN-Charta die Anwendung von Art. 34 und 35 UN-Charta nicht ausgeschlossen ist. Art. 34 und 35 UN-Charta sind auf Situationen ausgelegt, bei deren Fortdauer es zu einer Gefährdung des Weltfriedens oder der internationalen Sicherheit kommen könnte. Daher kann unter Art. 52 Abs. 2 UN-Charta die Beilegung von Situationen i.S.v. Kapitel VI UN-Charta, also internen Konflikten, subsumiert werden, wenn diese geeignet sind, den Weltfrieden oder die internationale Sicherheit zu gefährden.65 Vom Zweck des Kapitels VIII UNCharta her gedacht, der Regionalorganisationen aufgrund der größeren Sachnähe bessere Konfliktvermeidungs- und -bewältigungschancen einräumt, wäre es zudem widersprüchlich, diese bei der Bewältigung einer Situation mangels ausdrücklicher Zuständigkeit nach Art. 52 Abs. 2 UN-Charta nicht von vorneherein einzubeziehen, sondern zunächst ausschließlich auf die Vereinten Nationen, bei Anwachsen der (internen) Situation zu einer (zwischenstaatlichen) Streitigkeit dann aber wiederum auf die Regionalorganisation zurückzugreifen. Wenn also die Regionalorganisation schon zur Beilegung einer Streitigkeit handeln kann, besteht argumentum a maiore ad minus die Pflicht, diese auch im Vorfeld von Streitigkeiten einzuschalten. Nur so ist der Regionalorganisation die frühzeitige und effektive Prävention bzw. Beilegung eines Konflikts möglich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Situation bereits so konkret ist, dass sie dem Zuständigkeitsbereich einer bestimmten Regionalorganisation zugeordnet werden kann.66 Die Afrikanische
Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 49. 65
Boutros-Ghali, Contribution a L’Étude des Ententes Régionales, 1949, S. 169 f.; Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 5; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 93. 66
Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 142 f.; Kühne, Friedenssicherung durch regionale Organisationen in Europa, 1998, S. 59 f.
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Union ist demzufolge sowohl für die friedliche Beilegung von Streitigkeiten als auch von Situationen zuständig.67
2. Priorität friedlicher Streitbeilegung durch die Afrikanische Union? Dem Wortlaut des Art. 52 Abs. 2 bis 4 UN-Charta nach entsteht zunächst der Eindruck, dass der friedlichen Streitbeilegung durch Regionalorganisationen gegenüber den Vereinten Nationen Priorität zukommt. Nach Art. 52 Abs. 2 UN-Charta haben die Mitgliedstaaten, bevor sie den UN-Sicherheitsrat damit befassen, ihre Streitigkeiten im Rahmen derjenigen Regionalorganisation zu lösen, der sie angehören. Ferner soll der UN-Sicherheitsrat nach Art. 52 Abs. 3 UN-Charta regionale Verfahren fördern. Und Art. 52 Abs. 4 UN-Charta erklärt nur Art. 34 und 35 UN-Charta für weiterhin anwendbar. Die Priorität regionaler Streitbeilegungsmechanismen ist jedoch angesichts der allgemeinen Zuständigkeiten des UN-Sicherheitsrates aus Art. 24 Abs. 1 UNCharta und dem Vorrang der UN-Chartaverpflichtungen nach Art. 103 UN-Charta nicht unbestritten.
a. Konkurrierende Zuständigkeit Gegen die prioritäre Zuständigkeit einer Regionalorganisation wird vorgebracht, dass die Vorrangstellung des UN-Sicherheitsrates aus Art. 24 UN-Charta nicht durch Kapitel VIII UN-Charta überlagert werde. Der UN-Sicherheitsrat und die Regionalorganisation seien für die friedliche Streitbeilegung vielmehr konkurrierend bzw. parallel zuständig.68 Zudem könne der UN-Sicherheitsrat gemäß Art. 36 Abs. 1 UN-Charta „in jedem Stadium einer Streitigkeit“ Verfahrensempfehlungen an die Parteien abgeben. Eine ausdrückliche Erwähnung dieser Kompetenz in Art. 52 Abs. 4 UN-Charta sei daher rechtlich überflüssig.69 Jedes beliebige Mitglied der Vereinten Nationen könne den UN-Sicherheitsrat auf
67 Vgl. Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 79; Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 5. 68 69
Scelle, Manuel de Droit International Public, 1948, S. 786.
Vgl. Nizard, RGDIP 66 (1962), S. 486, 528 f.; Claude, Int. Conciliation No. 547 (März 1964), S. 3, 10 f.
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6. Kapitel
der Grundlage des Art. 35 Abs. 1 UN-Charta anrufen. Einem Mitglied einer Regionalorganisation wäre dies aber bei einer Priorität der Regionalorganisationen verwehrt. Dies stelle einen Widerspruch dar. Ferner müsse der UN-Sicherheitsrat die Möglichkeit haben, die Ineffektivität einer regionalen Maßnahme festzustellen und ins Verfahren selbständig einzugreifen, vor allem wenn eine Bedrohung des Friedens oder ein Friedensbruch i.S.v. Art. 39 UN-Charta vorliegen könnte. In einem solchen Fall hätte der UN-Sicherheitsrat ohnehin die alleinige Zuständigkeit.70
b. Verstärkte Subsidiarität Mit Blick auf Art. 24 Abs. 2 UN-Charta, der auf die besonderen Befugnisse des UN-Sicherheitsrates nach Kapitel VI, VII, VIII und XII UNCharta hinweist, wird der Ansicht der konkurrierenden Zuständigkeit von UN-Sicherheitsrat und Regionalorganisation entgegengehalten, dass mögliche Beschränkungen des UN-Sicherheitsrates aus Kapitel VIII UN-Charta, z.B. aus Art. 52 Abs. 4 UN-Charta, bei der Auslegung von Art. 24 Abs. 1 UN-Charta mitberücksichtigt werden müssten.71 Ferner lasse sich der Verweis von Art. 52 Abs. 4 auf Art. 35 UNCharta dahingehend interpretieren, dass allen Mitgliedern der Vereinten Nationen das Recht unbenommen bleibe, nach Art. 35 Abs. 1 UNCharta die Aufmerksamkeit des UN-Sicherheitsrates oder der Generalversammlung auf eine Streitigkeit zu lenken.72 Art. 52 Abs. 2 UNCharta schränke dieses Recht nicht für sämtliche Mitglieder einer Regionalorganisation ein, sondern verpflichte nur die Streitparteien dazu, zunächst zu versuchen, ihre Streitigkeit im Rahmen des regionalen Streitschlichtungsmechanismus beizulegen. Das Recht aus Art. 35 Abs. 70 Nizard, RGDIP 66 (1962), S. 486, 535; Gerold, Die Sicherung des Friedens durch die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), 1971, S. 65 f.; Wilson, NILR 22 (1975), S. 282, 285. 71 Boutros-Ghali, Contribution a L’Étude des Ententes Régionales, 1949, S. 174; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 85; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 151; Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach Kapitel VIII SVN, 1997, S. 390 f.; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 98. 72
Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 99. S.a. Schweisfurth, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 35 Rn. 13.
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1 UN-Charta werde für die übrigen Mitglieder der Regionalorganisation also gar nicht berührt.73 Für den Vorrang von Regionalorganisationen bei der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten spreche überdies, dass das in Kapitel VI UNCharta enthaltene Subsidiaritätsprinzip, demzufolge die Streitparteien sich zunächst selbst ernsthaft um eine friedliche Streitbeilegung bemühen müssen, bevor sie den UN-Sicherheitsrat anrufen,74 insoweit verstärkt werde, als nach Art. 52 Abs. 2 UN-Charta die Mitglieder einer Regionalorganisation ihre Streitigkeiten vorrangig im Rahmen der Organisation beilegen müssen, bevor sie den UN-Sicherheitsrat damit befassen. Der UN-Sicherheitsrat solle daher erst angerufen werden, wenn trotz bester Bemühungen eine Streitbeilegung durch die Regionalorganisation nicht gelungen sei. Er habe darüber hinaus nach Art. 52 Abs. 3 UN-Charta die friedliche Streitbeilegung zu fördern und sei verpflichtet, vor ihn gebrachte Fälle an die zuständige Regionalorganisation zu überweisen, insoweit er unter Umgehung von Art. 52 Abs. 2 UNCharta angerufen worden sei.75 Aus der Aufrechterhaltung der Art. 34 und 35 UN-Charta durch den Verweis in Art. 52 Abs. 4 UN-Charta wird im Umkehrschluss gefolgert, dass die anderen Zuständigkeiten des UN-Sicherheitsrates und der Generalversammlung in Kapitel VI UNCharta durch die Regelungen des Kapitels VIII UN-Charta verdrängt würden.76 Der UN-Sicherheitsrat könne zwar jederzeit nach Art. 34 und 35 UN-Charta tätig werden, solange das Verfahren vor der Regionalorganisation nicht gescheitert sei, er dürfe jedoch nicht das Verfahren nach Art. 36 und 37 UN-Charta an sich ziehen und Entscheidungen in 73
Boutros-Ghali, Contribution a L’Étude des Ententes Régionales, 1949, S. 180; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 150. 74 Dazu Escher, Friedliche Erledigung von Streitigkeiten nach dem System der Vereinten Nationen, 1985, S. 32 ff. m.w.N.; Tomuschat, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 33 Rn. 4. 75 Escher, Friedliche Erledigung von Streitigkeiten nach dem System der Vereinten Nationen, 1985, S. 35; Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach Kapitel VIII SVN, 1997, S. 384 ff.; Kühne, Friedenssicherung durch regionale Organisationen in Europa, 1998, S. 64 f.; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 103 ff. I.E. auch Frowein, in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 64. 76
Yepes, RdC II/1947, S. 227, 279; Boutros-Ghali, Contribution a L’Étude des Ententes Régionales, 1949, S. 172; Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 5.
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6. Kapitel
der Sache treffen.77 Insgesamt sei also von einem „verstärkten“ Subsidiaritätsgrundsatz in Kapitel VIII UN-Charta auszugehen, bei dem das Prinzip der friedlichen Streitbeilegung durch die Parteien durch den Vorrang regionaler Streitschlichtungsmechanismen ergänzt werde.78 Ausgehend vom verstärkten Subsidiaritätsgrundsatz in Kapitel VIII UN-Charta schränken Pernice und Hummer/Schweitzer die Zuständigkeit der Regionalorganisationen mit Blick auf das Ziel der effektiven friedlichen Streitbeilegung wieder ein. Rechtlich begründet wird dies mit Verweis auf den Wortlaut in Art. 52 Abs. 1 UN-Charta, der davon spricht, dass die „regionalen Maßnahmen angebracht“ sein müssen. Dies sei aber nur der Fall, wenn eine regionale Maßnahme tatsächlich Aussicht auf Erfolg habe. Sollte die effektive Friedenssicherung durch regionale Maßnahmen aufgrund der Umstände des Einzelfalls ausgeschlossen sein, sei der UN-Sicherheitsrat befugt, nach Art. 36 und 37 UN-Charta tätig zu werden, ohne dass der Regionalorganisation Priorität eingeräumt werden müsse. Art. 52 UN-Charta wäre dann nicht mehr einschlägig.79 Mit einer solchen Lösung komme es auch nicht zu einer konkurrierenden bzw. parallelen Zuständigkeit der beiden Ebenen, da, solange das regionale Streitschlichtungsverfahren effektiv sei, nur die Regionalorganisation in der Sache zuständig sei, andernfalls ausschließlich der UN-Sicherheitsrat.80
c. Stellungnahme Zwischen den beiden Positionen unstreitig ist, dass der UN-Sicherheitsrat sein Untersuchungsrecht aus Art. 34 UN-Charta wahrnehmen kann, selbst wenn eine Regionalorganisation in der Angelegenheit befasst ist. Dies folgt aus der eindeutigen Verweisung von Art. 52 Abs. 4 77
Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 94; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 99, 101, 107. 78 Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 87; Escher, Friedliche Erledigung von Streitigkeiten nach dem System der Vereinten Nationen, 1985, S. 35. 79 Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 88; sich dem anschließend Wolfrum, ZaöRV 53 (1993), S. 576, 579; Kühne, Friedenssicherung durch regionale Organisationen in Europa, 1998, S. 65 f.; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 108. 80 Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 109.
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auf Art. 34 UN-Charta.81 Dieses Untersuchungsrecht ist allerdings beschränkt auf die Frage, ob die Fortdauer einer Streitigkeit die Wahrung des Weltfriedens oder der internationalen Sicherheit gefährden könnte und erstreckt sich nicht auf die Effektivität der regionalen Streitschlichtungsmaßnahmen.82 Auch das Untersuchungsrecht des UNSicherheitsrates nach Art. 39 UN-Charta und die übrigen Kompetenzen aus Kapitel VII UN-Charta werden von Kapitel VIII nicht berührt.83 Damit bleibt dem UN-Sicherheitsrat das Recht unbenommen, zu untersuchen, ob eine Streitigkeit eine Friedensbedrohung, einen Friedensbruch oder eine Angriffshandlung darstellt. Empfehlungen hinsichtlich bestimmter Streitschlichtungsverfahren oder in der Streitsache selbst werden von diesem Untersuchungsrecht aber nicht gedeckt.84 Ist das Untersuchungsrecht des UN-Sicherheitsrates nach Art. 34 und 39 UN-Charta also grundsätzlich gegeben, verbleibt die Frage zu klären, inwieweit der UN-Sicherheitsrat während eines noch laufenden regionalen Streitschlichtungsverfahrens nach Maßgabe der Art. 36 Abs. 1 und Art. 37 Abs. 2 UN-Charta tätig sein und in das laufende Verfahren eingreifen darf. Ausgehend vom Wortlaut des Art. 36 Abs. 1 UN-Charta spricht zunächst einiges für eine konkurrierende Zuständigkeit des UN-Sicherheitsrates und der Regionalorganisation, da der UN-Sicherheitsrat verfahrensrechtliche Empfehlungen „in jedem Stadium einer Streitigkeit“ oder Situation abgeben darf. Ein bei einer Regionalorganisation anhängiges Verfahren kann solchen Empfehlungen nicht entgegenstehen.85 Auch der Wortlaut des Art. 37 Abs. 2 UN-Charta spricht für eine konkurrierende Zuständigkeit, denn hiernach kommt es darauf an, ob für 81
Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 5; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 92; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UNCharta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 101. 82
Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 150; Schweisfurth, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 34 Rn. 18. 83
Gerold, Die Sicherung des Friedens durch die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), 1971, 62. 84 Frowein, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, 1991, Art. 39 Rn. 24; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 151. S.a. Schweisfurth, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 34 Rn. 4. 85 Nizard, RGDIP 66 (1962), S. 486, 528 f.; Claude, Int. Conciliation No. 547 (März 1964), S. 3, 10 f.
304
6. Kapitel
den UN-Sicherheitsrat die Fortdauer einer Streitigkeit dazu geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden. Die Zuständigkeit des UN-Sicherheitsrates bleibt also vom regionalen Handeln erst einmal unberührt.86 Etwas anderes könnte sich aus dem ausdrücklichen Verweis in Art. 52 Abs. 4 UN-Charta auf Art. 34 und 35 UN-Charta ergeben. Im Umkehrschluss könnte man folgern, dass gerade die Zuständigkeiten des UN-Sicherheitsrates nach Art. 36 und 37 UN-Charta, auf die nicht verweisen wird, ausgeschlossen werden, sobald eine Regionalorganisation tätig wird.87 Der Zweck des Art. 34 UN-Charta muss jedoch im Gesamtgefüge des Kapitels VI UN-Charta berücksichtigt werden. Art. 34 UN-Charta dient als Vorstufe des Art. 36 Abs. 1 und Art. 37 Abs. 2 UN-Charta dazu, weitere Maßnahmen des UN-Sicherheitsrates vorzubereiten.88 Dementsprechend muss der UN-Sicherheitsrat trotz der Maßnahmen der Regionalorganisation zuständig bleiben können, wenn er aufgrund der Untersuchung nach Art. 34 UN-Charta eine Friedensgefährdung feststellt. Andernfalls liefe ein Untersuchungsrecht, das feststellen soll, ob die Fortdauer einer Streitigkeit eine Friedensgefährdung darstellt, ins Leere, wenn dem UN-Sicherheitsrat selbst bei einer Feststellung einer Friedensgefährdung aufgrund von Art. 52 Abs. 4 UN-Charta versagt wäre, tätig zu werden.89 Der Umkehrschluss aus Art. 52. Abs. 4 UN-Charta ist zudem nicht zwingend. Ebenso kann angenommen werden, dass Art. 52 Abs. 4 UN-Charta keinerlei Aussagen über die Anwendung der nichtgenannten Vorschriften treffen will. Da nach Art. 36 Abs. 1 UN-Charta der UN-Sicherheitsrat in „jedem Stadium einer Streitigkeit“ tätig werden darf, musste diese Vorschrift in Art. 52 Abs. 4 UN-Charta nicht eigens erwähnt werden. Gleiches gilt nach dem Wortlaut für Art. 37 Abs. 2 UN-Charta. Dieser enthält ebenfalls keine Zuständigkeitsbeschränkung für den Fall, dass der UN-Sicherheitsrat aufgrund der Untersuchung nach Art. 34 UN-Charta feststellt, dass trotz der Bemühungen einer Regionalorganisation die Fortdauer einer Streitigkeit zu einer Friedensgefährdung führt. Der UN-Sicher-
86
Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 153.
87
So Yepes, RdC II/1947, S. 227, 279; Boutros-Ghali, Contribution a L’Étude des Ententes Régionales, 1949, S. 172; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 52 Rn. 107. 88
Schweisfurth, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 34 Rn. 6. 89
Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 153.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
305
heitsrat kann nach diesen Überlegungen also grundsätzlich auch dann nach Art. 36 Abs. 1 und Art. 37 Abs. 2 UN-Charta tätig werden, wenn sich bereits eine Regionalorganisation der friedlichen Streitbeilegung angenommen hat.90 Die hier angenommene grundsätzliche Zuständigkeit des UN-Sicherheitsrates nach Art. 36 Abs. 1 und Art. 37 Abs. 2 UN-Charta im Falle einer gleichzeitigen Tätigkeit einer Regionalorganisation wird nach überzeugender Auffassung Walters allerdings durch Art. 52 Abs. 3 UNCharta modifiziert.91 Gemäß Art. 52 Abs. 3 UN-Charta kann die Regionalorganisation entweder aufgrund der Veranlassung der Streitparteien oder aufgrund der Verweisung durch den UN-Sicherheitsrat tätig werden. Letzteres ist als Einschränkung der Zuständigkeit des UN-Sicherheitsrates nach Art. 36 Abs. 1 und Art. 37 Abs. 2 UN-Charta zu verstehen. Das „Überweisungsgebot“, sowie die Pflicht nach Art. 53 Abs. 3 UN-Charta, die Entwicklung des Verfahrens der friedlichen Beilegung örtlich begrenzter Streitigkeiten durch Regionalmaßnahmen zu „fördern“, lassen sich als Entscheidung der UN-Charta werten, dass der friedlichen Streitbeilegung durch Regionalorganisationen Vorrang eingeräumt werden soll. Dieser Vorrang wird wiederum insofern eingeschränkt, als dass der UN-Sicherheitsrat nach Art. 36 Abs. 1 UNCharta „geeignete“ Verfahren empfehlen soll. Die Erfolgsaussichten der Streitbeilegung einer Regionalorganisation müssen dabei in diese Prognoseentscheidung mit einbezogen werden. Die Entscheidungskompetenz über die „Geeignetheit“ des Verfahrens i.S.v. Art. 36 Abs. 1 UNCharta steht dem UN-Sicherheitsrat aufgrund seiner Stellung als Hauptorgan der Friedenssicherung nach Art. 24 Abs. 1 UN-Charta zu. Kommt er aufgrund des konkreten Sachverhalts zu dem Schluss, dass ein Verfahren durch die Regionalorganisation ungeeignet ist, muss er es nicht nach Art. 36 Abs. 1 UN-Charta empfehlen und ebensowenig nach Art. 53 Abs. 3 UN-Charta an die Regionalorganisation überweisen. Er ist dann rechtlich nicht gehindert, nach Art. 36 Abs. 1 UN-Charta andere Empfehlungen zur friedlichen Streitbeilegung abzugeben. Auch in die Entscheidung nach Art. 37 Abs. 2 UN-Charta, ob die Fortdauer einer Streitigkeit die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit gefährdet, ist die Wertung des Kapitels VIII einzubeziehen, der in Art. 52 Abs. 3 UN-Charta der zuständigen Regi-
90 91
Ebenda, S. 154.
Ausführlich Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 153 ff.
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6. Kapitel
onalorganisationen Vorrang für die friedliche Streitbeilegung einräumt. Kommt der UN-Sicherheitsrat aufgrund seiner Untersuchung zu dem Schluss, dass durch die Einbeziehung einer Regionalorganisation der Friedensgefährdung begegnet werden kann, so ergibt die hier vertretene Auslegung von Art. 37 Abs. 2 und Art. 53 Abs. 3 UN-Charta, dass der UN-Sicherheitsrat die Streitbelegung an die zuständige Regionalorganisation zu überweisen hat. Vor allem Empfehlungen nach Art. 37 Abs. 2 2. Alt. UN-Charta die materielle Streitbeilegungsregeln enthalten, sind ihm dann untersagt, denn in der Sache zuständig ist in diesem Fall ausschließlich die Regionalorganisation. Muss der UN-Sicherheitsrat hingegen trotz der Einschaltung einer Regionalorganisation durch die Fortdauer der Streitigkeit von einer Gefährdung des Weltfriedens ausgehen, darf er selbst materielle Streitbeilegungsempfehlungen nach Art. 37 Abs. 2 2. Alt. UN-Charta abgeben. Im Ergebnis bleibt der UN-Sicherheitsrat also grundsätzlich auch dann nach Art. 36 Abs. 1 und Art. 37 Abs. 2 UN-Charta zuständig, wenn sich eine Regionalorganisation der Streitbeilegung nach Art. 52 UNCharta angenommen hat. Aufgrund der Entscheidung des Kapitels VIII ist aber den regionalen Bemühungen der friedlichen Streitbeilegung der Vorzug zu geben. Der UN-Sicherheitsrat darf nur dann eigene Maßnahmen im Rahmen des Kapitels VI UN-Charta einleiten, wenn er die Bemühungen der Regionalorganisation für ungeeignet hält. Er kann dann nach Art. 36 Abs. 1 und Art. 37 Abs. 2 UN-Charta Empfehlungen für geeignetere Streitbeilegungsverfahren sowie materielle Empfehlungen für die Regelung der Streitigkeit abgeben. Die Entscheidungshoheit über die Geeignetheit der regionalen Maßnahmen verbleibt einzig und allein beim UN-Sicherheitsrat. Diese Lösung entspricht im Ergebnis der von Pernice und Hummer/Schweitzer vertretenen Auffassung der durch Effektivitätserwägungen eingeschränkten Priorität der Regionalorganisationen für die friedliche Streitbeilegung, derzufolge der Vorrang der Regionalorganisationen dann nicht besteht, wenn diese sich als inneffektiv herausstellen und damit als „unangebracht“ i.S.v. Art. 52 Abs. 1 UN-Charta gelten müssen.
d. Einordnung der Afrikanischen Union Im Kontext der Vorrangfrage lassen sich nunmehr auch die auf den ersten Blick mit der UN-Charta schwer vereinbaren Kompetenzen der Afrikanischen Union im Bereich der Konfliktbewältigung in Afrika einordnen. Diese ergeben sich vor allem aus der Kompetenzzuweisung an den Friedens- und Sicherheitsrat sowie aus dem schon während der
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
307
Streitbeilegung durch die OAE entwickelten Selbstverständnis des „Try OAU/AU-First“, also der vorrangigen Zuständigkeit der OAE/AU für die Streit- und Konfliktbeilegung in Afrika.92 Grundsätzlich soll der Friedens- und Sicherheitsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben eng mit dem UN-Sicherheitsrat, dessen primäre Verantwortlichkeit für den Erhalt des internationalen Friedens und der Sicherheit unberührt bleiben soll, und anderen UN-Unterorganisationen zusammenarbeiten.93 Die AU behält sich hierbei vor, zur Erfüllung ihrer Verantwortung nach Kapitel VIII UN-Charta die Vereinten Nationen um finanzielle, logistische und militärische Unterstützung zu bitten.94 Der Friedens- und Sicherheitsrat und der Kommissionsvorsitzende sollen zudem eng und kontinuierlich mit dem UN-Sicherheitsrat, dessen afrikanischen Mitgliedern und dem UN-Generalsekretär interagieren, ebenso mit anderen Internationalen Organisationen.95 Diese generelle Aufgabenzuweisung stellt den grundsätzlichen Vorrang der Vereinten Nationen und insbesondere des UN-Sicherheitsrates nach Art. 24 Abs. 1 UN-Charta für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zunächst einmal nicht in Frage und bewegt sich in den Grenzen der Aufgabenverteilung nach Kapitel VIII UN-Charta. Eine andere Beurteilung des Verhältnisses AU–UN könnte sich jedoch aus Art. 16 Abs. 1 ProtokollPSC und der KA-AU ergeben. Im Gegensatz zur eben beschriebenen engen Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen geht Art. 16 Abs. 1 ProtokollPSC davon aus, dass die Afrikanische Union die primäre Verantwortung für die Förderung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in Afrika hat. Und obwohl das ProtokollPSC in der Präambel die Hauptverantwortung des UNSicherheitsrates für Frieden und Sicherheit in der Welt nach Art. 24 UN-Charta ausdrücklich anerkennt, könnten die Regelungen aus Art. 4 lit. h) und j) KA-AU, Art. 4 lit. j) und k), 6 lit. d), 7 lit. c bis g, 16 Abs. 1 und 17 Abs. 1 und 2 ProtokollPSC und Art. 9 lit. g) CSSDCADeklaration den Schluss zulassen, dass die Hauptverantwortung des UN-Sicherheitsrates eben nur für Frieden und Sicherheit in anderen 92
Eingehend Andemicael, Peaceful Settlement Among African States, 1972; Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach Kapitel VIII SVN, 1997, S. 445 ff. S.a. Mulikita, Vereinte Nationen 2 (2002), S. 44. 93
Art. 17 Abs. 1 ProtokollPSC.
94
Art. 17 Abs. 2 ProtokollPSC.
95
Art. 17 Abs. 3 und 4 ProtokollPSC.
308
6. Kapitel
Teilen der Welt liegen soll, die AU aber die Alleinverantwortung für Frieden und Sicherheit in Afrika trägt. Gestützt wird diese Überlegung auch dadurch, dass Art. 4 lit. h) KA-AU nicht vorsieht, dass die Versammlung oder der Friedens- und Sicherheitsrat vor der Mandatierung einer AU-Intervention die Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates einholen müssen. Und nach Art. 17 Abs. 2 ProtokollPSC wird der Friedens- und Sicherheitsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben die Vereinten Nationen nur „soweit notwendig“ um Unterstützung für seine Aktivitäten im Rahmen des Kapitels VIII UN-Charta bitten. Auf das Ermächtigungserfordernis aus Art. 53 Abs. 1 S. 2 UN-Charta wird nicht eigens eingegangen. Vielmehr wird nur auf Kapitel VIII UN-Charta als Ganzes rekurriert, so dass zumindest unklar bleibt, inwieweit der Friedens- und Sicherheitsrat Art. 53 Abs. 1 S. 2 UN-Charta im Rahmen seiner Kompetenzwahrnehmung für relevant hält.96 Eine Unterordnung unter den UN-Sicherheitsrat erfolgt jedenfalls nicht ausdrücklich.97 Dies steht im starken Kontrast z.B. zu Art. 11 Abs. 3 lit. d) SADCProtocol on Politics, Defence and Security Co-operation, das eine Intervention nur aufgrund einer vorherigen Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat gestattet.98 Zwingend ist diese Argumentation indes nicht. Vor allem die systematische Betrachtung der Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 ProtokollPSC widerspricht dem vereinzelt postulierten Konflikt zwischen regionaler und universeller Ebene.99 Die primäre Verantwortung der Afrikanischen Union in Art. 16 ProtokollPSC bezieht sich ausweislich der
96 Levitt, in: Blokker/Schrijver (Hrsg.), The Security Council and the Use of Force, 2005, S. 213, 229. 97
Kindiki, AHRLJ 3 (2003), S. 97, 108 f.; ders., Intervention to Protect Civilians in Darfur, 2007, S. 50 f.; Levitt, in: Blokker/Schrijver (Hrsg.), The Security Council and the Use of Force, 2005, S. 213, 228 f. 98
„Summit shall resort to enforcement action only as a matter of last resort and, in accordance with Article 53 of the United Nations Charter, only with the authorization of the United Nations Security Council.“ 99 Sehr kritisch Allain, MPYUNL 8 (2004), S. 237, 265, 284 ff. dem zufolge die AU eine Rolle in Afrika einnimmt, die eigentlich dem UN-Sicherheitsrat zugewiesen ist und diesem damit seine Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens nach Art. 24 UN-Charta verweigert. Seiner Meinung nach haben die afrikanischen Staaten mit Schaffung der AU und des PSC „formally opted out the normative framework of the United Nations System.“ S.a. Abass, Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 166.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
309
Überschrift des Artikels auf das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den regionalen Mechanismen für Konfliktprävention und -bewältigung. Art. 17 ProtokollPSC hingegen bezieht sich auf das Verhältnis zu den Vereinten Nationen und erkennt in Abs. 1 deren primäre Verantwortung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit ausdrücklich an. Die Regelungen des Art. 16 Abs. 1 und 17 ProtokollPSC lassen sich daher unschwer UN-Charta-konform dahingehend auslegen, dass Art. 16 überhaupt nicht das Verhältnis Afrikanische Union – Vereinte Nationen berührt und Art. 17 nur die ohnehin in Art. 52 UN-Charta vorgesehene Rollenverteilung zwischen regionaler und universeller Ebene aufgreift. Nach der hier vertretenen Auffassung haben regionale Streitbeilegungsmechanismen Vorrang vor den Maßnahmen des UN-Sicherheitsrates, soweit sie geeignet für die Friedenswahrung sind. Voraussetzung ist, dass diese Streitigkeiten örtlich begrenzt und regionale Maßnahmen angebracht sind. Geht die AU von „Try AU First“, also der primären Zuständigkeit für Streitigkeiten innerhalb ihrer Region aus und überlässt sie ansonsten die Hauptverantwortung aber dem UNSicherheitsrat, so rekurriert sie lediglich auf den von der UN-Charta selbst vorgesehenen Vorrang regionaler Mechanismen. Und auch mit Blick auf das dezentralisierte Friedenssicherungssystem in Kapitel VIII UN-Charta ist es konsequent, wenn die Afrikanische Union die Friedenssicherung in Afrika übernimmt. Die gegenteilige Auffassung vermischt in Verkennung der Systematik des ProtokollPSC unzulässigerweise das Verhältnis von Afrikanischer Union zu subregionalen Streitbeilegungsmechanismen einerseits und zu den Vereinten Nationen andererseits. Die in KA-AU und ProtokollPSC verankerten Kompetenzen der AU und auch ihr Selbstverständnis hinsichtlich der Wahrnehmung der Aufgaben friedlicher Streitbeilegung in Afrika sind nach dem Gesagten mit Art. 52 UN-Charta vereinbar.100
III. Die Durchführung von Zwangsmaßnahmen nach Art. 53 Abs. 1 UN-Charta Wollen Regionalorganisationen Zwangsmaßnahmen durchführen, so bedarf es hierfür gemäß Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS. UN-Charta einer Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates. Durch diese Beschränkung re100 Für die Konformität der OAE und der Vereinten Nationen bereits Andemicael, Peaceful Settlement Among African States, 1972, insb. S. 45 ff.
310
6. Kapitel
gionaler Autonomie soll das Monopol des UN-Sicherheitsrates für die Anwendung von Zwangsmitteln nach Art. 24 und Kapitel VII UNCharta gewahrt werden.101 Maßnahmen, die nicht unter den Begriff der „enforcement action“ fallen, können von Regionalorganisationen ohne Ermächtigung vorgenommen werden, soweit sich nicht ein Rechtfertigungsbedürfnis oder die Unzulässigkeit aus anderen Völkerrechtsnormen ergibt.102 Der Umfang der Autonomie von Regionalorganisationen und damit einhergehend das Ermächtigungserfordernis durch den UNSicherheitsrat hängt demnach ganz entscheidend von der Reichweite der Definition dieses Begriffs ab. Für die Afrikanische Union ist von Beantwortung der Frage, welche Maßnahmen einer Regionalorganisation unter Art. 53 Abs. 1 UN-Charta fallen, z.B. abhängig, ob die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen einen Mitgliedstaat nach Art. 23 KA-AU oder gegen eine verfassungswidrige Regierung nach Art. 37 Abs. 5 VerfOVers, Art. 7 lit. g) ProtokollPSC ermächtigungsbedürftig sind. Vor allem aber Interventionen nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU könnten Zwangsmaßnahmen i.S.v. Art. 53 Abs. 1 UN-Charta und damit ermächtigungsbedürftig sein.
1. Der Begriff der „Zwangsmaßnahme“ in der UN-Charta Die Definition von „Zwangsmaßnahmen“ ist bis heute stark umstritten. Fraglich ist vor allem, ob ausschließlich militärische oder auch nichtmilitärische Maßnahmen unter Art. 53 Abs. 1 UN-Charta fallen.
a. Alle bindenden Entscheidungen sind Zwangsmaßnahmen In Zusammenhang mit den Wirtschaftssanktionen gegen Kuba 1962 wurde die Auffassung vertreten, dass Zwangsmaßnahmen im Sinne von Art. 53 UN-Charta alle Maßnahmen seien, die von einer Regionalorga-
101 Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 93. Zu den Kontrollmöglichkeiten des UN-Sicherheitsrates Böhmer, Die Ermächtigung zu militärischer Gewaltanwendung durch den Sicherheitsrat, 1997, S. 91 ff. 102 Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 61.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
311
nisation für ihre Mitglieder verbindlich angeordnet werden.103 Hierfür werden vor allem systematische Gründe vorgebracht: In der UN-Charta würde der Begriff der „enforcement action“ immer im Zusammenhang mit den Befugnissen des UN-Sicherheitsrates nach Art. 40 ff. UNCharta genannt, so z.B. in Art. 2 Nr. 5 und Art. 5 UN-Charta. Der Begriff sei daher spezifisch auf die Zuständigkeiten des UN-Sicherheitsrates nach Kapitel VII UN-Charta zugeschnitten,104 für die charakteristisch sei, dass der UN-Sicherheitsrat für die Mitgliedstaaten verbindliche Entscheidungen treffen könne.105 Die Vertreter dieser Ansicht nehmen zudem Bezug auf das Certain Expenses-Gutachten, in dem der IGH Empfehlungen der Generalversammlung nach Art. 11 Abs. 2 UNCharta nicht als Zwangsmaßnahmen einordnete, sondern erklärte, dass die Maßnahmen oder „action“ auf die Art. 11 Abs. 2 UN-Charta hinweist, nur solche Maßnahmen sein könnten, die dem UN-Sicherheitsrat zustehen, ihm also nach Kapitel VII vorbehalten sind.106 Daraus folgern sie, dass die Empfehlungen nicht als Zwangsmaßnahmen einzuordnen sind, weil ihnen der verbindliche Charakter gegenüber den Mitgliedstaaten fehlen würde. Da die UN-Charta die gleiche Terminologie in Art. 53 Abs. 1 UN-Charta verwende, müssten die Annahmen des IGH auch auf die Auslegung des Art. 53 UN-Charta übertragen werden. Dies hätte zur Folge, dass nur die für Mitgliedstaaten einer Regionalorganisation verbindlichen Entscheidungen Zwangsmaßnahmen seien.107 Diese Auslegung ist unzutreffend und in der völkerrechtlichen Literatur vereinzelt geblieben. Der Wortlaut von „enforcement action“ legt nahe, dass es primär um den Zwang gegen den Aggressor und nicht um die Verbindlichkeit der Anordnung gegenüber den Mitgliedstaaten geht.108 Zweck von Zwangsmaßnahmen ist es, den Aggressor von sei103 Vgl. Chayes, Foreign Affairs 41/3 (1963), S. 550, 556; Halderman, GeoLJ 52 (1963), S. 89, 98 f.; Meeker, AJIL 57 (1963), S. 515, 520 ff.; Henkin, RdC 114 (1965), S. 167, 259 f. 104 Siehe für Art. 2 Nr. 5 UN-Charta Frowein/Krisch, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 Nr. 5 Rn. 3. 105
Meeker, AJIL 57 (1963), S. 515, 521.
106
IGH, Certain Expenses of the United Nations, I.C.J. Reports 1962, S. 151,
164 f. 107 108
Meeker, AJIL 57 (1963), S. 515, 521 f.
Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 6; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 176. S.a. Frowein, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, 1991, Art. 39 Rn. 33.
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6. Kapitel
nem den Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedrohenden Verhalten abzubringen.109 Der Rekurs auf das Certain-Expenses-Gutachten hilft für die Interpretation nicht weiter, da es hierbei um die konkrete Auslegung von Art. 11 Abs. 2 UN-Charta ging, deren aufgrund einer systematischen Interpretation gefundenen Ergebnisse für die Auslegung von Art. 53 UN-Charta nicht nutzbar gemacht werden können. Die Gegenüberstellung der Zuständigkeiten der Generalversammlung und des UN-Sicherheitsrates in Art. 11 Abs. 2 UN-Charta lässt sich nicht auf das Verhältnis der Zuständigkeiten von Regionalorganisationen und UN-Sicherheitsrat übertragen.110 Zudem würde eine solche Interpretation von Zwangsmaßnahmen dazu führen, dass Regionalorganisationen, deren Satzungen keine für die Mitglieder verbindlichen Beschlüsse vorsehen, gar keine Zwangsmaßnahmen i.S.v. Art. 53 Abs. 1 UN-Charta vornehmen würden, und sie so ungehindert militärisch aktiv sein könnten.111
b. Alle Maßnahmen nicht-militärischer und militärischer Art sind Zwangsmaßnahmen Andere Autoren subsumieren unter „enforcement action“ in weiter Auslegung sowohl nicht-militärische als auch militärische Maßnahmen einer Regionalorganisation. Für die Einbeziehung nicht-militärischer Maßnahmen stellen sie auf die Entstehungsgeschichte ab, derzufolge in den travaux préparatoires der UN-Charta und in den Diskussionen auf der Konferenz von San Francisco unter Zwangsmaßnahmen auch die in Art. 41 UN-Charta aufgeführten Maßnahmen wirtschaftlicher Natur verstanden wurden.112 Unter systematischen Gesichtspunkten knüpfen 109 Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Sanktionen (98), Rn. 3. 110 Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 175; ders., MPYUNL 1 (1997), S. 129, 135. S.a. Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 101; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 63; Ress/Bröhmer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 53 Rn. 6. 111 Walter, MPYUNL 1 (1997), S. 129, 136; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 63. 112
Dazu Eide, JoPR 3 (1966), S. 125, 140 f.; Goodrich et al., UN-Charta, 3. Aufl. 1969, S. 365; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 93, 99, 111; Andemicael, Regionalism and the United Nations, 1979, S. 260 f.; Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
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die Autoren an die Zuständigkeiten des UN-Sicherheitsrates nach Art. 41 und 42 UN-Charta an. Der Wortlaut des Art. 53 Abs. 1 UN-Charta sei als Verweis auf die Zuständigkeiten des UN-Sicherheitsrates nach Kapitel VII UN-Charta zu verstehen, so dass „enforcement action“ die gleiche Bedeutung haben müsse wie in Art. 41 und 42 UN-Charta.113 Während Art. 40 UN-Charta lediglich präventive Maßnahmen umfasse, sei in Art. 41 und 42 UN-Charta ein Instrumentarium zur Durchsetzung von Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates vorgesehen.114 Zwar werde der Begriff der „enforcement action“ in Art. 53 Abs. 1 UNCharta nicht für die Vereinten Nationen sondern für Regionalorganisationen verwendet, aus der Terminologie, die in Zusammenhang mit Kapitel VII UN-Charta auch an anderen Stellen der UN-Charta benutzt wird, so in Art. 2 Nr. 5 und 7 sowie Art. 50, lasse sich indes schließen, dass man bei der Auslegung des Begriffs in Art. 53 Abs. 1 von den Maßstäben des Kapitels VII UN-Charta ausgehen müsse.115 Die Systematik der Kapitel VI (friedliche Streitbeilegung) und VII UN-Charta (Maßnahmen bei Bedrohung des Friedens gegen einen Aggressor) entspräche im übrigen der Systematik der Art. 52 Abs. 1 (friedliche Streitbeilegung) und 53 Abs. 1 UN-Charta (Zwangsmaßnahmen), so dass auch aus diesem Grund nicht-militärische Maßnahmen von Art. 53 Abs. 1 UNCharta umfasst seien.116 Vom Sinn und Zweck der Zwangsmaßnahmen nach Art. 53 UN-Charta her gedacht, gehe es darum, den entgegenstehenden Willen eines Aggressors zu brechen und ihn zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Dies sei sowohl mit militärischen als auch nicht-militärischen Mitteln erreichbar.117 Kapitel VIII SVN, 1997, S. 491 f.; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 94. 113 Vgl. Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 724; Akindele, The Organization and Promotion of World Peace, 1976, S. 56; Wolfrum, ZaöRV 53 (1993), S. 576, 580 f. 114
Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 92 f.
115
Halderman, GeoLJ 52 (1963), S. 89, 92 f.
116
Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 114; Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach Kapitel VIII SVN, 1997, S. 491. 117 Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 115 f.; Cassese, International Law in a Divided World, 1986, S. 244 f.; Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 6; Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach Kapitel VIII SVN, 1997, S. 492; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Verein-
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6. Kapitel
Ausgehend vom Wortlaut der Norm ist zunächst festzuhalten, dass dieser weder für noch gegen eine extensive Auslegung von Art. 53 Abs. 1 UN-Charta spricht. Der Begriff „enforcement action“ umfasst in den unterschiedlichen Bestimmungen der UN-Charta nicht immer nichtmilitärische und militärische Maßnahmen. Die Bestimmungen wurden zudem von unterschiedlichen Komitees erarbeitet, so dass der Begriff der Zwangsmaßnahme nicht zwingend einheitlich verstanden werden kann.118 Es finden sich in den travaux préparatoires auch keine Anhaltspunkte dafür, was unter einer Zwangsmaßnahme in Art. 53 Abs. 1 UN-Charta zu verstehen ist. Vielmehr wurde nach der Entstehungsgeschichte die Frage der Durchführung von Maßnahmen nach Art. 41 UN-Charta gar nicht behandelt. Im Zentrum der Diskussionen stand nämlich das Problem der regionalen Autonomie.119 Die parallele Struktur der Kapitel VI und VII UN-Charta und Art. 52 und 53 UN-Charta, die für den weiten Begriff der Zwangsmaßnahme angeführt wird, ergibt sich aus der Befassung sowohl der Vereinten Nationen (Art. 33 und 39 UN-Charta) als auch der Regionalorganisationen (Art. 52 Nr. 1 UNCharta) mit der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Die hierfür in Frage kommenden Mittel sind die friedliche Streitbeilegung und die Verhängung von Zwangsmaßnahmen. Die strukturelle Parallelität ist somit vom Regelungsgegenstand vorgegeben. Aus dieser Parallelität lässt sich zunächst einmal aber nur ableiten, dass nichts als Zwangsmaßnahme i.S.v. Art. 53 Abs. 1 UN-Charta gelten kann, was nicht auch eine Zwangsmaßnahme im Sinne des Kapitels VII UN-Charta ist.120 Die Erwägungen, nach denen Zwangsmaßnahmen i.S.v. Art. 53 Abs. 1 UN-Charta orientiert an den Maßstäben des Kapitels VII UN-Charta zu interpretieren sind, vermögen ebenso wenig zu überzeugen. Zwar ist richtig, dass in Kapitel VII der zentrale Sankti-
ten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 203; Abass, Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 47 f., 51 f. 118 Vgl. Akehurst, BYIL 42 (1967), S. 175, 187 f.; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 189 ff., 200 f.; ders., MPYUNL 1 (1997), S. 129, 138 ff.; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 94; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 202; Ress/Bröhmer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charter, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 53 Rn. 3. 119 Eingehend Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 170 ff.; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 202 f. 120
Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 182.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
315
onsmechanismus der UN-Charta geregelt ist und auch, dass die in Art. 2 Nr. 5, Nr. 7, 50 benannten „enforcement measures“ bzw. in Art. 5 „enforcement action“ sowohl nicht-militärische als auch militärische Maßnahmen umfassen.121 Daraus lässt sich aber nicht zwingend schließen, dass „enforcement action“ i.S.v. Art. 53 Abs. 1 UN-Charta die gleiche Bedeutung zukommt.122
c. Nur militärische Maßnahmen sind Zwangsmaßnahmen Ein dritte Auffassung geht von einem prinzipiellen Unterschied zwischen nicht-militärischen und militärischen Maßnahmen aus, der sich vor allem im Gewaltverbot nach Art. 2 Nr. 4 UN-Charta und der gewohnheitsrechtlichen Entsprechung zeige. Unter systematischen Gesichtspunkten wird argumentiert, dass für militärische Zwangsmaßnahmen wegen der Verletzung des Gewaltverbots in Art. 2 Nr. 4 UNCharta immer eine Rechtfertigung nach der UN-Charta notwendig sei, die in der Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates zu sehen ist, eine allgemeine Verbotsregelung für nicht-militärische Maßnahmen, die einer vergleichbaren Rechtfertigung bedürfe, indes nicht existiere.123 Durch die extensive Auslegung des Art. 53 UN-Charta würde die Autonomie der Regionalorganisationen über Gebühr eingeschränkt, denn aufgrund der vorherigen Zustimmung des UN-Sicherheitsrates würden sämtliche Maßnahmen einer Regionalorganisationen dem Vetorecht aus Art. 27 Abs. 3 UN-Charta unterliegen; die Berichtspflicht aus Art. 54 UN-
121 Bryde, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 50 Rn. 4; Frowein/Krisch, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 Nr. 5 Rn. 3; Schütz, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 5 Rn. 12. 122 Akehurst, BYIL 42 (1967), S. 175, 187; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 180. 123
Goldman, UCLA Law Review 10 (1963), S. 837, 855; Akehurst, BYIL 42 (1967), S. 175, 195; Frowein, in: Delbrück (Hrsg.), The Future of International Law Enforcement, 1992, S. 111, 121 f.; ders., in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 66; ders., in: Jäckel (Hrsg.), Ist das Prinzip der Nichteinmischung überholt?, 1995, S. 9, 18 f.; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 64 f. I.E. auch Ress/Bröhmer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 53 Rn. 7; Villani, MPYUNL 6 (2002), S. 535, 539.
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6. Kapitel
Charta wäre dann eigentlich überflüssig.124 Ferner könne der UNSicherheitsrat für wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen bereits über Art. 25 und Kapitel VII UN-Charta auf die Mitglieder von Regionalorganisationen zugreifen, so dass ein weiterer Zugriff auf Regionalorganisationen zur Durchführung nicht-militärischer Maßnahmen über Art. 53 Abs. 1 UN-Charta überflüssig sei.125 Die Aufnahme wirtschaftlicher Maßnahmen unter den Begriff der Zwangsmaßnahme führe überdies zu dem Ergebnis, dass wirtschaftliche Maßnahmen, die eine lose Gruppe von Staaten rechtmäßig gegen andere Staaten verhängt, zulässig seien, während die gleichen Maßnahmen seitens einer Regionalorganisation, wenn sie ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates erfolgen würden, rechtswidrig wären.126 Und auch die Haltung des UN-Sicherheitsrates hinsichtlich der Beschwerden der Dominikanischen Republik und Kubas gegen die von der OAS verhängten Wirtschaftssanktionen im Jahre 1962 spreche für diese Interpretation, da sich eine Mehrheit der Staaten dagegen ausgesprochen habe, Wirtschaftssanktionen oder den Ausschluss aus einer Regionalorganisation als Zwangsmaßnahmen i.S.v. Art. 53 Abs. 1 UN-Charta anzusehen.127 Walter entwickelt ausgehend vom Anknüpfungspunkt der letztgenannten Auffassung – dem Gewaltverbot in Art. 2 Nr. 4 UN-Charta – eine im Ergebnis überzeugende systematische Interpretation des Art. 53 Abs. 1 UN-Charta bezogen auf die Funktionen der Art. 41 und 42 UNCharta.128 Art. 41 UN-Charta i.V.m. mit Art. 48 oder 25 UN-Charta ermächtigt den UN-Sicherheitsrat für die Mitgliedstaaten verbindliche Entscheidungen hinsichtlich der Verhängung nicht-militärischer
124 Vgl. Gerold, Die Sicherung des Friedens durch die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), 1971, S. 129. 125
Goldman, UCLA Law Review 10 (1963), S. 837, 855.
126
Ebenda; Frowein, in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 67; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 65. 127
Goldman, UCLA Law Review 10 (1963), S. 837, 850 f.; Akehurst, BYIL 42 (1967), S. 175, 194 ff.; Frowein, in: Delbrück (Hrsg.), The Future of International Law Enforcement, 1992, S. 111, 121; Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 60 Rn. 34 ff. 128
Eingehend Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 189 ff.; ders., MPYUNL 1 (1997), S. 129, 140 ff. Ebenso Ress/Bröhmer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 53 Rn. 7.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
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Zwangsmaßnahmen zu treffen (sog. Verpflichtungsfunktion).129 Art. 41 UN-Charta kommt daneben die Funktion zu, solche nicht-militärischen Zwangsmaßnahmen zu rechtfertigen, die anderenfalls gegen das Interventionsverbot aus Art. 2 Nr. 7 UN-Charta verstoßen würden, weil sie die Schwelle zulässiger Einmischung überschreiten und unzulässigen Zwang darstellen und auch nicht durch Rechtfertigungsgründe des allgemeinen Völkerrechts, wie dem Repressalienrecht gerechtfertigt werden können. Für diesen Bereich von nicht-militärischen Zwangsmaßnahmen hat Art. 41 UN-Charta eine sog. Rechtfertigungsfunktion gegenüber den betroffenen Staaten. Diese Funktion wird durch den Verweis auf Kapitel VII in Art. 2 Nr. 7 2. HS. UN-Charta bestätigt.130 Zudem wird durch Art. 41 UN-Charta das Verhalten der Mitgliedstaaten, die Maßnahmen durchführen und damit möglicherweise gegen entgegenstehende völkerrechtliche Verpflichtungen aus (Wirtschafts-)Verträgen verstoßen, gegenüber den anderen Vertragsparteien gerechtfertigt.131 Art. 42 UN-Charta kommt in Bezug auf militärische Sanktionen in Verbindung mit Art. 25 oder 48 UN-Charta ebenfalls eine Verpflichtungsfunktion zu. Ferner hat die Bestimmung wie Art. 41 UN-Charta eine Rechtfertigungsfunktion gegenüber dem von den Maßnahmen betroffenen Mitgliedstaat.132 Hinzu kommt eine dritte Funktion der Bestimmung – die sog. Ausnahmefunktion vom Gewaltverbot aus Art. 2 Nr. 4 UN-Charta.133 Zwar enthält Art. 2 Nr. 4 UN-Charta keine dem Art. 2 Nr. 7 2 HS. UN-Charta entsprechende Verweisung auf Kapitel 129 Frowein/Krisch, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 41 Rn. 8. 130 Petersmann, ZVglRWiss 80 (1981), S. 1, 17 f.; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 203 ff. Zur Einschränkung des Interventionsverbotes durch Kapitel VII s.a. Nolte, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 Nr. 7 Rn. 67 ff. 131 Kewenig, BDGVR 22 (1982), S. 7, 21; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 206. 132 Frowein, in: Delbrück (Hrsg.), The Future of International Law Enforcement, 1992, S. 111, 113. 133 Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 207. S.a. Böhmer, Die Ermächtigung zu militärischer Gewaltanwendung durch den Sicherheitsrat, 1997, S. 72; Abass, Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 52 f.; Schrijver, in: Blokker/Schrijver (Hrsg.), The Security Council and the Use of Force, 2005, S. 31, 36; Manusama, The United Nations Security Council in the Post-Cold War Era, 2006, S. 200.
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6. Kapitel
VII UN-Charta, jedoch ist allgemein anerkannt, dass militärische Sanktionen nach Art. 42 UN-Charta nicht gegen das vertragliche oder gewohnheitsrechtliche Gewaltverbot verstoßen.134 Für die Interpretation von Art. 53 Abs. 1 UN-Charta muss nun geklärt werden, ob sich diese Funktionen auch satzungsmäßig durch Regionalorganisationen übernehmen lassen. Dies ist für die Verpflichtungsfunktion unproblematisch möglich, da Satzungen Internationaler Organisationen Bestimmungen enthalten können, die die Bindung der Mitgliedstaaten an die Beschlüsse der Organisation vorsehen, wie im Falle der Afrikanischen Union etwa Regel 33 und 34 VerfOVers i.V.m. Art. 8 KA-AU oder Art. 7 Abs. 2 und 3 ProtokollPSC. Wie bereits an anderer Stelle erläutert, kann ein Staat grundsätzlich wirksam auf bestimmte Rechte vertraglich verzichten und Sanktions- und sogar Interventionsrechte auf eine Regionalorganisation übertragen, solange dem nicht Bestimmungen zwingenden Völkerrechts entgegenstehen. Solche Verträge, jedenfalls hinsichtlich nicht-militärischer Zwangsmaßnahmen, können sowohl Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten zur Durchführung als auch die bloße Empfehlung der Durchführung enthalten. Sie erfüllen bezogen auf die Funktionen aus Art. 41 UN-Charta also die Verpflichtungsfunktion. Gleichzeitig bildet die (vertragliche) Zustimmung des betroffen Staates eine zulässige Rechtfertigung für die gegen ihn gerichteten nicht-militärischen Maßnahmen der Regionalorganisation. Somit kann auch die Rechtfertigungsfunktion des Art. 41 UN-Charta durch die Satzung einer Regionalorganisation erfüllt werden.135 Schwierig ist dagegen die Übernahme der Ausnahmefunktion des Art. 42 UN-Charta hinsichtlich des Gewaltverbots in Art. 2 Nr. 4 UNCharta durch die Satzung einer Regionalorganisation. Zwar wurde im vorhergenden Kapitel dargelegt, dass vertragliche militärische Interventionsrechte unter engen Voraussetzungen nicht den zwingenden Gehalt des Gewaltverbots berühren und damit wirksam übertragen werden können, ohne das Art. 53 WVRK dem entgegensteht. Davon zu trennen ist jedoch die Frage, ob eine solche Bestimmung die Mitgliedstaaten einer Regionalorganisation, die militärische Zwangsmaßnahmen auf Grundlage der Satzung der Organisation gegen einen Mitgliedstaat durchführen, von der Beachtung des umfassenderen Gewaltverbots aus 134 Vgl. Schindler, BDGVR 26 (1986), S. 11, 16; Simma, in: Delbrück (Hrsg.), The Future of International Law Enforcement, 1992, S. 125, 137; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 2 Nr. 4 Rn. 41. 135 Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 212 ff. S.a. Frowein, in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 66 f.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
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Art. 2 Nr. 4 UN-Charta befreit. Dagegen wird von Walter vor allem der Zweck des Gewaltverbots in Art. 2 Nr. 4 UN-Charta angeführt, die Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen zum Schutze aller Staaten zu verhindern. Da nicht nur das potentielle Opfer eines bewaffneten Angriffs sondern die gesamte Staatengemeinschaft geschützt sei, könne dieses Gemeinschaftsinteresse, das auch in der Präambel der Vereinten Nationen zum Ausdruck komme, nicht zur Disposition eines einzelnen Staates stehen. Auch die überragende Rolle und Kontrollfunktion über militärische Maßnahmen, die dem UN-Sicherheitsrat in der UN-Charta zugewiesen ist, spreche dafür, allein ihm im Verhältnis zu Regionalorganisationen die Möglichkeit der Exemption vom Gewaltverbot vorzubehalten.136 Dieser Argumentation ist zwar im Kern, aber nach der hier vertretenen Auffassung insofern nicht zuzustimmen, als es auch andere völkerrechtlich zulässige Ausnahmen vom Gewaltverbot gibt, die hier relevant werden können. So können militärische Maßnahmen aufgrund einer Intervention auf Einladung, wie in Interpretation von Art. 4 lit. j) KA-AU erläutert, unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein, ohne dass ein Verstoß gegen das Gewaltverbot konstatiert werden kann. Eine Regionalorganisation, die aufgrund einer solchen Zustimmung des betroffenen Staates handelt, bedarf nach allgemeiner Meinung keiner Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates. Die grundsätzlich zulässige Einladungsbefugnis einer Regierung nimmt der regionalen Maßnahmen das Zwangselement und ist daher nicht als Zwangsmaßnahme unter Art. 53 Abs. 1 UN-Charta zu subsumieren. Eine Ausnahme vom Gewaltverbot liegt hier bereits über die Einwilligung vor.137 Dies ist z.B. für die Durchführung von klassischem Peacekeeping, auf dessen rechtliche Grundlagen und die bisherige AU-Praxis in Kapitel 7 noch ausführlich eingegangen wird, weitgehend anerkannt.138 Insofern kann ein einzelner
136 Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 214; ders., MPYUNL 1 (1997), S. 129, 142. 137 Frowein, in: Delbrück (Hrsg.), The Future of International Law Enforcement, 1992, S. 111, 120 f.; ders., in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 67 f.; Farer, in: Damrosch (Hrsg.), Enforcing Restraint, 1993, S. 316, 332; Nolte, ZaöRV 53 (1993), S. 603, 622; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 654; Walter, MPYUNL 1 (1997), S. 129, 144 ff.; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 73 ff. 138 Vgl. Krylov, in: Damrosch/Scheffer (Hrsg.), Law and Force in the New International Order, 1991, S. 94, 99; Farer, in: Damrosch (Hrsg.), Enforcing Re-
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6. Kapitel
Staat in einem gewissen Ausmaß doch über das Gewaltverbot disponieren. Überdies stellt entgegen Walters Ansicht nicht das gesamte Gewaltverbot zwingendes Völkerrecht dar. Wie bereits festgestellt wurde, erfasst der zwingende Gehalt des Gewaltverbots nur das Aggressionsverbot, nicht aber geringere Formen der Gewaltanwendung. Dies hat zur Konsequenz, dass die Satzung einer Regionalorganisation Regelungen bezüglich der Anwendung bewaffneter Gewalt treffen kann, sofern diese nicht gegen das Aggressionsverbot verstoßen. Dies ist zunächst eine Frage der Zulässigkeit nach dem Recht der Verträge. Davon zu trennen ist aber das Problem der Rechtfertigung der Anwendung von Gewalt aufgrund der Satzungsbestimmungen im konkreten Fall. Dessen Klärung muss sich an der UN-Charta orientieren, denn die Satzung einer Internationalen Organisation muss nicht nur mit Art. 53 WVRK, sondern nach Art. 103 bzw. Art. 52 UN-Charta auch mit den Verpflichtungen aus der UN-Charta in Einklang stehen. Eine Regionalorganisation kann demnach militärische Interventionsbestimmungen enthalten, ohne in Konflikt mit Art. 53 WVRK zu geraten, dennoch kann eine militärische Intervention im konkreten Einzelfall gegen das umfassendere Gewaltverbot aus Art. 2 Nr. 4 UN-Charta verstoßen. In einem solchen Fall wird die Ausnahmefunktion des Art. 42 UN-Charta wieder relevant. Daher muss die Ausnahmefunktion des Art. 42 UN-Charta für alle militärischen Maßnahmen von Regionalorganisationen auf Art. 53 Abs. 1 UN-Charta übertragen werden, die nicht sonst nach allgemeinem Völkerrecht gerechtfertigt werden können. Im Ergebnis dieser funktionellen Betrachtung von Art. 41 und 42 UNCharta lässt sich festhalten, dass eine Regionalorganisation in Bezug auf nicht-militärische Zwangsmaßnahmen die Funktionen des Art. 41 UNCharta übernehmen könnte, nicht aber in jedem Fall die Ausnahmefunktion des Art. 42 UN-Charta, wenn es um militärische Maßnahmen geht. Art. 53 Abs. 1 UN-Charta ist deshalb so auszulegen, dass das Ermächtigungserfordernis durch den UN-Sicherheitsrat auf die Fälle beschränkt bleibt, in denen die Anwendung militärischer Gewalt durch eine Regionalorganisation der Rechtfertigung gegenüber dem Gewaltverbot bedarf.139 Diese Interpretation verhindert auch die Ermittlungs-
straint, 1993, S. 316, 332; Wolfrum, ZaöRV 53 (1993), S. 576, 583; Frowein, in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 63; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 631, 654; Kindiki, Intervention to Protect Civilians in Darfur, 2007, S. 54. 139 Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 217; ders., MPYUNL 1 (1997), S. 129, 142. I.E. auch Frowein, in: Beyerlin et al.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
321
schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass der UN-Sicherheitsrat in der Praxis nur auf Kapitel VII UN-Charta im allgemeinen, nicht aber auf die genaue Rechtsgrundlage in Art. 41 oder 42 UN-Charta rekurriert, so dass die Auffassung, die Art. 53 Abs. 1 UN-Charta in Bezug zu Kapitel VII UN-Charta interpretiert, für dessen Auslegung die schwierigen Abgrenzungsfragen des Kapitels VII UN-Charta einschließen müsste. Anders die hier vertretene Auffassung: Für die Anwendung von Art. 53 Abs. 1 UN-Charta ist nur bedeutsam und bereits rechtlich und tatsächlich schwierig genug zu klären, ob Maßnahmen von Regionalorganisationen ohne Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat gegen das Gewaltverbot verstoßen würden, etwa weil keine vertragliche Interventionsregelung besteht oder keine wirksame Einwilligung des betroffenen Mitgliedstaates vorliegt.140 Die restriktive Interpretation des Art. 53 Abs. 1 UN-Charta, die nur militärische Maßnahmen unter den Begriff der Zwangsmaßnahme subsumiert, wird auch durch die Praxis der AU gestützt. Der UN-Sicherheitsrat erhob bislang gegen die Verhängung nicht-militärischer Zwangsmaßnahmen durch Regionalorganisationen ohne seine Ermächtigung keinerlei Einwände.141 So sind die Suspendierungen der Mitgliedschaften und die Sanktionen der Afrikanischen Union in den von ihr adressierten Fällen verfassungswidriger Regierungswechsel im UNSicherheitsrat soweit ersichtlich nicht beanstandet worden. Damit fallen grundsätzlich nur militärische Maßnahmen der Afrikanischen Union unter Art. 53 Abs. 1 UN-Charta, nicht aber nicht-militärische Maßnahmen gegen einen Mitgliedstaat.
2. Zugriffsrecht des UN-Sicherheitsrates auf die Afrikanische Union nach Art. 53 Abs. 1 S. 1. UN-Charta Hinsichtlich des Verhältnisses Vereinte Nationen – Afrikanische Union erörterungsbedürftig ist im Folgenden, inwieweit der UN-Sicherheits(Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 66 f.; ders., in: Ress/Stein (Hrsg.), Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europainstitut, 1996, S. 5, 21. 140 Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 218. S.a. Harrell, YJIL 33 (2008), S. 417, 429. 141
Vgl. auch die Untersuchung bei Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 219 f. Ebenso Frowein, in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 67.
322
6. Kapitel
rat nach Art. 53 Abs. 1 S. 1 UN-Charta das Recht hat, Regionalorganisationen zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen unter seiner Autorität in Anspruch zu nehmen. Die AU besitzt anders als bei der friedlichen Streitbeilegung nach Art. 52 UN-Charta im Rahmen von Art. 53 Abs. 1 S. 1 UN-Charta keinen Vorrang vor dem UN-Sicherheitsrat bei der Durchführung militärischer Zwangsmaßnahmen. Vielmehr entscheidet allein der UN-Sicherheitsrat über deren Art, Umfang und Durchführung.142 Grundsätzlich müssen sich die in Kapitel VIII UNCharta wahrgenommenen Befugnisse im Rahmen der Kompetenzen des UN-Sicherheitsrates nach Kapitel VII UN-Charta halten, denn Art. 53 UN-Charta gibt dem UN-Sicherheitsrat keine zusätzliche Rechtsgrundlage für Zwangsmaßnahmen, sondern erweitert lediglich seinen Handlungsspielraum bei deren Durchführung.143 Für eine Inanspruchnahme einer Regionalorganisation müssen daher immer die in Art. 39 UN-Charta aufgestellten Voraussetzungen einer Friedensbedrohung oder eines Friedensbruches vorliegen.
a. Unbedingtes Zugriffsrecht für die Durchführung militärischer Zwangsmaßnahmen Für die Durchführung nicht-militärischer Maßnahmen kann der UNSicherheitsrat unstreitig nach Art. 53 Abs. 1 S. 1 UN-Charta auf die AU zugreifen, da er bereits nach Art. 25 oder 48 UN-Charta die Mitgliedstaaten hierzu verpflichten darf.144 Das Ergebnis für militärische Zwangsmaßnahmen ist allerdings ein anderes. Bereits die Funktion des Kapitels VIII UN-Charta, das Verhältnis zwischen universeller und re142 Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 283 f.; Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach Kapitel VIII SVN, 1997, S. 578; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 222. Anders Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 150. 143 Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 55, 117 f.; Wolfrum, ZaöRV 53 (1993), S. 576, 580; Niewerth/Rehr-Zimmermann, Humanitäres Völkerrecht 7 (1994), S. 186 f.; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 95; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 213; Abass/Baderin, NILR 49 (2002), S. 1, 21; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 74; Villani, MPYUNL 6 (2002), S. 535 f. 144 Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 327; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 147.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
323
gionaler Ebene bei der Friedenssicherung zu klären, spricht gegen einen unbegrenzten Zugriff. Art. 52 Abs. 3 und 4 UN-Charta verdeutlichen, dass die Abgrenzung der Ebenen ausgehend von den bestehenden Kompetenzen der Vereinten Nationen erfolgt und die Zuständigkeiten der Regionalorganisationen ausgehend von der Zuständigkeit der Vereinten Nationen her bestimmt werden. Aus der in Kapitel VIII UNCharta gewährten Autonomie der Regionalorganisationen lässt sich daher schließen, dass dem UN-Sicherheitsrat keine über Kapitel VII UNCharta hinausgehenden Kompetenzen gegenüber Regionalorganisationen gewährt werden sollen.145 Gegen ein unbedingtes Zugriffsrecht des UN-Sicherheitsrates auf Regionalorganisationen im allgemeinen und die Afrikanische Union im speziellen sprechen unter systematischen Erwägungen die Regelungen in Art. 43 Abs. 1 und 3 UN-Charta. Hiernach sind die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen aufgrund von Sonderabkommen – die bislang nicht existieren – auf Ersuchen des UNSicherheitsrates dazu verpflichtet, diesem Streitkräfte zur Verfügung zu stellen. Ohne ein solches Sonderabkommen besteht keine Verpflichtung zur Truppenstellung. Sinn und Zweck der Vorschrift ist vielmehr eine Verhandlungspflicht der Mitgliedstaaten.146 Würde man nun dem UNSicherheitsrat ein unbegrenztes Zugriffsrecht auf Regionalorganisationen nach Art. 53 Abs. 1 S. 1 UN-Charta zubilligen, würde dies für die Mitgliedstaaten dieser Regionalorganisationen entgegen Art. 43 Abs. 1 und 3 UN-Charta bedeuten, dass sie dem UN-Sicherheitsrat ohne Sonderabkommen Streitkräfte zur Verfügung stellen müssten.147 Art. 43 Abs. 3 UN-Charta postuliert aber auch für „Mitgliedergruppen“, worunter Regionalorganisationen fallen,148 nur eine Verhandlungspflicht. Das Ratifikationserfordernis für die Sonderabkommen aus Art. 43 Abs. 3 UN-Charta würde für die Mitglieder einer Regionalorganisation umgangen, wenn man einen direkten Zugriff über Art. 53 Abs. 1 S. 1 UNCharta annehmen würde. Ein unbeschränktes Zugriffsrecht des UNSicherheitsrates nach Art. 53 Abs. 1 S. 1 UN-Charta auf die Afrikani-
145 Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 148 f.; Ress/Bröhmer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 53 Rn. 11. 146 Farer, in: Delbrück (Hrsg.), The Future of International Law Enforcement, 1992, S. 39, 42 f.; Frowein/Krisch, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 43 Rn. 6. 147
Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 268.
148
Goodrich et al., UN-Charta, 3. Aufl. 1969, S. 319.
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6. Kapitel
sche Union kann daher mit Blick auf Art. 43 Abs. 3. UN-Charta nicht bestehen.149 Dieses Ergebnis ändert sich auch dann nicht, wenn eine Regionalorganisation in ihrem Binnenrecht die Möglichkeit der Durchführung militärischer Zwangsmaßnahmen, wie die AU in Art. 4 lit. h) KA-AU, vorsieht. Selbst in diesem Fall werden die Erfordernisse des Art. 43 Abs. 3 UN-Charta nicht soweit gewahrt, dass der UN-Sicherheitsrat ein Zugriffsrecht über Art. 53 Abs. 1 S. 1 UN-Charta bekommt. Die von Art. 43 Abs. 1 und 3 UN-Charta verlangten „Sonderabkommen“ zwischen der Regionalorganisation und den Vereinten Nationen sind zum einen technisch i.S. eines völkerrechtlichen Vertrages zu verstehen. Zum anderen geht es in der Regelung um den Vertragsvorbehalt der Mitgliedstaaten, d.h. um deren ausdrückliche Entscheidung, Truppen für die Vereinten Nationen stellen zu wollen. Eine einem Sonderabkommen äquivalente Bestimmung in der Satzung einer Regionalorganisation müsste dementsprechend genauso eindeutig und verbindlich den Umfang der Verpflichtung zur Truppenstellung regeln, wie dies ein Sonderabkommen würde.150 Dies ist soweit ersichtlich keiner einzigen bestehenden Satzung einer Regionalorganisation und jedenfalls nicht der KA-AU zu entnehmen.
b. Zwangsmaßnahmen außerhalb der Region und gegen Nichtmitglieder der Afrikanischen Union Diskussionsbedürftig ist ferner die in der Praxis bereits im Falle des Vorgehens der NATO in Bosnien-Herzegowina 1994 relevant gewordene Frage, ob der UN-Sicherheitsrat im Rahmen des Art. 53 Abs. 1 S. 149 Vgl. Vellas, Le Régionalisme International et l’Organisation des Nations Unies, 1948, S. 109; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 148; Frowein, in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 60; ders., in: Ress/Stein (Hrsg.), Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europainstitut, 1996, S. 5, 11; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 269; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 215. A.A. Kühne, Friedenssicherung durch regionale Organisationen in Europa, 1998, S. 85 ff. 150 Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 272 f. Ebenso Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach Kapitel VIII SVN, 1997, S. 580; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 216.
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1 UN-Charta Regionalorganisationen auch gegen Staaten außerhalb ihrer Region oder gegen Nichtmitglieder der Regionalorganisation einsetzen darf. Aus dem Wortlaut des Art. 53 Abs. 1 S. 1 UN-Charta ergibt sich keine Beschränkung des Zugriffs des UN-Sicherheitsrates auf Regionalorganisationen zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen nur innerhalb der Region oder nur in Bezug auf ihre Mitglieder.151 Aus Zweckmäßigkeitserwägungen wird argumentiert, dass der UN-Sicherheitsrat Regionalorganisationen außerhalb der Region oder gegen Nichtmitglieder einsetzen dürfe, denn ansonsten wären sie für ihn ohne wirklichen Nutzen.152 Gegen diese Ansicht sprechen allerdings die Funktionen, die Regionalorganisationen im Rahmen von Kapitel VIII UN-Charta erfüllen sollen. Sie werden mit Aufgaben der friedlichen Streitbeilegung und der Durchführung von Zwangsmaßnahmen gerade deshalb betraut, weil von ihnen eine besondere Eignung für die Beilegung von Konflikten in ihrer Region erwartet wird. Eine Organisation wird daher nach Art. 52 Abs. 1 UN-Charta bei Streitigkeiten in Anspruch genommen, bei denen „Maßnahmen regionaler Art angemessen“ sind. Dies ist zumindest bei einem Tätigwerden außerhalb der eigenen Region nicht der Fall, da die besondere Eignung zur Konfliktregelung aufgrund der Sachnähe, des Vertrauensverhältnisses der Mitglieder oder der Kenntnis lokaler Besonderheiten nicht gegeben ist.153 Ein Vorgehen gegen Nichtmitglieder einer Regionalorganisation oder außerhalb der Region ist vielmehr als ein Anwendungsfall von Art. 48 Abs. 2 UN-Charta anzusehen. Diesem zufolge müssen die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates durch die Mitgliedstaaten unmittelbar oder durch Maßnahmen in geeigneten Internationalen Organisationen, also auch Regionalorganisationen,154 deren Mitglieder sie sind, durchgeführt werden. Die Mitglieder der jeweiligen Regionalorganisation müssen dann eine entsprechende Entscheidung
151
So ausdrücklich Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 327.
152
Akehurst, BYIL 42 (1967), S. 175, 221. Ähnlich Ress/Bröhmer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 53 Rn. 10. 153
Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 276; Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach Kapitel VIII SVN, 1997, S. 574 f. I.E. auch Wolfrum, ZaöRV 53 (1993), S. 576, 580. 154
Bryde/Reinisch, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 48 Rn. 9.
326
6. Kapitel
der Regionalorganisation herbeiführen, gegen ein Nichtmitglied oder außerhalb der Region tätig zu werden.155
3. Ermächtigung nach Art. 53 Abs. 1 S. 2. 1. HS UN-Charta Das Verbot in Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS UN-Charta Zwangsmaßnahmen ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates vorzunehmen, bedeutet im Umkehrschluss, dass die Afrikanische Union nur mit Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates Zwangsmaßnahmen durchführen darf.156 Im Gegensatz zu Art. 53 Abs. 1 S. 1 UN-Charta geht die Initiative zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS UN-Charta von der Regionalorganisation aus.157 Der Wortlaut legt zudem einen größeren Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Regionalorganisation nahe, da hier die Durchführung der Zwangsmaßnahmen, d.h. Ort, Zeit, Art und Weise von ihr geplant und der UN-Sicherheitsrat „nur“ um die Ermächtigung der Durchführung gebeten wird. Im Falle von Art. 53 Abs. 1 S. 1 UN-Charta bestimmt hingegen der UN-Sicherheitsrat Art und Umfang der Zwangsmaßnahmen und bedient sich lediglich der Regionalorganisationen für die Durchführung.158
a. Zeitpunkt der Ermächtigung Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS. UN-Charta geht nach allgemeiner Meinung von der vorherigen ausdrücklichen Ermächtigung des UN-Sicherheits155 Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 277 ff. mit Hinweis auf die Staatenpraxis. Ähnlich auch Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 149 f.; de Wet, NJoIntL 71 (2002), S. 1, 10. 156
Vgl. Boutros-Ghali, Contribution a L’Étude des Ententes Régionales, 1949, S. 217; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 133; Ress, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, 1991, Art. 53 Rn. 10. 157
Frowein, in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 59; ders., in: Ress/Stein (Hrsg.), Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europainstitut, 1996, S. 5, 10; Kühne, Friedenssicherung durch regionale Organisationen in Europa, 1998, S. 73. 158
Boutros-Ghali, Contribution a L’Étude des Ententes Régionales, 1949, S. 217 f.; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 133; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 289 f.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
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rates aus. Umstritten und in der Praxis z.B. im Fall des ECOWASEinsatzes in Liberia relevant geworden ist, ob auch eine nachträgliche und/oder konkludente Ermächtigung nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS. UN-Charta vom Begriff der „authorization“ erfasst ist.
aa. Nachträgliche Ermächtigung Für die Zulässigkeit einer nachträglichen Ermächtigung durch den UNSicherheitsrat argumentieren einige Autoren ausgehend vom Wortlaut, dass die Bestimmung offen sei hinsichtlich des Zeitpunktes der Ermächtigung.159 Ferner wird ein sowjetischer Resolutionsentwurf anlässlich des Vorgehens der OAS gegen die Dominikanische Republik im Jahre 1960 herangezogen, der eine nachträgliche Genehmigung der Sanktionen seitens der OAS vorsieht.160 Die sowjetische Stellungnahme bezieht sich indes nur darauf, zu verdeutlichen, dass auch nicht-militärische Zwangsmaßnahmen zustimmungsbedürftig sind. Ihr wurde zudem sofort von französischer Seite widersprochen, so dass die Erklärung zu vernachlässigen ist.161 Gegen eine nachträgliche Ermächtigung wird eingewandt, dass Art. 53 Abs. 1 UN-Charta deutlich mache, dass dem UN-Sicherheitsrat ein Kontrollrecht über die Durchführung von Zwangsmaßnahmen durch Regionalorganisationen zukomme und er ihre Autonomie in diesem Bereich einschränke. Die effektive Ausübung dieses Kontrollrechtes setze aber voraus, dass der UN-Sicherheitsrat vor der Durchführung der Maßnahmen über sie entscheiden könne, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass er vor vollendete Tatsachen gestellt werde.162 Sei Sinn und 159 Verdross, Völkerrecht, 5 Aufl. 1964, S. 654; diesem folgend Gerold, Die Sicherung des Friedens durch die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), 1971, S. 135. S.a. Abass, Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 53 f. 160 Vgl. Chayes, Foreign Affairs 41/3 (1963), S. 550, 556; Meeker, AJIL 57 (1963), S. 515, 520. 161
Akehurst, BYIL 42 (1967), S. 175, 214; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 134. 162 Henkin, RdC 114 (1965), S. 169, 261; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 134; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 95; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 234; Ress/Bröhmer, in: Simma (Hrsg.), UNCharta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 53 Rn. 15; Villani, MPYUNL 6 (2002), S. 535, 551 f.; de Wet, NJoIntL 71 (2002), S. 1, 14; dies., The Chapter VII Powers of the
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6. Kapitel
Zweck der Bestimmung die Einleitung und Kontrolle von Maßnahmen durch den UN-Sicherheitsrat, so müsse dies im Vorhinein geschehen.163 Zudem befürchten die Vertreter dieser Ansicht eine Zunahme von Zwangsmaßnahmen, falls man eine nachträgliche Genehmigung für zulässig erachtet.164 Einseitige Maßnahmen würden ergriffen, in der Hoffnung auf eine nachträgliche Ermächtigung. Damit wäre aber Missbrauch Tür und Tor geöffnet.165 Die besseren Argumente sprechen für die Möglichkeit des UN-Sicherheitsrates, eine Ermächtigung auch nachträglich zu erteilen: Zunächst vermag das Argument der erheblichen Zunahme regionaler militärischer Maßnahmen, da es rein spekulativ und in der Staatenpraxis nicht nachgewiesen ist, nicht zu überzeugen. Der Wortlaut ist außerdem nicht dahingehend auslegbar, dass Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS. UN-Charta ausdrücklich eine vorherige Zustimmung verlangt. „Authorize“ in der englischen Fassung kann vielmehr sowohl als vorherige Zustimmung als auch als nachträgliche Genehmigung ausgelegt werden; gleiches gilt für die französische Fassung „autorisation“ sowie die spanische Fassung „autorisación“.166 Stellt man auf die Kontrollfunktion des UN-Sicherheitsrates ab, die eine vorherige Zustimmung verlange, so wird diese durch eine nachträgliche Genehmigung kaum eingeschränkt. Zwar hat der UN-Sicherheitsrat anders als nach Art. 53 Abs. 1 S. 1 UN-Charta weniger Einfluss auf die operative Planung der Zwangsmaßnahmen, da hierfür nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS UN-Charta die jeweilige Regionalorganisation zuständig ist. Die Kontrolle über Rechtmäßigkeit oder -widrigkeit einer Zwangsmaßnahme bleibt ihm aber unbenommen. Er kann nicht nur die Genehmigung verweigern, sondern sogar Gegenmaßnahmen einleiten, falls er die regionalen Zwangsmaßnahmen für rechtswidrig hält. Im Falle, dass er die nachträgliche Genehmigung verweigern würde, wäre die Zwangsmaßnahme ab initio rechtswid-
United Nations Security Council, 2004, S. 294 f.; Sarooshi, in: Lowe et al. (Hrsg.), The United Nations Security Council and War, 2008, S. 226, 229. 163
Chinkin, ICLQ 49 (2000), S. 910, 913; Gestri, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 211, 230. 164
Akehurst, BYIL 42 (1967), S. 175, 214.
165 Simma, EJIL 1999, S. 1, 11; Wellhausen, Humanitäre Intervention, 2002, S. 227; Gestri, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 211, 231. 166 Vgl. Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 294 m.w.N.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
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rig.167 Die umfassenden Kompetenzen des UN-Sicherheitsrates werden also nicht wesentlich in Frage gestellt, falls eine Ermächtigung erst im Nachhinein eingeholt wird.168 Dem UN-Sicherheitsrat bleibt es demnach unbenommen, der AU seine Ermächtigung vor und nach der Durchführung von Zwangsmaßnahmen zu erteilen.169 Das Risiko der Völkerrechtswidrigkeit der Zwangsmaßnahmen trägt im letzteren Fall dann allein die Afrikanische Union.170
bb. Konkludente Ermächtigung Bei den Maßnahmen der OAS gegen die Dominikanische Republik, dem amerikanischen Vorgehen während der Kubakrise, der Intervention der ECOWAS in Liberia und dem NATO-Einsatz in Jugoslawien stellte sich die Frage der Möglichkeit einer konkludenten Zustimmung zu Zwangsmaßnahmen, die bis heute kontrovers diskutiert wird.171 Ohne hier auf die Einzelheiten der jeweiligen Konflikte und deren Behandlung durch den UN-Sicherheitsrat eingehen zu wollen,172 spricht sich insbesondere mit Blick auf die ECOWAS-Intervention in Liberia eine verbreitete Ansicht für die Möglichkeit einer konkludenten Er-
167 Walter, MPYUNL 1 (1997), S. 129, 179. S.a. Abass, Regional Organisations and the Development of Collective Security, 2004, S. 55. Zweifelnd Frowein, in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 65 f.; ders., in: Ress/ Stein (Hrsg.), Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europainstitut, 1996, S. 5, 20 der der nachträglichen Ermächtigung Rechtwirkung insofern zubilligt, als dass der UN-Sicherheitsrat über die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen entscheidet. 168
Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 294.
169
Vgl. de Wet, NJoIntL 71 (2002), S. 1, 16 f.; dies., The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, S. 296 f.; Ronzitti, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 91, 107. 170 Ress/Bröhmer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 53 Rn. 17. 171 Zur „konkludenten“ Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat im Rahmen von Art. 42 UN-Charta siehe Kreipe, Les Autorisations Donneés par le Conseil de Sécurité des Nations Unies à des Mesures Militaires, 2009, inbes. S. 135 ff. 172 Dazu Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 296 ff., 305 ff. m.w.N.
330
6. Kapitel
mächtigung aus.173 Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS. UN-Charta verlange keine bestimmte Form der Ermächtigung.174 Gegen die Möglichkeit einer konkludenten Ermächtigung lässt sich anführen, dass eine solche der in langwierigen diplomatischen Prozessen zustande gekommenen Entscheidung des UN-Sicherheitsrates entgegensteht, keine ausdrückliche Ermächtigung nach Kapitel VII oder VIII UN-Charta auszusprechen. Wird diese Ermächtigung dennoch angenommen, widerspricht dies wohlmöglich dem Wortlaut und dem Ziel der Sicherheitsratsresolution. Ferner werden so die engen Ausnahmen vom Gewaltverbot umgangen.175 Die Annahme einer konkludenten Ermächtigung birgt außerdem die Gefahr, dass Regionalorganisationen entweder intervenieren in der Hoffnung auf ein nachträgliches Plazet des UN-Sicherheitsrates oder in unklaren Äußerungen des UN-Sicherheitsrates eine konkludente Ermächtigung interpretieren und in Fällen intervenieren, die der UN-Sicherheitsrat gerade nicht billigen wollte. Das dem UN-Sicherheitsrat nach Art. 24 Abs. 1 und 53 Abs. 1 S. 1 UNCharta zugebilligte Kontrollrecht über regionale Maßnahmen und die Autorität des UN-Sicherheitsrates wird so unterlaufen.176 Es besteht zudem ein erhebliches Missbrauchspotential, wenn Regionalorganisationen in unklaren Fällen implizit zugestanden wird, Sicherheitsratsresolutionen auszulegen.177 Der ECOWAS-Einsatz in Liberia oder der 173
Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 303; Simma, EJIL 1999, S. 1, 11 f.; Villani, MPYUNL 6 (2002), S. 535, 544 f.; Ronzitti, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 91, 107. I.E. auch Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 84 f. 174 Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl. 1964, S. 653 f.; Gerold, Die Sicherung des Friedens durch die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), 1971, S. 135. 175
Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 280; de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, S. 295 f.; Aghayev, Humanitäre Intervention und Völkerrecht, 2007, S. 31. S.a. Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 241. 176 Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 241; Ress/Bröhmer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 53 Rn. 21, 23; Wellhausen, Humanitäre Intervention, 2002, S. 226 f.; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 280; N. Aghayev, Humanitäre Intervention und Völkerrecht, 2007, S. 31. 177
Gestri, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 211, 231.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
331
NATO-Einsatz in Jugoslawien haben gezeigt, dass die Interpretation von Sicherheitsratsresolutionen durch die Mitgliedstaaten sehr uneinheitlich ist. Gerade in solchen schwierigen Konfliktlagen ist rechtliche Klarheit jedoch unabdingbar.178 Die Möglichkeit einer konkludenten Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS. UN-Charta ist daher abzulehnen.
b. Zulässigkeit einer Ermächtigung zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen gegen Drittstaaten Abschließend ist im Rahmen des Ermächtigunsgerfordernisses nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS. UN-Charta zu klären, ob der UN-Sicherheitsrat die Afrikanische Union dazu ermächtigen dürfte, Zwangsmaßnahmen gegen Drittstaaten durchzuführen, die weder den Vereinten Nationen noch der AU angehören (sog. absolute Drittstaatenkompetenz) bzw. die zwar den Vereinten Nationen angehören aber nicht der AU (sog. relative Drittstaatenkompetenz) und entweder innerhalb des Operationsgebietes der AU liegen, außerhalb des Operationsgebietes liegen, aber friedensbedrohende Aktivitäten wahrnehmen, die die Region betreffen, oder außerhalb der Region liegen und die friedensbedrohenden Aktivitäten auch nur außerhalb der Region Wirkungen zeitigen.179 Für die drei genannten Fälle der relativen Drittstaatskompetenz ergibt sich die Ermächtigungskompetenz nicht aus Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS. UN-Charta, sondern vielmehr aus Art. 48 Abs. 2 UN-Charta. Hiernach kann der UN-Sicherheitsrat seine Ermächtigung auch auf Regionalorganisationen erstrecken, um Maßnahmen gegenüber Nichtmitgliedern einer Regionalorganisation oder außerhalb der Region vorzunehmen. Rechtsgrundlage für eine solche Ermächtigung ist Kapitel VII UN-Charta.180 Anders ist allerdings der Fall zu beurteilen, wenn der von der Zwangsmaßnahme betroffene Staat wegen Verletzung der Mit178 Vgl. Ress/Bröhmer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 53 Rn. 23; de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, S. 295. 179 Dazu Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 118 ff.; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 311. 180
Ausführlich Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 312 ff. m.w.N. S.a. Theuermann, in: Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 231, 248 f.
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6. Kapitel
gliedschaftsrechte von der Regionalorganisation zulässigerweise suspendiert worden ist, wie dies etwa Art. 30 KA-AU im Falle eines verfassungswidrigen Regierungswechsels vorsieht. In einem solchen Fall ist der betroffene Staat nicht als Nichtmitglied zu werten, sondern der Staat bleibt bis zum Austritt oder endgültigem Ausschluss aus der Regionalorganisation Mitglied derselben. Dies hat dann zur Folge, dass eine Ermächtigung zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS UN-Charta möglich wäre.181 Mit Blick auf die Ermächtigung von Zwangsmaßnahmen gegen Nichtmitglieder der Vereinten Nationen ist zu bedenken, dass der UN-Sicherheitsrat bereits keine Drittstaatskompetenz gegen Nichtmitglieder der Vereinten Nationen besitzt, vor allem weil die Charta der Vereinten Nationen bei Erstreckung der Verpflichtungen auch auf Nichtmitglieder zu einem unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter würde.182 In der Folge kann der UN-Sicherheitsrat auch keine Ermächtigung an die Afrikanische Union erteilen, gegen Nichtmitglieder der Vereinten Nationen Zwangsmaßnahmen durchzuführen.183 Die Kompetenzen des UNSicherheitsrates nach Kapitel VIII UN-Charta müssen sich vielmehr im Rahmen seiner Kompetenzen nach Art. 24 und Kapitel VII UN-Charta bewegen. Im Falle einer Völkerrechtsverletzung durch einen Nichtmitgliedstaat können die Mitglieder der Vereinten Nationen Repressalien gegen diesen vornehmen, im Falle einer Aggression ihr in Art. 51 UNCharta anerkanntes kollektives Selbstverteidigungsrecht ausüben.184 Sie 181 Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 130 f.; Theuermann, in: Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 231, 248. 182
Vgl. Katzarov, AVR 3 (1951/52), S. 1, 20 f.; Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 121; Cahier, in: Cassese (Hrsg.), Current Problems of International Law, 1975, S. 81, 97; Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 9; Frowein, in: Simma (Hrsg.), UNCharta, 1991, Art. 39 Rn. 36; ders./Krisch, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Introduction to Chapter VII, Rn. 41; Tagwerker, Das Verhältnis der OAU zu den Vereinten Nationen nach Kapitel VIII SNV, 2001, S. 245. A.A. Soder, Die Vereinten Nationen und die Nichtmitglieder, 1956, S. 254 ff.; Kelsen, The Law of the United Nations, 1964, S. 730 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, S. 177; Tomuschat, RdC 241 (1993), S. 195, 252 f. 183 Vgl. Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 315 f. m.w.N. I.E. auch Wolfrum, ZaöRV 53 (1993), S. 576, 580; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 96. 184 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 176. Vgl. auch Beyerlin, in:
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
333
sind demnach nicht schutzlos gestellt gegenüber Bedrohungen durch Nichtmitgliedstaaten. Die Notwendigkeit für eine absolute Drittstaatskompetenz besteht daher nicht.
IV. Sonderfall „humanitäre Intervention“ In der Völkerrechtswissenschaft unter dem Stichwort „humanitäre Intervention“ kontrovers diskutiert wird die Situation, dass eine Regionalorganisation aus humanitären Gründen militärische Maßnahmen gegen einen Staat ergreift, die der UN-Sicherheitsrat nicht nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1 HS. UN-Charta autorisiert hat. Im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur könnte ein solcher Fall – wenig wahrscheinlich aber theoretisch denkbar – z.B. dann eintreten, wenn ein Staat, in dem schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden, einer Intervention nach Art. 4 lit. h) KA-AU die Zustimmung verweigert und aus der Organisation austritt. Art. 4 lit. h) KA-AU würde als Rechtsgrundlage für eine Intervention entfallen, da nicht mehr „in einem Mitgliedstaat“ interveniert würde. Würde die Afrikanischen Union dennoch militärisch eingreifen, würde dies der Praxis in jüngerer Zeit entsprechen, in der einige Regionalorganisationen vorgeblich aus humanitären Motiven militärisch in Staaten interveniert haben, ohne deren Zustimmung und ohne sich hierfür auf eine Ermächtigung des UNSicherheitsrates berufen zu können, so z.B. die ECOWAS in Liberia 1990 oder die NATO im Kosovo 1999.
1. Definition Für die hier angestellten Überlegungen soll unter einer humanitären Intervention verstanden werden, das „Eingreifen eines Staates oder einer Staatenkoalition oder einer Internationalen Organisation (Intervenient) mit Androhung oder Anwendung von militärischer Gewalt gegen einen Staat (Interventionsobjekt) ohne seine Einwilligung, um Staatsbürger des letzteren (Interventionsbegünstigter) vor existenzieller Bedrohung, besonders Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 9; Theuermann, in: Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 231, 249.
334
6. Kapitel
vor schwerwiegenden und systematischen Verletzungen der fundamentalen Menschenrechte zu schützen (Interventionszweck), ohne Autorisierung des UN-Sicherheitsrates oder Einladung der betroffenen Regierung.“185 Hauptmerkmal der humanitären Intervention und entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zu anderen Interventionen ist der mit ihr verfolgte humanitäre Zweck, also die Ausrichtung auf den Schutz des Menschen vor existenzieller Bedrohung.186 Abzugrenzen ist sie von anderen Einsatzformen, wie z.B. „humanitarian action“, „humanitarian operations“ oder „humanitarian assistance“, die nicht notwendiger Weise mit Zwangsmaßnahmen i.S.v. Art. 53 Abs. 1 UN-Charta einhergehen.187 Um eine humanitäre Intervention handelt es sich auch dann nicht, wenn die Intervention aufgrund anderer Zielsetzungen als die Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen erfolgt, so z.B. um eigene Staatsangehörige im Zielstaat zu schützen,188 um Demokratie wiederherzustellen oder um unterdrückte Bevölkerungen bei ihrem Bestreben nach Selbstbestimmung zu unterstützen.189 Abzugrenzen ist ferner die Intervention auf Einladung bzw. mit Einwilligung des betroffenen Staates.190 In185 Vgl. Aghayev, Humanitäre Intervention und Völkerrecht, 2007, S. 9. Ähnlich Pauer, Die humanitäre Intervention, 1985, S. 23; Verwey, in: Cassese (Hrsg.), The Current Legal Regulation of the Use of Force, 1986, S. 57, 59; Taskushina, Die humanitäre Intervention am Beispiel des NATO-Einsatzes im Kosovo, 2000, S. 15 ff.; Harhoff, NJIL 70 (2001), S. 65, 71 f.; Henke, Humanitäre Intervention, 2002, S. 4 ff.; Wellhausen, Humanitäre Intervention, 2002, S. 33 f.; Holzgrefe, in: ders./Keohane (Hrsg.), Humanitarian Intervention, 2003, S. 15, 18; Tesón, Humanitarian Intervention, 3. Aufl. 2005, S. 6. S.a. Europäisches Parlament, Entschließung zum Recht auf Intervention aus humanitären Gründen, ABl. EG C 128 vom 9. Mai 1994, S. 225. 186 Bartl, Die humanitäre Intervention durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im „Failed State“, 1999, S. 60 f.; Condé, Handbook of International Human Rights Terminology, 2. Aufl. 2004, S. 109 f. 187 Pape, Humanitäre Intervention, 1997, S. 107 ff.; Degan, in: Vohrah et al. (Hrsg.), FS Cassese, 2003, S. 233, 241 ff. S.a. die Unterscheidung zwischen Intervention und „humanitarian aid“ durch den IGH in Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, S. 14 para. 242. 188
Kolb, IRRC 85 (2003), S. 119 f.
189
Kindiki, Intervention to Protect Civilians in Darfur, 2007, S. 11.
190
Barrie, in: Du Plessis/Hough (Hrsg.), Managing African Conflicts, 2000, S. 73, 81; Kolb, IRRC 85 (2003), S. 119.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
335
terventionen nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU sind aufgrund der vertraglichen und ad hoc-Zustimmung des betroffenen Staates daher gerade keine „humanitären Interventionen“ im vorgenannten Sinne, auch wenn sie humanitäre Zwecke verfolgen.
2. Rechtfertigungsversuche Zweifelsfrei fällt die humanitäre Intervention unter grenzüberschreitende bewaffnete Gewalt i.S.v. Art. 2 Nr. 4 UN-Charta. Daher bedarf eine solche Gewaltanwendung einer besonderen Begründung. Es haben sich in der Völkerrechtwissenschaft und -praxis eine Vielzahl von Lösungsansätzen herausgebildet, die eine humanitäre Intervention entweder unter semantischen191 oder teleologischen192 Gesichtspunkten für vereinbar mit der UN-Charta halten, sie gewohnheitsrechtlich anerkennen,193 sie als Form der Selbstverteidigung gegen schwere Men191
S. schon Bowett, Self-Defence in International Law, 1958, S. 31 ff.; Stone, Aggression and World Order, 1958, S. 95 ff.; Reisman/McDougal, in: Lillich (Hrsg.), Humanitarian Intervention and the United Nations, 1973, S. 167, 177. Kritisch bereits Brownlie, International Law and the Use of Force by States, 1963, S. 267 f.; Higgins, The Development of International Law through the Political Organs of the UN, 1963, S. 182 f.; Schachter, International Law in Theory and Practice, 1991, S. 118; Epping, in: ders. et al. (Hrsg.), FS Ipsen, 2000, S. 615, 638; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 86 f.; Weller, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 277, 318 f. 192
Reisman/McDougal, in: Lillich (Hrsg.), Humanitarian Intervention and the United Nations, 1973, S. 167, 177 f.; Ipsen, Die Friedens-Warte 74/1-2 (1999), S. 19, 21; ders., in: ders. et al. (Hrsg.), FS Dau, 1999, S. 103, 109 ff.; Köck, in: Gustenau (Hrsg.), Humanitäre militärische Intervention zwischen Legalität und Legitimität, 2000, S. 25, 52 ff.; Gestri, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 211, 236 ff. A.A. Franzke, Österr. Z öffentl. Recht und Völkerrecht 16 (1966), S. 128, S. 149 ff.; Bothe, in: Ipsen et al. (Hrsg.), FS Dau, 1999, S. 13, 16 f.; Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941, 943; Aghayev, Humanitäre Intervention und Völkerrecht, 2007, S. 30 f. 193 Vgl. nur Trachtenberg, in: Reed/Kaysen (Hrsg.), Emerging Norms of Justified Intervention, 1993, S. 15 ff.; Cassese, EJIL 10 (1999), S. 23, 29; Greenwood, FYoIL 10 (1999), S. 141, 162 ff.; Stein, in: Caflisch et al. (Hrsg.), Eingriff in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten zum Zwecke des Menschenrechtsschutzes, 2002, S. 21, 26 f., 29; Stromseth, in: Holzgrefe/Keohane (Hrsg.), Humanitarian Intervention, 2003, S. 232 ff.; Levitt, in: Blokker/Schrijver (Hrsg.), The Security Council and the Use of Force, 2005, S. 213, 232 f. Ableh-
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6. Kapitel
schenrechtsverletzungen nach Art. 51 UN-Charta194 oder bei Untätigkeit des UN-Sicherheitsrates für gerechtfertigt,195 oder für entschuldbar halten196. Der Diskussion können für die Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union keine neuen Erkenntnisse hinzugefügt werden. Im Ergebnis lässt sich eine humanitäre Interventionen bisher nicht vollends überzeugend rechtfertigen oder entschuldi-
nend Ronzitti, Rescuing Nationals Abroad, 1985, S. 92 ff., 108 f.; Delbrück, Die Friedens-Warte 74/1-2 (1999), S. 139, 150; Tomuschat, Die Friedens Warte 74/12 (1999), S. 33, 34; Chesterman, Just War or Just Peace, 2001, S. 53 ff.; Hilpold, EJIL 12/3 (2001), S. 437, 444 f., 460; Holzgrefe, in: ders./Keohane (Hrsg.), Humanitarian Intervention, 2003, S. 15, 44 ff.; Allain, MPYUNL 8 (2004), S. 237, 254 f.; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 33 f., 38 f., 45 ff.; Gazzini, JoCSL11/3 (2006), S. 319, 326 f. 194
Delbrück, Die Friedens-Warte 74/1-2 (1999), S. 139, 152 ff.; Ipsen, Die Friedens-Warte 74/1-2 (1999), S. 19, 22 f.; ders., in: ders. et al. (Hrsg.), FS Dau, 1999, S. 103, 116 f.; Steinkamm, in: Ipsen et al. (Hrsg.), FS Dau, 1999, S. 261, 282 f.; ders., in: Gustenau (Hrsg.), Humanitäre militärische Intervention zwischen Legalität und Legitimität, 2000, S. 109, 129 ff.; Taskushina, Die humanitäre Intervention am Beispiel des NATO-Einsatzes im Kosovo, 2000, S. 44 ff., 69 f.; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, Rn. 1008 ff., 1014 f. Dagegen Pauer, Die humanitäre Intervention, 1985, S. 140 ff.; Bothe, in: Ipsen et al. (Hrsg.), FS Dau, 1999, S. 13, 17 f.; Weschke, Internationale Instrumente zur Durchsetzung der Menschenrechte, 2001, S. 142 f.; Byers/Chesterman, in: Holzgrefe/Keohane (Hrsg.), Humanitarian Intervention, 2003, S. 177, 182; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 4. Aufl. 2005, S. 72 f.; Samtleben, in: Rodríguez et al. (Hrsg.), FS Campos, 2005, S. 663, 681 f.; Tomuschat, Human Rights, 2. Aufl. 2008, S. 276. 195 Reisman/McDougal, in: Lillich (Hrsg.), Humanitarian Intervention and the United Nations, 1973, S. 167, 178; Reisman, YJIL 10 (1985), S. 279 ff.; Tesón, Humanitarian Intervention, 3. Aufl. 2005, S. 202 ff. Ablehnend Hilpold, EJIL 12/3 (2001), S. 437, 451; Wellhausen, Humanitäre Intervention, 2002, S. 237 f.; Farer, in: Holzgrefe/Keohane (Hrsg.), Humanitarian Intervention, 2003, S. 53, 64 f.; Ronzitti, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 91, 108. 196
Vor allem Kersting, in: Gustenau (Hrsg.), Humanitäre militärische Intervention zwischen Legalität und Legitimität, 2000, S. 59 ff.; Tesón, Humanitarian Intervention, 3. Aufl. 2005; Janzekovic, The Use of Force in Humanitarian Intervention, 2006. Kritisch bereits Verwey, in: Cassese (Hrsg.), The Current Legal Regulation of the Use of Force, 1986, S. 57, 71; Wellhausen, Humanitäre Intervention, 2002, S. 239 f.; Liebach, Die unilaterale humanitäre Intervention im „zerfallenen Staat“, 2004, S. 247 ff.
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
337
gen und auch die Konstruktion einer Ausnahme vom Tatbestand des Art. 2 Nr. 4 UN-Charta gelingt nicht endgültig.
3. Voraussetzungen einer humanitären Intervention Da humanitäre Interventionen in der Vergangenheit bereits vorgenommen wurden und es auch zukünftig Fälle geben kann, in denen Staaten sich „gezwungen“ sehen ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates militärisch einzugreifen, müssen zumindest enge Voraussetzungen herausgearbeitet werden, wie sie z.B. die Responsibility to Protect aufgestellt hat,197 um die Missbrauchsgefahr eines möglichen Intervenienten angesichts der vielfältigen staatlichen Eigeninteressen zu minimieren. Notwendige Voraussetzung einer humanitären Intervention muss zuvörderst die qualitativ und quantitativ schwerwiegende Verletzung von Menschenrechten sein, die systematisch von staatlichen oder parastaatlichen Organisationen organisiert und begangen werden.198 Überragender Zweck und Ziel einer humanitären Intervention muss damit einhergehend der Schutz der Zivilbevölkerung vor schweren Menschenrechtsverletzungen sein.199 Die Intervention darf nur das allerletzte Mittel sein, nachdem alle anderen möglichen und vernünftigen Lösungsversuche und allen Voran das UN-Verfahren versucht worden sind und versagt haben.200 Weder der UN-Sicherheitsrat noch die überwiegende Mehrheit der Generalversammlung dürfen die Interven-
197
The Responsibility to Protect, S. XII f., S. 31 ff.
198
Pauer, Die humanitäre Intervention, 1985, S. 199 ff.; Cassese, EJIL 10 (1999), S. 23, 27; Delbrück, Die Friedens-Warte 74/1-2 (1999), S. 139, 152 f.; Steinkamm, Zur humanitären Intervention, in: Ipsen et al. (Hrsg.), FS Dau, 1999, S. 261, 274; Stein, in: Caflisch et al. (Hrsg.), Eingriff in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten zum Zwecke des Menschenrechtsschutzes, 2002, S. 21, 32; Degan, in: Vohrah et al. (Hrsg.), FS Cassese, 2003, S. 233, 248. 199 Delbrück, Die Friedens-Warte 74/1-2 (1999), S. 139, 153; Stromseth, in: Holzgrefe/Keohane (Hrsg.), Humanitarian Intervention, 2003, S. 232, 250. 200 Farer, in: Damrosch (Hrsg.), Enforcing Restraint, 1993, S. 316, 327; Henke, Humanitäre Intervention, 2002, S. 103; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 172 f.; Stein, in: Caflisch et al. (Hrsg.), Eingriff in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten zum Zwecke des Menschenrechtsschutzes, 2002, S. 21, 32; Aghayev, Humanitäre Intervention und Völkerrecht, 2007, S. 50.
338
6. Kapitel
tion verurteilt und zu deren Beendigung aufgerufen haben.201 Der UNSicherheitsrat muss ferner ständig über den Einsatz informiert werden und behält selbstverständlich das Recht, diesen jederzeit an sich zu ziehen.202 Es ist zudem die Pflicht der beteiligten Staaten, alles Erforderliche zu tun, um die Mechanismen des UN-Systems zur Wirkung zu verhelfen, da analog zu Art. 51 UN-Charta auch die Selbstverteidigung nur bis zu dem Punkt erlaubt ist, bis der UN-Sicherheitsrat die erforderlichen Maßnahmen zur Wahrung oder Wiederherstellung des Friedens ergriffen hat.203 Das Proportionalitätsprinzip muss beachtet werden, d.h. die Maßnahmen müssen zur Erreichung des Zieles geeignet, erforderlich und angemessen sein.204 Die Intervention muss dementsprechend zeitlich und räumlich begrenzt sein. Sie darf keine dauerhafte Besetzung des Territoriums des betreffenden Staates verfolgen oder den Konflikt über dieses Territorium hinaus eskalieren. Die Zahl der zivilen Opfer muss so gering wie möglich gehalten werden und die Beeinträchtigung des politischen Systems des Staates darf nicht über das für die Zielerreichung Notwendige hinausgehen.205 Der Einsatz muss weiterhin multilateral erfolgen durch eine Koalition von Staaten oder eine Regionalorganisation, um die Legitimität der Intervention zu erhöhen und die Missbrauchsgefahr durch eine Hegemonialmacht zu verringern.206
201
Stein, in: Caflisch et al. (Hrsg.), Eingriff in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten zum Zwecke des Menschenrechtsschutzes, 2002, S. 21, 33; Stromseth, in: Holzgrefe/Keohane (Hsrg.), Humanitarian Intervention, 2003, S. 232, 248. 202
Farer, in: Damrosch (Hrsg.), Enforcing Restraint, 1993, S. 316, 328; Delbrück, Die Friedens-Warte 74/1-2 (1999), S. 139, 153; Stromseth, in: Holzgrefe/Keohane (Hrsg.), Humanitarian Intervention, 2003, S. 232, 248. 203
Ipsen, in: ders. et al. (Hrsg.), FS Dau, 1999, S. 103, 113.
204
Ebenda, S. 103, 114; Delbrück, Die Friedens-Warte 74/1-2 (1999), S. 139, 153; Bagaric/Morss, BrookJIntL 30/2 (2005), S. 421, 443 f. 205 Pauer, Die humanitäre Intervention, 1985, S. 204 ff.; Delbrück, Die Friedens-Warte 74/1-2 (1999), S. 139, 153 f.; Harhoff, NJIL 70 (2001), S. 65, 115; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 175 ff.; Stromseth, in: Holzgrefe/Keohane (Hrsg.), Humanitarian Intervention, 2003, S. 232, 251 f.; Hilger, Präemption und humanitäre Intervention, 2005, S. 48. 206
Cassese, EJIL 10 (1999), S. 23, 27; Delbrück, Die Friedens-Warte 74/1-2 (1999), S. 139, 153; Ipsen, in: ders. et al. (Hrsg.), FS Dau, 1999, S. 103, 113 f.; Henke, Humanitäre Intervention, 2002, S. 107; Stein, in: Caflisch et al. (Hrsg.), Eingriff in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten zum Zwecke des Men-
Das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen
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4. Einordnung für die Afrikanische Union Eine gegen ein Nichtmitglied und ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates vorgenommene Intervention der Afrikanischen Union lässt sich völkerrechtlich bisher nicht zufriedenstellend rechtfertigen und findet auch keine Grundlage in der KA-AU. Allerdings ist die Afrikanische Union besser imstande, die Voraussetzungen, die an eine humanitäre Intervention gestellt werden, zu erfüllen vor allem hinsichtlich der notwendigen Multilateralität aber auch hinsichtlich der Zwecksetzung eines militärischen Eingreifens, die weniger stark von einzelstaatlichen Interessen geprägt sein dürfte. Die AU verfügt überdies über geeignete Mechanismen, um eine solche Intervention auch verfahrensmäßig geordnet und unter größtmöglicher Partizipation aller von ihr betroffenen Parteien durchzuführen. Praktisch relevant geworden ist ein solcher Einsatz bisher allerdings nicht. Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur ist aufgrund ihrer vielfältigen Kooperations- und Ausgleichsmechanismen vielleicht sogar eher dazu geeignet, den Rückgriff auf eine Intervention ohne Zustimmung der Konfliktparteien und ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates zur Verhinderung und Bewältigung schwerer Menschenrechtsverletzungen obsolet zu machen. Dies wird schon durch die Einsätze der AU in Darfur und Somalia eindrucksvoll belegt, auf die im nächsten Kapitel eingegangen wird.
V. Zwischenergebnis In Untersuchung des Verhältnisses der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen im Rahmen von Kapitel VIII UN-Charta konnte zunächst festgestellt werden, dass den regionalen Maßnahmen friedlicher Konfliktbewältigung Vorrang vor den Maßnahmen des UN-Sicherheitsrates zukommen, jedenfalls dann, wenn sie zur Friedenswahrung geeignet sind. Das eigene Selbstverständnis der AU, die primäre Zuständigkeit für Streitigkeiten innerhalb Afrikas zu haben, wird insoweit bestätigt. Die in KA-AU und ProtokollPSC verankerten Kompetenzen der AU zur friedlichen Konfliktlösung und hierbei insbesondere die Suspendierungs- und Sanktionsmöglichkeiten bei verfassungswidrigen Regierungswechseln sind mit Art. 52 UN-Charta vereinbar.
schenrechtsschutzes, 2002, S. 21, 32 f.; Degan, in: Vohrah et al. (Hrsg.), FS Cassese, 2003, S. 233, 250.
340
6. Kapitel
Nach der hier vertretenen Auffassung fallen nur militärische Maßnahmen der Afrikanischen Union unter die Zwangsmaßnahmen i.S.v. Art. 53 Abs. 1 UN-Charta, nicht aber nicht-militärische Maßnahmen. Anders als bei letzteren besteht zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen kein unbedingter Zugriff des UN-Sicherheitsrates auf die AU. Die restriktive Interpretation von Art. 53 Abs. 1 UN-Charta bedeutet für die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur im Ergebnis, dass Sanktionen nach Art. 23 KA-AU oder Art. 37 Abs. 5 VerfOVers, Art. 7 lit. g) ProtokollPSC von dessen Anwendungsbereich nicht erfasst werden, die AU insoweit also eigenverantwortlich handeln darf. Aber auch Interventionen aufgrund von Art. 4 lit. j) KA-AU sind nicht eigens ermächtigungsbedürftig, da eine Ausnahme vom Gewaltverbot anerkanntermaßen bereits durch die Einwilligung vorliegt. Eines Rückgriffs auf Art. 53 Abs. 1 UN-Charta bedarf es in diesem Fall nicht mehr. Nimmt die Afrikanische Union militärische Maßnahmen nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS UN-Charta vor, so muss ihr eine Ermächtigung nach der hier vertretenen Auffassung möglichst im Vorhinein, im Ausnahmefall auch im Nachhinein, aber jedenfalls ausdrücklich durch den UN-Sicherheitsrat erteilt werden. Nur so kann dessen Kontrollrecht gewahrt und in schwerwiegenden Konfliktsituationen möglichst weitgehende rechtliche Klarheit erreicht werden. Eine humanitäre Intervention der AU ohne eine Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates wäre völkerrechtlich nur schwer zu rechtfertigen. Ob Interventionen nach Art. 4 lit. h) KA-AU und solche, die nicht den Anforderungen von Art. 4 lit. j) KA-AU gerecht werden, in jedem Fall ermächtigungsbedürftig sind, soll abschließend im Zusammenhang mit der Analyse der bisherigen AU-Friedensmissionen geklärt werden.
7. Kapitel: Der Einsatz von Friedenstruppen im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur Die Durchführung von Peacekeeping zur Beilegung innerstaatlicher und regionaler Konflikte ist für das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen und für die Friedenssicherung in Afrika rechtlich und praktisch von immenser Bedeutung. In insgesamt zehn Missionen sind knapp zwei Drittel aller UN-Friedenstruppen und damit mehr als 60.000 Soldaten und Polizisten in Afrika stationiert. Afrikanische Staaten stellen dabei fast 30 % des gesamten militärischen Personals.1 Die Afrikanische Union hat, obwohl die geplanten Kapazitäten hierfür bisher noch nicht annähernd erreicht sind, mehrere Friedenseinsätze mit unterschiedlicher Zielsetzung durchgeführt, so die Mission in Burundi (AMIB), im Darfur, Sudan (AMIS I + II, nunmehr UNAMID), in Somalia (AMISOM) und die AU-Missionen auf den Komoren. Ausgehend von der Definition (I.) und deren rechtlichen Grundlagen (II.), sollen in diesem Kapitel diese AU-Missionen analysiert und an den hier und im letzten Kapitel herausgearbeiteten Vorgaben der UN-Charta gemessen werden (III.). Bilden oft die Konfliktursachen und immensen logistischen, finanziellen und politischen Herausforderungen solcher Truppenentsendungen den Schwerpunkt der Diskussion,2 sollen bei den nun folgenden Überlegungen die Frage nach der Völkerrechtskonformität der AU-Missionen und die praktische Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen im Vordergrund stehen.
1
Zahlen nach Kinzel, SWP-Studie (2008), S. 1, 7; Neethling, African Security Review 18/1 (2009), S. 1, 7 ff. Einen guten Überblick über Peacekeeping Operationen der Vereinten Nationen in Afrika bieten Jakobsen, International Peacekeeping 7 (2001), S. 153 ff.; Debiel, Vereinte Nationen, 2 (2002), S. 57 ff.; ders., UN-Friedenssicherung in Subsahara-Afrika, 2002, S. 127 ff.; Gray, RevIntSt 31 (2005), S. 207 ff.; Francis, Uniting Africa, 2006, S. 100 f.; Neethling, African Security Review 18/1 (2009), S. 1, 4 ff. 2
Z.B. Agoagye, ISS-Paper 149 (2007), S. 1 ff.; Andrews/Holt, Stimson Center Issue Brief (2007); Cilliers, The United Nations and Africa, Thesenpapier vom 18. April 2007; Kreps, African Security Review 16/4 (2007), S. 66 ff.; El Ouazghari, HSFK-Report 14 (2007), S. 31. D. Barthel, Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 224, DOI 10.1007/978-3-642-20034-2_8, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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7. Kapitel
I. Definition „Peacekeeping“ ist nach der „Agenda for Peace”-Definition: „the deployment of a United Nations presence in the field, hitherto with the consent of all the parties concerned, normally involving United Nations military and/or police personnel and frequently involving civilians as well.“3 Bei traditionellen Peacekeeping-Einsätzen maßgeblich ist demnach ähnlich wie bei der Intervention auf Einladung die Einwilligung aller am Konflikt beteiligter Parteien.4 Klassische Peacekeeping-Einsätze gehen im Regelfall nicht über den Einsatz von Gewalt zur Selbstverteidigung hinaus, wobei mittlerweile der Einsatz von Waffengewalt zur Durchsetzung des Mandats und zum Schutz der Zivilbevölkerung in Ausweitung des Verständnisses von Selbstverteidigung ebenfalls als zulässig angesehen wird (sog. robustes Peacekeeping).5 Diese beiden Voraussetzungen unterscheidet Peacekeeping von Peace Enforcement. Bei letzterem muss nicht zwingend die Zustimmung aller Konfliktparteien vorliegen und auch der Einsatz von Waffengewalt zur „Erzwingung“ einer Einigung bzw. deren Einhaltung durch die Konfliktparteien oder zur
3 An Agenda for Peace, UN Dok.Nr. A/47/277-S/24111 vom 17. Juni 1992, para. 20. S.a. Report of the Panel on United Nations Peace Operations (Brahimi Report), UN Dok.Nr. A/55/305- S/2000/809 vom 21. August 2000; Griep, Vereinte Nationen 2 (2002), S. 61 ff.; Holt/Shanahan, African Capacity Building for Peace Operations, Februar 2005, S. 27 ff.; DPKO, United Nations Peacekeeping Operations - Principles and Guidelines, 2008. 4
Theuermann, in: Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 231, 253. Olonisakin, Reinventing Peacekeeping in Africa, 2000, S. 9; Wedgwood, JoLP 5 (2001), S. 69, 71; Findlay, The Use of Force in UN Peace Operations, 2002, S. 4; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 232; Doyle/Sambanis, in: Weiss/Daws (Hrsg.), Handbook on the United Nations, 2007, S. 323 ff.; Barnidge, JoCSL 14/1 (2009), S. 93, 95. 5 Zum Gewalteinsatz bei Peacekeeping Operationen vgl. Findlay, The Use of Force in UN Peace Operations, 2002; Bothe, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Peace-keeping, Rn. 7, 76, 80; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 236 ff.; Zacklin, in: Blokker/Schrijver (Hrsg.), The Security Council and the Use of Force, 2005, S. 91 ff.; Doyle/Sambanis, in: Weiss/Daws (Hrsg.), Handbook on the United Nations, 2007, S. 323, 326.
Der Einsatz von Friedenstruppen durch die Afrikanische Union
343
Durchsetzung des Mandats, von UN-Resolutionen oder Sanktionen ist weitaus höher als bei klassischen Friedenseinsätzen.6 Ziel der Friedenstruppen ist es nicht, gewaltsam den Konflikt zugunsten einer Partei zu lösen, sondern – jedenfalls nach der ursprünglichen Konzeption – einen Waffenstillstand zu ermöglichen und das Wiederaufflammen von Gewalttätigkeiten zwischen den Konfliktparteien zu verhindern. Zusätzlich üben Friedenstruppen je nach Mandat eine Reihe anderer Funktionen aus, wie das Sammeln relevanter Informationen, die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung, humanitäre Unterstützung, die Ausbildung lokaler Polizeikräfte, die Entwaffnung und Demobilisierung von Konfliktparteien, die Wiederherstellung staatlicher Institutionen und die Vorbereitung und Durchführung von Wahlen.7
II. Rechtliche Grundlagen Peacekeeping-Einsätze der Vereinten Nationen beruhen auf einer Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates, wobei das genaue Mandat meist im Bericht des UN-Generalsekretärs zum konkreten Fall formuliert wird.8 Die rechtlichen Grundlagen für die Ermächtigung sind in Kapitel VI und VII UN-Charta angelegt, so dass häufig – da der Einsatz von Friedenstruppen dort nicht ausdrücklich geregelt ist – von der Grundlage in „Kapitel VI ½ UN-Charta“ die Rede ist.9 Wird eine Friedens6
Olonisakin, Reinventing Peacekeeping in Africa, 2000, S. 10 ff.; Findlay, The Use of Force in UN Peace Operations, 2002, S. 6 f., 375 f.; Zacklin, in: Blokker/Schrijver (Hrsg.), The Security Council and the Use of Force, 2005, S. 91 f.; Zwanenburg, Accountability of Peace Support Operations, 2005, S. 31 f. Zu den verschienden Formen von Peacekeeping auch Kiani, Strategic Studies 1/XXIV (2004) und Dwan/Wiharta, SIPRI-Yearbook 2005, S. 139 ff. 7 Olonisakin, Reinventing Peacekeeping in Africa, 2000, S. 6 ff.; Bothe, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Peace-keeping, Rn. 7, 74, 78; Findlay, The Use of Force in UN Peace Operations, 2002, S. 5. 8 Findlay, The Use of Force in UN Peace Operations, 2002, S. 13; Zwanenburg, Accountability of Peace Support Operations, 2005, S. 35. S.a. Orakhelashvili, VaJIL 43 (2002/2003), S. 485, 507 ff. 9
Zu den Rechtsgrundlagen Bothe, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Peace-keeping, Rn. 83 ff.; Findlay, The Use of Force in UN Peace Operations, 2002, S. 7 ff.; Orakhelashvili, VaJIL 43 (2002/2003), S. 485, 489 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 867. Kritisch Blokker, EJIL
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7. Kapitel
truppe nicht durch die Vereinten Nationen, sondern durch eine Regionalorganisation entsandt, muss dies auf der Satzung der Regionalorganisation beruhen.10 Für die Afrikanische Union ergibt sich die Kompetenz zum Einsatz von Friedenstruppen – unter den bereits beschriebenen Voraussetzungen – aus Art. 4 lit. h) und j) KA-AU, aus Art. 9 lit. g) KA-AU und insbesondere aus den Kompetenzen des Friedens- und Sicherheitsrates nach Art. 7 lit. b), c) und d) ProtokollPSC. Der Einsatz von Friedenstruppen durch eine Regionalorganisation in einem Mitgliedstaat wird nach überwiegender Auffassung nicht als ermächtigungsbedürftige Zwangsmaßnahme angesehen.11 Nur wenige Autoren sprechen sich für eine Subsumtion von Peacekeeping unter Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS. UN-Charta aus, da sich ihrer Meinung nach Peacekeeping und Peace Enforcement nur schwer trennen ließen.12 Und in Bürgerkriegssituationen tendierten Friedenseinsätze dazu, sich in Zwangsmaßnahmen zu wandeln, vor allem mit Blick auf die neuere Entwicklung robusten Peacekeepings.13 Zudem müsse dem UN-Sicherheitsrat als Hauptorgan der Friedenswahrung ein präventives Kontrollrecht auch für den Einsatz von Friedenstruppen zustehen, so dass eine Ermächtigung nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS UN-Charta notwendig sei.14
11/3 (2000). S. 541 ff.; White, The Law of International Organisations, 2. Aufl. 2005, S. 192 ff. 10 Vgl. Bothe, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Peacekeeping, Rn. 127. 11
Krylov, in: Damrosch/Scheffer (Hrsg.), Law and Force in the New International Order, 1991, S. 94, 99; Farer, in: Damrosch (Hrsg.), Enforcing Restraint, 1993, S. 316, 332; Wolfrum, ZaöRV 53 (1993), S. 576, 583; Frowein, in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 63; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 631, 654; Kindiki, Intervention to Protect Civilians in Darfur, 2007, S. 54. 12 Eide, JoPR 3 (1966), S. 125, 141 f.; Andemicael, Regionalism and the United Nations, 1979, S. 176; Ress/Bröhmer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 53 Rn. 5. 13 Kourula, in: Cassese (Hrsg.), United Nations Peace-keeping, 1978, S. 95, 116; Lang, Der internationale Regionalismus, 1982, S. 38 f.; Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 335 f. m.w.N. 14
Eide, JoPR 3 (1966), S. 125, 141 f.; Kourula, in: Cassese (Hrsg.), United Nations Peace-keeping, 1978, S. 95, 116; Lang, Der internationale Regionalismus, 1982, S. 39.
Der Einsatz von Friedenstruppen durch die Afrikanische Union
345
Gegen diese Annahme spricht schon das Certain-Expenses-Gutachten des IGH, demzufolge sich der Begriff der Zwangsmaßnahme nicht nur an der rein faktischen Anwendung militärischer Gewalt orientiert, sondern zusätzlich eine willensbeugende Wirkung der Maßnahme auf die betreffende staatliche Stelle erforderlich ist.15 Der Tatbestand der Zwangsmaßnahme i.S.v. Art. 53 Abs. 1 UN-Charta ist deshalb nach weitaus herrschender Auffassung nur erfüllt, wenn diese gegen den Willen des betroffenen Staates durchgeführt wird. Andernfalls fehlt es an der Grundvoraussetzung des Zwanges.16 Diese Annahme lässt sich auf Peacekeeping-Einsätze von Regionalorganisationen übertragen. Da der Adressat einer Friedenstruppe dieser per definitionem zustimmen muss, entfällt auch hier das Zwangselement und wird die begrenzte Anwendung von Waffengewalt gerechtfertigt. Daher können jedenfalls Peacekeeping-Einsätze im oben definierten Sinne von Regionalorganisationen ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates vorgenommen werden.17 Allerdings ist bei Peace Enforcement Operationen, bei denen die Anwendung von Waffengewalt über das weit verstandene Selbstverteidigungsrecht der Friedenstruppen deutlich hinausgehen kann, zweifel-
15
IGH, Certain Expenses of the United Nations, I.C.J. Reports 1962, S. 151, 164 f., 177. 16 Pernice, Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 116; Frowein, in: Delbrück (Hrsg.), The Future of International Law, 1992, S. 111, 120; ders., in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 63; Kühne, Friedenssicherung durch regionale Organisationen in Europa, 1998, S. 97 f.; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 67. 17 Frowein, in: Delbrück (Hrsg.), The Future of International Law, 1992, S. 111, 120; ders., in: Beyerlin et al. (Hrsg.), FS Bernhardt, 1995, S. 57, 63; ders., in: Ress/Stein (Hrsg.), Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europainstitut, 1996, S. 5, 14. So auch Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch UN, 2. Aufl. 1991, Regionalabkommen (91), Rn. 6; Farer, in: Damrosch (Hrsg.), Enforcing Restraint, 1993, S. 316, 332; Nolte, ZaöRV 53 (1993), S. 603, 622; Theuermann, in: Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 231, 254; Wolfrum, ZaöRV 53 (1993), S. 576, 583; Wippman, UCLRev 62/2 (1995), S. 607, 631, 654; Körbs, Die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen und Regionalorganisationen nach Kapitel VIII SVN, 1997, S. 500 ff.; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 94 f.; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S. 67 f.
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7. Kapitel
haft, dass eine Ermächtigung nicht erforderlich ist.18 Da durch den deutlich stärkeren Waffeneinsatz bei diesen Missionen das Gewaltverbot nach Art. 2 Nr. 4 UN-Charta berührt wird, wird für diese Friedenseinsätze wohl eine Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates verlangt werden müssen. Nur so kann eine Ausnahme vom Gewaltverbot über Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS. UN-Charta gerechtfertigt werden. Diese Form des Einsatzes von Friedenstruppen wird in der Praxis, soweit sie vom UN-Sicherheitsrat ermächtigt wird, in den meisten Fällen auf Kapitel VII UN-Charta gestützt.19 Für militärische Einsätze der Afrikanischen Union, insbesondere nach Art. 4 lit. h) KA-AU und Art. 7 Abs. 1 lit. b) und c) ProtokollPSC, müssen nach dem Gesagten im konkreten Fall zwei Voraussetzungen gegeben sein, die die Subsumtion unter einen Friedenseinsatz erlauben, der keiner Ermächtigung nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS UN-Charta bedarf: die Einwilligung des betroffenen Staates und ein Minimum an Gewaltanwendung. Die erste Voraussetzung liegt, wie in Kapitel 5 ausführlich erläutert, bereits aufgrund der vertraglichen Zustimmung durch Ratifikation der KA-AU vor, soweit diese nicht durch Austritt zurückgezogen wird, und in der bisherigen Praxis überdies aufgrund einer Konsensusentscheidung aller Mitgliedstaaten in der Versammlung. Die zweite Voraussetzung ist eine Frage der Ausgestaltung des Mandats im konkreten Einzelfall, vor allem was die Reichweite des Einsatzes von Waffengewalt betrifft. Zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen nach Art. 4 lit. h) KA-AU oder zur Beilegung intra- und zwischenstaatlicher Konflikte sind unterschiedlich weitgehende Reaktionsmöglichkeiten und damit unterschiedlich weitgehender Waffeneinsatz denkbar, angefangen von reinen Beobachtungsmissionen, der Schaffung von Pufferzonen zwischen Konfliktparteien, der Verteidigung der vom Konflikt betroffenen Zivilbevölkerung bis hin zur aktiven Zurückdrängung einer Konfliktpartei, wie dies teilweise im ECOMOG-Einsatz in Liberia der Fall war.20 Letztlich kann nur der 18 Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 339 ff.; ders., MPYUNL 1 (1997), S. 129, 175. 19 Ausführlich dazu Kalkku, FYoIL 1998, S. 349 ff.; Findlay, The Use of Force in UN Peace Operations, 2002; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 230 ff., 252 ff. S.a. Zacklin, in: Blokker/Schrijver (Hrsg.), The Security Council and the Use of Force, 2005, S. 91 ff. 20 Hierzu Nolte, ZaöRV 53 (1993), S. 603 ff.; Wippman, in: Damrosch (Hrsg.), Enforcing Restraint, 1993, S. 157 ff.; Geyrhalter, Friedenssicherung durch Regionalorganisationen ohne Beschluss des Sicherheitsrates, 2002, S.
Der Einsatz von Friedenstruppen durch die Afrikanische Union
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UN-Sicherheitsrat, der zur effektiven Ausübung seines Kontrollrechts gemäß Art. 54 UN-Charta bereits im Vorfeld solcher Einsätze informiert werden muss, entscheiden, inwieweit er eine Ermächtigung für notwendig erachtet.21 Weniger ausschlaggebend ist hingegen, ob ein Einsatz auf Art. 4 lit. h) oder j) KA-AU oder Art. 7 Abs. lit. b) und c) ProtokollPSC oder sogar ohne genauere Angabe einer Rechtsgrundlage erfolgt. Entscheidend sind vielmehr allein die Einwilligung des betroffenen Staates und der restriktive Einsatz von Gewalt während einer Mission. Für das Gros der denkbaren Einsätze nach Art. 4 lit. h) KAAU bzw. Art. 7 ProtokollPSC zum Schutz der Menschenrechte und zur Konfliktbewältigung in einem Mitgliedstaat wird die AU demzufolge, einen dem klassischen Peacekeeping innewohnenden moderaten Gewalteinsatz unterstellt, militärisch eingreifen können, ohne einer Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates zu bedürfen. Die Afrikanische Union könnte demnach – jedenfalls in der Theorie – im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur relativ autonom von den Vereinten Nationen ihrer selbst zugedachten Rolle als maßgebliche Institution für die Wahrung von Sicherheit, Stabilität und Frieden auf dem afrikanischen Kontinent nicht nur durch friedliche Streitbeilegung nach Art. 52 UN-Charta, sondern auch durch militärische Maßnahmen nachkommen, ohne dem Anwendungsbereich des Art. 53 Abs. 1 UNCharta zu unterfallen.
III. Einordnung der bisherigen AU-Missionen Diese eher abstrakten Überlegungen zum Einsatz von Friedenstruppen einer Regionalorganisation sollen nunmehr mit Blick auf die bisherige Praxis der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen – in chronologischer Reihenfolge – in Burundi, Sudan, Somalia und auf den Komoren überprüft werden. 78 ff.; Franck, in: Holzgrefe/Keohane (Hrsg.), Humanitarian Intervention, 2003, S. 204, 221 ff.; Gray, International Law and the Use of Force, 2. Aufl. 2004, S. 294 ff.; Gestri, in: Bothe et al. (Hrsg.), Redefining Sovereignty, 2005, S. 211 ff.; Coleman, International Organisations and Peace Enforcement, 2007, S. 73 ff. 21
Vgl. Theuermann, in: Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 231, 251; Wolf, Regional Arrangements, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. IV, 2000, S. 91, 95; Hummer/Schweitzer, in: Simma (Hrsg.), UNCharta, Vol. I, 2. Aufl. 2002, Art. 54 Rn. 11; de Wet, NJoIntL 71 (2002), S. 1, 19.
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7. Kapitel
1. Burundi a. AU-Praxis Seit ihrer Gründung stand der Konflikt in Burundi auf der Tagesordnung der Afrikanischen Union. Ihre Friedensbemühungen knüpften hierbei nahtlos an die vielen Konfliktbewältigungsversuche der OAE seit 1993 an.22 Die AU beteiligte sich intensiv an den Waffenstillstandsverhandlungen zwischen den Konfliktparteien. Das in Anschluss an das Arusha Peace and Reconciliation Agreement for Burundi vom 28. August 2000 geschlossene Waffenstillstandsabkommen vom 2. Dezember 2002 sollte durch eine Mission der Afrikanischen Union überwacht werden.23 Die African Union Mission in Burundi (AMIB) wurde am 2. April 2003 ohne Angabe einer Rechtsgrundlage für den Zeitraum von zunächst einem Jahr mandatiert. Sie war insgesamt solange vorgesehen, bis die Vereinten Nationen eine eigene Mission entsenden.24 Bis dahin wurde das Mandat immer wieder verlängert.25 Hauptaufgabe der aus 3.500 vornehmlich südafrikanischen und äthiopischen Soldaten bestehenden Mission war die Überwachung des Waffenstillstandsabkom22
Vgl. Boshoff, Burundi: The African Union’s First Mission, African Security Analysis Programme Situation Report, Juni 2003, S. 1 ff.; Agoagye, Conflict Trends 2 (2004), S. 9 ff.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 115 ff. 23 Vgl. Report of the Interim Chairperson of the Commission of the African Union on the Situation in Burundi, Dok.Nr. Central Organ/MEC/AMB/4 (LXXXVI), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 86th Ordinary Session at Ambassadorial Level vom 29. Oktober 2002; Report of the Interim Chairperson of the Commission of the African Union on the Situation in Burundi, Dok.Nr. Central Organ/MEC/ AMB/2(LXXXVII), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 88th Ordinary Session at Ambassadorial Level vom 14. Januar 2003. 24
Communiqué, Dok.Nr. Central Organ/MEC/AHG/Comm. (VII), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 7th Ordinary Session at Level of Heads of State and Government vom 3. Februar 2003; Communiqué, Dok.Nr. Central Organ/MEC/AMB/Comm. (XCI), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 91st Ordinary Session at Ambassadorial Level vom 2. April 2003. 25 Communiqué of the Peace and Security Council, Dok.Nr. PSC/PR/Communiqué (II), Peace and Security Council, 2nd Meeting, Addis Abeba, Äthiopien vom 25. März 2004; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/ Communiqué (VII), Peace and Security Council, 7th Session vom 3. Mai 2004.
Der Einsatz von Friedenstruppen durch die Afrikanische Union
349
mens, die Unterstützung von Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration, die humanitäre Unterstützung, die Koordinierung mit den Vereinten Nationen in Burundi und die Sicherung der Rückkehr bestimmter Politiker, die an der Übergangsregierung partizipieren sollten. Die Gewaltanwendung wurde auf die Verteidigung des Personals und der Ausrüstung beschränkt.26 AMIB war der erste militärische Einsatz, der unter der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union eigenständig initiiert, geplant und ausgeführt wurde. Die Mission litt zwar unter erheblichen finanziellen, logistischen und militärischen Kapazitätsbeschränkungen,27 sie schaffte es aber dennoch, einen – wenn auch fragilen – Frieden in den meisten Teilen Burundis herzustellen und kann insofern durchaus als erfolgreich angesehen werden.28
b. UN-Praxis Nachdem AMIB die Situation in Burundi ausreichend stabilisiert hatte, dankte der UN-Sicherheitsrat der Afrikanischen Union und AMIB in SR-Res. 1545 vom 21. Mai 2004 für deren Friedensbemühungen und ermächtigte unter Rekurs auf Kapitel VII UN-Charta die Übernahme des Einsatzes durch die United Nations Operation in Burundi (ONUB) vom 1. Juni 2004 an. ONUB ging aus der bestehenden AMIB hervor und bestand aus 5.650 militärischem und zivilem Personal, einschließlich 200 Beobachtern und 120 Zivilpolizisten. Das Mandat der ONUB umfasste u. a. die Überwachung des Waffenstillstandsabkommens, die Überwachung und Durchführung der Entwaffnung und Demobilisierung burundischer Truppen, die Schaffung der notwenigen Sicherheit zur Durchführung humanitärer Hilfe, die Ermöglichung der Rückkehr von Flüchtlingen, die Unterstützung des Wahlprozesses sowie den Schutz der Zivilbevölkerung vor unmittelbarer Bedrohung für Leib und Leben und den Schutz des UN-Personals und -Ausrüstung. Daneben sollte ONUB die burundische Übergangsregierung bei institutionellen Reformen, der Schaffung integrierter Streit- und Sicherheitskräfte, der 26 Communiqué, Dok.Nr. Central Organ/MEC/AMB/Comm. (XCI), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 91st Ordinary Session at Ambassadorial Level vom 2. April 2003, S. 2 f. 27 28
Vgl. Agoagye, Conflict Trends 2 (2004), S. 9, 13.
S.a. Murithi, African Security Review 17/1 (2008), S. 70, 75; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 117 f.
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7. Kapitel
Implementierung einer Justizreform und bei der Förderung und Einhaltung der Menschenrechte unterstützen. Der Schutz politischer Führer, der von ONUB nicht übernommen worden war, wurde weiterhin von AMIB in enger Koordination mit ONUB gewährleistet.29 Das ONUBMandat wurde wiederholt verlängert und lief Ende 2006 aus.30 Die Koordinierung der internationalen Hilfe für Burundi übernahm anschließend das United Nations Office in Burundi (BINUB).
2. Sudan a. AU-Praxis Sowohl die Afrikanische Union als auch die Regierung im Sudan sahen und sehen die Zuständigkeit zur Lösung des Konflikts in Darfur primär bei der AU.31 Die AU verhandelte im Darfur-Konflikt zunächst das N’Djamena Agreement on Humanitarian Cease-fire on the Conflict in Darfur vom 8. April 2004 mit aus.32 Auf Grundlage eines Übereinkommens zwischen den Konfliktparteien vom Mai 200433 wurden Militärbeobachter, begleitet von einer Schutztruppe, in die Darfur-Region
29 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XX), Peace and Security Council, 20th Meeting vom 15. November 2004. 30 Vgl. SR-Res. 1577 vom 1. Dezember 2004; SR-Res. 1602 vom 31. Mai 2005 und SR-Res. 1692 vom 30. Juni 2006. 31 Vgl. nur Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XIII), Peace and Security Council, 13th Meeting vom 27. Juli 2004; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XIV), Peace and Security Council, 14th Meeting vom 9. August 2004. Ausführlich zum Konflikt Johnson, The Root Causes of Sudan’s Civil Wars, 2003; Andrews/Holt, Stimson Center Issue Brief (2007), S. 1, 6 f.; Kagwanja/Mutahi, ISS-Paper 139 (2007), S. 1, 2 ff.; Kindiki, Intervention to Protect Civilians in Darfur, 2007, S. 3 ff.; El Ouazghari, HSFK-Report 14 (2007), S. 1, 16 ff.; Prunier, Darfur - Der „uneindeutige” Genozid, 2007. 32 Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in the Suth dan (Crisis in Darfur), Dok.Nr. PSC/PR/2(V), Peace and Security Council, 5 Meeting vom 13. April 2004. 33
Agreement with the Sudanese Parties on the Modalities for the Establishment of the Ceasefire Commission and the Deployment of Observers in the Darfur Region (CFC) vom 28. Mai 2004.
Der Einsatz von Friedenstruppen durch die Afrikanische Union
351
entsandt, die das Waffenstillstandsabkommen überwachen sollten.34 Kurze Zeit später wurde die Zahl der AU-Beobachter dieser African Union Mission in the Sudan (AMIS I) von 60 auf 80 erhöht.35 Ein Status of Mission Agreement (SOMA) zwischen der AU und dem Sudan wurde am 4. Juni 2004 unterzeichnet.36 Nachdem sich AMIS I als kaum handlungsfähig und unzureichend ausgestattet erwies, um seine Aufgaben effektiv wahrnehmen zu können, wurde die Mission auf Empfehlung des Kommissionsvorsitzenden im Oktober 2004 beträchtlich ausgeweitet. Das Mandat von AMIS II wurde zunächst für ein Jahr erteilt, wiederum ohne Angabe einer Rechtsgrundlage aus der KA-AU oder dem ProtokollPSC. AMIS II wurde damit beauftragt, das Waffenstillstandsabkommen vom 8. April 2004 zu überwachen, vertrauensbildend zu wirken und ein sicheres Umfeld für die humanitäre Hilfe in der Darfur-Region sowie für die sichere Rückkehr der Flüchtlinge zu ermöglichen. Die Mission sollte insgesamt 3.320 Personen umfassen, davon 2.341 militärisches Personal einschließlich 450 Militärbeobachter sowie 815 Polizeikräfte und 164 zivile Kräfte.37 Das Mandat umfasste unter anderem:
34 Decision on the Crisis in the Darfur Region of Sudan, Dok.Nr. PSC/AHG/Comm.(X), Peace and Security Council, 10th Meeting vom 25. Mai 2004; Communiqué, Dok.Nr. PSC/MIN/Comm.(XII), Peace and Security Council, 12th Meeting vom 4. Juli 2004; Report of the Chairperson of the Comission on the Situation in Darfur (The Sudan), Dok.Nr. PSC/MIN/2.XII), Peace and Security Council, 12th Meeting vom 4. Juli 2004; Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Darfur, Dok.Nr. PSC/PR/2 (XVII), Peace and Security Council, 17th Meeting vom 20. Oktober 2004, auch zur Finanzierung. 35 Decision on Darfur, Dok.Nr. ASS/AU/Dec. 54(III), Assembly of the African Union, 3rd Ordinary Session vom 6. – 8. Juli 2004. Vgl. auch Communiqué, Dok.Nr. PSC/MIN/Comm.(XIII), Peace and Security Council, 13th Meeting vom 27. Juli 2004 in der der Kommissionsvorsitzende mit den Planungen einer vollständigen Friedensmission für den Sudan beauftragt wird. Dazu auch Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Darfur, Sudan, Dok.Nr. PSC/PR/2 (XVII), Peace and Security Council, 17th Meeting vom 20. Oktober 2004. 36 Hierzu Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Darfur, Sudan, Dok.Nr. PSC/PR/2 (XVII), Peace and Security Council, 17th Meeting vom 20. Oktober 2004. 37 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XVII), Peace and Security Council, 17th Meeting vom 20. Oktober 2004.
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7. Kapitel
„Monitor and verify the provision of security for returning IDPs and in the vicinity of existing IDP camps; Monitor and verify the cessation of all hostile acts by all the Parties; Monitor and verify hostile militia activities against the population; Monitor and verify efforts of the GoS to disarm Government controlled militias; Investigate and report about allegations of violations of the Humanitarian Ceasefire Agreement; Protect civilians whom it encounters under imminent threat and in the immediate vicinity, within resources and capability, it being understood that the protection of the civilian population is the responsibility of the GoS; Protect both static and mobile humanitarian operations under imminent threat and in the immediate vicinity, within capabilities; Provide visible military presence by patrolling and by the establishment of temporary outposts in order to deter uncontrolled armed groups from committing hostile acts against the population […]; Investigate and report all matters of police non-compliance with the Humanitarian Ceasefire Agreement.“ AMIS konnte ihre Arbeit jedoch nicht mit der gewünschten Geschwindigkeit (geplant war innerhalb von 120 Tagen nach der Autorisierung) und in voller Truppenstärke aufnehmen, da es vor allem an ausreichender Logistik und militärischem Gerät mangelte.38 Dennoch wurde nach den Empfehlungen des Militärstabs die Truppenstärke im April 2005 auf 7.731 erhöht, darunter 6.171 militärisches Personal und 1.560 zivile Polizeikräfte (AMIS II-Enhanced).39 Nach Ablauf des ersten Mandats wurde AMIS II wiederholt verlängert.40 Zu Beginn des Jahres 2006 38 Vgl. Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in the Darfur Region of the Sudan, Dok.Nr. PSC/AHG/4(XXIII), Peace and Security Council, 23rd Meeting vom 10. – 11. Januar 2005; Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in the Darfur Region of the Sudan, Dok.Nr. PSC/PR/2(XXVIII), Peace and Security Council, 28th Meeting vom 28. April 2005. 39 Conclusions of the Third Meeting of the Military Staff Committee vom 25. April 2005; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXVIII), Peace and Security Council, 28th Meeting vom 28. April 2005; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXXIV) – (iii), Peace and Security Council, 34th Meeting vom 3. Juli 2005. Hierzu auch Appiah-Mensah, African Security Review 15/1 (2006), S. 1, 4 ff. 40 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XLII), Peace and Security Council, 42nd Meeting vom 20. Oktober 2005; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XLV), Peace and Security Council, 45th Meeting vom 12. Januar 2006.
Der Einsatz von Friedenstruppen durch die Afrikanische Union
353
wurden Überlegungen laut, AMIS II in eine UN-Mission zu überführen.41 Der „afrikanische Charakter“ der AMIS, also deren Zusammenstellung vornehmlich aus afrikanischen Truppen und die führende Rolle der Afrikanischen Union bei den Friedensbemühungen in Darfur sollten durch die Übernahme der Mission durch die Vereinten Nationen jedoch nicht beeinträchtigt werden.42 Vor dem Hintergrund des Darfur Peace Agreements vom 5. Mai 2006 wurde das AMIS-Mandat nunmehr zum dritten Mal in kurzer Zeit, diesmal durch das AMIS Concept of Operations (CONOPS) u. a. auf den Schutz der Zivilbevölkerung im Rahmen der Kapazitäten der AMIS ausgeweitet, um die Demilitarisierung einzelner Zonen und der für die Versorgung der Zivilbevölkerung wichtigen Routen, die Schaffung von Pufferzonen zwischen den Konfliktparteien sowie die Überwachung und Verifikation der Entwaffnung der Rebellengruppen.43 Die finanziellen, logistischen, militärischen und institutionellen Engpässe der Afrikanischen Union und der Mitgliedstaaten, die bereits die AMIB stark beeinträchtigten, wirkten sich schon durch die schiere Komplexität des Darfur-Konflikts und der Größe der 41 § 5 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XLV), Peace and Security Council, 45th Meeting vom 12. Januar 2006; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XLVI), Peace and Security Council, 46th Meeting vom 10. März 2006. Ausführlich Report of the Chairperson of the Commission pursuant to Paragraph 5 of the PSC Communiqué PSC/PR/Comm.(XLV) of 12 January 2006 on the Situation in Darfur, Dok.Nr. PSC/MIN/2(XLVI), Peace and Security Council, 46th Meeting vom 10. März 2006; Report of the Chairperson of the Commission on the Status of the Impementation of the Peace and Security Council Decision of 10 March 2006 on the Situation in Darfur and the Conclusion of the Abuja Peace Talks, Dok.Nr. PSC/MIN/2(LI), Peace and Security Council, 51st Meeting vom 15. Mai 2006; Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Darfur, Dok.Nr. PSC/MIN/2(LXIII), Peace and Security Council, 63rd Meeting vom 18. September 2006. 42 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XLVI), Peace and Security Council, 46th Meeting vom 10. März 2006, S. 4 f. 43 Communiqué, Dok.Nr. PSC/MIN/Comm.(LVIII), Peace and Security Council, 58th Meeting vom 27. Juni 2006. Der Militärstab schlug ferner vor, die Truppenstärke auf 10500 militärisches und entsprechendes ziviles Personal einschließlich bis zu 2200 ziviler Polizeikräfte aufzustocken. Dieser Vorschlag wurde vom Friedens- und Sicherheitsrat nicht sofort aufgenommen, vgl. Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Darfur, Dok.Nr. PSC/MIN/2(LVIII), Peace and Security Council, 58th Meeting vom 27. Juni 2006. Kritisch zu den häufigen Mandatswechseln, die den Erfolg der AMIS spürbar beeinträchtigten Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 122 m.w.N.
354
7. Kapitel
AMIS erheblich auf den Erfolg dieses Einsatzes aus und offenbarten schnell die Grenzen der Konfliktlösungsfähigkeiten der AU zu diesem Zeitpunkt.44
b. UN-Praxis Mit SR-Res. 1547 vom 11. Juni 2004 setzte sich der UN-Sicherheitsrat nach langem Zögern erstmals mit dem Darfur-Konflikt auseinander und stellte Überlegungen zur Entsendung einer Friedenstruppe an.45 In SRRes. 1556 vom 30. Juli 2004 unterstützte er mit Bezug auf Kapitel VII UN-Charta ausdrücklich die Bemühungen der AU, deren Führungsrolle im Darfur-Konflikt er anerkannte und die Entsendung der AMIS. Gleichzeitig untersagte der UN-Sicherheitsrat den Waffenhandel mit nicht-staatlichen Akteuren in der Region. Der UN-Generalsekretär wurde gebeten, die Afrikanische Union bei der Planung ihrer Mission zu unterstützen. Vor dem Hintergrund der erweiterten AMIS dankte der UN-Sicherheitsrat in SR-Res. 1564 vom 18. September 2004 der AU erneut, bat um Unterstützung für AMIS II46 und regte an, dass die Mission das Waffenstillstandsabkommen „proaktiver“ überwacht. Zudem wurden der sudanesischen Regierung Maßnahmen nach Art. 41 UN-Charta angedroht, falls sie AMIS II nicht voll und ganz unterstützen. In SR-Res. 1590 vom 24. März 2005 beschloss der UN-Sicherheitsrat, die United Nations Advanced Mission in Sudan (UNAMIS), die den Friedensprozess im Südsudan unterstützte,47 durch die United Nations 44 Vgl. Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Darfur (The Sudan), Dok.Nr. PSC/PR/2(XLV), Peace and Security Council, 45th Meeting vom 12. Januar 2006; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/ Comm.(XLVI), Peace and Security Council, 46th Meeting vom 10. März 2006; Communiqué, Dok.Nr. PSC/MIN/Comm.(LXIII), Peace and Security Council, 63th Meeting vom 20. September 2006; Communiqué, Dok.Nr. PSC/AHG/Comm(LXVI), Peace and Security Council, 66th Meeting vom 30. November 2006; Communiqué on the Situation in Darfur, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(LXXIX), Peace and Security Council, 79th Meeting vom 22. Juni 2007. S.a. Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 122 f. 45 Zu den Bemühungen der UN im Sudan und der Entwicklung seit 2004 auch Pabst, Vereinte Nationen 6 (2008), S. 243 ff. 46 Ebenso in SR-Res. 1574 vom 19. November 2004 und in SR-Res. 1590 vom 24. März 2005. 47
Vgl. SR-Res. 1547 vom 11. Juni 2004.
Der Einsatz von Friedenstruppen durch die Afrikanische Union
355
Mission in the Sudan (UNMIS) abzulösen. Das Mandat war zunächst im Wesentlichen auf den Südsudan beschränkt und umfasste vor allem die Unterstützung, Überwachung und Verifizierung der Implementierung des Comprehensive Peace Agreement vom 9. Januar 2005 sowie die Unterstützung bei der Leistung humanitärer Hilfe und beim Schutz der Menschenrechte und gefährdeter Zivilbevölkerung. UNMIS durfte alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um das Personal, die Einrichtungen und Ausrüstung, humanitäre Helfer und Zivilpersonen in unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben zu schützen. Die Mission sollte aus 10.000 Mann bestehen und zur Verbesserung der Situation in Darfur sehr eng mit AMIS zusammenarbeiten. Ferner wurde ein Komitee eingesetzt, das gezielte Sanktionen gegen einzelne Konfliktparteien bzw. Personen, die den Friedensprozess unterminieren, einleiten soll, darunter das Einfrieren von Geldern und Reiseverbote.48 Bereits kurze Zeit nachdem hierzu erste Überlegungen angestellt worden waren, unterstützte der UN-Sicherheitsrat in SR-Res. 1679 vom 16. Mai 2006 die Entscheidung des Friedens- und Sicherheitsrates, AMIS II in eine UN-Mission zu überführen. Im August 2006 beschloss er, UNMIS umgehend zu entsenden und bat um das Einverständnis der sudanesischen Regierung. UNMIS wurde zudem auf 17.300 militärisches und eine angemessene Anzahl von zivilem Personal einschließlich bis zu 3.300 Zivilpolizisten aufgestockt. AMIS II sollte bis zur endgültigen Übernahme durch die Vereinten Nationen so stark wie möglich durch UNMIS unterstützt werden, u. a. durch Lufttransporte, Ausbildung, Logistik und mobile Kommunikationseinheiten.49 Das UNMISMandat wurde stärker als zuvor auf die Dafur-Region gerichtet und auf die Implementierung und Überwachung des N’Djamena Agreement on Humanitarian Cease-fire on the Conflict in Darfur und des Darfur Peace Agreements ausgeweitet. UNMIS sollte neben der Selbstverteidigung in Unterstützung der Implementierung des Darfur Peace Agreements auch die Zivilbevölkerung vor Übergriffen schützen. Das Mandat wurde mehrfach verlängert, zuletzt bis zum April 2011.50
48
Vgl. SR-Res. 1591 vom 29. März 2005 und SR-Res. 1672 vom 25. April 2006. Dazu ausführlich Barnidge, JoCSL 14/1 (2009), S. 93, 104 ff. 49 Im Einzelnen SR-Res. 1706 vom 31. August 2006. Dazu auch Andrews/ Holt, Stimson Center Issue Brief (2007), S. 1, 7 f. 50
Vgl. SR-Res. 1714 vom 6. Oktober 2006; SR-Res. 1755 vom 30. April 2007; SR-Res. 1784 vom 31. Oktober 2007; SR-Res. 1812 vom 30. April 2008; SR-Res. 1870 vom 30. April 2009 und SR-Res. 1919 vom 29. April 2010.
356
7. Kapitel
Nach zähen Verhandlungen zwischen den Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und der sudanesischen Regierung über den Einsatz einer gemeinsamen AU-UN-Friedenstruppe, die von der sudanesischen Regierung lange Zeit als außerafrikanische Einmischung abgelehnt wurde,51 mandatierte der UN-Sicherheitsrat in SR-Res. 1769 vom 31. Juli 2007 unter Rekurs auf Kapitel VII UN-Charta die AU-UN-Hybridoperation (UNAMID)52 für zunächst 12 Monate. Bereits vorher hatte der Friedens- und Sicherheitsrat seine Zustimmung zu UNAMID erteilt. Bis zur Entsendung der UNAMID-Truppen wurde das AMISMandat um weitere 6 Monate verlängert.53 UNAMID soll die AMISTruppen aufnehmen und auf 19.555 militärische und ausreichend zivile Kräfte, einschließlich 3.772 Zivilpolizisten aufgestockt werden. Das Kommando und die Kontrolle über UNAMID sind bei den Vereinten Nationen angelegt, wobei der Oberbefehlshaber von der AU bestimmt wird.54 Das Mandat der Hybridoperation umfasst die Schaffung der notwendigen Sicherheitsbedingungen für die Leistung humanitärer Hil-
51 Ausführlich Report of the Chairperson of the Commission and the Secretary-General of the United Nations on the Hybrid Operation in Darfur, Dok.Nr. PSC/PR/2(LXXIX), Peace and Security Council, 79th Meeting vom 22. Juni 2007. S.a. Agoagye, ISS-Paper 149 (2007), S. 8 f.; Kagwanja/Mutahi, ISSPaper 139 (2007), S. 1, 10; El Ouazghari, HSFK-Report 14 (2007), S. 1, 25 f.; Murithi, African Security Review 17/1 (2008), S. 70, 77. 52
Die Darfur Integrated Task Force (DITF), die beim Peace and Security Department der Kommission angesiedelt ist, versteht unter der AU-UNHybridopertaion: „A combined (joint) operation in a particular area of responsibility conducted by […] forces from different organisations under a common command and control arrangement for the purpose of achieving a common objective or end state, with each force retaining its organisation’s identity throughout the operation.“ Zitiert nach Agoagye, ISS-Paper 149 (2007), S. 1 f. Kritisch zu diesem Modell Pabst, Vereinte Nationen 6 (2008), S. 243, 250. 53
Communiqué on the Situation in Darfur, Dok.Nr. PSC/PR/Comm. (LXXIX), Peace and Security Council, 79th Meeting vom 22. Juni 2007. 54 Seit dem 1. September 2009 Lieutenant General Patrick Nyamvumba aus Ruanda. Agoagye, ISS-Paper 149 (2007), S. 1, 10 f. weist darauf hin, dass die Truppenkontigente, die von Nicht-AU-Staaten gestellt werden, nicht unter AU-Kommando gestellt werden können, außer die gesamte Operation wird vom UN-Sicherheitsrat als UN-Mission mandatiert, so dass alle Truppenteile dem UN-Sicherheitsrat und nicht mehr dem Friedens- und Sicherheitsrat unterstehen. Die letztlich geteilte „command and control“ der UNAMID läßt sich durch den erreichten Kompromiss nicht ganz verdecken, ist aber der Struktur einer Hybridoperation geschuldet.
Der Einsatz von Friedenstruppen durch die Afrikanische Union
357
fe und den Zugang hierfür in der gesamten Darfurregion, den Schutz der Zivilbevölkerung, die sich in unmittelbarer Gefahr befindet sowie die Verhinderung von Angriffen auf Zivilisten innerhalb der Möglichkeiten und der Gebiete in denen UNAMID stationiert ist. Ferner soll UNAMID die Einhaltung und Implementierung der diversen Waffenstillstandsvereinbarungen seit 2004 überwachen und unterstützen, ebenso die gemeinsamen Mediationsbemühungen der Vereinten Nationen und der AU. Die Mission soll darüber hinaus für die Herstellung einer sicheren Umgebung für den wirtschaftlichen Wiederaufbau und Entwicklung und für die nachhaltige Rückkehr von (Binnen-)Flüchtlingen Sorge tragen. Die Förderung des Respekts vor Menschenrechten, den Schutz derselben und der grundlegenden Freiheiten in der gesamten Darfurregion, die Förderung der Rechtsstaatlichkeit sowie die Überwachung der Sicherheitssituation an den Grenzen zum Tschad und der Zentralafrikanischen Republik werden ebenfalls vom Mandat umfasst.55 UNAMID hat das Recht auf Selbstverteidigung einschließlich des Schutzes humanitärer Helfer. Zudem kann sie alle notwendigen Maßnahmen zur Implementierung des Darfur Peace Agreements ergreifen, einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung. Bis zum 31. Dezember 2007 sollte UNAMID alle Funktionen und Aufgaben von AMIS übernehmen. Die Versammlung begrüßte den Beginn der Entsendung der UNAMID-Truppen zum Jahresanfang 2008.56 Mit SR-Res. 1828 vom 31. Juli 2008 sowie SR-Res. 1881 vom 30. Juli 2009 wurde das UNAMID-Mandat um weitere 12 Monate verlängert. Die Durchführung der Mission wird indes durch ständige politische und diplomatische Manöver der sudanesischen Regierung und Kämpfe zwischen den verschiedenen Rebellengruppen extrem erschwert.57 Bis Februar 2010 wurde eine Truppenstärke von insgesamt 21.800 Personen 55 Communiqué on the Situation in Darfur, Dok.Nr. PSC/PR/Comm. (LXXIX), Peace and Security Council, 79th Meeting vom 22. Juni 2007; Report of the Chairperson of the Commission and the Secretary-General of the United Nations on the Hybrid Operation in Darfur, Dok.Nr. PSC/PR/2(LXXIX), Peace and Security Council, 79th Meeting vom 22. Juni 2007, S. 12 ff. Zu Aufbau und Mandat von UNAMID auch Kreps, African Security Review 16/4 (2007), S. 66, 69 ff. 56 § 8 Decision on the Activities of the Peace and Security Council of the African Union and the State of Peace and Security in Africa, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.177 (X), Assembly of the African Union, 10th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2008. 57
Dazu Murithi, African Security Review 17/1 (2008), S. 70, 77 f.
358
7. Kapitel
erreicht, einschließlich 16.852 Soldaten, 273 Militärbeobachter und 4.675 Polizisten, und zusätzlich 1.129 internationale und 2.526 lokale zivile Mitarbeiter sowie 410 United Nations Volunteers.58
3. Somalia a. AU-Praxis Überlegungen zur Entsendung einer AU-Mission zur Beendigung der Feindseligkeiten in Somalia gab es bereits kurz nach Gründung der Afrikanischen Union.59 Mitte 2003 wurden zunächst eine AU-IGAD Joint Technical Fact-Finding Mission to Somalia vom 22. Mai bis zum 2. Juni 2003 und eine 75 Mann starke Reconnaissance Mission vom 17. bis 31. Juli 2003 zur Einschätzung der Situation und Planung einer Mission nach Somalia entsandt.60 Eine weitere Reconnaissance Mission unternahm die Kommission im August 2004.61 Bis die Kommission das Mandat, die Größe und Struktur der African Union Mission in Somalia (AMISOM) ausarbeiten konnte, wurde eine AU Advance Mission entsandt, die mit IGAD und der somalischen Führung die Arbeit der AMISOM vorbereiten sollte.62 Gleichzeitig beschloss IGAD, eine eige-
58
UN, Darfur – UNAMID – Facts and Figures, abrufbar unter: http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unamid/facts.html (Stand: 31. Mai 2010). S.a. Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Darfur, Dok.Nr. PSC/PR/2(CXCVIII), Peace and Security Council, 198th Meeting vom 21. Juli 2009. 59 Communiqué, Dok.Nr. Central Organ/MEC/AMB/Comm. (XCII), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 92nd Ordinary Session at Ambassadorial Level vom 12. – 13 Juni 2003, S. 3 f. 60 Report of the Interim Chairperson on the Reconciliation Process in Somalia, Dok.Nr. Central Organ/MEC/AMB/2.(XCIV), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 94th Ordinary Session at Ambassadorial Level vom 29. August 2004. 61 Report of the Chairperson of the Commission on the Support of the African Union to the Transitional Institutions of Somalia, Dok.Nr. PSC/PR/2 (XXII), Peace and Security Council, 22nd Meeting vom 5. Januar 2005. 62 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXII), Peace and Security Council, 22nd Meeting vom 5. Januar 2005; Report of the Chairperson of the Commission on the Outcome of the Fact-Finding/Reconnaissance Mission to
Der Einsatz von Friedenstruppen durch die Afrikanische Union
359
ne Mission (IGASOM) zu entsenden. Der Friedens- und Sicherheitsrat sollte diese mandatieren, bis AMISOM deren Aufgaben übernehmen kann.63 IGASOM sollte unter anderem die Relokalisierung der Transitional Federal Institutions (TFIs) organisieren und sichern, mit der Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte beginnen, die Entwaffnung vorantreiben, zur Stabilisierung der Lage beitragen, sein Personal und die Ausrüstung schützen und Rahmenbedingungen für die Stationierung von AMISOM schaffen.64 Zwar nahm der Friedens- und Sicherheitsrat im September 2006 den Entsendeplan der IGASOM an, IGASOM wurde jedoch nie in Marsch gesetzt, vor allem weil sich nicht genügend Truppensteller fanden.65 Im Januar 2007 beschlossen sowohl der Friedens- und Sicherheitsrat als auch die Versammlung unter Berufung auf SR-Res. 1725 (2006) die sofortige Entsendung der AMISOM für eine Dauer von zunächst 6 Monaten. Nach dem Vorbild der AU-UN-Kooperation in Burundi soll AMISOM nach einer ersten Stabilisierungsphase durch eine Mission der Vereinten Nationen übernommen werden.66 Auftrag des Einsatzes ist es, die TFIs bei ihren Bemühungen um Stabilität im Land, Dialog und Versöhnung zu unterstützen, die Leistung humanitärer Hilfe zu
Somalia and the IGAD Military Planning Meetings, Dok.Nr. PSC/PR/2 (XXIX), Peace and Security Council, 29th Meeting vom 12. Mai 2005. 63
Decision on Somalia, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.65 (IV), Assembly of the African Union, 4th Ordinary Session vom 30. – 31. Januar 2005; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXIV), Peace and Security Council, 24th Meeting vom 7. Februar 2005. 64
Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XXIX), Peace and Security Council, 29th Meeting vom 12. Mai 2005. 65 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(LXII), Peace and Security Council, 62nd Meeting vom 13. September 2007. 66
Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(LXIX), Peace and Security Council, 69th Meeting vom 19. Januar 2007; Decision on Somalia, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec. 142(VIII), Assembly of the African Union, 8th Ordinary Session vom 29. – 30. Januar 2007. Vgl. auch Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Somalia, Dok.Nr. PSC/PR/2(LXIX), Peace and Security Council, 69th Meeting vom 19. Januar 2007; verlängert durch Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(CV), Peace and Security Council, 105th Ordinary Session vom 18. Januar 2008; Communiqué, Dok.Nr. PSC/HSG/Comm (CXXXIX), Peace and Security Council, 139th Ordinary Session vom 29. Juni 2008 und Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm(CLXXIV), Peace and Security Council, 174th Ordinary Session vom 3. März 2009.
360
7. Kapitel
ermöglichen und die Rahmenbedingungen für langfristige Stabilität, Wiederaufbau und Entwicklung in Somalia zu schaffen. Hierzu soll AMISOM die TFIs und deren Infrastruktur schützen, so dass sie ihre Aufgaben wahrnehmen können, dabei helfen, den National Security and Stabilization Plan of Somalia zu implementieren und die Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte unterstützen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten soll AMISOM ferner technische und sonstige Unterstützung bei den Entwaffnungs- und Stabilisierungsbemühungen leisten, die Sicherheitslage in den von ihr überwachten Regionen beobachten und soweit notwendig humanitäre Hilfe leisten, einschließlich der Rückführung und Reintegration von Flüchtlingen. AMISOM darf mittels Waffengewalt das eigene Personal schützen sowie die Einrichtungen und Ausrüstungen. AMISOM soll aus 9 Bataillonen à 850 Soldaten bestehen, jedes unterstützt durch See- und Luftstreitkräfte, außerdem hinreichende zivile Komponenten einschließlich einer Polizeitrainingseinheit, insgesamt also aus knapp 8.000 Personen.67 Die Entsendung der AMISOM leidet indes unter erheblichen finanziellen und logistischen Schwierigkeiten und insbesondere an der mangelnden Bereitschaft Truppen zu stellen, die auf die prekäre Sicherheitslage in Somalia zurückzuführen ist.68 Daher werden die AU-Mitgliedstaaten, die internationale Staatengemeinschaft und die Vereinten Nationen immer wieder aufgerufen, sich stärker in Somalia zu engagieren und die Entsendung einer UN-Friedenstruppe zur Übernahme der Arbeit der AMISOM zu ermöglichen.69 Dennoch wurden bisher lediglich 5.268 Personen ent67 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(LXIX), Peace and Security Council, 69th Meeting vom 19. Januar 2007. 68 Vgl. Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Somalia, Dok.Nr. PSC/PR/2(LXXX), Peace and Security Council, 80th Meeting vom 18. Juli 2007; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(CV), Peace and Security Council, 105th Ordinary Session vom 18. Januar 2008; Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Somalia, Dok.Nr. PSC/PR/2(CV), Peace and Security Council, 105th Meeting vom 18. Januar 2008. S.a. SR-Res. 1863 vom 16. Januar 2009 mit der Aufforderung der Verbesserung der personellen und finanziellen Ausstattung von AMISOM und Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 128 ff. 69 Communiqué on the Situation in Somalia, Dok.Nr. PSC/PR/2(LXXX), Peace and Security Council, 80th Meeting vom 18. Juli 2007; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(CV), Peace and Security Council, 105th Ordinary Session vom 18. Januar 2008; Declaration on the Situation in Somalia, Dok.Nr. Assembly/AU/Decl.3 (X), Assembly of the African Union, 10th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2008; § 9 Decision on the Report of the Peace
Der Einsatz von Friedenstruppen durch die Afrikanische Union
361
sandt.70 Zur Verbesserung der Lage in Somalia konnte AMISOM daher bislang nicht entscheidend beitragen.
b. UN-Praxis Erst nach den langwierigen und vielfältigen Bemühungen der Afrikanischen Union und IGAD in Somalia ermächtige der UN-Sicherheitsrat durch SR-Res. 1725 vom 6. Dezember 2006, sowohl IGAD als auch die AU-Mitgliedstaaten im Rahmen von Kapitel VII UN-Charta ausdrücklich dazu, IGASOM zu entsenden. Die Mission sollte den Fortschritt des Friedensprozesses in Somalia überwachen, die Bewegungsfreiheit und Sicherheit der am Dialog beteiligten Personen sicherstellen, die Sicherheit in Baidoa überwachen und wahren, die Mitglieder der TFIs sowie deren Schlüsselinfrastruktur schützen und die Sicherheitskräfte der TFIs ausbilden, damit sie für ihre eigene Sicherheit sorgen können. IGASOM wurde gleichzeitig vom allgemeinen Waffenembargo nach SR-Res. 733 (1992) ausgenommen. Kurze Zeit später wurden die AUMitgliedstaaten durch SR-Res. 1744 vom 21. Februar 2007 im Rahmen von Kapitel VII UN-Charta dazu ermächtigt, AMISOM mit dem vom Friedens- und Sicherheitsrat ausgearbeiteten Mandat zu entsenden. Gleichzeitig wurde die Ermächtigung für die IGASOM wieder aufgehoben. Das Mandat wurde seitdem mehrfach verlängert.71 In SR-Res. 1814 vom 15. Mai 2008 und SR-Res. 1863 (2009) vom 16. Januar 2009 wird deutlich, dass der UN-Sicherheitsrat die Übernahme von AMISOM durch eine UN-Mission zwar intendiert, aber erst zu einem ihm angemessen erscheinenden Zeitpunkt darüber endgültig entscheiden will, der von der Verbesserung der politischen und Sicherheitslage in Somalia abhängt. Bis dahin sind die Vereinten Nationen und deren Mitglieder angehalten, AMISOM so stark wie möglich zu unterstützen,
and Security Council on its Activities and the State of Peace and Security in Africa, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.193 (XI), Assembly of the African Union, 11th Ordinary Session vom 30. Juni – 1. Juli 2008. 70 § 39 Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in Somalia, Dok.Nr. PSC/PR/2(CCXIV), Peace and Security Council, 214th Meeting vom 8. Januar 2010. 71 Vgl. SR-Res. 1722 vom 20. August 2007; SR-Res. 1801 vom 20. Februar 2008; SR-Res. 1831 vom 19. August 2008; SR-Res. 1863 vom 16. Januar 2009; SR-Res. 1872 vom 26. Mai 2009; SR-Res. 1910 vom 28. Januar 2010.
362
7. Kapitel
insbesondere was die Planung, die technische und die finanzielle Ausstattung der Mission betrifft.72
4. Komoren Seit der Unabhängigkeit der Komoren von Frankreich 1975 wurde der Inselstaat von unzähligen Putschen heimgesucht, die die OAE in den letzten Jahren ihrer Existenz veranlassten, mehrere Beobachtungsmissionen zu entsenden, so OMIC 1997, OMIC II 2001 und OMIC III 2003. Diese Bemühungen weiterführend handelten die Konfliktparteien unter Beteiligung der Afrikanischen Union ein Agreement on the Transitional Arrangements in the Comoros vom 20. Dezember 2003 zur Wiederherstellung staatlicher Ordnung und Abhaltung freier Wahlen aus. Sie beschlossen gleichzeitig, eine AU Observer Mission in The Comoros (MIOC) zu entsenden.73 Eine Wahlbeobachtungsmission bestehend aus AU-Vertretern und Vertretern der internationalen Staatengemeinschaft überwachte die Wahlen vom 14., 21 März und 18. April 2004. 39 AU-Militärbeobachter der MIOC begleiteten die Wahlen und sorgten für den ordnungsgemäßen Ablauf, einschließlich der Sicherheit während der Wahl.74 Für die Präsidentschaftswahlen im Mai 2006 wurde auf Einladung der Konfliktparteien erneut eine African Union Mission in Support to the Elections in the Comoros (AMISEC) entsandt, bestehend aus 432 militärischen Personal und zivilen Polizeikräften. AMISEC sollte die Friedensbemühungen auf den Komoren unterstützen, die Wahl überwachen und ein sicheres und stabiles Umfeld vor, während und nach den Wah-
72
Vgl. zuletzt SR-Res. 1910 vom 28. Januar 2010.
73
Vgl. Communiqué, Dok.Nr. Central Organ/MEC/AMB/Comm. (XCVII), Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 97th Ordinary Session at Ambassadorial Level vom 30. Januar 2004; Report of the Chairperson of the Commission of the African Union on the Developments in the Situation in Burundi, Central Organ of the Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution, 97th Ordinary Session at Ambassadorial Level vom 30. Januar 2004, insb. S. 9 mit dem Vorschlag einer AU Observer Mission in The Comoros (OMIC). 74
Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in the Comoros, Dok.Nr. PSC/PR/3(VI), Peace and Security Council, 6th Meeting vom 29. April 2004.
Der Einsatz von Friedenstruppen durch die Afrikanische Union
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len schaffen. Die Mission sollte zudem gewährleisten, dass keine komorischen Streitkräfte in den Wahlprozess involviert sind, jegliche Unterstützung zur Abhaltung glaubwürdiger, freier und fairer Wahlen leisten sowie alles Notwendige zum Schutz des Personals, der Ausrüstung und von Zivilpersonen in der Umgebung der Wahllokale unternehmen.75 Aufgrund der fortwährenden Spannungslage zwischen Anjouan und der Zentralregierung bat die Versammlung den Friedens- und Sicherheitsrat im Frühjahr 2007, die Möglichkeiten einer Mission zur Herstellung eines verbesserten Sicherheitsklimas während der anstehenden Wahlen zu prüfen.76 Im Mai 2007 wurde dann die African Union Electoral and Security Assistance Mission to The Comoros (MAES) für den Zeitraum vom 13. Mai bis zum 31. August 2007 entsandt.77 Wegen der mangelnden Kooperationsbereitschaft der abtrünnigen Regierung auf Anjouan wurde der Kommissionsvorsitzende gebeten, das Mandat der MAES zu überprüfen und auszuweiten und erneut zu verlängert.78 Im Oktober 2007 verhängte der Friedens- und Sicherheitsrat Sanktionen gegen die de facto-Regierung auf Anjouan und weitete das Mandat der MAES aus auf die Durchsetzung der Sanktionen, die Organisation von verfassungsmäßigen Präsidentschaftswahlen, die Entwaffnung der die de facto-Regierung unterstützenden Polizeikräfte und die Verhinderung ihrer Partizipation an der Wahlüberwachung, die Unterstützung der Stationierung einer internen Sicherheitstruppe in Übereinstimmung mit
75 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.(XLVII), Peace and Security Council, 47th Meeting vom 21. März 2006. S.a. Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in the Comoros, Dok.Nr. PSC/PR/2(XLVII), Peace and Security Council, 47th Meeting vom 21. März 2006. 76 § 16 Decision on the Activities of the Peace and Security Council of the African Union and the State of Peace and Security in Africa, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec. 145(VIII), Assembly of the African Union, 8th Ordinary Session vom 29. – 30. Januar 2007. 77 Communiqué on the situation in the Comoros, Dok.Nr. PSC/MIN/ Comm.1(LXXVII), Peace and Security Council, 77th Meeting vom 9. Mai 2007; Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm(LXXXIV), Peace and Security Council, 84th Meeting vom 31. Juli 2007. 78 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm(LXXXVII), Peace and Security Council, 87th Meeting vom 13. August 2007; verlängert durch Communiqué on the Situation in the Comorian Island of Anjouan, Dok.Nr. PSC/PR/BR/PS/2 th (CVII), Peace and Security Council, 107 Meeting vom 21. Januar 2008.
364
7. Kapitel
der komorischen Verfassung und die Wiederherstellung der rechtmäßigen Ordnung auf Anjouan.79 Im Februar 2008 unterstützte die Versammlung – ohne Rekurs auf Art. 4 lit. j) KA-AU – die Bitte der komorischen Zentralregierung, deren Autorität auf Anjouan notfalls gewaltsam wiederherzustellen.80 In der Folge eroberten am 25. März 2008 in der sog. „Operation Democracy“ knapp 1.800 Soldaten die wichtigsten Städte auf Anjouan und setzten die Zentralregierung wieder ein, ohne dass dabei die AU-Truppen oder die Zivilbevölkerung zu Schaden kamen.81 Das MAES-Mandat wurde anschließend um weitere 6 Monate verlängert und erweitert um die Unterstützung bei der Vorbereitung verfassungsmäßiger Präsidentschaftswahlen auf Anjouan, bei der Herstellung ausreichender Sicherheitsbedingungen für das Abhalten der Wahlen, bei der Reorganisation der National Development Army sowie im Bereich des Regierungshandelns und hinsichtlich der Aufteilung verfassungsrechtlicher Kompetenzen zwischen der Union und den autonomen Inseln.82 Mit Unterstützung von 356 militärischen und zivilen Kräften der MAES fanden am 15. und 29. Juni 2008 Präsidentschaftswahlen statt, die als frei, fair und transparent galten.83 Insoweit können die Friedensbemühungen der Afrikanischen Union auf den Komoren als erfolgreich bezeichnet werden.84 Die Vereinten Nationen äußerten sich nicht zur Lage auf den Komoren.
79
Communiqué on the Comoros, Dok.Nr. PSC/PR/Comm.1 (XCV), Peace and Security Council, 95th Ordinary Session vom 10. Oktober 2007. 80 § 10 Decision on the Activities of the Peace and Security Council of the African Union and the State of Peace and Security in Africa, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.177 (X) sowie Decision on the Situation in the Comores, Dok.Nr. Assembly/AU/Dec.186 (X), Assembly of the African Union, 10th Ordinary Session vom 31. Januar – 2. Februar 2008. 81
Im Einzelnen Svensson, The African Union’s Operations in the Comoros – MAES and Operation Democracy, 2008, S. 1 ff. m.w.N. 82 Communiqué, Dok.Nr. PSC/PR/Comm(CXXIV), Peace and Security Council, 124th Ordinary Session vom 30. April 2008. S.a. Report of the Chairperson of the Commission on the Situation in the Comoros, Dok.Nr. PSC/PR/2(CXXIV), Peace and Security Council, 124th Ordinary Session vom 30. April 2008. 83 Vgl. Comoros: Cautious Optimism After Calm Anjouan Elections, allafrica.com vom 2. Juli 2008, abrufbar unter: http://allafrica.com/stories/ 200807020943.html (Stand: 31. Mai 2010). 84
Ebenso Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 127.
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5. Bewertung Die bisherigen AU-Missionen bewegen sich insgesamt betrachtet in den eingangs geschilderten rechtlichen Grenzen der Kapitel VII und VIII UN-Charta. AMIB, AMIS und AMISOM können von ihren Mandaten und ihrer Durchführung her als Friedensmissionen im oben genannten Sinne bezeichnet werden, die auf der Zustimmung aller relevanten Konfliktparteien beruhen und Waffengewalt nur in beschränktem Umfang und vornehmlich zur Selbstverteidigung vorsehen. Die Missionen zur Unterstützung der Wahlen und politischen Prozesse auf den Komoren lassen sich als erweiterte Formen von Wahlbeobachtungsmissionen ebenfalls hierunter subsumieren. Dass die Versammlung und der Friedens- und Sicherheitsrat bei der Ermächtigung der jeweiligen Missionen keine Rechtsgrundlagen angeben, ist insoweit unschädlich, da sich ihre Kompetenzen hierfür unschwer aus Art. 9 lit. g) KA-AU und insbesondere Art. 7 Abs. 1 lit. b), c) und d) ProtokollPSC ergeben. Eine Ermächtigung nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS UN-Charta war jedenfalls für keinen der AU-Einsätze notwendig. Das in Kapitel 6 erörterte rechtliche Spannungsverhältnis beider Organisationen zueinander, was die Durchführung von Zwangsmaßnahmen nach Art. 53 Abs. 1 UNCharta betrifft, findet in der Praxis bislang also keine Entsprechung. Der UN-Sicherheitsrat rekurrierte in seinen Entscheidungen in Übereinstimmung mit der bisherigen UN-Peacekeeping-Praxis ausschließlich auf Kapitel VII UN-Charta. Nur im Falle Somalias ermächtigte er die AU ausdrücklich zur Durchführung von AMISOM. Da sich der UN-Sicherheitsrat direkt an die AU-Mitgliedstaaten wendet, kann hier eine Inanspruchnahme nach Art. 48 Abs. 2 UN-Charta angenommen werden. AMISOM wird damit in der Praxis allerdings nicht zu einer UN-Mission, sondern bleibt ein von der Afrikanischen Union geplanter und durchgeführter Einsatz, der zu einem späteren Zeitpunkt in eine UN-Mission überführt werden soll. Dass die Ermächtigung nicht ausdrücklich nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS UN-Charta erteilt wurde, ist insoweit konsequent, als AMISOM als Peacekeeping-Einsatz nicht unter Art. 53 Abs. 1 UN-Charta fällt, der Anwendungsbereich von Kapitel VIII UN-Charta also nicht eröffnet ist. Eine Erklärung dafür, dass der UN-Sicherheitsrat in diesem Fall die Kontrolle so ausdrücklich an sich zieht, mag sein, dass die Vereinten Nationen den Friedensprozess in Somalia schon sehr lange begleiten und dieser in einem failed state ungleich schwierigeren Bedingungen unterliegt, als in den anderen untersuchten Fällen. Zudem hat der Konflikt in Somalia mit der gewaltsamen Involvierung Äthiopiens, Eritreas und Somalilands zu erhebli-
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chen Interessenkonflikten innerhalb der Afrikanischen Union geführt, die eine alleinverantwortliche Konfliktlösung im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur unwahrscheinlicher macht. Überdies haben die Bedrohungen durch Piraten vor der Küste dem Konflikt auch eine zusätzliche internationale Dimension gegeben, so dass er der Steuerung und Kontrolle durch den UN-Sicherheitsrat eher bedarf, als z.B. die Konflikte in Burundi oder auf den Komoren. Das Maß der praktischen Kooperation zwischen den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union ist in den besprochenen Fällen sehr unterschiedlich. Während die beiden Organisationen in Burundi und im Sudan sehr eng miteinander kooperieren, handelt die AU auf den Komoren und – abgesehen von der Ermächtigung nach Kapitel VII UNCharta – auch in Somalia praktisch alleinverantwortlich. Sehr deutlich wird in den bisherigen Fällen, dass die Vereinten Nationen erst tätig werden, wenn die Afrikanische Union alles in ihren Möglichkeiten stehende zur Verbesserung der Sicherheitsbedingungen getan hat. Die Planung und Entsendung einer gemeinsamen Hybridoperation in die Darfurregion stellt dessen ungeachtet eine völlig neue Stufe der AU-UNKooperation und des Verhältnisses der beiden Organisationen zueinander dar.85 Dass die Vereinten Nationen – anders als in Burundi – AMIS II nicht eigenständig fortführten, lag vor allem am Widerstand der sudanesischen Regierung, zeigt aber auch deutlich die gegenüber den Vereinten Nationen hervorgehobene Stellung der Afrikanischen Union für die Konfliktbewältigung in Afrika. Ebenso wie bei der friedlichen Streitbeilegung nach Art. 52 UN-Charta halten sich die Mitgliedstaaten bei den bislang durchgeführten Friedensmissionen stark an das „Try AU First“-Prinzip und versuchen, bei der Bewältigung von schwerwiegenden innerstaatlichen Konflikten zunächst alle Möglichkeiten der AU auszuschöpfen. Sie stellen sich damit nicht in Widerspruch zur UNCharta, da bei den bisherigen Missionen die Schwelle zur Ermächtigungsbedürftigkeit nach Art. 53 Abs. 1 UN-Charta nicht erreicht wurde. Die Befassung des UN-Sicherheitsrates mit den Konflikten in Afrika bleibt ihm ohnedies unbenommen und auch seine Stellung nach Art. 24 UN-Charta wird von der AU in der Praxis nicht in Frage gestellt. Vielmehr bemüht sich die Afrikanische Union schon frühzeitig um eine möglichst enge Zusammenarbeit. Es ist umgekehrt eher so, dass der UN-Sicherheitsrat, anders als es seine rechtliche und politische Stellung nach Art. 24 Abs. 1 bzw. Kapitel VII und VIII UN-Charta vermuten lässt, der AU das Feld so lange wie möglich überlässt, bevor er selbst 85
Ebenso Andrews/Holt, Stimson Center Issue Brief (2007), S. 1, 8.
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aktiv in die Konfliktbewältigung eingreift. Insofern wird der in Art. 52 UN-Charta enthaltene Vorrang regionaler Konfliktlösungsbemühungen auf militärische Einsätze ausgedehnt, jedenfalls soweit es Friedensmissionen der oben beschriebenen Art betrifft. Allerdings sollte die Zurückhaltung des UN-Sicherheitsrates nicht den Blick für die eingangs erwähnten massiven Peacekeeping-Anstrengungen der Vereinten Nationen in Afrika verstellen. Bei allen bisherigen Bemühungen der Afrikanischen Union bleibt sie bei der Durchführung von Friedensmissionen logistisch, planerisch und finanziell abhängig von den Vereinten Nationen und außerafrikanischen Geldgebern und Truppenstellern.86 Endgültige Rückschlüsse auf die Funktionsfähigkeit der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur lassen sich bisher aber noch nicht ziehen. Vor allem AMIB und AMIS wurden mehr oder minder ungeplant in Gang gesetzt und dass zu einem Zeitpunkt, als der Friedens- und Sicherheitsrat seine Arbeit gerade erst aufgenommen hatte und weder die afrikanische Bereitschaftsarmee und deren Logistikkomponenten noch der Peace Fund oder die African Peace Facility auch nur ansatzweise implementiert waren.87
IV. Zwischenergebnis Die im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur durchgeführten militärischen Bemühungen von Afrikanischer Union und Vereinten Nationen zur Schaffung von Frieden, Stabilität und Sicherheit in Afrika spiegeln die ganze Komplexität des Verhältnisses beider Ebenen zueinander wider, insbesondere was die praktische Kooperation beider Organisationen betrifft. Die Analyse der Missionen hat ergeben, dass die bisherige Praxis der Afrikanischen Union zur militärischen Konfliktlösung in Afrika völkerrechtskonform ist. Die Einsätze der AU waren nicht nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS. ermächtigungsbedürftig, da sie sich vom Mandat, der Zustimmung der Konfliktparteien und dem Gewalteinsatz her innerhalb der herausgearbeiteten Bedingungen klassischer Friedenseinsätze bewegten. Abstrakt betrachtet wären unter den gleichen Voraussetzungen auch andere militärische AUEinsätze, allen voran nach Art. 4 lit. h) KA-AU, nicht eigens ermächti86
Neethling, African Security Review 18/1 (2009), S. 1, 17 f.; Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 131. 87
Ebenso Franke, Security Cooperation in Africa, 2009, S. 115, 121.
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7. Kapitel
gungsbedürftig. Die Afrikanische Union kann dementsprechend in diesen relativ weiten rechtlichen Grenzen nicht nur in der friedlichen Streitbeilegung, sondern auch militärisch autonom von den Vereinten Nationen tätig werden, ohne sich in Konflikt zu Kapitel VIII und der Stellung des UN-Sicherheitsrates nach Art. 24 Abs. 1 UN-Charta zu begeben. Während die Afrikanische Union den Konflikten auf den Komoren und letztlich auch in Somalia alleinverantwortlich begegnet, haben AMIB und speziell die gemeinsame AU-UN-Hybridoperation in Darfur ein sehr hohes Maß an Kooperation zwischen regionaler und universeller Ebene offenbart, der der wiedererlangten Bedeutung der Afrikanischen Union für die Friedensbemühungen und den Schutz der Menschenrechte in Afrika Rechnung trägt. Allerdings haben alle bisherigen Einsätze sehr schnell die logistischen, planerischen, militärischen und finanziellen Grenzen der afrikanischen Konfliktbewältigungskapazitäten aufgezeigt, die es in der weiteren Umsetzung der neuen Sicherheitsund Verteidigungsarchitektur schnellstmöglich abzubauen gilt.
Resümee Zentrales Anliegen der vorliegenden Untersuchung war es, ausgehend von drei Fragenkomplexen die vielschichtigen Entwicklungen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union in den ersten acht Jahren ihrer Existenz völkerrechtlich zu beleuchten. Der erste sehr umfangreiche Fragenkomplex betraf die institutionelle Struktur, die Ziele und Aufgaben sowie die (Neu-)Ausrichtung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Afrikanischen Union. Im Rahmen des zweiten Fragenkomplexes wurden die Interventionsrechte nach Art. 4 lit. h) und j) KA-AU auf ihre völkerrechtliche Zulässigkeit hin untersucht und ihr Anwendungsbereich diskutiert. Innerhalb des dritten Fragenkomplexes galt es, das Verhältnis der Afrikanischen Union zu anderen sicherheitspolitischen Akteuren und insbesondere zu den Vereinten Nationen zu bestimmen. Mit Blick auf den ersten Fragenkomplex wurden in Kapitel 1 und 2 zunächst die Organisations- und Entscheidungsstrukturen der Afrikanischen Union analysiert. Besonders der Friedens- und Sicherheitsrat mitsamt der afrikanischen Bereitschaftsarmee, die Kommission, das Panafrikanische Parlament und der fusionierte AU-Gerichtshof stellen beachtliche institutionelle Neuerungen dar, die in unterschiedlichem Maße zur Konfliktprävention und -bewältigung in Afrika beitragen, sei es durch Wahlbeobachtungsmissionen, die Sanktionierung und Suspendierung verfassungswidriger Regierungen oder durch die Planung und Entsendung größerer AU-Friedensmissionen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass den beiden wohl wichtigsten und aktivsten Organen – dem Friedens- und Sicherheitsrat und der Kommission – eine beinahe unüberschaubare Aufgabenfülle übertragen wurde, die bei weitem nicht mit ihrer personellen und finanziellen Ausstattung korrespondiert. Gleichzeitig befinden sich die afrikanische Bereitschaftsarmee und das kontinentale Frühwarnsystem noch im Aufbau, der nur sehr zögerlich vorankommt. Und auch andere Organe wie das Gremium der Weisen fangen erst langsam an, an der Friedenssicherung in Afrika zu partizipieren. Trotz der vielen Fortschritte sind also noch ganz erhebliche Anstrengungen zur Implementierung der in der KA-AU und dem ProtokollPSC vorgesehen Strukturen notwendig. Der Zugang und die Mitwirkung der mitgliedstaatlichen Zivilbevölkerungen und NGOs an den Entscheidungsfindungsprozessen der AUD. Barthel, Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 224, DOI 10.1007/978-3-642-20034-2_9, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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Organe haben sich im Vergleich zur OAE nicht wesentlich verbessert. So ist das Panafrikanische Parlament kein Parlament der Vertreter der afrikanischen Bevölkerungen, sondern vielmehr der nationalstaatlichen Parlamente, die allzu oft demokratisch wenig legitimiert sind. Die Menschenrechtskommission, die einen gewissen Individualzugang und schutz bietet, wurde im Gesamtgefüge der neuen Strukturen eher marginalisiert. Desgleichen ist der Zugang zum neuen afrikanischen Gerichtshof für Individuen und NGOs in nur sehr beschränktem Umfang möglich. Strukturell hat sich am vielkritisierten top-down-Ansatz der OAE in der AU also nicht viel verändert. In Zusammenhang mit der institutionellen Neuausrichtung der Afrikanischen Union wurde ihre starke finanzielle Abhängigkeit von der Europäischen Union, den Vereinten Nationen und außerafrikanischen Staaten deutlich. Die AU leidet unter erheblichen finanziellen Begrenzungen, auch weil die Mitgliedstaaten ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Die Schwierigkeiten bei der Finanzierung der mannigfaltigen Aufgaben und die damit einhergehende chronische Unterbesetzung und mangelnde Ausstattung des Friedens- und Sicherheitsrates und der Kommission stellen sicherlich eines der größten Hindernisse der eigenständigen afrikanischen Konfliktpräventions- und bewältigungsbemühungen dar. So übersteigen schon jetzt die Kosten der bisherigen afrikanischen Friedensmissionen das reguläre Budget der AU um ein vielfaches. Und die Arbeit der Kommission oder der Aufbau des kontinentalen Frühwarnsystems ist ohne massive externe Unterstützung kaum zu bewerkstelligen. Im Anschluss an die Analyse des institutionellen Gefüges der Afrikanischen Union wurden in Kapitel 3 die sicherheits- und verteidigungsrelevanten Ziele und Grundprinzipien der Organisation herausgearbeitet, die von einer ganzen Reihe politischer Programme und völkerrechtlicher Verträge flankiert werden. Während das Prinzip der souveränen Gleichheit, das Nichteinmischungsprinzip oder das Gewaltverbot bereits die Vorgängerorganisation prägten und mit Art. 2 UN-Charta weitestgehend übereinstimmen, reflektieren eine Reihe neu aufgenommener Grundprinzipien afrikanische Besonderheiten und kontinentale bzw. internationale Entwicklungen vor allem seit den 1990ern. So bilden das Verbot des Terrorismus, die aus dem Lomé-Prozess hervorgegangene Ablehnung verfassungswidriger Regierungswechsel und das Suspendierungs- und Sanktionsregime wesentliche Grundpfeiler der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur, denen durch die Afrikanische Union tatsächlich Wirkung verschafft wird, beispielsweise durch die Verhängung gezielter Sanktionen gegen Putschisten wie zu-
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letzt im Fall Madagaskars oder durch die Entsendung von Wahlbeobachtungs- und -unterstützungsmissionen nach Kenia oder auf die Komoren. Dass sich die Afrikanische Union nicht nur institutionell, sondern auch hinsichtlich ihrer Ziele und Aufgaben grundlegend neu positioniert hat, zeigt besonders eindrücklich das Grundprinzip des Respekts vor demokratischen Grundsätzen, Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und guter Regierungsführung. Die afrikanischen Staaten erkennen nunmehr den Zusammenhang zwischen Demokratie, Menschenrechten, Frieden, Sicherheit, nachhaltiger sozio-ökonomischer Entwicklung und der Integration des Kontinents ausdrücklich an. Mit dieser Neuausrichtung einher geht die Verdrängung des Nichteinmischungsprinzips, das in der OAE nahezu unantastbar war und maßgeblich zu ihrer negativen Konfliktbewältigungsbilanz beitrug. Im Gegensatz zur OAE sollen Menschenrechtsschutz, Rechtsstaatlichkeit und gute Regierungsführung alle Politikfelder der Afrikanischen Union durchdringen und Richtschnur für das Handeln der Organisation und der Mitgliedstaaten sein. Diese ganz bemerkenswerte Entwicklung ist in der (rechtswissenschaftlichen) Öffentlichkeit allerdings nahezu unbemerkt geblieben ist. Dies hängt sicherlich mit dem top-down-Ansatz der Afrikanischen Union auch in diesem Bereich zusammen, richten sich doch die Programme in erster Linie an die Regierungen der Mitgliedstaaten. In diesem Zusammenhang muss konstatiert werden, dass gerade die vielen schwachen Mitgliedstaaten eine der Hauptgründe für die anhaltenden Konflikte in Afrika und ein erhebliches Sicherheitsrisiko für ihre Bevölkerungen, Nachbarstaaten und ganze Regionen auf dem Kontinent sind. Die Analyse der CSSDCA, der NEPAD und der African Charter on Elections, Democracy and Governance hat jedoch gezeigt, dass sich die Mitgliedstaaten ihrer (Demokratie-)Defizite zumindest bewusst sind, besonders was freie und faire Wahlen, die Gewährleistung von Mindestanforderungen einer ordentlichen Verwaltung und Justiz und die Partizipation der Zivilbevölkerungen an staatlichen Entscheidungsprozessen betrifft. Sie scheinen nunmehr grundsätzlich bereit, sich stärker als bisher durch AU-Programme und Verträge selbst zu binden und unter Aufsicht der Afrikanischen Union und externer Akteure mehr für den Menschenrechtsschutz, innere Stabilität und die Vermeidung inner- und zwischenstaatlicher Konflikte leisten zu wollen. Alles in allem unterwerfen sich die Mitgliedstaaten im Rahmen der neuen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur einem komplexen Überprüfungsregime in Hinblick auf die Einhaltung und Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, guter Regierungsführung und Men-
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schenrechten. Die Implementierung der in Kapitel 3 diskutierten Programme und Verträge bleibt jedoch mangels effektiver Überwachungsund Sanktionsmechanismen stark vom politischen Willen der Staatsund Regierungschefs abhängig. Dies hat bislang zu einer nur sehr zögerlichen Annahme und Umsetzung in den Mitgliedstaaten geführt. Kritisch zu sehen ist zudem die Proliferation sich überschneidender und zeitlich dicht aufeinanderfolgender Programme, ohne die gleichzeitige Sicherstellung der tatsächlichen Umsetzung. Hier, so scheint es, wird durch die Verabschiedung immer neuer Programme sehr viel Aktivität vorgespiegelt, durch die unzureichenden Umsetzungsmechanismen und die Aufteilung wichtiger finanzieller und personeller Ressourcen im Ergebnis dem Gesamtziel der Demokratieförderung und des Menschenrechtsschutzes aber eher geschadet als genützt. Den Mitgliedstaaten und deren Bevölkerungen wäre weitaus besser gedient, wenn sich die AU voll auf die Umsetzung des NEPAD-Prozesses und der African Charter on Elections, Democracy and Governance konzentrieren würde. Die Konsolidierung der Programme der letzten zehn Jahre und deren Anpassung an bestehende AU-Strukturen sind von daher dringend geboten. Positiv zu sehen ist jedoch das große Interesse internationaler Akteure und allen voran der Europäischen Union an den Demokratisierungsprozessen in Afrika und speziell am NEPAD-Prozess. Da sie die Afrikanische Union in beträchtlichem Maße unterstützen, verfügen sie gleichzeitig über politische und wirtschaftliche Druckmittel, die Mitgliedstaaten immer wieder auf die eigenen (AU-)Standards zu verpflichten, was insgesamt auf eine größere Umsetzung der Programme hoffen lässt. Zwar bleiben die Bevölkerungen und NGOs – wie eigentlich bei allen Maßnahmen der Afrikanischen Union – bei der Umsetzung der Programme weitestgehend außen vor, sie können jedoch über das Panafrikanische Parlament, die Menschenrechtskommission und den fusionierten AU-Gerichtshof die Einhaltung der eingegangenen Versprechen von ihren Mitgliedstaaten einfordern. Zum Abschluss des ersten Fragenkomplexes wurde in Kapitel 4 die bisherige Umsetzung der gemeinsamen Verteidigungspolitik untersucht. Die Analyse der sicherheits- und verteidigungspolitischen Programme hat die Neuausrichtung der Organisation hin auf die Gewährleistung menschlicher Sicherheit und die damit einhergehende Verbindung von Menschenrechten, Demokratie, Entwicklung, Frieden und Sicherheit noch einmal bestätigt. In Ausarbeitung der gemeinsamen Verteidigungspolitik dient die CADSP der Angleichung der Vorstellungen und des Vorgehens der Mitgliedstaaten in den Bereichen kollektive Sicherheit und Verteidigung und der Herausarbeitung gemeinsamer Bedro-
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hungen für den Frieden und die Sicherheit des Kontinents und der Mitgliedstaaten. Mit dem Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt wollen die Mitgliedstaaten inner- und zwischenstaatliche Konflikte verhindern bzw. beenden helfen. Sie gewähren sich überdies gegenseitige Unterstützung für ihre gemeinsame Verteidigung gegen Aggressionshandlungen. Insgesamt betrachtet soll die AU auf dem afrikanischen Kontinent sowohl Funktionen eines Systems kollektiver Sicherheit als auch eines Systems kollektiver Selbstverteidigung erfüllen, wobei ersterem deutlich größere Bedeutung zukommt. In Zusammenschau der in Kapitel 3 und 4 erörterten Programme und Verträge hat sich ein geändertes Sicherheitsverständnis der Afrikanischen Union weg von der in der OAE propagierten Staatensicherheit hin zur „comprehensive collective security“ herauskristallisiert. Wesentlich für dieses neue Sicherheitsverständnis ist die Verantwortung jedes einzelnen Staates, der internationalen Staatengemeinschaft und Internationaler Organisationen für den Schutz des Lebens und der Rechte und Würde der Menschen. Statt militärische Abschreckung zu betreiben oder ausschließlich militärisch auf Konfliktsituationen zu reagieren, soll an den Ursachen potentieller Bedrohungen angesetzt werden, um deren Entstehung entgegenzuwirken. Hauptadressaten der Aktivitäten der Afrikanischen Union sind nach diesem Sicherheitsverständnis nicht mehr nur die Mitgliedstaaten, sondern auch und gerade die afrikanischen Zivilbevölkerungen, deren Lebenssituation verbessert und die vor inneren und äußeren Bedrohungen geschützt werden sollen. Was den Stand der sicherheitspolitischen Integration anbelangt, so konnte in einem kurzen Exkurs vorläufig festgestellt werden, dass die Afrikanische Union die Integration des Kontinents vor allem mittels groß angelegter und ehrgeiziger Programme wie CSSDCA, NEPAD und CADSP und der Implementierung komplexer Strukturen so schnell wie möglich voranbringen will. Sie hat dabei den Blick fest auf die United States of Africa gerichtet. Zwar besteht insgesamt ein deutlich höherer Grad der Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik als noch bei der OAE, die sicherheitspolitische Integration kann aber keinesfalls als bisher erreichter Zustand angesehen werden. Im Rahmen des zweiten Fragenkomplexes wurden in Kapitel 5 die Interventionsrechte der Afrikanischen Union analysiert. Diese bilden einen weiteren ganz wesentlichen Grundpfeiler der neuen afrikanischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur. Die KA-AU ist der erste Gründungsvertrag einer Internationalen Organisation, der das Recht auf Intervention aus humanitären Gründen so ausdrücklich als Grund-
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prinzip verankert hat. Die Interventionsregelungen veranschaulichen besonders deutlich den Trend der AU weg von der einst stark behüteten Souveränität der Mitgliedstaaten hin zum Schutz der Menschenrechte und ergänzen das Prinzip des Respekts für Demokratie und Menschenrechte um eine Eingriffskomponente. An ihnen zeigt sich überdies die enge Verzahnung der neuen institutionellen Strukturen – speziell des Friedens- und Sicherheitsrates und der Bereitschaftsarmee – und der neuen Aufgaben der Organisation. Die eingehende Untersuchung der Art. 4 lit. h) und j) KA-AU hat ergeben, dass ihre Inklusion in die KA-AU aufgrund ihres hier angenommenen engen Anwendungsbereiches und der ihnen zugrundeliegenden Einwilligung der Mitgliedstaaten völkervertragsrechtlich zulässig ist. Es hat sich gezeigt, dass aus der Souveränität der Staaten grundsätzlich ihr Recht folgt, in militärische Interventionen auf ihrem Staatsterritorium einwilligen und entsprechende Kompetenzen auf Internationale Organisationen übertragen zu dürfen. Eine Intervention ist völkerrechtlich jedoch nur unter der Voraussetzung erlaubt, dass kein zwingendes Völkerrecht i.S.v. Art. 53 WVK – hier vor allem das Gewaltverbot und das Selbstbestimmungsrecht der Völker – verletzt wird und eine wirksame vertragliche oder ad hoc-Einwilligung desjenigen Staates vorliegt, in den interveniert werden soll. In diesem Zusammenhang konnte herausgearbeitet werden, dass das Gewaltverbot in Art. 2 Nr. 4 UN-Charta zum einen das Verbot der Aggression als zwingendes Völkerrecht enthält, zum anderen aber auch geringere Formen der Gewaltanwendung, die durch vertragliche oder ad hoc-Einwilligung derogierbar sind. Der zwingende Gehalt des Selbstbestimmungsrechts umfasst nur den absoluten Kern staatlicher Identität. Nach der hier vertretenen Auffassung wird durch die Interventionsregelungen der KA-AU weder das Aggressionsverbot noch der zwingende Gehalt des Selbstbestimmungsrechts berührt. Zudem ist den Anforderungen an eine wirksame Einwilligung durch die Ratifikation der KA-AU bereits genüge getan. Einer zusätzlichen Einwilligung im Zeitpunkt der Intervention bedarf es – anders als bei Art. 4 lit. j) KA-AU – für Interventionen nach Art. 4 lit. h) KA-AU somit nicht. Den Mitgliedstaaten bleibt es jedoch unbenommen, ihre Einwilligung durch Austritt aus der AU zurückzuziehen. Für die Auslegung der ersten Tatbestandsalternativen des Art. 4 lit. h) KA-AU konnten das Römische Statut des IStGH sowie die Statuten der Internationalen Strafgerichtshöfe für Jugoslawien und Ruanda fruchtbar gemacht werden. Deutlich wird an diesen Tatbestandsalternativen, dass die maßgebliche Zielsetzung des Art. 4 lit. h) KA-AU der Menschenrechtsschutz ist. Die durch Vertragsänderung eingefügte Tat-
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bestandsalternative „ernsthafte Bedrohung der legitimen Ordnung“ wurde nach eingehender systematisch-teleologischer Auslegung auf Fälle von Bürgerkriegen oder failed state-Situationen begrenzt. Als Kodifizierung des völkerrechtlich anerkannten Interventionsrechts auf Einladung müssen in Anwendung des Art. 4 lit. j) KA-AU dieselben Restriktionen gelten. Art. 4 lit. j) KA-AU ist insgesamt eng auszulegen, beschränkt auf Fälle erheblicher innerstaatlicher Beeinträchtigungen des Friedens und der Sicherheit, und darauf, dass die Regierung nach den für die Intervention auf Einladung anerkannten Grundsätzen überhaupt eine Einladungsbefugnis besitzt. Hinsichtlich des dritten Fragenkomplexes wurde die Positionierung der Afrikanischen Union im Mehrebenensystem konkurrierender Sicherheitsregime beleuchtet. Die Untersuchung der institutionellen Struktur in Kapitel 2 förderte diesbezüglich wichtige Erkenntnisse für das Verhältnis der Afrikanischen Union zu den regionalen Wirtschaftsorganisationen zu Tage. So illustrieren die Aufgaben des Friedens- und Sicherheitsrates sowie die Struktur der Bereitschaftsarmee und des kontinentalen Frühwarnsystems das sicherheitspolitische Zusammenspiel von AU und RECs besonders treffend. Ohne die von den RECs zur Verfügung gestellten Kapazitäten und deren Einsatz bei der Konfliktprävention und -bewältigung auf regionaler Ebene ist die Gewährleistung von Frieden und Sicherheit auf kontinentaler Ebene nicht zu verwirklichen. In der afrikanischen „Friedenspyramide“ bilden die RECs aufbauend auf den Mitgliedstaaten die mittlere Ebene, während die AU die Spitze darstellt. Die Aufgabenteilung zwischen AU und RECs ermöglicht Ersterer auf die umfangreichen regionalen Erfahrungen und etablierten Mechanismen der Konfliktprävention und -bewältigung zurückzugreifen. Umgekehrt profitieren die RECs von der besseren internationalen Verhandlungsmacht und Kredibilität der AU und damit von einer stärkeren Fokussierung externer Akteure auf die gesamte afrikanische Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur. Das Verhältnis der beiden Ebenen ist daher ganz wesentlich von den Grundsätzen der Interdependenz und Komplementarität geprägt. Gleichzeitig bedeutet diese enge Verzahnung jedoch, dass sich alle Schwächen und Probleme, die auf der regionalen Ebene entstehen, auf die kontinentale Ebene durchschlagen. Dies wird gerade beim nur zögerlichen Aufbau der regionalen Brigaden der Bereitschaftsarmee überdeutlich. Auch die genaue Aufgaben-, Kompetenz- und Verantwortungsverteilung zwischen der AU und den RECs ist bislang nicht endgültig und zufriedenstellend geregelt. So existiert neben dem Friedensund Sicherheitsrat häufig ein zweiter regionaler Sicherheitsrat, der ähn-
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liche Aufgaben und Kompetenzen besitzt. Zudem ist die Proliferation von RECs mit überschneidenden Mitgliedschaften und Sicherheitsregimen in Konkurrenz zur Afrikanischen Union für die kontinentale Integration und die hinreichende Gewährleistung von Frieden und Sicherheit eher abträglich. Die Überlappungen führen nicht nur zu unterschiedlichen Interessen in der jeweiligen Organisation, sondern auch zu geteilten Loyalitäten und zur weiteren Aufteilung knapper Ressourcen und Kapazitäten der Mitgliedstaaten; schließlich sind sowohl die AU als auch die RECs von den gleichen externen Geldgebern abhängig. Um das Gesamtsystem nicht weiter zu strapazieren und unnötige Doppelungen zu vermeiden, müssen die RECs ihre Instrumente daher dringend an die neuen Strukturen und Kompetenzen der Afrikanischen Union anpassen. Wenn aber alle Mechanismen der neuen Sicherheitsund Verteidigungsarchitektur einmal implementiert und die (Doppel-) Strukturen angepasst sind, ermöglicht die Aufgabenteilung beiden Ebenen Frieden, Sicherheit und Stabilität in der jeweiligen Region und auf dem gesamten Kontinent besser als bisher zu gewährleisten. Das Verhältnis der kontinentalen zur universellen Ebene erwies sich als rechtlich und praktisch äußert komplex. In Kapitel 6 wurde zunächst herausgearbeitet, dass die Afrikanische Union eine Regionalorganisation i.S.v. Art. 52 f. UN-Charta ist, so dass ihr Tätigwerden an den weiteren Voraussetzungen des Kapitels VIII UN-Charta zu messen war. Die in der KA-AU und dem ProtokollPSC verankerten Kompetenzen der AU zur friedlichen Streitbeilegung in Afrika sind mit Art. 52 UNCharta vereinbar. Nach der hier vertretenen Auffassung kommt der Afrikanischen Union bei der friedlichen Streitbeilegung zwischen ihren Mitgliedstaaten Vorrang vor dem UN-Sicherheitsrat zu. Der UNSicherheitsrat darf nur dann eigene Maßnahmen im Rahmen des Kapitels VI UN-Charta einleiten, wenn er die Bemühungen der Regionalorganisation für ungeeignet hält. Wenn die AU also von ihrer primären Zuständigkeit für Streitigkeiten innerhalb des afrikanischen Kontinents ausgeht und ansonsten dem UN-Sicherheitsrat die Hauptverantwortung für den internationalen Frieden überlässt, rekurriert sie damit lediglich auf den von der UN-Charta selbst vorgesehenen Vorrang regionaler Mechanismen. Mit Blick auf das dezentralisierte Friedenssicherungssystem in Kapitel VIII UN-Charta ist es daher nur konsequent, wenn die Afrikanische Union gemeinsam mit den RECs die friedliche Konfliktbewältigung und Friedenssicherung in Afrika übernimmt. Im Gegensatz zur friedlichen Streitbeilegung nach Art. 52 UN-Charta kommt der Afrikanischen Union im Rahmen von Art. 53 Abs. 1 S. 1 UN-Charta kein Vorrang vor den Vereinten Nationen zu. Vielmehr
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entscheidet allein der UN-Sicherheitsrat über Art, Umfang und Durchführung von Zwangsmaßnahmen. Sollte die Afrikanische Union eigene Zwangsmaßnahmen vornehmen wollen, so bräuchte sie gemäß Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS UN-Charta möglichst vorher eine ausdrückliche Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates. Da nach der hier vertretenen Auffassung ausschließlich militärische Maßnahmen unter den Zwangsmaßnahmenbegriff des Art. 53 Abs. 1 UN-Charta fallen, sind Sanktionen nach Art. 23 KA-AU, Art. 37 Abs. 5 VerfOVers oder Art. 7 lit. g) ProtokollPSC vom Anwendungsbereich des Art. 53 UN-Charta nicht erfasst. Die AU darf insoweit eigenverantwortlich und unabhängig von der universellen Ebene handeln. Überdies sind Interventionen aufgrund von Art. 4 lit. j) KA-AU nicht ermächtigungsbedürftig, da es wegen der zwingend erforderlichen Einwilligung des betroffenen Staates keines Rückgriffs auf Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS UN-Charta mehr bedarf. Die Analyse des Verhältnisses der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen hat ferner ergeben, dass eine humanitäre Intervention der AU in einen Nichtmitgliedstaat keine Grundlage in der KA-AU findet und sich völkerrechtlich nicht zufriedenstellend rechtfertigen ließe. Allerdings wäre die AU besser imstande, die abstrakten Voraussetzungen, die in der Völkerrechtswissenschaft an eine solche Intervention gestellt werden, zu erfüllen. Sie verfügt zumindest über geeignete Mechanismen, eine humanitäre Intervention verfahrensmäßig geordnet und unter größtmöglicher Partizipation aller von ihr betroffener Parteien durchzuführen. Praktisch relevant geworden ist ein solcher Einsatz unter der Ägide der AU bisher nicht. Wie in Kapiteln 1 bis 4 herausgearbeitet wurde, stellt gerade die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur verschiedenste Kooperations- und Ausgleichsmechanismen zur Verfügung, um einseitige humanitäre Interventionen ohne Zustimmung der Konfliktparteien und des UN-Sicherheitsrates in Afrika gänzlich überflüssig zu machen. Ausgehend von den eher abstrakten Überlegungen des Kapitels 6 wurde in Kapitel 7 das Maß an rechtlicher und tatsächlicher Verflechtung beider Ebenen mit Blick auf die bisherigen Friedensmissionen der Afrikanischen Union ergründet. Es hat sich gezeigt, dass die bisherige – und in Darfur und Somalia noch andauernde – Praxis der militärischen Konfliktlösung in Afrika völkerrechtskonform ist und sich insbesondere an die rechtlichen Grenzen der Kapitel VII und VIII UN-Charta hält. AMIB, AMIS und AMISOM sind nahezu klassische PeacekeepingEinsätze, die grundsätzlich nicht unter den Zwangsmaßnahmenbegriff des Art. 53 UN-Charta fallen, da sie auf der Zustimmung aller relevanten Konfliktparteien beruhen und Waffengewalt nur in beschränktem
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Umfang vornehmlich zur Selbstverteidigung und zum (begrenzten) Schutz der Zivilbevölkerung und gefährdeter staatlicher Einrichtungen vorsehen; gleiches gilt für die Wahlbeobachtungs- und -überwachungsmissionen auf den Komoren. Eine Ermächtigung nach Art. 53 Abs. 1 S. 2 1. HS UN-Charta war daher für keinen der AU-Einsätze notwendig. Da es sich gemessen an den bisherigen Erfahrungen auch beim Großteil der zukünftig denkbaren Einsätze nach Art. 4 lit. h) KA-AU bzw. Art. 7 ProtokollPSC um klassische Peacekeeping-Einsätze handeln dürfte, bedürfte die Afrikanische Union für solche Einsätze keiner Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates. Sie kann also nicht nur bei der friedlichen Streitbeilegung, sondern auch bei der Durchführung von Friedensmissionen nach Art. 4 lit. h) KA-AU und Art. 7 ProtokollPSC selbständig und eigenverantwortlich tätig werden, ohne sich in Konflikt zu Kapitel VIII und zur Stellung des UN-Sicherheitsrates nach Art. 24 Abs. 1 UN-Charta zu begeben. Das Maß der praktischen Kooperation zwischen den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union war bislang sehr unterschiedlich. Die Planung und Entsendung der gemeinsamen UNAMID in Darfur stellt insoweit eine völlig neue Stufe der AU-UN-Kooperation und des Verhältnisses der beiden Ebenen zueinander dar. Erkennbar wurde aber auch, dass der UN-Sicherheitsrat im Gegensatz zu seiner rechtlichen und politischen Stellung nach Art. 24 Abs. 1 UN-Charta in einem Konfliktfall erst tätig wird, wenn die Afrikanische Union alles in ihren Möglichkeiten stehende zur Verbesserung der Sicherheitsbedingungen in dem betreffenden Mitgliedstaat getan hat. Ebenso wie bei der friedlichen Streitbeilegung orientieren sich die Mitgliedstaaten bei den bislang durchgeführten Friedensmissionen am „Try AU First“-Prinzip und versuchen, bei der Bewältigung inner- und zwischenstaatlicher Konflikte die Möglichkeiten der AU und der RECs voll auszuschöpfen. Die bisherigen Bemühungen bei der Konfliktbewältigung auf dem Kontinent im allgemeinen und der Durchführung von Friedensmissionen im speziellen haben jedoch sehr schnell die logistische, planerische und finanzielle Abhängigkeit der Organisation von den Vereinten Nationen und außerafrikanischen Geldgebern und Truppenstellern gezeigt. Es wurden allerdings auch wichtige Lernprozesse in der Afrikanischen Union, den RECs und den Vereinten Nationen angestoßen, vor allem was die Planung solcher Einsätze und ihre Durchführung innerhalb der neuen Organisations- und Entscheidungsstrukturen und die praktische Kooperation der regionalen, kontinentalen und universellen Ebene betrifft. Insgesamt betrachtet hat die Afrikanische Union mit dem Friedensund Sicherheitsrat und der afrikanischen Bereitschaftsarmee einerseits,
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den Interventionsrechten und der Neuausrichtung auf Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechtsschutz andererseits innovative strukturelle und programmatische Entwicklungen im Recht der Internationalen Organisationen angestoßen. Sie hat sich im Mehrebenensystem konkurrierender Sicherheitsorganisationen im Einklang mit geltendem Völkerrecht neu positioniert und ungeachtet der vielen Herausforderungen seit 2002 gezeigt, dass sie anders als ihre Vorgängerin gewillt und in gewissem Umfang auch in der Lage ist, im Rahmen der kontinentalen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur ihren neuen Aufgaben nachzukommen und in enger Zusammenarbeit mit den außerafrikanischen Partnern ihre selbst zugedachte Rolle als maßgebliche Institution für die Wahrung von Sicherheit, Stabilität und Frieden auf dem afrikanischen Kontinent zu erfüllen.
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I. From the Organisation of African Unity to the African Union When the newly independent states of sub-Saharan Africa signed the treaty launching the Organisation of African Unity (OAU) on 25th May 1963, they had hoped for peaceful co-existence between their countries, the end of the continent’s historical exploitation and marginalisation as well as the socio-economic development of their countries and an improvement of the living conditions for the people living within their borders. The expectations that were associated with the establishment of the OAU could, however, not be fulfilled. More than 30 inter-state conflicts ravaged the continent since 1970. And as recently as the year 2000, half of all African states were directly or indirectly affected by violent conflicts. In light of this history, the accomplishment of the organisation in resolving African conflicts is viewed extremely critically by academic commentators and practitioners alike. The OAU adhered for too long to its principles enshrined in the OAU Charter, especially respecting the sovereignty and territorial integrity of member states and the uti-posseditis-principle. Most of all, though, the principle of noninterference – on which many African rulers insisted on before, during and after committing atrocities – constrained the OAU’s possibilities immensely. Furthermore, the OAU lacked the institutional capacity for effective conflict prevention, management and resolution. The Cold War’s end brought with it ambiguous results for the African continent: whilst it led to worldwide political and economic changes, it also brought to light an increase in violent conflicts. Although it lent human rights increased significance, it also paved the way for competing economic and security organisations on the continent. Ultimately all these factors pushed the African Heads of State and Government to revisit the OAU’s structures and objectives in the 1990s and to adapt these to the new global realities. After the OAU Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution had been adopted in 1993, the OAU increasingly intervened in intra- and inter-state conflicts, be it D. Barthel, Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 224, DOI 10.1007/978-3-642-20034-2_10, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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within the framework of the new mechanism, by means of special envoys or with smaller peace missions such as those sent to Rwanda (NMOG) or Burundi (OMIB). In the same period, leaders within the OAU were debating setting-up an OAU peacekeeping force, in part because external actors were no longer willing – in light of increasing risks as experienced during their encounters in Rwanda and Somalia – to intervene in African conflicts. In 1999, Libya’s President Muammar Al-Gaddafi together with the presidents of South Africa and Nigeria, Thabo Mbeki and Olusegun Obasanjo, built on the organisation’s timid endeavours and increased the momentum in the discussions on the organisation’s re-alignment and enhancement. At an extraordinary summit in Sirte, Libya, the member states had to acknowledge that more so than ever at the end of th the 20 century increasing globalisation was leading to the continent’s political, social and economic marginalisation. In response to this development a new assertive continental organisation had to be launched, so that Africa could reposition itself to face these challenges head on and to foster the unity of African states and their peoples. With the Sirte Declaration the foundation for the African Union (AU) was laid. On 11th July 2000, following expedited negotiations, the Heads of State and Government adopted the Constitutive Act of the African Union (CA), which came into effect on 26th May 2001. The new continentwide organisation was ceremoniously inaugurated in Durban, South Africa on 10th July 2002 and the OAU dissolved after it had been in existence for almost 40 years. Because the OAU only had few provisions on peacekeeping and conflict management – and because surprisingly neither these nor the OAU Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution had been integrated into the new structures – the Heads of State and Government passed the Protocol Relating to the Establishment of the Peace and Security Council of the African Union th (ProtocolPSC) on 9 July 2002.
II. Research Questions The generally negative assessment of the OAU’s impact on reducing conflicts on the continent has followed early appraisals of the AU. From the very beginning the AU was hounded with accusations of being “old wine in new bottles” because it had adopted some of the principles that were regarded as having led to the paralysis of its predeces-
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sor. Already a quick glance at the founding documents and the ProtocolPSC suffices, however, to see that the AU is not merely a re-named OAU but that in June 2002 a new complex peace and security architecture was created. Along with the new organisation new institutional structures for improved conflict prevention and resolution have been established, foremost the Peace and Security Council, the Continental Early Warning System and the African Standby Force. Furthermore, the Constitutive Act counts a number of new objectives and principles that move the focus of the African Union away from the already-mentioned statefocused foundations of the OAU towards a stronger protection and observance of human rights, democracy, the rule of law and good governance. Strikingly, two provisions in Art. 4 (h) and (j) CA now enable the AU to intervene in a member state in the event of war crimes, crimes against humanity or genocide. Moreover, Art. 4 (d) CA envisages the institutionalisation of a common defence policy for the African continent. Despite its many (legal) innovations, the AU and its new continental peace and security architecture still remain under-represented in the analyses of public international law. Against this background, the following study explores three thematic complexes: The first elaborate complex pertains to the AU’s institutional structure, its objectives and principles as well as the (re-)orientation of the African Union’s defence and security policy. As part of the second complex, the organisation’s rights to intervene in a member state according to Art. 4 (h) and (j) CA are examined and the application of these far-reaching articles discussed. The third complex deals with the relationship between the African Union and other actors in the security arena – in particular the United Nations (UN) and the Regional Economic Communities (RECs).
III. Key Findings 1. A New Institutional Structure With regards to the first thematic complex, chapters 1 and 2 began by analysing the organisational and decision-making structures of the African Union. In particular, the Peace and Security Council including the African Standby Force, the Commission, the Pan-African Parliament and the merged African Court of Justice and Human Rights represent
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admirable institutional innovations that to various extents contribute to Africa’s conflict prevention and resolution processes, be it that they undertake election monitoring, impose sanctions, suspend unconstitutional governments or plan and deploy larger AU peacekeeping missions. The analysis was able to establish that the two most important and active organs – the Peace and Security Council and the Commission – have been tasked with almost innumerable responsibilities which, however, do not correspond with the organisation’s personnel or financial capacities. At the same time the African Standby Force and the Continental Early Warning System are still in a protracted preparatory stage. Even other organs, such as the Panel of the Wise, have only slowly taken up their work. So, despite the many advances made in the past eight years, there are still numerous important steps needed to fully implement the structures foreseen in the Constitutive Act and the ProtocolPSC. Civil society and NGO participation in the AU’s decision-making processes stand out for not having greatly improved when compared with their access to decision-making during the OAU’s tenure. Similarly, the Pan-African Parliament is not a parliament directly representing the citizens of African countries; rather the PAP represents the parliaments of the AU’s member states even though the national parliaments are often not democratically legitimized. The other institution, which could possibly secure a certain amount of individual access and protection, the African Commission on Human and Peoples’ Rights, has been rather marginalized within the general make-up of the new structures. These aspects all reflect that the transition from the OAU to the AU has only slightly changed the Heads of State and Government’s top-down approach to decision-making. Within the new peace and security architecture the institutional repositioning of the African Union has shown that it remains strongly dependent on external funders such as the European Union, the United Nations and also relies on financial support from non-African states. In part because member states fall short of their financial commitments the AU suffers from severe financial shortages. The difficulties experienced in financing, the broad range of tasks, the related chronic staff shortage and the meagre equipment of the Peace and Security Council as well as the Commission are the main obstacles to an independent and effective African conflict prevention and resolution mechanism. Already the expenditure for the past AU peacekeeping missions surpasses the AU’s regular budget many times over. Without massive external support the
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Commission’s work or the building of a Continental Early Warning System is hardly viable.
2. New Principles and Objectives – The Increased Protection of Human Rights Overall, the member states have subjected themselves to a complex oversight regime within the new peace and security architecture with regards to the observance and the promotion of the rule of law, democracy, good governance and human rights. The implementation of the programmes and treaties discussed in chapter 3 is highly dependent on the political will of the Heads of State and Government. Because the organisation lacks effective oversight and sanctions mechanisms its member states have only hesitantly complied with and implemented the envisaged changes. In addition, the proliferation of numerous overlapping programmes needs to be regarded critically. Here, it seems that the passing of new programmes is meant to create the appearance of much activity. Yet the insufficient implementation mechanisms as well as the financial and personnel shortages rather hamper the main objective of democracy promotion and human rights protection than support them. In this context it would be of more use to the member states and the African people if the AU would focus on the implementation of the New Partnership for Africa’s Development (NEPAD) and the African Charter on Elections, Democracy and Governance. From this perspective, the consolidation of the most recent OAU programmes and their adaptation to the new AU structures is particularly critical. The interest shown towards the AU by international actors, in particular the European Union, in the democratisation processes in Africa and in the NEPAD process can be evaluated positively. Because of their substantial support of the African Union, they are simultaneously able to offer political and economic incentives that the AU members keep to the (AU-)standards they have committed themselves to, which all in all should contribute to a greater implementation of the programmes. Like in other areas of the AU’s activities, NGOs and individuals are in large parts left out of the implementation of the various programmes. They are, however, to a certain extent able to demand that the member states maintain their commitments, especially through submissions to the Pan-African Parliament, the Human Rights Commission and the merged African Court of Justice and Human Rights.
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3. A New Common Defence Policy In conclusion of the first complex, chapter 4 analysed the implementation of the new defence and security policy envisaged in Art. 4 (d) CA. The analysis of the security and defence programmes confirmed the organisation’s reorientation towards the guarantee of human security, which once again is intimately related to human rights, democracy, development, peace and security. The Common African Defence and Security Policy (CADSP) serves the purpose of aligning the various member states’ objectives and procedures in the area of collective security and defence by identifying common threats to peace and security faced by the continent as a whole and by individual member states. The NonAggression and Common Defence Pact serves to prevent and assist with resolving intra- and inter-state conflicts. Moreover, the member states offer each other mutual support in defence against in- and external acts of aggression. Overall, the AU now fulfils both the functions of a system of collective security as well as of a system of collective selfdefence.
4. Comprehensive Collective Security When analysing the programmes and treaties described in chapters 3 and 4, a new security concept comes to light with the emergence of the AU. The organisation can be seen to be moving away from the idea of state security as adhered to by the OAU towards a concept of comprehensive collective security. The new concept is characterised by the responsibility of each individual state, the international community and international organisations to protect the lives, rights and dignity of Africans. Instead of reverting to military deterrence or exclusively to military means, the root causes of actual and potential conflicts are approached to counteract future threats. The main addressees of the AU’s activities are thus not only its member states, but also and particularly the African citizens whose lives are meant to be improved and who are to be protected from conflicts stemming from within and beyond their countries’ borders. With regards to the continent’s security-related integration, a short excursus was able to show that the African Union intends to register progress in this area by means of comprehensive and ambitious programmes such as the Conference on Security, Stability, Development
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and Cooperation in Africa (CSSDCA), NEPAD and CADSP. In this sense, the AU has set its sights solidly on the United States of Africa. When comparing the AU to the OAU, one can note a higher grade of cooperation between member states in the security and defence arena although one cannot as yet conclude that the security-related integration is complete.
5. New and Innovative Intervention Regulations The analysis of the AU’s intervention norms is the focus of chapter 5 and introduces the second thematic complex. The intervention regulations form a central pillar of the AU’s new peace and security architecture. The Constitutive Act is the first founding treaty of an international organisation that cements an organisation’s right to intervene on humanitarian grounds. The intervention norms most clearly illustrate the AU’s shift away from protecting member states’ sovereignty towards the protection of human rights, and thereby complementing the principle of respecting democracy and human rights with the authorisation of interventions. Here, one is also able to see the strong interconnection between the new institutional structures – especially the Peace and Security Council and the African Standby Force – and the new objectives of the organisation. The in-depth analysis of Art. 4 (h) and (j) has shown that their inclusion in the Constitutive Act is admissible in terms of public international law. The sovereignty of states has laid the foundation for consenting to military interventions in their state territory and accordingly, of transferring this authority to international organisations. An intervention is only permissible, however, if core legal principles as espoused in Art. 53 Vienna Convention on the Law of Treaties are not broken with and, that an effective contractual or ad-hoc consent of the state on whose territory the intervention will take place is present. In this context, the analysis was able to show that the AU’s intervention rights neither infringe on the principle of non-aggression nor on the jus cogens-aspects of the right of self-determination. Furthermore, the necessary condition of state consent has already been fulfilled with the ratification of the Constitutive Act by the member states. In contrast to interventions justified by Art. 4 (j) CA additional consent is thus not needed at the time of an intervention according to Art. 4 (h) CA. Member states are, however, still well within their rights to retract their consent by withdrawing their membership from the AU.
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The Rome Statute of the ICC and the Statutes of the International Criminal Tribunals for Yugoslavia and Rwanda were drawn on for the interpretation of the different elements of Art. 4 (h) CA. The analysis showed that the decisive objective of Art. 4 (h) CA lies in the protection of human rights. After a thorough teleological and systematic interpretation the new alternative “serious threat to legitimate order” was defined as being restricted to cases of civil war and to failed statesituations. As the codification of interventions by invitation Art. 4 (j) CA is bound by the same legal restrictions as discussed above. The norm was interpreted in a narrow sense and is only applicable in cases where massive intra-state threats to peace and security exist, and where the inviting government possesses the legal authority to invite interventions in the first place.
6. The African Union and the RECs The third thematic complex addresses the AU’s position in a multi-level system of competing security regimes. The institutional structure described in chapter 2 has brought to light interesting findings regarding the AU’s association with the Regional Economic Communities in Africa. The functions and composition of the Peace and Security Council, the African Standby Force and the Continental Early Warning System most vividly illustrate this point. Without the REC’s capacities and their activities in regional conflict prevention and resolution, peace and security on the continent is not possible. Consequently, in the African “peace pyramid” the RECs represent the centre, whereas the member states represent the foundation and the AU the apex. The distribution of responsibility between the AU and the RECs allows the AU to refer to the comprehensive regional experience as well as the conflict prevention and management tools already in existence. Reciprocally, the RECs benefit from the AU’s stronger position in international negotiations and from its new credibility, thereby focusing external actors onto the new peace and security architecture. The rapport between the two levels is thus characterised by a strong sense of interdependence and complementarity. At the same time, this tight-knit consolidation also brings with it that the weaknesses and problems found at the regional level impact on the continental level. This is most evident when one considers the timid establishment of the African Standby Force’s regional brigades. Moreover, the distribution of responsibilities, authority and competencies
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between the AU and the RECs needs to be clarified further by the concerned parties. To add to this, the proliferation of RECs with overlapping membership and competing security regimes is more detrimental than beneficial for the continent’s integration and for the adequate safeguarding of peace and security in Africa. Overlapping memberships not only contribute to different interests in the various organisations but also to split loyalties and a further division of member states’ scarce resources and capacities. Ultimately, the AU and the RECs are dependent on the same external funders. The RECs will urgently have to adapt their instruments to the new structures and competencies of the AU so as not to strain the complete system any further and to avoid unnecessary duplication. Should all of the mechanisms within the new peace and security architecture be implemented and the (duplicate) structures adapted, then it will enable both levels to contribute more effectively towards the peace, the security and the stability of the respective region and of the continent as a whole.
7. The African Union and the United Nations The relation between the continental and the universal level has proven to be legally and practically extremely complex. Chapter 6 first established that the African Union is a regional organisation with reference to Art. 52 and 53 UN Charter. Consequently its actions can be evaluated according to the conditions provided in Chapter VIII UN Charter. The AU’s responsibilities in the pacific settlement of disputes as contained in the Constitutive Act and the ProtocolPSC are consistent with Art. 52 UN Charter. According to the current interpretation the AU has the primary responsibility to settle disputes between its member states. The UN Security Council is only allowed to embark on measures according to Chapter VI UN Charter when it finds the actions of the regional organisations inappropriate. As a result, the AU is merely acting according to the provisions contained in the UN Charter if it assumes its primary responsibility for peaceful dispute resolution on the continent, and in all other cases cedes the main responsibility of securing the international peace to the UN Security Council. In contrast to the peaceful resolution of disputes according to Art. 52 UN Charter, the AU does not take precedence over the UN if it embarks on activities relating to Art. 53 (1) UN Charter. Rather, only the
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UN Security Council may determine the kind, scope and implementation of enforcement action. Should the AU decide to undertake its own enforcement action, then it would need the express authorisation of the UN Security Council. However, since according to the undertaken analysis only military measures are regarded as enforcement action in terms of Art. 53 (1) UN Charter, sanctions according to Art. 23 CA, Art. 37 (5) Assembly Rules of Procedure or Art. 7 (g) ProtocolPSC are not incorporated under Art. 53 UN Charter. Insofar, the AU is permitted to act independently and autonomously of the universal level. Moreover, interventions on the basis of Art. 4 (h) and (j) CA are not subject to authorisation by the UN, since the obligatory consent of the respective state no longer necessitates recourse to Art. 53 (1) UN Charter.
8. AU Peacekeeping Experiences Based on the rather abstract considerations of chapter 6, chapter 7 explores the extent of cooperation between the African Union and the United Nations with respect to previous AU peace missions. It revealed that the current practice – in Darfur and also in Somalia – has conformed to the rules of public international law and that the legal boundaries set by Chapters VII and VIII of the UN Charter have been respected. AMIB, AMIS and AMISON are almost classical peacekeeping missions that generally do not fall under the enforcement action espoused in Art. 53 UN Charter, because they involve the consent of the respective conflict parties and only employ limited force, namely for self-defence purposes and for the (restricted) protection of civilians and state institutions. The same applies to the observer missions on the Comoros. Hence, authorisation in terms of Art. 53 (1) UN Charter has as yet not been necessary for AU missions. Consequentially, the AU can not only engage in peaceful dispute resolution, but can also conduct peacekeeping missions independently and on its own authority without standing in conflict with the UN Charter’s Chapter VIII and without challenging the responsibility of the UN Security Council as detailed in Art. 24 (1) UN Charter. AU-UN cooperation has already taken on diverse forms. The joint planning and deployment of peacekeepers during UNAMID represents a new level of AU-UN cooperation and reflects the interdependence of the two organisations. It could, however, also be established that the UN Security Council, in contrast to its legal and political position in
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Art. 24 (1) UN Charter, only engages in a conflict once the African Union has exhausted all possibilities of improving the security situation in the respective member state. Comparable to the peaceful resolution of disputes, the AU member states were guided by the Try AU First-principle in their past peacekeeping missions. Thereby, they first try to fully revert to the AU’s and the RECs’ capacities when dealing with intra- and inter-state conflicts. The AU’s efforts at conflict resolution in general and peacekeeping specifically have, however, brought the AU’s limited logistical, planning and financial capacities to light. Its high commitment on the continent has created a certain dependence on the UN and on other troopcontributing countries as well as financiers from outside the continent. The experiences gained during these efforts have, at the same time, contributed to learning processes within the AU, the RECs and the UN. This has particularly applied to the planning of such missions and their execution both within the new organisational and decision-making structures, and it also relates to the practical cooperation between the regional, continental and universal level.
IV. Conclusion An overview of the African Union with its Peace and Security Council and the African Standby Force as well as its intervention rights, the new orientation towards the rule of law, democracy and the protection of human rights reveals that the new African peace and security architecture has led to programmatic and structural innovations in the law of international organisations. The AU has positioned itself anew in a multi-level system of competing security organisations, adhered to the current confines of public international law and, despite the numerous challenges it has faced since 2002, shown that in comparison to its predecessor the AU is willing and to a certain extent capable of taking on the new responsibilities. The interaction with its extra-African partners has strengthened the AU’s self-defined position as a pivotal institution responsible for ensuring security, stability and peace on the African continent.
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Sachregister African Center for the Study and Research on Terrorism (ACSRT): 138, 140, 206 African Commission on International Law (ACIL): 206 f. African Common Market: 83 African Court of Justice and Human Rights, siehe AU-Gerichtshof African Crisis Response Force: 66 African Economic Community (AEC): 34 f., 46 f., 163 African Peace Facility (APF): 91, 94 ff., 367 African Peer Review Mechanism (APRM): 92, 169 ff. African Post-Conflict Reconstruction Policy Framework (NEPAD-PCRP): 188 African Union Election and Security Mission to the Comoros (MAES): 363 f.
the Comoros (AMISEC): 362 f. African Union Mission in the Sudan (AMIS): 61, 66, 90, 351 ff., 377 African Union Peace Support Standard Operating Procedures: 68 Afrikanische Bereitschaftsarmee: 66 ff., 205, 220 f., 254 f., 257, 289, 369 Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker: 40 ff., 156, 157, 372 Afrikanische Union (AU): 5 f., 7 f., 81 ff., 116 f., 132, 134, 137, 145 f., 154, 165 f., 174, 179, 187, 190, 213 ff., 248, 254, 266, 270 f., 278, 283 ff., 306 ff., 333, 336, 339 f., 341, 344, 346, 347 ff., 364, 365 ff., 369 ff. Afrikanischer Gerichtshof für Menschenrechte, siehe AUGerichtshof
African Union Government: 16, 214
Aggression: 59, 187, 192 ff., 208, 245, 286, 287 f., 289 f., 332, 373
African Union Mission in Burundi (AMIB): 70, 348 ff., 377
– Aggressionsverbot: 191, 235, 246, 256, 320, 374
African Union Mission in Somalia (AMISOM): 61, 70, 81, 358 ff., 365, 377
– Definition: 192 ff., 232 f.
African Union Mission in Support to the Elections in
Algier-Konvention: 59, 136 ff.
Akteure, nicht-staatliche: 196 ff., 240
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Angriff: – Angriffshandlung: 194, 232, 303 – bewaffneter Angriff: 192 ff., 198 ff., 263, 287, 290, 318 Apartheid: 106 ff., 136, 227, 277 Arab Maghreb Union (AMU): 52, 74 f. Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts (ASR): 199, 233, 235, 242 AU-Gerichtshof: 16 f., 28, 34, 46 ff., 122 f., 151, 267, 369 f., 372 AU-Kommission: 29 ff., 54, 60 f., 82 f., 91, 169, 176 f., 217, 358, 369 – Kommissionsvorsitzender: 31, 41, 60 f., 62 f., 64 f., 68, 146 f., 164, 272, 307, 351, 363 AU-Militärstab: 65 f., 352 AU-Military Logistical Depot (AMLD): 71 AU-Ministerrat: 17, 18, 26 ff. AU-Planning Element (PLANELM): 71 f.
Sachregister
Banjul-Charta: 40 ff., 48, 110, 155 ff. Beobachtungs- und Überwachungsmission: 67, 70, 253, 254 f., 346 Bündnisfall: 204, 206 Bürgerkrieg: 126, 228, 240, 244, 247, 257, 270 f., 344, 375 clausula rebus sic stantibus: 248 Commission for Defence and Security (CDS): 75 Commission of Mediation, Conciliation and Arbitration: 3 Common African Defence and Security Policy (CADSP): 182 ff., 207 f., 210, 373 Common Market for Eastern and Southern Africa (COMESA): 42, 83 Community of Sahel-Saharan States (CEN-SAD): 42, 83 Conference on Security, Stability, Development and Cooperation in Africa (CSSDCA): 160 ff., 209 f., 371, 373 Conflict Early Warning and Response Mechanism (CEWARN): 76 f.
AU-Versammlung: 13 ff., 113, 121, 123, 145, 149, 177, 245, 254, 255, 267, 268, 272, 276, 288, 346, 357, 359, 363 f.
Conseil de Paix et de Sécurité de l’Afrique Centrale (COPAX): 75
Auslegung: 17, 25, 119, 156, 194, 202, 231, 249, 254, 258, 266 f., 269 f., 276 f., 306, 311 ff., 321, 374 f.
Dekolonisierung: 106 ff., 125 ff., 219, 273, 290
Defence Commission: 3, 181
Demobilisierung: 57, 67, 186, 343, 349
Sachregister
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Demokratie: 59, 116, 152 ff., 177 f., 334, 371 f.
effective control: 197 ff.
Department for Peace and Security: 32 domaine réservé: 22, 115 ff., 121
Einwilligung: 225, 226, 228, 230, 233 ff., 238 ff., 256 f., 319, 321, 334, 340, 342, 346, 347, 374, 377
Drittstaaten: 109, 229, 282, 331 f.
Empfehlungen, der AU-Versammlung: 23, 272
Early Warning Observation and Monitoring System for Central Africa (MARAC): 75
enforcement action: 310 ff.
East African Community (EAC): 52, 76 Eastern Africa States Brigade (EASBRIG): 76 f. Eastern African Standby Brigade Coordination Mechanism (EASEBRICOM): 76 Economic Community of Central African States (ECCAS): 52 Economic Community of West African States (ECOWAS): 52, 77 ff., 220, 250 f., 326, 329 f., 333, 346 Economic, Social and Cultural Council (ECOSOCC): 99
effet utile: 21
Entwicklung, sozio-ökonomische: 3, 57, 154, 165 f., 191, 286, 371 erga omnes: 117, 260 Ermächtigung, des UN-Sicherheitsrates: 257, 308, 310, 321, 326 ff., 337, 340, 343 ff., 347, 365 f., 377 f. EU-AU Strategische Partnerschaft: 92 f. EU-Battlegroups: 92 Europäische Union: 90 ff., 155, 370, 372 Fact-Finding-Missionen: 38 f., 44, 60, 63 failed states: 131 f., 243, 244, 270 f., 365, 376 Finanzierung: 93 ff., 370
ECOWAS Mediation and Security Council: 78
Flüchtlinge: 58, 162, 349, 351, 357, 360
ECOWAS Observation and Monitoring Centre (OMC): 78
Framework Document on Post-Conflict Reconstruction and Development (AUPCRD): 188 ff., 211
ECOWAS Standby Brigade (ECOBRIG/ESF): 77 f. ECOWAS Warning and Response Network (ECOWARN): 78
Frieden: – Bedrohung des Friedens: 298, 299, 303, 304, 306, 322
438
Sachregister
– Friedensmissionen: 4, 58, 61, 66 f., 341 ff., 369, 377 f.
Humanitäre Hilfe: 58, 67, 84, 349, 351, 355, 356 f., 359
– Friedenssicherung: 3, 6, 90, 105, 191, 251, 286, 302, 305, 309, 322, 341, 369, 376
implied powers: 21
Friedens- und Sicherheitsrat: 51 ff., 113, 139 f., 145, 147, 149, 177, 187 f., 206, 217, 220, 245, 254, 256, 267, 268, 272, 275 f., 288 f., 294, 306 f., 355 f., 359, 363, 369, 375 Friendly Relations Declaration: 106, 108, 112, 133, 236 Gegenwärtigkeit, eines Angriffs: 200 f. Genfer Konventionen: 258 f. Gewalt: – bewaffnete Gewalt: 116, 119, 194 f., 286, 320, 335, 345 – Gewaltverbot: 109, 118 f., 120, 133, 193, 221, 225, 226, 227, 229, 230, 231 ff., 249, 253, 254, 286, 287 f., 315, 317 ff., 340, 346, 370, 374
Integration, kontinentale: 3 f., 39, 85 ff., 154, 163, 169, 183, 191, 205, 213 ff., 373, 376 Integrität, territoriale: 1 f., 108, 110, 120, 191, 205, 209, 215, 248, 265, 275, 287 Inter-Governmental Development Authority (IGAD): 52, 76, 358 f. Interdependenz: 113 International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS): 252 International Criminal Tribunal for Rwanda (ICTR): 258, 260, 374 International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia (ICTY): 258, 260, 374 International Law Commission (ILC): 231, 233, 235
Gremium der Weisen: 62 ff., 369
Internationale Organisation: 1, 7 f., 112, 116, 209, 230, 237, 246, 307, 374
Grenzen: 109, 120, 123 ff., 211, 214
– Organisationsrecht: 21, 23 f.
– Grenzkonflikt: 123 f. – Grenzziehung: 123 ff., 207 Gute Regierungsführung: 9, 37, 56, 59, 91 f., 103, 134, 152 ff., 217, 371 f. Haushalt, der Afrikanischen Union: 17, 34, 93 ff. Hoheitsgewalt: 111 f.
– Satzung: 291, 293, 312, 318, 320, 324, 344 Internationaler Strafgerichtshof (IStGH): 47, 258, 260, 262, 374 Intervention: – auf Einladung: 227 ff., 273 ff., 319, 334, 342, 375, 377
Sachregister
– demokratische Intervention: 271 – dictatorial intervention: 225 – Humanitäre Intervention: 67, 333 ff., 340, 377 – Interventionsrechte der Afrikanischen Union: 58 f., 61, 66 f., 110, 117, 219 ff., 310, 318, 321, 373 ff. – Interventionsverbot: 109, 115 f., 117, 119, 229, 253 f., 316 jus cogens, siehe zwingendes Völkerrecht jus in bello: 260 Kommando-, Kontroll-, Kommunikations- und Informationssystem Infrastruktur (C3IS): 71 Kompetenzen: – der Afrikanischen Union: 21 f., 365, 376 – der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte: 42 ff.
439
Konflikt: – bewaffneter Konflikt: 59, 259 – innerstaatlicher Konflikt: 121, 130, 132, 184 f., 186, 220, 240, 241, 266, 275, 290, 298, 341, 346, 366 – Konfliktbewältigung: 3, 55, 56 ff., 60 f., 63, 86, 105, 166, 274, 282, 288 f., 298, 306, 347, 366 f., 369, 376, 378 – Konfliktprävention: 62, 64, 86, 166, 191, 282, 288 f., 369 – Konfliktszenarien: 69, 72 ff. – zwischenstaatlicher Konflikt: 186, 220, 290, 341, 346 Konsensusverfahren: 19 f., 29, 54, 111, 245, 255 f., 346 Kontinentales Frühwarnsystem: 9, 51 f., 64 f., 82, 98, 162, 369 f., 375 Kontinuitätslehre: 131 Kriegsverbrechen: 9, 47, 186, 253, 258 ff., 269
– der AU-Kommission: 32 ff.
Lomé-Declaration: 59, 142 ff., 172, 267, 370
– des AU-Ministerrates: 27 ff.
Mandat: 348, 349, 351 ff., 355
– der AU-Versammlung: 15 ff., 123
Mechanismus für Konfliktbewältigung (MCPMR): 4, 51, 114, 122, 274
– des Friedens- und Sicherheitsrates: 58 ff., 344, – des Panafrikanischen Parlaments: 37 ff.
Menschenrechte: 46, 56, 104 f., 116, 152 ff., 184, 191, 209, 252, 371 f.
– der Vereinten Nationen: 322 f., 328 f., 332
– individuelle Menschenrechte: 155 f. – Menschenrechte der afrikanischen Völker: 157 f.
440
– Menschenrechtsschutz: 56, 59, 104 f., 154, 220, 221, 226, 258, 265, 269, 270, 347, 355, 357, 371 f., 374 – Menschenrechtsverletzung: 44, 58, 64, 105, 114, 117, 132, 154, 247, 257, 265 f., 270, 277, 333, 334, 337, 339, 346 Militärputsch: 143, 229, 239, 241, 244, 247, 267, 278
Sachregister
Organisation Amerikanischer Staaten (OAS): 22, 316, 327, 329 Organisation der Afrikanischen Einheit (OAE): 1 ff., 66, 88 f., 103 ff., 113 f., 119 f., 123 ff., 135 ff., 142, 153, 172 f., 181 f., 249 f., 273 ff., 294, 362, 370 Panafrikanisches Parlament: 34 ff., 163, 272, 369 f., 372 Panafrikanismus: 1, 214
Millennium Development Goals: 92
Peace Enforcement: 167, 220, 342, 344 f.
Multinational Peacekeeping Force in Central Africa (FOMAC): 75
Peace Fund: 93 f., 367
NATO: 73, 204, 214, 324, 329, 331, 333 Naturkatastrophen: 58, 59, 67, 84 Neopatrimonialismus: 129 f. New Partnership for Africa’s Development (NEPAD): 92, 164 ff., 371 ff. Nicht-Aggressions- und Verteidigungspakt: 133, 190 ff., 208, 210, 289 f., 373 Nichteinmischungsprinzip: 2 f., 104 f., 108, 113 ff., 142, 153, 180, 181, 191, 221, 275, 370 Nichtregierungsorganisation: 41, 50, 55, 65, 67, 153, 171, 370 North Africa Regional Capability: 75 Northern Africa Standby Force (NASBRIG): 74 f. OAE-Defence Force: 66
Peacekeeping: 167, 220, 289, 319, 341 ff., 365, 377 f. Piraterie: 70, 366 Postkonflikt-Wiederaufbau: 55 ff., 61, 84, 167, 186, 188 ff., 270, 288 Prinzipien: – der Afrikanischen Union: 101 ff., 182, 220, 294, 370 ff. – der OAE: 2 f., 103 ff. – der Vereinten Nationen: 291 ff. Rapid Reaction Mechanism: 94 Ratifikation: 242, 244 f., 247, 256, 346, 374 Rechtspersönlichkeit: 7 f., 131, 284 Rechtsstaatlichkeit: 9, 56, 57, 59, 102, 103, 116, 152 ff., 162, 167, 180, 191, 217, 357, 371 f. Regional Mechanisms for Conflict Prevention, Man-
Sachregister
agement and Resolution: 71, 74 ff. Regional Standby Brigades: 68 f.
441
– kollektives Selbstverteidigungsrecht: 193 ff., 208, 243, 281 f., 285 ff., 332, 335, 338, 372
Regionale Wirtschaftsorganisationen (RECs): 8, 42, 51 f., 64 f., 74 ff., 81 ff., 163, 185, 214, 216, 375 f.
– präventives Selbstverteidigungsrecht: 200 f.
Regionalorganisationen: 8, 89, 209, 219 f., 243, 244, 281 f., 283 ff., 296 ff., 309 ff., 326 ff., 333, 338, 344, 376
Sicherheit:
Repressalie: 317, 332 Responsibility to Protect: 251 f., 270, 279, 337
Sezession: 109 ff., 125, 229, 266, 276, 278 – kollektive Sicherheit: 207 f., 281 f., 285 ff., 372 – menschliche Sicherheit: 91, 164, 175, 183 f., 192, 208 ff., 265, 372
Richtlinien, der AU-Versammlung: 23
– Sicherheitspolitik der Afrikanischen Union: 181 ff., 221, 372
SADC Brigade (SADCBRIG): 79
– Sicherheitspolitik der OAE: 103 ff., 106, 181 f.
SADC Regional Early Warning Centre (REWC): 79
– Sicherheitsverständnis: 106, 161, 183 f., 203, 207 ff., 221, 373
SADC Strategic Indicative Plan for the Organ on Politics, Defence and Security Cooperation (SIPO): 79 f. Sanktionen: 18, 27, 56 f., 59, 149 ff., 220, 254, 268, 288, 310, 316, 317, 318, 321, 339 f., 355, 363, 369, 370 f., 377
Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur: 9, 13, 46, 51, 81 ff., 102, 118, 119, 140 f., 152, 180, 181 f., 213, 221, 333, 336, 339 f., 347, 349, 366 ff., 369 ff. Sonderabkommen: 323 f.
Schwache Staaten: 129 ff., 135, 179, 212 f., 214
South West African People’s Organisation (SWAPO): 134
Selbstbestimmungsrecht: 104, 106 f., 127, 132, 221, 225, 227, 230, 236 ff., 246, 248, 249, 269, 276, 277, 334, 374
Southern African Development Community (SADC): 52, 79 f., 220
Selbstverteidigungsrecht:
Souveräne Gleichheit: 20, 103 f., 111 ff., 115, 275
– individuelles Selbstverteidigungsrecht: 193, 199
Souveränität, staatliche: 2, 24, 104 f., 110, 111 ff., 120, 191,
442
202, 205, 209, 215, 220, 224, 225, 228, 230, 237, 246, 248, 252, 265, 275, 287, 370, 374 Staatenberichtssystem: 43 ff. Staatenimmunität: 113 Staatsgewalt, effektive: 127, 129 ff., 177, 179, 214, 229, 239, 241 Staatsstreich: 141 Standard Operating Procedures (SOP): 71 Straflosigkeit: 154 f. Streitbeilegung, friedliche: 119 ff., 133, 191, 203 f., 282, 286, 287 f., 295 f., 296 ff., 305 f., 309, 314, 321, 325, 347, 366, 376 Streitigkeit: 296 ff. Streitschlichtung: 3, 47, 54, 56, 121 f., 300, 302 f. Subsidiarität: 300 ff. Subversion: 119, 133 f. Suspendierung: 145 ff., 268, 321, 369, 370 System kollektiver Selbstverteidigung: 281 f. 285 ff., 373 System kollektiver Sicherheit: 215, 281 f., 285 ff., 373 Terrorismus: 55, 59, 84, 109, 134 ff., 196 ff., 205, 370 Try AU First-Prinzip: 123, 306 f., 309, 366, 378 Ultra vires-Handeln: 21 UN Standby Arrangement System (UNSAS): 67, 72, 89 UN Standby High Readiness Brigade (SHIRBRIG): 67
Sachregister
UN-Charta: – Artikel 2: 111 ff., 118, 120 f., 132, 193, 226, 231, 234, 291, 295, 315 ff., 335, 370 – Kapitel V: 283, 299, 300, 307, 310, 322, 378 – Kapitel VI: 297 f., 300 ff., 343 – Kapitel VII: 193 ff., 285 ff., 303, 310 ff., 343, 346, 361, 365 f., 376 – Kapitel VIII: S. 84, 88, 188, 257, 281 ff., 296 ff., 309 ff., 326 ff., 347, 365 f., 376 UN-Generalsekretär: 31, 60, 88 ff., 307, 343, 354 UN-Generalversammlung: 25, 236, 252, 300 f., 311, f., 337 UN-Sicherheitsrat: 89, 132, 140, 196, 257, 288, 294, 297, 299 ff., 306 ff., 309 ff., 326 ff., 333, 337 f., 339 f., 343, 354 ff., 361, 365 f., 376 ff. Unabhängigkeit: 1, 45, 59, 104 f., 112, 123, 124, 126, 158, 186, 192, 215, 273, 288, 362 United Nations - African Union Mission in Darfur (UNAMID): 70, 97, 295, 356 ff., 366, 378 United Nations Advanced Mission in Sudan (UNAMIS): 354 United Nations Mission in the Sudan (UNMIS): 354 ff. United Nations Operation in Burundi (ONUB): 349 f.
Sachregister
443
United Nations, siehe Vereinte Nationen
Waffenstillstandsabkommen: 195, 343, 348, 349, 351, 354, 357
United States of Africa: 5, 16, 30, 214, 373
Wahlbeobachtung: 37 f., 39, 57, 174, 362 ff., 365, 369, 371, 378
Uti possidetis-Prinzip: 2, 103 f., 109, 125 ff. Verbrechen gegen die Menschlichkeit: 9, 47, 162, 186, 203, 221, 253, 258, 262 ff., 269
Wahlen: 148 f., 151, 168, 173 f., 176, 178, 241, 266 f., 270, 342, 349, 362 ff. Ziele:
Vereinte Nationen: 65, 67, 70, 71, 86, 88 ff., 119, 123, 153, 185, 251, 274 f., 281 ff., 306 ff., 332, 339, 341, 344, 347, 349, 356, 360, 364, 365 ff., 370, 376 ff.
– der Afrikanischen Union: 101 ff., 370 ff.
Verfassungswidriger Regierungswechsel: 18, 140 ff., 175 f., 268, 270, 298, 332, 339, 369, 370
– des Friedens- und Sicherheitsrates: 55 f.
Verhältnismäßigkeitsprinzip: 195, 201 f., 338 Verordnungen, der AU-Versammlung: 22 Verteidigungspolitik: 55, 59, 182 ff., 265, 372 f. Vertrag, völkerrechtlicher: 7, 51, 112, 118, 131, 183, 191, 224 ff., 249, 284, 292, 318, 324 volenti non fit injuria: 233 Völker, afrikanische: 105, 157 f., 237 Völkergewohnheitsrecht: 106, 115, 118, 243, 260, 264, 335 Völkermord: 58, 203, 227, 244, 251, 255, 260 ff., 269, 277 Völkerrechtssubjekt: 121, 131, 233, 284 Völkerrechtswidrigkeit: 116, 233, 238, 242, 277, 316, 328 f.
– der OAE: 103 ff., 275 – der Vereinten Nationen: 291 ff.
Zurechnung: 197 ff. Zwangsmaßnahmen: 224, 286, 288, 309 ff., 326 ff., 340, 344 f., 365, 377 f. Zwangsmittel: 116 Zwingendes Völkerrecht: 106, 118, 221 ff., 226, 227, 230, 231 ff., 237 ff., 243, 245, 249, 260, 318, 320, 374
Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Hrsg.: A. von Bogdandy, R. Wolfrum Bde. 27–59 erschienen im Carl Heymanns Verlag KG Köln, Berlin (Bestellung an: Max-Planck-Institut für Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg); ab Band 60 im Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong, Barcelona 224 David Barthel: Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union. 2011. XXV, 443 Seiten. Geb. E 94,95 223 Tilmann Altwicker: Menschenrechtlicher Gleichheitsschutz. 2011. XXX, 549 Seiten. Geb. E 99,95 222 Stephan Bitter: Die Sanktion im Recht der Europäischen Union. 2011. XV, 351 Seiten. € € € E 84,95 Geb. 221 Holger Hestermeyer, Nele Matz-Lück, Anja Seibert-Fohr, Silja Vöneky (eds.): Law of the Sea € in Dialogue. 2011. XII, 189 Seiten. Geb. E 69,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 220 Jan Scheffler: Die Europäische Union als rechtlich-institutioneller Akteur im System der € Vereinten Nationen. 2011. XXXV, 918 Seiten. Geb. E 149,95 219 Mehrdad Payandeh: Internationales Gemeinschaftsrecht. 2010. XXXV, 629 Seiten. Geb. E 99,95 218 Jakob Pichon: Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. 2011. XXVI, 399 Seiten. Geb. E 89,95 217 Michael Duchstein: Das internationale Benchmarkingverfahren und seine Bedeutung für den gewerblichen Rechtsschutz. 2010. XXVI, 528 Seiten. Geb. E 99,95 216 Tobias Darge: Kriegsverbrechen im nationalen und internationalen Recht. 2010. XXXV, 499 Seiten. Geb. E 94,95 215 Markus Benzing: Das Beweisrecht vor internationalen Gerichten und Schiedsgerichten in zwischenstaatlichen Streitigkeiten. 2010. L, 846 Seiten. Geb. E 139,95 214 Urs Saxer: Die internationale Steuerung der Selbstbestimmung und der Staatsentstehung. 2010. XLII, 1140 Seiten. Geb. E 169,95 213 Rüdiger Wolfrum, Chie Kojima (eds.): Solidarity: A Structural Principle of International Law. 2010. XIII, 238 Seiten. Geb. E 69,95 212 Ramin S. Moschtaghi: Die menschenrechtliche Situation sunnitischer Kurden in der Islamischen Republik Iran. 2010. XXIII, 451 Seiten. Geb. E 94,95 211 Georg Nolte (ed.): Peace through International Law. The Role of the International Law Commission. 2009. IX, 195 Seiten. Geb. E 64,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 210 Armin von Bogdandy, Rüdiger Wolfrum, Jochen von Bernstorff, Philipp Dann, Matthias Goldmann (eds.): The Exercise of Public Authority by International Institutions. 2010. XIII, 1005 Seiten. Geb. E 149,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 209 Norman Weiß: Kompetenzlehre internationaler Organisationen. 2009. XVIII, 540 Seiten. Geb. E 99,95 208 Michael Rötting: Das verfassungsrechtliche Beitrittsverfahren zur Europäischen Union. 2009. XIV, 317 Seiten. Geb. E 79,95 207 Björn Ahl: Die Anwendung völkerrechtlicher Verträge in China. 2009. XIX, 419 Seiten. Geb. E 289,95 206 Mahulena Hofmann: Von der Transformation zur Kooperationsoffenheit? 2009. XIX, 585 Seiten. Geb. E 299,95 205 Rüdiger Wolfrum, Ulrike Deutsch (eds.): The European Court of Human Rights Overwhelmed by Applications: Problems and Possible Solutions. 200 9. VIII, 128 Seiten. Geb. E 59, 95 zzgl. landesüblicher MwSt. 204 Niels Petersen: Demokratie als teleologisches Prinzip. 2 0 09. XXVII, 280 Seiten. Geb . E 79, 95 203 Christiane Kamardi: Die Ausformung einer Prozessordnung sui generis durch das ICTY unter Berücksichtigung des Fair-Trial-Prinzips. 2009. XVI, 424 Seiten. Geb. E 89, 95 202 Leonie F. Guder : The Administration of Debt Relief by the International Financial Institutions. 2009. XVIII, 355 Seiten. Geb. E 84, 95 zzgl. landesüblicher MwSt.
201 Silja Vöneky, Cornelia Hagedorn, Miriam Clados, Jelena von Achenbach: Legitimation ethischer Entscheidungen im Recht. 2009. VIII, 351 Seiten. Geb. E 84,95 200 Anja Katarina Weilert : Grundlagen und Grenzen des Folterverbotes in verschiedenen Rechtskreisen. 2009. XXX, 474 Seiten. Geb. E 94,95 199 Suzette V. Suarez: The Outer Limits of the Continental Shelf. 2008. XVIII, 276 Seiten. Geb. E 79,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 198 Felix Hanschmann: Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft. 2008. XIII, 370 Seiten. Geb. E 84,95 197 Angela Paul: Kritische Analyse und Reformvorschlag zu Art. II Genozidkonvention. 2008. XVI, 379 Seiten. Geb. E 84,95 196 Hans Fabian Kiderlen: Von Triest nach Osttimor. 2008. XXVI, 526 Seiten. Geb. E 94,95 195 Heiko Sauer: Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen. 2008. XXXVIII, 605 Seiten. Geb. E 99,95 194 Rüdiger Wolfrum, Volker Röben (eds.): Legitimacy in International Law. 2008. VI, 420 Seiten. Geb. E 84,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 193 Doris König, Peter-Tobias Stoll, Volker Röben, Nele Matz-Lück (eds.): International Law Today: New Challenges and the Need for Reform? 2008. VIII, 260 Seiten. Geb. E 69,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 192 Ingo Niemann: Geistiges Eigentum in konkurrierenden völkerrechtlichen Vertragsordnungen. 2008. XXV, 463 Seiten. Geb. E 94,95 191 Nicola Wenzel: Das Spannungsverhältnis zwischen Gruppenschutz und Individualschutz im Völkerrecht. 2008. XXXI, 646 Seiten. Geb. E 99,95 190 Winfried Brugger, Michael Karayanni (eds.): Religion in the Public Sphere: A Comparative Analysis of German, Israeli, American and International Law. 2007. XVI, 467 Seiten. Geb. E 89,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 189 Eyal Benvenisti, Chaim Gans, Sari Hanafi (eds.): Israel and the Palestinian Refugees. 2007. VIII, 502 Seiten. Geb. E 94,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 188 Eibe Riedel, Rüdiger Wolfrum (eds.): Recent Trends in German and European Constitutional Law. 2006. VII, 289 Seiten. Geb. E 74,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 187 Marcel Kau: United States Supreme Court und Bundesverfassungsgericht. 2007. XXV, 538 Seiten. Geb. E 99,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 186 Philipp Dann, Michal Rynkowski (eds.): The Unity of the European Constitution. 2006. IX, 394 Seiten. Geb. E 79,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 185 Pál Sonnevend: Eigentumsschutz und Sozialversicherung. 2008. XVIII, 278 Seiten. Geb. E 74,95 184 Jürgen Bast: Grundbegriffe der Handlungsformen der EU. 2006. XXI, 485 Seiten. Geb. E 94,95 183 Uwe Säuberlich: Die außervertragliche Haftung im Gemeinschaftsrecht. 2005. XV, 314 Seiten. Geb. E 74,95 182 Florian von Alemann: Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung. 2006. XVI, 518 Seiten. Geb. E 94,95 181 Susanne Förster: Internationale Haftungsregeln für schädliche Folgewirkungen gentechnisch veränderter Organismen. 2007. XXXVI, 421 Seiten. Geb. E 84,95 180 Jeanine Bucherer: Die Vereinbarkeit von Militärgerichten mit dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 8 Abs. 1 AMRK und Art. 14 Abs. 1 des UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte. 2005. XVIII, 307 Seiten. Geb. E 74,95 179 Annette Simon: UN-Schutzzonen – Ein Schutzinstrument für verfolgte Personen? 2005. XXI, 322 Seiten. Geb. E 74,95 178 Petra Minnerop: Paria-Staaten im Völkerrecht? 2004. XXIII, 579 Seiten. Geb. E 99,95 177 Rüdiger Wolfrum, Volker Röben (eds.): Developments of International Law in Treaty Making. 2005. VIII, 632 Seiten. Geb. E 99,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 176 Christiane Höhn: Zwischen Menschenrechten und Konfliktprävention. Der Minderheitenschutz im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). 2005. XX, 418 Seiten. Geb. E 84,95